Die Wiederaufnahme des Strafverfahrens zuungunsten des Angeklagten vor dem Hintergrund neuer Beweise [1 ed.] 9783428550333, 9783428150335

Die Arbeit beschäftigt sich mit der Frage, ob es möglich sein soll, beim Vorliegen neuer Beweise eine zuvor freigesproch

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Die Wiederaufnahme des Strafverfahrens zuungunsten des Angeklagten vor dem Hintergrund neuer Beweise [1 ed.]
 9783428550333, 9783428150335

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Schriften zum Strafrecht Band 298

Die Wiederaufnahme des Strafverfahrens zuungunsten des Angeklagten vor dem Hintergrund neuer Beweise Von

André Bohn

Duncker & Humblot · Berlin

ANDRÉ BOHN

Die Wiederaufnahme des Strafverfahrens zuungunsten des Angeklagten vor dem Hintergrund neuer Beweise

Schriften zum Strafrecht Band 298

Die Wiederaufnahme des Strafverfahrens zuungunsten des Angeklagten vor dem Hintergrund neuer Beweise

Von

André Bohn

Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Ruhr-Universität Bochum hat diese Arbeit im Jahre 2016 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2016 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany ISSN 0558-9126 ISBN 978-3-428-15033-5 (Print) ISBN 978-3-428-55033-3 (E-Book) ISBN 978-3-428-85033-4 (Print & E-Book)

Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Grundlage dieser Monographie ist meine Doktorarbeit, die im Februar 2016 von der Juristischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum als Dissertation angenommen wurde. Rechtsprechung und Literatur konnten bis einschließlich Juni 2016 berücksichtigt werden. Liest man sich Vorwörter von Dissertationen durch, gewinnt man leicht den Eindruck, dass ausschweifende Dankesbekundungen mittlerweile zum guten Stil gehören. Trotz der im Großen und Ganzen berechtigten Kritik (siehe nur: Küper, JZ 2000, 614) komme auch ich nicht ohne einige Danksagungen aus, zumal ihr Fehlen dem Einsatz der betreffenden Personen nicht gerecht werden würde. Zuerst möchte ich meinem Doktorvater, Herrn PD Dr. Jens Sickor, von Herzen danken. Er hat die Entstehung dieser Arbeit mit viel Interesse und Einsatz begleitet. Bei Fragen und Problemen konnte ich mich immer an ihn wenden. Das Betreuungsverhältnis war hervorragend, was im akademischen Betrieb keine Selbstverständlichkeit darstellt. Auch meiner Chefin und Zweitkorrektorin, Frau Prof. Dr. Sabine Swoboda, möchte ich an dieser Stelle danken. Sie hat mir wertvolle Hinweise gegeben und mir ausreichend Zeit zur Verfügung gestellt, um die Dissertation neben der Arbeit fertigzustellen. Das Zweitgutachten fertigte sie in den Weihnachtsferien an, um mir den zeitnahen Abschluss des Promotionsverfahrens zu ermöglichen. Auch dafür bedanke ich mich. Herrn Prof. Dr. Martin Asholt und Frau Prof. Dr. Sabine Swoboda danke ich zudem für die Teilnahme an der von meinem Doktorvater organisierten Videokonferenz, bei der ich die Möglichkeit bekam, meine Dissertation vorzustellen. Herr Prof. Dr. Ralf Neuhaus gab mir die Möglichkeit, mit ihm die Petersberger Tage 2015 zu besuchen. Auch dafür bedanke ich mich herzlich. Danken möchte ich zudem Herrn Stefano Zeni für die Übersetzung eines italienischen Urteils. Ohne meine Eltern, Marion und Michael Bohn, hätte ich diese Arbeit nicht fertigstellen können. Meiner Mutter danke ich insbesondere dafür, dass sie mir während der Zeit den Rücken freigehalten hat, damit ich mich auf die Dissertation konzentrieren konnte. Meinem Vater danke ich insbesondere für die zahlreichen Durchsichten der einzelnen Abschnitte und die vielen Verbesserungsvorschläge.

6

Vorwort

Ralf und Ulrike Kilimann danke ich ebenfalls für die Unterstützung während der Zeit meiner Promotion. Endlich möchte ich auch Frau Lena Kilimann danken: Sie war – in strafrechtlicher Terminologie – conditio-sine-qua-non für meine Möglichkeit, überhaupt zu promovieren. Ihr ist diese Arbeit gewidmet. Bochum, im Juli 2016

André Bohn

Inhaltsverzeichnis A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

17

B. Die Wiederaufnahme des Strafverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

22

C. Der Grundsatz „ne bis in idem“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

36

D. Strafprozessuale Zulässigkeit und Vereinbarkeit des § 362 StPO mit höherrangigem Recht und anderen Prinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Strafprozessuale Zulässigkeit des § 362 StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Vereinbarkeit des § 362 StPO mit Art. 103 III GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Reichweite des Art. 103 III GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Art. 103 III GG als Verbot erneuter Verfolgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Sonderfall: Art. 103 III GG und nichtige Urteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verhältnis des § 362 StPO zu Art. 103 III GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Fragen zu § 362 StPO vor dem Hintergrund des Europa- und Völkerrechts 1. Vereinbarkeit des § 362 StPO mit Art. 14 VII IPbpR, Art. 4 EMRK-Pr. 7 und Art. 50 GRC in seiner innerstaatlichen Wirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Transnationale Ne-bis-in-idem-Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. § 362 StPO vor dem Hintergrund der Art. 50 GRC, 54 SDÜ und 103 III GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Ergebnis zu der Vereinbarkeit des § 362 StPO mit dem Europa- und Völkerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Verhältnis des § 362 StPO zu den §§ 78 ff. StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das Institut der Verjährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Versuch einer Lösung des Konflikts anhand des Gesetzes . . . . . . . . . . . . . a) Verschiedene Lösungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Lösung über § 78b I Nr. 2 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Anwendbarkeit des Legalitätsprinzips im Wiederaufnahmeverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Ergebnis zur Anwendbarkeit des Legalitätsprinzips im Wiederaufnahmeverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Weitere Probleme bei der Lösung über § 78b I Nr. 2 StGB . . . . . dd) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Weitere Argumente der einzelnen Meinungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Berücksichtigung der Folgen der einzelnen Meinungen . . . . . . . . . . . . b) Die Reform der Verjährungsvorschriften von 1975 . . . . . . . . . . . . . . . . c) Beschuldigtenschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

47 47 56 57 57 62 83 100 101 117 137 143 143 145 148 148 150 151 157 157 159 160 160 161 162

8

Inhaltsverzeichnis d) Weitere Argumente für einen Neubeginn der Verjährung . . . . . . . . . . . aa) Argumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Weitere Argumente gegen das Weiterlaufen der Verjährung nach Freisprüchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Wiederaufnahme und Verjährung bei unterschiedlicher rechtlicher Würdigung im Ausgangs- und im Wiederaufnahmeverfahren . . . . . . . . . . . . . .

164 164 165 170 171 172

E. Schlussfolgerungen aus der bisherigen Untersuchung und Lösungsansätze . . 176 I. Zwischenergebnis und daraus resultierende Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . 176 II. Lösungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 F. Rechtskonforme Ausgestaltung des § 362 StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 I. § 362 Nr. 3 StPO i.V. m. § 370 I StPO als absoluter Wiederaufnahmegrund . 184 II. Fehlende Anknüpfung an die Schwere der begangenen Straftat . . . . . . . . . . . . 185 G. Erweiterung des § 362 StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Generelle Möglichkeit einer Erweiterung der Wiederaufnahmegründe in § 362 StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Notwendigkeit einer Erweiterung der Wiederaufnahmegründe in § 362 StPO III. Strafprozessuale Zulässigkeit und Vereinbarkeit einer Erweiterung des § 362 StPO mit höherrangigem Recht und anderen Prinzipien . . . . . . . . . . . . 1. Strafprozessuale Zulässigkeit einer Erweiterung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vereinbarkeit einer Erweiterung mit Art. 103 III GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Vereinbarkeit einer Erweiterung mit Art. 14 VII IPbpR, Art. 4 EMRKPr. 7 und Art. 50 GRC in seiner innerstaatlichen Wirkung . . . . . . . . . . . . . 4. Vereinbarkeit einer Erweiterung mit Art. 54 SDÜ, Art. 50 GRC und Art. 103 III GG in ihrer transnationalen Wirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Verstoß gegen Art. 3 I GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Verstoß gegen die Unschuldsvermutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Verstoß gegen den Grundsatz der Waffengleichheit oder den Nemo-tenetur-Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Gefahr der Ausweitung der nachteiligen Wiederaufnahme . . . . . . . . . . . . . . . .

193 193 200 217 217 219 238 242 242 253 273 283 286

H. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346

Abkürzungsverzeichnis a. A. a. a. O. ABl. Abl. EG Abs. Abschn. AEM AEU AEUV a. F. AK a. M. AnwK AöR ARSP Art. AT Aufl. BAGE BayObLG BayObLGSt BayRpflZ BB begr. Begr. Bek. Beschl. BezG BGBl. BGG BGH BGHR BGHSt BK

andere Ansicht am angegebenen Ort Amtsblatt der Europäischen Union Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft Absatz Abschnitt Applied and Environmental Microbiology (Online-Zeitschrift: http:// aem.asm.org) Arbeitsweise der Europäischen Union Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union alte Fassung Alternativkommentar am Main AnwaltKommentar Archiv des öffentlichen Rechts Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie Artikel Allgemeiner Teil Auflage Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts Bayerisches Oberstes Landesgericht Sammlung von Entscheidungen des Bayerischen Obersten Landesgerichts in Strafsachen Zeitschrift für Rechtspflege in Bayern Betriebsberater, Zeitschrift für Recht und Wirtschaft begründet Begründer Bekanntmachung Beschluss Bezirksgericht Bundesgesetzblatt Bonner Grundgesetz Bundesgerichtshof BGH-Rechtssprechung in Strafsachen (Loseblattsammlung) Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen Bonner Kommentar

10 BLJ BR Br. BRAK BR-Drs. BT BT-Drs. BVerfG BVerfGE BVerfGG BVerfGK bzw. C CCPR CDU CSU D. DAR DAV DDR DepotG ders. Der Staat d. h. dies. Diss. DJ DM DNA DNS DÖV DR DRB DRiZ DtZ DVBl.

Abkürzungsverzeichnis Bucerius Law Journal (Online-Zeitschrift: http://law-journal.de) Bundesrat Breisgau Bundesrechtsanwaltskammer Drucksachen des Bundesrats Bundestag Drucksachen des Bundestags Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bundesverfassungsgerichtsgesetz Kammerentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts beziehungsweise Teil C (communicatio) des Amtsblattes der Europäischen Union, der Mitteilungen und Bekanntmachungen enthält U.N. Covenant on Civil and Political Rights (englische Bezeichnung des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte) Christlich Demokratische Union Christlich-Soziale Union Digesten Deutsches Autorecht, Rechtszeitschrift des Allgemeinen Deutschen Automobil-Clubs Deutscher Anwaltverein Deutsche Demokratische Republik Gesetz über die Verwahrung und Anschaffung von Wertpapieren (Depotgesetz) derselbe, derselben Der Staat, Zeitschrift für Staatslehre und Verfassungsgeschichte, Deutsches und europäisches öffentliches Recht das heißt dieselbe; dieselben Dissertation Deutsche Justiz (Zeitschrift) Deutsche Mark deoxyribonucleic acid (englische Bezeichnung für Desoxyribonukleinsäure, DNS) Desoxyribonukleinsäure Die öffentliche Verwaltung, Zeitschrift für Verwaltungsrecht und Verwaltungspolitik Decisions and Reports of the European Commission of Human Rights Deutscher Richterbund Deutsche Richterzeitung Deutsch-Deutsche Rechts-Zeitschrift Deutsches Verwaltungs Blatt (Zeitschrift)

Abkürzungsverzeichnis EAGV ECHR E.E.C. EGGVG EGMR EGMR-E EGStGB EGStPO ehem. Einf. Einl. EMRK

EMRK-Pr. EnzEuR Erg.-Lfg. et al. EU EU/EUV EuG EuGH EU-GRCh EuGRZ EuLF EuR EuR-Bei EuVerf EuZW f. FDP ff. FG Fn. FS GA GenC GerS

11

Vertrag zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft Englische Abkürzung für EMRK European Economic Community Einführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz vom 27.01.1877 (RGBl. 1877, S. 77) Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch vom 02.03.1974 (BGBl. I 1974, S. 469; III 450-16) Einführungsgesetz zur Strafprozessordnung vom 01.02.1877 (RGBl. 1877, S. 346; BGBl. III 312-1) ehemaligen Einführung Einleitung Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 04.11.1950 (BGBl. II S. 685, 953) i. d. F. der Bek. vom 22.10.2010 (BGBl. II S. 1198) Protokoll zur EMRK Enzyklopädie Europarecht Ergänzungs-Lieferung et alii (lateinische Bezeichung für „und andere“) Europäische Union Vertrag über die Europäische Union Europäisches Gericht erster Instanz Gerichtshof der Europäischen Union Charta der Grundrechte der Europäischen Union Europäische Grundrechte-Zeitschrift The European Legal Forum, Forum iuris communis Europae (Zeitschrift) Europarecht (Zeitschrift) Europarecht-Beiheft (Zeitschrift) Vertrag über eine Verfassung für Europa Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht folgende Freie Demokratische Partei fortfolgende Festgabe (angefügt: Name des Geehrten) Fußnote Festschrift (angefügt: Name des Geehrten) Generalanwalt; Goltdammer’s Archiv für Strafrecht (Zeitschrift) General Comments des Ausschusses für Menschenrechte nach Art. 40 IV IPbpR Der Gerichtssaal (Zeitschrift)

12 GG ggf. GGK g. h. M. GLJ GR GRC(h) GS GVG Habil. Hans. HEGR HK h. M. HRLJ HRRS hrsg. Hrsg. Hs. HStR i. Br. i. d. F. IPbpR IRG i. S. IVR Jan. JICJ JÖR JR JSt JURA JuS JW JuWissBlog JZ Kap. KG

Abkürzungsverzeichnis Grundgesetz gegebenenfalls Grundgesetzkommentar ganz herrschende Meinung German Law Journal (Online-Zeitschrift: https://www.germanlawjour nal.com) Grundrecht/Grundrechte Charta der Grundrechte der Europäischen Union Gedächtnisschrift (angefügt: Name des Geehrten) Gerichtsverfassungsgesetz Habilitation Hanseatisches Handbuch der Europäischen Grundrechte Handkommentar herrschende Meinung Human Rights Law Journal (Fortführung von: The Human Rights Review) (Zeitschrift) Online-Zeitschrift für höchstrichterliche Rechtsprechung im Strafrecht (www.hrr-strafrecht.de) herausgegeben Herausgeber Halbsatz Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland im Breisgau in der Fassung Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen v. 23.12.1982, BGBl. I 1982, S. 2071 im Sinne Internationale Vereinigung für Rechts- und Sozialphilosophie Januar Journal of International Criminal Justice (Zeitschrift) Jahrbuch des öffentlichen Rechts Juristische Rundschau (Zeitschrift) Journal für Strafrecht (österreichische Zeitschrift) Juristische Ausbildung (Zeitschrift) Juristische Schulung (Zeitschrift) Juristische Wochenschrift (Zeitschrift) Junge Wissenschaft im Öffentlichen Recht (Online-Blog: http://www. juwiss.de) JuristenZeitung (Zeitschrift) Kapitel Kammergericht

Abkürzungsverzeichnis

13

KK Karlsruher Kommentar KMR Kleinknecht/Müller/Reitberger (Kommentar) Kriminalistik Kriminalistik, Zeitschrift für die gesamte kriminalistische Wissenschaft und Praxis Lfg. Lieferung LG Landgericht LK Leipziger Kommentar m. mit MAH Münchener Anwalts Handbuch MDR Monatsschrift für Deutsches Recht (Zeitschrift) MRK Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 04.11.1950 (BGBl. II S. 685, 953) i. d. F. der Bek. vom 22.10.2010 (BGBl. II S. 1198) MüKo Münchener Kommentar m.w. N. mit weiteren Nachweisen N. Nachweisen n. F. neue Fassung; neue Folge NJW Neue Juristische Wochenschrift N. N. nomen nescio Nr. Nummer NStZ Neue Zeitschrift für Strafrecht NStZ-RR Neue Zeitschrift für Strafrecht-Rechtsprechungsreport NVwZ Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht OLG Oberlandesgericht OWiG Gesetz über Ordnungswidrigkeiten vom 24.05.1968 i. d. F. der Bek. vom 19.02.1987 (BGBl. I S. 602) PKS Polizeiliche Kriminalstatistik PVS Politische Vierteljahresschrift (Zeitschrift) RGBl. Reichsgesetzblatt RGSt Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen RiStBV Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren Rn. Randnummer RuP Recht und Politik, Vierteljahreshefte für Rechts- und Verwaltungspolitik S. Satz; Seite SchlHA Schleswig-Holsteinische Anzeigen SDUE/SDÜ Schengener Durchführungsübereinkommen SK Systematischer Kommentar sog. sogenannten SPD Sozialdemokratische Partei Deutschlands SS Schutzstaffel StPO Strafprozeßordnung vom 01.02.1877 i. d. F. der Bek. vom 07.04.1987 (BGBl. I S. 1074)

14 StPO-E str. StraFo StrEG

StRR StV s. u. TPG U/Urt. u. ua/u. a. UAbs. U.N. UnrBesG USA usw. UVollzO v. VerfBlog VerfO VGH vgl. VRS VStGB VVDStRL VWVfG wistra WRV X. ZAkDR ZAR z. B. Ziff. ZIS

Abkürzungsverzeichnis Strafprozeßordnungsentwurf streitig, strittig, umstritten Strafverteidiger Forum (Zeitschrift) Gesetz zur Reform des Strafrechts (1. StrEG vom 25.06.1969, BGBl. I 1969, 645/III 450-13-1; 2. StrEG vom 04.07.1969, BGBl. I 1969 717/III 450-13-2; 4. StrEG vom 23.11.1973, BGBl. I 1973, 1725/III 450-13-4; 5. StrEG vom 18.06.1974, BGBl. I 1974, 1297/III 450-13-5; 6. StrEG vom 26.01.1998, BGBl. I 1998, 164/III 450-13-5; StrEG vom 26.01. 1998, BGBl. I 1998, 164/III 450-13-6) Strafrechtsreport, Arbeitzeitschrift für das gesamte Strafrecht Strafverteidiger (Zeitschrift) siehe unten Transplantationsgesetz Urteil und und andere Unterabsatz United Nations Landesgesetz von Rheinland-Pfalz zur Beseitigung nationalsozialistischen Unrechts in der Strafrechtspflege vom 23. März 1948 United States of America und so weiter Untersuchungshaftvollzugsordnung vom, von Verfassungsblog (Online-Blog: http://www.verfassungsblog.de) Verfahrensordnung Volksgerichtshof vergleiche Verkehrsrechtssammlung, Entscheidungen aus allen Gebieten des Verkehrsrechts Völkerstrafgesetzbuch Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer Verwaltungsverfahrensgesetz Zeitschrift für Wirtschafts- und Steuerstrafrecht Weimarer Reichsverfassung Decretales Gregorii IX./Liber Extra Zeitschrift der Akademie für deutsches Recht Zeitschrift für Ausländerrecht und Ausländerpolitik zum Beispiel Ziffer Zeitschrift für Internationale Strafrechtsdogmatik (Online-Zeitschrift: http://www.zis-online.com)

Abkürzungsverzeichnis ZJS ZP ZRP ZStW ZustErgG

ZWH ZZP

15

Zeitschrift für das Juristische Studium (Online-Zeitschrift: http://www. zjs-online.com) Zusatzprotokoll Zeitschrift für Rechtspolitik Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft Gesetz zur Ergänzung von Zuständigkeiten auf den Gebieten des Bürgerlichen Rechts, des Handelsrechts und des Strafrechts (Zuständigkeitsergänzungsgesetz) vom 07.08.1952 (BGBl. I S. 407) Zeitschrift für Wirtschaftsstrafrecht und Haftung im Unternehmen Zeitschrift für Zivilprozess

A. Einleitung Jede Rechtsordnung beinhaltet Möglichkeiten zur Behebung (mutmaßlicher) Mängel oder Fehler.1 Im Strafrecht liegt eine Möglichkeit in der Beantragung der Wiederaufnahme des Strafverfahrens. Erich Sello hatte bereits im Jahr 1911 zahlreiche Fälle auf Fehler hin untersucht;2 allerdings hat Max Alsberg – soweit ersichtlich – als erster den Zusammenhang zwischen Fehlurteil und dessen Beseitigung durch die Wiederaufnahme im Jahr 1913 in seiner Monographie „Justizirrtum und Wiederaufnahme“ behandelt.3 Im Jahr 1960 hatte Max Hirschberg die Gründe für Fehlurteile analysiert.4 Spätestens die Untersuchungen von Karl Peters zu Fehlerquellen im Strafprozess5 aus den 70er-Jahren haben die Wiederaufnahme des Strafverfahrens zur Beseitigung von Fehlern in den Fokus gerückt. Im Jahr 1992 wurde in den USA das Innocence Project gegründet, um Häftlingen, deren Unschuld durch einen DNA-Beweis belegt werden konnte, zu helfen, die Freiheit wiederzuerlangen.6 Dieses Projekt ist mittlerweile auch in der Bundesrepublik Deutschland bekannt;7 allerdings gibt es hier keine entsprechenden Initiativen.8 Außerdem brachten die Wiederaufnahmeverfahren zugunsten 1

Siehe nur: Koller, Theorie des Rechts, S. 116. Sello, Die Irrtümer der Strafjustiz und ihre Ursachen, passim. Wie hoch die Fehlurteilquote indes ist, wird höchst unterschiedlich beurteilt: So schätzt Eschelbach, in: Graf, § 261 Rn. 63.2., die Fehlurteilsquote im Strafprozess auf ungefähr 25%. Nach Schwenn, StV 2010, 705, 706, ist die „Dunkelziffer unentdeckter Fehlurteile“ jedenfalls hoch. Leitmeiers Schätzungen (Leitmeier, StV 2011, 766, 767) sind vorsichtiger. Nach einer Äußerung Fischers bei den Petersberger Tagen 2015 zu „Fehlerquellen im Strafprozess – Ursachen und Lösungen“ verbieten sich Vermutungen über die Häufigkeit von Fehlurteilen, weil niemand die Quote kenne oder einschätzen könne. So auch: Geipel, in: Wiederaufnahme in Strafsachen, Einleitung Rn. 5 und 70 ff.; Velten, GA 162 (2015), 387, 391. Siehe zum Ganzen auch mit Nachweisen aus der älteren Literatur: Weber-Klatt, Die Wiederaufnahme von Verfahren, S. 27. Speziell zu falschen Geständnissen siehe nur: Sickor, StV 2015, 516, 521. 3 Alsberg, Justizirrtum und Wiederaufnahme, passim. 4 Hirschberg, Das Fehlurteil im Strafprozeß, passim. 5 Peters, Fehlerquellen I–III, passim. 6 Siehe: www.innocenceproject.org/about, zuletzt aufgerufen am 13.06.2016. 7 Siehe anstatt aller: Jehle, Forensische Psychatrie, Psychologie, Kriminologie 2013, 220, 222; Pfeiffer/Görgen, ZRP 2005, 113, 115; Strate, in: MAH-Strafverteidigung, § 27 Wiederaufnahmeverfahren, Schrifttum. 8 Dies ist nach einer Aussage Strates bei den 8. Petersberger Tagen 2015 zu „Fehlerquellen im Strafprozess – Ursachen und Lösungen“ darauf zurückzuführen, dass der Verurteilte in den USA auch nach Eintritt der Rechtskraft Zugang zu den Beweisen hat, was in der Bundesrepublik Deutschland nicht der Fall sei. Vielmehr würde die Polizei in Deutschland bei ihrer Arbeit mit DNA-Analysen eher ein „guilty-project“ verfolgen. 2

18

A. Einleitung

von Ulvi Kulac,9 Hermine Rupp und anderen,10 Harry Wörz11 und Gustl Mollath12 in den letzten Jahren die Wiederaufnahme zugunsten des Verurteilten in die (rechtswissenschaftliche) Diskussion. Alle dargestellten Veröffentlichungen, Projekte und Fälle beziehen sich auf womöglich zu Unrecht Verurteilte, doch häufig geht mit der Verurteilung eines Unschuldigen auch die Nichtverfolgung eines Schuldigen einher.13 Sofern der (wahre) Täter wegen der Tat bereits vor Gericht gestanden hat und freigesprochen oder zu einer geringen Strafe verurteilt wurde, stellt sich die Frage, ob eine Wiederaufnahme zuungunsten des Angeklagten nach § 362 StPO in Betracht kommt. Bei einem Vergleich zwischen § 359 und § 362 StPO fällt sofort auf, dass in § 362 StPO kein Wiederaufnahmegrund der Beibringung neuer Tatsachen oder Beweismittel vorgesehen ist, während sich eine solche Regelung in § 359 Nr. 5 StPO zugunsten des Verurteilten und in § 373a StPO zuungunsten des Verurteilten im Rahmen eines vorangegangenen Strafbefehlverfahrens findet.14 Diese Diskrepanz zwischen den Vorschriften des § 359 Nr. 5 und § 373a StPO auf der einen und § 362 StPO auf der anderen Seite war bereits Gegenstand von mehreren Gesetzesanträgen und Reformbemühungen.15 Die aktuellste Gesetzesinitiative des Bundesrates aus dem Jahr 200716 forderte die Einfügung eines nachteiligen Wiederaufnahmegrundes für bestimmte Delikte, die mit lebenslanger Freiheitsstrafe geahndet werden, für den Fall, dass neue wissenschaftlich anerkannte Untersuchungsmethoden zu neuen Tatsachen oder Beweismitteln führen. Dieser Gesetzesinitiative lag ein Fall zugrunde, bei dem ein Mann eine Videothek überfallen hatte.17 Bei diesem Überfall kam die Ange9

Siehe dazu: Velten, GA 162 (2015), 387, 388 f. Siehe wiederum: Velten, GA 162 (2015), 387 f. 11 Siehe zu diesen Verfahren: Neuhaus, StV 2015, 185; Velten, GA 162 (2015), 387, 389. 12 Siehe zu dem Fall Mollath: Hauer, ZRP 2013, 209 ff. 13 Deckers, StraFo 2015, 265. 14 Ausführlich zu § 373a StPO: Possienke, Die Regelung des § 373a StPO, passim. 15 Siehe zum Beispiel: BT-Drs. 12/6219 und BT-Drs. 13/3594, wobei dieser Ansatz mit einer Einschränkung der Wiederaufnahme zum Nachteil des Angeklagten einherging; Fingas, Die Fehlentscheidungen, S. 135 f.; Tröndle, DRiZ 1968, 123, 125, der aus den Beratungen des Strafrechtsausschusses des Deutschen Richterbundes bezüglich der Reformierung der Wiederaufnahme im Rahmen der großen Strafrechtsreform berichtet; zuletzt: BR-Drs. 655/07; 222/10, und die entsprechende Stellungnahme der Bundesregierung, BT-Drs. 16/7957, S. 9; Koalitionsvertrag, S. 108; vgl. auch: Große Strafrechtskommission DRB, Gutachten Wiederaufnahme, S. 9 und 11 ff. 16 Siehe: BR-Drs. 655/07. 17 Zum Sachverhalt und den nachfolgenden Ermittlungen siehe: Müller-Piepenkötter, in: Bundesrat, Stenografischer Bericht, 837. Sitzung, S. 341. Ausführlich zum Sachverhalt auch: Dahlkamp, DER SPIEGEL 47/2008, Der letzte Versuch; Stellungnahme Kinzi, S. 1. 10

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stellte der Videothek ums Leben. Im anschließenden Prozess wurde der Angeklagte freigesprochen; man fand jedoch 11 Jahre später die DNA des Angeklagten auf dem Klebeband, das der Täter bei der Tat verwendet hatte. Mangels Wiederaufnahmegrund in § 362 StPO konnte das Verfahren nicht wiederaufgenommen werden. Ein vergleichbarer Fall wurde im Jahr 2015 bekannt:18 Eine 17-Jährige wurde im Jahr 1981 vergewaltigt und danach getötet. Der Verdächtige wurde im Jahr 1982 in einem ersten Verfahren zu lebenslanger Haft verurteilt. Der BGH hob dieses Urteil aber auf und verwies es zurück. Im Rahmen der neuen Verhandlung wurde der Verdächtige freigesprochen. Die Polizei fand jedoch nach dem Eintritt der Rechtskraft des Urteils die DNA des Angeklagten an der Binde des Opfers. Auch in diesem Fall kann de lege lata keine Wiederaufnahme zuungunsten des Angeklagten beantragt werden. Der Vater der Getöteten hat mittlerweile eine Petition zur Erweiterung des § 362 StPO in das Internet gestellt.19 Momentan unterstützen 103.870 Personen die Petition. Die Expertenkommission zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des allgemeinen Strafverfahrens und des jugendgerichtlichen Verfahrens hat hingegen in ihrem Bericht davon abgesehen „Vorschläge[n] zur Erweiterung der Wiederaufnahmemöglichkeiten zum Nachteil des Angeklagten [. . .] zu machen. Entsprechende Vorschläge des Bundesrats in einem Gesetzentwurf aus dem Jahr 2008 (Gesetz zur Reform des strafrechtlichen Wiederaufnahmerechts, BTDrucks. 16/7957) wurden im Hinblick auf hiergegen vorgetragene verfassungsrechtliche Bedenken nicht aufgegriffen.“ 20

18 Siehe zum Folgenden: Janisch, Unrechtssicherheit; N. N.: Schuldig – und trotzdem freigesprochen. Ausführlich zum Sachverhalt auch die Antwort der Landesregierung Niedersachsen auf eine Große Anfrage der Fraktion der CDU (Niedersächsischer Landtag Drs. 17/4809, abrufbar unter: www.landtag-niedersachsen.de/Drucksachen/Druck sachen_17_5000/4501-5000/17-4809.pdf, zuletzt aufgerufen am 13.06.2016): Niedersächsischer Landtag Drs. 17/5501, S. 2, abrufbar unter: www.landtag-niedersachsen.de/ Drucksachen/Drucksachen_17_7500/5501-6000/17-5501.pdf, zuletzt aufgerufen am 13.06.2016. 19 Siehe: https://www.change.org/p/heikomaas-gerechtigkeit-für-meine-ermordetetochter-frederike-der-mord-muss-gesühnt-werden-können, zuletzt aufgerufen am 13.06. 2016, hier auch zum Folgenden. 20 Siehe: Bericht der Expertenkommission zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des allgemeinen Strafverfahrens und des jugendgerichtlichen Verfahrens, S. 168, abrufbar unter: http://www.bmjv.de/DE/Ministerium/ForschungUndWissenschaft/ ExpertenkommReformStPO/ExpertenkommReformStPO.html, zuletzt aufgerufen am 13.06.2016.

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In einer repräsentativen Umfrage von infratest dimap zu der Erweiterung des § 362 StPO sprachen sich hingegen 91% der Befragten für eine entsprechende Erweiterung aus.21 Die beiden geschilderten Fälle beschreiben exemplarisch das Problem, das in dieser Arbeit untersucht werden soll: Bedarf es einer Erweiterung des § 362 StPO um einen Wiederaufnahmegrund bei dem Vorliegen neuer Beweise und wäre eine solche Erweiterung überhaupt zulässig?22 Dabei ist zu berücksichtigen, dass es viele Wege gibt, um das Ziel einer erneuten Aburteilung zu erreichen. Die Wiederaufnahme des Strafverfahrens zuungunsten des Angeklagten ist lediglich einer dieser Wege. Ein anderer Weg verläuft über den Tatbegriff:23 Denn je enger der Begriff der Tat im Rahmen des Verbots mehrfacher Strafverfolgung gehandhabt wird, desto mehr kann unter Umgehung des Ne-bis-in-idem-Schutzes auch noch in einem späteren Strafverfahren abgeurteilt werden.24 Außerdem kann die Rechtskraftwirkung auf bestimmte Arten von Entscheidungen beschränkt werden, um in gewissen Konstellationen eine erneute Aburteilung zu ermöglichen,25 oder die Rechtskraft kann bereits unter einem Vorbehalt der Wiederaufnahme definiert werden.26 Weiterhin könnte man mit dem Institut nichtiger Strafurteile eventuell das Verbot der erneu21 Die Studie ist abrufbar unter: https://www.abgeordnetenwatch.de/sites/abgeordne tenwatch.de/files/petitionplus-stpo-umfrageergebnisse-infratest-2016-04-08.pdf, zuletzt aufgerufen am 13.06.2016. 22 Auf § 66b StGB i.V. m. § 275a StPO, die letztlich ebenfalls eine Wiederaufnahme zuungunsten des Angeklagten wegen neuer Beweise darstellen, soll in der Arbeit nicht eingangen werden. Siehe dazu nur: Eschelbach, in: KMR V, § 362 Rn. 68 ff. Gleiches gilt für die §§ 174 und 211 StPO. 23 Ausführlich dazu: Greco, Strafprozesstheorie und materielle Rechtskraft, S. 378 ff. und 969 m.w. N.; siehe zum Tatbegriff auch bereits: Neuhaus, Der strafverfahrensrechtliche Tatbegriff – „ne bis in idem“, passim. 24 Siehe zu einem solchen Vorgehen etwa den BGH im Rahmen des Tatbegriffs in Art. 54 SDÜ: BGHSt 59, 120, 122 Rn. 8 und 124 ff. Rn. 13 ff. Eine Besprechung des Urteils findet sich bei: Hecker, StV 2014, 461 ff., der richtigerweise darauf hinweist, dass im zugrunde liegenden Fall mangels Jurisdiktionsgewalt des aburteilenden Gerichts die Voraussetzung der rechtskräftigen Aburteilung im Rahmen des Art. 54 SDÜ nicht erfüllt war; siehe auch die Besprechung von: Zehetgruber, JR 2015, 184 ff. Zu einem solchen Vorgehen im Rahmen des strafprozessualen Tatbegriffs vgl. beispielsweise: BGHSt 13, 21 ff.; 23, 141, 144 ff.; 29, 288, 289 ff. kritisch zu diesen Urteilen: Neuhaus, Der strafverfahrensrechtliche Tatbegriff – „ne bis in idem“, S. 16 f., 18 f. und 21 f. 25 Siehe dazu: Greco, Strafprozesstheorie und materielle Rechtskraft, S. 970. So wurde dem Strafbefehl nach früherer Rechtsprechung nur eine beschränkte Rechtskraftwirkung zuteil, siehe: BGHSt 9, 10, 11, und die Nachweise bei: BVerfGE 3, 248, 251 f.; gebilligt durch das Bundesverfassungsgericht in: BVerfGE 3, 248, 253 ff. Siehe dazu auch: Possienke, Die Regelung des § 373a StPO, S. 5 ff. 26 Siehe dazu: Schmoller, in: „Ne bis in idem“ in Europa, S. 115, 126 f.; Vogel, in: FS Schroeder, S. 877, 884; vgl. auch: Bauer, JZ 1952, 209, 210.

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ten Strafverfolgung umgehen.27 Endlich kann man, anstatt einen neuen Wiederaufnahmegrund einzuführen, das Verhalten, das eigentlich die Wiederaufnahme ermöglichen soll, unter Strafe stellen, sogenanntes contempt of court.28 Die folgenden Erörterungen beziehen sich bewusst nur auf den ersten der dargestellten Wege: Die Wiederaufnahme des Strafverfahrens zuungunsten des Angeklagten. Zur Einführung in das Thema soll jeweils ein kurzer historischer Überblick über die Wiederaufnahme des Strafverfahrens und den Ne-bis-in-idem-Grundsatz als entscheidender Gradmesser für die Zulässigkeit von Wiederaufnahmeregelungen zuungunsten des Angeklagten gegeben werden. Bevor auf eine etwaige Erweiterung des § 362 StPO eingegangen wird, muss zudem erörtert werden, ob die jetzige Regelung des § 362 StPO zulässig – das heißt insbesondere verfassungskonform – ist. Erst im Anschluss wird zunächst auf die generelle Möglichkeit einer Erweiterung des § 362 StPO, dann auf die Notwendigkeit und schließlich auf die Zulässigkeit einer Erweiterung des § 362 StPO um einen Wiederaufnahmegrund wegen neuer Beweise eingegangen. Zum Schluss wird auf die Gefahren hingewiesen, die mit einer entsprechenden Erweiterung verbunden wären.

27 Greco, Strafprozesstheorie und materielle Rechtskraft, S. 970. Ausführlich zu der Nichtigkeit von Strafurteilen und den Einfluss auf den Strafklageverbrauch unten unter D. II. 1. b). 28 Siehe dazu: Greco, Strafprozesstheorie und materielle Rechtskraft, S. 970, und konkret in Bezug auf den Wiederaufnahmegrund des Geständnisses S. 984; vgl. auch: Mansdörfer, Das Prinzip des ne bis in idem, S. 50.

B. Die Wiederaufnahme des Strafverfahrens Die Wiederaufnahme des Strafverfahrens ist in den §§ 359 ff. StPO geregelt. Das Gesetz unterscheidet zwischen der Wiederaufnahme zugunsten des Verurteilten nach § 359 StPO und der Wiederaufnahme zuungunsten des Angeklagten nach § 362 StPO.1 Die Wiederaufnahmegründe sind jeweils enumerativ und abschließend2 aufgelistet. Einen weiteren Wiederaufnahmegrund enthält das Bundesverfassungsgerichtsgesetz: Nach § 79 I BVerfGG ist die Wiederaufnahme des Verfahrens nach den Vorschriften der Strafprozeßordnung gegen ein rechtskräftiges Strafurteil zulässig, wenn dieses auf einer mit dem Grundgesetz für unvereinbar oder nach § 78 BVerfGG für nichtig erklärten Norm oder auf der Auslegung einer Norm beruht, die vom Bundesverfassungsgericht für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt worden ist. Normen im Sinne des § 79 I BVerfGG sind nur solche des materiellen Strafrechts.3 Außerdem findet § 79 I BVerfGG nach § 95 III 3 BVerfGG Anwendung, wenn ein Gesetz im Rahmen einer Verfassungsbeschwerde für nichtig erklärt wurde. Ob diese Wiederaufnahmegründe im Bundesverfassungsgerichtsgesetz ebenfalls als abschließend anzusehen sind, ist umstritten.4 So wird beispielsweise von einer analogen Anwendung des § 79 I BVerfGG auf den Fall der verfassungskon1

Dies war allerdings nicht immer so: In § 359 der Reichsstrafprozeßordnung, der von 1943 bis 1945 galt, wurde die Wiederaufnahme zugunsten und zuungunsten des Verurteilten bzw. Freigesprochenen gleich behandelt, siehe: RGBl. I 1943, S. 345. Auf die §§ 172 II und 211 StPO, die teilweise ebenfalls als Wiederaufnahmegründe zuungunsten des Angeklagten angesehen werden (siehe zum Beispiel: Geppert, GA 119 (1972), 165, 177; für § 211 StPO: Stuckenberg, in: Löwe-Rosenberg V, § 211 Rn. 1 m.w. N.), soll nicht weiter eingegangen werden. 2 Beulke, Strafprozessrecht, Rn. 585 f.; Gössel, in: Löwe-Rosenberg VII/2, Vor § 359 Rn. 17; Greco, Strafprozesstheorie und materielle Rechtskraft, S. 863; Peters, Fehlerquellen III, S. 45, der allerdings an anderer Stelle (Peters, Strafprozeß, S. 678) eine analoge Anwendung des § 362 Nr. 4 StPO befürwortet; Satzger, Die Europäisierung des Strafrechts, S. 673; E. Schmidt, Deutsches Strafprozeßrecht, S. 208; Schmidt, in: KK, Vor § 359 Rn. 15; a. A. bezüglich einer analogen Anwendung des § 359 Nr. 6 StPO: LG Ravensburg, NStZ-RR 2001, 115 f.; ausführlich gegen eine analoge Anwendung des § 362 StPO: Marxen, JZ 1997, 630, 631; generell kritisch zum abschließenden Charakter des § 359 StPO: Kaspar, in: SSW-StPO, Vor §§ 359 ff. StPO Rn. 15. Zu einer analogen Anwendung der Wiederaufnahmevorschriften auf Beschlüsse siehe: Geppert, GA 119 (1972), 165, 177 ff. Zu der Frage, ob eine Analogie im Strafverfahrensrecht generell erlaubt ist, siehe nur: Peters, Strafprozeß, S. 91 f. 3 BVerfGE 11, 263, 265; Bethge, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, § 79 Rn. 36.

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formen Auslegung einer Norm durch das Bundesverfassungsgericht5 für den Fall, dass das Bundesverfassungsgericht eine bestimmte Art der Auslegung zunächst billigt, dann aber für verfassungswidrig erklärt,6 und für § 79 I BVerfGG entsprechende Entscheidungen eines Landesverfassungsgerichts7 ausgegangen. Außerdem gehen namentlich Jokisch8 und Satzger9 davon aus, dass man § 79 I BVerfGG auch auf Urteile des EuGH anwenden müsse, in denen eine Norm für unionsrechtswidrig erklärt wird.10 Nach herrschender Meinung ist keine Wiederaufnahme zuungunsten des Angeklagten nach § 79 I BVerfGG möglich.11 Darüber hinaus existieren mit § 18 I und II ZustErgG Wiederaufnahmemöglichkeiten zugunsten des Verurteilten gegen Urteile der Wehrmachts- und Sondergerichte.12 Ziel der Wiederaufnahme des Strafverfahrens ist es, rechtskräftige Fehlentscheidungen aufzuheben.13 Davon ausgehend gestaltet es sich bereits als schwierig zu definieren, wann überhaupt eine Fehlentscheidung vorliegt.14 So ist es beispielsweise zu eng, Fehlentscheidungen – in Abweichung vom Ausgangsverfahren – lediglich in Fällen erwiesener Schuld oder Unschuld anzunehmen,15 weil dann Fälle unberücksichtigt blieben, in denen die Schuld oder Unschuld nicht festgestellt werden kann. Umgekehrt kann man einen Freispruch aus Man4 Dafür: LG Hannover NJW 1970, 288, 289; LG Trier NJW 1997, 472, 473; Pestalozza, Verfassungsprozeßrecht, § 20 Rn. 75; Stoffers, ZRP 1998, 173, 176; a. A.: BGHSt 42, 314, 318; 42, 324, 330; OLG Zweibrücken NJW 1996, 2246; Wasserburg, StV 1982, 237, 243. 5 Böckenförde, NJW 1970, 870; Gössel, in: Löwe-Rosenberg VII/2, Vor § 359 Rn. 160. 6 Dehn, NStZ, 143, 144; Graßhof, NJW 1995, 3085, 3090. 7 Frister, in: SK-StPO VII, § 359 Rn. 80; Gössel, in: Löwe-Rosenberg VII/2, Vor § 359 Rn. 159; Marxen/Tiemann, Die Wiederaufnahme in Strafsachen, Rn. 525; Peters, Fehlerquellen III, S. 68. 8 Jokisch, Gemeinschaftsrecht und Strafverfahren, S. 225 ff. 9 Satzger, Die Europäisierung des Strafrechts, S. 680 ff. 10 A. A.: OLG Karlsruhe, Urteil vom 09. August 2004 – 3 Ws 182/04 –, juris Rn. 5; Gössel, in: Löwe-Rosenberg VII/2, Vor § 359 Rn. 160. Soweit ersichtlich gibt es keine weiteren Urteile zu dieser Problematik. Es stellt sich daher die Frage, ob die Rechtsprechung mitllerweile eine analoge Anwendung des § 79 I BVerfGG in Betracht ziehen würde. 11 So beispielsweise: Greco, Strafprozesstheorie und materielle Rechtskraft, S. 991 m.w. N.; siehe zum Ganzen: Eschelbach, in: KMR V, § 362 Rn. 12 ff.; vgl. ebenfalls: LG Aachen NJW 1962, 1973, 1974 f. 12 Siehe dazu nur: Gössel, in: Löwe-Rosenberg VII/2, Vor § 359 Rn. 101 ff. 13 Peters, Strafprozeß, S. 668. 14 Siehe dazu auch ausführlich: Geipel, in: Wiederaufnahme in Strafsachen, Einleitung Rn. 59 ff. 15 Lange, Fehlerquellen im Ermittlungsverfahren, S. 3 f.; Peters, Fehlerquellen I, S. 11, hier auch zum Folgenden.

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gel an Beweisen aber nicht zwangsläufig als Fehlentscheidung ansehen, weil die Strafprozessordnung den Freispruch bei Zweifeln des Gerichts bezüglich der Schuld des Angeklagten ausdrücklich vorsieht16 und man in der Regel (auch nachträglich) nicht weiß, ob der Angeklagte schuldig ist. Eine rein materielle Betrachtungsweise in der Form, dass ein Fehlurteil vorliegt, wenn das Urteil nicht mit der materiellen Rechtslage im Einklang steht,17 überzeugt daher nicht. Richtigerweise muss der Begriff des Fehlurteils sowohl das materielle Strafrecht als auch das Strafprozessrecht in den Blick nehmen.18 Eine genaue Definition gestaltet sich jedoch als schwierig. Peters geht sogar davon aus, man die Fehlerhaftigkeit eines Urteils nicht nach formalen Kriterien feststellen könne.19 „Vielmehr [bedürfe] es der wertenden Beurteilung im Einzelfall.“ 20 Dem ist Ergebnis zuzustimmen. Der Begriff der Fehlentscheidung scheint einer abschließenden Definition kaum zugänglich. Jedenfalls muss bei der Einzelfallentscheidung, ob eine Fehlentscheidung vorliegt oder nicht aber das materielle und das Prozessrecht einbezogen werden. Auf die mit der Wiederaufnahme des Strafverfahrens verbundene Durchbrechung der Rechtskraft21 macht die Literatur unter anderem dadurch aufmerksam, dass der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens als außerordentlicher Rechtsbehelf 22, förmlicher Rechtsbehelf eigener Art 23 oder außerordentliches Rechtsmittel24 bezeichnet wird. Im Folgenden soll die Entwicklung des Instituts der Wiederaufnahme des Strafverfahrens unter Hervorhebung einzelner Regelungen nachvollzogen werden. Damit soll zum einen erläutert werden, wie es zu der heutigen Regelung des § 362 StPO kam. Zum anderen sind die älteren Vorschriften der Wiederaufnahme 16 BT-Drs. 12/6219, S. 7; Meyer, Wiederaufnahmereform, S. 71; vgl. auch: Saliger, Radbruchsche Formel und Rechtsstaat, 1995, S. 74. 17 So: Fingas, Die Fehlentscheidungen, S. 10; Kleinknecht, GA 108 (1961), 45, 46; dem folgend: Dippel, GA 119 (1972), 97, 98; so ebenfalls: Weber-Klatt, Die Wiederaufnahme von Verfahren, S. 26. 18 Vgl.: Lange, Fehlerquellen im Ermittlungsverfahren, S. 5; Peters, Fehlerquellen III, S. 33. 19 Peters, Fehlerquellen I, S. 12. 20 Peters, Fehlerquellen I, S. 12. 21 Vgl. die Überschrift des vierten Buches: „Wiederaufnahme eines durch rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens“ und den Wortlaut des § 362 StPO; daher ist eine Wiederaufnahme auch nur bei rechtskräftigen Entscheidungen möglich, siehe: Gössel, in: Löwe-Rosenberg VII/2, Vor § 359 Rn. 30. 22 Geerds, SchlHA 1964, 57, 65; Henkel, Strafverfahrensrecht2, S. 364; Satzger, Die Europäisierung des Strafrechts, S. 673; Schlüchter, Strafprozeßrecht, S. 229; so auch bereits: Arnold, GerS 3 I, 46. 23 So: Die Große Strafrechtskommission DRB, Gutachten Wiederaufnahme, S. 76; Kaspar, in: SSW-StPO, Vor §§ 359 ff.StPO Rn. 2; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, Vor § 359 Rn. 2. 24 Düwel, Der Grundsatz „Ne bis in idem“, S. 18 f.; Peters, Strafprozeß, S. 609.

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des Strafverfahrens zuungunsten des Angeklagten von Interesse, weil zum Teil auch noch in der heutigen Diskussion um eine Erweiterung des § 362 StPO mit alten Regelungen argumentiert wird.25 In den Digesten des römischen Rechts war grundsätzlich keine Wiederaufnahme des Strafverfahrens vorgesehen;26 nur in Ausnahmefällen erlaubte das römische Recht eine erneute Anklage: Wurde der Angeklagte im ersten Prozess freigesprochen, konnte der Geschädigte, sofern er nicht im ersten Prozess bereits als Ankläger aufgetreten war, erneut anklagen, wenn er von der ersten Klage nichts wusste und einen triftigen Grund für die erneute Klage anführte.27 Weiterhin war eine erneute Anklage erlaubt, wenn der erste Ankläger wegen Prävarikation28 verurteilt worden war.29 Ein weiterer Grund für eine Wiederaufnahme bei dem „Raub“ einer ledigen oder verheirateten Frau betraf den Fall, dass der Freispruch auf einer Absprache zwischen Ankläger und Angeklagtem beruhte.30 Auch wenn der Ankläger seine Klage unberechtigterweise nicht weiter verfolgte, konnte das Verfahren wiederaufgenommen werden.31 Außerdem gab es eine Art Gnadenentscheidung des Kaisers zugunsten des Verurteilten.32 Die einzelnen Wiederaufnahmegründe des römischen Rechts finden sich in der heutigen Strafprozessordnung nicht wieder. Dies lässt sich einerseits dadurch erklären, dass das deutsche Strafverfahren – anders als das damalige römische Recht – kein Parteiverfahren vorsieht.33 Andererseits sind Absprachen in ge25

Siehe dazu ausführlich unten unter G. III. 2. Siehe: Kaiser Antoninus D. 7, 52, 1 und 2 und Kaiser Gordianus D. 7, 52, 4. 27 Ulpian D. 48, 2, 7, 2; so auch: ders. D. 48, 5, 4, 2, für den Ehemann, wenn ein Dritter die erste Anklage gegen die Ehefrau wegen Ehebruchs erhoben hatte. Die Anklage lag damals in privater Hand, siehe nur: Waldstein/Rainer, Römische Rechtsgeschichte, S. 56. 28 Prävarikation meint Parteiverrat, vgl. Weidenkaff, in: Rechtswörterbuch, Stichwörter „Prävarikation“ und „Parteiverrat“. 29 Ulpian D. 43, 29, 3, 13. 30 Marcianus D. 48, 6, 5, 2. 31 Vgl. Paulus D. 48, 16, 6, 1–3, und Marcianus D. 48, 6, 5, 2; siehe ebenfalls: Berner, GA 3 (1855), 472, 481. 32 Siehe: D. 9, 51, 1 ff.; vgl. ebenfalls Ulpian D. 48, 18, 1, 27; 48, 19, 9, 11; Callistrat D. 48, 19, 27; nach Rüping, in: BK, Art. 103 III Rn. 2, konnte die Gnadengewalt auch zum Nachteil des Angeklagten ausgeübt werden; siehe zu diesem Institut auch: Rheingans, Die Ausbildung der strafprozessualen Rechtskraftlehre, S. 7. Zum heutigen Gnadenrecht und den Unterschieden zu der Wiederaufnahme des Strafverfahrens siehe: Große Strafrechtskommission DRB, Gutachten Wiederaufnahme, S. 36 ff. 33 Vgl. zum römischen Recht nochmals: Waldstein/Rainer, Römische Rechtsgeschichte, S. 56, und zum deutschen Strafverfahren nur: Schünemann, Strafverfahrensrecht, § 13 Rn. 1 ff. 26

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wissem Umfang im deutschen Strafverfahren vorgesehen.34 Allerdings hat die Wiederaufnahme auch in unserem heutigen Strafverfahren – wie im damaligen römischen Recht – Ausnahmecharakter. Auch besteht nach deutschem Recht die Möglichkeit, einen Gnadeantrag zu stellen.35 Das germanische Recht kannte keine Wiederaufnahme des Strafverfahrens.36 In der Neuzeit beschäftigte sich die Rechtswissenschaft erst wieder im frühen 19. Jahrhundert mit dem Institut der Wiederaufnahme.37 Einigkeit bestand darüber, dass eine Wiederaufnahme zugunsten des Verurteilten möglich sein müsse;38 die Möglichkeit einer Wiederaufnahme zuungunsten des Angeklagten war aber umstritten.39 Dies lag nicht zuletzt daran, dass die nachteilige Wiederaufnahme in der Neuzeit zunächst nicht kodifiziert war, sondern aus einer Analogie zu der begünstigenden Wiederaufnahme entwickelt wurde.40 So kannte die preußische Criminal-Ordnung von 1805 beispielsweise keine Wiederaufnahme zuungunsten des Angeklagten.41 Wenn aber Regelungen existierten, so waren diese höchst unterschiedlich ausgestaltet:42 Die §§ 474 ff. des österreichischen Strafgesetzbuchs über Verbrechen und schwere Polizey-Uebertretungen von 180343 enthielten detaillierte Regelungen 34

Siehe insbesondere § 257c StPO. Ausführlich zum deutschen Begnadigungsrecht: Schulz-Merkel, in: Handbuch für die strafrechtliche Nachsorge, Teil G. 36 Wasserburg, Die Wiederaufnahme des Strafverfahrens, S. 5; ausführlich zu den Hintergründen: Schöneborn, Strafprozessuale Wiederaufnahmeproblematik, S. 52 f. m.w. N. 37 Mittermaier, Das deutsche Strafverfahren II, S. 368 ff.; Stübel, Das Criminalverfahren V, §§ 3465 ff., unter der Bezeichnung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. 38 Mayer, GerS 99 (1930), 299 f., hier auch zum Folgenden. 39 Für diese Möglichkeit zum Beispiel: Stübel, Das Criminalverfahren V, §§ 3467 und 3473, vgl. aber § 3222; dagegen: Binding, Handbuch des Strafrechts I, S. 195; Kleinschrod, Archiv des Criminalrechts, 2. Band (1799), 3. Stück, 20, 28 f., zu den Ausnahmen bei Meineid oder neuen Beweisen siehe: Kleinschrod, Archiv des Criminalrechts, 2. Band (1799), 3. Stück, 20, 31; Mittermaier, Das deutsche Strafverfahren II, S. 369, wollte die nachteilige Wiederaufnahme nur zulassen, „wenn die Falschheit der Beweise, worauf das Unschuldserkenntnis gebaut wurde, unmittelbar nachgewiesen werden kann“. 40 Mayer, GerS 99 (1930), 299, 306 f. 41 Deml, Zur Reform der Wiederaufnahme, S. 6 f. 42 Ausführlich zu den unterschiedlichen Regelungen: Ziemba, Die Wiederaufnahme des Verfahrens, S. 27 ff. 43 Das gesamte Gesetz ist abrufbar unter: http://books.google.de/books?id=wTBE AAAAcAAJ&pg=PA259&dq=Strafgesetzbuch+%C3%BCber+Verbrechen+und+schwere +Polizey-Uebertretungen&hl=de&sa=X&ei=NDgKUvPLCcabtAb64IHgBw&ved=0CDw Q6AEwAg#v=onepage&q=Strafgesetzbuch%20%C3%BCber%20Verbrechen%20und% 20schwere%20Polizey-Uebertretungen&f=false, zuletzt aufgerufen am 13.06.2016. 35

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zur Wiederaufnahme des Strafverfahrens:44 Nach § 474 konnte eine erneute Anklage eines Verbrechens nach einem zuvor ergangenem Freispruch erfolgen, wenn die Verjährung nicht entgegenstand und ganz neue Beweise vorlagen, die eine Verurteilung erwarten ließen. Die Wiederaufnahme zuungunsten eines bereits Verurteilten unterwarf § 475 weiteren Restriktionen; sie war unter anderem von der Strafandrohung der begangenen Straftat und der zuvor bestimmten Strafe abhängig. Bevor im Folgenden weitere Gesetze und deren Wiederaufnahmeregelungen dargestellt werden, muss auch die sonstige damalige Entwicklung im Bereich des Strafrechts, die Auswirkungen auf die Ausgestaltung der Wiederaufnahme des Strafverfahrens hatte, kurz erläutert werden: Denn wenn man die Entwicklung des Wiederaufnahmerechts betrachtet, darf man den Wandel vom rein inquisitorischen Verfahren hin zur Aufnahme akkusatorischer Elemente in den Strafprozess nicht außer Acht lassen.45 Der rein inquisitorische Strafprozess zeichnete sich durch „gerichtliche Verbrechensverfolgung von Amts wegen in geheimem (sic!), schriftlichem (sic!) Verfahren“ 46 aus. Die maßgeblichen Errungenschaften der aufkommenden akkusatorischen Elemente waren die Einführung einer Staatsanwaltschaft als Anklagebehörde, das Mündlichkeitsprinzip, die freie Beweiswürdigung und der Untersuchungsgrundsatz.47 Gerade das Mündlichkeitsprinzip und die freie Beweiswürdigung stehen aber im Konflikt zu einer nachträglichen Überprüfung des Urteils,48 weil diese Grundsätze durch eine nachträgliche Überprüfung gerade wieder in Frage gestellt werden. Außerdem waren auch die Schwurgerichte,49 die in Deutschland ungefähr von 1848 bis zur Emmingerschen Justizreform von 1924 bestanden,50 nicht mit einer Wiederaufnahme zu vereinbaren,51 weil diese keine Entscheidungsgründe abfassten und neue und alte Beweise somit nicht gegenübergestellt werden konnten.52 Davon ausgehend – und vor

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Damals unter dem Begriff der Wiederaufnehmung der Untersuchung. Eine Verdrängung des Inquisitionsverfahrens durch das Akkusationsverfahren fand indes nicht statt, siehe dazu nur ausführlich: Sickor, Das Geständnis, S. 166 ff. 46 Lampe, GA 115 (1968, 33), 34; zum Inquisitionsprozess ebenfalls: Schmidt, Einführung in die Geschichte der deutschen Strafrechtspflege, S. 86 f. 47 Vgl. Lampe, GA 115 (1968), 33, 34; Wasserburg, Die Wiederaufnahme des Strafverfahrens, S. 8 f. 48 Vgl. Lampe, GA 115 (1968), 33, 34 f.; zu den beiden Grundsätzen siehe nur: Schünemann, Strafverfahrensrecht, § 16 Rn. 1, § 46 Rn. 1 ff. und § 45 Rn. 42 ff. 49 Die Schwurgerichte zeichneten sich dadurch aus, dass die Geschworenen als Laien über die Schuldfrage entschieden, vgl. nur: Weidenkaff, in: Rechtswörterbuch, Stichwort „Schwurgericht“. 50 Siehe nur: Landau, in: The trial jury, S. 241, 268 und 303. 51 Vgl. Mittermaier, Das deutsche Strafverfahren II, S. 351 f. 52 Vgl. Rheingans, Die Ausbildung der strafprozessualen Rechtskraftlehre, S. 38, in Bezug auf Frankreich. 45

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dem Hintergrund des absolut verstandenen Gedankens der Rechtskraft – wurden die Möglichkeiten der Wiederaufnahme des Strafverfahrens beschränkt.53 Unter dem Eindruck der Reformbestrebungen in Richtung akkusatorischer Elemente entstand im damaligen Frankreich der Code d’instruction criminelle von 1812.54 Er galt in mehreren Gebieten, die sowohl vor als auch nach der Herrschaft Napoleons zu Deutschland gehörten.55 Außerdem übernahmen viele Gebiete die Regelungen des Code d’instruction criminelle teilweise oder vollständig.56 Die Wiederaufnahme des Verfahrens zuungunsten des Angeklagten ließ der Code d’instruction criminelle nicht zu. Lediglich drei Gründe für eine „Revision“ zugunsten des Verurteilten waren vorgesehen:57 nach Art. 443 im Falle zweier sich widersprechender Urteile, nach Art. 444 im Falle einer angeblichen „Mordthat“, wenn das vermeintliche Opfer noch lebte, und nach Art. 445, wenn ein Zeuge im Prozess ein falsches Zeugnis abgelegt hatte. Die §§ 387 ff. des Strafgesetzbuches für das Königreich Baiern von 1813 erlaubten hingegen im Rahmen der „Wiederaufnahme der Untersuchung“ auch die nachteilige Wiederaufnahme.58 Der Grund für die Normierung der nachteiligen Wiederaufnahme dürfte darin liegen, dass dem Strafgesetzbuch für das Königreich Baiern noch der reine Inquisitionsprozess zugrunde lag.59 In Art. 387 des Strafgesetzbuches für das Königreich Baiern erfolgte zum ersten Mal eine beispielhafte Aufzählung von Wiederaufnahmegründen zuungunsten des Angeklag53 Vgl. teilweise mit weiteren Gründen: Deml, Zur Reform der Wiederaufnahme, S. 8; Lampe, GA 115 (1968), 33, 35; Peters, Fehlerquellen III, S. 23; Wasserburg, Die Wiederaufnahme des Strafverfahrens, S. 9. 54 Vgl.: Ziemba, Die Wiederaufnahme des Verfahrens, S. 32; das gesamte Gesetz ist mit deutscher Übersetzung abrufbar unter: http://books.google.de/books/download/ Code_criminel_de_la_France.pdf?id=tg9DAAAAcAAJ&hl=de&output=pdf&capid=AF LRE70vOe9OrwD-Dc4ZrCeSyOANLh5u7CutsXCQ_aniBZV5HcWdv2D8kxsUwiYuxj Hb5DToFxpQO9hGeHBUe3-NplC9TIWQw9CM7Y_dEu6tBSI7JcKzBSE&captcha=our pread, zuletzt aufgerufen am 13.06.2016. 55 Nach Gergen, in: 200 Jahre Code d’instruction criminelle, S. 40, galt er in allen links-rheinischen Gebieten; Dippel, GA 119 (1972), 97, 104 Fn. 68, spricht von dem Bezirk Köln, der bayrischen Pfalz und Elsaß-Lothringen; Ziemba, Die Wiederaufnahme des Verfahrens, S. 32 f., nennt die preußischen Rheinlande, die bayrische Pfalz und Rheinhessen. 56 Siehe: Mayer, GerS 99 (1930), 299, 309 f.; Müller, Die Wiederaufnahmegründe im kommenden Strafverfahren, S. 4; Peters, Fehlerquellen III, S. 24; ausführlich: N. N., GA 6 (1858), 515, 526 ff. 57 Vgl. hierzu auch: Rheingans, Die Ausbildung der strafprozessualen Rechtskraftlehre, S. 39. 58 Das gesamte Gesetz ist abrufbar unter: http://books.google.com/books?id= H8BRAAAAMAAJ&printsec=frontcover&source=gbs_ge_summary_r&cad=0#v=one page&q&f=false, zuletzt aufgerufen am 13.06.2016. 59 Vgl. Dippel, GA 119 (1972), 97, 105.

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ten bei einem Freispruch aufgrund falscher Beweise.60 Aus den neuen Beweisen musste sich die Falschheit der Beweise, die dem Freispruch zugrunde lagen, ergeben. An diesem Art. 387 orientierte sich unter anderem § 47 des Königlichen Hannoverschen Gesetzes über das gerichtliche Verfahren von 1840.61 Dort war eine Wiederaufnahme vorgesehen, wenn neue Beweise gefunden wurden, die für sich allein ausreichten, den Angeschuldigten zu verurteilen. Vorreiter einer autonomen Strafprozessordnung unter Zugrundelegung des Anklageprinzips war die badische Strafprozeßordnung von 1845.62 Die Regelungen der §§ 302 ff., die eine Wiederaufnahme zuungunsten des Angeklagten vorsahen, bedeuteten eine Abkehr vom französischen Code d’instruction criminelle, der die nachteilige Wiederaufnahme nicht erlaubte. § 302 Nr. 1 der badischen Strafprozeßordnung ließ die Wiederaufnahme zuungunsten des Freigesprochenen zu, wenn der Freispruch aufgrund einer Fälschung, eines falschen Zeugnisses, einer Bestechung oder einer anderen strafbaren Handlung erging. Ein Strafgericht musste die strafbaren Handlungen jedoch zuvor durch Urteil feststellen.63 In § 302 Nr. 2 war der Wiederaufnahmegrund des Geständnisses normiert. Schließlich war in § 302 Nr. 3 eine Wiederaufnahme vorgesehen, wenn es zu Verurteilungen von anderen Personen wegen derselben Tat gekommen war und sich in diesen Verhandlungen Beweise gegen den Freigesprochenen ergeben hatten, die geeignet waren, seine Mittäterschaft zu belegen. Die Wiederaufnahme des Strafverfahrens zuungunsten eines bereits Verurteilten war nach § 303 weiteren Einschränkungen unterworfen: In beiden Fällen des § 303 war Voraussetzung für eine Wiederaufnahme, dass das Gesetz für das wirklich verübte Verbrechen eine höhere Strafart64 vorsah als für das zuvor – fälschlicherweise – abgeurteilte Verbrechen.

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Vgl. Ziemba, Die Wiederaufnahme des Verfahrens, S. 29. Abgedruckt im Anhang der Jahrbücher für die Preußische Gesetzgebung, Rechtswissenschaft und Rechtsverwaltung 63 (1844), 573 ff., abrufbar unter: http://books. google.com/books?id=qNFDAAAAcAAJ&pg=PA573&dq=hannoversches+gesetz+%C3 %BCber+das+gerichtliche+verfahren+in+kriminalsachen&hl=en&sa=X&ei=0qkLUsqH GMavPIamgeAK&ved=0CC0Q6AEwAA#v=onepage&q=hannoversches%20gesetz%20 %C3%BCber%20das%20gerichtliche %20verfahren%20in%20kriminalsachen&f=false, zuletzt aufgerufen am 13.06.2016; vgl. dazu auch Ziemba, Die Wiederaufnahme des Verfahrens, S. 30, der auch auf einen entsprechenden Artikel in der württembergischen Strafprozeßordnung hinweist. 62 Siehe: Ziemba, Die Wiederaufnahme des Verfahrens, S. 35. 63 Ausführlich zu § 302 Nr. 1: Ziemba, Die Wiederaufnahme des Verfahrens, S. 35 f., wonach diese Regelung eine große Bedeutung für die „Entwicklung der nachteiligen Wiederaufnahme“ darstellte. 64 Nach Ziemba, Die Wiederaufnahme des Verfahrens, S. 41, war die Unterteilung der Delikte in Übertretungen, Vergehen und Verbrechen gemeint. 61

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§ 303 Nr. 1 bezog sich auf § 302 Nr. 2 und Nr. 3: Aus den dort erwähnten Geständnissen oder Beweismitteln musste sich ergeben, dass das Verbrechen eine schwerere Eigenschaft hatte, als im früheren Urteil angenommen worden war. Nach § 303 Nr. 2 war eine Wiederaufnahme möglich, wenn in der strafbaren Handlung im Sinne des § 302 Nr. 1 der Grund dafür lag, dass ein milderes Urteil ergangen war. Die Verjährung schloss nach § 309 der badischen Strafprozeßordnung eine Wiederaufnahme sowohl gegenüber dem Freigesprochenen als auch gegenüber dem bereits Verurteilten aus.65 Auch wenn man sich den Code d’instruction criminelle bezüglich der Einführung der nachteiligen Wiederaufnahme nicht zum Vorbild nahm, zeigten sich auch in der badischen Strafprozeßordnung Ähnlichkeiten zu den französischen Regelungen:66 Zu nennen sind etwa die enumerative Aufzählung der Wiederaufnahmegründe, der Ausschluss der Wiederaufnahme bei Straftaten im Zuständigkeitsbereich der Amtsgerichte nach § 309 der badischen Strafprozeßordnung und die Voraussetzung einer strafbaren Handlung für einen Wiederaufnahmegrund; eine bloße Falschaussage war nicht ausreichend.67 Dahinter stand der Gedanke, dass jemandem, der eine strafbare Handlung begeht, dadurch kein Vorteil entstehen sollte.68 Dies läuft im Ergebnis darauf hinaus, dass § 302 Nr. 1 die nachteilige Wiederaufnahme ermöglichte, wenn der Angeklagte im ersten Prozess durch eine eigene strafbare Handlung oder die eines Dritten seinen Anspruch auf Rechtssicherheit verloren hatte.69 Dieselben Erwägungen liegen heute § 362 Nr. 1–3 StPO zu Grunde.70 Der Wiederaufnahmegrund des § 302 Nr. 2 der badischen Strafprozeßordnung beruhte auf unterschiedlichen Überlegungen: Das gerichtliche Geständnis sollte eine Wiederaufnahme ermöglichen, weil der Geständige in einem solchen Fall selbst danach strebe, dass gegen ihn eine erneute Untersuchung eingeleitet werde.71 Mit einer Begründung für den Wiederaufnahmegrund des außergerichtlichen Geständnisses tat man sich indes schwerer: Im Rahmen des Gesetzgebungsprozesses war es umstritten, ob ein außergerichtliches Geständnis die Wie-

65 Ausführlich zu dem Verhältnis zwischen Wiederaufnahme und Verjährung im geltenden Recht unten unter D. IV. 66 Siehe: Ziemba, Die Wiederaufnahme des Verfahrens, S. 36 und 42, hier auch zum Folgenden. 67 Vgl. auch: Ziemba, Die Wiederaufnahme des Verfahrens, S. 37. 68 Thilo, Die Strafgesetzgebung des Großherzogthums Baden, S. 253. 69 Vgl. Ziemba, Die Wiederaufnahme des Verfahrens, S. 38. 70 Siehe dazu unten unter D. I. 71 Thilo, Die Strafgesetzgebung des Großherzogthums Baden, S. 253.

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deraufnahme ermöglichen sollte.72 Selbst Thilo, der sich im Ergebnis für die Regelung aussprach,73 gab zu, dass das außergerichtliche Geständnis lediglich ein neues Beweismittel darstelle.74 Vor dem Hintergrund, dass die badische Strafprozeßordnung die nachteilige Wiederaufnahme aufgrund neuer Beweise generell – abgesehen von § 302 Nr. 3 – nicht zuließ, könne man sich durchaus auf den Standpunkt stellen, dass auch bei einem außergerichtlichen Geständnis als neues Beweismittel keine nachteilige Wiederaufnahme stattfinden solle. Letztlich wurde die Bestimmung aber damit begründet, dass andere Strafprozeßordnungen sogar eine generelle nachteilige Wiederaufnahme aufgrund neuer Beweise vorsahen.75 Die restriktive Regelung des § 302 Nr. 2, die als neues Beweismittel lediglich ein (gerichtliches oder außergerichtliches) Geständnis zuließ, trage dem Gedanken der Humanität hinreichend Rechnung. Außerdem wurde es als „öffentliche[s] Ärgerniß“ 76 angesehen, wenn ein Freigesprochener sich in der Öffentlichkeit der Tat rühmen könne, ohne dafür bestraft zu werden.77 Den Wiederaufnahmegrund des § 302 Nr. 3 begründete Thilo damit, dass die Verurteilung nur eines Mittäters moralisch nicht vertretbar sei.78 Generell stellten die Regelungen zur nachteiligen Wiederaufnahme in der badischen Strafprozeßordnung eine bewusste Abkehr von anderen zeitgenössischen Strafprozeßordnungen dar, die eine nachteilige Wiederaufnahme vor dem Hintergrund neuer Beweise umfassend erlaubten.79 Viele Gesetzgeber der deutschen Staaten nahmen sich die Regelungen der Wiederaufnahme in der badischen Strafprozeßordnung zum Vorbild, die bereits 72

Vgl. Thilo, Die Strafgesetzgebung des Großherzogthums Baden, S. 251. Er sah die Gefahr der „Verhöhnung der Justiz“, wenn für den Fall des außergerichtlichen Geständnisses keine Wiederaufnahme vorgesehen wäre. Der Angeklagte würde auch nicht ungerecht behandelt, da er sich freiwillig dazu entscheide, das außergerichtliche Geständnis abzulegen; vgl. Thilo, Die Strafgesetzgebung des Großherzogthums Baden, S. 253. 74 Thilo, Die Strafgesetzgebung des Großherzogthums Baden, S. 253, hier auch zum Folgenden. Ziemba, Die Wiederaufnahme des Verfahrens, S. 39, vermutet, dass der Wiederaufnahmegrund des Geständnisses darauf beruhte, dass man sich auch im Rahmen des Akkusationsprozesses nicht von der Vorstellung des Inquisitionsprozesses lösen konnte, wonach das Geständnis als regina probationum, also als die Königin der Beweismittel, angesehen wurde. 75 Thilo, Die Strafgesetzgebung des Großherzogthums Baden, S. 252, hier auch zum Folgenden. 76 Thilo, Die Strafgesetzgebung des Großherzogthums Baden, S. 252. 77 Ähnliche Überlegungen finden sich auch in den Materialen zur Einführung der deutschen Strafprozeßordnung bezüglich des heutigen § 362 Nr. 4 StPO, vgl.: Die gesamten Materialien zu den Reichs-Justizgesetzen III 1, S. 265. 78 Vgl. Thilo, Die Strafgesetzgebung des Großherzogthums Baden, S. 253. 79 Siehe: Ziemba, Die Wiederaufnahme des Verfahrens, S. 40; vgl. zu anderen Regelungen auch: Thilo, Die Strafgesetzgebung des Großherzogthums Baden, S. 252. 73

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erstaunliche Ähnlichkeiten mit dem heutigen Institut aufwiesen und eine gute Balance zwischen Rechtssicherheit und materieller Gerechtigkeit herstellten.80 Allerdings gab es auch nach 1848 keine einheitlichen Regelungen zur Wiederaufnahme des Strafverfahrens. Es existierten unterschiedliche Vorschriften in den einzelnen Regionen, die teilweise noch durch sogenannte „revidirte“ Fassungen der Strafprozeßordnungen abgeändert wurden.81 Nach dem Ende des Deutschen Krieges fielen im Jahr 1866 einige Gebiete an Preußen, sodass die Strafprozessordnungen dieser Gebiete keine weitere Geltung beanspruchten.82 Andere Strafprozessordnungen orientierten sich weiterhin am Code d’instruction criminelle.83 Wurde die nachteilige Wiederaufnahme zugelassen, so geschah dies in Anlehnung an die badische Strafprozeßordnung, wobei die einzelnen Tatbestände unterschiedlich ausgestaltet waren. In der „revidirten“ Strafprozessordnung Sachsens von 1868 war in Art. 386 die Wiederaufnahme zuungunsten des Freigesprochenen (Nr. 3) und zuungunsten des Verurteilten (Nr. 4) vorgesehen.84 Gleiches galt nach Art. 470 Nr. 4 der Strafprozessordnung Württembergs von 1868.85 Diesen Zustand der Rechtszersplitterung beseitigte die einheitliche Strafprozessordnung von 1877.86 Sie stellte mit ihren Regelungen zur Wiederaufnahme einen Kompromiss zwischen dem inquisitorischen und dem akkusatorischen Prozess dar.87 Auch im Vorfeld dieser Kodifizierung war es noch umstritten, ob man 80

Vgl. Ziemba, Die Wiederaufnahme des Verfahrens, S. 42. Vgl. zu den einzelnen Regelungen: Die gesamten Materialien zu den ReichsJustizgesetzen III 1, S. 378 ff. 82 Ziemba, Die Wiederaufnahme des Verfahrens, S. 50. 83 So zum Beispiel das bayrische Strafprozeßgesetz und die Gesetze in HessenDarmstadt, Nassau, Württemberg, Preußen, Baden und Hannover, siehe für Bayern: Arnold, GerS 3 I, 46, 61 f.; und für die anderen Gebiete: N. N., GA 6 (1858), 515, 527; Peters, Fehlerquellen III, S. 24; Wasserburg, Die Wiederaufnahme des Strafverfahrens, S. 11 Fn. 71; Zachariä, Handbuch des deutschen Strafprozesses II, S. 677. Preußen führte aber 1867 und Württemberg 1868 die nachteilige Wiederaufnahme des Strafverfahrens ein, siehe: Ziemba, Die Wiederaufnahme des Verfahrens, S. 51, hier auch zum Folgenden. 84 Abdruck der Vorschrift in: Die gesamten Materialien zu den Reichs-Justizgesetzen III 1, S. 380. 85 Abdruck der Vorschrift in: Die gesamten Materialien zu den Reichs-Justizgesetzen III 1, S. 381. 86 RGBl. 1877, S. 253 ff.; vgl. Wasserburg, Die Wiederaufnahme des Strafverfahrens, S. 11; Ziemba, Die Wiederaufnahme des Verfahrens, S. 54; ausführlich zu den Hintergründen der Einführung der Strafprozessordnung: Dippel, GA 119 (1972), 97, 104 ff. 87 Vgl.: Deml, Zur Reform der Wiederaufnahme, S. 9; Dippel, GA 119 (1972), 97, 105; Mayer, GerS 99 (1930), 299, 314; Sickor, Das Geständnis, S. 175 ff.; Wasserburg, Die Wiederaufnahme des Strafverfahrens, S. 9; Ziemba, Die Wiederaufnahme des Verfahrens, S. 59. 81

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eine nachteilige Wiederaufnahme zulassen sollte und – wenn ja – unter welchen Voraussetzungen.88 Laut Wasserburg nahm man sich letztlich die Vorschriften der Wiederaufnahme in Sachsen von 1866 zum Vorbild.89 Die Materialien deuten indes eher darauf hin, dass der Entwurf einer Strafprozeßordnung für Preußen von Dalcke und die Strafprozeßordnungen, die den Wiederaufnahmegrund des Geständnisses enthielten, als Muster dienten.90 § 323 des Entwurfs einer Strafprozeßordnung von 1874 war weitestgehend identisch mit dem jetzigen § 362 StPO.91 Nach Dippel und Wasserburg bezweckte der Gesetzgeber mit der Verankerung des Wiederaufnahmeverfahrens in der Strafprozeßordnung, die damals fehlende Berufungsinstanz bei Urteilen der Strafkammer oder des Schwurgerichts auszugleichen.92 Die Kommission berief sich aber nur bezüglich der Wiederaufnahme zugunsten des Verurteilten darauf, sie könne als Ersatz für die fehlende Berufungsinstanz dienen.93 Vielmehr war der Gedanke, der hinter den Wiederaufnahmegründen nach § 323 Nr. 1–3 des Entwurfes stand, dass „man gegen die Fundamentalsätze des Strafrechts verstößt, wenn man es zulassen will, daß der Verbrecher der verwirkten Strafe durch die Begehung eines neuen Verbrechens entzogen werde“ 94. Unter anderem aus Gründen der materiellen Gerechtigkeit hatte sich die Kommission für den Wiederaufnahmegrund des nachträglichen Geständnisses entschieden.95 In der am 1. Februar 1877 verabschiedeten96 und am 1. Oktober 1879 in Kraft getretenen97 Reichs-Strafprozessordnung hieß es endlich in § 402:98

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Vgl. Die gesamten Materialien zu den Reichs-Justizgesetzen III 1, S. 264 f. Wasserburg, Die Wiederaufnahme des Strafverfahrens, S. 10. 90 Siehe: Die gesamten Materialien zu den Reichs-Justizgesetzen III 1, S. 264 f.; Ziemba, Die Wiederaufnahme des Verfahrens, S. 59, betont die Gemeinsamkeiten mit der badischen Strafprozeßordnung. 91 Siehe den Abdruck in: Die gesamten Materialien zu den Reichs-Justizgesetzen III 1, S. 42. 92 Dippel, GA 119 (1972), 97, 104; Wasserburg, Die Wiederaufnahme des Strafverfahrens, S. 6. 93 Die gesamten Materialien zu den Reichs-Justizgesetzen III 1, S. 262 f.: Dieser Abschnitt betrifft die Wiederaufnahme zugunsten des Verurteilten nach § 320 des Entwurfs; Die gesamten Materialien zu den Reichs-Justizgesetzen III 2, S. 1608. 94 Die gesamten Materialien zu den Reichs-Justizgesetzen III 1, S. 264. 95 Die gesamten Materialien zu den Reichs-Justizgesetzen III 1, S. 265. Ausführlich zu den hinter den Wiederaufnahmegründen in § 362 StPO stehenden Wertungen des Gesetzesgebers unten unter D. I. 96 RGBl. 1877, S. 253. 97 RGBl. 1877, S. 346 i.V. m. 77. 98 RGBl. 1877, S. 325; ausführlich zur Entstehungsgeschichte der Wiederaufnahmevorschriften in der Strafprozessordnung: Ziemba, Die Wiederaufnahme des Verfahrens, S. 54 ff. 89

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Die Wiederaufnahme eines durch rechtskräftiges Urtheil geschlossenen Verfahrens zuungunsten des Angeklagten findet statt: 1. wenn eine in der Hauptverhandlung zu seinen Gunsten als echt vorgebrachte Urkunde fälschlich angefertigt oder verfälscht war; 2. wenn durch Beeidigung eines zu seinen Gunsten abgegebenen Zeugnisses oder abgegebenen Gutachtens der Zeuge oder Sachverständige sich einer vorsätzlichen oder fahrlässigen Verletzung der Eidespflicht schuldig gemacht hat; 3. wenn bei dem Uhrteil ein Richter, Geschworener oder Schöffe mitgewirkt hat, welcher sich in Beziehung auf die Sache einer Verletzung seiner Amtspflichten schuldig gemacht hat, sofern diese Verletzung mit einer im Wege des gerichtlichen Strafverfahrens zu verhängenden öffentlichen Strafe bedroht ist; 4. wenn von dem Freigesprochenen vor Gericht oder außergerichtlich ein glaubwürdiges Geständnis der strafbaren Handlung abgelegt wird. Bis hin zum heutigen § 362 StPO erfolgten – abgesehen von der Ausweitung der Wiederaufnahme zuungunsten des Angeklagten in der Zeit des Nationalsozialismus –99 nur noch geringfügige Änderungen der Vorschrift.100 § 362 StPO enthält de lege lata vier Wiederaufnahmegründe: – eine in der Hauptverhandlung zugunsten des Angeklagten als echt vorgebrachte Urkunde war tatsächlich unecht oder verfälscht (§ 362 Nr. 1 StPO), – ein Zeuge oder ein Sachverständiger hat sich bei einem zugunsten des Angeklagten abgelegten Zeugnis oder abgegebenen Gutachten einer vorsätzlichen oder fahrlässigen Verletzung der Eidespflicht oder einer vorsätzlichen falschen uneidlichen Aussage schuldig gemacht (§ 362 Nr. 2 StPO),101 99

Siehe dazu bereits oben, B. Fn. 1. Einen Überblick zu den Änderungen gibt: Gössel, in: Löwe-Rosenberg VII/2, § 362 Entstehungsgeschichte. Unabhängig von der Strafprozessordnung wurde 1920 eine Wiederaufnahmevorschrift eingeführt, um Kriegsverbrecher des ersten Weltkrieges weiter verfolgen zu können, siehe: RGBl. 1920, S. 341. Nach § 2 des Gesetzes zur Ergänzung des Gesetzes zur Verfolgung von Kriegsverbrechen und Kriegsvergehen vom 18. Dezember 1919 wurde das Verfahren auf Antrag des Oberreichsanwalts wiederaufgenommen, falls der Beschuldigte hinreichend verdächtig war beziehungsweise wenn die erkannte Strafe im offenbaren Missverhältnis zu der Schwere der Tat stand. Weitere Voraussetzungen existierten nicht. Zu Änderungen des Wiederaufnahmerechts in der jüngeren Vergangenheit siehe: Große Strafrechtskommission DRB, Gutachten Wiederaufnahme, S. 10 f. 101 Ausführlich zu der Frage, ob die Verletzung der Eidespflicht oder die uneidliche Falschaussage auch schuldhaft verwirklicht sein müssen: Loos, in: FS Schreiber, S. 277 ff. Es ergeben sich nämlich Probleme, wenn die Falschaussage wegen massiver Bedrohung über § 35 StGB entschuldigt und daher nach dem Wortlaut des § 362 Nr. 2 StPO keine Wiederaufnahme möglich ist. 100

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– bei dem Urteil hat ein Richter oder Schöffe mitgewirkt, der sich in Beziehung auf die Sache einer strafbaren Verletzung seiner Amtspflichten schuldig gemacht hat (§ 362 Nr. 3 StPO) oder – der Freigesprochene hat vor Gericht oder außergerichtlich ein glaubwürdiges Geständnis der Straftat abgelegt (§ 362 Nr. 4 StPO). Dabei bezeichnet man die Wiederaufnahmegründe in § 362 Nr. 1–3 StPO als Wiederaufnahmegründe propter falsa, weil das Urteil durch menschliches Verhalten beeinflusst wurde, und § 362 Nr. 4 StPO als Wiederaufnahmegrund propter nova, weil neue Tatsachen oder Beweismittel das ursprüngliche Urteil in Frage stellen (können).102

102 Dippel, in: Die Wiederaufnahme des Strafverfahrens, S. 19, 67; Wasserburg, Die Wiederaufnahme des Strafverfahrens, S. 275; vgl. auch: Radtke, in: Europäisches Strafrecht (EnzEuR Bd. 9), § 12 Rn. 29; Roggon, BLJ 2011, 50, 51.

C. Der Grundsatz „ne bis in idem“ Nachdem nunmehr ein historischer Überblick zu der Wiederaufnahme des Strafverfahrens gegeben wurde, soll im Folgenden der Grundsatz behandelt werden, der zumindest die Wiederaufnahme zuungunsten des Angeklagten beschränkt: der Ne-bis-in-idem Grundsatz. Bereits im römischen Recht findet sich der Gedanke, dass nach einem erfolgten Freispruch keine erneute Anklage erhoben werden darf.1 Im kanonischen Recht existierte dieser Grundsatz bei freisprechenden Urteilen umfassend – das heißt ohne die Ausnahmen, die im römischen Recht galten.2 Um Sanktionen gegen den unschuldig Verurteilten in einem weiteren Verfahren zurücknehmen zu können,3 sollte der Ne-bis-in-idem-Grundsatz einem erneuten Strafverfahren bei vorangegangenen Verurteilungen aber nicht entgegenstehen.4 Der damit einhergehenden Gefahr eines erneuten Strafverfahrens, sofern die ursprüngliche Strafe als zu milde angesehen wurde, begegnete man damit, dass aus dem uneingeschränkten Ne-bis-in-idem-Grundsatz bei Freisprüchen ein Verbot des erneuten Verfahrens bei vorausgegangener Verurteilung zwecks härterer Bestrafung abgeleitet wurde. Außerdem verstand das kanonische Recht den Ne-bis-in-idem-Grundsatz dahingehend, dass wegen einer Tat in einem Prozess durch denselben Richter nicht mehrere Strafen nebeneinander verhängt werden durften.5 Auch dem mittelalterlichen deutschen Recht war der Gedanke der Rechtskraft nicht fremd.6 In Kapitel 374 des Glogauer Rechtsbuchs von 1386 findet sich etwa die Aussage, dass die einmal entschiedene Sache nicht mehr abgeurteilt werden kann,7 und nach einem Weistum8 von Liestal von 1411 wurde derjenige

1

Vgl. nur: Ulpian D. 48, 2, 7; zu den Ausnahmen siehe oben unter B.; ausführlich zur Entwicklung des Ne-bis-in-idem-Grundsatzes im römischen Recht: Stalberg, Zum Anwendungsbereich des Art. 50 GRC, S. 5 ff. 2 X. 5. 1. 6; zu den nicht mehr vorhandenen Ausnahmen vgl.: Berner, GA 3 (1855), 472, 482; Rüping, in: BK, Art. 103 III Rn. 2. 3 Vgl. etwa den Fall bei X. 5. 35. 2. 4 Vgl.: Berner, GA 3 (1855), 472, 482, hier auch zum Folgenden. 5 Heffter, Non bis in idem, S. 13. 6 Vgl. Schwarplies, Die rechtsgeschichtliche Entwicklung des Grundsatzes „ne bis in idem“, S. 21. 7 Abdruck der Vorschrift bei: Wasserschleben, Sammlung deutscher Rechtsquellen I, S. 46.

C. Der Grundsatz „ne bis in idem‘‘

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sogar bestraft, der einen Richterspruch nicht als endgültiges Urteil in der Sache akzeptierte.9 Außerdem existierten viele weitere Rechtssätze in den Rechtsquellen des Mittelalters, die dem Gedanken der Rechtskraft Rechnung trugen.10 Auch wenn sich die einzelnen Vorschriften unterschieden, war die Rechtskraft also bereits im Mittelalter ein anerkanntes Institut. Diese Betonung der Rechtskraft änderte sich mit der Zeit; denn das primäre Ziel des reinen Inquisitionsprozesses, der sich ursprünglich im späten Mittelalter in Italien entwickelte,11 lag in der Erforschung der Wahrheit.12 Um diesem Ziel gerecht zu werden, wurde die Rechtskraft zunehmend eingeschränkt.13 Rechtlich wurde dies durch die Einführung der Entbindung von der Instanz, der absolutio ab instantia14, ermöglicht.15 War das Gericht sich nicht sicher, ob der Angeklagte schuldig war oder nicht, erfolgte die Entbindung von der Instanz.16 Sie hatte zur

8 Ein Weistum ist eine bestimmte Art von Rechtsquelle, die den damaligen Rechtszustand wiedergab, siehe: Werkmüller, in: HRG, Stichwort: „Weistümer“, der sich ausführlich mit dem Begriff der Weistümer auseinandersetzt. 9 Abdruck der Vorschrift bei: Grimm, Weisthümer IV, S. 470. 10 Siehe zum Beispiel in dem Weistum zu Rhense von 1456, abgedruckt in: Grimm, Weisthümer III, S. 779; und noch im 16. Jahrhundert: § 11 der erneuerten UrbeisthalOrdnung von 1536, abgedruckt in: Grimm, Weisthümer V, S. 348; § 20 der assise de durant et chevremont von 1596, abgedruckt in: Grimm, Weisthümer V, S. 397, und in dem Weistum von Dörrebach von 1508, abgedruckt in: Grimm, Weisthümer II, S. 807. 11 Kantorowicz, ZStW 44 (1923), 97; Rheingans, Die Ausbildung der strafprozessualen Rechtskraftlehre, S. 16 f.; vgl. auch: Zycha, Deutsche Rechtsgeschichte der Neuzeit, S. 185 f. 12 Vgl.: Berner, GA 3 (1855), 472, 484 f.; Düwel, Der Grundsatz „Ne bis in idem“, S. 14; Kimmel, Der Grundsatz „ne bis in idem“, S. 8; Küßner, GA 3 (1855), 198, 199; Lampe, GA 115 (1968), 33, 34 Fn. 7; Rheingans, Die Ausbildung der strafprozessualen Rechtskraftlehre, S. 9, 11 und 15; Rüping, in: BK, Art. 103 III Rn. 3; Schwarplies, Die rechtsgeschichtliche Entwicklung des Grundsatzes „ne bis in idem“, S. 23 und 53. 13 Vgl. Berner, GA 3 (1855), 472, 483; Elben, Die Entbindung von der Instanz, S. 53; Rüping, in: BK, Art. 103 III Rn. 3; Schwarplies, Die rechtsgeschichtliche Entwicklung des Grundsatzes „ne bis in idem“, S. 22 f.; Planck, Die Mehrheit der Rechtsstreitigkeiten, S. 265 i.V. m. S. 270 f., führt weitere Gründe an: Maßgeblich sei die Vereinigung der Strafverfolgung und der Aburteilung in einer Behörde gewesen. (Hervorhebung durch Verfasser). 14 Heute wird der Begriff für die Abweisung einer Klage wegen Unzulässigkeit aufgrund prozessualer Mängel ohne Prüfung der Begründetheit verwendet, siehe Weidenkaff, in: Rechtswörterbuch, Stichwörter „absolutio ab instantia“ und „absolutio ab actione“. 15 Siehe: Liebau, „Ne bis in idem“, S. 69; Schwarplies, Die rechtsgeschichtliche Entwicklung des Grundsatzes „ne bis in idem“, S. 23 und 45; synonym wird auch der Begriff der absolutio stantibus rebus verwendet, siehe nur: Berner, GA 3 (1855), 472, 483. 16 Vgl. Elben, Die Entbindung von der Instanz, S. 1; Scholz, Archiv des Criminalrechts n. F., 14. Band (1834), 3. Stück, 396, 400; ausführlicher zu den Voraussetzungen der Entbindung von der Instanz: Rheingans, Die Ausbildung der strafprozessualen Rechtskraftlehre, S. 21 f.; Schwarplies, Die rechtsgeschichtliche Entwicklung des Grundsatzes „ne bis in idem“, S. 57 ff.

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Folge, dass die Untersuchung bei jedem neuen Verdacht wiederaufgenommen werden konnte.17 Der Unterschied zu der Wiederaufnahme des Strafverfahrens bestand darin, dass die absolutio ab instantia bereits den Eintritt der Rechtskraft verhinderte. Da die Entscheidung nicht rechtskräftig wurde, konnte die Untersuchung faktisch endlos wiederaufgenommen werden.18 Die Wiederaufnahme des Strafverfahrens ist demgegenüber ein Instrument, um eine bereits rechtskräftige Entscheidung anzugreifen. Außerdem konnte die Wiederaufnahme des Strafverfahrens oftmals nur auf die Verwendung neuer Beweise gestützt werden;19 zur Begründung der absolutio ab instantia konnten aber jegliche Beweise, also auch diejenigen aus dem ersten Verfahren, verwendet werden. Mit Einführung der Wiederaufnahme des Strafverfahrens schien die Entbindung von der Instanz eigentlich nicht mehr notwendig.20 Da sie aber wesentlich geringere Voraussetzungen als die Wiederaufnahme des Strafverfahrens hatte,21 wurde mit ihrer Hilfe oftmals versucht, einen dringenden Tatverdacht zu konstruieren, um erneut anklagen zu können. Auch die absolutio ab instantia entstand ursprünglich in Italien.22 Der Codex Iuris Bavarici Criminalis von 1751 sah die Lossprechung von der Instanz bereits vor,23 und auch in mehreren Gesetzen des 19. Jahrhunderts fanden sich entsprechende Regelungen.24 Allerdings bedurfte es der absolutio ab instantia anfangs seltener, weil die Anwendung von Folter oder die Ableistung eines Reinigungs-

17 Elben, Die Entbindung von der Instanz, S. 55 f.; Rheingans, Die Ausbildung der strafprozessualen Rechtskraftlehre, S. 22 f.; Schwarplies, Die rechtsgeschichtliche Entwicklung des Grundsatzes „ne bis in idem“, S. 30. 18 Scholz, Archiv des Criminalrechts n. F., 14. Band (1834), 3. Stück, 396, 412, sprach von einem „endlosen Verdacht“. 19 Siehe nur: Rheingans, Die Ausbildung der strafprozessualen Rechtskraftlehre, S. 22, hier auch zum Folgenden. 20 Vgl. Planck, Die Mehrheit der Rechtsstreitigkeiten, S. 274 f., hier auch zum Folgenden. 21 So auch: Rheingans, Die Ausbildung der strafprozessualen Rechtskraftlehre, S. 22. 22 Elben, Die Entbindung von der Instanz, S. 16; Schwarplies, Die rechtsgeschichtliche Entwicklung des Grundsatzes „ne bis in idem“, S. 36; Zachariä, Grundlinien des gemeinen deutschen Criminalprocesses, S. 259. Weder das römische Recht noch das germanische oder canonische Recht kannten die Entbindung von der Instanz, vgl. Elben, Die Entbindung von der Instanz, S. 7 ff.; Schwarplies, Die rechtsgeschichtliche Entwicklung des Grundsatzes „ne bis in idem“, S. 24 ff.; Zachariä, Grundlinien des gemeinen deutschen Criminalprocesses, S. 258 f. 23 Siehe § 9 S. 2 des zehenden Capituls im 2. Teil; das gesamte Gesetz ist abrufbar unter: http://books.google.de/books?id=kfNBAAAAcAAJ&printsec=frontcover&hl=de &source=gbs_ge_summary_r&cad=0, zuletzt aufgerufen am 13.06.2016. 24 Auf einige dieser Regelungen wird im weiteren Verlauf eingegangen.

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eides25 das Institut entbehrlich machten:26 Unter Folter kam es häufig zu Geständnissen und in Folge dessen zu Verurteilungen, und ein abgeleisteter Reinigungseid führte zu einem vollständigen Freispruch – ohne die Möglichkeit, die Ermittlungen wieder aufzunehmen.27 In beiden Fällen bedurfte es daher keiner Lossprechung von der Instanz. Erst als die Institute der Folter und des Reinigungseides zum Ende des 18. Jahrhunderts und Beginn des 19. Jahrhunderts allmählich abgeschafft wurden, gewann die absolutia ab instantia an Bedeutung.28 Damit einher ging die Ausweitung ihrer negativen Folgen: Zu nennen ist etwa die Aufsicht über den Lebenswandel des von der Instanz Entlassenen, die Herabwürdigung des Betroffenen in seiner Ehre, das Tragen der Verfahrenskosten durch den Losgesprochenen, der Verlust des aktiven und passiven Wahlrechts oder die Diskussion darüber, ob der Beamtenstatus mit der Entbindung von der Instanz vereinbar sei.29 Außerdem unterbrach die Entbindung von der Instanz die Verjährung.30 Nach Art. 4 des württembergischen Gesetzes betreffend die privatrechtlichen Folgen der Verbrechen und Strafen31 stand es sogar im richterlichen Ermessen festzustellen, ob der 25 Der Reinigungseid ist „die von dem Verdächtigen abgelegte eidliche Versicherung seiner Unschuld,“ (von Feuerbach, Lehrbuch des Peinlichen Rechts14, § 598); Scholz, Archiv des Criminalrechts n. F., 14. Band (1834), 3. Stück, 396, 411, spricht bei wörtlicher Übereinstimmung im Übrigen anstelle des „Verdächtigen“ von dem „Angeklagten“. Seine Ursprünge hat der Reinigungseid bereits im germanischen und im fränkischen Recht, siehe: Sickor, Das Geständnis, S. 70 ff. und 85 f.; vertiefend zum Reinigungseid: Mittermaier, Die Lehre vom Beweise, S. 486 ff. 26 Vgl. Rheingans, Die Ausbildung der strafprozessualen Rechtskraftlehre, S. 20; Zachariä, Archiv des Criminalrechts n. F., 19. Band (1839), 3. Stück, 371, 385; Zachariä, Die Gebrechen und die Reform, S. 296. Zunächst war die „ergebnislose Folter“ (Schwarplies, Die rechtsgeschichtliche Entwicklung des Grundsatzes „ne bis in idem“, S. 57) Voraussetzung für die absolutio ab instantia, siehe: Schwarplies, a. a. O. 27 Str., wie hier: Mittermaier, Die Lehre vom Beweise, S. 488 f.; dagegen wohl: von Feuerbach, Lehrbuch des Peinlichen Rechts14, § 599, der eine Überführung trotz vorheriger Lossprechung als unschuldig aufgrund des Reinigungseides und eine entsprechende Bestrafung wegen des begangenen Verbrechens und wegen Meineids für möglich hielt. 28 Elben, Die Entbindung von der Instanz, S. 40, hier auch zum Folgenden; nach von Feuerbach, Lehrbuch des Peinlichen Rechts14, § 616, war die Entbindung von der Instanz an die Stelle der Folter und meist auch an die Stelle des Reinigungseides getreten; Elben, a. a. O., sprach von einem „Surrogat der aufgehobenen Tortur“. 29 Vgl. Elben, Die Entbindung von der Instanz, S. 40; Rheingans, Die Ausbildung der strafprozessualen Rechtskraftlehre, S. 22; Schwarplies, Die rechtsgeschichtliche Entwicklung des Grundsatzes „ne bis in idem“, S. 63; nach ders., a. a. O., S. 62, tritt mit der Spezialinquisition, also der Verhaftung oder der „gefänglichen Einziehung“ (S. 58), automatisch die Suspendierung von Amt und Gehalt ein, bis ein Freispruch erfolgte; so auch: Scholz, Archiv des Criminalrechts n. F., 14. Band (1834), 3. Stück, 396, 411. 30 Scholz, Archiv des Criminalrechts n. F., 14. Band (1834), 3. Stück, 396, 401. 31 Abgedruckt im Regierungsblatt für das Königreich Württemberg 1839, S. 555, abrufbar unter: http://books.google.de/books?id=5Q5GAAAAcAAJ&printsec=frontcover &hl=de&source=gbs_ge_summary_r&cad=0#v=onepage&q&f=false, zuletzt aufgerufen am 13.06.2016.

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von der Instanz Entbundene ein vollkommen glaubwürdiger oder ein minder glaubwürdiger Zeuge war oder aber, ob er gar keinen Glauben verdiente. Die Unschuldsvermutung wurde aufgrund dieser Vielzahl negativer Folgen faktisch außer Kraft gesetzt.32 Gleiches galt für das Prinzip der Rechtskraft.33 Insgesamt konnte die Entbindung von der Instanz daher für den Betreffenden durchaus belastender sein als eine Verurteilung.34 Die absolutio ab instantia war im 18. Jahrhundert zwar anerkannt, aber kaum gesetzlich normiert.35 Dies änderte sich im 19. Jahrhundert: Nach Zachariä36 enthielt § 428 des österreichischen Strafgesetzbuchs über Verbrechen und schwere Polizey-Uebertretungen von 180337 eine Regelung der absolutio ab instantia; der Wortlaut der Vorschrift ist indes nicht eindeutig.38 Ausführliche Regelungen zur Lossprechung von der Instanz finden sich in den §§ 409–412 der preußischen Criminal-Ordnung.39 Nach § 409 fand die vorläufige Lossprechung statt, wenn der Tathergang nicht aufgeklärt werden konnte,

32 In diese Richtung ebenfalls: Scholz, Archiv des Criminalrechts n. F., 14. Band (1834), 3. Stück, 396, 404. Die Unschuldsvermutung wurde Anfang des 19. Jahrhunderts ansonsten durchaus ernst genommen, auch wenn ihre Geltung zur Mitte des 19. Jahrhunderts hin abnahm, vgl. nur: Stuckenberg, Untersuchungen zur Unschuldsvermutung, S. 34 ff.; ausführlich zu der Entwicklung der Unschuldsvermutung: Köster, Die Rechtsvermutung der Unschuld, passim. Rüping, in: BK, Art. 103 III Rn. 4, ist wohl nicht so zu verstehen, dass die Unschuldsvermutung sich erst mit der Aufklärung etablierte. 33 Rheingans, Die Ausbildung der strafprozessualen Rechtskraftlehre, S. 22 f. 34 Vgl. Elben, Die Entbindung von der Instanz, S. 41; Schwarplies, Die rechtsgeschichtliche Entwicklung des Grundsatzes „ne bis in idem“, S. 62. Eine ähnliche Problematik findet sich heute bei einer Unterbringung nach § 63 StGB: Der Angeklagte wird freigesprochen, aber das Gericht ordnet die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an. Dies kann für den Angeklagten nicht nur wegen der Länge der Unterbringung schlimmer als eine Verurteilung sein. Aktuell zu § 63 StGB auch vor dem Hintergrund des Falles Mollath: Walter T., ZRP 2014, 103 ff.; Walter, JA 2015, 87 ff. 35 Schwarplies, Die rechtsgeschichtliche Entwicklung des Grundsatzes „ne bis in idem“, S. 49 f. 36 Zachariä, Grundlinien des gemeinen deutschen Criminalprocesses, S. 261. 37 Das gesamte Gesetz ist abrufbar unter: http://books.google.de/books?id=wTBEA AAAcAAJ&pg=PA259&dq=Strafgesetzbuch+%C3%BCber+Verbrechen+und+schwere+ Polizey-Uebertretungen&hl=de&sa=X&ei=NDgKUvPLCcabtAb64IHgBw&ved=0CDw Q6AEwAg#v=onepage&q=Strafgesetzbuch%20%C3%BCber%20Verbrechen%20und% 20schwere%20Polizey-Uebertretungen&f=false, zuletzt aufgerufen am 13.06.2016. 38 § 428 lautete: Wenn aus den Arten der Untersuchung sich zwar kein rechtlicher Beweis des von dem Beschuldigten begangenen Verbrechens zeiget, dennoch aber Gruende der Wahrscheinlichkeit noch bestehen; so ist das Urtheil zu fassen: Die Untersuchung werde aus Abgang rechtlicher Beweise fuer aufgehoben erklaeret. 39 Abdruck des Gesetzes bei: Liman, Der Preußische Strafprozeß, S. 253 ff.; der Reinigungseid war in Strafsachen durch § 392 ausgeschlossen.

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der Angeklagte den Verdacht gegen sich aber auch nicht entkräften konnte. In diesem Fall erlaubte § 410 nach der Freilassung des Beschuldigten eine umfassende Überwachung, wenn zu besorgen war, dass er seine wiedererlangte Freiheit missbrauchen würde. Nach § 411 konnte im Falle des § 409 die Untersuchung jederzeit wiederaufgenommen werden. Kam es zu einem Folgeprozess, konnte der Richter in diesem nach § 412 die erste Entscheidung bis zur ordentlichen Strafe ergänzen. Zwar findet sich in den Anmerkungen Nr. 14 zu § 22 der preußischen Verordnung vom 3. Januar 184940 ein Verweis auf Non bis in idem; nach Nr. 14 e) galt der Non-bis-in-idem-Grundsatz aber nicht bei vorheriger vorläufiger Freisprechung. Von dieser Ausnahme abgesehen zeigen die Anmerkungen Nr. 14 zu § 22 der Verordnung vom 3. Januar 1849 aber, dass der Non-bis-in-idem-Gedanke bereits anerkannt war.41 Freilich war dieser scheinbar weitreichende Schutz des Angeklagten mit der Lossagung von der Instanz jedoch nur allzu leicht zu umgehen. Auch in Art. 356 des Strafgesetzbuches für das Königreich Baiern von 181342 war die „Entlassung von der Instanz“ vorgesehen.43 Der von der Instanz Entlassene wurde nach Art. 390 erst auf freien Fuß gesetzt, wenn er hinreichende Sicherheit dafür geleistet hatte, dass er – soweit erforderlich – bei Gericht erscheine und ansonsten den ihm angewiesenen Bezirk nicht verlasse. War ihm die Sicherheitsleistung nicht möglich, stand er unter besonderer Aufsicht der Polizei. Ab einer zu erwartenden Strafe von 20 Jahren Zuchthaus war die Sicherheitsleistung jedoch obligatorisch. Bis der von der Instanz Entlassene diese Sicherheit leisten konnte, war er in einem öffentlichen Arbeitshaus zu verwahren.44 Nach dem Ablauf einer Frist von fünf Jahren ab dem Urteil oder ab dem ersten Tag des Freiheitsentzugs wurde der von der Instanz Freigesprochene umfassend rehabilitiert.45 Hier zeigt sich der Gedanke, dass man selbst den von der Instanz 40

Siehe den Abdruck bei: Liman, Der Preußische Strafprozeß, S. 62 f. Vgl. beispielsweise Nr. 14 a), wonach eine neue Verfolgung eines Freigesprochenen auf Grund neuer Beweismittel wegen derselben strafbaren Handlung ausgeschlossen war. 42 Das gesamte Gesetz ist abrufbar unter: http://books.google.com/books?id=H8BR AAAAMAAJ&printsec=frontcover&source=gbs_ge_summary_r&cad=0#v=onepage&q &f=false, zuletzt aufgerufen am 13.06.2016. 43 Ausführlich zu den Vorschriften des Strafgesetzbuches für das Königreich Baiern bezüglich der Entlassung von der Instanz auch: Kleinschrod, Archiv des Criminalrechts n. F., 5. Band (1821), 1. Stück, 1, 9 ff. 44 Siehe Art. 391. 45 Siehe Art. 392; sofern die Straftat lediglich mit der Strafe des Arbeitshauses bedroht war, erfolgte die Rehabilitierung bereits nach zwei Jahren. Im Falle des Art. 391 stand der Rehabilitierte dann jedoch weiterhin unter polizeilicher Aufsicht, siehe Art. 393. 41

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Losgesprochenen nicht bis zu seinem Lebensende im Unklaren darüber lassen wollte, ob ein erneutes Verfahren gegen ihn stattfinden würde oder nicht.46 Eine besondere Betrachtung bezüglich der absolutio ab instantia verdient – wie bereits bezüglich der Wiederaufnahme des Strafverfahrens –47 die badische Strafprozeßordnung von 1845: § 244 untersagte nämlich die Entbindung von der Instanz. Sofern das Gericht keine Strafe verhängte, musste der Angeklagte freigesprochen werden. Die badische Strafprozeßordnung war damit zu dieser Zeit das einzige Gesetz im Bereich der heutigen Bundesrepublik Deutschland, das die absolutia ab instantia verbot.48 Dies erklärt auch, warum die badische Strafprozeßordnung, in Abkehr von dem Code d’instruction criminelle, eine Wiederaufnahme zuungunsten des Angeklagten vorsah. Es bedurfte eines Korrektivs für die Abschaffung der Entbindung von der Instanz, um in Ausnahmefällen doch noch eine Verurteilung zu ermöglichen. Vor dem Hintergrund der umfassenden negativen Folgen einer Lossprechung von der Instanz, ist es umso erstaunlicher für die damalige Zeit, dass eine nachteilige Wiederaufnahme aufgrund neuer Beweise nicht zugelassen wurde. Man entschied sich anscheinend bewusst dafür, den Verdächtigen besser vor der Eröffnung eines neuen Strafverfahrens zu schützen. Im Rahmen der Aufklärung findet sich dieser Gedanke des Schutzes des Verdächtigen ebenfalls.49 Der Angeklagte sollte Sicherheit vor erneuten Untersuchungen erlangen.50 Kant definierte die Aufklärung als den „Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit.“ 51 Unmündigkeit sei „das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen.“ 52 Im Zeitalter der Aufklärung standen also das Individuum an sich53 und sein eigenständiges Denken im Vordergrund.54 Forderungen der Aufklärung waren der Schutz des Bür46 Dies betonte Kleinschrod, Archiv des Criminalrechts, 2. Band (1799), 3. Stück, 20, 24 und 26 f., bereits im Jahr 1799. 47 Siehe oben unter B. 48 Schwarplies, Die rechtsgeschichtliche Entwicklung des Grundsatzes „ne bis in idem“, S. 51. 49 Vgl. Schwarplies, Die rechtsgeschichtliche Entwicklung des Grundsatzes „ne bis in idem“, S. 64, hier auch zum Folgenden. 50 Vgl. auch: Rheingans, Die Ausbildung der strafprozessualen Rechtskraftlehre, S. 29 f. und 43. 51 Kant, Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung?, abgedruckt in: Zehbe, Was ist Aufklärung?, S. 55. 52 Kant, Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung?, abgedruckt in: Zehbe, Was ist Aufklärung?, S. 55. 53 Vgl. Hertz, Voltaire und die französische Strafrechtspflege, S. 124. 54 Vgl. Hertz, Voltaire und die französische Strafrechtspflege, S. 123; zum Menschenbild in der Epoche der Aufklärung siehe: Henkel, Strafrichter und Gesetz, S. 57 und 59.

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gers vor dem Staat, Meinungsfreiheit, Toleranz und Humanität.55 Diese Forderungen beeinflussten alle gesellschaftlichen Bereiche und damit auch das inquisitorische Strafverfahren, das im Gegensatz zu den von der Aufklärung geforderten Prinzipien stand.56 Aus dem Gedanken, dass dem Staat ein Gesellschaftsvertrag zugrunde liegt,57 entwickelten sich absolute Grenzen der Strafgewalt.58 Wenn die Individuen vertraglich eine Staatsgewalt anerkennen, müssen strikte Regeln existieren, die festlegen, wie weit der Staat das Recht des Einzelnen einschränken darf.59 Der Staat sollte die Rechte seiner Bürger nur soweit einschränken dürfen, als es für die Gewährleistung eines gedeihlichen Zusammenlebens notwendig erschien.60 Der Einfluss der Aufklärung auf das Rechtssystem zeigt sich besonders daran, dass die Rechtssicherheit des Bürgers in den Vordergrund trat.61 Jegliche Institute, die dazu dienten, eine weitere Untersuchung nach einem bereits abgeschlossenen Verfahren zu ermöglichen, waren mit dem Gedanken der Rechtssicherheit nicht zu vereinbaren.62 Zwar erschien es für das Funktionieren der Gesellschaft notwendig, dass der Einzelne Freiheitsrechte abgab, um die Voraussetzung für die Einleitung von Strafverfahren zu schaffen;63 war dieses aber abgeschlossen, sah man weitere Ermittlungen als illegitimen Eingriff in die Freiheitsrechte der Bürger an.64

55 Rheingans, Die Ausbildung der strafprozessualen Rechtskraftlehre, S. 23; Schwarplies, Die rechtsgeschichtliche Entwicklung des Grundsatzes „ne bis in idem“, S. 65, hier auch zum Folgenden; siehe zu der Humanität ebenfalls: Hertz, Voltaire und die französische Strafrechtspflege, S. 124. 56 Vgl. Rheingans, Die Ausbildung der strafprozessualen Rechtskraftlehre, S. 23. 57 Vgl. Hobbes, Leviathan, S. 134 und S. 136 ff.; Locke, Zweite Abhandlung über die Regierung, §§ 95 ff.; siehe hierzu ebenfalls: Hertz, Voltaire und die französische Strafrechtspflege, S. 125; Schwarplies, Die rechtsgeschichtliche Entwicklung des Grundsatzes „ne bis in idem“, S. 65 und 68. Kant bezieht sich hingegen nicht auf die Lehre von dem Gesellschaftsvertrag, sondern entwickelt seine Lehre über die reine Vernunft, vgl. nur: Kant, Die Metaphysik der Sitten, S. 65 f. 58 Vgl. beispielsweise: Montesquieu, Vom Geist der Gesetze, Buch XII Kapitel 4, und Beccaria, Über Verbrechen und Strafen, § 2, der sich auf Montesquieu bezieht. 59 Vgl. Locke, Zweite Abhandlung über die Regierung, §§ 111, 127 und 131; vgl. dazu ebenfalls: Hertz, Voltaire und die französische Strafrechtspflege, S. 135. 60 Beccaria, Über Verbrechen und Strafen, § 2; Locke, Zweite Abhandlung über die Regierung, § 131, und konkreter: §§ 221 f.; siehe dazu auch: Rheingans, Die Ausbildung der strafprozessualen Rechtskraftlehre, S. 29; Schwarplies, Die rechtsgeschichtliche Entwicklung des Grundsatzes „ne bis in idem“, S. 68. 61 Vgl. Henkel, Strafrichter und Gesetz, S. 57; Schwarplies, Die rechtsgeschichtliche Entwicklung des Grundsatzes „ne bis in idem“, S. 69 und 75. 62 Vgl. Schwarplies, Die rechtsgeschichtliche Entwicklung des Grundsatzes „ne bis in idem“, S. 68 f., hier auch zum Folgenden. 63 Vgl. Hobbes, Leviathan, S. 141; Locke, Zweite Abhandlung über die Regierung, § 127; siehe dazu auch: Rheingans, Die Ausbildung der strafprozessualen Rechtskraftlehre, S. 29.

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Daher regte sich auch Widerstand gegen die Entbindung von der Instanz65 und gegen die reformatio in peius.66 Die absolutio ab instantia wurde de facto durch die Reform des Prozessrechts von 1848 und die Frankfurter Reichsverfassung von 184967 abgeschafft.68 Dies lag unter anderem daran, dass der Indizienbeweis und die Prinzipien der Öffentlichkeit und Mündlichkeit eingeführt wurden. Die Entbindung von der Instanz erschien nun überflüssig. Außerdem war die absolutio ab instantia mit dem eingeführten Anklageprozess nicht zu vereinbaren, weil die nunmehr bestehende Staatsanwaltschaft auch die entlastenden Momente zugunsten des Angeklagten untersuchen sollte und der Staat nicht mehr zwangsläufig als (Prozess-)Gegner des Angeklagten verstanden wurde.69 Die Rechtssicherheit bildete mit der Unschuldsvermutung und den Humanitätsgedanken der Aufklärung das Fundament für das sich entwickelnde Institut der Rechtskraft.70 Im Zuge der französischen Revolution deklarierte man das Doppelbestrafungsverbot als Grundfreiheit des Menschen,71 und aufgrund der Rezeption des französischen Rechts72 enthielten im 19. Jahrhundert auch viele deutsche Gesetze das Verbot einer erneuten Anklage.73 64 Vgl. Gerber, Das Verbot der reformatio in peius, S. 131; Rheingans, Die Ausbildung der strafprozessualen Rechtskraftlehre, S. 29. 65 So zum Beispiel pointiert bei: Elben, Die Entbindung von der Instanz, S. 77 ff.; Mittermaier, Die Lehre vom Beweise S. 471 ff.; Scholz, Archiv des Criminalrechts n. F., 14. Band (1834), 3. Stück, 396, 401 ff.; Zachariä, Archiv des Criminalrechts n. F., 19. Band (1839), 3. Stück, 371, 387 ff.; ausführlich zu den Gründen: Schwarplies, Die rechtsgeschichtliche Entwicklung des Grundsatzes „ne bis in idem“, S. 86 ff. 66 Vgl. hierzu nur: Rheingans, Die Ausbildung der strafprozessualen Rechtskraftlehre, S. 57 ff. m.w. N. 67 Die gesamte Verfassung ist abgedruckt bei: Bergsträsser, Die Verfassung des Deutschen Reiches. 68 Vgl. Rheingans, Die Ausbildung der strafprozessualen Rechtskraftlehre, S. 83, hier auch zum Folgenden. An anderer Stelle schreibt Rheingans, Die Ausbildung der strafprozessualen Rechtskraftlehre, S. 94, dass die absolutio ab instantia erst 1849 abgeschafft wurde. So auch: Schwarplies, Die rechtsgeschichtliche Entwicklung des Grundsatzes „ne bis in idem“, S. 91. 69 Vgl. dazu: Schmidt, Geschichte der deutschen Strafrechtspflege, § 289. 70 Rheingans, Die Ausbildung der strafprozessualen Rechtskraftlehre, S. 30; Schwarplies, Die rechtsgeschichtliche Entwicklung des Grundsatzes „ne bis in idem“, S. 69; ausführlich zu der Entwicklung der Rechtskraft und den damals vertretenen Meinungen zu der Rechtskraft von Strafurteilen: Rheingans, Die Ausbildung der strafprozessualen Rechtskraftlehre, S. 43 ff. 71 Rüping, in: BK, Art. 103 III Rn. 4; vgl. auch: Rheingans, Die Ausbildung der strafprozessualen Rechtskraftlehre, S. 30; der definitive Charakter eines Freispruchs durch die Jury wurde letztlich auch in der französischen Verfassung von 1791 verankert, vgl. Esmein, Histoire de la procédure criminelle, S. 552; Rheingans, Die Ausbildung der strafprozessualen Rechtskraftlehre, S. 36. 72 Vgl. dazu nur: Rheingans, Die Ausbildung der strafprozessualen Rechtskraftlehre, S. 85 f.

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Seit 1848 beanspruchte der Ne-bis-in-idem-Grundsatz schließlich praktisch uneingeschränkte Geltung.74 Die Bezeichnung als „ne bis in idem“ übernahmen die deutsche Rechtsprechung und Wissenschaft aus dem französischen Recht.75 Nach Heffter führte erst die Entwicklung des Ne-bis-in-idem-Grundsatzes dazu, dass die Rechtskraft ihre volle Wirkung entfaltete:76 War die Rechtskraft zuvor lediglich als Bedingung für die Vollstreckung des Urteils angesehen worden sei durch den Ne-bis-in-idem-Grundsatz das Verbot einer weiteren Anklage in derselben Sache dazugekommen. Die Strafprozessordnung des Deutschen Reiches von 1877 enthielt keine Vorschrift, die den Ne-bis-in-idem-Grundsatz ausdrücklich festlegte. Er wurde aber als selbstverständlich vorausgesetzt.77 Dem folgte auch das Reichsgericht.78 Allerdings galt der Ne-bis-in-idem-Grundsatz ab 1920 nicht mehr für Kriegsverbrecher des ersten Weltkrieges: § 2 des Gesetzes zur Ergänzung des Gesetzes zur Verfolgung von Kriegsverbrechen und Kriegsvergehen vom 18. Dezember 1919 stellte unmissverständlich klar, dass ein früheres Verfahren einem Verfah73 Eine Übersicht über die einzelnen Gesetze bietet: Borgmann, Die Identität der That, S. 30 ff.; siehe ebenfalls: Rheingans, Die Ausbildung der strafprozessualen Rechtskraftlehre, S. 91 ff., allerdings mit Schwerpunkt auf den Wiederaufnahmeregelungen. 74 Vgl. Berner, GA 3 (1855), 472, 473 und 475 ff.; Heffter, Non bis in idem, S. 15; Planck, Systematische Darstellung des deutschen Strafverfahrens, S. 132, mit Verweis auf die neue Bezeichnung non bis in idem; Rheingans, Die Ausbildung der strafprozessualen Rechtskraftlehre, S. 84, der auch auf die noch vorhandenen Kritiker verweist; nach Radtke, Systematik des Strafklageverbrauchs, S. 76, war der Grundsatz spätestens mit Einführung der Strafprozeßordnung 1877 allgemein anerkannt. 75 Vgl. Rheingans, Die Ausbildung der strafprozessualen Rechtskraftlehre, S. 85. Zur Wissenschaft siehe: Planck, Systematische Darstellung des deutschen Strafverfahrens, S. 132, der von der „englische[n] und französische[n] Kunstsprache“ spricht, aus der die Bezeichnung non bis in idem, „ähnlich dem römischen Recht“ stamme; so auch: Düwel, Der Grundsatz „Ne bis in idem“, S. 7 f.; von Feuerbach, Lehrbuch des peinlichen Rechts7, § 617 Fn. a), geht von französischer Herkunft aus; Rheingans, a. a. O., S. 49 Fn. 24, stellt die These auf, dass von Feuerbach a. a. O. den Satz non bis in idem im gemeinen deutschen Recht zum ersten Mal gebraucht haben könnte; nach Schroeder, JuS 1997, 227, 228, ist die Herkunft unklar. 76 Heffter, Non bis in idem, S. 16, hier auch zum Folgenden; so auch: Rheingans, Die Ausbildung der strafprozessualen Rechtskraftlehre, S. 84. 77 Siehe: Die gesamten Materialien zu den Reichs-Justizgesetzen III 1, S. 207 und 271; nach Borgmann, Die Identität der That, S. 43, lässt sich der Ne-bis-in-idem-Grundsatz aus § 404 der Strafprozessordnung von 1877 und § 5 Nr. 1 des Strafgesetzbuches von 1871 ableiten. Die Vorschriften sind abgedruckt in: Die gesamten Materialien zu den Reichs-Justizgesetzen III 1, S. 2453 f., und im RGBl. 1871, S. 129. Rheingans, Die Ausbildung der strafprozessualen Rechtskraftlehre, S. 98, leitet den Grundsatz aus den Wiederaufnahmevorschriften her; in diese Richtung auch: Berner, Der Grundsatz des ne bis in idem, S. 2; Kimmel, Der Grundsatz „ne bis in idem“, S. 10, findet weitere Anknüpfungspunkte; siehe ebenfalls: Düwel, Der Grundsatz „Ne bis in idem“, S. 17 ff. 78 RGSt 2, 347, 348; 8, 135, 137. Die Rechtsprechung rekurrierte jedoch auf § 264 StPO, vgl. nur: RGSt 72, 99, 105.

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ren aufgrund des Gesetzes zur Verfolgung von Kriegsverbrechen und Kriegsvergehen vom 18. Dezember 191979 nicht entgegenstand.80 Der Grundsatz wurde damit im Bereich der Kriegsverbrechen außer Kraft gesetzt.81 Im Nationalsozialismus wollte man Ausnahmen von dem Ne-bis-in-idemGrundsatz zulassen, wenn die Anwendung des Grundsatzes „dem gesunden Rechtsempfinden widersprechen würde“ 82. Auch der Volksgerichtshof führte diesbezüglich aus, dass „der Schutz des Staates und des Volkes [. . .] der Anwendung von Verfahrensgrundsätzen vor[geht], wenn diese in ihrer letzten Folge zum Widersinne führen“ 83. Zwar hielten die Nationalsozialisten formal an dem Grundsatz fest;84 dies kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es aufgrund der Anwendung von unbestimmten Rechtsbegriffen wie dem des „gesunden Volksempfindens“ im Belieben der Gerichte stand, den Grundsatz zu durchbrechen. Um derartige Missbräuche zukünftig zu verhindern,85 nahmen manche Bundesländer den Ne-bis-in-idem-Grundsatz nach Ende des zweiten Weltkriegs in ihre Verfassung auf.86 Die Väter und Mütter des Grundgesetzes nahmen sich die Landesverfassungen von Württemberg-Baden, Hessen, Bayern und WürttembergHohenzollern zum Beispiel und schufen eine entsprechende Vorschrift im Grundgesetz, Art. 103 III GG.87

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RGBl. 1919, S. 2125 f. Kritisch dazu: Düwel, Der Grundsatz „Ne bis in idem“, S. 20 f. Siehe hierzu auch bereits oben, B. Fn. 100. 81 Dieses Vorgehen wurde dadurch begünstigt, dass der Grundsatz (noch) nicht gesetzlich normiert war. 82 Siehe: Niederreuther, DJ 1938, 1752, 1757; ähnlich mit Blick auf das Volkswohl: Litzenberg, Der Grundsatz „ne bis in idem“, S. 15 f.: „gesundes Volksempfinden“; Nagler, ZAkDR 1939, 371, 375. 83 VGH, DJ 1938, 1193. Siehe zum Volksgerichtshof nur: Weidenkaff, in: Rechtswörterbuch, Stichwort „Volksgerichtshof“. 84 Siehe zum Beispiel: Nagler, ZAkDR 1939, 371, 373; Niederreuther, DJ 1938, 1752, 1755. 85 Nagler, ZAkDR 1939, 371, 373, hielt es für einen „Glücksfall“, dass der Grundsatz nicht ausdrücklich normiert wurde, da er somit der nationalsozialistischen Auslegung nicht im Wege stand. 86 Vgl. Specht, Die zwischenstaatliche Geltung des Grundsatzes ne bis in idem, S. 14; Rüping, in: BK, Art. 103 III Rn. 7; siehe Art. 7 II der Landesverfassung der Freien Hansestadt Bremen, Art. 4 III der Verfassung für Württemberg-Baden, Art. 104 II der Verfassung des Freistaates Bayern, Art. 22 III der Verfassung des Landes Hessen, Art. 6 III 1 der Verfassung für Rheinland-Pfalz und Art. 17 III der Verfassung für Württemberg-Hohenzollern; die einzelnen Verfassungen sind abgedruckt bei: Wegener, Die neuen deutschen Verfassungen; zu Art. 104 II der Verfassung des Freistaates Bayern, siehe auch: VerfGH 16, 15, 17. 87 Bericht Verfassungskonvent, S. 94; zur Reichweite des Art. 103 III GG und ausführlicher zu der Entstehungsgeschichte der Vorschrift siehe unten unter D. II. 1. 80

D. Strafprozessuale Zulässigkeit und Vereinbarkeit des § 362 StPO mit höherrangigem Recht und anderen Prinzipien Nachdem die Entwicklung der Wiederaufnahme und die des Ne-bis-in-idemGrundsatzes dargestellt wurden, stellt sich nunmehr die Frage, ob die Wiederaufnahme des Strafverfahrens zuungunsten des Angeklagten in Form des geltenden § 362 StPO mit dem übrigen Strafprozessrecht im Einklang steht und mit höherrangigem Recht und anderen Prinzipien vereinbar ist. Dabei soll zunächst auf die strafprozessuale Zulässigkeit, sodann auf die Vereinbarkeit mit der Verfassung und im Anschluss auf die Vereinbarkeit mit internationalen Ne-bis-in-idem-Regelungen eingegangen werden. Außerdem soll das Verhältnis zwischen Wiederaufnahme und den Vorschriften der Strafverfolgungsverjährung untersucht werden.

I. Strafprozessuale Zulässigkeit des § 362 StPO Im Rahmen der strafprozessualen Zulässigkeit der Wiederaufnahme zuungunsten des Angeklagten soll in einem ersten Schritt herausgestellt werden, wie die geltenden Wiederaufnahmegründe generell (auf einfachgesetzlicher Ebene) legitimiert werden können. Daran anschließend wird der Frage nachgegangen, ob § 362 StPO mit dem heutigen Prozessrechtsverständnis im Einklang steht. Der historische Gesetzgeber rechtfertigte die in § 362 Nr. 1–3 StPO aufgeführten Wiederaufnahmegründe damit, dass „man gegen die Fundamentalsätze des Strafrechts verstößt, wenn man es zulassen will, daß der Verbrecher der verwirkten Strafe durch die Begehung eines neuen Verbrechens entzogen werde“ 1. Der Gesetzgeber ging also davon aus, dass der Angeklagte selbst eine weitere Straftat begeht, um seine Bestrafung zu verhindern. In den Motiven des Entwurfs hieß es aber weiter, dass eine Beschränkung der Wiederaufnahmemöglichkeit auf Straftaten, die der Angeklagte selbst begangen hat, unberechtigt sei und den praktischen Bedürfnissen nicht gerecht werde.2 Es sei eine „erfahrungsmäßige Thatsache [. . .], daß beispielsweise die Bestechung von Zeugen vielleicht ebenso oft durch Angehörige oder Genossen des Angeklagten [. . .] erfolgt, weil ja ein Theil 1 Die gesamten Materialien zu den Reichs-Justizgesetzen III 1, S. 264; siehe dazu auch bereits oben unter B. 2 Die gesamten Materialien zu den Reichs-Justizgesetzen III 1, S. 264.

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D. Strafprozessuale Zulässigkeit

der Angeklagten durch ihre Verhaftung an der Unterredung mit den Zeugen gehindert ist.“ 3 Gerade bei schweren Delikten erfolge eine Verhaftung, sodass eine Beschränkung der Wiederaufnahmemöglichkeit auf Straftaten des Angeklagten dazu führe, dass die Wiederaufnahme bei geringfügigeren Delikten eher möglich sei, weil in solchen Fällen keine Verhaftung erfolge und der Angeklagte daher nicht gehindert sei, selber Straftaten zur Verhinderung der Verurteilung zu begehen.4 Dies überzeugt indes nicht, weil auch der Untersuchungshäftling – zumindest heutzutage – auf Angehörige oder Freunde einwirken kann,5 um eine Verurteilung zu verhindern. Auch er macht sich dann aber gegebenenfalls wegen Anstiftung, Beihilfe oder Mittäterschaft strafbar, sodass auch in solchen Fällen ein Wiederaufnahmegrund vorläge. Die fehlende Beschränkung der Wiederaufnahmegründe in § 362 Nr. 1–3 StPO auf Straftaten des Angeklagten scheint damit auf den ersten Blick nicht gerechtfertigt. Die Wiederaufnahmegründe in § 362 Nr. 1–3 StPO betreffen jedoch alle Fehler im Ausgangsverfahren.6 In dieser Fehlerhaftigkeit des Ausgangsverfahrens liegt die strafprozessuale Legitimation der Wiederaufnahmegründe in § 362 Nr. 1–3 StPO. Für den Fall, dass der Freigesprochene oder Verurteilte einen Beitrag zu der Fehlerhaftigkeit des ursprünglichen Urteils geleistet hat, lässt sich dieser Gedanke noch dadurch stützen, dass er den Schutz der Rechtssicherheit verwirkt hat.7 Aber auch wenn der ursprünglich Angeklagte für den Fehler im ersten Prozess nicht verantwortlich ist,8 kann er sich bei den in § 362 Nr. 1–3 StPO angeführten Fällen nicht auf die Rechtssicherheit berufen, weil das Verfahren nicht justizförmig abgelaufen ist.9 Die Rechtssicherheit soll nur nach einem ordnungsgemäß abgelaufenen Verfahren eintreten.

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Die gesamten Materialien zu den Reichs-Justizgesetzen III 1, S. 264. Vgl.: Die gesamten Materialien zu den Reichs-Justizgesetzen III 1, S. 264 f. 5 Siehe zu den Möglichkeiten der Kontaktaufnahme das dritte Kapitel des dritten Abschnitts der UVollzO zum Verkehr mit der Außenwelt, die UVollzO ist abrufbar unter: www.gesetzesguide.de, zuletzt aufgerufen am 13.06.2016. 6 Vgl. dazu auch: Stellungnahme Marxen. S. 4 und 14. 7 Grünewald, ZStW 120 (2008), 545, 574 f. 8 Siehe dazu: Frister, in: SK-StPO VII, § 365 Rn. 10; Loos, in: AK-StPO III, § 362 Rn. 9; Stellungnahme BRAK, S. 4; Ziemba, Die Wiederaufnahme des Verfahrens, S. 168 ff.; vgl. ferner: Meyer, ZStW 84 (1972), 909, 927; Nolte, in: von Mangoldt/ Klein/Starck, GG III, Art. 103 Rn. 224. Bereits im Jahr 1851 beschäftigte sich Schwarze, Archiv des Criminalrechts n. F., 1. Band (1851), 554, 581, mit diesem Problem. 9 Vgl. dazu auch: Frister, in: SK-StPO VII, § 362 Rn. 1 und 10; Kerner/Karnowski, in: FS Kühne, S. 579, 586 f.; anders: Greco, Strafprozesstheorie und materielle Rechtskraft, S. 975 f. und 986 ff. 4

I. Strafprozessuale Zulässigkeit des § 362 StPO

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Man kann sich nun zwar die Frage stellen, warum nur bestimmte Straftaten die Wiederaufnahme zuungunsten des Angeklagten ermöglichen, wenn der Gedanke der Justizförmigkeit des Ausgangsverfahrens hinter den Wiederaufnahmegründen in § 362 Nr. 1–3 StPO steht; denn bei konsequenter Durchsetzung dieses Gedankens müssten jegliche Fehler im Ausgangsverfahren eine Wiederaufnahme ermöglichen. Die gesetzgeberische Entscheidung, nicht bei allen Straftaten eine Wiederaufnahme zu ermöglichen, ist aber vor dem Hintergrund des gesetzgeberischen Beurteilungsspielraums nicht angreifbar; sie muss daher respektiert werden.10 An der strafprozessualen Zulässigkeit der Wiederaufnahmegründe in § 362 Nr. 1–3 StPO ändert dies nichts.11 Zudem beschreibt der Begriff der Justizförmigkeit des Ausgangsverfahrens lediglich die ratio legis der bestehenden Wiederaufnahmegründe in § 362 Nr. 1–3 StPO. Daraus lässt sich kein allgemeines Postulat ableiten, dass die Wiederaufnahme des Strafverfahrens generell dazu dient, nicht justizförmig abgelaufene Verfahren nochmals zu verhandeln. Davon ausgehend ist es also nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber die Wiederaufnahme nicht für weitere im Ausgangsverfahren begangene Straftaten ermöglichte. Bezüglich des Wiederaufnahmegrundes des Geständnisses in § 362 Nr. 4 StPO ging der historische Gesetzgeber davon aus, dass es ein Gebot der materiellen Gerechtigkeit sei, nach einem Geständnis die Wiederaufnahme zu ermöglichen.12 Außerdem beeinträchtige dieser Wiederaufnahmegrund die Interessen des Angeklagten nicht, da der Angeklagte selber darüber entscheiden könne, ob er ein Geständnis ablegt oder nicht. Endlich könne das Rechtsbewusstsein der Bevölkerung „leicht irre geführt werden, wenn ein Verbrecher, nachdem er wegen mangelnden Beweises freigesprochen worden, sich ungestraft des Verbrechens selbst bezichtigen, oder gar rühmen darf.“ 13 Die angeführten Begründungen des historischen Gesetzgebers für den Wiederaufnahmegrund des Geständnisses überzeugen nur bedingt: Zunächst ist es – nicht nur in Bezug auf den Wiederaufnahmegrund des Geständnisses – problematisch, zur Legitimation auf den (relativ) unbestimmten Begriff der materiellen Gerechtigkeit abzustellen. Dass man mit dem Begriff der materiellen Gerechtigkeit bei dessen unkritischer Anwendung nahezu alles recht-

10 Vgl. zur Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers bei der Anerkennung von Wiederaufnahmegründen auch: Gössel, in: Löwe-Rosenberg VII/2, § 362 Rn. 21; Greco, Strafprozesstheorie und materielle Rechtskraft, S. 974. 11 Anders: Greco, Strafprozesstheorie und materielle Rechtskraft, S. 986 ff. 12 Vgl.: Die gesamten Materialien zu den Reichs-Justizgesetzen III 1, S. 265, hier auch zum Folgenden; siehe auch bereits S. 33. 13 Die gesamten Materialien zu den Reichs-Justizgesetzen III 1, S. 265.

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fertigen kann,14 zeigt sich nicht zuletzt daran, dass die Ausweitung der Wiederaufnahme zuungunsten des Angeklagten im Nationalsozialismus (umfassende Wiederaufnahmemöglichkeit bei neuen Tatsachen oder Beweismitteln, sofern dies zum Schutze des Volkes notwendig erschien) mit der materiellen Gerechtigkeit begründet wurde.15 Das Rechtsbewusstsein der Bevölkerung16 trägt ebenfalls nicht als Begründung für den Wiederaufnahmegrund des Geständnisses, weil das Rechtsbewusstsein der Bevölkerung nicht ausschlaggebend für die Gesetzgebung im Bereich des Straf- oder Strafprozessrechts sein darf. Wozu eine Orientierung am Rechtsbewusstsein der Bevölkerung im Bereich des Strafrechts führen kann, lässt sich eindrucksvoll an einer aktuellen Studie Strengs darstellen: Nach dieser Studie empfanden beispielsweise 31,6% der befragten Jurastudenten die lebenslange Freiheitsstrafe als für manche Delikte zu milde Strafe,17 31,9% bejahten die Todesstrafe für manche Delikte18 und 51,3% hielten die Anwendung von Folter in gewissen Situationen für legitim.19 Vor diesem Hintergrund erscheint die Argumentation mit dem Rechtsbewusstsein der Bevölkerung mehr als problematisch. Allerdings könnte der Gedanke, dass der Angeklagte selbst darüber entscheidet, ob er ein Geständnis ablegt oder nicht, als Rechtfertigung des Geständnisses als Wiederaufnahmegrund fungieren.20 Ausgangspunkt dieser Überlegung ist, dass der Angeklagte die durch die Rechtskraft erlangte Rechtssicherheit bewusst preisgibt.21

14 So auch: Stellungnahme Scherzberg, S. 2; vgl. dazu ebenfalls: Dippel, GA 119 (1972), 97, 106; Grünewald, RuP 2009, 1, 3; Mayer, GerS 99 (1930), 299, 302. 15 Siehe den Bericht der Strafprozeßkommission: Doerner, in: Das kommende deutsche Strafverfahren, S. 430 ff.; Entwurf einer Strafverfahrensordnung, S. 170; Freisler, in: Das kommende deutsche Strafverfahren, S. 30 f.; der Vorschlag der Kommission wurde 1943 Gesetz, siehe: RGBl. I 1943, S. 345; siehe dazu auch: Frister, in: SK-StPO VII, § 362 Rn. 5. Siehe zu strafrechtspolitischen Forderungen in Bezug auf die Wiederaufnahme zur Zeit des Nationalsozialismus auch: Greco, Strafprozesstheorie und materielle Rechtskraft, S. 977 m.w. N. 16 Siehe dazu instruktiv: Würtenberger, NJW 1986, 2281 ff. 17 Streng, Kriminalitätswahrnehmung und Punitivität im Wandel, S. 52, Tabelle 20. 18 Streng, Kriminalitätswahrnehmung und Punitivität im Wandel, S. 60, Tabelle 23. 19 Vgl. Streng, Kriminalitätswahrnehmung und Punitivität im Wandel, S. 65, Tabelle 26. 20 Vgl. auch: Die gesamten Materialien zu den Reichs-Justizgesetzen III 1, S. 265; Denkschrift Strafrechtsausschuss der Bundesrechtsanwaltskammer, S. 76; Hohmann, in: Radtke/Hohmann, § 362 Rn. 1; Mayer, GerS 99 (1930), 299, 324; Roggon, BLJ 2011, 50, 55; Scherzberg/Thiée, ZRP 2008, 80, 82; Schwarze, Archiv des Criminalrechts n. F., 1. Band (1851), 554, 583; Stellungnahme BRAK, S. 4, Stellungnahme Scherzberg, S. 5; Weber-Klatt, Die Wiederaufnahme von Verfahren, S. 388; Ziemba, Die Wiederaufnahme des Verfahrens, S. 187. 21 Ähnlich: Grünewald, RuP 2009, 1, 3; Weber-Klatt, Die Wiederaufnahme von Verfahren, S. 388; vgl. auch: Mayer, GerS 99 (1930), 299, 324.

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Dagegen wird jedoch eingewandt, dass der freie Wille bei Ablegung eines Geständnisses eine reine Fiktion darstelle, die „keinen sachlichen Grund für die Ungleichbehandlung im Wiederaufnahmerecht liefert.“ 22 Davon ausgehend würde der Angeklagte gerade nicht bewusst auf die erlangte Rechtssicherheit verzichten. Dieser Einwand überzeugt indes nicht: Zwar dürfte es in der Praxis selten vorkommen, dass sich der Freigesprochene in der Öffentlichkeit mit seinen begangenen Straftaten rühmt und damit eindeutig die erlangte Rechtssicherheit preisgibt; häufiger dürfte es sich um Fälle handeln, in denen der Freigesprochene im privaten Umfeld Informationen preisgibt, die dann vor Gericht im Wideraufnahmeverfahren als Geständnis gewertet werden. Bei solchen Äußerungen im privaten Umfeld kann man in der Tat nicht von bewusster Preisgabe der erlangten Rechtssicherheit sprechen. Dies ist allerdings eine Frage der Definition des Begriffs des Geständnisses, die keine Auswirkungen auf die Legitimation dieses Wiederaufnahmegrundes an sich hat. Denn der Begriff des Geständnisses muss vom dem Hintergrund seiner Legitimation ausgelegt werden, sodass nur dann von einem Geständnis ausgegangen werden darf, wenn das Verhalten des Freigesprochenen darauf schließen lässt, dass er seine Rechtssicherheit bewusst preisgibt. Damit können Äußerungen im privaten Umfeld regelmäßig nicht als Geständnis im Sinne des § 362 Nr. 4 StPO gewertet werden.23 Ebenso wenig lässt es sich davon ausgehend rechtfertigen, dass ein Geständnis, das gegenüber einer nach § 203 StGB schweigepflichtigen Person gemacht wird, als Wiederaufnahmegrund angesehen wird,24 weil der Geständige die erlangte Rechtssicherheit in diesem Fall gerade nicht preisgeben will. Nun könnte man gegen den Wiederaufnahmegrund des Geständnisses und dessen Legitimation über die Preisgabe der erlangten Rechtssicherheit noch einwenden, dass der Angeklagte überhaupt nicht auf den Schutz durch den Ne-bis-inidem-Grundsatz verzichten könne.25 Dafür könnte sprechen, dass der Schutz vor erneuter Strafverfolgung nach Maßgabe des Art. 103 III GG teilweise als Ausfluss der Menschenwürde gesehen wird.26 In Bezug auf die Menschenwürde ist

22 Eschelbach, in: KMR V, § 362 Rn. 86, der sich auf Meyer, Wiederaufnahmereform, S. 79, bezieht. 23 In diese Richtung auch: Kaspar, in: SSW-StPO, § 362 StPO Rn. 11; Loos, in: AKStPO III, § 362 Rn. 21; Marxen/Tiemann, Die Wiederaufnahme in Strafsachen, Rn. 323; anders: Frister, in: SK-StPO VII, § 362 Rn. 13; Gössel, in: Löwe-Rosenberg VII/2, § 362 Rn. 18; im Ergebnis ebenfalls ablehnend: Eschelbach, in: KMR V, § 362 Rn. 97. 24 So aber beispielsweise: Gössel, in: Löwe-Rosenberg VII/2, § 362 Rn. 18 m.w. N.; anders: Sickor, Das Geständnis, S. 203 f.; ebenfalls kritisch: Marxen/Tiemann, Die Wiederaufnahme in Strafsachen, Rn. 323. 25 In diese Richtung: Meyer, ZStW 84 (1972), 909, 928. 26 So: Künast, StV 2015 (Heft 11), I (Editorial); Nolte, in: von Mangoldt/Klein/ Starck, GG III, Art. 103 Rn. 231; Schulze-Fielitz, in: Dreier III, Art. 103 III Rn. 36.

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es umstritten, ob man in eine Verletzung derselbigen einwilligen kann.27 Aufgrund des Wesens der Menschenwürde, das auf „individuelle[r] Autonomie und Selbstbestimmung“ 28 fußt, ist aber davon auszugehen, dass man selbst in Verletzungen der Menschenwürde einwilligen kann.29 Gleiches muss dann auch für den Schutz durch Art. 103 III GG gelten: Der Freigesprochene kann durch ein Geständnis auf den durch Art. 103 III GG erreichten Schutz verzichten,30 sodass sich der Wiederaufnahmegrund des Geständnisses strafprozessual legitimieren lässt.31 Die Wiederaufnahmegründe in § 362 StPO lassen sich damit auch insgesamt strafprozessual rechtfertigen. Eine andere Frage ist, ob sie unserem heutigen Verständnis des Strafprozessrechts entsprechen. Ein Strafprozess kann entweder inquisitorisch oder akkusatorisch ausgestaltet sein. Dabei kennzeichnet das reine Akkusationsverfahren, dass es sich um einen Parteienprozess handelt, in dem nur anhand des von den Parteien beigebrachten Stoffes entschieden wird.32 Außerdem kann das Gericht im Akkusationsverfahren nicht von sich aus tätig werden, sondern erst auf die Anklage eines Dritten – nach heutigem Verständnis der Staatsanwaltschaft – hin.33 Das Inquisitionsverfahren, das in dem hier zugrunde gelegten Verständnis nicht mit dem mittelalterlichen Inquisitionsprozess zu verwechseln ist,34 wird hingegen vom Untersuchungsgrundsatz des Gerichts,35 dem Offizialprinzip und dem Prinzip der materiellen Wahrheit beherrscht;36 die Parteien spielen nur eine untergeordnete Rolle. Das alte Inquisitionsverfahren war insbesondere ein schriftliches 27

Siehe dazu nur: Kloepfer, Verfassungsrecht II, § 55 Rn. 64. Dreier, in: Dreier I, Art. 1 I Rn. 150. 29 So auch anstatt aller: Kloepfer, Verfassungsrecht II, § 55 Rn. 65; siehe zum Ganzen: Dreier, in: Dreier I, Art. 1 I Rn. 149 ff. 30 Allgemein zu dem Verzicht auf Grundrechte: Spieß, Der Grundrechtsverzicht, passim. 31 Kritisch zu § 362 Nr. 4 StPO: Eschelbach, in: KMR V, § 362 Rn. 84 ff.; Meyer, Wiederaufnahmereform, S. 79; ders., ZStW 84 (1972), 909, 928; Peters, Fehlerquellen II, S. 9; Greco, Strafprozesstheorie und materielle Rechtskraft, S. 984 f. 32 Planck, Systematische Darstellung des deutschen Strafverfahrens, S. 147 f.; vgl. auch: Geppert, JURA 2015, 143, 144. 33 Siehe nur: Sickor, Das Geständnis, S. 167 m.w. N. Das Anklagemonopol der Staatsanwaltschaft ist aber nicht Ausdruck des Akkusationsprinzips, siehe nur: ders., a. a. O., S. 167 f. 34 Siehe zu den Begrifflichkeiten: Sickor, Das Geständnis, S. 170 f. 35 Siehe dazu ebenfalls: Sickor, Das Geständnis, S. 170; Planck, Systematische Darstellung des deutschen Strafverfahrens, S. 148. 36 Hettinger, JZ 2011, 292, 294. 28

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Verfahren, sodass die einzelnen Aussagen des Beschuldigten und der Zeugen – anders als im Akkusationsverfahren – schriftlich genau niedergelegt waren.37 Diese Ausgestaltung eines Strafverfahrens hat auch Einfluss auf die Wiederaufnahme:38 In akkusatorischen Verfahrensordnungen wird die Wiederaufnahme lediglich in engen Grenzen zugelassen,39 während der Wiederaufnahme im Rahmen eines reinen Inquisitionsprozesses kaum Grenzen gesetzt werden, sodass das Verfahren bei Vorliegen neuer Beweise immer wieder aufgenommen werden kann.40 Dies hat seinen Grund darin, dass der reine Inquisitionsprozess als Folge des Strebens nach der Wahrheit die Rechtskraft nicht anerkennt.41 Historisch diente die Wiederaufnahme im Rahmen eines inquisitorischen Verfahrens der Überprüfung des ersten Urteils, wohingegen bei einem akkusatorischen Prozessverständnis im Rahmen der Wiederaufnahme ein neues Urteil erging.42 Nachdem nun sowohl das Inquisitions- als auch das Akkusationsverfahren und die jeweiligen Konsequenzen einer entsprechenden Ausgestaltung des Strafverfahrens für die Wiederaufnahme dargestellt wurden, stellt sich die Frage, welches Prinzip unserem heutigen Strafverfahren zugrunde liegt. Aus der Beantwortung dieser Frage lassen sich möglicherweise Rückschlüsse auf die Vereinbarkeit des geltenden § 362 StPO mit dem aktuellen Strafprozessrechtssystem ziehen.43 Die Literatur geht davon aus, dass das heutige deutsche Strafprozessrecht sowohl akkusatorische als auch inquisitorische Elemente aufweist.44 37

Siehe: Hanack, JZ 1973, 393, 394; Waßmer, JURA 2002, 454. Wasserburg, ZRP 1997, 412. 39 Deml, Zur Reform der Wiederaufnahme, S. 8; Mayer, GerS 99 (1930), 299, 308; vgl. auch: Planck, Systematische Darstellung des deutschen Strafverfahrens, S. 137. Greco, Strafprozesstheorie und materielle Rechtskraft, S. 885 f., weist jedoch richtigerweise darauf hin, dass kein Strafprozessrechtssystem die materielle Wahrheit völlig außer Acht lassen kann. 40 Deml, Zur Reform der Wiederaufnahme, S. 5 m.w. N.; Petermann, in: Wiederaufnahme in Strafsachen, Rechtliche Grundlagen Rn. 1; Planck, Systematische Darstellung des deutschen Strafverfahrens, S. 136 f.; Waßmer, JURA 2002, 454. 41 Siehe dazu: Zachariä, Handbuch des deutschen Strafprozesses II, S. 676; vgl. auch: Grüner/Wasserburg, NStZ 1999, 286, 289; Kudlich, NJW 2013, 3216, 3217; Roeder, ZStW 79 (1967), 250, 255 f. 42 Dippel, GA 119 (1972), 97, 105; Mayer, GerS 99 (1930), 299, 311. 43 A. A.: Greco, Strafprozesstheorie und materielle Rechtskraft, S. 885 f. und 1000, wonach sich aus diesen Erkenntnissen, wenn überhaupt, nur eine geschichtliche Erklärung der geltenden Rechtslage, aber jedenfalls keine Legitimation der Wiederaufnahme ableiten lasse. 44 Siehe anstatt aller: Gössel, in: Löwe-Rosenberg VII/2, Vor § 359 Rn. 11; Grüner/ Wasserburg, NStZ 1999, 286, 287, nach denen aber die inquisitorischen Elemente dominieren; Schünemann, Strafverfahrensrecht, § 17 Rn. 5; Sickor, Das Geständnis, S. 175 ff.; so auch bereits: Planck, Systematische Darstellung des deutschen Strafverfahrens, S. 137, für die damals geltenden Gesetze. 38

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D. Strafprozessuale Zulässigkeit

Dies überzeugt im Ergebnis und stellt auch keinen Widerspruch dar, weil sich beide Prinzipien gerade nicht unvereinbar gegenüberstehen.45 Dies trifft zwar auf das mittelalterliche Inquisitionsverfahren im Verhältnis zum Akkusationsverfahren, aber nicht auf das Verständnis dieser Prinzipien im reformierten Strafverfahren, zu. Insbesondere liegt dem Anklagegrundsatz des § 151 StPO das Akkusationsprinzip zu Grunde,46 während die Vorschriften zur Tatsachen- und Sachverhaltserforschung dem Inquisitionsprinzip zuzuordnen sind.47 Diese Erwägung der Verbindung beider Prinzipien lag auch der Reform des Inquisitionsverfahrens im 19. Jahrhundert zugrunde,48 die letztlich im Jahr 1877 in der Reichs-Strafprozessordnung mündete. Nur auf den ersten Blick scheint die Verbindung von Akkusations- und Inquisitionsprinzip problematisch, weil beide Prinzipien – wie oben bereits dargestellt – der Wahrheitsfindung einen unterschiedlichen Stellenwert einräumen und damit unterschiedliche Wahrheitsbegriffe zugrunde legen: In der Tat schränkt das Akkusationsprinzip das inquisitorische Streben nach der Wahrheit ein: Zwar gilt für das Gericht im Rahmen der Hauptverhandlung der Amtsermittlungsgrundsatz,49 es ist aber durch das Akkusationsprinzip in der Erforschung der Wahrheit auf den durch die Staatsanwaltschaft angeklagten Lebenssachverhalt beschränkt und kann auch nicht von sich aus tätig werden.50 Der Wahrheitsermittlung im Vorverfahren trägt aber das Legalitätsprinzip Rechnung, weil es – zumindest abseits der Opportunitätsvorschriften – gewährleistet, dass der Sachverhalt ermittelt und einem gerichtlichen Verfahren zugeführt wird. Das deutsche Strafverfahren erkennt die Notwendigkeit der Ermittlung der Wahrheit also grundsätzlich an. Die geringfügige Einschränkung des Amtsermittlungsgrundsatzes durch das Akkusationsprinzip erscheint vor dem Hintergrund, dass das Anklagemonopol der Staatsanwaltschaft „eine wesentliche Errungenschaft des modernen Strafverfahrens gegenüber dem historischen Inquisitionsverfahren [darstellt]“ 51, nicht problematisch. Davon ausgehend sind die inquisitorischen und akkusatorischen Elemente im deutschen Strafverfahren miteinander vereinbar. Die Mischung zwischen Akkusations- und Inquisitionsverfahren im Allgemeinen spiegelt sich nach herrschender Lehre im Speziellen auch in den Vorschriften

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Siehe nur: Sickor, Das Geständnis, S. 180 m.w. N., hier auch zum Folgenden. Schünemann, Strafverfahrensrecht, § 17 Rn. 5; Sickor, Das Geständnis, S. 167. 47 Siehe nur: Sickor, Das Geständnis, S. 171 und 178, jeweils m.w. N.; vgl. auch: Ambos, JURA 2008, 586, 593; Grüner/Wasserburg, NStZ 1999, 286, 287; Schünemann, Strafverfahrensrecht, § 17 Rn. 5. 48 Siehe dazu nur: Ignor, Geschichte des Strafprozesses in Deutschland, S. 231 ff. m.w. N. 49 Siehe nur: Schünemann, Strafverfahrensrecht, § 17 Rn. 7. 50 Vgl. anstatt aller nur: Weigend, ZStW 113 (2001), 271, 283. 51 Weigend, ZStW 113 (2001), 271, 283. 46

I. Strafprozessuale Zulässigkeit des § 362 StPO

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der Wiederaufnahme des Strafverfahrens wider:52 So werden die Wiederaufnahmegründe in § 362 Nr. 1–3 StPO dem Akkusations- und der Wiederaufnahmegrund des § 362 Nr. 4 StPO dem Inquisitionsprinzip zugeordnet.53 Gegen diese Verbindung akkusatorischer und inquisitorischer Elemente bestehehen nach Meyer „weder dogmatische, noch praktische Bedenken.“ 54 Auch Gössel ordnet den Wiederaufnahmegrund des Geständnisses dem Inquisitionsprinzip zu.55 Lediglich dem Wiederaufnahmegrund der strafbaren Amtspflichtverletzung durch einen Richter oder Schöffen in § 362 Nr. 3 liege jedoch das Akkusationsprinzip zugrunde,56 während die Wiederaufnahmegründe in § 362 Nr. 1–2 StPO Elemente beider Prinzipien beinhalten würden.57 Unabhängig davon, welchen Wiederaufnahmegründen welches Verfahrensverständnis zugrunde liegt, zeigen sich nach der herrschenden Lehre in den Wiederaufnahmegründen in § 362 StPO jedenfalls beide Prinzipien. Nach Grüner/Wasserburg sind die Wiederaufnahmegründe aber durch inquisitorische Elemente geprägt, weil sie sich auf die Wahrheit des ursprünglichen Urteils und nicht auf eine Verletzung der Verfahrensgerechtigkeit stützen würden.58 Die sogenannten absoluten Wiederaufnahmegründe in den §§ 359 Nr. 3, 362 Nr. 3 StPO, bei denen die strafbare Amtspflichtverletzung nach § 370 I StPO keinen Einfluss auf die Entscheidung haben muss, würden insofern eine Ausnahme darstellen.59 Dies kann nach der hier vertretenen Ansicht aber nicht überzeugen, weil nicht die Erforschung der Wahrheit ausschlaggebend für die Legitimität der Wiederaufnahmegründe in § 362 Nr. 1–3 StPO ist, sondern die Justizförmigkeit des Ausgangsverfahrens. 52 Deml, Zur Reform der Wiederaufnahme, S. 9; Gössel, in: Löwe-Rosenberg VII/2, Vor § 359 Rn. 11 und 14; Grünewald, ZStW 120 (2008), 545, 563; Saliger, Radbruchsche Formel und Rechtsstaat, 1995, S. 77; Wasserburg, ZRP 1997, 412, 413; vgl. auch: Dippel, GA 119 (1972), 97, 105 f.; Meyer, Wiederaufnahmereform, S. 56 f.; Vogler, in: Wiederaufnahme des Strafverfahrens, S. 713, 720, allerdings jeweils schwerpunktmäßig zu der Wiederaufnahme zugunsten des Verurteilten; vgl. weiterhin: Waßmer, JURA 2002, 454; Ziemba, Die Wiederaufnahme des Verfahrens, S. 59. Nach Marxen/Tiemann, Die Wiederaufnahme in Strafsachen, Rn. 8 ff. m.w. N., ist das Wiederaufnahmeverfahren an sich jedoch akkusatorisch geprägt; a. A.: Gössel, in: Löwe-Rosenberg VII/ 2, Vor § 359 Rn. 13; Meyer, Wiederaufnahmereform, S. 56 f. 53 Deml, Zur Reform der Wiederaufnahme, S. 9; Wasserburg, ZRP 1997, 412, 413; vgl. auch: Meyer, Wiederaufnahmereform, S. 56 ff. 54 Meyer, Wiederaufnahmereform, S. 58; vgl. auch: Hanack, JZ 1973, 393, 394 f. 55 Gössel, in: Löwe-Rosenberg VII/2, Vor § 359 Rn. 18. 56 Gössel, in: Löwe-Rosenberg VII/2, Vor § 359 Rn. 19. 57 Gössel, in: Löwe-Rosenberg VII/2, Vor § 359 Rn. 20. 58 Grüner/Wasserburg, NStZ 1999, 286, 289 f. 59 Grüner/Wasserburg, NStZ 1999, 286, 289. Siehe zu dem absoluten Wiederaufnahmegrund des § 362 Nr. 3 StPO vor dem Hintergrund des Art. 103 III GG unten unter D. II. 2.

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D. Strafprozessuale Zulässigkeit

Der Zuordnung der Wiederaufnahmegründe in § 362 Nr. 1–3 StPO zum Akkusationsprinzip ist indes zuzustimmen, weil es sich um eng begrenzte Ausnahmen handelt und eine eingeschränkte Wiederaufnahmemöglichkeit charakteristisch für das Akkusationsverfahren ist. Das Verständnis des Wiederaufnahmegrundes des Geständnisses als inquisitorisches Element überzeugt hingegen nur, wenn man das Geständnis als (neues) Beweismittel ansieht. Unabhängig davon, ob das das Geständnis überhaupt ein Beweismittel darstellt;60 ist dies nach den obigen Erläuterungen nicht der maßgebliche Anknüpfungspunkt. Vielmehr wurde oben herausgestellt, dass der Angeklagte selbst darüber entscheiden kann, ob er ein Geständnis ablegt oder nicht. Rückt man diese Überlegung in den Vordergrund, kann man auch den Wiederaufnahmegrund des Geständnisses dem Akkusationsprinzip zuordnen, weil auf das Einbringen des Geständnisses und auf die dadurch eröffnete Möglichkeit eines neuen Prozesses abgestellt wird. Dies führt im Ergebnis dazu, dass alle Wiederaufnahmegründe in § 362 StPO dem Akkusationsprinzip zuzuordnen sind. Dies entspricht im Übrigen auch der Konzeption des Wiederaufnahmeverfahrens an sich.61 Da die heutige Strafprozessordnung sowohl akkusatorische als auch inquisitorische Elemente beinhaltet, wäre es folgerichtig, wenn sich dies auch in der Wiederaufnahme des Strafverfahrens widerspiegeln würde. Dass die Wiederaufnahmegründe in § 362 StPO nach der hier vertretenen Ansicht allein Ausfluss des Akkusationsprinzips sind, führt aber nicht dazu, dass § 362 StPO nicht mit dem heutigen Strafprozessrechtsverständnis im Einklang steht: Denn gerade weil der Strafprozessordnung in unterschiedlichen Bereichen jeweils auch unterschiedliche Prinzipien zugrunde liegen, ist es nicht zu beanstanden, dass zumindest der Ausgestaltung der nachteiligen Wiederaufnahmegründe rein akkusatorische Erwägungen zugrunde liegen. Insofern ist es für die strafprozessuale Zulässigkeit nicht relevant, ob die Wiederaufnahmegründe akkusatorisch oder inquisitorisch ausgestaltet sind, solange man den heutigen Strafprozess als Mischform beider Prinzipien versteht.62

II. Vereinbarkeit des § 362 StPO mit Art. 103 III GG § 362 StPO müsste aber auch mit der Verfassung vereinbar sein. Wie oben bereits erörtert, ist Art. 103 III GG die maßgebliche Vorschrift, an der die Wiederaufnahme zuungunsten des Angeklagten zu messen ist. 60 Siehe ausführlich zu dem Charakter des Geständnisses als Beweismittel: Sickor, Das Geständnis, S. 43 ff. 61 Siehe dazu nur: Marxen/Tiemann, Die Wiederaufnahme in Strafsachen, Rn. 8. Ausführlich zu der Struktur des Wiederaufnahmeverfahrens unten unter G. III. 7. 62 Vgl. dazu im Ergebnis auch: Greco, Strafprozesstheorie und materielle Rechtskraft, S. 885 f. und 1000.

II. Vereinbarkeit des § 362 StPO mit Art. 103 III GG

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Die dogmatische Einordnung des Art. 103 III GG wird unterschiedlich beurteilt. So wird Art. 103 III GG zum Beispiel teilweise als Justizgrundrecht klassifiziert.63 Der Artikel wird aber auch als Prozessgrundrecht64 oder als grundrechtsgleiches Recht65 angesehen, wobei sich zumindest die Einordnung als Prozessgrundrecht und die als Justizgrundrecht nicht gegenseitig ausschließen.66 Unabhängig von dieser Einordnung stellt sich zunächst die Frage der Reichweite des durch Art. 103 III GG gewährleisteten Schutzes. 1. Reichweite des Art. 103 III GG a) Art. 103 III GG als Verbot erneuter Verfolgung Nach ganz herrschender Meinung verbietet Art. 103 III GG nicht nur jede erneute Bestrafung, sondern auch jede erneute Verfolgung.67 Begründet wird dieses Ergebnis allerdings kaum.68 Soweit ersichtlich, wird nur vereinzelt die Meinung vertreten, dass der Wortlaut des Art. 103 III GG ein solch weites Verständnis nicht zulasse.69 Art. 103 III GG schreibt vor, dass niemand wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden darf. Nach dem Wortlaut der Vorschrift ist daher lediglich eine doppelte Bestrafung verboten, sodass überhaupt nur in solchen Fällen ein Konflikt zu § 362 StPO bestehen könnte, in de63 Vgl. die Darstellung bei Epping/Lenz/Leydecker, Grundrechte, Rn. 913; Kloepfer, Verfassungsrecht II, § 75 Rn. 3; Thomas, Das Recht auf Einmaligkeit der Strafverfolgung, S. 35. 64 BVerfGE 56, 22, 32; Radtke, in: Epping/Hillgruber, Art. 103 Rn. 44 m.w. N. 65 Vgl. zum Beispiel: Kingreen/Poscher, Grundrechte Staatsrecht II, Rn. 1205; Specht, Die zwischenstaatliche Geltung des Grundsatzes ne bis in idem, S. 21. 66 Vgl. Thomas, Das Recht auf Einmaligkeit der Strafverfolgung, S. 35; zum Ganzen auch: Weber-Klatt, Die Wiederaufnahme von Verfahren, S. 30. 67 Ohne Begründung: BVerfGE 12, 62, 66; BGHSt 5, 323, 328 ff.; Brüning, in: Stern/Becker, Art. 103 Rn. 87; Degenhart, in: Sachs, Art. 103 Rn. 79; Greco, Strafprozesstheorie und materielle Rechtskraft, S. 961; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Art. 103 Rn. 79; Kunig, in: von Münch/Kunig, GGK II, Art. 103 Rn. 35; Neuhaus, Der strafverfahrensrechtliche Tatbegriff – „ne bis in idem“, S. 13 f.; Nolte, in: von Mangoldt/Klein/ Starck, GG III, Art. 103 Rn. 174; Rüping, in: BK, Art. 103 III Rn. 25; Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig VI, Art. 103 Rn. 301; Schulze-Fielitz, in: Dreier III, Art. 103 III Rn. 12. Zu der Frage, ob Art. 103 III GG auch einer erneuten Vollstreckung entgegensteht, siehe: OLG Koblenz, NStZ 1981, 195, 196; Rieß, JR 1981, 522, 523. 68 Weitestgehend wird die Reichweite des Schutzes lediglich festgestellt; Kunig, in: von Münch/Kunig, GGK II, Art. 103 Rn. 35, behauptet lapidar, „das Verbot, einen verurteilten Straftäter ein weiteres Mal vor Gericht zu stellen, [verstehe sich] von selbst, weil strafrechtliche Schuld rechtlich durch Strafe getilgt wird“; lediglich der BGH begründet seine Ansicht, BGHSt 5, 323, 328 ff. 69 Höfling/Burkiczak, in: Berliner Kommentar, Art. 103 Rn. 171; in diese Richtung wohl auch: Letzgus, in: FS Geppert, S. 785, 791.

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nen der erste Prozess mit einer Verurteilung endete. Wurde der Angeklagte jedoch freigesprochen, steht jedenfalls der Wortlaut des Art. 103 III GG einer Wiederaufnahme zuungunsten des Angeklagten nicht entgegen.70 Der Wortlaut ist der Ausgangspunkt der Auslegung.71 Ergänzend sind die Systematik, die Entstehungsgeschichte und der Sinn und Zweck einer Vorschrift heranzuziehen.72 Die systematische Auslegung ist für die Frage, ob Art. 103 III GG über seinen Wortlaut hinaus Geltung beansprucht, unergiebig; denn in der Verfassung findet sich keine weitere Norm, die inhaltlich im Zusammenhang mit Art. 103 III GG steht. Allerdings kann die Entstehungsgeschichte zur Auslegung herangezogen werden: In der Weimarer Reichsverfassung existierte kein Artikel, der Art. 103 III GG entsprach. Es galt lediglich der ungeschriebene Grundsatz „ne bis in idem“. In dem Bericht über den Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee findet sich jedoch ein Verfassungsentwurf, in dem es in Art. 136 II hieß: „Niemand darf wegen derselben Tat zweimal gerichtlich bestraft werden“.73 Der Wortlaut war nahezu identisch mit dem heutigen Art. 103 III GG. In der Einzelerläuterung zu Art. 136 II findet sich die Feststellung, dass der Ne-bis-in-idem-Grundsatz nunmehr verfassungsrechtlich verbürgt sei.74 Als Vorbilder werden Artikel aus den Landesverfassungen von Württemberg-Baden, Hessen, Bayern und WürttembergHohenzollern genannt. Alle Artikel aus den entsprechenden Landesverfassungen haben ausdrücklich nur die mehrfache Bestrafung verboten.75 In einem Kommen70 Ebenfalls zur Vereinbarkeit des § 362 StPO mit Art. 103 III GG nach dessen Wortlaut: BGHSt 5, 323, 328. 71 Vgl.: BVerfGE 133, 168, 205 Rn. 66; BGHSt 18, 151, 152; 27, 236, 238; Baumann/Weber/Mitsch, Strafrecht AT, § 9 Rn. 83; Wank, Die Auslegung von Gesetzen, S. 41, hier auch zum Folgenden. Zur Geltung der Auslegungsregeln im Verfassungsrecht vgl.: Specht, Die zwischenstaatliche Geltung des Grundsatzes ne bis in idem, S. 182 ff. m.w. N.; Starck, in: HStR VII, § 164 Rn. 18 m.w. N. 72 Siehe nur: BVerfGE 133, 168, 205 Rn. 66. Im Rahmen der Auslegung folgt das Bundesverfassungsgericht der sogenannten „objektiven Theorie“, wonach der objektivierte Wille des Gesetzgebers entscheidend ist, der aus dem Wortlaut und dem Sinn der Vorschrift abgeleitet wird; seit BVerfGE 1, 299, 312, ständige Rechtsprechung. Siehe dazu auch: Bleckmann, JuS 2002, 942, 943. 73 Bericht Verfassungskonvent, S. 83; nach von Doemming, JÖR n. F./Band 1 (1951), 1, 742, hat Art. 136 II des Herrenchiemsee-Entwurfs ausdrücklich die zweimalige Verfolgung untersagt; so auch: Liebau, „Ne bis in idem“, S. 73; Mansdörfer, Das Prinzip des ne bis in idem, S. 58; Schroeder, JuS 1997, 227, 228, Fn. 20 und Specht, Die zwischenstaatliche Geltung des Grundsatzes ne bis in idem, S. 14, die sich jeweils auf von Doemming beziehen. 74 Bericht Verfassungskonvent, S. 94, hier auch zum Folgenden. 75 Siehe Art. 4 III der Verfassung für Württemberg-Baden, Art. 104 II der Verfassung des Freistaates Bayern, Art. 22 III der Verfassung des Landes Hessen und Art. 17 III der

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tar zu der Vorschrift in der Verfassung des Landes Württemberg-Baden von 1948 findet sich kein Hinweis auf ein erweitertes Verständnis des Artikels.76 Allerdings wird in einem hessischen Kommentar unter Hinweis auf den Ne-bis-inidem-Grundsatz von einem Verbot erneuter Strafverfolgung ausgegangen.77 Ebenfalls findet sich in einem Kommentar und in einem Lehrbuch zur bayrischen Landesverfassung ein Verweis auf „ne bis in idem“.78 Bei den Beratungen des Parlamentarischen Rates kam es zu keiner wesentlichen Änderung gegenüber Art. 136 II des Verfassungsentwurfes, sodass Art. 103 III GG bei Inkrafttreten des Grundgesetzes folgendermaßen lautete: „Niemand darf wegen derselben Tat aufgrund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden“.79 In den Beratungen des Parlamentarischen Rates wurde aber deutlich, dass mehr als der Ausschluss einer erneuten Bestrafung bezweckt wurde. Die Kernaussage der Vorschrift sei der Ausschluss erneuter Verfolgung.80 Dieser Aussage von Zinn wurde nicht widersprochen, sodass man daraus schließen könnte, dass eine erneute Strafverfolgung ausgeschlossen werden sollte. In diese Richtung geht auch das folgende Beispiel von Zinn bezüglich der Zeit des Nationalsozialismus, in der eine nachträgliche Änderung des Urteilsspruchs zum Nachteil des Abgeurteilten möglich war. Darin lag aber keine erneute Bestrafung. Als Reaktion darauf sei eine entsprechende Vorschrift in den Herrenchiemseer Entwurf aufgenommen worden. Danach verwies Zinn auf Art. 90 des Strafgesetzbuches des bayrischen Königreiches von 1861, der ausdrücklich auch für Freigesprochene eine erneute Hauptverhandlung ausschloss. Nach all dem liegt es zumindest nahe, dass der jetzige Art. 103 III GG über seinen Wortlaut hinaus Geltung beanspruchen sollte. Trotzdem stellt sich die Frage, warum es in den Beratungen des Parlamentarischen Rates nie zu einer Diskussion darüber kam, den Wortlaut der Vorschrift insofern abzuändern, dass ausdrücklich jede erneute Verfolgung verboten sein sollte.81 Selbst vor dem Hintergrund, dass der Ne-bis-in-idem-Grundsatz bereits Verfassung für Württemberg-Hohenzollern; die einzelnen Verfassungen sind abgedruckt bei: Wegener, Die neuen deutschen Verfassungen. 76 Eisenmann u. a., in: Kommentar Verfassung Württemberg-Baden, Art. 4. Ziff. 3. 77 Stein, in: Verfassung Hessen Kommentar, Art. 22 Ziff. 5. 78 Hoegner, Lehrbuch des bayrischen Verfassungsrechts, 141; Nawiasky/Leusser, in: HK Verfassung Bayern, Art. 104. 79 BGBl. I 1949, S. 1. 80 Zinn in der achten Sitzung des Ausschusses für Verfassungsgerichtshof und Rechtspflege des Parlamentarischen Rates mit Verweis auf ne bis in idem; zitiert nach: Der Parlamentarische Rat Band 13 Teilband 2, S. 1465, hier auch zum Folgenden. 81 So auch Schroeder, JuS 1997, 227, 228.

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D. Strafprozessuale Zulässigkeit

allgemein anerkannt war82 und daher zu dieser Zeit wahrscheinlich jedes Mitglied des Parlamentarischen Rates wusste, was mit der Formulierung gemeint war, hätte es nicht geschadet, den Wortlaut auch entsprechend unmissverständlich zu formulieren. Im Rahmen der Entstehung des Grundgesetzes wurde immer wieder auf den Ne-bis-in-idem-Grundsatz abgestellt.83 Nach den obigen Ausführungen zu der Entstehungsgeschichte dieses Grundsatzes besteht kein Zweifel daran, dass er die erneute Verfolgung und nicht nur die erneute Bestrafung verbietet. Daher ist es zumindest nach der Entstehungsgeschichte eindeutig, dass dieses Verbot verfassungsrechtlich abgesichert werden sollte. Aufgrund der zahlreichen Erwähnungen des Ne-bis-in-idem-Grundsatzes im Rahmen der Beratungen des Grundgesetzes ist daher, obwohl der Wortlaut nicht darauf hindeutet, davon auszugehen, dass im Parlamentarischen Rat Einigkeit darüber bestand, dass jede erneute Strafverfolgung ausgeschlossen werden sollte. Nach der Entstehungsgeschichte verbietet Art. 103 III GG somit jede erneute Verfolgung. Sinn und Zweck der Einführung des heutigen Art. 103 III GG war es, Missbräuchen, wie sie in der Zeit des Nationalsozialismus vorgekommen waren,84 vorzubeugen.85 Selbst die durch die Nationalsozialisten eingeführten Institute erlaubten indes keine mehrfache Bestrafung.86 Im Rahmen eines „erfolgreichen“ Wiederaufnahmeverfahrens, eines „erfolgreichen“ außerordentlichen Einspruchs oder einer „erfolgreichen“ Nichtigkeitsbeschwerde wurde das ursprüngliche Urteil durch ein neues Urteil ersetzt.87 Insofern sollte mit Art. 103 III GG das Verbot einer erneuten Strafverfolgung mit Verfassungsrang ausgestattet werden. Der Ne-bis-in-idem-Grundsatz sollte in der Verfassung verankert werden.88

82 Dies war bereits 1848 nahezu durchgehend der Fall, vgl.: Berner, GA 3 (1855), 472, 473 und 475 ff.; Heffter, Non bis in idem, S. 15; Planck, Systematische Darstellung des deutschen Strafverfahrens, S. 132, mit Verweis auf die neue Bezeichnung non bis in idem; Rheingans, Die Ausbildung der strafprozessualen Rechtskraftlehre, S. 84, der auch auf die noch vorhandenen Kritiker verweist; nach Radtke, Systematik des Strafklageverbrauchs, S. 76, war der Grundsatz spätestens mit Einführung der Strafprozeßordnung 1877 allgemein anerkannt. 83 Siehe zum Beispiel: Bericht Verfassungskonvent, S. 94; Der Parlamentarische Rat, Band 13, Teilband 2, S. 1465. 84 Dazu zählte die Ausweitung der Wiederaufnahmegründe, RGBl. I 1943, S. 345, die Einführung eines außerordentlichen Einspruchs, RGBl. I 1939, S. 1842, und die Einführung der Nichtigkeitsbeschwerde, RGBl. I 1940, S. 410. 85 Bericht Verfassungskonvent, S. 56. 86 Dies betont auch: Schroeder, JuS 1997, 227, 228. 87 Vgl. zu den drei Instituten im Nationalsozialismus: Wagner, in: Die deutsche Justiz und der Nationalsozialismus, S. 189, 268 ff. 88 Bericht Verfassungskonvent, S. 94.

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Nach dem Sinn und Zweck des Art. 103 III GG ist somit auch die erneute Verfolgung verboten. Der Zweck einer Vorschrift steht im Vordergrund einer jeden Auslegung.89 Im vorliegenden Fall ist dies der Ausschluss erneuter Verfolgung vor dem Hintergrund von Missbräuchen im Nationalsozialismus. Der Wortlaut spielt im Rahmen der Auslegung von Grundrechten lediglich eine untergeordnete Rolle,90 sodass der Wortlaut des Art. 103 III GG der Auslegung, dass jede erneute Verfolgung verboten werden soll, nicht zwangsläufig entgegensteht.91 Dass der Wortlaut bei der Auslegung von Grundrechten keine große Rolle spielt, ist zumindest, wenn es im die Ausweitung des Grundrechtsschutzes geht, auch nachvollziehbar; denn mit einer Ausweitung des Grundrechtsschutzes gehen – zumindest wenn damit nicht zwangsläufig die Einschränkung anderer Grundrechte verbunden ist – keine negativen Folgen für den Bürger einher, und er ist insofern nicht schutzbedürftig. Bei der Auslegung der Verfassung ist – unabhängig von den dargestellten Auslegungsmethoden – zusätzlich der Wertekanon des Grundgesetzes zu berücksichtigen.92 Dieser Wertekanon beinhaltet unter anderem das Verständnis des Grundgesetzes als Gegenentwurf zum Nationalsozialismus.93 Dies zeigt sich nicht zuletzt an der Einführung des Art. 103 III GG.94 Im Nationalsozialismus kam es – wie bereits erwähnt – zu mehrmaligen Verfolgungen,95 sodass Art. 103 III GG – als Gegenentwurf – im Ergebnis so ausgelegt werden muss, dass jede erneute Verfolgung verboten ist.96 89 BVerfGE 35, 263, 278 f.; BGHSt 6, 394, 396; 27, 236, 238; 30, 98, 101; RGSt 58, 312, 314; Jescheck/Weigend, Lehrbuch des Strafrechts AT, S. 156; Wank, Die Auslegung von Gesetzen, S. 54; im Strafrecht ist freilich die Grenze des Art. 103 II GG zu beachten; vgl. auch: Rüping, in: BK, Art. 103 II Rn. 76. 90 Vgl. BVerfGE 30, 1, 19; 34, 269, 287; ausdrücklich: Wank, Die Auslegung von Gesetzen, S. 53 f. Anders wohl: Bleckmann, JuS 2002, 942, 943 f. 91 A. A.: Höfling/Burkiczak, in: Berliner Kommentar, Art. 103 Rn. 171. 92 BVerfGE 1, 14, 32 f.; 2, 380, 403; 19, 206, 220; 30, 1, 19; 34, 269, 287; die folgenden Überlegungen werden teilweise auch im Rahmen der systematischen Auslegung angestellt, vgl. Hopfauf, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, Einl. Rn. 220; Zippelius/Würtenberger, Deutsches Staatsrecht, S. 63. 93 Vgl. BVerfGE 5, 85, 138; 124, 300, 328; C ˇopic´, GG und politisches Strafrecht neuer Art, S. 1; Fromme, Von der WRV zum BGG, S. 189. 94 Bericht Verfassungskonvent, S. 56; Der Parlamentarische Rat Band 13 Teilband 2, S. 1465. 95 Dies geschah unter anderem durch die Ausweitung der Wiederaufnahmegründe, RGBl. I 1943, S. 345, die Einführung eines außerordentlichen Einspruchs, RGBl. I 1939, S. 1842 und die Einführung der Nichtigkeitsbeschwerde, RGBl. I 1940, S. 410. 96 Dies entspricht der g. h. M., siehe: BVerfGE 12, 62, 66; BGHSt 5, 323, 328 ff.; Brüning, in: Stern/Becker, Art. 103 Rn. 87; Degenhart, in: Sachs, Art. 103 Rn. 79; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Art. 103 Rn. 79; Kunig, in: von Münch/Kunig, GGK II, Art. 103 Rn. 35; Neuhaus, Der strafverfahrensrechtliche Tatbegriff – „ne bis in idem“, S. 13 f.;

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Dieses Ergebnis steht trotz des scheinbar eindeutigen Wortlauts mit den anerkannten Auslegungsmethoden im Einklang, da sich zwar eine Auslegung contra legem verbietet; eine Auslegung praeter legem aber nicht nur zulässig,97 sondern im Bereich der Grundrechte auch geboten ist.98 b) Sonderfall: Art. 103 III GG und nichtige Urteile Nachdem nun die Reichweite des Art. 103 III GG bestimmt wurde, kann § 362 StPO auf die Vereinbarkeit mit Art. 103 III GG hin überprüft werden. Davor soll jedoch im Rahmen eines Exkurses ein Sonderfall in Bezug auf die Reichweite des Art. 103 III GG untersucht werden: das nichtige Strafurteil. Dazu soll in einem ersten Schritt die Frage beantwortet werden, ob nichtige Urteile im Strafrecht überhaupt anzuerkennen sind.99 Erst danach kann in einem zweiten Schritt darauf eingegangen werden, ob auch nichtige Urteile den Schutz des Art. 103 III GG auslösen. Bereits das kanonische Recht kannte das Phänomen der Urteilsnichtigkeit: So wurde ein Urteil als nichtig angesehen, bei dem das Recht auf rechtliches Gehör mangels Ladung zu einem Termin verletzt wurde.100 Zwar wird heutzutage in einem Verstoß gegen Art. 103 I GG kein Nichtigkeitsgrund (mehr) gesehen;101 die Diskussion um die Anerkennung nichtiger Urteile ist aber nach wie vor aktuell und – anders als man vielleicht vermuten würde – nicht nur rein akademischer Natur;102 denn namentlich die Rechtsprechung erkennt die Nichtigkeit von Strafurteilen in gewissen Konstellationen an.103 Nolte, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG III, Art. 103 Rn. 174; Rüping, in: BK, Art. 103 III Rn. 25; Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig VI, Art. 103 Rn. 301; SchulzeFielitz, in: Dreier III, Art. 103 III Rn. 12. 97 Zippelius/Würtenberger, Deutsches Staatsrecht, S. 60. 98 BVerfGE 6, 55, 72; 32, 54, 71; 39, 1, 38; Dürig, in: Maunz/Dürig, Art. 103 Rn. 131. Trotzdem sollte der Gesetzgeber die Reichweite des Grundsatzes im Wortlaut festlegen, vgl. dazu: Schroeder, JuS 1997, 227, 230. Ziemba, Die Wiederaufnahme des Verfahrens, S. 75, führt zu Art. 103 III GG aus, dass die Vorschrift misslungen sei. Zustimmend: Eschelbach, in: FS Stöckel, S. 199, 221. 99 Zu der Geschichte der Lehre nichtiger Strafurteile siehe nur: Roeder, ZStW 79 (1967), 250, 251 ff. 100 Siehe nur: Schulze-Fielitz, in: Dreier III, Art. 103 I Rn. 1 m.w. N. 101 Siehe wiederum nur: Schulze-Fielitz, in: Dreier III, Art. 103 I Rn. 78 m.w. N. 102 So auch: Roeder, ZStW 79 (1967), 250 und 258; Schmidt, in: KK Vor § 359 Rn. 15a, unter Verweis auf die sogenannten Waldheimprozesse; anders: Feiber, NStZ 1989, 45; Loos, in: AK-StPO II/2, Anhang zu § 264 Rn. 21; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, Einl Rn. 105a; ebenfalls zweifelnd: Kühne, in: Löwe-Rosenberg I, Einl. Abschn. K Rn. 117. 103 BGHSt 29, 351, 352; 33, 126, 127; BGH NStZ 1984, 279; BGH NJW 1960, 2106, 2108; RGSt 40, 271, 273; 71, 377, 378; 72, 77, 78; BayObLGSt 1959, 317 f.; KG NJW 1954, 1901 f.; BezG Dresden DtZ 1992, 91 ff.; OLG Bremen JZ 1958, 546 f.; OLG Dresden JW 1929, 2773; OLG Frankfurt NJW 1954, 207, 208; OLG Hamburg

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Die Literatur spricht sich teilweise ebenfalls für die Anerkennung nichtiger Urteile aus;104 die andere Ansicht in der Literatur lehnt dieses Institut ab.105 Zunächst sind die Begriffe, die im Kontext nichtiger Urteile verwendet werden und teilweise variieren, zu erläutern. Vereinzelt ist die Rede von unwirksamen oder unbeachtlichen anstatt von nichtigen Urteilen. In der Sache besteht zwischen diesen Begriffen jedoch kein Unterschied.106 Allerdings wird zwischen sogenannten Nichturteilen und nichtigen Urteilen differenziert.107 Nichturteile sollen solche sein, die nicht mit einem entsprechenden Willen eines Judikativorgans in die Öffentlichkeit gelangen und nur äußerlich den Anschein eines Urteils erwecken.108 Dazu sollen Verhandlungssimulationen, aber auch Urteilsentwürfe, für den Fall, dass sie unbeabsichtigt in die Öffentlichkeit gelangen, gefälschte (Urteils-)Urkunden und Entscheidungen von selbsternannten Institutionen zählen,109 die vom Staat nicht zur Sprechung NJW 1952, 1150; OLG Hamm JR 1979, 74, 75, das zwar ausdrücklich das Vorliegen eines nichtigen Urteils verneint und von einem nicht vollständigen Urteil ausgeht; in der Sache macht dies aber keinen Unterschied (so auch: Gössel, JR 1979, 75 ff.); OLG Koblenz NStZ 1981, 195; OLG Köln NStZ-RR 2002, 341 f.; OLG München NJW 2013, 2371 ff.; OLG Oldenburg NJW 1952, 1310; OLG Oldenburg NJW 1959, 1983; Thüringer OLG JR 1999, 125, 126; LG Darmstadt NJW 1968, 1642 f.; in diese Richtung auch: BGHR StPO vor § 1/Verfahrenshindernis Strafklageverbrauch 1, Auswirkungen (Nichtigkeit), 1; vgl. ebenfalls: BVerfGE 11, 61 ff.; BVerfG NJW 1985, 125 f. Dies verwundert zunächst, da gerade die Rechtsprechung dazu beitragen sollte, Rechtssicherheit zu schaffen, vgl. nur: Wilke, in: HStR3, § 112 Rn. 56. 104 Dallinger, MDR 1954, 398, 401; Gössel, JR 1979, 75 ff.; Henkel, Strafverfahrensrecht2, S. 258; Luther, ZStW 70 (1958), 87, 89; Peters, Strafprozeß, S. 519 ff.; Potrykus, NJW 1953, 92, 93; Schünemann, Strafverfahrensrecht, § 52 Rn. 25 ff.; Schneider, MDR 1956, 465 f.; Spendel, JZ 1958, 547 f.; ders., ZStW 67 (1955), 556, 561; wohl ebenfalls: Radbruch, Rechtsphilosophie, S. 283; Saliger, Radbruchsche Formel und Rechtsstaat, S. 68 ff.; vgl. auch: Heger/Pest, ZStW 126 (2014), 446, 478. 105 Grünwald, ZStW 76 (1964), 250, 255 ff.; ders., ZStW-Beiheft 1974, 94, 124 ff.; Kühne, Strafprozessrecht, Rn. 1012.1; Leitmeier, NStZ 2014, 690, 692; Loos, in: AKStPO II/2, Anhang zu § 264 Rn. 21; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, Einl Rn. 105a; ders., ZIS 2009, 519, 522 f.; Sarstedt, JR 1955, 351, 352; Volk/Engländer, Grundkurs StPO, § 15 Rn. 11; Weidemann, wistra 2000, 45, 50; in diese Richtung auch: Kühne, in: Löwe-Rosenberg I, Einl. Abschn. K Rn. 116; zur älteren Literatur siehe: KG NJW 1954, 1901; Grünwald, ZStW 76 (1964), 250, 254; Henkel, Strafverfahrensrecht2, S. 258, wo sich jeweils auch Nachweise für die andere Ansicht finden; Luther, ZStW 70 (1958), 87, 91 Fn. 20; Sarstedt, JR 1955, 351 m.w. N.; umfassend: Friedlaender, GerS 58 (1901), 339 ff. Ebenfalls kritisch: Rieß, JR 1981, 522. 106 Siehe nur: Meyer-Goßner, JR 1981, 379. Zu nichtigen Amtshandlungen siehe: RGSt 72, 176, 180 f. 107 Siehe zum Ganzen: Kühne, in: Löwe-Rosenberg I, Einl. Abschn. K Rn. 108. 108 Kühne, in: Löwe-Rosenberg I, Einl. Abschn. K Rn. 108; ders., Strafprozessrecht, Rn. 1012.1; Peters, Strafprozeß, S. 519; vgl. auch: Henkel, Strafverfahrensrecht2, S. 285; Schünemann, Strafverfahrensrecht, § 52 Rn. 24; Schäfer, in: Löwe-Rosenberg I24, Einl. Kap. 16 Fn. 1. 109 Kühne, in: Löwe-Rosenberg I, Einl. Abschn. K Rn. 108; vgl. auch: Schäfer, in: Löwe-Rosenberg I24, Einl. Kap. 16 Fn. 1.

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von Recht legitimiert wurden (insbesondere in Zeiten drohenden Verfalls des Staatswesens).110 In Abgrenzung dazu läge indes kein Nichturteil vor, wenn jemand unter Überschreitung seines rechtlichen Dürfens Recht spricht.111 Nach Beulke sind Nicht-Urteile lediglich solche Entscheidungen, die nicht einmal den äußeren Anschein eines Urteils erwecken.112 Spendel und Mohr ziehen in Betracht, die Entscheidungen der SS-Standgerichte als Nichturteile zu qualifizieren.113 In einem anderen Beitrag führt Mohr neun Rechtsverletzungen an,114 deren kumulatives Vorliegen für die Einordnung als Nichturteil sprechen soll.115 Gegen die Annahme von Nichturteilen in besonderen Fällen wendet das LG Berlin ein, dass es gerade in solchen Fällen notwendig sei, den Betroffenen gerichtlich zu rehabilitieren.116 Dem widerspricht wiederum Mohr, weil eine Person am besten dadurch rehabilitiert werden könne, dass die sie verurteilende Entscheidung als Nichturteil qualifiziert werde.117 Es zeigt sich, dass bereits die Unterscheidung zwischen nichtigem Urteil und sogenanntem Nichturteil Konfliktpotenzial birgt und das Institut des Nichturteils, aber auch die einzelnen Fallgruppen, in denen ein Nichturteil vorliegen soll, keineswegs unumstritten sind. Im Ergebnis kommt es auf die Unterscheidung aber gar nicht an, weil sowohl Nichturteile als auch nichtige Urteile als unwirksam angesehen werden. Außerdem dürfte es in der Praxis kaum vorkommen, dass Personen in Fällen, in denen ein Nichturteil vorliegen könnte, von einer wirksamen Entscheidung ausgehen. Alle diese Fälle sind nämlich so offensichtlich, dass wohl zumindest kein Jurist auf die Idee käme, entsprechende Entscheidungen als wirksam zu betrachten. In diese Richtung gehen auch die Erörterungen Roeders, der die Kategorie nichtiger Urteile nicht anerkennt.118 Nach Roeder gibt es lediglich Nichturteile und Urteile. Für eine weitere Kategorie sei kein Raum. Sofern man definiert, wann ein Urteil vorliegt, sei damit notwendigerweise verbunden, dass kein Urteil – und damit ein Nichturteil – vorliege, wenn mindestens eine der Voraussetzungen eines Urteils nicht erfüllt ist.119 Dem ist bereits aus Gründen der Logik zuzu110 Siehe dazu auch: Henkel, Strafverfahrensrecht2, S. 285; Peters, Strafprozeß, S. 519; anders: Schünemann, Strafverfahrensrecht, § 52 Rn. 26, die in diesem Fall von nichtigen Urteilen ausgehen; vgl. auch: OLG Frankfurt NJW 1954, 207, 208. 111 Kühne, in: Löwe-Rosenberg I, Einl. Abschn. K Rn. 108; vgl. auch: OLG Frankfurt NJW 1954, 207 f. 112 Beulke, Strafprozessrecht, Rn. 507. 113 Mohr, NJW 1998, 958, 959; Spendel, ZRP 1997, 41, 43. 114 Mohr, NJW 1997, 914, 917. 115 Mohr, NJW 1998, 958, 959 Fn. 12. 116 LG Berlin NJW 1998, 1002, 1004. 117 Mohr, NJW 1998, 958, 959. 118 Roeder, ZStW 79 (1967), 250, 264, hier auch zum Folgenden. 119 Vgl. Roeder, ZStW 79 (1967), 250, 261 ff.

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stimmen. Insbesondere kann die Anerkennung der Kategorie des Nichturteils insofern genau so wenig bestritten werden wie die Anerkennung von Urteilen. Davon ausgehend verschiebt sich das Problem der nichtigen Urteile aber nur: Denn man muss für die Abgrenzung zwischen Urteil und Nichturteil die notwendigen Voraussetzungen eines Urteils definieren.120 Nach Roeder sind dies die Legitimation zur Verhängung staatlicher Strafen121 und eine Entscheidung in Bezug auf einen staatlichen Strafanspruch aufgrund mündlicher Verhandlung.122 Außerdem führt Roeder zur Konkretisierung negative Voraussetzungen an, bei deren Vorliegen von einem Nichturteil auszugehen sei.123 So dürfe die Entscheidung nicht an Mängeln leiden, die nicht mit Rechtsmitteln beseitigt werden können,124 es dürfe keine im nationalen Sanktionssystem nicht vorgesehene Strafe verhängt werden,125 die verurteilte Person müsse der inländischen Strafgewalt unterfallen126 und die Anordnungen des Urteils müssten tatsächlich möglich sein.127 Er stellt aber bereits selber fest, dass die von ihm beschriebenen negativen Voraussetzungen nicht abschließend seien.128 Trotzdem wagt er eine allgemeine Definition eines Urteils: „Strafurteil ist eine unter Mitwirkung mindestens eines mit Strafgerichtsbarkeit ausgestatteten, funktionell zuständigen Organes auf Grund einer vorausgegangenen mündlichen Verhandlung gefällte und in der Gerichtssprache verkündete Entscheidung über das Bestehen (Nichtbestehen) eines staatlichen Straf (Sicherungs-)anspruches, die nicht lauten darf 1. auf völlig unbestimmte oder vom Gesetz nicht vorgesehene Unrechtsfolgen, 2. auf Unrechtsfolgen gegen eine vom Gesetz der inländischen Strafgerichtsbarkeit entzogene Person und 3. auf eine bereits rechtskräftig abgeurteilte Tat.“ 129 Auch Roeder gelingt es im Ergebnis nicht, das Urteil trennscharf vom Nichturteil abzugrenzen. Dass das Problem mit dieser Argumentation nur verschoben wird, zeigt sich indes nicht zuletzt daran, dass Roeder die gleichen Fälle anhand des Nichturteils diskutiert, auf die die übrige Literatur im Rahmen der Nichtig120

Siehe dazu: Roeder, ZStW 79 (1967), 250, 265 ff. Roeder, ZStW 79 (1967), 250, 269 f. und konkretisierend: 273. 122 Roeder, ZStW 79 (1967), 250, 275 f. 123 Roeder, ZStW 79 (1967), 250, 280 ff. 124 Roeder, ZStW 79 (1967), 250, 280. 125 Roeder, ZStW 79 (1967), 250, 288 f. 126 Roeder, ZStW 79 (1967), 250, 289. 127 Roeder, ZStW 79 (1967), 250, 291 f. Nach Roeder ist die erneute Aburteilung entgegen dem Ne-bis-in-idem-Grundsatz „ein Fall tatsächlicher Unmöglichkeit“ (ders., a. a. O., 293). 128 Roeder, ZStW 79 (1967), 250, 286. Nach Grünwald, ZStW 76 (1964), 250, 251, ist es vielmehr einhellige Meinung, dass eine abschließende Aufzählung der Nichtigkeitsgründe oder eine Definition der Nichtigkeit, die sich nicht in einer Generalklausel erschöpft, nicht möglich sei. 129 Roeder, ZStW 79 (1967), 250, 294 f. Hervorhebung im Original. 121

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keit eingeht.130 Außerdem kann Roeder nicht erklären, warum es gerade auf diese Voraussetzungen für das Vorliegen eines Urteils ankommen soll. Daher sollen die bestehenden Probleme im Folgenden anhand des Begriffs der Nichtigkeit erörtert werden.131 Wie oben bereits erwähnt, erkennt insbesondere die Rechtsprechung das Institut der nichtigen Strafurteile an. Das Bundesverfassungsgericht erhob in einem Urteil aus dem Jahr 1984 zumindest keine verfassungsrechtlichen Einwände gegen die Annahme nichtiger Urteile bei gewissen Sachverhalten.132 Es führte aber an, dass eine zu geringe Schwelle für die Annahme eines nichtigen Urteils nicht mit der materiellen Gerechtigkeit vereinbar sei.133 Dies ist nachvollziehbar, weil durch nichtige Urteile die Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs in Frage gestellt wird. Zuvor hatte das Bundesverfassungsgericht herausgestellt, dass die Urteile der Friedensgerichte im damaligen Württemberg-Baden134 nicht nichtig seien.135 Es begründete dieses Ergebnis damit, dass die Friedensgerichte im Rahmen eines förmlichen Verfahrens, das dem der ordentlichen Gerichte nachgebildet war, entschieden und dass Rechtsmittel zu den Friedensobergerichten zulässig waren.136 Insgesamt wird aus den Urteilen deutlich, dass das Bundesverfassungsgericht sich zumindest nicht generell gegen die Annahme nichtiger Urteile aussprach.137 Auch das Reichsgericht und später der BGH hatten generell keine Bedenken gegen die Anerkennung nichtiger Urteile.138 Gleiches gilt für diverse unterinstanzliche Gerichte.139 Aufgrund der Rechtssicherheit, der „Autorität gerichtlicher Entscheidungen“ 140 und aufgrund des Rechtsmittelsystems, das gerade dazu 130 Siehe: Roeder, ZStW 79 (1967), 250, 269 ff. Näher zu diesen Fallgruppen sogleich. 131 Vgl. auch: Sax, in: KMR I7, Einl. X Rn. 7, wonach es eine „terminologische Frage“ sei, ob man von nichtigen Urteilen oder Nichturteilen spreche. 132 BVerfG NJW 1985, 125 f. 133 Vgl.: BVerfG NJW 1985, 126. 134 Siehe zu deren Einführung: Regierungsblatt Württemberg-Baden 1949, S. 47 ff., abrufbar unter: http://digital.blb-karlsruhe.de/blbihd/periodical/pageview/993045, zuletzt aufgerufen am 25.04.2016; vgl. weiterhin: BVerfGE 10, 200 ff. 135 Siehe: BVerfGE 11, 61 ff.; das Bundesverfassungsgericht benutzte den Begriff des Nichturteils und nicht den des nichtigen Urteils; vgl. auch: BVerfGE 11, 263, 265. 136 BVerfGE 11, 61, 62 f. 137 Siehe auch nochmals: BVerfGE 11, 61 ff. 138 Siehe: RGSt 40, 271, 273; 71, 377, 378; 72, 77, 78; BGHSt 29, 351, 352; 33, 126, 127; BGH NStZ 1984, 279; BGH NJW 1960, 2106, 2108; in diese Richtung auch: BGHR StPO vor § 1/Verfahrenshindernis Strafklageverbrauch 1, Auswirkungen (Nichtigkeit), 1. 139 Siehe anstatt aller: OLG München NJW 2013, 2371, 2375; OLG Düsseldorf NStZ 1989, 44, 45; OLG Köln NStZ-RR 2002, 341 f. 140 BGHSt 29, 351, 352; BGH NStZ 2009, 579, 580.

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dient, nicht gesetzeskonforme Urteile aufzuheben, könne Nichtigkeit jedoch nur in krassen Ausnahmefällen angenommen werden.141 Außerdem müsse der Mangel des Urteils evident sein.142 Insofern findet sich oft die Formulierung, dass Nichtigkeit vorliege, „wenn die Anerkennung einer auch nur vorläufigen Gültigkeit wegen des Ausmaßes und des Gewichts der Fehlerhaftigkeit für die Rechtsgemeinschaft geradezu unerträglich wäre, weil die Entscheidung ihrerseits dem Geist der Strafprozessordnung und wesentlichen Prinzipien der rechtsstaatlichen Ordnung krass widerspricht, und wenn eine derart schwerwiegende Fehlerhaftigkeit offenkundig ist.“ 143 Nach dem OLG München kommt es zusammenfassend auf die Schwere des Fehlers, dessen Offenkundigkeit und auf die „sachliche[n] Bedeutung der gerichtlichen Entscheidung für das Verfahren“ 144 an.145 Das OLG Köln geht davon aus, dass ein nichtiges Urteil im Rahmen einer Folgenabwägung dann vorliege, wenn die „Autorität des Rechts und der Rechtspflege“ 146 durch die Aufrechterhaltung der Entscheidung einen größeren Schaden nehme als durch die Erklärung des Urteils als nichtig.147 Zumindest durch den BGH und das Reichsgericht wurde – soweit ersichtlich – jedoch bisher noch kein Urteil für nichtig erklärt.148 Nach Kühne kann man daraus schließen, dass die Rechtsprechung bisher sehr gut ohne die Anerkennung nichtiger Urteile funktioniert hat.149 Dieses Argument ist allerdings bis zu einem gewissen Grad beliebig, weil man mit dieser Begründung jegliche (neue) Entwicklungen in Frage stellen kann. Auch wenn das Reichsgericht, der BGH und das Bundesverfassungsgericht (bisher) kein Urteil für nichtig erklärt haben, finden sich aber bei unterinstanzlichen Gerichten entsprechende Entscheidungen: Das LG Braunschweig entschied 141 Vgl. anstatt aller: BGHSt 29, 351, 352 f.; BGH NStZ 2009, 579, 580; BGH NStZ 1984, 279; BGH bei Dallinger, MDR 1954, 400 f.; RGSt 40, 271, 273; OLG München NJW 2013, 2371, 2375; OLG Düsseldorf NStZ 1989, 44, 45; OLG Köln NStZ-RR 2002, 341 f.; KG JR 1955, 350, 351; siehe aus der Literatur auch: Feiber, NStZ 1989, 45. 142 BGHSt 29, 351, 353; BGH NStZ 1984, 279; vgl. zur Kritik an dieser sogenannten Evidenztheorie: Bauer/Wrage-Molkenthin, wistra 1990, 198; Grünwald, ZStW-Beiheft 1974, 94, 125 f., und in Bezug auf eine bestimmte Entscheidung: Wolters, JR 1999, 127. 143 BGH NStZ 2009, 579, 580; ähnlich: BGH NStZ 1984, 279; OLG Düsseldorf NStZ 1989, 44, 45; OLG München NJW 2013, 2371, 2375. 144 OLG München NJW 2013, 2371, 2376. 145 OLG München NJW 2013, 2371, 2376; so auch bereits: BGHSt 29, 351, 353 f. 146 OLG Köln NStZ-RR 2002, 341, 342. 147 OLG Köln NStZ-RR 2002, 341, 342. 148 Siehe dazu bis zum Jahr 1981: Meyer-Goßner, JR 1981, 379, 380 und zur Rechtsprechung des Reichgerichts auch: Luther, ZStW 70 (1958), 87, 89; Sarstedt, JR 1955, 351; aktuell: Volk/Engländer, Grundkurs StPO, § 15 Rn. 11; vgl. ebenfalls: Kühne, in: Löwe-Rosenberg I, Einl. Abschn. K Rn. 117. 149 Kühne, in: Löwe-Rosenberg I, Einl. Abschn. K Rn. 117.

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im Jahr 1947, dass ein deutsches Gerichtsverfahren, das überhaupt nicht der deutschen Gerichtsbarkeit unterlag, nichtig sei.150 Das Urteil beruhte allerdings auf Art. 7 Nr. 11 des Militärregierungsgesetzes Nr. 2, der ausdrücklich vorschrieb, dass Verfahren oder Entscheidungen, die ohne die Jurisdiktionsgewalt der Bundesrepublik Deutschland betrieben wurden, nichtig waren.151 Ähnlich bestimmte der Befehl Nr. 228 der Sowjetischen Militär Administration vom 30.07.1946, dass Urteile aus der Zeit des Nationalsozialismus unter gewissen Umständen für nichtig erklärt wurden.152 Auch dort war ein Verfahren für die Nichtigkeitserklärung vorgesehen, und der Aufhebungsbeschluss erfolgte nur auf Antrag.153 Im Jahre 1959 entschied jedoch das Bayerische Oberste Landesgericht ohne eine entsprechende Vorschrift, dass ein Urteil gegen eine Person, die nicht der deutschen Strafgewalt unterfiel, nichtig sei.154 Außerdem hatte das Kammergericht im Jahr 1954 die sogenannten Waldheimer Urteile im Gebiet der damaligen DDR für nichtig erklärt.155 Es zählte in dem Beschluss eine Reihe von Unzulänglichkeiten dieser Prozesse auf, die in einer Gesamtschau zu der Nichtigkeit der Urteile führen würden.156 Auch das Bezirksgericht Dresden ging 1991 von der Nichtigkeit der sogenannten Waldheimer Urteile aus.157 Bereits im Jahr 1929 nahm das OLG Dresden ein nichtiges Urteil an, weil verkannt worden war, dass ein Strafbefehl bereits rechtskräftig war und daher nicht mehr angegriffen werden konnte.158 Im Jahr 1970 äußerte sich das OLG Hamm in einem Fall, in dem ein unzuständiges Gericht entschieden hatte, ebenfalls in Richtung Nichtigkeit.159 Der Beschluss lässt aber nicht erkennen, ob das OLG Hamm tatsächlich von der Nichtigkeit des Urteils ausgegangen ist. Im Jahr 2002 nahm zudem das OLG Köln ein nichtiges Urteil an.160 Im zugrunde liegenden Fall war von einem unzuständigen Richter ohne Hauptverhandlung in unzulässiger Weise eine kommissarische Vernehmung angeordnet worden. 150

LG Braunschweig MDR 1947, 37, 38. Das Gesetz ist in englischer Sprache abgedruckt in: N. N., Gesetze, Proklamationen, Verordnungen, Bekanntmachungen, Aufrufe usw. der Militärregierung – Deutschland, S. 13. 152 Der Befehl ist abgedruckt in: LG Berlin NJW 1998, 1002, 1003, hier auch zum Folgenden; vgl. dazu auch das Gesetz zur Aufhebung nationalsozialistischer Unrechtsurteile in der Strafrechtspflege, abrufbar unter: http://www.gesetze-im-internet.de/bun desrecht/ns-aufhg/gesamt.pdf, zuletzt aufgerufen am 18.06.2016. 153 Ausführlich zu weiteren Vorschriften zur Aufhebung nationalsozialistischen Unrechts: Beckmann, JZ 1997, 922 ff. 154 BayObLGSt 1959, 317 f. 155 KG NJW 1954, 1901 f. Siehe dort auch zu dem Inhalt dieser Urteile. 156 KG NJW 1954, 1901. 157 BezG Dresden DtZ 1992, 91 ff. 158 OLG Dresden JW 1929, 2773; ablehnend: BGHSt 13, 306, 309 ff.; BayObLGSt 1953, 34, 35. 159 OLG Hamm NJW 1971, 1623 f., siehe hier auch zum Folgenden. 160 OLG Köln NStZ-RR 2002, 341 f., hier auch zum Folgenden. 151

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Außerdem beschloss der Bundestag im Jahr 1985, dass den Entscheidungen des Volksgerichtshofes „nach Überzeugung des Deutschen Bundestages keine Rechtswirkung zu[komme]“ 161. Dieser Beschluss des Bundestages entfaltete rechtlich jedoch keine Bindungswirkung.162 Im Jahr 1998 – also 53 Jahre nach Kriegsende – wurden zumindest verurteilende strafgerichtliche Entscheidungen, die unter Verstoß gegen elementare Gedanken der Gerechtigkeit nach dem 30. Januar 1933 zur Durchsetzung oder Aufrechterhaltung des nationalsozialistischen Unrechtsregimes aus politischen, militärischen, rassischen, religiösen oder weltanschaulichen Gründen ergangen sind, durch Gesetz aufgehoben.163 Kühne warnt jedoch davor, die allgemeine Problematik nichtiger Urteile mit der Frage der Urteilsnichtigkeit nach dem Zusammenbruch politischer Systeme zu vermengen.164 So betreffen die Nichtigkeitserklärungen der Waldheimer Urteile beispielsweise das Gebiet der ehemaligen DDR, das damals gerade nicht zu der Bundesrepublik Deutschland gehörte. Richtigerweise lassen sich diese Aspekte jedoch nur zusammen erörtern: Gerade bei der Frage der Anerkennung von Urteilen, die im Rahmen anderer politischer Systeme ergangen sind, erlangt nämlich auch die generelle Frage der Urteilsnichtigkeit praktische Relevanz. Sofern man nichtige Urteile generell nicht anerkennt, kann man sich auch nicht auf den Standpunkt stellen, dass die im Rahmen dieser politischen Systeme ergangenen Urteile nichtig seien, es sei denn, es existiert ein Gesetz, das die Nichtigkeit ausdrücklich vorschreibt.165 Nach Kühne kann man aufgrund der geringen Anzahl an Entscheidungen, in denen Urteile tatsächlich für nichtig erklärt wurden,166 nicht davon ausgehen, dass die Rechtsprechung das Institut der Urteilsnichtigkeit anerkenne.167 Diese Aussage wird aber der Tatsache, dass – wenn auch wenige – Entscheidungen existieren, in denen Urteile für nichtig erklärt wurden, nicht gerecht. Dies zeigt sich nicht zuletzt daran, dass das OLG München in einem Beschluss im Rahmen einer sofortigen Beschwerde gegen die Verwerfung einer eingelegten Berufung

161 BT-Drs. 10/2368, S. 2; siehe ebenfalls zum Beschluss: Bundestag, Stenographischer Bericht, 118. Sitzung, Plenarprotokoll 10/118, S. 8761 ff., insbesondere S. 8767; Nettersheim, in: FS Rieß, S. 933, 943. Zum Volksgerichtshof siehe nur: Weidenkaff, in: Rechtswörterbuch, Stichwort „Volksgerichtshof“. 162 Vgl. Müller, Furchtbare Juristen, S. 293. Deshalb äußert sich Müller, a. a. O., S. 290 ff. auch äußerst kritisch zu diesem Beschluss. Ebenfalls kritisch: Nettersheim, in: FS Rieß, S. 933. 163 Siehe: BGBl. I 1998, S. 2501. 164 Siehe: Kühne, in: Löwe-Rosenberg I, Einl. Abschn. K Rn. 109 f.; in diese Richtung auch: Grünwald, ZStW 76 (1964), 250, 255. 165 Siehe dazu bereits oben. 166 Kühne, in: Löwe-Rosenberg I, Einl. Abschn. K Rn. 106, spricht von „wenigen und vereinzelten atypischen Ausnahmen“. 167 Kühne, in: Löwe-Rosenberg I, Einl. Abschn. K Rn. 106.

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aus dem Jahr 2013 die Nichtigkeit eines Urteils des AG Weilheim annahm.168 Das OLG München verwies den Fall deshalb nicht zurück an das Landgericht, um das Berufungsverfahren durchzuführen.169 Vielmehr verwies es aufgrund der schwerwiegenden Mängel im Ausgangsurteil, die die Nichtigkeit dieses Urteils begründen würden, zurück an die erste Instanz.170 Sofern man die Gültigkeit dieses Urteils angenommen hätte, wäre es – abgesehen von der Möglichkeit der Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand – in Rechtskraft erwachsen, so das OLG München.171 Im zugrunde liegenden Fall wurde vor dem Amtsgericht in einem Verfahren wegen gewerbsmäßig begangenem Betrug eine informelle Verfahrensabsprache getroffen.172 Die Beteiligten kamen den gesetzlichen Dokumentations-, Hinweisund Belehrungspflichten bewusst nicht nach.173 Dies allein führe aber – so das OLG München – noch nicht zu der Nichtigkeit des Urteils, weil die entsprechenden Pflichten lediglich dazu dienen würden, den wahren Sachverhalt aufzuklären und eine schuldangemessene Strafe festzulegen.174 Die Nichtigkeit begründe jedoch, dass das Gericht den Pflichten bewusst nicht nachgekommen sei und damit seine Pflicht zur Wahrheitsermittlung und Feststellung der Schuld des Angeklagten bewusst nicht erfüllte. Das Urteil resultiere nicht aus der nach § 261 StPO aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung gewonnen Überzeugung, sondern allein aus der auf einer Absprache beruhenden Erklärung des Angeklagten, die nicht überprüft wurde. Es sei noch nicht einmal klar, ob den Schöffen die zugrunde liegende Absprache bekannt gewesen war. Ferner trage die abgegebene Erklärung des Angeklagten den Schuldspruch nicht.175 Es seien selbst die Voraussetzungen eines sogenannten Formalgeständnisses nicht gegeben.176 Die Bewertung der Erklärung des Angeklagten als Geständnis sei daher falsch. Außerdem sei das Gericht der Aufklärungspflicht nach § 244 II StPO nicht nachgekommen, obwohl dies im Hinblick auf den Tat- und Schuldvorwurf erforderlich gewesen wäre. Es 168

OLG München NJW 2013, 2371 ff. OLG München NJW 2013, 2371, 2375, hier auch zum Folgenden. 170 Siehe auch: OLG München NJW 2013, 2371, 2377. 171 OLG München NJW 2013, 2371, 2376. 172 OLG München NJW 2013, 2371, 2372 ff. 173 OLG München NJW 2013, 2371, 2374 und 2376. 174 OLG München NJW 2013, 2371, 2376, hier auch zum Folgenden. 175 OLG München NJW 2013, 2371, 2376 f. Die von dem Verteidiger vorgelesene Erklärung des Angeklagten, die auf einer informellen Absprache beruhte (siehe: OLG München NJW 2013, 2371, 2372) lautete: „Die in der Anklageschrift der StA München II vom 21.1.2011 als Beweismittel bezeichneten Urkunden haben mir vorgelegen. Ich bin die Unterlagen gemeinsam mit meinem Verteidiger durchgegangen, die Berechnungen sind insofern zutreffend. Ich habe zwar nicht gewusst, dass meine Abrechnung in den Quartalen II/2005 bis II/2008 unrichtig ist, allerdings hielt ich es für möglich, überhöht abzurechnen.“, siehe: OLG München NJW 2013, 2371. 176 OLG München NJW 2013, 2371, 2377, hier auch zum Folgenden. Siehe zum Formalgeständnis auch: BGH NStZ-RR 2006, 187 f. 169

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sei damit seiner „Kernaufgabe“ 177 nicht gerecht geworden, was auch von vorneherein nicht gewollt war.178 Die Entscheidung erfülle daher nur die formalen Voraussetzungen eines Urteils; die Gültigkeit einer solchen Entscheidung wäre „für die Rechtsgemeinschaft unerträglich [. . .], weil die Entscheidung dem Geist der Strafprozessordnung und wesentlichen Prinzipien der rechtsstaatlichen Ordnung – offenkundig – krass widerspricht.“ 179 Davon ausgehend und aufgrund des Umstands, dass die Staatsanwaltschaft ihrer Rolle als „Wächter des Gesetzes“ 180 nicht nachgekommen sei, ständen die Rechtssicherheit, die Autorität gerichtlicher Entscheidungen und das bestehende Rechtsmittelsystem zur Aufhebung von Fehlurteilen der Annahme von Urteilsnichtigkeit nicht entgegen.181 Das Argument gegen nichtige Urteile, dass sich im Falle der Urteilsnichtigkeit jeder ohne Feststellung nach den Regeln der StPO darauf berufen könne, überzeuge nicht, weil auch qua Gesetz Rechtskraftdurchbrechungen zulässig seien und Rechtssicherheit in „Fällen krass rechtsstaatswidriger Entscheidungen“ 182 damit ohnehin nicht gewährleistet sei.183 Im Übrigen beuge die Annahme von Nichtigkeit dem Risiko vor, dass der aufgrund einer Absprache Verurteilte in der Hoffnung, aufgrund des Verbots der reformatio in peius eine noch mildere Strafe zu erlangen, eine Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand beantrage. Die Staatsanwaltschaft könne keine Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand beantragen, weil ihr die Unwirksamkeit des Rechtsmittelverzichts nach § 302 I 2 StPO und auch die Dauer der Rechtsmittelfrist bekannt seien, wohingegen dem Angeklagten die Glaubhaftmachung der Wiedereinsetzung in der Regel nicht zu widerlegen sei. Diese Ungleichbehandlung könne auch nicht dadurch gerechtfertigt werden, dass die Staatsanwaltschaft immerhin an der informellen Verständigung mitgewirkt habe, da „das gezielte Ausnutzen ihres Fehlverhaltens [. . .] nicht zu einer weiteren Privilegierung des Angeklagten führen“ 184 dürfe.185 In einem Beschluss aus dem Jahr 1992 hatte der BGH noch festgestellt, dass Urteile aufgrund von Absprachen zwar gegebenenfalls reversibel, aber nicht nichtig seien.186

177

OLG München NJW 2013, 2371, 2377. OLG München NJW 2013, 2371, 2377. 179 OLG München NJW 2013, 2371, 2377. 180 Das OLG München zitiert das Bundesverfassungsgericht (OLG München NJW 2013, 2371, 2377), das sich seinerseits auf Savigny/Uhden beruft, siehe: BVerfGE 133, 168, 220 Rn. 93. 181 OLG München NJW 2013, 2371, 2377. 182 OLG München NJW 2013, 2371, 2377. 183 OLG München NJW 2013, 2371, 2377, hier auch zum Folgenden. 184 OLG München NJW 2013, 2371, 2377. 185 OLG München NJW 2013, 2371, 2377. 186 BGH wistra 1992, 309, 310. 178

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Auch die Literatur folgt der Linie des OLG München nicht. Vielmehr ist das Urteil in der Literatur überwiegend kritisch aufgenommen worden.187 Davon ausgehend, dass die Wiederaufnahme des Strafverfahrens wegen neuer Beweise de lege lata nur zugunsten des Verurteilten zulässig ist, sei es demgegenüber unzulässig, die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu § 257c StPO für eine Rechtskraftdurchbrechung zulasten des Verurteilten zu benutzen,188 zumal das Bundesverfassungsgericht in der Entscheidung zu § 257c StPO189 mit keinem Wort erwähnte, dass ein Urteil, das auf einer rechtswidrigen Absprache beruht, nichtig sein könne.190 Außerdem hatte der Verurteilte im Fall des OLG München ursprünglich Berufung eingelegt, für die nach § 331 StPO das Verbot der reformatio in peius gilt. Dieser Schutz und auch der Rechtsgedanke des mit § 331 StPO vergleichbaren § 373 II 1 StPO191 werde durch die Annahme der Urteilsnichtigkeit negiert.192 Aus dem Urteil folge außerdem eine „erhebliche[n] Rechtsunsicherheit“ 193. Selbst wenn man die Möglichkeit einer Urteilsnichtigkeit grundsätzlich anerkenne, müsse die schwerwiegende Fehlerhaftigkeit des Urteils als Voraussetzung für die Nichtigkeit offenkundig sein, was bei der Entscheidung des AG Weilheim gerade nicht der Fall war, weil selbst das OLG München die Nichtigkeit eingehend prüfen musste.194 Nach Kudlich überzeugt die Argumentation des OLG München, dass der Angeklagte (unberechtigterweise) durch einen Wiedereinsetzungsantrag eine mildere Strafe bekommen könne, ebenfalls nicht:195 Der Gesetzgeber habe diese Gefahr durch das Verbot der reformatio in peius bewusst in Kauf genommen, und diese Folge wiege nicht so schwer wie diejenige, dass ein erneuter Prozess gegen den Angeklagten angestrengt werden könnte, weil der Schutz des Art. 103 III GG für nichtige Urteile nicht gelte. Ob nichtige Urteile den Schutz des Art. 103 III GG auslösen, ist indes eine Frage, die unabhängig von der Frage der Anerkennung nichtiger Urteile zu beant-

187 Siehe: Heger/Pest, ZStW 126 (2014), 446, 478, die die Urteilsnichtigkeit aber nicht generell ablehnen; Kudlich, NJW 2013, 3216 ff.; Landau, NStZ 2014, 425, 429: „über das Ziel hinausgeschossen“; Leitmeier, NStZ 2014, 690, 692 ff.; Meyer-Goßner, StV 2013, 614 f.; ders., StPO, Einl Rn. 105a: „bedauerlicher Rückfall“. 188 Leitmeier, NStZ 2014, 690, 693, vgl. auch 694. 189 Siehe: BVerfGE 133, 168 ff. 190 Leitmeier, NStZ 2014, 690, 693. 191 Nach § 373 II 1 StPO darf das frühere Urteil in Art und Höhe der Rechtsfolgen der Tat nicht zum Nachteil des Verurteilten geändert werden, wenn lediglich der Verurteilte, zu seinen Gunsten die Staatsanwaltschaft oder sein gesetzlicher Vertreter die Wiederaufnahme des Verfahrens beantragt hat. 192 Vgl. Leitmeier, NStZ 2014, 690, 694; Meyer-Goßner, StV 2013, 614 f. 193 Landau, NStZ 2014, 425, 429. 194 Meyer-Goßner, StV 2013, 614. 195 Kudlich, NJW 2013, 3216, 3217, hier auch zum Folgenden; vgl. zu dieser Argumentation auch: OLG Jena NStZ-RR 1998, 111 f.

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worten ist. Allein die Anerkennung nichtiger Urteile heißt noch nicht, dass damit der Schutz des Art. 103 III GG nicht besteht. Im Übrigen ist die Kritik, die in der Literatur an dem Urteil des OLG München geübt wurde, aber berechtigt. Unabhängig von dieser Kritik nehmen Rechtsprechung196 und auch Teile der Literatur in manchen Konstellationen nach wie vor Urteilsnichtigkeit an. Begründet wird die generelle Anerkennung nichtiger Urteile allerdings kaum. Kühne, der die Urteilsnichtigkeit im Ergebnis ablehnt,197 gesteht zumindest ein, dass die Möglichkeit, dass Verwaltungsakte nichtig sein können, auch für die Anerkennung der Urteilsnichtigkeit spreche.198 Für Verwaltungsakte existiert aber mit § 44 VwVfG eine Vorschrift, die definiert, wann Verwaltungsakte nichtig sind, was für (Straf-)Urteile nicht der Fall ist. Deshalb kann dieses Argument nicht überzeugen. Ähnlich argumentiert aber Luther: Die Nichtigkeit von Staatsakten sei anerkannt, was sich beispielsweise an der möglichen Nichtigkeit von Verwaltungsakten zeige.199 Ein Urteil sei zwar ein „Staatsakt eigener Art“ 200; trotzdem könnten davon ausgehend auch Urteile nichtig sein.201 Eine tragfähige Begründung liegt indes auch nicht in den Ausführungen Luthers.202 Schneider argumentiert, dass Gesetze wegen eines Verstoßes gegen Grundrechte nichtig sein können;203 gleiches müsse für Gerichtsentscheidungen gelten.204 Dagegen spricht aber wiederum, dass mit § 78 BVerfGG eine Norm dafür existiert, dass das Bundesverfassungsgericht Gesetze für nichtig erklären kann. Eine solche Norm fehlt für Urteile. Außerdem argumentiert Schneider mit den Erfahrungen im Nationalsozialismus, weil in dieser Zeit Urteile ergangen seien, die jedem Gerechtigkeitsempfinden zuwider liefen.205 Daher müsse man nichtige Urteile bei eklatanten Verstößen gegen das Gerechtigkeitsempfinden anerkennen. Allein aus den Erfahrungen mit dem Nationalsozialismus kann man aber keine Rechtfertigung des Instituts der Urteilsnichtigkeit ableiten. Die übrige Rechtsprechung und Literatur, die die Urteilsnichtigkeit anerkennen, begnügen sich weitestgehend damit, Fallgruppen zu definieren, in denen Urteilsnichtigkeit anzunehmen sei:

196

Siehe zu einzelnen Fällen auch bereits oben. Siehe: Kühne, Strafprozessrecht, Rn. 1012.1.; vgl. auch: ders., in: Löwe-Rosenberg I, Einl. Abschn. K Rn. 116. 198 Kühne, Strafprozessrecht, Rn. 1012.1. 199 Luther, ZStW 70 (1958), 87, 89. 200 Luther, ZStW 70 (1958), 87, 90. 201 Vgl. Luther, ZStW 70 (1958), 87, 90; ähnlich: Sax, in: KMR I7, Einl. X Rn. 9 ff. 202 Anders: Saliger, Radbruchsche Formel und Rechtsstaat, S. 68 f. 203 Siehe auch § 78 BVerfGG. 204 Schneider, MDR 1956, 465. 205 Vgl. Schneider, MDR 1956, 465, 466, hier auch zum Folgenden. 197

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So geht man beispielsweise – teilweise auch noch heute – davon aus, dass ein Urteil nichtig sei, wenn vorher bereits eine rechtskräftige Entscheidung in derselben Sache vorlag.206 Zudem sei ein Strafurteil nichtig, wenn die Entscheidung nicht in die Jurisdiktionsgewalt des Gerichts falle.207 Der BGH führt an, dass die Verhängung der Prügel- oder Todesstrafe zu der Nichtigkeit eines Urteils führe.208 Schünemann diskutiert Entscheidungen von Ausnahmegerichten,209 Entscheidungen mit offensichtlich unzulässigem Inhalt,210 Entscheidungen gegen andere Personen als die, die tatsächlich vor Gericht erschienen sind,211 und Entscheidungen gegen Verstorbene212 vor dem Hintergrund der Urteilsnichtigkeit.213

206 OLG Oldenburg NJW 1959, 1983, sofern eine eindeutige Verletzung des Art. 103 III GG vorliege; LG Darmstadt NJW 1968, 1642 f.; Bauer/Wrage-Molkenthin, wistra 1990, 198; dies., BB 1988, 1131, 1133 f., allerdings nur für Bußgeldbescheide; Beulke, Strafprozessrecht, Rn. 507; Henkel, Strafverfahrensrecht2, S. 285 m.w. N.; Peters, Strafprozeß, S. 520 f., siehe aber auch 522; ders., in: FS Kern, S. 335, 338 und 341; Roeder, ZStW 79 (1967), 250, 293. A. A.: OLG Bremen JZ 1958, 546 f.; OLG Koblenz NStZ 1981, 195; LG Hannover NJW 1970, 288, 290; Fahl, JuS 1996, 63, 64 f.; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, Einl Rn. 107; Rieß, JR 1981, 522; Schäfer, in: Löwe-Rosenberg I24, Einl. Kap. 12 Rn. 56 ff., der sich ausführlich mit der Thematik auseinandersetzt; so wohl auch: OLG Hamm NStZ-RR 2008, 383 f.; OLG Jena NStZ-RR 1998, 111 f.; Thüringer OLG VRS 110, 421 ff., in Bezug auf Bußgeldbescheide; Thüringer OLG, JR 1999, 125, 126; Kudlich, in: MüKo StPO Einleitung Rn. 341; Schünemann, Strafverfahrensrecht, § 52 Rn. 29; Spendel, JZ 1958, 547, 548 f.; in diese Richtung ebenfalls: Geppert, GA 119 (1972), 165, 182, Fn. 134; differenzierend: BGH BGHR StPO vor § 1/ Verfahrenshindernis, Strafklageverbrauch 1, Auswirkungen (Nichtigkeit), S. 1 f. Siehe zum Ganzen auch: Kühne, in: Löwe-Rosenberg I, Einl. Abschn. K Rn. 119. 207 So: Geppert, GA 119 (1972), 165, 167; Schäfer, in: Löwe-Rosenberg I24, Einl. Kap. 16 Rn. 3; siehe auch: BayObLGSt 1959, 317, 318; m.w. N.; Henkel, Strafverfahrensrecht2, S. 285; a. A.: Kühne, in: Löwe-Rosenberg I, Einl. Abschn. K Rn. 120. 208 BGH bei Dallinger, MDR 1954, 400, 401; zustimmend: Henkel, Strafverfahrensrecht2, S. 285; Schäfer, in: Löwe-Rosenberg I24, Einl. Kap. 16 Rn. 11c, der diesen Fall aber dem „Bereich der Phantasie“ zuordnet; so auch: Grünwald, ZStW 76 (1964), 250, 262 f.; ders., ZStW-Beiheft 1974, 94, 126; Kühne, in: Löwe-Rosenberg I, Einl. Abschn. K Rn. 118; Meyer-Goßner., ZIS 2009, 519, 522; Sax, in: KMR I7, Einl. X Rn. 16; vgl. auch: OLG Frankfurt NJW 1954, 207, 208. 209 So auch: Henkel, Strafverfahrensrecht2, S. 285; Peters, Strafprozeß, S. 522; Sax, in: KMR I7, Einl. X Rn. 11. 210 So auch: Peters, Strafprozeß, S. 519. 211 Ebenso: Peters, Strafprozeß, S. 522 f.; Sax, in: KMR I7, Einl. X Rn. 13; anders: LG Lüneburg MDR 1949, 767 f.; Grobler, MDR 1949, 768, 769; Kühne, in: Löwe-Rosenberg I, Einl. Abschn. K Rn. 122; Schroeder/Verrel, Strafprozessrecht, Rn. 320. Ausführlich zum Ganzen: Meyer-Goßner, ZIS 2009, 519, 521 f.; vgl. auch: BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 10. September 2010 – 2 BvR 2242/09 –, juris. Gibt der erschienene Angeklagte aber lediglich falsche Personalien an und wird das Urteil hinterher berichtigt, hat dies keinen Einfluss auf die Wirksamkeit des Urteils, siehe: BGH BGHR StPO § 267 Berichtigung 3, Verurteilung unter falschem Namen, 1 f. 212 So auch: Peters, Strafprozeß, S. 523; a. A.: Kühne, in: Löwe-Rosenberg I, Einl. Abschn. K Rn. 124. 213 Schünemann, Strafverfahrensrecht, § 52 Rn. 26 ff.

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Nach Satzger sind Urteile gegen strafunmündige Personen214 und Entscheidungen, die bereits nach ihrem äußeren Erscheinungsbild keine Urteile darstellen, wie zum Beispiel solche der Polizei, nichtig.215 Die Verkündung eines Urteils durch einen Referendar begründet nach dem OLG Oldenburg hingegen keine Nichtigkeit, weil das Urteil dem Gericht zuzurechnen sei und die Entscheidung dem Willen des zuständigen – zum Zeitpunkt der Urteilsverkündung anwesenden – Richters entspreche.216 Schroeder/Verrel sehen Urteile, in denen unzulässige Strafen ausgesprochen werden,217 Urteile gegen strafunmündige Personen und Urteile gegen Verstorbene als nichtig an.218 Außerdem seien Urteile in Unrechtsstaaten nichtig, wenn das Verfahren missbräuchlich betrieben wurde, um sich (politischer) Gegner zu entledigen.219 In diesem Fall nimmt Schäfer ein sogenanntes Scheinurteil an.220 Nach Kudlich liegt jedenfalls keine Nichtigkeit vor, wenn eine wirksame Anklage vor dem zuständigen Gericht eingereicht und ein inhaltlich vertretbares Urteil gefällt wurde.221 Schulze-Fielitz diskutiert, ob „man nicht für Fälle der evidenten Mißachtung fundamentaler Kommunikationsansprüche von der Nichtigkeit der Entscheidung ausgehen sollte“ 222. Er führt aber den Gedanken der Rechtskraft und die ansonsten eintretende Rechtsunsicherheit als Argumente gegen eine solche Sichtweise an.223 Bernsmann ist der Auffassung, dass in der Praxis kaum Fälle denkbar seien, in denen ein Urteil nichtig sein könnte.224 Dem schließt sich Meyer-Goßner an: Die im Rahmen der Nichtigkeit diskutierten Entscheidungen seien „Phantasiefälle[n]“.225 Unabhängig von der womöglich fehlenden Praxisrelevanz der Beispiele für eine Urteilsnichtigkeit findet sich in der Literatur und vereinzelt auch in der Rechtsprechung generelle Kritik an dem Institut der Urteilsnichtigkeit, der im Ergebnis zuzustimmen ist: 214 So auch: Henkel, Strafverfahrensrecht2, S. 285; differenzierend: Peters, Strafprozeß, S. 520; a. A.: Kühne, in: Löwe-Rosenberg I, Einl. Abschn. K Rn. 121. 215 Satzger, Die Europäisierung des Strafrechts, S. 671; zu Letzterem siehe auch: Beulke, Strafprozessrecht, Rn. 507, der allerdings von einem Nicht-Urteil ausgeht. 216 OLG Oldenburg NJW 1952, 1310. 217 So auch: Luther, ZStW 70 (1958), 87, 93 ff., in Bezug auf das Jugendstrafrecht. 218 Schroeder/Verrel, Strafprozessrecht, Rn. 319; so auch: Sax, in: KMR I7, Einl. X Rn. 14. 219 Schroeder/Verrel, Strafprozessrecht, Rn. 320. Vgl. dazu auch: BGHSt 2, 173 ff.; 10, 294, 300 f.; KG NJW 1954, 1901; LG Berlin NJW 1998, 1002, 1004. 220 Siehe: Schäfer, in: Löwe-Rosenberg I24, Einl. Kap. 16 Fn. 1, so auch für den Fall, dass eine Entscheidung unbestimmt sei und diese Unbestimmtheit nicht behoben werden könne; so bereits: Henkel, Strafverfahrensrecht2, S. 285. 221 Vgl. Kudlich, NJW 2013, 3216, 3217. 222 Schulze-Fielitz, in: Dreier III, Art. 103 I Rn. 78. 223 Schulze-Fielitz, in: Dreier III, Art. 103 I Rn. 78 Fn. 526. 224 Bernsmann, JZ 2000, 215, 216; ähnlich: Kudlich, in: MüKo StPO Einleitung Rn. 340. 225 Meyer-Goßner, StV 2013, 614.

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Sofern Autoren sich mit dem Problem auseinandersetzen, liege oftmals überhaupt kein vollstreckbares Urteil vor, und das „grob fehlerhafte Urteil“ 226 könne durch (ordentliche und außerordentliche)227 Rechtsbehelfe angegriffen oder über § 458 StPO für nicht vollstreckbar erklärt werden.228 Außerdem könne bei Zwischenentscheidungen überhaupt nicht von einem nichtigen Urteil ausgegangen werden, weil die betreffende Entscheidung entweder keine Wirksamkeit entfalte oder im weiteren Verfahren „geheilt“ werden könne.229 Gleiches gelte für Beschlüsse und Verfügungen des Gerichts, die lediglich das weitere Verfahren betreffen.230 Das OLG Koblenz leitete beispielsweise aus einem Umkehrschluss aus dem Wiederaufnahmegrund des § 359 Nr. 3 StPO zugunsten des Verurteilten bei strafbarer Amtspflichtverletzung von Schöffen oder Richtern ab, dass man in solchen Fällen nicht von Nichtigkeit ausgehen könne.231 Aber auch generell lässt sich aus den Wiederaufnahmevorschriften ableiten, dass dort nicht aufgeführte Wiederaufnahmegründe die Rechtskraft nicht in Frage stellen sollen.232 Selbst wenn eine Vorschrift gegen das Grundgesetz verstößt und dies vom Bundesverfassungsgericht festgestellt wurde, kann ein auf dieser Vorschrift beruhendes Strafurteil lediglich nach § 79 BVerfGG mit der Wiederaufnahme angegriffen werden. Der Gesetzgeber hat sich in diesen Bereichen also dagegen entschieden, nichtige Urteile anzuerkennen.233 Insofern dürfen die Wiederaufnahmevorschrif226

Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, Einl Rn. 105a. Zu der Unterscheidung vgl. nur: Jesse, in: Löwe-Rosenberg VII/1, Vor § 296 Rn. 1 ff. 228 Kudlich, in: MüKo StPO Einleitung Rn. 340; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, Einl Rn. 105a; vgl. auch: Geppert, GA 119 (1972), 165, 182, Fn. 134; Kudlich, NJW 2013, 3216, 3217; Loos, in: AK-StPO II/2, Anhang zu § 264 Rn. 21; Sarstedt, JR 1955, 351, 352; vgl. zu den Möglichkeiten ebenfalls: Feiber, NStZ 1989, 45. Nach § 458 III 1 StPO kann das Gericht einen Aufschub oder eine Unterbrechung der Vollstreckung anordnen. 229 BGHSt 45, 58, 62; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, Einl Rn. 105b; vgl. auch: ders., JR 1981, 379, 380; so im Ergebnis auch: BGH NStZ 2009, 579, 580, der aber mit der Rechtssicherheit und der „geordnete[n] Rechtspflege“ (BGH, a. a. O.; so auch: BGHSt 45, 58, 62) argumentiert. Es ist aber nicht ersichtlich, warum das Erfordernis von Rechtssicherheit und geordneter Rechtspflege bei Zwischenentscheidungen dazu führen soll, dass es keine nichtigen Urteile geben kann, dies bei „normalen“ Urteilen aber möglich sein soll. Auch in anderen Fällen sprechen diese Aspekte nämlich maßgeblich dafür, die Möglichkeit der Nichtigkeit von Urteilen abzulehnen. Im Ergebnis ebenfalls zustimmend, dass Zwischenentscheidungen nicht nichtig sein können: OLG München NJW 2013, 2371, 2376 m.w. N. 230 Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, Einl Rn. 108; vgl. auch: BGHSt 45, 58, 60 ff.; Gollwitzer, in: FS Rieß, S. 135, 140 ff. 231 OLG Koblenz NStZ 1981, 195. 232 Grünwald, ZStW 76 (1964), 250, 256; Leitmeier, NStZ 2014, 690, 692; vgl. auch: Grünwald, ZStW-Beiheft 1974, 94, 124. 233 Vgl. auch: Gollwitzer, in: FS Rieß, S. 135, 141; Kühne, in: Löwe-Rosenberg I, Einl. Abschn. K Rn. 116 und 125; Henkel, Strafverfahrensrecht2, S. 285, geht aber bei 227

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ten nicht durch die Anerkennung nichtiger Urteile umgangen werden.234 Die Anerkennung nichtiger Urteile bricht mit dem austarierten System der Wiederaufnahme des Strafverfahrens.235 Weiterhin kann man kaum erklären, dass schwerwiegende Fehler lediglich als absolute Revisionsgründe nach § 338 StPO anzusehen sind und Verstöße gegen § 136a StPO teilweise lediglich relative Revisionsgründe darstellen, andere – im Rechtsmittelrecht nicht ausdrücklich normierte – Verstöße, die eventuell nicht gravierender als ein Verstoß gegen § 136a StPO sind, aber die Nichtigkeit der Entscheidung begründen sollen.236 Selbst Verstöße gegen Justizgrundrechte oder andere Verfassungsverstöße237 müssen mit der Verfassungsbeschwerde geltend gemacht werden,238 und auch Urteile, die gegen europäisches Recht verstoßen, sind nicht nichtig.239 Diese Beispiele und auch die obige Schilderung der Fallgruppen, in denen Urteilsnichtigkeit mit sich deutlich unterscheidenden Ergebnissen diskutiert wird,240 zeigen, dass es kaum möglich ist, eine nachvollziehbare allgemeine Grenze zwischen Nichtigkeit und reiner Anfechtbarkeit zu ziehen.241 So stellt zum Beispiel Grünwald berechtigterweise die Frage, ob bei Anerkennung nichtiger Urteile nicht auch Verurteilungen Unschuldiger und Entscheidungen, in denen sich der Richter wegen Rechtsbeugung strafbar gemacht hat, nichtig sein müssten.242 Außerdem wendet Meyer-Goßner gegen das Institut der Urteilsnichtigkeit ein, dass für richterliche Entscheidungen – und insbesondere für Urteile – eine „Vermutung der Wirksamkeit“ 243 gelte. Weiter müsse man ausgehend von der Anerkennung nichtiger Strafurteile annehmen, dass keine entsprechende Feststellung der Nichtigkeit erforderlich sei.244 Dies ist mit dem Gedanken der Rechtssicherheit nicht zu vereinbaren.245 Sofern es überhaupt keine Institution gibt, die über der Verurteilung aufgrund eines nichtigen Strafgesetzes auch von der Nichtigkeit des Urteils aus. 234 Vgl. auch: Grünwald, ZStW 76 (1964), 250, 260; Kühne, in: Löwe-Rosenberg I, Einl. Abschn. K Rn. 116; differenzierend: Sax, in: KMR I7, Einl. X Rn. 8. 235 Schäfer, in: Löwe-Rosenberg I24, Einl. Kap. 16 Rn. 23; in diese Richtung auch: Kühne, in: Löwe-Rosenberg I, Einl. Abschn. K Rn. 116. 236 Kudlich, NJW 2013, 3216, 3217; vgl. auch: Fahl, JuS 1996, 63, 64; Merkl, Die Lehre von der Rechtskraft, S. 293; Vogt/Kurth, NJW 1985, 103, 104. 237 Siehe dazu: Gollwitzer, in: FS Rieß, S. 135, 141. 238 Rüping, Das Strafverfahren, Rn. 552. 239 Beulke, Strafprozessrecht, Rn. 507; Satzger, Die Europäisierung des Strafrechts, S. 670 ff., insbesondere 671. 240 Siehe S. 73 f. 241 Vgl. Kudlich, in: MüKo StPO Einleitung Rn. 341; ders., NJW 2013, 3216, 3217; Sax, in: KMR I7, Einl. X Rn. 8; Schäfer, in: Löwe-Rosenberg I24, Einl. Kap. 16 Rn. 11c; Volk/Engländer, Grundkurs StPO, § 15 Rn. 12. 242 Grünwald, ZStW 76 (1964), 250, 257. 243 Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, Einl Rn. 108. 244 Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, Einl Rn. 109. 245 Schäfer, in: Löwe-Rosenberg I24, Einl. Kap. 16 Rn. 6 und 41.

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die Nichtigkeit entscheidet, entsteht ein Raum, der Platz für Bewertungen lässt und damit die Idee der Rechtssicherheit und der Rechtskraft in Frage stellt.246 Dies bezieht sich aber nicht nur darauf, dass keine Feststellung der Nichtigkeit notwendig wäre. Vielmehr ist das gesamte Institut der Nichtigkeit von Strafurteilen nicht mit dem Gedanken der Rechtssicherheit zu vereinbaren.247 Zudem ergäben sich schwierige Folgefragen wie die Zulässigkeit von Rechtsmitteln gegen nichtige Urteile oder die Zulässigkeit von Notwehrhandlungen gegen Vollstreckungsmaßnahmen, die auf einem nichtigen Urteil beruhen, was im Ergebnis gegen die Anerkennung nichtiger Urteile spreche.248 Vertreter der Urteilsnichtigkeit gehen teilweise davon aus, dass Rechtsmittel auch gegen nichtige Entscheidungen zulässig seien.249 Auch nach Kudlich muss man, sofern man nichtige Urteile anerkennt, die Einlegung von Rechtsmitteln gegen nichtige Urteile zulassen, weil die schwierige Abgrenzung zwischen nichtigen und bloß rechtswidrigen Urteilen nicht dem Risikobereich des Rechtsmittelführers zuzuordnen sei.250 Die Zulassung von Rechtsmitteln gegen nichtige Entscheidungen entkräftet zumindest teilweise den Einwand, dass nichtige Urteile im Konflikt zu dem Grundsatz der Rechtssicherheit stehen. Begründet werden könnte diese Ansicht gegebenenfalls mit einem Erst-recht-Schluss: Sofern man sogar wirksame Urteile mit Rechtsmitteln angreifen kann, muss dies erst recht für nichtige Urteile gelten. Allerdings ist die Zulassung von Rechtsmitteln gegen nichtige Urteile dogmatisch nicht zu begründen:251 Die Argumente Kudlichs und auch der Erst-rechtSchluss können nicht erklären, wie ein Urteil, das keinerlei Wirksamkeit entfaltet und damit als nichtexistent zu behandeln ist, noch angefochten werden kann.

246 Vgl. Kühne, in: Löwe-Rosenberg I, Einl. Abschn. K Rn. 116; ders., Strafprozessrecht, Rn. 1012.1; Peters, Strafprozeß, S. 524. 247 Vgl. Gollwitzer, in: FS Rieß, S. 135, 140 f.; Grünwald, ZStW 76 (1964), 250, 260 f.; Kudlich, in: MüKo StPO Einleitung Rn. 340; Leitmeier, NStZ 2014, 690, 695. Nach Luther, ZStW 70 (1958), 87, 89, kann aber durch die Nichtanerkennung nichtiger Urteile die Rechtssicherheit gefährdet werden. 248 Kudlich, NJW 2013, 3216, 3217. 249 Siehe anstatt aller: Henkel, Strafverfahrensrecht 2, S. 259; Peters, Strafprozeß, S. 524; Schünemann, Strafverfahrensrecht, § 52 Rn. 31; aus dem Zivilrecht: BGHZ 10, 346, 349; in diese Richtung auch: Peters, in: FS Kern, S. 335, 338; dagegen: RGSt 71, 377, 378; BayObLGSt 1959, 317, 318; KG JR 1955, 350, 351; Gössel, JR 1979, 75, 76, allerdings in Bezug auf Nichturteile; Henkel, Strafverfahrensrecht, S. 307 Fn. 19; Luther, ZStW 70 (1958), 87, 100; Roeder, ZStW 79 (1967), 250, 289 und 295; siehe zum Ganzen auch: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, Einl Rn. 109; Grünwald, ZStW 76 (1964), 250, 253 f. 250 Kudlich, in: MüKo StPO Einleitung Rn. 341, der sich im Ergebnis aber gegen die Anerkennung nichtiger Urteile ausspricht, siehe: ders., a. a. O., Rn. 340. 251 Siehe auch: Kühne, in: Löwe-Rosenberg I, Einl. Abschn. K Rn. 129; vgl. ebenfalls: Henkel, Strafverfahrensrecht, S. 307 Fn. 19.

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Etwaigen Rechtsmitteln fehlt damit bereits der Bezugspunkt, weil der Gegenstand von Rechtsmitteln kein nicht existierendes Urteil sein kann.252 Weiterhin kann die sogenannte Evidenztheorie der Verfechter der Urteilsnichtigkeit nicht überzeugen: Wenn es bei der Nichtigkeit von Strafurteilen darum geht, Entscheidungen, die in krassem Widerspruch zu dem allgemeinen Gerechtigkeitsempfinden stehen, die Geltungskraft abzuerkennen, kann es nicht mehr auf die Erkennbarkeit dieses Mangels ankommen.253 Es ist ohnehin kaum vorstellbar, dass Berufsrichter die Nichtigkeit ihrer Entscheidung nicht erkennen, die Nichtigkeit aber trotzdem offensichtlich sein soll.254 Zwar können sich Richter dieser Einsicht verschließen; in einem solchen Fall kommt jedoch eine strafbare Amtspflichtverletzung des Richters in Betracht, die nach den §§ 359 Nr. 3, 362 Nr. 3 StPO die Wiederaufnahme ermöglicht. Außerdem müssen die Mängel, die die Nichtigkeit begründen sollen, in den meisten Fällen erst aufwändig geprüft werden.255 Dies wird bei den meisten Erörterungen zur Urteilsnichtigkeit nicht hinreichend berücksichtigt: Oft ist der Grund, der die Nichtigkeit begründen soll, gerade nicht offensichtlich. Die oben dargestellten unterschiedlichen Ansichten zu der Frage, wann Nichtigkeit anzunehmen ist, zeigen zudem, dass kaum Einigkeit über das Vorliegen von Nichtigkeitsgründen erzielt werden kann, was ebenfalls gegen die Anerkennung nichtiger Urteile spricht.256 Meyer-Goßner weist in Bezug auf das Urteil des OLG München auf ein weiteres Folgeproblem hin: Sofern in dem Urteil, das für nichtig erklärt wurde, Geldauflagen verhängt und das Geld bereits bezahlt wurden, müssten die gemeinnützigen Einrichtungen dieses Geld zurückzahlen.257 Generell beeinträchtigt die Annahme nichtiger Urteile die Gesetzesbindung der Rechtsprechung, weil die Nichtigkeit von Urteilen gesetzlich nicht geregelt ist.258 Damit geht ein Eingriff in die Gewaltenteilung einher. Außerdem stellt die Theorie der Urteilsnichtigkeit den Gedanken der Rechtskraft in Frage.259 Für die Anerkennung von Urteilsnichtigkeit in bestimmten Fällen könnte man einwenden, dass Rechtsbehelfe, die gegen fehlerhafte Entscheidungen erhoben werden können, eventuell nicht alle denkbaren Fälle abdecken260 und nicht ge252 So auch: RGSt 71, 377, 378; Kühne, in: Löwe-Rosenberg I, Einl. Abschn. K Rn. 129. 253 Kühne, in: Löwe-Rosenberg I, Einl. Abschn. K Rn. 117. 254 Grünwald, ZStW 76 (1964), 250, 260, vgl. hier auch zum Folgenden. 255 Grünwald, ZStW-Beiheft 1974, 94, 125; vgl. hier auch zum Folgenden. 256 Rüping, Das Strafverfahren, Rn. 553; vgl. auch: Grünwald, ZStW-Beiheft 1974, 94, 125. 257 Meyer-Goßner, StV 2013, 614, 615, siehe hier auch zu weiteren – wohl eher – theoretischen Folgeproblemen. 258 Vgl. Leitmeier, NStZ 2014, 690, 695, hier auch zum Folgenden. 259 Geppert, GA 119 (1972), 165, 182, Fn. 134. 260 In diese Richtung: Roeder, ZStW 79 (1967), 250, 279 f.

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nau so effektiv sind wie die Annahme der Nichtigkeit der entsprechenden Entscheidung. So betrifft beispielsweise § 458 StPO nur die Vollstreckung; das Urteil an sich bleibt von einem Vorgehen nach § 458 StPO unberührt.261 Außerdem kann das Gericht nach § 458 III 1 StPO allenfalls einen Aufschub oder eine Unterbrechung der Vollstreckung, aber keinen endgültigen Vollstreckungsverzicht, anordnen. Zudem greift § 458 StPO beispielsweise nicht bei der Verhängung von Bewährungsstrafen, oder wenn die Vollstreckung bereits stattgefunden hat.262 Weiter wird gegen die Lösung über das Rechtsmittelrecht und andere Rechtsbehelfe, aber auch speziell gegen ein Vorgehen nach § 458 StPO eingewendet, dass die Beseitigung der Entscheidung nicht von der Initiative der Beteiligten im Vollstreckungsverfahren abhängen könne.263 Ohnehin kann die Staatsanwaltschaft nicht nach § 458 StPO vorgehen.264 Dies gilt im Übrigen auch für eine Verfassungsbeschwerde zugunsten des Verurteilten.265 Gegen die Möglichkeit, eine Verfassungsbeschwerde zu erheben, wendet Fahl zudem ein, dass damit das Bundesverfassungsgericht überflüssig belastet werde und das Strafrecht selber dafür sorgen müsse, die eigenen Fehler zu korrigieren.266 Dies kann indes nicht überzeugen, da es die Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts ist, über Verfassungsverstöße zu urteilen, und zwar unabhängig davon, ob deren Grund im Strafrecht oder in anderen Rechtsgebieten liegt. Dass die Instanzgerichte sich zunächst mit etwaigen Verfassungsverstößen auseinandersetzen müssen, wird durch die Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde gewährleistet.267 Dass Rechtsmittel und Rechtsbehelfe einen entsprechenden Antrag voraussetzen, ist außerdem das Wesen dieser Institute und daher nicht zu beanstanden. Im Übrigen müsste eine Institution im Zweifel selbst bei der Annahme von Nichtigkeit die Nichtigkeit (auf Antrag) feststellen, weil die Nichtigkeit in den wenigsten Fällen unstreitig wäre. Die anderen genannten Argumente für die Annahme von Urteilsnichtigkeit in gewissen Konstellationen sind im Ergebnis zutreffend, führen aber nicht zwangsläufig zur Anerkennung der Urteilsnichtigkeit. Sofern in manchen Fällen nur noch der Weg über § 458 StPO verbleibt, muss dieser notfalls beschritten wer-

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Siehe auch: Rieß, JR 1981, 522, 523; Roeder, ZStW 79 (1967), 250, 295 f. Fahl, JuS 1996, 63, 64; siehe zu einem solchen Sachverhalt: LG Krefeld NJW 1973, 1205 f. 263 Siehe allgemein: Luther, ZStW 70 (1958), 87, 100, und in Bezug auf § 458 StPO: Bauer/Wrage-Molkenthin, wistra 1990, 198, 199. 264 LG Krefeld NJW 1973, 1205, 1206. 265 Fahl, JuS 1996, 63, 64 f. 266 Fahl, JuS 1996, 63, 64. 267 Siehe dazu nur: Posser, Die Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde, passim. 262

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den, um zumindest die negativen Folgen der rechtswidrigen Entscheidung zu mildern. Allerdings kann immer noch die Wiederaufnahme des Strafverfahrens angestrengt werden. Bei einem solchen Vorgehen kann auch die Staatsanwaltschaft einen Wiederaufnahmeantrag zugunsten des Verurteilten stellen.268 Ausgehend von den obigen Erläuterungen, dass Fälle potenzieller Nichtigkeit meist über die Einlegung von Rechtsmitteln gelöst werden können, tritt die Literatur teilweise dafür ein, die Nichtigkeit von Strafurteilen überhaupt nur in Betracht zu ziehen, wenn keine Rechtsmittel gegen die entsprechende Entscheidung im Gesetz existieren.269 Damit verlagert man das Problem zu der Frage, ob dann überhaupt noch Fälle nichtiger Urteile denkbar sind oder ob die Rechtsordnung nicht immer einen Rechtsbehelf zur Verfügung stellt. Selbst wenn sich aber Rechtschutzlücken ergeben sollten, wäre es die Aufgabe des Gesetzgebers, gegebenenfalls entsprechende Rechtsbehelfe zu schaffen.270 Eine Umgehung des Gesetzes durch die Annahme von Urteilsnichtigkeit ist unzulässig.271 Im Ergebnis sind nichtige (Straf-)Urteile daher – unabhängig von den diskutierten Fallgruppen – abzulehnen. Mit Sarstedt lässt sich konstatieren, dass die Möglichkeit nichtiger Urteile die Gerechtigkeit in einem größeren Maß beeinträchtigt als die konsequente Ablehnung des Instituts nichtiger (Straf-)Urteile.272 „In einem Rechtsstaat sind [nichtige Urteile] [. . .] nicht vorstellbar.“ 273 Unabhängig von diesem Ergebnis soll im weiteren Verlauf noch darauf eingegangen werden, ob nichtige Urteile, sofern man sie anerkennt, den Schutz des Art. 103 III GG auslösen würden. Soweit ersichtlich, ist es einhellige Meinung, dass nichtige Urteile nicht Art. 103 III GG unterfallen.274 Auch nach Loos ist es überwiegende Meinung, 268 Siehe nur: Marxen/Tiemann, Die Wiederaufnahme in Strafsachen, Rn. 43; dies passiert aber in der Praxis äußerst selten, vgl.: Grüner/Wasserburg, NStZ 1999, 286, 287. 269 Goldschmidt, Der Prozess als Rechtslage, S. 501 f.; Luther, ZStW 70 (1958), 87, 88 f., siehe aber auch 100; Schäfer, in: Löwe-Rosenberg I24, Einl. Kap. 16 Rn. 6; in diese Richtung auch: Kühne, in: Löwe-Rosenberg I, Einl. Abschn. K Rn. 114, der zusätzlich eine weite Auslegung des Wiederaufnahmerechts und dessen Ausweitung sowie die Ausweitung des Anwendungsbereichs der Verfassungsbeschwerde in Erwägung zieht. 270 Schäfer, in: Löwe-Rosenberg I24, Einl. Kap. 16 Rn. 23, hier auch zum Folgenden; Schmidt, in: KK Vor § 359 Rn. 15a. 271 So auch: Grünwald, ZStW 76 (1964), 250, 255 f.; vgl. auch: Leitmeier, NStZ 2014, 690, 692 und 694. 272 Sarstedt, JR 1955, 351, 352; ähnlich: Meyer-Goßner, ZIS 2009, 519, 522. 273 Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, Einl Rn. 105a. 274 Vgl.: BGHSt 45, 58, 61; KG NJW 1954, 1901, 1902; OLG Jena NStZ-RR 1998, 111 f.; OLG Koblenz NStZ 1981, 195; Thüringer OLG JR 1999, 125, 126; Gössel, JR 1979, 75, 76 („anerkannt“); Grünwald, ZStW 76 (1964), 250, 256; ders., ZStW-Beiheft

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dass nichtige Urteile keinen Strafklageverbrauch nach sich ziehen.275 Er führt für diese Meinung Roxin, Sax und Schäfer an. Sowohl Roxin in der zitierten Auflage als auch Schünemann in der aktuellen Auflage des Lehrbuchs sprechen zwar davon, dass nichtige Urteile keine Rechtswirkungen entfalten; sie äußern sich aber jedenfalls nicht ausdrücklich dazu, ob der Schutzbereich des Art. 103 III GG eröffnet ist.276 Auch Schäfer diskutiert diese Frage nicht.277 Allein Sax führt ausdrücklich aus, dass „die Bestandsgarantie des Art. 103 III GG selbstverständlich278 nur für beachtliche279 rechtskräftige Strafurteile gilt“ 280. Dafür spricht, dass ein nichtiges Urteil als nicht existent anzusehen wäre und insofern auch nicht im Rahmen des Art. 103 III GG berücksichtigt werden dürfte. Es kann aber im Ergebnis trotzdem nicht überzeugen, nichtigen Urteilen den Schutz des Art. 103 III GG zu versagen: Zunächst entstände dadurch eine erhebliche Missbrauchsgefahr; denn es könnten zum Beispiel freisprechende Urteile für nichtig erklärt werden. Ohne Weiteres könnte ein erneutes Verfahren angestrengt werden, weil Art. 103 III GG gerade nicht entgegensteht. Es bedürfte noch nicht einmal neuer Beweise, und selbst bei Vorliegen neuer Beweise stieße ein erneuter Prozess auf erhebliche Bedenken, weil § 362 StPO die Wiederaufnahme zuungunsten des Angeklagten wegen neuer Beweise de lege lata gerade nicht vorsieht und diese Vorgabe durch den mangelnden Schutz des Art. 103 III GG wegen Urteilsnichtigkeit ausgehebelt würde.281 Außerdem lässt sich die Erstreckung des Schutzes des Art. 103 III GG auf nichtige Urteile dogmatisch begründen: Hinter der Ansicht, die nichtigen Urteilen den Schutz des Art. 103 III GG versagen möchte, steht der Gedanke, dass nichtige Urteile keinerlei Wirkungen entfalten und – ähnlich wie bei der Frage, ob Rechtsmittel gegen nichtige Urteile zulässig sind –282 dem Strafklageverbrauch insofern der Bezugspunkt fehlt. Im Unterschied zu der Argumentation der

1974, 94, 123 f.; Kühne, in: Löwe-Rosenberg I, Einl. Abschn. K Rn. 116; Kudlich, NJW 2013, 3216, 3217; Roeder, ZStW 79 (1967), 250, 264 f., allerdings hypothetisch; Sax, in: KMR I7, Einl. X Rn. 9. 275 Loos, in: AK-StPO II/2, Anhang zu § 264 Rn. 20, hier auch zum Folgenden. 276 Siehe: Roxin, Strafverfahrensrecht19, § 50 C. II.; Schünemann, Strafverfahrensrecht, § 52 Rn. 24 ff. 277 Siehe: Schäfer, in: Löwe-Rosenberg I24, Einl. Kap. 16 Rn. 3 ff. 278 Hervorhebung des Verfassers. 279 Hervorhebung im Original. 280 Sax, in: KMR I7, Einl. X Rn. 9; dem folgend: Saliger, Radbruchsche Formel und Rechtsstaat, S. 68. 281 Vgl. dazu auch: Grünwald, ZStW 76 (1964), 250, 259; Leitmeier, NStZ 2014, 690, 693. 282 Siehe dazu oben.

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Unzulässigkeit von Rechtsmitteln gegen nichtige Urteile geht es bei dem Schutz des Art. 103 III GG jedoch nicht allein um eine erneute Verurteilung; denn Art. 103 III GG verbietet nicht nur jede erneute Bestrafung, sondern auch jede erneute Verfolgung.283 Würde Art. 103 III GG lediglich jede erneute Bestrafung verbieten, würde der Schutzbereich keine nichtigen Urteilen erfassen, weil die Bestrafung gerade mit der Nichtigkeit des Urteils weggefallen ist. Die Verfolgung findet aber nicht ausschließlich durch das Urteil statt, sondern primär durch die Strafverfolgung im Rahmen des Vorverfahrens durch Polizei und Staatsanwaltschaft. Diese Strafverfolgungsmaßnahmen werden von der Urteilsnichtigkeit nicht berührt; sie sind daher nach wie vor wirksam. Stellt man auf diese Strafverfolgungsmaßnahmen ab, liegt in jeder neuen Ermittlung ein Verstoß gegen Art. 103 III GG, weil damit eine erneute Verfolgung stattfindet.284 Sofern man – entgegen der hier vertretenen Auffassung – die Nichtigkeit von (Straf-)Urteilen grundsätzlich anerkennt, muss man also zumindest ebenfalls anerkennen, dass auch nichtige Urteile oder vielmehr die dem nichtigen Urteil vorangegangenen Verfolgungsmaßnahmen den Schutz des Art. 103 III GG auslösen. 2. Verhältnis des § 362 StPO zu Art. 103 III GG285 Nachdem sowohl allgemein als auch speziell in Bezug auf nichtige Urteile auf die Reichweite des Art. 103 III GG eingegangen wurde, kann jetzt überprüft werden, ob § 362 StPO mit Art. 103 III GG vereinbar ist. In Konflikt mit Art. 103 III GG tritt die Wiederaufnahme des Strafverfahrens zuungunsten des Angeklagten dabei nur, wenn sie eine erneute Verfolgung darstellt. Eine erneute Verfolgung setzt voraus, dass die Verfolgung zunächst einmal beendet wurde.286 Sie ist nicht erst dann beendet, wenn keine Wiederaufnahme mehr angestrebt werden kann;287 dies würde ansonsten zu einer Umgehung des Art. 103 III GG führen, zumal die Wiederaufnahme an keine Frist gebunden 283

Siehe dazu bereits oben unter D. II. 1. a). Davon sind vorübergehende Verfahrenseinstellungen, denen nur eine beschränkte Rechtskraft zukommt (vgl. dazu ausführlich: Greco, Strafprozesstheorie und materielle Rechtskraft, S. 702 ff.), ausgenommen. Denn bei vorübergehenden Verfahrenseinstellungen ist die Verfolgung gerade noch nicht beendet; der Schutz des Art. 103 III GG wird nicht ausgelöst. Nichtige Urteile lassen hingegen zumindest ab Eintritt der (wegen der Nichtigkeit nur theoretischen) Vollstreckbarkeit (näher zur Vollstreckbarkeit sogleich) erkennen, dass die Verfolgung beendet wurde. 285 Lagodny, in: FS Trechsel, S. 253, 257, sieht das Problem eher darin, „ob ein weiteres Verfahren“ mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht vereinbar ist; zu einem Verstoß gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht in Strafverfahren vgl. auch: Eckstein, ZStW 124 (2012), 490, 498. 286 Schroeder, JuS 1997, 227, 229. 287 Vgl. dazu in Bezug auf Art. 4 EMRK-Pr. 7: Esser, in: „Ne bis in idem“ in Europa, S. 27, 37; vgl. ebenfalls: BVerfGE 109, 190, 254. 284

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ist.288 Die Verfolgung würde daher nie als abgeschlossen gelten. Dies wäre mit dem Prinzip der Rechtskraft unvereinbar. Vielmehr ist die Verfolgung der Straftat beendet, wenn ein Urteil vollstreckbar ist. Das Strafverfahren dient unter anderem dazu, eine vollstreckbare Entscheidung zu schaffen,289 auf deren Grundlage eine Strafe verhängt werden kann. Daher beendet der Eintritt der Vollstreckbarkeit das Verfahren und damit auch die Verfolgung. Da nach § 449 StPO nur rechtskräftige Urteile vollstreckbar sind, fällt die Vollstreckbarkeit mit der Rechtskraft der Entscheidung zusammen. Daher findet man die Aussage, dass die Verfolgung beendet ist, wenn das Urteil formell290 rechtskräftig wird.291 Dies ist insoweit korrekt, als die Zeitpunkte der Vollstreckbarkeit und der formellen Rechtskraft aufgrund von § 449 StPO zusammenfallen. Entscheidend für den Abschluss der Verfolgung ist aber nicht das Kriterium der Rechtskraft, sondern das Kriterium der Vollstreckbarkeit.292 Sofern noch klassische Rechtsmittel eingelegt werden können, ist die Entscheidung nicht vollstreckbar, weil nicht rechtskräftig,293 und die Verfolgung somit (noch) nicht beendet. Daher steht die Einlegung dieser (klassischen) Rechtsmittel nicht im Konflikt zu Art. 103 III GG.294 Im Gegensatz zu den klassischen Rechtsmitteln, mit denen ein noch nicht rechtskräftiges Urteil angefochten werden kann, richtet sich ein Wiederaufnah-

288 Nach einer Meinung hindert nicht einmal die Strafverfolgungsverjährung die Wiederaufnahme des Strafverfahrens, vgl. beispielsweise: BGH GA 121 (1974), 149 f.; OLG Düsseldorf StraFo 2001, 102, 104; OLG Düsseldorf NJW 1988, 2251 m.w. N.; RGSt 76, 46, 48; Gössel, in: Löwe-Rosenberg VII/2, § 362 Rn. 3. Ausführlich zum Verhältnis zwischen Wiederaufnahme und Strafverfolgungsverjährung unten unter D. IV. Allerdings findet sich im Zivilrecht die Meinung, dass ein Urteil erst unanfechtbar sei, wenn keine Wiederaufnahme mehr statthaft ist. Davon ausgehend könnte es also unterschiedliche Rechtskraftsqualitäten in den einzelnen Rechtsgebieten geben. Die Meinung hat sich indes nicht durchgesetzt. Siehe zum Ganzen: Braun, in: MüKo-ZPO, Vor §§ 578 ff. Rn. 1. Zu der Rechtskraft in den unterschiedlichen Rechtsgebieten siehe: Bohn, in: Einheit der Prozessrechtswissenschaft, S. 55 ff. 289 Vgl. nur: Satzger, in: FS Roxin, S. 1515. 290 Formelle Rechtskraft bedeutet, dass eine Entscheidung nicht mehr mit Rechtsmitteln des 3. Buches der StPO angegriffen werden kann; die Folge ist die materielle Rechtskraft, die ein erneutes Verfahren in derselben Sache ausschließt; vgl. nur Schroeder/Verrel, Strafprozessrecht, Rn. 315. 291 Vgl. OLG Düsseldorf StraFo 2001 102, 104; Schünemann, Strafverfahrensrecht, § 52 Rn. 1, der von „Beendigungswirkung“ spricht. 292 So bereits in Bezug auf die damalige Rechtslage: von Quistorp, Grundsätze des deutschen peinlichen Rechts II, § 775. 293 Siehe nochmals § 449 StPO, wonach Strafurteile nicht vollstreckbar sind, bevor sie rechtskräftig geworden sind. 294 Schroeder, JuS 1997, 227, 229; vgl. aber die Anmerkungen Nr. 14 g) zu § 22 der Verordnung vom 3. Januar 1849 bezüglich der preußischen Kriminalordnung, abgedruckt in: Liman, Der Preußische Strafprozeß, S. 63: Dort war ausdrücklich festgelegt, dass der Satz non bis in idem im Verhältnis der Instanzen zueinander nicht gilt.

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meverfahren jedoch gegen eine rechtskräftige, vollstreckbare Entscheidung.295 Daher geht mit der Wiederaufnahme des Strafverfahrens eine erneute Verfolgung einher, während die Einlegung klassischer Rechtsmittel Art. 103 III GG nicht tangiert. Die Wiederaufnahme des Strafverfahrens berührt jedoch den Schutzbereich des Art. 103 III und stellt somit auch einen Eingriff in den Schutzbereich dar.296 Ob und wie ein solcher Eingriff legitimiert werden kann, ist umstritten. Teilweise wird angenommen, dass Art. 103 III GG einen absoluten Schutz gewähre und damit ein Eingriff nicht zu rechtfertigen sei.297 Dieser Argumentation liegt zugrunde, dass es Grundrechte gibt, die nicht einschränkbar sind.298 Geht man davon aus, dass Art. 1 I GG ein Grundrecht darstellt,299 ist diese Auffassung zutreffend.300 Die Frage ist aber, ob Art. 103 III GG zu diesen Grundrechten

295 Peters, Fehlerquellen III, S. 3. Siehe zum Verhältnis des Rechtsmittelrechts zum Wiederaufnahmerecht: Große Strafrechtskommission DRB, Gutachten Wiederaufnahme, S. 35 f. 296 Vgl. Nolte, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG III, Art. 103 Rn. 222; Kingreen/ Poscher, Grundrechte Staatsrecht II, Rn. 1219; Schmahl, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, Art. 103 Rn. 87; Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig VI, Art. 103 Rn. 270; Sodan, in: Sodan, Art. 103 Rn. 32; nach Radtke, Systematik des Strafklageverbrauchs, S. 80 und Schulze-Fielitz, in: Dreier III, Art. 103 III Rn. 32 („immanente Schranke“) liegt kein Eingriff vor; zur Auseinandersetzung zwischen den beiden Standpunkten vgl. Kloepfer, Verfassungsrecht II, § 75 Rn. 111 ff.; zu immanenten Grundrechtsgrenzen ausführlich: Lerche, in: HStR V, § 121 Rn. 12 m.w. N. A. A.: Helbing, ZRP 2010, 271; Hömig, in: Hömig, Art. 103 Rn. 20; wohl ebenfalls: Schmoller, in: „Ne bis in idem“ in Europa, S. 115, 121 f. und 127 f., der davon ausgeht, dass die Wiederaufnahme lediglich die Fortsetzung des alten Prozesses darstelle und deshalb auch kein Konflikt mit dem Ne-bis-in-idem-Grundsatz vorliege. 297 Vgl. Grünwald, StV 1987, 453, 457; Hassemer, in: FS Maihofer, S. 183, 203; ders., in: Strafen im Rechtsstaat, S. 107; Höfling/Burkiczak, in: Berliner Kommentar, Art. 103 Rn. 173; Neumann, in: FS Jung, 655, 666 f.; Sachs, Verfassungsrecht II, Grundrechte, S. 525; Schulze-Fielitz, in: Dreier III, Art. 103 III Rn. 35 und 37, der allerdings eine Ausnahme bei einem Widerspruch zur materiellen Gerechtigkeit – wie zum Beispiel bei der Wiederaufnahme des Strafverfahrens – machen will; Sodan, in: Sodan, Art. 103 Rn. 31; in diese Richtung ebenfalls aktuell: Merkel/Scheinfeld, ZIS 2012, 206. 298 Vgl. eingehend: Lerche, in: FS für Mahrenholz, S. 515 ff. 299 Zu der Diskussion, ob Art. 1 I GG zu den Grundrechten zählt, siehe nur: Dreier, in: Dreier I, Art. 1 I Rn. 121 ff. m.w. N. 300 Zur Unantastbarkeit der Menschenwürde vgl.: BVerfGE 93, 266, 293; Herdegen, in: Maunz/Dürig, Art. 1 Abs. I Rn. 73; Höfling, in: Sachs, Art. 1 Rn. 10 ff.; Ipsen, Staatsrecht II, Rn. 244; Kunig, in: von Münch/Kunig, GGK I, Art. 1 Rn. 4; Lenz, Vorbehaltlose Freiheitsrechte, S. 299 ff.; Saliger, ZStW 116 (2004), 35, 36 m.w. N.; Starck, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG I, Art. 1 Rn. 34; a. A. Hain, Der Staat 45 (2006), 189, 191, 199 ff.; Kloepfer, in: FS 50 Jahre Bundesverfassungsgericht, S. 75, 95 ff. Zu der Diskussion um die Einschränkung des Art. 1 GG vor dem Hintergrund der sogenannten Rettungsfolter siehe: Erb, in: FS Seebode, S. 99, 105 ff.; Mitsch, in: FS Roxin, passim; Navajas, in: FS Roxin, passim; Wagenländer, Zur strafrechtlichen Beurteilung der Rettungsfolter, passim. Allgemein zu Einschränkungen der Menschenwürde: von Bernstorff, JZ 2013, 914 ff.

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zählt.301 Dagegen spricht, dass Art. 1 I GG eine Ausnahmevorschrift in der Verfassung darstellt. Daraus, dass Art. 1 I GG absolut gilt, kann nicht geschlossen werden, dass es auch andere Grundrechte gibt, die nicht einschränkbar sind. Dies würde der Stellung der Menschenwürde im System des Grundgesetzes nicht gerecht, da sie auf eine Ebene mit anderen Grundrechten gestellt würde, denen keine solch tragende Bedeutung zukommt. Wenn man den Schutzbereich des Art. 103 III GG bereits über seinen Wortlaut hinaus versteht (Verbot jeder erneuten Verfolgung und nicht nur jeder erneuten Bestrafung),302 erscheint es zudem nicht sachgerecht, dessen Uneinschränkbarkeit anzunehmen. Vielmehr geht mit einem weiten Verständnis des Schutzbereiches regelmäßig eine Ausweitung der Schranken einher.303 Außerdem kann im Rahmen der Rechtfertigung von Eingriffen differenzierter auf unterschiedliche Fallgestaltungen reagiert werden, indem man die kollidierenden Grundrechte zum Ausgleich bringt. Dass Grundrechte, unabhängig von Art. 1 I GG, als absolut angesehen werden, ist damit abzulehnen.304 Daher gilt auch Art. 103 III GG nicht absolut. Nach einer anderen Meinung legitimiert das zur Zeit der Entstehung des Grundgesetzes geltende Prozessrecht den Eingriff in Artikel 103 III GG.305 Art. 103 III GG beziehe sich auf dieses Prozessrecht, und der Gesetzgeber des Grundgesetzes habe diesen Status quo nicht ändern wollen.306 Dieser These ist aus mehreren Gründen zu widersprechen. Es erscheint bereits fraglich, ob der Parlamentarische Rat sich auf das damals geltende Prozessrecht stützen wollte, um den durch Art. 103 III GG gewährleiste301 In diese Richtung: Lerche, in: FS für Mahrenholz, S. 515, 521; ausdrücklich dafür: Maurer, Staatsrecht I, § 9 Rn. 63; zu dieser Frage siehe ebenfalls: Neumann, in: FS Jung, S. 655, 666 f. Zu der Frage, ob Art. 103 III GG den Schutz der sogenannten Ewigkeitsklausel des Art. 79 III GG genießt, siehe: Isfen, Wiederaufnahme zu Lasten Freigesprochener, im Erscheinen; Meyer, Wiederaufnahmereform, S. 80 m.w. N.; siehe aber auch: BGHSt 6, 122, 125, der allein auf Art. 79 I und II GG abstellt; ebenso: Stellungnahme Marxen, S. 9. 302 Siehe dazu bereits oben unter D. II. 1. a). 303 Vgl. Hillgruber, in: HStR IX, § 200 Rn.19; Specht, Die zwischenstaatliche Geltung des Grundsatzes ne bis in idem, S. 183; zur Abhängigkeit von Schutzbereich und Schranken: Sachs, Verfassungsrecht II, Grundrechte, S. 96 f. 304 In diese Richtung: Kingreen/Poscher, Grundrechte Staatsrecht II, Rn. 338 ff.; ohne Ausnahme für Art. 1 I GG: von Pollern, JuS 1977, 644, 648; nach Stern, Staatsrecht III/2, S. 571, können alle Grundrechte eingeschränkt werden. 305 In dieser Richtung bereits: BGHSt 3, 13, 16; 5, 323, 328 f. und 331; eindeutiger: BVerfGE 3, 248, 252; 12, 62, 66; Feilcke, in: Wiederaufnahme in Strafsachen, Wiederaufnahme zuungunsten des Angeklagten Rn. 4; Frister, in: SK-StPO VII, § 362 Rn. 3; Hill, in: HStR VI, § 156 Rn. 72; Kunig, in: von Münch/Kunig, GGK II, Art. 103 Rn. 47; Schmidt, in: KK § 362 Rn. 3; Schulze-Fielitz, in: Dreier III, Art. 103 III Rn. 32. 306 BVerfGE 3, 248, 252; 12, 62, 66; Kunig, in: von Münch/Kunig, GGK II, Art. 103 Rn. 47; Schmidt, in: KK § 362 Rn. 3; Schulze-Fielitz, in: Dreier III, Art. 103 III Rn. 32.

II. Vereinbarkeit des § 362 StPO mit Art. 103 III GG

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ten Schutz zu bestimmen.307 Das Bundesverfassungsgericht beruft sich auf den Bericht des Abgeordneten Zinn des Parlamentarischen Rates.308 Zinn sagte aber nur, dass „die überkommenen rechtsstaatlichen Grundsätze [. . .] auch in das Grundgesetz aufgenommen worden sind – z. B. [. . .] ne bis in idem.“ 309 Es fehlt ein Hinweis darauf, dass der Parlamentarische Rat in Bezug auf die Wiederaufnahme des Strafverfahrens auf den damaligen Stand des Prozessrechts zurückgreifen wollte. Auch die übrigen Drucksachen des Parlamentarischen Rates lassen diesen Schluss nicht zu.310 Vielmehr bezog sich der Parlamentarische Rat lediglich auf den Ne-bis-in-idem-Grundsatz311 und nicht auf das gesamte Prozessrecht. Selbst wenn man davon ausgeht, dass der Parlamentarische Rat sich auf das damalige Prozessrecht berufen wollte, stößt man auf ein weiteres Problem: Das damalige Prozessrecht unterschied sich in den vier Besatzungszonen.312 Zwar regelten die Strafprozessordnungen aller vier Zonen die Wiederaufnahme zuungunsten des Angeklagten;313 in der amerikanischen Besatzungszone reichte aber nach § 362 Nr. 2 StPO eine vorsätzlich falsche uneidliche Aussage eines Zeugen oder eines Sachverständigen für eine nachteilige Wiederaufnahme, während § 362 Nr. 2 StPO in der britischen Besatzungszone eine vorsätzliche oder fahrlässige Verletzung der Eidespflicht erforderte. Die Regelung in der britischen Besatzungszone war damit identisch mit der Regelung in der Strafprozessordnung von 1924.314 Im Übrigen waren die Wiederaufnahmegründe in den beiden Zonen inhaltlich gleich. In der französischen Besatzungszone war es umstritten, ob § 359 der Reichsstrafprozeßordnung in der Fassung vom 29. Mai 1943,315 der unter bestimmten Voraussetzungen die Wiederaufnahme des Verfahrens zugunsten und zuungunsten des Betroffenen aufgrund neuer Tatsachen oder Beweismittel vorsah, weiter-

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Vgl. auch: Stellungnahme Scherzberg, S. 4. BVerfGE 3, 248, 252. 309 Zinn, in: Schriftlicher Bericht, S. 43, 49. 310 So auch: Dürig, in: Maunz/Dürig VI, Art. 103 Rn. 131; Eschelbach, in: KMR V, § 362 Rn. 49; Neumann, in: FS Jung, S. 655, 658. 311 Ausführlich dazu oben unter D. II. 1. a). 312 § 362 wurde für die gesamte Bundesrepublik Deutschland erst 1950 eingeführt, siehe: BGBl. I 1950, S. 496 f.; vgl. zu dieser Problematik ebenfalls: Eschelbach, in: FS Stöckel, S. 199, 222; Neumann, in: FS Jung, S. 655, 658; Possienke, Die Regelung des § 373a StPO, S. 22 ff. 313 Siehe für die sowjetische Besatzungszone: Schindler, in: Leitfaden des Strafprozeßrechts der DDR, S. 37; für die anderen Besatzungszonen den Abdruck in: Kappo/ Lermer/Rebentrost, Der Strafprozess, S. 161, hier auch zum Folgenden. 314 Vgl. § 402 der damaligen Strafprozessordnung, abgedruckt in: Feisenberger, Strafprozeßordnung, S. 177 f. 315 RGBl. I 1943, S. 345. Siehe dazu auch oben: B. Fn. 1 und S. 50. 308

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hin galt.316 Nach Ziemba existierte dort die gleiche Regelung wie in der britischen Besatzungszone.317 In der sowjetischen Besatzungszone galt die gleiche Regelung wie in der britischen Besatzungszone.318 Bei Entstehung des Grundgesetzes existierte daher aber im Ergebnis kein einheitliches Strafprozessrecht.319 Man könnte allenfalls darauf abstellen, dass in jeder Besatzungszone die Möglichkeit einer nachteiligen Wiederaufnahme des Strafverfahrens existierte. Der heutige § 362 StPO unterscheidet sich aber zumindest in § 362 Nr. 2 StPO inhaltlich von der damaligen Bestimmung in der britischen Besatzungszone. Gleiches gilt für die französische Besatzungszone – unabhängig davon, welche Regelung der beiden in Betracht kommenden dort galt. Nach dem Bundesverfassungsgericht sollen aber geringfügige Änderungen der Wiederaufnahmevorschriften mit Art. 103 III GG vereinbar sein.320 § 362 StPO unterscheidet sich nur geringfügig von den damaligen Regelungen in den Besatzungszonen, sodass § 362 StPO demnach verfassungsgemäß sein könnte.321 Es besteht aber ein weiterer Einwand: Das Prozessrecht ist einfaches Recht. Einfaches Recht kann nicht zur Interpretation oder zur Einschränkung von Verfassungsrecht herangezogen werden.322 Zwar können einfache Gesetze einen Eingriff in ein Grundrecht legitimieren; dazu müssen sie aber verfassungsgemäß – also insbesondere verhältnismäßig – sein. Sie können aber selbst bei normgeprägten Grundrechten323 keine immanente Schranke eines Grundrechts darstel316 Siehe die Fußnote bei: Kappo/Lermer/Rebentrost, Der Strafprozess, S. 161; dagegen spricht § 35 Nr. 3 der Rechtsanordnung über Gerichtsverfassung und Verfahren, der die entsprechende Verordnung ausdrücklich aufhob; abgedruckt in: Kappo/Lermer/Rebentrost, Der Strafprozess, S. 433. 317 Ziemba, Die Wiederaufnahme des Verfahrens, S. 71. 318 Schindler, in: Leitfaden des Strafprozeßrechts der DDR, S. 37; Ziemba, Die Wiederaufnahme des Verfahrens, S. 143. 319 So auch: Neumann, in: FS Jung, S. 655, 658; Weber-Klatt, Die Wiederaufnahme von Verfahren, S. 165. 320 BVerfGE 56, 22, 34 f. 321 Vgl. auch die Darstellung bei Weber-Klatt, Die Wiederaufnahme von Verfahren, S. 166 f. 322 So auch: Dünnebier, in: FG Peters, S. 333, 346; Dürig, in: Maunz/Dürig VI, Art. 103 Rn. 131; Eschelbach, in: KMR V, § 362 Rn. 50; Herzog, Die Rechtskraft, S. 98; Wassermann, in: AK-GG III, Art. 103 Rn. 55; Ziemba, Die Wiederaufnahme des Verfahrens, S. 78; in diese Richtung ebenfalls: Eschelbach, in: FS Stöckel, S. 199, 222; Hermann/Lenz, Das Grundgesetz, Art. 103 Rn. 5, die auf Art. 123 I GG verweisen; Specht, Die zwischenstaatliche Geltung des Grundsatzes ne bis in idem, S. 187; relativierend: Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig VI, Art. 103 Rn. 262 ff.; allgemein zu diesem Problem: Kloepfer, Verfassungsrecht I, § 1 Rn. 221 ff. 323 Art. 103 III GG ist ein normgeprägtes Grundrecht, vgl. Nolte, in: von Mangoldt/ Klein/Starck, GG III, Art. 103 Rn. 184; Schmahl, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/ Henneke, Art. 103 Rn. 81; Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig VI, Art. 103 Rn. 262; Schulze-Fielitz, in: Dreier III, Art. 103 III Rn. 15; allgemein zu normgeprägten Grund-

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len. Der Schutz des Art. 103 III GG kann nicht durch einfaches Recht bestimmt werden.324 Selbst wenn man davon ausgeht, dass es sich nicht um eine Interpretation der Verfassung durch einfaches Recht handele, sondern um eine historische Auslegung der Verfassung anhand der damaligen Rechtsanschauung, stößt dies auf Bedenken; denn aus den historischen Quellen wird nicht ersichtlich, dass die Abgeordneten des Parlamentarischen Rates den Schutz des heutigen Art. 103 III GG lediglich beschränkt durch die damals geltenden Wiederaufnahmegrundsätze verstanden haben.325 Aus den dargestellten Gründen kann das damals geltende Prozessrecht § 362 StPO nicht legitimieren. Eine dritte Meinung rechtfertigt den Eingriff wegen einer ansonsten unerträglichen Beeinträchtigung der Gerechtigkeit.326 Art. 103 III GG diene der Rechtssicherheit, die aber in ansonsten unerträglichen Fällen hinter dem Prinzip der materiellen Gerechtigkeit zurücktreten müsse.327 Dürig begründet diese Auffassung damit, dass Art. 103 III GG Ausfluss des Rechtsstaatsprinzip sei.328 Die Vorschrift trage dem Gedanken der Rechtssicherheit Rechnung. Im Rechtstaatsprinzip sei aber ebenfalls das Gebot materieller Gerechtigkeit verankert. Rechtssicherheit und Gerechtigkeit seien die tragenden Prinzipien des Rechtsstaatsprinzips. Es gebe Situationen, in denen die mit Art. 103 III GG hergestellte Rechtssicherheit von dem Gebot der materiellen Gerechtigkeit verdrängt werde, weil keine Norm die materielle Gerechtigkeit völlig außer Acht lassen könne.329 Zwar wird von einigen Autoren hervorgehoben, dass das Kriterium der Unerträglichkeitsgrenze (zu) unbestimmt sei;330 diese Bedenken greifen aber im Ergebnis nicht durch. rechten: Kloepfer, Verfassungsrecht II, § 51 Rn. 42; Lenz, Vorbehaltlose Freiheitsrechte, S. 99 ff. und mit anderer Terminologie: Gellermann, Grundrechte in einfachgesetzlichem Gewande, S. 21 ff. und S. 89 ff. 324 Kritisch zu der ähnlichen Argumentation, dass Art. 103 II GG so ausgelegt werden müsse, dass das geltende Strafprozessrecht mit Art. 103 II GG im Einklang stehe: Hettinger/Engländer, in: FS Meyer-Goßner, S. 145, 153 f. 325 Dürig, in: Maunz/Dürig VI, Art. 103 Rn. 131; Eschelbach, in: FS Stöckel, S. 199, 222; Herzog, Die Rechtskraft, S. 98; Neumann, in: FS Jung, S. 655, 657; in diese Richtung auch: Dünnebier, in: FG Peters, S. 333, 346. 326 Brüning, in: Stern/Becker, Art. 103 Rn. 116; Dürig, in: Maunz/Dürig VI, Art. 103 Rn. 132; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Art. 103 Rn. 82; Nolte, in: von Mangoldt/Klein/ Starck, GG III, Art. 103 Rn. 222, bezieht sich zusätzlich auf die Historie zur Rechtfertigung; Schmahl, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, Art. 103 Rn. 87; Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig VI, Art. 103 Rn. 270; Ziemba, Die Wiederaufnahme des Verfahrens, S. 79, mit Verweis auf Dürig. 327 Siehe nur: Dürig, in: Maunz/Dürig, Art. 103 Rn. 132. 328 Dürig, in: Maunz/Dürig, Art. 103 Rn. 124, hier auch zum Folgenden. 329 Dürig, in: Maunz/Dürig, Art. 103 Rn. 132. 330 Vgl. Eschelbach, in: KMR V, § 362 Rn. 54; Frister, in: SK-StPO VII, § 362 Rn. 5; Hanack, in: FS Rieß, S. 709, 720; Niedersächsischer Landtag Drs. 17/5501, S. 6,

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Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass die Einordnung eines Sachverhalts als „unerträglich“ in hohem Maße von der Einstellung des Betrachters abhängt.331 So könnte man beispielsweise behaupten, dass jeder ungerechtfertigte Freispruch vor dem Hintergrund des Prinzips materieller Gerechtigkeit unerträglich sei.332 Die Kritiker reduzieren die Meinung Dürigs aber auf das Kriterium der Unerträglichkeit. Dies kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass bezüglich jedes Wiederaufnahmegrundes eine Einzelfallabwägung zwischen der Rechtssicherheit und der materiellen Gerechtigkeit vorgenommen werden muss. In der Sache verlangt Dürig die Herstellung praktischer Konkordanz333 zwischen den beiden Prinzipien im Rahmen der Prüfung der Verhältnismäßigkeit,334 wobei er sich auf die Darstellung der Angemessenheit beschränkt. Daher soll im Folgenden kurz auf weitere Aspekte der Verhältnismäßigkeit eingegangen werden: Legitimer Zweck der Wiederaufnahme ist die „Beseitigung rechtskräftiger Fehlentscheidungen“ 335. Dies fällt, zumindest für die Wiederaufnahme zuungunsten des Angeklagten, unter den Begriff der materiellen Gerechtigkeit, der die Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs336 – und zwar tat- und schuldangemessen –337 beinhaltet. § 362 StPO müsste aber auch geeignet sein, diesen Zweck zu verwirklichen. abrufbar unter: www.landtag-niedersachsen.de/Drucksachen/Drucksachen_17_7500/ 5501-6000/17-5501.pdf, zuletzt aufgerufen am 18.06.2016; Possienke, Die Regelung des § 373a StPO, S. 40; vgl. auch: Künast, StV 2015 (Heft 11), I (Editorial). 331 Siehe zu dem Begriff der Unerträglichkeit auch: Marxen, in: Protokoll der 130. Sitzung des Rechtsausschusses am 18. März 2009, S. 42. 332 Auch die Ausweitung der Wiederaufnahme zuungunsten des Angeklagten im Nationalsozialismus wurde mit der materiellen Gerechtigkeit begründet, siehe den Bericht der Strafprozeßkommission: Doerner, in: Das kommende deutsche Strafverfahren, S. 430 ff.; Entwurf einer Strafverfahrensordnung, S. 170; Freisler, in: Das kommende deutsche Strafverfahren, S. 30 f.; der Vorschlag der Kommission wurde 1943 Gesetz, siehe: RGBl. I 1943, S. 345; zur Kritik wegen der vergleichbaren Argumentation siehe auch: Frister, in: SK-StPO VII, § 362 Rn. 5; bereits Mayer, GerS 99 (1930), 299, 302, merkt an, dass man mit dem Argument der materiellen Wahrheit auch die Rechtskraft oder Vollstreckbarkeit an sich in Frage stellen könnte; ähnlich: Dippel, GA 119 (1972), 97, 106; vgl. weiterhin: Grünewald, RuP 2009, 1, 3; Stellungnahme Scherzberg, S. 2. Siehe zu der Ausweitung der nachteiligen Wiederaufnahme im Nationalsozialismus auch bereits oben unter D. I. 333 Vgl. zum Begriff nur: Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts Rn. 72. 334 Darauf deutet insbesondere die Formulierung hin, dass die [. . .] „aufbrechende Spannungslage von materieller Gerechtigkeit und Rechtssicherheit [. . .] in einer Synthese versöhnt werden“ müsse, Dürig, in: Maunz/Dürig, Art. 103 Rn. 132. 335 Peters, Strafprozeß, S.668; vgl. auch: Große Strafrechtskommission DRB, Gutachten Wiederaufnahme, S. 6; Schünemann, Strafverfahrensrecht, § 57 Rn. 1. Zu der Frage, wann ein Fehlurteil vorliegt, siehe oben unter B. 336 Weber-Klatt, Die Wiederaufnahme von Verfahren, S. 48. 337 Dürig, in: Maunz/Dürig, Art. 103 Rn. 124.

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Dagegen spricht zunächst, dass die Prämisse zugrunde gelegt wird, man kenne die Fehlerhaftigkeit des ersten Urteils. Dies kann aber nicht einfach vorausgesetzt werden.338 Außerdem ist nicht gewährleistet, dass das folgende Urteil „richtiger“ wird.339 Zwar kann es darauf hindeuten, dass das vorherige Urteil falsch war, wenn Wiederaufnahmegründe nach § 362 StPO vorliegen; die Gewissheit hat man aber nicht.340 Gleiches gilt für die Annahme, dass man in einem Wiederaufnahmeverfahren zu einem Urteil gelangt, das der materiellen Gerechtigkeit eher gerecht wird: Dass mögliche Fehlerquellen des vorherigen Prozesses im Wiederaufnahmeverfahren erkannt und beseitigt werden (§ 362 Nr. 1–3 StPO) oder ein glaubwürdiges Geständnis abgelegt wurde (§ 362 Nr. 4 StPO), deutet auf ein gerechteres Urteil im Wiederaufnahmeverfahren hin, ist aber keineswegs die logische Konsequenz. Ob Beweisschwierigkeiten, die mit zunehmendem Zeitablauf auftreten können,341 als Argument gegen ein gerechteres Urteil im Wiederaufnahmeverfahren benutzt werden können, erscheint fraglich, weil zumindest Peters solche Schwierigkeiten in seiner Untersuchung nicht festgestellt hat.342 Man kann aber zumindest nicht grundsätzlich davon ausgehen, dass das Ergebnis eines Wiederaufnahmeverfahrens zwangsläufig richtiger oder gerechter ist als das ursprüngliche Urteil.343 Im Falle eines ursprünglich richtigen Urteils wird für den Zeitraum des Wiederaufnahmeverfahrens die Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs sogar beeinträchtigt und gegebenenfalls durch das Ergebnis des wiederaufgenommenen Verfahrens gänzlich ausgeschlossen. In diesem Fall kann daher nicht davon gesprochen werden, dass eine rechtskräftige Fehlentscheidung beseitigt wird. 338 Große Strafrechtskommission DRB, Gutachten Wiederaufnahme, S. 8. Das Gericht, das das erste Urteil gefällt hat, wird im Zweifel immer von dessen Korrektheit ausgehen; vgl. auch Grünwald, ZStW-Beiheft 1974, 94, 104, der bemängelt, dass „das (historisch) Wahre und das (rechtlich) Richtige als bekannt postuliert werden“; ders., ZStW 76 (1964), 250, 257; Saliger, Radbruchsche Formel und Rechtsstaat, S. 60; siehe ebenfalls: Hanack, JZ 1973, 393, 394; Radtke, Systematik des Strafklageverbrauchs, S. 43. 339 So auch: Deml, Zur Reform der Wiederaufnahme, S. 56; Eisenberg, Beweisrecht der StPO, Rn. 433; Grünwald, ZStW-Beiheft 1974, 94, 104 f.; Pfeiffer, in: FG Graßhof, S. 271, 272; Radtke, Systematik des Strafklageverbrauchs, S. 43; Dennis, Criminal Law Review 2000, 933, 939, geht sogar davon aus, dass die Gefahr eines Fehlurteils mit einem erneuten Verfahren ansteige; vgl. auch: ders., a. a. O., 933, 944 f.; Saliger, Radbruchsche Formel und Rechtsstaat, S. 57; Velten, GA 162 (2015), 387, 391. 340 Vgl. dazu auch: Große Strafrechtskommission DRB, Gutachten Wiederaufnahme, S. 7; Stuckenberg, Untersuchungen zur Unschuldsvermutung, S. 440 m.w. N. 341 Vgl. dazu: Deml, Zur Reform der Wiederaufnahme, S. 56; Eisenberg, Beweisrecht der StPO, Rn. 433; Hanack, JZ 1973, 393, 394, der aber a. a. O. in Fn. 9 betont, dass dies nicht zwangsläufig so ist; kritisch: Schünemann, ZStW 84 (1972), 870, 886 ff. 342 Peters, Fehlerquellen I, S. 14. 343 Siehe dazu auch: Eisenberg, Beweisrecht der StPO, Rn. 433; Gössel, in: LöweRosenberg VII/2, Vor § 359 Rn. 24.

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Trotz dieser Einwände ist aber zu berücksichtigen, dass das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber eine weite Einschätzungsprärogative einräumt. Nötig ist nur, dass der legitime Zweck „gefördert werden kann“ 344. Es wird also ausdrücklich nur die Möglichkeit der Zweckerreichung verlangt. Dies läuft darauf hinaus, dass die fehlende Geeignetheit lediglich in besonderen und eklatanten Fällen zu der Verfassungswidrigkeit einer Vorschrift führt.345 Keiner der in § 362 StPO genannten Wiederaufnahmegründe ist aber vollkommen ungeeignet, rechtskräftige Fehlentscheidungen zu beseitigen. § 362 StPO ist demnach geeignet, diesen legitimen Zweck zu verfolgen. Weiterhin ist § 362 StPO auch erforderlich: Ein milderes, ebenso geeignetes Mittel ist nicht ersichtlich. Insbesondere stellt das Institut der Verfassungsbeschwerde kein milderes Mittel dar, weil dadurch bei erfolgreicher Einlegung ebenfalls die Rechtskraft durchbrochen wird, soweit sie sich gegen ein rechtskräftiges Urteil richtet. Die Einlegung einer Verfassungsbeschwerde ist auch nicht gleich geeignet, weil im Rahmen der Verfassungsbeschwerde nur spezifische Verletzungen des Grundgesetzes gerügt werden können. Da vorliegend Prinzipien von Verfassungsrang miteinander kollidieren – sowohl die materielle Gerechtigkeit als auch die Rechtssicherheit resultieren aus dem Rechtsstaatsprinzip,346 wobei sich letztere in Form des Art. 103 III GG konkretisiert –347 muss der Konflikt im Rahmen praktischer Konkordanz gelöst werden.348 Das bedeutet, dass die beiden Rechtsgüter – jeweils beschränkt durch das andere – zu möglichst optimaler Wirksamkeit gelangen müssen.349 344

Siehe nur: BVerfGE 33, 171, 187; 39, 210, 230; Hervorhebung des Verfassers. Vgl. nur BVerfGE 30, 250, 263; 47, 109, 117; Kloepfer, Verfassungsrecht I, § 10 Rn. 207. 346 BVerfGE 7, 89, 92; 7, 194, 196; 22, 322, 329; 25, 269, 290; 65, 377, 380; BVerfG NJW 1995, 2024; Gössel, ZStW 94 (1982), 5, 18; Radtke, Systematik des Strafklageverbrauchs, S. 40 f. Wenn das Bundesverfassungsgericht, BVerfGE 3, 225, 237 f., aber ausführt, die Auflösung des Konflikts zwischen Gerechtigkeit und Rechtssicherheit obliege dem Gesetzgeber, der dabei nur das Willkürverbot beachten müsse, kann dem nicht gefolgt werden. In der Konsequenz hieße das, dass es im Belieben des Gesetzgebers stände, § 362 StPO zu erweitern, soweit er dabei nicht willkürlich handelt. Dies würde der geforderten restriktiven Handhabung nicht gerecht; vgl. zur restriktiven Handhabung anstatt aller: Nolte, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG III, Art. 103 Rn. 224; Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig VI, Art. 103 Rn. 270; Schulze-Fielitz, in: Dreier III, Art. 103 III Rn. 32. 347 Vgl. dazu auch: Dürig, in: Maunz/Dürig, Art. 103 Rn. 124. 348 Auch Maier, in: GS Kaufmann, S. 789, 793 spricht von einer „Abwägung beider [. . .] Prinzipien“; dahingehend auch: Niedersächsischer Landtag Drs. 17/5501, S. 6, abrufbar unter: www.landtag-niedersachsen.de/Drucksachen/Drucksachen_17_7500/ 5501-6000/17-5501.pdf, zuletzt aufgerufen am 18.06.2016; Schünemann, Strafverfahrensrecht, § 57 Rn. 1. Differenzierend zu den sich gegenüber stehenden Prinzipien, aber im Ergebnis zustimmend: Saliger, Radbruchsche Formel und Rechtsstaat, S. 56 ff. 349 Siehe nur: Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts Rn. 72; vgl. ebenfalls: BVerfGE 28, 243, 261. 345

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Das Prinzip der Verhältnismäßigkeit und insbesondere die Abwägung im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung sind jedoch einiger Kritik ausgesetzt:350 So führen Röhl/Röhl aus, dass mit den klassischen Auslegungsmethoden nicht nachzuvollziehen sei, wie die Abwägung ablaufe.351 Nach Ossenbühl werden „alle [. . .] Verfassungsmaßstäbe“ 352 durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit „nivelliert und absorbiert“ 353. Er sei „der große Gleich- und Weichmacher der Verfassungsmaßstäbe“ 354. Vesting spricht von einem „Abwägungspragmatismus“ 355. Kritik übten teilweise sogar die Richter des Bundesverfassungsgerichts:356 Die Verfassungsrichter Mahrenholz und Böckenförde stellten in einem abweichenden Votum zu einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, in der das Gericht Wertentscheidungen aus Kompetenzvorschriften des Grundgesetzes abgeleitet hatte,357 treffend fest, dass die Verfassung keine Antwort auf die Frage hat, wie die Abwägung zwischen Verfassungswerten erfolgt.358 Dem ist insofern zuzustimmen, als der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz – und damit auch die Abwägung im Rahmen der Verhältnismäßigkeit – zumindest keinen Anknüpfungspunkt im Wortlaut des Grundgesetzes haben. Im Vorfeld der Abwägung weist zudem auch die Literatur darauf hin, dass man nicht aus jeglichen Normen der Verfassung Verfassungswerte ableiten kann mit dem Ziel, im Rahmen einer Abwägung zu dem gewünschten Ergebnis zu kommen.359 Letztlich existiert aber nicht der eine – einzig richtige – Weg der Interpretation der Verfassung.360 Schulze-Fielitz spricht diesbezüglich von „relativen Wahrheiten“ 361. 350 Examplarisch sei nur auf Jestaedt, Grundrechtsentfaltung im Gesetz, S. 52 f. und 241 ff., Leisner, Der Abwägungsstaat, passim; Schlink, Abwägung im Verfassungsrecht, S. 127 ff., Wahl, Der Staat 20 (1981), 485, 503 f.; und in Bezug auf das Rechtsstaatsprinzip: Görisch, JuS 1997, 988, 991 f., verwiesen; siehe ebenfalls die Nachweise bei: Jestaedt, in: FS Isensee, S. 253, 254 Fn. 5; vgl. aber auch Alexy, PVS 36/2006, 250, 251 ff., der die Kritik zumindest teilweise relativiert. Zur Kritik an der Methode der praktischen Konkordanz siehe nur: Kalenborn, JA 2016, 6, 11. 351 Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, S. 660. 352 Ossenbühl, in: VVDStRL 39 (1981), S. 189. 353 Ossenbühl, in: VVDStRL 39 (1981), S. 189. 354 Ossenbühl, in: VVDStRL 39 (1981), S. 189. 355 Vesting, Der Staat 41 (2002), 73, 75, vgl. auch generell: 73 ff. 356 BVerfGE 69, 1, 57 ff., insbesondere 62 ff. 357 Siehe: BVerfGE 69, 1, 21 ff. 358 BVerfGE 69, 1, 57, 62; siehe auch: Böckenförde, Staat, Verfassung, Demokratie, S. 196 Fn. 111. Allgemein zur Ausgestaltung der Verfassung unten unter E. 359 Vgl. nur: Camilo de Oliveira, Zur Kritik der Abwägung in der Grundrechtsdogmatik, S. 175 ff. 360 Vgl. auch: Alexy, in: VVDStRL 61, S. 8, 13. Zu der These Dworkins, dass es immer nur eine einzige richtige Entscheidung gebe, unten unter E. II.

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Zwar ist die Kritik an der Abwägung größtenteils berechtigt; viele Kritiker kommen aber im Rahmen ihrer Lösung von Konflikten von Verfassungsgütern auch nicht ohne eine Form der Abwägung aus.362 Die Abwägung im Rahmen der Verhältnismäßigkeit bleibt daher nach der hier vertretenen Auffassung im Ergebnis notwendig.363 Mit Systematisierung und dogmatischer Begründung des Abwägungsvorgangs kann man der Kritik der Beliebigkeit des Abwägungsergebnisses begegnen. Sofern man dies beachtet, sind die Verhältnismäßigkeitsprüfung im Allgemeinen und die Herstellung praktischer Konkordanz innerhalb der Verhältnismäßigkeitsprüfung im Speziellen adäquate Instrumente, um verschiedenen Interessenlagen unter Beachtung des geltenden Rechts – und insbesondere der Verfassung – gerecht zu werden.364 Bei Konflikten zwischen Verfassungsgütern soll daher im Folgenden weiterhin von dem Prinzip der praktischen Konkordanz – als einer von vielen möglichen Lösungsansätzen – ausgegangen werden. In Bezug auf die Vereinbarkeit des § 362 StPO mit Art. 103 III GG kommt Dürig, wie die meisten Anhänger der dargestellten Meinung, zu dem Ergebnis, dass § 362 StPO mit Art. 103 III GG im Einklang steht.365 Dies begegnet jedoch Bedenken: Im Rahmen der praktischen Konkordanz soll die materielle Gerechtigkeit mit der Rechtssicherheit in Einklang gebracht werden. Davon ausgehend sind die Wiederaufnahmegründe an sich nicht zu beanstanden.366 So betreffen die Wiederaufnahmegründe in § 362 Nr. 1–3 StPO Fehler im Ausgangsverfahren.367 Ist das ursprüngliche Urteil unter Gesetzesverstößen zustande gekommen, erscheint es sachgerecht, der materiellen Gerechtigkeit den Vorrang gegenüber der Rechtssicherheit einzuräumen. Sofern der Freigesprochene oder Verurteilte einen Beitrag zu der Fehlerhaftigkeit des ursprünglichen Urteils ge361

Schulze-Fielitz, AöR 122 (1997), 1, 28. Siehe anstatt aller beispielsweise: Leisner, Der Abwägungsstaat, passim; Schlink, Abwägung im Verfassungsrecht, S. 127 ff.; anders: Camilo de Oliveira, Zur Kritik der Abwägung in der Grundrechtsdogmatik, S. 281 ff., insbesondere 320 f. Eine Systematisierung der verschiedenen Lösungsansätze findet sich bei: ders., a. a. O., S. 233 ff.; vgl. dazu auch: Alexy, in: VVDStRL 61, S. 8, 13. 363 So auch: Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, S. 660. 364 Vgl. auch bereits: Martens, in: VVDStRL 30 (1972), S. 7, 18 f. 365 Brüning, in: Stern/Becker, Art. 103 Rn. 116; Dürig, in: Maunz/Dürig, Art. 103 Rn. 132; Weber-Klatt, Die Wiederaufnahme von Verfahren, S. 169 f.; Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig VI, Art. 103 Rn. 270; Ziemba, Die Wiederaufnahme des Verfahrens, S. 79; zweifelnd: Neumann, in: FS Jung, S. 655, 660 ff.; kritisch zu § 362 Nr. 4 StPO wegen mangelnder Bestimmtheit: Eschelbach, in: KMR V, § 362 Rn. 56; Greco, Strafprozesstheorie und materielle Rechtskraft, S. 985, hält den Wiederaufnahmegrund des Geständnisses in § 362 Nr. 4 StPO für verfassungswidrig. 366 Siehe dazu und zum Folgenden bereits oben unter D. I. 367 Vgl. dazu auch: Stellungnahme Marxen, S. 4 und 14. 362

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leistet hat, ergibt sich dieses Ergebnis bereits daraus, dass er dadurch den Schutz der Rechtssicherheit verwirkt hat.368 Aber auch wenn der ursprünglich Angeklagte für den Fehler im ersten Prozess nicht verantwortlich ist,369 kann er sich bei den in § 362 Nr. 1–3 StPO angeführten Fällen nicht auf die Rechtssicherheit berufen, weil das Verfahren nicht justizförmig abgelaufen ist.370 Die Rechtssicherheit soll nur nach einem ordnungsgemäß abgelaufenen Verfahren eintreten. § 362 Nr. 4 enthält den Wiederaufnahmegrund des Geständnisses. Die Wiederaufnahme nach § 362 Nr. 4 StPO liegt allein im Verantwortungsbereich des Angeklagten, weil er darüber entscheidet, ob er ein Geständnis ablegt oder nicht.371 Der Angeklagte gibt die durch die Rechtskraft erlangte Rechtssicherheit bewusst preis.372 Daher ist auch dieser Wiederaufnahmegrund inhaltlich nicht zu beanstanden.373 Trotzdem wird § 362 StPO der geforderten praktischen Konkordanz in seiner Allgemeinheit nicht gerecht, weil er keine Eingrenzung auf bestimmte schwere Straftaten enthält.374 Die Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs als Teil der materiellen Gerechtigkeit hat im Rahmen der Bagatellkriminalität keinen hohen Stellenwert, was sich nicht zuletzt daran zeigt, dass in Fällen von Baga368

Grünewald, ZStW 120 (2008), 545, 574 f. Siehe dazu: Frister, in: SK-StPO VII, § 365 Rn. 10; Loos, in: AK-StPO III, § 362 Rn. 9; Stellungnahme BRAK, S. 4; Ziemba, Die Wiederaufnahme des Verfahrens, S. 168 ff.; vgl. ferner: Meyer, ZStW 84 (1972), 909, 927; Nolte, in: von Mangoldt/ Klein/Starck, GG III, Art. 103 Rn. 224. Bereits Schwarze, Archiv des Criminalrechts n. F., 1. Band (1851), 554, 581, beschäftigte sich 1851 mit diesem Problem. 370 Vgl. dazu auch: Frister, in: SK-StPO VII, § 362 Rn. 1 und 10; Kerner/Karnowski, in: FS Kühne, S. 579, 586 f.; anders: Greco, Strafprozesstheorie und materielle Rechtskraft, S. 975 f. und 986 ff. 371 Siehe dazu auch die Erwägungen in den Materialien zur Einführung der Strafprozeßordnung: Die gesamten Materialien zu den Reichs-Justizgesetzen III 1, S. 265; vgl. ebenfalls: Denkschrift Strafrechtsausschuss der Bundesrechtsanwaltskammer, S. 76; Hohmann, in: Radtke/Hohmann, § 362 Rn. 1; Mansdörfer, Das Prinzip des ne bis in idem, S. 50; Roggon, BLJ 2011, 50, 55; Scherzberg/Thiée, ZRP 2008, 80, 82; Stellungnahme BRAK, S. 4, die aber alle Wiederaufnahmegründe in § 362 StPO – unabhängig davon, ob dem Angeklagten die Wiederaufnahmegründe nach § 362 Nr. 1–3 StPO zuzurechnen sind – dem Verantwortungsbereich des Angeklagten zuordnet; vgl. weiterhin: Stellungnahme Scherzberg, S. 5. Ausführlich zu dem Wiederaufnahmegrund des Geständnisses oben unter D. I. 372 Ähnlich: Grünewald, RuP 2009, 1, 3; Mansdörfer, Brutaler Rechtsstaat; vgl. auch: Mayer, GerS 99 (1930), 299, 324. 373 Zur Kritik an § 362 Nr. 4 StPO siehe nochmals: Eschelbach, in: KMR V, § 362 Rn. 84 ff.; Greco, Strafprozesstheorie und materielle Rechtskraft, S. 984 f.; Meyer, Wiederaufnahmereform, S. 79; ders., ZStW 84 (1972), 909, 928; Peters, Fehlerquellen II, S. 9. 374 Zu dieser Kritik ebenfalls: Grünewald, ZStW 120 (2008), 545, 579; Neumann, in: FS Jung, S. 655, 661 f.; ders., ZStW 101 (1989), 52, 57; Weber-Klatt, Die Wiederaufnahme von Verfahren, S. 169; vgl. auch: Große Strafrechtskommission DRB, Gutachten Wiederaufnahme, S. 68 f.; Rieß, NStZ 1994, 153, 159. 369

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tellkriminalität Möglichkeiten zur Einstellung des Verfahrens – insbesondere nach den §§ 153 f. StPO – existieren,375 von denen auch zahlreich Gebrauch gemacht wird.376 Voraussetzung des § 153 StPO ist unter anderem, dass die Schuld des Täters als gering anzusehen wäre. In § 153a StPO darf die Schwere der Schuld nicht entgegenstehen. Die Schuld erscheint in diesen Fällen also so gering, dass das Verfahren – gegebenenfalls unter Auflagen – eingestellt werden kann. Der Staat verzichtet auf seinen Strafanspruch, der in diesen Fällen nicht schuldangemessen wäre. Nichts anderes kann dann für ein Wiederaufnahmeverfahren zuungunsten des Angeklagten gelten, wenn man die materielle Gerechtigkeit als die Durchsetzung des tat- und schuldangemessenen Strafanspruchs versteht.377 Die Einleitung eines Wiederaufnahmeverfahrens wäre nicht schuldangemessen und würde damit nicht der materiellen Gerechtigkeit dienen. Eine Wiederaufnahme des Strafverfahrens bei Straftaten zuzulassen, deren Verfolgung regelmäßig eingestellt wird, erscheint vor diesem Hintergrund kontraproduktiv. Außerdem zeigen die § 153 f. StPO nach Böse, dass eine Bestrafung des Täters im Bereich der Bagatellkriminalität auch im Hinblick auf den Strafzweck der General- oder der Spezialprävention nicht notwendig erscheint.378 Dem ist zumindest für die Spezialprävention zuzustimmen. Insbesondere bei jungen Tätern scheint eine informelle Reaktion auf den Normbruch weiteres delinquentes Verhalten eher zu verhindern als die Verhängung von Strafen.379 Dies muss sich auch im Rahmen der nachteiligen Wiederaufnahme des Strafverfahrens widerspiegeln. Insofern müsste in diesen Fällen der Rechtssicherheit der Vorrang gegenüber der materiellen Gerechtigkeit eingeräumt werden.380 Dies geschieht durch § 362 StPO jedoch nicht. Die weitere Kritik bezieht sich auf § 370 I StPO, der unter anderem vorschreibt, dass der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens ohne mündliche Verhandlung als unbegründet verworfen wird, wenn in den Fällen des § 362 Nr. 1 und 2 StPO nach Lage der Sache die Annahme ausgeschlossen ist, dass die in 375

Vgl. auch: BVerfGE 133, 168, 226 Rn. 103. Im Jahre 2012 wurden in Deutschland 63,3% der Verfahren eingestellt, vgl. Statistisches Bundesamt, Justiz auf einen Blick 2015, S. 12. 377 Vgl. zum staatlichen Strafanspruch: Weber-Klatt, Die Wiederaufnahme von Verfahren, S. 48; zur Tat- und Schuldangemessenheit: Dürig, in: Maunz/Dürig, Art. 103 Rn. 124. 378 Böse, Wirtschaftsaufsicht und Strafverfolgung, S. 19. 379 Beulke, in: Löwe-Rosenberg V, § 153 Rn. 1. Andererseits entsteht dadurch die Gefahr, dass Jugendliche denken, sie könnten Gesetze sanktionslos missachten, siehe dazu: Schaffstein/Beulke/Swoboda, Jugendstrafrecht, Rn. 731. 380 Vgl. dazu ebenfalls: Nolte, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG III, Art. 103 Rn. 224. 376

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diesen Vorschriften bezeichnete Handlung auf die Entscheidung Einfluss gehabt hat. Es fehlt eine Erwähnung des § 362 Nr. 3 StPO. § 370 I StPO besagt zwar lediglich, dass in den genannten Fällen keine mündliche Verhandlung (mehr) stattfindet.381 Trotzdem könnte im Rahmen eines Wiederaufnahmeverfahrens aufgrund von § 362 Nr. 3 StPO geprüft werden, ob der Wiederaufnahmegrund des § 362 Nr. 3 StPO Einfluss auf das ursprüngliche Urteil hatte. Allerdings kann man aus § 370 I StPO ableiten, dass der ursächliche Zusammenhang zwischen Wiederaufnahmegrund und Urteil bei § 362 Nr. 3 StPO gerade nicht geprüft werden muss.382 Meyer vermutet, dass dieser absolute Wiederaufnahmegrund des § 362 Nr. 3 StPO darauf fußt, dass man kein Urteil aufrechterhalten will, das von einem delinquenten Richter gefällt wurde.383 Sofern dies die Begründung für § 362 Nr. 3 StPO sei, könne dieses Problem aber nicht auf den Schultern des Angeklagten gelöst werden. Nach Ziemba soll mit der Ausgestaltung des § 362 Nr. 3 StPO als absoluten Wiederaufnahmegrund einer „Gefährdung der richterlichen Unabhängigkeit“ 384 entgegengetreten werden, die bereits dann drohe, wenn dem Richter die potenzielle Pflicht bewusst sei, im Zweifel über die Beratung und Abstimmung aussagen zu müssen. Peters führt die „Unerträglichkeit eines verfälschten Verfahrens“ 385 als Begründung an. Ähnlich äußert sich Weber-Klatt, die auf den „besonders schwere[n] Verstoß“ 386 abstellt.387 Sie verweist aber auch auf das Beratungs- und Abstimmungsgeheimnis, das dem Nachweis der Kausalität entgegenstehe.388 Außerdem berge „das Institut der freien Beweiswürdigung die Gefahr unzulässiger Parteinahme, ohne einer umfassenden Überprüfung zugänglich zu sein.“ 389 381

Ausführlich zum Ablauf des Wiederaufnahmeverfahrens unten unter G. III. 7. Vgl. auch: Eschelbach, in: KMR V, § 362 Rn. 82; von Hentig, Wiederaufnahmerecht, S. 27 und 228; Loos, in: AK-StPO III, § 370 Rn. 4; Meyer bei Eckert, ZStW 84 (1972), 937, 952; Peters, Fehlerquellen III, S. 51; Weber-Klatt, Die Wiederaufnahme von Verfahren, S. 249; Ziemba, Die Wiederaufnahme des Strafverfahrens, S. 101 f. 383 Meyer bei Eckert, ZStW 84 (1972), 937, 952, hier auch zum Folgenden. 384 Ziemba, Die Wiederaufnahme des Strafverfahrens, S. 102, hier auch zum Folgenden. 385 Peters, Fehlerquellen III, S. 51, hier auch zum Folgenden. 386 Weber-Klatt, Die Wiederaufnahme von Verfahren, S. 249, hier auch zum Folgenden. 387 So auch: Saliger, Radbruchsche Formel und Rechtsstaat, 1995, S. 76; vgl. auch den Entwurf einer Strafverfahrensordnung und einer Friedensrichter- und Schiedsmannsordnung 1939, S. 171. 388 So auch: Saliger, Radbruchsche Formel und Rechtsstaat, 1995, S. 76. 389 Weber-Klatt, Die Wiederaufnahme von Verfahren, S. 249. 382

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Diese Gefahr kann indes nicht rechtfertigen, dass es sich bei § 362 Nr. 3 StPO um einen absoluten Wiederaufnahmegrund handelt: Denn dann müsste die Missbrauchsanfälligkeit des Instituts der freien Beweiswürdigung in jedem Verfahren berücksichtigt werden. Dies ist jedoch nicht der Fall. Außerdem handelt es sich um ein tragendes Element des deutschen Strafprozesses.390 Unabhängig davon, ob die anderen Begründungen tragfähig sind, besteht aber folgendes Problem: Wenn im Rahmen des § 362 Nr. 3 StPO ein Grund zu einer Wiederaufnahme des Verfahrens führt, der keinerlei Einfluss auf das Urteil hatte, kann dafür nicht das Prinzip der materiellen Gerechtigkeit angeführt werden. Ist dies auf der Ebene der strafprozessualen Zulässigkeit noch unerheblich, weil es in diesem Rahmen nur auf die Fehlerhaftigkeit des Ausgangsverfahrens ankommt, besteht auf der Verfassungsebene ein Legitimationsproblem, wenn man die Wiederaufnahme mit dem Begriff der materiellen Gerechtigkeit rechtfertigt. Man könnte nun argumentieren, dass der Einfluss auf die Entscheidung zum Beispiel im Falle einer Rechtsbeugung nach § 339 StGB, einer Verfolgung Unschuldiger nach § 344 StGB oder einer Aussageerpressung nach § 343 StGB auf der Hand liege. Insofern bedürfe es keiner ausdrücklichen Festlegung, dass das Urteil auf der Verletzung eines Strafgesetzes beruhen muss. Die genannten Delikte werden allerdings allesamt nicht häufig verwirklicht.391 Bei einer Freiheitsberaubung nach § 239 StGB oder einer verbotenen Mitteilung über Gerichtsverhandlungen nach § 353d StGB ist der Einfluss auf die Entscheidung indes nicht so eindeutig.392 Daher bedarf es in § 370 I StPO auch eines Verweises auf § 362 Nr. 3 StPO. Eine Wiederaufnahme vor dem Hintergrund des § 362 Nr. 3 StPO dient nicht der materiellen Gerechtigkeit, wenn das ursprüngliche Urteil nicht auf der strafbaren Handlung beruht. Da die aktuelle Gesetzesfassung aber in diesem Fall eine Wiederaufnahme zulässt, gelingt der Ausgleich zwischen materieller Gerechtigkeit und Rechtssicherheit insofern nicht. Man könnte allerdings die Meinung vertreten, dass § 362 Nr. 3 StPO ausschließlich der prozessualen Gerechtigkeit diene.393 Unabhängig davon, ob diese Unterscheidung zwischen materieller und prozessualer Gerechtigkeit überhaupt anzuerkennen ist,394 tut sich die Literatur schwer, den Begriff der prozessualen 390 Siehe allgemein zur freien Beweiswürdigung nur: Schünemann, Strafverfahrensrecht, § 45 Rn. 42 ff. 391 Für die Rechtsbeugung lagen im Jahr 2015 154, für die Verfolgung Unschuldiger 87 und für die Aussageerpressung 4 (!) registrierte Fälle vor, siehe: PKS 2015, S. 98. Auch das Dunkelfeld dürfte bezüglich dieser Delikte nicht groß sein. 392 Zur Verfassungsmäßigkeit des § 353d Nr. 3 StGB bei Veröffentlichung mit dem Willen des Betroffenen siehe: BVerfG NJW 2014, 2777 ff. 393 Vgl. zu der Frage, ob die Wiederaufnahme zu Lasten des Angeklagten der prozessualen Gerechtigkeit dient: Neumann, in: FS Jung, S. 655, 661 f. 394 Siehe dazu nur: Denninger/Lüderssen, in: Polizei und Strafprozeß im demokratischen Rechtsstaat, S. 7, 28 f.

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Gerechtigkeit zu definieren.395 Unter dem Begriff der Verfahrensgerechtigkeit hat Hof die entscheidenden Aspekte des Begriffs zusammengefasst:396 Achtung der Prozeßbeteiligten, Rücksichtnahme, Unparteilichkeit des Gerichts, konstant bleibende Kriterien, rechtliches Gehör, Fairness und die Gewährleistung der Möglichkeit von Fehlerkorrekturen. Nach § 362 Nr. 3 StPO ist die Wiederaufnahme des Verfahrens zulässig, wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, der sich in Beziehung auf die Sache einer strafbaren Verletzung seiner Amtspflichten schuldig gemacht hat. War dies der Fall, wurde zumindest das Gebot der Fairness verletzt. Im Einzelfall können auch noch andere Aspekte der prozessualen Gerechtigkeit verletzt sein. Man könnte daher annehmen, dass § 362 Nr. 3 StPO zwar nicht der materiellen Gerechtigkeit, aber der sogenannten prozessualen Gerechtigkeit beziehungsweise der Verfahrensgerechtigkeit dient. Spätestens die Angemessenheit der Regelung stieße bei einem solchen Verständnis jedoch auf Bedenken. Unabhängig davon, ob das Rechtsstaatsprinzip auch die prozessuale Gerechtigkeit beinhaltet397 und damit wiederum praktische Konkordanz – dieses Mal zwischen Rechtssicherheit und prozessualer Gerechtigkeit – herzustellen wäre, kann der prozessualen Gerechtigkeit in Form des § 362 Nr. 3 StPO nicht der Vorrang eingeräumt werden; denn die Einhaltung der prozessualen Gerechtigkeit dient primär dem Angeklagten. Eine Wiederaufnahme zu seinem Nachteil vor dem Hintergrund prozessualer Gerechtigkeit kann daher nicht überzeugen. Die anderen Verfahrensbeteiligten haben kein so hohes Interesse an der Einhaltung der prozessualen Gerechtigkeit, als dass es gegenüber dem Bedürfnis des Angeklagten an Rechtssicherheit überwiegen könnte. § 362 Nr. 3 StPO i.V. m. § 370 I StPO ist daher sowohl dann, wenn man ihn als Ausprägung der materiellen Gerechtigkeit versteht, als auch dann, wenn man ihn der prozessualen Gerechtigkeit zuordnet, verfassungswidrig. Im ersten Fall fehlt die Voraussetzung des Einflusses auf das Urteil, und im zweiten Fall überwiegt das Recht des Angeklagten auf Rechtssicherheit gegenüber der prozessualen Gerechtigkeit. Zwar geht Eschelbach davon aus, dass das fehlende Kausalitätserfordernis „nicht ins Gewicht [falle], weil der Wiederaufnahmegrund [des § 362 Nr. 3 StPO] insgesamt ohne praktische Bedeutung“ 398 sei. Dies kann aber nicht über395 Vgl. Geerds, SchlHA 1964, 57, 58 ff.; Henckel, Vom Gerechtigkeitswert verfahrensrechtlicher Normen; Neumann, ZStW 101 (1989), 52, 59. 396 Hof, in: Verfahrensgerechtigkeit, S. 53, 69. 397 Dafür spricht, dass man Art. 103 III GG und die damit verbundene Rechtssicherheit auch als Teil der prozessualen Gerechtigkeit betrachten kann, vgl. Geerds, SchlHA 1964, 57, 65. 398 Eschelbach, in: KMR V, § 362 Rn. 82; in diese Richtung ebenfalls: Grüner/Wasserburg, NStZ 1999, 286, 289, die sich aber nicht ausdrücklich mit der Verfassungsmäßigkeit des § 362 Nr. 3 StPO auseinandersetzen.

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zeugen, da es für die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes nicht darauf ankommen kann, wie oft dieses Gesetz zur Anwendung kommt.399 § 362 StPO wird der erforderlichen praktischen Konkordanz zwischen Rechtssicherheit und materieller Gerechtigkeit daher im Ergebnis nicht gerecht, weil keine Anknüpfung an die Schwere der Taten erfolgt und die Wiederaufnahme nach § 362 Nr. 3 StPO nicht davon abhängig gemacht wird, dass der Wiederaufnahmegrund Einfluss auf das Urteil hatte beziehungsweise die Regelung unverhältnismäßig ist. Endlich erscheint auch eine verfassungskonforme Auslegung der §§ 362 und 370 I StPO nicht möglich:400 Gegen den Wortlaut eines Gesetzes und den eindeutigen Willen des Gesetzgebers ist eine verfassungskonforme Auslegung unzulässig.401 In § 362 StPO erfolgt ausdrücklich keine Anknüpfung an die Schwere der Straftat. Der Gesetzgeber wollte damit bei jeglichen Delikten die Wiederaufnahme zuungunsten des Angeklagten zulassen. Eine Auslegung, die die Anwendung des § 362 StPO auf bestimmte Delikte beschränkt, wäre daher unzulässig. Gleiches gilt für § 370 I StPO, weil ausdrücklich nur auf § 362 Nr. 1 und Nr. 2 StPO Bezug genommen wurde. Eine verfassungskonforme Auslegung der Regelungen ist ausgeschlossen. § 362 StPO (i.V. m. § 370 I StPO) ist verfassungswidrig.402

III. Fragen zu § 362 StPO vor dem Hintergrund des Europa- und Völkerrechts Aufgrund der europa- und völkerrechtlichen Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland muss § 362 StPO nicht nur mit dem Grundgesetz, sondern auch mit Normen des Europa- und Völkerrechts vereinbar sein. Deshalb sollen nun einige Fragen im Hinblick auf § 362 StPO und das Europa- und Völkerrecht erörtert werden. Schwerpunkt der Ausführungen ist die Vereinbarkeit des § 362 StPO mit dem Europa- und Völkerrecht. Zwar kennt das Völkerrecht keine allgemeine Ne-bis-in-idem-Regelung;403 allerdings enthalten sowohl die Charta der Grundrechte der Europäischen Union 399 Kritisch bezüglich des Arguments der fehlenden Praxisrelevanz, allerdings in einem anderen Kontext, auch: Hettinger/Engländer, in: FS Meyer-Goßner, S. 145, 153. 400 A. A.: Weber-Klatt, Die Wiederaufnahme von Verfahren, S. 169. 401 Vgl. BVerfGE 8, 28, 34; 8, 38, 41, 18, 97, 111, 71, 81, 105; 134, 33, 63 Rn. 77; BVerfGE 138, 64, 93 f. Rn. 86. 402 So wohl ebenfalls: Dünnebier, in: FG Peters, S. 333, 346 f.; Maier, in: GS Kaufmann, S. 789, 794; dass Maier § 362 StPO für verfassungswidrig hält, macht er spätestens in der Festschrift für Hirsch deutlich, vgl. Maier, in: FS Hirsch, S. 941; in dieser Richtung ebenfalls: Neumann, in: FS Jung, 655, 667; Stellungnahme Scherzberg, S. 3. 403 Vgl. BVerfGE 75, 1, 18 und 24; BVerfGK 13, 7, 13 ff. m.w. N.; BGHSt 34, 334, 340; Mansdörfer, Das Prinzip des ne bis in idem, S. 22; Nolte, in: von Mangoldt/Klein/

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als auch ein Zusatzprotokoll der Europäischen Menschenrechtskonvention Bestimmungen, gegen die § 362 StPO verstoßen könnte.404 Außerdem besteht ein potenzieller Konflikt mit Art. 14 VII des internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte405 und mit Art. 54 des Schengener Durchführungsübereinkommens406. Zunächst soll auf die Vereinbarkeit des § 362 StPO mit Art. 14 VII IPbpR, Art. 4 EMRK-Pr. 7 und Art. 50 GRC in seiner innerstaatlichen Wirkung eingegangen werden. Es folgen Erörterungen zu Art. 50 GRC in seiner transnationalen Wirkung, zu dem Schutzbereich der transnationalen Ne-bis-in-idem-Regelung des Art. 50 GRC und Art. 54 SDÜ sowie zu einer möglichen transnationalen Geltung des Art. 103 III GG. Der Abschnitt schließt mit Überlegungen zur Vereinbarkeit des § 362 StPO mit diesen transnationalen Ne-bis-in-idem-Regelungen. 1. Vereinbarkeit des § 362 StPO mit Art. 14 VII IPbpR, Art. 4 EMRK-Pr. 7 und Art. 50 GRC in seiner innerstaatlichen Wirkung Nach Art. 14 VII IPbpR darf niemand wegen einer strafbaren Handlung, wegen der er bereits nach dem Gesetz und dem Strafverfahrensrecht des jeweiligen Landes rechtskräftig verurteilt oder freigesprochen worden ist, erneut verfolgt oder bestraft werden.407 Der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte ist als völkerrechtlicher Vertrag408 Bestandteil des Völkerrechts.409 Er gilt in Deutschland seit

Starck, GG III, Art. 103 Rn. 196; Satzger, in: FS Roxin, S. 1515, 1517; Vogel, in: FS Schroeder, S. 877, 879; vgl. auch: OLG München StV 2013, 313, 314. 404 Siehe Art. 50 GRC und Art. 4 EMRK-Pr. 7. Das EMRK-Pr. 7 ist abrufbar unter: http://conventions.coe.int/Treaty/ger/Treaties/Html/117.htm, zuletzt aufgerufen am 18.06.2016. Auch der gescheiterte Vertrag über eine Verfassung für Europa enthielt in Art. II-110 den Ne-bis-in-idem-Grundsatz, siehe: ABl. C 310 vom 16.12.2004, S. 52. 405 Der ganze Vertrag ist mit den Fakultativprotokollen abrufbar unter: www.aus waertiges-amt.de/cae/servlet/contentblob/360794/publicationFile/3613/IntZivilpakt.pdf, zuletzt aufgerufen am 18.06.2016. 406 Das gesamte Übereinkommen ist abrufbar unter: www.bka.de/nn_204268/Shared Docs/Downloads/DE/DasBKA/Aufgaben/InternationaleFunktion/Schengen/schengen SDUE,templateId=raw,property=publicationFile.pdf/schengenSDUE.pdf, zuletzt aufgerufen am 18.06.2016. 407 Zur Entstehungsgeschichte des Art. 14 VII IPbpR siehe: Nowak, CCPR Commentary, Art. 14 CCPR Rn. 97 f. 408 Vgl. nur: Gollwitzer, MRK und IPBPR, Einf. IPBPR Rn. 37. 409 Zwar ist auch die europäische Menschenrechtskonvention ein völkerrechtlicher Vertrag, siehe nur: Meyer-Ladewig, EMRK, Einl. 1; sie wird aber auch als Teil des Europarechts angesehen, zumal die EU der EMRK nach Art. 6 II 1 EUV beitreten kann und auch muss. Der EuGH hat in seinem aktuellen Gutachten zum Beitritt der EU zur EMRK – entgegen der Stellungnahme der Generalanwältin (Stellungnahme GA Kokott, Gutachtenverfahren 2/13, abrufbar unter: www.curia.europa.eu/juris/document/docu

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dessen Transformierung in das innerstaatliche Recht410 in Form eines einfachen Bundesgesetzes.411 Die möglichen Reaktionen auf einen Verstoß gegen den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte sind in den Art. 41 f. IPbpR festgelegt.412 Art. 14 VII IPbpR gilt – wie Art. 4 EMRK-Pr. 7 – nur für innerstaatliche Sachverhalte.413 Nach Esser verstößt die Wiederaufnahme des Strafverfahrens nicht gegen Art. 14 VII IPbpR.414 Der Menschenrechtsausschuss merkt zu Art. 14 VII IPbpR zunächst an, dass die meisten Staaten nicht davon ausgehen, dass Art. 14 VII IPbpR einer Wiederaufnahme in bestimmten Ausnahmefällen entgegenstehe.415 Dieses Verständnis der meisten Staaten zu Art. 14 VII IPbpR könne dazu führen, dass andere Staaten ihre Vorbehalte gegen diese Regelung überdenken. Mit dieser Aussage billigt der

ment.jsf?text=&docid=160929&pageIndex=0&doclang=de&mode=Ist&dir=&occ=first &part=1&cid=238784, zuletzt aufgerufen am 18.06.2016) – am 18.12.2014 jedoch die Ansicht vertreten, dass ein Beitritt aufgrund des Entwurfs des Vertrags über den Beitritt (siehe dazu: EuGH, Gutachten 2/13, Rn. 46 ff.; in englischer Sprache abrufbar unter: www.coe.int/t/dghl/standardsetting/hrpolicy/accession/Meeting_reports/47_1(2013)008 rev2_EN.pdf, zuletzt aufgerufen am 18.06.2016) nicht mit Unionsrecht vereinbar sei, siehe: EuGH, a. a. O., Rn. 153 ff. Siehe zu dem Gutachten anstatt aller: Lock, Oops! We did it again – das Gutachten des EuGH zum EMRK-Beitritt der EU, VerfBlog, 2014/12/ 18; Halberstam, GLJ 16 (2015), 105 ff.; Krenn, GLJ 16 (2015), 147 ff.; Swoboda, ZIS 2015, 361, 371 ff.; Tomuschat, EuGRZ 2015, 133 ff.; Walther, Thou shalt have no other courts before me, VerfBlog, 2014/12/23; Wendel, Mehr Offenheit wagen! Eine kritische Annäherung an das Gutachten des EuGH zum EMRK-Beitritt, VerfBlog, 2014/12/21. Ein Beitritt der EU zur EMRK ist mit dem Gutachten wieder in weite Ferne gerückt (so auch: Wendel, a. a. O.). Zu der Reaktion des EGMR auf das Gutachten siehe: Lock, Schlägt das Imperium zurück?, Die Straßburger Reaktion auf das EuGH-Gutachten zum EMRK-Beitritt, VerfBlog 2015/1/30. 410 Siehe: BGBl. 1973 II S. 1533 ff. und zum Inkrafttreten: BGBl. 1976 II S. 1068 ff. und BGBl. 1979 II S. 1224 ff. 411 Siehe nur: Greeve/Tsambikakis, in: Internal Investigations, Kapitel 17 Rn. 13 Fn. 18 („ganz herrschende Meinung“). 412 Ausführlich zu Mechanismen zur Durchsetzung von Völkerrecht und insbesondere zur Durchsetzung des IPbpR: Pappa, Das Individualbeschwerdeverfahren, S. 4 ff. und 319 ff. 413 Vgl. Jung, in: FS Schüler-Springorum, S. 493, 496; Ligeti, Strafrecht und strafrechtliche Zusammenarbeit, S. 98; Radtke/Busch, EuGRZ 2000, 421; Schomburg, StV 1997, 383, 385; Swoboda, HRRS 2009, 188, 189; Trechsel, in: FS Ermacora, S. 195, 207. Zu Art. 14 VII IPbpR siehe auch: BT-Drs. 7/660, S. 35. Zu Art. 4 EMRK-Pr. 7 siehe auch: Europarat, HRLJ 6 (1985), 82, 86. 414 Esser, in: Löwe-Rosenberg XI, EMRK Art. 6/Art. 14 IPBPR Rn. 1022 und 1051, allerdings ohne Begründung. 415 GenC 13/21, Nr. 19, abrufbar unter: http://sim.law.uu.nl/SIM/CaseLaw/Gen_ Com.nsf/6a53968e2906c409c12568870055fbbe/7ed542c53f198d83c125688700532c31? OpenDocument, zuletzt aufgerufen am 25.07.2014, hier auch zum Folgenden.

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Menschenrechtsausschuss zumindest die Auslegung des Art. 14 VIII IPbpR, wonach dieser einer Wiederaufnahme nicht entgegenstehe. Der Bundestag geht in seiner Denkschrift zum Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte davon aus, dass die Wiederaufnahme zuungunsten des Angeklagten mit Art. 14 VII IPbpR vereinbar sei.416 Als Begründung führt er an, dass Art. 14 VII IPbpR ausweislich der Entstehungsgeschichte unter Vorbehalt des innerstaatlichen Rechtes gelten sollte. Außerdem zitiert der Bundestag die englische Fassung des Artikels, aus der der Vorbehalt zum Ausdruck komme: „[. . .] in accordance with the law and penal procedure of each country“.417 Weiterhin sei ausdrücklich festgehalten worden, „daß eine Wiederaufnahme zuungunsten des irrtümlich freigesprochenen Angeklagten möglich bleiben müsse.“ 418 Nach Art. 53 I IPbpR ist unter anderem der englische Wortlaut des Paktes verbindlich,419 während Deutsch keine authentische Vertragssprache ist. Allerdings ist nicht sicher, was genau mit der Passage „[. . .] in accordance with the law and penal procedure of each country“ gemeint ist. Spinellis geht davon aus, dass der Staat, der an die Ne-bis-in-idem-Regelung des Art. 14 VII IPbpR gebunden sei, das Prozessrecht und die prozessuale Handhabung in dem anderen Staat beachten müsse.420 Unabhängig davon, dass das Gemeinte äußerst unklar bleibt, verkennt dieser Ansatz den Umstand, dass Art. 14 VII IPbpR keine transnationale Wirkung entfaltet.421 Daher kann es im Rahmen des Art. 14 VII IPbpR nicht um die unterschiedliche Handhabung des Strafverfahrens in mehreren Staaten gehen. Es überzeugt auch nicht, dass sich der Satzteil lediglich auf die Adjektive „verurteilt“ und „freigesprochen“ bezieht: Dies würde in der Konsequenz bedeuten, dass nur justizförmig zustande gekommene Urteile den Schutz des Art. 14 VII IPbpR auslösen würden. Der Schutz des Ne-bis-in-idem-Grundsatzes ist aber – abgesehen von den jeweiligen Wiederaufnahmegründen – nicht davon abhän-

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BT-Drs. 7/660, S. 35; vgl. hier auch zum Folgenden. Die englische Fassung ist abrufbar unter: http://www.ohchr.org/EN/Professional Interest/Pages/CCPR.aspx, zuletzt aufgerufen am 18.06.2016. 418 BT-Drs. 7/660, S. 35. 419 Siehe dazu auch: Esser, in: Löwe-Rosenberg XI, EMRK Einf./Einf. IPBPR Rn. 184 ff. 420 Vgl. Spinellis, Revue internationale de droit pénal 73 (2002), 1149, 1153; in diese Richtung auch: Nowak, CCPR Commentary, Art. 14 CCPR Rn. 99. 421 Vgl. zur allein innerstaatlichen Wirkung des Art. 14 VII IPbpR nochmals: BTDrs. 7/660, S. 35; Jung, in: FS Schüler-Springorum, S. 493, 496; Ligeti, Strafrecht und strafrechtliche Zusammenarbeit, S. 98; Radtke/Busch, EuGRZ 2000, 421; Schomburg, StV 1997, 383, 385; Swoboda, HRRS 2009, 188, 189; Trechsel, in: FS Ermacora, S. 195, 207. 417

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gig, ob das erste Verfahren justizförmig abgelaufen ist. Gleiches muss für Art. 14 VII IPbpR gelten.422 Sinnvoll erscheint es vielmehr, den Satzteil darauf zu beziehen, dass der Eintritt der Rechtskraft und deren Durchbrechungen sich nach nationalem Recht richten.423 Daher ist 14 VII IPbpR – im Einklang mit dem englischen Text des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte – dahingehend auszulegen, dass er der Wiederaufnahme des Strafverfahrens nicht entgegensteht. Dieses Ergebnis kann außerdem darauf gestützt werden, dass die entsprechende Einschränkung des Art. 14 VII IPbpR auf einen Vorschlag des Vertreters Equadors zurückging, der eine zu weite Interpretation des Schutzes durch Art. 14 VII IPbpR fürchtete.424 Folglich ist § 362 StPO mit Art. 14 VII IPbpR vereinbar.425 In Betracht kommt aber ein Verstoß gegen Art. 4 I EMRK-Pr. 7. Nach Art. 4 I EMRK-Pr. 7 darf niemand wegen einer Straftat, wegen der er bereits nach dem Gesetz und dem Strafverfahrensrecht eines Staates rechtskräftig verurteilt oder freigesprochen worden ist, in einem Strafverfahren desselben Staates erneut verfolgt oder bestraft werden. Die Europäische Menschenrechtskonvention – und damit auch deren Zusatzprotokolle – werden dem Europarecht im weiteren Sinne zugeordnet.426 Dies ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass die europäische Menschenrechtskonvention einen völkerrechtlichen Vertrag darstellt.427 Damit gelten für sie die allgemeinen Regeln für völkerrechtliche Verträge.428 Stellt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte eine Konventionsverletzung durch eine Norm fest, so kann er die Norm zwar nicht eigenständig aufheben,429 allerdings muss der Staat das Urteil des EGMR nach Art. 46 I EMRK befolgen. Dies läuft auf die Verpflichtung hinaus, die Verletzung der Konvention – im Zweifel durch Gesetzesänderung –430 sofort zu beseitigen.431 422

Vgl. zum Ganzen: Trechsel, Human Rights in Criminal Proceedings, S. 390. Ähnlich: Trechsel, Human Rights in Criminal Proceedings, S. 390, siehe aber auch S. 400. 424 Siehe: van Bockel, The Ne Bis In Idem Principle in EU Law, S. 14; Trechsel, Human Rights in Criminal Proceedings, S. 390. 425 A. A. wohl: Stellungnahme Scherzberg, S. 5. 426 Vgl. nur allgemein zur EMRK: Herdegen, Europarecht, § 1 Rn. 6. Siehe dazu auch bereits oben. 427 Meyer-Ladewig, EMRK, Einl. 1. 428 Vgl. dazu: Meyer-Ladewig, EMRK, Einl. 35. 429 Siehe nur: EGMR, Marckx, Urteil vom 13.06.1979, Nr. 6833/74, EGMR-E 1, 396, Rn. 58; Polakiewicz, Die Verpflichtungen der Staaten aus den Urteilen des EGMR, S. 223. 423

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Ein Verstoß des § 362 StPO gegen Art. 4 I EMRK-Pr. 7 erscheint jedoch aus zwei Gründen fraglich. Zunächst ist festzustellen, dass die Bundesrepublik Deutschland das Protokoll Nr. 7 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten bis heute nicht ratifiziert hat.432 Zum anderen sieht Art. 4 II EMRK-Pr. 7 ausdrücklich eine Ausnahme für die Wiederaufnahme des Strafverfahrens vor.433 Nach Art. 4 II EMRK-Pr. 7 schließt Art. 4 I EMRK-Pr. 7 die Wiederaufnahme des Verfahrens nach dem Gesetz und dem Strafverfahrensrecht des betreffenden Staates nicht aus, falls neue oder neu bekannt gewordene Tatsachen vorliegen oder das vorausgegangene Verfahren schwere, den Ausgang des Verfahrens berührende Mängel aufweist.434 Trotz der bisher fehlenden Ratifizierung durch die Bundesrepublik Deutschland stellt sich die Frage, ob § 362 StPO eine Vorschrift im Sinne des Art. 4 II EMRK-Pr. 7 darstellen würde, denn die Bundesrepublik Deutschland könnte das Protokoll in Zukunft ratifizieren.435 Die in § 362 Nr. 1–3 StPO aufgeführten Wiederaufnahmegründe können unter den Begriff der schweren Mängel des vorausgegangenen Verfahrens subsumiert werden. Der Wiederaufnahmegrund des Geständnisses nach § 362 Nr. 4 StPO stellt zwar keinen Mangel des Ausgangsverfahrens dar, allerdings kann der Inhalt des Geständnisses als neu bekannt gewordene Tatsache angesehen werden, auch wenn dies nach der hier vertretenen Auffassung nicht der ausschlaggebende Punkt bezüglich der Legitimation als Wiederaufnahmegrund darstellt.436 Somit erfasst die Ausnahme in Art. 4 II EMRK-Pr. 7 alle in § 362 StPO aufgeführten Wiederaufnahmegründe. Allerdings müssen die schweren Mängel des vorausge-

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Vgl. Frowein, in: EMRK-Kommentar, Art. 46 Rn. 7. Frowein, in: EMRK-Kommentar, Art. 46 Rn. 6; vgl. auch: Payandeh, DÖV 2011, 382, 384. 432 Siehe die Übersicht des Vertragsbüros des Europarats, abrufbar unter: http://con ventions.coe.int/Treaty/Commun/ChercheSig.asp?NT=117&CM=8&DF=&CL=GER, zuletzt aufgerufen am 18.06.2016. Nach Esser, in: „Ne bis in idem“ in Europa, S. 27, 28 Fn. 28, wurde das Protokoll wegen der „restriktiven Regelungen in Bezug auf die Ausweisung ausländischer Personen in Art. 1 7. ZP EMRK“ bisher nicht ratifiziert, so auch: Garcia, Gustl Mollath bekommt Hilfe vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. 433 Zu Art. 4 II EMrK-Pr. 7 siehe auch: van Bockel, The Ne Bis In Idem Principle in EU Law, S. 201 f. 434 Kritisch dazu: Liebau, „Ne bis in idem“, S. 96. 435 Nach Esser, in: „Ne bis in idem“ in Europa, S. 27, 28 Fn. 28, ist in naher Zukunft aber nicht mit einer Ratifikation zu rechnen. Nach der BT-Drs. 17/12996, S. 3, vom 02.04.2013 prüft die Bundesregierung hingegen weiterhin die Möglichkeit einer Ratifikation, wartet aber noch den Abschluss der Verhandlungen der EU im Bereich der Ausweisung von Ausländern ab. 436 Siehe oben unter D. I. 431

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gangenen Verfahrens den Ausgang des Verfahrens berühren. Dies ist aber in Deutschland nach § 370 I StPO i.V. m. § 362 Nr. 3 StPO nicht zwangsläufig der Fall:437 § 370 I StPO regelt unter anderem, dass der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens ohne mündliche Verhandlung als unbegründet verworfen wird, wenn in den Fällen des § 362 Nr. 1 und 2 StPO nach Lage der Sache die Annahme ausgeschlossen ist, dass die in diesen Vorschriften bezeichnete Handlung auf die Entscheidung Einfluss gehabt hat. Es fehlt eine Erwähnung des § 362 Nr. 3 StPO. Daraus lässt sich ableiten, dass § 362 Nr. 3 StPO einen absoluten Wiederaufnahmegrund darstellen soll.438 Nach § 362 Nr. 3 StPO i.V. m. § 370 I StPO kann daher ein Grund zu einer Wiederaufnahme des Verfahrens führen, der keinerlei Einfluss auf das Urteil hatte. Dies ist nicht mit Art. 4 II EMRK-Pr. 7 zu vereinbaren. Zu untersuchen ist jedoch, ob eine konventionskonforme Auslegung439 in Betracht käme. Oben wurde bereits erörtert, dass eine verfassungskonforme Auslegung entgegen dem Wortlaut eines Gesetzes und dem eindeutigen Willen des Gesetzgebers unzulässig ist:440 Da § 370 I StPO ausdrücklich nur auf § 362 Nr. 1 und Nr. 2 StPO Bezug nimmt, verbietet sich eine verfassungskonforme Auslegung des § 362 StPO i.V. m. § 370 StPO. Die gleichen Grundsätze gelten für die konventionskonforme Auslegung: „Eine Auslegung gegen den klar im Wortlaut einer Norm erkennbaren Willen des Gesetzgebers“ 441 ist unzulässig.442 Sofern die Bundesrepublik Deutschland das Protokoll Nr. 7 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten ratifiziert, wäre § 362 StPO i.V. m. § 370 StPO daher als konventionswidrig anzusehen.443 § 362 StPO könnte zudem gegen Art. 50 GRC in seiner innerstaatlichen Wirkung verstoßen.444 Nach Art. 50 GRC darf niemand wegen einer Straftat, derent437 Siehe zum Folgenden in Bezug auf die Vereinbarkeit mit Art. 103 III GG bereits oben unter D. II. 2. 438 Vgl. auch: Eschelbach, in: KMR V, § 362 Rn. 82; von Hentig, Wiederaufnahmerecht, S. 27 und 228; Loos, in: AK-StPO III, § 370 Rn. 4; Meyer bei Eckert, ZStW 84 (1972), 937, 952; Peters, Fehlerquellen III, S. 51; Weber-Klatt, Die Wiederaufnahme von Verfahren, S. 249; Ziemba, Die Wiederaufnahme des Strafverfahrens, S. 101 f. 439 Vgl. zur konventionskonformen Auslegung der Strafprozessordnung nur: Wohlers, NStZ 2004, 9, 12. 440 Siehe oben unter D. II. 2. 441 Payandeh, DÖV 2011, 382, 387. 442 Payandeh, DÖV 2011, 382, 387. 443 Anders: Kadelbach, in: EMRK/GG2, Kap. 29 Rn. 37; Satzger, in: SSW-StPO, Art. 4 des 7. ZP Rn. 15. 444 Zur Anwendbarkeit auf innerstaatliche und transnationale Sachverhalte siehe nur: Esser, in: Löwe-Rosenberg XI, EMRK Art. 6/Art. 14 IPBPR Rn. 1087; ausführlich zur Anwendbarkeit auf innerstaatliche Sachverhalte: Stalberg, Zum Anwendungsbereich des Art. 50 GRC, S. 49 ff.; vgl. ebenfalls: Heger, in: FS Kühne, S. 565, 577 f.

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wegen er bereits in der Union nach dem Gesetz rechtskräftig verurteilt oder freigesprochen worden ist, in einem Strafverfahren erneut verfolgt oder bestraft werden.445 Aus Art. 6 I EUV, der die Gleichrangigkeit der Charta der Grundrechte und der Verträge anordnet, ergibt sich, dass die Charta der Grundrechte primäres Unionsrecht darstellt.446 Nach Jarass447 und anderen448 kann im Rahmen von innerstaatlichen Fällen auf Art. 4 II EMRK-Pr. 7 zurückgegriffen werden, um die Wiederaufnahme des Strafverfahrens zu legitimieren. Bevor man diese These untersucht, ist aber zunächst zu klären, ob und wann die Bundesrepublik Deutschland überhaupt an die Charta der Grundrechte gebunden ist. Dies ergibt sich aus Art. 51 I 1 GRC, wonach die Charta für die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union unter Wahrung des Subsidiaritätsprinzips und für die Mitgliedstaaten ausschließlich bei der Durchführung des Rechts der Union gilt. Wann eine Durchführung von Unionsrecht vorliegt, ist jedoch äußerst umstritten.449 Unstreitig liegt keine Durchführung von Unionsrecht vor, wenn die betreffende Norm „rein nationales Strafrecht“ 450 darstellt.451 Man ist sich auch einig darüber, dass man die Durchführung von Unionsrecht nicht darin sehen kann, dass Art. 50 GRC angewendet wird.452 Ein solcher Schluss wäre zirkulär.453

445 Soweit ersichtlich, hat sich der EuGH bereits im Jahr 1966 erstmalig mit dem Nebis-in-idem-Grundsatz auseinandergesetzt, siehe: EuGH, Urteil vom 05.05.1966, Rs. C18 und 35/65 – Gutman/Kommission der Europäischen Atomgemeinschaft, Slg. 1966, 154, 178 f. 446 Folz, in: Europäisches Unionsrecht, Art. 6 EUV Rn. 3; Jarass, GRCh, Einleitung Rn. 9, jeweils m.w. N. 447 Jarass, GRCh, Art. 50 Rn. 10; ders., NStZ 2012, 611, 616. 448 Blanke, in: Calliess/Ruffert, Art. 50 GRCh Rn. 4; Esser, in: Löwe-Rosenberg XI, EMRK Art. 6/Art. 14 IPBPR Rn. 1101, mit Verweis auf Jarass; Nehl, in: HEGR, § 58 Rn. 33; vgl. ebenfalls: Magiera, in: HGR VI/1, § 161 Rn. 85 und 88. 449 Siehe zu den vertretenen Meinungen: Gärditz, JZ 2013, 633, 635 m.w. N.; Wegner, HRRS 2013, 126, 127 f.; vgl. auch: Ohler, NVwZ 2013, 1433, 1434 f. m.w. N.; bezüglich des Straf- und insbesondere des Strafprozessrechts: Dannecker, JZ 2013, 616, 618 m.w. N. 450 Stalberg, Zum Anwendungsbereich des Art. 50 GRC, S. 54. 451 Siehe: Stalberg, Zum Anwendungsbereich des Art. 50 GRC, S. 54. 452 So auch allgemein zu Normen der GRC: BVerfGK 19, 265, 276; Eckstein, ZIS 2013, 220, 222; Jarass, EU-Grundrechte, § 4 Rn. 11; Ladenburger, in: Tettinger/Stern, Art. 51 Rn. 34, hier auch zum Folgenden; Nestler, HRRS 2013, 337, 341; in Bezug auf Art. 50 GRC: Stalberg, Zum Anwendungsbereich des Art. 50 GRC, S. 165, hier auch zum Folgenden. 453 Allgemein zum Zirkelschluss: Puppe, Kleine Schule des juristischen Denkens, S. 230 ff.

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Teilweise nimmt man an, dass die nach Art. 51 I 1 GRC erforderliche Ausübung des Unionsrechts darin liege, dass die Mitgliedstaaten bei der Auslegung des Art. 54 SDÜ Art. 50 GRC zu beachten hätten.454 In Anlehnung an das Urteil des EuGH in der Rechtssache Fransson455 gehen viele Stimmen in der Literatur davon aus, dass nunmehr faktisch jede strafrechtliche Rechtsprechung als Durchführung von Unionsrecht anzusehen sei.456 Infolgedessen wäre die Charta der Grundrechte der Europäischen Union – und damit auch Art. 50 GRC – bei der Mehrzahl strafrechtlicher Verfahren zu beachten. Zum besseren Verständnis soll zunächst das Urteil des EuGH in der Rechtssache Fransson näher dargestellt werden.457 Herr Åkerberg Fransson wurde am 09.06.2009 unter anderem wegen Steuerhinterziehung in einem schweren Fall vor einem schwedischen Gericht angeklagt. Zuvor waren ihm mit Bescheid vom 24.05.2007 Steuerzuschläge auferlegt worden. Dieser Bescheid war mangels Anfechtung rechtskräftig geworden. Dem schwedischen Gericht stellte sich nun die Frage, ob der Bescheid vom 24.05.2007 eine Bestrafung in derselben Sache darstelle und Art. 50 GRC demzufolge ein erneutes Strafverfahren ausschließe. Das Gericht legte die Frage dem EuGH zur Vorabentscheidung vor. Das Hauptproblem lag für den EuGH darin, seine eigene Zuständigkeit zu begründen. Mehrere Regierungen und die Europäische Kommission hielten die Vorlage für unzulässig, da weder in den festgesetzten steuerlichen Sanktionen noch in der nationalen Rechtsvorschrift, auf der die Anklage beruhte, eine 454 So: OLG Nürnberg, EuGH-Vorlage vom 19. März 2014 – 2 Ws 98/14 –, juris, Rn. 32; Burchard/Brodowski, StraFo 2010, 179, 181 f.; Merkel/Scheinfeld, ZIS 2012, 206, 208 Fn. 15, die es aber auch für möglich halten, allein das Prüfen des Art. 54 SDÜ als Durchführung von Unionsrecht anzusehen. Kritisch dazu: Böse, in: FS Kühne, S. 519, 524 f. 455 Siehe: EuGH, Urteil vom 26.02.2013, Rs. C-617/10 – Fransson, NJW 2013, 1415 ff. 456 Vgl. beispielsweise: Nestler, HRRS 2013, 337, 341; Rönnau/Wegner, GA 160 (2013), 561, 570, siehe aber auch 571; in diese Richtung ebenfalls: Dannecker, JZ 2013, 616, 617; Rabe, NJW 2013, 1407, 1408. Man fragt sich außerdem – auch vor dem Hintergrund eines anderen Urteils des EuGH vom selben Tag (EuGH, Urteil vom 26.02. 2013, Rs. C-399/11 – Melloni, NJW 2013, 1215 ff.), in dem der EuGH sich dazu äußert, dass nationale Verfassungen der Wirksamkeit des Unionsrechts nicht entgegenstehen dürfen – (EuGH, Urteil vom 26.02.2013, Rs. C-399/11 – Melloni, NJW 2013 1215, 1219 Rn. 63), ob „über den Einfluss der GRC eine Zurückdrängung nationaler verfassungsrechtlicher Standards“ (Rönnau/Wegner, GA 160 (2013), 561) drohe, siehe: Rönnau/Wegner, GA 160 (2013), 561; Vogel, StV 2013 (Heft 5), I (Editorial), sieht nicht nur eine Bedrohung, sondern wirft dem EuGH die Zurückdrängung nationaler verfassungsrechtlicher Standards vor. In diese Richtung auch: Bülte, ZWH 2013, 219, 222 und 224 f. Relativierend: Dannecker, JZ 2013, 616, 618 ff.; Gärditz, JZ 2013, 633, 635 f. 457 Zum Folgenden siehe: EuGH, Urteil vom 26.02.2013, Rs. C-617/10 – Fransson, NJW 2013, 1415.

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Durchführung von Unionsrecht im Sinne des Art. 51 I 1 GRC liege.458 Dem schloss sich auch der Generalanwalt des EuGH an,459 der EuGH entschied jedoch anders:460 Er führte zunächst allgemein aus, dass eine nationale Rechtsvorschrift anhand der Grundrechtecharta zu überprüfen sei, wenn die Norm in den Geltungsbereich des Unionsrechts falle.461 In der Sache verwies der EuGH darauf, dass die steuerlichen Sanktionen und das eingeleitete Strafverfahren „teilweise im Zusammenhang mit der Nichteinhaltung von Mitteilungspflichten auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer stehen“ 462. Aus mehreren europäischen Richtlinien und aus Art. 4 III EUV gehe hervor, dass die Mitgliedstaaten durch Verabschiedung von Rechts- und Verwaltungsvorschriften verpflichtet seien, die Erhebung der Mehrwertsteuer zu gewährleisten und diesbezüglichen Betrug zu bekämpfen.463 Außerdem verpflichte Art. 325 AEUV die Mitgliedstaaten, gegen rechtswidrige – gegen finanzielle Interessen der Union gerichtete – Handlungen vorzugehen.464 Die Eigenmittel der EU beständen unter anderem aus Einnahmen der Mehrwertsteuer, sodass im Ergebnis im zugrunde liegenden Fall von einer Durchführung von Unionsrecht auszugehen sei.465 Dem stehe auch nicht entgegen, dass die nationalen Strafvorschriften keine Umsetzung einer europäischen Richtlinie darstellen.466 Im Anschluss an dieses Urteil warf man dem EuGH vor, er missachte den Wortlaut des Art. 51 I 1 GRC und setze sich mit diesem und anderen Bedenken

458 Siehe: EuGH, Urteil vom 26.02.2013, Rs. C-617/10 – Fransson, NJW 2013, 1415 Rn. 16. 459 Schlussanträge GA Cruz Villalón, Rs. C-617/10 – Fransson, BeckRS 2012, 81407, Rn. 57–64. Ausführlich zu den Schlussanträgen: Heger, in: FS Kühne, S. 565, 570 ff. 460 Dies überrascht, weil der EuGH zwar nicht an die Schlussanträge der Generalanwälte gebunden ist, das Gericht diesen aber in den meisten Fällen – wenn auch nicht immer mit der gleichen Begründung – folgt, siehe nur: Wägenbaur, EuGH VerfO, Art. 5 VerfO EuGH Rn. 1. Wenn das OLG München, StV 2013, 313, 314, sich in seinen Ausführungen ausdrücklich auf die Schlussanträge des Generalanwalts und nicht auf das Urteil des EuGH bezieht, liegt das lediglich daran, dass das Urteil des EuGH zu diesem Zeitpunkt noch ausstand. Kritisch zur fehlenden Auseinandersetzung mit den Argumenten des Generalanwalts: Weiß, EuZW 2013, 287, 288. 461 EuGH, Urteil vom 26.02.2013, Rs. C-617/10 – Fransson, NJW 2013, 1415 Rn. 19 und 1416 Rn. 21. 462 EuGH, Urteil vom 26.02.2013, Rs. C-617/10 – Fransson, NJW 2013, 1415, 1416 Rn. 24. 463 EuGH, Urteil vom 26.02.2013, Rs. C-617/10 – Fransson, NJW 2013, 1415, 1416 Rn. 25. 464 EuGH, Urteil vom 26.02.2013, Rs. C-617/10 – Fransson, NJW 2013, 1415, 1416 Rn. 26. 465 EuGH, Urteil vom 26.02.2013, Rs. C-617/10 – Fransson, NJW 2013, 1415, 1416 Rn. 26 f. 466 EuGH, Urteil vom 26.02.2013, Rs. C-617/10 – Fransson, NJW 2013, 1415, 1416 Rn. 28.

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gegen eine solche Interpretation des Art. 51 I 1 GRC467 nicht einmal auseinander.468 Der angebliche Zusammenhang zwischen dem Unionsrecht und nationalen Steuer- und Verfahrensvorschriften wirke „eher konstruiert“ 469. Andererseits betrachtet es Wegner als folgerichtig, dass der EuGH – wenn die Union den Mitgliedstaaten Vorgaben zur Strafbarkeit bestimmter Verhaltensweisen macht – als Reaktion darauf über den Weg des Art. 51 I 1 GRC den Schutz des Einzelnen durch die Grundrechtecharta erhöht.470 Außerdem sorge der EuGH – auch vor dem Hintergrund der äußerst umstrittenen Lesart des Art. 51 I 1 GRC –471 für Rechtssicherheit.472 Dannecker sieht das Problem insbesondere darin, dass der EuGH die Geltung der Grundrechtscharta auf das Prozessrecht ausdehnt.473 Die Frage ist, ob der EuGH den Anwendungsbereich der Charta ausgeweitet hat und – wenn ja – wie weit. Bei jeglichen Strafverfahren könnte nunmehr die Grundrechtecharta zu beachten sein. Dem könnte man zunächst mit dem Argument widersprechen, dass der EU keine umfassende Gesetzgebungskompetenz im Bereich des Strafrechts zusteht.474 Daher scheint eine Einflussnahme des EuGH auf weitere Bereiche des Strafrechts zunächst zweifelhaft. Allerdings besteht nach der Fransson-Entscheidung Grund zu der Annahme, dass der EuGH in den Bereichen, in denen eine entsprechende Gesetzgebungskompetenz der EU nach Art. 83 AEUV [Straftaten mit grenzüberschreitender Dimension] oder Art. 325 IV AEUV besteht, auch eine Durchführung von Unionsrecht bei der Prüfung der entsprechenden Straftatbestände annähme. Gerade von Art. 83 I UAbs. I AEUV sind weitaus mehr Kriminalitätsbereiche umfasst als von Art. 325 IV AEUV, der nur Betrügereien, die sich gegen die finanziellen Interessen der Union richten, erfasst. Art. 83 I UAbs. I AEUV listet Terrorismus, Menschenhandel und sexuelle Ausbeutung von Frauen und Kindern, illegalen Drogenhandel, illegalen Waffenhandel, Geldwäsche, Korruption, Fälschung von Zahlungsmitteln, Computerkriminalität und organisierte Kriminalität auf. Es deu467

Siehe dazu nur: Wegner, HRRS 2013, 126, 128. Weiß, EuZW 2013, 287, 288; ebenfalls kritisch: Britz, EuGRZ 2015, 275, 278; Lange, NVwZ 2014, 169, 171; Rabe, NJW 2013, 1407, 1408; a. A.: Rönnau/Wegner, GA 160 (2013), 561, 571, die davon ausgehen, dass die Auslegung des Art. 51 I 1 GRC durch den EuGH vertretbar sei. 469 Safferling, NStZ 2014, 545, 548. 470 Wegner, HRRS 2013, 126, 128; so auch: Rönnau/Wegner, GA 160 (2013), 561, 571. 471 Siehe zu den vertretenen Meinungen nochmals: Gärditz, JZ 2013, 633, 635 m.w. N.; Wegner, HRRS 2013, 126, 127 f.; bezüglich des Straf- und insbesondere des Strafprozessrechts: Dannecker, JZ 2013, 616, 618 m.w. N. 472 Rönnau/Wegner, GA 160 (2013), 561, 570 f.; Wegner, HRRS 2013, 126, 129; ähnlich: Safferling, NStZ 2014, 545, 548. 473 Dannecker, JZ 2013, 616, 618. 474 Vgl. Nestler, HRRS 2013, 337, 341 f.; siehe dazu auch: Greco, GA 163 (2016), 138, 139 f. 468

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tet im Ergebnis vieles darauf hin, dass der EuGH den Anwendungsbereich der Grundrechtecharta erheblich ausgeweitet hat.475 Einer solchen Lesart des Fransson-Urteils hat sich das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil zur Antiterrordatei476 entgegengestellt. Das Gericht prüfte in dem Verfahren die Verfassungsmäßigkeit des Antiterrordateigesetzes,477 das unter anderem die Speicherung von personenbezogenen Daten durch die Exekutive vorsah.478 Aufgrund der im Gesetz vorgesehenen Möglichkeit des Datenaustausches zwischen den beteiligten Behörden zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus führte das Bundesverfassungsgericht aus, dass die angegriffenen Vorschriften einen Regelungsgehalt haben, der teilweise auch an das Unionsrecht anknüpfe.479 Danach ging das Gericht ausdrücklich auf das Fransson-Urteil des EuGH ein:480 Die Entscheidung des EuGH dürfe nicht so verstanden werden, dass es für eine Bindung der Mitgliedstaaten an die Grundrechte der Charta ausreiche, dass ein „sachliche[r] Bezug einer Regelung zum [. . .] abstrakten Anwendungsbereich des Unionsrechts“ 481 vorliegt oder eine Regelung „rein tatsächliche Auswirkungen“ 482 auf das Unionsrecht hat. Es erscheint jedoch schwierig, den EuGH anders zu verstehen.483 Hätte das Bundesverfassungsgericht dem EuGH den Fall zur Antiterrordatei vorgelegt, wäre es nicht unwahrscheinlich gewesen, dass der EuGH – in Anlehnung an das Fransson-Urteil – den Anwendungsbereich der Grundrechtecharta nach Art. 51 I 1 GRC aufgrund der vom Bundesverfassungsgericht zitierten Bezüge zum Unionsrecht als eröffnet angesehen hätte.484 475

In diese Richtung auch: Lange, NVwZ 2014, 169, 171 f. BVerfGE 133, 277 ff. 477 Siehe: BVerfGE 133, 277, 279 Rn. 1. 478 Siehe zu den einzelnen Regelungen: BVerfGE 133, 277, 285 ff. Rn. 21 ff. 479 BVerfGE 133, 277, 314 Rn. 89. 480 BVerfGE 133, 277, 316 Rn. 91, hier auch zum Folgenden. 481 BVerfGE 133, 277, 316 Rn. 91. 482 BVerfGE 133, 277, 316 Rn. 91. 483 In der Literatur geht man zumindest davon aus, dass es sich bei dem FranssonUrteil jedenfalls nicht um einen Ultra-Vires-Akt des EuGH handelt, siehe: Ohler, NVwZ 2013, 1433, 1436; Wegner, HRRS 2013, 126, 129; Weiß, EuZW 2013, 287, 289. 484 In diese Richtung wohl auch: Wegner, HRRS 2013, 126, 129, der zwar zunächst davon ausgeht, dass der EuGH sich in anderen Bereichen zurückhaltender geäußert hätte, dann aber prophezeit, dass der EuGH in Zukunft noch selbstbewusster bezüglich der Anwendung der Grundrechtecharta urteilen werde. Die weite Auslegung des Art. 51 I 1 GRC durch den EuGH könnte die in letzter Zeit zu beobachtende Tendenz deutscher Gerichte, dem EuGH in unklaren Fällen die Frage trotzdem nicht in einem Vorabentscheidungsverfahren vorzulegen, weiter verstärken (vgl. vor dem Fransson-Urteil: BVerGK 19, 265, 274 ff.; BGHSt 56, 11, 16 Rn. 16; OLG München StV 2013, 313, 314; LG Aachen StraFo 2010, 190; und nach dem Fransson-Urteil: BVerfGE 133, 273, 315 f. Rn. 90 f.; siehe aber Gärditz, JZ 2013, 633, 636, der davon ausgeht, dass das Bundesverfassungsgericht kein Vorabentscheidungsverfahren einleiten musste; kritisch: 476

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Insofern ist im Zweifel eine Durchführung von Unionsrecht und damit eine Bindung an die Grundrechtecharta anzunehmen.485 Im weiteren Verlauf soll daher – mit dem EuGH – von einem weiten Verständnis der Durchführung des Rechts der Union im Sinne des Art. 51 I 1 GRC ausgegangen werden,486 auch wenn sich mittlerweile in der Rechtsprechung des EuGH eine gewisse Relativierung der Reichweite des Fransson-Urteils abzeichnet.487 Die Meinung, dass im Rahmen von innerstaatlichen Fällen des Art. 50 GRC auf Art. 4 II EMRK-Pr. 7 zurückgegriffen werden könne, um eine Wiederaufnahme des Strafverfahrens zu legitimieren,488 entspricht der ganz herrschenden Meinung, wonach auf Rechte der Charta, die denjenigen der Europäischen Menschenrechtskonvention entsprechen, nach Art. 52 III GRC (unter anderem) auch die Schranken der entsprechenden Rechte in der Menschenrechtskonvention Anwendung finden.489 In den Erläuterungen zur Charta der Grundrechte heißt es, Zeder, JSt 2014, 76, 77. Generell zur Vorlage durch das Bundesverfassungsgericht: Voßkuhle, NJW 2013, 1329, 1331). Die Entscheidungen zur Nichtvorlage erfolgten teilweise unter sehr fadenscheinigen Begründungen (berechtigterweise kritisch gegenüber der Nichtvorlage des BGH (BGHSt 56, 11, 16 Rn. 16) beispielsweise: Satzger, in: Festschrift von Heintschel-Heinegg, S. 391, 397 f.; Merkel/Scheinfeld, ZIS 2012, 206, 212 f.; Swoboda, JICJ 9 (2011), 243, 268 f.; Vogel, StRR 2011, 135, 137; Walther, ZJS 2013, 16, 20 f.; Zeder, JSt 2012, 195, 198; ders., JSt 2014, 76, 77; vgl. auch: Heger, in: FS Kühne, S. 565, 574 f. Kritisch zur Nichtvorlage des LG Aachen (StraFo 2010, 190): Swoboda, JICJ 9 (2011), 243, 268. Burchard/Brodowski, StraFo 2010, 179, 185, halten die Nichtvorlage des LG Aachen (noch) für vertretbar; ebenso: Walther, ZJS 2013, 16, 20). Das Bundesverfassungsgericht ist dieser Praxis aber nunmehr entgegengetreten. In dem Verfahren um die Anleihenkäufe der Europäischen Zentralbank hat das Bundesverfassungsgericht zum ersten Mal eine Frage an den EuGH zur Vorabentscheidung weitergeleitet, siehe: BVerfGE 134, 366 ff. Allgemein zu Vorlagen des Bundesverfassungsgerichts an den EuGH: Britz, EuGRZ 2015, 275, 281. 485 So beispielsweise auch: Wegner, HRRS 2013, 126, 130. 486 Vgl. dazu auch: Lange, NVwZ 2014, 169, 173. 487 Siehe: EuGH, Urteil vom 06.03.2014, Rs. C-206/13 – Cruciano Siragusa/Regione Sicilia, NVwZ 2014, 575, 576 Rn. 20 ff.; EuGH, Urteil vom 10.07.2014, Rs. C-198/13 – Julian Hernández ua/Reino de Espãna ua, EuZW 2014, 795, 796 Rn. 32 ff., allerdings bleiben die Kriterien unklar; siehe aber auch: EuGH, Urteil vom 30.04.2014, Rs. C-390/12 – Pfleger ua, EuZW 2014, 597, 598 f. Rn. 30 ff. insbesondere 599 Rn. 36, wonach eine Durchführung von Unionsrecht im Sinne des Art. 51 I GRC vorliegt, wenn eine Regelung geeignet ist, die Grundfreiheiten zu beschränken; kritisch dazu: Britz, EuGRZ 2015, 275, 276 f. Wann genau eine Durchführung von Unionsrecht im Sinne des Art. 51 I 1 GRCh vorliegt, ist damit immer noch nicht abschließend geklärt, siehe nur: Britz, a. a. O., 277 f. 488 So: Blanke, in: Calliess/Ruffert, Art. 50 GRCh Rn. 4; Esser, in: Löwe-Rosenberg XI, EMRK Art. 6/Art. 14 IPBPR Rn. 1101, mit Verweis auf Jarass; Jarass, GRCh, Art. 50 Rn. 10; ders., NStZ 2012, 611, 616; Nehl, in: HEGR, § 58 Rn. 33; vgl. ebenfalls: Magiera, in: HGR VI/1, § 161 Rn. 85 und 88. 489 Siehe anstatt aller beispielsweise: Becker, in: EU-Kommentar, Art. 52 GRC Rn. 15; Borowsky, in: Meyer, Art. 52 Rn. 30 und 33; von Danwitz/Röder, in: Die Europäische Grundrechte-Charta, S. 31, 49; Günther, Die Auslegung des Rechts auf Bildung, S. 71; Jarass, GRCh, Art. 52 Rn. 25, allerdings mit Einschränkungen, siehe Rn. 62; Szczekalla, in: HEGR, § 7 Rn. 77; siehe auch: Grabenwarter, DVBl. 2001, 1, 2,

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dass „Artikel 50 [. . .] Artikel 4 des Protokolls Nr. 7 zur EMRK [entspreche], aber seine Tragweite [. . .] auf die Ebene der Europäischen Union ausgedehnt worden [sei] und er [. . .] zwischen den Gerichten der Mitgliedstaaten [gelte]“ 490. Jarass begründet seine Ansicht damit, dass Art. 50 GRC auf Art. 4 EMRK-Pr. 7 basiere.491 Darauf deutet zwar der Abdruck der Vorschrift in den Erläuterungen zur Charta der Grundrechte hin;492 allerdings wird nicht wie bei anderen Artikeln ausdrücklich auf die Vorschrift des Protokolls Bezug genommen.493 Nehl494 verweist auf Art. 50 I und III GRC. Dies kann jedoch nur ein Versehen darstellen, da Art. 50 GRC keine Absätze enthält. Gemeint sind wohl Art. 52 I und III GRC. Art. 52 III 1 GRC stellt klar, dass die Rechte der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, soweit sie den durch die Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten garantierten Rechten entsprechen, die gleiche Bedeutung und Tragweite haben, wie sie ihnen in der EMRK verliehen wird. Daraus kann man aber nicht folgern, dass Art. 4 II EMRK-Pr. 7 die Wiederaufnahme des Strafverfahrens im Rahmen des Art. 50 GRC legitimiere; denn Art. 52 III 2 GRC lässt ausdrücklich zu, dass das Recht der Union – also in diesem Fall die Charta der Grundrechte der Europäischen Union – einen weitergehenden Schutz gewährt. Eine Rechtfertigung der Wiederaufnahme des Strafverfahrens für innerstaatliche Sachverhalte über Art. 4 II EMRK-Pr. 7 im Rahmen des Art. 50 GRC scheint vor diesem Hintergrund fraglich. Allerdings geht auch das Präsidium des Konvents zur Ausarbeitung der Charta in den Erläuterungen zu Art. 50 GRC davon aus, dass Art. 50 GRC bezüglich innerstaatlicher Sachverhalte Art. 4 EMRK-Pr. 7 entspreche.495 Zwar hat die zitierte Erläuterung zu Art. 50 GRC keinen rechtlichen Status, sie kann jedoch zur Interpretation des Art. 50 GRC herangezogen werden.496 Außerdem werden die in der Charta niedergelegten der aber davon ausgeht, dass sich der Verweis auf die EMRK „nur auf die von allen ratifizierten Zusatzprotokolle“ beziehe. In den Erläuterungen zur Charta der Grundrechte heißt es, dass sich die Bezugnahme auf die EMRK „auch auf ihre Protokolle“ (Erläuterungen zur Charta der Grundrechte, ABl. C 303 vom 14.12.2007, S. 33) erstrecke. Ausführlich zu den vertretenen Auslegungen zu Art. 52 III GRC: Ziegenhorn, Der Einfluss der EMRK, S. 29 ff. 490 Erläuterungen zur Charta der Grundrechte, ABl. C 303 vom 14.12.2007, S. 34. 491 Jarass, GRCh, Art. 50 Rn. 1 und 10 Fn. 36. 492 Siehe: ABl. C 303 vom 14.12.2007, S. 31. 493 Siehe beispielsweise: ABl. C 303 vom 14.12.2007, S. 26 oder ABl. C 303 vom 14.12.2007, S. 27; auch Eser, in: Meyer, Art. 50 Rn. 1 Fn. 1, merkt an, dass Art. 4 EMRK-Pr. 7 in den Erläuterungen zur Charta der Grundrechte kommentarlos wiedergegeben wird. 494 Nehl, in: HEGR, § 58 Rn. 33. 495 Siehe: Abl. EG C 310 vom 16.12.2004, S. 453; aktualisierte Fassung: Abl. C 303 vom 14.12.2007, S. 31. 496 Vgl.: Abl. EG C 310 vom 16.12.2004, S. 424; aktualisierte Fassung: Abl. C 303 vom 14.12.2007, S. 17.

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Rechte, Freiheiten und Grundsätze nach Art. 6 I UAbs. 3, Absatz 5 der Präambel der Grundrechtecharta und Art. 52 VII GRC nicht nur gemäß den allgemeinen Bestimmungen des Titels VII der Charta, sondern auch unter gebührender Berücksichtigung der in der Charta angeführten Erläuterungen ausgelegt. Doch obwohl selbst die Institution, die die Charta der Grundrechte der Europäischen Union ausgearbeitet hat, annimmt, dass Art. 50 GRC bei innerstaatlichen Sachverhalten in der Reichweite des Art. 4 EMRK-Pr. 7 gelten solle, erscheint diese Sichtweise fraglich. Sie würde dazu führen, dass die Reichweite des Art. 50 GRC abhängig von der Entwicklung des Art. 4 EMRK-Pr. 7 wäre, obwohl die Europäische Union der EMRK zwar nach Art. 6 II 1 EUV beitreten, aber nicht die einzelnen Bestimmungen ändern kann. Um ein möglichst hohes Schutzniveau zu erreichen, muss Art. 50 GRC daher unabhängig von Art. 4 EMRK-Pr. 7 ausgelegt werden. Ein dynamischer Verweis auf Art. 4 EMRK-Pr. 7 ist somit abzulehnen. Selbst wenn man aber davon ausgeht, dass zur Rechtfertigung der Wiederaufnahme des Strafverfahrens auf Art. 4 II EMRK-Pr. 7 zurückgegriffen werden könne,497 stellt sich ein weiteres Problem: Die Bundesrepublik Deutschland, die Niederlande, die Türkei und das Vereinigte Königreich haben das EMRK-Pr. 7 (noch) nicht ratifiziert.498 Insofern könnte man zumindest für diese Länder nicht damit argumentieren, dass ein Verstoß gegen Art. 4 II EMRK-Pr. 7 Auswirkungen auf einen Verstoß gegen Art. 50 GRC bei innerstaatlichen Sachverhalten hätte; denn ein Staat kann keine Norm verletzen, die auf seinem Hoheitsgebiet gar keine Geltung beansprucht. Da eine Verletzung des Art. 4 II EMRK-Pr. 7 für Deutschland und die anderen erwähnten Länder (noch) nicht in Betracht kommt, können aus Art. 4 EMRK-Pr. 7 somit keinerlei Rückschlüsse auf einen Verstoß gegen Art. 50 GRC hergeleitet werden.499

497 So: Blanke, in: Calliess/Ruffert, Art. 50 GRCh Rn. 4; Esser, in: Löwe-Rosenberg XI, EMRK Art. 6/Art. 14 IPBPR Rn. 1101, mit Verweis auf Jarass; Jarass, GRCh, Art. 50 Rn. 10; ders., NStZ 2012, 611, 616; Nehl, in: HEGR, § 58 Rn. 33; vgl. ebenfalls: Magiera, in: HGR VI/1, § 161 Rn. 85 und 88. 498 Siehe die Übersicht des Vertragsbüros des Europarats, abrufbar unter: http://con ventions.coe.int/Treaty/Commun/ChercheSig.asp?NT=117&CM=8&DF=&CL=GER, zuletzt aufgerufen am 18.06.2016. Zu den Gründen der Bundesrepublik Deutschland siehe oben, D. Fn. 432. 499 So auch allgemein: Grabenwarter, DVBl. 2001, 1, 2, der annimmt, dass sich die Charta generell lediglich auf die Protokolle der EMRK beziehe, die von allen Mitgliedstaaten ratifiziert wurden; in diese Richtung ebenfalls: Eckstein, ZIS 2013, 220, 221; Jarass, GRCh, Art. 52 Rn. 63; kritisch auch: Gooren, NVwZ 2013, 564; a. A.: Borowsky, in: Meyer, Art. 52 Rn. 35; Naumann, EuR 2008, 424, 427; Rengeling/Szczekalla, Grundrechte in der EU, Rn. 468; vgl. auch allgemein: Kingreen, in: Calliess/Ruffert, Art. 52 GRC, Rn. 37, wonach die EMRK lediglich eine Rechtserkenntnisquelle darstelle und „die Frage der Einbeziehung von nicht alle Mitgliedstaaten bindenden Zusatzprotokollen [daher ein] Scheinproblem“ sei.

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Somit impliziert der oben festgestellte – aufgrund mangelnder Ratifizierung hypothetische – Verstoß gegen Art. 4 II EMRK-Pr. 7 nicht gleichzeitig einen Verstoß gegen den inhaltsgleichen Art. 50 GRC bezüglich innerstaatlicher Sachverhalte. Nach der hier vertretenen Ansicht ist bereits der ungeschriebene dynamische Verweis auf Art. 4 II EMRK-Pr. 7 abzulehnen. Folgt man dem nicht, kann aber zumindest keine Bindung von Staaten, die das Protokoll (noch) nicht ratifiziert haben, „durch die Hintertür“ erfolgen. Bei der Prüfung, ob Art. 50 GRC in seiner innerstaatlichen Wirkung der Wiederaufnahme des Strafverfahrens entgegensteht, ist zu berücksichtigen, dass Art. 50 GRC gerade keine Ausnahmeregelung für Wiederaufnahmeverfahren enthält. Trotzdem macht bereits Art. 52 I GRC deutlich, dass die Charta-Grundrechte – und damit auch Art. 50 GRC – einschränkbar sind.500 Fraglich ist jedoch, ob Art. 52 I GRC oder Art. 52 III GRC als Maßstab heranzuziehen ist. Wie oben bereits erwähnt, entspricht Artikel 50 GRC nach den Erläuterungen zur Charta der Grundrechte Artikel 4 EMRK-Pr. 7, wobei der Schutzumfang auf die europäische Ebene erstreckt wurde und der Grundsatz nun auch zwischen den Gerichten der Mitgliedstaaten gilt.501 Diese Entsprechung führt über Art. 52 III 1 GRC502 regelmäßig dazu, dass auf die Schranken der EMRK und deren Zusatzprotokolle abzustellen ist.503 Dies ist aber nach der hier vertretenen Auffassung nicht möglich. Die umstrittene Frage, ob Art. 52 I GRC neben Art. 52 III GRC zur Anwendung kommen kann, stellt sich daher nicht.504 Alleiniger Maßstab für eine Einschränkung des Art. 50 GRC ist daher Art. 52 I GRC.

500 Vgl. Burchard/Brodowski, StraFo 2010, 179, 183; Mansdörfer, Das Prinzip des ne bis in idem, S. 242. 501 Erläuterungen zur Charta der Grundrechte, ABl. C 303 vom 14.12.2007, S. 34. Siehe hierzu und zum Folgenden bereits oben. 502 Nach Art. 52 III 1 GRC haben die Rechte der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, soweit sie den durch die Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten garantierten Rechten entsprechen, die gleiche Bedeutung und Tragweite, wie sie ihnen in der EMRK verliehen wird. 503 Vgl. dazu anstatt aller: Becker, in: EU-Kommentar, Art. 52 GRC Rn. 15; Borowsky, in: Meyer, Art. 52 Rn. 30 und 33; von Danwitz/Röder, in: Die Europäische Grundrechte-Charta, S. 31, 49; Günther, Die Auslegung des Rechts auf Bildung, S. 71; Jarass, GRCh, Art. 52 Rn. 25, allerdings mit Einschränkungen, siehe: Rn. 62; Szczekalla, in: HEGR, § 7 Rn. 77; siehe auch: Grabenwarter, DVBl. 2001, 1, 2, der aber davon ausgeht, dass sich der Verweis auf die EMRK „nur auf die von allen ratifizierten Zusatzprotokolle“ beziehe. In den Erläuterungen zur Charta der Grundrechte heißt es, dass sich die Bezugnahme auf die EMRK „auch auf ihre Protokolle“ (Erläuterungen zur Charta der Grundrechte, ABl. C 303 vom 14.12.2007, S. 33) erstrecke. Ausführlich zu den vertretenen Auslegungen zu Art. 52 III GRC: Ziegenhorn, Der Einfluss der EMRK, S. 29 ff. 504 Siehe dazu zum Beispiel: von Danwitz/Röder, in: Die Europäische GrundrechteCharta, S. 31, 53; Günther, Die Auslegung des Rechts auf Bildung, S. 71; Hilf, in: HGR VI/1, § 164 Rn. 48.

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Nach Art. 52 I 1 GRC muss jede Einschränkung der Ausübung der in der Charta anerkannten Rechte und Freiheiten gesetzlich vorgesehen sein, und der Wesensgehalt dieser Rechte und Freiheiten muss geachtet werden. Im Hinblick auf § 362 StPO ist zunächst festzuhalten, dass auch Normen aus dem Recht der Mitgliedstaaten taugliche Gesetze zur Einschränkung von Grundrechten der Charta im Sinne des Art. 52 I GRC sein können.505 § 362 StPO ist daher – als formelles Gesetz – eine mögliche Schranke im Sinne des Art. 52 I GRC.506 Weiterhin beachtet § 362 StPO den Wesensgehalt des Art. 50 GRC, denn § 362 StPO lässt nur unter sehr engen Voraussetzungen eine Wiederaufnahme des Strafverfahrens und damit einen Eingriff in Art. 50 GRC zu. Nach Art. 52 I 2 GRC dürfen Einschränkungen unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit nur vorgenommen werden, wenn sie erforderlich sind und den von der Union anerkannten dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen oder den Erfordernissen des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer tatsächlich entsprechen. Anders als der Wortlaut der Vorschrift vermuten lässt, können auch Rechtsgüter, die durch das Recht der Mitgliedstaaten geschützt werden, einen legitimen Zweck darstellen.507 Die Wiederaufnahme des Strafverfahrens dient der Aufhebung rechtskräftiger Fehlentscheidungen.508 Da das Institut der Wiederaufnahme des Strafverfahrens in den Mitgliedstaaten anerkannt ist,509 erfüllt § 362 StPO auch im Hinblick auf Art. 52 I 2 GRC einen legitimen Zweck. Bezüglich der Erforderlichkeit kann auf die obigen Ausführungen im Rahmen der Vereinbarkeit des § 362 StPO mit Art. 103 III GG verwiesen werden:510 Ein milderes, ebenso geeignetes Mittel ist im Ergebnis nicht ersichtlich. Im Rahmen der Angemessenheit ist jedoch wiederum der Regelungscharakter des § 362 Nr. 3 StPO i.V. m. § 370 StPO als absoluter Wiederaufnahmegrund und die fehlende Einschränkung auf schwere Straftaten zu berücksichtigen.511 Aufgrund dessen verstößt § 362 StPO gegen Art. 50 GRC bezüglich rein nationaler Sachverhalte.512 505

Borowsky, in: Meyer, Art. 52 Rn. 20; Jarass, GRCh, Art. 52 Rn. 28. Zu weiteren Erfordernissen an das Gesetz siehe: Borowsky, in: Meyer, Art. 52 Rn. 20. 507 Vgl. nur: Becker, in: EU-Kommentar, Art. 52 GRC Rn. 5. 508 Vgl. nur: Peters, Strafprozeß, S. 668. Zu den Schwierigkeiten der Definition eines Fehlurteils siehe oben unter B. 509 Vgl. zu den Regelungen in den einzelnen europäischen Ländern: Liebau, „Ne bis in idem“, S. 279 ff.; Swoboda, HRRS 2009, 188, 190 f.; van den Wyngaert u. a., Criminal procedure systems, S. 48, 71, 100 ff., 134 f., 182, 219 f., 257 f., 277, 315, 335, 377 ff., 398. 510 Siehe oben unter D. II. 2. 511 Siehe dazu in Bezug auf die Vereinbarkeit mit Art. 103 III GG ebenfalls bereits oben unter D. II. 2. 512 A. A. wohl: Gaede, NJW 2014, 2990, 2992. 506

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2. Transnationale Ne-bis-in-idem-Regelungen Art. 54 SDÜ beinhaltet – wie Art. 50 GRC neben seinem innerstaatlichen Anwendungsbereich – eine staatenübergreifende Ne-bis-in-idem-Regelung.513 Auf diese beiden Vorschriften soll im Folgenden näher eingegangen werden. Außerdem soll untersucht werden, ob nicht auch ausländische Urteile dem Schutz des Art. 103 III GG unterfallen. Nach Art. 54 SDÜ darf, wer durch eine Vertragspartei rechtskräftig abgeurteilt worden ist, durch eine andere Vertragspartei wegen derselben Tat nicht verfolgt werden, vorausgesetzt, dass im Fall einer Verurteilung die Sanktion bereits vollstreckt worden ist, gerade vollstreckt wird oder nach dem Recht des Urteilsstaats nicht mehr vollstreckt werden kann.514 Das Schengener Durchführungsübereinkommen war ursprünglich dem Völkerrecht zuzuordnen,515 bis der Vertrag von Amsterdam das Schengener Durchführungsübereinkommen durch das Protokoll zur Einbeziehung des SchengenBesitzstands in den Rahmen der Europäischen Union516 in das Europarecht inkorporierte.517 Nach Art. 2 I UAbs. 1 S. 2 des Protokolls zur Einbeziehung des Schengen-Besitzstands in den Rahmen der Europäischen Union518 sollte der Rat 513 Für Art. 50 GRC siehe: Erläuterungen zur Charta der Grundrechte, ABl. C 303 vom 14.12.2007, S. 31; Jarass, GRCh, Art. 50 Rn. 10; Nehl, in: HEGR, § 58 Rn. 17 und 19; van Vormizeele, in: EU-Kommentar, Art. 50 GRC Rn. 3. Bezüglich Art. 54 SDÜ ergibt sich dies bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift. 514 Auf Art. 1 des Übereinkommens zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften über das Verbot der doppelten Strafverfolgung vom 25.05.1987, der vom Regelungsgehalt mit Art. 54 SDÜ vergleichbar ist, soll nicht weiter eingegangen werden; vgl. dazu: Hackner, NStZ 2011, 425, 426; Jagla, Auf dem Weg zu einem zwischenstaatlichen ne bis in idem, S. 47 f.; zum Text des Übereinkommens siehe BGBl. II 1998, S. 2227 f.; zur Anwendbarkeit siehe BGBl. II 2000, S. 600 ff.; Zöller, in: FS Krey, S. 501, 507. Zu weiteren Ne-bis-in-idem-Regelungen siehe: BVerfGK 19, 265, 278; Lagodny, Empfiehlt es sich, eine neue Gerichtskompetenz für Strafgewaltskonflikte vorzusehen?, S. 55 ff.; Ligeti, Strafrecht und strafrechtliche Zusammenarbeit, S. 99 f.; Radtke, in: Europäisches Strafrecht (EnzEuR Bd. 9), § 12 Vorschriften Sekundärrecht; Schomburg, NJW 2000, 1833, 1835; Zöller., a. a. O., S. 501, 503 f. 515 Vgl. Specht, Die zwischenstaatliche Geltung des Grundsatzes ne bis in idem, S. 125; Würz, Das SDÜ, S. 33 f., der auf S. 34 von „Völkervertragsrecht“ spricht. Dass dies nicht mehr der Fall ist, betonen unter anderem: Bieber/Epiney/Haag, Die Europäische Union, § 17 Rn. 17. Zu der Entstehungsgeschichte des Art. 54 SDÜ siehe: Grotz, StraFo 1995, 102 ff. 516 Abgedruckt in: ABl. EG C 340 vom 10.11.1997, S. 93 ff. 517 Das Protokoll ist abgedruckt in: ABl. EG C 340 vom 10.11.1997, S. 93 ff.; siehe auch: Kühne, Strafprozessrecht, Rn. 81; Safferling, Internationales Strafrecht, S. 512; ausführlich zur Überleitung in das EU-Recht: van Bockel, The Ne Bis In Idem Principle in EU Law, S. 61 ff.; Plöckinger/Leidenmühler, wistra 2003, 81, 82. Der sogenannte Schengen-Besitzstand oder Schengen-Acquis beinhaltet auch das Schengener Durchführungsübereinkommen, siehe: EuGH, Urteil vom 19.07.2012, Rs. C-278/12 – Adil, Celex-Nr. 62012CJ0278 Rn. 5; ABl. L 239 vom 22.09.2000, S. 19 ff. 518 Siehe: ABl. EG C 340 vom 10.11.1997, S. 94.

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die Rechtsgrundlagen für die Bestimmungen und Beschlüsse des Schengen-Besitzstands festlegen.519 Dies lässt den Schluss zu, dass das Schengener Durchführungsübereinkommen nunmehr sekundäres Unionsrecht darstellt.520 Dies gilt auch nach Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon.521 Einschränkungen des Art. 54 SDÜ, die die Bundesrepublik Deutschland nach Art. 55 SDÜ für sich beanspruchte,522 gelten auch nach der Überführung des Schengen-Besitzstands in das Europarecht weiter.523 Bevor im weiteren Verlauf der Arbeit auf die Vereinbarkeit des § 362 StPO mit Art. 54 SDÜ eingegangen wird, sollen zunächst die Vorschrift des Art. 50 GRC und dann Art. 103 III GG vor dem Hintergrund ausländischer Strafurteile erörtert werden. Neben Art. 54 SDÜ besteht auf transnationaler Ebene mittlerweile der dem Primärrecht zuzuordnende524 Art. 50 GRC.525

519 Dies ist – auch bezüglich des Art. 54 SDÜ – geschehen, siehe nur: Kniebühler, Transnationales „ne bis in idem“, S. 173. 520 So auch: Burchard/Brodowski, StraFo 2010, 179, 181; Hackner, NStZ 2011, 425, 429; Satzger, Internationales und Europäisches Strafrecht, § 10 Rn. 70; ders., in: FS Roxin, S. 1515, 1521 Fn. 23 und 1522; Stalberg, Zum Anwendungsbereich des Art. 50 GRC, S. 166 f. m.w. N.; Walther, ZJS 2013, 16, 17. Specht, Die zwischenstaatliche Geltung des Grundsatzes ne bis in idem, S. 124 Fn. 318, geht davon aus, dass das Protokoll zur Einbeziehung des Schengen-Besitzstands in den Rahmen der Europäischen Union (ABl. EG C 340 vom 10.11.1997, S. 93 ff.) den Schengen-Besitzstand „dem Vertrag über die Europäische Union und dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft bei[fügte]“ (ABl. EG C 340 vom 10.11.1997, S. 93). Dies würde dafür sprechen, den Schengen-Besitzstand dem Primärrecht zuzuordnen. Specht, a. a. O., lässt dies ausdrücklich offen. Gegen die Annahme von Primärecht spricht, dass die von Specht, a. a. O., zitierte Stelle sich auf die folgenden Bestimmungen bezieht; die folgenden Regelungen sind zwar Bestimmungen über den Schengen-Besitzstand, aber nicht der Schengen-Besitzstand an sich; ähnlich – gegen die Annahme von Primärrecht: Nestler, HRRS 2013, 337, 338. Vgl. zur früheren Unterscheidung zwischen supranationalem Gemeinschaftsrecht und völkerrechtlichen Unionsrecht nur: Kloepfer, Verfassungsrecht I, § 42 Rn. 54. 521 Stalberg, Zum Anwendungsbereich des Art. 50 GRC, S. 167. 522 Siehe: BGBl. II 1994, S. 631. 523 Str., wie hier beispielsweise: BVerfGK 13, 7, 19; BGH StraFo 2007, 194; Böse, in: FS Kühne, S. 519, 522 f.; Eckstein, ZStW 124 (2012), 490, 510 ff.; Jagla, Auf dem Weg zu einem zwischenstaatlichen ne bis in idem, S. 148 f.; Liebau, „Ne bis in idem“ S. 126 f.; Radtke, in: Europäisches Strafrecht (EnzEuR Bd. 9), § 12 Rn. 34; Zöller, in: FS Krey, S. 501, 513 ff.; nach Hackner, NStZ 2011, 425, 427, gelten die Einschränkungen nur noch gegenüber Staaten, die das SDÜ nicht ratifiziert haben. A. A.: Tribunale de Milano, Urteil vom 06.07.2011, N. 12396/92 RG N.R., N. 3531/94 RG G.I.P., Walz, S. 21 f., in italienischer Sprache abrufbar unter: http://www.penalecontemporaneo.it/ upload/WALZ%20-%20ne%20bis%20in%20idem.pdf, zuletzt aufgerufen am 18.06. 2016; Anagnostopoulos, in: FS Hassemer, S. 1121, 1128; Hecker, Europäisches Strafrecht, Kapitel 13 Rn. 66 ff.; Leidenmühler, EuLF 2002, 253, 255; Plöckinger/Leidenmühler, wistra 2003, 81, 83. Zu der Vereinbarkeit der Vorbehalte des Art. 55 SDÜ mit Art. 50 GRC siehe: Böse, in: „Ne bis in idem in Europa“, S. 171, 178 ff.

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Wie oben bereits erörtert, darf nach Art. 50 GRC niemand wegen einer Straftat, derentwegen er bereits in der Union nach dem Gesetz rechtskräftig verurteilt oder freigesprochen worden ist, in einem Strafverfahren erneut verfolgt oder bestraft werden. Art. 54 SDÜ schreibt vor, dass jemand, der durch eine Vertragspartei rechtskräftig abgeurteilt worden ist, durch eine andere Vertragspartei wegen derselben Tat nicht verfolgt werden darf, vorausgesetzt, dass im Fall einer Verurteilung die Sanktion bereits vollstreckt worden ist, gerade vollstreckt wird oder nach dem Recht der Urteilsstaats nicht mehr vollstreckt werden kann. Der Unterschied zwischen den beiden Vorschriften besteht also darin, dass Art. 54 SDÜ das sogenannte Vollstreckungselement als Voraussetzung für den Ne-bis-in-idem-Schutz aufstellt, während der Wortlaut des Art. 50 GRC auf ein solches Erfordernis verzichtet. Der BGH ist gleichwohl der Ansicht, dass Art. 50 GRC in seinem Schutz nicht über Art. 54 SDÜ hinausgehe,526 und auch einige Autoren in der Literatur vertreten die Auffassung, dass Art. 54 SDÜ Art. 50 GRC konkretisiere.527 Mittlerweile hat sich auch der EuGH zu dieser Thematik geäußert.528 Ausgangspunkt war ein Vorabentscheidungsersuchen des zweiten Strafsenats des OLG Nürnberg, das unter anderem die Frage betraf, ob Art. 54 SDÜ im Hinblick auf das enthaltene Vollstreckungselement mit Art. 50 GRC vereinbar sei.529 Andere Gerichte hatten eine Vorlage an den EuGH zu der Frage des Verhältnisses von Art. 50 GRC und Art. 54 SDÜ zuvor unter Hinweis auf die sogenannte Acte-clair-Doktrin530 abgelehnt.531 Anknüpfungspunkt der Acte-clair524 Siehe generell zum primärrechtlichen Charakter der Grundrechtecharta: Borchardt, Die rechtlichen Grundlagen der Europäischen Union, § 4 Rn. 173; vgl. auch: Burchard/Brodowski, StraFo 2010, 179; Jarass, GRCh, Einl. Rn. 9; siehe auch bereits S. 107. 525 Siehe zur Entstehungsgeschichte: Eser, in: Meyer, Art. 50 Rn. 4. Art. 50 GRC ist auf innerstaatliche und transnationale Sachverhalte anwendbar, siehe nur: Esser, in: Löwe-Rosenberg XI, EMRK Art. 6/Art. 14 IPBPR Rn. 1087. 526 BGHSt 56, 11, 15; dem folgend: BGH, Beschluss vom 01. Dezember 2010 – 2 StR 420/10 – juris; so auch das OLG München StV 2013, 3313, 3314. 527 Vgl. Ambos, Internationales Strafrecht, § 10 Rn. 119; Burchard/Brodowski, StraFo 2010, 179, 183 f.; Eckstein, ZStW 124 (2012), 490, 523 f., der Art. 50 GRC aber in bestimmten Fällen auch ohne Vollstreckungsklausel anwenden will, siehe Eckstein, a. a. O., 520 ff.; Esser, in: Löwe-Rosenberg XI, EMRK Art. 6/Art. 14 IPBPR Rn. 1099; Hackner, NStZ 2011, 425, 429; Hecker, Europäisches Strafrecht, Kapitel 13 Rn. 39; Kadelbach, in: EMRK/GG2, Kap. 29 Rn. 27; Kretschmer, ZAR 2011, 384, 386 f.; in diese Richtung ebenfalls: Liebau, „Ne bis in idem“, S. 127 ff.; Magiera, in: HGR VI/1, § 161 Rn. 85, siehe aber auch Rn. 87; Vogel, StRR 2011, 135, 137. 528 EuGH, Urteil vom 27.05.2014 – C-129/14 PPU, NJW 2014, 3007 ff. 529 OLG Nürnberg, EuGH-Vorlage vom 19. März 2014 – 2 Ws 98/14 –, juris. 530 Ausführlich zum Begriff der Acte-clair-Doktrin: Broberg/Fenger, EuR 2010, 835 ff.; vgl. auch: Satzger, in: Festschrift von Heintschel-Heinegg, S. 391, 394 f.

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Doktrin ist dabei Art. 267 AEUV, der in Absatz 2 die Möglichkeit für ein Gericht eröffnet, ein Vorabentscheidungsverfahren einzuleiten, wenn eine nach Art. 267 I AEUV europarechtliche Frage entscheidungserheblich ist. Für letztinstanzliche Gerichte ordnet Art. 267 III AEUV bei entscheidungserheblichen Fragen532 die Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens verpflichtend an. Eine anerkannte Ausnahme zu der Vorlagepflicht des Art. 267 III AEUV stellt die Acteclair-Doktrin dar: Wenn keine vernünftigen Zweifel an der Beantwortung einer Frage bestehen, entfällt die Vorlagepflicht.533 Im Gegensatz zu anderen deutschen Gerichten lehnte das OLG Nürnberg die Acte-clair-Doktrin ausdrücklich ab und leitete ein Vorabentscheidungsverfahren ein.534 Der EuGH entschied in dieser Sache ebenfalls, dass der Schutz des Art. 50 GRC nicht über den des Art. 54 SDÜ hinausgehe.535 Art. 54 SDÜ sei eine einschränkende Regelung im Sinne des Art. 52 I GRC,536 der die Voraussetzungen für Einschränkungen von Grundrechten der 531 Vgl. beispielsweise: BVerfGE 133, 277, 315 f. Rn. 90 f.; BGHSt 56, 11, 16 Rn. 16; vgl. ebenfalls als unterinstanzliche Gerichte, für die ohnehin keine Vorlagepflicht bestand: OLG München StV 2013, 313, 314; LG Aachen StraFo 2010, 190. Kritisch zur Nichtvorlage durch den BGH und das BVerfG: Zeder, JSt 2014, 76, 77. 532 Siehe dazu nur: EuGH, Urteil vom 06.10.1982, Rs. 283/81, Srl C.I.L.F.I.T. und Lanificio de Gavardo SpA/Ministero della sanità, Slg. 1982, 3415, 3416 und 3431. 533 Siehe anstatt aller nur: EuGH, Urteil vom 06.10.1982, Rs. 283/81, Srl C.I.L.F.I.T. und Lanificio de Gavardo SpA/Ministero della sanità, Slg. 1982, 3415, 3431 f.; Broberg/Fenger, EuR 2010, 835, 836. 534 OLG Nürnberg, EuGH-Vorlage vom 19. März 2014 – 2 Ws 98/14 –, juris, Rn. 20. 535 Vgl.: EuGH, Urteil vom 27. Mai 2014 – C-129/14 PPU, NJW 2014, 3007, 3008 Rn. 54 f. Der EuGH setzt sich in diesem Urteil nicht ausführlich mit der anderen Ansicht auseinander. Da es sich um ein Eilverfahren nach Art. 23a EuGH-Satzung und Art. 107 EuGH-Verfahrensordnung (die Gesetze sind abrufbar unter: http://curia. europa.eu/jcms/upload/docs/application/pdf/2008-09/statut_2008-09-25_11-55-49_682. pdf und http://curia.europa.eu/jcms/upload/docs/application/pdf/2012-10/rp_de.pdf, jeweils zuletzt aufgerufen am 18.06.2016) handelte (siehe: EuGH, Urteil vom 27. Mai 2014 – C-129/14 PPU, NJW 2014, 3007, 3008 Rn. 47 ff.), konnten die Mitgliedstaaten zu der Frage des Verhältnisses von Art. 54 SDÜ und Art. 50 GRC keine Stellung nehmen. Zustimmend zur Entscheidung des EuGH: Hecker, JuS 2014, 845, 846 f. Ablehnend: Weißer, ZJS 2014, 589, 593; in diese Richtung auch: Meyer, HRRS 2014, 269, 273 ff. 536 BGHSt 56, 11, 15; LG Aachen, StraFo 2010, 190; Ambos, Internationales Strafrecht, § 10 Rn. 119; Esser, in: Löwe-Rosenberg XI, EMRK Art. 6/Art. 14 IPBPR Rn. 1099; Hackner, NStZ 2011, 425, 429; Hecker, Europäisches Strafrecht, Kapitel 13 Rn. 39; Koch/Dorn, JURA 2011, 690, 694; Kretschmer, ZAR 2011, 384, 387; Radtke, in: Europäisches Strafrecht (EnzEuR Bd. 9), § 12 Rn. 58; Satzger, Internationales und Europäisches Strafrecht, § 10 Rn. 70; ders., in: FS Roxin, S. 1515, 1523 f.; in diese Richtung auch die Europäische Kommission, siehe: Commission staff working document – Annex to the Green Paper on conflicts of jurisdiction and the principle of ne bis in idem in criminal proceedings {COM(2005) 696 final} /* SEC/2005/1767*/, Question 13 cc) (c), abrufbar unter: www.eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri= celex:52005SC1767, zuletzt aufgerufen am 18.06.2016.

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Charta aufstellt. Der BGH, ein Teil der Literatur und der EuGH begründen dies mit den folgenden Sätzen aus der Erläuterung zu Art. 50 GRC:537 „Nach Art. 50 findet die Regel „ne bis in idem“ nicht nur innerhalb der Gerichtsbarkeit eines Staates, sondern auch zwischen den Gerichtsbarkeiten mehrerer Mitgliedstaaten Anwendung. Dies entspricht dem Rechtsbesitzstand der Union, siehe die Artikel 54 bis 58 des Schengener Durchführungsübereinkommens [. . .]. Die klar eingegrenzten Ausnahmen, in denen die Mitgliedstaaten nach diesen Übereinkommen von der Regel „ne bis in idem“ abweichen können, sind von der horizontalen Klausel des Artikels 52 Absatz 1 über die Einschränkungen abgedeckt.“ 538 Nach anderer Ansicht bestimmt sich der Schutz nach Art. 50 GRC unabhängig von Art. 54 SDÜ.539 Auswirkungen hat dieser Streit – wie oben bereits angedeutet – insbesondere auf die Vollstreckungsklausel, die in Art. 54 SDÜ, aber nicht in Art. 50 GRC angelegt ist:540 Diejenigen, die den Schutzbereich des Art. 50 GRC in Anlehnung an Art. 54 SDÜ bestimmen wollen, verlangen folglich auch für Art. 50 GRC eine Vollstreckung der Strafe im Sinne des Art. 54 SDÜ, während diejenigen, die den Schutz des Art. 50 GRC unabhängig von Art. 54 SDÜ bestimmen, die Vollstreckung der Strafe nicht als Voraussetzung des Art. 50 GRC ansehen. Der soeben angeführte Schluss des BGH, des EuGH und einiger anderer Autoren, dass Art. 54 SDÜ eine einschränkende Regelung im Sinne des Art. 52 I 537 BGHSt 56, 11, 15; EuGH, Urteil vom 27. Mai 2014 – C-129/14 PPU, NJW 2014, 3007, 3008 Rn. 54 f.; Burchard/Brodowski, StraFo 2010, 179, 183; Esser, in: Löwe-Rosenberg XI, EMRK Art. 6/Art. 14 IPBPR Rn. 1100; Hackner, NStZ 2011, 425, 429, behauptet lediglich, dass die Erläuterungen des Präsidiums des Konvents zur Ausarbeitung der Charta für eine solche Auslegung sprächen; Kretschmer, ZAR 2011, 384, 386; Satzger, in: FS Roxin, S. 1515, 1524; Vogel, StRR 2011, 135, 137. 538 Abl. EG C 310 vom 16.12.2004, S. 453; aktualisierte Fassung: Abl. C 303 vom 14.12.2007, S. 31. 539 So beispielsweise: Eser, in: Meyer, Art. 50 Rn. 14; ders., in: Anagnostopoulos, in: FS Hassemer, S. 1121, 1137; Heger, ZIS 2009, 406, 408; ders., HRRS 2008, 413, 415; Nehl, in: HEGR, § 58 Rn. 16; Schönberger, Positive transnationale Jurisdiktionskonflikte, S. 280 Fn. 162; Schomburg/Suominen-Picht, NJW 2012, 1190, 1191; Stalberg, Zum Anwendungsbereich des Art. 50 GRC, S. 179; Swoboda, JICJ 9 (2011), 243, 262 f. und 265 f.; Vogel, in: FS Schroeder, S. 877, 890, in Bezug auf Art. II-110 des gescheiterten Vertrags über eine Verfassung für Europa, der aber identisch mit Art. 50 GRC ist, siehe ABl. C 310 vom 16.12.2004, S. 52; Zöller, in: FS Krey, S. 501, 518 ff., die zwar alle „nur“ davon sprechen, dass Art. 50 GRC entgegen Art. 54 SDÜ kein Vollstreckungselement erfordere; dies läuft aber darauf hinaus, dass Art. 54 SDÜ keinerlei Einfluss auf Art. 50 GRC hat. Die Diskussion betrifft weitestgehend die Frage, ob in Art. 50 GRC ein Vollstreckungselement – wie in Art. 54 SDÜ – hineinzulesen ist. Weiterhin entgegen der Meinung des BGH: Reichling, StV 2010, 237, 238; vgl. auch: Radtke, NStZ 2012, 479, 481, wonach Art. 50 GRC als Primärrecht Vorrang gegenüber Art. 54 SDÜ zukomme, wenn die Voraussetzungen nicht identisch seien. 540 Siehe auch: Radtke, in: Europäisches Strafrecht (EnzEuR Bd. 9), § 12 Rn. 14; vgl. ebenfalls: Swoboda, ZIS 2015, 361, 369 f.

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D. Strafprozessuale Zulässigkeit

GRC sei, ist indes nicht zwingend:541 Die ersten beiden zitierten Sätze der Erläuterung beziehen sich nur darauf, dass auch die Ne-bis-in-idem-Regelung im Schengener Durchführungsübereinkommen transnationale Sachverhalte erfasst. Mit den „klar eingegrenzten Ausnahmen“ 542 sind lediglich die Vorbehalte des Art. 55 SDÜ gemeint.543 Daraus kann man nicht ableiten, dass Art. 50 GRC lediglich nach Maßgabe des Art. 54 SDÜ vor erneuter Strafverfolgung schützt. Insoweit ist es verfehlt, wenn der EuGH ausführt, dass die Erläuterungen ausdrücklich davon ausgehen, dass Art. 54 SDÜ eine einschränkende Bestimmung im Sinne des Art. 52 I GRC sei.544 Im Übrigen sind die Erläuterungen nach Art. 6 I UAbs. 3, Absatz 5 der Präambel der Grundrechtecharta und Art. 52 VII GRC gerade nicht verpflichtend, sondern sie sind lediglich gebührend zu berücksichtigen.545 Selbst wenn man daher annimmt, dass die Erläuterungen Art. 54 SDÜ als Ausnahme zu Art. 50 GRC verstehen, müsste diese Sichtweise nicht zwangsläufig übernommen werden.546 Weiterhin erscheint es fraglich, ob die ältere sekundärrechtliche547 Norm des Art. 54 SDÜ den neueren primärrechtlichen Art. 50 GRC einschränken kann.548

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So ebenfalls: Radtke, in: Europäisches Strafrecht (EnzEuR Bd. 9), § 12 Rn. 58. Abl. EG C 310 vom 16.12.2004, S. 453; aktualisierte Fassung: Abl. C 303 vom 14.12.2007, S. 31. 543 So auch: Böse, GA 158 (2011), 504, 506; ders., in: „Ne bis in idem in Europa“, S. 171, 172 f.; Merkel/Scheinfeld, ZIS 2012, 206, 209; Meyer, HRRS 2014, 269, 271 Fn. 20; Nestler, HRRS 2013, 337, 339 f.; Stalberg, Zum Anwendungsbereich des Art. 50 GRC, S. 172 f., der noch darauf hinweist, dass nicht die Erläuterungen, sondern der Wille des Konvents maßgeblich sei; Walther, ZJS 2013, 16, 19 und 21. 544 Siehe: EuGH, Urteil vom 27. Mai 2014 – C-129/14 PPU, NJW 2014, 3007, 3008 Rn. 54 f. 545 Dies betont auch: Radtke, in: Europäisches Strafrecht (EnzEuR Bd. 9), § 12 Rn. 58, der von einer „Überhöhung der Bedeutung von Abs. V der Präambel der Charta“ spricht. 546 So auch: Gaede, NJW 2014, 2990. 547 Zur lediglich sekundärrechtlichen Geltung des Art. 54 SDÜ vgl. auch: Burchard/ Brodowski, StraFo 2010, 179, 181; Hackner, NStZ 2011, 425, 429; Satzger, Internationales und Europäisches Strafrecht, § 10 Rn. 70; ders., in: FS Roxin, S. 1515, 1521 Fn. 23 und 1522; Walther, ZJS 2013, 16, 17. 548 Vgl. auch: Tribunale de Milano, Urteil vom 06.07.2011, N. 12396/92 RG N.R., N. 3531/94 RG G.I.P., Walz, S. 22, in italienischer Sprache abrufbar unter: http:// www.penalecontemporaneo.it/upload/WALZ%20-%20ne%20bis%20in%20idem.pdf, zuletzt aufgerufen am 18.06.2016, allerdings in Bezug auf Art. 55 SDÜ; Eckstein, ZStW 124 (2012), 490, 522, siehe aber auch 523; Meyer, HRRS 2014, 269, 272; Reichling, StV 2010, 237, 238; Zeder, JSt 2014, 76, 77. Zum Vorrang des Primärrechts im Fall des Art. 50 GRC gegenüber Art. 54 SDÜ, siehe: Böse, GA 158 (2011), 504, 505. Nach Radtke, in: Europäisches Strafrecht (EnzEuR Bd. 9), § 12 Rn. 14, kann jedoch weder „die Normenhierarchie noch [. . .] die zeitliche Reihenfolge des Inkrafttretens“ zur Bestimmung des Verhältnisses von Art. 50 GRC zu Art. 54 SDÜ herangezogen werden. 542

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Denn nach dem Lex-posterior-Grundsatz549, der grundsätzlich auch im Europarecht gilt,550 könnte Art. 50 GRC Art. 54 SDÜ verdrängen. Dem steht jedoch Art. 9 des Protokolls Nr. 36 über die Übergangsbestimmungen551 entgegen:552 Nach dieser Vorschrift behalten die Rechtsakte der Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der EU, die vor dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon auf der Grundlage des Vertrags über die Europäische Union angenommen wurden, so lange Rechtswirkung, bis sie in Anwendung der Verträge aufgehoben, für nichtig erklärt oder geändert werden. Dies gilt nach Art. 9 S. 2 auch für Übereinkommen, die auf der Grundlage des Vertrags über die Europäische Union zwischen Mitgliedstaaten geschlossen wurden. Aufgrund dieser Vorschrift hätte es bei Einführung der Charta der Grundrechte der Europäischen Union – und damit des Art. 50 GRC – eines ausdrücklichen Hinweises bedurft, dass Art. 54 SDÜ nunmehr keine Geltung mehr beansprucht. Ein solcher Hinweis fehlt jedoch, sodass man nicht davon ausgehen kann, dass Art. 54 SDÜ gar nicht mehr zur Anwendung kommt.553 Reichling554 betont aber, dass jegliche Hinweise auf eine Auslegung des Art. 50 GRC mithilfe des Art. 54 SDÜ fehlen würden.555 Außerdem unterscheidet sich der räumliche Anwendungsbereich von Art. 50 GRC und Art. 54 SDÜ,556 was ebenfalls dafür spricht, Art. 50 GRC unabhängig von Art. 54 SDÜ auszulegen.557 Daneben kann man den Zweck einer Vollstreckungsklausel mittlerweile auch mit anderen Mitteln verwirklichen:558 Die Vollstreckungsklausel in Art. 54 SDÜ 549 Lex posterior derogat legi priori, d. h., das jüngere Gesetz verdrängt die älteren Gesetze, vgl. nur: Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, S. 572. 550 Siehe nur: Walther, ZJS 2013, 16, 17. 551 ABl. C 115 vom 09.05.2008, S. 325. 552 So auch: OLG Nürnberg, EuGH-Vorlage vom 19. März 2014 – 2 Ws 98/14 –, juris, Rn. 43; a. A.: Merkel/Scheinfeld, ZIS 2012, 206, 208. 553 Vorsichtiger: Walther, ZJS 2013, 16, 18. 554 Reichling, StV 2010, 237, 238. 555 Vgl. auch: Schomburg, in: Internationale Rechtshilfe in Strafsachen, Art. 54 SDÜ Rn. 13; Schomburg/Suominen-Picht, NJW 2012, 1190, 1191; Stalberg, Zum Anwendungsbereich des Art. 50 GRC, S. 173, die auf den eindeutigen Wortlaut des Art. 50 GRC abstellen; siehe ebenfalls: Koch/Dorn, JURA 2011, 690, 694, die eine Einschränkung im Ergebnis aber für „möglich und nötig“ halten. 556 Siehe dazu auch: Radtke, in: Europäisches Strafrecht (EnzEuR Bd. 9), § 12 Rn. 33. Zu dem Unterschied, dass Art. 50 GRC im Gegensatz zu Art. 54 SDÜ auch für rein innerstaatliche Sachverhalte gilt, siehe: Swoboda, ZIS 2015, 361, 370. 557 Vgl. Reichling, StV 2010, 237, 238; Swoboda, JICJ 9 (2011), 243, 265; a. A.: OLG Nürnberg, EuGH-Vorlage vom 19. März 2014 – 2 Ws 98/14 –, juris, Rn. 44. 558 Böse, GA 158 (2011), 504, 508; Stalberg, Zum Anwendungsbereich des Art. 50 GRC, S. 176; in diese Richtung auch: Gaede, NJW 2014, 2990, 2991; Heger, in: FS Kühne, S. 565, 576; Lelieur, Utrecht Law Review 9 (2013), 198, 209; Merkel/Scheinfeld, ZIS 2012, 206, 211; Walther, ZJS 2013, 16, 20; Zeder, JSt 2012, 195, 197; ähnlich

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soll verhindern, dass jemand nach einem rechtskräftigen Endurteil in ein anderes Land flieht, um sich dort mit dem Ziel, sich auf Art. 54 SDÜ zu berufen, einer Vollstreckung der Strafe zu entgehen.559 Ein solches Vorgehen könnte aber auch ein Europäischer Haftbefehl560 oder eine Übernahme der Strafvollstreckung verhindern.561 Voraussetzung dafür wäre freilich zunächst einmal, dass ein europäischer Haftbefehl oder die Übernahme der Strafvollstreckung keine erneute Verfolgung im Sinne des Art. 50 GRC darstellen. Dies kann für die Übernahme der Strafvollstreckung ausgeschlossen werden, weil eben nur die Vollstreckung einer bereits erkannten Strafe von einem anderen Mitgliedstaat übernommen wird. Für den Haftbefehl, an dessen Ende die Auslieferung an einen anderen Staat steht, könnte der Einwand des Verbots erneuter Strafverfolgung jedoch berechtigt sein: Ob dies der Fall ist, ist abhängig davon, welchem Rechtsgebiet die internationale Rechtshilfe in Strafsachen zuzuordnen ist. Im Rahmen der allgemeinen Rechtshilfe in Strafsachen ist die Einordnung umstritten. Nach der (mittlerweile veralteten) sogenannten Rechtspflegetheorie ist die Rechtshilfe – und insbesondere die Auslieferung – der Strafrechtspflege des ersuchenden Staates zuzuordnen.562 Nach der nunmehr herrschenden Rechtshilfetheorie ist die Rechtshilfe in Strafsachen die Unterstützung fremder Strafverfolgung. Ausgehend von der herrschenden Meinung liegt in der Auslieferung keine erneute Verfolgung, weil lediglich die bereits begonnene Strafverfolgung aber in Bezug auf die Abschaffung des Vollstreckungselements in Art. 54 SDÜ: Fletcher, Yearbook of European Law 26 (2007), 33, 45; a. A. unter anderem: Eckstein, ZStW 124 (2012), 490, 526; Koch/Dorn, JURA 2011, 690, 694; Satzger, Internationales und Europäisches Strafrecht, § 10 Rn. 70; ders., in: FS Roxin, S. 1515, 1522 f. Dies prüft auch der EuGH im Rahmen der Erforderlichkeit nach Art. 52 I GRC, siehe: EuGH, Urteil vom 27. Mai 2014 – C-129/14 PPU, NJW 2014, 3007, 3009 Rn. 65 ff. Nach Böse, in: „Ne bis in idem in Europa“, S. 171, 173, hat das Vollstreckungselement seine Berechtigung verloren. 559 Siehe: Meyer, HRRS 2014, 269, 272; Plöckinger/Leidenmühler, wistra 2003, 81, 87; Specht, Die zwischenstaatliche Geltung des Grundsatzes ne bis in idem, S. 166; Stalberg, Zum Anwendungsbereich des Art. 50 GRC, S. 174; Zöller, in: FS Krey, S. 501, 512. In dem Fall, der dem Urteil des EuGH zugrunde lag, entzog der Angeklagte sich noch nicht einmal der Vollstreckung. Vielmehr lag die nicht erfolgte Vollstreckung an der Auslieferung an die Bundesrepublik Deutschland, siehe: OLG Nürnberg, EuGH-Vorlage vom 19. März 2014 – 2 Ws 98/14 –, juris, Rn. 6 ff. Sie lag damit im Verantwortungsbereich der Behörden. Das Hineinlesen der Vollstreckungsklausel in Art. 50 GRC führt im Ergebnis trotzdem dazu, dass der Verurteilte die negativen Konsequenzen in Form eines weiteren Prozesses, den er über sich ergehen lassen muss, trägt. Kritisch dazu: Böse, in: „Ne bis in idem in Europa“, S. 171, 176; Meyer, HRRS 2014, 269, 273 und 277 f.; Weißer, ZJS 2014, 589, 593. 560 Heger, HRRS 2008, 413, 415; a. A.: Esser, in: Löwe-Rosenberg XI, EMRK Art. 6/Art. 14 IPBPR Rn. 1098; vgl. auch: Hecker, Europäisches Strafrecht, Kapitel 13 Rn. 38; allgemein kritisch zum europäischen Haftbefehl: Jagla, Auf dem Weg zu einem zwischenstaatlichen ne bis in idem, S. 340 f.; Nestler, ZStW 116 (2004), 332, 336 ff. 561 Böse, GA 158 (2011), 504, 508; siehe zu den beiden Instituten: Abl. L 190 vom 18.07.2002, S. 1 ff. und Abl. L 327 vom 05.12.2008, S. 27 ff. 562 Siehe nur: Vogel, in: IRG I, Vor § 1 Rn. 5; hier auch zum Folgenden.

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unterstützt wird.563 Es erscheint aber auch unter der Prämisse der Rechtspflegetheorie fraglich, ob die Auslieferung eine erneute Verfolgung darstellt, weil es ja gerade nicht um eine erneute Strafverfolgung durch einen anderen Staat, sondern lediglich um eine „Weiterverfolgung“ durch den ersuchenden Staat geht. Die erläuterten Grundsätze sind auf das Unionsrecht übertragbar,564 sodass weder in dem europäischen Haftbefehl noch in der Übernahme der Strafvollstreckung eine erneute Verfolgung liegt. Der Verzicht auf das Vollstreckungselement kann aber dazu führen, dass bei Bagatelldelikten eine Vollstreckungsverhinderung durch Einreise in ein anderes Land möglich bleibt:565 Der europäische Haftbefehl und die Übernahme der Strafvollstreckung sind an gewisse Voraussetzungen gebunden. So kann ein europäischer Haftbefehl nach Art. 2 I des Rahmenbeschlusses566 nur ab einer Mindeststrafandrohung von zwölf Monaten oder im Falle einer Verurteilung ab einer Freiheitsstrafe von mindestens vier Monaten erlassen werden. Weiterhin kann die Übergabe nach Art. 2 IV des Rahmenbeschlusses567 bei Straftaten, die nicht in Art. 2 II aufgelistet sind, von der Strafbarkeit der Handlung im Vollstreckungsstaat abhängig gemacht werden. Gleiches gilt für die Übernahme der Strafvollstreckung.568 Außerdem enthält Art. 9 I des Rahmenbeschlusses569 Gründe für eine Versagung der Vollstreckung.570 Das aus diesen höheren Voraussetzungen resultierende Missbrauchspotenzial ist jedoch vor dem Hintergrund des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes hinzunehmen,571 zumal die Täter bei geringen Strafandrohungen kaum versuchen werden, sich der Vollstreckung durch Flucht in ein anderes Land zu entziehen. Deshalb kann der Umstand, dass an den europäischen Haftbefehl und die Übernahme der Strafvollstreckung weitere Voraussetzungen geknüpft werden, im Ergebnis nicht dazu führen, eine Vollstreckungsklausel in Art. 50 GRC hineinzulesen.572 563 So auch: OLG München StV 2013, 313, 314; dies steht auch nicht im Widerspruch zu den Ausführungen von Brodowski, StV 2013, 339, 345, in Bezug auf Art. 54 SDÜ, da er sich auf die Auslieferung an einen Drittstaat und nicht an den Erstverfolgerstaat bezieht („trilaterale Sachverhalte“, siehe Brodowski, a. a. O., 346). 564 Vgl. nur: OLG München StV 2013, 313, 314. 565 Siehe auch: Zöller, in: FS Krey, S. 501, 519. 566 Abl. L 190 vom 18.07.2002, S. 2. 567 Abl. L 190 vom 18.07.2002, S. 3. 568 Siehe: Art. 7 I, III, Abl. L 327 vom 05.12.2008, S. 33. 569 Abl. L 327 vom 05.12.2008, S. 33 f. 570 Siehe vor allem Art. 9 I c), der eine Versagung bei Entgegenstehen des Ne-bis-inidem-Grundsatzes erlaubt. 571 So auch: Böse, GA 158 (2011), 504, 509; ders., in: „Ne bis in idem in Europa“, S. 171, 176; vgl. auch: Swoboda, ZIS 2015, 361, 370. 572 Kritisch zu der Frage, ob der Zweck der Vollstreckungsklausel auch mit anderen Mitteln erreicht werden kann: Hecker, Europäisches Strafrecht, Kapitel 13 Rn. 38.

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Dem widerspricht der EuGH:573 Er betont, dass andere Instrumente nicht geeignet seien, die „vollständige Verwirklichung [des] Ziels“ 574 – nämlich zu verhindern, dass rechtskräftig Verurteilte sich der Strafe entziehen – zu erreichen.575 Dies wird auch nach der hier vertretenen Auffassung nicht bestritten, ist aber insbesondere vor dem Hintergrund des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit hinzunehmen. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass der EuGH die geschilderten Überlegungen im Rahmen der Prüfung der Erforderlichkeit des Eingriffs in Art. 52 I GRC anstellt. Erforderlich ist eine Maßnahme aber nur, wenn kein gleich geeignetes, milderes Mittel zur Verfügung steht.576 Insofern ist dem EuGH zuzustimmen, dass die anderen Instrumente nicht gleich geeignet sind zu verhindern, dass rechtskräftig Verurteilte sich der Strafe entziehen.577 Da nach der hier vertretenen Ansicht jedoch bereits der Ansatz des EuGH, Art. 54 SDÜ als Vorschrift im Sinne des Art. 52 I GRC anzusehen, nicht überzeugen kann, ergibt sich aus den Überlegungen des EuGH zur Erforderlichkeit keine andere Bewertung in Bezug auf das Verhältnis des Art. 54 SDÜ zu Art. 50 GRC. Im Übrigen stellt Böse sogar die These auf, dass „der Gefahr des „forum shopping“ 578 [. . .] über das Vollstreckungselement kaum begegnet werden“ 579 könne.580 Merkel/Scheinfeld führen außerdem Art. 3 II EUV an, wonach die Union ihren Bürgern einen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts ohne Binnengrenzen bietet, um zu begründen, dass Art. 50 GRC kein Vollstreckungselement voraussetze.581 Ähnlich argumentiert Swoboda: Die Gefahr des „forum shop-

573 EuGH, Urteil vom 27. Mai 2014 – C-129/14 PPU, NJW 2014, 3007, 3009 Rn. 65 ff. 574 EuGH, Urteil vom 27. Mai 2014 – C-129/14 PPU, NJW 2014, 3007, 3009 Rn. 68 und 70. 575 EuGH, Urteil vom 27. Mai 2014 – C-129/14 PPU, NJW 2014, 3007, 3009 Rn. 68 ff. 576 Siehe in Bezug auf Art. 52 I GRC nur: Cornils, in: Europäischer Grundrechteschutz (EnzEuR Bd. 2), § 5 Rn. 111. 577 An der Erforderlichkeit zweifelnd: Böse, in: „Ne bis in idem in Europa“, S. 171, 173 ff.; Gaede, NJW 2014, 2990, 2991. 578 Als forum shopping wird die Situation beschrieben, dass Strafverfolgungsorgane oder Tatverdächtige sich denjenigen Staat „aussuchen“, dessen Rechtsordnung oder Rechtsprechung für sie am günstigsten ist, siehe: Jagla, Auf dem Weg zu einem zwischenstaatlichen ne bis in idem, S. 32; Lagodny, Empfiehlt es sich, eine neue Gerichtskompetenz für Strafgewaltskonflikte vorzusehen?, S. 65; Schomburg/Suominen-Picht, NJW 2012, 1190, 1191. 579 Böse, GA 158 (2011), 504, 508 f., mit anderen Vorschlägen zur Verhinderung des forum shopping. Vgl. auch: ders., in: „Ne bis in idem in Europa“, S. 171, 174 f. 580 Ähnlich: Merkel/Scheinfeld, ZIS 2012, 206, 210 f. A. A.: Pauckstadt-Maihold, in: FS von Heintschel-Heinegg, S. 359, 362. 581 Merkel/Scheinfeld, ZIS 2012, 206, 210; siehe auch: Schomburg, in: Internationale Rechtshilfe in Strafsachen, Art. 54 SDÜ Rn. 15, der auf Absatz 2 der Präambel der

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pings“ resultiere notwendigerweise aus dem Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts und könne daher nicht als eine Gefahr für die Sicherheit dargestellt werden.582 Weiterhin ist aus einem argumentum ad absurdum583 zu schließen, dass Art. 50 GRC keine Vollstreckung der Strafe verlangt:584 Wenn man für Art. 50 GRC ein Vollstreckungselement fordert, müsste dieses auch für innerstaatliche Sachverhalte gelten. Art. 4 EMRK-Pr. 7 enthält jedoch kein solches Vollstreckungselement. Nach Art. 52 III GRC darf das Schutzniveau der europäischen Menschenrechtskonvention aber nicht unterschritten werden.585 Genau dies wäre jedoch der Fall, wenn man die Vollstreckung der Strafe als Voraussetzung für Art. 50 GRC erklärt. Die einzige verbleibende Möglichkeit wäre, die Vollstreckung nur im Rahmen von transnationalen Sachverhalten zu fordern. Eine solche „getrennte“ Auslegung des Art. 50 GRC lässt sich aber weder dogmatisch noch durch andere Erwägungen begründen.586 Generell gilt, dass einer Weiterentwicklung des Ne-bis-in-idem-Grundsatzes im Sinne einer Erhöhung des Schutzniveaus auf europäischer Ebene nicht durch die Annahme, dass lediglich bereits bestehende Standards bestätigt werden sollen, „Steine in den Weg gelegt“ werden dürfen.587 Dies gilt sowohl in Bezug auf Art. 4 EMRK-Pr. 7588 als auch auf Art. 54 SDÜ. Naheliegend ist, dass das Präsidium des Konvents zur Ausarbeitung der Charta Art. 50 GRC bewusst anders als Art. 4 EMRK-Pr. 7, also ohne den Wiederaufnahmevorbehalt aus Art. 4 II EMRK-Pr. 7, und auch bewusst anders als Art. 54 SDÜ, nämlich ohne Vollstreckungsklausel, formuliert hat: Davon ausgehend sollte offensichtlich ein höheres Schutzniveau erreicht werden.589 Dieser Gedanke wird jedoch konterkariert, Charta rekurriert, in dem es ebenfalls heißt, dass die Union einen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts begründet. 582 Swoboda, ZIS 2015, 361, 370. 583 Allgemein zu diesem Argument: Höhn, Praktische Methodik der Gesetzesauslegung, S. 274 f.; Puppe, Kleine Schule des juristischen Denkens, S. 190 ff. 584 Siehe zum Folgenden: Stalberg, Zum Anwendungsbereich des Art. 50 GRC, S. 173. 585 Jarass, GRCh, Art. 52 Rn. 63; Lenaerts, EuR 2012, 3, 12. 586 Ähnlich: Nestler, HRRS 2013, 337, 339; a. A.: Stalberg, Zum Anwendungsbereich des Art. 50 GRC, S. 174. 587 Vgl. auch: Swoboda, JICJ 9 (2011), 243, 266; ähnlich in Bezug auf das Verhältnis des Art. 50 GRC zu Art. 54 SDÜ: Meyer, HRRS 2014, 269, 272. 588 Siehe dazu auch: Böse, GA 158 (2011), 504, 506 f.; siehe aber: Grabenwarter, in: FS Steinberger, S. 1129, 1138, wonach unter anderem „das Verbot der Doppelbestrafung [. . .] nach Maßgabe der EMRK-Rechte gewährleistet“ sei. 589 So auch: Swoboda, JICJ 9 (2011), 243, 263; vgl. ebenfalls: Tribunale de Milano, Urteil vom 06.07.2011, N. 12396/92 RG N.R., N. 3531/94 RG G.I.P., Walz, S. 22, in italienischer Sprache abrufbar unter: http://www.penalecontemporaneo.it/upload/ WALZ%20-%20ne%20bis%20in%20idem.pdf, zuletzt aufgerufen am 18.06.2016, allerdings in Bezug auf Art. 55 SDÜ; Eckstein, ZStW 124 (2012), 490, 521; Koch/Dorn,

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wenn man bei der Interpretation und Einschränkung des Art. 50 GRC auf Art. 4 EMRK-Pr. 7 und Art. 54 SDÜ zurückgreift. Außerdem erscheint es insgesamt kaum nachvollziehbar, eine Vorschrift, die vor der Grundrechtecharta bestand und bis dato überhaupt nicht den Zweck verfolgte, den Ne-bis-in-idem-Grundsatz einzuschränken, sondern vielmehr dazu diente, subjektive Rechte zu gewähren, als Schranke zu verstehen, zumal nur die Voraussetzung des Vollstreckungselements aus Art. 54 SDÜ als Schranke fungieren soll.590 Trotzdem erscheint es zumindest dogmatisch (noch) vertretbar, Art. 54 SDÜ als eine einschränkende Vorschrift im Sinne des Art. 52 I GRC anzusehen; allerdings war dies von dem Präsidium des Konvents zur Ausarbeitung der Charta ersichtlich nicht gewollt. Insofern lässt sich die Einschränkung des Art. 50 GRC durch Art. 54 SDÜ, auch wenn sie dogmatisch (noch) vertretbar erscheint, nicht begründen. Es ist indes auch ein höheres Schutzniveau notwendig, weil mit der „Europäisierung des Strafrechts“ 591 die Gefährdung der Grundrechte zunimmt.592 Daher sind Art. 50 GRC, Art. 4 EMRK-Pr. 7 und Art. 54 SDÜ grundsätzlich – auch wenn man sich bei der Schaffung des Art. 50 GRC an Art. 4 EMRK-Pr. 7 orientiert hat –593 unabhängig voneinander auszulegen. Davon ausgehend ist für Art. 50 GRC kein Vollstreckungselement erforderlich.594

JURA 2011, 690, 694; Meyer, HRRS 2014, 269, 272; Stalberg, Zum Anwendungsbereich des Art. 50 GRC, S. 172; a. A. generell zur GRC: Hilf, in: HGR VI/1, § 164 Rn. 68: Die „primäre Aufgabe des Grundrechtekonvents [sei es gewesen], den status quo (Hervorhebung im Original) zu kodifizieren. Das nach der hier vertretenen Auffassung höhere Schutzniveau durch Art. 50 GRC wird man jedoch nicht zwangsläufig auf Absatz 4 der Präambel zur Grundrechtscharta stützen können, weil dort nur davon die Rede ist, „den Schutz der Grundrechte zu stärken, indem sie in einer Charta sichtbarer gemacht werden“. So aber: Koch/Dorn, JURA 2011, 690, 694 Fn. 55. 590 Swoboda, ZIS 2015, 361, 370; vgl. auch: Hiéramente, StraFo 2010, 445. 591 Eckstein, ZStW 124 (2012), 490, 515. 592 Vgl. Böse, ZJS 2016, 245, 249; Eckstein, ZStW 124 (2012), 490, 515 und 527; Schünemann, StV 2003, 116, 118; ders., ZRP 2003, 185, 187; vgl. auch: Fletcher, Yearbook of European Law 26 (2007), 33, 39. 593 Siehe ABl. C 303 vom 14.12.2007, S. 31. 594 So auch: Böse, in: „Ne bis in idem in Europa“, S. 171, 172 ff.; Eser, in: Meyer, Art. 50 Rn. 14; ders., in: Anagnostopoulos, in: FS Hassemer, S. 1121, 1137; Heger, ZIS 2009, 406, 408; ders., HRRS 2008, 413, 415; Merkel/Scheinfeld, ZIS 2012, 206, 212; Nehl, in: HEGR, § 58 Rn. 16; Schomburg/Suominen-Picht, NJW 2012, 1190, 1191; Swoboda, JICJ 9 (2011), 243, 262 f. und 265 f.; Vogel, in: FS Schroeder, S. 877, 890, in Bezug auf Art. II-110 des gescheiterten Vertrags über eine Verfassung für Europa, der aber identisch mit Art. 50 GRC ist, siehe: ABl. C 310 vom 16.12.2004, S. 52; Zöller, in: FS Krey, S. 501, 518 ff.; weiterhin entgegen der Meinung des BGH: Reichling, StV 2010, 237, 238; vgl. auch: Radtke, NStZ 2012, 479, 481, wonach Art. 50 GRC als Primärrecht Vorrang gegenüber Art. 54 SDÜ zukommt, wenn die Voraussetzungen nicht identisch sind. Nach Stalberg, Zum Anwendungsbereich des Art. 50 GRC, S. 170, ist Art. 54 SDÜ nach diesem Ansatz grundrechtswidrig.

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Nachdem nunmehr die Schutzbereiche der Art. 50 GRC und Art. 54 SDÜ dargestellt wurden, stellt sich die Frage, ob die Vorschriften das Schutzniveau bezüglich des Verbots der doppelten Strafverfolgung angehoben haben. Art. 103 III GG könnte einen ähnlich weitreichenden Schutz bieten. Daher soll im Folgenden geprüft werden, ob der Schutz des Art. 103 III GG auch durch zuvor ergangene ausländische Urteile ausgelöst wird. Sofern dies der Fall ist, könnte § 362 StPO auch gegen Art. 103 III GG in seiner transnationalen Dimension verstoßen. Art. 103 III GG kommt aber in jedem Fall noch eine eigenständige Bedeutung gegenüber Art. 54 SDÜ und Art. 50 GRC zu, weil die Rechtsschutzmöglichkeiten des Bürgers aufgrund des Grundrechtcharakters595 erweitert werden und – zumindest noch theoretisch – Fälle denkbar sind, in denen weder Art. 54 SDÜ noch Art. 50 GRC zur Anwendung kommen. Nach herrschender Meinung steht ein ausländisches Urteil einer erneuten Verurteilung in Deutschland nicht entgegen, weil Art. 103 III GG auf staatenübergreifende Sachverhalte nicht anwendbar sei.596 Der BGH begründete dies mit den §§ 3, 5 und 7 StGB a. F.597 und mit § 153b StPO a. F. (heute § 153c StPO).598 Dem Angeklagten geschehe auch kein Unrecht, da die ausländische Strafe auf die inländische anzurechnen sei.599 Rüping argumentiert mit der „Souveränität

595 Siehe anstatt aller: BVerfGE 56, 22, 32; Radtke, in: Epping/Hillgruber, Art. 103 Rn. 44; Kloepfer, Verfassungsrecht II, § 75 Rn. 3. 596 Siehe: BVerfGE 12, 62, 66; 75, 1, 15 f.; BVerfGK 13, 7, 11; 19, 265, 273; BGHSt 6, 176, 177; 24, 54, 57; BGH StV 1986, 292; OLG Düsseldorf StV 1994, 31, 32; OLG Frankfurt NJW 1979, 1111; von Bubnoff, Auslieferung, Verfolgungsübernahme, Vollstreckungshilfe, S. 73; Bühler, Die Bedeutung ausländischer Strafurteile, S. 55; Eser/ Burchard, in: FS Meyer, S. 499, 503; Inhofer, in: Graf, Art. 54 SDÜ Rn. 8; Merkel/ Scheinfeld, ZIS 2012, 206, 207; Nestler, HRRS 2013, 337, 339; Rüping, in: BK, Art. 103 III Rn. 68 f.; Schmahl, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, Art. 103 Rn. 89; Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig VI, Art. 103 Rn. 303; Walther, ZJS 2013, 16; Wassermann, in: AK-GG III, Art. 103 Rn. 61; Wohlfarth, JZ 1955, 526, 529; in diese Richtung ebenfalls: Nolte, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG III, Art. 103 Rn. 201; ders., in: FS Rauschning, S. 173, 181 f. § 5 Nr. 1 StGB sah ursprünglich einen Strafklageverbrauch im Falle eines ausländischen rechtskräftigen Urteils für die deutsche Gerichtsbarkeit vor, siehe: RGBl. 1871, S. 129; vgl. zu der Vorschrift auch: Jagla, Auf dem Weg zu einem zwischenstaatlichen ne bis in idem, S. 8. Die Vorschrift wurde aber durch Art. 1 der Verordnung über den Geltungsbereich des Strafrechts aufgehoben, siehe: RGBl. I 1940, S. 754. Heute wird nach § 51 III StGB lediglich die ausländische Strafe auf die deutsche angerechnet. 597 § 3 StGB bestimmte damals unter anderem die Geltung des deutschen Strafrechts für Inlandstaten, siehe: RGBl. 1940, S. 754 und BGBl. 1953, S. 735; heute ist dies der einzige Regelungsgehalt des § 3 StGB. § 5 StGB a. F. entspricht dem Regelungsgehalt des heutigen § 4 StGB, siehe: RGBl. 1940, S. 755. § 7 StGB a. F. sah die Anrechnung von Auslandsstrafen vor, siehe: RGBl. 1871, S. 129. 598 BGHSt 6, 176, 177; so auch: Bühler, Die Bedeutung ausländischer Strafurteile, S. 48 ff.; Wohlfarth, JZ 1955, 526, 529, allerdings nur in Bezug auf § 7 StGB a. F. 599 BGHSt 6, 176, 178.

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des nationalen Rechts“.600 Das nationale Recht werde „gerade dann nicht auf eine erneute Sanktion verzichten, wenn Verstöße sonst sanktionslos blieben“ 601. Viele verstehen außerdem die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts602 dahingehend, dass es zur Begründung der rein innerstaatlichen Geltung des Art. 103 III GG auf das bei Einführung des Grundgesetzes geltende Strafprozessrecht abstelle.603 Nach anderer Ansicht gilt Art. 103 III GG auch für Sachverhalte, in denen zuvor ein ausländisches Urteil ergangen ist.604 Der Wortlaut des Art. 103 III GG stehe einer Auslegung, die auch ausländische Urteile erfasse, nicht entgegen.605 Eine Einschränkung auf inländische Urteile widerspreche der Intention des Art. 103 III GG, und es bestehe auch kein Grund für diese Ungleichbehandlung.606 Der Gedanke der Gerechtigkeit spreche für eine Ausweitung des Art. 103 III GG auf ausländische Entscheidungen.607 Außerdem sei die Begründung des Bundesverfassungsgerichts, das auf den Stand des bei Einführung des Grundgesetzes geltenden Strafprozessrechts rekurriere, nicht tragbar.608 Zumin-

600 Rüping, in: BK, Art. 103 III Rn. 69. An anderer Stelle betont Rüping aber, dass „die traditionelle Position [dass Art. 103 III GG nur national gelte] inzwischen als überholt“ (Rüping, in: BK, Art. 103 III Rn. 70) erscheine. 601 Rüping, in: BK, Art. 103 III Rn. 69. 602 Namentlich die Entscheidung BVerfGE 12, 62, 66. 603 So zum Beispiel: Endriß/Kinzig, StV 1997, 665, 666; Mayer, Ne-bis-in-idem-Wirkung, S. 22; in diese Richtung ebenfalls: Bühler, Die Bedeutung ausländischer Strafurteile, S. 51; vorsichtiger mit dieser Schlussfolgerung: Specht, Die zwischenstaatliche Geltung des Grundsatzes ne bis in idem, S. 186. 604 Endriß/Kinzig, StV 1997, 665, 666 f.; Schorn, JR 1964, 205, 206; Schulze-Fielitz, in: Dreier III, Art. 103 III Rn. 28; Specht, Die zwischenstaatliche Geltung des Grundsatzes ne bis in idem, S. 202; in diese Richtung ebenfalls: Kattau, Strafverfolgung, S. 125 f.; ebenfalls kritisch in Bezug auf die h. M.: Brodowski, StV 2013, 339, 341 Fn. 26; Jung, in: FS Schüler-Springorum, S. 493, 495; Mayer, Ne-bis-in-idem-Wirkung, S. 20 ff. Zur generellen Notwendigkeit eines internationalen Ne-bis-in-idem Grundsatzes siehe: Oehler, Internationales Strafrecht, S. 578. Allein die Niederlande haben bereits eine entsprechende Vorschrift (abgesehen von den bereits dargestellten internationalen Vorschriften), die den Ne-bis-in-idem-Grundsatz – ohne Ausnahmen – auf ausländische Entscheidungen erstreckt; vgl.: Bacigalupo, ZStW 116 (2004), 326, 330 Fn. 5; Radtke/Busch, EuGRZ 2000, 421, 430; Schermers, in: Du droit international, S. 601, 607; Lagodny, in: FS Trechsel, S. 253 f., verweist auch auf das englische Recht; Anagnostopoulos, in: FS Hassemer, S. 1121, führt die Niederlande, Spanien und Kanada als Staaten an, die den Ne-bis-in-Grundsatz transnational weit verstehen; generell zu Regelungen in anderen Mitgliedstaaten: Jagla, Auf dem Weg zu einem zwischenstaatlichen ne bis in idem, S. 62 f. 605 Vgl. Endriß/Kinzig, StV 1997, 665, 666; Mayer, Ne-bis-in-idem-Wirkung, S. 36; Schorn, JR 1964, 205, 206; Specht, Die zwischenstaatliche Geltung des Grundsatzes ne bis in idem, S. 189 f., die aus dem „Gesichtspunkt der Grundrechtseffektivität“ die Vermutung herleiten will, dass auch ausländische Urteile von Art. 103 III GG erfasst sind. 606 Schorn, JR 1964, 205, 206. 607 Specht, Die zwischenstaatliche Geltung des Grundsatzes ne bis in idem, S. 199 ff.

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dest bei Straftaten, die nach § 6 StGB dem sogenannten Weltrechtsprinzip609 unterliegen, müsse der Ne-bis-in-idem-Grundsatz – als „Kehrseite des Weltrechtsprinzips“ 610 – auch internationale Geltung beanspruchen.611 Zudem müsse bei der Auslegung des Art. 103 III GG der „zunehmenden Internationalisierung des [Ne-bis-in-idem-]Grundsatzes“ 612 Rechnung getragen werden.613 Die Begründung der herrschenden Meinung trägt im Ergebnis nicht. Zunächst kann sich die Annahme einer rein innerstaatlichen Wirkung des Art. 103 III GG nicht auf die §§ 3, 5 und 7 StGB a. F. und § 153b StPO a. F. stützen: Maßstab für die Auslegung von Verfassungsnormen – namentlich Art. 103 III GG – kann nicht einfachgesetzliches Recht sein.614 Einfachgesetzliche Normen sind vielmehr am Maßstab der Verfassung zu messen. Daher können auch die Äußerungen von Bühler615 nicht überzeugen: Wenn der Gesetzgeber durch § 7 StGB a. F. und § 153b Nr. 3 StPO a. F. „zu erkennen gibt, daß er den Wirkungsbereich des Art. 103 III GG auf das innerstaatliche Recht beschränkt wissen will“ 616, hat dies keinerlei Auswirkungen auf die Auslegung des Art. 103 III GG. Diese Normen sind, wenn sie nicht im Einklang mit Art. 103 III GG stehen, entweder verfassungskonform auszulegen oder sie sind verfassungswidrig. Allein die Tatsache, dass damals niemand von der Verfassungswidrigkeit des § 7 StGB a. F. ausging,617 hat nicht zur Konsequenz, dass Art. 103 III GG nur für rein innerstaatliche Sachverhalte gilt. Einfachgesetzliche Normen können dies nicht begründen. Auch die Annahme, dass dem Angeklagten aufgrund des Anrechnungsprinzips kein Unrecht geschehe,618 hat keinerlei Auswirkung auf die Auslegung des 608 Endriß/Kinzig, StV 1997, 665, 666; Mayer, Ne-bis-in-idem-Wirkung, S. 22 ff.; Specht, Die zwischenstaatliche Geltung des Grundsatzes ne bis in idem, S. 201 f. Siehe dazu auch bereits oben im Rahmen der Auslegung des Art. 103 III GG unter D. II. 2. 609 Allgemein zum Weltrechtsprinzip bereits: Solna, Das Weltrechtsprinzip, passim; siehe weiterhin: Ligeti, Strafrecht und strafrechtliche Zusammenarbeit, S. 76 f. 610 Endriß/Kinzig, StV 1997, 665, 666. 611 Vgl. Endriß/Kinzig, StV 1997, 665, 666; Kattau, Strafverfolgung, S. 125; so auch: Oehler, Internationales Strafrecht, S. 545, Schomburg, StV 1999, 246, 249; allerdings nicht in Bezug auf eine Änderung des Art. 103 III GG. Kunig, in: von Münch/ Kunig, GGK II, Art. 103 Rn. 44, spricht sich ausdrücklich gegen eine weite Auslegung des Art. 103 III GG aus und verweist stattdessen auf „innerstaatliche Gesetzgebung, völkerrechtliche Verträge und ggf. Verfassungsänderung“. 612 Endriß/Kinzig, StV 1997, 665, 667. 613 Endriß/Kinzig, StV 1997, 665, 667; in diese Richtung gehen auch die Argumente von Specht, Die zwischenstaatliche Geltung des Grundsatzes ne bis in idem, S. 189 ff., Art. 103 III GG völkerrechtsfreundlich auszulegen; ähnlich: Schomburg, NJW 2000, 1833, 1840, der aber nicht auf eine Ausweitung des Art. 103 III GG abstellt, sondern über eine Änderung der EMRK nachdenkt; vgl. auch: ders., StV 1999, 246, 249. 614 Siehe dazu nochmals bereits oben unter D. II. 2. 615 Bühler, Die Bedeutung ausländischer Strafurteile, S. 48 ff. 616 Bühler, Die Bedeutung ausländischer Strafurteile, S. 50. 617 Siehe Wohlfarth, JZ 1955, 526, 529. 618 BGHSt 6, 176, 178.

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Art. 103 III GG. Gleiches gilt für die „Souveränität des nationalen Rechts“ 619. Außerdem erscheint die Begründung Rüpings bereits in sich widersprüchlich: Eine erneute Sanktion setzt notwendigerweise eine zuvor erfolgte Sanktionierung voraus. Etwaige Verstöße würden dann gerade nicht sanktionslos bleiben, sondern sie würden doppelt sanktioniert. Selbst der Fall, dass die erste Verfolgung im Ausland sanktionslos enden würde und die Strafklage in Deutschland trotzdem verbraucht wäre, wäre lediglich eine Folge des Prinzips der gegenseitigen Anerkennung ausländischer Urteile und könnte nicht zur Auslegung des Art. 103 III GG herangezogen werden. Sofern man das Bundesverfassungsgericht so versteht, dass es zur Begründung der rein nationalen Geltung auf das bei Einführung des Grundgesetzes geltende Strafprozessrecht abstellt,620 kann dies im Ergebnis ebenfalls nicht überzeugen:621 Es ist nicht ersichtlich, dass der Parlamentarische Rat sich auf das damals geltende Prozessrecht stützen wollte, um den durch Art. 103 III GG gewährleisteten Schutz zu bestimmen. Das Bundesverfassungsgericht versuchte, diese These auf den Bericht des Abgeordneten Zinn zu stützen.622 Dies gibt der Bericht aber nicht her, denn Zinn sagte nur, dass „die überkommenen rechtsstaatlichen Grundsätze [. . .] auch in das Grundgesetz aufgenommen worden sind – z. B. [. . .] ne bis in idem.“ 623 Selbst wenn man davon ausgeht, dass der Parlamentarische Rat sich auf das damalige Prozessrecht berufen wollte, muss man dabei berücksichtigen, dass sich das damalige Prozessrecht in den vier Besatzungszonen unterschied. So existierte in der französischen Besatzungszone sogar eine Ne-bis-in-idem-Bestimmung bezüglich der Strafverfolgung in den unterschiedlichen Besatzungszonen.624 In den 619

Rüping, in: BK, Art. 103 III Rn. 69. So: Endriß/Kinzig, StV 1997, 665, 666; Mayer, Ne-bis-in-idem-Wirkung, S. 22; in diese Richtung ebenfalls: Bühler, Die Bedeutung ausländischer Strafurteile, S. 51; vorsichtiger mit dieser Schlussfolgerung: Specht, Die zwischenstaatliche Geltung des Grundsatzes ne bis in idem, S. 186. Allerdings ist es keineswegs eindeutig, dass das Bundesverfassungsgericht sein Verständnis bezüglich der fehlenden transnationalen Wirkung des Art. 103 III GG aus dem damals geltenden Prozessrecht ableitet. Zwar betont das Bundesverfassungsgericht (BVerfGE 12, 62, 66), dass Art. 103 III GG auf das damals geltende Prozessrecht Bezug nehme; der Satz, der sich auf die internationale Geltung des Art. 103 III GG bezieht, verweist aber nicht auf das damals geltende Prozessrecht als Begründung. Eine ausdrückliche Begründung bleibt das Bundesverfassungsgericht vielmehr schuldig. 621 Siehe zum Folgenden bereits oben unter D. II. 2. bezüglich einer Rechtfertigung des § 362 StPO durch das damals geltende Prozessrecht. 622 BVerfGE 3, 248, 252. 623 Zinn, in: Schriftlicher Bericht, S. 43, 49. 624 Siehe Art. 8 II der Verordnung Nr. 177 über die Gerichte der französischen Militärregierung in Deutschland, abgedruckt in: Kappo/Lermer/Rebentrost, Der Strafprozess, S. 269. 620

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anderen Besatzungszonen war eine vergleichbare Regelung nicht gegeben. Man kann zwar aus der Vorschrift der französischen Besatzungszone nicht ableiten, dass das damals geltende Prozessrecht einen internationalen Ne-bis-in-idemGrundsatz kannte, aber es wird deutlich, dass bei Entstehung des Grundgesetzes kein einheitliches Strafprozessrecht existierte. Zuletzt ist darauf hinzuweisen, dass – wie oben bereits erläutert – zwar das Grundgesetz zur Interpretation einfachgesetzlicher Normen herangezogen werden kann, aber nicht umgekehrt einfaches Recht zur Interpretation der Verfassung.625 Der Sichtweise des Bundesverfassungsgerichts kann daher nicht gefolgt werden. Aber auch die Argumente, die für eine erweiterte Auslegung des Art. 103 III GG angeführt werden, müssen kritisch hinterfragt werden: Zunächst ist festzustellen, dass man das Weltrechtsprinzip für eine erweiterte Auslegung des Art. 103 III GG nicht heranziehen kann.626 Der dahinter stehende Gedanke, dass mit einer Ausweitung der Strafverfolgung auch eine Ausweitung der Schutzmechanismen zugunsten des Angeklagten einhergehen müsse, ist zwar durchaus nachvollziehbar;627 allerdings genießt das Weltrechtsprinzip keinen Verfassungsrang. Außerdem betrifft das Weltrechtsprinzip die Reichweite des Strafanspruchs der nationalen Rechtsordnung und nicht das Problem mehrerer Verurteilungen durch unterschiedliche Staaten. Es kann daher nicht zu der Auslegung des Art. 103 III GG beitragen.628 Die Antwort auf die Frage der Reichweite des Art. 103 III GG muss vielmehr in der Interpretation der Verfassung anhand der anerkannten Auslegungsmethoden gefunden werden. Der Wortlaut des Art. 103 III GG ließe in der Tat eine Ausweitung der Vorschrift auf internationale Sachverhalte zu.629 Dies allein ist aber noch kein Argument dafür, dass Art. 103 III GG transnationale Wirkung entfaltet, weil sich der Wortlaut zu dieser Frage nicht verhält. Er ist nicht eindeutig und lässt beide Möglichkeiten der Auslegung zu. 625

Ausführlich dazu oben unter D. II. 2. Vgl. auch: Eckstein, ZStW 124 (2012), 490, 498 f. 627 Vgl. dazu auch: Böse, ZJS 2016, 245, 249; Landau, in: FS Söllner, S. 627, 628; Satzger, in: SSW-StPO, Art. 50 GRCh, Art. 54 SDÜ Rn. 7. 628 Vielmehr steht das Weltrechtsprinzip im Konflikt zu einigen Normen des Grundgesetzes, siehe: Wang, Der universale Strafanspruch, S. 109 ff.; vgl. auch: Gärditz, Weltrechtspflege, S. 314 ff. 629 Vgl. dazu auch: Endriß/Kinzig, StV 1997, 665, 666; Mayer, Ne-bis-in-idem-Wirkung, S. 36; Schorn, JR 1964, 205, 206; Specht, Die zwischenstaatliche Geltung des Grundsatzes ne bis in idem, S. 189 f., die aus dem „Gesichtspunkt der Grundrechtseffektivität“, die Vermutung herleiten will, dass auch ausländische Urteile von Art. 103 III GG erfasst sind. 626

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Sowohl die Entstehungsgeschichte als auch der Sinn und Zweck des Art. 103 III GG sprechen aber gegen eine Ausweitung.630 Zu der Zeit der Einführung des Grundgesetzes wurde nicht an eine Ausweitung auf internationale Sachverhalte gedacht. Außerdem war der Zweck der Einführung des Artikels, Missbräuchen, wie sie in der Zeit des Nationalsozialismus vorgekommen waren, vorzubeugen.631 Im Nationalsozialismus erfolgte der Missbrauch aber nicht dadurch, dass Angeklagte dem Strafanspruch mehrerer Staaten ausgesetzt waren. Allerdings könnte der Grundsatz der völkerrechtsfreundlichen Auslegung632 für eine Ausweitung des Anwendungsbereiches des Art. 103 III GG sprechen.633 Dieser Grundsatz soll als ein Aspekt der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes634 beinhalten, dass sogar bei der Auslegung des Grundgesetzes nach Möglichkeit ein Konflikt mit den völkerrechtlichen Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland zu vermeiden ist.635 Dem ist – zumindest wenn es um die Ausweitung des Grundrechtsschutzes geht – zuzustimmen.636 Es besteht aber keine Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland, Art. 103 III GG transnational auszulegen. Daher führt selbst die völkerrechtsfreundliche Auslegung nicht zu einer Ausweitung des Schutzbereiches des Art. 103 III GG,637 es sei denn, man legt ein erweitertes Verständnis der völkerrechtsfreundlichen Auslegung zugrunde. Ausgangspunkt eines solchen erweiterten Verständnisses ist, dass bei der Auslegung der Verfassung nicht nur den völkerrechtlichen Verpflichtungen der Bundesrepublik Rechnung zu tragen ist, sondern darüber hinaus, dass diejenige Aus630 A. A.: Schorn, JR 1964, 205, 206, wonach die einschränkende Auslegung der Intention des Art. 103 III GG widerspricht. 631 Bericht Verfassungskonvent, S. 56. 632 Siehe allgemein zu diesem Grundsatz nur: Hofmann, JURA 2013, 326 ff. 633 So auch: Specht, Die zwischenstaatliche Geltung des Grundsatzes ne bis in idem, S. 189 ff. 634 Siehe dazu und zur Herleitung der völkerrechtsfreundlichen Auslegung aus der Verfassung: Tomuschat, in: HStR VII, § 172 Rn. 27 m.w. N.; siehe ebenfalls: BVerfGE 128, 326, 369. 635 Vgl. BVerfGE 111, 307, 317 f.; BVerfGK 9, 174, 190; Bernhardt, in: Bundesverfassungsgericht und Grundgesetz II, S. 155, 186; Bleckmann, DÖV 1979, 309, 312; Payandeh, DÖV 2011, 382, 386; Proelß, in: Linien der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts I, S. 553, 556; Rojahn, in: von Münch/Kunig, GGK I, Art. 24 Rn. 2; Sommermann, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG II, Art. 20 Rn. 254; Tomuschat, in: HStR VII, § 172 Rn. 28; siehe aber BVerfGE 111, 307, 319, wonach Völkervertragsrecht nur dann Geltung beansprucht, wenn es im Einklang mit dem materiellen Verfassungsrecht der Bundesrepublik Deutschland steht; ebenfalls kritisch: Hillgruber, in: HStR II3, § 32 Rn. 28; Payandeh, JÖR n. F./Band 57 (2009), 465, 485 f. 636 So auch: Bernhardt, in: FS Steinberger, S. 391, 396. Das Bundesverfassungsgericht zieht zum Beispiel zur Auslegung des Grundgesetzes auch die EMRK heran, siehe: BVerfGE 74, 358, 370; 111, 307, 315 ff.; 120, 180, 200 f.; 128, 326, 366 ff.; BVerfGK 3, 4, 8; 10, 66, 77; 10, 234, 239; 14, 60, 70; 14, 539, 544; 17, 1, 7. 637 So auch ausführlich: Specht, Die zwischenstaatliche Geltung des Grundsatzes ne bis in idem, S. 191 f.

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legung heranzuziehen ist, die dem Völkerrecht zu möglichst optimaler Wirksamkeit verhilft.638 Davon ausgehend könnte man über Art. 54 SDÜ, der ausweislich des Wortlauts der Vorschrift transnationale Geltung beansprucht, ebenfalls zu einer transnationalen Geltung des Art. 103 III GG gelangen.639 Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass Art. 54 SDÜ nunmehr sekundäres Unionsrecht darstellt.640 Das Recht der Europäischen Union bildet eine eigenständige Rechtsordnung,641 sodass es insofern nicht (mehr) um eine völkerrechtsfreundliche Auslegung, sondern um eine europarechtskonforme Auslegung der Verfassung anhand des Art. 54 SDÜ und – seit Einführung der Grundrechtecharta –642 auch anhand des Art. 50 GRC geht. Gegen eine solche europarechtskonforme Auslegung des Grundgesetzes bestehen aber Bedenken; denn nach deutschem Recht ist allein das Grundgesetz als oberste Normebene anzusehen.643 Es gestattet über Art. 23 GG – und vor dessen Einfügung644 über Art. 24 GG – erst die Anwendung des Europarechts.645 Das Europarecht ist aber trotzdem nicht an das nationale Verfassungsrecht gebunden.646 Selbst das Bundesverfassungsgericht nimmt mittlerweile an, dass das 638 Vgl. Bleckmann, DÖV 1979, 309, 313; Specht, Die zwischenstaatliche Geltung des Grundsatzes ne bis in idem, S. 194 f.; Tomuschat, in: HStR VII, § 172 Rn. 27. 639 So: Specht, Die zwischenstaatliche Geltung des Grundsatzes ne bis in idem, S. 192 ff. 640 So auch anstatt aller: Burchard/Brodowski, StraFo 2010, 179, 181; Hackner, NStZ 2011, 425, 429; Satzger, in: FS Roxin, S. 1515, 1521 Fn. 23 und 1522; siehe dazu auch bereits oben. 641 Vgl. Bieber/Epiney/Haag, Die Europäische Union, § 6 Rn. 1, die aber auch betonen, dass „das Recht der EU [. . .] mit dem Völkerrecht [. . .] eng verbunden“ bleibt; Haltern, Europarecht, Rn. 594, der von einem „relativ autonomen System“ spricht; nach dem EuGH stellt „die Gemeinschaft eine neue Rechtsordnung des Völkerrechts“ (EuGH, Urteil vom 05.02.1963, Rs. 26/62 – Formaldehyd, Slg. 1963, 1, 25) dar. 642 Siehe ABl. EG C 364 vom 18.12.2000, S. 1 ff. 643 Vgl. nur: Kloepfer, Verfassungsrecht I, § 1 Rn. 118; Sickor, Normenhierarchie, S. 62 und 75. 644 Siehe BGBl. 1992, S. 2086. 645 Vgl. noch zu Art. 24 GG: BVerfGE 73, 339, 375; 75, 223, 242; in diese Richtung auch: Seuffert, in: FS Schmid, S. 169, 179; zu Art. 23 GG: BVerfGE 89, 155, 181; 123, 267, 347; 126, 286, 302; siehe ebenfalls: Isensee, in: FS Stern, S. 1239, 1244, 1247 und 1262; Sickor, Normenhierarchie, S. 118 und 120. 646 So bereits: EuGH, Urteil vom 15.07.1964, Rs. 6/64 – Costa/Enel, Slg. 1964, 1251, 1270, der betont, dass dem Unionsrecht „keine wie immer gearteten innerstaatlichen Rechtsvorschriften vorgehen können“; so auch: EuGH, Urteil vom 17.12.1970, Rs. 11/70 – Internationale Handelsgesellschaft, Slg. 1970, 1125, 1135; vgl. auch aktuell: EuGH, Urteil vom 26.02.2013, C-399/11 – Melloni, NJW 2013, 1215, 1219 Rn. 63; von Meibom, DVBl. 1969, 437, 439; Ritterspach, in: FS Müller, S. 301, 308, im Folgenden aber kritisch, siehe S. 309 f.; ebenfalls zu einem Vorrang des Europarechts gegenüber der Verfassung tendiert: Frowein, in: Bundesverfassungsgericht und Grundgesetz II, S. 187, 193; vgl. auch: Sickor, Normenhierarchie, S. 121 f., der aber auch die Grenzen, die das Grundgesetz aufstellt, betont.

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D. Strafprozessuale Zulässigkeit

Grundgesetz durch Europarecht modifiziert werden kann.647 Allerdings begründet das Bundesverfassungsgericht dieses Ergebnis dogmatisch nicht mit einer unionsrechtskonformen Auslegung. Vielmehr argumentiert es damit, dass die Anwendung der in dem Verfahren streitentscheidenden Norm des Art. 19 III GG „soweit zurückgedrängt [werde], wie es die Verträge erfordern und es die durch das Zustimmungsgesetz erteilten Rechtsanwendungsbefehle erlauben“ 648. Das Bundesverfassungsgericht setzt sich jedoch in dem Urteil mit einer unionsrechtskonformen Auslegung der Verfassung auseinander und lehnt diese nur aufgrund der bindenden Wortlautgrenze ab.649 Dies zeigt, dass das Bundesverfassungsgericht eine unionsrechtskonforme Auslegung der Verfassung grundsätzlich für möglich hält. Eine unionsrechtskonforme Auslegung der Verfassung kommt daher in Betracht.650 Auch der EuGH geht in einer Entscheidung aus dem Jahr 2000 davon aus, dass das Grundgesetz mit dem Europarecht vereinbar sein müsse.651 Dafür spricht auch die Entstehungsgeschichte des Vertrags zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft; denn in den Verhandlungen kam es zu der Forderung eines Vorbehalts zugunsten der Verfassungen der Mitgliedstaaten, der aber im Ergebnis abgelehnt wurde.652 Auch die europarechtskonforme Auslegung sollte jedoch nicht nur bei europarechtlichen Verpflichtungen herangezogen werden. Vielmehr ist auch hier in allen Belangen immer diejenige Auslegung zu wählen, die dem Europarecht zu möglichst optimaler Wirksamkeit verhilft.653 Dagegen spricht zwar, dass die europarechtskonforme Auslegung aus Art. 4 III EUV hergeleitet wird654 und der Wortlaut dieser Vorschrift ausdrücklich nur von der Erfüllung der Verpflichtungen spricht, allerdings spricht der Grundsatz des effet utile für eine solche Auslegung, wenn man diesen so versteht, dass diejenige Auslegung zugrunde zu legen ist, die dem Europarecht am ehesten gerecht wird.655 Den Grundsatz des effet utile kann 647

Siehe BVerfGE 129, 78, 94 ff. BVerfGE 129, 78, 99. 649 BVerfGE 129, 78, 96. 650 So auch: Borchardt, Die rechtlichen Grundlagen der Europäischen Union, § 4 Rn. 151; Haratsch, in: HStR X3, § 210 Rn. 34; vgl. auch: Klein, in: FS Stern, S. 1301, 1310, damals noch unter dem Begriff der gemeinschaftsrechtskonformen Auslegung. 651 EuGH, Urteil vom 11.01.2000, Rs. C-285/98 – Kreil, Slg. 2000, 95 ff., wonach Art. 12a IV 2 GG a. F., der den Dienst von Frauen an der Waffe untersagte, unvereinbar mit einer Richtlinie der EU war; der Artikel wurde daraufhin geändert, siehe: BGBl. 2000, S. 1755. 652 Vgl. Wohlfarth u. a., Die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft, Vorb. 4 vor. Art. 189. 653 So auch: Rönnau/Wegner, GA 160 (2013), 561, 579. 654 Siehe nur: Kahl, in: Calliess/Ruffert, Art. 4 EUV, Rn. 92 m.w. N. 655 Vgl. zu einer solchen Auslegung des Grundsatzes des effet utile: Böhm, Kompetenzauslegung und Kompetenzlücken, S. 83 f., mit Hinweis auf die zuvor analysierten 648

III. Fragen zu § 362 StPO

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man allerdings nur anwenden, wenn ein Berührungspunkt mit dem Europarecht vorliegt.656 Es bedarf daher zum Beispiel eines transnationalen Sachverhalts. Die Frage, ob auch ausländische Urteile den Schutz des Art. 103 III GG auslösen, betrifft einen solchen transnationale Sachverhalt. Daher ist Art. 103 III GG in europarechtskonformer Auslegung dahingehend zu interpretieren, dass er – zumindest zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union –657 transnationale Wirkung entfaltet.658 Art. 103 III GG schützt daher – wie Art. 54 SDÜ und Art. 50 GRC – auch bei transnationalen Sachverhalten vor erneuter Strafverfolgung. An Art. 54 SDÜ sind mittlerweile jedoch, im Gegensatz zu Art. 103 III GG und Art. 50 GRC, auch Staaten außerhalb der Europäischen Union gebunden.659 Im Folgenden soll daher die Vereinbarkeit des § 362 StPO mit Art. 50 GRC bezüglich transnationaler Sachverhalte und Art. 54 SDÜ, aber auch mit Art. 103 III GG in seiner transnationalen Wirkung überprüft werden. 3. § 362 StPO vor dem Hintergrund der Art. 50 GRC, 54 SDÜ und 103 III GG Nachdem die transnationalen Ne-bis-in-idem-Regelungen der Art. 50 GRC, 54 SDÜ und 103 III GG im vorherigen Abschnitt vorgestellt wurden, kann im Folgenden überprüft werden, ob § 362 StPO mit diesen Regelungen vereinbar ist. Ein Verstoß des § 362 StPO gegen diese transnationalen Festsetzungen des Nebis-in-idem-Grundsatzes setzt aber zunächst voraus, dass § 362 StPO überhaupt auf transnationale Sachverhalte anwendbar ist. Es stellt sich mithin die Frage, ob § 362 StPO die Wiederaufnahme eines Strafverfahrens eines anderen Staates erlaubt.

Urteile des EuGH; Buck, Über die Auslegungsmethoden, S. 209; Epiney, in: Calliess/ Ruffert, Art. 18 AEUV, Rn. 41; Millett, Statute Law Review 1989, 163, 180 f.; Müller/ Christensen, Juristische Methodik II, Rn. 439; Oppermann/Hiermaier, JuS 1980, 782, 783; Schmidt-Aßmann, DVBl. 1993, 924, 931; Zuleeg, EuR 1969, 97, 107. 656 Vgl. nur: Haratsch/Koenig/Pechstein, Europarecht, Rn. 475. 657 Weitergehend für eine grundsätzliche Erstreckung auf ausländische rechtstaatlich zustande gekommenen Urteile: Specht, Die zwischenstaatliche Geltung des Grundsatzes ne bis in idem, S. 197 ff. 658 Zu den daraus resultierenden Einschränkungen des Art. 103 III GG siehe: Specht, Die zwischenstaatliche Geltung des Grundsatzes ne bis in idem, S. 195 f.; zu der Frage, welche Auswirkungen eine erweiterte Auslegung des Art. 103 III GG auf das einfache Recht hat, siehe ebenfalls Specht, a. a. O., S. 206 f., allerdings jeweils in Bezug auf eine völkerrechtsfreundliche Auslegung. Für eine europarechtskonforme Auslegung kann aber im Ergebnis nichts anderes gelten. 659 Siehe zu den einzelnen Ländern, die dem SDÜ beigetreten sind: Gleß, in: Internationale Rechtshilfe in Strafsachen, Einführung in die Schengen-Zusammenarbeit Rn. 17 ff.; zum Beitritt von Drittstaaten siehe: dies., a. a. O. Rn. 16.

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D. Strafprozessuale Zulässigkeit

Anstelle der Wiederaufnahme eines ausländischen Strafverfahrens erscheint es zwar einfacher, die Verurteilung des anderen Staates nicht anzuerkennen und somit ein völlig neues Verfahren zu beginnen; aber gerade ein solches Vorgehen stößt wegen der dargestellten Ne-bis-in-idem-Regelungen auf Bedenken. Eine Wiederaufnahme des Strafverfahrens, die wohl in nahezu jedem Land der Europäischen Union existiert,660 wäre deshalb eher legitimierbar als eine komplette Missachtung der Urteile anderer Staaten, die mit der fortschreitenden europäischen Integration nicht vereinbar erscheint. Außerdem beugen abschließende Wiederaufnahmegründe ausufernden Durchbrechungen des Ne-bis-in-idemGrundsatzes vor. Die Wiederaufnahme eines ausländischen Strafverfahrens ist daher einer schlichten Nichtanerkennung ausländischer Urteile vorzuziehen, obwohl damit die Schwierigkeit verbunden ist, dass die Wiederaufnahme an das ursprünglische ausländische Urteile, das vielleicht in einer anderen Sprache verfasst wurde, anknüpfen müsste. Auch wenn es wahrscheinlicher erscheint, dass das Problem de lege ferenda durch verstärkte Kooperation zwischen den Mitgliedstaaten661 oder durch einheitliche europäische Wiederaufnahmevorschriften gelöst wird,662 sollen einige Gedanken bezüglich einer Wiederaufnahme von Strafverfahren anderer Mitgliedstaaten aufgrund nationalen Rechts und deren Zulässigkeit skizziert werden.663 Theoretisch könnte das Verfahren gegen eine Person, die in einem anderen Staat verurteilt wurde, in Deutschland nach § 362 StPO wiederaufgenommen werden. Mit diesem Gedanken setzt sich auch Satzger664 auseinander. Er sieht diesen Fall aber als „prima facie natürlich absurd“ 665 an. Unabhängig davon würde eine Wiederaufnahme in Deutschland natürlich voraussetzen, dass deutsches Strafrecht überhaupt nach den §§ 3 ff. StGB anwendbar wäre. Gegen eine Anwendung des § 362 StPO auf ausländische Urteile könnte man anführen, dass die deutsche Strafprozessordnung nur Regelungen bezüglich innerstaatlicher Strafverfolgung und innerstaatlicher Strafprozesse enthält. Außer660 Vgl. zu den Regelungen in den einzelnen europäischen Ländern: Liebau, „Ne bis in idem“, S. 279 ff.; Swoboda, HRRS 2009, 188, 190 f.; van den Wyngaert u. a., Criminal procedure systems, S. 48, 71, 100 ff., 134 f., 182, 219 f., 257 f., 277, 315, 335, 377 ff., 398. 661 Zu den bereits de lege lata möglichen Kooperationen der Mitgliedstaaten im Strafrecht siehe nur: Lagodny u. a., in: Europäisches Strafrecht, Teil 4. 662 Ein allgemeiner Gesetzesentwurf zu Jurisdiktionskonflikten findet sich bei: Böse/ Meyer/Schneider, GA 2014, 572 ff. Ausführlich zu den verschiedenen Lösungsmöglichkeiten auch: Schönberger, Positive transnationale Jurisdiktionskonflikte, S. 241 ff. 663 Siehe dazu auch: Radtke, in: Europäisches Strafrecht (EnzEuR Bd. 9), § 12 Rn. 32. 664 Satzger, in: FS Roxin, S. 1515, 1533 f. 665 Satzger, in: FS Roxin, S. 1515, 1533 f., Hervorhebung im Original.

III. Fragen zu § 362 StPO

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dem bestände ein möglicher Konflikt des § 362 StPO mit den Ne-bis-in-idemGrundsätzen anderer Länder, weil mit einer transnationalen Wirkung des § 362 StPO auch erhebliche Eingriffe in Rechte ausländischer Staatsbürger verbunden wären. Satzger666 argumentiert außerdem damit, dass „Rechtskraft und Wiederaufnahme [. . .] systematisch aufeinander bezogen und rechtsordnungsintern miteinander verknüpft“ 667 seien. Dementsprechend wird vielfach davon ausgegangen, dass ein Wiederaufnahmeverfahren immer nur von dem Gericht betrieben werden kann, das die rechtskräftige Entscheidung erlassen hat.668 Vogel669 und Swoboda670 folgen dem zunächst, wollen aber unter bestimmten Voraussetzungen auch die Wiederaufnahme von Urteilen anderer Staaten zulassen, sofern eine Wiederaufnahme im Aburteilungsstaat nicht möglich ist.671

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Satzger, in: FS Roxin, S. 1515, 1534. Satzger, in: FS Roxin, S. 1515, 1534; ähnlich in Bezug auf den Wiederaufnahmegrund wegen neuer Beweise, der eine Prüfung der Neuheit voraussetzt, die nur im ursprünglichen Aburteilungsstaat erfolgen könne: EuGH, Urteil vom 05.06.2014, Rs. 398/ 12 (M), NJW 2014, 3010, 3012 Rn. 40; siehe zu dem Urteil auch die Besprechung von Burchard, HRRS 2015, 26 ff. 668 EuGH, Urteil vom 05.06.2014, Rs. 398/12 (M), NJW 2014, 3010, 3012 Rn. 40; zustimmend: Hecker, in: FS von Heintschel-Heinegg, S. 175, 183; OLG Innsbruck NStZ 2000, 663, 664 f.; dem folgend: Bohnert/Lagodny, NStZ 2000, 636, 640; ähnlich: Radtke/Busch, EuGRZ 2000, 421, 429, die in Erwägung ziehen, den Aburteilungsstaat durch Rechtshilfe in die Lage zu versetzen, das Wiederaufnahmeverfahren zu betreiben. Diesen Weg geht auch der Entwurf im Rahmen einer Tagung am Freiburger MaxPlanck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht, siehe: Stein, ZStW 115 (2003), 983, 987; siehe dazu ebenfalls: Biehler u. a., Freiburg Proposal, research in brief/20, § 10; siehe außerdem: Eckstein, ZStW 124 (2012), 490, 498; Hecker, StV 2001, 306, 310. 669 Vgl. Vogel, in: FS Schroeder, S. 877, 888. 670 Swoboda, HRRS 2009, 188, 200. 671 In diese Richtung auch: Radtke, in: Europäisches Strafrecht (EnzEuR Bd. 9), § 12 Rn. 32. Außerdem versteht Vogel, in: FS Schroeder, S. 877, 888 Fn. 53, Bohnert/Lagodny (NStZ 2000, 636, 639 f.), dahingehend, dass sie eine Wiederaufnahme nur dann zulassen wollen, wenn das Wiederaufnahmerecht „aller beteiligter Staaten“ die Wiederaufnahme zulasse. Vertreten wird auch eine Lösung ohne Betreibung eines Wiederaufnahmeverfahrens: Andere Staaten könnten sich bei dem Aburteilungsstaat über das Vorliegen der Voraussetzungen der Wiederaufnahme des Strafverfahrens im Aburteilungsstaat informieren (so: Liebau, „Ne bis in idem“, S. 286). Lägen die Voraussetzungen vor, könne ein anderer Staat nach seinem Recht ein (weiteres) Strafverfahren durchführen, unabhängig davon, ob dort eine Wiederaufnahme des Strafverfahrens existiert (siehe: Liebau, „Ne bis in idem“, S. 285 f.; Radtke/Busch, EuGRZ 2000, 421, 429 f.). Das eigentliche Problem löst diese Vorgehensweise aber nicht: Wenn in dem Erstentscheidungsstaat die Voraussetzungen einer Wiederaufnahme des Strafverfahrens vorliegen, wird die Staatsanwaltschaft regelmäßig einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens stellen (Ob das Legalitätsprinzip sie dazu verpflichtet, ist umstritten, siehe nur: Weber-Klatt, Die Wiederaufnahme von Verfahren, S. 277 ff. und ausführlich unten unter D. IV. 2. b) aa)). Gleichzeitig ermöglicht das Vorliegen der Voraussetzungen im Erstentscheidungsstaat, dass andere EU-Mitgliedstaaten eine erneute Verfolgung betrei667

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D. Strafprozessuale Zulässigkeit

Dessen ungeachtet sprechen – wie oben dargelegt – die besseren Gründe gegen die Annahme, dass § 362 StPO generell672 eine Wiederaufnahme eines ausländischen Strafverfahrens zulässt. Trotzdem soll im Folgenden kurz auf potenzielle Konflikte eingegangen werden, die beständen, wenn man die Wiederaufnahme ausländischer Strafverfahren zuließe. Insbesondere im Hinblick auf eine eventuelle europäische Strafverfahrensordnung de lege ferenda,673 auch wenn mit einer solchen wahrscheinlich erst in ferner Zukunft zu rechnen ist,674 scheinen einige Anmerkungen angebracht: Sofern man davon ausgeht, dass über § 362 StPO eine Wiederaufnahme ausländischer Strafurteile möglich ist, könnte ein solches Vorgehen gegen Art. 54 SDÜ und Art. 50 GRC verstoßen. Im Kollisionsfall des § 362 StPO mit Art. 54 SDÜ bestände ein Anwendungsvorrang zugunsten des Art. 54 SDÜ.675

ben können. Der Ne-bis-in-idem-Grundsatz würde somit vollkommen unterlaufen; in diese Richtung ebenfalls: Inhofer, in: Graf, Art. 54 SDÜ Rn. 19. Siehe zu den anderen Lösungsmöglichkeiten dieser Jurisdiktionskonflikte nochmals: Schönberger, Positive transnationale Jurisdiktionskonflikte, S. 241 ff. 672 Zu möglichen Ausnahmen sogleich. 673 Nach der gemeinsamen Stellungnahme der Bundesrechtsanwaltskammer und des Deutschen Anwaltvereins zum Vorschlag der Europäischen Kommission für eine Verordnung des Rates über die Errichtung der Europäischen Staatsanwaltschaft sollte die Einführung einer europäischen Staatsanwaltschaft „ein deutlicher Schritt in Richtung einer europäischen Strafverfahrensordnung“ (Stellungnahme BRAK/DAV, S. 2) darstellen, siehe Stellungnahme BRAK/DAV, a. a. O. Satzger, Internationales und Europäisches Strafrecht, § 10 Rn. 22, sieht in einer entsprechenden Verordnung zur Einführung einer europäischen Staatsanwaltschaft die „Keimzelle eines supranationalen europäischen Strafprozessrechts (Satzger, a. a. O.). Zu einer fehlenden Ne-bis-in-idem-Regelung im Vorschlag der Europäischen Kommission siehe: Stellungnahme BRAK/DAV, S. 9 f. Zur Einführung der europäischen Staatsanwaltschaft siehe nur: Grünewald, HRRS 2013, 508 ff., insbesondere 511. Jokisch, Gemeinschaftsrecht und Strafverfahren, S. 105, sah bereits im Jahr 2000 die Möglichkeit einer europäischen Strafprozessordnung, wobei er auch auf Vorbehalte der Mitgliedstaaten wegen der Einschränkung ihrer Souveränität einging. Allein die Schaffung eines entsprechenden Kompetenztitels der EU hielt er daher für „in absehbarer Zeit wohl nicht politisch durchsetzbar“; ähnlich: Gleß, ZStW 2013, 573, 587 f.: „derzeit undenkbar“. Momentan sind einzelne Kompetenzen in diesem Bereich in Art. 82 AEUV festgelegt. Vgl. auch Art. III-270 – III-274 des gescheiterten Vertrags über eine Verfassung für Europa, in denen weitreichende Kompetenzen der EU im Bereich des Straf- und des Strafverfahrensrechts vorgesehen waren, Abdruck im ABl. C 310 vom 16.12.2004, S. 118 ff. 674 Dass in Zukunft eine europäische Strafverfahrensordnung existieren könnte, ist aber keineswegs unwahrscheinlich, sondern wäre vielmehr eine nachvollziehbare Konsequenz der immer weiter fortschreitenden Europäisierung. Kritisch diesbezüglich: Dannecker, JZ 2013, 616, 620. Ausführlich zum Thema: Esser, Auf dem Weg zu einem europäischen Strafverfahrensrecht, passim, insbesondere S. 1 ff. und 821 ff. und 875 ff. 675 Vgl. zum Anwendungsvorrang des Europarechts: EuGH, Urteil vom 17.12.1970, Rs. 11/70 – Internationale Handelsgesellschaft, Slg. 1970, 1125, 1135 Rn. 3; siehe auch: Herdegen, Europarecht, § 10 Rn. 6; Isensee, in: FS Stern, S. 1239, 1242 f.

III. Fragen zu § 362 StPO

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Teilweise geht die Literatur davon aus, dass Art. 54 SDÜ einer Wiederaufnahme nicht grundsätzlich entgegenstehe.676 Es erscheint jedoch fraglich, ob Art. 54 SDÜ – unabhängig von der Anerkennung eines Ordre-public-Vorbehalts –677 die Wiederaufnahme eines ausländischen Verfahrens generell zulässt. Der Wortlaut des Art. 54 SDÜ lässt keine Ausnahme zum Strafklageverbrauch im Wege einer Wiederaufnahme des Strafverfahrens zu, und auch die erklärten Vorbehalte nach Art. 55 SDÜ enthalten, sofern man überhaupt von deren Weitergeltung ausgeht,678 keine Ausnahme für etwaige Wiederaufnahmeverfahren. Vielmehr zeigt der Umstand, dass Art. 55 SDÜ keine Möglichkeit der Einschränkung des Art. 54 SDÜ bezüglich der Wiederaufnahme des Strafverfahrens enthält, dass die Wiederaufnahme durch Art. 54 SDÜ ausgeschlossen werden sollte. Nach Radtke679 kann man aus dem Fehlen eines Wiederaufnahmevorbehalts in Art. 54 SDÜ aber nicht schließen, dass die Wiederaufnahme des Strafverfahrens in diesem Bereich keine Rolle spiele. Er begründet seine Ansicht damit, dass der innerstaatliche Strafklageverbrauch ansonsten nicht so umfassend wie der europäische Strafklageverbrauch sei. Dies kann jedoch nicht überzeugen. Sowohl in Art. 54 SDÜ als auch in den entsprechenden Materialen finden sich keine Anhaltspunkte für einen Wiederaufnahmevorbehalt. Sofern man § 362 StPO transnational versteht, verstieße die Vorschrift daher gegen Art. 54 SDÜ. In Betracht käme außerdem ein Verstoß gegen Art. 50 GRC. Etwaige Vorbehalte nach Art. 55 SDÜ entfalten im Hinblick auf die Charta der Grundrechte keine Wirkung680 und können daher nicht als Rechtfertigung eines möglichen Eingriffs in Art. 50 GRC herangezogen werden. Art. 55 SDÜ erfasst nach seinem Wortlaut aber ohnehin keinen Vorbehalt für eine Wiederaufnahme des Strafverfahrens. Wie oben bereits im Rahmen der innerstaatlichen Wirkung des Art. 50 GRC erläutert, kann Art. 50 GRC aber über Art. 52 I GRC eingeschränkt werden.681 Soweit § 362 StPO daher transnationale Wirkung zukäme, wäre Art. 52 I GRC als Maßstab heranzuziehen.

676 Swoboda, HRRS 2009, 188, 200, mit Hinweis auf den Ordre-public-Vorbehalt; Vogel, in: FS Schroeder, S. 877, 888; so wohl auch: Liebau, „Ne bis in idem“, S. 285. 677 Ausführlich zum ordre public: Vogel, in: Perspektiven des internationalen Strafprozessrechts, S. 1, 23 ff. 678 Siehe dazu bereits oben unter D. III. 2. 679 Radtke, in: Europäisches Strafrecht (EnzEuR Bd. 9), § 12 Rn. 19, hier auch zum Folgenden. 680 Siehe nur: Anagnostopoulos, in: FS Hassemer, S. 1121, 1137; zu der Vereinbarkeit der Vorbehalte nach Art. 55 SDÜ mit Art. 50 GRC siehe: Böse, in: „Ne bis in idem in Europa“, S. 171, 178 ff. 681 Zum Folgenden siehe bereits oben unter D. III. 1.

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D. Strafprozessuale Zulässigkeit

Nach Art. 52 I 1 GRC muss jede Einschränkung der Ausübung der in der Charta anerkannten Rechte und Freiheiten gesetzlich vorgesehen sein, und der Wesensgehalt dieser Rechte und Freiheiten muss geachtet werden. Auch Normen aus dem Recht der Mitgliedstaaten sind taugliche Gesetze zur Einschränkung von Grundrechten der Charta im Sinne des Art. 52 I GRC.682 § 362 StPO wäre daher – als formelles Gesetz – eine mögliche Schranke im Sinne des Art. 52 I GRC.683 Weiterhin beachtet § 362 StPO den Wesensgehalt des Art. 50 GRC, denn § 362 StPO lässt nur unter sehr engen Voraussetzungen eine Wiederaufnahme des Strafverfahrens und damit einen Eingriff in Art. 50 GRC zu. Nach Art. 52 I 2 GRC dürfen Einschränkungen unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit nur vorgenommen werden, wenn sie erforderlich sind und den von der Union anerkannten dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen oder den Erfordernissen des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer tatsächlich entsprechen. Auch Rechtsgüter, die durch das Recht der Mitgliedstaaten geschützt werden, können einen legitimen Zweck darstellen.684 Die Wiederaufnahme des Strafverfahrens dient der Aufhebung rechtskräftiger Fehlentscheidungen.685 § 362 StPO erfüllt daher auch im Hinblick auf Art. 52 I 2 GRC einen legitimen Zweck, weil das Institut der Wiederaufnahme des Strafverfahrens in den Mitgliedstaaten anerkannt ist.686 Eine staatenübergreifende Wiederaufnahme nach § 362 StPO wäre nach Art. 52 I 2 GRC auch erforderlich, weil das mildere Mittel einer rein nationalen Wiederaufnahme des Strafverfahrens nicht gleich geeignet wäre, rechtskräftige Fehlentscheidungen zu beseitigen. Im Rahmen der Angemessenheit wäre wiederum der Regelungscharakter des § 362 StPO i.V. m. § 370 StPO als absoluter Wiederaufnahmegrund und die fehlende Einschränkung auf schwere Straftaten zu berücksichtigen.687 Aus diesen Gründen verstieße § 362 StPO i.V. m. § 370 StPO daher gegen Art. 50 GRC. Die Folge dieses Verstoßes wäre wiederum der allgemeine Anwendungsvorrang des Unionsrechts gegenüber § 362 StPO.688 682

Borowsky, in: Meyer, Art. 52 Rn. 20; Jarass, GRCh, Art. 52 Rn. 28. Zu weiteren Erfordernissen an das Gesetz siehe: Borowsky, in: Meyer, Art. 52 Rn. 20. 684 Vgl. nur: Becker, in: EU-Kommentar, Art. 52 GRC Rn. 5. 685 Vgl. nur: Peters, Strafprozeß, S. 668; zu der Frage, wann ein Fehlurteil vorliegt, siehe oben unter B. 686 Vgl. zu den Regelungen in den einzelnen europäischen Ländern: Liebau, „Ne bis in idem“, S. 279 ff.; Swoboda, HRRS 2009, 188, 190 f.; van den Wyngaert u. a., Criminal procedure systems, S. 48, 71, 100 ff., 134 f., 182, 219 f., 257 f., 277, 315, 335, 377 ff., 398. 687 Siehe dazu bereits im Rahmen des Art. 103 III GG in Bezug auf innerstaatliche Sachverhalte oben unter D. II. 2. 688 Siehe zu den Konsequenzen eines Verstoßes gegen die Charta der Grundrechte: Jarass, GRCh, Einl. Rn. 69; noch vor der Änderung der Verträge: Beutler, in: von der 683

IV. Verhältnis des § 362 StPO zu den §§ 78 ff. StGB

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Soweit man annimmt, dass § 362 StPO transnationale Geltung beansprucht, scheint eine entsprechende Ausweitung des Grundrechtsschutzes in Form des Art. 103 III GG – wie sie oben hergeleitet wurde –689 zudem zwingend, um die Beschuldigtenrechte zu schützen; denn vor dem Hintergrund, dass insbesondere die Rechtsprechung davon ausgeht, dass Art. 50 GRC ein Vollstreckungselement erfordert,690 würde der durch Art. 50 GRC gewährleistete Schutz nicht ausreichen. Der Schutz müsste daher über Art. 103 III GG gewährleistet werden. Davon ausgehend verstieße § 362 StPO auch in Fällen mit internationalem Bezug gegen Art. 103 III GG und wäre somit verfassungswidrig, denn in § 362 StPO findet sich keine Anknüpfung an die Schwere der Straftat. Außerdem könnten nach § 362 StPO i.V. m. § 370 StPO Gründe zu einer Wiederaufnahme führen, die keinen Einfluss auf das ursprüngliche Urteil hatten,691 weil § 362 Nr. 3 StPO als absoluter Wiederaufnahmegrund ausgestaltet ist.692 4. Ergebnis zu der Vereinbarkeit des § 362 StPO mit dem Europa- und Völkerrecht Insgesamt steht § 362 StPO mit Art. 14 VII IPbpR im Einklang. Er verstößt aber insoweit, als § 362 Nr.3 StPO i.V. m. § 370 I StPO einen absoluten Wiederaufnahmegrund darstellt gegen Art. 4 I EMRK-Pr. 7. Aus dem gleichen Grund und mangels Beschränkung auf schwere Straftaten verstößt § 362 StPO zudem gegen Art. 50 GRC in seiner nationalen Wirkung. Ein transnational verstandener § 362 StPO verstieße gegen Art. 54 SDÜ, Art. 50 GRC und Art. 103 III GG.

IV. Verhältnis des § 362 StPO zu den §§ 78 ff. StGB Ein weiterer potenzieller Konflikt besteht zwischen der Wiederaufnahme des Strafverfahrens und der Strafverfolgungsverjährung; denn die Wiederaufnahme des Strafverfahrens zuungunsten des Angeklagten und die Strafverfolgungsverjährung sind auf unterschiedliche Ziele gerichtet.693 So wird durch die WiederGroeben/Schwarze I, Art. 6 EU Rn. 123; Schaller, Die EU-Mitgliedstaaten als Verpflichtungsadressaten, S. 146. 689 Siehe oben unter D. III. 2. 690 Siehe dazu ebenfalls oben unter D. III. 2. 691 Siehe nochmals bereits oben unter D. II. 2. 692 Vgl. zu dem Charakter als absoluter Wiederaufnahmegrund: Eschelbach, in: KMR V, § 362 Rn. 82; von Hentig, Wiederaufnahmerecht, S. 27 und 228; Loos, in: AKStPO III, § 370 Rn. 4; Meyer bei Eckert, ZStW 84 (1972), 937, 952; Peters, Fehlerquellen III, S. 51; Weber-Klatt, Die Wiederaufnahme von Verfahren, S. 249; Ziemba, Die Wiederaufnahme des Strafverfahrens, S. 101 f. 693 Lenzen, JR 1988, 520; vgl. auch: Eschelbach, in: KMR V, § 362 Rn. 101; kritisch: Asholt, Verjährung im Strafrecht, S. 682 f.

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D. Strafprozessuale Zulässigkeit

aufnahme des Strafverfahrens zuungunsten des Angeklagten eine Erneuerung der Hauptverhandlung angestrebt,694 während nach Ablauf der Verjährungsfrist gerade keine Strafverfolgung oder Bestrafung695 mehr stattfinden soll. Dieser Konflikt spitzt sich zu, wenn zwischen der möglichen Wiederaufnahme des Strafverfahrens und dem Eintritt der Rechtskraft des Urteils lange Zeiträume liegen. Aufgrund der sich widersprechenden Zielsetzungen ist das Verhältnis des § 362 StPO zu der Verjährung nach den §§ 78 ff. StGB äußerst umstritten.696 Nach Ansicht der Rechtsprechung, der die Literatur teilweise folgt, endet die Verjährung mit einem rechtskräftigen Urteil, und sie beginnt „mit der Rechtskraft des Wiederaufnahmebeschlusses gemäß § 370 II StPO“ 697 – also dem Wegfall der rechtskräftigen Entscheidung – von neuem.698 Nach der entgegengesetzten Meinung läuft die Verjährung im Falle eines Freispruchs auch nach einem rechtskräftigen Urteil weiter.699 Eine vermittelnde Ansicht geht von einem Ruhen der Verjährung zwischen rechtskräftigem Urteil und rechtskräftigem Wiederaufnahmebeschluss aus.700 So694

Vgl. § 370 II StPO. Zwar wird die Vollstreckung der Strafe lediglich von der Strafvollstreckungsverjährung nach den §§ 79 ff. StGB tangiert, man kann aber bereits die Festlegung der Strafe im Rahmen des Urteils als Bestrafung ansehen, zumal mit einer Verurteilung eine Stigmatisierung einhergeht, und zwar unabhängig davon, ob die Strafe letztendlich vollstreckt wird oder nicht, vgl. nur: BVerfGE 8, 197, 207. 696 Zum Meinungsstand siehe auch: OLG Düsseldorf NJW 1988, 2251 f.; Asholt, Verjährung im Strafrecht, S. 672 ff.; Gössel, NStZ 1988, 537; Weber-Klatt, Die Wiederaufnahme von Verfahren, S. 290 f. Zachariä, Handbuch des deutschen Strafprozesses II, S. 675, ging noch davon aus, dass die Verjährung der nachteiligen Wiederaufnahme „natürlich“ entgegenstehe. 697 BGH GA 121 (1974), 149 f. 698 BGH GA 121 (1974), 149 f.; RGSt 76, 46, 48; BayObLGSt 1953, 179 f.; OLG Bamberg NJW 1962, 2168, 2169; OLG Düsseldorf StraFo 2001 102 ff.; OLG Düsseldorf JR 1988, 519; OLG Frankfurt MDR 1978, 513; OLG Hamburg VRS 29 (1965), 359; OLG Hamm NJW 1972, 2097, 2098; OLG Schleswig-Holstein SchlHA 1963, 60, 63; OLG Stuttgart MDR 1986, 608; LG Aachen NJW 1962, 1973, 1974; Beukelmann, in: Dölling/Duttge/Rössner, § 78 Rn. 18; Gössel, in: Löwe-Rosenberg VII/2, § 362 Rn. 3; ders., NStZ 1988, 537 f.; Kaiser, NJW 1962, 1703, 1704; Pfeiffer, in: FG Graßhof, S. 271, 285; Saliger, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, § 78 Rn. 15 und § 78b Rn. 22; Schmid, in: LK, § 78 Rn. 11. 699 OLG Nürnberg NStZ 1988, 555 f.; Dallmeyer, in: von Heintschel-Heinegg, § 78 b Rn. 7; Eschelbach, in: KMR V, § 362 Rn. 103; Frister, in: SK-StPO VII, § 362 Rn. 20; Letzgus, in: FS Geppert, S. 785, 798 f.; Loos, in: AK-StPO III, § 362 Rn. 7; Marxen/ Tiemann, Die Wiederaufnahme in Strafsachen, Rn. 18; Schmidt, in: KK, § 362 Rn. 7; so wohl auch: OLG Bremen NJW 1956, 1248; Fischer, StGB, § 78b Rn. 11a; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 362 Rn. 1; Sternberg-Lieben/Bosch, in: Schönke/Schröder, § 78 a Rn. 15; Ziemba, Die Wiederaufnahme des Strafverfahrens, S. 118. 700 Vgl. Kühl, in: Lackner/Kühl, § 78 Rn. 7; Lenzen, JR 1988, 520, 521; Mitsch, in: MüKo-StGB, § 78c Rn. 20; Rosenau, in: SSW-StGB, § 78b Rn. 12; Schünemann, Strafverfahrensrecht, § 57 Rn. 11; Rudolphi/Wolter, in: SK-StGB, Vor § 78 Rn. 7; Temming, 695

IV. Verhältnis des § 362 StPO zu den §§ 78 ff. StGB

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fern das Gesetz – aus unterschiedlichen Gründen – ausnahmsweise einen Eingriff in die Rechtskraft in Form der Fortsetzung des Verfahrens erlaubt, laufe die ursprüngliche Verjährungsfrist weiter.701 Dem schließen sich Sternberg-Lieben/ Bosch für den Fall einer Verurteilung an.702 1. Das Institut der Verjährung Das Institut der Wiederaufnahme des Strafverfahrens zuungunsten des Angeklagten wurde bereits erörtert.703 Im Folgenden soll noch ein kurzer Überblick über das Institut der Verjährung gegeben werden, um im Anschluss das Verhältnis der Wiederaufnahme zu der Strafverfolgungsverjährung zu bestimmen. Das Strafgesetzbuch unterscheidet zwischen der Strafverfolgungsverjährung nach den §§ 78 ff. StGB und der Strafvollstreckungsverjährung nach den §§ 79 ff. StGB. Die Strafvollstreckungsverjährung folgt unmittelbar auf die Strafverfolgungsverjährung, um einen „verjährungsfreien Zwischenraum“ 704 zu verhindern.705 Nach Loening706 handelt es sich aber trotzdem um ein „einheitliches Institut“ 707. Zur Begründung und zu dem Sinn der Verjährung existieren zahlreiche Theorien.708 Nach der Auffassung des BGH soll die Verjährung zu Rechtsfrieden beitragen709 und die Untätigkeit der Behörden verhindern.710 In einem anderen Urin: HK-StPO, § 370 Rn. 5; Weber-Klatt, Die Wiederaufnahme von Verfahren, S. 301; nur im Ergebnis ebenso: Jacobsen-Raetsch, Wiederaufnahme und Verjährung, S. 201. 701 Dietmeier, in: Matt/Renzikowski, § 78b Rn. 10; zu weiteren Nachweisen siehe die vorherige Fußnote. 702 Sternberg-Lieben/Bosch, in: Schönke/Schröder, § 78a Rn. 15. 703 Siehe oben unter B. 704 Schmid, in: LK, Vor § 78 Rn. 2. 705 Vgl.: BGHSt 11, 394, 396; OLG Bremen NJW 1956, 1248; Jacobsen-Raetsch, Wiederaufnahme und Verjährung, S. 127 f. und 175; Rudolphi/Wolter, in: SK-StGB, Vor § 78 Rn. 7; Saliger, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, § 78 Rn. 14; Schmid, in: LK, Vor § 78 Rn. 2. 706 Loening, in: Vergleichende Darstellung des deutschen und ausländischen Strafrechts, S. 434; ähnlich: Jacobsen-Raetsch, Wiederaufnahme und Verjährung, S. 128. 707 Loening, in: Vergleichende Darstellung des deutschen und ausländischen Strafrechts, S. 434. 708 Einen Überblick bieten: Lorenz, Die Verjährung im Strafrechte, S. 31 ff.; Jacobsen-Raetsch, Wiederaufnahme und Verjährung, S. 128 ff.; Hong, Zeitablauf als Grenze, S. 51 ff. 709 Die Rechtsfrieden stiftende Funktion betonen auch: BGHSt 51, 72, 78; Beukelmann, in: Dölling/Duttge/Rössner, § 78 Rn. 1; Dallmeyer, in: von Heintschel-Heinegg, § 78 Rn. 2; Dietmeier, in: Matt/Renzikowski, § 78 Rn. 1; Mylonopoulos, in: FS Kühne, S. 259, 271; Rosenau, in: SSW-StGB, § 78 Rn. 5; Schmid, in: LK, Vor § 78 Rn. 9; kritisch: Hörnle, in: FS Beulke, S. 115, 121 f. 710 BGHSt 11, 394, 396, der sich auf Seibert, NJW 1952, 1361, beruft; BGHSt 12, 335, 337 f.; 51, 72, 78 Rn. 22; in diese Richtung auch: Mitsch, in: MüKo-StGB, § 78

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teil stellte der BGH die Vergänglichkeit der Beweise711 und das schwindende Strafbedürfnis712 als ratio der Verjährung dar.713 Mit zunehmendem Zeitablauf würden nämlich die Beweise schlechter714 und die Gefahr eines Justizirrtums größer.715 Schmid führt aber zu Recht aus, dass die beiden letztgenannten Zwecke weder für sich allein noch in ihrer Kombination überzeugen können:716 Bezüglich des Arguments des schwindenden Strafbedürfnisses ist zu beachten, dass dieses nicht auf einmal von einem auf den anderen Tag mit Ablauf der Verjährungsfrist erlischt. Stellt man hingegen auf die Vergänglichkeit der Beweise ab, kann man nicht erklären, warum Mord nach § 78 II StGB nicht verjährt,717 obwohl auch in diesen Fällen Beweisschwierigkeiten auftreten können.718 Läge der Grund für die Verjährung allein in der Vergänglichkeit der Beweise, wäre das Institut der Strafverfolgungsverjährung letztlich entbehrlich, da man über die Anwendung des Indubio-pro-reo-Grundsatzes719 zu den gleichen Ergebnissen käme:720 Denn wenn die Beweise für eine Verurteilung nicht ausreichen, ist der Angeklagte in dubio

Rn. 3, der von einer „Disziplinierungsfunktion“ der Verjährung spricht; so auch: Sternberg-Lieben/Bosch, in: Schönke/Schröder, Vorbem. §§ 78 ff. Rn. 3; siehe auch: Sickor, GA 154 (2007), 590, 593: „Rechtssicherheit und Rechtsfrieden stiftend“; kritisch zur Disziplinierungsfunktion: Hörnle, in: FS Beulke, S. 115, 122 f. 711 So auch: Otto, in: FS Lackner, S. 715, 720 m.w. N.; Volk, Prozeßvoraussetzungen im Strafrecht, S. 225. 712 Ebenso: Otto, in: FS Lackner, S. 715, 720; Sternberg-Lieben/Bosch, in: Schönke/ Schröder, Vorbem. §§ 78 ff. Rn. 3: „Nach Ablauf einer gewissen Zeit erscheint die Bestrafung weder kriminalpolitisch notwendig noch gerecht.“; Volk, Prozeßvoraussetzungen im Strafrecht, S. 225; ähnlich auch: Rudolphi/Wolter, in: SK-StGB, Vor § 78 Rn. 10; kritisch: Hörnle, in: FS Beulke, S. 115, 118 f. 713 BGH NJW 1985, 1719, 1720; ebenso: Dannecker, NStZ 1985, 49, 53; Eschelbach, in: KMR V, § 362 Rn. 103; vgl. zum Sinn der Verjährung auch: OLG Nürnberg NStZ 1988, 555, 556; Loos, in: AK-StPO III, § 362 Rn. 7; Schmidt, in: KK, § 362 Rn. 7. 714 Siehe dazu auch: Hörnle, in: FS Beulke, S. 115, 123 f. m.w. N. 715 So beispielsweise: Arndt, JZ 1965, 145, 146 f.; Eisenberg, Beweisrecht der StPO, Rn. 433; vgl. auch bereits: Mayer, GerS 99 (1930), 299, 318. Dem steht jedoch der Umstand entgegen, dass Peters, Fehlerquellen I, S. 14, in seiner Untersuchung keine Beweisschwierigkeiten festgestellt hat. Relativierend auch: Hörnle, in: FS Beulke, S. 115, 124. 716 Schmid, in: LK, Vor § 78 Rn. 9, hier auch zum Folgenden; so im Ergebnis auch: Mitsch, in: MüKo-StGB, § 78 Rn. 2. 717 Ausführlich zur Unverjährbarkeit: Hong, Zeitablauf als Grenze, S. 21 ff. und 157 ff. 718 Siehe auch: Jacobsen-Raetsch, Wiederaufnahme und Verjährung, S. 129; Rudolphi/Wolter, in: SK-StGB, Vor § 78 Rn. 10; Satzger, JURA 2012, 433, 435. 719 Siehe allgemein zu dem In-dubio-pro-reo-Grundsatz nur: Schünemann, Strafverfahrensrecht, § 45 Rn. 56 ff. 720 Ebenso: Jacobsen-Raetsch, Wiederaufnahme und Verjährung, S. 129; in diese Richtung auch: Hörnle, in: FS Beulke, S. 115, 124.

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pro reo freizusprechen. Eine pauschale Regelung dieses Falles in Rahmen der Verjährung erschiene überflüssig. Außerdem kann man die unterschiedlichen Verjährungsfristen nach § 78 III StGB nicht mit der Vergänglichkeit der Beweise erklären.721 Somit können weder die Vergänglichkeit der Beweise noch das schwindende Strafbedürfnis als Begründung für die Verjährung herangezogen werden.722 Plausibler erscheint es anzunehmen, dass die Verjährung dem Umstand Rechnung trägt, dass die Strafzwecke723 mit zunehmendem Zeitablauf nicht mehr verwirklicht werden können.724 Freilich kann man auch mit dieser Begründung nicht die Unverjährbarkeit für Mord erklären.725 Überhaupt passt die Unverjährbarkeit von Delikten nicht in ein System der Verjährung.726 Jedenfalls überzeugen aber die vom BGH in seiner ersten Entscheidung betonten Zwecke der Schaffung von Rechtsfrieden und der Vermeidung der Untätigkeit der Behörden.727 721 Jacobsen-Raetsch, Wiederaufnahme und Verjährung, S. 129; Rudolphi/Wolter, in: SK-StGB, Vor § 78 Rn. 10. 722 In diese Richtung bezüglich des Arguments der Vergänglichkeit der Beweise auch: Bloy, Strafausschließungs- und Strafaufhebungsgründe, S. 184. Mitsch, in: MüKoStGB, § 78 Rn. 2, hält die Vergänglichkeit der Beweise für „eindeutig unbeachtlich“; vgl. auch: Hong, Zeitablauf als Grenze, S. 71 ff.; Jacobsen-Raetsch, Wiederaufnahme und Verjährung, S. 129. 723 Siehe zu den anerkannten relativen Strafzwecken nur die Übersicht bei: Schneider, in: Göppinger/Bock, § 30 Rn. 41. Zur Kritik an der gängigen Einteilung in absolute und relative Strafzwecktheorien siehe: Hörnle, Straftheorien, S. 3 und 15. 724 Ähnlich: BGHSt 29, 359, 372; Bloy, Strafausschließungs- und Strafaufhebungsgründe, S. 187; Bock, JuS 2006, 12; Dallmeyer, in: von Heintschel-Heinegg, § 78 Rn. 2; Mitsch, in: MüKo-StGB, § 78 Rn. 2; Satzger, JURA 2012, 433, 434. Kritisch in Bezug auf die Generalprävention: Hong, Zeitablauf als Grenze, S. 59 f., der allerdings an anderer Stelle zu dem Ergebnis kommt, dass die Spezialprävention als Begründung für die Verjährung herangezogen werden kann, siehe: Hong, a. a. O., S. 62 ff.; generell ablehnend: Jacobsen-Raetsch, Wiederaufnahme und Verjährung, S. 132 f.; differenzierend: Hörnle, in: FS Beulke, S. 115, 119 f. 725 In letzter Zeit kam es beispielsweise verhältnismäßig oft zu Anklagen von potenziellen Kriegsverbrechern aus dem zweiten Weltkrieg wegen Mordes, siehe: BGHSt 56, 11 ff.; LG Aachen StraFo 2010, 190; OLG Köln Beschluss vom 03. Juli 2007 – 2 Ws 156/07 –, juris; LG München II, Urteil vom 12. Mai 2011 – 1 Ks 115 Js 12496/08 –, juris. Strafzwecke werden durch solche Verurteilungen kaum oder überhaupt nicht (mehr) verwirklicht. Vgl. dazu auch: Roxin, GA 162 (2015), 185, 200, der die Bedeutung solcher Prozesse für die Opfer betont. 726 Ähnlich: Hong, Zeitablauf als Grenze, S. 157 ff.; Vormbaum, in: FS Bemmann, S. 481, 493 ff. 727 BGHSt 11, 394, 396. Umfangreiche Darstellungen der zahlreichen Meinungen bezüglich des Sinns und Zwecks der Verjährung finden sich beispielsweise bei: Hong, Zeitablauf als Grenze, S. 51 ff.; Jacobsen-Raetsch, Wiederaufnahme und Verjährung, S. 128 ff.; Lorenz, Die Verjährung im Strafrechte, S. 31 ff. Hong, Zeitablauf als Grenze, S. 164, geht zutreffend davon aus, dass es trotz der zahlreichen Theorien bisher nicht gelungen ist, „der Verjährung ein gesichertes Fundament zu verschaffen“.

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2. Versuch einer Lösung des Konflikts anhand des Gesetzes Der Konflikt der Wiederaufnahme des Strafverfahrens mit der Verjährung bezieht sich nur auf die Strafverfolgungsverjährung, weil ein Wiederaufnahmeverfahren zunächst die Strafverfolgung und nicht die Strafvollstreckung betrifft. Sofern das Gesetz eine Aussage über das Strafverfahrens zu der Verjährung trifft, ist berücksichtigen. Deshalb soll im Folgenden Gesetz Anhaltspunkte zur Bestimmung des und Verjährung enthält.

Verhältnis der Wiederaufnahme des diese gesetzgeberische Wertung zu zunächst untersucht werden, ob das Verhältnisses von Wiederaufnahme

a) Verschiedene Lösungsansätze In der Literatur findet sich die Aussage, dass das Gesetz den Konflikt zwischen der Wiederaufnahme und der Strafverfolgungsverjährung nicht löse.728 Dem ist insofern zuzustimmen, als weder die §§ 359 ff. StPO Regelungen zur Strafverfolgungsverjährung enthalten noch die §§ 78 ff. StGB das Verhältnis zu einer Wiederaufnahme des Strafverfahrens ausdrücklich regeln.729 Insbesondere kann man aus § 78b III StGB nicht ableiten, dass die Verjährung durch den Eintritt der Rechtskraft begrenzt ist.730 Nach § 78b III StGB läuft die Verjährungsfrist für den Fall, dass vor Ablauf der Verjährungsfrist ein Urteil des ersten Rechtszuges ergangen ist, nicht vor dem Zeitpunkt ab, in dem das Verfahren rechtskräftig abgeschlossen ist. Der Wortlaut der Vorschrift lässt zwar die Interpretation zu, dass die Rechtskraft die Verjährung begrenze; in den Bundes-

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Eschelbach, in: KMR V, § 362 Rn. 101; Gössel, NStZ 1988, 537, 538; Schmid, in: LK, § 78 Rn. 9; Weber-Klatt, Die Wiederaufnahme von Verfahren, S. 291. Fränkel, BayRpflZ 1929, 137, 139; ders., BayRpflZ 1929, 306, forderte daher bereits im Jahr 1929 eine gesetzliche Regelung dieses Problems; in diese Richtung auch: Meyer, Wiederaufnahmereform, S. 76. 729 Ähnlich: Asholt, Verjährung im Strafrecht, S. 680 f.; die badische Strafprozeßordnung von 1845 war der heutigen Strafprozessordnung insofern um einiges voraus, denn in deren § 309 war ausdrücklich normiert, dass die Verjährung der Wiederaufnahme entgegensteht. Außerdem enthielt § 309 Bestimmungen zu dem Beginn der Verjährungsfrist. Gleiches galt für § 474 des österreichischen Strafgesetzbuchs über Verbrechen und schwere Polizey-Uebertretungen von 1803, der ebenfalls davon ausging, dass die Verjährung der Wiederaufnahme entgegenstand; das gesamte Gesetz ist abrufbar unter: http://books.google.de/books?id=wTBEAAAAcAAJ&pg=PA259&dq=Strafgesetz buch+%C3%BCber+Verbrechen+und+schwere+Polizey-Uebertretungen&hl=de&sa=X& ei=NDgKUvPLCcabtAb64IHgBw&ved=0CDwQ6AEwAg#v=onepage&q=Strafgesetz buch%20%C3%BCber%20Verbrechen%20und%20schwere%20Polizey-Uebertretungen &f=false, zuletzt aufgerufen am 28.06.2016; zu weiteren älteren Regelungen siehe: Asholt, Verjährung im Strafrecht, S. 682 Fn. 1061. 730 So aber: Gössel, in: Löwe-Rosenberg VII/2, § 362 Rn. 3; siehe jedoch: ders., NStZ 1988, 537, 538; dagegen: Peters, Strafprozeß, S. 685, der aber § 78c I Nr. 9 StGB analog anwenden will; Saliger, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, § 78b Rn. 22.

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tagsdrucksachen zu der Vorgängervorschrift ist aber ausdrücklich die Rede davon, dass im Falle einer Wiederaufnahme die Verjährung unabhängig von dieser Vorschrift zu prüfen sei.731 Auch eine Unterbrechung der Verjährung nach § 78c I Nr. 7 StGB (Eröffnung des Hauptverfahrens) durch den Wiederaufnahmebeschluss erscheint vor dem Hintergrund des eindeutigen Wortlauts nicht vertretbar.732 Da die Verjährung nach § 78c III 1 StGB mit jeder Unterbrechung von neuem beginnt, sind die Unterbrechungsgründe nach § 78c I StGB restriktiv auszulegen.733 Sie sind einer Analogie nicht zugänglich.734 In einer Entscheidung hat der BGH allerdings herausgestellt, dass im Verjährungsrecht „eine entsprechende Anwendung auch zuungunsten des Angeklagten möglich“ 735 sei, „wenn dies durch Sinn und Zweck der jeweiligen Regelung gefordert ist“ 736. Eine analoge Anwendung des § 78c I Nr. 7 StGB auf einen Wiederaufnahmebeschluss setzt aber – wie jede Analogie – eine planwidrige Regelungslücke und eine vergleichbare Interessenlage voraus.737 Es fehlt aber an einer Regelungslücke, wenn man aus einer anderen Norm Rückschlüsse auf das Verhältnis der Wiederaufnahme zu der Verjährung ziehen kann.738 Daher ist zunächst weiter zu untersuchen, ob sich aus dem Gesetz Anhaltspunkte zur Bestimmung des Verhältnisses beider Institute ergeben: Aus dem Umstand, dass das Gesetz das Problem nicht – zumindest nicht ausdrücklich – löst, lässt sich kein Vorrang der Wiederaufnahme des Strafverfahrens 731 BT-Drs. 4/650, S. 259 für § 129 des Entwurfs eines Strafgesetzbuchs (StGB), E 1962, der mit dem heutigen § 78b StGB übereinstimmt, siehe: BT-Drs. 4/650, S. 33. 732 So im Ergebnis auch: Jacobsen-Raetsch, Wiederaufnahme und Verjährung, S. 194 ff.; anders: Walter, BayRpflZ 1929, 306. 733 Vgl. BGHSt 26, 80, 83 f.; 28, 381, 382; 51, 72, 78 f. Rn. 22; Rudolphi/Wolter, in: SK-StGB, § 78c Rn. 12; Saliger, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, § 78c Rn. 3; Schmid, in: LK, § 78c Rn. 2. 734 Vgl. BGHSt 22, 375, 383; BGH wistra 2005, 27; BGH NStZ 2009, 205, 206; Asholt, Verjährung im Strafrecht, S. 680; Fischer, StGB, § 78c Rn. 7; Kühl, in: Lackner/ Kühl, § 78c Rn. 2; Satzger, JURA 2012, 433, 440; Schmid, in: LK, § 78c Rn. 2; Sternberg-Lieben/Bosch, in: Schönke/Schröder, § 78 c Rn. 3. 735 BGHSt 40, 113, 118. 736 BGHSt 40, 113, 118. Die Entscheidung BGHSt 28, 53, 55 f., kann hingegen nicht als Argument für eine analoge Anwendung des § 78c StGB herangezogen werden, weil die streitgegenständliche Vorschrift in diesem Fall eine Öffnungsklausel für andere Bestimmungen enthielt. Dies ist bei § 78c StGB nicht der Fall. Siehe zum Ganzen auch: Jacobsen-Raetsch, Wiederaufnahme und Verjährung, S. 195. 737 Vgl.: BGHZ 155, 380, 389; vgl. zu den allgemeinen Voraussetzungen einer Analogie auch: BGH NJW 2003, 1932, 1933 m.w. N.; Beaucamp, AöR 134 (2009), 83, 84 ff.; Otte, Umfassende Streitentscheidung, S. 568; Schmalz, Methodenlehre, Rn. 383 ff.; Schwacke, Juristische Methodik, S. 133 ff.; differenzierend: Puppe, Kleine Schule des juristischen Denkens, S. 175 f.; ebenfalls anders in Bezug auf die praktische Rechtsanwendung: Luther, JURA 2013, 449 ff., insbesondere 453. 738 Ähnlich: Jacobsen-Raetsch, Wiederaufnahme und Verjährung, S. 196.

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ableiten.739 Genauso gut könnte man argumentieren, dass der Vorrang der Wiederaufnahme eindeutig im Gesetz hätte deutlich gemacht werden müssen. Eine solche Argumentation führt zu beliebigen Ergebnissen und ist daher abzulehnen. Daraus, dass der Gesetzgeber das Problem nicht ausdrücklich geregelt hat, lässt sich kein Argument für eine der drei Meinungen entnehmen. b) Lösung über § 78b I Nr. 2 StGB Allerdings kommt in Betracht, aus § 78b I Nr. 2 StGB herzuleiten, dass die Verjährung zwischen rechtskräftigen Entscheidung und rechtskräftigem Wiederaufnahmebeschluss ruht. Nach § 78b I Nr. 2 1. Hs. StGB ruht die Verjährung, solange nach dem Gesetz die Verfolgung nicht begonnen [hat] oder nicht fortgesetzt werden kann. Es fragt sich aber zunächst, ob die Verfolgung nicht gerade wegen § 362 StPO fortgesetzt werden kann740 und ob die Verfolgung nicht mit dem rechtskräftigen Urteil beendet ist,741 sodass § 78b I Nr. 2 StGB in beiden Fällen nicht zur Anwendung käme. Gegen die Annahme einer Fortsetzung der Verfolgung aufgrund von § 362 StPO spricht, dass die Staatsanwaltschaft aufgrund von Art. 103 III GG nach einer rechtskräftigen Entscheidung lediglich prüfen darf, ob eine Wiederaufnahme des Strafverfahrens in Betracht kommt.742 Alle anderen Strafverfolgungsmaßnahmen sperrt Art. 103 III GG.743 Davon ging bereits das Bayerische Oberste Landesgericht im Jahr 1930 unter Berufung auf Fellmann744 aus,745 obwohl das 739 So aber: KG, Beschluss vom 23. Dezember 1919, W. 679/19, GA 69 (1920– 1925), 128, 129 f.; Gössel, NStZ 1988, 537, 538. 740 So: OLG Nürnberg NStZ 1988, 555, 556; Asholt, Verjährung im Strafrecht, S. 685; Fischer, StGB, § 78b Rn. 4; Gössel, NStZ 1988, 537, 538; vgl. auch: Ziemba, Die Wiederaufnahme des Strafverfahrens, S. 117 f.; Jacobsen-Raetsch, Wiederaufnahme und Verjährung, S. 176. 741 So bereits: RGSt 69, 8, 10; 76, 46, 48, letztere Entscheidung mit dem Hinweis, dass § 69 StGB a. F., der § 78b I Nr. 2 StGB n. F. entspricht (siehe: RGBl. 1893, S. 133), nicht anwendbar sei; Fränkel, BayRpflZ 1929, 306; Gössel, NStZ 1988, 537, 538; vgl. auch: OLG Köln DAR 1979, 344. 742 Kühl, in: Lackner/Kühl, § 78 Rn. 7; Weber-Klatt, Die Wiederaufnahme von Verfahren, S. 287 und 300, hier auch zum Folgenden. Noch restriktiver: Eschelbach, in: KMR V, § 362 Rn. 17 und 19. 743 Vgl.: BGH GA 121 (1974), 149: „Das Recht auf Strafverfolgung erlischt mit der Rechtskraft des Strafurteils.“; OLG Düsseldorf JR 1988, 519, 520; OLG Frankfurt MDR 1978, 513; OLG Stuttgart MDR 1986, 608, 609; Lenzen, JR 1988, 520, 521; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 362 Rn. 1; Schmidt, in: KK, § 362 Rn. 4; Rudolphi/ Wolter, in: SK-StGB, § 78b Rn. 11a; Walder, ZStW 95 (1983), 862, 872; a. A.: OLG Nürnberg NStZ 1988, 555, 556; Eschelbach, in: KMR V, § 362 Rn. 103, mit Hinweis auf das Legalitätsprinzip; Frister, in: SK-StPO VII, § 362 Rn. 20; Marxen/Tiemann, Die Wiederaufnahme in Strafsachen, Rn. 19. 744 Fellmann, BayRpflZ 1927, 23 f.

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Grundgesetz und damit Art. 103 III GG noch nicht existierte. Auch das OLG Dresden vertrat 1932 diese Auffassung.746 Der Ne-bis-in-idem-Grundsatz sei unproblematisch eine gesetzliche Vorschrift im Sinne des § 69 StGB a. F. (§ 78b I Nr. 2 StGB n. F.).747 Allerdings entschieden sowohl das Bayerische Oberste Landesgericht als auch das OLG Dresden zu der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Das Bayerische Oberste Landesgericht ließ ausdrücklich offen, ob Gleiches für die Wiederaufnahme des Strafverfahrens zu gelten habe. Fellmann hingegen betonte ausdrücklich, dass die gleichen Grundsätze für die Wiederaufnahme des Verfahrens gelten würden.748 Dafür spricht, dass die Prüfung, ob ein Wiederaufnahmeverfahren in Betracht kommt, nicht mit den ansonsten üblichen Strafverfolgungsmaßnahmen vergleichbar749 und deshalb eine unterschiedliche Behandlung gerechtfertigt ist. Die Tatsache, dass die Staatsanwaltschaft prüft, ob eine Wiederaufnahme in Betracht kommt, führt daher nicht dazu, dass die Anwendung des § 78b I Nr. 2 StGB gesperrt ist. aa) Anwendbarkeit des Legalitätsprinzips im Wiederaufnahmeverfahren Eschelbach versucht, mit dem Legalitätsprinzip zu begründen, dass die Staatsanwaltschaft – über die Prüfung der Statthaftigkeit eines Wiederaufnahmeverfahrens hinaus – weitere Verfolgungsmaßnahmen aufgreifen darf.750 Das Legalitätsprinzip hat Verfassungsrang751 und ist damit grundsätzlich geeignet, Art. 103 III GG einzuschränken.752 Allerdings ist es umstritten, ob das Legalitätsprinzip im Rahmen eines Wiederaufnahmeverfahrens überhaupt zur Anwendung kommt.753 Um die These Eschelbachs zu überprüfen, muss daher geklärt werden, ob im Wiederaufnahmeverfahren das Legalitätsprinzip gilt. 745 BayObLG JW 1930, 3426; so auch: KG, Beschluss vom 23. Dezember 1919, W. 679/19, GA 69 (1920–1925), 128, 129, wonach die Strafverfolgung im Rahmen einer Wiederaufnahme aber auch nicht erneuert werde; kritisch zum Ganzen: Köhler, JW 1932, 1765. 746 OLG Dresden JW 1932, 1765. 747 BayObLG JW 1930, 3426; vgl. auch: OLG Dresden JW 1932, 1765. Siehe zu dem identischen Inhalt beider Normen: Siehe: RGBl. 1893, S. 133. 748 Fellmann, BayRpflZ 1927, 23, 24; vgl. auch: Bellmann, BayRpflZ 1929, 221, der zwar zunächst § 69 StGB a. F. anwenden wollte, dann aber davon ausging, dass der Wiederaufnahmebeschluss zu einer Unterbrechung der Verjährung führe. Ebenfalls gegen eine Anwendung des § 69 StGB a. F.: RGSt 76, 46, 48; Fränkel, BayRpflZ 1929, 306. 749 Weber-Klatt, Die Wiederaufnahme von Verfahren, S. 300. 750 Eschelbach, in: KMR V, § 362 Rn. 103. 751 Vgl. BVerfGE 20, 162, 222; 46, 214, 222 f.; BVerfG, NStZ 1982, 430; Eschelbach, in: KMR V, § 362 Rn. 20; Niemöller/Schuppert, AöR 107 (1982), 387, 414; kritisch dazu: Rieß, StraFo 1995, 94, 98. 752 Siehe auch: Eschelbach, in: KMR V, § 362 Rn. 20. 753 Dagegen: Fincke bei Eckert, ZStW 84 (1972), 937, 942; Kaspar, in: SSW-StPO, § 362 StPO Rn. 2; Kleinknecht, in: FS Bruns, S. 475, 477; Marxen/Tiemann, Die Wie-

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Dagegen spricht, dass § 152 II StPO, der das Legalitätsprinzip auf einfachgesetzlicher Ebene normiert,754 im 2. Buch steht, das das Verfahren im ersten Rechtszug betrifft.755 Der Wortlaut des § 152 II StPO, wonach die Staatsanwaltschaft verpflichtet ist, soweit nicht gesetzlich ein anderes bestimmt ist, wegen aller verfolgbaren Straftaten einzuschreiten, sofern zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, spricht allerdings dafür, das Legalitätsprinzip umfassend zu verstehen und daher auch im Bereich der Wiederaufnahme anzuwenden.756 Auch nach Gössel gilt das Legalitätsprinzip unabhängig von dem jeweiligen Stadium des Verfahrens.757 Gegen die Anwendung des Legalitätsprinzips im Wiederaufnahmeverfahren führen Marxen/Tiemann und Frister Nr. 147 I 1 RiStBV an.758 Nach Nr. 147 I 1 RiStBV soll der Staatsanwalt ein Rechtsmittel nur einlegen, wenn wesentliche Belange der Allgemeinheit oder der am Verfahren beteiligten Personen es gebieten und wenn das Rechtsmittel aussichtsreich ist. Gleiches müsse für die Wiederaufnahme gelten.759 Die entgegengesetzte Ansicht müsse bei hinreichender Erfolgsaussicht der Wiederaufnahme entgegen Nr. 147 I 1 RiStBV eine Pflicht zur Antragsstellung annehmen.760 deraufnahme in Strafsachen, Rn. 297; siehe auch: Hoffmann-Holland, in: Graf, § 362 Rn. 3; Hohmann, in: Radtke/Hohmann, § 362 Rn. 10; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 362 Rn. 1, nach denen aber trotzdem die §§ 153 ff. StPO mit der Besonderheit gelten sollen, dass es zur Einstellung keine Zustimmung des Gerichts bedürfe. Ebenfalls kritisch zur Anwendung des Legalitätsprinzips im Wiederaufnahmeverfahren: Frister, in: SK-StPO VII, § 365 Rn. 4 f.; Mayer, GerS 99 (1930), 299, 342, der zur Geltung des Opportunitätsprinzips tendierte und eine ausdrückliche gesetzliche Vorschrift für erforderlich hielt. Zu der Zulässigkeit von Nachermittlungen durch die Staatsanwaltschaft siehe: Engländer/Zimmermann, in: FS Beulke, S. 699 ff. Dafür: Eschelbach, in: KMR V, § 362 Rn. 20 und 66; Gössel, in: Löwe-Rosenberg VII/2, § 362 Rn. 1; ders., in: FS Dünnebier, S. 121, 131; Grüner/Wasserburg, NStZ 1999, 286, 290; Loos, in: AK-StPO III, vor § 359 Rn. 21, § 362 Rn. 3; Meyer, Wiederaufnahmereform, S. 76; Schmidt, in: KK, § 362 Rn. 4; Temming, in: HK-StPO, § 362 Rn. 1; vgl. auch: Kleinknecht, MDR 1953, 120. 754 Siehe dazu nur: Gössel, in: FS Dünnebier, S. 121, 131, der zusätzlich noch die §§ 160 I und 170 I StPO als Konkretisierung des Legalitätsprinzips anführt. 755 Vgl. ebenfalls: Feilcke, in: Wiederaufnahme in Strafsachen, Wiederaufnahme zuungunsten des Angeklagten Rn. 18; Hoffmann-Holland, in: Graf, § 362 Rn. 3; Marxen/ Tiemann, Die Wiederaufnahme in Strafsachen, Rn. 297; Mayer, GerS 99 (1930), 299, 341. 756 So auch: Weber-Klatt, Die Wiederaufnahme von Verfahren, S. 282. 757 Gössel, in: Löwe-Rosenberg VII/2, § 362 Rn. 1. 758 Frister, in: SK-StPO VII, § 365 Rn. 4 f.; Marxen/Tiemann, Die Wiederaufnahme in Strafsachen, Rn. 297. Die gesamten Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren sind abrufbar unter: http://www.verwaltungsvorschriften-im-internet.de/ bsvwvbund_01011977_420821R5902002.htm, zuletzt aufgerufen am 28.06.2016. 759 Frister, in: SK-StPO VII, § 365 Rn. 4. Nach Marxen/Tiemann, Die Wiederaufnahme in Strafsachen, Rn. 297, muss dies aufgrund der friedensstiftenden Funktion der Rechtskraft vor allem für die Wiederaufnahme gelten. 760 Frister, in: SK-StPO VII, § 365 Rn. 5.

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Der Schluss von Nr. 147 I 1 RiStBV auf die Geltung des Legalitätsprinzips im Wiederaufnahmeverfahren ist indes nicht zwingend:761 Die Wiederaufnahme des Strafverfahrens stellt gerade kein klassisches Rechtsmittel dar. Dies ergibt sich bereits aus der Systematik der Strafprozessordnung. Das dritte Buch der Strafprozessordnung beinhaltet die Rechtsmittel. Dort ist die Wiederaufnahme nicht aufgeführt. Sie ist eigenständig im vierten Buch der Strafprozessordnung geregelt. Rechtsmittel und Wiederaufnahmeverfahren sind strukturell verschieden, sodass man die Geltung des Legalitätsprinzips im Wiederaufnahmeverfahren nicht mit einer Parallele zum Rechtsmittelrecht erklären kann.762 Außerdem stellen die Richtlinien als Verwaltungsvorschriften763 lediglich Sollvorschriften dar.764 Sie entfalten nur interne Wirkung.765 Aus schlichten Verwaltungsvorschriften lässt sich aber keine Geltung des Legalitätsprinzips im Wiederaufnahmeverfahren ableiten. Nach Kleinknecht lässt sich vielmehr § 365 StPO entnehmen, dass das Legalitätsprinzip gerade nicht im Wiederaufnahmeverfahren gelte.766 § 365 StPO bestimmt, dass die allgemeinen Vorschriften über Rechtsmittel auch für den Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens gelten. Im Rechtsmittelverfahren gelte § 152 II StPO aber nicht, sodass das Legalitätsprinzip im Wiederaufnahmeverfahren auch keine Anwendung finde.767 Bereits nach dem Wortlaut des § 365 StPO ist aber mit den allgemeinen Vorschriften über Rechtsmittel lediglich der erste Abschnitt des dritten Buches der Strafprozessordnung gemeint. Man kann nicht davon ausgehen, dass damit auch auf Nr. 147 I 1 RiStBV oder auf § 152 II StPO verwiesen wird, selbst wenn man – entgegen der herrschenden Meinung –768 annimmt, dass § 152 II StPO im Rechtsmittelverfahren gelte. Außerdem – so Kleinknecht – bezwecke das Legalitätsprinzip allein die Anklageerhebung.769 Im Wiederaufnahmeverfahren gehe es jedoch nicht um die

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So auch: Weber-Klatt, Die Wiederaufnahme von Verfahren, S. 280. Grüner/Wasserburg, NStZ 1999, 286, 289 f.; vgl. auch: Weber-Klatt, Die Wiederaufnahme von Verfahren, S. 280. 763 Zu dieser Einordnung siehe nur: Leonhardt, Rechtsmittelermessen der Staatsanwaltschaft, S. 258 ff. m.w. N. 764 Siehe: Schaefer, NJW 1977, 21; vgl. auch: OLG Koblenz NJW 1986, 3093, 3095; zur Bindungswirkung für die Staatsanwaltschaft siehe: Leonhardt, Rechtsmittelermessen der Staatsanwaltschaft, S. 264 ff. 765 Leonhardt, Rechtsmittelermessen der Staatsanwaltschaft, S. 260. 766 Kleinknecht, in: FS Bruns, S. 475, 477. 767 Vgl. Kleinknecht, in: FS Bruns, S. 475, 477. 768 Siehe anstatt aller: Leonhardt, Rechtsmittelermessen der Staatsanwaltschaft, S. 103 ff. m.w. N., der sich auch mit der Gegenansicht auseinandersetzt; Matthies, StraFo 2009, 229, 230 m.w. N.; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 296 Rn. 4. 769 Vgl. Kleinknecht, in: FS Bruns, S. 475, 476 f., hier auch zum Folgenden. 762

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Erhebung der Anklage, sondern um den Antrag auf Wiederaufnahme des Strafverfahrens. Dies kann aber nicht überzeugen, da Mayer bereits 1930 betonte, dass der Legalitätsgrundsatz nicht nur die Anklageerhebung, sondern jegliches Tätigwerden im Rahmen der Strafverfolgung verlange.770 Dem ist uneingeschränkt zuzustimmen. Für die Geltung des Legalitätsprinzips im Bereich der Wiederaufnahme werden aber noch weitere Gründe angeführt: Bereits bei Einführung des Instituts der Wiederaufnahme sei man von der Geltung des Legalitätsprinzips ausgegangen, weil sich das Opportunitätsprinzip zu diesem Zeitpunkt noch nicht im Gesetz wiederfand.771 Nur das Legalitätsprinzip verhindere die unterschiedliche Handhabung der Wiederaufnahme zwischen den einzelnen Staatsanwaltschaften oder Staatsanwälten.772 Die Geltung des Opportunitätsprinzips im Rahmen der Wiederaufnahme des Strafverfahrens sei mit dem „rechtsstaatlichen Prinzip der Gerechtigkeit“ 773 unvereinbar.774 Und soweit man davon ausgehe, dass die Wiederaufnahme des Strafverfahrens nur bei schweren Straftaten in Betracht komme, müsse die Frage, ob diese Taten weiterverfolgt werden, vom Gesetzgeber gelöst und dürfte nicht in das Ermessen der Strafverfolgungsorgane gestellt werden.775 Als Korrektiv zu der Geltung des Legalitätsprinzips seien aber auch die §§ 153 ff. StPO anwendbar.776 Teilweise geht man – daran anknüpfend – davon aus, dass die Verfolgung im Rahmen eines Wiederaufnahmeverfahrens kriminalpolitisch „weniger dringlich“ 777 sei.778 770 Mayer, GerS 99 (1930), 299, 341 f., der aber trotzdem letztlich zur Geltung des Opportunitätsprinzips im Wiederaufnahmeverfahren tendiert. Siehe auch: Loos, in: AKStPO III, vor § 359 Rn. 21, wonach die Ansicht, die die Aufgabe des Legalitätsprinzip allein darin sieht, eine gerichtliche Entscheidung herbeizuführen, „den materialen Gehalt des Legalitätsprinzips“ einschränke; vgl. ebenfalls: Eschelbach, in: KMR V, § 362 Rn. 20, der allein das verfassungsrechtliche Legalitätsprinzip, das nicht auf die Anklageerhebung beschränkt sei, für maßgeblich hält. 771 Eschelbach, in: KMR V, § 362 Rn. 22. 772 Weber-Klatt, Die Wiederaufnahme von Verfahren, S. 282. 773 Eschelbach, in: KMR V, § 362 Rn. 22. 774 Eschelbach, in: KMR V, § 362 Rn. 22, hier auch zum Folgenden; ähnlich: WeberKlatt, Die Wiederaufnahme von Verfahren, S. 281. 775 Meyer, Wiederaufnahmereform, S. 76; ähnlich: Weber-Klatt, Die Wiederaufnahme von Verfahren, S. 282. 776 Vgl. Gössel, in: Löwe-Rosenberg VII/2, § 362 Rn. 1; Loos, in: AK-StPO III, § 362 Rn. 3; Schmidt, in: KK, § 362 Rn. 4; Temming, in: HK-StPO, § 362 Rn. 1; Weber-Klatt, Die Wiederaufnahme von Verfahren, S. 285, die betont, dass bei Anwendung der §§ 153 ff. StPO im Wiederaufnahmeverfahren die Schwere des Delikts und die bereits vergangene Zeit berücksichtigt werden könnten. 777 Loos, in: AK-StPO III, vor § 359 Rn. 21. 778 Vgl. beispielsweise: Loos, in: AK-StPO III, vor § 359 Rn. 21; Weber-Klatt, Die Wiederaufnahme von Verfahren, S. 283 und 285; kritisch dazu: Grüner/Wasserburg, NStZ 1999, 286, 290.

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Die Tatsache, dass sich das Opportunitätsprinzip bei der Einführung der Wiederaufnahme des Strafverfahrens noch nicht etabliert hatte, sagt an sich jedoch nichts darüber aus, ob das Legalitätsprinzip heute im Wiederaufnahmeverfahren gilt oder nicht. Auch die unterschiedliche Handhabung der Wiederaufnahme zwischen verschiedenen Staatsanwaltschaften und Staatsanwälten kann alleine nicht als Argument für die Geltung des Legalitätsprinzips angeführt werden, zumal die unterschiedliche Handhabung im Rahmen der Anwendung der §§ 153 ff. StPO ebenfalls hingenommen wird. Zudem könnte dieses Problem durch eine entsprechende Ergänzung der Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren vermieden werden. Letztlich kann auch der allgemeine Verweis auf das Prinzip der Gerechtigkeit nicht überzeugen. Die Geltung des Legalitätsprinzips im Wiederaufnahmeverfahren stößt aber ferner auf praktische Einwände: Eine Intensivierung der Ermittlungen im Bereich der Wiederaufnahme des Strafverfahrens führt zwangsläufig dazu, dass die entsprechenden Ressourcen im Bereich der noch nicht abgeurteilten Kriminalität fehlen.779 Es erscheint zwar fraglich, ob man daraus den Schluss ziehen kann, dass „bei strikter Befolgung des Legalitätsprinzips im Bereich der Wiederaufnahme [. . .] die Funktionsfähigkeit des Verfolgungsapparats lahmgelegt“ 780 werde;781 allerdings müssen die knappen personellen Ressourcen auch bei der Entscheidung, ob im Wiederaufnahmeverfahren das Legalitätsprinzip gilt, berücksichtigt werden.782 Es bestehen aber noch weitere durchgreifende Bedenken: Wenn man die Geltung des Legalitätsprinzips im Rahmen des Wiederaufnahmeverfahrens bejaht, müssten folgerichtig auch die §§ 153 ff. StPO zur Anwendung kommen.783 Die §§ 153 ff. StPO sind aber auf das Verfahren im ersten Rechtszug ausgelegt und passen oftmals nicht zu einem Wiederaufnahmeverfahren.784 So scheint bei-

779 Vgl. Dölling, Polizeiliche Ermittlungstätigkeit I, S. 285; Jeutter, Sinn und Grenzen des Legalitätsprinzips, S. 171; Meyer, Wiederaufnahmereform, S. 72; Weber-Klatt, Die Wiederaufnahme von Verfahren, S. 283. 780 Weber-Klatt, Die Wiederaufnahme von Verfahren, S. 283. 781 So: Radtke, Systematik des Strafklageverbrauchs, S. 39; Weber-Klatt, Die Wiederaufnahme von Verfahren, S. 283. 782 So auch allgemein: Dölling, Polizeiliche Ermittlungstätigkeit I, S. 285 f. 783 Frister, in: SK-StPO VII, § 365 Rn. 5; davon gehen namentlich aus: Gössel, in: Löwe-Rosenberg VII/2, § 362 Rn. 1; Loos, in: AK-StPO III, § 362 Rn. 3; Schmidt, in: KK, § 362 Rn. 4, allerdings nur, wenn die Paragraphen nicht die Zustimmung des Gerichtes vorsehen; keiner Zustimmung des Gerichts bedarf es bei den §§ 153 I 2, 153c, 153d, 154 I und 154a I StPO; Temming, in: HK-StPO, § 362 Rn. 1; a. A.: Grüner/Wasserburg, NStZ 1999, 286, 290. 784 Vgl. Frister, in: SK-StPO VII, § 365 Rn. 5; Marxen/Tiemann, Die Wiederaufnahme in Strafsachen, Rn. 304 Fn. 502, hier auch zum Folgenden.

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spielsweise die Erteilung von Auflagen und Weisungen nach § 153a StPO nicht damit zu vereinbaren, dass ein rechtskräftiges Urteil in derselben Sache existiert,785 und die Anwendung der Einstellungsvorschriften, die als Voraussetzung die Zustimmung des Gerichtes aufstellen, führt ebenfalls zu Konflikten mit der Rechtskraft des ursprünglichen Urteils.786 Der Einwand, dass Auflagen und Weisungen nach § 153a StPO im Konflikt mit der Rechtskraft des Urteils stehen, schlägt jedoch im Ergebnis nicht durch: Bei den Auflagen und Weisungen nach § 153a StPO handelt es sich nämlich – insbesondere aufgrund des Zustimmungserfordernisses des Beschuldigten – nicht um „echte Strafen“ 787. Den noch vorhandenen Konflikt mit der Rechtskraft aufgrund des Zustimmungserfordernisses des Gerichts versucht Eschelbach aufzulösen: Die Rechtskraft verbiete nicht die Anwendung „sachlich gebotene[r]“ 788 Maßnahmen.789 Ähnlich äußern sich Grüner/Wasserburg: Von der Rechtskraft gehe, sofern Wiederaufnahmegründe vorlägen, keine Befriedigungsfunktion aus.790 Diese Überlegungen führen aber im Ergebnis nicht weiter, weil man trotzdem die Frage beantworten muss, ob und wie die §§ 153 ff. StPO im Rahmen des Wiederaufnahmeverfahrens anzuwenden wären. Von einer Unanwendbarkeit der §§ 153 ff. StPO auszugehen, ist nicht mit der generellen Anwendung des Legalitätsprinzips zu vereinbaren. Sofern das Legalitätsprinzip im Wiederaufnahmeverfahren gelten soll, müssen auch dessen Ausnahmen berücksichtigt werden.791 In Betracht kommt, nur die Vorschriften anzuwenden, die keine Zustimmung des Gerichts voraussetzen,792 alle Opportunitätsvorschriften anzuwenden, aber ge-

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Siehe dazu: Schmidt, in: KK, § 362 Rn. 4. So auch: Gössel, in: Löwe-Rosenberg VII/2, § 362 Rn. 1; Schmidt, in: KK, § 362 Rn. 4. Deshalb ist es innerhalb dieser Meinung umstritten, ob die Tatbestände, die die Zustimmung des Gerichts verlangen, angewendet werden können, siehe dazu: Gössel, a. a. O.; Loos, in: AK-StPO III, § 362 Rn. 3; Schmidt, a. a. O.; Temming, in: HK-StPO, § 362 Rn. 1; siehe auch: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 362 Rn. 1, der zwar davon ausgeht, dass das Legalitätsprinzip nicht gelte, aber trotzdem die Anwendbarkeit der §§ 153 ff. StPO bejaht. Eine Zustimmung des Gerichts sei in keinem Fall erforderlich. 787 Weber-Klatt, Die Wiederaufnahme von Verfahren, S. 287; zu dem fehlenden Strafcharakter vgl.: BGHSt 28, 174, 176; BGH NJW 1993, 605, 606; Beulke, in: LöweRosenberg V, § 153a Rn. 8; Fezer, ZStW 106 (1994), 1, 33; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 153a Rn. 12; Radtke, Systematik des Strafklageverbrauchs, S. 288 f.; Rieß, NStZ 1981, 2, 7; Saliger, GA 152 (2005), 155, 168; Weber-Klatt, a. a. O.; Weßlau, in: SK-StPO, § 153a Rn. 8; a. A.: Hirsch, ZStW 92 (1980), 218, 224; Jeutter, Sinn und Grenzen des Legalitätsprinzips, S. 96, allerdings nur in Bezug auf § 153a I Nr. 2 und 3 StPO; Stuckenberg, Untersuchungen zur Unschuldsvermutung, S. 567; in diese Richtung ebenfalls: Rudolphi, ZRP 1976, 165, 168. 788 Eschelbach, in: KMR V, § 362 Rn. 23. 789 Eschelbach, in: KMR V, § 362 Rn. 23. 790 Grüner/Wasserburg, NStZ 1999, 286, 290. 791 Anders: Grüner/Wasserburg, NStZ 1999, 286, 290. 792 So: Schmidt, in: KK, § 362 Rn. 4; Temming, in: HK-StPO, § 362 Rn. 1. 786

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nerell auf die Zustimmung des Gerichts im Rahmen von Wiederaufnahmeverfahren zu verzichten793 oder die §§ 153 ff. StPO umfassend anzuwenden. Im Ergebnis kann keine dieser Lösungen überzeugen: Ein Verzicht auf das gerichtliche Zustimmungserfordernis führt zu einer Umgehung der gesetzlich vorgeschriebenen Kontrolle der Staatsanwaltschaft durch die Gerichte;794 bei einer eingeschränkten Anwendung der §§ 153 ff. StPO kommt dem Legalitätsprinzip im Wiederaufnahmeverfahren eine größere Bedeutung zu als im Verfahren des ersten Rechtszugs, und die uneingeschränkte Anwendung der §§ 153 ff. StPO mit den entsprechenden Zustimmungserfordernissen des Gerichts ist mit der Rechtskraft unvereinbar. bb) Ergebnis zur Anwendbarkeit des Legalitätsprinzips im Wiederaufnahmeverfahren Aufgrund der Tatsache, dass die Geltung des Legalitätsprinzips im Wiederaufnahmeverfahren zu den beschriebenen Problemen führen würde, die nicht adäquat gelöst werden könnten, ist diese Meinung abzulehnen. Das Legalitätsprinzip gilt im Wiederaufnahmeverfahren nicht.795 Daher kann man auch nicht mit dem Legalitätsprinzip begründen, dass die Staatsanwaltschaft – über die Prüfung der Statthaftigkeit eines Wiederaufnahmeverfahrens hinaus – weitere Verfolgungsmaßnahmen aufgreifen darf 796 und § 78b I Nr. 2 StGB in Folge dessen nicht zur Anwendung komme. cc) Weitere Probleme bei der Lösung über § 78b I Nr. 2 StGB Das OLG Nürnberg nimmt aber ebenfalls an, dass trotz Art. 103 III GG Maßnahmen zur Vorbereitung der Wiederaufnahme möglich seien und deshalb nicht 793 So: Gössel, in: Löwe-Rosenberg VII/2, § 362 Rn. 1, der auch auf die Probleme der jeweiligen Meinungen eingeht; Loos, in: AK-StPO III, § 362 Rn. 3; Meyer-Goßner/ Schmitt, StPO, § 362 Rn. 1, der aber nicht von der Geltung des Legalitätsprinzips ausgeht. 794 Vgl. Gössel, in: Löwe-Rosenberg VII/2, § 362 Rn. 1; Weber-Klatt, Die Wiederaufnahme von Verfahren, S. 288. 795 So auch: Fincke bei Eckert, ZStW 84 (1972), 937, 942; Kaspar, in: SSW-StPO, § 362 StPO Rn. 2; Kleinknecht, in: FS Bruns, S. 475, 477; Marxen/Tiemann, Die Wiederaufnahme in Strafsachen, Rn. 297; siehe auch: Hoffmann-Holland, in: Graf, § 362 Rn. 3; Hohmann, in: Radtke/Hohmann, § 362 Rn. 10; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 362 Rn. 1, nach denen aber trotzdem die §§ 153 ff. StPO mit der Besonderheit gelten sollen, dass es zur Einstellung keine Zustimmung des Gerichts bedürfe. Ebenfalls kritisch zur Anwendung des Legalitätsprinzips im Wiederaufnahmeverfahren: Frister, in: SK-StPO VII, § 365 Rn. 4 f.; Mayer, GerS 99 (1930), 299, 342, der zur Geltung des Opportunitätsprinzips tendierte und eine ausdrückliche gesetzliche Vorschrift für erforderlich hielt. 796 So aber: Eschelbach, in: KMR V, § 362 Rn. 103.

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auf § 78b I StGB zurückgegriffen werden könne.797 Als Beispiele führt es an, dass Maßnahmen nach § 78c I Nr. 2, 3 und 4 StGB, wonach die Verjährung durch jede richterliche Vernehmung des Beschuldigten oder deren Anordnung (Nr. 2), jede Beauftragung eines Sachverständigen durch den Richter oder Staatsanwalt, wenn vorher der Beschuldigte vernommen oder ihm die Einleitung des Ermittlungsverfahrens bekanntgegeben worden ist (Nr. 3) und jede richterliche Beschlagnahme- oder Durchsuchungsanordnung und richterliche Entscheidungen, welche diese aufrechterhalten (Nr. 4) unterbrochen wird, in Betracht kämen. Unstreitig ist, dass § 78b I StGB nur zur Anwendung kommt, wenn alle Verfolgungshandlungen ausgeschlossen sind, sodass keine wirksame Unterbrechungshandlung nach § 78c StGB mehr möglich ist.798 Es ist aber nicht ersichtlich, warum Strafverfolgungsmaßnahmen trotz Art. 103 III GG zulässig sein sollten. Wollte man begründen, dass Strafverfolgungshandlungen nach § 78c I StGB nach Eintritt der Rechtskraft vorgenommen werden können, müsste man § 78c I StGB an Art. 103 III GG messen. Da Art. 103 III GG aber schrankenlos gewährleistet ist, bedürfte es für eine Rechtfertigung des Eingriffs in Art. 103 III GG eines Rechtsguts mit Verfassungsrang. Ein solches ist im Rahmen des § 78b I StGB nicht ersichtlich. Außerdem wurde eingewendet, dass gesetzliche Vorschriften im Sinne des § 69 StGB a. F. (§ 78b I Nr. 2 StGB n. F.)799 nur Vorschriften seien, die Schritte zur Fortsetzung des Verfahrens verböten und der Ne-bis-in-idem-Grundsatz zwar der Erneuerung eines Prozesses, aber nicht seiner Fortsetzung entgegenstehe.800 Dies kann jedoch nicht überzeugen, da der Wortlaut der Vorschrift keine Einschränkung auf Vorschriften, die der Verfahrensfortsetzung entgegenstehen, enthält. Vielmehr erfasst § 78b I Nr. 2 1. Hs. StGB ausdrücklich Gesetze, nach denen die Verfolgung nicht fortgesetzt werden kann. Das Gericht setzt zwar das ursprüngliche Verfahren im Falle eines erfolgreichen Wiederaufnahmeantrags nicht fort, sondern es findet ein neuer Prozess statt;801 die Verfolgung des Beschuldigten setzt sich aber in den Ermittlungen und dem erneuten Strafverfahren fort. Der Beschuldigte wurde bereits einmal verfolgt, und diese Verfolgung wird nunmehr fortgesetzt. Köhler hat sich schon 1932 gegen ein Ruhen der Verjährung ausgesprochen, weil ansonsten im Regelfall kaum eine Verjährung eintreten könne, sondern viel797

OLG Nürnberg NStZ 1988, 555, 556, hier auch zum Folgenden. Siehe nur: Fischer, StGB, § 78b Rn. 4; Mitsch, in: MüKo-StGB, § 78b Rn. 2 und § 78c Rn. 2. 799 Siehe: RGBl. 1893, S. 133. 800 Sieg, NJW 1975, 153, 154; vgl. auch: Köhler, JW 1932, 1765, jeweils in Bezug auf die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. 801 Vgl. nur: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, Vorbemerkungen §§ 359 ff. Rn. 3. 798

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mehr ein faktisch unbegrenztes Ruhen der Verjährung einträte.802 Dem ist zwar zuzustimmen, man muss bei dieser Kritik aber berücksichtigen, dass sich dieses faktisch endlose Ruhen der Verjährung für den Betroffenen nicht nachteilig auswirkt, da Art. 103 III GG ohnehin alle weiteren Strafverfolgungsmaßnahmen bis auf die Vorbereitung und Einleitung eines Wiederaufnahmeverfahrens sperrt. Die Konsequenzen der ersten Meinung zu dem Verhältnis zwischen Wiederaufnahme und Strafverfolgungsverjährung, wonach die Verjährung mit einem rechtskräftigen Urteil endet und sie mit dem Wegfall der rechtskräftigen Entscheidung von neuem beginnt,803 sind daher für den Betroffenen wesentlich gravierender, da die Verjährung einer Wiederaufnahme dann faktisch gar nicht mehr entgegenstehen kann. Das weitere Argument von Köhler, dass der Ne-bis-in-idem-Grundsatz keine gesetzliche Vorschrift im Sinne des § 69 StGB a. F. sei,804 trägt seit Einführung des Art. 103 III GG nicht mehr. dd) Ergebnis Richtigerweise sind daher wegen der Sperrwirkung des Art. 103 III GG nur Maßnahmen erlaubt, um die Wiederaufnahme vorzubereiten.805 Da diese sehr speziellen Maßnahmen nicht mit der üblichen Verfolgungstätigkeit zu vergleichen sind,806 kann nach § 78b I Nr. 2 1. Hs. StGB die Verfolgung nicht begonnen oder nicht fortgesetzt werden. Davon ausgehend führt dies nach § 78b I Nr. 2 StGB zu einem Ruhen der Verjährung.807 802

Köhler, JW 1932, 1765. BGH GA 121 (1974), 149 f.; RGSt 76, 46, 48; BayObLGSt 1953, 179 f.; OLG Bamberg NJW 1962, 2168, 2169; OLG Düsseldorf StraFo 2001 102 ff.; OLG Düsseldorf JR 1988, 519; OLG Frankfurt MDR 1978, 513; OLG Hamburg VRS 29 (1965), 359; OLG Hamm NJW 1972, 2097, 2098; OLG Schleswig-Holstein SchlHA 1963, 60, 63; OLG Stuttgart MDR 1986, 608; LG Aachen NJW 1962, 1973, 1974; Beukelmann, in: Dölling/Duttge/Rössner, § 78 Rn. 18; Gössel, in: Löwe-Rosenberg VII/2, § 362 Rn. 3; ders., NStZ 1988, 537 f.; Kaiser, NJW 1962, 1703, 1704; Pfeiffer, in: FG Graßhof, S. 271, 285; Saliger, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, § 78 Rn. 15 und § 78b Rn. 22; Schmid, in: LK, § 78 Rn. 11. 804 Köhler, JW 1932, 1765. 805 So auch: Kühl, in: Lackner/Kühl, § 78 Rn. 7; Weber-Klatt, Die Wiederaufnahme von Verfahren, S. 287 und 300; noch restriktiver: Eschelbach, in: KMR V, § 362 Rn. 17 und 19. 806 Weber-Klatt, Die Wiederaufnahme von Verfahren, S. 300. 807 So bereits: Bellmann, BayRpflZ 1929 zu § 69 I 1 StGB a. F.; siehe auch: Rudolphi/Wolter, in: SK-StGB, Vor § 78b Rn. 11; Weber-Klatt, Die Wiederaufnahme von Verfahren, S. 301; im Ergebnis ebenfalls: Lenzen, JR 1988, 520, 521; Mitsch, in: MüKoStGB, § 78c Rn. 20; ähnlich: Kühl, in: Lackner/Kühl, § 78 Rn. 7; siehe weiterhin bereits: BayObLG JW 1930, 3426; OLG Dresden JW 1932, 1765, allerdings jeweils für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Das BayObLG, a. a. O., lässt ausdrücklich offen, ob Gleiches für die Wiederaufnahme gilt; a. A.: Asholt, Verjährung im Strafrecht, S. 685; Gössel, NStZ 1988, 537, 538 f.; Jacobsen-Raetsch, Wiederaufnahme und Verjährung, S. 198; Köhler, JW 1932, 1765. 803

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3. Weitere Argumente der einzelnen Meinungen Aus dem Umstand, dass der Wortlaut des § 78b I Nr. 2 StGB der Annahme eines Ruhens der Verjährung während der Rechtskraft zumindest nicht entgegensteht, kann man für sich genommen aber noch nicht herleiten, dass diese Ansicht die richtige ist. Daher sollen zuletzt die weiteren Argumente der einzelnen Meinungen dargestellt werden, um das Verhältnis der Wiederaufnahme zu der Verjährung abschließend zu bestimmen. a) Berücksichtigung der Folgen der einzelnen Meinungen Vor dem Hintergrund der Folgen der unterschiedlichen Ansichten überzeugt die vermittelnde Ansicht, die von einem Ruhen der Verjährung zwischen rechtskräftigem Urteil und rechtskräftigem Wiederaufnahmebeschluss ausgeht,808 ebenfalls:809 Folge der ersten Meinung, nach der die Verjährung mit einem rechtskräftigen Urteil endet und sie mit dem Wegfall der rechtskräftigen Entscheidung von neuem beginnt,810 ist nämlich, dass die Verjährung einer Wiederaufnahme faktisch nie entgegenstehen kann.811 Der Lauf einer neuen Verjährungsfrist ab dem Wiederaufnahmebeschluss würde vielmehr dazu führen, dass dem Institut der Wiederaufnahme in praxi immer der Vorrang vor dem Institut der Verjährung eingeräumt würde. Nur noch in der Theorie könnte die Verjährung die Wiederaufnahme ausschließen – und dies selbst bei eklatanten Verfahrensverzögerungen.812 Diese Meinung trägt daher einseitig dem Institut der Wiederaufnahme Rechnung und vernachlässigt das Institut der Strafverfolgungsverjährung völlig.813 808

Vgl. Kühl, in: Lackner/Kühl, § 78 Rn. 7; Lenzen, JR 1988, 520, 521; Mitsch, in: MüKo-StGB, § 78c Rn. 20; Rosenau, in: SSW-StGB, § 78b Rn. 12; Schünemann, Strafverfahrensrecht, § 57 Rn. 11; Rudolphi/Wolter, in: SK-StGB, Vor § 78 Rn. 7; Temming, in: HK-StPO, § 370 Rn. 5; Weber-Klatt, Die Wiederaufnahme von Verfahren, S. 301; nur im Ergebnis ebenso: Jacobsen-Raetsch, Wiederaufnahme und Verjährung, S. 201. 809 Siehe zu der Berücksichtigung von Folgen bei der Auslegung nur: Deckert, Folgenorientierung in der Rechtsanwendung, passim. 810 BGH GA 121 (1974), 149 f.; RGSt 76, 46, 48; BayObLGSt 1953, 179 f.; OLG Bamberg NJW 1962, 2168, 2169; OLG Düsseldorf StraFo 2001 102 ff.; OLG Düsseldorf JR 1988, 519; OLG Frankfurt MDR 1978, 513; OLG Hamburg VRS 29 (1965), 359; OLG Hamm NJW 1972, 2097, 2098; OLG Schleswig-Holstein SchlHA 1963, 60, 63; OLG Stuttgart MDR 1986, 608; LG Aachen NJW 1962, 1973, 1974; Beukelmann, in: Dölling/Duttge/Rössner, § 78 Rn. 18; Gössel, in: Löwe-Rosenberg VII/2, § 362 Rn. 3; ders., NStZ 1988, 537 f.; Kaiser, NJW 1962, 1703, 1704; Pfeiffer, in: FG Graßhof, S. 271, 285; Saliger, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, § 78 Rn. 15 und § 78b Rn. 22; Schmid, in: LK, § 78 Rn. 11. 811 So bereits: Ziemba, Die Wiederaufnahme des Strafverfahrens, S. 116; siehe auch: Jacobsen-Raetsch, Wiederaufnahme und Verjährung, S. 201. 812 Siehe dazu nur: Kühne, in: Löwe-Rosenberg I, Einl. Abschn. I Rn. 67 f. 813 Vgl. auch: Jacobsen-Raetsch, Wiederaufnahme und Verjährung, S. 191.

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Zwar erreicht die zweite Meinung, wonach die Verjährung trotz des Eintritts der Rechtskraft weiterläuft,814 einen hohen Schutz des Beschuldigten;815 sie löst den Konflikt aber einseitig zulasten der Wiederaufnahme. In der Praxis wären dann aufgrund der entgegenstehenden Verjährung häufig keine Wiederaufnahmeverfahren mehr möglich. Solange der Gesetzgeber aber an dem Institut der Wiederaufnahme des Strafverfahrens festhält816 und er die Wiederaufnahme nicht ausdrücklich unter den Vorbehalt der Verjährung stellt,817 darf ein solcher Vorbehalt nicht einfach in die Vorschriften hinein interpretiert werden. Nur die vermittelnde Ansicht, die von einem Ruhen der Verjährung ausgeht, führt im Ergebnis dazu, dass die unterschiedlichen Zwecke der beiden Institute jeweils ausreichend berücksichtigt werden und der Konflikt nicht komplett zu Lasten der Verjährung oder der Wiederaufnahme gelöst wird.818 b) Die Reform der Verjährungsvorschriften von 1975 Für ein Ruhen der Verjährung spricht zudem die Reform der Verjährungsvorschriften von 1975, die den Verjährungsgedanken stärker in den Vordergrund stellte.819 Zwar existierte mit § 69 I 1 StGB a. F. bereits vor dieser Reform eine 814 OLG Nürnberg NStZ 1988, 555 f.; Dallmeyer, in: von Heintschel-Heinegg, § 78 b Rn. 7; Eschelbach, in: KMR V, § 362 Rn. 103; Frister, in: SK-StPO VII, § 362 Rn. 20; Loos, in: AK-StPO III, § 362 Rn. 7; Marxen/Tiemann, Die Wiederaufnahme in Strafsachen, Rn. 18; Schmidt, in: KK, § 362 Rn. 7; so wohl auch: OLG Bremen NJW 1956, 1248; Fischer, StGB, § 78b Rn. 11a; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 362 Rn. 1; Sternberg-Lieben/Bosch, in: Schönke/Schröder, § 78 a Rn. 15; Ziemba, Die Wiederaufnahme des Strafverfahrens, S. 118. 815 Vgl. dazu auch: Jacobsen-Raetsch, Wiederaufnahme und Verjährung, S. 199. 816 Hauser bei Eckert, ZStW 84 (1972), 937, 947; Maier, in: GS Kaufmann, S. 789, 794; Meyer, ZStW 84 (1972), 909, 930; Schmidt bei Eckert, ZStW 84 (1972), 937, 947, tendieren beispielsweise dazu, zumindest die Wiederaufnahme zuungunsten des Angeklagten abzuschaffen; siehe dazu auch: Deml, Zur Reform der Wiederaufnahme, S. 137 ff., der sich aber im Ergebnis für die Beibehaltung der nachteiligen Wiederaufnahme ausspricht. 817 Siehe dazu nochmals § 309 badische Strafprozeßordnung von 1845, der ausdrücklich normierte, dass die Verjährung der Wiederaufnahme entgegensteht. Außerdem enthielt § 309 Bestimmungen zu dem Beginn der Verjährungsfrist. Gleiches galt für § 474 des österreichischen Strafgesetzbuchs über Verbrechen und schwere Polizey-Uebertretungen von 1803, der ebenfalls davon ausging, dass die Verjährung der Wiederaufnahme entgegenstand; das gesamte Gesetz ist abrufbar unter: http://books.google.de/ books?id=wTBEAAAAcAAJ&pg=PA259&dq=Strafgesetzbuch+%C3%BCber+Verbre chen+und+schwere+Polizey-Uebertretungen&hl=de&sa=X&ei=NDgKUvPLCcabtAb64 IHgBw&ved=0CDwQ6AEwAg#v=onepage&q=Strafgesetzbuch%20%C3%BCber%20 Verbrechen%20und%20schwere%20Polizey-Uebertretungen&f=false, zuletzt aufgerufen am 28.06.2016. 818 Vgl. auch: Jacobsen-Raetsch, Wiederaufnahme und Verjährung, S. 201; WeberKlatt, Die Wiederaufnahme von Verfahren, S. 301. 819 Vgl. Jacobsen-Raetsch, Wiederaufnahme und Verjährung, S. 197; Lenzen, JR 1988, 520 f.; Schmidt, in: KK, § 370 Rn. 19; a. A.: Gössel, NStZ 1988, 537, 539.

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Vorschrift, die – wie § 78b I Nr. 2 StGB n. F. – ein Ruhen der Verjährung anordnete, wenn aufgrund eines Gesetzes die Strafverfolgung nicht begonnen oder nicht fortgesetzt werden konnte;820 allerdings wurde die absolute Verjährungsfrist erst durch das Zweite Gesetz zur Reform des Strafrechts821 eingeführt.822 Außerdem unterbrach nach § 68 I StGB a. F. jede Handlung des Richters, die wegen der begangenen Tat gegen den Täter gerichtet war, die Verjährung.823 Diese Regelung ersetzte das Zweite Gesetz zur Reform des Strafrechts durch die abschließende Aufzählung der Unterbrechungshandlungen in § 78c I StGB n. F.824 Insgesamt führte die Reform von 1975 somit zu einer deutlichen Aufwertung des Verjährungsgedankens. Diese Aufwertung ist aber unvereinbar mit der Annahme, dass die Verjährung (faktisch) keinerlei Einfluss auf ein Wiederaufnahmeverfahren haben kann. c) Beschuldigtenschutz Für die vermittelnde Ansicht spricht ferner, dass ein Ruhen der Verjährung dem Schutz des Beschuldigten eher gerecht wird,825 auch wenn durch den Eröffnungsbeschluss bezüglich des Wiederaufnahmeverfahrens oder spätestens hinsichtlich des wiederaufgenommenen Verfahrens letztlich doch eine Unterbrechung der Verjährung nach § 78c I Nr. 7 StGB eintritt. Zwar erreicht die zweite Meinung, wonach die Verjährung trotz des Eintritts der Rechtskraft weiterläuft,826 einen noch höheren Schutz des Beschuldigten;827 sie löst den Konflikt aber – wie oben bereits erläutert – einseitig zulasten der Wiederaufaufnahme. Außerdem erscheint es nicht sachgerecht, den Freispruch und die Verurteilung bezüglich der Verjährung unterschiedlich zu behandeln.828

820

Siehe: RGBl. 1893, S. 133. BGBl. I 1969, S. 717 ff.; in Kraft getreten am 01.01.1975, siehe: BGBl. I 1973, S. 909. 822 In den abgedruckten Verjährungsvorschriften bei Dreher, StGB33, §§ 66 ff., findet sich noch keine solche Vorschrift, während das zweite Gesetz zur Reform des Strafrechts die absolute Verjährung in § 78c II 2 festlegte, siehe: BGBl. I 1969, S. 739. 823 Siehe den Abdruck bei Dreher, StGB33, § 68. 824 BGBl. I 1969, S. 739. 825 Vgl. Jacobsen-Raetsch, Wiederaufnahme und Verjährung, S. 198. 826 OLG Nürnberg NStZ 1988, 555 f.; Dallmeyer, in: von Heintschel-Heinegg, § 78 b Rn. 7; Eschelbach, in: KMR V, § 362 Rn. 103; Frister, in: SK-StPO VII, § 362 Rn. 20; Loos, in: AK-StPO III, § 362 Rn. 7; Marxen/Tiemann, Die Wiederaufnahme in Strafsachen, Rn. 18; Schmidt, in: KK, § 362 Rn. 7; so wohl auch: OLG Bremen NJW 1956, 1248; Fischer, StGB, § 78b Rn. 11a; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 362 Rn. 1; Sternberg-Lieben/Bosch, in: Schönke/Schröder, § 78 a Rn. 15; Ziemba, Die Wiederaufnahme des Strafverfahrens, S. 118. 827 Vgl. dazu auch: Jacobsen-Raetsch, Wiederaufnahme und Verjährung, S. 199. 828 So auch: Gössel, NStZ 1988, 537, 539, allerdings mit einem anderen Ergebnis. 821

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Gegen ein Ruhen der Verjährung kann man auch nicht geltend machen, dass diese Rechtsfolge als etwas Vorübergehendes nicht zu dem auf Endgültigkeit beruhenden Gedanken der Rechtskraft passe,829 denn selbst wenn die Rechtskraft regelmäßig als endgültiger Abschluss des Verfahrens verstanden wird, ist gerade in den §§ 359 ff. StPO ihre Durchbrechung ausdrücklich vorgesehen. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass das Verfahren durch den Wiederaufnahmebeschluss in den Stand vor dem ursprünglichen Urteil versetzt wird.830 Dies muss dann auch für die Verjährung gelten.831 Zwar kommt es in manchen Situationen dazu, dass derjenige, der seinen Freispruch durch eine Straftat im Sinne des § 362 Nr. 1–3 StPO erwirkt hat, aufgrund eingetretener Verjährung im Wiederaufnahmeverfahren nicht mehr bestraft werden kann,832 allerdings muss berücksichtigt werden, dass eine Bestrafung wegen des Delikts, das im Rahmen des ersten Prozesses begangen wurde, noch möglich sein dürfte. Die im ursprünglichen Prozess begangene Urkundenfälschung, der im ersten Prozess begangene Meineid oder die falsche uneidliche Aussage könnten daher zum Beispiel noch abeurteilt werden. Bei der Strafzumessung kann dann strafschärfend berücksichtigt werden, dass der Angeklagte aufgrund der begangenen Straftat für andere Delikte nicht mehr bestraft werden konnte.833 Diese Möglichkeit stößt aber an ihre Grenzen, wenn ein Zeuge, ein Sachverständiger oder ein Angehöriger (vgl. § 362 Nr. 1–2 StPO) oder ein Richter oder ein Schöffe (vgl. § 362 Nr. 3 StPO) die Straftat ohne Zutun des Angeklagten verwirklicht hat. Gegen die Argumentation, die den Fokus auf die Ungerechtigkeit der nicht mehr möglichen Bestrafung lenkt, kann man jedoch weiter einwenden, dass man damit das gesamte Institut der Verjährung in Frage stellen könnte, weil im Ergeb-

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So aber: Jacobsen-Raetsch, Wiederaufnahme und Verjährung, S. 197 und 201. OLG Hamburg VRS 29 (1965), 359, 360; Gössel, in: Löwe-Rosenberg VII/2, Vor § 359 Rn. 142. 831 A. A.: Gössel, NStZ 1988, 537, 539; selbst das OLG Hamburg VRS 29 (1965), 359, 360, das im Ergebnis von einem Neubeginn der Verjährung ausgeht, kann die Frage nicht beantworten, warum das Zurückversetzen des Verfahrensstandes nicht auch für die Verjährung gelten soll. 832 Siehe dazu: Jacobsen-Raetsch, Wiederaufnahme und Verjährung, S. 199, allerdings in Bezug auf die Meinung, die von einem Weiterlaufen der Verjährung ausgeht. 833 Siehe zur Berücksichtigung verjährter Taten im Rahmen der Strafzumessung: BGHR StGB § 46 II Vorleben 24, verjährte Straftaten, 1, 2; BGHR StGB § 46 II Vorleben 20, verjährtes Vortatverhalten; BGHR StGB § 46 II Vorleben 19, verjährte Straftaten, 1 f.; BGHR StGB § 46 II Vorleben 11, verjährte Straftat; BGH NJW 1987, 3144, BGH, Urteil vom 21. April 1987 – 1 StR 100/87 –, juris Rn. 12; 3145; BGH NJW 1984, 1764, 1765; BGH bei Holtz, MDR 1977, 807, 809 § 86; BGH bei Dallinger, MDR 1974, 721 § 13. b); Jähnke, in: FS Salger, S. 47 ff.; Meyer, JA 2014, 342, 343 m.w. N.; Theune, in: LK, § 46 Rn. 178. Allerdings sind verjährte Straftaten bei der Strafzumessung nicht im vollen Umfang zum Nachteil des Angeklagten zu berücksichtigen, siehe nur: BGHR StGB § 46 II Vorleben 24, verjährte Straftaten, 1, 2 m.w. N. 830

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nis derjenige bevorzugt wird, der sich den Strafverfolgungs- oder den Strafvollstreckungsbehörden möglichst lange entzieht. Soweit ersichtlich, wird das Institut der Verjährung aber nicht (mehr) in Frage gestellt.834 Dass eine Bestrafung nach dem Ablauf einer gewissen Zeitspanne ausgeschlossen ist, ist gerade der Sinn und Zweck der Verjährung und kann deshalb nicht als Argument für einen Vorrang der Wiederaufnahme verwendet werden.835 d) Weitere Argumente für einen Neubeginn der Verjährung aa) Argumente Für einen Neubeginn der Verjährung mit Wegfall der rechtskräftigen Entscheidung wird aber angeführt, dass der Lauf der Verjährung mit dem Eintritt der Rechtskraft endgültig ende.836 Ferner trage allein diese Meinung „den unterschiedlichen, sich ausschließenden [Instituten] der Verfolgungs- und der Vollstreckungsverjährung“ 837 hinreichend Rechnung.838 Für eine Verfolgungsverjährung bestehe wegen der laufenden Vollstreckungsverjährung kein Raum mehr.839 Nehme man eine weiterlaufende Strafverfolgungsverjährung an, müsse die mit der Rechtskraft des Urteils begonnene Vollstreckungsverjährung rückwirkend in eine Verfolgungsverjährung umgedeutet werden. Zudem fehle bereits der Gegenstand, auf den sich die Verfolgungsverjährung beziehen könne.840 Endlich sei auch aufgrund der Folgen der anderen Meinungen ein Neubeginn der Verjährung anzunehmen: Geht man nämlich – unabhängig von einer Hemmung oder Unterbrechung durch Eintritt der Rechtskraft – von einem Weiterlaufen der Verjährung aus, findet auch die absolute Verjährung des § 78c III 2 StGB841 Anwendung, 834 Mit den Gründen, die gegen das Institut der Verjährung sprechen, setzt sich beispielsweise noch Pulvermacher, GA 18 (1870), 384, 387 ff., auseinander. 835 So auch: Rosenau, in: SSW-StGB, § 78b Rn. 12. 836 Gössel, in: Löwe-Rosenberg VII/2, § 362 Rn. 3; Schmid, in: LK, § 78 Rn. 11; zum Ende der Verjährung mit Eintritt der Rechtskraft siehe auch: BGHSt 20, 198, 200; RGSt 69, 8, 10; 76, 46, 48; BayObLGSt 1953, 179; OLG Düsseldorf StraFo 2001 102, 104; OLG Düsseldorf JR 1988, 519; Kühl, in: Lackner/Kühl, § 78 Rn. 7; Mitsch, in: MüKo-StGB, § 78c Rn. 20; a. A.: OLG Nürnberg NStZ 1988, 555, 556, in Bezug auf freisprechende Urteile. 837 BayObLGSt 1953, 180. 838 BayObLGSt 1953, 179 f.; vgl. auch: OLG Hamm NJW 1972, 2097, 2098; OLG Köln DAR 1979, 344, allerdings jeweils für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im Ordnungswidrigkeitenrecht; vgl. ebenfalls: Gössel, in: Löwe-Rosenberg VII/2, § 362 Rn. 3; kritisch: Sieg, NJW 1975, 153, 155. 839 OLG Hamm NJW 1972, 2097, 2098, in Bezug auf die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, hier auch zum Folgenden. 840 Vgl.: OLG Düsseldorf StraFo 2001, 102, 104; OLG Düsseldorf JR 1988, 519; OLG Frankfurt MDR 1978, 513; OLG Stuttgart MDR 1986, 608, 609; Gössel, in: Löwe-Rosenberg VII/2, § 362 Rn. 3; ders., NStZ 1988, 537, 540. 841 Siehe auch § 33 III 2 OWiG.

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wonach die Verfolgung spätestens verjährt, wenn seit dem in § 78a bezeichneten Zeitpunkt das Doppelte der gesetzlichen Verjährungsfrist und, wenn die Verjährungsfrist nach besonderen Gesetzen kürzer ist als drei Jahre, mindestens drei Jahre verstrichen sind. Sofern man diese absolute Verjährung anwende, würde dies aber oft zu einer Einstellung des Wiederaufnahmeverfahrens aufgrund der Verjährung führen, was mit dem Zweck der Wiederaufnahme des Verfahrens nicht vereinbar sei.842 bb) Kritik Zunächst ist festzuhalten, dass nach der ersten Meinung der Eintritt der Vollstreckbarkeit und nicht der Eintritt der Rechtskraft die Verjährung beenden müsste. Ausgehend von den obigen Erörterungen843 beendet die Vollstreckbarkeit das Verfahren. Der Abschluss der Verfolgung markiert das Ende des Verfahrens und damit die Vollstreckbarkeit. Da nach § 449 StPO nur rechtskräftige Urteile vollstreckbar sind, fällt die Vollstreckbarkeit mit der Rechtskraft der Entscheidung zusammen, sodass sich im Ergebnis kein Unterschied ergibt. Richtigerweise müsste man nach der ersten Meinung, die von einem Neubeginn der Verjährung ausgeht, aber auf die Vollstreckbarkeit und nicht auf die Rechtskraft abstellen, die das Ende der Verjährung bedingt. Es bestehen aber auch inhaltliche Bedenken gegen die Argumente der ersten Meinung: Die Aussage, dass allein der Neubeginn der Verjährung den Instituten der Strafverfolgungs- und der Strafvollstreckungsverjährung hinreichend Rechnung trage,844 kann in ihrer Allgemeinheit nicht überzeugen. Sie stellt vielmehr lediglich eine Behauptung dar.845 Bereits der Bezugspunkt dieses Arguments erscheint zweifelhaft, da es darum geht, den Konflikt zwischen den Instituten der Wiederaufnahme und der Verjährung zu lösen. Der Unterschied zwischen der Strafverfolgungs- und der Strafvollstreckungsverjährung spielt dabei nur eine untergeordnete Rolle. Zwar darf die Lösung des Konflikts zwischen Wiederaufnahme und Verjährung nicht dazu führen, dass die Grenzen zwischen der Strafverfolgungs- und der Strafvollstreckungsverjährung verwischen; die laufende Vollstreckungsverjährung schließt aber nicht zwangsläufig aus, dass auch 842 OLG Hamburg VRS 29 (1965), 359, 360 f.; OLG Köln DAR 1979, 344, für § 33 III 2 OWiG; nach dem OLG Köln, a. a. O., sei der Zweck des § 33 III 2 OWiG lediglich, dass der Verjährungseintritt durch zahlreiche Unterbrechungen nicht immer weiter nach hinten verschoben werde. Eine „unter allen Umständen geltende Höchstgrenze“ werde nicht aufgestellt; Saliger, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, § 78 Rn. 15; Schmid, in: LK, § 78 Rn. 11. 843 Siehe oben unter D. II. 2. 844 BayObLGSt 1953, 179 f.; vgl. auch: OLG Hamm NJW 1972, 2097, 2098; OLG Köln DAR 1979, 344, allerdings jeweils für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im Ordnungswidrigkeitenrecht. 845 Ähnlich: Sieg, NJW 1975, 153, 155.

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die Verfolgungsverjährung weiterläuft.846 Überschneidungen der einzelnen Verjährungsfristen sind möglich. Zwar endet die Verfolgungsverjährung in der Regel mit der Rechtskraft des Urteils; kommt es aber zu einem Wiederaufnahmeverfahren, setzt die alte Verfolgungsverjährung wieder ein. Geht man in der Zwischenzeit von einem Ruhen oder einer Hemmung dieser Verjährung aus, besteht auch keine Notwendigkeit, die mit der Rechtskraft des Urteils begonnene Vollstreckungsverjährung rückwirkend in eine Verfolgungsverjährung umzudeuten. Allerdings erscheint das Argument für einen Neubeginn der Verjährung, dass der Gegenstand der Verjährung weggefallen sei,847 auf den ersten Blick plausibel: Nach dem Wortlaut des § 78 III StGB („Soweit die Verfolgung verjährt [. . .]) bezieht sich die Strafverfolgungsverjährung – wie der Name schon sagt – auf die Strafverfolgung. Wenn die Strafverfolgung aber nach der Rechtskraft des Urteils abgeschlossen ist, fehlt der Verjährung anscheinend der Bezugspunkt.848 Diese Überlegung lässt aber wiederum das Institut der Wiederaufnahme unberücksichtigt: Die Strafprozessordnung lässt im Rahmen des § 362 StPO gerade eine erneute Strafverfolgung durch die Wiederaufnahme des Strafverfahrens zu.849 Insofern kann man davon ausgehen, dass der Abschluss der Strafverfolgung unter dem Vorbehalt der Wiederaufnahme des Strafverfahrens steht. Die Strafverfolgung ruht damit – wie die Verjährung – für den Zeitraum der Rechtskraft. Dem steht auch nicht entgegen, dass es im Falle einer Wiederaufnahme zu einem neuen Prozess und nicht zu einer Fortführung des alten Prozesses kommt. Auch das letzte Argument der ersten Meinung, dass es bei Anwendung der absoluten Verjährungsfrist oft zu Einstellungen des Wiederaufnahmeverfahrens aufgrund der Verjährung komme, was mit dem Zweck des Wiederaufnahmeverfahrens nicht vereinbar sei,850 überzeugt nicht. Schmid führt selbst an, dass „Billigkeitserwägungen im Recht der Verjährung keinen Platz haben“ 851. Um eine solche Billigkeitserwägung handelt es sich aber, wenn man aufgrund der Folgen der Anwendung der absoluten Verjährungsfrist von einem Neubeginn der 846

Schmid, in: LK, Vor § 78 Rn. 2. Vgl.: OLG Düsseldorf StraFo 2001, 102, 104; OLG Düsseldorf JR 1988, 519; OLG Stuttgart MDR 1986, 608, 609; Gössel, in: Löwe-Rosenberg VII/2, § 362 Rn. 3; ders., NStZ 1988, 537, 540. 848 So: KG, Beschluss vom 23. Dezember 1919, W. 679/19, GA 69 (1920–1925), 128, 129. 849 A. A.: KG, Beschluss vom 23. Dezember 1919, W. 679/19, GA 69 (1920–1925), 128, 129. 850 OLG Hamburg VRS 29 (1965), 359, 360 f.; OLG Köln DAR 1979, 344, für § 33 III 2 OWiG; nach dem OLG Köln, a. a. O., sei der Zweck des § 33 III 2 OWiG lediglich, dass der Verjährungseintritt durch zahlreiche Unterbrechungen nicht immer weiter nach hinten verschoben werde. Eine „unter allen Umständen geltende Höchstgrenze“ werde nicht aufgestellt; Saliger, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, § 78 Rn. 15; Schmid, in: LK, § 78 Rn. 11. 851 Schmid, in: LK, § 78 Rn. 11. 847

IV. Verhältnis des § 362 StPO zu den §§ 78 ff. StGB

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Verjährung ausgeht. Zwar können bei der Auslegung durchaus auch die Folgen einer bestimmten Auslegung berücksichtigt werden, so kann beispielsweise zur Auslegung ein sogenanntes argumentum ad absurdum herangezogen werden,852 allerdings müssen die Folgen aller Ansichten berücksichtigt werden. Die Folge der Meinung, die von einem Neubeginn der Verjährung ausgeht, wäre nämlich – wie oben bereits erläutert –, dass die Verjährung einer Wiederaufnahme faktisch nie entgegenstehen könnte.853 Vor dem Hintergrund des Beschuldigtenschutzes erscheint es sachgerechter, dass die Verjährung in manchen Fällen der Bestrafung des Täters im Wiederaufnahmeverfahren entgegensteht, als dass man der Wiederaufnahme einseitig den Vorrang gegenüber der Verjährung einräumt. Schließlich droht auch in anderen Verfahren – und nicht nur in Wiederaufnahmeverfahren – die Verjährung der Tat. Dies ist gerade das Wesen der Verjährung und kann daher nicht als Argument für einen Vorrang der Wiederaufnahme herangezogen werden. Mit der absoluten Verjährung nach § 78c III 2 StGB wird dem Grundgedanken der Verjährung Rechnung getragen.854 Vor allem vor dem Hintergrund, dass sich im Gesetz keine ausdrückliche Ausnahme von der absoluten Verjährung findet,855 wird die Meinung, nach der die Verjährungsfrist von neuem beginnt, diesem Grundgedanken, der sich in § 78c III 2 StGB manifestiert, nicht gerecht. Gegen einen Neubeginn der Verjährung wird zudem eingewendet, es mangele an einer Rechtsgrundlage, aus der ein Neubeginn der Verjährung resultiere, da § 78a StGB den Fristbeginn – „ohne die Möglichkeit eines Neubeginns“ 856 – abschließend regele.857 Dem kann aber nicht zugestimmt werden, denn nach § 78c III 1 StGB beginnt die Verjährung nach jeder Unterbrechung von neuem. Von einer abschließenden Regelung des § 78a StGB bezüglich eines Neubeginns der Verjährung kann daher keine Rede sein.858

852 Siehe zum argumentum ad absurdum: Höhn, Praktische Methodik der Gesetzesauslegung, S. 274 f.; Puppe, Kleine Schule des juristischen Denkens, S. 190 ff. Allgemein zur Berücksichtigung von Folgen: Puppe, a. a. O. S. 154 ff.; kritisch: Gössel, NStZ 1988, 537, 538, der es für zweifelhaft hält, aufgrund der Folgen einer Meinung auf deren „Richtigkeit oder Unrichtigkeit zu schließen“; ausführlich zu der Berücksichtigung von Folgen bei der Auslegung: Deckert, Folgenorientierung in der Rechtsanwendung, passim; siehe auch: Puppe, a. a. O., S. 154 ff. 853 So bereits: Ziemba, Die Wiederaufnahme des Strafverfahrens, S. 116; siehe auch: Jacobsen-Raetsch, Wiederaufnahme und Verjährung, S. 201. 854 So auch: BT-Drs. 4/650, S. 260, zum § 130 II 2 des damaligen Entwurfs eines Strafgesetzbuchs, der auch eine absolute Verjährungsfrist vorsah, siehe: BT-Drs. 4/650, S. 33. 855 Dies merkt auch Jacobsen-Raetsch, Wiederaufnahme und Verjährung, S. 115, an. 856 Kühl, in: Lackner/Kühl, § 78 Rn. 7. 857 Kühl, in: Lackner/Kühl, § 78 Rn. 7; vgl. auch: Lenzen, JR 1988, 520, 521. 858 Vgl. dazu auch: Saliger, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, § 78 Rn. 15.

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D. Strafprozessuale Zulässigkeit

Ein weiteres Argument gegen den Neubeginn der Verjährung ist, dass der Freigesprochene in diesem Fall schlechter stände als derjenige, gegen den (noch) gar keine Anklage erhoben wurde.859 Dies sehen Vertreter der ersten Ansicht aber als gerechtfertigt an, weil derjenige, gegen den ein Wiederaufnahmeverfahren betrieben wird, seinen Freispruch meist durch Straftaten erwirkt habe.860 Dies sei nicht mit dem Fall vergleichbar, dass die Staatsanwaltschaft mangels hinreichenden Tatverdachts keine Anklage erhebe.861 Auch dieser Argumentation kann aber nicht gefolgt werden: Erstens setzen die Wiederaufnahmegründe des § 362 Nr. 1–3 StPO (Urkundenfälschung, Aussagedelikte und strafbare Amtspflichtverletzung) nicht zwangsläufig voraus, dass der Angeklagte die Tat begangen hat.862 Wenn er selbst die Straftat aber tatsächlich nicht begangen hat, ist es – abgesehen von dem Umstand, dass die Wiederaufnahme trotzdem zugelassen wird –863 nicht gerechtfertigt, daran negative Folgen für ihn zu knüpfen.864 Zweitens führt die erste Meinung zu einer Ungleichbehandlung, denn wenn die begangene Straftat bereits die Anklageerhebung verhindert, hat dies keine Auswirkung auf die Verjährung.865 Diese Ungleichbehandlung der beiden Fälle scheint nicht gerechtfertigt.866 Zwar differenziert das OLG Düsseldorf zwischen

859 OLG Nürnberg NStZ 1988, 555, 556; Eschelbach, in: KMR V, § 362 Rn. 103; Marxen/Tiemann, Die Wiederaufnahme in Strafsachen, Rn. 19; Peters, Strafprozeß, S. 685; Schünemann, Strafverfahrensrecht, § 57 Rn. 11; Schmidt, in: KK, § 362 Rn. 7; Sternberg-Lieben/Bosch, in: Schönke/Schröder, § 78 a Rn. 15. 860 Vgl.: OLG Düsseldorf JR 1988, 519; Gössel, in: Löwe-Rosenberg VII/2, § 362 Rn. 3; siehe dazu in einem anderen Zusammenhang auch: Grünewald, ZStW 120 (2008), 545, 574. 861 OLG Düsseldorf JR 1988, 519; Gössel, in: Löwe-Rosenberg VII/2, § 362 Rn. 3; kritisch: Lenzen, JR 1988, 520, 521; Marxen/Tiemann, Die Wiederaufnahme in Strafsachen, Rn. 19 Fn. 12; Schmidt, in: KK, § 362 Rn. 7; Sternberg-Lieben/Bosch, in: Schönke/Schröder, § 78 a Rn. 15. 862 Es wird allerdings vertreten, dass dem Angeklagten die Manipulationen nach § 362 Nr. 1–3 StPO aufgrund einer „unwiderlegliche[n] Vermutung“ zugerechnet werden, siehe: Stellungnahme BRAK, S. 4; siehe zum Ganzen: Grünewald, ZStW 120 (2008), 545, 574 f. m.w. N. und auch bereits oben unter D. I. Im Übrigen erscheint es bedenklich, negative Folgen für den Angeklagten auf eine gesetzliche Vermutung zu stützen. 863 Siehe dazu auch bereits oben unter D. I. 864 Vgl. Marxen/Tiemann, Die Wiederaufnahme in Strafsachen, Rn. 19 Fn. 12; vgl. dazu in anderem Zusammenhang auch: Ziemba, Die Wiederaufnahme des Strafverfahrens, S. 181. 865 Vgl. Marxen/Tiemann, Die Wiederaufnahme in Strafsachen, Rn. 19 Fn. 12; Schmidt, in: KK, § 362 Rn. 7; Sternberg-Lieben/Bosch, in: Schönke/Schröder, § 78 a Rn. 15. 866 Schmidt, in: KK, § 362 Rn. 7; Sternberg-Lieben/Bosch, in: Schönke/Schröder, § 78 a Rn. 15; a. A.: Greco, Strafprozesstheorie und materielle Rechtskraft, S. 995.

IV. Verhältnis des § 362 StPO zu den §§ 78 ff. StGB

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der Täuschung der Strafverfolgungsbehörden und der Täuschung des Gerichts867 und geht offenbar davon aus, dass die Täuschung des Gerichts schwerer wiegt; allein die Tatsache, dass es sich um unterschiedliche „Opfer“ handelt, rechtfertigt aber keine Ungleichbehandlung dieser Fälle. Dagegen kann auch nicht eingewandt werden, dass diese Unterschiedung zwischen den Opfern gerade in den §§ 153 f. StGB bei der unterschiedlichen Strafandrohung in Bezug auf falsche uneidliche Aussage und den Meineid angelegt sei. Vielmehr ist der Hintergrund der § 153 f. StGB der, dass einer eidlichen Aussage ein höherer Beweiswert zugemessen wird.868 Eine unterschiedliche Behandlung könnte aber damit gerechtfertigt werden, dass gegen denjenigen, der bereits die Anklageerhebung verhindert, in Zukunft eine Anklage erfolgen kann, weil kein Strafklageverbrauch eintritt, während Art. 103 III GG regelmäßig eine erneute Anklage nach vorherigem Freispruch verhindert.869 Dieser Unterschied kann eine unterschiedliche Behandlung der beiden Fälle rechtfertigen, wobei wiederum zu berücksichtigen ist, dass Billigkeitserwägungen nach Schmid und dem OLG Düsseldorf – jeweils als Vertreter der ersten Meinung, nach der die Verjährung von neuem beginnt – im Verjährungsrecht abzulehnen sind.870 Davon ausgehend können Vertreter, die einen Neubeginn der Verjährung annehmen, keine solche Billigkeitserwägung zur Begründung ihrer Meinung anstellen.871 Daneben spricht gegen die erste Meinung, dass jegliche Delikte, insbesondere im Bagatellbereich, noch jahrzehntelang verfolgt werden könnten,872 und das theoretisch sogar, wenn die Anlasstat für die Wiederaufnahme873 bereits verjährt ist.874 Dies ist mit dem Gedanken der Verjährung unvereinbar. Kaum zu rechtfertigen scheint es ferner, die eindeutige gesetzliche Vorgabe der absoluten Verjährung nach § 78c III 2 StGB bewusst zu umgehen und die 867

OLG Düsseldorf JR 1988, 519. Vgl. nur: Müller, in: MüKo-StGB, Vor §§ 153 ff. Rn. 15. 869 So: Jacobsen-Raetsch, Wiederaufnahme und Verjährung, S. 192, siehe aber auch S. 200. 870 OLG Düsseldorf JR 1988, 519; Schmid, in: LK, § 78 Rn. 18. 871 Vgl. Lenzen, JR 1988, 520, 521 f. 872 OLG Nürnberg NStZ 1988, 555, 556; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 362 Rn. 1; Schmidt, in: KK, § 362 Rn. 7; Ziemba, Die Wiederaufnahme des Strafverfahrens, S. 116; siehe auch: Eschelbach, in: KMR V, § 362 Rn. 103; Frister, in: SK-StPO VII, § 362 Rn. 21, die sich aber jeweils sowohl gegen die erste als auch gegen die vermittelnde Ansicht aussprechen. Auch Gössel, in: Löwe-Rosenberg VII/2, § 362 Rn. 3, beschäftigt sich mit diesem Argument. Er verweist aber darauf, dass dies „in der Praxis kaum vorkommen wird“ und diese Folge nur durch den Gesetzgeber geändert werden könne. 873 Vgl. § 362 Nr. 1–3 StPO. 874 Frister, in: SK-StPO VII, § 362 Rn. 21; diese Fallkonstellation rechtfertigend: Jacobsen-Raetsch, Wiederaufnahme und Verjährung, S. 193. 868

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absolute Verjährung mit dem Wiederaufnahmebeschluss von vorne beginnen zu lassen.875 e) Weitere Argumente gegen das Weiterlaufen der Verjährung nach Freisprüchen Aber auch gegen die zweite Meinung, nach der die Verjährung im Falle eines Freispruchs weiterläuft,876 bestehen Bedenken: Es ist davon auszugehen, dass die Strafverfolgungsverjährung grundsätzlich mit der Rechtskraft des Urteils endet,877 weil diese Verjährung sich qua definitionem allein auf die Strafverfolgung bezieht, die im Regelfall mit der Rechtskraft eines Urteils abgeschlossen ist.878 Lediglich in Ausnahmefällen kommt es zu einer Wiederaufnahme des Strafverfahrens.879 Diese – für die meisten Fälle nur theoretische – Möglichkeit einer Wiederaufnahme rechtfertigt es aber nicht, ein Weiterlaufen der Verjährung anzunehmen. Außerdem spricht die Unterteilung der Verjährung in die Strafverfolgungs- und die Strafvollstreckungsverjährung dafür, dass die Strafverfolgungsverjährung regelmäßig mit der Rechtskraft des Urteils endet; denn § 79 VI StGB bestimmt, dass die Vollstreckungsverjährung mit der Rechtskraft der Entscheidung beginnt.880 Würde die Rechtskraft die Strafverfolgungsverjährung nicht beenden, käme es zu einer Überschneidung der einzelnen Fristen der Strafverfolgungs- und der Strafvollstreckungsverjährung. Angesichts der strikten Trennung der beiden Arten der Verjährung im Gesetz ist aber im Regelfall nicht von einer Überschneidung der Fristen auszugehen. Plausibler erscheint es, das Ende der Strafverfolgungsverjährung mit Eintritt der 875 Vgl. zur Kritik ebenfalls: Jacobsen-Raetsch, Wiederaufnahme und Verjährung, S. 200 f. 876 OLG Nürnberg NStZ 1988, 555 f.; Dallmeyer, in: von Heintschel-Heinegg, § 78 b Rn. 7; Eschelbach, in: KMR V, § 362 Rn. 103; Frister, in: SK-StPO VII, § 362 Rn. 20; Loos, in: AK-StPO III, § 362 Rn. 7; Marxen/Tiemann, Die Wiederaufnahme in Strafsachen, Rn. 18; Schmidt, in: KK, § 362 Rn. 7; so wohl auch: OLG Bremen NJW 1956, 1248; Fischer, StGB, § 78b Rn. 11a; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 362 Rn. 1; Sternberg-Lieben/Bosch, in: Schönke/Schröder, § 78 a Rn. 15; Ziemba, Die Wiederaufnahme des Strafverfahrens, S. 118. 877 So auch: BGHSt 20, 198, 200; RGSt 69, 8, 10; 76, 46, 48; BayObLGSt 1953, 179; OLG Düsseldorf StraFo 2001 102, 104; OLG Düsseldorf JR 1988, 519; Kühl, in:Lackner/Kühl, § 78 Rn. 7; Mitsch, in: MüKo-StGB, § 78c Rn. 20. 878 Vgl. auch: Gössel, NStZ 1988, 537, 538. 879 Siehe die Statistik über die Anzahl der Anträge auf Wiederaufnahme des Verfahrens in den Jahren 1997–2001 bei: Frister/Deiters, in: SK-StPO VI, Vor § 359 Rn. 28 ff. Allerdings ist unklar, ob diese Statistik fehlerfrei ist, siehe die aktuelle Auflage: Frister, in: SK-StPO VII, Vor § 359 Rn. 28. Zu älteren Zahlen siehe: Peters, Fehlerquellen I, S. 9 f.; Theobald, Barrieren im strafrechtlichen Wiederaufnahmeverfahren, S. 194 f.; vgl. auch: Alsberg, Justizirrtum und Wiederaufnahme, S. 47 ff. 880 Gössel, NStZ 1988, 537, 539, mit Verweis auf § 79 IV StGB; gemeint ist § 79 VI StGB. Dass § 79 VI StGB sich auf die Vollstreckungsverjährung bezieht, ergibt sich daraus, dass § 79 StGB im Abschnitt über die Vollstreckungsverjährung steht.

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Rechtskraft anzunehmen. Bereits deshalb kann die zweite Meinung nicht überzeugen. Zudem läuft diese Meinung faktisch darauf hinaus, dass die Verjährung den Eintritt der Rechtskraft bestimmt.881 Außerdem wird eingewendet, dass der Zweck der Verjährung mit dem Urteil ende.882 Davon ausgehend, dass die Verjährung dem Rechtsfrieden dient und sie die Untätigkeit der Strafverfolgungsbehörden verhindern soll,883 ist das Ende dieser Zwecke mit Erlass des Urteils aber zumindest nicht die logische Konsequenz: Gerade vor dem Hintergrund der Wiederaufnahme des Strafverfahrens nach den §§ 359 ff. StPO kann und muss die Verjährung – als Gegenpol zur Wiederaufnahme – auch im Rahmen eines Wiederaufnahmeverfahrens dem Zweck des Rechtsfriedens gerecht werden. In einem Wiederaufnahmeverfahren gilt es aber auch, die Untätigkeit der Strafverfolgungsbehörden zu verhindern. Der pauschalen Behauptung, dass der Zweck der Verjährung mit dem rechtskräftigen Urteil ende, kann daher nicht gefolgt werden. Auch wenn die Verfolgung mit der Rechtskraft des Urteils zunächst endet, muss ein potenzielles Wiederaufnahmeverfahren berücksichtigt werden. Zwar kann man nach Gössel884 mit dem Argument des Rechtsfriedens nicht rechtfertigen, dass das Institut der Verjährung Einfluss auf die Wiederaufnahme habe, weil dem Rechtsfrieden bereits durch das rechtskräftige Urteil Rechnung getragen werde. Dass das Institut der Rechtskraft unter anderem dem Rechtsfrieden dient, schließt aber nicht zwangsläufig aus, dass die Strafverfolgungsverjährung, die unter anderem ebenfalls dem Rechtsfrieden dient, eintritt. Ansonsten erschiene eines der Institute entbehrlich. Wenn die Wiederaufnahme aber einen Eingriff in die Rechtskraft zulässt, muss der Schutz des Angeklagten im Wiederaufnahmeverfahren auf andere Weise gewährleistet werden. Dies kann – zumindest ansatzweise – durch die Verjährung geschehen, sofern man diese nicht von Neuem beginnen lässt. 4. Ergebnis Insgesamt gesehen sprechen letztlich die besseren Argumente für die vermittelnde Ansicht, die dazu führt, dass die unterschiedlichen Zwecke der beiden Institute jeweils ausreichend berücksichtigt werden und der Konflikt nicht komplett

881

Gössel, in: Löwe-Rosenberg VII/2, § 362 Rn. 3. Jacobsen-Raetsch, Wiederaufnahme und Verjährung, S. 176. 883 Siehe dazu nochmals: BGHSt 11, 394, 396, der sich auf Seibert, NJW 1952, 1361, beruft; BGHSt 12, 335, 337 f.; in diese Richtung auch: Mitsch, in: MüKo-StGB, § 78 Rn. 3, der von einer „Disziplinierungsfunktion“ der Verjährung spricht; so auch: Sternberg-Lieben/Bosch, in: Schönke/Schröder, Vorbem. §§ 78 ff. Rn. 3; siehe auch: Sickor, GA 154 (2007), 590, 593: „Rechtssicherheit und Rechtsfrieden stiftend“. 884 Vgl. Gössel, NStZ 1988, 537, 538. 882

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D. Strafprozessuale Zulässigkeit

zu Lasten der Verjährung oder der Wiederaufnahme gelöst wird.885 Diese Ansicht lässt sich aus § 78b I Nr. 2 StGB ableiten und steht daher auch mit dem Gesetz im Einklang. Ihr ist somit zu folgen: Die Verjährung ruht zwischen rechtskräftigem Urteil und rechtskräftigem Wiederaufnahmebeschluss, und sofern das Verfahren im Rahmen einer Wiederaufnahme fortgesetzt wird, läuft die ursprüngliche Verjährung weiter.886 5. Wiederaufnahme und Verjährung bei unterschiedlicher rechtlicher Würdigung im Ausgangs- und im Wiederaufnahmeverfahren Zuletzt stellt sich die Frage, welche Verjährungsfrist maßgeblich ist, wenn in dem Wiederaufnahmeverfahren ein anderer Tatbestand – mit einer anderen Verjährungsfrist – verhandelt wird, weil sich beispielsweise die rechtliche Würdigung geändert hat. Zum besseren Verständnis soll zunächst der Fall einer unterschiedlichen rechtlichen Würdigung im Hauptverfahren begutachtet werden, um daraus Rückschlüsse für das entsprechende Problem im Wiederaufnahmeverfahren abzuleiten. Kommt es im Rahmen der Hauptverhandlung zu einer anderen rechtlichen Würdigung des angeklagten Verhaltens,887 muss der Angeklagte nach § 265 I StPO auf diese Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen werden, und ihm ist Gelegenheit zur Verteidigung zu geben. Problematisch erscheint der Fall, dass die Verjährungsfrist des ursprünglich angeklagten Delikts sich von der Verjährungsfrist für das Delikt, das das Gericht nunmehr für einschlägig hält, unterscheidet. Die Frage ist, welche Verjährungsfrist wann zu laufen beginnt. Zur Veranschaulichung stelle man sich den Fall vor, dass die Staatsanwaltschaft Anklage wegen Diebstahls erhebt. Während der Hauptverhandlung kommt das Gericht zu dem Ergebnis, dass es sich um einen Raub handeln könnte. Der Diebstahl verjährt nach § 242 I StGB i.V. m. § 78 III Nr. 4 StGB in fünf Jahren.

885 Vgl. auch: Jacobsen-Raetsch, Wiederaufnahme und Verjährung, S. 201; WeberKlatt, Die Wiederaufnahme von Verfahren, S. 301. 886 Ebenso: Dietmeier, in: Matt/Renzikowski, § 78b Rn. 10; Kühl, in: Lackner/Kühl, § 78 Rn. 7; Lenzen, JR 1988, 520, 521; Mitsch, in: MüKo-StGB, § 78c Rn. 20; Rosenau, in: SSW-StGB, § 78b Rn. 12, wobei nicht klar wird, ob dies auch für die Wiederaufnahme zuungunsten des Angeklagten gelten soll; Rudolphi/Wolter, in: SK-StGB, Vor § 78 Rn. 7; Temming, in: HK-StPO, § 370 Rn. 5; Weber-Klatt, Die Wiederaufnahme von Verfahren, S. 301; nur im Ergebnis auch: Jacobsen-Raetsch, Wiederaufnahme und Verjährung, S. 201. 887 Dies ist möglich, weil das Gericht nach § 264 II StPO an die Beurteilung der Tat, die dem Beschluss über die Eröffnung des Hauptverfahrens zugrunde liegt, nicht gebunden ist.

IV. Verhältnis des § 362 StPO zu den §§ 78 ff. StGB

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Der Raub hat nach § 249 I StGB i.V. m. den §§ 38, 78 III Nr. 2 StGB eine Verjährungsfrist von 20 Jahren. Der Lauf der Verjährungsfristen beginnt nach § 78a S. 1 StGB mit Beendigung der Tat, also im Falle eines Diebstahls oder Raubes mit Sicherung der Beute.888 § 78c I StGB enthält eine Aufzählung von Handlungen, die die Verjährung unterbrechen, unter anderem die Anklageerhebung sowie die Eröffnung des Hauptverfahrens nach § 78c I Nr. 6 und 7 StGB. Nach § 78c III 1 StGB beginnt die Verjährung nach jeder Unterbrechung von Neuem. Beide Verjährungsfristen (also die des Raubes und die des Diebstahls) beginnen zeitgleich mit Beendigung der Tat, obwohl die Staatsanwaltschaft die Tat zu diesem Zeitpunkt (noch) nicht als Raub wertet.889 Dies ergibt sich aus einem Vergleich mit einem ähnlichen Fall: Bei Straftaten, die überhaupt nicht aufgeklärt werden, die also dem Dunkelfeld890 zuzuordnen sind, beginnt die Verjährung trotzdem nach § 78a StGB. Ansonsten wäre es von den Strafverfolgungsbehörden abhängig, ob die Verjährungsfrist zu laufen beginnt oder nicht. Nichts anderes kann dann aber für den Fall gelten, dass die Behörden zwar Kenntnis von der Tat erlangen, diese aber rechtlich falsch bewerten. Der Beginn der Verjährungsfrist knüpft nach § 78a StGB an die tatsächliche Beendigung der Tat und nicht an die rechtliche Würdigung der Tat durch die Ermittlungsorgane an. Das heißt, die Verjährung des Diebstahls beginnt mit der Eröffnung des Hauptverfahrens von neuem. Gleiches gilt dann aber auch für den Raub, weil nicht auf die rechtliche Würdigung, sondern auf das tatsächliche Geschehen abzustellen ist. Die Verjährungsfristen für den Raub und den Diebstahl laufen damit nebeneinander und werden auch beide im Falle des § 78c I StGB gehemmt. Dies ergibt sich nicht zuletzt daraus, dass nach dem prozessualen Tatbegriff „der vom Eröffnungsbeschluß betroffene geschichtliche Vorgang in seiner Gesamtheit“ 891 die Tat darstellt.892 Ein ähnliches Problem kann im Rahmen eines Wiederaufnahmeverfahrens auftauchen: Wird die Tat im Rahmen des Wiederaufnahmeverfahrens anders bewertet als im ursprünglichen Verfahren, stellt sich wiederum die Frage, welche Verjährungsfrist wann zu laufen beginnt.

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Siehe nur: BGHR StGB § 52 I, Handlung, dieselbe 31, 1, 2. Schon das Reichsgericht geht in einem ähnlichen Fall wie selbstverständlich davon aus, dass die Verjährung beider Taten beginnt, siehe: RGSt 39, 353. 890 Zum Begriff des Dunkelfeldes siehe nur: Schwind, Kriminologie, § 2 Rn. 34 f. 891 BGHSt 13, 320, 321. 892 Vgl. nur: BGHSt 13, 320, 321; 23, 141, 145; 32, 215, 216, jeweils m.w. N.; ausführlich zum prozessualen Tatbegriff: Bauer, NStZ 2003, 174 ff.; siehe auch bereits: Neuhaus, Der strafverfahrensrechtliche Tatbegriff – „ne bis in idem“, passim; generell zum Tatbegriff: Radtke, in: Radtke/Hohmann, § 264 Rn. 3 ff. 889

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D. Strafprozessuale Zulässigkeit

§ 265 StPO beansprucht auch im Wiederaufnahmeverfahren Geltung.893 „Maßstab für die Veränderung ist [. . .] das rechtskräftige Urteil.“ 894 Nach der Meinung, die mit Rechtskraft des Wiederaufnahmebeschlusses einen Neubeginn der Verjährung annimmt,895 wären drei Lösungen denkbar: Ein Neubeginn der Verjährungsfrist des ursprünglich angeklagten Delikts, ein (Neu-)Beginn der Verjährungsfrist des Delikts, von dem im Wiederaufnahmeverfahren ausgegangen wird, oder aber ein Neubeginn beider Verjährungsfristen. Da mit der Rechtskraft des Schuldspruchs einzig und allein die in diesem festgelegte rechtliche Würdigung der Tat maßgeblich ist,896 erscheint ein Neubeginn der Verjährung des ursprünglich angeklagten Delikts vorzugswürdig. Der Eintritt der Verjährung bezüglich des ursprünglich angeklagten Delikts müsste dann folgerichtig auch dem Wiederaufnahmeverfahren wegen eines anderen Delikts im Wege stehen. Nach der Meinung, die die Verjährung trotz Eintritts der Rechtskraft weiterlaufen lässt,897 muss man – ausgehend von den obigen Erörterungen zum ursprünglichen Verfahren – von einem Weiterlauf beider Verjährungsfristen ausgehen.898

893 Loos, in: AK-StPO II, § 265 Rn. 9, der von einer entsprechenden Anwendung ausgeht; der Hinweis auf § 332 StPO ist aber bezüglich des Wiederaufnahmeverfahrens verfehlt, weil § 332 StPO im Abschnitt über die Berufung steht. Auch über § 365 StPO gelangt man indes nicht zu einer Anwendung des § 265 StPO, weil § 365 StPO lediglich auf die allgemeinen Vorschriften über Rechtsmittel verweist und nicht speziell auf diejenigen der Berufung. Stuckenberg, in: KMR IV, § 265 Rn. 8, geht von einer unmittelbaren Geltung des § 265 StPO aus; siehe auch: Radtke, in: Radtke/Hohmann, § 265 Rn. 25. 894 Loos, in: AK-StPO II, § 265 Rn. 9. 895 BGH GA 121 (1974), 149 f.; RGSt 76, 46, 48; BayObLGSt 1953, 179 f.; OLG Düsseldorf StraFo 2001 102 ff.; OLG Düsseldorf JR 1988, 519; OLG Frankfurt MDR 1978, 513; OLG Hamburg VRS 29 (1965), 359; OLG Hamm NJW 1972, 2097, 2098; OLG Schleswig-Holstein SchlHA 1963, 60, 63; OLG Stuttgart MDR 1986, 608; Beukelmann, in: Dölling/Duttge/Rössner, § 78 Rn. 18; Gössel, in: Löwe-Rosenberg VII/2, § 362 Rn. 3; ders., NStZ 1988, 537 f.; Pfeiffer, in: FG Graßhof, S. 271, 285; Saliger, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, § 78 Rn. 15 und § 78b Rn. 22; Schmid, in: LK, § 78 Rn. 11. 896 OLG Bremen NJW 1956, 1248; Schmid, in: LK, § 78 Rn. 18; ähnlich: Dietmeier, in: Matt/Renzikowski, § 78a Rn. 11; vgl. ebenfalls: BGHSt 56, 146, 150 Rn. 14. 897 OLG Nürnberg NStZ 1988, 555 f.; Dallmeyer, in: von Heintschel-Heinegg, § 78 b Rn. 7; Eschelbach, in: KMR V, § 362 Rn. 103; Frister, in: SK-StPO VII, § 362 Rn. 20; Loos, in: AK-StPO III, § 362 Rn. 7; Marxen/Tiemann, Die Wiederaufnahme in Strafsachen, Rn. 18; Schmidt, in: KK, § 362 Rn. 7; so wohl auch: OLG Bremen NJW 1956, 1248; Fischer, StGB, § 78b Rn. 11a; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 362 Rn. 1; Sternberg-Lieben/Bosch, in: Schönke/Schröder, § 78 a Rn. 15; Ziemba, Die Wiederaufnahme des Strafverfahrens, S. 118. 898 Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt Schmidt, in: KK, § 373a Rn. 6, allerdings in Bezug auf das Strafbefehlsverfahren bei einer „Aufwertung“ des Delikts im Rahmen des Wiederaufnahmeverfahrens zu einem Verbrechen.

IV. Verhältnis des § 362 StPO zu den §§ 78 ff. StGB

175

Legt man mit der hier vertretenen Meinung ein Ruhen oder eine Hemmung der Verjährung zwischen Rechtskraft und Wiederaufnahmebeschluss zugrunde,899 ist ebenfalls davon auszugehen, dass beide Verjährungsfristen nunmehr weiterlaufen. Läuft eine der beiden Verjährungsfristen ab, müsste – ausgehend von den obigen Erörterungen – auch die Verfolgung des noch nicht verjährten Delikts gesperrt sein, soweit es sich um einen einheitlichen Lebenssachverhalt handelt. Zusammenfassend ruht die Verjährung also zwischen Rechtskraft und Wiederaufnahmebeschluss. Kommt es im Rahmen des wiederaufgenommenen Verfahrens zu einer anderen rechtlichen Einordnung der prozessualen Tat (beispielsweise Raub statt Diebstahl), laufen die Verjährungsfristen beider Straftatbestände ab dem Wiederaufnahmebeschluss weiter. Tritt bezüglich eines Delikts Verjährung ein, sperrt dies auch die Verfolgung wegen des anderen Delikts.

899 So auch: Dietmeier, in: Matt/Renzikowski, § 78b Rn. 10; Kühl, in: Lackner/Kühl, § 78 Rn. 7; Lenzen, JR 1988, 520, 521; Mitsch, in: MüKo-StGB, § 78c Rn. 20; Rosenau, in: SSW-StGB, § 78b Rn. 12, wobei nicht klar wird, ob dies auch für die Wiederaufnahme zuungunsten des Angeklagten gelten soll; Schünemann, Strafverfahrensrecht, § 57 Rn. 11; Rudolphi/Wolter, in: SK-StGB, Vor § 78 Rn. 7; Temming, in: HK-StPO, § 370 Rn. 5; Weber-Klatt, Die Wiederaufnahme von Verfahren, S. 301; nur im Ergebnis ebenso: Jacobsen-Raetsch, Wiederaufnahme und Verjährung, S. 201.

E. Schlussfolgerungen aus der bisherigen Untersuchung und Lösungsansätze Bevor im weiteren Verlauf auf eine rechtskonforme Ausgestaltung des geltenden § 362 StPO und auf eine Erweiterung um einen Wiederaufnahmegrund wegen neuer Beweise eingegangen wird, soll ein Zwischenergebnis zu den bisherigen Prüfungspunkten gezogen werden (I.). Zu den dort zusammengefassten Problemen sollen in einem zweiten Schritt Lösungsmöglichkeiten entwickelt werden (II.).

I. Zwischenergebnis und daraus resultierende Schlussfolgerungen Verfassungsrechtlich wurde § 362 StPO anhand des Art. 103 III GG überprüft.1 Auch erfolgte eine Überprüfung anhand der internationalen Ne-bis-inidem-Regelungen.2 Es fällt auf, dass keine dieser Normen den Konflikt zwischen der Wiederaufnahme und dem Ne-bis-in-idem-Grundsatz, der auf das Verhältnis zwischen Rechtssicherheit und materieller Gerechtigkeit heruntergebrochen werden kann,3 löst. Einzig Art. 4 II EMRK-Pr. 7 enthält einen ausdrücklichen Wiederaufnahmevorbehalt. Die anderen Normen schweigen zu diesem Konflikt. Sie bedürfen daher der Interpretation. Das Ergebnis dieser Interpretation ist bis zu einem gewissen Grad beliebig.4 Dies soll im Folgenden am Beispiel eines Vergleichs zwischen Europäischer Menschenrechtskonvention und Grundgesetz verdeutlicht werden: Nach Weßlau sind die in der EMRK festgeschriebenen Rechte generell „erheblich konkreter formuliert“ 5 als das Grundgesetz.6 Dabei wäre es aufgrund der Subsidiarität des Grundrechtsschutzes der EMRK auch nicht problematisch, wenn die Rechte in der EMRK weniger konkret normiert wären.7 Bei Schaffung 1

D. II. 2. D. III. 3 Siehe anstatt aller: Dürig, in: Maunz/Dürig VI, Art. 103 Rn. 132; Letzgus, in: FS Geppert, S. 785, 789. 4 Vgl. allgemein in Bezug auf das Verfassungsrecht auch: Böckenförde, NJW 1976, 2089, 2092 f.; Laue, GA 152 (2005), 648, 652 f. 5 Weßlau, Das Konsensprinzip im Strafverfahren, S. 67. 6 Weßlau, Das Konsensprinzip im Strafverfahren, S. 67. 7 Vgl. Krieger, in: EMRK/GG2, Kap. 6 Rn. 126. 2

I. Zwischenergebnis

177

der EMRK entschied man sich jedoch bewusst dafür, aufgrund der Rechtssicherheit und größeren Konsensfähigkeit zwischen den Staaten bei exakter Grenzziehung der einzelnen Gehalte die Normen ausführlich(er) auszugestalten.8 Deshalb ist es eventuell nicht notwendig, die Gehalte des Grundgesetzes in Form einer Änderung zu konkretisieren, weil das Grundgesetz ohnehin anhand der EMRK ausgelegt wird.9 Zumindest im Rahmen der Ausweitung des Grundrechtsschutzes gleicht das Grundgesetz sich somit den Konkretisierungen in der EMRK an. Allerdings können (Abwägungs-)Probleme gerade bei Grundrechtskollisionen entstehen, wenn es um die Einschränkung von Grundrechten geht. Entsprechende Konkretisierungen in der EMRK können hier nicht im Rahmen der Auslegung des Grundgesetzes berücksichtigt werden, weil die EMRK nicht zu einer Verminderung des Grundrechtsschutzes auf nationaler Ebene führen darf.10 Die problematischen Konstellationen können daher auch nicht unter Rückgriff auf die EMRK gelöst werden. In Bezug auf die Wiederaufnahme des Strafverfahrens zuungunsten des Angeklagten wäre es daher beispielsweise unzulässig, den Wiederaufnahmevorbehalt des Art. 4 II EMRK-Pr. 7 in Art. 103 III GG hineinzulesen. Im Gegensatz zu der EMRK ist das Grundgesetz somit in weitem Maße interpretationsbedürftig, und es enthält keine konkreten Vorgaben, um Konflikte zu lösen,11 ja noch nicht einmal, um die einzelnen Verfassungssätze mit Leben zu füllen.12 Dies ist umso erstaunlicher, als der Ausschuss für Grundsatzfragen des Parlamentarischen Rates dafür eintrat, die Grundrechte soweit wie möglich zu konkretisieren.13 Andererseits wollten die Väter und Mütter des Grundgesetzes aber auch eine „gewisse Beweglichkeit der Grundrechtssätze“ 14 garantieren. 8

Siehe nur: Krenberger, Anthropologie der Menschenrechte, S. 399. Siehe: BVerfGE 74, 358, 370; 111, 307, 315 ff.; 120, 180, 200 f.; 128, 326, 366 ff.; BVerfGK 3, 4, 8; 10, 66, 77; 10, 234, 239; 14, 60, 70; 14, 539, 544; 17, 1, 7. 10 Siehe dazu: BVerfGE 111, 307, 317; 120, 180, 200 f.; 128, 326, 368; BVerfGK 10, 66, 77; 14, 60, 70; 14, 539, 544; 17, 1, 7. 11 Böckenförde, NJW 1976, 2089, 2091; Görisch, JuS 1997, 988, 992; Laue, GA 152 (2005), 648, 652 f.; vgl. auch: Forsthoff, Der Staat der Industriegesellschaft, S. 146, Kudlich, Strafprozeß und allgemeines Mißbrauchsverbot, S. 171, der dies aber als „weniger problematisch“ ansieht, weil die Verfassung nur den Rahmen vorgebe, in dem der Gesetzgeber tätig werden könne. Dies ist indes eine Beschreibung des momentanen Zustands, aber keine Rechtfertigung desselben; vgl. weiterhin: Limbach, in: Aktuelles Verfassungsrecht und Strafverteidigung, S.35, 42. 12 Vgl. Böckenförde, NJW 1976, 2089, 2099; ders., Staat, Verfassung, Demokratie, S. 193 und 196; Forsthoff, in: FG Schmitt, S. 185, 188; Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts Rn. 19 ff.; Isensee, in: HStR II3, § 15 Rn. 191; Stern, Staatsrecht I2, S. 83; so auch das Bundesverfassungsgericht in Bezug auf das Rechtsstaatsprinzip: BVerfGE 7, 89, 92 f. 13 Siehe nur: Der Parlamentarische Rat Band 5 Teilband 1, S. XXXIII. 14 Siehe nur: von Mangoldt in der vierten Sitzung des Ausschusses für Grundsatzfragen vom 23. September 1948, abgedruckt in: Der Parlamentarische Rat Band 5 Teil9

178

E. Schlussfolgerungen und Lösungsansätze

Der fragmentarische Charakter des Grundgesetzes zeigt sich indes immer wieder in unterschiedlichen Bereichen der Verfassung: So argumentiert Kudlich beispielsweise ähnlich in Bezug auf die verfassungsrechtlichen Vorgaben des Verständigungsgesetzes, wenn er sich fragt, ob sich aus der Verfassung überhaupt konkrete Vorgaben für die Ausgestaltung der Absprachen im Strafverfahren ableiten lassen.15 Laue bescheinigt dies der Verfassung im Rahmen des Rechtsstaatsprinzips,16 und wie oben bereits erörtert17 verbietet Art. 103 III GG jede erneute Verfolgung, obwohl nach dem Wortlaut nur jede erneute Bestrafung verboten ist. Diesen weiten Interpretationsspielraum füllt in erster Linie das Bundesverfassungsgericht. „Das Grundgesetz gilt [also] nunmehr praktisch so, wie das Bundesverfassungsgericht es auslegt [. . .].“ 18 Dies gibt das Bundesverfassungsgericht auch offen zu und macht ein solches Vorgehen sogar zum Postulat richterlichen Handelns: „Die Aufgabe der Rechtsprechung kann es insbesondere erfordern, Wertvorstellungen, die der verfassungsmäßigen Rechtsordnung immanent, aber in den Texten der geschriebenen Gesetze nicht oder nur unvollkommen zum Ausdruck gelangt sind, in einem Akt des bewertenden Erkennens, dem auch willenhafte Elemente nicht fehlen, ans Licht zu bringen und in Entscheidungen zu realisieren.“ 19 Zwar führt das Bundesverfassungsgericht weiter aus, dass Richter nicht willkürlich entscheiden dürften, sondern rational argumentieren müssten;20 die Frage, welche Wertvorstellungen der verfassungsgemäßen Ordnung immanent sind, entscheidet aber letztendlich der Richter. Außerdem hält das Bundesverfassungsgericht Folgendes für erforderlich: „Es muss einsichtig gemacht werden können, daß das geschriebene Gesetz seine Funktion, ein Rechtsproblem gerecht zu lösen, nicht erfüllt. Die richterliche Entscheidung schließt dann diese Lücke nach den Maßstäben der praktischen Vernunft und den „fundierten allgemeinen Gerechtigkeitsvorstellungen der Gemeinschaft“ (BVerfGE 9, 338 [349]).“ 21 Das Bundesverfassungsgericht spricht

band 1, S. 64; vgl. ebenfalls: von Mangoldt in der 22. Sitzung des Ausschusses für Grundsatzfragen vom 18. November 1948, abgedruckt in: Der Parlamentarische Rat Band 5 Teilband 2, S. 601. 15 Kudlich, NStZ 2013, 379, 382; siehe auch: Weßlau, Das Konsensprinzip im Strafverfahren, S. 66 f. 16 Laue, GA 152 (2005), 648, 652 f. 17 Siehe oben unter D. II. 1. 18 Smend, in: Staatrechtliche Abhandlungen, S. 581, 582; zustimmend: Hesse, in: 40 Jahre Grundgesetz, S. 1, 9; so in Bezug auf den allgemeinen Gleichheitssatz auch: Forsthoff, in: FG Schmitt, S. 185, 189; in diese Richtung ebenfalls: Böckenförde, Staat, Verfassung, Demokratie, S. 198. 19 BVerfGE 34, 269, 287. 20 BVerfGE 34, 269, 287. 21 BVerfGE 34, 269, 287.

I. Zwischenergebnis

179

insofern von „schöpferischer Rechtsfindung“ 22 durch den Richter. Zwar versucht das Bundesverfassungsgericht, diese schöpferische Rechtsfindung auf greifbare und rationale Erwägungen zurückzuführen; die Begriffe der praktischen Vernunft und insbesondere der fundierten allgemeinen Gerechtigkeitsvorstellungen der Gemeinschaft lassen jedoch viel Interpretations- und Argumentationsspielraum. Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts tragen daher auch nur bedingt dazu bei, die Normgehalte des Grundgesetzes zu konkretisieren. Außerdem ist das Bundesverfassungsgericht nach herrschender Meinung nicht selbst an die eigene Judikatur gebunden.23 Rechtssicherheit, wie sie in Form einer Verfassungsänderung erreicht werden könnte, kann demnach durch die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts nicht hergestellt werden, da das Bundesverfassungsgericht die Auslegung der Verfassung – auch entgegen vorangegangener Entscheidungen – ändern kann. Außerdem entkräftet die Konkretisierung der Verfassung durch das Bundesverfassungsgericht nicht den Einwand der Beliebigkeit der Argumentation und der Ergebnisse.24 Zwar beinhaltet das Strafprozessrecht relativ detaillierte Schranken, diese Schranken finden sich aber in der Verfassung jedenfalls nicht ausdrücklich wieder.25 Die Verfassung lässt dem einfachgesetzlichen Gesetzgeber damit einen gewissen Spielraum, die bestehenden Konflikte aufzulösen.26 Das deutsche Strafprozessrecht könnte daher vor dem Hintergrund des Grundgesetzes auch anders ausgestaltet sein, ohne direkt gegen die Verfassung zu verstoßen.27

22

BVerfGE 34, 269, 287. Siehe nur: Bethge, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, § 31 Rn. 118 ff. m. zahlreichen w. N. Dieser Ansicht ist natürlich auch das Bundesverfassungsgericht selbst, siehe: ders., a. a. O. Rn. 119. Anders beispielsweise: Lechner/Zuck, BVerfGG, § 31 Rn. 29. 24 Dies zeigt sich beispielsweise besonders deutlich an dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 05.05.2015 zur Richterbesoldung, in dem das Gericht einen komplexen Prüfungsmaßstab entwickelt, der sich nicht ansatzweise aus dem streitentscheidenden Art. 33 V GG ableiten lässt, siehe: BVerfG NJW 2015, 1935 ff. 25 Vgl. Landau, ZStW 121 (2009), 965, 970; Sommer, StraFo 2014, 441, 443. 26 Vgl. Forsthoff, Der Staat der Industriegesellschaft, S. 144 f.; Grünwald, StV 1987, 457; Kudlich, Strafprozeß und allgemeines Mißbrauchsverbot, S. 171; Sommer, StraFo 2014, 441, 443; Wahl, Der Staat 20 (1981), 485, 504 f. und 506; in diese Richtung auch: Alexy, in: VVDStRL 61, S. 8, 25 f. Dies gilt, obwohl es natürlich auch ungeschriebene Verfassungsprinzipien gibt, die den einfachgesetzlichen Gesetzgeber binden. Vgl. generell zu der Abwägung im Rahmen juristischer Problemfelder: Neumann, Wahrheit im Recht, S. 35. 27 Vgl. Hettinger, JZ 2011, 292, 296; vgl. auch allgemein: Neumann, Wahrheit im Recht, S. 36 f. Vgl. im Hinblick auf die Wiederaufnahme des Strafverfahrens auch: Deml, Zur Reform der Wiederaufnahme, S. 46; Gössel, in: Löwe-Rosenberg VII/2, Vor § 359 Rn. 12. 23

180

E. Schlussfolgerungen und Lösungsansätze

II. Lösungsansätze Um den Vorwurf der Beliebigkeit der Interpretation der Verfassung und der Lösung von (Grundrechts-)Kollisionen zu entkräften, wäre es gegebenenfalls vorzugswürdig, die bestehenden Konflikte bereits auf der Verfassungsebene zu lösen. Eine andere Lösung könnte darin bestehen, bei der Interpretation des Grundgesetzes nur noch auf die ausdrücklichen Normierungen abzustellen, die damit unstreitig zu dessen Schutzgehalt gehören. Dagegen wendet Böckenförde jedoch zu Recht ein, dass die Grundrechte dadurch zu „bloßen Zielnormen“ 28 degeneriert würden, die außer in Fällen „evidente[r] Untätigkeit“ 29 keine Wirkung mehr entfalten könnten.30 Dies ist mit dem Schutzcharakter der Grundrechte nicht zu vereinbaren.31 Andererseits könnte es die Verfassung überfrachten, wenn die Konflikte bereits ausdrücklich auf Verfassungsebene gelöst würden. Nach Alexy leidet die Geltungskraft der Verfassung sogar darunter, wenn die Normierungsdichte der Verfassung zunimmt und die Verfassung dadurch unübersichtlich wird.32 Sofern man das Grundgesetz als Rahmenordnung versteht,33 ist es insofern nachvollziehbar, dass lediglich die grundlegenden Voraussetzungen menschlichen Zusammenlebens – insbesondere in Bezug auf den Schutz des Bürgers gegenüber dem Staat – auf der Verfassungsebene normiert werden.34 Allerdings geht es hier nicht darum, die Verfassung mit weiteren Rechtsätzen zu überfrachten. Zwar ist genau dies in der Vergangenheit geschehen,35 wenn auch nicht unbedingt durch Verfassungsänderungen, sondern durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts.36 Im Rahmen der hier zu behandelnden Problemstellung wird vielmehr die Frage erörtert, ob Lösungen oder zumindest Lösungswege für die Konflikte zwischen den bereits bestehenden Verfassungsgütern ausdrücklich in der Verfassung normiert werden sollen. In diese 28 29 30 31 32

Böckenförde, Staat, Verfassung, Demokratie, S. 192. Böckenförde, Staat, Verfassung, Demokratie, S. 192. Böckenförde, Staat, Verfassung, Demokratie, S. 192 f. Vgl. auch: Böckenförde, Staat, Verfassung, Demokratie, S. 193. Alexy, in: VVDStRL 61, S. 8; vgl. auch: Wahl, Der Staat 20 (1981), 485, 502 und

507. 33 Siehe dazu anstatt aller: Böckenförde, NJW 1976, 2089, 2091; ders., Staat, Verfassung, Demokratie, S. 198; Wahl, Der Staat 20 (1981), 485, 505 und 507. 34 Vgl. auch: Forsthoff, Der Staat der Industriegesellschaft, S. 145 f.; ders., in: FG Schmitt, S. 185, 193, der aber ausführt, dass das Grundgesetz einer solchen Stellung nicht gerecht werde. 35 Siehe nur: Alexy, in: VVDStRL 61, S. 8, 9 m.w. N. („Expansion materieller Verfassungsgehalte“). 36 Siehe dazu ebenfalls nur: Alexy, in: VVDStRL 61, S. 8, 9 f. m.w. N.

II. Lösungsansätze

181

Richtung ging bereits im Jahr 1928 die Forderung Kelsens, die „Grundsätze, Richtlinien und Schranken [der Verfassung – also damals noch der Weimarer Reichsverfassung –] so präzise wie möglich [zu] bestimmen.“ 37 Hintergrund war damals aber nicht das Problem, dass die Verfassung bestehende Konflikte nicht auflöste, sondern die Angst vor einem (zu) mächtigen Verfassungsgericht, das aus allgemeinen Gerechtigkeitserwägungen heraus freie Ermessensentscheidungen trifft, weil die Verfassung für die Entscheidungen des Gerichts kaum ausdrückliche Vorgaben macht.38 Kelsen machte also damals bereits auf die Beliebigkeit der Argumentation und der Ergebnisse aufmerksam. Nach Böckenförde würde aber bereits die Konfliktlösung auf Verfassungsebene dem Charakter als Rahmenordnung nicht mehr gerecht werden: Als Rahmenordnung beinhalte das Grundgesetz „nicht schon das Material, das zu einer Harmonisierung der verschiedenen Rechtspositionen untereinander führt, sondern schlägt nur bestimmte Pflöcke ein [. . .]“ 39. Dworkin hat sich in seiner Rechtstheorie zwar nicht konkret zu der geschilderten Problematik geäußert; seine Grundhypothese kann aber auch für die hiesige Fragestellung fruchtbar gemacht werden: Dworkin geht nämlich davon aus, dass es auf Rechtsfragen (fast) immer nur eine richtige Antwort gebe.40 Wendet man diese Ausgangshypothese auf die Problematik der fragmentarischen, wenig konkreten Verfassung an, ergibt sich folgendes Bild: Es bestünde keine Notwendigkeit für eine Verfassungsänderung: Denn wenn Dworkin allgemein ausführt, dass es auf Rechtsfragen (fast) immer nur eine richtige Antwort gebe, stellt er damit zugleich fest, dass das geschriebene Recht die bestehenden Konflikte sehr wohl lösen könne und es daher auch nicht erweitert werden müsse. Nach seiner Ansicht sind die Ergebnisse der Rechtsfragen auch nicht beliebig, weil es nur eine richtige Lösung gibt und alle anderen Lösungen falsch sind. In Bezug auf das Ausgangsproblem der zumeist ungenauen Ne-bis-in-idemRegelungen gibt es nach Dworkin also eine eindeutige Antwort auf die Frage, ob die Wiederaufnahme des Strafverfahrens zulässig ist oder nicht. Auch wenn Dworkin sich nicht konkret zu der Wiederaufnahme des Strafverfahrens geäußert 37

Kelsen, in: VVDStRL 5, S. 30, 70, vgl. hier auch zum Folgenden. Ähnlich kritisch setzt Kelsen, in: VVDStRL 5, S. 30, S. 69, sich mit den zahlreichen unbestimmten Rechtsbegriffen der (Weimarer Reichs-)Verfassung auseinander. 39 Böckenförde, Staat, Verfassung, Demokratie, S. 198. 40 Vgl. Dworkin, A Matter of Principle, S. 119 ff., insbesondere S. 128 ff. und 144; ders., Bürgerrechte ernstgenommen, S. 181 ff., 448 ff., insbesondere S. 459 f. und 465 f. und 529 ff. Siehe zu der Ansicht Dworkins auch: Bittner, Recht als interpretative Praxis, passim und insbesondere S. 215 ff.; Koller, Theorie des Rechts, S. 172 ff.; Neumann, Wahrheit im Recht, S. 37 ff. 38

182

E. Schlussfolgerungen und Lösungsansätze

hat, müsste man nach seiner These davon ausgehen, dass die bestehenden Regelungen bezüglich der Ausgestaltung der Wiederaufnahme ebenfalls konkrete Vorgaben machen. Dworkin versteht die Verfassungsgrundsätze auch nicht als vage.41 Vielmehr seien Verfassungsgrundsätze lediglich „Anrufungen moralischer Begriffe“ 42, sodass die Verfassung über die Moral interpretiert werden müsse.43 Davon ausgehend könne man die Verfassungsgrundsätze überhaupt „nicht dadurch präzisieren, daß man detailliertere Angaben macht.“ 44 Selbst wenn Dworkin Recht hätte,45 muss man jedoch davon ausgehen, dass die Gefahr von Fehlinterpretationen zunimmt, je weniger die Verfassungsgrundsätze normiert sind und je weniger die inhaltliche Ausgestaltung und die Konfliktlösungen in die Verfassung integriert werden. Selbst für den Fall, dass immer nur eine richtige Entscheidung existieren sollte, sollten die bestehenden Verfassungsrechte – insbesondere in Bezug auf auftretende Konflikte – konkretisiert werden, um die Gefahr von Fehlinterpretationen zu verringern. Im Ergebnis macht es nämlich keinen Unterschied, ob in Rechtskonflikten mehrere richtige oder vertretbare Entscheidungen bestehen oder nur eine einzige, wenn die Rechtsanwender aufgrund mangelnder gesetzlicher Grundlagen kaum in der Lage sind, die richtige Entscheidung zu treffen beziehungsweise zu finden.46 Aus einer entsprechenden Verfassungsänderung ergäben sich aber Folgeprobleme: Sofern man die Verfassung inhaltlich konkreter ausgestalten würde, würde man dadurch zwar dem Vorwurf der Beliebigkeit des Abwägungsvorgangs begegnen können; die Verfassung wäre aber nicht mehr so flexibel,47 um sich der fortschreitenden Entwicklung anzupassen und auf neue rechtliche Problemstel41

Dworkin, Bürgerrechte ernstgenommen, S. 230. Dworkin, Bürgerrechte ernstgenommen, S. 230. 43 Vgl. Dworkin, Bürgerrechte ernstgenommen, S. 231 ff. und zusammenfassend S. 248 ff., 547 ff. Ähnlich, wenn auch nicht so weitgehend: Isensee, in: HStR II3, § 15 Rn. 23. Selbst der Parlamentarische Rat ging davon aus, dass die Grundrechte anhand des Naturrechts ausgelegt werden könnten, siehe nur: von Mangoldt in der vierten Sitzung des Ausschusses für Grundsatzfragen vom 23. September 1948, abgedruckt in: Der Parlamentarische Rat Band 5 Teilband 1, S. 64. 44 Dworkin, Bürgerrechte ernstgenommen, S. 230. 45 Siehe zur Kritik an der These Dworkins anstatt aller: Aarnio, in: Praktische Vernunft und Rechtsanwendung, S. 36 ff.; Alexy, Recht, Vernunft, Diskurs, S. 121 ff.; Grasnick, ARSP 85 (1999), 233, 236 ff.; Koller, Theorie des Rechts, S. 180 ff., insbesondere S. 181; Neumann, Wahrheit im Recht, S. 39; vgl. auch: Bittner, Recht als interpretative Praxis, S. 215 ff.; Luhmann, Das Recht der Gesellschaft, S. 345, und die Beiträge in: Ronald Dworkin & Contemporary Jurisprudence. 46 Ähnlich: Neumann, Wahrheit im Recht, S. 38. 47 Vgl. auch: Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts Rn. 23, der die Offenheit der Verfassung deshalb für notwendig hält; so auch: Ehmke, in: VVDStRL 20, S. 45, 62; die Flexibilität der Verfassung, „die in Wahrheit keine Verfassung“ sei, betont auch: Forsthoff, in: FG Schmitt, S. 185, 211. 42

II. Lösungsansätze

183

lungen zu reagieren.48 Die Flexibilität könnte allenfalls durch weitere Verfassungsänderungen gewährleistet werden.49 Zwar entwickelt sich natürlich auch der Grundrechtsschutz im Rahmen der EMRK;50 je konkreter die Normen gefasst sind, desto mehr Grenzen ergeben sich jedoch bei der Auslegung und Erweiterung der entsprechenden Rechte. Ein weiteres Problem zeigt sich auch speziell in Bezug auf den Ne-bis-inidem-Grundsatz: Selbst wenn man in Art. 103 III GG einen ähnlichen Wiederaufnahmevorbehalt wie in Art. 4 II EMRK-Pr. 7 aufnähme, ergäben sich dadurch andere Schwierigkeiten in Bezug auf die Auslegung der einzelnen Begriffe. So besteht beispielsweise im Rahmen der EMRK Streit darüber, wie der Begriff der schweren Mängel in Art. 4 II EMRK-Pr. 7 auszulegen ist.51 Trotzdem ist der Rechtssicherheit mit ausführlichen Normierungen eher gedient, und die Beliebigkeit der Argumentation wird dadurch eingeschränkt, selbst wenn das Grundgesetz auch nach einer Änderung der Verfassung lediglich in dem Rahmen Geltung beanspruchen würde, den das Bundesverfassungsgericht ihm zuerkennt. Im Ergebnis lässt sich Folgendes festhalten: Nach dem jetzigen Konzept des Grundgesetzes sind kaum materielle Gehalte oder Lösungen von (Grundrechts-) Kollisionen ausdrücklich in der Verfassung verankert. Dies führt zu der berechtigten Kritik beliebiger Ergebnisse. Würde man die Verfassung zur Lösung dieses Problems hingegen mit materiellen Gehalten und Regelungen für Konfliktlagen anreichern, ginge dabei gegebenenfalls die Anpassungsfähigkeit der Verfassung an aktuelle Entwicklungen verloren. Letztlich handelt es sich um eine Abwägung, ob man die Flexibilität der Verfassung zulasten der Rechtssicherheit und Normenklarheit oder die Rechtssicherheit und Normenklarheit zulasten der Flexibilität der Verfassung betont. Der (Verfassungs-)Gesetzgeber tendiert möglicherweise zu ersterem, weil er ansonsten seine eigenen gesetzgeberischen Rechte ausdrücklich beschränken würde.52 48 Vgl. dazu auch: BVerfGE 50, 290, 338, in Bezug auf die Wirtschaftspolitik; Krenberger, Anthropologie der Menschenrechte, S. 477. Die Möglichkeit der Anpassung der Verfassung an neue Begebenheiten ist im Übrigen ein Argument der herrschenden Meinung, die die Bindungswirkung von Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts für das Verfassungsgericht selbst verneint, siehe wiederum nur: Bethge, in: Maunz/ Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, § 31 Rn. 119. 49 Dazu bedürfte es aber nach Art. 79 II GG einer 2/3-Mehrheit in Bundestag und Bundesrat. 50 Vgl. Krenberger, Anthropologie der Menschenrechte, S. 375 f. und 438 f.; Krieger, in: EMRK/GG2, Kap. 6 Rn. 127; Richter, in: EMRK/GG2, Kap. 9 Rn. 1 m.w. N. 51 Siehe dazu: Hochmayr, in: „Ne bis in idem“ in Europa, S. 89, 107 Fn. 71; Kadelbach, in: EMRK/GG2, Kap. 29 Rn. 38. 52 In Art. 13 GG zeigt sich hingegen die Betonung der Normenklarheit und Rechtssicherheit durch eine ausführliche Regelung der Eingriffe in das Grundrecht. Art. 13 GG stellt insofern eine Ausnahme zu den anderen im Grundgesetz festgelegten (Grund-) Rechten dar.

F. Rechtskonforme Ausgestaltung des § 362 StPO Nach den bisherigen Ausführungen verstößt § 362 StPO gegen Art. 103 III GG und gegen Art. 50 GRC in Bezug auf innerstaatliche Sachverhalte. Weiterhin läge ein Verstoß gegen Art. 4 EMRK-Pr. 7 vor, falls die Bundesrepublik Deutschland dieses Protokoll ratifizieren würde. Sofern man davon ausgeht, dass § 362 StPO auch die Wiederaufnahme ausländischer Verfahren erlaubt, läge außerdem ein Verstoß gegen Art. 50 GRC und Art. 103 III GG bezüglich transnationaler Sachverhalte und ein Verstoß gegen Art. 54 SDÜ vor. Mit Ausnahme des Verstoßes gegen Art. 54 SDÜ liegen die Verstöße darin begründet, dass § 362 StPO nicht an die Schwere der Straftaten anknüpft und eine Wiederaufnahme nach § 362 Nr. 3 StPO nicht davon abhängig ist, dass der Wiederaufnahmegrund auch Einfluss auf das Urteil hatte (absoluter Wiederaufnahmegrund). In Bezug auf den Verstoß gegen Art. 54 SDÜ ist – wenn man über § 362 StPO die Wiederaufnahme ausländischer Verfahren zulässt – darauf abzustellen, dass das Schengener Durchführungsübereinkommen keine Ausnahmeregelung zu Art. 54 SDÜ bezüglich einer Wiederaufnahme des Strafverfahrens enthält und auch nicht von einer allgemeinen Einschränkbarkeit des Art. 54 SDÜ ausgegangen werden kann. Da eine Wiederaufnahme ausländischer Strafverfahren über § 362 StPO momentan nicht vertreten wird, soll darauf nicht weiter eingegangen werden. Bezüglich der anderen Verstöße, die alle auf denselben dargestellten Gründen beruhen, stellt sich jedoch die Frage, ob und wie § 362 StPO rechtskonform auszugestalten ist.

I. § 362 Nr. 3 StPO i.V. m. § 370 I StPO als absoluter Wiederaufnahmegrund Die Konzeption des § 362 Nr. 3 StPO als absoluter Wiederaufnahmegrund ist leicht zu beseitigen: Die einfachste Möglichkeit wäre, § 370 I StPO neu zu fassen und auch einen Verweis auf § 362 Nr. 3 StPO aufzunehmen. § 370 I StPO n. F. hätte dann folgenden Wortlaut:1 § 370 StPO [Entscheidung über die Begründetheit] (1) Der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens wird ohne mündliche Verhandlung als unbegründet verworfen, wenn die darin aufgestellten Behauptungen 1

§ 370 II StPO bliebe unverändert.

II. Fehlende Anknüpfung an die Schwere der begangenen Straftat

185

keine genügende Bestätigung gefunden haben oder wenn in den Fällen des § 359 Nr. 1 und 2 oder des § 362 Nr. 1, 2 und 3 nach Lage der Sache die Annahme ausgeschlossen ist, daß die in diesen Vorschriften bezeichnete Handlung auf die Entscheidung Einfluß gehabt hat. Auf die entsprechende Regelung bezüglich der Wiederaufnahme zugunsten des Angeklagten soll nicht weiter eingegangen werden.2

II. Fehlende Anknüpfung an die Schwere der begangenen Straftat Schwieriger ist es, die fehlende Anknüpfung an die Schwere der begangenen Straftat zu beseitigen. Es stellt sich nämlich die Frage, wie genau eine schwere Straftat zu definieren ist und welche konkreten Straftaten eine Wiederaufnahme ermöglichen sollen.3 Im Folgenden sollen daher mehrere Möglichkeiten einer Definition schwerer Straftaten in Bezug auf die Einschränkung der Wiederaufnahme des Strafverfahrens zuungunsten des Angeklagten untersucht werden.4 Die Schwere einer Straftat ergibt sich nicht zwangsläufig immer aus dem Strafrahmen des entsprechenden Delikts.5 Vielmehr sind der Rang des geschützten Rechtsguts, gewisse Begehungsmerkmale des Delikts und die Folgen der Tat maßgeblich. Für den Begriff der besonders schweren Straftat in Art. 13 III GG hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass das entsprechende Delikt eine Höchststrafe von mehr als fünf Jahren vorsehen müsse.6 Diese Rechtsprechung zu Art. 13 III GG kann man aber nicht uneingeschränkt für die Beschränkung der Wiederaufnahme des Strafverfahrens zuungunsten des Angeklagten heranziehen: Denn der Verweis in Art. 13 III GG auf besonders schwere Straftaten trägt „der 2 Es stößt – zumindest im Hinblick auf Art. 103 III GG – auch nicht auf Bedenken, die Wiederaufnahme zugunsten des Angeklagten zuzulassen, wenn sich der Fehler nach § 359 Nr. 3 StPO nicht auf das Urteil auswirkte, weil die Wiederaufnahme zugunsten des Angeklagten den Schutzbereich des Art. 103 III GG und anderer Ne-bis-in-idemRegelungen nicht tangiert, siehe in Bezug auf Art. 103 III GG nur: Kunig, in: von Münch/Kunig, GGK II, Art. 103 Rn. 47. 3 Zu möglichen Einschränkungen der nachteiligen Wiederaufnahme in Großbritannien siehe: Dennis, Criminal Law Review 2000, 933, 948 f. 4 Siehe zu der ähnlichen Diskussion zu der Frage, welche Delikte in den Katalog des § 138 I StGB aufgenommen werden (sollten): Marquardt/von Danwitz, in: FS Rudolphi, S. 497 ff. 5 BVerfGE 109, 279, 344, hier auch zum Folgenden; siehe aber auch 347; siehe ebenfalls: Hermes, in: Dreier I, Art. 13 Rn. 66, der betont, dass „der Strafrahmen ein maßgeblicher Anhaltspunkt für die primär vom Gesetzgeber vorzunehmende Bestimmung des Unrechtsgehalts eines Delikts“ sei. 6 BVerfGE 109, 279, 347 f.

186

F. Rechtskonforme Ausgestaltung des § 362 StPO

Bedeutung des Grundrechts der Unverletzlichkeit der Wohnung [und der] Sicherung rechtsstaatlicher Anforderungen“ 7 Rechnung.8 Außerdem stellt die Gesetzesbegründung zu Art. 13 III GG insbesondere auf die Aufklärung von Straftaten der organisierten Kriminalität ab.9 Zwar ist auch Art. 103 III GG als bedeutendes Grundrecht anzusehen. Zudem müssen bei Eingriffen in Art. 103 III GG natürlich – wie bei jeglichen Eingriffen in Grundrechte – die rechtsstaatlichen Standards eingehalten werden. Bei der Wiederaufnahme des Strafverfahrens geht es aber jedenfalls nicht ausschließlich um die Aufklärung von Straftaten aus dem Bereich der organisierten Kriminalität. Daher ist es nicht sachgerecht, bei der Beschränkung der Wiederaufnahme auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 13 III GG abzustellen und insofern die Wiederaufnahme lediglich für Delikte zuzulassen, die eine Höchststrafe von mehr als fünf Jahren Freiheitsstrafe festlegen. In Betracht kommt stattdessen, auf die Straftaten abzustellen, die auch in dem Gesetzesantrag des Landes Nordrhein-Westfalen bezüglich der Einführung eines Wiederaufnahmegrundes zuungunsten des Angeklagten vor dem Hintergrund neuer Beweise10 aufgeführt wurden. Die Wiederaufnahme zuungunsten des Angeklagten vor dem Hintergrund neuer Beweise sollte auf vollendeten Mord, Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen gegen eine Person oder die mit lebenslanger Freiheitsstrafe zu ahndende vollendete Anstiftung zu diesen Taten beschränkt sein.11 Bereits die Anknüpfung an den Tatbestand des (vollendeten) Mordes kann aber nicht überzeugen:12 Erstens würde es dann oft vom Zufall abhängen, ob ein Wiederaufnahmeverfahren statthaft ist oder nicht. Beispielsweise wird die Heimtücke nach § 211 II 2. Gruppe 1. Fall StGB als bewusste Ausnutzung der Arg- und Wehrlosigkeit definiert.13 Ob das Opfer aber arg- und wehrlos ist, hängt oft von Zufällen ab. Gleiches gilt in bestimmten Konstellationen bezüglich des Mordmerkmals der gemeingefährlichen Mittel nach § 211 II 2. Gruppe 3. Fall StGB: Gemeingefährlich ist ein angewendetes Mittel, wenn dadurch eine Gefahr für eine unbestimmte Anzahl anderer Personen entsteht.14 Dabei kommt es auch auf die Eignung und 7

BT-Drs. 13/8650, S. 4. BT-Drs. 13/8650, S. 4. 9 BT-Drs. 13/8650, S. 4; siehe dazu auch: BVerfGE 109, 279, 315; Kunig, in: von Münch/Kunig, GGK I, Art. 13 Rn. 42. 10 Siehe: BR-Drs. 655/07. 11 BR-Drs. 655/07, S. 7; ähnlich bereits der Vorschlag von Meyer, Wiederaufnahmereform, S. 84. 12 So auch: Scherzberg, ZRP 2010, 271. 13 Vgl. nur: Fischer, StGB, § 211 Rn. 34. 14 Fischer, StGB, § 211 Rn. 59. 8

II. Fehlende Anknüpfung an die Schwere der begangenen Straftat

187

Wirkung des Mittels in der konkreten Situation an.15 Dies führt beispielsweise in Fällen, in denen der Täter Gegenstände von einer Autobahnbrücke auf die Fahrbahn wirft, dazu, dass das Verkehrsaufkommen auf der Autobahn Einfluss auf die rechtliche Bewertung der Tat als Mord oder als Totschlag hat.16 Aufgrund dieser Unwägbarkeiten kommt eine Anknüpfung an den Tatbestand des Mordes bereits nicht in Betracht. Zweitens ist davon auszugehen, dass die Unterscheidung zwischen Mord und Totschlag in absehbarer Zeit möglicherweise nicht mehr aufrechterhalten wird oder die Vorschriften zumindest erheblich geändert werden.17 Die Anknüpfung an den Straftatbestand des Mordes ist daher abzulehnen. Die anderen in dem Gesetzesantrag angeführten Straftaten entstammen dem Völkerstrafgesetzbuch.18 Die Verfolgung dieser Straftaten – noch dazu in einem Wiederaufnahmeverfahren – hat kaum praktische Relevanz.19 Allerdings erlangen gerade solche Straftaten über die nationale Rechtsordnung hinaus Bedeutung, und sie sind typischerweise auch noch nach Jahren verfolgbar, was die Aburteilung solcher Taten vor internationalen Strafgerichtshöfen und Tribunalen belegt. Eine Anknüpfung der Wiederaufnahme des Strafverfahrens zuungunsten des Angeklagten an solche Taten nimmt dem Institut aber jede Praxisrelevanz. Wiederaufnahmeverfahren wären vor diesem Hintergrund nahezu ausgeschlossen. Die Praxisrelevanz einer Regelung hat zwar keine Auswirkungen auf deren Rechtskonformität; es ist aber zumindest nicht folgerichtig, an Straftatbestände 15 Vgl.: BGHSt 38, 353, 354; Eser/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, § 211 Rn. 29; Sinn, in: SK-StGB, § 211 Rn. 61. 16 Vgl. beispielsweise: BGHR StGB § 211 Abs. 2, Gemeingefährliche Mittel 4 Rn. 22; Schneider, in: MüKo-StGB, § 211 Rn. 123. 17 Siehe zu aktuellen Reformbestrebungen: Deckers/Fischer/König/Bernsmann, NStZ 2014, 9 ff.; Köhne, ZRP 2014, 21 ff.; Walter, NStZ 2014, 368 ff. Die Reformbestrebungen werden unter anderem darauf gestützt, dass die jetzige Fassung des § 211 StGB aus der Zeit des Nationalsozialismus stammt, siehe nur: Köhne, a. a. O., 21 f. m.w. N.; zur der damaligen Änderung des § 211 StGB siehe: Deckers/Fischer/König/ Bernsmann, a. a. O., 9 f.; Henkys, in: Die nationalsozialistischen Gewaltverbrechen, S. 25, 181 f. Der ausführliche Abschlussbericht der Expertengruppe zur Reform der Tötungsdelikte ist abrufbar unter: http://www.bmjv.de/SharedDocs/Downloads/DE/Ar tikel/Abschlussbericht_Experten_Toetungsdelikte.html, zuletzt aufgerufen am 28.06. 2016. Zu dem aktuellen Entwurf siehe: Lijnden: Entwurf zur Reform der Tötungsdelikte, Leben und Sterben des Mörders. 18 Siehe die §§ 6–8 VStGB. 19 Siehe: Werle, Völkerstrafrecht, Rn. 384 ff. Dies gilt, obwohl Kreß, in: MüKo StGB, § 6 VStGB Rn. 20, in Bezug auf § 6 VStGB einen Zuwachs an Relevanz in der Praxis für möglich hält. Dagegen könnte jedoch sprechen, dass erst am 28.09.2015 das erste Verfahren nach dem Völkerstrafgesetzbuch endete (siehe: Bockemühl, Erster Prozess nach dem Völkerstrafgesetzbuch: Machtwort statt Urteilsspruch), obwohl das Völkerstrafgesetzbuch bereits am 30.06.2002 in Kraft trat (siehe: BGBl. I 2002, S. 2254 ff.). Nach Bockemühl, a. a. O., ist „die deutsche Strafjustiz mit Verfahren mit ausschließlichem Auslandsbezug überfordert“.

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F. Rechtskonforme Ausgestaltung des § 362 StPO

mit einer solch geringen Praxisrelevanz wie die des Völkerstrafgesetzbuchs anzuknüpfen. Dies käme einer faktischen Abschaffung der Wiederaufnahme zuungunsten des Angeklagten gleich. Sofern man dies bezweckt, sollte man dies ehrlicherweise dadurch klarstellen, dass § 362 StPO gestrichen wird. Daher sind die Anknüpfungsstraftaten des Gesetzesantrags des Landes Nordrhein-Westfalen bezüglich der Einführung eines Wiederaufnahmegrundes zuungunsten des Angeklagten vor dem Hintergrund neuer Beweise nicht dazu geeignet, § 362 StPO sinnvoll auf Fälle schwerer Kriminalität zu begrenzen. Eine Beschränkung der Wiederaufnahme zuungunsten des Angeklagten auf den Straftatbestand des Mordes und/oder auf die erwähnten Straftatbestände des Völkerstrafgesetzbuches hätte aber immerhin den Vorteil, dass der Konflikt zwischen Wiederaufnahme und Verjährung20 aufgelöst wäre, weil die Taten alle nicht verjähren. Aus den oben genannten Gründen, kommt eine solche Anknüpfung gleichwohl nicht in Betracht. Eine andere Möglichkeit besteht – wie bei der Kronzeugenregelung des § 46b I StGB – darin, auf die in § 100a II StPO oder die in § 100c II StPO aufgeführten Straftaten zu verweisen. § 100a II StPO führt schwere Straftaten auf, während § 100c II StPO besonders schwere Straftaten aufzählt. § 100c II StPO ist insofern die einfachgesetzliche Schrankenregelung des Art. 13 III GG. Ein Verweis des § 362 StPO auf § 100c II StPO würde demnach zu einer restriktiveren Handhabung der Wiederaufnahme führen als ein Verweis auf § 100a II StPO. Aus den oben – zu Art. 13 III GG – genannten Gründen kommt aber kein Verweis auf § 100c II StPO in Betracht. Außerdem erfüllen die Aufzählungen von schweren beziehungsweise besonders schweren Straftaten in § 100a II StPO und § 100c II StPO – wie oben bereits anhand des Art. 13 III GG, dessen einfachgesetzliche Schrankenregelung § 100c II StPO darstellt, ausgeführt – jeweils andere Zwecke. So enthält der Katalog des § 100a II StPO nicht nur Straftaten der schweren Kriminalität, sondern auch schwer aufklärbare Straftaten.21 Gleiches gilt für die einfachgesetzliche Schranke des Art. 13 GG nach § 100c II StPO.22 Die Verfassungswidrigkeit des § 362 StPO ergibt sich aber unter anderem aus der fehlenden Anknüpfung an die Schwere der Straftaten. Die Aufklärungsquote der Delikte spielt diesbezüglich keine Rolle. Da die §§ 100a II, 100c II StPO an-

20

Siehe dazu ausführlich oben unter D. IV. Vgl.: BT-Drs. 16/5846, S. 40. Kritisch zu der Tatsache, dass § 100a II StPO mittlerweile nicht mehr nur schwere Straftaten, sondern auch nicht so schwerwiegende – gegebenenfalls schwer aufklärbare – Delikte, erfasst: Gercke, StraFo 2014, S. 94, 95 m.w. N. 22 Siehe nur: Eschelbach, in: SSW-StPO, § 100c Rn. 9. 21

II. Fehlende Anknüpfung an die Schwere der begangenen Straftat

189

dere Ziele verfolgen, kann die Anknüpfung an diese Kataloge somit nicht überzeugen. In Betracht kommt außerdem, auf den Straftatenkatalog in § 138 StGB abzustellen.23 Ursprünglich orientierte man sich bei Einführung des § 100a II StPO an der Aufzählung in § 138 StGB.24 Heute umfasst der Katalog des § 100a II StPO weitaus mehr Delikte als der des § 138 StGB, sodass der pauschale Hinweis, dass man aus den gleichen Gründen, die gegen einen Verweis auf § 100a II StPO sprechen, auch nicht auf § 138 StGB rekurrieren könnte, nicht durchgreift. Trotzdem ist aber anzumerken, dass auch der Straftatenkatalog des § 138 StGB natürlich nicht den Zweck verfolgt, als Beschränkung der Wiederaufnahme des Strafverfahrens zuungunsten des Angeklagten zu fungieren.25 Eine Anknüpfung an den Straftatenkatalog des § 138 StGB ist daher ebenfalls abzulehnen. Sinnvoll erscheint es vielmehr, die Wiederaufnahme des Strafverfahrens zuungunsten des Angeklagten nur bei Verbrechen nach § 12 I StGB zuzulassen.26 Dabei wäre dann auf die rechtliche Qualifikation im Wiederaufnahmeverfahren – und nicht auf diejenige des ursprünglichen Verfahrens – abzustellen, soweit die rechtliche Würdigung sich ändert. Verbrechen sind nach § 12 I StGB rechtswidrige Taten, die im Mindestmaß mit Freiheitsstrafe von einem Jahr oder darüber bedroht sind. Ein solcher Verweis auf § 12 I StGB wäre alles andere als untypisch, weil die Differenzierung zwischen Verbrechen und Vergehen bereits in vielen materiellen und verfahrensrechtlichen Normen eine Rolle spielt.27 Insbesondere stellt auch § 373a I StPO auf den Unterschied zwischen Verbrechen und Vergehen ab: Nach § 373a I StPO ist die Wiederaufnahme eines durch rechtskräftigen Strafbefehl abgeschlossenen Verfahrens zuungunsten des Verurteilten auch zulässig, wenn neue Tatsachen oder Beweismittel beigebracht sind, die allein oder in Verbindung mit den früheren Beweisen geeignet sind, die Verurteilung wegen eines Verbrechens zu begründen.28 § 373a I StPO erlaubt also gerade die Wiederaufnahme des Strafverfahrens zuungunsten des Angeklagten vor dem Hintergrund neuer Beweise. § 373a I StPO lässt dies aber nur nach einem vorherigen Strafbefehls-

23

Dies zieht bereits van Essen, Kriminalistik 1996, 762, 764, in Erwägung. Vgl.: BT-Drs. 5/1880, S. 12. 25 Siehe zum Schutzzweck des § 138 StGB: Hanack, in: LK, § 138 Rn. 2; Ostendorf, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, §§ 138, 139 Rn. 3; Sternberg-Lieben, in: Schönke/ Schröder, § 138 Rn. 1, jeweils m.w. N. 26 So auch: Possienke, Die Regelung des § 373a StPO, S. 108 ff.; Wasserburg, Die Wiederaufnahme des Strafverfahrens, S. 289. 27 Siehe dazu beispielsweise: Eser/Hecker, in: Schönke/Schröder, § 12 Rn. 4; Hilgendorf, in: LK, § 12 Rn. 2 f. 28 Ausführlich zu § 373a StPO: Possienke, Die Regelung des § 373a StPO, passim. 24

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F. Rechtskonforme Ausgestaltung des § 362 StPO

verfahren zu, wenn die neuen Beweise zu einer Verurteilung wegen eines Verbrechens im Wiederaufnahmeverfahren führen können. Hintergrund ist, dass im Rahmen eines Strafbefehlverfahrens nach § 407 I 1 StPO nur Vergehen abgeurteilt werden können. Eine ähnliche Regelung enthält § 85 III 2 OWiG. § 373a I StPO und § 85 III 2 OWiG kann entnommen werden, dass – neben den zahlreichen anderen Verweisen auf § 12 I StGB im materiellen Recht und im Prozessrecht – ein Rekurs auf die Einteilung der Straftaten in Vergehen und Verbrechen nach § 12 StGB dem Wiederaufnahmerecht nicht fremd ist. Eine solche allgemeine Beschränkung der Wiederaufnahme des Strafverfahrens zuungunsten des Angeklagten würde sich daher nahtlos in das bestehende Wiederaufnahmerecht einfügen. Gegen eine Beschränkung der Wiederaufnahme zuungunsten des Angeklagten auf Verbrechen nach § 12 I StGB könnte aber sprechen, dass mit einer Anknüpfung an bestimmte einzeln aufgeführte Delikte der Rechtssicherheit eher Rechnung getragen werden könnte.29 Dem kann man jedoch entgegenhalten, dass eine Anknüpfung an Strafkataloge generell unübersichtlich erscheint. Zudem ist mit einem Straftatenkatalog nicht zwangsläufig ein Mehr an Rechtsicherheit verbunden; denn auch bei der Anknüpfung an Verbrechen nach § 12 I StGB ist genau definiert, wann eine Wiederaufnahme zulässig ist und wann nicht. Sofern man darauf abstellt, dass das Risiko besteht, dass Delikte gesetzgeberisch zu Verbrechen hochgestuft werden können, ist dem entgegenzuhalten, dass auch Straftatenkataloge vor einer Erweiterung durch den Gesetzgeber nicht sicher sind, was zum Beispiel die Erweiterung des Katalogs in § 100a StPO belegt.30 Gegen eine Anknüpfung der Wiederaufnahme an den Verbrechenschrakter eines Delikts kann auch nicht geltend gemacht werden, dass es vom Zufall oder von der gesetzgeberischen Technik abhänge, ob eine Straftat als Verbrechen oder lediglich als Vergehen zu qualifizieren ist.31 Die Bezugnahme auf die Differenzierung zwischen Verbrechen und Vergehen hat sich in zahlreichen verfahrensrechtlichen und materiellrechtlichen Vorschriften32 bewährt. Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass dem Gesetzgeber der Regelungsgehalt des § 12 29 So gehen beispielsweise Ziekow/Guckelberger, in: Berliner Kommentar, Art. 13 Rn. 83, davon aus, dass eine Anknüpfung an Straftaten mit einer bestimmten Mindeststrafe im Rahmen des Art. 13 III GG nicht zulässig sei; a. A. bezüglich Art. 13 III GG: Cassardt, in: Umbach/Clemens, Art. 13 Rn. 127. 30 Siehe dazu nur: Singelnstein, NStZ 2012, 593, 595. 31 Vgl. aber: Deml, Zur Reform der Wiederaufnahme, S. 143; Denkschrift Strafrechtsausschuss der Bundesrechtsanwaltskammer, S. 95; Meyer, Wiederaufnahmereform, S. 83 Fn. 468, unter Berufung auf die Denkschrift des Strafrechtsausschusses der Bundesrechtsanwaltskammer. 32 Aufzählungen finden sich bei: Eser/Hecker, in: Schönke/Schröder, § 12 Rn. 4; Hilgendorf, in: LK, § 12 Rn. 2 f.

II. Fehlende Anknüpfung an die Schwere der begangenen Straftat

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StGB vertraut und er sich der Bedeutung der Unterscheidung zwischen Verbrechen und Vergehen bewusst ist. Von daher ist anzunehmen, dass der Gesetzgeber bei der Einteilung der Straftatbestände in Verbrechen und Vergehen umsichtig vorgeht. Nicht ersichtlich ist, warum allein die Aufführung konkreter Delikte Art. 103 III GG hinreichend Rechnung tragen sollte.33 Daher ist § 362 StPO dahingehend zu beschränken, dass die Wiederaufnahme nur zuzulassen ist, wenn eine Verurteilung wegen eines Verbrechens im Wiederaufnahmeverfahren möglich erscheint.34 Sofern man die Wiederaufnahme zuungunsten des Angeklagten auf Verbrechen beschränkt, müsste § 362 StPO daher wie folgt geändert werden: § 362. [Wiederaufnahme zuungunsten des Angeklagten] (1) Die Wiederaufnahme eines durch rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens zuungunsten des Angeklagten ist zulässig, 1. wenn eine in der Hauptverhandlung zu seinen Gunsten als echt vorgebrachte Urkunde unecht oder verfälscht war; 2. wenn der Zeuge oder Sachverständige sich bei einem zugunsten des Angeklagten abgelegten Zeugnis oder abgegebenen Gutachten einer vorsätzlichen oder fahrlässigen Verletzung der Eidespflicht oder einer vorsätzlichen falschen uneidlichen Aussage schuldig gemacht hat; 3. wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, der sich in Beziehung auf die Sache einer strafbaren Verletzung seiner Amtspflichten schuldig gemacht hat; 4. wenn von dem Freigesprochenen vor Gericht oder außergerichtlich ein glaubwürdiges Geständnis der Straftat abgelegt wird.

33

So aber: Meyer, Wiederaufnahmereform, S. 83. Soweit ersichtlich, wurde diese Forderung bisher nur von Wasserburg, Die Wiederaufnahme des Strafverfahrens, S. 289, gestellt. Zu anderen Begrenzungsmöglichkeiten des § 362 StPO siehe: Deml, Zur Reform der Wiederaufnahme, S. 143 f.; Grünewald, ZStW 120 (2008), 545, 579; Dippel, in: Die Wiederaufnahme des Strafverfahrens, S. 19, 70 f. m.w. N.; Meyer, Wiederaufnahmereform, S. 84; vgl. auch zur Begrenzung des § 362 StPO auf schwere Straftaten: Rieß, NStZ 1994, 153, 159. Die Tatsache, dass die Literatur sich momentan nicht ausführlich damit auseinandersetzt, ob die Wiederaufnahme zuungunsten des Angeklagten generell auf Verbrechen beschränkt werden sollte, könnte darin begründet liegen, dass kaum noch von der Verfassungswidrigkeit des § 362 StPO ausgegangen wird (ausführlich dazu oben unter D. II. 2.). Die Verfassungswidrigkeit nehmen wohl Dünnebier, in: FG Peters, S. 333, 346 f. und Maier, in: GS Kaufmann, S. 789, 794, an. Dass Maier § 362 StPO für verfassungswidrig hält, macht er spätestens in der Festschrift für Hirsch deutlich, vgl. Maier, in: FS Hirsch, S. 941. In dieser Richtung ebenfalls: Neumann, in: FS Jung, 655, 667. Eine Anknüpfung des § 362 StPO an Verbrechen im Sinne des § 12 I StGB wird trotzdem nicht in Erwägung gezogen. Ausführlich zu der Vereinbarkeit der Anknüpfung an den Verbrechensbegriff des § 12 I StGB im Hinblick auf Art. 3 I GG unten unter G. III. 5. 34

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F. Rechtskonforme Ausgestaltung des § 362 StPO

(2) Die Wiederaufnahme des Strafverfahrens nach Absatz 1 ist nur zulässig, wenn die einzelnen in Nr. 1–4 aufgeführten Wiederaufnahmegründe allein oder in Verbindung mit den früheren Beweisen geeignet sind, die Verurteilung wegen eines Verbrechens zu begründen.

Sofern die beiden beschriebenen Änderungen umgesetzt werden, stände § 362 StPO daher mit Art. 103 III GG, Art. 50 GRC und Art. 4 EMRK-Pr. 7 im Einklang und wäre daher als rechtskonform anzusehen.

G. Erweiterung des § 362 StPO Ausgehend von der im vorherigen Abschnitt hergeleiteten rechtskonformen Ausgestaltung des § 362 StPO kann nun – zunächst allgemein – untersucht werden, ob eine Erweiterung der Wiederaufnahmegründe zuungunsten des Angeklagten zulässig ist. Im Folgenden soll dann auf die Notwendigkeit einer Erweiterung in Bezug auf neue Beweise und die Vereinbarkeit einer solchen Erweiterung mit höherrangigem Recht und anderen Prinzipien eingegangen werden. Zuvor ist aber darauf hinzuweisen, dass die Verfassungswidrigkeit des § 362 StPO de lege lata einer Erweiterung der Wiederaufnahmegründe nicht prinzipiell entgegensteht, weil es bei der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des § 362 StPO nicht darum ging, dass bestimmte Wiederaufnahmegründe per se verfassungswidrig wären oder darum, dass eine Erweiterung nicht (mehr) zulässig ist.

I. Generelle Möglichkeit einer Erweiterung der Wiederaufnahmegründe in § 362 StPO Der Große Senat für Strafsachen des BGH hat bereits 1953 klargestellt, dass eine Ausweitung der Wiederaufnahmegründe zuungunsten des Angeklagten keineswegs generell ausgeschlossen sei.1 Er stellte darauf ab, ob die Erweiterung der nachteiligen Wiederaufnahmegründe „eine mit normalen rechtsstaatlichen Grundsätzen noch verträgliche Einschränkung der Rechtskraft [darstelle], wie sie sich in den allgemeinen Rahmen der herkömmlichen Wiederaufnahmegründe“ 2 einfügen lasse.3 Unverständlich erscheint es vor diesem Hintergrund, dass der erste Strafsenat des BGH 1954 in einem Urteil ausführte, dass Art. 103 III GG jeder weiteren 1 BGHSt 5, 323, 331. In dem Beschluss des BGH ging es um die Frage, ob § 10 UnrBesG mit Art. 103 III GG vereinbar sei. § 10 UnrBesG sah vor, dass ein in der Zeit vom 30. Januar 1933 bis zum 8. Mai 1945 rechtskräftig abgeschlossenes Verfahren auf Antrag der Staatsanwaltschaft zuungunsten des Beschuldigten wiederaufgenommen werden durfte, wenn der Beschuldigte aus politischen Gründen freigesprochen oder zu einer unverhältnismäßig geringen Strafe verurteilt worden war (siehe zum Regelungsgehalt des § 10 UnrBesG: BGHSt 5, 323, 327). Der Große Senat hielt die Vorschrift für unvereinbar mit Art. 103 III GG (siehe: BGHSt 5, 323, 332). Zu der Frage, warum der BGH und nicht das Bundesverfassungsgericht die Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz prüfte, siehe: BGHSt 5, 323, 325 f. 2 BGHSt 5, 323, 331. 3 BGHSt 5, 323, 331.

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G. Erweiterung des § 362 StPO

Lockerung der Rechtskraft entgegenstehe.4 Allein durch Änderung des Grundgesetzes unter Beachtung des Art. 79 I, II GG könne die Rechtskraft weiter gelockert werden. Dieser Widerspruch der beiden – zeitlich nahe beieinander liegenden – Urteile des BGH lässt sich nur auflösen, wenn man die Aussagen des letzteren Urteils nur auf die Rechtskraft des Strafbefehls bezieht. Ein Strafbefehlsverfahren war Gegenstand dieses Urteils des ersten Strafsenats,5 und die Rechtskraftwirkung des Strafbefehls war bereits zu diesem Zeitpunkt gegenüber der Rechtskraftwirkung von Urteilen eingeschränkt.6 Insofern ist der BGH in dem besagten Urteil lediglich einer weiteren Aufweichung der Rechtskraft des Strafbefehls entgegengetreten. Die diesbezüglichen Aussagen des BGH7 sind aber sehr allgemein gehalten und lassen auch die Interpretation zu, dass der erste Strafsenat – entgegen der Rechtsprechung des Großen Senats für Strafsachen – davon ausging, dass eine Lockerung der Rechtskraft aufgrund von Art. 103 III GG generell ausgeschlossen sei. Das Bundesverfassungsgericht hat sich ebenfalls bereits im Jahr 1953 zu der Frage nach der Grenze der Wiederaufnahme geäußert.8 Mit der aus dem Rechtsstaatsprinzip resultierenden Gewährleistung von Rechtssicherheit seien die „hergebrachten Wiederaufnahmegründe vereinbar“ 9. Unvereinbar mit diesem Prinzip sei es aber, Wiederaufnahmegründe einzuführen, „die nach althergebrachter und unbestrittener Rechtsüberzeugung zur Begründung eines Wiederaufnahmeverfahrens nicht geeignet“ 10 seien.11 Das Bundesverfassungsgericht hat sich in diesem Urteil – wie der große Senat in Strafsachen des Bundesgerichtshofs – also nicht generell gegen eine Erwei4

BGHSt 6, 122, 125, hier auch zum Folgenden. Siehe BGHSt 6, 122 ff. 6 Siehe nur: BGHSt 6, 122, 123, m.w. N. Siehe dazu auch: Possienke, Die Regelung des § 373a StPO, S. 5 ff. 7 BGHSt 6, 122, 125. 8 Siehe BVerfGE 2, 380, 403, hier auch zum Folgenden. Angegriffen wurde das damalige Beanstandungsgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen. § 1 I dieses Gesetzes sah ein einjähriges Beanstandungsrecht des Innenministers in Bezug auf Beschlüsse in Haftentschädigungssachen vor. Die Gründe, die zur Beanstandung berechtigten, waren nicht enumerativ aufgelistet. Vielmehr konnte der Innenminister einen entsprechenden Beschluss beanstanden, wenn der Beschluss nach pflichtgemäßer Überzeugung des Innenministers zu Unrecht eine Haftentschädigungssumme festsetzte oder versagte (siehe zur Vorschrift: BVerfGE 2, 380, 384 f.). Das Beanstandungsrecht galt insofern zugunsten wie zuungunsten des Betroffenen. Das Bundesverfassungsgericht erklärte § 1 I des Beanstandungsgesetzes wegen einer „Erweiterung der Wiederaufnahmegründe über jedes voraussehbare Maß hinaus“ (BVerfGE 2, 380, 405) für nichtig. 9 BVerfGE 2, 380, 403. 10 BVerfGE 2, 380, 403. 11 BVerfGE 2, 380, 403; vgl. auch: BVerfGE 56, 22, 34 f., allerdings erging diese Entscheidung zum Tatbegriff in Art. 103 III GG. 5

I. Generelle Möglichkeit der Wiederaufnahmegründe in § 362 StPO

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terung der Wiederaufnahmegründe ausgesprochen. Dies verkennen Niemöller/ Schuppert in ihrem Aufsatz über die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Strafverfahrensrecht; denn sie gehen unter Berufung auf das Bundesverfassungsgericht12 davon aus, dass eine Erweiterung der Wiederaufnahmegründe unzulässig sei.13 Sie zitieren folgenden Satz des Bundesverfassungsgerichts:14 „[. . .] das Verbot, jemanden wegen derselben Tat aufgrund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals zu bestrafen, würde praktisch wirkungslos, wenn die nochmalige Aburteilung nur als Wiederaufnahmeverfahren gestaltet zu werden brauchte, um nach dem Grundgesetz zulässig zu sein.“ 15 Dieser Satz enthält indes überhaupt keine Aussage darüber, ob eine Ausweitung der Wiederaufnahmegründe generell möglich ist. Das Bundesverfassungsgericht machte lediglich deutlich, dass natürlich auch die Wiederaufnahme des Strafverfahrens an Art. 103 III GG zu messen ist. Es schloß damit aber nicht generell aus, die Wiederaufnahmegründe zuungunsten des Angeklagten zu erweitern, zumal es sich damit in Widerspruch zu seinem früheren Urteil gesetzt hätte.16 Dass das Bundesverfassungsgericht sich nicht allgemein gegen eine Erweiterung der Wiederaufnahmegründe stellen wollte, zeigt sich auch an dem Urteil des Großen Senats für Strafsachen des BGH, auf das sich das Bundesverfassungsgericht berief: Der Große Senat führte dort nämlich – wie oben bereits erläutert – aus, unter welchen Voraussetzungen eine Erweiterung der Wiederaufnahmegründe zuungunsten des Angeklagten möglich sei.17 Von einem Verbot der Erweiterung der Wiederaufnahmegründe ist also – abgesehen von dem unklaren Urteil des BGH aus dem Jahr 1954 –18 weder beim Bundesverfassungsgericht noch beim BGH die Rede. Die Literatur begnügt sich hingegen oft mit vagen und unklaren Äußerungen bezüglich einer Erweiterung der Wiederaufnahmegründe zuungunsten des Angeklagten. So heißt es bei Degenhart19 lapidar: „Restriktive Handhabung ist geboten.“ 20 Dieser Satz macht indes nicht einmal deutlich, ob die restriktive Handhabung sich auf die Anwendung der bestehenden Wiederaufnahmegründe zuungunsten

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BVerfGE 15, 303, 307. Niemöller/Schuppert, AöR 107 (1982), 387, 472. 14 Niemöller/Schuppert, AöR 107 (1982), 387, 472. 15 BVerfGE 15, 303, 307, unter Berufung auf den Großen Senat für Strafsachen: BGHSt 5, 323, 329 f. 16 Siehe nochmals: BVerfGE 2, 380, 403. 17 Siehe ebenfalls nochmals: BGHSt 5, 323, 331. 18 BGHSt 6, 122 ff. 19 Degenhart, in: Sachs, Art. 103 Rn. 84. 20 Degenhart, in: Sachs, Art. 103 Rn. 84. 13

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G. Erweiterung des § 362 StPO

des Angeklagten oder auf eine mögliche Erweiterung der Wiederaufnahmegründe bezieht. Unabhängig davon ist auch nicht ersichtlich, was genau mit restriktiver Handhabung gemeint ist. Hill führt in der ersten Auflage des Handbuchs des Staatsrechts aus, dass „eine Erweiterung der bisher anerkannten Wiederaufnahmegründe problematisch“ 21 erscheine.22 Ob eine Erweiterung unter bestimmten Umständen möglich sein soll, wird nicht klar. In der dritten Auflage des Handbuchs des Staatsrechts äußert sich Möstl ähnlich unklar:23 „Einer das Doppelverfolgungsverbot unterlaufenden Ausweitung der Wiederaufnahmegründe sind jedoch Grenzen gesetzt.“ 24 Man stellt sich unwillkürlich die Frage, wann das Doppelverfolgungsverbot unterlaufen wird. Wiederum ist unklar, ob jede Erweiterung ausgeschlossen oder ob eine Erweiterung in engen Grenzen zulässig sein soll. Auch in manchen Kommentaren zur Strafprozessordnung bleiben die diesbezüglichen Äußerungen unklar.25 Andere Autoren werden hingegen konkreter und betonen ausdrücklich, dass eine Erweiterung der bestehenden Wiederaufnahmegründe unzulässig sei.26 Kunig argumentiert differenzierter:27 Eine Erweiterung der bestehenden Wiederaufnahmegründe zuungunsten des Angeklagten ließe sich nur mit grundrechtlichen Schutzpflichten des Staates gegenüber potenziellen Opfern begründen; eine entsprechende gesetzgeberische Pflicht lasse sich aus dem Grundgesetz aber wohl nicht herleiten.28

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Hill, in: HStR VI, § 156 Rn. 72. Hill, in: HStR VI, § 156 Rn. 72. 23 Siehe Möstl, in: HStR VIII3, § 179 Rn. 57. 24 Möstl, in: HStR VIII3, § 179 Rn. 57. 25 Siehe zum Beispiel: Loos, in: AK-StPO III, vor § 359 Rn. 2: „Eine Erweiterung der Wiederaufnahmegründe über § 362 hinaus [. . .] dürfte verfassungsrechtlich unzulässig sein, soweit nicht nur geringfügige Umstellungen erfolgen.“; Schmidt, in: KK § 362 Rn. 2: „Eine Erweiterung der Wiederaufnahmegründe über jedes voraussehbare Maß hinaus wäre [. . .] nicht möglich.“ Ähnlich auch ein Festschriftsbeitrag von Hanack, in: FS Rieß, S. 709, 720: „Nun dürfte der Gesetzgeber nicht grundsätzlich gehindert sein, die Wiederaufnahmegründe zuungunsten zu erweitern.“ 26 Höfling/Burkiczak, in: Berliner Kommentar, Art. 103 Rn. 175; Isfen, Wiederaufnahme zu Lasten Freigesprochener, im Erscheinen, Schulze-Fielitz, in: Dreier III, Art. 103 III Rn. 32; in diese Richtung ebenfalls: Hoffmann-Holland, in: Graf, § 362 Rn. 11; Marxen/Tiemann, ZIS 2008, 188, 192; Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig VI, Art. 103 Rn. 270. 27 Kunig, in: von Münch/Kunig, GGK II, Art. 103 Rn. 47, hier auch zum Folgenden. 28 Vgl. ebenfalls: Nolte, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG III, Art. 103 Rn. 223, obwohl dieser vorher auf Art. 4 II EMRK-Pr. 7 eingeht, der die Wiederaufnahme weitreichender als der geltende § 362 StPO erlaubt. 22

I. Generelle Möglichkeit der Wiederaufnahmegründe in § 362 StPO

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Eschelbach und andere29 differenzieren zwischen den verschiedenen Begründungsansätzen, die zur Rechtfertigung des § 362 StPO vor dem Hintergrund des Art. 103 III GG vertreten werden:30 Soweit man das damals geltende Prozessrecht heranziehe,31 folge daraus, dass eine Ausweitung der Wiederaufnahmegründe des § 362 StPO – vorbehaltlich etwaiger „Randkorrekturen“ 32 – ausgeschlossen sei.33 Sofern man – mit der hier vertretenen Meinung – zur Rechtfertigung des Eingriffs auf eine ansonsten unerträgliche Beeinträchtigung der Gerechtigkeit abstelle,34 sei eine Ausweitung der Wiederaufnahmegründe zuungunsten des Angeklagten „im Rahmen der rechtsstaatlichen Wertungsgrundsätze“ 35 zulässig.36 Die übrige Literatur geht davon aus, dass eine Ausweitung der Wiederaufnahmegründe in § 362 StPO möglich sei.37 Richtigerweise hängt die Frage, ob eine Ausweitung der Wiederaufnahmegründe zuungunsten des Angeklagten zulässig ist oder nicht, davon ab, welcher Meinung man bezüglich der Einschränkung des Art. 103 III GG folgt.38 Oben wurden die drei Meinungen zu der Vereinbarkeit der nachteiligen Wiederaufnahme mit Art. 103 III GG dargestellt:39 Teilweise wird von einem absolu29 Eschelbach, in: KMR V, § 362 Rn. 4 und 52 f.; ähnlich Sodan, in: Sodan, Art. 103 Rn. 32; Ziemba, Die Wiederaufnahme des Verfahrens, S. 155. 30 Ausführlich zu den verschiedenen Begründungsansätzen oben unter D. II. 2. 31 In dieser Richtung bereits: BGHSt 3, 13, 16; 5, 323, 328 f. und 331; eindeutiger: BVerfGE 3, 248, 252; 12, 62, 66; Frister, in: SK-StPO VII, § 362 Rn. 3; Hill, in: HStR VI, § 156 Rn. 72; Kunig, in: von Münch/Kunig, GGK II, Art. 103 Rn. 47; Schmidt, in: KK § 362 Rn. 3; Schulze-Fielitz, in: Dreier III, Art. 103 III Rn. 32. 32 Eschelbach, in: KMR V, § 362 Rn. 52. 33 Eschelbach, in: KMR V, § 362 Rn. 52. 34 So: Brüning, in: Stern/Becker, Art. 103 Rn. 116; Dürig, in: Maunz/Dürig, Art. 103 Rn. 132; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Art. 103 Rn. 82; Nolte, in: von Mangoldt/Klein/ Starck, GG III, Art. 103 Rn. 222, bezieht sich zusätzlich auf die Historie zur Rechtfertigung; Schmahl, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, Art. 103 Rn. 87; Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig VI, Art. 103 Rn. 270; Ziemba, Die Wiederaufnahme des Verfahrens, S. 79. 35 Eschelbach, in: KMR V, § 362 Rn. 53. 36 Eschelbach, in: KMR V, § 362 Rn. 53. 37 So: Bertel, Die Identität der Tat, S. 189; Deml, Zur Reform der Wiederaufnahme, S. 49 f.; Dürig, in: Maunz/Dürig, Art. 103 Rn. 132, sofern die Wiederaufnahmegründe voraussehbar, berechenbar und meßbar seien; Frister, in: SK-StPO VII, § 362 Rn. 3; Kaspar, in: SSW-StPO, § 362 StPO Rn. 13; Letzgus, in: FS Geppert, S. 785, 793; Meyer, Wiederaufnahmereform, S. 81 ff.; Peters, Fehlerquellen II, S. 321; Rüping, in: BK, Art. 103 III Rn. 22; Temming, in: HK-StPO, § 362 Rn. 1, „nicht beliebig erweiterbar[en]“; diese Aussage impliziert, dass eine Erweiterung generell möglich sei; Ziemba, Die Wiederaufnahme des Verfahrens, S. 157; in diese Richtung ebenfalls: Loos, JZ 1978, 592, 599. 38 So auch: Weber-Klatt, Die Wiederaufnahme von Verfahren, S. 380. 39 Siehe oben unter D. II. 2.

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G. Erweiterung des § 362 StPO

ten Schutz durch Art. 103 III GG ausgegangen, sodass ein Eingriff in Art. 103 III GG nicht zu rechtfertigen sei.40 Nach einer anderen Meinung legitimiert das zur Zeit der Entstehung des Grundgesetzes geltende Prozessrecht den Eingriff in Artikel 103 III GG,41 und nach einer dritten Meinung ist der Eingriff durch die ansonsten eintretende unerträgliche Beeinträchtigung der Gerechtigkeit gerechtfertigt.42 Natürlich müssten Vertreter der ersten und zweiten Meinung folgerichtig jedwede Möglichkeit einer Erweiterung des § 362 StPO ablehnen.43 So sind die Autoren, die eine Ausweitung der Wiederaufnahmegründe zuungunsten des Angeklagten generell ablehnen,44 teilweise der Meinung, dass das damals geltende Prozessrecht den Eingriff in Art. 103 III GG durch § 362 StPO legitimiere.45 Da diese Argumentation bereits oben ausführlich behandelt und im Ergebnis abgelehnt wurde,46 soll darauf nicht weiter eingegangen werden. Die Wiederaufnahme des Strafverfahrens zuungunsten des Angeklagten lässt sich nicht durch das damals geltende Prozessrecht legitimieren. Daher kann diese Argumentation auch nicht herangezogen werden, um zu begründen, dass eine Ausweitung der Wiederaufnahmegründe in § 362 StPO nicht möglich sei.

40 Vgl. Grünwald, StV 1987, 453, 457; Hassemer, in: FS Maihofer, S. 183, 203; ders., in: Strafen im Rechtsstaat, S. 107; Höfling/Burkiczak, in: Berliner Kommentar, Art. 103 Rn. 173; Neumann, in: FS Jung, 655, 666 f.; Sachs, Verfassungsrecht II, Grundrechte, S. 525; Schulze-Fielitz, in: Dreier III, Art. 103 III Rn. 35 und 37, der allerdings eine Ausnahme bei einem Widerspruch zur materiellen Gerechtigkeit – wie zum Beispiel bei der Wiederaufnahme des Strafverfahrens – machen will; Sodan, in: Sodan, Art. 103 Rn. 31; in diese Richtung ebenfalls aktuell: Merkel/Scheinfeld, ZIS 2012, 206. 41 In dieser Richtung bereits: BGHSt 3, 13, 16; 5, 323, 328 f. und 331; eindeutiger: BVerfGE 3, 248, 252; 12, 62, 66; Frister, in: SK-StPO VII, § 362 Rn. 3; Hill, in: HStR VI, § 156 Rn. 72; Kunig, in: von Münch/Kunig, GGK II, Art. 103 Rn. 47; Schmidt, in: KK § 362 Rn. 3; Schulze-Fielitz, in: Dreier III, Art. 103 III Rn. 32. 42 Brüning, in: Stern/Becker, Art. 103 Rn. 116; Dürig, in: Maunz/Dürig VI, Art. 103 Rn. 132; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Art. 103 Rn. 82; Nolte, in: von Mangoldt/Klein/ Starck, GG III, Art. 103 Rn. 222, bezieht sich zusätzlich auf die Historie zur Rechtfertigung; Schmahl, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, Art. 103 Rn. 87; Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig VI, Art. 103 Rn. 270; Ziemba, Die Wiederaufnahme des Verfahrens, S. 79, mit Verweis auf Dürig. 43 Dies gilt, obwohl das Bundesverfassungsgericht als Vertreter der zweiten Meinung betont, dass Änderungen in Bezug auf die Rechtskraft nicht zwangsläufig ausgeschlossen seien, siehe: BVerfGE 56, 22, 34 f. Allerdings erging diese Entscheidung zum Tatbegriff und (zumindest nicht ausdrücklich) zu einer Erweiterung der nachteiligen Wiederaufnahme. 44 Höfling/Burkiczak, in: Berliner Kommentar, Art. 103 Rn. 175, allerdings ohne Begründung; Kunig, in: von Münch/Kunig, GGK II, Art. 103 Rn. 47; Schulze-Fielitz, in: Dreier III, Art. 103 III Rn. 32; in diese Richtung ebenfalls: Hoffmann-Holland, in: Graf, § 362 Rn. 11; Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig VI, Art. 103 Rn. 270. 45 Vgl. Hoffmann-Holland, in: Graf, § 362 Rn. 11; Schulze-Fielitz, in: Dreier III, Art. 103 III Rn. 32. 46 Siehe oben unter D. II. 2.

I. Generelle Möglichkeit der Wiederaufnahmegründe in § 362 StPO

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Schmidt-Aßmann argumentiert maßgeblich damit, dass kein Bedürfnis für eine Erweiterung des § 362 StPO bestehe.47 Darauf wird im weiteren Verlauf zurückzukommen sein. Als Argument gegen die Möglichkeit der Erweiterung des § 362 StPO taugt dies allerdings nicht; denn die Möglichkeit der Ausweitung der Wiederaufnahme ist unabhängig davon zu bestimmen, ob momentan ein Bedürfnis für eine Erweiterung der Wiederaufnahmegründe besteht oder nicht. Sofern man davon ausgeht, dass eine Ausweitung des § 362 StPO möglich ist, wäre erst in einem zweiten Schritt zu untersuchen, ob auch ein entsprechendes Bedürfnis vorhanden ist. Verneint man das Bedürfnis für eine Erweiterung, lässt dies keine Aussage darüber zu, ob generell eine Ausweitung der Wiederaufnahmegründe zuungunsten des Angeklagten in Betracht kommt. Auch der Aussage Kunigs, dass sich eine Erweiterung der bestehenden Wiederaufnahmegründe zuungunsten des Angeklagten nur mit grundrechtlichen Schutzpflichten des Staates gegenüber potenziellen Opfern begründen ließe und sich eine entsprechende gesetzgeberische Pflicht aus dem Grundgesetz wohl nicht herleiten lasse,48 kann nicht gefolgt werden. Zwar kann der Gedanke des Opferschutzes im Rahmen der (Ausweitung der) Wiederaufnahmevorschriften berücksichtigt werden,49 primär geht es aber um eine Abwägung zwischen der Rechtssicherheit und der materiellen Gerechtigkeit. Diese Abwägung ist für jeden potenziellen Wiederaufnahmegrund vorzunehmen. Man kann aber nicht pauschal behaupten, dass der Rechtssicherheit immer der Vorrang gebühre und eine Ausweitung der nachteiligen Wiederaufnahme deshalb unzulässig sei. Stellt man Überlegungen bezüglich einer Ausweitung der Wiederaufnahmegründe in § 362 StPO an, dann greift es zu kurz, nur auf den Opferschutz abzustellen. Vielmehr ist – ausgehend von der Meinung, die auf eine Unerträglichkeitsschranke abstellt, was im Ergebnis auf die Herstellung praktischer Konkordanz zwischen Rechtssicherheit und materieller Gerechtigkeit hinausläuft –50 in Abwägung zwischen Rechtssicherheit und materieller Gerechtigkeit festzustellen, ob eine Ausweitung in Betracht kommt. Wo die Grenzen einer Erweiterung der nachteiligen Wiederaufnahme liegen, muss an dieser Stelle nicht abschließend beantwortet werden. Es ist aber festzu47

Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig VI, Art. 103 Rn. 270. Kunig, in: von Münch/Kunig, GGK II, Art. 103 Rn. 47; vgl. ebenfalls: Nolte, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG III, Art. 103 Rn. 223, obwohl dieser vorher auf Art. 4 II EMRK-Pr. 7 eingeht, der die Wiederaufnahme weitreichender als der geltende § 362 StPO erlaubt. 49 Siehe dazu ausführlich in Bezug auf die Rechtslage in Großbritannien und der EMRK: Dennis, Criminal Law Review 2000, 933, 945 f. Die Forderung, Aspekte des Opferschutzes bei der Ausweitung des § 362 StPO zu berücksichtigen, erhebt auch Helbing, ZRP 2010, 271; vgl. auch: Große Strafrechtskommission DRB, Gutachten Wiederaufnahme, S. 69. Generell rückt der Opferschutz immer stärker in den Fokus der Strafrechtswissenschaft. Siehe dazu nur: Böttcher, in: FS Müller, S. 87, 88 ff. 50 Ausführlich dazu oben unter D. II. 2. 48

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G. Erweiterung des § 362 StPO

halten, dass sich die Wiederaufnahme des Strafverfahrens zuungunsten des Angeklagten nicht in den momentan in § 362 StPO aufgeführten Wiederaufnahmegründen erschöpft. Eine Ausweitung der Wiederaufnahmegründe in § 362 StPO ist generell möglich. Voraussetzung für die Einführung weiterer Wiederaufnahmegründe ist jedoch, dass die Abwägung zwischen Rechtssicherheit und materieller Gerechtigkeit zugunsten der materiellen Gerechtigkeit ausfällt.

II. Notwendigkeit einer Erweiterung der Wiederaufnahmegründe in § 362 StPO Nachdem nun herausgearbeitet wurde, dass Art. 103 III GG einer Erweiterung des § 362 StPO nicht generell entgegensteht, kann auf die konkrete Erweiterung um einen Wiederaufnahmegrund wegen neuer Beweise eingegangen werden. Bevor allerdings im weiteren Verlauf die Zulässigkeit einer solchen Erweiterung des § 362 StPO erörtert wird, muss die Frage beantwortet werden, ob überhaupt ein Bedürfnis für eine solche Ausweitung der Wiederaufnahmegründe zuungunsten des Angeklagten besteht.51 Die Frage ist also, ob ein Wiederaufnahmegrund wegen neuer Beweise zuungunsten des Angeklagten notwendig ist. Dies wäre insbesondere dann zu verneinen, wenn in der Praxis kaum Fälle auftreten würden, in denen die Wiederaufnahme zuungunsten des Angeklagten wegen neuer Beweise überhaupt in Betracht kommt. Die folgenden Erörterungen beziehen sich dabei explizit nicht auf die rechtliche Zulässigkeit oder die rechtliche Notwendigkeit einer solchen Regelung. Vielmehr wird die normative Zulässigkeit einer entsprechenden Erweiterung ausführlich im Rahmen des nächsten Abschnitts (G. III.) thematisiert. Im Folgenden soll daher lediglich faktisch untersucht werden, ob die Erweiterung des § 362 StPO um einen Wiederaufnahmegrund wegen neuer Beweise notwendig ist, also ein Bedürfnis nach einer solchen Regelung besteht. Ein solches Bedürfnis ergibt sich insbesondere aus dem Umstand, ob ein Gesetz seine Ziele erreicht und aus seiner Praxisrelevanz. Die Legitmimität der Ziele ist ebenfalls nicht Gegenstand der folgenden Erörterungen.52 In Bezug auf die Notwendigkeit eines Wiederaufnahmegrundes zuungunsten des Angeklagten wegen neuer Beweise ist zwischen verschiedenen Erweiterungsmöglichkeiten zu differenzieren:

51 Auch Weber-Klatt, Die Wiederaufnahme von Verfahren, S. 381, misst der Frage der Notwendigkeit einer Erweiterung eine große Bedeutung bei, soweit man sich der Ansicht, die die Wiederaufnahme zuungunsten des Angeklagten mit einer Unerträglichkeitsschranke rechtfertigt, anschließe. Im weiteren Verlauf setzt sie sich aber trotzdem nicht ausführlich mit der Notwendigkeit einer Erweiterung des § 362 StPO auseinander. 52 Siehe dazu ebenfalls unten unter G. III.

II. Notwendigkeit einer Erweiterung

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In der Drucksache des Bundesrates zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Reform des strafrechtlichen Wiederaufnahmerechts ging es darum, die Wiederaufnahme bei Mord, Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen gegen eine Person und mit lebenslanger Freiheitsstrafe zu ahndender Anstiftung zu diesen Delikten zuzulassen, wenn auf der Grundlage neuer, wissenschaftlich anerkannter technischer Untersuchungsmethoden neue Tatsachen oder Beweismittel beigebracht werden, die allein oder in Verbindung mit den früher erhobenen Beweisen zur Überführung des Freigesprochenen geeignet sind.53 In Betracht kommt alternativ, zwar diesen Entwurf zugrunde zu legen, aber an andere Straftaten anzuknüpfen, die die Wiederaufnahme ermöglichen sollen.54 Im Zuge einer älteren Gesetzesinitiative sollte die Wiederaufnahme zuungunsten nur bei vorherigem Freispruch zugelassen werden, wenn neue Tatsachen oder Beweismittel beigebracht werden, die allein oder in Verbindung mit den früher erhobenen Beweisen jeden begründeten Zweifel ausschließen, dass der Angeklagte in einer neuen Hauptverhandlung der Begehung eines Mordes (§ 211 StGB) oder Völkermordes (§ 220a StGB a. F.) überführt werden wird.55 Die anderen Wiederaufnahmegründe in § 362 StPO sollten nicht beibehalten werden. Diese Gesetzesinitiative stellt aber im Ergebnis trotzdem eine Erweiterung der Wiederaufnahmegründe dar, weil – im Gegensatz zur aktuellen Rechtslage – die nachteilige Wiederaufnahme umfassend bei Vorliegen von nova zugelassen werden sollte. Letztlich besteht auch noch die Möglichkeit, § 362 StPO insoweit zu erweitern, als neue Tatsachen und Beweise generell als Wiederaufnahmegrund anerkannt werden56 und nicht nur beschränkt auf neue, wissenschaftlich anerkannte technische Untersuchungsmethoden und/oder einen vorangegangenen Freispruch.57 Auch insofern stellt sich die Frage, welche Delikte die Wiederauf53

Siehe: BR-Drs. 16/7957, S. 5. So fordert beispielsweise Helbing, ZRP 2010, 271, eine Ausweitung auf alle Kapitaldelikte. 55 Siehe BT-Drs. 13/3594, S. 3. 56 Vgl. beispielsweise § 359 Nr. 5 StPO zugunsten des Verurteilten: Die Wiederaufnahme eines durch rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens zugunsten des Verurteilten ist zulässig, wenn neue Tatsachen oder Beweismittel beigebracht sind, die allein oder in Verbindung mit den früher erhobenen Beweisen die Freisprechung des Angeklagten oder in Anwendung eines milderen Strafgesetzes eine geringere Bestrafung oder eine wesentlich andere Entscheidung über eine Maßregel der Besserung und Sicherung zu begründen geeignet sind. 57 Vgl. zu entsprechenden Reformbestrebungen beispielsweise: BT-Drs. 13/3594, S. 3, 7 f. und 9 f.; Henkel, Strafverfahrensrecht2, S. 395 Fn. 5; von Hentig, Wiederaufnahmerecht, S. 117 f. und 276 f.; Peters, Fehlerquellen II, S. 321; ders., Strafprozeß, S. 671, der aber die Wiederaufnahme wegen neuer Beweise bei schweren Straftaten nur zulassen will, wenn „der Täter [die Beweise] durch planmäßige Abwehrmaßnahmen beseitigt oder verfälscht hat.“; Stoffers, ZRP 1998, 173, 177 f.; Tröndle, DRiZ 1968, 123, 54

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G. Erweiterung des § 362 StPO

nahme ermöglichen sollten, weil dies eventuell ebenfalls Auswirkungen auf die Notwendigkeit einer Erweiterung hat. Alle dargestellten Erweiterungsmöglichkeiten müssen daher zunächst dahingehend begutachtet werden, ob die entsprechenden Änderungen notwendig erscheinen.58 Da die Anknüpfungstatbestände der Gesetzesinitiativen des Bundesrates und des Bundestages ähnlich sind,59 können die diesbezüglichen Erörterungen – zumindest teilweise – zusammen erfolgen. Die Drucksache des Bundesrates zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Reform des strafrechtlichen Wiederaufnahmerechts führte unter Berufung auf die Strafverfolgungsstatistik des Bundes für das Jahr 2003 bundesweit neun Strafverfahren wegen Mordes an, bei denen es zu einem Freispruch kam.60 Für das Jahr 2004 seien es 17 entsprechende Verfahren gewesen. In Niedersachsen verzeichnet die Landesregierung ausgehend von dem Jahr 2016 neun Fälle, in denen es zu Freisprüchen von dem Vorwurf des Mordes gekommen ist und noch Spuren vorhanden sind, die zu weiteren Ermittlungen benutzt werden könnten.61 In Bezug auf Straftatbestände des Völkerstrafgesetzbuches gab es bisher nur ein einziges Verfahren vor dem OLG Stuttgart.62 Ob unter den neun Freisprüchen einige im Rahmen eines Wiederaufnahmeverfahrens aufgrund neuer, wissenschaftlich anerkannter technischer Untersuchungsmethoden mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Verurteilung führen würden, 125; Weber-Klatt, Die Wiederaufnahme von Verfahren, S. 380 ff., die eine Erweiterung aber im Ergebnis ablehnt; Ziemba, Die Wiederaufnahme des Verfahrens, S. 210 ff. m.w. N. 58 Nach Kunig, in: von Münch/Kunig, GGK II, Art. 103 Rn. 47, wird die Notwendigkeit einer Ausweitung des § 362 StPO in der Literatur generell bezweifelt. Kunig verweist diesbezüglich auf Maier, in: GS Kaufmann, S. 789, 793 ff.; dort findet sich jedoch keine Formulierung, die generell die Notwendigkeit einer Erweiterung in Zweifel zieht. 59 In beiden Gesetzesinitiativen wird an den Straftatbestand des Mordes angeknüpft. Die Gesetzesinitiative des Bundestages bezieht sich außerdem auf den Straftatbestand des Völkermordes. Die Gesetzesinitiative des Bundesrates schließt zudem Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Falle des § 7 I Nr. 1 VStGB, Kriegsverbrechen gegen eine Person im Falle des § 8 I Nr. 1 VStGB und die mit lebenslanger Freiheitsstrafe zu ahndende vollendete Anstiftung zu einer dieser Taten mit ein. Siehe zu den einzelnen Regelungen: BR-Drs. 655/07, S. 7 und BT-Drs. 13/3594, S. 3. 60 BR-Drs. 655/07, S. 3, hier auch zum Folgenden. 61 Siehe: Niedersächsischer Landtag Drs. 17/5501, S. 8 f., abrufbar unter: www. landtag-niedersachsen.de/Drucksachen/Drucksachen_17_7500/5501-6000/17-5501.pdf, zuletzt aufgerufen am 07.07.2016. 62 Vgl. Bockemühl, Erster Prozess nach dem Völkerstrafgesetzbuch: Machtwort statt Urteilsspruch. In der Drucksache, BR-Drs. 655/07, S. 3, wird lediglich darauf hingewiesen, dass die Strafverfolgungsstatistik des Bundes keine Straftaten nach dem Völkerstrafgesetzbuch erfasse. Siehe zu der geringen Praxisrelevanz auch: N. N., Anhörung: Experten diskutieren Anwendungsdefizit des Völkerstrafgesetzbuchs.

II. Notwendigkeit einer Erweiterung

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weiß man nicht.63 Zwar weist Schöch in seiner Stellungnahme darauf hin, dass es nicht ausgeschlossen sei, dass sich unter den Freisprüchen bei Mordanklagen einige Fälle befinden, in denen der Freigesprochene später aufgrund von DNAAnalysen überführt werden könnte;64 dies ist indes nicht mehr als eine Mutmaßung. Man könnte genauso gut die These aufstellen, es sei nicht ausgeschlossen, dass sich unter den Freisprüchen bei Mordanklagen keine Fälle befänden, in denen der Freigesprochene später aufgrund von DNA-Analysen überführt werden könnte.65 Um eine verlässliche Vorhersage zu treffen, müssten die Freisprüche der letzten Jahre in Strafverfahren wegen Mordes nochmals geprüft werden. Sofern dies nicht geschieht, lässt sich keine Aussage darüber treffen, ob die vom Bundesrat geforderte Gesetzesänderung zu entsprechenden Wiederaufnahmeverfahren führen würde. Selbst wenn man aber annimmt, dass alle registrierten Freisprüche in Verfahren wegen Mordes im Rahmen eines Wiederaufnahmeverfahrens aufgrund neuer, wissenschaftlich anerkannter technischer Untersuchungsmethoden zu einer Verurteilung führen könnten, bliebe die Praxisrelevanz gering. Insofern muss man davon ausgehen, dass eine solche Erweiterung des § 362 StPO nicht notwendig wäre,66 was unter anderem bereits darin begründet liegt, dass Tötungsdelikte und Straftaten nach dem Völkerstrafgesetzbuch ohnehin nicht oft verwirklicht werden.67 Außerdem weisen gerade Delikte wie die Straftaten nach dem Völkerstrafgesetzbuch und Mord eine (relativ) geringe Rückfallquote auf,68 was ebenfalls 63 So auch: Scherzberg, ZRP 2010, 271; Stellungnahme Scherzberg, S. 1. Zu dem Fall Lawrence, in dem neue Untersuchungsmethoden nach vorheriger Änderung der Nebis-in-idem-Regelung (siehe den Criminal Justice Act 2003 Part 10, abrufbar unter: http://www.legislation.gov.uk/ukpga/2003/44/contents, zuletzt aufgerufen am 07.07. 2016) zu einem Wiederaufnahmeverfahren in Großbritannien und letztlich zu Verurteilungen geführt haben, siehe: Volkery, Spektakuläres Verbrechen in London; Zaschke, Gerichtsurteil in London, Späte Gerechtigkeit für Stephen Lawrence. 64 Stellungnahme Schöch, S. 1. 65 Isfen, Wiederaufnahme zu Lasten Freigesprochener, im Erscheinen, geht hingegen davon aus, dass bisher nur wenige Fälle bekannt sind, in denen DNA-Analysen die Täterschaft eines Freigesprochenen begründen könnten. 66 Vgl. auch: Stellungnahme Scherzberg, S. 1. 67 Siehe: PKS 2015, Tabelle auf S. 114, zu Mord und Totschlag; zu Straftaten nach dem Völkerstrafgesetzbuch siehe: Werle, Völkerstrafrecht, Rn. 384 ff. 68 Siehe für Straftaten nach dem Völkerstrafgesetzbuch: Hoven, ZStW (125) 2013, 137, 145 f.; zur Rückfallquote bei Tötungsdelikten vgl.: Jehle u. a., Legalbewährung nach strafrechtlichen Sanktionen, S. 145, wonach 82% der wegen eines Tötungsdelikts Verurteilten nicht rückfällig werden. Einschlägige Rückfälle in Form der Begehung weiterer Tötungsdelikte wurden nur bei 0,3% der wegen eines Tötungsdelikts Verurteilten festgestellt. Die niedrige Rückfallquote ergibt sich vor allem daraus, dass Tötungsdelikte meist Beziehungstaten darstellen, der Täter sein Opfer also bereits vor der Tat (gut) kennt; siehe dazu: Brettel, in: Göppinger/Bock, § 28 Rn. 11; Schwind, Kriminologie, § 19 Rn. 18. Davon ausgehend besteht für den Täter oftmals kein Anlass für die

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G. Erweiterung des § 362 StPO

gegen die Notwendigkeit einer solchen Erweiterung spricht, weil die Bestrafung an sich zumindest vor dem Hintergrund der Spezialprävention nicht mehr notwendig erscheint. Dagegen kann auch nicht angeführt werden, dass die Strafverfolgungsbehörden nach dem Legalitätsprinzip ohnehin tätig werden müssten und spezialpräventive Erwägungen daher keine Rolle spielen könnten; denn nach der hier vertretenen Auffassung gilt das Legalitätsprinzip im Wiederaufnahmeverfahren gerade nicht.69 Eine entsprechende Erweiterung des § 362 StPO hätte daher größtenteils nur symbolischen Charakter. Dieses Ergebnis der mangelnden Notwendigkeit einer Erweiterung des § 362 StPO gilt umso mehr, als der Gesetzesinitiative des Bundesrates ursprünglich lediglich ein medienwirksamer Einzelfall zugrunde lag:70 Im Jahr 1993 überfiel ein Mann eine Angestellte einer Videothek in Düsseldorf. Er fesselte sie mit Paketkleber an ihren Händen und Füßen und stülpte ihr eine Plastiktüte über den Kopf, die er mit ungefähr 30m Klebeband verschloss. Der Täter floh mit einer Beute von 630 DM, die er aus der Tageskasse entwendet hatte. Die Frau erstickte aufgrund mangelnder Luftzufuhr. Der Angeklagte wurde im nachfolgenden Prozess wegen Mangel an Beweisen rechtskräftig freigesprochen. Bei einer Untersuchung des bei der Tat verwendeten Klebebands im Jahr 2004 wurden Hautpartikel sichergestellt, die nach einer molekulargenetischen Untersuchung von dem ursprünglich Freigesprochenen stammten. De lege lata kann in einem solchen Fall mangels Wiederaufnahmegrund in § 362 StPO kein neues Verfahren gegen den ursprünglich Freigesprochenen betrieben werden. Bisher ist nur ein einziger ähnlicher Fall bekannt geworden,71 was ebenfalls gegen die Notwendigkeit einer entsprechenden Erweiterung des § 362 StPO spricht. Begehung weiterer Tötungsdelikte. Der in den Medien und Fernsehkrimis omnipräsente Massenmörder ist daher in der Realität ein seltenes Phänomen. Anders zur Rückfallwahrscheinlichkeit wohl: Stellungnahme Kintzi, S. 4. Zu der Rolle der Medien im Bereich der Jugenddelinquenz siehe: Carroll, Die nachträgliche Sicherungsverwahrung im Jugendstrafrecht, S. 2 ff. 69 Siehe dazu ausführlich oben unter D. IV. 2. b) aa) und bb). 70 Zum Sachverhalt und den nachfolgenden Ermittlungen siehe: Müller-Piepenkötter, in: Bundesrat, Stenografischer Bericht, 837. Sitzung, S. 341. Ausführlich zum Sachverhalt auch: Dahlkamp, DER SPIEGEL 47/2008, Der letzte Versuch; Stellungnahme Kinzi, S. 1; siehe auch bereits oben unter A. 71 Bis zum Jahr 2015 ist gar kein vergleichbarer Fall bekannt geworden, siehe: DER SPIEGEL 47/2008, Der letzte Versuch; Scherzberg, ZRP 2010, 271; Stellungnahme Schöch, S. 1. Die Große Strafrechtskommission DRB, Gutachten Wiederaufnahme, S. 68, schildert zwar einen ähnlichen Fall aus dem Jahr 1986; dort wurde das Ermitt-

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Davon ausgehend ist vielmehr davor zu warnen, Gesetze aufgrund von „krassen“ Einzelfällen zu erlassen, ohne sich rational mit der Gesetzesänderung auseinanderzusetzen.72 Dies könnte man mit dem englischen Satz „hard cases make bad laws“ umschreiben.73 Allein der Umstand, dass eine Erweiterung des § 362 StPO bei einer Anknüpfung an Mord und Straftaten nach dem Völkerstrafgesetzbuch nicht notwendig erscheint, macht aber eine weitere Auseinandersetzung mit der Notwendigkeit einer Erweiterung unter Anknüpfung an andere Straftaten nicht entbehrlich. In der Begründung der Gesetzesinitiative zu der Reform der Wiederaufnahme zuungunsten des Angeklagten wird vorausgesetzt, dass neuen Beweisformen, die durch die fortschreitende technische Entwicklung entstehen, ein besonders hoher Beweiswert zukommt.74 Insbesondere wird die DNA-Analyse genannt.75 Allerdings ist es keineswegs eindeutig, dass die DNA-Analyse eine neue wissenschaftlich anerkannte Untersuchungsmethode im Sinne des Entwurfs des Bundesrates darstellt, die bei Erlass des ersten Urteils nicht zur Verfügung stand.76 Die Fälle,

lungsverfahren aber eingestellt, sodass aufgrund des mangelnden Strafklageverbrauchs letztendlich eine Verurteilung erfolgen konnte. An anderen Stelle spricht die Kommission selbst davon, dass ihr keine entsprechenden Fälle bekannt geworden seien, siehe: Die Große Strafrechtskommission DRB, Gutachten Wiederaufnahme, S. 70. Zum aktuellen Fall siehe: N. N.: Schuldig – und trotzdem freigesprochen und bereits oben unter A. 72 Vgl. auch: Eschelbach, in: FS Stöckel, S. 199, 220; Hörnle, in: FS Beulke, S. 115, 126; Kudlich/Og˘lakciog˘lu, in: FS von Heintschel-Heinegg, S. 275, 288; Marxen/Tiemann, ZIS 2008, 188, 194; Scherzberg/Thiée, ZRP 2008, 80, 83; Stellungnahme Scherzberg, S. 1; vgl. generell zu Einzelfällen im Rahmen der Diskussion zur Wiederaufnahme auch: Tröndle, DRiZ 1968, 123, 124. Gerade im Bereich des Strafrechts fordern insbesondere Politiker oft medienwirksam und populistisch härtere Strafen, die Schaffung weiterer Straftatbestände und ähnliche Verschärfungen; vgl. Albrecht, DRiZ 1998, 326 ff., insbesondere 327; Fischer, in: FS Kühne, S. 203, 206; Marxen, in: Protokoll der 130. Sitzung des Rechtsausschusses am 18. März 2009, S. 12; Ostendorf, HRRS 2009, 158, 159 f.; Scherzberg/Thiée, a. a. O.; Sommer, StraFo 2014, 441, 444. Insofern ist es Aufgabe der Wissenschaft, sich kritisch mit solchen Vorstößen auseinanderzusetzen und zur Besonnenheit und Sachlichkeit aufzurufen, auch und gerade weil das Strafrecht im besonderen Maße die Gemüter der Bevölkerung erhitzt; siehe dazu auch: Ostendorf, a. a. O., 164. 73 Zu der ursprünglich Bedeutung und Interpretation dieses Satzes siehe nur: MacCormick, Rhetoric and the rule of law, S. 65 ff. 74 Vgl. BR-Drs. 655/07, S. 4 f.; so auch: Schöch, in: Protokoll der 130. Sitzung des Rechtsausschusses am 18. März 2009, S. 18; Stoffers, in: Protokoll der 130. Sitzung des Rechtsausschusses am 18. März 2009, S. 22. 75 Siehe: BR-Drs. 655/07, S. 5; vgl. auch: Schäfer, in: Protokoll der 130. Sitzung des Rechtsausschusses am 18. März 2009 S. 13; Stellungnahme Marxen. S. 11; Stellungnahme Schäfer, S. 2. Ausführlich zur DNA-Analyse und den wissenschaftliche Hintergründen: Neuhaus/Artkämper, Kriminaltechnik und Beweisführung im Strafverfahren, Rn. 191 ff. 76 A. A.: Schäfer, in: Protokoll der 130. Sitzung des Rechtsausschusses am 18. März 2009, S. 14; Stellungnahme Schäfer, S. 4; siehe zu diesem Problem auch: Pabst, ZIS

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in denen der ursprüngliche Freispruch – der nunmehr durch eine DNA-Analyse in Frage gestellt wird – zu einem Zeitpunkt erging, in dem es noch gar keine DNA-Analyse gab, dürften äußerst selten vorkommen. In allen anderen Fällen stellt sich – unabhängig von dem Problem der Rückwirkung –77 die Frage, ob die Untersuchungsmethode der DNA-Analyse nicht lediglich fortentwickelt wurde.78 Nach den Drucksachen ist auch dann von der Neuheit auszugehen, wenn die Untersuchungsmethode bekannt war, aber mangels wissenschaftlicher Anerkennung damals noch nicht zu vor Gericht verwertbaren Beweisen führen konnte.79 Auch wenn die Untersuchungsmethode bekannt war, sie aber aufgrund ihrer Verfeinerung oder Verbesserung erst jetzt zu verwertbaren Beweisen führen kann, soll dies die Neuheit nicht in Frage stellen. Diese Lesart scheint mit dem Gesetzeswortlaut schwer zu vereinbaren. Selbst wenn man aber die Gesetzesmaterialien für maßgeblich hält, ergeben sich beispielsweise Abgrenzungsschwierigkeiten, wenn die DNA-Analyse damals bereits zu verwertbaren Ergebnissen führte, nunmehr aber viel kleinere DNA-Proben für eine solche Überprüfung ausreichen.80 Die Bundesrechtsanwaltskammer sieht sogar die Gefahr, dass die Praxis aufgrund der dargestellten Probleme von der Neuheit der Tatsachen und/oder Beweise auf die Neuheit der Untersuchungsmethode schließen könnte, was faktisch zu einer umfassenden Wiederaufnahme wegen neuer Beweise ohne weitere Voraussetzungen führen könne. Dieses Problem könnte man aber lösen, indem man den Begriff der DNA-Analyse oder der molekulargenetischen Untersuchung anstatt des Begriffs der neuen Untersuchungsmethoden im Gesetz festschreibt.81 Dies würde zwar zu einer Einschränkung bezüglich neuer Untersuchungsmethoden führen; allerdings hatte die Gesetzesinitiative des Bundesrates ohnehin in erster Linie die DNA-Analyse vor Augen.82 Außerdem ist nicht ersichtlich, dass in Zukunft andere – noch nicht 2010, 126, 130; Stellungnahme DAV, S. 7; Stellungnahme Schäfer, S. 3; vgl. weiterhin: Marxen/Tiemann, ZIS 2008, 188, 193. 77 Siehe dazu unten unter G. III. 6. 78 In diese Richtung: Stellungnahme Marxen, S. 3; vgl. auch: König, in: Protokoll der 130. Sitzung des Rechtsausschusses am 18. März 2009, S. 7 f.; Stellungnahme Graf, S. 7; Stellungnahme König, S. 7; Stellungnahme Schöch, S. 5. Ausführlich zu der Entwicklung der DNA-Analyse: Niedersächsischer Landtag Drs. 17/5501, S. 2 f., abrufbar unter: www.landtag-niedersachsen.de/Drucksachen/Drucksachen_17_7500/5501-6000/ 17-5501.pdf, zuletzt aufgerufen am 28.04.2016. 79 BT-Drs. 16/7957, S. 7, hier auch zum Folgenden. 80 Siehe zu den Schwierigkeiten trotz der Konkretisierung durch die Gesetzesmaterialien auch: Stellungnahme BRAK, S. 8 f., hier auch zum Folgenden. 81 So auch die Forderungen einiger Sachverständigen, siehe: Graf, in: Protokoll der 130. Sitzung des Rechtsausschusses am 18. März 2009, S. 3; Kintzi, in: Protokoll der 130. Sitzung des Rechtsausschusses am 18. März 2009, S. 4 und 41; Schöch, in: Protokoll der 130. Sitzung des Rechtsausschusses am 18. März 2009, S. 20; Stellungnahme Graf, S. 7; Stellungnahme Kintzi, S. 5; Stellungnahme Schöch, S. 5. 82 Siehe nochmals: BR-Drs. 655/07, S. 5; vgl. auch: Schäfer, in: Protokoll der 130. Sitzung des Rechtsausschusses am 18. März 2009 S. 13; Stellungnahme Marxen. S. 11.

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entwickelte – Untersuchungsmethoden eine ähnlich hohe Beweiskraft haben könnten.83 Im Ergebnis stellen die Probleme des Begriffs der neuen Untersuchungsmethoden die Notwendigkeit der Gesetzesinitiative des Bundesrates daher nicht generell in Frage; denn diesen Problemen könnte man zumindest mit einer Klarstellung im Gesetzestext begegnen. Nach dem Wortlaut der Gesetzesinitiative wird aber außerdem angenommen, dass neue wissenschaftlich anerkannte technische Untersuchungsmethoden in manchen Fällen sogar allein zur Überführung des Täters geeignet seien.84 Es stellt sich die Frage, ob der DNA-Analyse wirklich ein solch hoher Beweiswert zukommt. Es spräche nämlich gegen die Notwendigkeit einer entsprechenden Erweiterung des § 362 StPO, wenn dies nicht der Fall wäre. Bereits im Jahr 1996 erhob van Essen die Forderung, die Entwicklung der DNA-Analyse bei der Diskussion um die Wiederaufnahme des Strafverfahrens „unbedingt“ 85 zu berücksichtigen.86 Auch der WEISSE RING geht von einem hohen Beweiswert der DNA-Analyse aus, denn es heißt in den strafrechtspolitischen Forderungen des WEISSEN RINGS, dass „die neuen Methoden der DNA-Analyse [. . .] heute vielfach die Überführung nach sehr langer Zeit [ermöglichen].“ 87 Schöch führt aus, dass man die enorme Entwicklung im Bereich der molekulargenetischen Untersuchungen nicht habe voraussehen können.88 Laut Graf ist es nach Einstellungen von Verfahren durch die Staatsanwaltschaft in vielen Fällen später aufgrund einer DNA-Analyse zu Anklagen gekom-

83 Stellungnahme Schöch, S. 5. Ob beispielsweise mittlerweile weit verbreitete audiovisuelle Aufzeichnungen via Smartphone, neue Verhaltensanalysen nach Computeralgorithmen oder fortschreitende Internetüberwachung ein solcher Beweiswert zukommt, bleibt abzuwarten. 84 Siehe § 362 Nr. 5 des Entwurfs bei BR-Drs 655/07, S. 7. 85 Van Essen, Kriminalistik 1996, 762, 765. 86 Van Essen, Kriminalistik 1996, 762, 765; ähnlich: Stellungnahme Stoffers, S. 5; zu Fahndungserfolgen, die auf die DNA-Analysen zurückzuführen waren, siehe auch: Schöch, in: FS Maiwald, S. 769 und in den USA: Batts/deLone/Stephens, Policing and Wrongful Convictions, S. 1, 3 und 19. Zugunsten von Verurteilten arbeitet das Innocence Project mit DNA-Analysen: http://www.innocenceproject.org/, zuletzt aufgerufen am 07.07.2016. 87 Siehe die strafrechtspolitischen Forderungen des WEISSEN RINGS, Stand: Februar 2016, S. 14; ähnlich: Niedersächsischer Landtag Drs. 17/5501, S. 2, abrufbar unter: www.landtag-niedersachsen.de/Drucksachen/Drucksachen_17_7500/5501-6000/17-55 01.pdf, zuletzt aufgerufen am 07.07.2016; Walter, NStZ 2014, 368, 372. Der WEISSE RING kritisiert die Begrenzung der Wiederaufnahme aufgrund neuer, wissenschaftlich anerkannter technischer Untersuchungsmethoden auf Mord und Völkermord aber als „zu eng“ (a. a. O., S. 15) und möchte an die in § 74 II GVG aufgeführten Straftaten, die die Zuständigkeit der Strafkammer als Schwurgericht begründen, anknüpfen. 88 Schöch, in: FS Maiwald, S. 769, 780.

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men.89 Schöch geht sogar noch weiter: „Bei keinem anderen Beweismittel [sei] es bisher in solchem Umfang zu erfolgreichen Wiederaufnahmen von eingestellten Ermittlungsverfahren nach vielen Jahren gekommen wie bei der DNA-Analyse.“ 90 Auch Kintzi äußerte sich in der Sachverständigenanhörung in diese Richtung.91 Zuzustimmen ist der Aussage, dass die Einführung der DNA-Analyse viele Fahndungserfolge für sich verbuchen kann.92 Nach Becker ist es auf die Einführung der DNA-Analyse zurückzuführen, dass die Aufklärungsquote bei Sexualmorden, die zuvor zwischen 88 und 98% lag, seit dem Jahr 2000 in Bezug auf die in einem Jahr angezeigten und aufgeklärten Straftaten auf über 100% anstieg.93 Diese These hält aber einer Überprüfung nicht stand: Zwar ist es möglich, Aufklärungsquoten von über 100% zu erreichen, soweit man die Aufklärungsquote auf die in einem Jahr angezeigten und aufgeklärten Straftaten bezieht, wenn in diesem Jahr zusätzlich Straftaten aus den Vorjahren aufgeklärt werden.94 Auch zeigt ein Blick in die polizeiliche Kriminalstatistik aus dem Jahr 2012, dass die Aufklärungsquote für Mord im Zusammenhang mit Sexualdelikten im Jahr 2011 bei 103,8% lag.95 Im Jahr 2012 lag sie aber „nur“ bei 94,7%. Im Jahr 2010 lag der Wert bei 92,3%96 und im Jahr 2009 bei 92,9%.97 Von einer konstanten Aufklärungsquote von über 100% kann daher keine Rede sein.98 Es erscheint vielmehr zweifelhaft, ob sich die Einführung der DNA-Analyse überhaupt in der PKS widerspiegelt, weil eine Vielzahl von anderen Gründen ebenfalls die Aufklärungsquote beeinflusst.99 89 Stellungnahme Graf, S. 3. Dies ist möglich, weil Einstellungen von Verfahren durch die Staatsanwaltschaft – abgesehen von der gesetzlichen Anordnung eines eingeschränkten Strafklageverbrauchs bei der Erfüllung von Auflagen und Weisungen nach § 153a I 4 StPO – keinen Strafklageverbrauch bewirken, siehe nur: Nolte, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG III, Art. 103 Rn. 217; Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig VI, Art. 103 Rn. 296. Zu den Auswirkungen der DNA-Analyse auf nicht aufgeklärte Fälle in Großbritannien siehe: Dennis, Criminal Law Review 2000, 933, 943. 90 Schöch, in: FS Maiwald, S. 769, 781; siehe auch: ders., in: Protokoll der 130. Sitzung des Rechtsausschusses am 18. März 2009, S. 18 f. 91 Kintzi, in: Protokoll der 130. Sitzung des Rechtsausschusses am 18. März 2009, S. 4: „zentrale[s] Instrument der modernen Kriminaltechnik“; siehe auch S. 35; Stellungnahme Kintzi, S. 4. 92 Siehe auch: Becker, Dem Täter auf der Spur, S. 211. 93 Becker, Dem Täter auf der Spur, S. 215. 94 Siehe dazu auch: Münster, in: Göppinger/Bock, § 23 Rn. 27. 95 PKS 2012, S. 49, hier auch zum Folgenden. 96 PKS 2011, S. 36. 97 PKS 2010, S. 34. 98 Dies wäre auf Dauer auch unmöglich, weil eine konstante Aufklärungsquote von über 100% auf lange Sicht dazu führen würde, dass alle angezeigten Straftaten auch aufgedeckt würden. Vgl. auch: Münster, in: Göppinger/Bock, § 23 Rn. 27, wonach sich „im Einzelfall“ eine Aufklärungsquote von über 100% ergeben kann. 99 Siehe dazu beispielsweise: Münster, in: Göppinger/Bock, § 23 Rn. 30.

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Soweit man aber davon ausgeht, dass viele Verfahren aufgrund einer DNAAnalyse nach vorheriger Einstellung durch die Staatsanwaltschaft zu Stande gekommen sind, deutet das darauf hin, dass einer entsprechenden Ausweitung des § 362 StPO ebenfalls eine große praktische Relevanz zukommen würde. Die Annahme, dass der DNA-Analyse ein solch hoher Beweiswert zukommt, sieht sich aber unter anderem dem Vorwurf ausgesetzt, dass sie die Komplexität der Beweisaufnahme und -würdigung verkenne.100 Scherzberg/Thiée stellen sich die Frage, „warum ausgerechnet der Einsatz des genetischen Fingerabdrucks eine Gesetzesänderung notwendig machen soll“ 101, und bezeifeln damit gerade den hohen Beweiswert der DNA-Analyse.102 Der DNA-Beweis sei „nicht die erste als kriminalpolitisch revolutionär wahrgenommene Emittlungsmethode, die nach dem Inkrafttreten der StPO eingeführt wurde.“ 103 Als Beispiel führen Scherzberg/Thiée die Daktyloskopie104 an, die in der Vergangenheit auch nicht zum Anlass genommen wurde, die Wiederaufnahmegründe zuungunsten des Angeklagten zu erweitern.105 Es wurde offensichtlich keine Notwendigkeit für eine solche Erweiterung gesehen. Die Möglichkeit der molekularbiologischen Untersuchung von Tatortspuren besteht außerdem bereits seit den achtziger Jahren, und damals wurde bereits auf das enorme Potenzial im Bereich der Kriminalistik hingewiesen,106 ohne eine Erweiterung des § 362 StPO zu fordern. Auch ist den Kritikern insoweit zuzustimmen, als es bereits seit der Mitte des 19. Jahrhunderts immer wieder Verbesserungen im Bereich der Kriminalistik gab, die aber nie zu Gesetzesänderungen im Wiederaufnahmerecht führten.107 Zu 100 Vgl. Niedersächsischer Landtag Drs. 17/5501, S. 6, abrufbar unter: www.landtagniedersachsen.de/Drucksachen/Drucksachen_17_7500/5501-6000/17-5501.pdf, zuletzt aufgerufen am 07.07.2016; Pabst, ZIS 2010, 126, 128 f.; Scherzberg/Thiée, ZRP 2008, 80, 82; zu der Beweisaufnahme und -würdigung vgl. auch: Künast, StV 2015 (Heft 11), I (Editorial); Stellungnahme Graf, S. 2. 101 Scherzberg/Thiée, ZRP 2008, 80, 82; so auch: Stellungnahme Scherzberg, S. 6. 102 Bereits Deml, Zur Reform der Wiederaufnahme, S. 142, führte aus, dass „sich allgemeingültige Regeln über den Wert der verschiedenen Beweismittel nicht aufstellen lassen.“ 103 Scherzberg/Thiée, ZRP 2008, 80, 82; siehe auch: Stellungnahme Scherzberg, S. 6. 104 Daktyloskopie bezeichnet die vergleichende Untersuchung von am Tatort gefundenen Fingerabdrücken mit denen eines Beschuldigten, siehe: Weidenkaff, in: Rechtswörterbuch, Stichwort „Daktyloskopie“. 105 Scherzberg/Thiée, ZRP 2008, 80, 82; zustimmend: Letzgus, in: FS Geppert, S. 785, 796. 106 Kimmich/Spyra/Steinke, NStZ 1990, 318, vgl. hier auch zum Folgenden. Die DNA-Analyse-Datei besteht seit dem Jahr 1998, siehe: Stellungnahme Kintzi, S. 3. 107 Frister, in: SK-StPO VII, § 362 Rn. 4; Marxen/Tiemann, ZIS 2008, 188, 191; Stellungnahme Marxen, S. 3; vgl. auch: Stellungnahme BRAK, S. 12; zu den Entwicklungen siehe: Becker, Dem Täter auf der Spur, S. 65 ff.

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nennen ist etwa die Entwicklung der Fotografie,108 die Blutgruppenbestimmung,109 die Textiluntersuchung, die Stimmanalyse und die Lackspurenbestimmung.110 Trotzdem ist die Tatsache, dass derartige Entwicklungen in der Vergangenheit nicht zu Änderungen der Wiederaufnahmevorschriften geführt haben, nicht zwangsläufig ein Argument gegen die Ausweitung der Wiederaufnahme zuungunsten des Angeklagten vor dem Hintergrund der neuen technischen Entwicklung, weil eine solche rückwärtsgewannte Argumentation generell dem Fortschritt entgegensteht, wenn darauf abgestellt wird, dass es bestimmte Dinge in der Vergangenheit schließlich auch nicht gegeben habe. Zwar ist die DNA-Analyse unter anderem deshalb so erfolgreich, weil die internationale Zusammenarbeit der Länder immer weiter intensiviert wurde und das Potenzial der DNA-Analyse dadurch erst besser ausgenutzt werden konnte.111 Der DNA-Analyse kommt somit zwar ein hoher Beweiswert zu; dies liegt aber zumindest auch an den guten Rahmenbedingungen, durch die sie erst optimal genutzt werden kann. Auch sei als Beispiel nochmals auf die Fotografie verwiesen: Becker führt dazu aus, dass sie „die Spurensicherung, die Auswertung der Spuren und die Kommunikation“ 112 zwischen den Beteiligten „revolutioniert[. . .]“ 113 habe.114 Auch wenn Fotografien selten als Beweismittel im Strafverfahren verwendet werden und zumindest insofern daher kein Vergleich der der DNA-Analyse möglich ist, macht die Wortwahl Beckers deutlich, dass die DNA-Analyse keinesfalls die einzige bahnbrechende Entwicklung im Bereich der Kriminalistik darstellte. Schöch weist der DNA-Analyse aber eine größere Aussagekraft als anderen technischen Ermittlungsmethoden zu.115 Sie sei als Beweismittel zuverlässiger als das Geständnis, was immerhin nach § 362 Nr. 4 StPO die Wiederaufnahme 108

Siehe: Becker, Dem Täter auf der Spur, S. 65 ff. Marxen/Tiemann, ZIS 2008, 188, 191; Stellungnahme Marxen. S. 3; siehe beide Nachweise auch zu den folgenden aufgeführten Entwicklungen. 110 Vgl. auch: Jäger, GA (153) 2006, 615, 626, der betont, dass mit dem Fortschritt viele neue Ermittlungsmethoden einhergehen. 111 Vgl. Becker, Dem Täter auf der Spur, S. 113; Niedersächsischer Landtag Drs. 17/ 5501, S. 3, abrufbar unter: www.landtag-niedersachsen.de/Drucksachen/Drucksachen_ 17_7500/5501-6000/17-5501.pdf, zuletzt aufgerufen am 07.07.2016. 112 Becker, Dem Täter auf der Spur, S. 88. 113 Becker, Dem Täter auf der Spur, S. 88. 114 Becker, Dem Täter auf der Spur, S. 88. 115 Schöch, in: FS Maiwald, S. 769, 780; Stellungnahme Schöch, S. 4; so auch: BRDrs. 222/10, S. 8, in der der ursprüngliche Gesetzesantrag aus der BR-Drs. 655/07, der der Diskontinuität verfallen war, unter Berücksichtigung der Kritik an dem damaligen Entwurf wiederaufgenommen wurde; siehe dazu: Frister, in: SK-StPO VII, Vor § 359 Rn. 31. 109

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zulasse.116 Diese Argumentation überzeugt aber nicht, weil hinter der Einführung des Wiederaufnahmegrundes des Geständnisses die Überlegung stand, dass es mit der materiellen Gerechtigkeit nicht vereinbar sei, wenn ein freigesprochener Täter nachträglich ein Geständnis ablegen oder sich mit der Tat rühmen könnte, ohne dafür bestraft zu werden.117 Die Zuverlässigkeit des Geständnisses als Beweismittel118 spielte bei der Gesetzgebung keine Rolle. Außerdem wird die Aussagekraft der DNA-Analyse teilweise zu Recht revidiert.119 So darf zwar das Ergebnis einer DNA-Analyse zur Be- oder Entlastung von Personen verwendet werden.120 Auch kann die Überzeugungsbildung des Tatrichters, dass die am Tatort gesicherte DNA-Spur dem Angeklagten zuzuordnen ist, mittlerweile auf das Ergebnis einer DNA-Analyse gestützt werden, wenn gewisse Standards bezüglich der Berechungsgrundlage berücksichtigt werden.121 Der Fund von DNA am Tatort ist alleine aber nicht geeignet, den Täter zu überführen.122 Die Rechtsprechung des BGH123 widerspricht der Annahme, dass neue wissenschaftlich anerkannte Untersuchungsmethoden alleine geeignet seien, den Freigesprochenen zu überführen.124 Auch lässt sich noch nicht einmal mit „hundertprozentiger Sicherheit“ 125 gewährleisten, dass die DNA einer bestimmten Person zuzuordnen ist.126 Andererseits gingen Rolf/Brinkmann bereits im Jahr 1999 davon aus, dass die Gefahr, aufgrund einer DNA-Probe falsch verdächtigt zu werden, praktisch bei 0% liege.127 116 Vgl. Schöch, in: Protokoll der 130. Sitzung des Rechtsausschusses am 18. März 2009, S. 19 f.; in diese Richtung auch: Letzgus, in: FS Geppert, S. 785, 788. 117 Siehe: Die gesamten Materialien zu den Reichs-Justizgesetzen III 1, S. 265; a. A.: Letzgus, in: FS Geppert, S. 785, 788. Ausführlich zu der Gesetzesbegründung in Bezug auf den Wiederaufnahmegrund des Geständnisses oben unter D. I. 118 Ausführlich und kritisch bezüglich des Beweiswertes des Geständnisses: Sickor, Das Geständnis, S. 227 ff. 119 Siehe: Hoffmann-Holland, in: Graf, § 362 Rn. 12. 120 BGHSt 38, 320, 322; BGH, NStZ 1991, 399 f. 121 Vgl. BGH NJW 2009, 1159. 122 Vgl. anstatt aller: BGHSt 38, 320, 322 ff.; Frister, in: SK-StPO VII, § 362 Rn. 4; Hoffmann-Holland, in: Graf, § 362 Rn. 12; Marxen, in: Protokoll der 130. Sitzung des Rechtsausschusses am 18. März 2009, S. 31 f.; Schöch, in: FS Maiwald, S. 769, 780; Stellungnahme BRAK, S. 6. 123 Vgl. BGHSt 38, 320 ff. 124 Zu diesem Ergebnis kommen auch: Scherzberg/Thiée, ZRP 2008, 80, 82. 125 Swoboda, DNA-Tests, Genetische Rasterfahndung geplant. 126 Siehe: Swoboda, DNA-Tests, Genetische Rasterfahndung geplant; dies., StV 2013, 461; optimistischer: Neuser, Rechtsfragen der DNA-Analyse, S. 57: Es stehe „praktisch außer Zweifel [. . .], dass die Spur von der fraglichen Person stammt [. . .]“. Zu sich ergebenden Problemen, wenn keine sogenannte „Kern-DNA“ zur Verfügung steht: BGHSt 54, 15 ff. 127 Vgl. Rath/Brinkmann, NJW 1999, 2697, 2698.

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G. Erweiterung des § 362 StPO

Zu berücksichtigen ist aber beispielsweise, dass eineiige Zwillinge anhand ihrer DNA nicht zu unterscheiden sind.128 Diesem Einwand kann auch nicht entgegnet werden, dass das Problem eineiiger Zwillinge lediglich in seltenen Fällen eine Rolle spielt, denn selbst wenn dieses Problem statistisch gesehen nicht oft in Erscheinung tritt, kann ein Wiederaufnahmegrund wegen neuer Beweise aufgrund einer DNA-Analyse – zumindest in diesen Fällen – nicht überzeugen.129 Sofern man sich trotzdem auf den Standpunkt stellt, dass das Problem der identischen DNA eineiiger Zwillinge aufgrund der geringen Fallzahlen zu vernachlässigen sei, ist auf ein weiteres Problem hinzuweisen, dessen Praxisrelevanz stetig zunimmt: Eine Knochenmarkspende130 kann die DNA des Empfängers verändern.131 Zwar stellte Aldhous im Jahr 2005 fest, dass solche Fälle nicht oft vorkamen; die Gefahr eines entsprechenden Justizirrtums steigt aber mit der zunehmenden Bedeutung der DNA-Analyse bei der Strafverfolgung und mit der steigenden Anzahl der Spender und Empfänger von Knochenmark.132 Dazu kommt, dass die DNA des Spenders in manchen Fällen komplett übernommen wird, während das Blut bei anderen Behandlungenmethoden lediglich eine „vermischte“ DNA enthält.133 Sofern man die DNA nicht aus dem Blut entnimmt, ist es zwar wahrscheinlicher, dass es sich noch um die ursprüngliche DNA handelt, aber auch die anderweitig entnommene DNA kann sich mit der Zeit (ver)ändern.134 Insofern müssten die Strafverfolgungsbehörden die aus dem Blut und die anderweitig gewonnene DNA überprüfen. So lange dies aber nicht gesetzlich vorgeschrieben ist, besteht ein gewisses Risiko, dass die DNA verfälscht ist. Zudem besteht mittlerweile die Möglichkeit, die DNA bewusst zu verändern.135 Die zugrunde liegende Technik, die erst vor Kurzem entdeckt wurde, stellt zu-

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Kimmich/Spyra/Steinke, NStZ 1990, 318, 319. Es besteht bei der DNA-Analyse ohnehin unabhängig von diesem speziellen Problem bei eineiigen Zwillingen ein Restrisiko bezüglich der Zuordnung der Spur, siehe nochmals: Swoboda, DNA-Tests, Genetische Rasterfahndung geplant; dies., StV 2013, 461; optimistischer: Neuser, Rechtsfragen der DNA-Analyse, S. 57. 130 Allgemein zur Knochenmarkspende: Schmidt-Recla, in: TPG, § 8a Rn. 3 ff. 131 Siehe nur: Aldhous, NewScientist, 29 October 2005, 11, hier auch zum Folgenden. 132 Aldhous, NewScientist, 29 October 2005, 11, hier auch zum Folgenden. Laut Statistik des Zentralen Knochenmarkspender-Registers Deutschland vom 24.04.2016 betrug die Anzahl der Spender in der Bundesrepublik Deutschland zu diesem Zeitpunkt 6.709.725, siehe: ZRKD, Spenderzahlen. Die Zahl lag am 05.01.2010 noch bei 4.072.081 Personen, siehe Schmidt-Recla, in: TPG, § 8a Rn. 8. 133 Siehe zu einem solchen Fall: N. N., FOCUS Online, Leiche mit weiblicher und männlicher DNA entdeckt. 134 Vgl. Aldhous, NewScientist, 29 October 2005, 11, hier auch zum Folgenden; siehe auch: N. N., innovations report, Knochenmarkspende kann Gen-Fingerabdruck verändern. Dort wird auf die DNA-Entnahme aus der Mundschleimhaut abgestellt. 135 Siehe nur: Xu u. a., AEM 2015, 4423, 4430. 129

II. Notwendigkeit einer Erweiterung

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mindest in der Zukunft die gesamte Beweisführung aufgrund von DNA-Analysen in Frage. Außerdem kamen Dror/Hampikian bereits im Jahr 2011 im Rahmen einer Studie zu dem Ergebnis, dass die DNA-Analyse nicht das rein objektive Beweismittel darstellt, für das sie gehalten wird,136 sondern dass vielmehr das Ergebnis einer DNA-Analyse durch die Kenntnis des zugrunde liegenden Falles und der Beweislage seitens des Untersuchenden beeinflusst werden kann.137 Diese Gefahr besteht zumindest bei Fällen, in denen sich die DNA mehrerer Personen in einer Spur findet und dementsprechend eine gewisse Interpretation der Spur erforderlich ist.138 Richtigerweise muss man daher davon ausgehen, dass auch bei der DNA-Analyse ein – nicht zu vernachlässigendes – Restrisiko besteht, dass die Spur nicht von demjenigen stammt, mit dessen DNA sie übereinstimmt. Auch bei der DNAAnalyse können Fehler gemacht werden.139 Unabhängig davon stellt sich die Frage, ob die momentan (noch) herrschende Ansicht, wonach eine DNA-Analyse alleine nicht zur Überführung des Täters geeignet ist,140 heute weiterhin Geltung beansprucht oder ob dem Ergebnis einer DNA-Analyse aufgrund der Weiterentwicklung der Technik nicht ein immer höherer Beweiswert zukommt141 und der Tatnachweis daher auch lediglich auf eine DNA-Analyse gestützt werden könnte. Selbst wenn man aber davon ausgeht, dass man mit einer DNA-Analyse mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit herausfinden kann, ob das Material von der betreffenden Person stammt oder nicht, ist damit noch keine Aussage darüber getroffen, wie die DNA an den Tatort gelangt ist.142 So stellt sich zum

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Vgl. dazu auch: Neuhaus, in: GS Schlüchter, S. 535, 552 ff. Dror/Hampikian, Science and Justice 51 (2011), 204 ff., insbesondere 205. 138 Dror/Hampikian, Science and Justice 51 (2011), 204, 205. 139 Siehe: Mylonopoulos, in: FS Kühne, S. 259, 260, mit Verweis auf das innocenceproject. 140 Vgl. anstatt aller: BGHSt 38, 320, 322 ff.; Frister, in: SK-StPO VII, § 362 Rn. 4; Hoffmann-Holland, in: Graf, § 362 Rn. 12; Marxen, in: Protokoll der 130. Sitzung des Rechtsausschusses am 18. März 2009, S. 31 f.; Schöch, in: FS Maiwald, S. 769, 780; Stellungnahme BRAK, S. 6. 141 Siehe zu dieser Frage: Neuser, Rechtsfragen der DNA-Analyse, S. 57. 142 Vgl. dazu auch: Eschelbach, in: FS Stöckel, S. 199, 220; Frister, in: SK-StPO VII, § 362 Rn. 4; König, in: Protokoll der 130. Sitzung des Rechtsausschusses am 18. März 2009, S. 7; Neuser, Rechtsfragen der DNA-Analyse, S. 57; Pabst, ZIS 2010, 126, 129; Stellungnahme DAV, S. 5; Stellungnahme Schäfer, S. 2 f. Vgl. speziell zu Fällen, in denen es um den Vorwurf einer Vergewaltigung geht: Pabst, ZIS 2010, 126, 132 Fn. 68, der darauf hinweist, dass die DNA des mutmaßlichen Täters auch bei einvernehmlichen Geschlechtsverkehr nachzuweisen ist. Gerade bei Sexualdelikten hilft die DNA-Analyse daher nicht zwingend weiter. Der Entwurf des Bundesrates sah aber ohnehin keine Anknüpfung an Sexualstraftaten vor. 137

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G. Erweiterung des § 362 StPO

Beispiel das Problem der Tatortverunreinigungen.143 Nach Pabst ist es mittlerweile sogar möglich, DNA-Spuren zu fälschen,144 was die Beweiskraft von DNA-Analysen ebenfalls in Frage stellen würde. Auch sind Fälle vorstellbar, in denen die Ermittlungsbehörden Beweise bewusst verfälschen145 oder der wahre Täter „Trugspuren“ 146 am Tatort hinterlässt.147 Mit der DNA kann nämlich noch nicht einmal bewiesen werden, ob jemand am Tatort anwesend war oder nicht, wenn der Gegenstand, der die DNA-Spur trägt, selbst nicht am Tatort war, sondern nachträglich manipuliert wurde.148 Außerdem können andere Beweismittel – aufgrund derer die Wiederaufnahme zuungunsten des Angeklagten nicht zugelassen wird oder werden soll – in bestimmten Fällen aussagekräftiger sein als eine DNA-Analyse.149 Dem entgegnet Schöch, dass gerade in Strafverfahren in Kapitalsachen umfangreich ermittelt werde, sodass es unwahrscheinlich sei, dass nachträglich noch weitere Beweise gefunden würden.150 Anders sei dies in Bezug auf die DNA-Analyse, weil die

143 Siehe auch: König, in: Protokoll der 130. Sitzung des Rechtsausschusses am 18. März 2009, S. 32; Pabst, ZIS 2010, 126, 129, der den Fall des sogenannten „Phantoms von Heilbronn“ zur Veranschaulichung schildert; siehe dazu ebenfalls: Neuhaus/ Artkämper, Kriminaltechnik und Beweisführung im Strafverfahren, Rn. 227; Schäfer, in: Protokoll der 130. Sitzung des Rechtsausschusses am 18. März 2009, S. 13; Stellungnahme Schäfer; S. 3; Schöch, in: FS Maiwald, S. 769, 780 Fn. 44, der betont, dass dieser Fall aber kein Argument gegen die Ausweitung der Wiederaufnahme aufgrund neuer Beweise in Form der DNA-Analyse sei, weil keine Personen falsch beschuldigt wurden. 144 Pabst, ZIS 2010, 126, 129. 145 Siehe nur die Schilderung des Falls Harry Wörz bei: Darnstädt, Der Richter und seine Opfer, S. 20 ff. Den ermittelnden Polizisten konnte man in diesem Fall keine bewusste Verfälschung von Beweisen nachweisen, aber es ergaben sich einige Unstimmigkeiten bei den Ermittlungen. 146 Neuhaus, in: GS Schlüchter, S. 535, 551. 147 Siehe dazu: Neuhaus, in: GS Schlüchter, S. 535, 551 f. 148 Eine Manipulation behauptet auch der mutmaßliche Täter der Tat, die dem Gesetzesantrag des Landes Nordrhein-Westfalen zugrunde lag, siehe: DER SPIEGEL 47/ 2008, Der letzte Versuch. Ob diese Behauptung zutrifft, könnte – wenn überhaupt – in einem Wiederaufnahmeverfahren geklärt werden, wenn zuvor das Gesetz in Form des § 362 StPO geändert würde und das Rückwirkungsverbot nicht entgegensteht. Siehe zur Tatortmanipulation auch: Neuhaus/Artkämper, Kriminaltechnik und Beweisführung im Strafverfahren, Rn. 230. Siehe zum Rückwirkungsverbot ausführlich unten unter G. III. 6. 149 Siehe: Marxen/Tiemann, ZIS 2008, 188, 191, die als Beispiele anführen, dass sich nach Eintritt der Rechtskraft ein weiterer Zeuge meldet, ein Zeuge nicht mehr an seinem Zeugnisverweigerungsrecht festhält, nach Eintritt der Rechtskraft Tatopfer oder -waffe gefunden werden oder eine Videoaufzeichnung der Tat entdeckt wird; vgl. auch: König, in: Protokoll der 130. Sitzung des Rechtsausschusses am 18. März 2009, S. 8 und 33; Marxen, in: Protokoll der 130. Sitzung des Rechtsausschusses am 18. März 2009, S. 10 f.; Schäfer, in: Protokoll der 130. Sitzung des Rechtsausschusses am 18. März 2009, S. 13; Stellungnahme Marxen. S. 3; Stellungnahme Scherzberg, S. 2. 150 Schöch, in: FS Maiwald, S. 769, 781, hier auch zum Folgenden.

II. Notwendigkeit einer Erweiterung

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technischen Mittel zum Zeitpunkt des ersten Urteils (noch) nicht zur Verfügung standen. Unabhängig davon ist aufgrund der fortschreitenden technischen Entwicklung davon auszugehen, dass die Wiederaufnahme auf der Grundlage neuer, wissenschaftlich anerkannter technischer Untersuchungsmethoden, die zu neuen Tatsachen oder Beweismitteln führen, auch ohne weitere Gesetzesänderung allein aufgrund des dann geltenden Rechts, immer weitläufiger zugelassen würde.151 Denn das Gesetz bräuchte in den folgenden Jahren gar nicht mehr geändert zu werden, da von dem geplanten § 362 Nr. 5 StPO aufgrund neuer technischer Entwicklungen immer mehr Fälle erfasst würden.152 Eine ähnliche Tendenz beschreibt Gercke153 in Bezug auf § 100a StPO, sodass eine entsprechende Ausweitung des Anwendungsbereiches ohne Gesetzesänderung im Rahmen des geplanten § 362 Nr. 5 StPO sehr wahrscheinlich wäre. Dies würde dann zwangsläufig dazu führen, dass auch die Praxisrelevanz dieses Wiederaufnahmegrundes wüchse. Dafür spricht auch die Tatsache, dass die Wiederaufnahme zugunsten des Angeklagten nach § 359 Nr. 5 StPO und § 85 I OWiG i.V. m. § 359 StPO – also die Beibringung neuer Tatsachen oder Beweismittel – in der Praxis die größte Rolle spielt.154 Eine entsprechend große Praxisrelevanz könnte sich aus einer Erweiterung des § 362 StPO ergeben,155 wobei dies nur für eine allgemeinere Regelung gelten kann, weil die Wiederaufnahme zugunsten des Verurteilten in § 359 Nr. 5 StPO eben nicht auf bestimmte neue Beweise beschränkt ist. Auch wenn die Wiederaufnahme zuungunsten des Angeklagten momentan keine große Praxisrelevanz aufweist,156 spricht dies also nicht gegen die Notwen151 Siehe: Schäfer, in: Protokoll der 130. Sitzung des Rechtsausschusses am 18. März 2009, S. 14, der als Beispiel die DNA-Analyse bei Pflanzen anführt, hier auch zum Folgenden; siehe auch: Stellungnahme Schäfer; S. 3. 152 Dies begrüßt die BR-Drs. 222/10, S. 10, ausdrücklich, weil man sonst der technischen Entwicklung hinterherhinken würde, wenn jedes Mal ein Gesetzgebungsverfahren eingeleitet werden müsste, sofern neue wissenschaftliche Methoden entwickelt wurden. In der BR-Drs. 222/10 wurde der ursprüngliche Gesetzesantrag aus der BR-Drs. 655/ 07, der der Diskontinuität verfallen war, unter Berücksichtigung der Kritik an dem damaligen Entwurf wiederaufgenommen; siehe dazu: Frister, in: SK-StPO VII, Vor § 359 Rn. 31. 153 Gercke, StraFo 2014, 94, 95 f. 154 Deml, Zur Reform der Wiederaufnahme, S. 66; Gössel, in: Löwe-Rosenberg VII/ 2, § 359 Rn. 52; Große Strafrechtskommission DRB, Gutachten Wiederaufnahme, S. 21; Peters, Fehlerquellen III, S. 55; Theobald, Barrieren im strafrechtlichen Wiederaufnahmeverfahren, S. 15; für § 85 I OWiG i.V. m. § 359 Nr. 5 StPO siehe: Lutz, in: KK OWiG, § 85 Rn. 8. 155 In diese Richtung auch: Meyer, Wiederaufnahmereform, S. 66. 156 Siehe die Statistik über die Anzahl der Anträge auf Wiederaufnahme des Verfahrens zuungunsten des Angeklagten in den Jahren 1997–2001 bei: Frister/Deiters, in: SK-StPO VI, Vor § 359 Rn. 28 ff.: Die Anträge schwanken zwischen 241 und 298 bei den Amtsgerichten, 5 und 12 bei den Landgerichten in zweiter Instanz und 4 und 12 bei

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G. Erweiterung des § 362 StPO

digkeit einer Erweiterung, weil gerade durch die Erweiterung die Praxisrelevanz zunehmen könnte.157 Da die Prüfung der Notwendigkeit einer Regelung der Prüfung der Erforderlichkeit im Rahmen der Verhältnismäßigkeit ähnelt, können außerdem auch Argumentationsstrukturen aus dem Verfassungsrecht übernommen werden: Bei der Prüfung der Erforderlichkeit im Rahmen der Verhältnismäßigkeit geht es um die Frage, ob der Zweck eines Gesetzes oder staatlichen Handels auch mit gleich geeigneten, milderen Mitteln verwirklicht werden kann.158 Diese Frage ähnelt der Frage, ob ein Gesetz für notwendig erachtet wird oder nicht.159 Im Rahmen der Erforderlichkeitsprüfung im Verfassungsrecht steht dem Gesetzgeber eine weite Einschätzungsprärogative zu.160 Dieser Gedanke ist auf die hier in Rede stehende Notwendigkeit einer Erweiterung des § 362 StPO zu übertragen: Es fehlen zuverlässige Daten und Analysen zu der Notwendigkeit einer Erweiterung der nachteiligen Wiederaufnahme; dem Gesetzgeber steht bezüglich der Notwendigkeit einer Erweiterung des § 362 StPO aber eine Einschätzungsprärogative zu. Festzuhalten ist jedenfalls, dass eine Erweiterung mit der Beschränkung auf Mord und Straftaten nach dem Völkerstrafgesetzbuch mangels Praxisrelevanz nicht notwendig erscheint. Bezüglich der anderen zwei Regelungsmöglichkeiten, also der Anknüpfung an andere Straftaten unter Zugrundelegung des Entwurfs des Bundesrates oder die generelle Einführung eines Wiederaufnahmegrundes aufgrund neuer Tatsachen und Beweise in § 362 StPO, kann die Notwendigkeit einer Erweiterung des § 362 StPO nicht pauschal abgelehnt werden. Dies gilt vor allem vor dem Hintergrund, dass eine Erweiterung die Praxisrelevanz erhöhen könnte und damit nicht den Landgerichten oder den Oberlandesgerichten in erster Instanz. Allerdings ist unklar, ob diese Statistik fehlerfrei ist, siehe die aktuelle Auflage: Frister, in: SK-StPO VII, Vor § 359 Rn. 28. Zu älteren Zahlen siehe auch: Meyer, Wiederaufnahmereform, S. 66 Fn. 340 m.w. N. 157 So auch: Meyer, Wiederaufnahmereform, S. 66. Auf eine etwaige geringere Praxisrelevanz, weil der neue Wiederaufnahmegrund aufgrund des Rückwirkungsverbots nicht für Altfälle gelten könnte, soll hier nicht weiter eingegangen werden. Ausführlich zu diesem Aspekt und dem Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot bei der Anwendung des neuen Wiederaufnahmegrundes auf Altfälle unten unter G. III. 6. 158 Vgl.: BVerfGE 30, 292, 316 m.w. N.; Bickenbach, Die Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers, S. 324 f. m.w. N.; Hufen, Staatsrecht II, Grundrechte, § 9 Rn. 21 m.w. N.; Kingreen/Poscher, Grundrechte Staatsrecht II, Rn. 295; Kloepfer, Verfassungsrecht II, § 51 Rn. 100. 159 Dies gilt, obwohl Bickenbach, Die Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers, S. 325, ausdrücklich klarstellt, dass es bei der Geeignetheitsprüfung im öffentlichen Recht nicht darauf ankomme, „ob ein Gesetz überhaupt notwendig ist.“ In diese Richtung auch: Wendt, AöR 104 (1979), 414, 429 f. 160 Siehe: Bickenbach, Die Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers, S. 149 f.; Kingreen/Poscher, Grundrechte Staatsrecht II, Rn. 297; Kloepfer, Verfassungsrecht II, § 51 Rn. 100.

III. Strafprozessuale Zulässigkeit

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von der heute fehlenden Praxisrelevanz auf das fehlende Bedürfnis für eine Erweiterung geschlossen werden kann. Außerdem fehlen Analysen dazu, wie viele Wiederaufnahmeverfahren bei der Einführung eines entsprechenden Wiederaufnahmegrundes zu erwarten wären. Da man nach der bisherigen Analyse in diesem Abschnitt – abgesehen von der Anknüpfung an Mord und Straftaten nach dem Völkerstrafgesetzbuch – jedenfalls nicht davon ausgehen kann, dass die Erweiterung vollkommen unnötig ist, kann nicht bereits generell das Erweiterungsbedürfnis in Bezug auf § 362 StPO verneint werden.

III. Strafprozessuale Zulässigkeit und Vereinbarkeit einer Erweiterung des § 362 StPO mit höherrangigem Recht und anderen Prinzipien Nachdem eingangs untersucht wurde, ob § 362 in seiner jetzigen Fassung mit dem Strafprozessrecht, höherrangigem Recht und anderen Prinzipien vereinbar ist, stellt sich diese Frage nun in Bezug auf eine Erweiterung des § 362 StPO um einen Wiederaufnahmegrund wegen neuer Beweise. Dabei orientiert sich die Prüfungsreihenfolge an den obigen Ausführungen zu § 362 StPO. 1. Strafprozessuale Zulässigkeit einer Erweiterung Wie oben bei den Erörterungen zur strafprozessualen Zulässigkeit des geltenden § 362 StPO161 soll im Folgenden zwischen der generellen Legitimation eines Wiederaufnahmegrundes wegen neuer Beweise und dessen Vereinbarkeit mit dem heutigen Strafprozessrechtsverständnis differenziert werden. Es wurde bereits dargelegt, dass die Wiederaufnahmegründe in § 362 Nr. 1–3 StPO die Justizförmigkeit des Ausgangsverfahrens gewährleisten sollen.162 Dem Wiederaufnahmegrund des Geständnisses liegt der Gedanke zugrunde, dass der ursprünglich Angeklagte die erlangte Rechtssicherheit bewusst aufgibt. Ein Wiederaufnahmegrund wegen neuer Beweise betrifft demgegenüber – unabhängig von der konkreten Ausgestaltung – weder die Justizförmigkeit des ursprünglichen Prozesses noch den Risikobereich des Angeklagten.163 Legt man 161

Siehe unter D. I. Siehe wiederum unter D. I, hier auch zum Folgenden. 163 So auch: Eschelbach, in: FS Stöckel, S. 199, 223 f.; Grünewald, ZStW 120 (2008), 545, 578; vgl. auch: Roggon, BLJ 2011, 50, 55. Ähnlich allgemein in Bezug auf einen Wiederaufnahmegrund wegen neuer Tatsachen oder Beweise: Hohmann, in: Radtke/Hohmann, § 362 Rn. 1. Vgl. auch: Stellungnahme BRAK, S. 4; Stellungnahme Marxen. S. 15, bezüglich der Vergleichbarkeit des § 362 Nr. 5 StPO-E mit den Wiederaufnahmegründen in § 362 Nr. 1–3 StPO. A. A. und neue Tatsachen und Beweismittel 162

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G. Erweiterung des § 362 StPO

den Entwurf des Bundesrates zugrunde, der die neuen Beweise als Wiederaufnahmegrund nur zulässt, wenn sie auf neuen Untersuchungsmethoden basieren,164 ist offensichtlich, dass der Freigesprochene keinen Einfluss darauf hat, ob neue Untersuchungsmethoden entwickelt werden.165 Bezüglich eines allgemeineren Wiederaufnahmegrundes wegen neuer Beweise muss man ebenfalls feststellen, dass der ursprünglich Freigsprochene im Regelfall keinen Einfluss darauf hat, ob generell neue Beweise gefunden werden. Außerdem hat er den Anspruch auf Rechtssicherheit auch nicht durch eigene Handlungen verwirkt. Letztlich gehen auch Hinweise auf § 362 Nr. 4 StPO, der ja bereits die Wiederaufnahme wegen neuer Beweise zulasse,166 fehl, weil dieser Wiederaufnahmegrund eben nicht auf dem Verständnis des Geständnisses als Beweismittel beruht, sondern darauf, dass die betreffende Person mit ihrem Geständnis selber über die Möglichkeit der Einleitung eines Wiederaufnahmeverfahrens entscheidet. Ein Wiederaufnahmegrund wegen neuer Beweise lässt sich daher nicht mit den geltenden Wiederaufnahmegründen in § 362 StPO in Einklang bringen. Es wurde bereits dargelegt, dass der Inquisitionsprozess allgemein wiederaufnahmefreundlicher ausgestaltet ist als der Akkusationsprozess.167 Da unser heutiger Strafprozess keinen reinen Inquisitionsprozess, sondern vielmehr eine Mischung aus Akkusations- und Inquisitionsprozess darstellt und die Rechtskraft allgemein anerkannt wird, kann die Wiederaufnahme zuungunsten des Angeklagten nicht so weitreichend wie im damaligen Inquisitionsprozess zugelassen werden. Nach Deml war die ungünstige Wiederaufnahme ohnehin sogar im damaligen Inquisitionsverfahren nur in engen Grenzen zulässig,168 und lediglich die Wiederaufnahme zugunsten des Angklagten wurde weitreichend zugelassen.169 Vor diesem Hintergrund verbietet sich erst recht jede Erweiterung des § 362 StPO um einen Wiederaufnahmegrund wegen neuer Beweise. Denn dies liefe auf eine noch weitreichendere Zulassung der Wiederaufnahme als im Inquisitionsprozess hinaus. Strafprozessual ist ein nachteiliger Wiederaufnahmegrund wegen neuer Beweise daher unzulässig. wohl dem Risikobereich des Angeklagten zuordnend: BR-Drs. 222/10, S. 8 f., in der der ursprüngliche Gesetzesantrag aus der BR-Drs. 655/07, der der Diskontinuität verfallen war, unter Berücksichtigung der Kritik an dem damaligen Entwurf wiederaufgenommen wurde; siehe dazu: Frister, in: SK-StPO VII, Vor § 359 Rn. 31. 164 Siehe BR-Drs. 655/07, S. 7. 165 Treffend insofern: Grünewald, ZStW 120 (2008), 545, 578 f.; dies., RuP 2009, 1, 3; vgl. auch: Stellungnahme BRAK, S. 4. 166 Vgl. dazu: Schöch, in: Protokoll der 130. Sitzung des Rechtsausschusses am 18. März 2009, S. 19 f.; in diese Richtung auch: Letzgus, in: FS Geppert, S. 785, 788. 167 Siehe unter D. I., hier auch zum Folgenden. 168 Deml, Zur Reform der Wiederaufnahme, S. 6 f. 169 Vgl. Deml, Zur Reform der Wiederaufnahme, S. 5 m.w. N.

III. Strafprozessuale Zulässigkeit

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2. Vereinbarkeit einer Erweiterung mit Art. 103 III GG Nach der Prüfung der strafprozessualen Zulässigkeit der Erweiterung um einen Wiederaufnahmegrund wegen neuer Beweise soll im Folgenden auf die verfassungsrechtliche Legitimität einer solchen Erweiterung eingegangen werden. Oben wurde bereits festgestellt, dass Art. 103 III GG einer Erweiterung der Wiederaufnahmegründe in § 362 StPO nicht generell im Wege steht. Im Folgenden soll nunmehr untersucht werden, ob die Einführung eines Wiederaufnahmegrundes zuungunsten des Angeklagten wegen neuer Beweise mit Art. 103 III GG vereinbar ist. Dies ist – wie die Frage, ob § 362 StPO überhaupt einer Erweiterung zugänglich ist – davon abhängig, welcher Meinung man sich zur Rechtfertigung der Wiederaufnahme des Strafverfahrens zuungunsten des Angeklagten vor dem Hintergrund des Art. 103 III GG anschließt.170 Teilweise wird von einem absoluten Schutz durch Art. 103 III GG ausgegangen.171 Folgt man dieser Sichtweise, verbietet sich natürlich jede Erweiterung des Art. 103 III GG, unabhängig davon, wie diese konkret ausgestaltet wäre. So führen beispielsweise Marxen/Tiemann bezüglich der Gesetzesinitiative des Bundesrates172 aus, dass sich aus der Tatsache, dass Art. 103 II GG absolut gelte, herleiten lasse, dass dies auch für Art. 103 III GG gelten müsse.173 Folgerichtig kommen sie zu dem Schluss, dass der Entwurf nicht mit der erforderlichen restriktiven Handhabung der Wiederaufnahme zuungunsten des Angeklagten in Einklang zu bringen sei.174 Daran anknüpfend geht Marxen in seiner Stellungnahme zu der Gesetzesinitiative und in der diesbezüglichen Sitzung des Rechtsausschusses davon aus, dass der Gesetzesinitiative des Bundesrates allenfalls nach einer Verfassungsänderung entsprochen werden könne.175 170 Kritisch zu der Gesetzesinitiative des Bundesrates (BR-Drs. 655/07): Swoboda, HRRS 2009, 188, 194; in diese Richtung auch: Grünewald, RuP 2009, 1, 3; ebenfalls kritisch, aber nicht ausdrücklich in Bezug auf Art. 103 III GG: Hohmann, in: Radtke/ Hohmann, § 362 Rn. 1. 171 Vgl. Grünwald, StV 1987, 453, 457; Hassemer, in: FS Maihofer, S. 183, 203; ders., in: Strafen im Rechtsstaat, S. 107; Höfling/Burkiczak, in: Berliner Kommentar, Art. 103 Rn. 173; Neumann, in: FS Jung, 655, 666 f.; Sachs, Verfassungsrecht II, Grundrechte, S. 525; Schulze-Fielitz, in: Dreier III, Art. 103 III Rn. 35 und 37, der allerdings eine Ausnahme bei einem Widerspruch zur materiellen Gerechtigkeit – wie zum Beispiel bei der Wiederaufnahme des Strafverfahrens – machen will; Sodan, in: Sodan, Art. 103 Rn. 31; in diese Richtung ebenfalls aktuell: Merkel/Scheinfeld, ZIS 2012, 206. 172 BR-Drs. 655/07. 173 Marxen/Tiemann, ZIS 2008, 188, 192; so auch: Stellungnahme Marxen, S. 6. 174 Marxen/Tiemann, ZIS 2008, 188, 192. Unklar bleibt, warum – wenn Art. 103 III GG als absolut verstanden wird – das geltende Wiederaufnahmerecht verfassungsgemäß sein soll. 175 Stellungnahme Marxen, S. 9; vgl. auch: Marxen, in: Protokoll der 130. Sitzung des Rechtsausschusses am 18. März 2009, S. 12; Schäfer, in: Protokoll der 130. Sitzung des Rechtsausschusses am 18. März 2009, S. 13 und 15.

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G. Erweiterung des § 362 StPO

Unabhängig davon, dass die Meinung, die von einem absoluten Schutz durch Art. 103 III GG ausgeht, bereits zuvor unter D. II. 2. abgelehnt wurde, verfängt das Argument, bei dem von Art. 103 II GG auf Art. 103 III GG geschlossen wird, nicht: Das Bundesverfassungsgericht ging nämlich in einer Entscheidung selbst davon aus, dass das absolute Rückwirkungsverbot des Art. 103 II GG in Ausnahmefällen einschränkbar sei.176 Insofern ist schon die Prämisse dieses Arguments verkehrt: Art. 103 II GG gilt nämlich nicht in allen Fällen absolut. Außerdem könnte man ebenso umgekehrt behaupten, dass aus der Tatsache, dass Art. 103 I GG einschränkbar ist,177 geschlossen werden könne, dass auch Art. 103 III GG einschränkbar sein müsse. Das Ergebnis eines solchen Arguments ist dann beliebig. Daher kann man nicht einfach, nur weil die Rechte in demselben Artikel des Grundgesetzes festgelegt sind, von der Reichweite eines Grundsatzes auf die eines anderen schließen, wenn zwischen den einzelnen Regelungsgehalten – wie bei Art. 103 GG – kein inhaltlicher Zusammenhang besteht. Die einzige Gemeinsamkeit der in Art. 103 GG festgelegten Grundsätze besteht darin, dass sie alle zu den sogenannten Justizgrundrechten zählen.178 Nach einer anderen Meinung, die insbesondere die Rechtsprechung vertritt, legitimiert das zur Zeit der Entstehung des Grundgesetzes geltende Prozessrecht den Eingriff in Artikel 103 III GG.179 Einige Autoren schließen von dieser Ansicht auf die generelle Unzulässigkeit einer Erweiterung und damit auch auf die Verfassungswidrigkeit der Gesetzesinitiative des Bundesrates zur Einführung eines Wiederaufnahmegrundes aufgrund neuer Beweise.180 Der BGH, der in früheren Entscheidungen bereits dazu tendierte, die nachteilige Wiederaufnahme mit

176

Siehe BVerfGE 95, 96, 132 ff. Siehe dazu nur: Schulze-Fielitz, in: Dreier III, Art. 103 I Rn. 83 m.w. N. 178 Siehe dazu nur: Kloepfer, Verfassungsrecht II, § 75 Rn. 3. Vgl. zu der Einschränkbarkeit des Art. 103 III GG vor dem Hintergrund des Art. 103 II GG auch: Roggon, BLJ 2011, 50, 51, der treffend ausführt, dass Art. 103 III GG trotz systematischer Nähe zu Art. 103 II GG nicht absolut gelte. 179 In dieser Richtung bereits: BGHSt 3, 13, 16; 5, 323, 328 f. und 331; eindeutiger: BVerfGE 3, 248, 252; 12, 62, 66; Frister, in: SK-StPO VII, § 362 Rn. 3; Hill, in: HStR VI, § 156 Rn. 72; Kunig, in: von Münch/Kunig, GGK II, Art. 103 Rn. 47; Schmidt, in: KK § 362 Rn. 3; Schulze-Fielitz, in: Dreier III, Art. 103 III Rn. 32. 180 Vgl. Hoffmann-Holland, in: Graf, § 362 Rn. 11; Marxen/Tiemann, ZIS 2008, 188, 192; Stellungnahme BRAK, S. 11; Stellungnahme Marxen, S. 6; zur Gesetzesinitiative des Bundesrates siehe: BR-Drs. 655/07. Gegen die Annahme, dass jede Erweiterung der nachteiligen Wiederaufnahme auf Grundlage dieser Meinung unzulässig sei: Deml, Zur Reform der Wiederaufnahme, S. 49 Fn. 221. Diesen Ausführungen ist uneingeschränkt zuzustimmen, sofern man auf das damals geltende Prozessrecht als Rechtfertigung abstellt. 177

III. Strafprozessuale Zulässigkeit

221

dem damals geltenden Prozessrecht zu rechtfertigen,181 hielt eine Ausweitung des § 362 StPO aber nicht generell für unzulässig:182 Es komme darauf an, ob die Erweiterung eine „mit normalen rechtsstaatlichen Grundsätzen noch verträgliche Einschränkung der Rechtskraft“ 183 darstelle und sie „sich in den allgemeinen Rahmen der herkömmlichen Wiederaufnahmegründe einfügen“ 184 lasse. Unabhängig davon, dass auch diese Meinung nach der hier vertretenen Auffassung nicht überzeugen kann,185 soll kurz auf die Folgen, die sich aus dieser Meinung und insbesondere aus der damaligen Rechtsprechung des BGH für eine Erweiterung des § 362 StPO auf neue Beweise ergeben, eingegangen werden: Ausgehend von dem damals geltenden Prozessrecht als Schranke des Art. 103 III GG finden sich unterschiedliche Argumentationen in Bezug auf die Einführung eines Wiederaufnahmegrundes wegen neuer Beweise: Deml führt aus, dass sich die Unzulässigkeit einer § 359 Nr. 5 StPO entsprechenden Erweiterung daraus ergebe, dass ein solcher Wiederaufnahmegrund der StPO fremd sei.186 Er relativiert diese Aussage aber insofern, als er „eine auf krasse Fehlurteile beschränkte Wiederaufnahmemöglichkeit propter nova zuungunsten des Angeklagten“ 187 für zulässig hält.188 In der Gesetzesinitiative des Bundesrates189 wurde ein Teil einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Tatbegriff190 wörtlich zitiert.191 In dieser Entscheidung betonte das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich, dass Art. 103 III GG auf das damals geltende Prozessrecht Bezug nehme.192 Diese Meinung legt die Gesetzesinitiative zugrunde.193 Aus dem zitierten Teil der Entscheidung 181

Vgl.: BGHSt 3, 13, 16; 5, 323, 328 f. und 331. Siehe: BGHSt 5, 323, 331, hier auch zum Folgenden. 183 BGHSt 5, 323, 331. 184 BGHSt 5, 323, 331. Ähnlich das Bundesverfassungsgericht: BVerfGE 2, 380, 403. Zwar betrafen die Aussagen des Bundesverfassungsgerichts die Vereinbarkeit der nachteiligen Wiederaufnahme mit dem Rechtsstaatsprinzip; da das Rechtsstaatsprinzip aber die Rechtsicherheit beinhaltet, die sich in Art. 103 III GG konkretisiert, ist der Prüfungsmaßstab letztlich identisch. Vgl. zur Rechtssicherheit im Rahmen des Rechtstaatsprinzips und im Rahmen des Art. 103 III GG nur: Dürig, in: Maunz/Dürig, Art. 103 Rn. 124. 185 Siehe oben unter D. II. 2. 186 Deml, Zur Reform der Wiederaufnahme, S. 49 Fn. 219; ähnlich: Eschelbach, in: KMR V, § 362 Rn. 61. 187 Deml, Zur Reform der Wiederaufnahme, S. 49 Fn. 221. 188 Deml, Zur Reform der Wiederaufnahme, S. 49 Fn. 221. 189 BR-Drs. 655/07. 190 BVerfGE 56, 22 ff. 191 Siehe: BR-Drs. 655/07, S. 4. 192 BVerfGE 56, 22, 34. 193 Vgl.: BR-Drs. 655/07, S. 4. 182

222

G. Erweiterung des § 362 StPO

folgerte man, dass es sich bei Art. 103 III GG lediglich um eine „Basisgarantie“ 194 handele.195 Es verbiete sich eine „einseitige täterfreundliche Ausgestaltung oder Anwendung“ 196 des § 362 StPO.197 Einige Sachverständige haben sich dahingehend geäußert, dass die Gesetzesinitiative des Bundesrates verfassungskonform sei.198 Kintzi und Schöch berufen sich darauf, dass das Bundesverfassungsgericht schließlich Grenzkorrekturen zulasse.199 Um eine solche handele es sich bei der Gesetzesinitiative.200 Nach Stoffers liegt kein Eingriff in den Kernbereich des Art. 103 III GG vor.201 Andere Sachverständige und Stimmen in der Literatur vertreten die These, dass es sich bei der geplanten Änderung nicht um eine Grenzkorrektur, sondern vielmehr um einen Eingriff in den Kerngehalt des Art. 103 III GG handele.202 Es gehöre zu dem Kern des Art. 103 III GG, dass neue Beweise keine nachteilige Wiederaufnahme ermöglichen.203 Außerdem beziehe sich die von den Befürwortern der Gesetzesinitiative zitierte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts lediglich auf den Tatbegriff.204 Aus dieser Entscheidung könne man nicht auf die Zulässigkeit einer Erweiterung des § 362 StPO schließen.205 194

BR-Drs. 655/07, S. 4. BR-Drs. 655/07, S. 4. 196 BR-Drs. 655/07, S. 4. 197 BR-Drs. 655/07, S. 4; ähnlich: Helbing, ZRP 2010, 271; zustimmend: Letzgus, in: FS Geppert, S. 785, 794. 198 Graf, in: Protokoll der 130. Sitzung des Rechtsausschusses am 18. März 2009, S. 1; Kintzi, in: Protokoll der 130. Sitzung des Rechtsausschusses am 18. März 2009, S. 4; Stellungnahme Stoffers, S. 6; Stoffers, in: Protokoll der 130. Sitzung des Rechtsausschusses am 18. März 2009, S. 22. 199 Kintzi, in: Protokoll der 130. Sitzung des Rechtsausschusses am 18. März 2009, S. 4, hier auch zum Folgenden; Schöch, in: Protokoll der 130. Sitzung des Rechtsausschusses am 18. März 2009, S. 18; vgl. auch: Stellungnahme Kintzi, S. 5; Stellungnahme Schöch, S. 3. 200 Vgl. auch: Schöch, in: Protokoll der 130. Sitzung des Rechtsausschusses am 18. März 2009, S. 18: Der Schutzbereich des Art. 103 III GG werde lediglich „tangiert“. 201 Stellungnahme Stoffers, S. 6; Stoffers, in: Protokoll der 130. Sitzung des Rechtsausschusses am 18. März 2009, S. 22. 202 Vgl. König, in: Protokoll der 130. Sitzung des Rechtsausschusses am 18. März 2009, S. 8 f.; Marxen/Tiemann, ZIS 2008, 188, 191 f.; Pabst, ZIS 2010, 126, 128; Schäfer, in: Protokoll der 130. Sitzung des Rechtsausschusses am 18. März 2009, S. 15 und 30; Scherzberg/Thiée, ZRP 2008, 80, 81; Stellungnahme BRAK, S. 11; Stellungnahme Schäfer, S. 7; Stellungnahme Scherzberg, S. 4; in diese Richtung auch: Stellungnahme DAV, S. 8; siehe ebenfalls: Künast, StV 2015 (Heft 11), I (Editorial). 203 Marxen/Tiemann, ZIS 2008, 188, 191 f.; Pabst, ZIS 2010, 126, 128. 204 Schäfer, in: Protokoll der 130. Sitzung des Rechtsausschusses am 18. März 2009, S. 15; Stellungnahme BRAK, S. 11; Stellungnahme Marxen, S. 2; Stellungnahme Schäfer, S. 5. 205 Vgl. Schäfer, in: Protokoll der 130. Sitzung des Rechtsausschusses am 18. März 2009, S. 15; Stellungnahme BRAK, S. 11; Stellungnahme Marxen, S. 3; Stellungnahme Schäfer, S. 6. 195

III. Strafprozessuale Zulässigkeit

223

Sachs zieht die Zulässigkeit einer Erweiterung des § 362 StPO auf neue Beweise vor dem Hintergrund des Art. 103 III GG generell in Zweifel.206 Ausgehend von den Kriterien, denen die Wiederaufnahmegründe zuungunsten des Angeklagten nach dem BGH genügen müssen,207 ist Folgendes anzumerken: Es ist keineswegs eindeutig, dass sich die Wiederaufnahme des Strafverfahrens zuungunsten des Angeklagten in Bezug auf neue Beweise nicht in den allgemeinen Rahmen der herkömmlichen Wiederaufnahmegründe einfügt. Es kommt vielmehr auf die Betrachtungsweise an: Seit Einführung der Strafprozessordnung im Jahr 1877208 gab und gibt es – abgesehen von der Zeit des Nationalsozialismus –209 keine nachteilige Wiederaufnahme des Strafverfahrens bei Vorliegen neuer Beweise auf dem Gebiet der heutigen Bundesrepublik Deutschland. Insofern könnte man davon ausgehen, dass ein solcher Wiederaufnahmegrund nicht zu den herkömmlichen Wiederaufnahmegründen zählt. Stellt man aber auf die Zeit vor Einführung der Strafprozessordnung ab, sieht man, dass damals viele Strafprozessordnungen die nachteilige Wiederaufnahme bei Vorliegen neuer Beweise erlaubten:210 Nach § 474 des österreichischen Strafgesetzbuchs über Verbrechen und schwere Polizey-Uebertretungen von 1803211 konnte beispielsweise eine erneute Anklage eines Verbrechens nach einem zuvor ergangenem Freispruch erfolgen, wenn die Verjährung nicht entgegenstand und ganz neue Beweise vorlagen, die eine Verurteilung erwarten ließen. Art. 387 des Strafgesetzbuches für das Königreich Baiern von 1813 erlaubte ebenfalls die Wiederaufnahme zuungunsten des Angeklagten vor dem Hintergrund neuer Beweise.212 206

Sachs, Verfassungsrecht II, Grundrechte, S. 525. Siehe nochmals: BGHSt 5, 323, 331: Ausschlaggebend sei, ob die Erweiterung eine „mit normalen rechtsstaatlichen Grundsätzen noch verträgliche Einschränkung der Rechtskraft“ (BGH a. a. O.) darstelle und sie „sich in den allgemeinen Rahmen der herkömmlichen Wiederaufnahmegründe einfügen“ (BGH a. a. O.) lasse. 208 RGBl. 1877, S. 253 ff. 209 Siehe dazu den Bericht der Strafprozeßkommission: Doerner, in: Das kommende deutsche Strafverfahren, S. 430 ff.; Entwurf einer Strafverfahrensordnung, S. 170; Freisler, in: Das kommende deutsche Strafverfahren, S. 30 f.; der Vorschlag der Kommission wurde 1943 Gesetz, RGBl. I 1943, S. 345; siehe dazu auch: Frister, in: SKStPO VII, § 362 Rn. 5. Siehe zu strafrechtspolitischen Forderungen in Bezug auf die Wiederaufnahme zur Zeit des Nationalsozialismus auch: Greco, Strafprozesstheorie und materielle Rechtskraft, S. 977 m.w. N. 210 Ausführlich zur Geschichte der Wiederaufnahme oben unter B. 211 Das gesamte Gesetz ist abrufbar unter: http://books.google.de/books?id=wTBE AAAAcAAJ&pg=PA259&dq=Strafgesetzbuch+%C3%BCber+Verbrechen+und+schwere +Polizey-Uebertretungen&hl=de&sa=X&ei=NDgKUvPLCcabtAb64IHgBw&ved=0CD wQ6AEwAg#v=onepage&q=Strafgesetzbuch%20%C3%BCber%20Verbrechen%20und %20schwere%20Polizey-Uebertretungen&f=false, zuletzt aufgerufen am 09.07. 2016. 212 Die Aufzählung der Wiedeaufnahmegründe in Art. 387 war nicht abschließend. 207

224

G. Erweiterung des § 362 StPO

An Art. 387 des Strafgesetzbuches für das Königreich Baiern von 1813 orientierte sich unter anderem § 47 des Königlichen Hannoverschen Gesetzes über das gerichtliche Verfahren von 1840.213 Dort war sogar eine Wiederaufnahme vorgesehen, wenn neue Beweise gefunden wurden, die für sich allein ausreichten, den Angeschuldigten zu verurteilen.214 Sofern man den Zeitraum für die Beantwortung der Frage, welche Wiederaufnahmegründe zu den herkömmlichen zählen, auf das gesamte 19. Jahrhundert erstreckt, lässt sich daher durchaus vertreten, dass auch der Wiederaufnahmegrund der neuen Beweise zu den herkömmlichen Wiederaufnahmegründen zählt. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass sich alle angeführten Regelungen auf die Zeit vor Einführung des reformierten Strafverfahrens beziehen. Sie haben daher keine Aussagekraft in Bezug auf die Vereinbarkeit der nachteiligen Wiederaufnahme aufgrund neuer Beweise mit den Grundsätzen des reformierten Strafverfahrens. Dies ändert aber nichts an dem Umstand, dass man zu den herkömmlichen Wiederaufnahmegründen auch den Wiederaufnahmegrund wegen neuer Beweise zählen kann, sofern man das gesamte 19. Jahrhundert betrachtet. In der Konsequenz wäre eine entsprechende Erweiterung des § 362 StPO zumindest nach der damaligen Rechtsprechung des BGH zulässig. Dieser Frage soll aber an dieser Stelle nicht weiter nachgegangen werden, da die Meinung, die die nachteilige Wiederaufnahme mit dem damals geltenden Prozessrecht rechtfertigt, ohnehin bereits abgelehnt wurde.215 Gleiches gilt für die Auseinandersetzung mit der dargestellten Literatur vor dem Hintergrund eines Wiederaufnahmegrundes wegen neuer Beweise, die auf Grundlage der Meinung, dass das damals geltende Prozessrecht die nachteilige Wiederaufnahme legitimiere, argumentiert. Nach der dritten – hier vertretenen – Meinung, die maßgeblich auf Dürig216 zurückzuführen ist, ist der Eingriff der nachteiligen Wiederaufnahme in Art. 103 III GG gerechtfertigt, weil es ansonsten zu einer unerträglichen Beeinträchtigung 213 Abgedruckt im Anhang der Jahrbücher für die Preußische Gesetzgebung, Rechtswissenschaft und Rechtsverwaltung 63 (1844), 573 ff., abrufbar unter: http://books. google.com/books?id=qNFDAAAAcAAJ&pg=PA573&dq=hannoversches+gesetz+%C3 %BCber+das+gerichtliche+verfahren+in+kriminalsachen&hl=en&sa=X&ei=0qkLUsqHG MavPIamgeAK&ved=0CC0Q6AEwAA#v=onepage&q=hannoversches%20gesetz%20% C3%BCber%20das%20gerichtliche%20verfahren%20in%20kriminalsachen&f=false, zuletzt aufgerufen am 09.07.2016; vgl. dazu auch Ziemba, Die Wiederaufnahme des Verfahrens, S. 30, der auch auf einen entsprechenden Artikel in der württembergischen Strafprozeßordnung hinweist. 214 Zu weiteren Regelungen siehe: Thilo, Die Strafgesetzgebung des Großherzogthums Baden, S. 252. 215 Siehe oben unter D. II. 2. 216 Siehe Dürig, in: Maunz/Dürig VI, Art. 103 Rn. 132.

III. Strafprozessuale Zulässigkeit

225

der Gerechtigkeit käme.217 In der Sache handelt es sich dabei um die Herstellung praktischer Konkordanz zwischen materieller Gerechtigkeit und Rechtssicherheit.218 Dürig betont, dass die Wiederaufnahmegründe zuungunsten des Angeklagten „enge [. . .], sachlich begründete, [. . .] Ausnahmen“ 219 darstellen müssten und keine Generalklausel enthalten dürften.220 Sie müssten „klar“ 221 und abgegrenzt ausgestaltet sein. Zusammenfassend sei die „rechtsstaatliche[r] Voraussehbarkeit, Berechenbarkeit und Meßbarkeit“ 222 zu beachten. Von der Meinung Dürigs ausgehend führt Deml in Bezug auf einen § 359 Nr. 5 StPO entsprechenden Wiederaufnahmgrund aus, dass sich die Unzulässigkeit einer solchen Erweiterung aus dem generalklauselartigen Charakter des Wiederaufnahmegrundes in § 359 Nr. 5 StPO ergebe, der nicht nur absolut unerträgliche Verstöße gegen die Gerechtigkeit erfasse.223 Andererseits sei es – wenn man annimmt, dass die Wiederaufnahme des Strafverfahrens zuungunsten des Angeklagten der materiellen Gerechtigkeit diene –224 nur folgerichtig, bei eklatanten Verstößen gegen die materielle Gerechtigkeit die Wiederaufnahme aufgrund neuer Beweise zuzulassen.225 Im Ergebnis kann man festhalten, dass weitestgehend Einigkeit darüber besteht, dass jedenfalls eine Ausweitung der Wiederaufnahme zuungunsten des Angeklagten im Sinne des § 359 Nr. 5 StPO gegen Art. 103 III GG verstieße.226 Ansonsten bestände der Schutz des Art. 103 III GG nur noch auf dem Papier.227

217 Brüning, in: Stern/Becker, Art. 103 Rn. 116; Dürig, in: Maunz/Dürig VI, Art. 103 Rn. 132; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Art. 103 Rn. 82; Nolte, in: von Mangoldt/Klein/ Starck, GG III, Art. 103 Rn. 222, bezieht sich zusätzlich auf die Historie zur Rechtfertigung; Schmahl, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, Art. 103 Rn. 87; Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig VI, Art. 103 Rn. 270; Ziemba, Die Wiederaufnahme des Verfahrens, S. 79, mit Verweis auf Dürig. 218 Siehe oben unter D. II. 2. 219 Dürig, in: Maunz/Dürig, Art. 103 Rn. 132. 220 Dürig, in: Maunz/Dürig, Art. 103 Rn. 132, hier auch zum Folgenden. 221 Dürig, in: Maunz/Dürig, Art. 103 Rn. 132. 222 Dürig, in: Maunz/Dürig, Art. 103 Rn. 132. 223 Deml, Zur Reform der Wiederaufnahme, S. 49 Fn. 219. 224 So auch die hier vertretene Auffassung, siehe oben unter D. II. 2. 225 Deml, Zur Reform der Wiederaufnahme, S. 142. 226 Deml, Zur Reform der Wiederaufnahme, S. 49 und 136 f.; Eschelbach, in: KMR V, § 362 Rn. 64 und 66 f.; Grünewald, RuP 2009, 1, 3; Grünwald, ZStW-Beiheft 1974, 94, 103; Loos, in: FS Schreiber, S. 277, 280; Possienke, Die Regelung des § 373a StPO, S. 125 ff.; in diese Richtung auch: Denkschrift Strafrechtsausschuss der Bundesrechtsanwaltskammer, S. 76, die allerdings nicht ausdrücklich auf einen Verstoß gegen Art. 103 III GG abstellt; kritisch: Fingas, Die Fehlentscheidungen, S. 135 f.; Letzgus, in: FS Geppert, S. 785, 796. 227 Vgl. Grünewald, RuP 2009, 1, 3.

226

G. Erweiterung des § 362 StPO

Grünwald vermischt die Auffassungen, die zur Rechtfertigung der nachteiligen Wiederaufnahme herangezogen werden, wenn er aus dem Argument, dass ein Wiederaufnahmegrund aufgrund neuer Beweise zuungunsten des Angeklagten „der Tradition der StPO“ 228 fremd sei, schließt, dass das Fehlen dieses Wiederaufnahmegrundes in § 362 StPO nicht unerträglich sein könne.229 In den Drucksachen des Entwurfs des Bundesrates und in den Stellungnahmen einiger Sachverständiger heißt es, dass der Entwurf der erforderlichen Abwägung zwischen Einzelfallgerechtigkeit und Rechtssicherheit gerecht werde.230 Auch Kaspar zieht eine Erweiterung des § 362 StPO in Bezug auf die Gesetzesinitiative des Bundesrates „als weitere eng begrenzte Ausnahme von Art. 103 III GG“ 231 zumindest in Erwägung.232 Der Eingriff in Art. 103 III GG könne dadurch gerechtfertigt werden, dass die materielle Gerechtigkeit als immanente Schranke des Rechts aus Art. 103 III GG verstanden werde. Schöch kommt im Rahmen einer Abwägung zwischen der Rechtssicherheit auf der einen und der Einzelfallgerechtigkeit auf der anderen Seite zu dem Ergebnis, dass die Gesetzesinitiative mit Art. 103 III GG vereinbar sei.233 Nach Stoffers liegt kein Verstoß gegen die Unerträglichkeitsschranke des Art. 103 III GG vor.234 Allen Ausführungen zu einer Erweiterung des § 362 StPO um einen Wiederaufnahmegrund wegen neuer Beweise auf Grundlage der Meinung Dürigs ist gemein, dass keine umfassende Verhältnismäßigkeitsprüfung erfolgt. Dies soll an dieser Stelle nachgeholt werden: Legitimer Zweck der Wiederaufnahme des Strafverfahrens ist die „Beseitigung rechtskräftiger Fehlentscheidungen“ 235. Für die Wiederaufnahme zuungunsten des Angeklagten läuft dies auf den Begriff der materiellen Gerechtigkeit hinaus, also die Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs236, und zwar tat- und 228

Grünwald, ZStW-Beiheft 1974, 94, 103. Grünwald, ZStW-Beiheft 1974, 94, 103; ähnlich auch: Roggon, BLJ 2011, 50, 56; Grünwald zustimmend: Kingreen/Poscher, Grundrechte Staatsrecht II, Rn. 1220; in Bezug auf die Erweiterung des § 362 StPO um neue Beweise, die vom Angeklagten verändert oder unterdrückt wurden, siehe: dies., a. a. O., Rn. 1204. 230 Vgl.: BR-Drs. 655/07, S. 4 f.; Stellungnahme Graf, S. 7; Stellungnahme Schöch, S. 3; so auch: Letzgus, in: FS Geppert, S. 785, 794 f. 231 Kaspar, in: SSW-StPO, § 362 StPO Rn. 13. 232 Kaspar, in: SSW-StPO, § 362 StPO Rn. 13, hier auch zum Folgenden. 233 Vgl. Schöch, in: FS Maiwald, S. 769, 775. 234 Stellungnahme Stoffers, S. 6; Stoffers, in: Protokoll der 130. Sitzung des Rechtsausschusses am 18. März 2009, S. 22. 235 Peters, Strafprozeß, S. 668; vgl. auch: Schünemann, Strafverfahrensrecht, § 57 Rn. 1. Zu der Frage, wann ein Fehlurteil vorliegt, siehe oben unter B. 236 Weber-Klatt, Die Wiederaufnahme von Verfahren, S. 48. 229

III. Strafprozessuale Zulässigkeit

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schuldangemessen,237. Diesem allgemeinen Zweck der Wiederaufnahme dient auch ein Wiederaufnahmegrund wegen neuer Beweise. Neue Beweise, die die Wiederaufnahme des Strafverfahrens rechtfertigen, sind auch generell geeignet, die materielle Gerechtigkeit zu verwirklichen.238 Zwar würde es im Rahmen der Erforderlichkeit ein milderes Mittel darstellen, von Erweiterungen des § 362 StPO abzusehen;239 allerdings kann man davon ausgehen, dass die materielle Gerechtigkeit mit der jetzigen Regelung nicht genauso gut verwirklicht werden kann wie mit einer entsprechenden Erweiterung des § 362 StPO, weil mit der Würdigung neuer Beweise die Möglichkeit einhergeht, den wahren Sachverhalt besser aufzuklären. Im Rahmen der Angemessenheit bedarf es der Herstellung praktischer Konkordanz zwischen der materiellen Gerechtigkeit auf der einen und der Rechtssicherheit auf der anderen Seite. Beide Güter müssen also – jeweils beschränkt durch das andere – zu möglichst optimaler Wirksamkeit gelangen.240 Davon ausgehend ist eine Erweiterung des § 362 StPO in Form der Einführung eines mit § 359 Nr. 5 StPO vergleichbaren Wiederaufnahmegrundes unzulässig:241 Es scheinen sehr viele Fälle denkbar, in denen nach Eintritt der Vollstreckbarkeit – und damit nach Eintritt der Rechtskraft – neue Beweise auftauchen.242 Sofern in allen diesen Fällen eine Wiederaufnahme zuungunsten des Angeklagten möglich wäre, bliebe von der Rechtssicherheit des Angeklagten nicht mehr viel übrig.243 Von möglichst optimaler Wirksamkeit der beiden Güter könnte keine Rede (mehr) sein.

237

Dürig, in: Maunz/Dürig, Art. 103 Rn. 124. Zur Geeignetheit des in der Gesetzesinitiative des Bundesrates enthaltenen geplanten Wiederaufnahmegrundes, siehe: BR-Drs. 222/10, S. 9, in der der ursprüngliche Gesetzesantrag aus der BR-Drs. 655/07, der der Diskontinuität verfallen war, unter Berücksichtigung der Kritik an dem damaligen Entwurf wiederaufgenommen wurde; siehe dazu: Frister, in: SK-StPO VII, Vor § 359 Rn. 31. 239 So auch: BR-Drs. 222/10, S. 9, in Bezug auf die Erforderlichkeit des in der Gesetzesinitiative des Bundesrates enthaltenen geplanten Wiederaufnahmegrundes. 240 Siehe nur: Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts Rn. 72. 241 So auch: Deml, Zur Reform der Wiederaufnahme, S. 49 und 136 f.; Eschelbach, in: KMR V, § 362 Rn. 64 und 66 f.; Grünewald, RuP 2009, 1, 3; Grünwald, ZStW-Beiheft 1974, 94, 103; in diese Richtung auch: Denkschrift Strafrechtsausschuss der Bundesrechtsanwaltskammer, S. 76, die allerdings nicht ausdrücklich auf einen Verstoß gegen Art. 103 III GG abstellt; anders wohl: Fingas, Die Fehlentscheidungen, S. 135 f., der aus Gerechtigkeitserwägungen einen mit § 359 Nr. 5 StPO vergleichbaren Wiederaufnahmegrund in § 362 StPO einfügen will. Einziger Unterschied ist nach seinem Vorschlag, dass die Beweise im Rahmen des § 362 StPO offenkundig und erheblich sein müssen. Diese auslegungsbedürftigen Begriffe tragen der Rechtssicherheit aber nicht hinreichend Rechnung. 242 Siehe zu dem Kriterium der Vollstreckbarkeit oben unter D. II. 2. 243 Siehe dazu auch: Ziemba, Die Wiederaufnahme des Verfahrens, S. 210. 238

228

G. Erweiterung des § 362 StPO

Fraglich ist, ob sich an dieser Beurteilung etwas ändert, wenn man mit dem hier vertretenen Vorschlag davon ausgeht, dass die Wiederaufnahme des Strafverfahrens zuungunsten des Angeklagten generell nur noch bei Verbrechen zuzulassen ist. Dies würde dann natürlich auch für einen mit § 359 Nr. 5 StPO vergleichbaren Wiederaufnahmegrund in § 362 StPO gelten. Verbrechen sind nach § 12 I StGB rechtswidrige Taten, die im Mindestmaß mit Freiheitsstrafe von einem Jahr oder darüber bedroht sind. Dazu zählen keineswegs nur die schwersten Straftaten, sondern unter anderem auch die Geldfälschung nach § 146 StGB, der Meineid nach 154 StGB und die (einfache) Brandstiftung nach § 306 StGB. In diesen – und anderen – Bereichen würden Angeklagte schutzlos gestellt, weil oftmals neue Beweise auftauchen.244 Dies spricht dafür, dass auch mit der Einschränkung der ungünstigen Wiederaufnahme auf Verbrechen ein mit § 359 Nr. 5 StPO vergleichbarer Wiederaufnahmegrund der erforderlichen praktischen Konkordanz zwischen materieller Gerechtigkeit und Rechtssicherheit nicht gerecht werden würde. Vielmehr würde die materielle Gerechtigkeit die Rechtssicherheit bei Vorliegen von Verbrechen fast vollkommen verdrängen, da es nicht ausreicht, dass der Kernbereich des Art. 103 III GG im Rahmen einer Gesamtbetrachtung nicht berührt wird.245 Vielmehr darf der Schutz des Art. 103 III GG auch nicht in einzelnen Bereichen vollkommen verdrängt werden. Einziges Korrektiv wäre die Verjährung, die nach der hier vertretenen Auffassung mit Rechtskraft des Wiederaufnahmebeschlusses weiterläuft.246 Die Verjährung beginnt nach § 78a StGB mit Beendigung der Tat. Bei Verbrechen mit einer Mindeststrafe von einem Jahr beträgt die Verjährungsfrist nach § 78 III Nr. 5 StGB drei Jahre. Bei einer Mindeststrafe von mehr als einem Jahr bis zu fünf Jahren gilt nach § 78 III Nr. 4 StGB eine Verjährungsfrist von fünf Jahren. Gerade bei den eben aufgeführten Verbrechen mit lediglich einem Jahr Mindeststrafe könnte der Rechtssicherheit daher durch den Verjährungsgedanken Rechnung getragen werden. Dies gilt vor allem vor dem Hintergrund, dass die Verjährung – wie Art. 103 III GG – dem Rechtsfrieden dient.247 244

Vgl. auch: Weber-Klatt, Die Wiederaufnahme von Verfahren, S. 387 f. Weber-Klatt, Die Wiederaufnahme von Verfahren, S. 387 f., hier auch zum Folgenden; vgl. ebenfalls: Niedersächsischer Landtag Drs. 17/5501, S. 4 und 6 f., abrufbar unter: www.landtag-niedersachsen.de/Drucksachen/Drucksachen_17_7500/5501-6000/ 17-5501.pdf, zuletzt aufgerufen am 09.07.2016. 246 Von einem Weiterlaufen der Verjährung ab Rechtskraft des Wiederaufnahmebeschlusses gehen ebenfalls folgende Autoren aus: Dietmeier, in: Matt/Renzikowski, § 78b Rn. 10; Kühl, in: Lackner/Kühl, § 78 Rn. 7; Lenzen, JR 1988, 520, 521; Mitsch, in: MüKo-StGB, § 78c Rn. 20; Rosenau, in: SSW-StGB, § 78b Rn. 12; Rudolphi/Wolter, in: SK-StGB, Vor § 78 Rn. 7; Temming, in: HK-StPO, § 370 Rn. 5; Weber-Klatt, Die Wiederaufnahme von Verfahren, S. 301; nur im Ergebnis ebenso: Jacobsen-Raetsch, Wiederaufnahme und Verjährung, S. 201. Ausführlich zum Verhältnis zwischen Wiederaufnahme und Verjährung oben unter D. IV. 247 Vgl. zu Art. 103 III GG nur: Dürig, in: Maunz/Dürig, Art. 103 Rn. 124; und zur Verjährung: BGHSt 11, 394, 396; 12, 335, 337 f.; 51, 72, 78; Beukelmann, in: Dölling/ 245

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Zu berücksichtigen ist dabei jedoch, dass die Rechtsprechung größtenteils der Auffassung ist, dass die Verjährung mit Rechtskraft des Wiederaufnahmebeschlusses von neuem beginne.248 Schließt man sich dieser Meinung an, könnte auch über die Verjährung kein ausreichender Schutz des Angeklagten erreicht werden. Zwar wurde die Meinung der Rechtsprechung bereits abgelehnt; es ist aber nicht mit einer Rechtsprechungsänderung zu rechnen, sodass die Rechtssicherheit in praxi bei der Einführung eines mit § 359 Nr. 5 StPO vergleichbaren Wiederaufnahmegrundes nicht ausreichend berücksichtigt werden würde. Außerdem geht es um die Frage, ob ein mit § 359 Nr. 5 StPO vergleichbarer Wiederaufnahmegrund der erforderlichen praktischen Konkordanz zwischen materieller Gerechtigkeit und Rechtssicherheit genügen würde. Die Verjährung wäre aber gar nicht der Regelungsgehalt eines solchen potenziellen Wiederaufnahmegrundes. Die Unverhältnismäßigkeit eines Gesetzes kann aber nicht mithilfe anderer Regelungen, die nicht Gegenstand der Überprüfung sind, revidiert werden, da die Norm an sich verhältnismäßg sein muss. Es reicht nicht aus, dass der Regelungsgehalt einer Norm im Gesamtkontext der Rechtsordnung als verhältnismäßig erscheint. Ansonsten könnte die Änderung von Gesetzen zur Verfassungswidrigkeit anderer Regelungen führen, die keinen Bezug zu der geänderten Regelung haben.249 Im Ergebnis hat die Verjährung somit keinen Einfluss darauf, dass ein mit § 359 Nr. 5 StPO vergleichbarer Wiederaufnahmegrund zuungunsten des Angeklagten selbst bei Beschränkung auf Verbrechen unverhältnismäßig wäre. Zu prüfen ist jedoch, ob man den Gedanken des Opferschutzes im Rahmen der praktischen Konkordanz berücksichtigen kann250 und – sofern dies möglich ist –, Duttge/Rössner, § 78 Rn. 1; Dallmeyer, in: von Heintschel-Heinegg, § 78 Rn. 2; Dietmeier, in: Matt/Renzikowski, § 78 Rn. 1; Rosenau, in: SSW-StGB, § 78 Rn. 5; Schmid, in: LK, Vor § 78 Rn. 9.; Sickor, GA 154 (2007), 590, 593. 248 BGH GA 121 (1974), 149 f.; RGSt 76, 46, 48; BayObLGSt 1953, 179 f.; OLG Bamberg NJW 1962, 2168, 2169; OLG Düsseldorf StraFo 2001 102 ff.; OLG Düsseldorf JR 1988, 519; OLG Frankfurt MDR 1978, 513; OLG Hamburg VRS 29 (1965), 359; OLG Hamm NJW 1972, 2097, 2098; OLG Schleswig-Holstein SchlHA 1963, 60, 63; OLG Stuttgart MDR 1986, 608; LG Aachen NJW 1962, 1973, 1974; die Literatur folgt dieser Meinung teilweise, siehe: Beukelmann, in: Dölling/Duttge/Rössner, § 78 Rn. 18; Gössel, in: Löwe-Rosenberg VII/2, § 362 Rn. 3; ders., NStZ 1988, 537 f.; Kaiser, NJW 1962, 1703, 1704; Pfeiffer, in: FG Graßhof, S. 271, 285; Saliger, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, § 78 Rn. 15 und § 78b Rn. 22; Schmid, in: LK, § 78 Rn. 11. Anderer Ansicht ist in der Rechtsprechung soweit ersichtlich nur das OLG Nürnberg NStZ 1988, 555 f., das von einem Weiterlaufen der Verjährung trotz Eintritts der Rechtskraft ausgeht. 249 Vgl. zum Ganzen auch: BVerfGE 133, 168, 233 f. Rn. 118, wonach die mangelnde Umsetzung von Gesetzesvorgaben nicht zu der Verfassungswidrigkeit des Gesetzes führt, außer wenn die mangelnde Umsetzung ihren Grund in dem Gesetz selber hat. 250 In diese Richtung: Graf, in: Protokoll der 130. Sitzung des Rechtsausschusses am 18. März 2009, S. 36; Kintzi, in: Protokoll der 130. Sitzung des Rechtsausschusses am 18. März 2009, S. 33, weil der Opferschutz heutzutage eine größere Rolle spiele; vgl.

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ob eine solche Berücksichtigung Einfluss auf das Ergebnis der Verhältnismäßigkeitsprüfung hätte. Sofern man den Opferschutz im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung berücksichtigen möchte, kann dies nur zugunsten der materiellen Gerechtigkeit geschehen; denn mit Opferschutz ist der Schutz der Opfer vor Straftätern – hier in Form der Aburteilung des oder der Täter – gemeint. Wie eben bereits anhand der Verjährung erörtert, ist aber nicht einzusehen, wie und warum Aspekte, die keinen Zusammenhang mit den Rechtsgütern aufweisen, die sich im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung gegenüberstehen, zu anderen Ergebnissen im Rahmen der Angemessenheit führen sollen. Im Übrigen erscheint es bereits fraglich, ob Opfer durch die Aburteilung von Tätern geschützt werden. Dies würde voraussetzen, dass mit der Aburteilung – neben der Vergeltung – präventive Strafzwecke verwirklicht werden. Die Aburteilung müsste also dazu führen, dass der Täter nach Verbüßung der Strafe keine Straftaten mehr begeht (Spezialprävention) und potenzielle Täter innerhalb der Gesellschaft ebenfalls keine Straftaten (mehr) begehen (Generalprävention).251 Es gestaltet sich jedoch generell als schwierig, empirische Aussagen zu der Verwirklichung von Strafzwecken zu treffen.252 Zudem kommt der Spezialprävention bei der Strafzumessung keine große Bedeutung zu, denn es kommt nach § 46 I 1 StGB primär auf den Schuldausgleich an.253 Dies bedeutet aber (noch) nicht zwangsläufig, dass Strafen keine Auswirkungen auf den Opferschutz haben. Allerdings besteht zumindest bei der Abbüßung von Gefängnisstrafen das Risiko, dass der Täter durch die Haft krimineller als vorher wird, weil er in der Haft eventuell „entsozialisiert“ wird und Kontakt mit anderen Kriminellen hat.254 Wäre dies der Fall, würde die Verurteilung zu einer Gefängnisstrafe gerade nicht dem Opferschutz dienen, sondern sie würde vielmehr zu einer größeren Gefährdung des Opfers und potenzieller anderer Opfer führen. Nur für den Zeitraum der Inhaftierung würde dem Opferschutz in Bezug auf den einzelnen Täter vollumfänglich entsprochen, weil der Täter zu dieser Zeit – abgesehen von der Begehung von Straftaten im Vollzug –255 keine Straftaten (mehr) begehen kann.256 auch: Große Strafrechtskommission DRB, Gutachten Wiederaufnahme, S. 69; Helbing, ZRP 2010, 271. 251 Zur Spezial- und Generalprävention siehe nur die Abbildung bei: Schneider, in: Göppinger/Bock, § 30 Rn. 41; vgl. ebenfalls: Roxin, GA 162 (2015), 185, 190. 252 Vgl. zu den Schwierigkeiten: Meier, Kriminologie, § 9 Rn. 70 ff. zur Spezial- und Rn. 82 zur Generalprävention; Schneider, in: Göppinger/Bock, § 30 Rn. 45 ff. zur Spezial- und Rn. 52 ff. zur Generalprävention. 253 Siehe nur: Meier, JZ 2010, 112, 115. 254 Siehe auch allgemein: Eisenberg, Kriminologie, § 42 Rn. 11, wonach die Wahrscheinlichkeit zukünftiger Rechtsbrüche durch harte Sanktionen begünstigt wird. 255 Ausführlich zu Straftaten im Vollzug: Goeckenjan, in: FS Eisenberg, S. 705 ff. 256 Siehe dazu auch: Eisenberg, Kriminologie, § 42 Rn. 29; Roxin, GA 162 (2015), 185, 192.

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Unabhängig von der Art der Sanktion kommt es aber immer wieder zu Rückfällen,257 sodass zumindest der pauschale Hinweis auf den Gedanken des Opferschutzes, der bei der Abwägung zu berücksichtigen sei, verfehlt ist.258 Etwas anders könnte sich aber aus dem Strafzweck der Generalprävention ergeben. Die negative Generalprävention stellt auf die Abschreckung potenzieller Täter ab,259 und die positive Generalprävention betrifft die Stärkung des Rechtsbewusstseins der Allgemeinheit.260 Die aktuelle Strafrechtswissenschaft bezieht sich maßgeblich auf die positive Generalprävention,261 und auch die Rechtsprechung stellt zum Teil auf die positive Generalprävention ab.262 Deshalb soll zunächst auf die positive Generalprävention eingegangen werden: Die positive Generalprävention dient mittelbar dem Opferschutz, weil sie die Geltung von Verbotsnormen bestätigt.263 Auch hier stellt sich jedoch das Problem der fehlenden empirischen Nachweisbarkeit.264 Ausgehend von der sozialwissenschaftlichen Forschung geht die herrschende Lehre aber immerhin von der Plausibiltät der Theorie der positiven Generalprävention aus.265 Allerdings deuten Studien darauf hin, dass die grundlegenden Moralvorstellungen, die letztlich auch die persönliche Kriminalitätsentwicklung beeinflussen, im Kindesalter gebildet werden.266 Davon ausgehend ist es unwahrscheinlich, dass fehlende oder zu wenige Aburteilungen diese Moralvorstellungen in Frage stellen. 257 Bei Schneider, in: Göppinger/Bock, § 34, findet sich eine Übersicht zu den verschiedenen Sanktionen und deren Folgen. 258 So auch: Grünewald, ZStW 120 (2008), 545, 579. 259 Siehe die Tabelle bei: Bock, Kriminologie, Rn. 871; siehe ebenfalls: Ambos/Steiner, JuS 2001, 9, 12; vgl. auch: Lesch, JA 1994, 510, 516. 260 Siehe dazu ebenfalls die Tabelle bei: Bock, Kriminologie, Rn. 871; siehe dazu auch: BGHSt 34, 150, 151; Lesch, JA 1994, 510, 517 f.; Strathenwerth/Kuhlen, Strafrecht AT, S. 12 m.w. N. 261 Siehe anstatt aller: Jakobs, Strafrecht AT, S. 9 f., und die zahlreichen Nachweise bei: Streng, Strafrechtliche Sanktionen, Rn. 24 Fn. 69; vgl. dazu ebenfalls: Hassemer/ Neuman, in: in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, Vor § 1 Rn. 288; Hörnle/von Hirsch, GA 142 (1995), 261; Krey/Esser, Deutsches Strafrecht AT, Rn. 141; Roxin, Strafrecht AT I, § 3 Rn. 26. 262 Siehe: BVerfGE 45, 187, 256; 110, 1, 20; BGHSt 24, 40, 44 ff.; 34, 150, 151; vgl. auch: BGHSt 6, 126, 126 f.; 22, 192, 198; 24, 64, 66. 263 Für eine konkretere und umfassendere Berücksichtigung des Opfers bei den Straftheorien: Hörnle, JZ 2006, 950 ff. 264 BVerfGE 45, 187, 255 f.; Frister, Strafrecht AT, S. 27; Hörnle, Straftheorien, S.26; Hörnle/von Hirsch, GA 142 (1995), 261, 262; kritisch auch: Strathenwerth/Kuhlen, Strafrecht AT, S. 12 m.w. N. Roxin, Strafrecht AT I, § 3 Rn. 30, betont umgekehrt, dass die Theorie der positiven Generalprävention nur schwierig zu widerlegen sei. 265 Siehe nur: Frister, Strafrecht AT, S. 27; vgl. auch: Hörnle, Straftheorien, S. 26; Roxin, GA 162 (2015), 185, 191; ders., Strafrecht AT I, § 3 Rn. 28. 266 Siehe dazu nur: Hörnle, Straftheorien, S.27, hier auch zum Folgenden.

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Zudem stellt der Umstand, dass ein Großteil der begangenen Straftaten nicht angeklagt wird,267 (auch) die positive Generalprävention in Frage, weil es offensichtlich, auch wenn viele Normverstöße keine Sanktion nach sich ziehen, nicht zu einer Erosion des normgemäßen Verhaltens kommt. Aber selbst wenn man die positive Generalprävention als Strafzweck anerkennt, kann man die Berücksichtigung des Opferschutzes nicht allein auf die positive Generalprävention stützen: Da im Rahmen der positiven Generalprävention der Bezug zur Schuld des Täters fehlt, wird der Angeklagte nicht mehr als Subjekt sondern als Objekt staatlichen Handelns wahrgenommen,268 was in letzter Konsequenz zu einem Verstoß gegen die Menschenwürde führt.269 Auch die positive Generalprävention kann somit nicht dafür angeführt werden, den Opferschutz im Rahmen der Verhältnismäßigkeit zu berücksichtigen. Die negative Generalprävention muss sich teilweise der gleichen Kritik aussetzen: Zwar dient auch die Abschreckung potenzieller Täter mittelbar dem Opferschutz; auch hier fehlt aber die Berücksichtigung der individuellen Schuld des Täters.270 Außerdem setzt die Theorie der negativen Generalprävention voraus, dass der Täter sich vor Begehung der Tat mit den Risiken und Folgen der Tat auseinandersetzt. Dis ist aber in der Regel nicht der Fall.271 Der Gedanke der negativen Generalprävention überzeugt daher ebenfalls nicht. Insgesamt fasst Albrecht die empirischen Befunde zu einer Verhaltenssteuerung durch das Strafrecht treffend und pointiert zusammen:272 Bei optimistischer Betrachtungsweise könne man von einer Wirkungslosigkeit strafrechtlicher Sanktionen ausgehen, bei einer pessimistischen Sichtweise von „kontraproduktive[n] Effekt[en]“ 273. Es ist somit festzuhalten, dass der Opferschutz keinen Einfluss auf das Ergebnis der Verhältnismäßigkeitsprüfung hat: Auch bei Einschränkung auf Verbrechen verstieße ein mit § 359 Nr. 5 StPO vergleichbarer Wiederaufnahmegrund zuungunsten des Angeklagten gegen Art. 103 III GG, weil er der praktischen Konkordanz zwischen materieller Gerechtigkeit und Rechtssicherheit nicht gerecht würde. Daran ändert auch Art. 4 II EMRK-Pr. 7 nichts, der unter anderem die Wiederaufnahme des Verfahrens nach dem Gesetz und dem Strafverfahrensrecht 267

Ausführlich zu dem Ausfilterungsprozess: Albrecht, Kriminologie, S. 150 ff. Ambos/Steiner, JuS 2001, 9, 12; Lesch, JA 1994, 510, 519; vgl. auch: Roxin, GA 162 (2015), 185, 193, vgl. aber auch 194 ff. 269 Murmann, Grundkurs Strafrecht, S. 28. 270 Vgl. nur: Ambos/Steiner, JuS 2001, 9, 12; Strathenwerth/Kuhlen, Strafrecht AT, S. 11. 271 Lesch, JA 1994, 510, 517; Strathenwerth/Kuhlen, Strafrecht AT, S. 11; relativierend: Hörnle, Straftheorien, S.24 f.; anders: Frister, Strafrecht AT, S. 21 ff. 272 Albrecht, Kriminologie, S. 52. 273 Albrecht, Kriminologie, S. 52. 268

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des betreffenden Staates erlaubt, falls neue oder neu bekannt gewordene Tatsachen vorliegen: Erstens verbietet sich eine Auslegung des Grundgesetzes anhand der EMRK, die zu einer Absenkung des Grundrechtsstandards führen würde,274 und zweitens hat die Bundesrepublik Deutschland das EMRK-Pr. 7 (noch) nicht ratifiziert.275 Zuletzt soll nun (noch einmal) auf die Gesetzesinitiativen des Bundesrates276 und des Bundestages277 und deren Vereinbarkeit mit Art. 103 III GG eingegangen werden: Nach § 362 Nr. 5 Satz 1 StPO des Entwurfs des Bundesrates278 sollte die Wiederaufnahme des Strafverfahrens zugelassen werden, wenn auf der Grundlage neuer, wissenschaftlich anerkannter technischer Untersuchungsmethoden, die bei Erlass des Urteils, in dem die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen letztmalig geprüft werden konnten, nicht zur Verfügung standen, neue Tatsachen oder Beweismittel beigebracht wurden, die allein oder in Verbindung mit den früher erhobenen Beweisen zur Überführung des Freigesprochenen geeignet waren. Dieser Wiederaufnahmegrund sollte aber nach § 362 Nr. 5 Satz 2 des Entwurfs279 auf Fälle des vollendeten Mordes, des Völkermordes nach § 6 I Nr. 1 VStGB, des Verbrechens gegen die Menschlichkeit nach § 7 I Nr. 1 VStGB oder des Kriegsverbrechens gegen eine Person nach § 8 I Nr. 1 VStGB oder die mit lebenslanger Freiheitsstrafe zu ahndende vollendete Anstiftung zu einer dieser Taten beschränkt werden. Außerdem sollte es nach § 370 I StPO-E280 im Falle des § 362 Satz 1 Nr. 5 dringender Gründe für die Annahme bedürfen, dass der Freigesprochene verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt werden wird, weil seine Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist. Nach § 362 des Entwurfs des Bundestages281 sollte die Wiederaufnahme zuungunsten des Angeklagten bei vorherigem Freispruch zugelassen werden, wenn neue Tatsachen oder Beweismittel beigebracht wurden, die allein oder in Verbindung mit den früher erhobenen Beweisen jeden begründeten Zweifel ausschlossen, dass der Angeklagte in einer neuen Hauptverhandlung der Begehung eines Mordes (§ 211 StGB) oder Völkermordes (§ 220a StGB a. F.) überführt werden 274 Vgl.: BVerfGE 111, 307, 317; 120, 180, 200 f.; 128, 326, 368; BVerfGK 10, 66, 77; 14, 60, 70; 14, 539, 544; 17, 1, 7. 275 Siehe die Übersicht des Vertragsbüros des Europarats, abrufbar unter: http://con ventions.coe.int/Treaty/Commun/ChercheSig.asp?NT=117&CM=8&DF=&CL=GER, zuletzt aufgerufen am 09.07.2016. Zu den Gründen der bisher nicht erfolgten Ratifikation siehe: Esser, in: „Ne bis in idem“ in Europa, S. 27, 28 Fn. 28. 276 BR-Drs. 655/07. 277 BT-Drs. 13/3594. 278 Siehe: BR-Drs. 655/07, S. 7. 279 Siehe wiederum: BR-Drs. 655/07, S. 7. 280 BR-Drs. 655/07, S. 8. 281 BT-Drs. 13/3594, S. 3.

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würde. Der Antrag auf Wiederaufnahme des Strafverfahrens nach § 362 StPO-E sollte nach § 370 I 2 StPO-E282 begründet sein, wenn die darin aufgestellten Behauptungen genügende Bestätigung gefunden hatten. Im Vergleich zu den bereits geprüften Änderungsmöglichkeiten ergibt sich also bei der Gesetzesinitiative des Bundesrates eine Einschränkung bezüglich der Art der neuen Beweise, bezüglich der Delikte, bei denen eine Wiederaufnahme statthaft sein soll, bezüglich der Anforderungen an eine zu erwartende Verurteilung und bezüglich der ursprünglich Angeklagten, weil die Regelung nur für Freigesprochene und nicht für bereits Verurteilte gelten sollte.283 Bei dem Entwurf des Bundestages findet sich zumindest auch eine Einschränkung bezüglich der Anknüpfungsdelikte und bezüglich der ursprünglich Angeklagten, weil auch dieser Entwurf auf zuvor Freigesprochene begrenzt war. Diese Aspekte sind daher im Rahmen der praktischen Konkordanz zwischen materieller Gerechtigkeit und Rechtssicherheit zu berücksichtigen. Sie stellen alle eine erhebliche Einschränkung des Wiederaufnahmegrundes aufgrund neuer Beweise dar. Sofern jegliche neue Beweise die Wiederaufnahme bei diesen Straftaten ermöglichen, ist dagegen jedoch einzuwenden, dass Freisprüche in Bezug auf diese Delikte jeden Wert verlieren.284 Bereits deshalb trägt der Vorschlag des Bundestages der erforderlichen praktischen Konkordanz zwischen Rechtssicherheit und materieller Gerechtigkeit nicht hinreichend Rechnung. In dem Entwurf des Bundesrates findet sich hingegen eine Beschränkung auf die Art der Beweise. Nur in Ausnahmefällen wäre die Wiederaufnahme nach § 362 Nr. 5 StPO-E statthaft. Dies allein führt aber zu keinem anderen Ergebnis im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung. Dass dies auch – wie oben bereits erörtert – für Belange des Opferschutzes im Rahmen der Herstellung praktischer Konkordanz gilt, wird in Bezug auf den geplanten neuen Wiederaufnahmegrund durch weitere Überlegungen gestützt: Die Gefahr eines Rückfalls ist im Bereich der in § 362 Nr. 5 Satz 2 StPO-E aufgeführten Delikte als gering einzustufen. Dies liegt bei dem Straftatbestand des Mordes daran, dass dem Geschehen häufig eine Beziehungstat zugrunde liegt, und für Straftaten nach dem Völkerstrafgesetzbuch an den oftmals sehr speziellen Rahmenbedingungen, unter denen es zu den Verbrechen kam.285 Mit der Be282

BT-Drs. 13/3594, S. 3. Siehe ebenfalls zu den Einschränkungen: BR-Drs. 222/10, S. 9. 284 So auch: Künast, StV 2015 (Heft 11), I (Editorial); Scherzberg/Thiée, ZRP 2008, 80, 81. 285 Siehe für Straftaten nach dem Völkerstrafgesetzbuch: Hoven, ZStW (125) 2013, 137, 145 f.; zur Rückfallquote bei Tötungsdelikten vgl.: Jehle u. a., Legalbewährung nach strafrechtlichen Sanktionen, S. 145, wonach 82% der wegen eines Tötungsdelikts Verurteilten nicht rückfällig werden. Einschlägige Rückfälle in Form der Begehung wei283

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gehung weiterer Straftaten ist in diesen Deliktsbereichen regelmäßig nicht (mehr) zu rechnen, sodass der Opferschutz – bezogen auf den einzelnen Täter – ohnehin verwirklicht wird, weil dieser nicht mehr straffällig in Erscheinung tritt. Insofern könnten allenfalls generalpräventive Aspekte bezüglich des Opferschutzes berücksichtigt werden. Auch dies ist aber aus den oben genannten Gründen abzulehnen. Beide Entwürfe knüpfen ausnahmslos an Delikte an, die allesamt nicht verjähren.286 Dies führt dazu, dass Freigesprochene in diesen Bereichen ihr gesamtes Leben lang mit einer Wiederaufnahme des Strafverfahrens rechnen müssen.287 Hier ist aber wiederum zu berücksichtigen, dass die Unverjährbarkeit kein Regelungsgegenstand des Entwurfs ist. Vielmehr hat der Gesetzgeber in der Vergangenheit bereits entschieden, dass die angeführten Taten nicht verjähren sollen. Insofern müssen auch Täter, die (noch) nicht angeklagt wurden, ihr Leben lang mit einer Anklage rechnen.288 Daher kann dieser Aspekt bei der Herstellung praktischer Konkordanz zwischen Rechtssicherheit und materieller Gerechtigkeit nicht berücksichtigt werden. Eschelbach weist zudem darauf hin, dass Mord und Straftaten nach dem Völkerstrafgesetzbuch nicht zwangsläufig zu denjenigen Delikten zählen, die das Gerechtigkeitsempfinden der Bevölkerung in besonders hohem Maße beeinträchtigen.289 Unabhängig davon, ob dieser Aussage zuzustimmen ist, steht aber auch dieser Aspekt in keinem Zusammenhang mit der Abwägung zwischen materieller Gerechtigkeit und Rechtssicherheit und kann daher nicht berücksichtigt werden.290 Ausschlaggebend ist vielmehr, dass die aktuellen Wiederaufnahmegründe in § 362 Nr. 1–3 StPO alle Fehler im Ausgangsverfahren betreffen.291 Da das ursprüngliche Urteil unter Gesetzesverstößen zustande gekommen ist, wird der materiellen Gerechtigkeit der Vorrang gegenüber der Rechtssicherheit eingeräumt.292 Dies gilt unabhängig davon, ob der Freigesprochene oder Verurteilte

terer Tötungsdelikte wurden nur bei 0,3% der wegen eines Tötungsdelikts Verurteilten festgestellt. Zu der Tatsache, dass Tötungsdelikte meist Beziehungstaten darstellen siehe: Brettel, in: Göppinger/Bock, § 28 Rn. 11; Schwind, Kriminologie, § 19 Rn. 18. Anders zur Rückfallwahrscheinlichkeit wohl: Stellungnahme Kintzi, S. 4. 286 Siehe: § 78 II StGB und § 5 VStGB. Dies war auch in Bezug auf die Regelung des Völkermordes in § 220a StGB a. F. nicht anders, siehe nur den Abdruck der §§ 220a I und 78 II StGB bei: Tröndle, StGB48. 287 Vgl. dazu auch: Scherzberg, ZRP 2010, 271. 288 Exemplarisch sei nur auf die auch heute noch nicht abgeschlossenen Ermittlungen gegen potenzielle NS-Verbrecher wegen Mordes verwiesen. 289 Eschelbach, in: KMR V, § 362 Rn. 42. 290 Siehe zum Folgenden bereits unter D. I. und unter G. III. 1. 291 Vgl. dazu auch: Stellungnahme Marxen. S. 4 und 14. 292 Ähnlich Frister, in: SK-StPO VII, § 362 Rn. 1 und 10.

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einen Beitrag zu der Fehlerhaftigkeit des ursprünglichen Urteils geleistet hat oder nicht.293 Der Wiederaufnahmegrund des Geständnisses nach § 362 Nr. 4 StPO liegt allein im Verantwortungsbereich des Angeklagten, weil er darüber entscheidet, ob er ein Geständnis ablegt oder nicht.294 Mit Abgabe des Geständnisses verzichtet er auf die erlangte Rechtssicherheit.295 Diese Überlegung lässt den Wiederaufnahmegrund des Geständnisses als verhältnismäßig erscheinen.296 Der geplante § 362 Nr. 5 StPO und auch der Entwurf des Bundestages, der nur noch einen einzigen Wiederaufnahmegrund aufgrund neuer Beweise in § 362 StPO normiert, knüpfen demgegenüber an Tatsachen an, die weder die Justizförmigkeit des ursprünglichen Prozesses noch den Risikobereich des Angeklagten betreffen.297 Der Freigesprochene hat keinen Einfluss darauf, ob neue Untersuchungsmethoden entwickelt werden,298 und er hat im Regelfall auch keinen Einfluss darauf, ob generell neue Beweise gefunden werden. Außerdem hat er auch nicht den Anspruch auf Rechtssicherheit durch eigene Handlungen verwirkt. In293 Dies ergibt sich aus dem Rechtsgedanken der Verwirkung für den Fall, dass der Verurteilte oder Freigesprochene Einfluss auf die Fehlerhaftigkeit des Urteils genommen hat, siehe dazu auch: Grünewald, ZStW 120 (2008), 545, 574 f. In den anderen Fällen kann man für dieses Ergebnis anführen, dass nur justizförmig abgelaufene Verfahren die Rechtssicherheit auslösen sollen. Ausführlich dazu oben unter D. II. 2. 294 Siehe dazu auch die Erwägungen in den Materialien zur Einführung der Strafprozeßordnung: Die gesamten Materialien zu den Reichs-Justizgesetzen III 1, S. 265; vgl. ebenfalls: Denkschrift Strafrechtsausschuss der Bundesrechtsanwaltskammer, S. 76; Hohmann, in: Radtke/Hohmann, § 362 Rn. 1; Mansdörfer, Das Prinzip des ne bis in idem, S. 50; Roggon, BLJ 2011, 50, 55; Scherzberg/Thiée, ZRP 2008, 80, 82; Stellungnahme BRAK, S. 4, die aber alle Wiederaufnahmegründe in § 362 StPO – unabhängig davon, ob dem Angeklagten die Wiederaufnahmegründe nach § 362 Nr. 1–3 StPO zuzurechnen sind – dem Verantwortungsbereich des Angeklagten zuordnet; vgl. weiterhin: Stellungnahme Scherzberg, S. 5. Siehe zum Ganzen bereits oben unter D. I. 295 Mansdörfer, Brutaler Rechtsstaat; ähnlich: Grünewald, RuP 2009, 1, 3; vgl. auch: Mayer, GerS 99 (1930), 299, 324. 296 Kritisch zu dem Wiederaufnahmegrund des Geständnisses: Eschelbach, in: KMR V, § 362 Rn. 84 ff.; Greco, Strafprozesstheorie und materielle Rechtskraft, S. 984 f.; Meyer, Wiederaufnahmereform, S. 79; ders., ZStW 84 (1972), 909, 928; Peters, Fehlerquellen II, S. 9. 297 So auch: Eschelbach, in: FS Stöckel, S. 199, 223 f.; Grünewald, ZStW 120 (2008), 545, 578; vgl. auch: Roggon, BLJ 2011, 50, 55. Ähnlich allgemein in Bezug auf einen Wiederaufnahmegrund wegen neuer Tatsachen oder Beweise: Hohmann, in: Radtke/Hohmann, § 362 Rn. 1. Vgl. auch: Stellungnahme BRAK, S. 4; Stellungnahme Marxen. S. 15, bezüglich der Vergleichbarkeit des § 362 Nr. 5 StPO-E mit den Wiederaufnahmegründen in § 362 Nr. 1–3 StPO. A. A. und neue Tatsachen und Beweismittel wohl dem Risikobereich des Angklagten zuordnend: BR-Drs. 222/10, S. 8 f., in der der ursprüngliche Gesetzesantrag aus der BR-Drs. 655/07, der der Diskontinuität verfallen war, unter Berücksichtigung der Kritik an dem damaligen Entwurf wiederaufgenommen wurde; siehe dazu: Frister, in: SK-StPO VII, Vor § 359 Rn. 31. 298 Treffend insofern: Grünewald, ZStW 120 (2008), 545, 578 f.; dies., RuP 2009, 1, 3; vgl. auch: Stellungnahme BRAK, S. 4.

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sofern ist es nicht begründbar, die Rechtssicherheit in einem solchen Fall hinter der materiellen Gerechtigkeit zurücktreten zu lassen.299 Es kann keinen Einfluss auf die Abwägung zwischen materieller Gerechtigkeit und Rechtssicherheit haben, wenn (aufgrund der fortschreitenden technischen Entwicklung) neue Beweise gefunden werden, denn das Auffinden neuer Beweise schmälert nicht den Stellenwert der Rechtssicherheit im Verhältnis zur materiellen Gerechtigkeit. Zwar erhält die materielle Gerechtigkeit durch das Auffinden neuer Beweise einen höheren Stellenwert, weil das bisherige Ergebnis des vollstreckbaren – und damit rechtskräftigen –300 Urteils als ungerecht erscheint. Diese Überlegung setzt aber voraus, dass die Unrichtigkeit des ersten Urteils bekannt ist. Dies ist jedoch, wie oben bereits dargestellt,301 nicht der Fall. Unabhängig davon führt der potenzielle höhere Stellenwert der materiellen Gerechtigkeit nicht gleichzeitig zu einer Abstufung der Rechtssicherheit, sodass der Rechtssicherheit der Vorrang gegenüber der materiellen Gerechtigkeit einzuräumen ist. Sowohl der Entwurf des Bundesrates als auch der des Bundestages würden damit der herzustellenden praktischen Konkordanz zwischen materieller Gerechtigkeit und Rechtssicherheit nicht gerecht werden. Im Ergebnis läge folglich in allen geprüften Erweiterungen des § 362 StPO in Bezug auf neue Beweise ein Verstoß gegen Art. 103 III GG. Eine entsprechende Erweiterung wäre folglich verfassungswidrig.302 Dieses Ergebnis schließt eine weitere entsprechende Gesetzesinitiative indes nicht zwangsläufig aus. So äußerte sich der damalige rechtspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Jürgen Gehb zu der Gesetzesinitiative des Bundesrates303 dahingehend, dass man bei einem solchen Gesetz riskieren müsse, dass das Bundesverfassungsgericht es für verfassungswidrig erklärt.304 Hier zeigt sich die in letzter Zeit zu beobachtende Tendenz, dass verfassungsrechtlich bedenkliche Gesetze trotzdem verabschiedet werden. Die Aufgabe der ausführlichen Auseinandersetzung mit der Verfassungsmäßigkeit, die zunächst einmal dem Gesetzgeber zukommt,305 wird dadurch ausschließlich auf das Bun299 Vgl. dazu auch: Hohmann, in: Radtke/Hohmann, § 362 Rn. 1; Niedersächsischer Landtag Drs. 17/5501, S. 7, abrufbar unter: www.landtag-niedersachsen.de/Druck sachen/Drucksachen_17_7500/5501-6000/17-5501.pdf, zuletzt aufgerufen am 09.07. 2016. 300 Siehe zur Vollstreckbarkeit als Kriterium für den Eintritt der Rechtskraft oben unter D. II. 2. 301 Siehe ebenfalls unter D. II. 2. 302 So auch: Niedersächsischer Landtag Drs. 17/5501, S. 4 f., abrufbar unter: www. landtag-niedersachsen.de/Drucksachen/Drucksachen_17_7500/5501-6000/17-5501.pdf, zuletzt aufgerufen am 09.07.2016. 303 BR-Drs. 655/07. 304 Vgl. Dahlkamp, DER SPIEGEL 47/2008, Der letzte Versuch. 305 Der Gesetzgeber ist an die verfassungsmäßige Ordnung gebunden, siehe nur: Schnapp, in: von Münch/Kunig, GGK I, Art. 20 Rn. 59.

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desverfassungsgericht übertragen, wenn vor dem Hintergrund des Umstands, dass das Bundesverfassungsgericht das Gesetz ohnehin überprüft, keine eigenständige Kontrolle durch den Gesetzgeber (mehr) erfolgt. Zwar ist das Bundesverfassungsgericht für die Überprüfung von Verfassungsverstößen zuständig; es ist aber sicherlich nicht die Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts, die Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen anstelle des Gesetzgebers zu überprüfen.306 Jedenfalls sind die dargestellten Gesetzesinitiativen aber nicht verfassungskonform umzusetzen. Ob die Politik trotzdem versucht, eine entsprechende Erweiterung des § 362 StPO zu verabschieden, bleibt abzuwarten. Es lastet zumindest ein gewisser gesellschaftlicher Druck auf der Politik, sich mit einer Erweiterung nochmals auseinanderzusetzen, da die Petition zur Erweiterung des § 362 StPO bereits 103.870 Personen unterzeichnet haben307 und eine repräsentative Umfrage ergab, dass sich 91% der Befragten für eine Erweiterung des § 362 StPO aussprachen.308 3. Vereinbarkeit einer Erweiterung mit Art. 14 VII IPbpR, Art. 4 EMRK-Pr. 7 und Art. 50 GRC in seiner innerstaatlichen Wirkung Im Folgenden soll die Vereinbarkeit einer Erweiterung des § 362 StPO auf neue Beweise mit innerstaatlichen Ne-bis-in-idem-Regelungen aus dem Europaund dem Völkerrecht – namentlich mit den bereits oben im Rahmen des geltenden § 362 StPO thematisierten Normen des Art. 14 VII IPbpR, des Art. 4 EMRK-Pr. 7 und des Art. 50 GRC in seiner innerstaatlichen Wirkung – überprüft werden. Bezüglich der Vereinbarkeit des geltenden § 362 StPO mit Art. 14 VII IPbpR wurde oben aus der verbindlichen309 englischen Fassung310 des Art. 14 VII IPbpR abgeleitet, dass § 362 StPO in seiner jetzigen Fassung mit Art. 14 VII IPbpR vereinbar ist.311

306 Zu sogenannten Gesetzgebungsexperimenten siehe: Kloepfer, in: VVDStRL 40 (1982), S. 65, 93 ff. 307 Die Petition ist abrufbar unter: https://www.change.org/p/heikomaas-gerechtig keit-für-meine-ermordete-tochter-frederike-der-mord-muss-gesühnt-werden-können, zuletzt aufgerufen am 27.04.2016. 308 Die Umfrage ist abrufbar unter: https://www.abgeordnetenwatch.de/sites/abgeord netenwatch.de/files/petitionplus-stpo-umfrageergebnisse-infratest-2016-04-08.pdf, zuletzt aufgerufen am 09.07.2016. 309 Siehe Art. 53 I IPbpR und auch: Esser, in: Löwe-Rosenberg XI, EMRK Einf./ Einf. IPBPR Rn. 184 ff. 310 „[. . .] in accordance with the law and penal procedure of each country“, die englische Fassung ist abrufbar unter: http://www.ohchr.org/EN/ProfessionalInterest/Pages/ CCPR.aspx, zuletzt aufgerufen am 09.07.2016. 311 Siehe oben unter D. III. 1.

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In der Gesetzesinitiative des Bundesrats aus dem Jahr 2010,312 die sich mit europa- und völkerrechtlichen Ne-bis-in-idem-Regelungen auseinandersetzte,313 erfolgte keine Stellungnahme zu der Vereinbarkeit mit Art. 14 VII IPbpR. Sofern man aus dem englischen Wortlaut des Art. 14 VII IPbpR (in accordance with the law and penal procedure of each country) ableiten würde, dass der Vorbehalt auch zukünftige Änderungen erfasse, liefe der Schutz des Art. 14 VII IPbpR aber komplett leer. Das Recht aus Art. 14 VII IPbpR stände unter dem Vorbehalt der Änderungen der Strafprozessordnungen der Staaten. Der Ne-bis-inidem-Grundsatz könnte nach Belieben eingeschränkt werden. Trotzdem muss man berücksichtigen, dass der bindende Gesetzestext des Art. 14 VII IPbpR den Ne-bis-in-idem-Grundsatz ausdrücklich unter den Vorbehalt des innerstaatlichen Rechtes stellt. Es würde eine zu große Einschränkung des Gesetzgebers darstellen, wenn man insofern davon ausgehen würde, dass das innerstaatliche Recht nicht mehr geändert werden dürfe. Es ist vielmehr anzunehmen, dass die entsprechenden nationalen Vorschriften geändert werden dürfen, der Grundsatz dabei aber nicht vollkommen ausgehöhlt werden darf. Dies wäre aber bei einem mit § 359 Nr. 5 StPO vergleichbaren Wiederaufnahmegrund zuungunsten des Angeklagten der Fall, sodass in einer solchen Änderung ein Verstoß gegen Art. 14 VII IPbpR läge. Bezüglich einer Einschränkung eines mit § 359 Nr. 5 StPO vergleichbaren Wiederaufnahmegrundes auf Verbrechen könnte man annehmen, dass kein Verstoß gegen Art. 14 VII IPbpR vorläge, weil der Schutz in den von einem solchen Wiederaufnahmegrund nicht erfassten Bereichen nach wie vor Geltung beanspruchen würde. Bei der Prüfung, ob eine Regelung den Schutz des Art. 14 VII IPbpR aushöhlt, kann jedoch keine allgemeine Betrachtungsweise zugrunde gelegt werden. Vielmehr darf der Schutz durch Art. 14 VII IPbpR auch in einzelnen Teilbereichen nicht leerlaufen. Wie oben bereits geschildert, bestände der Schutz in Bezug auf Verbrechen aber nur noch in der Theorie, da der Wiederaufnahmegrund wegen neuer Tatsachen oder Beweismittel sehr weit gefasst ist. Auch bei einer Einschränkung auf Verbrechen verstieße ein an § 359 Nr. 5 StPO angelehnter Wiederaufnahmegrund daher gegen Art. 14 VII IPbpR. Allerdings ist die Gesetzesinitiative des Bundesrates314 aufgrund ihrer zahlreichen Einschränkungen315 mit Art. 14 VII IpbpR vereinbar. Die Erwägungen, die 312 BR-Drs. 222/10, in der der ursprüngliche Gesetzesantrag aus der BR-Drs. 655/ 07, der der Diskontinuität verfallen war, unter Berücksichtigung der Kritik an dem damaligen Entwurf wiederaufgenommen wurde; siehe dazu: Frister, in: SK-StPO VII, Vor § 359 Rn. 31. 313 Siehe: BR-Drs.: 222/10, S. 10 f. 314 BR-Drs. 655/07. 315 Einschränkung bezüglich der Art der neuen Beweise, bezüglich der Delikte, bei denen eine Wiederaufnahme statthaft sein soll, bezüglich der Anforderungen an eine zu

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letztlich zu der Verfassungswidrigkeit der Gesetzesinitiative mangels Herstellung praktischer Konkordanz zwischen Rechtssicherheit und materieller Gerechtigkeit führen,316 sind nicht auf Art. 14 VII IPbpR übertragbar. Somit läge in einem auf § 359 Nr. 5 StPO basierenden Wiederaufnahmegrund (auch bei einer Einschränkung auf Verbrechen) ein Verstoß gegen Art. 14 VII IPbpR. Dagegen wäre die Gesetzesinitiative des Bundesrates zumindest mit Art. 14 VII IPbpR vereinbar. In Bezug auf die Vereinbarkeit einer Erweiterung des § 362 StPO auf neue Beweise mit Art. 4 EMRK-Pr. 7 ist nochmals darauf hinzuweisen, dass die Bundesrepublik Deutschland das Protokoll (bisher) nicht ratifiziert hat.317 Sofern die Bundesrepublik Deutschland das Protokoll in Zukunft ratfiziert, wäre Art. 4 II EMRK-Pr. 7 als Prüfungsmaßstab für eine Erweiterung des § 362 StPO auf neue Beweise heranzuziehen. Nach Art. 4 II EMRK-Pr. 7 schließt Art. 4 I EMRK-Pr. 7 die Wiederaufnahme des Verfahrens nach dem Gesetz und dem Strafverfahrensrecht des betreffenden Staates nicht aus, falls neue oder neu bekannt gewordene Tatsachen vorliegen oder das vorausgegangene Verfahren schwere, den Ausgang des Verfahrens berührende Mängel aufweist.318 Nach den obigen Ausführungen verstößt der geltende § 362 StPO gegen Art. 4 II EMRK-Pr. 7, weil § 362 Nr. 3 StPO i.V. m. § 370 I StPO als absoluter Wiederaufnahmegrund ausgestaltet ist und Art. 4 II EMRK-Pr. 7 ausdrücklich vorschreibt, dass die Verfahrensmängel im Ausgangsverfahren den Ausgang des Verfahrens berühren müssen.319 Bei der Beantwortung der Frage, ob eine Ausweitung des § 362 StPO auf neue Beweise von dem Wiederaufnahmevorbehalt des Art. 4 II EMRK-Pr. 7 erfasst ist, fällt zunächst auf, dass in Art. 4 II EMRK-Pr. 7 nur von neuen Tatsachen die Rede ist. Neue Beweise sind zumindest von dem deutschen Wortlaut nicht erfasst. Anders als im Rahmen der Auslegung des Art. 14 VII IPbpR hilft auch die englische Fassung in Bezug auf Art. 4 II EMRK-Pr. 7 nicht weiter: Grundlage

erwartende Verurteilung und bezüglich der ursprünglich Angeklagten, weil die Regelung nur für Freigesprochene und nicht für bereits Verurteilte gelten sollte; siehe zu den einzelnen Einschränkungen auch: BR-Drs. 222/10, S. 9; ausführlich zum Ganzen oben unter G. III. 2. 316 Siehe ebenfalls oben unter G. III. 2. 317 Siehe nochmals die Übersicht des Vertragsbüros des Europarats, abrufbar unter: http://conventions.coe.int/Treaty/Commun/ChercheSig.asp?NT=117&CM=8&DF=&CL =GER, zuletzt aufgerufen am 09.07.2016. Zu den Gründen für die noch nicht erfolgte Ratifizierung siehe nochmals: Esser, in: „Ne bis in idem“ in Europa, S. 27, 28 Fn. 28. 318 Kritisch dazu: Liebau, „Ne bis in idem“, S. 96. 319 Siehe oben unter D. III. 1.

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der Auslegung der EMRK sind nur der englische und der französische Text.320 In der englischen Fassung heißt es:321 „The provisions of the preceding paragraph shall not prevent the reopening of the case in accordance with the law and penal procedure of the State concerned, if there is evidence of new or newly discovered facts, [. . .].“ Im englischen wird der Begriff „fact“ aber mit Tatsache oder Umstand übersetzt.322 Von dem Begriff des Umstands wären Beweise erfasst. Der Begriff der Tatsachen erfasst allerdings auch Umstände,323 sodass neue Beweise im Ergebnis unter den Vorbehalt des Art. 4 II EMRK-Pr. 7 fallen. In Anbetracht der Weite dieses Wiederaufnahmevorbehalts in Art. 4 II EMRKPr. 7 wäre jegliche Erweiterung des § 362 StPO auf neue Beweise – selbst ein Gleichlauf mit § 359 Nr. 5 StPO – konventionskonform.324 Zuletzt soll auf die Vereinbarkeit der Erweiterung des § 362 StPO um einen Wiederaufnahmegrund wegen neuer Beweise mit Art. 50 GRC in seiner innerstaatlichen Wirkung eingegangen werden. Oben wurde bereits festgestellt, dass § 362 StPO wegen des absoluten Wiederaufnahmegrundes in § 362 Nr. 3 StPO i.V. m. § 370 StPO und der fehlenden Einschränkung auf schwere Straftaten gegen Art. 50 GRC bezüglich rein nationaler Sachverhalte verstößt.325 Die Ansicht, wonach im Rahmen von innerstaatlichen Sachverhalten zur Rechtfertigung des Eingriffs in Art. 50 GRC Art. 4 II EMRKPr. 7 herangezogen werden könne,326 wurde ausdrücklich abgelehnt. Aufgrund dessen kann auf die Ausführungen zu der Vereinbarkeit einer Erweiterung auf neue Beweise mit Art. 103 III GG verwiesen werden. Die gleichen Überlegungen führen dazu, dass eine Erweiterung auf neue Beweise – unabhängig davon, wie diese konkret ausgestaltet wäre – nicht nur gegen Art. 103 III GG, sondern auch gegen Art. 50 GRC in seiner innerstaatlichen Wirkung verstieße.327

320 Siehe nur: Grabenwarter/Pabel, Europäische Menschenrechtskonvention, § 5 Rn. 2. Dies gilt natürlich auch für die Zusatzprotokolle. 321 Die englische Fassung des EMRK-Pr. 7 ist abrufbar unter: http://conven tions.coe.int/Treaty/en/Treaties/Html/117.htm, zuletzt aufgerufen am 09.07.2016. 322 Siehe nur: Bugg u. a., Langenscheidt, Alpmann, Fachwörterbuch Recht, S. 302. 323 Vgl. nur: Hohmann, in: Radtke/Hohmann, § 359 Rn. 28 m.w. N., in Bezug auf § 359 Nr. 5 StPO. 324 So auch: BR-Drs. 222/10, S. 10, in Bezug auf die Gesetzesinitiative des Landes Nordrhein-Westfalen. 325 Siehe hierzu und zum Folgenden oben unter D. III. 1. 326 So Blanke, in: Calliess/Ruffert, Art. 50 GRCh Rn. 4; Esser, in: Löwe-Rosenberg XI, EMRK Art. 6/Art. 14 IPBPR Rn. 1101, mit Verweis auf Jarass; Jarass, GRCh, Art. 50 Rn. 10; ders., NStZ 2012, 611, 616; Nehl, in: HEGR, § 58 Rn. 33; vgl. ebenfalls: Magiera, in: HGR VI/1, § 161 Rn. 85 und 88. 327 A. A. in Bezug auf die Gesetzesinitiative des Landes Nordrhein-Westfalen: BRDrs. 222/10, S. 10 f.

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4. Vereinbarkeit einer Erweiterung mit Art. 54 SDÜ, Art. 50 GRC und Art. 103 III GG in ihrer transnationalen Wirkung Nachdem die Vereinbarkeit einer Erweiterung des § 362 StPO auf neue Beweise mit innerstaatlichen Ne-bis-in-idem-Regelungen überprüft wurde, soll nun kurz auf die transnationalen Regelungen eingegangen werden. Voraussetzung für einen Verstoß gegen transnationale Ne-bis-in-idem-Regelungen ist aber – wie oben bereits ausgeführt – immer, dass man § 362 StPO auch transnational anwendet, man also über § 362 StPO die Wiederaufnahme ausländischer Urteile erlaubt. Mangels Wiederaufnahmevorbehalt im Schengener-Durchführungsübereinkommen wurde oben ein Verstoß des § 362 StPO gegen Art. 54 SDÜ angenommen, sofern man über § 362 StPO auch die Wiederaufnahme von Strafverfahren anderer Staaten erlauben will.328 Davon ausgehend verstieße auch jede Erweiterung des § 362 StPO gegen Art. 54 SDÜ.329 Wie bereits im Rahmen der innerstaatlichen Wirkung festgestellt, verstieße jede Erweiterung auf neue Beweise zudem gegen Art. 50 GRC in seiner transnationalen Wirkung.330 Der oben ausführlich begründete Verstoß einer Erweiterung des § 362 StPO auf neue Beweise gegen Art. 103 III GG in seiner innerstaatlichen Wirkung331 erstreckt sich zudem auch auf Art. 103 III GG in seiner transnationalen Wirkung.332 Im Ergebnis verstieße bei einem transnational verstandenem § 362 StPO jede Erweiterung auf neue Beweise gegen Art. 54 SDÜ und gegen Art. 50 GRC sowie Art. 103 III GG in ihrer transnationalen Wirkung. 5. Verstoß gegen Art. 3 I GG Sofern § 362 StPO trotz der oben ausgeführten Bedenken um einen Wiederaufnahmegrund wegen neuer Beweise erweitert würde, könnte dies zu einem Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 I GG führen, sofern die Wiederaufnahme wegen neuer Beweise auf bestimmte Straftaten beschränkt 328

Siehe dazu oben unter D. III. 3. Anders in Bezug auf die Gesetzesinitiative des Landes Nordrhein-Westfalen: BRDrs. 222/10, S. 11, weil Art. 54 SDÜ lediglich eine transnationale Ne-bis-in-idem-Regelung enthalte. Geht man davon aus, dass § 362 StPO nicht die Wiederaufnahme von Verfahren anderer Staaten erlaubt, wofür gute Gründe sprechen (siehe ausführlich dazu oben unter D. III. 3.), ist den Erwägungen in den Drucksachen zuzustimmen. 330 A. A. in Bezug auf die Gesetzesinitiative des Landes Nordrhein-Westfalen: BRDrs. 222/10, S. 10 f. 331 Siehe oben unter G. III. 2. 332 Ausführlich zu der transnationalen Wirkung des Art. 103 III GG oben unter D. III. 2. 329

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würde.333 Namentlich eine Beschränkung auf Verbrechen oder auf die im Entwurf des Bundesrates334 angeführten Straftaten soll im Hinblick auf Art. 3 I GG untersucht werden. Hinsichtlich des Entwurfs des Bundesrates bedarf außerdem einer Erörterung, ob die Beschränkung auf neue Tatsachen oder Beweismittel, die aufgrund neuer, wissenschaftlich anerkannter technischer Untersuchungsmethoden, die bei Erlass des Urteils noch nicht zur Verfügung standen, beigebracht werden, mit Art. 3 I GG vereinbar ist.335 Gleiches gilt für die Beschränkung der Wiederaufnahme auf vorangegangene Freisprüche. Bei vorangegangener Verurteilung sollte die Wiederaufnahme nach dem Entwurf nämlich nicht statthaft sein.336 Nach Hoffmann-Holland führen die geschilderten Aspekte zu einem „nicht aufzulösende[n] Widerspruch“ 337 zwischen Art. 3 I GG und dem Entwurf des Bundesrates.338 Diese These soll im Folgenden untersucht werden. Aus Art. 3 I GG ergibt sich, dass wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich behandelt werden muss.339 Wie bei anderen Grundrechten kommt aber auch in Bezug auf eine Ungleichbehandlung nach Art. 3 I GG eine Rechtfertigung in Betracht: Nach der sogenannten „Willkürformel“ verstößt eine Ungleichbehandlung gegen den allgemeinen Gleichheitssatz, wenn kein sachlicher Grund für die Ungleichbehandlung besteht.340 Nach der sogenannten „neuen Formel“ 341 liegt ein Verstoß gegen Art. 3 I GG vor, „wenn eine Gruppe von Normadressaten oder Normbetroffenen im Vergleich zu einer anderen anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und von solchem Gewicht bestehen, dass sie die

333 Generell zu den Auswirkungen des allgemeinen Gleichheitssatzes auf das Strafrecht: Sachs, in: HStR VIII, § 183 Rn. 113 ff. 334 BR-Drs.: 655/07. 335 Vgl. auch: Roggon, BLJ 2011, 50, 55 f. 336 Siehe: § 362 Nr. 5 StPO-E, BR-Drs. 655/07, S. 7; kritisch dazu, allerdings nicht unter dem Aspekt eines Verstoßes gegen Art. 3 I GG: Pabst, ZIS 2010, 126, 130. 337 Hoffmann-Holland, in: Graf, § 362 Rn. 11. 338 Hoffmann-Holland, in: Graf, § 362 Rn. 11; vgl. auch: Marxen, in: Protokoll der 130. Sitzung des Rechtsausschusses am 18. März 2009, S. 42. 339 Siehe nur: BVerfGE 129, 49, 68 m.w. N.; Heun, in: Dreier I, Art. 3 Rn. 20 m.w. N. 340 Vgl.: BVerfGE 89, 132, 141; Kloepfer, Verfassungsrecht II, § 59 Rn. 79 f. m.w. N. Ausführlich zur Willkürformel: Huster, Rechte und Ziele, S. 45 ff. 341 Der Begriff der „neuen Formel“ geht darauf zurück, dass das Bundesverfassungsgericht zunächst nur die Willkürformel zur Rechtfertigung heranzog und erst in der Entscheidung BVerfGE 55, 72, 88, einen anderen Maßstab entwickelte, vgl. nur: Zuck, MDR 1986, 723, 724.

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unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können.“ 342 Dies läuft im Ergebnis auf eine Verhältnismäßigkeitsprüfung hinaus.343 Die „neue Formel“ legt mit der Verhältnismäßigkeitsprüfung somit einen strengeren Maßstab als die „Willkürformel“ für die Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung an, weil nach der „Willkürformel“ bereits jeder sachliche Grund die Ungleichbehandlung rechtfertigt.344 Die Frage, ob die „neue Formel“ oder die „Willkürformel“ als Maßstab dient, ist anhand des Regelungsgegenstandes und der Differenzierungsmerkmale zu beantworten.345 Bei Differenzierungen, die sich den in Art. 3 III GG normierten personenbezogenen Merkmalen annähern, gilt tendenziell der strenge Maßstab der „neuen Formel“. Dabei wird der Prüfungsmaßstab strenger, je mehr sich die Unterscheidungskriterien denen des Art. 3 III GG annähern. Gleiches gilt bei der mittelbaren Ungleichbehandlung von Personengruppen. Außerdem wird der Prüfungsmaßstab strenger, wenn auch andere grundrechtliche Positionen betroffen sind. Bei verhaltensbedingten Ungleichbehandlungen gilt ein strengerer Maßstab, wenn die betreffenden Personen das Verhalten, nach dem differenziert wird, nicht beeinflussen können. Generell ist bei der Prüfung des allgemeinen Gleichheitssatzes zu beachten, dass damit notwendigerweise eine Wertung verbunden ist und damit kein rein objektiver Maßstab bei der Prüfung einer Verletzung des Art. 3 I GG zugrunde gelegt werden kann.346 Im Hinblick auf die Anknüpfungsstraftaten ergäbe sich eine Ungleichbehandlung von Personen, denen die Verwirklichung von Straftatbeständen vorgeworfen wird, die eine Wiederaufnahme ermöglichen, und Personen, denen die Verwirklichung von Straftatbeständen vorgeworfen wird, die keine Wiederaufnahme ermöglichen. Bei der Anwendung der dargestellten Kriterien auf die Ausweitung der nachteiligen Wiederaufnahme hinsichtlich neuer Beweise bei bestimmten Straftaten dient die „neue Formel“ als Maßstab: Zwar wird weder an die in Art. 3 III GG aufgeführten oder ähnliche Kriterien angeknüpft, noch liegt eine mittelbare Ungleichbehandlung von Personen vor; allerdings sind auch weitere grundrechtlich

342 BVerfGE 129, 49, 69 m.w. N.; Heun, in: Dreier I, Art. 3 Rn. 22 m.w. N.; Kloepfer, Verfassungsrecht II, § 59 Rn. 83 ff. m.w. N. 343 Vgl. nur: Heun, in: Dreier I, Art. 3 Rn. 22 m.w. N.; kritisch: Huster, Rechte und Ziele, S. 193 f. 344 Vgl. zu dem strengeren Maßstab auch: Heun, in: Dreier I, Art. 3 Rn. 22 m.w. N. 345 BVerfGE 88, 87, 96, hier auch zum Folgenden. 346 Vgl. Dann, in: Geschichtliche Grundbegriffe, S. 997; Dürig, in: Maunz/Dürig, Art. 3 Rn. 1; Krieger, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, Art. 3 Rn. 22.

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geschützte Positionen – insbesondere Art. 103 III GG – betroffen,347 und die Angeklagten haben – zumindest, wenn sie unschuldig sind – keinen oder wenig Einfluss darauf, welche Straftat ihnen zur Last gelegt wird. Zunächst ist die Anknüpfung an Verbrechen näher zu betrachten: Beschränkt man die nachteilige Wiederaufnahme wegen neuer Beweise auf Verbrechen, könnte darin unter Anwendung der „neuen Formel“ ein Verstoß gegen Art. 3 I GG liegen. Gegen einen Verstoß kann man freilich einwenden, dass zahlreiche materielle und prozessuale Normen des Strafrechts auf die Unterscheidung zwischen Vergehen und Verbrechen Bezug nehmen.348 In allen diesen Fällen könnte in der Konsequenz ebenfalls ein Verstoß gegen Art. 3 I GG liegen. Dieses etwas merkwürdig anmutende Ergebnis macht die inhaltliche Auseinandersetzung mit der Anknüpfung an den Verbrechensbegriff des § 12 I StGB aber nicht entbehrlich. Nach Heger ergibt sich bereits aus der Einteilung der Straftatbestände in § 12 StGB, dass die beiden Kategorien unterschiedlich behandelt werden dürfen.349 Dem kann aber im Ergebnis nicht zugestimmt werden, da das einfache Recht ansonsten darüber bestimmen könnte, ob ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz vorliegt oder nicht.350 Die Anknüpfung an die Unterscheidung zwischen Vergehen und Verbrechen verstieße insbesondere dann gegen den allgemeinen Gleichheitssatz, wenn bereits die Einteilung von Straftaten in Verbrechen und Vergehen gleichheitswidrig wäre. Diese Einteilung in § 12 StGB kann alleine aber gar nicht gleichheitswidrig sein, weil damit noch keine Ungleichbehandlung verbunden ist. Erst wenn andere Normen auf diese Unterscheidung Bezug nehmen und unterschiedliche Rechtsfolgen an die Einordnung knüpfen, kann diese Ungleichbehandlung gegen Art. 3 I GG verstoßen. Insofern ist aber zu untersuchen, ob es nicht generell gleichheitswidrig ist, eine unterschiedliche Behandlung an der Differenzierung zwischen Verbrechen und Vergehen festzumachen. Dafür könnte sprechen, dass der Unterschied zwischen Verbrechen und Vergehen „zunehmend nivelliert“ 351 wird.352 Dies liegt daran, dass zunehmend weniger auf die Unterscheidung Bezug genommen wird. Zu nennen ist beispielsweise 347 Zur systematischen Einordnung des Art. 103 III GG siehe oben unter D. II. Zur Vereinbarkeit des § 362 StPO mit Art. 103 III GG siehe oben unter D. II. 2. 348 Aufzählungen finden sich beispielsweise bei: Eser/Hecker, in: Schönke/Schröder, § 12 Rn. 4; Hilgendorf, in: LK, § 12 Rn. 2 f.; siehe dazu auch bereits oben unter F. II. 349 Heger, in: Lackner/Kühl, § 12 Rn. 1. 350 Zur Interpretation des Art. 103 III GG über das einfache Recht siehe oben unter D. II. 2. Vgl. zu dem Verhältnis zwischen einfachem Recht und Verfassung in einem anderen Kontext auch: Hettinger/Engländer, in: FS Meyer-Goßner, S. 145, 153 f. 351 Radtke, in: MüKo-StGB, § 12 Rn. 9. 352 Radtke, in: MüKo-StGB, § 12 Rn. 9; vgl. auch: BGH NStZ 2006, 393; Hilgendorf, in: LK, § 12 Rn. 4; anders: Tröndle, in: LK10, § 12 Rn. 6.

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die Einführung von besonders und minder schweren Fällen, die bei der Einteilung der Straftaten in Vergehen und Verbrechen nach § 12 III StGB nicht zu berücksichtigen sind,353 die Einführung der einheitlichen Freiheitsstrafe anstelle der Zuchthaus-, Gefängnis- und Haftstrafe und der Einschließung,354 die nicht mehr durchgehende Anknüpfung an die Unterscheidung im Bereich der Gerichtszuständigkeiten und der Untersuchungshaft355 oder die mittlerweile vollkommene Unabhängigkeit der Verjährung von der Einteilung.356 Wenn der Unterschied zwischen Verbrechen und Vergehen zunehmend verschwimmt, könnte er die Ungleichbehandlung der beiden Deliktstypen eventuell nicht mehr rechtfertigen. Es ist jedoch abzulehnen, dass die Änderung von Vorschriften zu der Verfassungswidrigkeit einer anderen Vorschrift – hier § 12 StGB – führen kann, wenn diese überhaupt nicht geändert wurde.357 Dies heißt in Bezug auf die Unterscheidung zwischen Vergehen und Verbrechen, dass der Verlust von Anknüpfungen an § 12 StGB nicht zu einer Gleichheitswidrigkeit der Differenzierung in § 12 StGB führen kann. Im Übrigen bezieht sich das Gesetz durchaus noch auf die Unterscheidung zwischen Vergehen und Verbrechen.358 Exemplarisch sei nur darauf hingewiesen, dass eine DNA-Reihenuntersuchung nach § 81h StGB nur bei den in § 81h I StGB genannten Verbrechen durchgeführt werden darf 359 und die Einstellungsmöglichkeiten der §§ 153 f. StPO nur für Vergehen gelten. Man könnte noch der Auffassung sein, dass die Ein-Jahres-Grenze gegen den Gleichheitssatz verstößt, weil man die Grenze auch bei einer anderen Anzahl von Jahren hätte ziehen können.360 Die Verfassungsmäßigkeit dieser Einteilung der Delikte lässt sich aber durch den höheren Unwertgehalt von Verbrechen erklären, 353 Vgl.: BGH, NStZ 2006, 393; Hilgendorf, in: LK, § 12 Rn. 4; Radtke, in: MüKoStGB, § 12 Rn. 9; zu den entsprechenden Änderungen des Strafgesetzbuches siehe nur: Furtner, JR 1969, 11. 354 Hilgendorf, in: LK, § 12 Rn. 4, allerdings ohne Verweis auf die Einschließung; vgl. auch: Radtke, in: MüKo-StGB, § 12 Rn. 9; anders: Tröndle, in: LK10, § 12 Rn. 6. Zu den damaligen Arten der Freiheitsstrafen und deren Abschaffung siehe nur: Häger, in: LK, Vor §§ 38 ff. Rn. 28 ff. 355 Hilgendorf, in: LK, § 12 Rn. 4; Radtke, in: MüKo-StGB, § 12 Rn. 9; zu den damaligen Anknüpfungen im Bereich der Gerichtszuständigkeiten und der Untersuchungshaft siehe: Mirow, Neue Formen der Dichotomie der Straftaten, S. 68 und 70. 356 Radtke, in: MüKo-StGB, § 12 Rn. 9; zu der damaligen Anknüpfung der Verjährung an die Unterscheidung siehe: Mirow, Neue Formen der Dichotomie der Straftaten, S. 76 f. 357 Vgl. dazu bereits oben unter G. III. 2. 358 Siehe nochmals die Auflistungen bei: Eser/Hecker, in: Schönke/Schröder, § 12 Rn. 4; Hilgendorf, in: LK, § 12 Rn. 2 f. 359 Zu der Verwertung sogenannter Beinahe-Treffer im Rahmen der DNA-Reihenuntersuchung siehe: Swoboda, StV 2013, 461 ff. 360 In diese Richtung: Mirow, Neue Formen der Dichotomie der Straftaten, S. 235, der aber keinen Verstoß gegen Art. 3 I GG annimmt.

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auch wenn diese Abgrenzung bei Delikten, die nur knapp ober- oder unterhalb der Jahresschwelle liegen, Probleme bereitet.361 Sofern in diesen Graubereichen „die [. . .] eintretenden Härten und Ungerechtigkeiten nur eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen betreffen und der Verstoß gegen den Gleichheitssatz nicht sehr intensiv ist“ 362, ist dieser Verstoß im Ergebnis gerechtfertigt, wenn die Härten nur mit großem Aufwand vermieden werden könnten.363 Genau dies ist bei der Unterscheidung zwischen Verbrechen und Vergehen der Fall; sie ist daher zulässig. Der unterschiedliche Unwertgehalt rechtfertigt die Ungleichbehandlung. Dagegen kann auch nicht eingewendet werden, dass im Grenzbereich kaum Unterschiede vorhanden sind; denn es entstehen bei jeder Einordnung oder Differenzierung Graubereiche, in denen die Abgrenzung problematisch ist. Sie ändern aber nichts daran, dass es sich allgemein um unterschiedliche Bereiche handelt, die daher auch unterschiedlich behandelt werden dürfen. Es gibt zudem auch andere Bereiche, in denen der Gesetzgeber Rechtsfolgen an starre Differenzierungskriterien knüpft.364 Zwar ist die Dichotomie lediglich ein Kunstgriff des Gesetzgebers; dies allein führt aber nicht zu einem Verstoß gegen Art. 3 I GG, da Einteilungen und Systematisierungen für die Anwendung des Rechts auf Lebenssachverhalte unabdingbar sind.365 Zu berücksichtigen ist dabei auch, dass das Bundesverfassungsgericht die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers – mit den Einschränkungen, die sich aus der „neuen Formel“ ergeben – besonders betont.366 Ein Gesetz muss als eine abstrakt-generelle Regelung367 notwendigerweise verallgemeinern.368 Mit 361 Tröndle, in: LK10, § 12 Rn. 6. Drastischer: Mirow, Neue Formen der Dichotomie der Straftaten, S. 235 f.: Es werde „eine Unterschiedlichkeit dieser beiden Deliktsgruppen suggeriert [. . .], die tatsächlich in vielen Bereichen nicht besteht.“ Siehe auch: Mirow, a. a. O., S. 241: Die Einteilung sei „an einigen Stellen sachlich kaum noch zu rechtfertigen.“ 362 BVerfGE 84, 348, 360; vgl. auch: Boysen, in: von Münch/Kunig, GGK I, Art. 3 Rn. 112; Osterloh, in: Sachs, Art. 3 Rn. 109 m. zahlreichen weiteren N. aus der Rechtsprechung. 363 Vgl. nur: BVerfGE 84, 348, 360. Siehe auch: Osterloh, in: Sachs, Art. 3 Rn. 109, der auch darauf hinweist, dass das Bundesverfassungsgericht neuerdings anstatt auf die Vermeidbarkeit nur unter erheblichem Aufwand schlicht auf die Angemessenheit der Regelung abstellt. Zur dahinterstehenden Dogmatik, wenn von einem Verstoß gegen den Gleichheitssatz die Rede ist, der aber trotzdem gerechtfertigt sein kann, siehe nur: Huster, Rechte und Ziele, S. 260 ff. 364 Zu nennen sind beispielsweise Altersgrenzen, Fristenregelungen oder die Verjährungsvorschriften; vgl. auch die Beispiele bei: Kirchhof, in: HStR VIII, § 181 Rn. 126 und 134; Pernice, Billigkeit und Härteklauseln, S. 245 f. und 261 ff. Vgl. zur Ablehnung von Entscheidungen aus formellen Gründen vor dem Hintergrund des allgemeinen Gleichheitssatzes: Huster, Rechte und Ziele, S. 305 ff. 365 Siehe zum Ganzen: Mirow, Neue Formen der Dichotomie der Straftaten, S. 234 f. 366 BVerfGE 14, 142, 150; 18, 121, 124; vgl. auch: Kirchhof, in: HStR VIII, § 181 Rn. 128; Stein, in: AK-GG I, Art. 3 Rn. 46. 367 Vgl. dazu nur: Kloepfer, Verfassungsrecht I, § 21 Rn. 26.

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Alexy ist festzuhalten, dass „begriffliches Erfassen [. . .] in der Konstruktion von Grenzen [besteht].“ 369 Pauschale Verallgemeinerungen sind bei zahlenmäßigen Abstufungen zulässig.370 Deshalb ist auch die Anknüpfung an die Differenzierung zwischen Verbrechen und Vergehen mit der Grenze der einjährigen Freiheitsstrafe als Mindeststrafe grundsätzlich mit Art. 3 I GG vereinbar, obwohl die Unterscheidung zwischen Verbrechen und Vergehen sowohl in Bezug auf die Zweiteilung als auch im Hinblick auf die Ein-Jahres-Grenze willkürlich erscheint.371 Es ist aber weiter zu untersuchen, ob speziell die Differenzierung zwischen Vergehen und Verbrechen in Bezug auf die Wiederaufnahme des Strafverfahrens zuungunsten des Angeklagten gleichheitswidrig ist. Die Ungleichbehandlung besteht darin, dass gegen Personen, die sich wegen eines Vergehens strafbar gemacht haben, keine Wiederaufnahme möglich wäre, während gegen Personen, die ein Verbrechen begangen haben, ein Wiederaufnahmeverfahren eingeleitet werden könnte. Diese Ungleichbehandlung ist aber – auch bei Anwendung der neuen Formel – gerechtfertigt: Oben wurde bereits erläutert, dass der materiellen Gerechtigkeit bei Bagatelldelikten kein hoher Stellenwert eingeräumt wird.372 Dies zeigt sich an den §§ 153 f. StPO, die bei Vergehen unter gewissen Umständen ein Absehen von der Verfolgung erlauben. In diesem Kriminalitätsbereich ist eine Verurteilung bei Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 153 f. StPO nicht mehr tat- und schuldangemessen, sodass der Rechtssicherheit der Vorrang einzuräumen ist. Für Verbrechen existieren keine entsprechenden Normen. Daraus lässt sich ableiten, dass der materiellen Gerechtigkeit bei der Aburteilung von Verbrechen ein größeres Gewicht zukommt. Diese Überlegung kann man auch bei der Wiederaufnahme des Strafverfahrens heranziehen: Die unterschiedliche Gewichtung der materiellen Gerechtigkeit in diesen Bereichen ist so erheblich, dass sie die Ungleichbehandlung rechtfertigt. Dies gilt sowohl für die oben bereits für die bestehende Ausgestaltung des § 362

368 Kirchhof, in: HStR VIII, § 181 Rn. 126; vgl. auch: Huster, Rechte und Ziele, S. 257; Osterloh, in: Sachs, Art. 3 Rn. 108 m. zahlreichen weiteren N. aus der Rechtsprechung; Starck, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG I, Art. 3 Rn. 9; Stein, in: AKGG I, Art. 3 Rn. 47. 369 Alexy, in: VVDStRL 61, S. 8, 21. 370 Kirchhof, in: HStR VIII, § 181 Rn. 131; vgl. für das Steuerrecht: BVerfGE 96, 1, 9, und zu Stichtagsregelungen: BVerfGE 10, 340, 353 f.; 29, 245, 258; 79, 212, 219; Osterloh, in: Sachs, Art. 3 Rn. 113; ausführlich zu Stichttagsregelungen vor dem Hintergrund des Art. 3 I GG: Pernice, Billigkeit und Härteklauseln, S. 261 ff. 371 Siehe: Mirow, Neue Formen der Dichotomie der Straftaten, S. 235, der anführt, man könne genauso gut eine Drei- oder Fünfteilung vornehmen oder die Grenze bei zwei oder fünf Jahren Freiheitsstrafe als Mindesstrafe ziehen. Auch Mirow kommt aber nicht zu dem Ergebnis, dass die Einteilung gegen Art. 3 I GG verstoße, siehe: Mirow, a. a. O., S. 235 ff. 372 Siehe oben unter D. II. 2. Vgl. dort auch bereits zum Folgenden.

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StPO geforderte generelle Einschränkung auf Verbrechen373 als auch für die Einschränkung eines möglichen neuen Wiederaufnahmegrundes wegen neuer Beweise. Im Ergebnis ist die Anknüpfung an Verbrechen daher vor dem Hintergrund eines Verstoßes gegen Art. 3 I GG nicht zu beanstanden. Anders ist dies eventuell bei der Anknüpfung der Wiederaufnahme an Mord, Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen gegen eine Person oder die mit lebenslanger Freiheitsstrafe zu ahndende vollendete Anstiftung zu diesen Taten374 und der Anknüpfung lediglich an Mord und Völkermord375 zu beurteilen. Kritiker führen an, dass auch andere schwere Delikte, wie zum Beispiel der besonders schwere Fall des Totschlags nach § 212 II StGB oder der sexuelle Missbrauch von Kindern mit Todesfolge nach § 176b StGB die Wiederaufnahme ermöglichen müssten.376 Graf gesteht hingegen ein, dass man zwar mit guten Gründen auch bei weiteren Straftatbeständen die Wiederaufnahme aufgrund neuer Beweise ermöglichen könnte,377 die Anknüpfung an Straftaten, die mit lebenslanger Freiheitsstrafe geahndet werden und nicht verjähren, aber „noch [. . .] sachgerecht“ 378 und daher mit Art. 3 I GG vereinbar sei. Damit betont Graf die Gemeinsamkeiten der Straftaten, auf die die nachteilige Wiederaufnahme wegen neuer Beweise beschränkt werden soll: Sie sind alle zwingend mit lebenslanger Freiheitsstrafe zu ahnden und sie verjähren allesamt nicht.379 Darin manifestiert sich nach den Drucksachen der Gesetzesinitiative des Bundesrates der „absolute[n] Sanktionswille[n] des Gesetzgebers“ 380. In Bezug auf den Straftatbestand des Mordes ist dazu zunächst anzumerken, dass als 373

Siehe oben unter F. II. So der Entwurf des Bundesrates, siehe: BR-Drs. 655/07, S. 7; ähnlich bereits der Vorschlag von Meyer, Wiederaufnahmereform, S. 84. 375 So: BT-Drs. 13/3594, S. 3. 376 Marxen/Tiemann, ZIS 2008, 188, 193; Pabst, ZIS 2010, 126, 131 f.; Stellungnahme Marxen, S. 8; vgl. auch: Stoffers, in: Protokoll der 130. Sitzung des Rechtsausschusses am 18. März 2009, S. 22; Stellungnahme Stoffers, S. 4 und 7 ff., der an die in § 112 III StPO angeführten Delikte oder an mit lebenslanger Freiheitsstrafe zu ahndenen Delikte anknüpfen will. Ebenfalls kritisch: Stellungnahme Schäfer, S. 4. 377 Graf, in: Protokoll der 130. Sitzung des Rechtsausschusses am 18. März 2009, S. 2 f., hier auch zum Folgenden. 378 Graf, in: Protokoll der 130. Sitzung des Rechtsausschusses am 18. März 2009, S. 3. 379 Siehe zur Verjährung: § 78 II StGB und § 5 VStGB. Zustimmend zum Kriterium der Unverjährbarkeit: Kaspar, in: SSW-StPO, § 362 StPO Rn. 13. 380 BR-Drs. 655/07, S. 12; vgl. auch die ähnliche Argumentation zu der damaligen Gesetzesinitiative der SPD: BT-Drs. 13/3594, S. 8. Zustimmend: Roggon, BLJ 2011, 50, 55; Kintzi, in: Protokoll der 130. Sitzung des Rechtsausschusses am 18. März 2009, S. 5 und 40; Stellungnahme Kintzi, S. 4; Stoffers, ZRP 1998, 173, 178. Vgl. auch bereits die Argumentation von: Meyer, Wiederaufnahmereform, S. 84; Weber-Klatt, Die Wiederaufnahme von Verfahren, S. 384. 374

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Rechtsfolge nicht zwangsläufig auf lebenslange Freiheitsstrafe zu erkennen ist.381 Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass in der Literatur teilweise davon ausgegangen wird, dass die Verlängerung der Verjährungsvorschriften für den Straftatbestand des Mordes bis hin zu der Aufhebung der Verjährbarkeit allein dazu diente zu verhindern, dass im Nationalsozialismus begangene Straftaten ungesühnt blieben.382 Unterstellt man, dass die letztlich erfolgte Aufhebung der Verjährung rein historische Gründe hatte, drückt sich darin zwar immer noch der absolute Sanktionswille aus, jedoch lediglich in Bezug auf im Nationalsozialismus begangene Straftaten und nicht allgemein in Bezug auf den Straftatbestand des Mordes. Diese Aussage findet aber keine ausreichende Stütze in den Gesetzgebungsmaterialien: In den Drucksachen ist dies zumindest nicht der einzige Aspekt, der zur Begründung der Einführung der Unverjährbarkeit herangezogen wurde.383 Das Argument des absoluten Sanktionswillens kann daher als Rechtfertigung der Ungleichbehandlung herangezogen werden. Wie oben bereits erwähnt, hält auch Graf die Anknüpfung an die lebenslange Freiheitsstrafe als Mindeststrafe und die Unverjährbarkeit „noch für sachgerecht“ 384. Dem ist zuzustimmen; auch wenn bereits herausgestellt wurde, dass sich der Maßstab hier nicht nach der „Willkürformel“, sondern nach der „neuen Formel“ bemisst: Denn die Anknüpfung an Straftaten, die zwingend mit lebenslanger Freiheitsstrafe zu ahnden sind und die nicht verjähren, verstößt auch unter Anwendung der „neuen Formel“ nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz, weil die Unterschiede in Form von zwingender lebenslanger Freiheitsstrafe als Rechtsfolge und Unverjährbarkeit, in denen der 381 Siehe die Grundsatzentscheidung des Großen Strafsenates des BGH zu der sogenannten „Rechtsfolgenlösung“: BGHSt 30, 105; siehe auch: Stellungnahme Stoffers, S. 7; siehe ebenfalls: Marxen/Tiemann, ZIS 2008, 188, 193; Stellungnahme Marxen, S. 8, die zusätzlich auf die mögliche Milderung wegen verminderter Schuldfähigkeit nach § 21 StGB hinweisen. Zu der sogenannten „Rechtsfolgenlösung“ siehe nur: Fischer, StGB, § 211 Rn. 101 ff. 382 Hong, Zeitablauf als Grenze, S. 22 ff.; Schmid, in: LK, § 78 Rn. 5; siehe auch: Marxen, in: Protokoll der 130. Sitzung des Rechtsausschusses am 18. März 2009, S. 7. Zu den einzelnen Etappen der Verlängerung der Verjährungsfristen für den Straftatbestand des Mordes siehe: Jacobsen-Raetsch, Wiederaufnahme und Verjährung, S. 148 ff.; Schmid, a. a. O. 383 Siehe: BT-Drs. 8/2539, S. 1 f.; 8/2653 (neu), S. 4. In diese Richtung auch: van Essen, in: Protokoll der 130. Sitzung des Rechtsausschusses am 18. März 2009, S. 26 f., da der Hintergrund der Ausweitung der Verjährungsfrist für den Straftatbestand des Mordes nicht ausschließlich in der so ermöglichten Weiterverfolgung des nationalsozialistischen Unrechts gelegen habe. Dies sehe man daran, dass momentan keine Diskussion darüber stattfinde, die Verjährung in diesem Bereich wieder einzuführen. Dieses Argument trägt indes nicht, da die Strafverfolgung nationalsozialistischer Straftaten (immer) noch nicht abgeschlossen ist. Vgl. auch: Sternberg-Lieben/Bosch, in: Schönke/ Schröder, § 78 Rn. 1: Hintergrund sei, dass das Strafbedürfnis bei diesen Taten nie entfalle. 384 Graf, in: Protokoll der 130. Sitzung des Rechtsausschusses am 18. März 2009, S. 3.

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absolute Sanktionswille des Gesetzgebers zum Ausdruck kommt, die Ungleichbehandlung rechtfertigen.385 Zu untersuchen ist zudem, ob die Beschränkung der Beweismittel im Entwurf des Bundesrates auf solche, die aufgrund neuer, wissenschaftlich anerkannter technischer Untersuchungsmethoden entdeckt wurden, mit dem allgemeinen Gleichheitssatz vereinbar ist. In den Drucksachen finden sich keine Erörterungen zur Vereinbarkeit dieser Einschränkung mit Art. 3 I GG. Nach Marxen/Tiemann lässt sich kein überzeugender Grund dafür finden, dass anderweitig gewonnene neue Tatsachen oder Beweise keine Wiederaufnahme ermöglichen sollen.386 Eine Rechtfertigung der Ungleichbehandlung könne auch nicht auf die Argumentation gestützt werden, dass der Unterschied zu anderen Beweismitteln darin bestehe, dass die Untersuchungsmethoden damals noch nicht zur Verfügung standen,387 weil auch andere – von der Gesetzesinitiative nicht erfasste – Fälle denkbar seien, in denen die Beweise zu dem früheren Zeitpunkt ebenfalls noch nicht vorlagen.388 Sie führen als vergleichbare Fälle an, dass ein Zeuge zunächst von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch macht, dann aber aussagt, dass ein komatöser Zeuge aufwacht und aussagt oder dass ein Tatmittel erst mit Ablauf einer gewissen Zeit chemisch nachweisbare Eigenschaften aufzeigt.389 Roggon zieht eine Rechtfertigung der Beschränkung der Beweise nach dem Entwurf des Bundesrates390 in Betracht:391 Man könne diese Beschränkung dadurch legitimieren, dass beispielsweise das Auftauchen neuer Zeugen – im Gegensatz zu neuen technischen Möglichkeiten – in den Verantwortungsbereich der Ermittlungsbehörden falle. Im Ergebnis läge aber trotzdem ein Verstoß gegen Art. 3 I GG vor, da neue technische Möglichkeiten nicht in den Risikobereich des (ursprünglich) Freigesprochenen fallen würden. Unter Verweis auf die obigen Ausführungen392 ist davon auszugehen, dass neue, wissenschaftlich anerkannte technische Untersuchungsmethoden, womit 385 Anders wohl: Niedersächsischer Landtag Drs. 17/5501, S. 7, abrufbar unter: www. landtag-niedersachsen.de/Drucksachen/Drucksachen_17_7500/5501-6000/17-5501.pdf, zuletzt aufgerufen am 09.07.2016. 386 Marxen/Tiemann, ZIS 2008, 188, 193, hier auch zum Folgenden; siehe auch: Stellungnahme Marxen, S. 7 f.; ebenfalls kritisch: Stellungnahme Schäfer, S. 2 f. 387 Diesen Aspekt betont unter anderem: Graf, in: Protokoll der 130. Sitzung des Rechtsausschusses am 18. März 2009, S. 36 und 39. 388 Siehe auch: Roggon, BLJ 2011, 50, 56; Stellungnahme Marxen, S. 7 f.; vgl. auch: Scherzberg, ZRP 2010, 271. 389 Marxen/Tiemann, ZIS 2008, 188, 193; Stellungnahme Marxen, S. 7. Zum Zeugnisverweigerungsrecht, von dem nachträglich kein Gebrauch mehr gemacht wird, siehe auch: Scherzberg, ZRP 2010, 271. 390 BR-Drs. 655/07. 391 Roggon, BLJ 2011, 50, 56, hier auch zum Folgenden. 392 Siehe oben unter G. II.

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insbesondere die DNA-Analyse gemeint ist,393 keine Sonderstellung im Verhältnis zu anderen Beweismitteln einnehmen. Aus einer etwaigen Sonderstellung der DNA-Analyse oder anderer technischer Untersuchungsmethoden lässt sich die Ungleichbehandlung daher nicht rechtfertigen. Ein Rekurs auf den Umstand, dass die Untersuchungsmethoden damals noch nicht entwickelt waren, kann ebenfalls nicht zur Rechtfertigung herangezogen werden. Insofern ist den Ausführungen von Marxen/Tiemann und Roggon zuzustimmen: Es sind weitere Fälle denkbar, in denen Beweise zuvor noch nicht zugänglich waren, die die Wiederaufnahme nicht ermöglichen würden. Die Unterschiede zwischen diesen denkbaren Fällen und den neuen Untersuchungsmethoden sind nicht groß genug, als dass sie eine Ungleichbehandlung rechtfertigen könnten. Infolgedessen liegt in der Beschränkung der Beweismittel ein Verstoß gegen Art. 3 I GG. Dies heißt im Umkehrschluss aber nicht, dass man die Wiederaufnahme zuungunsten des Angeklagten bei neuen Beweisen umfassend zulassen müsste, um einen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu vermeiden – zumal ein allgemeiner Wiederaufnahmegrund wegen neuer Beweise in § 362 StPO gegen Art. 103 III GG verstieße.394 Lediglich die konkrete Beschränkung der Beweismittel nach dem Entwurf des Bundesrates395 verstößt gegen Art. 3 I GG. Es ist durchaus denkbar, dass andere Beschränkungen, die nicht Gegenstand dieser Arbeit sind, mit Art. 3 I GG vereinbar wären. Zuletzt stellt sich die Frage, ob eine Wiederaufnahme, die nur bei vorangegangenem Freispruch und nicht bei vorangegangener Verurteilung statthaft wäre, gegen den Gleichheitsgrundsatz verstieße.396 Dazu ist zunächst festzustellen, dass der Wiederaufnahmegrund des Geständnisses nach § 362 Nr. 4 StPO ebenfalls nur auf zuvor Freigesprochene Anwendung findet. Dies allein heißt aber noch nicht, dass eine solche Differenzierung vor dem Hintergrund des allgemeinen Gleichheitssatzes unbedenklich wäre. Allerdings wird diese Einschränkung des § 362 Nr. 4 StPO, soweit ersichtlich, nicht (mehr) beanstandet. Mayer vertrat zwar bereits im Jahr 1931 die These, dass der Wiederaufnahmegrund „viel zu eng“ 397 sei;398 forderte aber – zumindest ausdrücklich – keine Ausweitung.399 393 Siehe BR-Drs. 655/07, S. 5; vgl. auch Schäfer, in: Protokoll der 130. Sitzung des Rechtsausschusses am 18. März 2009, S. 13; Stellungnahme Marxen, S. 11; Stellungnahme Schäfer, S. 2. Schöch, in: FS Maiwald, S. 769, 781 und 784, plädiert dafür, den Begriff der DNA-Analyse ausdrücklich im Gesetz zu verankern. 394 Siehe oben unter G. III. 2. 395 BR-Drs. 655/07. 396 So: Marxen/Tiemann, ZIS 2008, 188, 193; Stellungnahme Marxen, S. 8; ebenfalls kritisch: Stoffers, in: Protokoll der 130. Sitzung des Rechtsausschusses am 18. März 2009, S. 22 f.; Stellungnahme Stoffers, S. 4 und 9. 397 Mayer, Ueber die Wiederaufnahme des Verfahrens im Strafprozeß, S. 20. 398 Mayer, Ueber die Wiederaufnahme des Verfahrens im Strafprozeß, S. 20.

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Einzig Peters will § 362 Nr. 4 StPO im Wege einer Analogie auch dann anwenden, wenn bei einer vorherigen Verurteilung aufgrund eines Bagatelldelikts ein eklatantes Missverhältnis zwischen der Bestrafung und der „wirklich verdienten Strafe“ 400 besteht.401 Von mehreren Autoren wird außerdem vertreten, dass bestimmte Fälle der Verfahrenseinstellung ebenfalls erfasst seien.402 Es finden sich aber keine Aussagen dazu, dass die Einschränkung auf Freigesprochene gegen Art. 3 I GG verstoße. Vielmehr findet sich bereits in den Materialien der Strafprozessordnung der Gedanke, dass sich der Freigesprochene nicht ungestraft einer Tat rühmen dürfe.403 Damit lässt sich in Bezug auf § 362 Nr. 4 StPO der Vorwurf eines Verstoßes gegen Art. 3 I GG ausräumen. Diese Überlegung kann man aber nicht auf den geplanten § 362 Nr. 5 StPO-E übertragen. In der Einzelbegründung zu § 362 Nr. 5 StPO-E heißt es bezüglich der Einschränkung auf Freigesprochene, dass die völlige Sanktionslosigkeit dem Rechtsempfinden eher widerspreche als eine milde Strafe.404 Dem ist zuzustimmen. Hinzu kommt, dass es einen wesentlichen Unterschied ausmacht, ob jemand freigesprochen oder verurteilt wird – selbst für den Fall, dass er nur zu einer sehr geringen Strafe verurteilt wird; denn durch die Verurteilung entsteht auf Seiten des Verurteilten ein Makel,405 auch wenn die erkannte Strafe noch so gering ausfällt. Dieser Unterschied rechtfertigt es, den Verurteilten nicht mit einer weiteren Anklage zu überziehen. In der Einschränkung auf Freigesprochene liegt daher kein Verstoß gegen Art. 3 I GG. Im Ergebnis liegt lediglich in der Beschränkung der Beweismittel nach dem Entwurf des Bundesrates ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz. Alle anderen Beschränkungen sind mit Art. 3 I GG vereinbar. 6. Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot Bei Einführung eines neuen Wiederaufnahmegrundes wegen neuer Beweise in § 362 StPO stellt sich außerdem die Frage, ob dieser auch vor der Neuregelung abgeschlossene Verfahren erfassen könnte. Eine solche Erstreckung auf Verfahren, die vor der Erweiterung vollstreckbar und damit rechtskräftig geworden 399 Siehe zu den damaligen Reformbestrebungen: Mayer, Ueber die Wiederaufnahme des Verfahrens im Strafprozeß, S. 63 f. 400 Peters, Strafprozeß, S. 678. 401 Peters, Strafprozeß, S. 678. 402 Siehe nur: Gössel, in: Löwe-Rosenberg VII/2, § 362 Rn. 11 m.w. N.; Peters, Fehlerquellen III, S. 106 ff. 403 Die gesamten Materialien zu den Reichs-Justizgesetzen III 1, S. 265. 404 BR-Drs. 655/07, S. 13. 405 Ausdrücklich: BVerfGE 8, 197, 207; vgl. auch: Arndt, in: FG Schmid, S. 5, 19; Laubenthal, GA 136 (1989), 20, 26 f.; Peters, Fehlerquellen III, S. 3 und 109 f.; Rieß, JR 1981, 522, 523; Schork, Ausgesprochen schuldig, S. 134 ff.

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sind,406 stößt auf Bedenken bezüglich des Rückwirkungsverbots.407 Sofern in der Anwendung auf vor der Gesetzesänderung abgeschlossene Fälle ein Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot läge, würde dies die gesamte Gesetzesinitiative in Frage stellen,408 weil die DNA-Analyse als Ermittlungsmethode bei der Aufklärung von Kapitalverbrechen heute zum Regelfall gehört und der neue Wiederaufnahmegrund in der Zukunft womöglich nicht viele Fälle erfassen würde.409 Wenn die DNA-Analyse bereits bei den ersten Ermittlungen zum Einsatz kommt, bleibt – abgesehen davon, dass durch die fortschreitende Technik in Zukunft eventuell noch geringere (Tatort-)Spuren untersucht werden können – kaum Raum für eine spätere DNA-Analyse, die zu neuen Erkenntnissen führt. Wendet man den in Rede stehenden Wiederaufnahmegrund aufgrund neuer Beweise hingegen auch auf Altfälle an, wären viele Fälle erfasst, in denen mangels entsprechender Technik noch nie eine DNA-Analyse stattgefunden hat. Zu prüfen ist daher, ob die Erfassung von Altfällen, die vor der etwaigen Gesetzesänderung abgeschlossen wurden, mit dem Rückwirkungsverbot im Einklang stände. Es existiert eine Reihe von Vorschriften, die ein Verbot der Rückwirkung beinhalten. So ist zunächst innerstaatlich zwischen dem allgemeinen Rückwirkungsverbot, das aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitet wird,410 und dem strafrechtlichen Rückwirkungsverbot aus Art. 103 II GG als Sonderfall des allgemeinen Rückwirkungsverbots411 zu differenzieren.412 Auf internationaler Ebene 406 Zur Vollstreckbarkeit als maßgebliches Kriterium für die Beendigung eines Prozesses siehe oben unter D. II. 2. 407 So auch: Scherzberg, ZRP 2010, 271, in Bezug auf die Gesetzesinitiative des Bundesrates (BR-Drs. 655/07). Zu der Entwicklung des Rückwirkungsverbots siehe: Dannecker, Das intertemporale Strafrecht, S. 1 ff.; Krey, Keine Strafe ohne Gesetz, Rn. 48 ff.; Pföhler, Zur Unanwendbarkeit des strafrechtlichen Rückwirkungsverbots im Strafprozeßrecht, S. 86 ff. Rn. 185 ff.; Schreiber, Gesetz und Richter, passim. Einzig Stoffers, in: Protokoll der 130. Sitzung des Rechtsausschusses am 18. März 2009, S. 28 f., sieht überhaupt keinen Konflikt mit dem Rückwirkungsverbot. 408 Vgl. dazu auch: Pabst, ZIS 2010, 126, 130. Der Einzelfall, der der Gesetzesinitiative zugrunde lag (siehe dazu oben unter A. und unter 204), wäre damit gerade nicht erfasst. 409 Vgl. auch: Pabst, ZIS 2010, 126, 130. 410 Vgl.: BVerfGE 7, 89, 92; 8, 274, 304; 25, 269, 290; 45, 142, 167 f.; 88, 384, 403; 97, 67, 78; 101, 239, 263; 123, 186, 257. 411 Vgl. Nolte, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG III, Art. 103 Rn. 169 m.w. N.; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Art. 103 Rn. 53; Schulze-Fielitz, in: Dreier III, Art. 103 II Rn. 50. 412 Der Regelungsgehalt des Art. 103 II GG erschöpft sich jedoch nicht in dem strafrechtlichen Rückwirkungsverbot. Vielmehr enthält Art. 103 II GG zusätzlich das Gesetzlichkeitsprinzip, den Bestimmtheitsgrundsatz und das Analogieverbot, siehe: Hettinger/Engländer, in: FS Meyer-Goßner, S. 145, 148 m.w. N.; Schulze-Fielitz, in: Dreier III, Art. 103 II Rn. 14; vgl. auch: Schünemann, Nulla poena sine lege?, S. 3. Nach König liegt in der Anwendung der Erweiterung nach der Gesetzesinitiative des Bundesrates

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findet sich das Rückwirkungsverbot in Art. 7 I EMRK, in Art. 15 I IPbpR und in Art. 49 I GRCh. Im Folgenden sollen diese Vorschriften näher dargestellt und im Hinblick auf eine Beschränkung des Anwendungsbereiches eines etwaigen neuen Wiederaufnahmegrundes wegen neuer Beweise untersucht werden. Nach Art. 103 II GG kann eine Tat nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. Es ist (immer noch) äußerst umstritten, ob Art. 103 II GG allgemein und auch speziell das Rückwirkungsverbot des Art. 103 II GG für das Strafprozessrecht Geltung beanspruchen.413 Einigkeit besteht nach Dannecker lediglich darüber, dass reine Ordnungsvorschriften des Prozessrechts, die keinen Einfluss auf die Rechte des Beschuldigten haben, nicht dem Schutz des Art. 103 II GG unterliegen.414 Nach herrschender Meinung gilt das strafrechtliche Rückwirkungsverbot des Art. 103 II GG nicht in Bezug auf das Prozessrecht,415 während einige Autoren (BR-Drs. 655/07) auf abgeschlossene Fälle sowohl ein Verstoß gegen Art. 103 II GG als auch gegen das allgemeine Rückwirkungsverbot, siehe: König, in: Protokoll der 130. Sitzung des Rechtsausschusses am 18. März 2009, S. 9. 413 Bei der damaligen Diskussion zu dieser Frage ging es angesichts der drohenden Verjährung von in der Zeit des Nationalsozialismus begangenen Verbrechen insbesondere darum, ob der rückwirkenden Verlängerung von Verjährungsfristen Art. 103 II GG entgegenstehe, siehe dazu: Schreiber, ZStW 80 (1968), 348 ff. m.w. N. Ausführlich zu der Anwendbarkeit des Analogieverbots des Art. 103 II GG auf das Strafprozessrecht: Jäger, GA (153) 2006, 615 ff.; Krey, Studien zum Gesetzesvorbehalt im Strafrecht, S. 35 f. und 238 f., in Bezug auf Normen, die die Verfolgbarkeit betreffen. Zur Anwendbarkeit des Bestimmtheitsgrundsatzes des Art. 103 II GG auf das Strafprozessrecht: Britz/Jung, in: FS Meyer-Goßner, 307, 311 ff. Zu der Notwendigkeit der Differenzierung zwischen den beschriebenen Schutzgehalten des Art. 103 II GG bei der Diskussion um die Geltung für das Strafprozessrecht siehe: Jäger, GA (153) 2006, 615, 625; vgl. dazu auch allgemein: Krey, Keine Strafe ohne Gesetz, Rn. 1 f. Im Folgenden soll nur auf die Erstreckung des Rückwirkungsverbots des Art. 103 II GG auf das Strafprozessrecht eingegangen werden. 414 Dannecker, Das intertemporale Strafrecht, S. 316; vgl. speziell zum Rückwirkungsverbot auch: Eser/Hecker, in: Schönke/Schröder, § 2 Rn. 6; Hassemer, in: AKStGB I, § 1 Rn. 60; Jakobs, Strafrecht AT, S. 68 m.w. N. 415 Vgl.: BVerfGE 113, 273, 308; BVerfG NJW 1992, 2877; BGHSt 20, 22, 27; 26, 228, 231; 46, 310, 317 f.; Brüning, in: Stern/Becker, Art. 103 Rn. 79; Eschelbach/KettStraub, in: KMR I, Einleitung Rn. 65; Gaede, in: AnwK-StGB, § 1 Rn. 10; Hassemer, in: AK-StGB I, § 1 Rn. 60; Hassemer/Kargl, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, § 1 Rn. 60; Höfling/Burkiczak, in: Berliner Kommentar, Art. 103 Rn. 143; Kintzi, in: Protokoll der 130. Sitzung des Rechtsausschusses am 18. März 2009, S. 34; Krey, ZStW 101 (1989), 838, 854; Kühl, in: Lackner/Kühl, § 1 Rn. 4; Nolte, in: von Mangoldt/Klein/ Starck, GG III, Art. 103 Rn. 169; Pföhler, Zur Unanwendbarkeit des strafrechtlichen Rückwirkungsverbots im Strafprozeßrecht, passim, insbesondere S. 297 f. Rn. 1031 ff.; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Art. 103 Rn. 47; Roxin, Strafrecht AT I, § 5 Rn. 57, siehe aber auch Rn. 58 ff.; Rüping, in: BK, Art. 103 II Rn. 76; Rudolphi/Jäger, in: SK-StGB, § 1 Rn. 10; Schmahl, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, Art. 103 Rn. 55;

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mit unterschiedlichen Begründungen davon ausgehen, dass das Rückwirkungsverbot des Art. 103 II GG auch das Prozessrecht erfasse.416 Mit der Frage, ob Art. 103 II GG auch für die Wiederaufnahme zuungunsten des Angeklagten gilt, hat sich die Literatur, soweit ersichtlich, – abgesehen von den Stellungnahmen und Anhörungen der Sachverständigen und den Beiträgen zu der Gesetzesinitiative des Bundesrates –417 noch nicht beschäftigt. Selbst Dannecker, der sich in seiner Habilitationsschrift ausführlich mit der Anwendbarkeit des Art. 103 II GG auf das Strafprozessrecht unter Differenzierung zwischen den unterschiedlichen Normen in der Strafprozessordnung auseinandergesetzt hat,418 diskutiert dieses Problem nicht. Jäger führt nur allgemein aus, dass mit der voranschreitenden technischen Entwicklung neue Ermittlungsmethoden einhergehen, die insbesondere der Aufklärung von in der Vergangenheit begangenen Straftaten dienen könnten.419 Deshalb müsse auch die rückwirkende Anwendung dieser Ermittlungsmethoden erlaubt sein. Dieser Sichtweise ist entgegenzutreten: Nicht alles, was technisch möglich ist, ist mit geltendem Recht vereinbar. Praktikabilitätserwägungen machen keine Begründung entbehrlich, und allein der Umstand, dass man sich Ermittlungserfolge erhofft, kann nicht dazu führen, dass bestehende (Mindest-)Garantien nicht berücksichtigt werden oder nicht zumindest untersucht wird, ob diese Garantien der Anwendung dieser neuen Untersuchungsmethoden entgegenstehen. Dies gilt vor allem vor dem Hintergrund, dass gerade das Strafrecht anfällig für politische Schnellschüsse und populistische Argumentationsweisen und Gesetzesänderungen ist.420 Die Vertreter der herrschenden Meinung, die die Anwendbarkeit des Rückwirkungsverbots auf das Strafprozessrecht verneinen, argumentieren unter anderem Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig VI, Art. 103 Rn. 245; Schöch, in: Protokoll der 130. Sitzung des Rechtsausschusses am 18. März 2009, S. 29; Schulze-Fielitz, in: Dreier III, Art. 103 II Rn. 51; Zierlein, in: Umbach/Clemens, Art. 103 Rn. 144. Das Problem wird aber oft nur auf den rückwirkenden Entfall eines Strafantragerfordernisses oder die nachteilige Änderung der Verjährungsfrist bezogen; kritisch dazu: Lüderssen/Jahn, in: Löwe-Rosenberg I, Einl. Abschn. M Rn. 50; Schmitt, in: FS Jescheck I, 223, 228 f. 416 Vgl. Basak, in: Matt/Renzikowski, § 1 Rn. 9, ausdrücklich allerdings nur für § 1 StGB; Eser/Hecker, in: Schönke/Schröder, § 2 Rn. 6; Dannecker, Das intertemporale Strafrecht, S. 316 ff.; ders., in: LK, § 1 Rn. 411 ff.; Grünwald, in: FS Kaufmann, S. 433, 444; Lüderssen, ZStW 85 (1973), 288, 315; Lüderssen/Jahn, in: Löwe-Rosenberg I, Einl. Abschn. M Rn. 48 ff.; Schreiber, ZStW 80 (1968), 361 ff.; ders., Gesetz und Richter, S. 220; Volk, Prozeßvoraussetzungen im Strafrecht, S. 54 ff. 417 Zu der Gesetzesinitiative des Bundesrates siehe nur: BR-Drs. 655/07. 418 Siehe: Dannecker, Das intertemporale Strafrecht, S. 316 ff. 419 Jäger, GA (153) 2006, 615, 626, hier auch zum Folgenden. 420 Vgl. dazu bereits oben unter G. II.; vgl. außerdem mit historischem Bezug: Geppert, JURA 2015, 143, 144. Vgl. auch ausführlich: Kudlich/Og˘lakciog˘lu, in: FS von Heintschel-Heinegg, S. 275 ff.

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mit dem Wortlaut des Art. 103 II GG, da die Norm lediglich vorschreibe, dass die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt sein müsse.421 Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass der Wortlaut des Art. 103 II GG eindeutig gegen eine Ausweitung des Art. 103 II GG auf das Strafprozessrecht spricht.422 Lüderssen/Jahn führen den Wortlaut des Art. 103 II GG aber gerade an, um die Erstreckung des strafrechtlichen Rückwirkungsverbots auf das Prozessrecht zu begründen.423 Sie stellen auf den Begriff der Tat in Art. 103 II GG ab und wollen ausgehend von einem weiten Tatbegriff auch strafprozessuale Maßnahmen als von Art. 103 II GG erfasst ansehen.424 Dazu verweisen sie auf den Tatbegriff von Naucke und Marxen,425 die prozessuale Erwägungen in die Straftatlehre einbeziehen wollen.426 Dies hilft jedoch nicht über den Begriff der Strafbarkeit hinweg, da über die Strafbarkeit das materielle Recht entscheidet. Dagegen kann auch nicht eingewendet werden, dass man auf den Begriff der Bestrafbarkeit in Art. 103 II GG abstellen müsse. Zwar heißt es in Art. 103 II GG ausdrücklich, dass eine Tat nur bestraft werden kann, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. Bestraft werden kann eine Person nur, wenn (auch) die strafprozessualen Voraussetzungen und Mindeststandards erfüllt wurden. Das strafrechtliche Rückwirkungsverbot leitet sich aber aus dem zweiten Satzteil des Art. 103 II GG ab, nämlich aus der Bestimmtheit der Strafbarkeit. Dass der Begriff der Bestrafbarkeit auch das Prozessrecht erfasst, führt daher zu keinem anderen Ergebnis. Auch Grünwald geht aber davon aus, dass der Wortlaut des Art. 103 II GG einer Erstreckung auf die Bereiche, die von dem Sinn und Zweck des Artikels erfasst sind, nicht entgegenstehen könne.427 Dem ist insofern zuzustimmen, als – wie oben bereits bei der Auslegung des Art. 103 III GG erörtert –428 im Rahmen der Auslegung in erster Linie auf den Zweck der Vorschrift abzustellen ist,429 während dem Wortlaut – zumindest bei der Auslegung von Grundrechten – kein 421 BGHSt 46, 310, 317; Hassemer, in: AK-StGB I, § 1 Rn. 60; Hassemer/Kargl, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, § 1 Rn. 60; zur gleichen Argumentation in Bezug auf das Analogieverbot in Art: 103 II GG siehe: Jäger, GA (153) 2006, 615, 618; Krey, ZStW 101 (1989), 838, 854. 422 In diese Richtung auch allgemein in Bezug auf Art. 103 II GG: Kudlich, in: Gesetzlichkeit und Strafrecht, S. 233, 239 ff. 423 Vgl. Lüderssen/Jahn, in: Löwe-Rosenberg I, Einl. Abschn. M Rn. 48. 424 Lüderssen/Jahn, in: Löwe-Rosenberg I, Einl. Abschn. M Rn. 48 f. 425 Siehe: Lüderssen/Jahn, in: Löwe-Rosenberg I, Einl. Abschn. M Rn. 48 Fn. 128. 426 Marxen, Straftatsystem und Strafprozeß, S. 345; Naucke, Grundlinien, S. 23 ff., vgl. auch S. 34, 36 und 39 f. 427 Grünwald, in: FS Kaufmann, S. 433, 444; ähnlich in Bezug auf den Bestimmtheitsgrundsatz in Art. 103 II GG: Jäger, GA (153) 2006, 615, 618. 428 Siehe oben unter D. II. 1. a). 429 Siehe: BVerfGE 35, 263, 278 f.; BGHSt 6, 394, 396; 27, 236, 238; 30, 98, 101; RGSt 58, 312, 314; Jescheck/Weigend, Lehrbuch des Strafrechts AT, S. 156, Rüping, in: BK, Art. 103 II Rn. 76; Wank, Die Auslegung von Gesetzen, S. 54; im Strafrecht markiert Art. 103 II GG die Grenze der Auslegung.

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besonderes Gewicht zukommt.430 Dies ist, gerade wenn es um die Ausweitung des Grundrechtsschutzes geht, nicht zu beanstanden. Demnach sind trotz des eindeutigen Wortlauts zusätzlich die weiteren Auslegungskriterien – und dabei insbesondere der Zweck des Art. 103 II GG – zu berücksichtigen. Dabei lassen sich die Ausführungen zu dem Sinn und Zweck des Art. 103 II GG und zu der Entstehungsgeschichte der Vorschrift nicht trennen, da auch der historische Zweck herausgestellt und im Anschluss daran untersucht werden soll, ob dieser Zweck sich womöglich im Laufe der Zeit geändert hat. Art. 103 II GG dient dazu, dass für den Bürger erkennbar sein muss, wo der Bereich der Strafbarkeit beginnt, sodass er sein Verhalten darauf abstimmen kann.431 Dies geht aber nicht so weit, dass Art. 103 II GG verlangt, dass bereits vor der Tatbegehung ersichtlich sein muss, ob und wie die Tat verfolgbar ist.432 So hat das Bundesverfassungsgericht zu Art. 103 II GG und dessen Anwendbarkeit auf die Verjährung entschieden, dass Art. 103 II GG nur „das „von wann an“ [und] nicht [. . .] das „wielange“ der Strafverfolgung“ 433 erfasse.434 Wendet man diesen Gedanken auf die Wiederaufnahme des Strafverfahrens an, ergibt sich folgendes Bild: Durch § 362 StPO wird mittelbar bestimmt, wie lange eine Straftat nach einem vollstreckbaren – und damit rechtskräftigen –435 Urteil noch bestraft werden kann. § 362 StPO setzt zwar nicht – wie die Strafverfolgungsverjährung – eine zeitliche Grenze, jedoch enthält er abschließende Wiederaufnahmegründe. Nur wenn einer dieser Wiederaufnahmegründe vorliegt, kann das Verfahren wiederaufgenommen werden.436 Es ist also § 362 StPO immanent, dass grundsätzlich aufgrund des Art. 103 III GG kein weiteres Strafverfahren erfolgen darf. Zeitlich gesehen verbietet Art. 103 III GG weitere Strafverfolgungsmaßnahmen nach Eintritt der Vollstreckbarkeit.437 § 362 StPO dehnt diese zeitliche Grenze bei Vorliegen von Wiederaufnahmegründen aus. Folgt man dem Bundesverfassungsgericht, kommt daher keine Ausweitung des Art. 103 II GG auf das Strafprozessrecht in Betracht. 430 Vgl. BVerfGE 30, 1, 19; 34, 269, 287; 133, 168, 205 f. Rn. 66; ausdrücklich: Wank, Die Auslegung von Gesetzen, S. 53 f.; anders wohl: Bleckmann, JuS 2002, 942, 943 f. 431 BVerfGE 32, 346, 362, mit der Einschränkung, dass dies der primäre Zweck sei. Diese Formulierung lässt weitere Zwecke des Art. 103 II GG ausdrücklich offen; BGHSt 46, 310, 318; vgl. ebenfalls: BVerfGE 113, 273, 308. 432 BGHSt 46, 310, 318. 433 BVerfGE 25, 269, 286. 434 BVerfGE 25, 269, 286. 435 Zur Relevanz des Kriteriums der Vollstreckbarkeit für die Rechtskraft, siehe oben unter D. II. 2. 436 Selbst bei Vorliegen von Wiederaufnahmegründen kommt aber eine Wiederaufnahme in Bezug auf die Strafzumessung nach § 363 StPO nicht in Betracht. 437 Zur Vollstreckbarkeit siehe nochmals oben unter D. II. 2.

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Dieses Ergebnis soll aber noch näher in Bezug auf die historische Entwicklung des Art. 103 II GG untersucht werden: Die gleiche Formulierung wie in Art. 103 II GG fand sich bereits in Art. 116 der Weimarer Reichsverfassung.438 Insofern griff der Parlamentarische Rat auf den bereits bekannten Nulla-poena-sine-lege-Grundsatz zurück.439 Auch im 19. Jahrhundert war jedoch bereits umstritten, ob das aus dem Nulla-poena-sinelege-Grundsatz abgeleitete Rückwirkungsverbot auch das Strafprozessrecht erfasse.440 Wie heute verneinte die herrschende Meinung die Anwendung auf das Strafprozessrecht.441 Diese Sichtweise der herrschenden Meinung zeigt sich auch in der gesamten Dogmengeschichte des Rückwirkungsverbots ab dem römischen Recht.442 Soweit ersichtlich, wurde dieses Problem in der Weimarer Zeit nicht mehr diskutiert,443 was darauf hindeutet, dass sich die herrschende Meinung durchgesetzt hatte. Es liegt daher nahe, dass der Parlamentarische Rat, als er sich auf den Nulla-poena-sine-lege-Grundsatz berief, die herrschende Lehre vor Augen hatte in Bezug auf die Geltung für das Strafprozessrecht und nicht einzelne Stimmen in der Literatur, die für eine Ausweitung des Grundsatzes plädiert hatten. Diese Sichtweise lässt sich dadurch stützen, dass man sich – soweit ersichtlich – weder bei den Verhandlungen zur verfassungsgebenden Deutschen Nationalversammlung in Bezug auf Art. 116 WRV noch in der Literatur zu Art. 116 WRV fragte, ob das Rückwirkungsverbot auch auf das Strafprozessrecht Anwendung finde.444 Zwar erwähnte die Literatur Art. 227 des Friedensvertrags von Versailles, der auch Bestimmungen enthielt, die dem Strafprozessrecht zuordnen sind,445 als 438

Siehe nur: Bericht Verfassungskonvent, S. 94. Vgl.: Bericht Verfassungskonvent, S. 56. 440 Siehe: Pföhler, Zur Unanwendbarkeit des strafrechtlichen Rückwirkungsverbots im Strafprozeßrecht, S. 280 f. Rn. 958 ff.; Schreiber, Gesetz und Richter, S. 146. 441 Siehe die Nachweise bei: Pföhler, Zur Unanwendbarkeit des strafrechtlichen Rückwirkungsverbots im Strafprozeßrecht, S. 280 Rn. 958 ff.; Schreiber, Gesetz und Richter, S. 146 ff. 442 Siehe nur: Pföhler, Zur Unanwendbarkeit des strafrechtlichen Rückwirkungsverbots im Strafprozeßrecht, S. 86 ff. Rn. 185 ff. 443 Siehe nur: Schreiber, Gesetz und Richter, S. 186. 444 Siehe zu den Verhandlungen der verfassungsgebenden Deutschen Nationalversammlung nur: BVerfGE 25, 269, 288 f. Zur Literatur in Bezug auf Art. 116 WRV siehe: Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs, Art. 116; Giese, Die Reichsverfassung vom 11. August 1919, Art. 116; Stier-Somlo, Deutsches Reichs- und Landesstaatsrecht, S. 310 ff. Vgl. dazu auch: Schreiber, Gesetz und Richter, S. 186. 445 Art. 227 des Friedensvertrags von Versailles lautete: Die alliierten und assoziierten Mächte stellen Wilhelm II. von Hohenzollern, vormaligen Kaiser von Deutschland, wegen schwerer Verletzung des internationalen Sittengesetzes und der Heiligkeit der Verträge unter öffentliche Anklage. Ein besondere [sic!] Gerichtshof wird eingerichtet, um über den Angeklagten unter Wahrung der wesentlichen Bürgschaften des Rechts auf Verteidigung zu Gericht zu sitzen. Der Gerichtshof besteht aus fünf Richtern, von denen je einer von folgenden fünf Mächten, namentlich den Vereinigten Staaten von Ame439

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Einschränkung des Rückwirkungsverbots;446 es erfolgte aber keine nähere Auseinandersetzung mit dem Inhalt des Art. 227 des Friedensvertrags von Versailles, sodass man allein aus dem Umstand, dass dieser Artikel als Einschränkung des Rückwirkungsverbots verstanden wurde, nicht schließen kann, dass Art. 116 WRV damals auch das Strafprozessrecht erfasste. Insofern lag zumindest der damalige Zweck des Art. 116 WRV – und damit zunächst auch der des Art. 103 II GG – nicht darin, auch die Rückwirkung im Bereich des Strafprozessrechts zu verbieten. Vielmehr ist aus den historischen Quellen zu schließen, dass man lediglich von einer Geltung in Bezug auf das materielle Strafrecht ausging. So entschied auch das Reichsgericht im Jahr 1941, dass der damalige § 2a StGB, wonach sich Strafbarkeit und Strafe nach dem Recht bestimmen, das zur Zeit der Tat gilt,447 keine verfahrensrechtlichen Regelungen erfasse,448 wobei freilich zu berücksichtigen ist, dass dieses Urteil in der Zeit des Nationalsozialismus erging und daher besonders kritisch hinterfragt werden muss. Lüderssen/Jahn begründen die Anwendung des Art. 103 II GG auf das Strafprozessrecht vor dem Hintergrund der Entstehungsgeschichte des Art. 103 II GG jedoch damit, dass man die damalige Reichweite des Grundsatzes der heutigen Zeit anpassen müsse.449 Außerdem müsse, wenn die Auslegung aufgrund der Auslegungskriterien uneindeutig sei, dieser Konflikt nicht zugunsten der historischen Auslegung gelöst werden. Dies ist zwar richtig, kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die historische Auslegung und deren Ergebnis jedenfalls mit zu berücksichtigen sind. Außerdem liegt es nicht nur nach der historischen Auslegung, sondern auch nach dem Wortlaut des Art. 103 II GG nahe, das Rückwirkungsverbot nicht auf das Prozessrecht auszudehnen. Nach Lüderssen/Jahn können aber außerdem „systematisch-teleologische Erwägungen“ 450 dafür angeführt werden, Art. 103 II GG auch auf das Prozessrecht rika, Großbritannien, Frankreich, Italien und Japan, ernannt wird. Der Gerichtshof urteilt auf der Grundlage der erhabensten Grundsätze der internationalen Politik; Richtschnur ist für ihn, den feierlichen Verpflichtungen und internationalen Verbindlichkeiten ebenso wie dem internationalen Sittengesetze Achtung zu verschaffen. Es steht ihm zu, die Strafe zu bestimmen, deren Verhängung er für angemessen erachtet. Die alliierten und assoziierten Mächte werden an die Regierung der Niederlande das Ersuchen richten, den vormaligen Kaiser zum Zwecke seiner Aburteilung auszuliefern. Der Text ist abrufbar unter: http://www.documentarchiv.de/wr/vv07.html, zuletzt aufgerufen am 09.07.2016. 446 Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs, Art. 116 Rn. 3; Giese, Die Reichsverfassung vom 11. August 1919, Art. 116 Rn. 2; Stier-Somlo, Deutsches Reichsund Landesstaatsrecht, S. 310. 447 Siehe: RGBl. I 1935, S. 839. 448 RGSt 75, 306, 310 f. 449 Vgl. Lüderssen/Jahn, in: Löwe-Rosenberg I, Einl. Abschn. M Rn. 48, hier auch zum Folgenden. 450 Lüderssen/Jahn, in: Löwe-Rosenberg I, Einl. Abschn. M Rn. 48.

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zu beziehen.451 Sofern das Rückwirkungsverbot den Bürger vor „gesetzgeberischer Willkür“ 452 schützen sollte, spreche dies dafür, auch das Prozessrecht in den Schutzbereich miteinzubeziehen, soweit sich dieses für den Betroffenen nachteilig auswirken kann.453 Ähnlich argumentieren Eser/Hecker, die im Einzelfall entscheiden wollen, ob Art. 103 II GG zur Anwendung komme.454 Weil der Zweck des Rückwirkungsverbots unter anderem in dem Vertrauensschutz und der Berechenbarkeit staatlichen Handelns liege,455 komme es darauf an, ob und in welchem Maß die entsprechende Norm Vertrauensschutz beinhalte. Je mehr Vertrauensschutz eine Norm für sich in Anspruch nehme, desto eher sei das Rückwirkungsverbot des Art. 103 II GG anwendbar.456 Auch Jakobs geht von einer Geltung des Rückwirkungsverbots im Strafprozessrecht aus.457 Er stellt darauf ab, ob die betreffende Regelung alle Straftatbestände oder nur einige wenige erfasse. Je eher alle Straftatbestände erfasst seien, desto eher könne man von einer zulässigen Rückwirkung ausgehen, da die Missbrauchsgefahr geringer sei. Demnach wäre die Einführung eines allgemeinen Wiederaufnahmegrundes wegen neuer Beweise in § 362 StPO eher mit dem Rückwirkungsverbot vereinbar als die Gesetzesinitiative des Bundesrates.458 Dies würde aber zu dem widersinnigen Ergebnis führen, dass die gefährlichere, weil weitere Regelung eher mit dem Rückwirkungsverbot vereinbar wäre als eine Regelung, die nur Teilbereiche erfasst. Einschneidende prozessuale Änderungen müssten davon ausgehend nur möglichst allgemein formuliert sein und einen weiten Anwendungsbereich haben, um Bedenken bezüglich des Rückwirkungsverbots auszuräumen. Die Reichweite einer Norm steht aber in keinem Zusammenhang mit den normierten Rückwirkungsverboten, sodass diese Überlegung im Ergebnis nicht überzeugen kann. Gegen die Vorschläge von Lüderssen/Jahn und Eser/Hecker spricht, dass diese Lösungsansätze verkennen, dass Art. 103 II GG nach seiner Entstehungsge451 Lüderssen/Jahn, in: Löwe-Rosenberg I, Einl. Abschn. M Rn. 48, hier auch zum Folgenden. 452 Lüderssen/Jahn, in: Löwe-Rosenberg I, Einl. Abschn. M Rn. 48; siehe auch: Jahn, in: FS Kirchhof, S. 1391, 1402, § 128 Rn. 28. 453 Siehe auch: Jahn, in: FS Kirchhof, S. 1391, 1402, § 128 Rn. 28; ders., in: Gesetzlichkeit und Strafrecht, S. 223, 231; so im Ergebnis ebenfalls: Schreiber, Gesetz und Richter, S. 220. 454 Vgl. Eser/Hecker, in: Schönke/Schröder, § 2 Rn. 6, vgl. hier auch zum Folgenden. 455 Siehe dazu auch: Schünemann, Nulla poena sine lege?, S. 16 m.w. N. 456 Kritisch zu diesem Ansatz: Dannecker, in: LK, § 1 Rn. 414, der darauf abstellen will, ob die Gesetzesänderungen Ausfluss von Strafwürdigkeits- und Strafbedürftigkeitserwägungen sind, siehe Rn. 415 ff. m.w. N.; vgl. dazu auch: Basak, in: Matt/Renzikowski, § 1 Rn. 9, ausdrücklich allerdings nur für § 1 StGB. 457 Jakobs, Strafrecht AT, S. 95, hier auch zum Folgenden. 458 Siehe zur Gesetzesinitiative des Bundesrates: BR-Drs. 655/07.

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schichte und seinem ursprünglichen Zweck eben nicht dazu diente, allgemein Vertrauensschutz und Vorhersehbarkeit zu gewährleisten.459 Vielmehr sollte der bereits damals bekannte Nulla-poena-sine-lege-Grundsatz, der sich nach herrschender Meinung nicht auf das Strafprozessrecht erstreckte, normiert werden. Dass sich der Zweck des strafrechtlichen Rückwirkungsverbots des Art. 103 II GG mit der Zeit geändert hat, ist nicht ersichtlich,460 und es besteht auch kein entsprechendes Bedürfnis, Art. 103 II GG auch auf das Strafprozessrecht zu beziehen, weil auf das allgemeine Rückwirkungsverbot zurückgegriffen werden kann,461 in dessen Rahmen ohnehin flexibel auf Gesetzesänderungen reagiert werden kann.462 Allein der Umstand, dass das allgemeine Rückwirkungsverbot womöglich einen ähnlichen Schutz bietet, heißt zwar nicht, dass sich Art. 103 II GG nicht auf das Verfahrensrecht bezieht. Umgekehrt ist aber auch nicht ersichtlich, wodurch das Ergebnis der Auslegung des Art. 103 II GG in Frage gestellt werden könnte. Insofern können die bisherigen Ansätze zur Ausweitung des strafrechtlichen Rückwirkungsverbots auf das Strafprozessrecht vor dem Hintergrund des Auslegungsergebnisses nicht überzeugen. Trotzdem sollen aber noch weitere Ansätze untersucht werden, die keinen direkten Bezug zu den Auslegungsmethoden haben: Auch nach Pabst gilt das strafrechtliche Rückwirkungsverbot nur für das materielle Strafrecht.463 Er führt als Nachweis zwei Urteile des Bundesverfassungsgerichts an.464 In beiden Urteilen bestimmt das Bundesverfassungsgericht zwar positiv den Schutzbereich des Art. 103 II GG ohne Erwähnung des Strafprozessrechts; allerdings sagt es nicht ausdrücklich, dass strafprozessuale Normen nicht dem Schutz des Art. 103 II GG unterstehen. Das Bundesverfassungsgericht stellte jedoch in einem anderen Urteil ausdrücklich klar, dass Art. 103 II GG nicht das Verfahrensrecht erfasse.465 In derselben Entscheidung führte das Bundesverfas459 Vgl. dazu auch allgemein zu Art. 103 II GG: Kudlich, in: Gesetzlichkeit und Strafrecht, S. 233, 241. 460 So gehen Hassemer/Kargl, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, § 1 Rn. 60, auch heute noch davon aus, dass eine Ausweitung des Rückwirkungsverbots des Art. 103 II GG auf das Strafprozessrecht nicht von dem Sinn des Rückwirkungsverbots erfasst sei. 461 So auch: Krey, ZStW 101 (1989), 838, 854, allerdings nur für das aus Art. 103 II GG abgeleitete Analogieverbot. 462 Dies könnte indes auch einer der Gründe sein, warum das Bundesverfassungsgericht die Geltung des strafrechtlichen Rückwirkungsverbots für das Strafprozessrecht verneint. 463 Pabst, ZIS 2010, 126, 130, hier auch zum Folgenden. 464 Siehe das oben bereits erwähnte Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Verjährung: BVerfGE 25, 269, 285, und BVerfGE 81, 132, 135, vgl. hier auch zum Folgenden. 465 BVerfGE 113, 273, 308; in diese Richtung auch der BGH in: BGHSt 26, 228, 231; vgl. auch: BVerfGE 112, 304, 315; dieses Urteil betrifft allerdings das Bestimmt-

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sungsgericht aber auch aus, dass prozessuale Änderungen unter gewissen Umständen einer materiellen Rückwirkung gleichstehen können.466 Die Richtigkeit dieser Aussage zeigt sich an den Ausführungen Grünwalds, der die Gefahren einer strafrechtlichen Rückwirkung auf den Punkt bringt:467 Sofern der Gesetzgeber rückwirkende Strafgesetze schaffen könne, bestehe die Gefahr, dass entsprechende Gesetze zwar im Sinne der Gerechtigkeit, aber unter dem Eindruck von vergangenen Einzelfällen aufgestellt werden und sich die dahinter stehenden Wertungen bei distanzierter Betrachtung als falsch erweisen könnten. Aus dem Kontext ergibt sich, dass Grünwalds Aussagen sich auf materielle Straftatbestände beziehen, doch sind diese Aussagen auf das Strafprozessrecht übertragbar. Dies sieht man nicht zuletzt daran, dass auch der Plan einer Erweiterung der nachteiligen Wiederaufnahme ein schockierender Einzelfall zugrunde lag.468 Insofern ist dem Bundesverfassungsgericht zuzustimmen, dass es Fälle gibt, in denen Änderungen des Strafprozessrechts einer materiellen Rückwirkung gleichstehen.469 Bewertungsmaßstab kann dann aber – ausgehend von den obigen Erörterungen – nicht mehr Art. 103 II GG sein, da Art. 103 II GG nach dem Wortlaut, der Entstehungsgeschichte und dem Sinn und Zweck lediglich das materielle Strafrecht erfasst. Vielmehr ist die Erwägung, dass prozessuale Gesetzesänderungen einer materiellen Rückwirkung gleichstehen können, im Rahmen des allgemeinen Rückwirkungsverbots470 zu berücksichtigen. Rüping bringt zusätzlich gegen eine Ausweitung des Art. 103 II GG auf das Strafprozessrecht vor, dass das Strafverfahrensrecht eher von „richterlichem Gewohnheitsrecht“ 471 geprägt sei als das materielle Recht.472 Es ist aber nicht ersichtlich, warum – selbst wenn das Strafprozessrecht eher von Gewohnheitsrecht

heitsgebot. Außerdem ist lediglich davon die Rede, dass „Art. 103 Abs. 2 GG für Vorschriften des Strafverfahrensrechts grundsätzlich (Hervorhebung durch Verfasser) keine Geltung beansprucht [. . .]“. Diese Formulierung lässt eine Ausweitung auf das Verfahrensrecht zumindest in bestimmten Ausnahmefällen zu. In diese Richtung auch: BVerfG NJW 1992, 2877. 466 BVerfGE 113, 273, 308 f.; vgl. auch: BGHSt 50, 64, 77; BVerfGE 63, 343, 359 f.; 87, 48, 63 f.; /gcqtweiterhin: Schmitz, in: MüKo StGB, § 1 Rn. 17, ausdrücklich allerdings nur für § 1 StGB. 467 Grünwald, ZStW 1964 (76), 1, 16 f., hier auch zum Folgenden. 468 Siehe zu dem zugrunde liegenden Fall oben unter A. und unter G. II. 469 Ähnlich: Marxen, in: Protokoll der 130. Sitzung des Rechtsausschusses am 18. März 2009, S. 43, der in Bezug auf die Gesetzesinitiative des Bundesrates (BR-Drs. 655/07) ausführt, dass es kaum nachvollziehbar sei, dass Rückwirkungsverbote, sobald es um Änderungen des Strafprozessrechts geht, überhaupt keinen Schutz (mehr) gewähren. 470 Dazu sogleich. 471 Rüping, in: BK, Art. 103 II Rn. 76. 472 Vgl. Rüping, in: BK, Art. 103 II Rn. 76.

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geprägt sein sollte –473 die Ausprägung von Gewohnheitsrecht Einfluss auf die Reichweite des strafrechtlichen Rückwirkungsverbots haben sollte. Gleiches gilt für den Ansatz von Lüderssen/Jahn, die aus dem „Grundsatz der Gleichrangigkeit strafrechtlicher und strafprozessualer Eingriffe“ ableiten, dass das Rückwirkungsverbot auch auf strafprozessuale Maßnahmen anzuwenden sei:474 Die Auslegung hat ergeben, dass sich der Schutz des Rückwirkungsverbots des Art. 103 II GG nicht auf das Strafprozessrecht bezieht. Insofern lässt dieses Ergebnis keinen Raum für die Ausweitung des Anwendungsbereiches. Allerdings erscheint die Unterscheidung zwischen materiellem und prozessualem Recht künstlich,475 wenn man sich vergegenwärtigt, dass die Frage der Strafbarkeit ohne die Beweiserhebung (nach der Strafprozessordnung) überhaupt nicht beantwortet werden kann, weil erst bewiesen werden muss, was der Angeklagte getan hat.476 Bereits im Jahr 1833 wies Abegg darauf hin, dass das Verfahrensrecht auch Auswirkungen auf das materielle Recht habe, teilweise auch materielle Rechtssätze beinhalte und zwischen den beiden Bereichen daher ein „wesentlicher Zusammenhang“ 477 bestehe, den man nicht unterbrechen dürfe.478

473 Beispiele für Grundrechtseingriffe im Rahmen eines Strafverfahrens, die auf Gewohnheitsrecht beruhen, finden sich bei: Kortgen, Probleme des Gewohnheitsrechts, Rn. 13 ff. 474 Vgl. Lüderssen/Jahn, in: Löwe-Rosenberg I, Einl. Abschn. M Rn. 48, hier auch zum Folgenden; siehe auch: Jahn, in: FS Kirchhof, S. 1391, 1402, § 128 Rn. 28; ders., in: Gesetzlichkeit und Strafrecht, S. 223, 231; kritisch zu diesem Ansatz in Bezug auf das Analogieverbot des Art. 103 II GG: Jäger, GA (153) 2006, 615, 622. 475 So auch ausdrücklich: Viering, Absprachen als verfahrensökonomische Lösung, S. 18; vgl. ebenfalls: Britz/Jung, in: FS Meyer-Goßner, 307, 312, allerdings in Bezug auf den in Art. 103 II GG enthaltenen Bestimmtheitsgrundsatz; vgl. weiterhin: Lüderssen, ZStW 85 (1973), 288, 315; Denninger/Lüderssen, in: Polizei und Strafprozeß im demokratischen Rechtsstaat, S. 7, 26; Naucke, Grundlinien, S. 28. Ausführlich zum Verhältnis zwischen materiellem Recht und Prozessrecht: Volk, Prozeßvoraussetzungen im Strafrecht, passim. 476 Vgl. Denninger/Lüderssen, in: Polizei und Strafprozeß im demokratischen Rechtsstaat, S. 7, 26 f.; Jäger, GA (153) 2006, 615, 619; Marxen, Straftatsystem und Strafprozeß, S. 345; Naucke, Grundlinien, S. 24 und 36; Peters, Die strafrechtsgestaltende Kraft des Strafprozesses, S. 43; Schroeder/Verrel, Strafprozessrecht, Rn. 12. Ebenfalls kritisch zu dem Umstand, dass das materielle Recht meist unabhängig von dem Strafprozessrecht behandelt wird und umgekehrt: Lüderssen, ZStW 85 (1973), 288; Peters, a. a. O., S. 6. 477 Abegg, Archiv des Criminalrechts n. F., 13. Band (1833), 467, 500. 478 Vgl. Abegg, Archiv des Criminalrechts n. F., 13. Band (1833), 467, 498 und 500 f.; aktuell ähnlich: Walter, NStZ 2014, 368, 373; vgl. auch: Lüderssen/Jahn, in: Löwe-Rosenberg I, Einl. Abschn. M Rn. 51; vgl. weiterhin: Dannecker, Das intertemporale Strafrecht, S. 323; Hettinger/Engländer, in: FS Meyer-Goßner, S. 145, 149 ff., allerdings in Bezug auf die Ausweitung des Bestimmtheits- und des Rückwirkungsverbots aus Art. 103 II GG auf täterbelastende Rechtsprechungsänderungen; Krauß, in: Dogmatik und Praxis des Strafverfahrens, S. 1, 3 ff.

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Insofern ist es nicht verwunderlich, dass in der Vergangenheit zunächst nicht zwischen materiellem Recht und Prozessrecht unterschieden wurde.479 Weil einige prozessuale Gesichtspunkte auch Auswirkungen auf das materielle Recht haben und umgekehrt,480 kann die Unterscheidung zwischen Prozessrecht und materiellem Recht nicht durchgehalten werden.481 Weiter ist zu berücksichtigen, dass in manchen Fällen bereits die Zuordnung einer Norm zu einem dieser Bereiche schwerfällt.482 Teilweise wird daraus gefolgert, dass sich aus der Unterscheidung zwischen materiellem Recht und Prozessrecht keine Konsequenzen für die Reichweite des Rückwirkungsverbots ergäben und es nicht von der Zuordnung einer Norm zum materiellen Recht oder dem Strafprozessrecht abhängen könne, ob der Schutz des Rückwirkungsverbots des Art. 103 II GG eröffnet ist oder nicht.483 Dies kann aber zumindest für den Bereich der Wiederaufnahme nicht überzeugen, weil eindeutig ist, dass die Wiederaufnahme des Strafverfahrens dem Prozessrecht zuzuordnen ist. Ebenso wenig kann man aus den geschilderten Schwierigkeiten der Abgrenzung des materiellen Rechts zum Prozessrecht und den wechselseitigen Bezügen dieser Bereiche ableiten, dass die Strafbarkeit zumindest auch durch das Prozessrecht begründet werde.484 Allein eine solche Interpretation hätte zur Folge, dass der Wortlaut des Art. 103 II GG, der ausdrücklich normiert, dass die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt sein muss, nicht (mehr) gegen die Ausweitung des Rückwirkungsverbots auf das Strafprozessrecht spräche.485 Der Einwand, dass die Unterscheidung zwischen materiellem und prozessualem Recht nicht überzeuge, lässt diesen Schluss aber nicht zu. So ist allein dem Strafgesetzbuch in Form der Straftatbestände in Verbindung mit den Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründen486 zu entnehmen, welches Verhalten strafbar ist.487 Sobald jemand einen 479

Siehe dazu: Dippel, in: FS Widmaier, S. 105, 107. Siehe dazu: Volk, Prozeßvoraussetzungen im Strafrecht, S. 19 ff.; vgl. auch: Jäger, GA (153) 2006, 615, 619 ff.; Sacher, in: FS Schünemann, S. 957, 962; vgl. zu Doppelwirkungen des Prozessrechts: Lüderssen, ZStW 85 (1973), 288, 317. 481 Zu diesem Ergebnis kommt auch: Arndt, NJW 1961, 14, 15. 482 Vgl. auch: Britz/Jung, in: FS Meyer-Goßner, S. 307, 312; Roxin, Strafrecht AT I, § 5 Rn. 58. 483 Vgl. Eser/Hecker, in: Schönke/Schröder, § 2 Rn. 6; Jakobs, Strafrecht AT, S. 68 f.: „[. . .]; die Anknüpfung an eine zu anderen Zwecken getroffene Unterscheidung führt zu Zufallsergebnissen.“; Volk, Prozeßvoraussetzungen im Strafrecht, S. 56; vgl. auch: Dannecker, Das intertemporale Strafrecht, S. 361. 484 So aber: Jäger, GA (153) 2006, 615, 619. 485 Insoweit folgerichtig: Jäger, GA (153) 2006, 615, 619. 486 Vgl. dazu auch: Weidenkaff, in: Rechtswörterbuch, Stichwort „Straftat“. 487 Ähnlich: BVerfGE 25, 269, 286 f.; Nolte, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG III, Art. 103 Rn. 110; vgl. auch allgemein zu Art. 103 II GG: Kudlich, in: Gesetzlichkeit und Strafrecht, S. 233, 242 f., der die unterschiedlichen Zielrichtungen des Straf- und des Strafprozessrechts betont. 480

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Straftatbestand rechtswidrig und schuldhaft verwirklicht, hat sich diese Person strafbar gemacht – und zwar unabhängig von möglichen Beweisschwierigkeiten. Das Strafprozessrecht bestimmt damit zwar über die Bestrafung, weil diese erst nach einem (prozess-)ordnungsgemäßen Verfahren erfolgen kann, aber nicht über die Strafbarkeit an sich. Diese steht – unabhängig von der Nachweisbarkeit – mit Begehung der Tat fest. Daher steht Art. 103 II GG der Erfassung von Altfällen im Rahmen eines möglichen Wiederaufnahmegrundes wegen neuer Beweise in § 362 StPO nicht entgegen.488 Auch die Bundesrechtsanwaltskammer ist der Auffassung, dass sich Art. 103 II GG nicht auf das Strafprozessrecht beziehe.489 Art. 103 III GG selbst enthalte jedoch ein spezielles Rückwirkungsverbot, da Art. 103 III GG ab Rechtskraft einen verfassungsrechtlich abgesicherten Schutz vor erneuter Strafverfolgung gewähre, in den durch die Erweiterung der Wiederaufnahmegründe eingegriffen werde. Dadurch erhöhe sich das Rechtfertigungsbedürfnis in Bezug auf gesetzgeberische Änderungen. Eine Rechtfertigung gelinge im Ergebnis nicht. Unabhängig von dem Ergebnis kann es nicht überzeugen, aus Art. 103 III GG ein (weiteres) spezielles Rückwirkungsverbot abzuleiten. Dadurch werden die Schutzbereiche der einzelnen Grundrechte und grundrechtsgleichen Rechte vermengt und nicht ausreichend voneinander abgegrenzt. Bei der Prüfung eines Verstoßes gegen Art. 103 III GG ist spätestens auf der Stufe der Angemessenheit (neben anderen Gesichtspunkten) zu berücksichtigen, ob die entsprechende Regelung auch für Altfälle gelten soll. Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung ist dies jedoch nur ein Aspekt unter vielen. Unabhängig davon kann ein Verstoß gegen das strafrechtliche Rückwirkungsverbot des Art. 103 II GG oder gegen das allgemeine Rückwirkungsverbot (aus Art. 20 III GG) vorliegen. Bei der Prüfung dieser Verstöße ist dann die Rückwirkung alleiniger Prüfungsmaßstab. Davon ist die Prüfung der Vereinbarkeit mit Art. 103 III GG strikt zu trennen. Das allgemeine Rückwirkungsverbot könnte der Erfassung von Altfällen in Bezug auf die Erweiterung des § 362 StPO um einen Wiederaufnahmegrund wegen neuer Beweise aber im Wege stehen.490 Im Rahmen des allgemeinen Rückwirkungsverbots wird nicht darüber diskutiert, ob es auch auf das Prozessrecht Anwendung findet oder nicht. Vielmehr betonen sowohl das Bundesverfassungsgericht als auch der BGH, nachdem sie 488

So auch: Schöch, in: FS Maiwald, S. 769, 778. Stellungnahme BRAK, S. 13 f., hier auch zum Folgenden. 490 So betont auch Marxen, in: Protokoll der 130. Sitzung des Rechtsausschusses am 18. März 2009, S. 9 f., in Bezug auf die Gesetzesinitiative des Bundesrates (BR-Drs. 655/07), dass es lediglich um die Vereinbarkeit mit dem allgemeinen Rückwirkungsverbot gehe. 489

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die Erstreckung des Schutzes des Art. 103 II GG auf das Prozessrecht abgelehnt haben, ausdrücklich, dass sich die Grenzen der Rückwirkung jedoch aus dem allgemeinen Rückwirkungsverbot ergäben.491 Diese Aussage findet sich auch teilweise in der Literatur.492 Es kann daher als unstreitig angesehen werden, dass jedenfalls das allgemeine Rückwirkungsverbot auch Schutz vor Änderungen des (Straf-)Prozessrechts gewährt. Unterschieden wird im Rahmen des allgemeinen Rückwirkungsverbots zwischen echter und unechter Rückwirkung.493 Echte Rückwirkung liegt vor, wenn nachträglich in einen bereits abgeschlossenen Sachverhalt eingegriffen wird,494 während eine unechte Rückwirkung eine Einwirkung auf noch nicht abgeschlossene Sachverhalte betrifft, die eine Rechtsposition nachträglich entwertet.495 Die unechte Rückwirkung ist grundsätzlich zulässig;496 Einschränkungen können sich aber aus den allgemeinen Grundsätzen ergeben,497 insbesondere aus dem Verhältnismäßigkeitsprinzip und dem Vertrauensschutz.498 Die echte Rückwirkung ist grundsätzlich unzulässig.499 Zulässig ist sie nur, wenn „überragende Belange des Gemeinwohls [. . .] eine rückwirkende Beseitigung von Normen erfordern“ 500 oder sich ausnahmsweise kein Vertrauen in den 491

Siehe: BVerfGE 25, 269, 289 f.; BGHSt 26, 228, 231; 46, 310, 318 f. Vgl. Brüning, in: Stern/Becker, Art. 103 Rn. 79; Eschelbach/Kett-Straub, in: KMR I, Einleitung Rn. 65; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Art. 103 Rn. 47. 493 Der zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts bezeichnet die echte Rückwirkung als Rückbewirkung von Rechtsfolgen, siehe: BVerfGE 72, 200, 242; 97, 67, 78; 127, 1, 16 f.; so nunmehr auch der erste Senat, siehe: BVerfGE 132, 302, 318 Rn. 42; 135, 1, 13 Rn. 38; unechte Rückwirkung bezeichnet der zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts als tatbestandliche Rückanknüpfung, siehe: BVerfGE 72, 200, 242; 97, 67, 79; 127, 1, 17; so auch der erste Senat in: BVerfGE 132, 302, 318 Rn. 43. Zu der Unterscheidung siehe nur: BVerfGE 25, 142, 154; 135, 1, 13 Rn. 37 ff.; Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 20 Rn. 68 ff. 494 Ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, siehe: BVerfGE 14, 288, 297; 22, 241, 248; 95, 64, 86; 101, 239, 263; 114, 258, 300; 123, 186, 257; 127, 1, 16 f.; 132, 302, 318 Rn. 42; 135, 1, 13 Rn. 38. 495 Vgl.: BVerfGE 14, 288, 297; 25, 269, 290; 30, 392, 402; 95, 64, 86; 101, 239, 263; 123, 186, 257; 132, 302, 318 Rn. 43. 496 Vgl.: BVerfGE 95, 64, 86, 101, 239, 263; 123, 186, 257; 132, 302, 318 Rn. 43; 135, 1, 13 Rn. 37; siehe aber BVerfGE 127, 1, wonach die unechte Rückwirkung nicht grundsätzlich unzulässig sei. 497 Siehe: BVerfGE 123, 186, 257; vgl. auch: BVerfGE 72, 200, 242 f.; 127, 1, 17 f. 498 Siehe dazu: BVerfGE 72, 200, 242 f.; 95, 64, 86, 101, 239, 263; 127, 1, 17 f.; 132, 302, 318 Rn. 43. 499 Vgl.: BVerfGE 22, 241, 248; 95, 64, 86; 101, 239, 263; 123, 186, 257; 127, 1, 16 f.; 132, 302, 318; 135, 1, 13 Rn. 37 und 21 Rn. 60. 500 BVerfGE 88, 384, 404; 101, 239, 264; 135, 1, 22 Rn. 62; vgl. auch: BVerfGE 2, 380, 405; 13, 261, 272; 97, 67, 79 f. 492

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Bestand des geltenden Rechts bilden konnte.501 Zu Letzterem haben sich unterschiedliche Fallgruppen herausgebildet:502 So nimmt das Bundesverfassungsgericht eine zulässige echte Rückwirkung beispielsweise an, wenn die Betroffenen nicht mit dem Fortbestand der Regelung rechnen konnten, wenn nur ein sehr geringer Schaden verursacht wird, bei unklarer und verworrener Rechtslage und wenn ein Rechtsschein durch eine ungültige Norm erzeugt wurde. Die Frage, ob die Erstreckung der ungünstigen Wiederaufnahme des Strafverfahrens vor dem Hintergrund neuer Beweise auf Altfälle eine echte oder eine unechte Rückwirkung darstellen würde, ist nicht leicht zu beantworten.503 Betont man, dass der Eintritt der Vollstreckbarkeit oder der Rechtskraft das Verfahren beende, gelangt man eher zu einer echten Rückwirkung, weil man das Verfahren als abgeschlossen ansieht. Setzt man den Argumentationsschwerpunkt hingegen darauf, dass jedes vollstreckbare und rechtskräftige Urteil unter dem Vorbehalt der Wiederaufnahme des Strafverfahrens stehe, gelangt man eher zu dem Schluss, dass in einen noch nicht abgeschlossenen Sachverhalt eingegriffen werde und daher lediglich eine unechte Rückwirkung vorliege. Dementsprechend äußerten sich die Sachverständigen und andere Autoren zu der Gesetzesinitiative des Bundesrates504 nicht einheitlich zu der Frage, ob eine echte oder unechte Rückwirkung vorliege: Pabst sieht in der Gesetzesinitiative des Bundesrates einen Verstoß gegen das allgemeine Rückwirkungsverbot, weil ein Fall der echten Rückwirkung und eine „Strafbegründung durch Prozessrecht“ 505 vorliege, die wie eine materielle Rückwirkung zu behandeln sei.506 Zu dem gleichen Ergebnis kommt die Bundesrechtsanwaltskammer mit der Begründung, dass keine Rechtfertigung in Betracht komme, eine echte Rückwirkung vorliege und keine der anerkannten Ausnahmen der echten Rückwirkung einschlägig sei.507 Nach Schöch liegt hingegen in der Anwendung eines etwaigen Wiederaufnahmegrundes wegen neuer Beweise auf bereits abgeurteilte Taten kein Verstoß gegen das allgemeine Rückwirkungsverbot, da es sich insofern lediglich um eine

501 BVerfGE 95, 64, 86 f.; 88, 384, 404; 101, 239, 263; 135, 1, 22 Rn. 61; vgl. auch: BVerfGE 97, 67, 79 f. 502 Siehe nur: BVerfGE 135, 1, 21 ff. Rn. 61 f. m.w. N., hier auch zum Folgenden. 503 Allgemein zu den Schwierigkeiten bei der Abgrenzung zwischen echter und unechter Rückwirkung: Schulze-Fielitz, in: Dreier II, Art. 20 (Rechtsstaat) Rn. 155, der herausstellt, dass in der Praxis überwiegend eine Einzelfallabwägung vor dem Hintergrund der Verhältnismäßigkeitsprüfung erfolge. 504 Siehe: BR-Drs. 655/07. 505 Pabst, ZIS 2010, 126, 130; so auch: Künast, StV 2015 (Heft 11), I (Editorial). 506 Vgl. Pabst, ZIS 2010, 126, 130. 507 Stellungnahme BRAK, S. 14.

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unechte Rückwirkung handele.508 Die erforderliche Abwägung falle zugunsten der materiellen Gerechtigkeit aus, da das Vertrauen auf einen materiell fehlerhaften Freispruch nicht schutzwürdig sei, zumal der Täter Kenntnis von der Unrichtigkeit des Urteils habe. Der Begründung von Schöch kann aber nicht gefolgt werden: Zunächst stellt ein Freispruch aus Mangel an Beweisen keinen formell fehlerhaften Freispruch dar. Vielmehr wurde bereits in den Bundestagsdrucksachen einer früheren Gesetzesinitiative richtigerweise festgestellt, dass „ein aus Mangel an Beweisen erfolgter Freispruch kein Fehlurteil, sondern die von der Prozeßordnung vorgesehene rechtmäßige Entscheidung [darstelle], weshalb nicht wegen jeder nachträglich festgestellten Tatsache oder jedes erst nach dem Urteil entdeckten Beweismittels eine Wiederaufnahme des Verfahrens gestattet werden darf.“ 509 Ein solches Urteil ist aber auch nicht zwangsläufig materiell fehlerhaft, weil (noch) nicht feststeht, ob der Freigesprochene die Tat wirklich begangen hat. Im Übrigen erscheint die Unterscheidung zwischen materieller und prozessualer Fehlerhaftigkeit – wie oben bereits erörtert – nicht zielführend, da sich die Subsumtion eines Sachverhalts unter eine Strafnorm erst aus der Beweisaufnahme nach dem Strafprozessrecht ergibt. Es handelt sich bei der Erstreckung des möglichen Wiederaufnahmegrundes auf Altfälle aber auch nicht nur um eine unechte Rückwirkung: Selbst wenn man betont, dass jedes vollstreckbare, rechtskräftige Urteil unter einem Wiederaufnahmevorbehalt steht, müssen die Voraussetzungen einer echten Rückwirkung geprüft werden, weil neue Beweise zuvor keine nachteilige Wiederaufnahme ermöglichten und der Sachverhalt insofern als abgeschlossen galt. In seiner Entscheidung zur Sicherungsverwahrung ging das Bundesverfassungsgericht davon aus, dass allein die Möglichkeit einer Wiederaufnahme des Strafverfahrens nach § 362 StPO nicht dazu führe, dass der Sachverhalt noch nicht als abgeschlossen gelte.510 Dies ist auch nachvollziehbar, weil es in einem Rechtsstaat keinen eindeutigeren Abschluss eines Sachverhalts gibt als den Eintritt der Rechtskraft. Sofern der Gesetzgeber aber in einen bereits abgeschlossenen Sachverhalt eingreift, liegt ein Fall der echten Rückwirkung vor. Keine der oben beschriebenen Aus-

508 Schöch, in: FS Maiwald, S. 769, 778 f., vgl. hier auch zum Folgenden; vgl. auch: Schöch, in: Protokoll der 130. Sitzung des Rechtsausschusses am 18. März 2009, S. 29. 509 BT-Drs. 12/6219, S. 7; vgl. auch: Meyer, Wiederaufnahmereform, S. 71; Niedersächsischer Landtag Drs. 17/5501, S. 7, abrufbar unter: www.landtag-niedersachsen.de/ Drucksachen/Drucksachen_17_7500/5501-6000/17-5501.pdf, zuletzt aufgerufen am 09.07.2016; Scherzberg, in: Protokoll der 130. Sitzung des Rechtsausschusses am 18. März 2009, S. 16, in Bezug auf die Gesetzesinitiative des Bundesrates (BR-Drs. 655/ 07); Saliger, Radbruchsche Formel und Rechtsstaat, 1995, S. 74; Weber-Klatt, Die Wiederaufnahme von Verfahren, S. 25 f. 510 Vgl.: BVerfGE 109, 190, 254.

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nahmen in Bezug auf die Zulässigkeit einer echten Rückwirkung ist in diesem Fall einschlägig. Außerdem ist die oben bereits erläuterte Möglichkeit, dass Änderungen des Strafprozessrechts einer materiellen Rückwirkung gleichstehen können, nun im Rahmen des allgemeinen Rückwirkungsverbots zu berücksichtigen: Nach dem Bundesverfassungsgericht kann das Prozessrecht im Einzelfall Rechtspositionen gewährleisten, die genau so schutzbedürftig sind wie materielle Gewährleistungen.511 Sofern in § 362 StPO ein neuer Wiederaufnahmegrund wegen neuer Beweise eingefügt würde, der sich auch auf Altfälle erstrecken soll, wäre dies ein Eingriff in eine solche schutzwürdige Rechtsposition des Prozessrechts: Denn der ehemals Freigesprochene oder Verurteilte würde im Rahmen eines Prozesses für das ihm zur Last gelegte Verhalten erneut zur Verantwortung gezogen. Aufgrund des Art. 103 III GG darf er in dieser Sache grundsätzlich nicht nochmals verfolgt werden, es sei denn, der Prozess wäre nicht ordnungsgemäß abgelaufen (§ 362 Nr. 1–3 StPO) oder der Verurteilte oder Freigesprochene gäbe seine durch Art. 103 III GG festgelegte Rechtssicherheit bewusst preis (§ 362 Nr. 4 StPO).512 In Bezug auf neue Beweise muss er aber nicht mit erneuter Verfolgung rechnen, da sein Verfahren mangels Wiederaufnahmegrund abgeschlossen ist. Wenn aber nun wegen eines neuen Wiederaufnahmegrundes doch noch weitere Ermittlungen gegen den ursprünglich Freigesprochenen oder Verurteilten möglich wären, würde damit in die schutzwürdige Rechtsposition, dass keine erneute Verfolgung wegen neuer Beweise zulässig ist, eingegriffen. Daher – aber insbesondere auch, weil ein Fall der echten Rückwirkung vorliegt und keine der beschriebenen Ausnahmen des Verbots der echten Rückwirkung einschlägig ist, – läge in der Erstreckung eines potenziellen Wiederaufnahmegrundes wegen neuer Beweise in § 362 StPO auf Altfälle ein Verstoß gegen das allgemeine Rückwirkungsverbot.513 Es stellt sich außerdem die Frage, ob darin auch ein Verstoß gegen die internationalen Rückwirkungsverbote läge. Nach Art. 15 I 1 IPbpR darf niemand wegen einer Handlung oder Unterlassung verurteilt werden, die zur Zeit ihrer Begehung nach inländischem oder nach internationalem Recht nicht strafbar war. Art. 7 I EMRK normiert fast gleichlautend, dass niemand wegen einer Handlung oder Unterlassung verurteilt werden darf, die zur Zeit ihrer Begehung nach innerstaatlichem oder internationalem Recht nicht strafbar war.

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BVerfGE 63, 343, 359; 87, 48, 63 f. Ausführlich zu den Wiederaufnahmegründen de lege lata und deren Vereinbarkeit mit Art. 103 III GG oben unter D. II. 2.; vgl. auch oben unter D. I. 513 Vgl. dazu auch: Niedersächsischer Landtag Drs. 17/5501, S. 5, abrufbar unter: www.landtag-niedersachsen.de/Drucksachen/Drucksachen_17_7500/5501-6000/17-5501. pdf, zuletzt aufgerufen am 09.07.2016. 512

III. Strafprozessuale Zulässigkeit

271

Nach der Literatur und dem EGMR erfassen die Normierungen in der EMRK und dem IPbpR aber nicht das Verfahrensrecht.514 Eine Änderung des Strafprozessrechts tangiere nicht die materielle Strafnorm, die letztlich die Strafbarkeit festlege.515 Diese Argumentation ist mit dem Wortlautargument im Rahmen des Art. 103 II GG, der von der „Strafbarkeit“ spricht, vergleichbar. Anders als in Bezug auf Art. 103 II GG ist aber nicht ersichtlich, dass das Verfahrensrecht nach der Entstehungsgeschichte und dem Sinn und Zweck des Art. 15 I 1 IPbpR und des Art. 7 I EMRK nicht von dem Schutzgehalt dieser Normen erfasst sein soll. Deshalb kann der oben ausgeführte Aspekt, dass die Unterscheidung zwischen materiellem Recht und Verfahrensrecht schwierig ist und vor allem nicht für die Bestimmung der Reichweite des Nulla-poena-sine-lege-Grundsatzes fruchtbar gemacht werden kann, hier – anders als bei Art. 103 II GG – berücksichtigt werden. Es bestehen daher keine Bedenken dagegen, den Schutz des Art. 15 I 1 IPbpR und des Art. 7 I EMRK zumindest auf Änderungen der Strafprozessordnung auszudehnen, die einer materiellen Rückwirkung gleichstehen.516 Dies ist in Bezug auf die Erstreckung eines möglichen neuen Wiederaufnahmegrundes wegen neuer Beweise in § 362 StPO auf Altfälle der Fall. Da die Ausnahmen des Art. 15 II IPbpR und des Art. 7 II EMRK nicht einschlägig sind, läge in der Anwendung des § 362 Nr. 5 StPO-E auf Altfälle somit sowohl ein Verstoß gegen Art. 15 I 1 IPBpR als auch ein Verstoß gegen Art. 7 I EMRK.517 Nach Art. 49 I GRC darf – gleichlautend mit Art. 15 I 1 IPbpR – niemand wegen einer Handlung oder Unterlassung verurteilt werden, die zur Zeit ihrer Begehung nach innerstaatlichem oder internationalem Recht nicht strafbar war.

514 Esser, in: Löwe-Rosenberg XI, EMRK Art. 7/Art. 15 IPBPR Rn. 33. Siehe für Art. 7 I EMRK auch: Frowein, in: EMRK-Kommentar, Art. 7 Rn. 8; Meyer-Ladewig, EMRK, Art. 7 Rn. 6; Villiger, Handbuch der EMRK, Rn. 537; vgl. weiterhin zu Art. 7 I EMRK: EGMR, X. v/United Kingdom, X. c/Royaume-Uni, Urteil vom 10.12.1975, Nr. 6833/74, DR 3, 95 f.; EGMR, Gillies/Großbritannien, Urteil vom 14.04.1989, Nr. 14099/88, abrufbar unter: http://hudoc.echr.coe.int/sites/eng/Pages/search.aspx# {%22fulltext%22:[%2214099/88%22],%22documentcollectionid2 %22:[%22JUDGME NTS%22,%22DECISIONS%22],%22itemid %22:[%22001-1109%22]}, zuletzt aufgerufen am 09.07.2016. 515 So für Art. 7 I EMRK: Villiger, Handbuch der EMRK, Rn. 537. 516 Ähnlich wohl in Bezug auf Art. 7 I EMRK: Eser, in: Meyer, Art. 49 Rn. 33, weil sich seine Äußerungen nach dem Kontext nicht nur auf Art. 49 GRC, sondern auch auf Art. 7 I EMRK beziehen. Eser, a. a. O. sieht aber den Vertrauensschutzgehalt einer Norm als entscheidendes Kriterium für die Geltung des Rückwirkungsverbots an. Näher zu Art. 49 GRC sogleich. 517 Auf die Frage, ob aufgrund der Auslegung des Grundgesetzes anhand der EMRK (siehe dazu: BVerfGE 74, 358, 370; 111, 307, 315 ff.; 120, 180, 200 f.; 128, 326, 366 ff.; BVerfGK 3, 4, 8; 10, 66, 77; 10, 234, 239; 14, 60, 70; 14, 539, 544; 17, 1, 7) eine Ausweitung des Art. 103 II GG in Betracht kommt, soll nicht weiter eingegangen werden. Dagegen spricht, dass über das allgemeine Rückwirkungsverbot ein ähnlicher Schutz erreicht wird, wobei freilich zu berücksichtigen wäre, dass Art. 103 II GG nicht so leicht einzuschränken ist wie das allgemeine Rückwirkungsverbot.

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G. Erweiterung des § 362 StPO

Eser führt dazu aus, dass es (noch) nicht geklärt sei, ob das Rückwirkungsverbot des Art. 49 I GRC auch für das Strafverfahrensrecht gelte.518 Nach Eser kann die Unterscheidung zwischen materiellem Recht und Prozessrecht aber nicht entscheidend für die Anwendung des Rückwirkungsverbots sein, da es oftmals vom Zufall abhänge, ob eine Materie im Prozessrecht oder im materiellen Recht geregelt werde. Im Ergebnis sei der Vertrauensschutz der jeweiligen (strafprozessualen) Norm – und nicht die Frage, ob der Gesetzesänderung Strafwürdigkeitsoder Strafbedürftigkeitserwägungen zu Grunde lägen – entscheidend. Es werden also zumindest von Eser Argumentationsstränge, die sich bei der Diskussion um die nationalen Rückwirkungsverbote finden, auf die europäische Ebene übertragen. Nach herrschender Meinung soll jedoch auch Art. 49 I GRC nicht das Strafverfahrensrecht erfassen,519 da sich der Schutzbereich nicht von dem des Art. 7 EMRK unterscheide,520 was in den Erläuterungen zu der Charta der Grundrechte ausdrücklich festgeschrieben ist.521 Da sich der Schutz des Art. 7 I EMRK aber nach der hier vertretenen Auffassung zumindest auch auf die Änderungen von Verfahrensnormen erstreckt, die einer materiellen Rückwirkung gleichstehen, ist auch Art. 49 I GRC – um den in den Erläuterungen festgelegten Gleichlauf mit Art. 7 I EMRK zu erreichen – entsprechend zu interpretieren. Folglich läge in der Anwendung der potenziellen Erweiterung auf Altfälle auch ein Verstoß gegen Art. 49 I GRC. Insgesamt stände allein das strafrechtliche Rückwirkungsverbot des Art. 103 II GG der Erstreckung auf Altfälle nicht entgegen.522 Ein solches Vorgehen verstieße aber gegen das allgemeine Rückwirkungsverbot des Grundgesetzes, gegen Art. 15 I 1 IPbpR und Art. 7 I EMRK und gegen Art. 49 I GRC. Zumindest die Anwendbarkeit der Vorschrift des Entwurfs des Bundesrates523 ist damit – entgegen der Ansicht des Gesetzgebers, der den neuen Wiederaufnah-

518

Vgl. Eser, in: Meyer, Art. 49 Rn. 33, hier auch zum Folgenden. So: Frenz, Handbuch Europarecht IV Rn. 5132; Jarass, GRCh, Art. 49 Rn. 13; ders., NStZ 2012, 611, 615; Schlussanträge GA Cruz Kokott, Rs. C-296/08 – Santesteban Goicoechea, Slg. 2008, 6310, 6320 Rn. 45; vgl. auch: EuGH, Urteil vom 16.06. 2005, Rs. C-105/03 – Pupino, Slg. 2005, 5309, 5328 f. Rn. 44 ff. 520 Siehe zur Bestimmung des Schutzbereichs unter Heranziehung des Art. 7 EMRK: Erläuterungen zur Charta der Grundrechte, ABl. C 303 vom 14.12.2007, S. 31; Folz, in: Europäisches Unionsrecht, Art. 49 GR-Charta Rn. 2, mit Verweis auf die Erläuterungen. 521 Erläuterungen zur Charta der Grundrechte, ABl. C 303 vom 14.12.2007, S. 31. 522 Selbst dies gilt aber nur, wenn man den Schutz des Art. 103 II GG nicht aufgrund der Auslegung des Grundgesetzes anhand der EMRK auf das (Straf-)Prozessrecht ausdehnt. 523 BR-Drs. 655/07. 519

III. Strafprozessuale Zulässigkeit

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megrund wohl auch auf Altfälle anwenden wollte,524 erheblich eingeschränkt, was ein anderes Licht auf die Ausführungen zu der Notwendigkeit einer entsprechenden Erweiterung525 wirft. Weil die Erweiterung des § 362 StPO nach dem Entwurf des Bundesrates nur wenige Fälle erfassen würde, kann sie damit allenfalls noch vor dem Hintergrund der Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers als notwendig angesehen werden.526 7. Verstoß gegen die Unschuldsvermutung Im Rahmen der Vorschläge, die in Bezug auf eine Erweiterung des § 362 StPO um einen Wiederaufnahmegrund wegen neuer Beweise gemacht wurden, diskutierte man unterschiedliche Verdachtsgrade,527 die für die Wiederaufnahme erforderlich sein sollten. So sollte der Antrag auf Wiederaufnahme des Strafverfahrens nach § 370 I der Gesetzesinitiative des Bundesrates528 ohne mündliche Verhandlung als unbegründet verworfen werden, wenn im Falle des Wiederaufnahmegrundes nach § 362 Nr. 5 StPO-E nicht dringende Gründe für die Annahme vorhanden sind, dass der Freigesprochene verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt werden wird, weil seine Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist. Nach § 362 des Entwurfs des Bundestages529 sollte die Wiederaufnahme zuungunsten des Angeklagten bei vorherigem Freispruch zugelassen werden, wenn neue Tatsachen oder Beweismittel beigebracht wurden, die allein oder in Verbindung mit den früher erhobenen Beweisen jeden begründeten Zweifel ausschlossen, dass der Angeklagte in einer neuen Hauptverhandlung der Begehung eines Mordes (§ 211 StGB) oder Völkermordes (§ 220a StGB a. F.) überführt werden würde.530 Außerdem diskutierte die Literatur, ob nur Umstände zu einer Wiederaufnahme führen sollen, „die eindeutig und zweifelsfrei die Täterschaft des Freige-

524 Siehe nur: Müller-Piepenkötter bei: Dahlkamp, DER SPIEGEL 47/2008, Der letzte Versuch; so interpretiert auch Pabst, ZIS 2010, 126, 130, die Gesetzesinitiative. 525 Siehe oben unter G. II. 526 Zu der Übertragung des Gedankens der Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers auf die Erörterungen zu der Notwendigkeit einer Regelung siehe ebenfalls oben unter G. II. 527 Ausführlich zu dem Verdacht im Strafverfahren: Schulz, Normiertes Misstrauen, passim. 528 Siehe BR-Drs. 655/07, S. 8. 529 BT-Drs. 13/3594, S. 3. 530 Auch Stoffers forderte im Rahmen seiner Stellungnahme (Stoffers, Stellungnahme S. 10) zur Gesetzesinitiative des Bundesrates (BR-Drs. 655/07) den Ausschluss jedes begründeten Zweifels; siehe auch: Stoffers, in: Protokoll der 130. Sitzung des Rechtsausschusses am 18. März 2009, S. 23.

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G. Erweiterung des § 362 StPO

sprochenen dartun“ 531. Nach einem weiteren Vorschlag Peters’ ist die nachteilige Wiederaufnahme aufgrund neuer Beweise bei einzelnen Verbrechen zuzulassen, „wenn sich die Täterschaft offensichtlich aus aufgefundenen Sachbeweisen ergibt [. . .]“ 532. Diese Verdachtsgrade sollen im weiteren Verlauf vor dem Hintergrund der Unschuldsvermutung untersucht werden. Die Unschuldsvermutung leitet sich innerstaatlich aus dem Rechtsstaatsprinzip ab.533 Sie ist aber auch in Art. 6 II EMRK, Art. 14 II IPbpR und Art. 48 I GRC normiert. Weil sich die Schutzbereiche und Streitigkeiten in Bezug auf die einzelnen Normierungen nicht besonders unterscheiden, soll im Rahmen der folgenden Erörterungen nicht nach den einzelnen Rechtsätzen differenziert werden, zumal das Bundesverfassungsgericht die Bestimmungen des Grundgesetzes ohnehin anhand der EMRK auslegt.534 Nach dem Wortlaut des Art. 6 II EMRK umfasst die Unschuldsvermutung zunächst, dass jede Person, die einer Straftat angeklagt ist, bis zum gesetzlichen Beweis ihrer Schuld als unschuldig gilt. Die Unschuldsvermutung bietet allerdings auch Schutz vor Nachteilen, die mit einem Schuldspruch oder einer Strafe vergleichbar sind, sofern der Verhängung dieser Nachteile kein rechtsstaatliches, prozessordnungsgemäßes Verfahren vorausging, in dem die Schuld festgestellt und über die Strafzumessung entschieden wurde.535 Sie bezweckt außerdem eine „ergebnisoffene[n] Entscheidungsfindung“ 536. Dieser letztere Zweck lässt sich mit der Formulierung des Verbots der Vorwegnahme der Hauptsache,537 die man aus dem Bereich des vorläufigen Rechtsschutzes kennt, vergleichen. Das mit dem Schuldspruch (zunächst) endende Verfahren darf nicht vorweggenommen werden. Nach Stuckenberg gilt die Unschuldsvermutung nicht für die Wiederaufnahme des Strafverfahrens,538 sodass ein Verstoß gegen die Unschuldsvermutung nach 531 So Deml, Zur Reform der Wiederaufnahme, S. 143; Peters, Fehlerquellen II, S. 321; ähnlich: Henkel, Strafverfahrensrecht2, S. 395 Fn. 5. 532 Peters, Strafprozeß, S. 671. 533 Siehe nur: Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 20 Rn. 108 m.w. N.; Schulze-Fielitz, in: Dreier II, Art. 20 (Rechtsstaat) Rn. 219 m.w. N. 534 Siehe dazu nochmals: BVerfGE 74, 358, 370; 111, 307, 315 ff.; 120, 180, 200 f.; 128, 326, 366 ff.; BVerfGK 3, 4, 8; 10, 66, 77; 10, 234, 239; 14, 60, 70; 14, 539, 544; 17, 1, 7; speziell in Bezug auf die Unschuldsvermutung siehe nur: BVerfGE 74, 358, 370. 535 BVerfGE 74, 358, 371; 82, 106, 114 f.; Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 20 Rn. 108; Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, Art. 20 Rn. 62; vgl. auch: BVerfGE 133, 168, 202 Rn. 61. 536 Esser, in: Löwe-Rosenberg XI, EMRK Art. 6/Art. 14 IPBPR Rn. 445. 537 Vgl. zu der Formulierung auch: BR-Drs. 655/07, S. 14. 538 Stuckenberg, ZStW 111 (1999), 422, 459; so wohl auch: Saliger, Radbruchsche Formel und Rechtsstaat, S. 60; einschränkend: Stuckenberg, Untersuchungen zur Un-

III. Strafprozessuale Zulässigkeit

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seiner Ansicht ohnehin nicht in Betracht käme. Diese Ansicht korrespondiert mit der Aussage, dass die Unschuldsvermutung lediglich bis zu dem Eintritt der Rechtskraft Geltung beanspruche.539 Dem ist grundsätzlich zuzustimmen. Die begrenzte Geltung der Unschuldsvermutung ergibt sich bereits aus ihrem Zweck, vor strafähnlichen Sanktionen zu schützen, die nicht im Rahmen eines rechtsstaatlichen, prozessordnungsgemäßen Verfahrens verhängt wurden: Sofern ein entsprechendes Verfahren stattgefunden hat, trug dieses Verfahren der Unschuldsvermutung Rechnung, sodass sich der Zweck der Unschuldsvermutung mit Abschluss des Verfahrens erledigt hat. Grundsätzlich gilt die Unschuldsvermutung somit nur bis zum Eintritt der Vollstreckbarkeit540 und damit bis zum Eintritt der Rechtskraft.541 Für das wiederaufgenommene Verfahren ist allerdings eine Ausnahme zu machen, damit der Angeklagte dort nicht schutzlos gestellt wird. Der Vorwurf, auf den sich die Wiederaufnahme bezieht, wurde – zumindest bei der Wiederaufnahme zuungunsten des Angeklagten – noch nicht (vollumfänglich) in einem rechtsstaatlichen, prozessordnungsgemäßen Verfahren erörtert, sodass die Anwendung der Vermutung auch im wiederaufgenommenen Verfahren Sinn ergibt. Insbesondere bei einem vorangegangenen Freispruch wurde die Unschuldsvermutung im ersten Verfahren effektiv realisiert, und auch im zweiten Verfahren muss dem Zweck der Unschuldsvermutung Rechnung getragen werden. Deshalb muss die Unschuldsvermutung auch für das wiederaufgenommene Strafverfahren gelten. Davon ausgehend stellt sich aber zudem die Frage, ob sie bereits für die Prüfung der Zulässigkeit und der Begründetheit des Wiederaufnahmeantrags – also im Additions- und im Probationsverfahren –542 gilt oder ob sie erst in dem wiederaufgenommenen Verfahren wieder zur Geltung kommt. schuldsvermutung, S. 418, wonach die Unschuldsvermutung nach Zulassung der Wiederaufnahme bei der Entscheidung über eine erneute Anklage wieder gelte; vgl. auch S. 559. Nach Hilger, in: Löwe-Rosenberg IV, Vor § 112 Rn. 38, beansprucht die Unschuldsvermutung für das gesamte Verfahren Geltung. Er sagt aber zumindest nicht ausdrücklich, dass dies auch die Wiederaufnahme des Strafverfahrens erfasse. 539 Siehe anstatt aller: BAGE 92, 289, 295; Fischer, in: KK, Einleitung Rn. 167 und 312; Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 20 Rn. 108; Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, Art. 20 Rn. 62; Laubenthal, GA 136 (1989), 20, 25; Paeffgen, Vorüberlegungen, S. 48 und 50; Pfeiffer, in: FS Geiß, S. 147, 152. 540 Zum Kriterium der Vollstreckbarkeit siehe oben unter D. II. 2. 541 Siehe auch: BAGE 92, 289, 295; Fischer, in: KK, Einleitung Rn. 167 und 312; Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 20 Rn. 108; Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/ Henneke, Art. 20 Rn. 62; Laubenthal, GA 136 (1989), 20, 25; Paeffgen, Vorüberlegungen, S. 48 und 50; Pfeiffer, in: FS Geiß, S. 147, 152; so im Ergebnis auch: Esser, in: Löwe-Rosenberg XI, EMRK Art. 6/Art. 14 IPBPR Rn. 481. 542 Siehe zu den Begriffen nur: Marxen/Tiemann, Die Wiederaufnahme in Strafsachen, Rn. 7.

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G. Erweiterung des § 362 StPO

Zum besseren Verständnis soll zunächst die Struktur des Wiederaufnahmeverfahrens kurz dargestellt werden: Im Additionsverfahren wird über die Zulässigkeit des Wiederaufnahmeantrags entschieden.543 Zuständig ist nach § 367 I 1 StPO i.V. m. § 140a I 1 GVG ein anderes Gericht mit gleicher sachlicher Zuständigkeit als das Gericht, gegen dessen Entscheidung sich der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens richtet. Der Antrag ist nach § 368 I StPO als unzulässig zu verwerfen, wenn er nicht in der vorgeschriebenen Form angebracht, darin kein gesetzlicher Grund der Wiederaufnahme geltend gemacht oder kein geeignetes Beweismittel angeführt ist. Ist dies nicht der Fall prüft dasselbe Gericht im weiteren Verlauf im Probationsverfahren die Begründetheit des Wiederaufnahmeantrags. 544 Es prüft, ob das Vorbringen aus dem Wiederaufnahmeantrag tatsächlich zutrifft.545 Für die Begründetheit ist es jedoch ausreichend, dass eine neue Hauptverhandlung aufgrund der vorgebrachten Umstände wahrscheinlich ist.546 Das Gericht prüft aus seiner eigenen Perspektive, also aus der Perpektive des Wiederaufnahmegerichts heraus.547 Ist der Wiederaufnahmeantrag zulässig und begründet, ordnet das Gericht die Wiederaufnahme des Verfahrens an. Da sich die Zuständigkeitsregel des § 367 I 1 StPO i.V. m. § 140a GVG sowohl auf das Wiederaufnahmeverfahren als auch auf das wiederaufgenommene Verfahren bezieht, bleibt das Gericht das dem Wiederaufnahmeantrag stattgegeben hat auch für das wiederaufgenommene Verfahren zuständig.548 Anders als im Erkenntnisverfahren und im wiederaufgenommenen Verfahren trägt der Antragsteller sowohl im Additions- als auch im Probationsverfahren die Darlegungs- und Beweislast.549 Sofern die Literatur die Frage erörtert, ob die Unschuldsvermutung im Additions- und Probationsverfahren gilt, geht sie davon aus, dass die Unschuldsvermutung erst wieder nach Zulassung der Wiederaufnahme, also nach dem Proba543

Marxen/Tiemann, Die Wiederaufnahme in Strafsachen, Rn. 7. Marxen/Tiemann, Die Wiederaufnahme in Strafsachen, Rn. 7, hier auch zum Folgenden. 545 Gössel, in: Löwe-Rosenberg VII/2, Vor § 359 Rn. 136. 546 Marxen/Tiemann, Die Wiederaufnahme in Strafsachen, Rn. 355. 547 Marxen/Tiemann, Die Wiederaufnahme in Strafsachen, Rn. 356. Zu dem Streit, aus welcher Perpektive das Gericht im Rahmen von § 359 Nr. 5 StPO prüft, siehe: Gössel, in: Löwe-Rosenberg VII/2, § 359 Rn. 157 ff.; Marxen/Tiemann, a. a. O., Rn. 227 ff.; Schmidt, in: KK, § 368 Rn. 10. Diese Frage könnte sich bei der Wiederaufnahme zuungunsten des Angeklagten bei dem Vorliegen neuer Beweise ebenfalls stellen. 548 Vgl. Frister, in: SK-StPO IX, § 140a GVG Rn. 18; Gössel, in: Löwe-Rosenberg VII/2, § 367 Rn. 3 f.; zu der Verfassungsmäßigkeit des § 140a GVG siehe: Feiber, NJW 1986, 699 f. 549 Ausführlich dazu: Marxen/Tiemann, Die Wiederaufnahme in Strafsachen, Rn. 8 ff. 544

III. Strafprozessuale Zulässigkeit

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tionsverfahren im wiederaufgenommenen Verfahren, gelte.550 Diese These wird nicht begründet, und kann im Ergebnis auch nicht überzeugen: Davon ausgehend, dass die Unschuldsvermutung im Ausgangsverfahren bis zum Eintritt der Vollstreckbarkeit und damit bis zum Eintritt der Rechtskraft gilt, aber auch im Wiederaufnahmeverfahren zu beachten ist, muss man einen Zeitpunkt definieren, ab dem die Unschuldsvermutung wieder gelten soll. Vor dem Hintergrund des Zwecks der Unschuldsvermutung kann dies aber nicht erst der Abschluss des Probationsverfahrens sein: Zwar ist der Schuldbeweis aus dem ursprünglichen Verfahren – sofern dieses mit einer Verurteilung endete – vor diesem Zeitpunkt noch nicht erschüttert, sodass der Verurteilte zunächst einmal (weiterhin) als schuldig angesehen werden kann, ohne dass dies gegen die Unschuldsvermutung verstieße. Sofern man aber den Gehalt der Unschuldsvermutung betont, eine ergebnisoffene Entscheidungsfindung im Sinne des Verbots der Vorwegnahme der Hauptsache zu gewährleisten, muss die Unschuldsvermutung bereits für das Additions- und das Probationsverfahren gelten: Denn – wie oben bereits erwähnt – entscheidet das nach § 367 I 1 StPO i.V. m. § 140a GVG zuständige Gericht sowohl über das Additions- und das Probationsverfahren als auch im Rahmen des wiederaufgenommenen Verfahrens, sofern der Wiederaufnahmeantrag zulässig und begründet ist. Bereits bei der Prüfung des Wiederaufnahmeantrags muss daher einer etwaigen Voreingenommenheit des Gerichts entgegentreten werden. Dazu dient die Unschuldsvermutung, da durch sie eine ergebnisoffene Entscheidungsfindung im späteren Wiederaufnahmeverfahren gewährleistet wird. Dies gilt umso mehr, als die Entscheidung über den Wiederaufnahmeantrag von Verdachtsgraden abhängig ist, die den Schutzgehalt der Unschuldsvermutung zumindest tangieren.551 Dagegen kann auch nicht geltend gemacht werden, dass eine entsprechende Voreingenommenheit des Gerichts im Wiederaufnahmeverfahren gar nicht zu befürchten sei: Zwar sind bei der Wiederaufnahme zuungunsten des Angeklagten nur Staatsanwaltschaft oder Privatkläger antragsberechtigt,552 und im Additionsund im Probationsverfahren prüft das Gericht daher auch nur den Antrag von Staatsanwaltschaft oder Privatkläger in Bezug auf das tatsächliche Vorliegen der geltend gemachten Wiederaufnahmegründe. Diese Prüfung tangiert aber den ursprünglich Freigesprochen oder Verurteilten insofern, als die in den einzelnen Gesetzesinitiativen und Vorschlägen der Literatur erforderlichen Verdachtsgrade ebenfalls geprüft werden müssen.

550 Esser, in: Löwe-Rosenberg XI, EMRK Art. 6/Art. 14 IPBPR Rn. 484; Guradze, EMRK, Art. 6 Rn. 22; Kühne, in: IK-EMRK, Art. 6 Rn. 432; vgl. auch: Gropp, JZ 1991, 804, 813, bei dem allerdings nicht deutlich wird, ab wann genau die Unschuldsvermutung wieder gelten soll. 551 Ausführlich dazu sogleich. 552 Schmidt, in: KK, § 362 Rn. 6.

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G. Erweiterung des § 362 StPO

Daher gilt die Unschuldsvermutung aufgrund ihres Zwecks bereits im Additions- und im Probationsverfahren. Da die Unschuldsvermutung nach hier vertretener Auffassung also auch im Wiederaufnahmeverfahren gilt, können nun die soeben beschriebenen Gesetzesinitiativen und Vorschläge in der Literatur auf ihre Vereinbarkeit mit der Unschuldsvermutung hin überprüft werden. Die hohe Hürde für die Begründetheit bei der Wiederaufnahme des Strafverfahrens nach § 370 I der Gesetzesinitiative des Bundesrates553 wurde mit dem Bedürfnis nach Rechtssicherheit gerechtfertigt und damit, dass die nachteilige Wiederaufnahme gegen einen rechtskräftig Freigesprochenen wegen der Bedeutung der Rechtskraft nur in engen Grenzen zulässig sein solle.554 Ausdrücklich wurde hervorgehoben, dass die sichere Überzeugung, die für die Verurteilung oder die Anordnung einer Maßregel nach § 63 StGB erforderlich ist, nicht verlangt werde.555 Dies komme nach den Drucksachen ansonsten einer Vorwegnahme der Hauptverhandlung gleich. Aus dem Prinzip der Rechtssicherheit leitete der Entwurf her, dass nicht bereits eine bloße Vermutung zu einer Rechtskraftdurchbrechung führen dürfe.556 Die Begründung der Gesetzesinitiative ist zwar nachvollziehbar; trotzdem ist festzustellen, dass das Vorliegen von dringenden Gründen für eine Verurteilung nach dem Wortlaut nahe an der Feststellung liegt, dass sich der ursprünglich Freigesprochene strafbar gemacht habe.557 Eine solche Feststellung ist aber der erneuten Hauptverhandlung vorbehalten558 und stößt nicht nur auf Bedenken wegen der Gefahr einer Vorverurteilung,559 sondern auch wegen eines möglichen Verstoßes gegen die Unschuldsvermutung.560 Das angesprochene Dilemma lässt sich wie folgt beschreiben: Je höher man die Verurteilungswahrscheinlichkeit als Zulässigkeitsvoraussetzung für den Wie553

Siehe BR-Drs. 655/07, S. 8. BR-Drs. 655/07, S. 13. 555 BR-Drs. 655/07, S. 14, vgl. hier auch zum Folgenden. Zustimmend: Schöch, in: FS Maiwald, S. 769, 782 ff. 556 BR-Drs. 655/07, S. 13; zustimmend: Stellungnahme Schöch, S. 6. 557 Vgl. Eschelbach, in: KMR V, § 362 Rn. 66; Pabst, ZIS 2010, 126, 131; Letzgus, in: FS Geppert, S. 785, 797, hält die Formulierung aber für eine „zu niedrige Hürde“. 558 Pabst, ZIS 2010, 126, 131. 559 So: Pabst, ZIS 2010, 126, 131; vgl. auch: Künast, StV 2015 (Heft 11), I (Editorial). 560 Vgl. auch: Isfen, Wiederaufnahme zu Lasten Freigesprochener, im Erscheinen, Scherzberg, in: Protokoll der 130. Sitzung des Rechtsausschusses am 18. März 2009, S. 18; Stellungnahme Scherzberg, S. 3. In diese Richtung auch: Eschelbach, in: KMR V, § 362 Rn. 6, der zudem mögliche Kollisionen mit dem Zweifelssatz und dem Prinzip der Gesamtwürdigung aller Beweise sieht; so auch: Pabst, ZIS 2010, 126, 131. Nach Schulz, GA 148 (2001), 226, 227 f., wird mittlerweile bei jeder größeren Gesetzesänderung ein Verstoß gegen die Unschuldsvermutung gerügt. 554

III. Strafprozessuale Zulässigkeit

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deraufnahmeantrag ansetzt, um der Rechtssicherheit Rechnung zu tragen, desto eher besteht eine Beeinträchtigung der Unschuldsvermutung.561 Umgekehrt kann man aber auch keine sehr geringe Verurteilungswahrscheinlichkeit zugrunde legen, die dann zwar der Unschuldsvermutung eher gerecht würde, aber der Rechtssicherheit in Form des Art. 103 III GG nicht hinreichend Rechnung trüge, da bereits bei jedem neuen Verdacht ein Eingriff in Art. 103 III GG erfolgen würde. Zwar ist es zunächst einmal positiv für den Angeklagten, wenn sich der Verdacht, der für die Wiederaufnahme zu seinen Ungunsten erforderlich ist, nicht bestätigt; wird dieser Verdacht aber einmal bestätigt, ist der Konflikt mit der Unschuldsvermutung umso größer, je stärker der Verdachtsgrad ausgeprägt ist, denn die Bestätigung eines hohen Verdachtsgrades birgt die Gefahr einer Vorverurteilung. Der Hinweis darauf, dass die sichere Überzeugung des Gerichts, die für eine Verurteilung oder die Verhängung einer Maßregel nach § 63 StGB erforderlich ist, im Rahmen von § 370 I StPO nicht erforderlich sei, da dies ansonsten dem summarischen Charakter des Wiederaufnahmeverfahrens widerspräche und die Hauptverhandlung vorwegnähme,562 kann dieses Dilemma nicht auflösen.563 Im Übrigen ist es auch nicht konsequent, die Erweiterung der nachteiligen Wiederaufnahme unter anderem mit der Beeinträchtigung des Rechtsfriedens und des Gerechtigkeitsgefühls der Bevölkerung bei erwiesenen ungerechtfertigten Freisprüchen zu legitimieren,564 dann jedoch die lediglich summarische Prüfung im Wiederaufnahmeverfahren zu betonen,565 weil dadurch entgegen der Gesetzesbegründung – aber inhaltlich richtig – betont wird, dass man (noch) nicht weiß, ob der Freispruch ungerechtfertigt war. Ob dies der Fall ist, ist gerade noch nicht erwiesen.566 Ansonsten bedürfte es überhaupt keines Wiederaufnahmeverfahrens mit summarischer Prüfung mehr. 561 Vgl. zu dem Zusammenhang zwischen Unschuldsvermutung und Verdachtsgrad auch: Leitmeier, StV 2011, 766, 767. 562 BR-Drs. 655/07, S. 14. 563 So im Ergebnis auch: Pabst, ZIS 2010, 126, 131. 564 So: BR-Drs. 655/07, S. 11. 565 Vgl. auch: Letzgus, in: FS Geppert, S. 785, 797; Pabst, ZIS 2010, 126, 131. 566 Eine andere Frage ist, ob der ursprüngliche Freispruch überhaupt ungerechtfertigt war, selbst wenn der Freigesprochene die Tat begangen hat. Denn „ein aus Mangel an Beweisen erfolgter Freispruch [ist] kein Fehlurteil, sondern die von der Prozeßordnung vorgesehene rechtmäßige Entscheidung, weshalb nicht wegen jeder nachträglich festgestellten Tatsache oder jedes erst nach dem Urteil entdeckten Beweismittels eine Wiederaufnahme des Verfahrens gestattet werden darf.“ (BT-Drs. 12/6219, S. 7; vgl. auch: Meyer, Wiederaufnahmereform, S. 71; Niedersächsischer Landtag Drs. 17/5501, S. 7, abrufbar unter: www.landtag-niedersachsen.de/Drucksachen/Drucksachen_17_7500/ 5501-6000/17-5501.pdf, zuletzt aufgerufen am 09.07.2016; Scherzberg, in: Protokoll der 130. Sitzung des Rechtsausschusses am 18. März 2009, S. 16, in Bezug auf die Gesetzesinitiative des Bundesrates; Saliger, Radbruchsche Formel und Rechtsstaat, S. 74;

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Allerdings ist festzustellen, dass die Strafprozessordnung verschiedene Maßnahmen beinhaltet, die nur bei gewissen Verdachtsgraden zulässig sind.567 Angesichts der Grenzen der menschlichen Möglichkeit, die Wahrheit zu finden568 stellt vielleicht sogar ein Teil der verhängten Strafen lediglich Verdachtsstrafen dar.569 Zwar ist in § 370 StPO-E nicht ausdrücklich die Rede von einem Verdacht, im Ergebnis stellt die Formulierung, dass dringende Gründe für die Annahme vorhanden sein müssen, dass der Freigesprochene verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt werden wird, weil seine Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, aber eine Einschätzung eines Verdachts dar.570 Ohne diese „Bewertungen von Verdachtslagen“ 571 ist nach dem Bundesverfassungsgericht kein rechtsstaatliches Verfahren möglich.572 Aus dieser Notwendigkeit schließt das Bundesverfassungsgericht – übereinstimmend mit der Literatur –, dass in den „Bewertungen von Verdachtslagen“ 573 kein Verstoß gegen die Unschuldsvermutung liege,574 auch wenn beispielsweise die Voreingenommenheit des Richters durch die Bewertung der Ermittlungsakte für den Eröffnungsbeschluss immer wieder kritisiert wird.575 Dem ist im Ergebnis zuzustimmen. Die Begründung bedarf aber einer näheren Erörterung: Dem soeben geschilderten Konflikt zwischen Rechtssicherheit und

Weber-Klatt, Die Wiederaufnahme von Verfahren, S. 25 f.). Siehe hierzu auch bereits oben unter G. III. 6. 567 Vgl. nur die Beispiele bei: BVerfGE 82, 106, 115; Pfeiffer, in: FS Geiß, S. 147, 149. 568 Siehe dazu nur: Sax, ZZP 67 (1954), 21, 29 und 40; ders., in: KMR I7, Einl. X Rn. 9. 569 Schünemann, in: FS Pfeiffer, S. 461, 481. 570 Nach Letzgus, in: FS Geppert, S. 785, 797, ist die Formulierung mit dem Erfordernis des dringenden Tatverdachts gleichzusetzen; zu anderen Formulierungen der Strafprozessordnung, die mit Verdachtsgraden gleichzusetzen sind, siehe: Kühne, NJW 1979, 617, 618. 571 BVerfGE 82, 106, 115. 572 BVerfGE 82, 106, 115; vgl. auch: Paeffgen, Vorüberlegungen, S. 56. 573 BVerfGE 82, 106, 115. 574 BVerfGE 74, 358, 372; 82, 106, 115; so auch: Haas, Vorermittlungen und Anfangsverdacht, S. 72; Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 20 Rn. 108; Kühne, in: IK-EMRK, Art. 6 Rn. 469; Schulze-Fielitz, in: Dreier II, Art. 20 (Rechtsstaat) Rn. 219; vgl. auch: Paeffgen, Vorüberlegungen, S. 55; Pfeiffer, in: FS Geiß, S. 147, 149. 575 So zuletzt die Ergebnisse der Arbeitsgruppen des Strafverteidigertages 2015 in Lübeck, Welche Reform braucht das Strafverfahren?, AG 3: Hauptverhandlung II – Grundlagen der Hauptverhandlung; vgl. dazu auch: Eschelbach, HRRS 2008, 190, 200 m.w. N.; Neuhaus, StV 2015, 185, 186 m.w. N.; Paeffgen/Wasserburg, GA 159 (2012), 535, 537; Sickor, Das Geständnis, S. 182; vgl. ebenfalls bereits: Blum, Mögliche Auswirkungen der Ermittlungsakte auf die Informationsverarbeitung und die Entscheidungsbildung im Strafverfahren, m.w. N.

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Unschuldsvermutung tragen gerade die Einteilung in verschiedene Verdachtsgrade und die daran anknüpfenden Eingriffsbefugnisse Rechnung.576 Je intensiver der Eingriff in grundrechtliche Positionen ist, desto höher muss der Verdachtsgrad sein und umgekehrt. Mit dieser Handhabung lassen sich die widerstreitenden Rechtspositionen in einen Ausgleich bringen. Da die Wiederaufnahme des Strafverfahrens zuungunsten des Angeklagten einen erheblichen Eingriff in Art. 103 III GG darstellt,577 ist es nicht zu beanstanden, dass die Wiederaufnahme von einem hohen Verdachtsgrad abhängig gemacht wird. Die Unschuldsvermutung, die ebenfalls Verfassungsrang hat,578 wird im Rahmen praktischer Konkordanz durch Art. 103 III GG beschränkt. Art. 103 III GG wird hingegen durch die Unschuldsvermutung im Rahmen praktischer Konkordanz dahingehend beschränkt, dass kein vollständiger Schuldnachweis für die Wiederaufnahme zuungunsten des Angeklagten vorausgesetzt wird. So kommt jedes (Verfassungs-)Prinzip – jeweils beschränkt durch das andere – zu möglichst optimaler Wirksamkeit.579 Dies ist vor dem Hintergrund eines Verstoßes gegen die Unschuldsvermutung nicht zu beanstanden. Nach § 362 des Entwurfs des Bundestages580 sollte die Wiederaufnahme zuungunsten des Angeklagten – wie bereits beschrieben – bei vorherigem Freispruch zugelassen werden, wenn neue Tatsachen oder Beweismittel beigebracht wurden, die allein oder in Verbindung mit den früher erhobenen Beweisen jeden begründeten Zweifel ausschlossen, dass der Angeklagte in einer neuen Hauptverhandlung der Begehung eines Mordes (§ 211 StGB) oder Völkermordes (§ 220a StGB a. F.) überführt werden würde.581 Die Bundestagsdrucksachen setzen den Ausschluss jedes begründeten Zweifels mit dem dringenden Tatverdacht gleich.582 Dringender Tatverdacht liegt vor, wenn eine große Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass der Beschuldigte Täter oder Teilnehmer einer Straftat ist, die nach deutschem Strafrecht zu beurteilen ist.583

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Vgl. zum Beispiel der Untersuchungshaft: BVerfGE 19, 342, 347 f. Siehe dazu de lege lata oben unter D. II. 2. 578 Siehe Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 20 Rn. 108 m.w. N.; siehe ebenfalls die Nachweise bei: Paeffgen, in: SK-StPO II, Vor §§ 112 ff. Rn. 21. 579 Zur Kritik an der Abwägung im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung siehe oben unter D. II. 2. 580 BT-Drs. 13/3594, S. 3. 581 Auch Stoffers forderte im Rahmen seiner Stellungnahme (Stoffers, Stellungnahme S. 10) zur Gesetzesinitiative des Bundesrates (BR-Drs. 655/07) den Ausschluss jedes begründeten Zweifels; siehe auch: Stoffers, in: Protokoll der 130. Sitzung des Rechtsausschusses am 18. März 2009, S. 23. 582 BT-Drs. 13/3594, S. 10. 583 Siehe nur: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 112 Rn. 5. 577

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Auch dieser Verdachtsgrad stößt aus den oben genannten Gründen nicht auf Bedenken bezüglich der Unschuldsvermutung:584 Der starke Verdachtsgrad585 trägt dem Stellenwert des Art. 103 III GG Rechnung, und der Unschuldsvermutung wird dadurch entsprochen, dass für die Wiederaufnahme kein vollständiger Schuldnachweis gefordert wird. Daher ist auch die Formulierung des Ausschlusses jeden begründeten Zweifels an der Überführung des Angeklagten, die nach den Drucksachen mit dem dringenden Tatverdacht gleichzusetzen ist,586 nicht zu beanstanden. Zuletzt ist auf die oben dargestellten Vorschläge in der Literatur einzugehen. Deml und Peters leiten aus dem Stellenwert der Rechtssicherheit ab, dass nur Umstände zu einer Wiederaufnahme führen sollen, „die eindeutig und zweifelsfrei die Täterschaft des Freigesprochenen dartun“ 587. Diesem Vorschlag kann vor dem Hintergrund der obigen Ausführungen nicht gefolgt werden:588 Die Täterschaft des ursprünglich Freigesprochenen wird unterstellt, bevor diese gerichtlich im wiederaufgenommenen Verfahren festgestellt ist. Ein solches Vorgehen verstößt gegen die Unschuldsvermutung und wird der erforderlichen praktischen Konkordanz zwischen Rechtssicherheit und Unschuldsvermutung nicht mehr gerecht, weil die Unschuldsvermutung überhaupt nicht mehr zur Wirkung gelangt.589 Ähnliche Bedenken bestehen gegen den anderen Vorschlag von Peters, die nachteilige Wiederaufnahme aufgrund neuer Beweise bei einzelnen Verbrechen zuzulassen, „wenn sich die Täterschaft offensichtlich aus aufgefundenen Sachbeweisen ergibt [. . .]“ 590.

584 In diese Richtung auch: Meyer, Wiederaufnahmereform, S. 86; a. A.: Scherzberg/ Thiée, ZRP 2008, 80, 83. Stoffers, ZRP 1998, 173, 178, setzt sich dafür ein, wie bei der Wiederaufnahme zugunsten des Verurteilten lediglich eine Eignungs- und Erheblichkeitsprüfung vorzunehmen. 585 Zu den unterschiedlichen Verdachtsgraden der Strafprozessordnung siehe nur: Graf, in: KK, § 112 Rn. 6. 586 Siehe nochmals: BT-Drs. 13/3594, S. 10. 587 Deml, Zur Reform der Wiederaufnahme, S. 143; Peters, Fehlerquellen II, S. 321; ähnlich: Henkel, Strafverfahrensrecht2, S. 395 Fn. 5; Letzgus, in: FS Geppert, S. 785, 797. 588 Kritisch auch: Eschelbach, in: FS Stöckel, S. 199, 220, der aber davon ausgeht, dass dieses Erfordernis im Rahmen der Gesetzesinitiative des Bundesrates (BR-Drs. 655/07) erforderlich gewesen sei. 589 Ähnlich, aber zurückhaltender: Meyer, Wiederaufnahmereform, S. 86: „Um eine Vorwegnahme der Verurteilung bei der Zulassung des Wiederaufnahmeantrages zu vermeiden, dürfte es besser sein, die Ausschließung ,jedes begründeten Zweifels‘ darüber zu verlangen, daß der Angeklagte in einer neuen Verhandlung der Begehung eines Mordes oder Völkermordes ,überführt werden wird‘.“ 590 Peters, Strafprozeß, S. 671.

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Im Ergebnis sind aber die beiden anderen (dargestellten) Gesetzesinitiativen des Bundesrates und des Bundestages, in denen dringende Gründe für die Annahme vorhanden sein sollten, dass der Freigesprochene verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt werden wird, weil seine Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist,591 beziehungsweise die neuen Tatsachen allein oder in Verbindung mit den früher erhobenen Beweisen jeden begründeten Zweifel ausschlossen, dass der Angeklagte in einer neuen Hauptverhandlung der Begehung eines Mordes (§ 211 StGB) oder Völkermordes (§ 220a StGB a. F.) überführt werden würde,592 mit der Unschuldsvermutung vereinbar. 8. Verstoß gegen den Grundsatz der Waffengleichheit oder den Nemo-tenetur-Grundsatz Nach Pabst kommt es durch die Gesetzesinitiative des Bundesrates dazu, dass Angeklagte im Rahmen ihrer ersten Hauptverhandlung auch für sie nachteilige Beweismittel einbringen, um einem potenziellen Wiederaufnahmeverfahren wegen neuer Beweise zu entgehen.593 Der Grundgedanke dieser Überlegung ist, dass alle Beweise, die im Rahmen der Hauptverhandlung gewürdigt wurden, im Rahmen einer möglichen Wiederaufnahme des Strafverfahrens keine neuen Beweise mehr darstellen. Daher könne der Angeklagte sich genötigt fühlen, alle ihn belastenden Beweise in die Hauptverhandlung einzubringen, um damit die Wiederaufnahme wegen neuer Beweise zu sperren. Dies sei vor dem Hintergrund des Grundsatzes der Waffengleichheit bedenklich. Solche Fälle dürften in der Praxis indes – wenn überhaupt – nur selten vorkommen: Denn wenn sich die Beweise im Herrschaftsbereich des Angeklagten befinden, würde er diese Beweise wahrscheinlich eher vernichten, als sie in den Prozess einzuführen, um einem Wiederaufnahmeverfahren zuvorzukommen; und wenn die Beweise nicht in seinem Herrschaftsbereich sind, könnte er sie nicht in den Prozess einführen, sondern allenfalls auf diese Beweise hinweisen. Dies ist aber lediglich bei Angeklagten der Fall, die die Unsicherheit erneuter Strafverfolgung nicht ertragen (können).594 Plausibler erscheint in solchen Fällen, dass die Angeklagten sich geständig zeigen oder darauf hoffen, dass die Strafverfolgungsbehörden keine weiteren Beweise finden. 591 592

So die Gesetzesinitiative des Bundesrates, siehe: BR-Drs. 655/07, S. 8. So die damalige Gesetzesinitiative des Bundestages, siehe: BT-Drs. 13/3594,

S. 3. 593 Pabst, ZIS 2010, 126, 129 f.; so auch: Künast, StV 2015 (Heft 11), I (Editorial); vgl. hier jeweils auch zum Folgenden; vgl. ebenfalls: Große Strafrechtskommission DRB, Gutachten Wiederaufnahme, S. 69 f., allerdings in Bezug auf den damaligen Vorschlag, die nachteilige Wiederaufnahme auf Mord und Völkermord zu beschränken, aber dafür als Wiederaufnahmegrund neue Tatsachen oder Beweismittel ausreichen zu lassen (BT-Drs. 12/6219). 594 Siehe dazu nur: Sickor, Das Geständnis, S. 4 m.w. N.

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Außerdem kann der Angeklagte Beweise, die aufgrund neuer technischer Untersuchungsmethoden gefunden wurden, die die Wiederaufnahme ermöglichen sollen,595 zum Zeitpunkt des ersten Prozesses überhaupt nicht zu seinem Nachteil in den Prozess einführen oder auf sie hinweisen, weil ihm die technischen Mittel ebenfalls (noch) nicht zur Verfügung stehen. In diesem Fall kommt daher ebenfalls kein Verstoß gegen den Grundsatz der Waffengleichheit in Betracht. In Bezug auf Verstöße im Rahmen anderer Ausgestaltungen eines Wiederaufnahmegrundes zuungunsten des Angeklagten wegen neuer Beweise, die sich also notwendigerweise auf die Angeklagten beschränken, die nicht unter dem Damoklesschwert erneuter Strafverfolgung leben können oder wollen, bedarf es zunächst einer näheren Auseinandersetzung mit dem Grundsatz der Waffengleichheit. Der Grundsatz der Waffengleichheit ist ein Aspekt des Rechts des Angeklagten auf ein faires Verfahren.596 Eine Definition des Grundsatzes gestaltet sich schwierig, weil der genaue Gehalt (noch) nicht abschließend geklärt ist.597 Die folgenden Erörterungen beschränken sich auf die Aspekte des Grundsatzes, die in einem Konflikt zu einem möglichen Wiederaufnahmegrund wegen neuer Beweise stehen könnten. Gless versteht den Grundsatz nach der Rechtsprechung des EGMR so, dass „Anklage und Verteidigung [. . .] eine vergleichbare Ausgangssituation in der Beweispräsentation haben“ 598 müssen. Den von ihr zitierten Urteilen des EGMR lässt sich aber nicht entnehmen, dass Konstellationen vermieden werden müssen, in denen der Angeklagte sich eventuell gezwungen fühlt, für ihn belastende Beweise vorzubringen. Andere Anknüpfungspunkte lassen sich für einen Verstoß gegen den Grundsatz der Waffengleichheit nicht finden. Gegen einen Verstoß spricht außerdem, dass es immer noch von dem Entschluss des Angeklagten abhängt, für ihn nachteilige Beweise einzubringen. Er kann genau so gut darauf hoffen, dass die Strafverfolgungsbehörden die Beweise nicht entdecken und es daher nicht zu einem erneuten Prozess kommen werde, was im Ergebnis auch wahrscheinlicher erscheint. 595

So der Entwurf des Bundesrates, siehe BR-Drs. 655/07, S. 7. Siehe nur: Rogall, in: SK-StPO II, Vor § 133 ff. Rn. 106 m. zahlreichen weiteren N. sowohl in Bezug auf die Rechtsprechung des EGMR als auch in Bezug auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des BGH. Wie bereits bei der Prüfung der Unschuldsvermutung soll der Gehalt des Grundsatzes der Waffengleichheit im Folgenden allgemein und nicht anhand der einzelnen Normen untersucht werden. Trotzdem ist generell im Rahmen der Waffengleichheit zwischen dem Ermittlungs- und dem Hauptverfahren zu differenzieren, siehe: Kühne, Strafprozessrecht, Rn. 174. Der hier in Rede stehende Verstoß betrifft aber lediglich das Hauptverfahren. 597 Siehe nur: Kühne, Strafprozessrecht, Rn. 174. 598 Gless, StV 2013, 317, 318. 596

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Umgekehrt könnte man sogar sagen, dass der Waffengleichheit gerade durch die Einführung eines Wiederaufnahmegrundes wegen neuer Beweise in § 362 StPO Rechnung getragen wird, denn bisher besteht der Wiederaufnahmegrund wegen neuer Beweise – abgesehen von § 373a I StPO und § 85 III 2 OWiG – in § 359 Nr. 5 StPO nur zugunsten des Verurteilten.599 Außerdem muss die Anklage grundsätzlich im Hauptverfahren alle Ermittlungsergebnisse – also auch die den Angeklagten entlastenden Momente – darlegen, um dem Prinzip der Waffengleichheit gerecht zu werden.600 Insofern könnte man wiederum argumentieren, dass der neue Wiederaufnahmegrund dazu diene, Waffengleichheit herzustellen, da sich die Verteidigung dann in manchen Konstellationen auch genötigt sehen könnte, ihr gesamtes Material – also auch die belastenden Momente – in die Hauptverhandlung einzuführen. Es erscheint aber zumindest fragwürdig, in einem Wiederaufnahmegrund wegen neuer Beweise in § 362 StPO die Verwirklichung von Waffengleichheit zu sehen, weil der Grundsatz bisher meist (nur) zugunsten des Angeklagten und der Verteidigung erörtert wurde.601 Außerdem hat der Angeklagte nach dem Nemotenetur-Grundsatz das Recht, sich nicht selbst zu belasten.602 Dementsprechend führen die beiden geschilderten Aspekte nicht dazu, aus dem Grundsatz der Waffengleichheit ein Gebot der Einführung eines Wiederaufnahmegrundes wegen neuer Beweise in § 362 StPO abzuleiten; diese Aspekte entkräften aber zumindest den Einwand, dass in einem Wiederaufnahmegrund wegen neuer Beweise ein Verstoß gegen die Waffengleichheit liege.603 Allenfalls könnte man in der Gefahr, dass der Angeklagte sich eventuell genötigt fühlt, auch ihn selbst belastendes Beweismaterial in den Prozess einzuführen, einen Verstoß gegen den Nemo-tenetur-Grundsatz sehen.604 Die Einführung von selbstbelastendem Beweismaterial in den Strafprozess ist mit der Herausgabe von Beweismaterial an die Strafverfolgungsbehörden vergleichbar. Nach herrschender Meinung verstößt der Zwang zur Herausgabe von 599 Auch die Staatsanwaltschaft kann aber die Wiederaufnahme des Strafverfahrens zugunsten des Angeklagten beantragen, siehe nur: Marxen/Tiemann, Die Wiederaufnahme in Strafsachen, Rn. 43; in der Praxis wird ein solcher Antrag aber so gut wie nie gestellt, vgl. Grüner/Wasserburg, NStZ 1999, 286, 287. 600 Esser, in: Löwe-Rosenberg XI, EMRK Art. 6/Art. 14 IPBPR Rn. 216. 601 Vgl. auch: BVerfGE 133, 168, 200 Rn. 59; vgl. zu anderen Tendenzen: Esser, Europäisches und Internationales Strafrecht, Rn. 221 ff.; Swoboda, Verfahrens- und Beweisstrategien vor den UN-ad hoc Tribunalen, S. 308. 602 Zu dem Nemo-tenetur-Grundsatz in Bezug auf die Wiederaufnahme des Strafverfahrens zuungunsten des Angeklagten vor dem Hintergrund neuer Beweise sogleich. 603 Kritisch: Pabst, ZIS 2010, 126, 129 f. 604 Zur Herleitung des Nemo-tenetur-Grundsatzes siehe: Kühne, in: Löwe-Rosenberg I, Einl. Abschn. J Rn. 87. Ausführlich zum Nemo-tenetur-Grundsatz: Sickor, Das Geständnis, S. 197 ff.; vgl. ebenfalls: BVerfGE 133, 168, 201 Rn. 60.

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Beweismaterial gegen den Nemo-tenetur-Grundsatz.605 Selbst wenn man aber davon ausgehend annimmt, dass der Nemo-tenetur-Grundsatz auch vor dem Zwang schütze, Beweise in die Hauptverhandlung einzuführen, ist auch hier zu berücksichtigen, dass der Angeklagte immer noch selbst darüber entscheiden kann, ob er ihn selbst belastendes Material im Rahmen des ersten Verfahrens in den Prozess einführt. Zwar verbietet der Nemo-tenetur-Grundsatz auch indirekten Zwang, indem negative Folgen an die mangelnde Kooperation des Angeklagten geknüpft werden;606 allein die (entfernte) Möglichkeit, dass in der Zukunft neue Beweise aufgefunden werden und aufgrund dessen ein Wiederaufnahmeverfahren eingeleitet werden könnte, stellt aber keinen indirekten Zwang dar, weil die Einleitung eines Wiederaufnahmeverfahrens von vielen (weiteren) Faktoren abhängt und das Wiederaufnahmeverfahren auch gar nicht mehr das Gericht betrifft, das im ursprünglichen Prozess zuständig war.607 Das Verbot des indirekten Zwangs wurde aber bisher lediglich für den Fall erörtert, dass das erkennende Gericht an erlaubtes Verhalten des Angeklagten im weiteren Prozessverlauf keine negativen Folgen knüpfen dürfe.608 Ein Bedürfnis für die Erweiterung des Schutzes auf den hier in Rede stehenden Fall ist nicht ersichtlich. Somit liegt auch kein Verstoß gegen den Nemo-tenetur-Grundsatz vor. Im Ergebnis ist festzuhalten, dass allenfalls die äußerst abstrakte Gefahr besteht, dass der Angeklagte sich durch einen Wiederaufnahmegrund wegen neuer Beweise dazu genötigt sehen könnte, ihn belastende Beweismittel im Rahmen des ersten Verfahrens in den Prozess einzuführen. Wahrscheinlicher ist, dass die Angeklagten entweder darauf hoffen, dass keine weiteren Beweise auftauchen, oder sie die Beweise, die sich in ihrem Herrschaftsbereich befinden, vernichten. In einem Wiederaufnahmegrund wegen neuer Beweise in § 362 StPO läge daher weder ein Verstoß gegen den Grundsatz der Waffengleichheit noch ein Verstoß gegen den Nemo-tenetur-Grundsatz.

IV. Gefahr der Ausweitung der nachteiligen Wiederaufnahme Abgesehen von den erheblichen Bedenken gegen einen Wiederaufnahmegrund wegen neuer Beweise zuungunsten des Angeklagten, die bisher dargestellt wurden, soll zuletzt auf eine weitere Gefahr einer entsprechenden Erweiterung einge605 Siehe nur: Rogall, in: SK-StPO II, Vor § 133 ff. Rn. 146 und die Nachweise bei: Böse, Wirtschaftsaufsicht und Strafverfolgung, S. 438 Fn. 7; a. A.: ders., a. a. O., S. 438 ff. 606 Vgl.: BVerfGE 133, 168, 224 f. Rn. 99; Feigen, Die Beweislastumkehr im Strafrecht, S. 47 ff.; Kühne, in: Löwe-Rosenberg I, Einl. Abschn. J Rn. 91. 607 Siehe § 140a I 1 GVG: Im Wiederaufnahmeverfahren entscheidet ein anderes Gericht mit gleicher sachlicher Zuständigkeit wie das Gericht, gegen dessen Entscheidung sich der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens richtet. 608 Siehe nur: Beulke, Strafprozesrecht, Rn. 125; vgl. auch: Verrel, Die Selbstbelastungsfreiheit, S. 16, und die erörterten Beispiele auf S. 17 ff.

IV. Gefahr der Ausweitung der nachteiligen Wiederaufnahme

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gangen werden: Mit den Worten Königs reißt der Entwurf des Bundesrates609 „eine gegebene Grenze der Rechtssicherheit [ein], ohne eine neue tragfähige zu errichten“ 610. Insofern bestände, wenn der Entwurf umgesetzt würde, die nicht zu unterschätzende Gefahr, dass der Anwendungsbereich auf weitere Straftaten611 ausgedehnt würde.612 So sind in den letzten Jahren immer wieder Forderungen nach einer Ausweitung des Deliktskatalogs laut geworden,613 obwohl der Wiederaufnahmegrund wegen neuer Beweise bisher noch gar nicht eingeführt wurde. Die Gefahr der Ausweitung besteht auch nicht nur abstrakt: Sowohl im In- als auch im Ausland lassen sich Beispiele für eine ähnliche Entwicklung finden. In Deutschland ließ der Gesetzgeber beispielsweise die Sicherungsverwahrung durch vier Gesetzesänderungen in einem Zeitraum von sechs Jahren immer weitreichender zu.614 Im Ausland kann auf die Ausweitung der Wiederaufnahme zuungunsten des Angeklagten in Großbritannien verwiesen werden:615 Dort wurde eine ähnliche Gesetzesinitiative wie die des Bundesrates verfolgt, die zunächst ebenfalls auf Mord und Völkermord beschränkt werden sollte. Mittlerweile ist die Wiederaufnahme zuungunsten des Angeklagten aufgrund neuer Beweise in Großbritannien bei einer Vielzahl von Straftaten möglich. 609 610

BR-Drs. 655/07. König, in: Protokoll der 130. Sitzung des Rechtsausschusses am 18. März 2009,

S. 8. 611 Der Entwurf sah eine Einschränkung auf Mord und Straftaten nach dem Völkerstrafgesetzbuch vor, siehe: BR-Drs. 655/07, S. 7. 612 Vgl. auch: Hoffmann-Holland, in: Graf, § 362 Rn. 12; König, in: Protokoll der 130. Sitzung des Rechtsausschusses am 18. März 2009, S. 5 f. und 7 f.; Künast, StV 2015 (Heft 11), I (Editorial); Marxen, in: Protokoll der 130. Sitzung des Rechtsausschusses am 18. März 2009, S. 42; Pabst, ZIS 2010, 126, 133 Fn. 83; Roggon, BLJ 2011, 50, 56; Scherzberg, ZRP 2010, 271; Scherzberg/Thiée, ZRP 2008, 80, 83; Stellungnahme Scherzberg, S. 7; Swoboda, HRRS 2009, 188, 197. 613 Siehe beispielsweise: Helbing, ZRP 2010, 271; Letzgus, in: FS Geppert, S. 785, 795 f.: Ausdehnung auf alle (!) (Hervorhebung durch Verfasser) Verbrechen; Schöch, in: FS Maiwald, S. 769, 775 ff.; Stoffers, ZRP 1998, 173, 178; Strafrechtspolitische Forderungen des WEISSEN RINGs, Stand: Februar 2016, S. 14; vgl. auch: Wasserburg, ZRP 1997, 412, 415; vgl. zu den Forderungen ebenfalls: Stellungnahme Scherzberg, S. 7. 614 Siehe dazu: Scherzberg, in: Protokoll der 130. Sitzung des Rechtsausschusses am 18. März 2009, S. 43; Scherzberg/Thiée, ZRP 2008, 80, 83, die die nachträgliche Sicherungsverwahrung als „eine Art Wiederaufnahme zu Ungunsten des Bürgers“ bezeichnen; vgl. auch: Pabst, ZIS 2010, 126, 133 Fn. 83. 615 Swoboda, HRRS 2009, 188, 197, hier auch zu der folgenden Schilderung der Änderungen im Bereich der nachteiligen Wiederaufnahme in Großbritannien; siehe auch: Isfen, Wiederaufnahme zu Lasten Freigesprochener, im Erscheinen, vgl. ebenfalls: Hoffmann-Holland, in: Graf, § 362 Rn. 12. Siehe zur Rechtslage in Großbritannien ebenfalls: Greco, Strafprozesstheorie und materielle Rechtskraft, S. 968 f. und 980, jeweils m.w. N.

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G. Erweiterung des § 362 StPO

Sieht man in der Gesetzesinitiative des Bundesrates616 einen Verstoß gegen Art. 3 I GG,617 weil andere Straftaten nach dem Entwurf keine Wiederaufnahme ermöglichen würden, müsste es sogar zwangsläufig zu Erweiterungen kommen, um dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz Rechnung zu tragen.618 Daher kann am Ende der Ausführungen – auch vor dem Hintergrund der anderen festgestellten Bedenken gegen die nachteilige Wiederaufnahme aufgrund neuer Beweise – nur davor gewarnt werden, die Büchse der Pandora in Form einer entsprechenden Erweiterung der nachteiligen Wiederaufnahmegründe zu öffnen.

616

BR-Drs. 655/07. Ausführlich dazu oben unter G. III. 5. 618 In diese Richtung auch: Marxen, in: Protokoll der 130. Sitzung des Rechtsausschusses am 18. März 2009, S. 42. 617

H. Fazit Es hat sich gezeigt, dass der Schutz vor erneuter Strafverfolgung eine humanistische Errungenschaft darstellt, die es vor Angriffen in den Kernbereich dieses Rechts zu verteidigen gilt. Gerade der Umstand, dass dieser Schutz vor der Einführung des reformierten Strafverfahrens in vielen Gesetzen durch die absolutia ab instantia und den Wiederaufnahmegrund wegen neuer Beweise zuungunsten des (ursprünglich) Angeklagten negiert wurde, zeigt, dass eine nachteilige Wiederaufnahme aufgrund neuer Beweise nicht mit den Grundgedanken des reformierten Strafverfahrens und den Idealen der Aufklärung in Einklang zu bringen ist. Dies manifestiert sich nicht zuletzt in den zahlreichen festgestellten Verstößen gegen die geltenden Ne-bis-in-idem-Regelungen. Ohnehin bestehen de lege lata bereits Friktionen zwischen § 362 StPO und den Ne-bis-in-idem-Regelungen. Insofern müssten diese zunächst einmal beseitigt werden, bevor über eine Erweiterung des § 362 StPO nachgedacht werden sollte. Doch selbst nach einer gesetzeskonformen Ausgestaltung des geltenden § 362 StPO sind die dargestellten Bedenken gegen eine Erweiterung um einen Wiederaufnahmegrund wegen neuer Beweise so erheblich, dass eine gesetzeskonforme Ausgestaltung einer entsprechenden Erweiterung kaum möglich erscheint. „Eine Wiederaufnahme propter nova zuungunsten lässt sich also nicht einmal ausnahmsweise, sondern überhaupt nicht begründen.“ 1

1

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Stichwortverzeichnis absoluter Sanktionswille 250–251 absoluter Wiederaufnahmegrund 55, 97 absolutio ab instantia 37–40, 42, 44 absolutio ab instantia siehe Entbindung von der Instanz 37–38 Abwägung 92–94, 179, 183, 199–200, 226, 231, 235, 237, 269, 281 Acte-clair-Doktrin 119–120 Akkusationsverfahren 27, 52–54, 56 Analogie 22, 26, 149, 253 Antiterrordatei 111 Aufklärung 40, 42–44, 186, 254, 289 Auslegung 22–23, 46, 58, 61–62, 81, 89, 100, 103, 106, 108, 110–112, 115, 121, 123, 127, 130–137, 160, 167, 177, 179, 183, 233, 240, 257–258, 260, 262, 264, 271–272, 312, 336 – europarechtskonforme 135–137 – konventionskonforme 106 – verfassungskonforme 100, 106 – völkerrechtsfreundliche 134

EuGH 11, 23, 101, 107–112, 117, 119– 124, 126, 135–137, 139–140, 272, 295, 308, 312, 326, 343

badische Strafprozeßordnung 29, 31–32, 42, 148, 161 Bagatellkriminalität 95–96

Gnadenentscheidung 25

Code d’instruction criminelle 28–30, 32, 42 contempt of court 21

Inquisitionsverfahren siehe inquisitorisches Verfahren 27

Digesten 10, 25 DNA-Analyse 205–215, 252, 254, 340 Durchführung von Unionsrecht 107–110, 112

Justizförmigkeit 49, 55, 217, 236

effet utile 136 Entbindung von der Instanz 37–40, 42, 44

Mord 146–147, 186–187, 201, 203, 205, 207–208, 216–217, 235, 249, 283, 287

Expertenkommission zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des allgemeinen Strafverfahrens und des jugendgerichtlichen Verfahrens 19 Fehlentscheidung 23, 91 forum shopping 126 Fransson 108–112 Generalprävention 11, 96 germanisches Recht 26 Gesetzesinitiative des Bundesrates 18, 202, 204, 206–207, 219–222, 226–227, 234, 237, 239–240, 249, 254, 256, 261, 263, 266, 268–269, 273, 278–279, 281–283, 288 Geständnis 17, 27, 30–32, 34–35, 39, 49–54, 56, 70, 91, 95, 191, 210–211, 218, 236, 280, 283, 285

Innocence Project 17, 207

inquisitorisches Verfahren 27

materielle Gerechtigkeit 32, 89–90, 98, 100, 176, 199–200, 225, 228–229, 232, 234–235, 237, 240

Stichwortverzeichnis Nationalsozialismus 34, 46, 50, 59–61, 68, 73, 90, 134, 223, 250, 255, 260 Nichturteil 63–64, 66 Opferschutz 199, 229, 231–232, 234– 235 österreichisches Strafgesetzbuch über Verbrechen und schwere PolizeyUebertretungen 26, 40, 148, 223 Petition 19, 238 praktische Konkordanz 90, 92, 94, 199, 225, 227, 234–235, 240, 281 Prozessrecht, Rechtfertigung durch 24, 86–89, 103, 110, 132–133, 197–198, 220–221, 224, 255–257, 264, 266–267, 272 prozessuale Gerechtigkeit 98–99 Ratifizierung 105, 115, 240 Rechtssicherheit 30, 32, 43–44, 48, 50– 51, 63, 66, 71, 76–78, 89–90, 92, 94– 96, 98–100, 110, 146, 171, 176–177, 179, 183, 190, 194, 199–200, 217–218, 221, 225–229, 232, 234–237, 240, 248, 270, 278–280, 282, 287

347

Spezialprävention 96, 147, 204, 230 Strafbefehl 20, 68, 189 Strafgesetzbuch für das Königreich Baiern 28, 41, 223–224 Strafzwecke 147, 230 Tatbegriff 20, 57, 61, 173, 194, 198, 221–222, 257 Umfrage 20, 238 Unerträglichkeitsgrenze 89 Verfolgung 34, 41, 45, 57–61, 83–86, 96, 98, 124–125, 132, 139, 150, 154, 158– 159, 165–166, 171, 175, 178, 187, 248, 270 Vollstreckbarkeit 83–84, 90, 165, 227, 237, 254, 258, 268, 275, 277 Vollstreckungselement 119, 121, 124– 128, 143 Wahrheit 37, 52–55, 90, 179, 181–182, 280 Weltrechtsprinzip 131, 133

Schutz, absoluter 85, 198, 219–220 Schwurgerichte 27

Wiederaufnahme zugunsten des Verurteilten 18, 22, 26, 55, 215, 282