Sport auf öffentlichen Straßen, Wegen und Plätzen: unter besonderer Berücksichtigung des Motorsports [1 ed.] 9783428505920, 9783428105922

Die vorliegende Dissertation ist in einer Zeit angeregt worden, in der sich der Motorsport auf öffentlichen Verkehrsfläc

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Sport auf öffentlichen Straßen, Wegen und Plätzen: unter besonderer Berücksichtigung des Motorsports [1 ed.]
 9783428505920, 9783428105922

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HANS-PETER NEUMANN

Sport auf öffentlichen Straßen, Wegen und Plätzen unter besonderer Berücksichtigung des Motorsports

Beiträge zum Sportrecht Herausgegeben von Kristian Kühl, Peter J. Tettinger und Klaus Vieweg

Band9

Sport auf öffentlichen Straßen, Wegen und Plätzen unter besonderer Berücksichtigung des Motorsports

Von Hans-Peter Neumann

Duncker & Humblot · Berlin

Die Deutsche Bibliothek- CIP-Einheitsaufnahme

Neumann, Hans-Peter:

Sport auf öffentlichen Straßen, Wegen und Plätzen : unter besonderer Berücksichtigung des Motorsports I von Hans-Peter Neumann.Berlin : Duncker und Humblot, 2002 (Beiträge zum Sportrecht ; Bd. 9) Zugl.: Regensburg, Univ., Diss., 2000/2001 ISBN 3-428-10592-3

Alle Rechte vorbehalten

© 2002 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 1435-7925 ISBN 3-428-10592-3 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 §

Vorwort Die vorliegende Untersuchung wurde im Wintersemester 2000/2001 von der Juristischen Fakultät der Universität Regensburg als Dissertation angenommen. Sie befindet sich auf dem Stand von Januar 2001. An erster Stelle danke ich ganz herzlich meinem verehrten akademischen Lehrer, Herrn Prof. Dr. Udo Steiner, dem ich meine Vorliebe für das öffentliche Recht verdanke und mit ihm das Interesse für den aktiven und passiven Sport teile. Gerne denke ich heute noch an die menschlich so angenehme Zeit als wissenschaftlicher Assistent an seinem Lehrstuhl zuriick. Mein besonderer Dank gilt daneben Herrn Prof. Dr. Gerrit Manssen für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Auch hier erinnere ich mich heute noch gerne an die fachlich so wertvollen Konversatorien im öffentlichen Recht. Nicht zuletzt danke ich Herrn Prof. Dr. Peter Tettinger und Herrn Prof. Dr. Klaus Vieweg für die Aufnahme der Arbeit in die "Beiträge zum Sportrecht". Widmen möchte ich diese Arbeit meiner Frau Ellen, ohne die sie nicht entstanden wäre. Regensburg/Gunzenhausen, im November 2001 Hans-Peter Neumann

Inhaltsverzeichnis

1. Kapitel

Einleitung und Grundlagen

27

A. Gesellschaftliche Bedeutung des Sports . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

27

B. Der Lebensbereich "Sport" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

29

C. Die sportrelevanten Lebensräume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

33

D. Gang der Untersuchung . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

37

2. Kapitel

Die verfassungsrechtlichen Grundlagen für den (des) Sport(s)

38

A. Die Stellung des Sports bzw. der Sportler im Bundesverfassungsrecht . . . . . . . . . . . . . . .

38

I. Die Aussagen des Grundgesetzes zum Sport . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

38

1. Die Sportförderung des Bundes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

38

2. Die "Sporteinsätze" des Bundes im GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

42

II. Die sportrelevanten Grundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

46

1. Die speziellen Freiheitsrechte des Grundgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

46

a) Art. 14 GG- Die Eigentumsgarantie . . . .. . . . . . . .. . .. . .. . . .. . . . .. . . .. .. . . . .

46

b) Art. 12 GG - Die Berufsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

47

c) Art. 11 GG - Die Freizügigkeit .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. . ..

52

8

Inhaltsverzeichnis d) Art. 9 Abs. 1 GG- Die Vereinigungsfreiheit

54

aa) Die Gewährleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

54

bb) Speziell: Die externe Betätigungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

57

e) Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG- Das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

64

2. Art. 2 Abs. 1 GG - Das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit. Die allgemeine Handlungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

68

B. Die Stellung des Sports und der Sportler im Landesverfassungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . .

70

I. Die Aussagen der Landesverfassungen zum Sport . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

70

II. Die Grundrechtssituation des Sports in den Landesverfassungen . . . . . . . . . . . . . . . .

71

1. Art. 141 Abs. 3 S. 1 BayVerf- Das Recht auf Erholung in freier Natur . . . . . . .

71

a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

71

b) Einzelheiten der Gewährleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

74

c) Das Gebot der Gemeinverträglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

76

d) Verhältnis zum Bundesrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

78

aa) Art. 142 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

78

bb) Art. 31 GG....... . ... . .................. . ... . .................. . ... ..

81

2. Erholungsrechte in anderen Verfassungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

85

3. Weitere sportrelevante Grundrechte in den Landesverfassungen . . . . . . . . . . . . . .

87

4. Die Bedeutung der Landesgrundrechte bei der Anwendung von Bundesrecht

89

a) Die Anwendung der Prozeßordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

89

b) Die Anwendung von materiellem Bundesrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

91

c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

93

111. Das Staatsziel "Sport" in den Landesverfassungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

94

1. Die landesverfassungsrechtlichen Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

94

2. Die Bedeutung eines Staatsziels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

96

3. Die inhaltliche Gewährleistung der Staatsziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

99

a) Die Förderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 b) Die Schutzpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102

Inhaltsverzeichnis

9

c) Die "Pflege" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . .. .. . . . .. . . .. . . . . .. . . . . . .. .. .. . 103 d) Der Adressat des Staatsziels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 aa) Allgemein . . . . . . . .. . . .. .. .. .. . .. . . . . . . . .. . . .. . . .. . . .. . . . . . . . . . . . .. . . . 104 bb) Speziell: Die Landesverwaltung als Adressat eines Staatsziels . . . . . . . . I 07 (1) Die Verwirklichung eines Staatsziels durch die Verwaltung . . . . . . . 107 (2) Die Bedeutung des landesverfassungsrechtlichen Staatsziels bei der Anwendung von materiellem Bundesrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108

3. Kapitel

Der Nutzungsrahmen für die Sportausübung auf öffentlichen Straßen

114

A. Die straßenrechtliche "Rahmennutzungsordnung" für die Sportausübung . . . . . . . . . . . 114 I. Widmung zur öffentlichen Sache .. .. . . . . . .. .. . . . . . .. . . .. . . .. . .. .. . .. . . . . . .. .. . . 114 II. Der Gemeingebrauch . . .. . . . .. .. . . .. . . . . .. . . . . .. . . .. .. . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . .. . .. 116 1. Abstrakte Festlegung des Nutzungsstatuts .. . . . . . . .. . . . .. . . . .. . . . . . . . . . . .. .. .. 116

2. Die Inhaltsschranken des Gemeingebrauchs .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. 117 a) Benutzung der Straße "im Rahmen der Widmung" und "zum Verkehr" . . . . 117 aa) Die historische Entwicklung des Verkehrsbegriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 bb) Der Einfluß des Straßenverkehrsrechts auf den straßenrechtlichen Verkehrsbegriff . . . .. . . .. .. . . . .. . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . .. .. 122 ( 1) Die verfassungsrechtliche Kompetenzverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . 123

(2) Der Vorbehalt des Straßenrechts . . . . . . . . . .. . . .. . . . . . .. . . . . . . . .. . . 125 (3) Der Vorrang des Straßenverkehrsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 cc) Erweiterung mittels der Bundesgrundrechte (sog. kommunikativer Verkehrsbegriff) .. . . .. . . .. .. . . . .. . . . . . . . .. . .. . . .. . . . .. . . . . . . . . . .. . . . . 131 dd) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 ee) Sport als "Verkehr" im Sinne des Straßenrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 b) Benutzung der Straßen "im Rahmen der Straßenverkehrsvorschriften" . . . . 154 c) Benutzung der Straße innerhalb der verkehrsüblichen Grenzen . . . . . . . . . . . . 155 d) Benutzung der Straße im Rahmen der Gemeinverträglichkeit . . . . . . . . . . . . . 168

10

Inhaltsverzeichnis

B. Der Nutzungsrahmen im Naturschutz- und Waldrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173

I. Die Betretungsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 1. Anwendungsbereich und Abgrenzung zum Straßenrecht............... . ... .. . 173 2. Die Rechtsnatur des Betretungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 3. Der Inhalt der öffentlich-rechtlichen Betretungsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 a) Das "Betreten" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 b) Der Erholungszweck..... . ...................... . ...... . .............. . . .. 183 c) Die Gemeinverträglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 II. Weitergehende privatrechtliche Möglichkeiten der Nutzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 III. Die Einschränkungsmöglichkeiten in bezugauf die Nutzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 1. Die generellen Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193

a) Die Eingriffsregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 b) Die besonderen Regelungen für Schutzgebiete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 c) Weitere "absolut" geltende Bestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 2. Die Einschränkungen des öffentlich-rechtlichen Betretungsrechts . . . . . . . . . . . . 200 a) Die gesetzlichen Einschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 b) Die behördlichen Regelungskompetenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 IV. Das Verhältnis zum Straßenverkehrsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203

4. Kapitel Die Zulässigkeil der Ausübung des Sports unter besonderer Berücksichtigung der für den Motorsport relevanten Bestimmungen- Sportausübung und Straßenverkehrsrecht

210

A. Die historische Entwicklung der sportrelevanten Straßenverkehrsvorschriften . . . . . . . 210

I. Die ersten Schritte zur "Emanzipation" des Straßenverkehrsrechts . . . . . . . . . . . . . . 210 II. Das reichseinheitliche Straßenverkehrsrecht seit 1933 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215

Inhaltsverzeichnis III. Die Nachkriegsentwicklung

11

218

IV. Der Erlaß der StVO des Jahres 1970 und die Folgeentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . 220

B. Die "Sportrechtslage" in der Straßenverkehrsordnung.. . . . .. . ........ . .... . . . . . . .... 224 I. § 29 Abs. I StVO (i. V. m. § 46 Abs. 2 StVO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 1. Der Tatbestand . . . .. . . . .. . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . 225

a) Der Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 b) Rennen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 c) "Sind verboten" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 2. Rechtsfolge: Verbot mit Ausnahmevorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 a) Der dogmatische Ausgangspunkt der Ausnahmebewilligung . . . . . . . . . . . . . . 229 b) Die "Ausnahmesituation" als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal? . . . ... 231 c) § 46 Abs. 2 S. 1 StVO als Ermessensentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 aa) Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 bb) Das Regel-/ Ausnahmeverhältnis . . . ...... . ... . .. . . ... .. .. . .... . .. . . .. 234 cc) § 46 Abs. 2 S. 1 StVO, ein Fall des intendierten Ermessens? . . . . . . . . . . 236 (1) Allgemeines zum intendierten Ermessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 (2) Anwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 dd) Die in die Abwägung einzubeziehenden Belange . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 (1) Der "Entscheidungsrahmen" der Straßenverkehrsbehörden . . . . . . . 243 (2) Die wichtigsten behördlichen Belange im Detail . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 (3) Die Belange des Motorsports . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 ee) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 3. Überlegungende lege ferenda .. . . . . .... .. . . .. .. . .. . . . . . .. .. . .. . . . .. . . .. .. . ... 261 4. Formelle Fragen der Erteilung der Ausnahmegenehmigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 II. § 29 Abs. 2 StVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 1. Der Tatbestand . . .. . . . . .. . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. .. . . . . . . . . . . . . 267

a) Die Veranstaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 b) Mehr als verkehrsübliche Inanspruchnahme der Straße . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268

12

Inhaltsverzeichnis 2. Rechtsfolge: Ermessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 3. Das Verhältnis zu §§ 46 Abs. 2 S. 1 i. V. rn. 29 Abs. 1 StVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 III. §§ 31 und 24 StVO .......... . .... . .... . .... . ...... .. .. . .. ..... . . ........ . ... . .. 270

Zusammenfassung und Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272

Literaturverzeichnis . . . . . .. . .. . . . . . .. . ..... . . . . .. ... . .. . .. .... .. . ... . . . . .. . .. .. .. .. . .. 275

Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . .. . . . . . . .. . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . .. . . . 307

Abkürzungsverzeichnis a.A.

andere Ansicht

a.a.O.

an angegebenem Ort

AbfG

Abfallbeseitigungsgesetz

ABI. Abs.

Amtsblatt Absatz

AcP

Archiv für die civilistische Praxis

a.E.

am Ende

AEAO

Anwendungserlaß zur Abgabenordnung

a. F.

alte Fassung

AfK

Archiv für Kommunalwissenschaft

AfP

Archiv für Presserecht

AG

Amtsgericht

AGBG

Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen

AgrarR

Agrarrecht

AKB

Allgemeine Bedingungen für die Kraftfahrversicherungen

Allg.

allgemein

AllgVerwR

Allgemeines Verwaltungsrecht

AllMBl.

Allgemeines Ministerialblatt der Bayerischen Staatsregierung

ALR

Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten

Alt.

Alternative

amtl. ÄndG

amtlich(e)

ÄndVO

Änderungsverordnung

Anm.

Anmerkung

AO

Abgabenordnung

Änderungsgesetz

AöR

Archiv des öffentlichen Rechts

ARCD

Auto- und Reiseclub Deutschland

Art.

Artikel

AsJ

Arbeitsgemeinschaft sozial-demokratischer Juristinnen und Juristen

AsylVfG

Asylverfahrensgesetz

Aufl.

Auflage

AuslG

Gesetz über die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern im Bundesgebiet (Ausländergesetz)

AV

Ausführungsverordnung

AVBayJG

Verordnung zur Ausführung des Bayerischen Jagdgesetzes

14

Abkürzungsverzeichnis

AvD AVFiG

Automobilclub von Deutschland Verordnung zur Ausführung des Fischereigesetzes

Az. BAG

Aktenzeichen Bundesarbeitsgericht

BauGB Baylbay BayAVFiG BayBgm.

Baugesetzbuch Bayern I bayerisch Verordnung zur Ausführung des bayerischen Fischereigesetzes Der Bayerische Bürgermeister (Zeitschrift)

BayBO BayFfG

Bayerische Bauordnung Bayerisches Gesetz über den Schutz der Sonn- und Feiertage (Feiertagsgesetz) Bayerisches Jagdgesetz Bayerisches Gesetz über das Landesstrafrecht und das Verordnungsrecht auf dem Gebiet der öffentlichen Sicherheit und Ordnung (Landesstraf- und Verordungsgesetz)

BayJG BayLStVG

BayNatSchG

Bayerisches Naturschutzgesetz

BayObLG BayObLGSt BayStrWÄndG

Bayerisches Oberstes Landesgericht Entscheidungen des Bayerischen Obersten Landesgerichts in Strafsachen Bayerisches Straßen- und Wegeänderungsgesetz

BayStrWG

Bayerisches Straßen- und Wegegesetz

BayVBI. BayVerf BayVerfGH BayVGH BayWaldG

Bayerische Verwaltungsblätter (Zeitschrift) Verfassung des Freistaates Bayern Bayerischer Verfassungsgerichtshof

BayWG

Bayerisches Wassergesetz Der Betriebs-Berater (Zeitschrift)

BB BBauG BBodSchG

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Waldgesetz ftir Bayern

Bundesbaugesetz Gesetz zum Schutz vor schädlichen Bodenveränderungen und zur Sanierung von Altlasten (Bundesbodenschutzgesetz)

Bd. Bearb. BeauftrV

Band Bearbeiter Verordnung zur Beauftragung von Luftsportverbänden

Begr. ber. Berl BerlLWaldG

Begründung I Begründer berichtigt Berlin I Berliner Gesetz zur Erhaltung des Waldes (Landeswaldgesetz) Berlin

Ber!NatSchG

Gesetz über Naturschutz und Landespflege von Berlin (Berliner Naturschutzgesetz) Gesetz zur Förderung des Sports im Lande Berlin (Sportförderungsgesetz)

Ber!SportFG Ber!StrG

Straßengesetz für Berlin

Abkürzungsverzeichnis BerlVerf BerlVerfGH

15

Verfassung von Berlin Berliner Verfassungsgerichtshof

BerlVerfGHG Beschl. BesVerwR betr. BFH BFStrG

Gesetz über den Berliner Verfassungsgerichtshof

BGB BGBI.I BGBI. II BGH BGHSt

Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt, Teil I Bundesgesetzblatt, Teil II Bundesgerichtshof Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen

BGHZ

Entscheidungssammlung des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen

BGS BimSchG

Bundesgrenzschutz Gesetz zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen und ähnliche Vorgänge (Bundes-Immissionsschutzgesetz) Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes

BIMSchV BinSchPatentV BJagdG BMF BMI BNatSchG Brand I brand BrandLWaldG BrandNatSchG

Beschluß Besonderes Verwaltungsrecht betreff Bundesfinanzhof Bundesfernstraßengesetz

Verordnung über Befähigungszeugnisse in der Binnenschiffahrt (Binnenschifferpatentverordnung) Bundesjagdgesetz Bundesminister(ium) der Finanzen Bundesminister(ium) des Innem Gesetz über Naturschutz und Landschaftspflege (Bundesnaturschutzgesetz) Brandenburg I brandenburgisch

BrandOVG

Waldgesetz des Landes Brandenburg Brandenburgisches Gesetz über Naturschutz und Landschaftspflege (Brandenburgisches Naturschutzgesetz) Brandenburgisches Oberverwaltungsgericht

BrandReitVO

Brandenburgische Reitverordnung

BrandSportFG

Gesetz über die Sportförderung im Land Brandenburg (Sportförderungsgesetz) Straßengesetz für Brandenburg Verfassung des Landes Brandenburg

BrandStrG BrandVerf BrandVerfG BrandVerfOG BRat-Drucks.

BRD Bremlbrem BremLStrG

Verfassungsgericht des Landes Brandenburg Gesetz über das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg Bundesrat-Drucksache Bundesrepublik Deutschland Bremen I bremisch Bremisches Landesstraßengesetz

16

Abkürzungsverzeichnis

BremNatSchG

Gesetz über Naturschutz und Landschaftspflege (Bremisches Naturschutzgesetz)

BremSportFG

Gesetz zur Förderung des Sports im Lande Bremen (Sportförderungsgesetz)

BremVerf BRS

Landesverfassung der Freien Hansestadt Bremen Baurechtssammlung

BSHG

Bundessozialhilfegesetz

BStBl. I

Bundessteuerblatt, Teil I

BStBl. II

Bundessteuerblatt, Teil li

BSW

Brennpunkte der Sportwissenschaft (Zeitschrift)

BT-Drucks. BtMG

Bundestag-Drucksache Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln (Betäubungsmittelgesetz)

BVerfG

Bundesverfassungsgericht

BVerfGE

Entscheidungssammlung des Bundesverfassungsgerichts

BVerfGG

Gesetz über das Bundesverfassungsgericht

BVerwG

Bundesverwaltungsgericht Entscheidungssammlung des Bundesverwaltungsgerichts

BVerwGE BW

Baden-Württemberg

BWaldG

Gesetz zur Erhaltung des Waldes und zur Förderung der Forstwirtschaft (Bundeswaldgesetz)

BWGZ

Baden-württembergische Gemeindezeitung (Zeitschrift)

BWLWaldG

Waldgesetz für Baden-Württemberg (Landeswaldgesetz)

BWNatSchG

Gesetz zum Schutz der Natur, zur Pflege der Landschaft und über die Erholungsvorsorge in der freien Landschaft (für Baden-Württemberg; N aturschutzgesetz)

BWPolG

Polizeigesetz für Baden-Württemberg

BWReitSchVO

Baden-Württembergische Reitschadensausgleichsverordnung

BWStrG BWVerf BWVGH

Straßengesetz für Baden-Württemberg Verfassung des Landes Baden-Württemberg Baden-Württembergischer Verwaltungsgerichtshof

BWWG

Wassergesetz für Baden-Württemberg

BZ

Berliner Zeitung

bzgl. bzw. CDU

bezüglich beziehungsweise Christlich-Demokratische Union

csu

Christlich-Soziale Union

DA

Dienstanweisung

DAR

Deutsches Autorecht

DB

Der Betrieb (Zeitschrift)

DDR DDRVerf

Deutsche Demokratische Republik Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik

ders.

derselbe

Abkürzungsverzeichnis DFB d. h. dies. Diss. DLV DMSB DMYV

Deutscher Fußballbund das heißt dieselbe(n) Dissertation Deutscher Leichtathletik-Verband Deutscher Motor Sport Bund

DÖV

Deutscher Motoryachtverband Die öffentliche Verwaltung (Zeitschrift)

DRiZ

Deutsche Richterzeitung (Zeitschrift)

DSB DSH DSK

Deutscher Sportbund Deutsche Sporthilfe Deutscher Sportfahrerkreis

DStR DStZ

Deutsche Steuerzeitung

DSV DVBl. DVO DVP DZWir

17

Deutsches Steuerrecht (Zeitschrift) Deutscher Segel-Verband Deutsches Verwaltungsblatt (Zeitschrift) Durchführungsverordnung Deutsche Verwaltungspraxis (Zeitschrift)

E

Deutsche Zeitschrift für Wirtschaftsrecht amtliche Entscheidungssammlung

EFG

Entscheidungen der Finanzgerichte

EGBGB EGV Einf. Entsch. ErbStG

Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft Einführung Entscheidung Erbschaftssteuergesetz

Erl.

Erlaß

EStG

Einkommenssteuergesetz

ESVGH

Entscheidungssammlung des Hessischen und des Württemberg-Badischen Verwaltungsgerichtshofs et cetera (und so weiter)

etc. EU

Europäische Union Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaft

EuGH e. V. EWG EWGV f. FAZ

folgende Frankfurter Allgemeine Zeitung

FDP

Freie Demokratische Partei

FeV

Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr (Fahrerlaubnis-Verordnung) fortfolgende

ff. FG 2 Neumann

eingetragener Verein Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Vertrag zur Gründung der EWG

Finanzgericht

18 FGO

FIA FIS FM Fn. FR

FS FSt FStrÄndG

G. GastG GBI. gern. GewArch GewO GewStG

GG ggf. GMBI. GrStG GS Gs GVIGVBI. GVG HabiL-Sehr. Hamblhamb HambLWaldG HambNatSchG HambVerf HambWG HandwO Hdb Hesslhess HessFG HessForstG HessNatSchG HessStGH HessStGHG HessStrG HessVerf HessVGH

Abkürzungsverzeichnis Finanzgerichtsordnung Federation Interationale de I' Automobile Federation Internationale de Skiing (Internationaler Skiverband) Finanzminister(ium) Fußnote Finanz-Rundschau (Zeitschrift) Festschrift Die Fundstelle (Zeitschrift) Bundesfernstraßenänderungsgesetz Gesetz Gaststättengesetz Gesetzblatt gemäß Gewerbearchiv (Zeitschrift) Gewerbeordnung Gewerbesteuergesetz Grundgesetz gegebenenfalls Gemeinsames Ministerialblatt Grundsteuergesetz Gesetzessammlung Gedächtnisschrift Gesetz- und Verordnungsblatt Gerichtsverfassungsgesetz Habilitationsschrift Harnburg I hamburgisch Landeswaldgesetz (für Hamburg) Hamburgisches Gesetz über Naturschutz und Landschaftspflege (Hamburgisches Naturschutzgesetz) Verfassung der Freien Hansestadt Harnburg Hamburgisches Wegegesetz Gesetz zur Ordnung des Handwerks (Handwerksordnung) Handbuch Hessen I hessisch Hessisches Finanzgericht Hessisches Forstgesetz Hessisches Gesetz über Naturschutz und Landschaftspflege (Hessisches Naturschutzgesetz) Hessischer Staatsgerichtshof Gesetz über den hessischen Staatsgerichtshof Hessisches Straßengesetz Verfassung des Landes Hessen Hessischer Verwaltungsgerichtshof

Abkürzungsverzeichnis hins. h.M.

19

hinsichtlich herrschende Meinung

Hrsg.

Herausgeber

hrsg. Hs IAAF

herausgegeben Halbsatz International Amateur Athletic Federation (Internationaler Leichtathletik-Verband)

i. d. F.

in der Fassung

i. d. R.

in der Regel

i.E. i. F. i.H.

im Ergebnis

insb. IOC

insbesondere International Olympic Commitee (Internationales Olympisches Komitee)

i.R.

im Rahmen

i. s. d. i. S. V. i. ü. i.V.m. JA JöR JR Jur. Jura JuS JW JZ Kap. KG KGE KrW-/AbfG KStG LAG LAI LG Lit. lit. LKV LS LStrÄndG LStrG LT-Drucks. 2*

im Falle in Höhe

im Sinne des I der im Sinne von im übrigen in Verbindung mit Juristische Arbeitsblätter (Zeitschrift) Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart Juristische Rundschau (Zeitschrift) Juristisch(e) Juristische Ausbildung (Zeitschrift) Juristische Schulung (Zeitschrift) Juristische Wochenschrift (Zeitschrift) Juristenzeitung Kapitel Kammergericht Entscheidungen des Kammergerichts Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz Kommunales Steuergesetz Landesarbeitsgericht Länderausschuß für Immissionsschutz Landgericht Literatur littera (Buchstabe) Landes- und Kommunalverwaltung (Zeitschrift) Leitsatz Landesstraßenänderungsgesetz Landesstraßengesetz Landtags-Drucksache

20

Abkürzungsverzeichnis

LuftVG

Luftverkehrsgesetz

LuftVO

Luftverkehrsverordnung

LUMB!.

Amtsblatt des Bayerischen Staatsministeriums für Landesentwicklung und Umweltfragen

MABI. m.Anm.

Ministerialamtsblatt mit Anmerkung

MB!.

Ministerialblatt

MBliV

Ministerialblatt für die Preußische innere Verwaltung

Mio.

Million(en)

m.N.

mit Nachweis(en)

Mrd. MS

Milliarde(n) Ministerialschreiben

MV

Mecklenburg-Vorpommern

MVLVerfGG

Gesetz über das Landesverfassungsgericht Mecklenburg-Vorpommern

MVLWaldG

Waldgesetz für das Land Mecklenburg-Vorpommern (Landeswaldgesetz)

MVOVG MVStrWG

Oberverwaltungsgericht des Landes Mecklenburg-Vorpommern Straßen- und Wegegesetz des Landes Mecklenburg-Vorpommern

MVVerf

Verfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern

m.w.N.

mit weiteren Nachweisen

Nds/nds

Niedersachsen I niedersächsisch

NdsFFOG

Gesetz über die Ordnung in Feld und Forst in Niedersachsen (Feldund Forstordnungsgesetz)

NdsLWaldG

Landeswaldgesetz (für Niedersachsen)

NdsNatSchG

Niedersächsisches Naturschutzgesetz

NdsOVG

Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht

NdsSportG

Entwurf eines Sportgesetzes für Niedersachsen v. 5. 2. 1996, LTDrucks. 13/1712 Niedersächsisches Straßengesetz

NdsStrG NJ

Neue Justiz (Zeitschrift)

NJW

Neue Juristische Wochenschrift (Zeitschrift)

NK-Beschl.

Normenkontroll-Beschluß

NK-Urt.

Normenkontroll-Urteil

NOK Nr.

Nationales Olympisches Komitee Nummer

NRW

Nordrhein-Westfalen

NuR

Natur und Recht (Zeitschrift)

NVwZ

Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht

NVwZ-RR

Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht- Rechtsprechungs-Report

NW

Nordrhein-Westfalen Gesetz zur Sicherung des Naturhaushalts und zur Entwicklung der Landschaft (Landschaftsgesetz) des Landes Nordrhein-Westfalen

NWLandschG

Abkürzungsverzeichnis

21

NWLForstG

Landesforstgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen (Landesforstgesetz)

NWOVG

Oberverwaltungsgericht des Landes Nordrhein-Westfalen

NWStrWG

Straßen- und Wegegesetz für das Land Nordrhein-Westfalen

NWVBI. NWVerf

Nordrhein-Westfälische Verwaltungsblätter (Zeitschrift) Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen

NWVerfGHG

Gesetz über den Verfassungsgerichtshof für das Land NordrheinWestfalen

NZA

Neue Zeitschrift für Arbeits- und Sozialrecht

NZV

Neue Zeitschrift für Verkehrsrecht

OFD öff.

Oberfinanzdirektion öffentlich

0.

g.

oben genannte(r)

OLG

Oberlandesgericht

OMK ONS

Oberste Motorradsport-Kommission

OVG PersVerk

Oberste Nationale Sportkommission für den Automobilsport in Deutschland Oberverwaltungsgericht Personen-Verkehr (Zeitschrift)

PflVG

Gesetz über die Pflichtversicherung für Kraftfahrzeughalter (Pflichtversicherungsgesetz)

PreußOVG

Preußisches Oberverwaltungsgericht

PrVB!. PVT

Preußische Verwaltungsblätter (Zeitschrift) Polizei, Verkehr und Technik (Zeitschrift)

RdA

Recht der Arbeit (Zeitschrift)

RdK

Recht des Kraftfahrers (Zeitschrift)

RdL

Recht der Landwirtschaft (Zeitschrift)

Rdnr.

Randnummer

RegBI. RG

Regierungsblatt Reichsgericht

RGBI.I

Reichsgesetzblatt, Teil I

RGZ

Entscheidungssammlung des Reichsgerichts in Zivilsachen

RhPf/rhpf

Rheinland-Pfalz I rheinland-pfälzisch

RhPfLForstG RhPfLPflG

Landesforstgesetz von Rheinland-Pfalz

RhPfLStrG RhPfOVG

Landespflegegesetz (für Rheinland-Pfalz) Landesstraßengesetz für Rheinland-Pfalz Oberverwaltungsgericht von Rheinland-Pfalz

RhPfSportFG

Landesgesetz über die öffentliche Förderung von Sport und Spiel in Rheinland-Pfalz (Sportförderungsgesetz)

RhPfVerf

Verfassung für Rheinland-Pfalz

RhPfVerfGH RhPfVerfGHG

rheinland-pfälzischer Verfassungsgerichtshof Gesetz über den Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz

ROG

Raumordnungsgesetz

22 Rspr. RsprEinhG RuP

s. Saarll saarl SaarlFG SaarlLWaldG SaarlNatSchG SaarlReitVO SaarlStrG SaarlVerf SaarlVerfGH SaarlVerfGHG SachsAnh SachsAnhFFOG SachsAnhLWaldG SachsAnhNatSchG SachsAnhOVG SachsAnhStrG SachsAnhVerf Sächs SächsNatSchG SächsOVG SächsReitwegeVO SächsStrG SächsVBI. SächsVerf SächsVerfGH SächsVerfGHG SächsWaldG SchiedsVfG SchlH I schlh Sch!HFG SchlHLNatSchG SchlHLVO SchlHLWaldG SchlHOVG SchlHStrWG SchlHVerf

Abkürzungsverzeichnis Rechtsprechung Gesetz zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes (Rechtsprechungseinheitsgesetz) Recht und Politik (Zeitschrift) Seite bzw. Satz Saarland I saarländisch Saarländisches Finanzgericht Waldgesetz für das Saarland (Landeswaldgesetz) Gesetz über den Schutz der Natur und die Pflege der Landschaft (Saarländisches Naturschutzgesetz) Saarländische Verordnung über das Reiten im Wald Saarländisches Straßengesetz Verfassung des Saarlandes Verfassungsgerichtshof des Saarlandes Gesetz über den Verfassungsgerichtshof des Saarlandes Sachsen-Anhalt Feld- und Forstordnungsgesetz (für Sachsen-Anhalt) Landeswaldgesetz für Sachsen-Anhalt Naturschutzgesetz des Landes Sachsen-Anhalt Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Straßengesetz für das Land Sachsen-Anhalt Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt sächsisch Sächsisches Gesetz über Naturschutz und Landschaftspflege (Sächsisches Naturschutzgesetz) Oberverwaltungsgericht des Freistaats Sachsen Sächsische Reitwegeverordnung Straßengesetz für den Freistaat Sachsen (Sächsisches Straßengesetz) Sächsische Verwaltungsblätter (Zeitschrift) Verfassung des Freistaates Sachsen Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen Gesetz über den Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen Waldgesetz für den Freistaat Sachsen Gesetz zur Neuregelung des Schiedsverfahrensrechts Schleswig-Holstein I schleswig-holsteinisch Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht Gesetz zum Schutz der Natur (Landesnaturschutzgesetz) für Schleswig-Holstein Schleswig-Holsteinische Landesverordnung Waldgesetz für das Land Schleswig-Holstein (Landeswaldgesetz) Schleswig-Holsteinisches Oberverwaltungsgericht Straßen- und Wegegesetz des Landes Schleswig-Holstein Verfassung des Landes Schleswig-Holstein

Abkürzungsverzeichnis SGB SGG SmogVO

Sozialgesetzbuch Sozialgerichtsgesetz Smogverordnung

s. 0. sog. Sp. SPD SpielV SportbootFüV-Bin SpuRt StAnz. StbJb StEK Sten. Ber.

siehe oben sogenannt(e) Spalte Sozialdemokratische Partei Deutschlands

StGB StPO StrR

Strafgesetzbuch

st. Rspr. StrWG StT StuW StVE StVG

Spielverordnung Sportbootführerscheinverordnung-Binnen Sport und Recht (Zeitschrift) Staatsanzeiger Steuerberater-Jahrbuch Steuererlasse in Karteiform Stenographische Berichte Strafprozeßordnung Straßenrecht ständige Rechtsprechung Straßen- und Wegegesetz Städtetag (Zeitschrift) Steuer und Wirtschaft (Zeitschrift)

StVO StVR

Straßenverkehrs-Entscheidungen Straßenverkehrsgesetz Straßenverkehrsordnung Straßenverkehrsrecht

StVZO

Straßenverkehrszulassungsordnung

s. u.

siehe unten

TA

Süddeutsche Zeitung Technische Anleitung

Thürlthür ThürSportFG

Thüringer I thüringisch Thüringer Sportfördergesetz

sz

23

ThürStrG

Thüringer Straßengesetz

ThürVBI. ThürVerf ThürWaldG

Thüringische Verwaltungsblätter (Zeitschrift) Verfassung des Freistaats Thüringen Gesetz zur Erhaltung, zum Schutz und zur Bewirtschaftung des Waldes und zur Förderung der Forstwirtschaft (Thüringer Waldgesetz)

TierSchG

Tierschutzgesetz

u.

und

u. a. Univ. UPR

und andere I unter anderem Universität(s) Umwelt und Planungsrecht (Zeitschrift)

Urt.

Urteil

Abkürzungsverzeichnis

24 UStG

Umsatzsteuergesetz

V.

von/vom

v. a.

vor allem

Var.

Variante

VBJBW VD

Verwaltungsblätter für Baden-Württemberg (Zeitschrift) Verkehrsdienst (Zeitschrift)

VereinsG

Vereinsgesetz

Verf.

Verfassung

VerfGH

Verfassungsgerichtshof

VergnStG

Vergnügungssteuergesetz

VerkMitt. VerpackV

Verkehrsrechtliche Mitteilung Verpackungsverordnung

VersO

Versammlungsgesetz

VersR

Versammlungsrecht

VerwArch

Verwaltungsarchiv

VerwR

Verwaltungsrecht

Verw.Rspr. VG

Verwaltungsgericht

Vgl./vgl.

Vergleich I vergleich(e)

VkBI.

Verkehrsblatt

vo

Verwaltungsrechtsprechung in Deutschland ( 1949- 1981)

Verordnung

VollzugsBek.

Vollzugsbekanntmachung

Vorb. Vor!ThürNatSchG

Vorbemerkung

VRS

Verkehrsrechtsammlung

Vorläufiges Thüringer Gesetz über Naturschutz und Landschaftspflege (Vorläufiges Thüringer Naturschutzgesetz)

VStG

Vermögenssteuergesetz

VStrRGesGeb

Ein Vierteljahrhundert Straßenrechtsgesetzgebung

VVDStRL VwGO

Veröffentlichungen der Vereinigung deutscher Staatsrechtslehrer Verwaltungsgerichtsordnung

VwV

Verwaltungsvorschrift

VwVfG

Verwaltungsverfahrensgesetz

WaffG

Waffengesetz

WFV WHG WHO wib WiVerw.

Württembergischer Fußballverband e. V.

WoBindG

Gesetz zur Sicherung der Zweckbestimmung von Sozialwohnungen (Wohnungsbindungsgesetz)

WoGG WPflG

Wohngeldgesetz Wehrpflichtgesetz

ZAU

Zeitschrift für angewandte Umweltforschung

Gesetz zur Ordnung des Wasserhaushalts (Wasserhaushaltsgesetz) World Health Organization (Weltgesundheitsorganisation) Woche im Bundestag Wirtschaft und Verwaltung (Vierteljahresbeilage zum Gewerbearchiv)

Abkürzungsverzeichnis

z. B. ZDG

zum Beispiel Gesetz über den Zivildienst der Kriegsdienstverweigerer (Zivildienstgesetz)

ZfS

Zeitschrift für Schadensrecht

ZfV ZfW ZHR

Zeitschrift für Verkehrssicherheit Zeitschrift für Wasserrecht

zit.

Zeitschrift für Handelsrecht zitiert

ZPO ZRP

Zi vilprozeßordnung

ZUG

Der Zug (Zeitschrift der Deutschen Bahn AG) Zeitschrift für Verkehrsrecht

ZVR

25

Zeitschrift für Rechtspolitik

1. Kapitel

Einleitung und Grundlagen A. Gesellschaftliche Bedeutung des Sports Der Sport nimmt in der heutigen Gesellschaft eine immer bedeutendere Rolle ein 1 • Eindrucksvoll sind bereits die Mitgliederzahlen im Bereich des organisierten Sports. Unter seinem "Dach" zählte der Deutsche Sportbund (DSB) im Jahre 1997 über 26,5 Mio. Mitglieder, die sich auf über 85.500 Sportvereine verteilen2 • Nach Schätzungen sind (zumindest gelegentlich) rund 70 % der Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland sportlich aktiv3 • Die Gründe für den enormen Aufstieg, den der Sport in den letzten Jahren genommen hat, sind vielfältig. Das Bedürfnis des einzelnen nach Bewegung in einer immer bewegungsärmeren Arbeitswelt, aber auch die infolge der Verkürzung der Arbeitszeit zunehmende Freizeit der arbeitenden Bevölkerung können in diesem Zusammenhang genannt werden. Dem Sport wird (abgesehen vom Hochleistungssport) auch eine große Bedeutung zur Förderung der Gesundheit, v. a. zur Gegensteuerung bei Bewegungsmangel, Überernährung und zur Bekämpfung von Zivilisationskrankheiten zuerkannt4 • Nach der Politik ist der Sport (insbesondere die ihn tragenden Organisationen) eine stabilisierende und wertevermittelnde Institution I Umfassend zur gesellschaftlichen Bedeutung des Sports: Rittner, Der Stellenwert des Sports in der modernen Gesellschaft, Gutachten 1991 und Bundeszentrale für politische Bildung (Hrsg.), Gesellschaftliche Funktionen des Sports, Darmstadt 1984. Siehe auch z. B. Lauerbach, Sport und Gesellschaft, in: Schroeder/Kau.f:frrwnn (Hrsg.), Sport und Recht, S. 6; Gebhard, Gesellschaftliche Bedingungen des Sports, in: Röthig/Größing (Hrsg.), Sportliches Handeln, S. 7; Cachay, Sport und Gesellschaft, Schorndorf 1988; Rösch, Die sportfreudige Nation - Sport und Gesellschaft, in: Kürten u. a., Sport " ... Training für Faimeß, Großzügigkeit, Gemeinschaft", S. 27; DSB Presse Nr. 8 v. 20. 2. 1996. 2 Jahrbuch des Sports 1998/99, S. 58. Siehe auch DSB Presse Nr. 5 v. 30. I. 96, S. 2. Die Sportangebote werden zu rund 95 % von den Sportorganisationen und nur zu 5 % von anderen Anbietern offeriert (Weisemann/ Spieker, Sport, Spiel und Recht, 2. Auf!., Rdnr. 422). 3 Weber u. a., Die Wirtschaftliche Bedeutung des Sports, S. 44. 4 Dazu z. B. Mellerowicz/ Dürrwächter in: Siegel (Hrsg.), Sport als Faktor von Gesundheit und Wirtschaft, S. 22; Bös/Brehm (Hrsg.), Gesundheitssport, Schorndorf 1998; Kolb, Gesundheitsförderung und Sport, Sportwissenschaft 1995, S. 335; Eid!Schwenkmezger, Sport und Gesundheit, Sportwissenschaft 1994, S. 167; 8. Sportbericht der Bundesregierung, BTDrucks. 13/1114 vom 12. 4. 1995, S. 8; SZ Nr. 6 v. 9. I. 1997, S. 24; SZ Nr. 240 v. 19. 10. 1998, S. 43. Aus der Rspr. z. B. BVerwG, Urt. v. 19. I. 1989, BVerwGE 81, S. 197 (197; Leitsatz) und BFH, Urt. v. 14. 8. 1997, NJW 1998, S. 1814 (1815).

28

l. Kap.: Einleitung und Grundlagen

für das gesamte Staatswesen5 . Auch übernimmt er (namentlich der in Vereinen betriebene) wichtige Sozialisierungsfunktionen etwa bei der Integration und Einbeziehung ausländischer Mitbürger bzw. Aussiedlern6 oder zur Therapierung Drogenabhängiger7 . Im Gleichklang dazu gewinnt der Sport eine zunehmende wirtschaftliche Bedeutung. Nach Schätzungen entfallt in der Bundesrepublik rund 1,4% der Bruttowertschöpfungauf ihn8 . Rund 2,4% aller abhängig Beschäftigten, was in etwa der Beschäftigtenzahl in der Chemischen Industrie entspricht, sind im Sportbereich tätig9 und allein die sportbezogenen Ausgaben der privaten Haushalte betrugen im Jahre 1990 rund 36 Mrd. DM 10, um nur einige Eckdaten zu nennen ll. Eng damit verknüpft ist das nicht abreißende Medieninteresse des "passiven" Sportpublikums. Die "Fernsehware" Sport gehört Jahr für Jahr zu den populärsten Sendungen. Beispielsweise waren im Jahre 1996 unter den 50 beliebtesten Sendungen allein 34 Fußball- und 7 Boxübertragungen 12• Gerade Sportarten wie Tennis und Boxen zeigen aber, wie wichtig für die Gunst des Publikums nationale "Idole" sind, die auf internationaler Bühne Erfolge feiern können 13 . Auch die öffentlichrechtlichen Fernsehanstalten können wohl nur noch mit sportlichen Großereignissen das ganz große Publikum erreichen 14, wobei für den Erwerb der Fernsehübers 8. Sportbericht der Bundesregierung, BT-Drucks. 13 I 1114 vom 12. 4. 1995, S. 8. 6 Vgl. z. B. Heckmann, Sport und die gesellschaftliche Integration von Minderheiten, in: Bammel/ Becker (Redaktion), Sport und ausländische Mitbürger, Freudenberg 1984, S. 21; 8. Sportbericht der Bundesregierung, BT-Drucks. 13/1114 vom 12. 4. 1995, S. 8; Kultusministerium NRW (Hrsg.), Sport mit Aussiedlern, Frechen 1990. 7 V gl. etwa für die europäische "Drogenhauptstadt" Glasgow. Siehe: Der Spiegel Nr. 33, v. 12. 8. 1996, S. 84. Siehe auch Mayer, Motorradsport als Sozialtherapie, Sport 1994, s. 270 ff. 8 Weber u. a., Die wirtschaftliche Bedeutung des Sports, S. 52. 9 Weber u. a., Die wirtschaftliche Bedeutung des Sports, S. 53. lO Weber u. a., Die wirtschaftliche Bedeutung des Sports, S. 45. II Zur wirtschaftlichen Bedeutung: Weber u. a., Die Wirtschaftliche Bedeutung des Sports, Schamdorf 1995; Heinemann, Sport und Wirtschaft, in: Bundeszentrale für politische Bildung (Hrsg.), Gesellschaftliche Funktionen des Sports, S. 130; Bundesinstitut für Sportwissenschaft (Hrsg.), Wirtschaftsfaktor Sport, Köln 1996; Anders I Strähl/ Moor (Hrsg.), Sport und Wirtschaft, Köln 1988; Weisemannt Spieker, Sport, Spiel und Recht, 2. Auf!., Rdnr. 5 f. ; Pöttinger, Sport und Wirtschaft, in: Röthig I Größing (Hrsg.), Sportliches Handeln, S. 185. 12 SZ Nr. 6 v. 9. l. 1997, S. 20. Siehe auch SZ Nr. 292 v. 19. 12. 1997, S. 21 ("Die Diktatur des Balles"). Auch die Formel 1 boomt im deutschen Fernsehen. Dazu etwa SZ Nr. 160 v. 15. 7. 1997, S. 12 ("Rekord für Formel 1"); SZ Nr. 184 v. 12. 8. 1997, S. 13 und SZ Nr. 224 v. 28. 9. 1999, S. 22 ("Pole Position für RTL"). 13 Für den Boxsport war dies insbesondere Henry Maske (dazu: SZ Nr. 245 v. 24. I 25. 10. 1998, S. 22); für den Tennissport Boris Becker und Steffi Graf (dazu: SZ Nr. 141 v. 23. 6. 1997, S. 12 und FAZ Nr. 262 v. 10. 11. 1994, S. 33) undjetzt der Radsport dank Jan Ullrich (dazu: SZ Nr. 167 v. 23. 7. 1997, S. 38, "gelbes Trikot zieht an"). 14 ARD und ZDF hatten während der Sommerolympiade 1996 und der Fußball-Europameisterschaft im selben Jahr die meisten Zuschauer (SZ Nr. 187 v. 14. I 15. 8. 1996, S. 16).

B. Der Lebensbereich "Sport"

29

tragungsrechte immer höhere Entgelte zu entrichten sind, die für den Sport inzwischen in manchen Bereichen die Haupteinnahmequelle geworden sind 15 .

B. Der Lebensbereich "Sport" Der Begriff "Sport" wurde 1828 in die deutsche Sprache aus dem Englischen übernommen und leitet sich in seinem Ursprung aus dem lateinischen Begriff "deportare" ab, das zunächst mit wegtragen, im Spätlateinischen mit "sich zerstreuen" bzw. "sich vergnügen" übersetzt wurde 16. Sportwissenschaft und Sportsoziologie konnten bis heute keine allgemein akzeptierte und umfassende Definition für den Begriff Sport liefern 17 • Trotzdem haben sich anerkannte Wesensmerkmale des Sports herauskristallisiert, die jedenfalls im Regelfall Abgrenzungen zu anderen Lebensbereichen ermöglichen 18. Als im wesentlichen akzeptierte Merkmale lassen sich nennen: die körperliche Bewegung bzw. eigenmotorische Aktivität (1.), das Wettkampf- bzw. Leistungsstreben (2.), das Vorhandensein von Regeln und Organisationsformen (3.) sowie die Betätigung als Selbstzweck ohne produktive Absicht (4.) 19. Zu beachten ist aber, daß aufgrund der unterschiedlichsten Erscheinungsformen des Sports nicht alle Kriterien streng kumulativ erfüllt sein müssen, Ausnahmen also möglich sind, darüber hinaus die Merkmale durchaus unterschiedliches Gewicht haben können20. Obwohl der Begriff "Sport" nicht nur auf die Alltags- und Umgangssprache beschränkt ist, sondern in eine Vielzahl von Gesetzen Einzug in die Rechtsordnung gefunden hat (z. B. BauGB 21 , BauNV022, 18. BlmSchV, Gew023, Straßenverkehrsrecht24, Feiertagsrecht25, Steuerrecht26, Vergnügungssteuerrecht27 und als Staatszielbestim15 Siehe etwa auch BVerfG, Urt. v. 17. 2. 1998, NJW 1998, S. 1627 (1628). 16 Siehe etwa Brockhaus, Band 20, Stichwort: Sport; Sport-Brockhaus, 5. Aufl., Stichwort:

Sport; Herder; Das neue Sport1exikon, Stichwort: Sport; Meyers, Band 13, Stichwort: Sport; Münchener Rechts-Lexikon, Band 3, Stichwort: Sport; Taube, Planungshilfen zum Freizeitkonflikt, S. 7. 17 Siehe nur Langenfeld, in: Eberspächer (Hrsg.), Handlexikon Sportwissenschaft, S. 352, Taube, Planungshilfen zum Freizeitkonflikt, S. 6 ff. und Stettler; Sport und Verkehr, Bem 1997, s. 32 f. 18 Kette/er; Sport als Rechtsbegriff, SpuRt 1997, S. 73 (73). 19 Siehe etwa Röthig u. a. (Hrsg.), Sportwissenschaftliches Lexikon, Stichwort: Sport; Pfister I Steiner; Sportrecht von A - Z, Stichwort: Sportbegriff; Stettler; Sport und Verkehr, S. 32 f.; Kette/er; Sport als Rechtsbegriff, SpuRt 1997, S. 73 (73). 2o So richtig Kette/er; Sport als Rechtsbegriff, SpuRt 1997, S. 73 (73). 21 Z. B. §§ I Abs. 5 S. 2 Nr. 3; 5 Abs. 2 Nr. 5 und 9 Abs. I Nr. 5 bzw. 15 BauGB. 22 §§ 2 Abs. 3 Nr. 2; 3 Abs. 2 Nr. 2; 4 Abs. 2 Nr. 3; 4a Abs. 2 Nr. 5; 5 Abs. 2 Nr. 7; 6 Abs. 2 Nr. 5; 7 Abs. 2 Nr. 4; 8 Abs. 2 Nr. 4; 9 Abs. 3 Nr. 2 und 10 Abs. 2 S. 2 BauNVO. 23 Z. B. § 33a Abs. 1 S. 2 GewO. 24 § 31 StVO. 25 Z. B. Art. 2 Abs. 2 Nr. I BayFfG.

1. Kap.: Einleitung und Grundlagen

30

mung in den Landesverfassungen28), wird der Begriff durch die ansonsten definitionsfreudige Rechtsprechung (und Rechtswissenschaft), wie vom Gesetzgeber, bisher im wesentlichen vorausgesetzt29. Andeutungsweise hat der BayVGH30 im Zusammenhang mit der Beurteilung des Betriebs von Flugmodellen formuliert: "Sport ist ... eine körperliche Tätigkeit des Menschen, die zur Stärkung der Gesundheit oder aus Interesse am körperlichen Wettkampf ausgeübt wird bzw. eine nach bestimmten Regeln (im Wettkampf) aus Freude an Bewegung und Spiel zur körperlichen Ertüchtigung ausgeübte körperliche Betätigung"31 • Der BWVGH32 hatte im Zusammenhang mit § 33c Gewü i. V. m. § l Abs. 2 Nr. 3 SpielV die Frage zu klären, was eine "Sporthalle" im Sinne des Gesetzes und weiterhin, ob "Bowling" eine Sportart ist. Klar ist zunächst, daß eine Sporthalle eine Einrichtung ist, die nach ihrer Zweckbestimmung vornehmlich der Ausübung des Sports dient33 . Unter Bezugnahme auf Brockhaus stellt das Gericht weiterhin fest, daß Bowling zu den vier Disziplinen des Kegelsports zählt und stützt seine Auffassung des Vorliegens einer Sportart mit einer Formulierung des SächsOVG aus dem Jahre 192534 : Bowling erfordere "Geschicklichkeit und Treffsicherheit, erhält gelenkig und bringt eine ausgiebige Durcharbeitung des Körpers mit sich, die wesentlich zur Kräftigung des Leibes und zur Förderung des allgemeinen Wohlbefindens beiträgt". Die Beispiele bestätigen, daß die Rechtsprechung eine Subsumtion unter ein (unterstelltes) Merkmal des Sports vornimmt, hier v. a. das Merkmal der ,,körperlichen Bewegung". Die Rechtsordnung kennt freilich keinen allgemein gültigen Begriff des Sports. Er muß jeweils im konkreten gesetzlichen Kontext gesehen werden, mit dann teilweise unterschiedlichen Konsequenzen. Dies erklärt sich insbesondere aus der dem Gesetzgeber zustehenden Definitionsmacht und der Erforderlichkeil der Beriicksichtigung der gesetzgebensehen Zielrichtung35 . Wesentlich jedenfalls ist das Erfordernis der körperlichen Bewegung bzw. eigenmotorischen Aktivität, bei der es um den Einsatz von Kraft, Schnelligkeit, AusdauEtwa § 52 Abs. 2 Nr. 2 AO. Z. B. § 1 Abs. 1 BremVergnStG und§ 2 NWVergnStG. 28 Art. 140 Abs. 3 BayVerf; Art. 32 BerlVerf; Art. 35 BrandVerf; Art. 16 Abs. 1 MVVerf; Art. 6 NdsVerf; Art. 18 Abs. 3 NWVerf; Art. 11 Abs. 1 SächsVerf; Art. 36 Abs. 1 SachsAnhVerf; Art. 9 Abs. 3 SchlHVerf und Art. 30 Abs. 3 ThürVerf. 29 Pfister I Steiner; Sportrecht von A - Z, Stichwort: Sportbegriff; Kette/er; Sport als Rechtsbegriff, SpuRt 1997, S. 73 (73). 30 Beschl. v. 14. 10. 1997, NuR 1998, S. 103. 31 BayVGH, Beschl. v. 14. 10. 1997, NuR 1998, S. 103 (104), unter Bezugnahme auf das Münchener Rechtslexikon bzw. auf den Duden. 32 Urt. V. 19. 8. 1993, DÖV 1994, 220. 33 BWVGH, a. a. 0., S. 220. 34 SächsOVG, Entsch. v. 8. 6. 1925, PrVBl. 48 (1925), S. 17. 35 Siehe auch Pfister I Steiner; Sportrecht von A - Z, Stichwort: Sportbegriff und Kette/er; Sport als Rechtsbegriff, SpuRt 1997, S. 73 (75). 26

27

s.

B. Der Lebensbereich "Sport"

31

er, Geschick und die Koordination von Bewegungsabläufen geht36. Auch soweit die Bewegungen zur Bewältigung des technischen Geräts erforderlich sind, handelt es sich um Sport. Schwierig ist jedoch die Begründung in diesem Zusammenhang im Bereich des Motor- oder Schießsports. Für den Motorsport wird diese Hürde mit der Begründung gemeistert, daß primär auf die äußeren Bedingungen abgestellt wird. Aufgrund der Naturkräfte (Wind bzw. Wellen) oder der physikalischen Wirkungen (Fliehkraft) seien außerordentlich genaue körperliche Koordinationsleistungen, gegebenenfalls auch physische Anstrengungen zur "Bewältigung eines technischen Geräts" erforderlich37 . Niedrig ist die Schwelle zum Sport hinsichtlich des Merkmals Wettkampf- bzw. Leistungsstreben. Hier wird bereits die physische Anstrengung als solche, im Sinne eines Wetteifems mit sich selbst, zur Verbesserung der eigenen (körperlichen) Leistungsflihigkeit, als ausreichend angesehen38• Bei der Frage der Anwendbarkeit der 18. BlmSchV und im bauplanungsrechtlichen Zusammenhang sehen insbesondere die Obergerichte die Einhaltung von Wettkampfregeln und Organisationsformen als konstitutiv für den Sportbegriff an. Etwa soll auf einem Bolzplatz kein "Sport" stattfinden, da "der Platz nach seiner Größe und der Ausstattung der Tore in keiner Weise den für einen Fußballplatz geltenden Anforderungen entspricht"39. Dies insbesondere um dem Willen des Verordnungsgebers gerecht zu werden, Kinderspielplätze vom Anwendungsbereich auszuschließen40. Diese bis heute bestehende Zurückhaltung der Rechtsprechung in bezug auf die unmittelbare Anwendung der 18. BlmSchV, ist hinsichtlich der Anwendung zumindest der "Wertungen" dieser Verordnung, wie etwa die Privilegierung sogenannter seltener Ereignisse, die Praxis geradezu inflationär. Die Gerichte beurteilen den Betrieb einer Mehrzweckhalle41 , ein Sommerfest auf einem Badegelände am Seeufer42 oder eine Kirmesveranstaltung43 anband der 18. BlmSchV, weshalb der Sportbegriff selbst für die (entsprechende) Anwendung dieser Regelungen in der Praxis keine wesentliche Bedeutung mehr einnimmt. Insgesamt erscheint es auch richtig, bei der Frage der Beurteilung einer Tätigkeit als Sport nicht auf die Einhaltung von Regeln im Einzelfall abzustellen, sondern darSiehe nur Kette/er. Sport als Rechtsbegriff, SpuRt 1997, S. 73 (73 f.). Siehe nur Kette/er. a. a. 0., S. 74, m. w. N. 38 Siehe nur Brockhaus, Band 20, Stichwort: Sport. 39 Insbesondere BayVGH, Urt. v. 18. I. 1993, NVwZ- RR 1993, S. 1006 (1007); OVG Berlin, Urt. v. 22. 4. 1993, SpuRt 1995, S. 177 (179 f.) und SchlHOVG, Urt. v. 4. 5. 1994, NVwZ 1995, S. 1019 (1020). 40 So die Begriindung zu§ 1 der 18. BlmSchV in: BRat-Drucks. 17/91 vom 16. I. 1991, S. 38. Wohl deshalb sprachen auch der BayVGH (a. a. 0.) und das OVG Berlin (a. a. 0.) die Frage einer möglichen analogen Anwendung der 18. BlmSchV auf Bolzplätze nicht einmal an. Lediglich das SchlHOVG (a. a. 0 .) wendet die Vorschriften entsprechend an. 41 BayVGH, Urt. v. 19. 3. 1997, FSt 1998, S. 193 (196). 42 BayVGH, Beschl. v. 29. 5. 1998, BayVBl. 1998, S. 753 (755). 43 HessVGH, Urt. v. 8. 10. 1996, GewArch 1997, S. 162 (164). 36 37

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1. Kap.: Einleitung und Grundlagen

auf, daß sportartbestimmende Regelwerke überhaupt existieren44. Dies wird im übrigen durch die Sportanlagenlärmschutzverordnung selbst bestätigt, daneben aber auch durch die Sportförderungsgesetze der Länder. §§ 14 BerlSportFG45 , 7 BremSportFG46 und 14 ThürSportFG47 bestimmen ausdrücklich, daß Sportanlagen nicht nur dem Übungs-, Wettkampf- und Lehrbetrieb, sondern auch der "freien" sportlichen Betätigung dienen sollen. § 2 Abs. 2 Nr. 3 BerlSportFG, § 4 BrandSportFG48, § 6 BremSportFG, § 4 Abs. 1 Nr. 3 RhPfSportFG49 und § 5 Abs. 2 18. BlmSchV zählen Freibäder ausdrücklich zu den Sportanlagen, obwohl diese in erster Linie der sportlich-spielerischen Betätigung sowie allgemein der Erholung50 und nicht dem regelgebundenen Wettkampfschwimmsport dienen. Um den Sport von anderen Lebensbereichen aus der Arbeits- und Alltagswelt abzugrenzen, die ebenfalls nach anerkannten Regeln ablaufen und mit teilweise erheblichen körperlichen Anstrengungen verbunden sein können, bedarf es zuletzt eines weiteren Kriteriums. Die sportliche Tätigkeit wird (in der Regel) als Selbstzweck, ohne (nennenswerte) Produktivität, verfolgt. Sport zielt nicht darauf ab, ein Produkt oder Werk zu erstellen; die eigenmotorische Aktivität muß Selbstzweck der Betätigung sein51 • Dies wird auch in einer Zeit der Professionalisierung und Kommerzialisierung des Sports nicht in Frage gestellt. Werden etwa bei Leichtathletikveranstaltungen die teilnehmenden Sportler zu Höchstleistungen (Rekorde) in der Weise "motiviert", daß für den Erfolgsfall finanzielle Sonderhonorierungen ausgelobt werden, so ändert dies nichts daran, daß die Betätigung selbst unproduktiv bleibt52 . Trotz formaler Erfüllung der gerade angesprochenen Kriterien, bedarf es im Einzelfall der Berücksichtigung allgemein anerkannter Rechtsgrundsätze. Die Rechtsprechung etwa im Gewerbe- und Vergnügungssteuerrecht nimmt eine "Reduktion" des Sportbegriffs im Lichte der Menschenwürde des Art. 1 Abs. 1 GG vor. Aus der Sicht eines wohl unbefangenen Betrachters wird die Wirkung von "Damen-Boxkämpfen oben ohne", "Damen-Schlamm-Catchen oben ohne" oder der "Zwergenweitwurf' beurteilt. Mit Formulierungen wie "derbe Belustigung"53 , "Showveranstaltung . . ., die sexuelle Reize in wenig geschmackvoller, aggressiver Weise anbietet" 54 oder "geprägt durch die kommerziell motivierte Anstachelung 44 45

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47 48 49

So Ketteler, Sport als Rechtsbegriff, SpuRt 1997, S. 73 (75). Vom 6. 1. 1989, GVBI. S. 122. Vom 5. 7. 1976, OBI. S. 173. Vom 8. 7. 1994, GVBI. S. 808. Vom 10. 12. 1992, GVBI. S. 498. Vom 9. 12. 1974, GVBI. S. 597.

So ausdrucklieh § 4 Abs. I Nr. 3 RhPfSportFG und§ 5 Abs. 1 Nr. 3 ThürSportFG ("der Erholung der Bevölkerung"). 51 Siehe nur Kette/er, Sport als Rechtsbegriff, SpuRt 1997, S. 73 (75). 52 A. A. Kette/er, a. a. 0 ., S. 75. 53 VG Neustadt, Beschl. v. 21. 5. 1992, GewArch 1992, S. 296 (296 f.). 50

C. Die sportrelevanten Lebensräume

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primitiver sexueller Instinkte der Zuschauer"55 kommt die Rechtsprechung zu dem Ergebnis, daß es sich in diesen Fällen nicht um "Sport" handeln kann. Nicht allein entscheidend aus der Sicht der Rechtsordnung ist dagegen, ob die Betätigung etwa nach dem Selbstverständnis der Sportorganisationen als Sport anzusehen ist56 oder gar bereits mitgliedschaftlieh im DSB organisiert ist, wenngleich die Auffassung des DSB zur Qualität einer Betätigung als "Sport" sicher mit zu berücksichtigen ist57 . Welche Bedeutung das Ziel des Normgebers auf den Inhalt des Sportbegriffs haben kann, zeigt sich etwa bei der Auslegung von § 31 StVO. Nach dieser Vorschrift sind Sport und Spiel auf der Fahrbahn und den Seitenstreifen nur auf den dafür zugelassenen Straßen erlaubt. In der Begründung58 wurde zunächst eingeräumt, daß die Grenze zwischen Sport und Spiel fließend sei. Wörtlich heißt es dann: "Es wird bei Erwachsenen und Halbwüchsigen auf die Art der Betätigung im Einzelfall abzustellen sein; ihre Mannschaftsspiele sind in der Regel Sport, ebenso ihre Läufe und Sprünge, wenn diese gewertet werden. Kinder spielen stets"59.

C. Die sportrelevanten Lebensräume Sport braucht Raum. Auf Grund der unterschiedlichen Erscheinungsformen des Sports besteht allerdings auch ein unterschiedlicher Raumbedarf Die Regeln des organisierten Sports erfordern häufig spezielle, den räumlichen Anforderungen gerecht werdende Anlagen. Gerade der anlagenbezogene Sport war seit Mitte der achtziger Jahre über einen langen Zeitraum im Brennpunkt juristischer Diskussionen, insbesondere in immissionsschutzrechtlicher Hinsicht, gestanden. Eingeleitet durch das berühmte Tennisplatz-Urteil des BGH vom 17. 12. 198260 , fortgeführt aus öffentlich-rechtlicher Sicht durch das Tegelsbarg-Urteil des BVerwG vom 19. 1. 198961 wurden Sportanlagen, insbesondere wegen ihrer Lärmauswirkungen62, aber auch auf Grund sonstiger Einwirkungen (z. B. Zufliegen von Bällen)63 VG Karlsruhe, Beschl. v. 2. 11. 1977, GewArch 1978, S. 163 (164). BayVGH, Beschl. v. 9. 12. 1983, GewArch 1984, S. 61 (61). 56 Insbesondere§ 3 der Aufnahmerichtlinien des DSB. 57 So Kette/er, Sport als Rechtsbegriff, SpuRt 1997, S. 73 (76). 58 BRat-Drucks. 420170 v. 12. 8. 1970, S. 71. 59 BRat-Drucks., a. a. 0. 60 NJW 1983, S. 751. 61 BVerwGE 81 , S. 197. 62 Aus der unüberschaubaren Rspr. und Lit.: BGH, Urt. v. 23. 10. 1990, NJW 1990, S. 2465; OLG Celle, Urt. v. 14. 4. 1987, NVwZ 1987, S. 285; BVerwG, Beschl. v. 30. l. 1990, NuR 1991, S. 227; dies., Urt. v. 24. 4. 1991, NVwZ 1991, S. 884; dies., Beschl. v. 7. 8. 1991, LKV 1991, S. 411 ; BayVGH, Urt. v. 2. 12. 1986, NVwZ 1988, S. 163; OVG Hamburg, Urt. v. 15. 10. 1985, NJW 1986, S. 2333; HessVGH, Beschl. v. 24.111.1988, NVwZ - RR 1989, 54 55

3 Neumann

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1. Kap.: Einleitung und Grundlagen

einer kritischen juristischen Beurteilung anband der allgemein für jede Betätigung geltenden Zumutbarkeitskriterien unterzogen. Die Sportler sahen sich durch diese Entscheidungen ihres Spielraums beraubt und "mit der roten Karte aus ebensolcher Robe vom Platz gestellt" 64. Die Politik hat auf den Druck des Sports reagiert und zunächst für den öffentlich-rechtlichen Immissionsschutz eine bindende Sonderregel (bzgl. des Lärrnschutzes) mit Erlaß der Sportanlagenlärmschutzverordnung (18. BimSchV) vom 18. 7. 1991 65 auf der Grundlage des § 23 Abs. 1 BimSchG geschaffen. Nachdem insbesondere das OLG Koblenz66 die Verbindlichkeit der 18. BimSchV für das Zivilrecht in Frage gestellt hatte, kam es abermals zu einer Reaktion des Normgebers. Auf Initiative des Sportausschusses des Deutschen Bundestages wurde das Sachenrechtsänderungsgesetz vom 21. 9. 199467 um eine wichtige Bestimmung ergänzt. Werden die Grenz- und Richtwerte öffentlich-rechtlicher Umweltstandards eingehalten, so führt dies regelmäßig dazu, daß die nachbarlichen Beeinträchtigungen als unwesentlich im Sinne des § 906 Abs. 1 S. 1 BGB gelten. Die Änderung des § 906 Abs. 1 S. 1 u. 2 BGB68 hat damit das öffentlich-rechtliche und privatrechtliche Immissionsschutzrecht weitestgehend harmonisiert69 . S. 175; NdsOVG, Urt. v. 30. 10. 1984, BRS 42 (1984), S. 423; NWOVG, Urt. v. 26. 6. 1983, BauR 1984, S. 152; dies., Urt. v. 24. 9. 1987, NVwZ - RR 1988, S. 13; Berkemann, NVwZ 1992, S. 817; ders., Bau- und immissionsschutzrechtliche Probleme beim Sportstättenbau in Wohngebieten, in: Verein Deutscher Verwaltungsgerichtstag (Hrsg.), Dokumentation zum 10. Deutschen VerWaltungsrichtertag 1992, S. 151; Birk, Sport und Umwelt, in: Dauth/ Birk, Sport und Umwelt, S. 23; Deutsch, Sport und zivilrechtlicher Umweltschutz, in: Berkemann u. a., Natur- und Umweltschutzrecht, S. 61; Gaentzsch, UPR 1985, S. 201; ders., in: Lenz (Hrsg.), FS Gelzer, S. 29; Ge/zer, in: Pikart/Gelzer/Papier, Umwelteinwirkungen durch Sportan1agen, S. 49; Hagen, UPR 1985, S. 192; ders., in: Kirchhof (Hrsg.), Sport und Umwelt, S. 1; ders., NVwZ 1991, S. 817; Jägemann, Sportgeräusche, Frankfurt 1989; Krähe, in: Scheffen (Hrsg.), Haftung und Nachbarschutz im Sport, S. 19; Kühl, Gerichtsentscheide gegen Sport im Wohnbereich, in: Schramm u. a., Umweltschutz - Existenzfrage für den Sport?, S. 93; ders., Sport und Umwelt, in: Benz u. a., Natur- und Umweltschutzrecht, S. 73; Papier, Wirkungen des öffentlichen Planungsrechts auf das private Immissionsschutzrecht, in: Pikart/Gelzer/Papier, Umwelteinwirkungen durch Sportanlagen, 97; ders., UPR 1985, S. 73; ders., in: Lenz (Hrsg.), FS Gelzer, S. 93; Peine, JuS 1987, S. 169; Pikart, in: Pikart I Ge/zer/ Papier, Umwelteinwirkungen durch Sportanlagen, S. 1; Salzwedel, UPR 1985, S. 210; Schmitz, NVwZ 1991, S. 1126; Smollich, der Konflikt Sportanlagen und Immissionsschutzrecht, Baden-Baden 1993; Stange, NWVBI. 1992, S. 153; Tettinger, JZ 1992, S. 109. 63 Z. B. HessVGH, Urt. v. 6. 5. 1993, NJW 1993, S. 3088. 64 So Tettinger/ Kleinschnittger, JZ 1992, S. 109 (109). 65 BGBI. I S. 1598. Dazu: BVerwG, Beschl. v. 8. 11. 1994, UPR 1995, S. 108; dies., Urt. v. 12. 8. 1999, VBIBW 2000, S. 103; BWVGH, Urt. v. 27. 10. 1995, UPR 1996, S. 318; dies., NK-Urt. v. 14. 11. 1996, VBIBW 1997, S. 179 (181 f .); NWOVG Urt. v. 28. 5. 1993, NuR 1995, S. 204; dies., Beschl. v. 21. 7. 1994, NuR 1996, S. 97; VG Arnsberg, Urt. v. 13. 11. 1997, NWVBI. 1998, S. 248; VG Meiningen, Beschl. v. 1. 11. 1995, LKV 1996, S.426. 66 Urt. v. 24. 4. 1992, NVwZ 1993, S. 301 (302). Anders das OLG Zweibrücken, Urt. v. 4. 2. 1992, NJW 1992, S. 1242 (1243). 67 BGBI. I S. 2457. 68 Durch Art. 2 § 4 des Sachenrechtsänderungsgesetzes v. 21. 9. 1994 (s. vorstehend).

C. Die sportrelevanten Lebensräume

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Auch für die Planung neuer Sportstätten hat der Gesetz- und Verordnungsgeber reagiert und sichert mit den Regelungen in§ 2 Abs. 2 Nr. 14 ROG, § 2 Abs. 2 Nr. 3a) BBodSchG und zahlreichen bauplanungsrechtlichen Vorschriften70 wohnortnahe Sportstätten. Sportanlagen sollen nicht in den Außenbereich verdrängt werden, sondern Regelungsziel ist, daß Arbeit, Wohnen und Sportausübung räumlich soweit als möglich verbunden werden71 . Das BVerwG hat in seinem Urteil vom 12. 8. 199972 dariiber hinaus klargestellt, daß die Sportanlagenlärmschutzverordnung, die nach ihrem Wortlaut(§ 1 Abs. 1) unmittelbar nur auf die Errichtung, die Beschaffenheit und den Betrieb von Sportanlagen anwendbar ist, für die Bauleitplanung zumindest eine mittelbare rechtliche Bedeutung aufweist73 . Neben dem auf Tennisplätzen, Golfplätzen und anderen Sportanlagen betriebenen Sport finden vor allem der lndividualsport, aber auch zahlreiche organisierte Sportbetätigungen in der "freien" Natur einschließlich der Gewässer74 statt. Gerade die Suche nach (individueller) Erholung vom alltäglichen StreB läßt den Nutzungsdruck auf Natur und Landschaft steigen75 • Obwohl die Ausübung des Sports Natur und Landschaft stören, ja zerstören kann76, ist gleichzeitig eine intakte und gesunde Umwelt selbstverständliche Voraussetzung für eine Sportausübung in Natur und Landschaft. Einen fairen Interessenausgleich auf der Grundlage der bestehenden Rechtsvorschriften unter Berücksichtigung der Tatsache, daß auch die körperliche Bewegung im freien Raum zu den natürlichen Lebensgrundlagen des Menschen gehört, ist Aufgabe der Rechtsprechung und Rechtswissenschaft in diesem Bereich77 •

69 Siehe dazu Kregel, NJW 1994, S. 2599, Fritz, NJW 1996, S. 573 und Berkemann, NuR 1998, S. 565 (576 f.). 10 Siehe oben (Anm. 21 u. 22). 71 Siehe Steiner, BayVBI. 1995, S. 417 (418) und Berkemann, NuR 1998, S. 565 (569 ff.). 72 VBIBW 2000, S. 103. Zu dieser Entscheidung auch Birk, VBlBW 2000, S. 97. 73 Zur Bedeutung dieser bei der Konkretisierung der Zumutbarkeitsgrenze des § 15 Abs. 1 S. 2 BauNVO und den Anforderungen an gesunde Wohnverhältnisse i. S. v. § 34 Abs. 1 S. 2 BauGB: BVerwG, Urt. v. 23. 9. 1999, BayVBI. 2000, S. 632 (633 ff.). 74 Dazu etwa Burgi, Erholung in freier Natur, S. 151 ff.; Kloepfer/ Brandner, Wassersport und Umweltschutz, NVwZ 1988, S. 115 und Blumenberg, Wassersportliche Freizeitaktivitäten, ZUR 1998, S. ll6. 75 Siehe nur Erbguth/Stollman, NuR 1999, S. 426 (426); Tettinger, SpuRt 1997, S. 109 (109 f. ) und Winkelmannt Wilken, Sportaktivitäten in Natur und Landschaft, 1998, S. 1 ("Boom des Natursports"). 76 So Steiner, SpuRt 1994, S. 2 (5). 77 So Steiner, BayVBI. 1995, S. 417 (418). Zu diesem Bereich etwa Burgi, Erholung in freier Natur; Stad/er, Naturschutz und Erholung und aus europarechtlicher Sicht: Erbguth I Stollmann, NuR 1999, S. 426 ff. Siehe auch Strasdas, Auswirkungen neuer Freizeittrends auf die Umwelt, Aachen 1994; Weisemann I Spieker, Sport, Spiel und Recht, 2. Auf!., Rdnr. 431 ff.; Fritzweiler, in: Fritzweiler/ Pfister/ Summerer, PHBSportR, 1. Teil, Rdnr. 42 ff.; Tettinger, SpuRt 1997, S. 109; Turner I Wemer, SpuRt 1997, S. 51 und Winkelmann I Wilken, Sportaktivitäten in Natur und Landschaft, Berlin 1998.

3*

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1. Kap.: Einleitung und Grundlagen

Neben der Sportausübung in Sportanlagen und der freien Natur soll im folgenden die Straße als Stätte sportlicher Betätigung einer näheren Untersuchung unterzogen werden. Die Straßen, Wege und Plätze in der Bundesrepublik als "Sportsubstrat" haben neben den klassischen Betätigungen wie den Rad-, Lauf- und Motorsport in den letzten Jahren das Inline-Skating als "neue Sportart" aufzunehmen, dessen rechtliche Probleme speziell im Bereich des Straßenverkehrsrechts Politik78, Rechtsprechung79 und Rechtswissenschaft80 beschäftigen. In Österreich war die zunehmende Benutzung von "Rollschuhen" im Jahre 1998 gar Anlaß, eine eigene Vorschrift für das Rollschuhfahren als § 88a81 in die Straßenverkehrsordnung aufzunehmen und in diesem Zusanunenhang die Rechtsgrundlage zur Ausweisung von "Rollschuhstraßen" zu schaffen (§ 88a Abs. 1 S. 2 Nr. 4 der Österreichischen Straßenverkehrsordnung). Bezüglich der tatsächlichen Dimensionen der Sportausübung auf öffentlichen Straßen liegen für die Bundesrepublik Deutschland bisher, soweit ersichtlich, keine gesicherten Zahlen vor. Für die Schweiz hat Stettler im Jahre 1997 das "sportmotivierte Verkehrsverhalten der Schweizer Bevölkerung"82 untersucht und kam zu dem beeindruckenden Ergebnis, daß weit über 12 Mrd. Personenkilometer jährlich allein auf die "Sportmobilität" der Sportler, Betreuer bzw. Funktionäre und Zuschauer zurückzuführen seien83 . Hinzuweisen ist aber, daß es sich hierbei nicht um die bei Wettkampf, Training oder Erholung zurückgelegten Kilometer bei der Sportausübung selbst, sondern vielmehr um die gesamte im Zusammenhang mit der sportlichen Betätigung erfolgende Mobilität handelt. Verläßliche Zahlen über das Ausmaß der Sportausübung selbst auf öffentlichen Straßen, Wegen und Plätzen liegen folglich auch in der Schweiz nicht vor. Alle Schätzungen wären auch ungenau. Das Substrat, die Straße (Weg oder Platz), ist sprachlich seiner ursprünglichen lateinischen Wurzel (strata) entsprechend als "bestreuen" oder "einebnen" zu fassen. Damit ist die Richtung schon vorgegeben. Zwar bedarf es als solches keiner technischen Anlage im engeren Sinne, jedoch eines in natura erkennbaren Wegekörpers84, der vom umliegenden Gelände (bauliche Anlagen etc.) abgrenzbar ist. 78 Antwort der Bundesregierung, "Probleme des In-Line-Skater-Verkehrs auf Gehwegen", BT-Drucks. 13 I 6169 v. 18. 11. 1996. Auch der 36. Verkehrsgerichtstag 1998 hat sich im Arbeitskreis VII mit den lnline-Skatem befaßt (siehe den Bericht von Händel, NJW 1998, S. 1130 und Lempp, Der Verkehrsjurist 1998, S. 8). 79 Z. B. OLG Celle, Urt. v. 28. 4. 1999, NJW- RR 1999, S. 1187; OLG Karlsruhe, Urt. v. 24. 7. 1998, NZV 1999, S. 44 und VG Lüneburg, Beschl. v. 12. 6. 1997, NJW 1998, S. 1731. 80 Grams, NZV 1997, S. 65; Vieweg, NZV 1998, S. 1; Seidenstecher, DAR 1997, S. 104; Schmid, DAR 1998, S. 8; Wiesner, NZV 1998, S. 177 und Hentschel, NJW 2000, S. 696 (697). 81 Durch BG BGBI. I 1998/92. 82 Stettler, Sport und Verkehr, Bem 1997. 83 Stettler, Sport und Verkehr, Bem 1997, S. 344. 84 Lorenz. LStrGBW, Rdnr. 6 zu§ 2. Zur Erkennbarkeit z. B. BWVGH, Urt. v. 22. 6. 1956, ESVGH 6 (1956), S. 220 (223).

D. Gang der Untersuchung

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Die hier interessierenden öffentlichen Straßen erhalten diese (rechtliche) Qualität insbesondere durch das wegerechtliche Institut der Widmung. Andererseits soll sich die Arbeit nicht nur auf in diesem Sinne rechtlich öffentliche Straßen erstrekken, sondern darüber hinaus auf die Wege, die ohne Rücksicht auf die Eigentumsverhältnisse auf Grund der ausdrücklichen oder stillschweigenden Duldung des Verfügungsberechtigten tatsächlich für den allgemeinen Verkehr zur Verfügung gestellt werden (sog. tatsächlich-öffentliche Straßen)85 . Dies hat insbesondere, worauf noch zurückzukommen sein wird, für die Anwendbarkeit der bundesrechtlichen Vorschriften des Straßenverkehrsrechts Bedeutung.

D. Gang der Untersuchung Der Sport auf öffentlichen Straßen ist bisher, soweit ersichtlich, noch nicht Gegenstand einer eigenständigen Untersuchung gewesen. Wie bereits angedeutet, war und ist der "anlagengebundene" Sport im Mittelpunkt der praktischen und theoretischen juristischen Auseinandersetzung, insbesondere in immissionsschutzrechtlicher Hinsicht. Wer allerdings auf die Straßen der Bundesrepublik ein Auge wirft, erkennt die rein tatsächliche Bedeutung der nicht als Anlagen für die Sportausübung geschaffenen Straßen, im Schwerpunkt für die individuelle Sportausübung. Um die Basis für die Untersuchung des einfachen Rechts zu schaffen, sollen zunächst die verfassungsrechtlichen Grundlagen für den Sport erörtert werden. Dabei soll aus bundesverfassungsrechtlicher Sicht der Schwerpunkt auf Art. 9 Abs. 1 GG gelegt werden. Aus landesverfassungsrechtlicher Sicht wird das Staatsziel Sport eine zentrale Rolle spielen (2. Kapitel). Daran anschließend werden die für öffentliche Straßen maßgeblichen Rechtskomplexe untersucht. Den "Rahmen" der sportlichen Betätigung bilden aus dem Straßenrecht die Vorschriften über den jedermann zustehenden Gemeingebrauch und aus den Naturschutz- bzw. Waldgesetzen die Betretungsvorschriften (3. Kapitel). Das 4. Kapitel befaßt sich mit den aus sportlicher Sicht wichtigsten Regelungen im Straßenverkehrsrecht, wobei hier die für den Motorsport relevanten Vorschriften die "Pole Position" einnehmen werden.

85

Dazu etwa Krämer; in: Kodal/ Krämer; Kap. 4, Rdnr. 15 f.

2. Kapitel

Die verfassungsrechtlichen Grundlagen für den (des) Sport(s) A. Die Stellung des Sports bzw. der Sportler im Bundesverfassungsrecht I. Die Aussagen des Grundgesetzes zum Sport 1. Die Sportf"orderung des Bundes

Explizit erwähnt das Bundesverfassungsrecht den Sport an keiner Stelle 1• Der Bund selbst sieht sich lediglich als Förderer des Sports, dies allerdings in langer Tradition2 • Die Sportförderung wird auf Bundesebene subsidiär angesehen; sie soll Hilfe zur Selbsthilfe sein auf der Basis partnerschaftlieber Zusamrnenarbeit3 . HinI Das Sachregister der Amtlichen Sammlung des Bundesverfassungsgerichts weist auch erst seit dem Urteil v. 17. 2. 1998, BVerfGE 97, S. 228, in BVerfGE 97, S. 451 einen (umfangreichen) Sporteintrag aus. Dazu auch Steiner, in: Burmeister (Hrsg.), FS Stern, S. 509 (510), Fußnote 7. Der Versuch v. Münchs, in seinem Rechtsgutachten eine (ungeschriebene) Staatszielbestimmung für den Sport zu konstruieren, hat keinen Anklang gefunden. Die Verfassung der ehemaligen DDR (v. 6. 4. 1968, OBI. S. 199 i. d. F. des Gesetzes zur Ergänzung und Änderung der Verfassung der DDR v. 7. 10. 1974, OBI. I S. 425) bezeichnete den Sport in Art. 18 Abs. 3 als ,,Element der sozialistischen Kultur" und verpflichtete in Art. 25 Abs. 3 S. 3 den Staat und die Gesellschaft, die Teilnahme der Bürger am Sport zu fördern "zur vollständigen Ausprägung der sozialistischen Persönlichkeit"; siehe dazu Pappe, in: Staatsrecht der DDR, 2. Aufl. 1984, S. 205 und Mampel, Rdnr. 54 ff. zu Art. 18 DDRVerf bzw. Rdnr. 44 zu Art. 25 DDRVerf. Zur "sozialistischen Persönlichkeit": Luchterhandt, Der verstaatlichte Mensch, Köln u. a. 1985, S. 97 ff. Allgemein zum Sport in der DDR auch in Gesetzen und in der Verfassung: Bemett (Hrsg.), Körperkultur und Sport in der DDR, Dokumentation eines geschlossenen Systems, Schomdorf 1994. Zum Sport in den Verfassungen anderer Länder: Häberle, "Sport" als Thema neuerer verfassungsstaatlicher Verfassungen, in: Becker u. a. (Hrsg.), FS Thieme, S. 25; ders., in: Häberle, Das GG zwischen Verfassungsrecht und Verfassungspolitik, S. 715 und Streinz, Die verfassungsstaatliche Erwartung an den Sport, S. 10 ff. 2 Zur historischen Entwicklung der Sportförderung auf Bundesebene seit 1950: Gieseler, Sport und staatliche Institutionen, in: DSB (Hrsg.), Die Gründerjahre des Deutschen Sportbundes, S. 329 (329 ff.).; Pedersen, Sportpolitik in der BRD, S. 50 ff. und Piro, Grundsätze staatlicher Sportförderung, in: Bundeszentrale für politische Bildung (Hrsg.), Gesellschaftliche Funktionen des Sports, S. 34 (39 f.). Allgemein zur öffentlichen Sportförderung aus finanzwissenschaftlicher Sicht: Hockenjos, Öffentliche Sportförderung in der Bundesrepublik Deutschland, Frankfurt am Main u. a. 1995.

A. Stellung des Sports bzw. der Sportler im Bundesverfassungsrecht

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tergrund ist die auch durch die Politik anerkannte Autonomie des Sports im Verhältnis zum Staat, der die Unabhängigkeit und Selbstverantwortung des Sports deshalb als fundamentale und unabdingbare Prinzipien der Sportförderung ansieht4 • Allerdings bestimmt der Staat dort, wo er finanzielle Mittel zur Verfügung stellt, auch wesentlich die Verwendung derselben5 , obwohl dies nach dem erklärten Ziel der Politik gerade nicht dazu führen soll, daß der Sport dadurch an eine "goldene Kette" gelegt wird6 . Im Vergleich zu anderen Bereichen mußte der Sport beispielsweise im Wahljahr 1998 lediglich mit bescheidenen Abstrichen im Bundesetat rechnen. Die Bundesmittel zur Förderung des Sports in Höhe von rund 330 Millionen Mark sind verteilt auf acht Ministerien7 . Aber nicht nur direkte Verwendungen prägen das Verhältnis des Bundes zum Sport. Seine Wertschätzung zeigt sich auch in dem seit 1972 bestehenden eigenen Sportausschuß des Bundestages und in Gestalt besonderer staatlicher Auszeichnungen, speziell auf Bundesebene mit der im Jahre 1964 erfolgten Einführung des Silbernen Lorbeerblatts als Ehrenzeichen, das durch den Bundespräsidenten für hervorragende Leistungen im Spitzensportbereich verliehen wird. Vergleichbare Leistungen von Behindertensportlern werden seit 1978 durch die Silbermedaille für den Behindertensport gewürdigt; eine Sportplakette wird seit 1984 für hervorragende Breitensportarbeit verliehen 8 . 8. Sportbericht der Bundesregierung v. 12. 4. 1995, BT-Drucks. 13/1114, S. 12. A. a. 0 ., S. 12. 5 Z. B. der "Eingriff' des Bundes in die Strukturen des Deutschen Spitzensports im Zusammenhang mit der Forderung nach einem nationalen Spitzensportkonzept Vgl. FAZ Nr. 244 v. 19. 10. 1996, S. 28; FAZ Nr. 3 v. 4. 1. 1997, S. 24 und die Beschlußempfehlung des Sportausschusses des Deutschen Bundestages v. 11. 6. 1996, BT-Drucks. 13/4910 v. 14. 6. 1996, S. 3. Als Druckmittel wird hierbei haushaltsrechtlich das Instrumentarium der "qualifizierten Sperrung" von Fördermitteln eingesetzt, vgl. DSB Presse Nr. 27 v. 2. 7. 1996, S. 11. Vgl. auch Heinemann, Staatliche Sportpolitik und Autonomie des Sports, in: Lüschenl Rütten (Hrsg.), Sportpolitik, S. 177 ("Wer Geld gibt, will Einfluß nehmen"). 6 So Geißler im Vorwort der Dokumentation zum Sportkongreß der CDU am 23./ 24. 10. 1979 in Bonn, mit dem Thema: Sportförderung - eine öffentliche Aufgabe?, herausgegeben von der Bundesgeschäftsstelle der CDU, S. XIII. 7 SZ Nr. 263 v. 15/16. 11. 1997, S. 59. Gestützt durch die Erfolge im Olympiajahr 1996 war dies auch 1997 so. Vgl. SZ Nr. 202 v. 2. 9. 1996, S. 18. Auch für die Zukunft soll das Niveau der Sportförderung des Bundes erhalten bleiben. Vgl. Antwort der Bundesregierung v. 24. 7. 1996, BT-Drucks. 13/5329, S. 2 und SZ Nr. 94 v. 24./25. 4. 1999, S. 50 (,,Mehr Geld für Sport"). Zur Höhe der Förderung mit den Mitteln des Bundeshaushalts in den Jahren 1990- 1994 vgl. 8. Sportbericht der Bundesregierung v. 12. 4. 1995, BT-Drucks. 13/1114, S. 17. Erst ab 2001 soll der Sport nach jetzigen Planungen "seinen Sparbeitrag" leisten und hat mit Kürzungen zu rechnen. Vgl. dazu: SZ Nr. 143 v. 25. 6. 1999, S. 39. s Zum Ganzen Dellmann, Sportförderung des Bundes, in: Gieseler u. a. (Hrsg.), Der Sport in der Bundesrepublik Deutschland, S. 109 und 8. Sportbericht der Bundesregierung v. 12. 4. 1995, BT-Drucks. 13/1114, S. 48. Wie man hört, ist auch die aktive Beteiligung der Politik am Sport in der neuen Hauptstadt Berlin gesichert. Die in 16 Abteilungen organisierte, mehr als 1000 Mitglieder zählende, "Sportgemeinschaft Deutscher Bundestag" wird ihr Domizil im sanierten Jahn-Stadion beziehen. Die rund 15 "Pflichtspiele" des "F. C. Bundestag" im Jahr sind also gesichert, vgl. SZ Nr. 61 v. 14/15. 3. 1998, S. 16 (,,Ein Bolzplatz für den Kanzlerballverein") u. DSB Presse Nr. 7 v. 17. 2. 1998, S. 8. 3

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2. Kap.: Verfassungsrechtliche Grundlagen für den (des) Sport(s)

Mittelbare Förderung erfährt der Sport in vielerlei Hinsicht. Zu nennen ist der wichtige Bereich der steuerlichen Förderungsmaßnahmen9 , insbesondere durch die Anerkennung des Sports (genauer: der körperschaftlichen Organisationen des Sports) 10 als gemeinnützig (§ 52 Abs. 2 Nr. 2 AO) mit steuerlichen Vorteilen in vielen Bereichen des Steuerrechts (§§ 5 Abs. I Nr. 9 KStG; 3 Nr. 6 GewStG; 13 Abs. 1 Nr. 16b) u. Nr. 17 ErbStG; 3 Abs. 1 Nr. 3b) GrStG, 4 Nr. 22a) u. b), 4a, 12 Abs. 2 Nr. 8a) UStG; 3 Abs. 1 Nr. 12 VStG 11 ) 12 • Die Übungsleiterpauschale des § 3 Nr. 26 EStG 13 oder die Abziehbarkeit von Spenden an Sportvereine (§ lOb Abs. 1 EStG), die ebenfalls die Gemeinnützigkeit der Organisation voraussetzen14, sind gleichermaßen tragende steuerliche Vorzüge. Die Einordnung als gemeinnützig gilt i. ü. auch für die Organisationen des Motorsports 15. 9 Vgl. allgemein auch Trzaskalik, Die Steuer- Instrument der Sportförderung?, in: Tettinger (Hrsg.), Subventionierung des Sports, S. 55. IO Zur steuerlichen Behandlung der Sportausübenden; auch der im Ausland ansässigen (auch deutschen) Sportler vgl. z. B. NWOVG, Urt. v. 13. 1. 1993, SpuRt 1994, S. 42; Saar1FG, Urt. v. 2. 1. 1996, SpuRt 1997, S. 69; Salzmann, SpuRt 1996, S. 181; Jachmann, SpuRt 1996, S. 185; Pudelt/ Ernst, SpuRt 1995, S. 158; Dziadkowskil Forster, SpuRt 1994, S. 217; Steiner, in: Pfister/Steiner, Sportrecht von A- Z, Stichwort: Berufssportler, III., S. 29; vgl. auch SZ Nr. 182 v. 9/10. 8. 1997, S. 26 ("Warum es viele Sportler ins Ausland zieht"). II Auf Grund des Beschlusses des BVerfG v. 22. 6. 1995, BOB!. I S. 1191, = BStBl. II, S. 655, kann die Vermögenssteuer wegen ihrer teilweisen Verfassungswidrigkeit ab 1997 gänzlich nicht mehr erhoben werden. 12 Die Gemeinnützigkeit des Sports, die durch das Vereinsförderungsgesetz v. 18. 12. 1989 (BGBI. I S. 2212) gesichert wurde und durch das eine wesentliche Verbesserung und Vereinfachung zugunsten der Vereine erreicht worden ist (vgl. 8. Sportbericht der Bundesregierung v. 12. 4. 1995, BT-Drucks. 13/1114, S. 18), war und ist rechtspolitisch umstritten. Dazu: Dokumentation zur öffentlichen Anhörung des Deutschen Bundestages zu "Sport und Steuern" am 25. 6. 1986, hrsg. v. DSB, Frankfurt 1986; Gutachten der unabhängigen Sachverständigenkommission zur Priifung des Gemeinnützigkeits- und Spendenrechts v. 24. 3. 1988, Heft 40 der Schriftenreihe des Bundesministeriums der Finanzen, insb. S. 127 ff.; Amdt, BB 1987, S. l153; Bauer, FR 1989, S. 61; Hermkind, DStZ 1988, S. 547 (552 ff.); Lang, Stblb 198811989, S. 251; Madl, Der Sportverein als Unternehmen, insb. S. 123 ff.; Märkle I Alber, BB 1990, Beilage 2, S. I; Mittelsteiner, DStR 1988, S. 471; Müller-Gatermann, FR 1995, S. 261; Thiell Eversberg, DB 1990, S. 290, S. 344, S. 395; Tipke, StuW 1989, S. 165; Trzaskalik, StuW 1986, S. 218; Scholtz, in: Koch/Scholtz (Hrsg.), Abgabenordnung, Stichwort: Sport zu § 52 AO; Tipke I Kruse, Rdnr. 20 zu § 52 AO; Kühl, SpuRt 1996, S. 193; allgemein auch Isensee, Gemeinwohl und Bürgersinn im Steuerstaat des Grundgesetzes, in: Maurer (Hrsg.), FS Dürig, S. 33. Aktuelle Probleme der Anwendung stellen sich etwa im Bereich des Golfsports wegen der i. d. R. hohen Mitgliedsbeiträge. Vgl. BFH, Urt. v. 13. 11. 1996, NJW 1997, S. 1462; FG Düsseldorf, Urt. v. 12. 8. 1993, SpuRt 1994, S. 48; SchlHFG, Urt. v. 15. 12. 1995, EFG 1996, S. 604; Schreiben des BMF v. 22. 12. 1995, StEK AO 1977 § 52 Nr. 90 (= SpuRt 1996, S. 195); dazu kritisch KloseI Prugger, SpuRt 1997, S. 82; fortentwickelt im Erlaß des BMF vom 20. 10. 1998, IV C 6 S 0171-11/98, SpuRt 1999, S. 101; dazu: Klose/Prugger, SpuRt 1999, S. 97. 13 Vgl. dazu etwa DSB Presse Nr. 16 v. 16. 4. 1996, Dokumentation I u. S. 2; SZ Nr. 23 v. 29. 1. 1997, S. 52. In der Praxis wird diese als Freibetrag behandelt, BFH, Urt. v. 15. 2. 1990, BStBI. II, S. 686.

A. Stellung des Sports bzw. der Sportler im Bundesverfassungsrecht

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Wichtige finanzielle Mittel stehen dem Sport aus dem Erlös der ursprünglich zur Mitfinanzierung der Olympischen Spiele 1972 sowie der Fußballweltmeisterschaft 1974 im Jahre 1971 eingeführten Fernsehlotterie "Glücksspirale" zu. Mit Genehmigung der Innenminister sind die Einnahmen daraus bis heute eine wichtige Säule der Finanzierung des Sports, wenngleich seit 1991 der Denkmalschutz als dritter Destinatär neben dem Sport und den Wohlfahrtsverbänden hinzugekommen ist, weshalb seit 1994 dem Sport "nur" noch rund ein Drittel des Zweckertrages zustehen; im Jahr rund 28 Millionen Mark 16. Daneben fließen dem Sport Einnahmen aus den Erlösen des Verkaufs von Sportbriefmarken zu 17 . Weitere Beispiele der mittelbaren Förderung ließen sich finden 18 . 14 Vgl. allgemein auch BMF (Hrsg.), "Vereine, Sport und Steuern", Information zur steuerlichen Behandlung der gemeinnützigen Vereine, Bonn 1990; Sauer/ Luger; Vereine und Steuern, 4. Auf!. 1997. 15 (Endgültig?) klarstellend BFH, Urt. v. 29,10.1997, DStR 1998, S. 113. Vgl. bereits auch BFH, Urt. v. 5. 8. 1992, BStBI. I, S. 1048. Nach dem Willen des Gesetzgebers ist der Motorsport (grundsätzlich) gemeinnützig. Der Entwurf der AO 1974 v. 19. 3. 1971, BT-Drucks. VI/ 1982, beinhaltete in§ 52 Abs. 2 Nr. 2 a. E. (S. 25) explizit den Motorsport als gemeinnützigen Zweck (ebenso der Entwurf v. 25. 1. 1973, BT-Drucks. 7/79, S. 26). Die im Gesetzgebungsverfahren beschlossene Kürzung dieser Fassung auf "die Förderung ... des Sports" in § 52 Abs. 2 Nr. 2 AO (Entwurf einer AO 1977 des Finanzausschusses v. 6. 11. 1975, BTDrucks. 7 I 4292 v. 7. 11. 1975, S. 73) sollte sachlich keine Änderung bringen. Im Gegenteil sollte der Begriff des Sports im Sinne dieser Vorschrift, obwohl das bis dahin geltende Recht den Motorsport nicht als gemeinnützig anerkannte (zu der Rechtslage vor Erlaß der AO 1977: BFH, Urt. v. 23. 7. 1969, BStBI. II 1970, S. 67, mit Anm. Brendle/Sdwaf, FR 1970, S. 609), auch den Motorsport in all seinen Erscheinungsformen umfassen (Bericht des Finanzausschusses, BT-Drucks. 7 I 4292 v. 7. 11. 1975, zu § 52, S. 20). Auch die Verwaltung behandelt den Motorsport als gemeinnützig, vgl. Er!. des BMF v. 1. 10. 1976, BStBI. I, S. 576; Er!. des BMF v. 14. 9. 1987 (AEAO), BStBI. I, S. 664; Er!. des BMF v. 7. 12. 1990, BStBI. I, S. 818; Schreiben des BMF v. 2. 6. 1993, VB 7 S 0171 32/93; Verfügung der OFD Stuttgart v. 9. 8. 1978, StEK AO 1977 §52 Nr. 2; Erlaß FM MV v. 5. 11. 1992, StEK AO 1977 §52 Nr. 69; Verfügung der OFD Münster v. 28. 9. 1993, FR 1993, S. 759. A. A. aus der Rechtsprechung HessFG, Urt. v. 29. 10. 1996, EFG 1997, S. 514; FG Nürnberg, Urt. v. 17. 3. 1986, EFG 1986, S. 612. Zum Ganzen auch Grupp, DAR 1997, S. 389. Am 8. 6. 1997 wurde der Deutsche Motorsportbund (DMSB) mit klassischer Verbandsstruktur gegriindet, der seit 1. 1. 1998 die "Sporthoheit" für den gesamten Automobil- und Motorradsport übernommen hat. Auf diese Weise ist der DMSB ordentliches Mitglied des DSB. Vgl. Beilage ("Automobilsport heute") der SZ Nr. 169 v. 25. 7. 1997, S. V.; DSB (Hrsg.), Jahrbuch des Sports 1998/99, S. 343 und Bothor, SpuRt 1999, S. 100. 16 Zum Ganzen 8. Sportbericht der Bundesregierung v. 12. 4. 1995, BT-Drucks. 13 I 1114, S. 19 f. Von diesem Betrag fließt ein Viertel der Deutschen Sporthilfe (DSH) zu; im Jahre 1996 beispielsweise rund sieben Millionen Mark, vgl. SZ Nr. 53 v. 5. 3. 1997, S. 40. 17 Die Herausgabe der Postwertzeichen fällt nach der Auflösung des Bundesministeriums für Postwesen in die Verantwortung des Bundesfinanzministeriums, vgl. etwa DSB Presse Nr. 1 2 v. 13. I. 1998, S. 5. 18 Vgl. etwa der Einsatz von Zivildienstleistenden im Sport nachdem vom Bundesamt für den Zivildienst Sportvereine und Einrichtungen anerkannt wurden, die für Menschen in besonderer Lage Sport als Therapie und Integrationshilfe anbieten (7. Sportbericht der Bundesregierung v. 22. 11. 1990, BT-Drucks. 11/8459, S. 81) oder die Härtefallregelung für Spitzensportler bei der Hochschulzulassung (vgl. 7. Sportbericht der Bundesregierung, a. a. 0 ., S. 81).

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2. Kap.: Verfassungsrechtliche Grundlagen für den (des) Sport(s) 2. Die "Sporteinsätze" des Bundes im GG

Wirft man aus verfassungsrechtlicher Sicht einen genaueren Blick auf die Grundlagen der unmittelbaren Förderung des Bundes, so scheint sich hier ein im wesentlichen allgemeiner Konsens der verfassungsrechtlichen Zuständigkeiten des Bundes herauskristallisiert zu haben 19• Einigkeit besteht zunächst darin, daß die Förderung des Sports zu den staatlichen (öffentlichen) Aufgaben des Art. 30 GG gehört20 • Diese Vorschrift "verbannt" den Bund aber auf die "Reservebank" der verfassungsrechtlichen Zuständigkeit. Primär sind die Länder (und Gemeinden) für die Sportförderung zuständig21 ; sie tragen auch finanziell die Hauptlast der öffentlichen Förderung. Der Bund benötigt "Einsätze", also Kompetenzen, die ihm das GG zuweist. Trotzdem erfolgen die "Einsätze" des Bundes an prominenter Stelle, v. a. auf international relevanter Bühne, und stehen deshalb auch unter besonderer Beobachtung der Öffentlichkeit22. Nach seinem Selbstverständnis nimmt der Bund vornehmlich die Aufgaben wahr, die für die Bundesrepublik Deutschland als Ganzes von zentraler Bedeutung sind und nicht allein von den Ländern gelöst werden können; das sind in erster Linie Vorhaben gesamtstaatlicher Repräsentation, speziell die Förderung des Spitzensports23 • Konkret24 kann sich der Bund auf folgende Kompetenzen aus dem GG stützen: Art. 32 Abs. 1 GG (Pflege der Beziehungen zu auswärtigen Staaten; sportbezogen: die Förderung internationaler Sportbeziehungen einschließlich entsprechender Leistungen der Entwicklungshilfe 25 ); Art. 91a Abs. 1 Nr. 1 GG 19 Ausführlich untersuchen dies zwei im Jahre 1992 erschienene Dissertationen: Thom, Sportförderung und Sportförderungsrecht als Staatsaufgabe, und Grübl, Verfassun.gsrechtliche Zuständigkeiten des Bundes zur Förderung des Sports. Vgl. auch Steiner. DOV 1983, S. 173 (176 f.); ders., NJW 1991, S. 2729 (2731). 20 Aus der Lit. untersuchen dies v. a. Grübl, S. 23 ff. und Thom, Sportförderung, S. 94 ff. Vgl. auch Steiner; DÖV 1983, S. 173 (176) Mathieu, in: Püttner (Hrsg.), HdbkWP, Band 4, § 82, S. 437 (437 f.) und Fritzweiler. in: Fritzweiler u. a., PHBSportR, Rdnr. 13 ff. zu Teil5. 21 Vgl. auch 8. Sportbericht der Bundesregierung v. 12. 4. 1995, BT-Drucks. 13/ 1114, S. 11. 22 Die Höhe und die Bedingungen der Fördermittel des Bundes sind im Vergleich zu denen der Länder überregional sicher medienpräsenter. Vgl. z. B. SZ Nr. 190 v. 19. 8. 1996, S. 23; FAZ Nr. 238 v. 12. 10. 1996, S. 29; SZ Nr. 274 v. 27. 11. 1996, S. 59; SZ Nr. 300 v. 30. 12. 1996, S. 18; SZ Nr. 4 v. 7. 1. 1997, S. 29; FAZ Nr. 9 v. 11. 1. 1997, S. 24; wib v. 5.2.1997,S.61;SZNr.128v. 7/8.6.1997,S.53;SZNr.263v. 15/16.11.1997,S.59. 23 8. Sportbericht der Bundesregierung v. 12. 4. 1995, BT-Drucks. 13 I 1114, S. 13. Siehe auch Schily, SZ Nr. 258 v. 9. 11. 1998, S. 38. 24 Inklusive entsprechender Annexkompetenzen zu den folgenden Kompetenzen. Sportbezogen: Thom, Sportförderung, S. 46 f. Grundlegend BVerfG, Urt. v. 30. 7. 1958, BVerfGE 8, S. 104 (118) und dies., Beschl. v. 29. 4. 1958, BVerfGE 8, S. 143 (149). 25 Dazu 8. Sportbericht der Bundesregierung v. 12. 4. 1995, BT-Drucks. 13/1114, S. 63 f. Die Bundesregierung selbst geht insoweit aber auch von einer Kompetenz aus der Natur der Sache aus (vgl. a. a. 0., S. 11). Zu dieser Kompetenz grundlegend BVerfG, Beschl. v. 10. 5. 1960, BVerfGE 11, S. 89 (98 f.); BVerfG, Urt. v. 18. 7. 1967, BVerfGE 22, S. 180 (217) und unten. Zur Entwicklungshilfe im Sport die Akademiegespräche in: Führungs- und Verwaltungsakademie des DSB (Hrsg. ), Entwicklungshilfe im Sport, Berlin 1982 bzw. Berlin 1986 (II).

A. Stellung des Sports bzw. der Sportler im Bundesverfassungsrecht

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(Mitwirkung bei der Finanzierung des Sportstättenbaus der Hochschulen26); Art. 91a Abs. 1 Nr. 2 GG (Mitwirkung an der Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur; sportbezogen: Bundesmittel fließen in den Bau von Hallen- und Freibädern, Kunsteis- und Rollschuhbahnen, Waldsportpfaden und Badeseeanlagen27); Art. 91b (Förderung der Sportwissenschaft28); Art. 104a Abs. 4 GG i. V. m. §§ 136 171 BauGB (Städtebauförderung, vgl. v. a. § 164b Abs. 1 S. 1 BauGB; Schaffung von Sportanlagen mit Bundesbeteiligung im Zusammenhang mit Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen29). Zuletzt konnte sich der Bund außerhalb des Grundgesetzes für kurze Zeit (bis 31. 12. 1992) auf Art. 39 Abs. 3 des Einigungsvertrages berufen und den Behindertensport unterstützen. Diese geschriebenen Zuständigkeiten des Bundes sind aber, darauf sei hingewiesen, keine absoluten, sondern im Regelfall Kompetenzen (vgl. insbesondere Art. 104 Abs. 4 GG), die auf Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern hin angelegt sind30• Im Rahmen der bundeseigenen Verwaltung (Art. 87 GG) findet körperliche Ertüchtigung nicht nur im sog. Betriebssport state 1• Der Bund fördert auch den SpitDazu 8. Sportbericht der Bundesregierung, a. a. 0., S. 55 f. Dazu 8. Sportbericht der Bundesregierung, a. a. 0., S. 49 ff. 28 Dazu a. a. 0., S. 55. Vgl. auch Art. 39 Abs. 2 des Einigungsvertrags. 29 Gerade die Sportstättensituation in den neuen Bundesländern erfordert erhebliche finanzielle Aufwendungen. Vgl. dazu etwa Krebs, Von den Lasten der Einheit im Sport, Deutschland Archiv 1991, S. 457 (461 f .), weshalb der DSB im Dezember 1992 den sog. "Goldenen Plan Ost" der Öffentlichkeit vorgelegt hat, auf den nun auch konkrete Fördenniltel zur Verfügung gestellt werden. Vgl. SZ Nr. 93 v. 23. 4. 1999, S. 44. Weiterhin ist in der Verwaltungsvereinbarung zum Investitionsförderungsgesetz (vgl. auch die Forderung auf der Sportministerkonferenz v. 6.17. 12. 1995, DSB Presse Nr. 1 3 v. 16. 1. 1996 [Dokumentation II]) Aufbau Ost, welches seit 1995 für unterschiedliche Fördenwecke Investitionen i. H. v. jährlich 6,6 Mrd. DM für die neuen Länder zur Verfügung stellt, klargestellt, daß auch die Sanierung von Sportanlagen zu den Förderzwecken des Gesetzes gehört. Vgl. auch 8. Sportbericht der Bundesregierung v. 14. 4. 1995, BT-Drucks. 13/1114, S. 50 f.; wib 1997, S. 61. Der ehemalige "Sportminister" Kanther besichtigte dann auch persönlich die Ergebnisse der Investitionen. Vgl. SZ Nr. 108 v. 13. 5. 1997, S. 108 und Interview in der SZ Nr. 128 v. 7./8. 6. 1997, S. 53. 30 Aktuell: Die Frage nach der Einrichtung eines Sonderetats zur Tragung der Lasten im Zusammenhang mit der Ausrichtung der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland. Vgl. dazu SZ Nr. 68 v. 23. 3. 1998, S. 22 ("Kanther rechnet"). Siehe auch die Auseinandersetzung zwischen Bund und dem Land Berlin im Hinblick auf die Zukunft des Berliner Olympiastadions und der damit zusammenhängenden Lasten z. B. FAZ Nr. 45 v. 22. 2. 1997, S. 31; SZ Nr. 3 v. 4./5./6. 1. 1997, S. 44, oder der sehr umstrittene Bau einer Motorsportrennstrecke in Brandenburg ("Lausitzring"), bei dem auch der Bund einen Teil der 241 Millionen Mark Fördermittel trägt. Vgl. dazu SZ Nr. 242 v. 19./20. 10. 1996, S. 59 ("In blühenden Landschaften eine Rennstrecke"); SZ Nr. 282 v. 6. 12. 1996, S. 3 ("Ferrari oder wenigstens Bockwurst"); SZ Nr. 148 v. 1. 7. 1997, S. 5 ("Bau des Lausitzrings gesichert") und SZ Nr. 146 v. 29. 6. 1998, S. 1 ("Notfalls der "Preis von Polen""). 31 Vgl. zur friiheren Förderung bei der Deutschen Bundesbahn und der Deutschen Bundespost 8. Sportbericht der Bundesregierung v. 12. 4. 1995, BT-Drucks. 13/1114, S. 62. Heute 26

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2. Kap.: Verfassungsrechtliche Grundlagen für den (des) Sport(s)

zensport beim Bundesgrenzschutz, speziell an der Bundesgrenzschule Bad-Endorf32, wo 60 Sportlerinnen und Sportlern aus fünf Wintersportdisziplinen sichere Dienstposten geboten werden und, kompetenziell gestützt auf Art. 87a und b GG, in den Streitkräften der Bundeswehr, wo seit 1970 der Leistungssport unterstützt wird. Aktuell sind 704 Leistungssportler den 25 Sportfördergruppen zugeteilt, davon inzwischen rund 100 Sportlerinnen. Der Schwerpunkt liegt hier bei Sportdisziplinen, die im Berufssportbereich auf der Basis privater Finanzierung nicht bestehen könnten. Der Bundesgrenzschutz und die Bundeswehr sind damit die größten Sponsoren des Deutschen Spitzensports33 und aus dem deutschen Leistungssportsystem nicht mehr wegzudenken, was teilweise dazu führt, daß einzelne Sportarten von dieser Förderung abhängig sind. So sind etwa die Nationalmannschaften im Biathlon, Boxen und Bobsport nahezu identisch mit den Bundeswehrbzw. Bundesgrenzschutz-Teams34. Die Erfolgsbilanz der Sportler aus beiden Bereichen bei nationalen und internationalen Wettbewerben sind beeindruckend. Allein die Sportlerinnen und Sportler der BGS-Sportschule in Bad-Endorfkonnten in der Saison 1995/96 sieben Weltmeisterschaften, 14 Weltcupsiege und 17 deutsche Meisterschaften melden35. Erfolge im Spitzensport sind heute unverzichtbar, um in der Zukunft die Förderung des Sports durch den Bund zu sichern. Er fordert zunehmend Medaillen als "Gegenleistung"36, macht die Fördermittel von Erfolgen auf internationaler Bühne abhängig. Der Sport hat deshalb auf Druck der Politik37 ein nationales Spitzensportkonzept entwickelt mit der Folge einer Änderung der internen Fördereichtlinien des DSB weg vom "Gießkannenprinzip" hin zu einem Förderungskonzept auf der Basis von Erfolgen38. noch zur Erhaltung und Steigerung der körperlichen Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter bei der Bundeszollverwaltung und beim Bundesgrenzschutz, vgl. a. a. 0. S. 60 f. 32 Vgl. a. a. 0 ., S. 33. 33 DSB Presse Nr. 4 v. 23. 1. 1996, S. 4; FAZ Nr. 262 v. 9. 11. 1996, S. 31; Kanther im Interview in: SZ Nr. 128 v. 7. I 8. 6. 1997, S. 53 ("Mehr Geld gibt es nicht vom Hauptsponsor"). 34 DSB Presse, a. a. 0. Bei den Olympischen Winterspielen von Nagano 1998 stellte allein die Bundeswehr rund ein Drittel der Deutschen Teilnehmer, vgl. DSB Presse Nr. 5 v. 3. 2. 1998, S. 5 u. DSB Presse Nr. 10 v. 10. 3. 1998, S. 5. Diese gewannen dann auch 16 von 29 Medaillen der Deutschen Mannschaft, vgl. DSB Presse Nr. 10, a. a. 0. 35 FAZ Nr. 262 v. 9. 11. 1996, S. 31. Vgl. zum Ganzen auch 8. Sportbericht der Bundesregierung v. 12. 4. 1995, BT-Drucks. 1311114, S. 32 f. 36 Ehern. Minister Kanther: "Sportmedaillen sind ein nationales Anliegen". Vgl. SZ Nr. 4 v. 7. 1. 1997, S. 29. Vgl. auch seine Erwartungen auf viele Medaillen als "Gegenleistung" für 2,4 Millionen Mark Förderung der Deutschen Paralympics-Mannschaft in Atlanta 1996, in: SZ Nr. 190 v. 19. 8. 1996, S. 23. 37 Vgl. FAZ Nr. 244 v. 19. 10. 1996, S. 28; Sportpolitische Position der CDUICSU-Bundestagsfraktion in: DSB Presse Nr. 30 v. 23. 7. 1996, S. 2 (2 f.); Beschlußempfehlung des Sportausschusses v. 11. 6. 1996, BT-Drucks. 13 I 4910 v. 14. 6. 1996, S. 3. 38 Zu der Einteilung in vier Fördergruppen nach Art einer "Zeugnisvergabe" vgl. z. B. FAZNr. 238v. 12. 10. 1996, S. 29undSZNr.236v.12.113.10.1996,S.56.

A. Stellung des Sports bzw. der Sportler im Bundesverfassungsrecht

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Neben den dargestellten geschriebenen Kompetenzen stützt sich der Bund (großzügig) 39 auf ungeschriebene Finanzierungszuständigkeiten aus der Natur der Sache und kraft Sachzusammenhangs40. Diese allgemein in der verfassungsrechtlichen Literatur nicht unumstrittenen Kompetenzen 41 sind für den Sport im wesentlichen akzeptiert42 . Konkret liegt nach der Definition des BVerfG43 ein Sachzusammenhang dann vor, wenn eine dem Bund ausdrücklich zugewiesene Materie verständigerweise nicht geregelt werden kann, ohne daß zugleich eine nicht ausdrücklich zugewiesene andere Materie mitgeregelt wird, wenn also ein Übergreifen in nicht ausdrücklich zugewiesene Materien unerläßliche Voraussetzung für die Regelung einer der Bundesgesetzgebung zugewiesenen Materie ist. Eine Kompetenz aus der Natur der Sache ergibt sich aus dem (ungeschriebenen) Rechtssatz, wonach gewisse Sachgebiete, weil sie ihrer Natur nach eigenste, der partikularen Gesetzgebungszuständigkeit a priori entrückte Angelegenheiten des Bundes darstellen, vom Bund und nur von ihm wahrgenommen werden können44 . Politisch zumindest unumstritten ist das Ausmaß der daraus folgenden Bundeszuständigkeiten im Bereich des Sports. Der keine verfassungsrechtliche Bindung entfaltende Entwurf einer Verwaltungsvereinbarung über die Finanzierung öffentlicher Aufgaben von Bund und Ländern (sog. Flurbereinigungsabkommen45 ) dient 39 So Kirchhof, in: Burmeister (Hrsg.), Recht und Sport, Band 9, S. 3 (11). Kritisch deshalb Finger; NWVBI. 1988, S. 167 (168). 40 8. Sportbericht der Bundesregierung v. 12. 4. 1995, BT-Drucks. 13 I 1114, S. 11 f. 41 Siehe z. B. speziell zum Sachzusammenhang sehr kritisch Pestalozza, in: v. Mangoldt I Klein, Das Bonner Grundgesetz, Band 8, Rdnr. 109 ff. zu Art. 70 GG. 42 Steiner; NJW 1991, S. 2729 (2731); ders., in: Isensee I Kirchhof (Hrsg.), HdbStR III, § 86 Rdnr. 26 f.; ders., DÖV 1983, S. 173 (177); Kirchof, in: Burmeister (Hrsg.), Recht und Sport, Band 9, S. 3 (11 f.); Pestalozza, in: v. Mangoldt I Klein, Das Bonner Grundgesetz, Band 8, Rdnr. 105 zu Art. 70 GG (bzgl. "Natur der Sache"); Thom, Sportförderung, S. 45 ff.; allgemein auch Degenhart, in: Sachs (Hrsg.), Rdnr. 24 ff. zu Art. 70 GG. Kritisch ist aber bzgl. dieser bundesrechtlichen Kompetenzen der 1. Sportbericht der Landesregierung von NW v. 30. 10. 1980, LT-Drucks. 91188, S. 14. Bzgl. einer Kompetenz aus der "Natur der Sache" für den Sport a. A. grundsätzlich Pieroth, in: Jarass I Pieroth, Rdnr. 9 zu Art. 70 GG. 43 BVerfG, Rechtsgutachten v. 16. 6. 1954, BVerfGE 3, S. 407 (421 f.); dies., Beschl. v. 25. 6. 1969, BVerfGE 26, S. 246 (257m. w. N.). 44 BVerfG, Beschl. v. 10. 5. 1960, BVerfGE 11, S. 89 (98 f.); dies., Urt. v. 18. 7. 1967, BVerfGE 22, S. 180 (217) unter Berufung auf diesen bereits unter der Weimarer Reichsverfassung geltenden Rechtssatz. Siehe auch Vogel, in: Benda I Maihafer I Vogel (Hrsg.), HdbdVerfR, S. 1072; Degenhart, in: Sachs (Hrsg.), Rdnr. 24 ff. zu Art. 70 GG; Pestalozza, in: v. Mangoldt I Klein, Das Bonner Grundgesetz, Band 8, Rdnr. 90 ff. zu Art. 70 GG; Pieroth, in: Jarass I Pieroth, Rdnr. 8 f. zu Art. 70 GG. 45 Anlage 2 des Gutachtens der Kommission über die Finanzreform (Troeger-Kommission), Gutachten über die Finanzreform in der Bundesrepublik Deutschland, 2. Auf!. 1966. Dazu auch Pestalozza, in: v. Mangoldt I Klein, Das Bonner Grundgesetz, Band 8, Rdnr. 97 ff. zu Art. 70 GG und aus der Sicht des Sports Kirchhof, in: Burmeister (Hrsg.), Recht und Sport, Band 9, S. 3 (11 f.) und Gieseler; Der Sport in der Bundesrepublik Deutschland, S. 111. Der Entwurf wurde, nachdem er bereits das Bundeskabinett passiert hatte, von den Ländern abgelehnt. Vgl. Kirchhof, a. a. 0 ., S. 11.

2. Kap.: Verfassungsrechtliche Grundlagen für den (des) Sport(s)

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i. V. m. dem Gutachten der sog. Troeger-Kommission46 als faktische Grundlage für die ungeschriebenen Finanzierungszuständigkeiten des Bundes47. Danach fördert der Bund (ohne Differenzierung nach der Kompetenz kraft Sachzusammenhangs und aus der Natur der Sache) aus dem Gedanken der gesamtstaatlichen und nationalen Repräsentation nach innen und außen48 (inklusive der Auslandsbeziehungen), zentrale Einrichtungen und Veranstaltungen nichtstaatlicher Organisationen, die für das Bundesgebiet als ganzes von Bedeutung sind und deren Bestrebung ihrer Art nach nicht durch ein Land allein wirksam gefördert werden können49 • Dazu zählen insbesondere50 Olympische Spiele, Welt- und Europameisterschaften, die sportliche Entwicklungshilfe, den DSB, das NOK und die Bundessportfachverbände51.

II. Die sportrelevanten Grundrechte 1. Die speziellen Freiheitsrechte des Grundgesetzes

a) Art. 14 GG- Die Eigentumsgarantie

Eine abstrakte Darstellung der Bedeutung des Art. 14 GG für den Sport erscheint wenig sinnvoll. Als Grundlage für die sportliche Betätigung auf rechtlich öffentlichen Straßen ist bereits der Anwendungsbereich des Grundrechts infolge der Überlagerung des Eigentums durch die straßenrechtliche Widmung, selbst unter dem Gesichtspunkt des Anliegergebrauchs, eher gering52 . Angesprochen wird die Eigentumsfreiheit aber jeweils im Rahmen der Untersuchung des einfachen Rechts.

Siehe vorstehend. 8. Sportbericht der Bundesregierung v. 12. 4. 1995, BT-Drucks. 13/1114, S. 11 f. 48 Steiner. NJW 1991, S. 2729 (2731); Kirchhof, in: Burmeister (Hrsg.), Recht und Sport, Band 9, S. 3 (12); Thom, Sportförderung, S. 47 f.; allgemein auch Degenhart, in: Sachs (Hrsg.), Rdnr. 24 zu Art. 70 GG. Siehe auch Schily, SZ Nr. 258 v. 9. 11. 1998, S. 38. Zur "Vertretung" der Bundesrepublik Deutschland in sportlicher und menschlicher Hinsicht durch die Spitzensportler im Rahmen internationaler Wettbewerbe vgl. den ehemaligen Bundeskanzler Kohl, in: DSB Presse Nr. 14 16 v. 7. 4. 1998, S. 1. 49 Bleckmann, Subventionsrecht, S. 64 f.; Kirchhof, in: Burmeister (Hrsg.), Recht und Sport, Band 9, S. 3 (12); Pestalozza, in: v. Mangoldt I Klein, Das Bonner Grundgesetz, Band 8, Rdnr. 105 zu Art. 70 GG. Ähnlich auch § 1 Abs. 2 des Österreichischen BundesSportförderungsgesetzes v. 12. 12. 1969, BGBI. 1970, S. 331. so Zum folgenden: 8. Sportbericht der Bundesregierung v. 12. 4. 1995, BT-Drucks. 13/ 1114, s. 11 f. 51 Siehe auch die in Art. 39 Abs. 2 des Einigungsvertrages genannten Einrichtungen. 52 Zu Art. 14 GG "als Grundrecht für die Erholung" im Bereich des Waldes und der offenen Landschaft vgl. Burgi, Erholung in freier Natur, S. 222 ff. 46

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A. Stellung des Sports bzw. der Sportler im Bundesvetfassungsrecht

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b) Art. 12 GG- Die Berufsfreiheit Art. 12 GG hat in den letzten Jahren eine steile "Karriere" in der sportrechtlichen Diskussion erfahren53 . Belebt wurde dieneuere Entwicklung durch das sog. Bosman-Urteil des EuGH vom 15. 12. 199554, in dem es unmittelbar um die europarechtliche Zulässigkeit von Transferregelungen von Sportverbänden, speziell gemessen an Art. 48 EWGV (Freizügigkeit), ging55 . Durch die nationale "Umsetzung" dieser Entscheidung vor allem im Lichte des Art. 12 GG durch das sog. Kienass-Urteil des BAG vom 20. 11. 199656, steht Art. 12 GG nun57 zunehmend über seine sog. Ausstrahlungswirkung auf das einfache (private bzw. privatautonome) Recht58 im Brennpunkt der aktuellen Diskussion. Kernpunkt sind Überlegungen, die sich mit den aus Art. 12 GG zu folgemden Grenzen (noch zu erörternder) vereinsautonomer Regelungen unter dem "Dach" des Art. 9 GG beschäftigen. Bereits Stem59 sah im Grundrecht der Berufsfreiheit einen bedeutsamen Reibungskonflikt 53 Steiner, Vetfassungsrechtliche Probleme des Dopings, in: Doping und Recht, Ostfitdem 1990, S. 50 (50), bezeichnet den Aufstieg des Grundrechts der Berufsfreiheit zum Kerngrundrecht des Leistungssportlers als sensationell. 54 NJW 1996, S. 505. 55 Zum Transfersystem im Fußball, Eishockey und der Leichtathletik vgl. Summerer, in: Fritzweiler u. a., PHBSportR, Rdnr. 188 ff. zu Teil 2. Zur Entscheidung des EuGH vgl. die umfangreichen Nachweise bei Steiner, in: Burmeister (Hrsg.), FS Stern, S. 509 (512, Anm. 17). Aktuell die Beiträge von Parensen, Die Fußball-Bundesliga und das Bosmann-Urteil, und Pfister, Das Bosmann-Urteil des EuGH und das Kienass-Urteil des BAG, jeweils in: Tokarski (Hrsg.), EU-Recht und Sport 1998, S. 70 bzw. S. 151; allgemeiner auch Kepper, Die EuroJ?.äische Union und der Sport, in: Schimke (Hrsg.), Recht und Sport, Band 19, S. 1 ff. Aus Osterreich: LG Ried, Entsch. v. 19. 11. 1997, SpuRt 1998, S. 69; OLG Linz, Entsch. v. 22. 12. 1997, SpuRt 1998, S. 72. Zur Wirksamkeit von Ausländerklauseln und der Anwendbarkeit des Art. 48 EWGV bei Personen aus sog. EU-Assoziierungsstaaten LG Dortmund, Urt. v. 29. 8. 1997, SpuRt 1997, S. 32; LG Hannover, Urt. v. 17. 10. 1997, SpuRt 1998, S. 74; LG Frankfurt, Urt. v. 25. 11. 1997, SpuRt 1998, S. 77. Siehe zum Ganzen bereits auch Klose, Die Rolle des Sports bei der Europäischen Einigung, Berlin 1989 und Schroeder, Sport und europäische Integration, München 1989. 56 NZA 1997, S. 647. Zu dieser Entscheidung z. B. Arens, SpuRt 1997, S. 126. Zum Problemkreis auch Westermann, DZWir 1996, S. 82 (83); ders., in: Reschke (Hrsg.), Sport als Arbeit, S. 35 (47 f.). Siehe auch die Entscheidung des BAG zu befristeten Trainerverträgen (Urt. v. 29. 10. 1998, NZA 1999, S. 646 [646 ff.]) und des BGH zu Vertragsamateuren (Urt. v. 27. 9. 1999, NJW 1999, S. 3552 [3552 f.]). Siehe auch SZ Nr. 120 v. 28. 5. 1999, S. 46 ("Wie ein zweites Bosman-Urteil"). 57 Beachte aber bereits Stern, Grundrechte der Sportler, in: Schroeder/ Kauftmann (Hrsg.), Sport und Recht 1972, S. 142, der sich ausführlich mit Art. 12 GG beschäftigt hat (S. 153 ff.). 58 Sehr kritisch zum Einfluß der Grundrechte auf das Zivilrecht Diederichsen, AcP 198 (1998), S. 171. Zur Pflicht des Gesetzgebers, Vorkehrungen zum Schutz der Berufsfreiheit auch in der zivilrechtliehen Rechtsordnung vorzunehmen: BVetfG, Beschl. v. 7. 2. 1990, BVetfGE 81, S. 242 (253 ff.). 59 A. a. 0., S. 153. Allerdings sollen die Restriktionen auf der Grundlage des Art. 12 GG, insbesondere für die Ausübung des Berufes, die für Satzungen öffentlich-rechtlicher Körperschaften entwickelt wurden, wegen der in Art. 9 GG wurzelnden Autonomie, nicht ohne weiteres auf die Sportverbände übertragbar sein. So Stern, in: Becker u. a. (Hrsg.), FS Thieme,

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2. Kap.: Verfassungsrechtliche Grundlagen für den (des) Sport(s)

zum internen Verbandsrecht inklusive der nur sehr eingeschränkt dem staatlichen Recht unterliegenden Verbandsgerichtsbarkeit60. Für den Berufssportler am einschneidendsten sind in diesem Zusammenhang Zeitsperren infolge von Verstößen gegen Verbandsregeln verschiedenster Art. Diese sind etwa vorgesehen bei Verstößen gegen Vereins- oder Verbandsverbote z. B. wegen Fouls und Platzverweisen, beim Wechsel der Staatsbürgerschaft oder des ständigen Wohnsitzes in ein anderes Land61 • Ein weiteres Beispiel sind die zunehmend auch vor den staatlichen Gerichten angegriffenen Zeitsperren in der Form des vorübergehenden Entzugs der Startlizenz infolge Dopings in seinen verschiedenen Formen. Gerade hier wird eine zweijährige Sperre als "das äußerste Maß" des verfassungsrechtlich erlaubten Wettkampfverbots bei Berufssportlern angesehen62. Klar ist zunächst, daß der Schutzbereich des Art. 12 GG bei dem (zahlenmäßig überschätzten) Bereich der echten Berufssportler63 eröffnet ist, also denjenigen S. 269 (272 f.) und Tettinger, in: Jpsen u. a. (Hrsg.), Verfassungsrecht im Wandel, S. 525 (543 f.). 60 Nun aktuell ist die Frage der Zulässigkeil (v. a. im Hinblick auch auf Art. 12 GG) des § ll des Lizenzspielerstatuts des DFB von 1984 (automatische Vertragsverlängerung trotz Ablaufs des Vertrages im Falle der Erklärung einer Partei, v. a. im Falle eines bevorstehenden Transfers), der über die Musterspielerverträge des DFB Einzug in die Verträge zwischen Verein und Spieler gefunden hat. Dazu Arens/Jaques, SpuRt 1997, S. 41 (41 ff.); Nasse, SpuRt 1997, S. 45 (48 f.); LAG Köln, Beschl. v. 13. 8. 1996, SpuRt 1997, S. 62. Siehe auch den "Fall Klos" in SZ Nr. 58 v. 11. 3. 1998, S. 58 u. SZ Nr. 132 v. 12. 6. 1998, S. 35. 61 Vgl. Fritzweiler, in: Fritzweiler u. a., PHBSportR, Rdnr. 6 zu Teil 1 u. Summerer, in: Fritzweiler u. a., PHBSportR, Rdnr. 197 zu Teil 2; jeweils mit verbandsrechtlichen Regelungsbeispielen. Letzterer sieht solche Sperren bei einem Wechsel des Verbandes als "unzulässig und mit Art. 12 GG nicht vereinbar" an (a. a. 0., Rdnr. 98). Vgl. dazu aus österreichischer Sicht: OLG Linz, Entsch. v. 22. 12. 1997, SpuRt 1998, S. 72; LG Ried, Entsch. v. 19. II. 1997,SpuRt 1998,S.69. 62 So Steiner, in: Burmeister (Hrsg.), FS Stern, S. 509 (511), Anm. 13. Speziell zu diesem Problemkreis auch ders., NJW 1991, S. 2729 (2735 f.); Tettinger, in: Ipsen u. a. (Hrsg.), Verfassungsrecht im Wandel, S. 525 (543 f.). Zu den unterschiedlichen Sanktionen der Verbände vgl. Summerer, in: Fritzweiler u. a., PHBSportR, Rdnr. 240 f. zu Teil 2. Aus zivilrechtlicher Sicht: LG München, Urt. v. 17. 5. 1995, SpuRt 1995, S. 161; OLG München, Urt. v. 28. 3. 1996, SpuRt 1996, S. 133; Beschl. des Rechtsausschusses des DLV v. 26. 3. 1993, SpuRt 1996, S. 66; Haas!Adolphsen, NJW 1996, S. 2351; Pfister, SpuRt 1995, S. 201 u. S. 250 (alles zum sog. Fall Krabbe). Auch in anderen Ländern scheinen Sperren auf Grund Verbandsrechts von über zwei Jahren bei einem Erstverstoß gegen staatliches Recht zu verstoßen, weshalb etwa der IAAF im Jahre 1997 seine Dopingregeln geändert hat. Vgl. dazu Prokop, SpuRt 1998, S. 24. Siehe auch die Nachweise aus anderen Ländern bei Tettinger, in: Jpsen u. a. (Hrsg.), Verfassungsrecht im Wandel, S. 525 (527 Anm. 12) und Punkt 3 der "Lausanner Erklärung zum Sport" der Weltkonferenz gegen Doping vom 4. 2. 1999, SpuRt 1999, s. 103. 63 Speziell dazu aus verfassungsrechtlicher Sicht: v. Münch, Rechtsgutachten, S. 18 ff. Anschaulich zum Berufsbild eines Profi-Sportlers: Rollmann, "Beruf: Fußball-Profi", Berlin 1997. Aus sozialwissenschaftlicher Sicht: Patsantdras, Der Trainer als Sportberuf, Schamdorf 1994. Zum Arbeitsmarkt Sport in Europa: Claude, BSW 8 (1994), S. 24; Schroeder; Sport und europäische Integration, S. 4 ff. Zu sportbezogenen Ausbildungsgängen und Tätigkeiten Kreiß, in: Tokarski I Petry (Hrsg.), Das Europa des Sports, S. 15.

A. Stellung des Sports bzw. der Sportler im Bundesverfassungsrecht

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eine besondere Position gewährt, die als Gegenleistung für die Sportausübung als Unternehmer, Arbeitnehmer, oder sonstige Dienstleistende ein Entgelt erhalten. Wobei, darauf sei hingewiesen, wegen der existenzsichemden Funktion des Berufes64 auch die wirtschaftliche Verwertung der beruflich erbrachten Leistung selbst am Schutzniveau des Art. 12 GG teilnimmt65 . Dazu gehören beispielsweise Einnahmen aus Werbeverträgen66 oder der Veräußerung von Femsehübertragungsrechten, die gerade bei sportlichen Großveranstaltungen heute die Haupteinnahmequellen bilden67 . Weiterhin wird nach Steiner68 nicht nur der ausübende Berufssportler vom Schutzbereich des Art. 12 GG erfaßt, sondern bereits derjenige, bei dem der sportbezogene Trainings- und Wettkampfaufwand ein Maß erreicht, der die sportliche Betätigung zum Lebensschwerpunkt macht, da dies häufig in eine herkömmliche berufliche Tatigkeit mündet und diese vorbereitet. Diese "Vorverlagerung" des Schutzbereichs hält sich durchaus im Rahmen des Berufsverständnisses von Rechtsprechung und Lehre, speziell dem (objektiven) Berufskriterium "zur Schaffung und Unterhaltung einer Lebensgrundlage"69 , das bekanntermaßen auch das Vorfeld, insbesondere auch das Ausbildungsvorfeld70 nicht aus dem Schutzbereich herausnimmt; im Gegenteil, auf Grund des "Einheitlichkeitsverständnisses" (im Sinne eines Grundrechts) des BVerfG den gleichen strengen Anforderungen unterstellt71 . Gilt dies für die klassische Ausbildung für einen "herkömmlichen" Beruf, so kann auch einer nicht als herkömmliche Ausbildung anerkannten Qualifikation, insbesondere für spätere sportspezifische Karrieren etwa als Repräsentant von Sportartikelfirmen, als Mitarbeiter im Firmensport, als Trainer oder als kommunaBVerfG, Beschl. v. 7. 2. 1990, BVerfGE 81, S. 242 (254). BVerfG, Urt. v. 17. 2. 1998, NJW 1998, S. 1627 (1628). Dazu auch Tettinger, SpuRt 1998, S. 109. 66 Steiner, in: Burmeister (Hrsg.), FS Stern, S. 509 (5ll); Pfister, in: Pfister/ Steiner, Sportrecht von A - Z, Stichwort Berufssportler, S. 25 f. 67 Dazu BVerfG, Urt. v. 17. 2. 1998, NJW 1998, S. 1627 (1628). Zum Problem der "Bünde1ung" der Fernsehübertragungsrechte bei den Sportverbänden (sog. Zentralvermarktung) aus kartellrechtlicher Sicht: BGH, Beschl. v. 11. 12. 1997, NJW 1998, S. 758; KG, Beschl. v. 8. 11. 1995, SpuRt 1996, S. 198; Ladeur, SpuRt 1998, S. 54; Stopper, Ligasport und Kartellrecht, Berlin 1997; Heermann, ZHR 161 (1997), S. 665; Fikentscher, SpuRt 1995, S. 149; Roth, AfP 1989, S. 515; Streinz, SpuRt 1998, S. 89 (91 ff.) u. Stellungnahme der EU-Kommission. Zu dieser: NJW 1998, Heft 8, S. XLIII; NJW 1998, Heft 18, S. XLIII. 68 In: Burmeister (Hrsg.), FS Stern, S. 509 (511). Siehe auch Fritzweiler, in: Fritzweiler u. a., PHBSportR, Rdnr. 6 zu Teil 1 und BGH, Urt. v. 27. 9. 1999, NJW 1999, S. 3552 (3552 f.; betr. Vertragsamateure). 69 Zu diesem Kriterium des verfassungsrechtlichen Berufsbegriffs aus der Literatur z. B. Wieland, in: Dreier (Hrsg.), Rdnr. 50 zu Art. 12 GG; Tettinger, in: Sachs (Hrsg.), Rdnr. 32 zu Art. 12 GG. 70 Dazu speziell sportbezogen: Fritzweiler; in: Fritzweiler u. a., PHBSportR, Rdnr. 6 zu Teill. 71 BVerfG, Urt. v. 11. 6. 1958, BVerfGE 7, S. 377 (401, 406); dies., Urt. v. 18. 7. 1972, BVerfGE 33, S. 303 (329 ff.). 64

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ler Sportangestellter72, der Schutzbereich des Art. 12 GG nicht abgesprochen werden. Denn der Begriff des Berufes ist nach der Rechtsprechung weit auszulegen73 und schließt auch Tätigkeiten mit ein, die von traditionellen Berufsbildern abweichen74, vorausgesetzt, die sportliche Qualifizierung übersteigt die (im Einzelfall schwer abgrenzbare) reine Privatsphäre i. S. eines "Hobby's"75 • Aber nicht nur diejenigen, die die sportliche Ertüchtigung selbst als Ausgangspunkt ihrer (angehenden) Lebensgrundlage wählen, genießen den Schutz des Art. 12 GG, sondern alle, die im Umfeld des Sports dessen Anziehungskraft (mit) zu ihrer Existenzgrundlage gemacht haben und somit "berufsmäßig" tätig sind, wie (aktuell entschieden) über Art. 19 Abs. 3 GG die sportliche Großereignisse veranstaltenden Vereine und Verbände, etwa bei der Veräußerung von Fernsehübertragungsrechten76, aber auch die kommerziellen Fernsehveranstalter, die als (abgeleitete) Inhaber der Rechte für die Übertragung der Ereignisse und Veranstaltungen durch Weiterveräußerung "ihr Geld verdienen"77 . Viel diskutiert, aber wenig akzeptiert ist die Bedeutung der Berufsfreiheit im hier v. a. interessierenden Bereich des Straßen- und Straßenverkehrsrechts. Zwar kennt das Straßenverkehrsrecht Regelungen, die wohl auch im Hinblick auf Art. 12 GG Sonderregeln für gewisse Berufsgruppen bzw. allgemein für beruflich veranlaßte Mobilität statuieren78, jedoch ist eine Privilegierung bzw. eine verfasn Beispiele nach Steiner, in: Burmeister (Hrsg.), FS Stern, S. 509 (512). BVerfG, Urt. v. 11. 6. 1958, BVerfGE 7, S. 377 (397); dies., Urt. v. 21. 2. 1962, BVerfGE 14, S. 19 (22); dies., Beschl. v. 28. 11. 1984, BVerfGE 68, S. 272 (281). 74 BVerfG, Urt. v. 11. 6. 1958, BVerfGE 7, S. 377 (397); dies., Beschl. v. 17. 7. 1961, BVerfGE 13, S. 97 (106). 75 Dazu Tettinger, in: Sachs (Hrsg.), Rdnr. 32 zu Art. 12 GG; Jarass, in: Jarass/ Pieroth, Rdnr. 4 zu Art. 12 GG. 76 Voraussetzung ist aber, daß die Führung eines Geschäftsbetriebs zu den satzungsmäßigen Zwecken gehört, vgl. BVerfG, Urt. v. 17. 2. 1998, NJW 1998, S. 1627 (1628) m. N. 77 BVerfG, a. a. 0. im Zusammenhang mit der Zulässigkeil eines kostenlosen Kurzberichterstattungsrechts der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in den Landesmediengesetzen. Steiner, Sport und Medien aus verfassungsrechtlicher Sicht, in: Steiner (Hrsg.), Sport und Medien, Recht und Sport, Band 13, S. 39 (52) sah in diesem Fall noch in Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG den entscheidenden verfassungsrechtlichen Prüfungsmaßstab für die Zulässigkeil einer kostenlosen Kurzberichterstattung der öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten. So auch die Ansicht der Bundesregierung als Antragsteller (Bevollmächtigter: Papier) im Verfahren über die Zulässigkeil der Kurzberichterstattung BVerfG, Urt. v. 17. 2. 1998 -1 BvF 1/91-, S. 12 ff. (insoweit in NJW 1998, S. 1627 nicht mit abgedruckt). 78 Beispiele: Parkerleichterungen für Ärzte (vgl. VwV zu § 46 StVO Abs. 1 Nr. 12, abgedruckt bei Jagusch/ Hentschel, Rdnr. 20c zu§ 46 StVO); Sonderregeln für Taxis (z. B. beim Halten nach § 12 Abs. 4 S. 3 StVO; Benutzung von Sonderwegen nach § 41 Abs. 2 Nr. 5, Zeichen 245 mit Zusatzschild "Taxi frei"); Sonderregeln für Fahrten von und zur Arbeitsstätte(§ 40d Abs. 1 Nr. I, Abs. 2 BlmSchG) im Rahmen der Verkehrsverbote bei erhöhten Ozonkonzentrationen (§ 40a BlmSchG) oder die Ausnahmen in den auf der Grundlage des § 40 Abs. 1 S. 1 BlmSchG durch nahezu sämtliche Länder erlassenen Verordnungen zur Beschränkung des Kraftfahrzeugverkehrs bei sog. austauschbaren Wetterlagen (sog. Smog73

A. Stellung des Sports bzw. der Sportler im Bundesverfassungsrecht

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sungskonforme Interpretation im Zusammenhang mit gewerblichen bzw. allgemein mit beruflichen Nutzungen im Lichte der Berufsfreiheit von der Rechtsprechung nur selten akzeptiert worden79 . Die Rechtsprechung verneint bei straßenverkehrsrechtlichen Verboten in der Regel bereits die berufsspezifische Eingriffsqualität der Maßnahmen und Regelungen; konkret scheitert eine Prüfung an der nicht immer explizit, aber (wieder80) öfter herangezogenen Forderung nach einer (zumindest objektiv) berufsregelnden Tendenz von Normen oder Akten, die zu einer unmittelbaren oder mittelbaren Beeinträchtigung der Berufsfreiheit führen. Betrachtet man das aus dem Wortlaut des Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG abgeleitete Kriterium einer "berufsregelnden Tendenz" als Voraussetzung für die Annahme eines Eingriffs, so bietet die Rechtsprechung des BVerfG hier kein klares Bild. Ohne weiteres ist dieses Erfordernis erfüllt, wenn eine Regelung einen finalen Berufsbezug hat, also eine berufsregelnde Zielrichtung verfolgt. Speziell bei mittelbaren oder faktischen Auswirkungen führt allerdings das Erfordernis der "Berufsfinalität" einer Regelung zu einem Ausschluß des durch Art. 12 Abs. 1 GG gewährleisteten Grundrechtsschutzes in vielen Bereichen. Deshalb ist heute im wesentlichen akzeptiert, daß auch Regelungen mit einer "objektiv berufsregelnden Tendenz" einen Eingriff in den Schutzbereich darstellen können 81 ; nach der Rechtsprechung des Zweiten Senats muß sich diese Tendenz allerdings "deutlich erkennen lassen"82. Die Ermittlung dieser Tendenz bereitet Schwierigkeiten. Regelmäßig ist Verordnungen) für den beruflich veranlaßten Verkehr (§ 8 Abs. I Nr. 2, 4 u. 9 BWSmogVO v. 27. 6. 1988, GBI. S. 214; § 6 Abs. 2 Nr. 3, 5 u. 10 BrandSmogVO v. 28. 11. 1991, GVBI. S. 528; § 9 Abs. I Nr. 2, 4 u. 9 BremSmogVO v. 13. 6. 1989, GBI. S. 259; § 8 Abs. 1 Nr. 2 u. 9 HessSmogVO v. 22. 8. 1988, GVBI. S. 319; § 7 Abs. 1 Nr. 2 u. 5 NdsSmogVO v. 19. 12. 1985, GVBI. S. 616 (aufgehoben durch VO v. 13. 1. 1997, GVBI. S. 14); § 9 Abs. 1 Nr. 2 u. 7 NWSmogVO v. 29. 10. 1974, GVBI. S. 1423; § 8 Abs. 1 Nr. 2, 4 u. 9 RhPfSmogVO v. 1. 9. 1988, GVBI. S. 201 (aufgehoben durch VO v. 11. 3. 1997, GVBI. S. 97); § 8 Abs. 1 Nr. 2, 4 u. 9 Saar1SmogVO v. 30. 6. 1988, ABI. S. 493; § 11 Abs. 1 Nr. 2, 4 u. 9 SächsSmogVO v. 28. 10. 1996, GVBI. S. 449; § 9 Abs. lb) u. g) SachsAnhSmogVO v. 11. 12. 1992, GVBI. S. 851; § 8 Abs. 1 Nr. 2 u. 10 ThürSmogVO v. 29. 10. 1991, GVBI. S. 589; zu Verkehrszeichen und-einrichtungendurch die Straßenverkehrsbehörden vgl. § 45 Abs. 1d StVO). Früher bestand für das sog. Straßengewerbe eine Ausnahmemöglichkeit vom Verbot des Anbietens von gewerblichen Leistungen, von Waren und dergleichen auf den Straßen (§ 42 Abs. 1 S. 1 der StVO v. 13. II. 1937 [RGBI. I, S. 1179) bzw. § 42 Abs. 2 der StVO in der Fassung vom 24. 8. 1953 [VkBI. S. 401]) in § 42 Abs. 1 S. 2 der StVO von 1937 (a. a. 0.) bzw. § 42 Abs. 3 S. 1 der StVO von 1953 (a. a. 0 .). 79 Verneinend z. B. BVerwG, Urt. v. 26. 6. 1970, BVerwGE 35, S. 319 (323) u. Urt. v. 26. 6. 1970, BVerwGE 35, S. 326 (332 ff.); letztere Entscheidung zum Verteilen von Handzetteln ist inzwischen aber wohl überholt. Für das Straßenrecht Steiner, in: Steiner (Hrsg.), BesVerwR, V., Rdnr. 131; Marschall I Schroeter I Kastner, Rdnr. 14 zu § 7 BFStrG. Beachte demgegenüber aber BVerfG, Beschl. v. 10. 12. 1975, BVerfGE 40, S. 371 (382 ff.). so Vgl. zuletzt BVerfG, Urt. v. 17. 2. 1998, NJW 1998, S. 1627 (1628). Siehe zur Entwicklung: Röthel, Grundrechte in der mobilen Gesellschaft, S. llO ff. SI Aus neuerer Zeit: BVerfG, Urt. v. 8. 4. 1997, BVerfGE 95, S. 267 (302); dies., Urt. v. 17. 2. 1998, NJW 1998, S. 1627 (1628); dies., Urt. v. 7. 5. 1998, NJW 1998, S. 2341 (2341), dies., Urt. v. 7. 5. 1998, NJW 1998, S. 2346 (2347). 4*

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2. Kap.: Verfassungsrechtliche Grundlagen für den (des) Sport(s)

dies wohl dann anzunehmen, wenn die Regelung ausschließlich oder im wesentlichen nur auf berufliche Tätigkeiten anwendbar ist83 bzw. jedenfalls dann, wenn sie nach Entstehungsgeschichte und Inhalt im Schwerpunkt Tatigkeiten betreffen, die typischerweise beruflich ausgeübt werden84. Darauf und zu den Fragen der Rechtfertigung wird aus Sicht des Sports auf öffentlichen Straßen noch zurückzukommen sein.

c) Art. 11 GG- Die Freizügigkeit Ein in der Rechtstheorie viel diskutiertes, aber in der verfassungsgerichtlichen Judikatur wenig entscheidend praktiziertes 85 Grundrecht stellt die Freizügigkeitsgewährleistung des Art. 11 Abs. 1 GG dar. Der Inhalt des Grundrechts ist vom Ausgangspunkt her akzeptiert. Die Freizügigkeit umfaßt "das Recht (jedes Deutschen), ungehindert durch die deutsche Staatsgewalt an jedem Ort innerhalb des Bundesgebiets Aufenthalt und Wohnsitz zu nehmen, auch zu diesem Zweck einzureisen"86. In der Wohnsitzvariante (Wohnsitz im Sinne von § 7 BGB) spielt das Grundrecht für die hier interessierenden Fälle sicher keine Rolle. Interessanter erscheint schon ein Blick auf den konkreten Inhalt und die Reichweite des Aufenthaltsbestimmungsrechts. Vor allem das Schrifttum versucht der Reichweite Kontur zu geben. Schwierigkeiten bereitet insbesondere die Abgrenzung zur allgemeinen Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG. Im Grundsatz scheint anerkannt, daß die Aufenthaltsbestimmung auch das Recht enthalten kann, einen Ortswechsel vorzunehmen bzw. allgemein die Bewegungsfreiheit (insoweit Schutz der aktiven Mobilität) und, in seiner "negativen" Komponente, auch das Verweilen enthalten kann 87 . Im Detail sind die Abgrenzungskriterien aber umstritten. Die (Aus-) Reisefreiheit etwa wird durch die Rechtsprechung pauschal aus dem Schutzbereich ausgeklammert88. Bzgl. des Aufenthaltsrechts (i. S. des Verweilens) und des Orts82 BVerfG, Urteile v. 7. 5. 1998, NJW 1998, S. 2341 (2341) bzw. NJW 1998, S. 2346 (2347). Woraus sich diese "deutliche Erkennbarkeit" ergeben muß, wird allerdings nicht präzisiert. 83 Jarass, in: Jarassl Pieroth, Rdnr. 12 zu Art. 12 GG. 84 So BVerfG, Urt. v. 17. 2. 1998, NJW 1998, S. 1627 (1628). 85 Das BVerfG hat sich, soweit ersichtlich, nur in zwei älteren Entscheidungen näher zu dem Schutzbereich des Grundrechts geäußert. Vgl. BVerfG, Beschl. v. 7. 5. 1953, BVerfGE 2, S. 266 (272 ff.); dies., Urt. v. 16. l. 1957, BVerfGE 6, S. 32 (34 ff.). 86 BVerfG, Beschl. v. 7. 5. 1953, BVerfGE 2, S. 266 (273); dies., Beschl. v. 25. l. 1977, BVerfGE 43, S. 203 (211); dies., Beschl. v. 6. 6. 1989, BVerfGE 80, S. 137 (150). 87 Aus der Literatur z. B. Jarass, in: Jarass I Pieroth, Rdnr. 2 zu Art. 11 GG; Merten, Der Inhalt des Freizügigkeitsrechts, S. 41 f. ; Hailbronner. in: lsensee I Kirchhof (Hrsg.), HdbStR VI,§ 131, Rdnr. 28; Pemice, in: Dreier (Hrsg.), Rdnr. 12 ff. zu Art. 11 GG; Krüger, in: Sachs (Hrsg.), Rdnr. 16 zu Art. 11 GG. 88 Im Anschluß an BVerfG, Urt. v. 16. 1. 1957, BVerfGE 6, S. 32 (35 f.). Anders ausdrücklich Art. 109 Abs. 2 BayVerf, Art. 18 BremVerf und Art. 9 Abs. 2 SaarlVerf.

A. Stellung des Sports bzw. der Sportler im Bundesverfassungsrecht

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wechsels wird häufig auf die (objektive) Dauer abgestellt und für eine "Berührung" mit der Freizügigkeit ein "mehr als flüchtiger Aufenthalt"89 bzw. ein "Ortswechsel von einiger Dauer"90 oder gar eine Übernachtung 91 gefordert. Andere92 verlangen (zusätzlich) eine gewisse Bedeutung des Ortswechsels, stellen also auf den (subjektiven) Zweck der Fortbewegung ab, um zu einem Ausschluß von Parkspaziergängen93 oder einer Einkaufsfahrt94 zu kommen. Ob die Dauer und I oder Bedeutung brauchbare Kriterien zur Präzisierung sind, kann sicher zurecht bezweifelt werden95,jedoch scheint eine Abgrenzung des Schutzniveaus des Art. 11 Abs. I GG im Verhältnis zur allgemeinen Handlungsfreiheit (trotz der positiven Bedeutung für den Sport auf öffentlichen Straßen in diesem Fall) jedenfalls dann nicht mehr möglich, wenn man den Begriff der Freizügigkeit weit versteht und jeden Ortswechsel, die Reisefreiheit ebenso wie die allgemeine räumliche Bewegungsfreiheit vom Schutzbereich umfaßt sieht96 . Mag der Sinn des Art. 11 GG auch darin liegen, die Mobilität im Lande sicherzustellen als eine elementare Voraussetzung personaler Lebensgestaltung in einer freiheitlichen politischen Ordnung97, so führt dies nicht zwangsläufig zu einer solch weit verstandenen "Mobilitätsgarantie". Zwar tendieren Verfassungen anderer Länder und das europäische Gemeinschaftsrecht in diese Richtung98, jedoch läßt sich daraus für das GG, insbesondere wegen der Entstehungsgeschichte des Art. ll GG99, ein solcher Schluß nicht ziehen100. Art und Weise der Fortbewegung und die in der Folge erforderliche Bereitstellung der Wege wird vom Schutzbereich des Art. 11 GG daher nicht umfaßt 101 .

So etwa Rittstieg, in: Wassennann (Hrsg.), AK, Rdnr. 32 zu Art. 11 GG. So Hailbronner, in: lsensee I Kirchhof (Hrsg.), HdbStR VI, § 131 Rdnr. 25. Jarass, in: Jarass I Pieroth, Rdnr. 2 zu Art. 11 GG, fordert "eine gewisse Dauer". 9 1 So Merten, Der Inhalt des Freizügigkeitsrechts, S. 44. 92 Insbesondere Kunig, in: V. Münchl Kunig, GG Band 1, Rdnr. 13 zu Art. 11 GG. 93 Vgl. Kunig, a. a. 0. 94 Hailbronner, in: lsensee I Kirchhof(Hrsg.), HdbStR VI, § 131 Rdnr. 25. 95 Pemice, in: Dreier (Hrsg.), Rdnr. 13 zu Art. 11 GG, sieht diese Kriterien als willkürlich an. 96 So Pemice, a. a. 0., Rdnr. 14. Bezüglich der Konkurrenz zu Art. 2 Abs. I GG stellt Pemice, a. a. 0., Rdnr. 30, dann auch nur fest, daß Art. 11 GG das speziellere Recht sei. 97 Als Freiheit "seines Weges zu gehen" (so Zippelius, Allg. Staatslehre, S. 129). 98 Vgl. den Überblick bei Pemice, in: Dreier (Hrsg.), Rdnr. 3 ff. zu Art. 11 GG. Siehe auch Badura, Staatsrecht, S. 191. 99 Dazu Pemice, a. a. 0., Rdnr. 1 f. 100 So richtig Merten, Der Inhalt des Freizügigkeitsrechts, S. 49 f. 101 BVerfG, Beschl. v. 6. 6. 1989, BVerfGE 80, S. 137 (150). Siehe auch im Zusammenhang mit straßenverkehrsrechtlichen Fahrverboten Röthel, S. 95. 89

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2. Kap.: Verfassungsrechtliche Grundlagen für den (des) Sport(s)

d) Art. 9 Abs. 1 GG- Die Vereinigungsfreiheit aa} Die Gewährleistungen Art. 9 GG ist die Verfassungsnorm des organisierten Sports. Sie enthält ein Abwehrrecht und bildet zugleich ein "konstituierendes Prinzip der demokratischen und rechtsstaatliehen Ordnung des Grundgesetzes: das Prinzip freier sozialer Gruppenbildung"102. Das Grundrecht gewährt für den (deutschen 103 ) Sportausübenden selbst (in seiner individualrechtliehen Ausprägung) das Recht, sich in Vereinigungen zusammenzuschließen, sich allgemein im freien Zusammenschluß mit anderen zu beliebigen selbst gewählten Zwecken in Vereinen, Verbänden und Assoziationen aller Art zusammenzuschließen 104 . Nach der Legaldefinition des § 2 Abs. 1 VereinsG gilt dies unabhängig von der gewählten Rechtsform. In seiner (strittigen) negativen Form gewährt Art. 9 Abs. 1 GG aber auch das Recht, von einer Vereinigung fernzubleiben oder aus ihr auszutreten 105 . Für die Sportvereine und Sportverbände gewährt das Grundrecht über den Wortlaut hinaus (in seiner kollektiven Ausprägung) 106 die bereits angesprochene Autonomie, also das Recht zur autonomen Gestaltung ihrer inneren Verfassung und gibt ihnen einen verfassungskräftigen Anspruch auf Wahrnehmung selbstbestimmter Aufgaben und auf deren Ordnung in Statuten und Regeln 107 . Auf eine Kurzformel gebracht: Das "Selbst-Gesetzgebungs- und Verwaltungsrecht". Gegenüber dem Staat geschützt ist aber nach der Rechtsprechung des BVerfG über die Existenz 102 BVerfG, Urt. v. 1. 3. 1979, BVerfGE 50, S. 290 (353); dies., Beschl. v. 18. 12. 1974, BVerfGE 38, S. 281 (302 f.); dies., Beschl. v. 15. 6. 1989, BVerfGE 80, S. 244 (252 f.); BGH, Urt. v. 27. 9. 1999, NJW 1999, S. 3552 (3553). 103 Zum Problem der Beschränkung des personalen Schutzbereichs auf Deutsche i. S. d. Art. 116 GG, v. a. im Hinblick auf die europarechtlichen Bezüge vgl. etwa Bauer; in: Dreier (Hrsg.), GG, Rdnr. 25 ff. zu Art. 9 GG. 104 BVerfG, Beschl. v. 18. 12. 1974, BVerfGE 38, S. 281 (303). Zur Tendenz, sich gerade im Sport zu Gemeinschaften zusammenzuschließen: Pfister; Autonomie, in: Pfister I Will (Hrsg.), FS Lorenz, S. 171 (172): ,)eder Sport tendiert zur Gemeinschaft". 105 Zur sog. negativen Vereinigungsfreiheit BVerfG, Urt. v. 1. 3. 1979, BVerfGE 50, S. 290 (245); BGH, Urt. v. 23. 11. 1998, VersR 1999, S. 1502 (1503); dies., Urt. v. 10. 7. 1995, BGHZ 130, S. 243 (250 u. 254 ff.).; Jarass, in: Jarass/ Pieroth, Rdnr. 6 zu Art. 9 GG; Bauer; in: Dreier (Hrsg.), GG, Rdnr. 41 f. zu Art. 9 GG; Höfling, in: Sachs (Hrsg.), Rdnr. 21 ff. zu Art. 9 GG; Menen, Vereinsfreiheit, in: HdbStR VI,§ 144, Rdnr. 53 ff. 106 Deshalb kann man auch von einem Doppelgrundrecht sprechen. So z. B. Menen, in: Isensee/ Kirchhof, HdbStR VI,§ 144, S. 775 (786) und Murswiek, JuS 1992, S. 116 (118). 107 Vgl. Steiner; in: Burmeister (Hrsg.), FS Stern, S. 509 (513); Fritzweiler; in: Fritzweiler u. a., PHBSportR, Rdnr. 9 zu Teil 2; Vieweg, Normsetzung, S. 148 ff.; daneben allgemein: BVerfG, Beschl. v. 24. 2. 1971, BVerfGE 30, S. 227 (241); dies., Urt. v. l. 3. 1979, BVerfGE 50, S. 290 (353 f.); dies., Beschl. v. 15. 6. 1989, BVerfGE 80, S. 244 (253); BayVerfGH, Entsch. v. 9. 8. 1999, BayVBI. 2000, S. 46 (47). Die kollektivrechtliche Seite des Art. 9 Abs. I GG unmittelbar (ohne zumindest expliziten Rückgriff auf Art. 19 Abs. 3 GG) ist allerdings nicht ganz unumstritten. Vgl. etwa Höfling, in: Sachs (Hrsg.), Rdnr. 25 f. zu Art. 9 GG.

A. Stellung des Sports bzw. der Sportler im Bundesverlassungsrecht

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und Funktionsfähigkeit des Vereins hinaus der "Kernbereich des Vereinsbestandes und der Vereinstätigkeit, da sonst ein effektiver Grundrechtsschutz nicht bestünde"108. Wie weit dieser Kernbereich im einzelnen aber reichen soll, ist noch nicht geklärt 109, zumal die Rechtspraxis für den Bereich des Sports bisher noch wenig Gelegenheit hatte, diesen zu präzisieren. Staatliche Maßnahmen zu Lasten des Sports standen praktisch nicht auf dem verfassungsrechtlichen oder gar verfassungsgerichtlichen Prüfstandl1°. Dies kann sich aber ändern, insbesondere werden die Forderungen (auch aus Kreisen des Sports)l1 1 lauter, daß das (in Deutschland) verbandsautonome Dopingrecht inklusive der verbandsinternen Kontrollen, das primär von der sportethischen Anschauung des "Fair-Play-Gedankens" 112, aber auch vom Gedanken an den Schutz des Sportlers vor sich selbst geprägt ist, vom Staat "in die Hand" genommen wird. Vor allem mittels strafrechtlicher Konsequenzen inklusive der dazugehörigen Befugnisse der Strafverfolgungsbehörden könnten die staatlichen Eingriffe erfolgen 113 • Allerdings wird auch hierbei, zumindest von der Rechtslehre, insoweit eine Schranke gezogen, als der Staat die Selbstregulierungskompetenz der gesellschaftlichen Institutionen im Bereich des Sportwesens zu achten und so substantiell unangetastet zu lassen hatl1 4 • Folglich haben sich staatliche Aktivitäten primär auf Hilfs- und Unterstützungsmaßnahmen zur Ge108 BVerlG, Beschl. v. 24. 2. 1971, BVerlGE 30, S. 227 (241); dies., Beschl. v. 15. 6. 1985, BVerlGE 80, S. 244 (253). Siehe auch dies., Beschl. v. 9. 10. 1991, BVerlGE 84, S. 372 (378). 109 v. Münch, GutachtenS. 12, meint, daß der verlassungsrechtliche "Kernbereich" in der Organisation und Durchführung des Sportbetriebes, mit anderen Worten, in der Ermöglichung sportlicher Betätigung liege. 110 So Steiner; in: Burmeister (Hrsg.), FS Stern, S. 509 (514). 111 Siehe z. B. die Forderung nach einheitlichen Anti-Doping-Gesetzen in Europa von IAAF-Präsident Nebiolo (SZ Nr. 179 v. 6. 8. 1998, S. 28). Das Deutsche IOC-Mitglied Bach meint dagegen, daß polizeiliche Wettkampf-Kontrollen nur im Notfall in Betracht kommen (SZ Nr. 174 v. 31. 7. 1998, S. 29). Siehe auch SZ Nr. 235 v.ll. 10. 1999, S. 45 ("Ruf nach dem Staatsanwalt"). 112 Siehe etwadas Antidoping-Papier von DSB und NOK, in: SZ Nr. 24 v. 30./31. I. 1999, S. 45 ("Grundlage ist das Prinzip des Fairplay") und Schröder/Bedau, NJW 1999, S. 3361 (3361). 113 Welche Auswirkungen die staatliche Einflußnahme haben kann, konnte in Frankreich bei der "Tour de France" 1998 beobachtet werden, wo teilweise ganze Mannschaften wegen Dopingverstößen "in Nacht und Nebel-Aktionen" durch die Strafverlolgungsbehörden verhaftet wurden. Vgl. dazu SZ Nr. 168 v. 24. 7. 1998, S. 31 ; Nr. 164 v. 20. 7. 1998, S. 27; Nr. 170 v. 27. 7. 1998, S. 23. In der Bundesrepublik werden bisher lediglich Ärzte und Trainer, die ohne Wissen der Sportler selbst diesen Dopingmitteln zufügen, strafrechtlich zur Verantwortung gezogen. Vgl. etwa die vielen Verrahren im Zusammenhang mit dem systematischen Doping in der ehemaligen DDR vor dem LG Berlin. Dazu etwa SZ Nr. 191 v. 21. 8. 1998, S. 31 und SZ Nr. 9 v. 13. I. 2000, S. 38. Siehe auch Linck, Doping und staatliches Recht, NJW 1987, S. 2545 (2548 ff.); Otto, SpuRt 1994, S. 10; Haas/Prokop, SpuRt 1997, S. 56. 114 So bereits Stern, Grundrechte der Sportler, in: Schroeder/Kauffmann (Hrsg.), Sport und Recht, S. 142 (143); Tettinger; in: Jpsen u. a. (Hrsg.), Verlassungsrecht im Wandel, S. 525 (530). Siehe auch Krogmann, Grundrechte im Sport, S. 141 ff.

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2. Kap.: Verfassungsrechtliche Grundlagen für den (des) Sport(s)

währleistung des Sportbetriebes sowie auf die Wahrnehmung des Amtes eines Wächters über das Selbstorganisations- und Selbstregelungsrecht der autonomen Institutionen zu beschränken 115 • Konkret im Bereich des Dopings führt dies zu einer lediglich mittelbaren Einflußnahme, etwa durch Reservierung staatlicher Fördermittel "für einen sauberen und manipulationsfreien Sport" 116• Auf Grund der Umsetzung des Doping-Übereinkommens des Europarates vom 16. 11. 1989 durch Gesetz vom 2. 3. 1994 117 in nationales Recht müssen öffentliche Fördermittel zugunsten von Sportorganisationen (Art. 4 Abs. 2) bzw. Athleten (Art. 4 Abs. 3lit. b) von der Einhaltung der Dopingvorschriften des Übereinkommens abhängig gemacht werden. Dies kann etwa durch haushaltsrechtliche Sperren (siehe oben) oder entsprechende Subventionsauflagen 118 erfolgen. Bei letzterem besteht bei Nichteinhaltung der Auflage eine Widerrufsmöglichkeit des Förderungsbescheids, nach § 49 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3 Nr. 2 VwVfG und den entsprechenden Vorschriften der Länder auch für die Vergangenheit 119• Primär soll sich jedoch die staatliche Rolle auf (finanzielle) Hilfen für die Sportorganisationen bei der Durchführung von Dopingkontrollen und -analysen beschränken (Art. 4 Abs. 3). Neben der Befugnis zur Setzung materiellen Verbandsrechts wird auch akzeptiert, daß die Befolgung und Einhaltung des Verbandsrechts (also des Binnenrechts) durch von den staatlichen Gerichten unabhängige Verbandsgerichte erfolgen kann. Diese haben sich, wie vor allem im Bereich des DFB, zu einem "perfekt durchgeformten System einer eigenen Sportgerichtsbarkeit mit nachgeschalteter Schiedsgerichtsbarkeit" 120 entwickelt 121 , für das ein im wesentlichen den rechtsstaatlichen Anforderungen unterliegendes Verfahrensrecht gilt 122 •

115 Stern, a. a. 0., S. 143; Tettinger, a. a. 0., S. 530 f. Siehe auch Ex-Minister Kanther zur aktuellen Doping-Diskussion, vgl. SZ Nr. 189 v. 19. 8. 1998, S. 34 ("Nachhilfe von Kanther"), weshalb sich in Deutschland der Staat wohl weiterhin sehr zurückhaltend verhalten wird. 116 Ehemaliger Minister Kanther, a. a. 0. 117 BGBI. II, S. 335 u. SpuRt 1994, S. 60. Dazu Haas, SpuRt 1996, S. 107. 118 Vgl. Tettinger, in: lpsen u. a. (Hrsg.), Verfassungsrecht im Wandel, S. 525 (531). Siehe auch bereits Steiner, DÖV 1983, S. 173 (177); ders., Verfassungsrechtliche Probleme des Dopings, in: Württembergischer Fußballverband (Hrsg.), Doping und Sport, Ostfildern 1990, S. 50 (57). 119 Auf die Möglichkeit des Widerrufs hat bereits die Bundesregierung in der Antwort auf die Kleine Anfrage (derCDU /CSU mit FDP v. 3. 6. 1987, BT-Drucks. 11 /404) v. 23. 6. 1987, BT-Drucks. 11 I 506, hingewiesen. V gl. auch Linck, NJW 1987, S. 2548 (2551 ). 120 So Vollkommer, RdA 1982, S. 16 (16). 121 Zur Vereins- bzw. Verbandsgerichtsbarkeit und der Schiedsgerichtsbarkeil mit Beispielen: Summerer, in: Fritzweiler u. a., PHBSportR, Rdnr. 276 ff. zu Teil 2. Siehe auch Röhricht, in: Röhricht (Hrsg.), Sportgerichtsbarkeit, Recht und Sport, Band 22, S. 19. 122 Zur Geltung rechtsstaatlicher Verfahrensgrundsätze speziell im Verbandsstrafverfahren Buchberger, SpuRt 1996, S. 122 u. S. 157; Summerer, in: Fritzweiler u. a., PHBSportR, Rdnr. 250 ff. zu Teil 2.

A. Stellung des Sports bzw. der Sportler im Bundesverfassungsrecht

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Trotz dieser anerkannten "Binnengerichtsbarkeit" sind die staatlichen Gerichte, namentlich die ordentlichen Gerichte, nicht von der Jurisdiktion für das Verhältnis Sportler I Verein bzw. Verband befreit; im Sportbereich sind die ordentlichen Gerichte somit nicht "vom Platz gestellt". Im Gegenteil ist es auch hier die Aufgabe des Staates, mit Hilfe seiner unabhängigen Gerichtsbarkeit (Art. 92 GG) zur Lösung der Binnenkonflikte beizutragen, denn aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) folgt eine allgemeine Justizgewährleistungs- und Rechtsschutzpflicht des Staates. Diese gilt (grundsätzlich) für alle Streitigkeiten zwischen Rechtssubjekten und damit auch solchen zwischen Verbänden und Sportlern 123 • Allerdings sehen sich die staatlichen Gerichte (wohl auch zu ihrer Entlastung) selbst lediglich auf der "Reservebank" richterlicher Überpriifung. Die Anrufung der staatlichen Gerichte ist (grundsätzlich) 124 abhängig von der verbandsinternen "Erschöpfung des Rechtsweges" 125. Inhaltlich unterliegen dann in der Folge die Entscheidungen einer lediglich eingeschränkten Nachpriifung durch die staatlichen Gerichte 126.

bb) Speziell: Die externe Betätigungsfreiheit Hier interessiert das Grundrecht der Vereinsfreiheit v. a. unter zwei Gesichtspunkten: zum einen inwiefern staatliche (etwa straßenverkehrsrechtliche) Verbote und Erlaubnisse (vor allem §§ 29 Abs. 1 u. 2 StVO), die zumindest auch Sportvereine und -verbände betreffen, im Hinblick auf deren besonderer Stellung in der Verfassungsrechtsordnung einer zumindest grundrechtsfreundlichen Interpretation im Lichte des Art. 9 Abs. I GG bedürfen; zum anderen inwieweit im Hinblick auf die individualrechtliche Bedeutung dieses Grundrechts eine über die allgemeine Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG hinausgehende Position für die unter dem "Dach" des Art. 9 Abs. I GG organisierten Sportler bei der Nutzung öffentlicher Straßen besteht. Für die Nutzung der Straßen durch den Verein oder Verband könnte Ausgangspunkt die vom Bundesverfassungsgericht bereits angesprochene Formel sein, daß von Art. 9 Abs. I GG auch der "Kernbereich" der Vereinstätigkeit selbst geschützt 123

Steiner; in: Burmeister (Hrsg.), FS Stern, S. 509 (514) m. N. aus der Rspr. des BVerfG.

Sehr strittig ist das Verhältnis der Sportgerichtsbarkeit zu den staatlichen Gerichten für den Bereich des vorläufigen Rechtsschutzes. Bei sog. unechten Schiedsgerichten gibt es bis heute keine Subsidiarität. Die h. M. hielt sport- und schiedsgerichtliche Maßnahmen des vorläufigen Rechtsschutzes freilich generell für unzulässig, mit der Folge, daß dafür nur die staatlichen Gerichte zuständig sind (siehe etwa Vollkommer; RdA 1982, S. 16 (21 ff.). Mit der Neufassung der§§ 1041 u. 1026 ZPO durch SchiedsVfG v. 22. 12. 1997, BGBI. I, S. 3224, dürfte der bisher h. M. der Boden entzogen sein. Zum Problemkreis mit Nachweisen aus der Rspr.: Summerer. in: Fritzweiler u. a., PHBSportR, Rdnr. 318 ff. zu Tei12. 125 Vollkommer; RdA 1982, S. 16 (37) spricht von einer Art Vorschaltverfahren. 126 BGH, Urt. v. 28. 11. 1994, NJW 1995, S. 583; dies., Urt. v. 24. 10. 1988, BGHZ 105, S. 306; Badura, Staatsrecht, S. 151 f.; ausführlich auch Summerer; in: Fritzweiler u. a., PHBSportR, insb. Rdnr. 345 ff. zu Teil 2. 124

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sei 127 • So finden etwa bereits traditionell viele Sportarten auf der Straße statt, wie insbesondere der Motor- und Radsport, und heutzutage auch zunehmend das Inline-Skating. Veranstaltungen in diesen Bereichen finden fast ausschließlich im Rahmen des organisierten Sports statt. Der grundrechtliche Schutz des Vereins oder Verbands besteht nach der Rechtsprechung auch nicht nur vor staatlichen Verboten und verbotsgleichen Maßnahmen, sondern auch vor weniger weitgehenden Beeinträchtigungen ihrer Betätigung 128 • Vom Ausgangspunkt richtig ist sicher, daß ein extern wirkender grundrechtlicher Schutz über den von Art. 9 Abs. 2 GG erfaßten Bereich Grenzen gesetzt sein müssen, denn "andernfalls wäre Vereinen erlaubt, was natürlichen Personen nur innerhalb der Grenzen des Art. 2 Abs. 1 GG gestattet ist" 129• Schon diese Überlegung führt dazu, daß es dem Gesetzgeber nicht verwehrt sein darf, der Betätigung des Vereins Schranken zu ziehen, die zum Schutz anderer Rechtsgüter von der Sache her geboten sindl3°. Dies bedarf jedoch der Präzisierung, insbesondere für die Frage, inwieweit Leistungs- bzw. Teilhaberechte über den von Art. 2 Abs. 1 GG hinaus gewährten Rahmen für einen Sportverein bestehen können. Das Stichwort könnte etwa lauten: Wenn ein Verein bereits, traditionell und historisch belegt, bei der Verwirklichung seines Vereinszwecks auf die Nutzung öffentlicher Straßen angewiesen ist, ihm sicher für seine Betätigung eine andere Teilhabestellung zukommen muß als dem schlichten Verkehrsteilnehmer 131 , soweit nicht, so richtig die Rechtsprechung, andere Schutzgüter entgegenstehen. Allgemein ist aber der Schutz einer (solchen) "externen" Vereinstätigkeit nicht geklärt 132• (Entschiedene) Beispiele für ein (auch) extern wirkendes grundrechtliches Schutzniveau der Vereinstätigkeit selbst sind lediglich: die eigene Organisation, das Verfahren ihrer Willensbildung und die Führung ihrer Geschäfte 133 . Dazu zählt die Namensführung 134, die MitgliederwerSiehe die Nachweise in Anm. 108. BVerfG, Beschl. v. 24. 2. 1971, BVerfGE 30, S. 227 (243). Siehe speziell im Zusammenhang mit§ 29 Abs. l StVO: NdsOVG, Urt. v. 12. 8. 1996, DVBL 1996, S. 1441 (1442). 129 BVerfG, Beschl. v. 24. 2. 1971, BVerfGE 30, S. 227 (243). Siehe auch BayVerfGH, Entsch. v. 13. 8. 1999, BayVBl. 2000, S. 46 (47). no BVerfG, a. a. 0. 131 Zumal sich die sportliche Betätigung im Bereich des Rad- und Motorsports aus der aUgemeinen Teilnahme am Verkehr i. S. eines reinen Fortbewegungsmittels entwickelt hat und umgekehrt für den allgemeinen Verkehr auch heute wichtige entwicklungstechnische Akzente setzt. 132 Für eine im Grundsatz bestehende externe Betätigungsfreiheit spricht sich die wohl h. M. aus. Vgl. Badura, Staatsrecht, S. 151; Scholz, in: Maunz/ Dürig I Herzog, Rdnr. 86 zu Art. 9 GG; Bleckmann, Staatsrecht II - Die Grundrechte, S. 808; Bauer, in: Dreier (Hrsg.), Rdnr. 40 zu Art. 9 GG; Jarass, in: Jarass I Pieroth, Rdnr. 9 f. zu Art. 9 GG; Merten, in: lsensee I Kirchhof (Hrsg.), HdbStR VI, § 144, S. 775 (785 f.); differenzierend Höfling, in: Sachs (Hrsg.), Rdnr. 17 ff. zu Art. 9 GG. A. A. sind aber z. B. Nolte I Planker; Jura 1993, S. 635 (637) und wohl auch Krogmann, Grundrechte im Sport, S. 62 ff. 133 BVerfG, Beschl. v. 15. 6. 1989, BVerfGE 80, S. 244 (253). 134 BVerfG, Beschl. v. 24. 2. 1971, BVerfGE 30, S. 227 (241). 121

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bung 135 und die Selbstdarstellung nach außen 136. Nicht gewährleistet ist die Beteiligung von Vereinigungen in öffentlichen Einrichtungen wie den Rundfunkräten137. Die genannten Beispiele zeigen jedoch in die Richtung, wenngleich das BVerfG im Beschl. v. 14. 5. 1985 138 (widerspriichlich) eine restriktivere Position eingenommen hat: Wer sich darauf berufe, die Vereinsfreiheit umfasse auch die Tätigkeit einer Vereinigung, verkenne den Schutzzweck dieser Gewährleistung 139 . Werde eine Vereinigung wie jedermann im Rechtsverkehr tätig, so sei insoweit nicht Art. 9 Abs. 1 GG maßgebend; die Vereinigung und ihre Tätigkeit bedürfen insoweit nicht als solche des Grundrechtsschutzes; vielmehr richte sich der Grundrechtsschutz nach den materiellen (Individual-)Grundrechten 140. Andererseits deutet das Gericht an, daß die Vereinsfreiheit auch die Garantie der freien Betätigung zur Verfolgung des Vereinszwecks enthalten könne 141 . Richtigerweise bedarf es wohl einer differenzierten Betrachtungsweise. Klar und von der Rechtsprechung akzeptiert ist eine "vereinssichernde Außenwirkung"142, wozu man insbesondere die Mitgliederwerbung und Selbstdarstellung des Vereins zählen kann. Schwieriger und die hier interessierende Kernproblematik betreffend ist die Frage nach einer vereinsexternen Zweckverfolgung, die, wie zumindest in Teilen des Sports, gerade auf den öffentlichen Straßen stattfindet. Davon abgesehen, daß gerade bei den durch Vereine und Verbände organisierten sportlichen Veranstaltungen eine Selbstdarstellungskomponente sich geradezu aufdrängt143, kann insoweit der (besondere) Schutz des Art. 9 Abs. 1 GG nicht gänzlich versagt werden, zumindest in den Fällen, in denen die sportliche Zweckverfolgung bereits historisch betrachtet auf öffentliche Straßen besteht. Gerade die hier interessierenden Sportverbände und -vereine genießen eine über die allgemeinen Grundrechtsnormen, vor allem des Art. 2 Abs. 1 GG hinausgehenden Schutz und 135 136 137 138

BayVerfGH, Entsch. v. 13. 8. 1999, BayVBI. 2000, S. 46 (47). BVerfG, Beseht. v. 9. 10. 1991, BVerfGE 84, S. 372 (378). BVerfG, Urt. v. 5. 2. 1991, BVerfGE 83, S. 238 (339). BVerfGE 70, S. 1 (25).

139 Diese Feststellung steht in deutlichem Widerspruch zu dem Grundgedanken der freien Wahl der Aufgaben und des Zwecks des Vereins (siehe oben) und ließe dieses Recht "ins Leere" laufen bzw. dadurch wäre die Vereinsbetätigung und -existenz zumindest ungesichert; so richtig Merten, in: /sensee/ Kirchhof(Hrsg.), HdbStR VI, S. 775 (786). 140 BVerfG, Beseht. v. 14. 5. 1985, BVerfGE 70, S. 1 (25). Siehe auch BayVerfGH, Entsch. v. 13. 8. 1999, BayVBI. 2000, S. 46 (47) und BGH, Urt. v. 27. 9. 1999, NJW 1999, S. 3552 (3554). 14 1 Im Urt. v. 5. 2. 1991, BVerfGE 83, S. 238 (339) angesprochen, aber offengelassen. 142 So Höfling, in: Sachs (Hrsg.), Rdnr. 19 zu Art. 9 GG. 143 Der Sport stellt sich gerade bei öffentlich zugänglichen Veranstaltungen auch auf der Straße dar. Das herausragendste Beispiel dafür ist sicherlich die "Tour de France" . Deren besondere Faszination besteht gerade in der Durchquerung des Landes und seiner verschiedenen Landschaften und Gegenden, wie bei Bergetappen oder bei dem jährlichen Endziel arn Charnps Elysees in Paris, begleitet von Millionen Zuschauern arn Straßenrand öffentlicher Wege.

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2. Kap.: Verfassungsrechtliche Grundlagen für den (des) Sport(s)

Förderung ihres sportlichen Zwecks. Auch wenn man die "Kembereichsthese" des BVerfG akzeptiert, besteht dieser im Bereich des Sports ja gerade in der Organisation und Durchführung des Sportbetriebes, mit anderen Worten in der Errnöglichung sportlicher Betätigung 144• Jede andere Sichtweise würde auch an der geltenden einfach-gesetzlichen Rechtslage vorbeigehen. Bereits angesprochen wurde die steuerliche Stellung der Sportvereine durch die Anerkennung ihres Zwecks als gemeinnützig. Ein anderes Beispiel läßt sich im Waffenrecht finden. Für die Erteilung waffenrechtlicher Erlaubnisse ist regelmäßig Voraussetzung, daß ein Bedürfnis besteht 145 . In§ 32 Abs. 1 WaffG werden mehrere Fälle aufgezählt, in denen "insbesondere" ein Bedürfnis vorliegt. § 32 Abs. 1 Nr. 2 146 nennt hier (bei Glaubhaftmachung) vor allem Sportschützen, die Schußwaffen für verschiedene Zwecke in Schützenvereinigungen benötigen. § 32 Abs. 2 Nr. 3 WaffG 147 geht sogar ohne Glaubhaftmachung von einem Bedürfnis aus, wenn ein Mitglied eines Schießsportvereins die Waffe zur Teilnahme an ordentlichen Schießwettbewerben benötigt 148 und durch eine Bescheinigung des Vereins nachweist, daß er an den Schießübungen des Vereins teilgenommen hat. Diese Besonderheit kommt nicht nur einem individuellen Interesse entgegen, vielmehr wird hier gerade die besondere Stellung des Sportschießens in Vereinen hervorgehoben, also die Besonderheit des in Sportvereinen organisierten Zwecks ,,Sportschießen" 149. Durch die Unterwerfung unter die Regeln des Vereins bzw. Verbands geht das Interesse über die bloße Laune und Liebhaberei hinaus und wird zu einem vom Gesetzgeber privilegierten Bedürfnis gerade an der Begründung des Waffenbesitzes 150. Ein weiteres Beispielläßt sich im Straßenverkehrsrecht finden. Nach den noch ausführlich zu besprechenden Vorschriften des § 29 Abs. 1 u. 2 StVO sind Rennen mit Kraftfahrzeugen verboten (Abs. 1), können aber genehmigt werden(§ 46 Abs. 2 S. 1 StVO) bzw. es bedürfen (auch sportliche) Veranstaltungen der Erlaubnis, soweit sie die Straßen mehr als verkehrsüblich in Anspruch 144 So v. Münch, Anm. 109. Der BGH (Urt. v. 28. 11. 1969, NJW 1970, S. 378 [381 ff.]) hat denn auch zurecht speziell für die Motorsportorganisationen diesen "Betätigungsschutz" unter Art. 9 GG subsumiert. 145 § 30 Abs. I S. I Nr. 3 WaffG (Waffenbesitzkarte und MunitionseJWerbsschein); § 36 Abs. I S. I WaffG (Waffenschein); § 41 Abs. I WaffG (nichtgewerbsmäßige Waffenherstellung) und§ 45 Abs. 3 S. I WaffG (Schießerlaubnis). Zur Rechtsprechung des BVeJWG in den letzten Jahren bzgl. des Bedürfnisses im Waffenrecht vgl. Meyer, GewArch 1998, S. 89 (94ff.). Zuletzt auch BVeJWG, Urt. v. 13. 7. 1999, GewArch 1999, S. 483 (483 f.). 146 Dazu Hinze, Waffenrecht, Ordner 3, Anm. 4 zu § 32 WaffG. 147 Dazu Hinze, a. a. 0., Anm. 7 zu § 32 WaffG. 148 Auch die Tatbestandsvoraussetzung des "Benötigens" wird nach Maßgabe "schießsportlicher Notwendigkeiten" beurteilt. Siehe BVeJWG, Urt. v. 13. 7. 1999, GewArch 1999, s. 483 (483). 149 Der Gesetzgeber stellt gerade auch auf Bescheinigungen des Schießsportverbandes ab, da dieser den "Bedarf' besser beurteilen kann, als der Sachbearbeiter einer Behörde, Hinze, a. a. 0., Anm. 4 zu § 32 WaffG. 150 Meyer, GewArch 1998, S. 89 (95), Anm. 95.

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nehmen (Abs. 2 S. 1). Aus sportlicher Sicht sind (ohne an dieser Stelle ins Detail zu gehen) die Anforderungen an eine Ausnahmegenehmigung bzw. Erlaubnis klar. Bei motorsportliehen Rennen und sonstigen Veranstaltungen muß grundsätzlich ein Streckenabnahmeprotokoll der ONS I OMK (jetzt: DMSB) vorliegen 151 , und es sind nur solche Fahrer zuzulassen, die eine gültige Fahrerlizenz der genannten Organisationen besitzen 152. Aus dem Bereich des Luftrechts läßt sich nennen: Die Erteilung von Erlaubnissen und Zulassungen, wie etwa die Erlaubnis zum Starten und Landen außerhalb der genehmigten Flugplätze (§ 25 LuftVG), ist durch die Verordnung zur Beauftragung von Luftsportverbänden (BeauftrV) 153 auf der Basis des durch Art. 87d GG abgesicherten § 31c LuftVG in der Form der "Beleihung" auf die Verbände übertragen worden 154, um so eine sportgerechte wie sportfreundliehe Anwendung der Vorschriften des deutschen Luftverkehrsrechts zu ermöglichen155; ein sicher besonderer Vertrauensbeweis des Staates für die flugsportliehen Vereine und Verbände. Ein vergleichbares Beispiel läßt sich im Wasserwegerecht (genauer: im Schiffahrtsrecht) finden. Ähnlich wie im Straßenverkehrsrecht verlangt das Gesetz auf bestimmten Gewässern einen Nachweis der Befahigung zum Führen von Wasserfahrzeugen (auch zu sportlichen Zwecken) 156. Entsprechende Lizenzen können teilweise auch Sportverbände (DSV bzw. DMYV) erteilen (§ 2 Sportseeschifferscheinverordnung 157 und § 11 Abs. 1 Nr. 2 SportbootFüVBin158)159. Die staatlichen Gerichte akzeptieren die Binnenregeln des Sports bei 151 Vgl. VwV 111 Nr. 2 b) aa) zu § 29 Abs. 2 StVO; abgedruckt z. B. bei Jagusch/ Hentschel, Rdnr. 1a zu § 29 StVO. Bei radsportliehen Veranstaltungen darf eine Erlaubnis nach Ansicht des Bay. Staatsministeriums des Ionern (MS vom 26. 5. 1992, Nr. IC4 3612.29.4/ 22) in der Regel nur für solche Veranstaltungen erteilt werden, für die eine Genehmigung des Bayerischen Radsport-Verbandes bzw. des Bayerischen Triathlon-Verbandes vorliegt. 152 Vgl. VwV 111 Nr. 2 h) aa) zu § 29 Abs. 2 StVO; abgedruckt z. B. bei Jagusch/Hentschel, a. a. 0. 153 V. 16. 12. 1993, BGBI.I S. 2111. 154 Beispiele: Deutscher Aero Club e. V. Fulda; Deutscher Ultraleichtflugverband e. V. München. Weitere Beispiele bei Steiner; in: Pfister!Steiner; Sportrecht von A - Z, S. 108; Hofmann!Grabherr; Rdnr. 1 zu§ 31c LuftVG. 155 Siehe Steiner; a. a. 0., S. 108. 156 Beispiele: § 2 Abs. 1 SportbootFüV-Bin (v. 22. 3. 1989, BGBI. I S. 536, geändert durch § 26 der BinSchPatentV v. 15. 12. 1997, BGBI. I S. 3066 [3074 ff.) für die Bundeswasserstraßen und§ 1 Sportseeschifferscheinverordnung (v. 17. 12. 1992, BGBI. I S. 2061) für die Küstengewässer und in der weltweiten Fahrt. 157 Vgl. vorstehend. 158 Vgl. dazu Steiner; in: Pfister!Steiner; Sportrecht von A- Z, S. 183. 159 Weitere Beispiele in diese Richtung: Die Ausübung der Angelfischerei setzt den Nachweis persönlicher Qualifikation in der Form eines nach Ausbildung und Prüfung erteilten Fischereischeins voraus (vgl. dazu Steiner, in: Pfister!Steiner, Sportrecht von A- Z, S. 58 und Schemel/ Erbguth, Handbuch Sport und Umwelt, S. 345. Beispiel: Art. 64 ff. des Bayerischen Fischereigesetzes i. V. m. §§ 3 ff. BayAVFiG). In Bayern etwa ist explizit der Landesfischereiverband e. V. Bayern an Ausbildung (nach § 5 Abs. 4 AVFiG [muß] der Landesfischereiverhand sicherstellen, daß Vorbereitungslehrgänge bedarfsgerecht angeboten werden) und Prüfung (nach § 6 Abs. 2 S. 2 AVFiG sowohl an der Erstellung der Prüfungsaufgaben, als

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2. Kap.: Verfassungsrechtliche Grundlagen für den (des) Sport(s)

der Anwendung staatlichen Rechts. Insbesondere im Rahmen der Präzisierung der Sorgfaltsanforderungen im Zusammenhang mit der Prüfung eines Schadensersatzanspruchs, etwa auf Grund des § 823 Abs. 1 BGB, nach Sportunfällen ist die Anwendung der Verbandsregeln akzeptiert160. Diese Beispiele zeigen die besondere Stellung der Tätigkeiten der Sportorganisationen in der geltenden Rechtsordnung. Durch die gesetzliche Privilegierung werden positive Behördenentscheidungen gerade davon abhängig gemacht, daß sich der einzelne den Binnenregeln der Vereine und Verbände unterwirft 161 . Zwar ließe sich (wie so oft) als Grenze, bei Akzeptanz des hier gewählten Ausgangspunktes, argumentieren, daß auch eine solch "externe Betätigungsfreiheit" nicht das Recht auf Nutzung der im Allgemeingebrauch stehenden (rechtlich) öffentlichen Straßen, zumal zu sportlichen Zwecken umfasse. Jedoch soll auch die hier vertretene Ansicht nicht zu einem verfassungskräftigen (gebundenen) Anspruch der Sportorganisationen auf Nutzung der öffentlichen Straßen führen. Vielmehr geht es um die davon zu trennende Frage, inwieweit bei der Verteilung des knappen Gutes Straße gerade im Rahmen der Erteilung einer (öffentlich-rechtlichen) Sondernutzungserlaubnis nach Straßenverkehrsrecht über Art. 9 Abs. 1 GG die besonderen Belange des Sports und seiner Organisationen bei der Durchführung seiner Veranstaltungen Berücksichtigung finden, etwa als abwägungserheblicher Belang mit im Einzelfall hohem Gewicht; denn gerade im Radsport, aber auch im Motorsportbereich 162 stellt die öffentliche Straße das wesentliche Substrat im Sinne eines traditionellen "Angewiesenseins" für die Betätigung dar. Eine "Verweigerung der Teilhabe'" 63 durch die öffentliche Hand kann deshalb auch einen auch nach § 6 Abs. 2 S. 5 AVFiG an der Prüfung selbst) beteiligt; die Fischereiabgabe steht ihm zum Teil zur Förderung der Fischerei zu (Art. 68 Abs. 1 S. 3 des Fischereigesetzes), wenngleich mit staatlicher Mitsprache bei der Verwendung (vgl. Art. 68 Abs. I S. 3 des Fischereigesetzes und die Richtlinien über die Verwendung der Fischereiabgabe durch den Landesfischereiverband Bayern e. V. v. I. 10. 1988 [AIIMBI. S. 839]); in Nordrhein-Westfalen bedürfen fischereiliehe Veranstaltungen der Genehmigung durch die Fischereibehörde, mit Ausnahme solcher Veranstaltungen an denen nur Mitglieder eines Fischereivereins teilnehmen(§ 50 Abs. I S. 1 des Fischereigesetzes); das Jagdrecht sieht Beteiligungen der Vereinigungen der Jäger bei Verstößen gegen die Grundsätze der Weidgerechtigkeit (vgl. § 1 Abs. 3, § 37 Abs. 2 BJagdG i. V. m. [für Bayern:] Art. 51 BayJG i. V. m. § 32 AVBayJG) und bei Prüfungen zur Feststellung der Brauchbarkeit von Jagdhunden (Art. 39 Abs. 3 BayJG) vor; § 5 Abs. I des Entwurfs eines NdsSportG v. 5. 2. 1996 (LT-Drucks. 13/1712) sah gar vor, daß die öffentliche Sportförderung dem Landessportbund Niedersachsen als Träger öffentlicher Belange übertragen werden soll. 160 Aus der umfangreichen Rechtsprechung: Für die FIS-Regeln im Skisportbereich: BGH, Urt. v. 11. I. 1972, NJW 1972, S. 627 (627 f.); OLG Harnm, Urt. v. 22. 10. 1993, SpuRt 1994, S. 30 (30); OLG München, Urt. v. 8. 11. 1991, SpuRt 1994, S. 36 (36) m. Anm. Fritzweiler, SpuRt 1994, S. 38. Für den Fußballbereich BGH, Urt. v. 5. 3. 1957, VersR 1957, S. 290. Ausführlich mit Details zu den verschiedenen Sportarten: Fritzweiler, in: Fritzweiler u. a., PHBSportR, Rdnr. 13 ff. zu Teil 5. 161 Das übersieht etwa BVerwG, Urt. v. 13. 3. 1997, 3 C 5/97, DAR 1997, S. 413 (415). 162 Neuerdings sicher auch für Veranstaltungen im Inline-Skates Bereich.

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"Eingriff' in das geschützte Verhalten darstellen. Darauf wird noch genauer einzugehen sein. Hinzuweisen ist jedoch noch darauf, daß nach aktueller Rechtsprechung des BVerfG bei "berufsmäßig" durchgeführten Sportveranstaltungen (wenn die Führung des Geschäftsbetriebs zu den satzungsmäßigen Aufgaben gehört) Art. 12 Abs. 1 GG die Tatigkeit des Vereins schützt 164, wenngleich sich das Gericht nicht mit einer eventuellen Konkurrenz zu Art. 9 Abs. 1 GG auseinandersetzt Richtigerweise kann man das Konkurrenzproblem dann insoweit lösen, als die Berufsfreiheit bei berufsmäßig durchgeführten Veranstaltungen auch für die organisierenden und durchführenden Vereine und Verbände einen spezielleren "Berufszweck- bzw. Betätigungsschutz" gegenüber dem allgemeinen "Vereinszweckschutz" des Art. 9 Abs. 1 GG gewährt. Betrachtet man die individualrechtliche Seite der Vereinsfreiheit, so bietet die Rechtsprechung des BVerfG für eine externe Dimension wenig (eigenständige) Anhaltspunkte. Konsequenterweise bedarf es aber auch hier des Korrelats für den einzelnen (organisierten) Sportler. Ebenso wie bei einer berufsmäßig organisierten Veranstaltung, bei der in der Regel sowohl auf veranstaltender (Verband oder Verein) wie auf teilnehmender (also des einzelnen Sportlers) Seite der Schutz des Art. 12 Abs. 1 GG für die Betätigung besteht165 , muß se1biges auch bei nicht unter die Berufsfreiheit fallenden Betätigungen (Veranstaltungen) über Art. 9 Abs. 1 GG gelten. Dem kollektivrechtlichen Schutz der Betätigung des Vereins entspricht als Korrelat 166 somit der individualrechtliche Schutz der Betätigungsfreiheit des einzelnen Mitglieds 167 , denn der Staat knüpft bei staatlichen Entscheidungen als Voraussetzung gerade an die "Unterwerfung" des Vereins- bzw. Verbandsmitglieds unter die Binnenordnung, vor allem Wettkampfordnung der Sportorganisation an und gibt ihnen in der Folge eine über den einzelnen "Normalbürger" hinausgehende Möglichkeit der (sportlichen) Entfaltung, wie das Beispiel aus dem Schießsportbereich anschaulich gezeigt hat.

163 Zu den Grundrechten als Teilhaberechte z. B. Murswiek, in: /sensee I Kirchhof, HdbStR V, § 112, S. 243; Jarass, Grundrechte als Wertentscheidungen, AöR llO (1985), S. 363 (384 ff.) und Stern, Staatsrecht III/1, § 67 II 1, S. 700 ff. 164 BVerfG, Urt. v. 17. 2. 1998, NJW 1998, S. 1627 (1627 f.). 165 BVerfG, Urt. v. 17. 2. 1998, NJW 1998, S. 1627 (1628). 166 Auch das BVerfG scheint von einem im wesentlichen bestehenden Gleichlauf des Schutzes auszugehen, wenn es formuliert: "Der Schutz des Grundrechts urnfaßt sowohl für Mitglieder als auch für die Vereinigung die Selbstbestimmung über die eigene Organisation, das Verfahren ihrer Willensbildung und die Führung ihrer Geschäfte" (so im Urt. v. 1. 3. 1979, BVerfGE 50, S. 290 [354]; bestätigt im Beschl. v. 15. 6. 1989, BVerfGE 80, S. 244 [253]). 167 Anders wohl meint das BVerwG. Im Urt. v. 13. 3. 1997,3 C 5/97, DAR 1997, S. 413 (415) formuliert das Gericht, daß das Recht auf Vereinigungsfreiheit nicht generell die Rechtssphäre des einzelnen Bürgers erweitere. "Was dem einzelnen Bürger verboten ist, wird nicht dadurch zulässig, daß sich mehrere zu diesem Tun zusammenschließen." Diese pauschalierte Sichtweise verkennt das geltende Recht.

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2. Kap.: Verfassungsrechtliche Grundlagen für den (des) Sport(s)

e) Art. 2 Abs. 2 S. 1 GGDas Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheil

Als Grundrecht der Sportausübenden kommt als spezielle Garantie zuletzt noch das Recht auf körperliche Unversehrtheil in Betracht. Das Recht auf Leben spielt insoweit sicher keine relevante Rolle. Das Grundrecht schützt in seiner abwehrrechtlichen Dimension den Menschen in seiner körperlichen Erscheinungsweise vor unmittelbaren und mittelbaren Einwirkungen auf die Substanz des Körpers 168. Anders als etwa die Weltgesundheitsorganisation (WHO), die die Gesundheit als einen "Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens" definiert 169, geht der Schutzbereich des Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG bei weitem nicht so weit. Primär geschützt ist die Integrität der Körpersphäre 170. Psychische Beeinträchtigungen sind in der Konsequenz auch nur dann "eingriffsrelevant", wenn die Einwirkung zu körperlichen Schmerzen vergleichbaren Wirkungen führt 171 . Falsch wäre es deshalb, von einem "Recht auf Gesundheit" zu sprechen172. Als Grundrecht für den Sportausübenden eignet es sich deshalb nur sehr bedingt. Zwar dient Bewegung durch Sport anerkanntermaßen (auch) einer positiven körperlichen Konstitution 173 , jedoch schützt das Grundrecht nur eine Eigenschaft, also primär den status quo der körperlichen Integrität und wehrt Eingriffe in diesen Zustand ab. Das Grundrecht ist folglich nach geltendem Verständnis nicht dynamisch zu verstehen. Es verpflichtet somit den Staat auch (objektiv-rechtlich) nicht, durch Förderung des Sports zur (Wieder-) Herstellung eines "Optimalstandards" körperlichen Wohlbefindens beizutragen. Wenn überhaupt ließen sich für den Sportausübenden, etwa für die Inanspruchnahme der Straßen oder der "freien Natur" 174, nur die zur Sicherung eines Minimalbestandes erforderlichen Abwehrrechte ableiten. Dieser so verfassungsrechtlich gebotene Minimalstandard wäre vielleicht bei einer Beseitigung sämtlicher Betretungs- und Gemeingebrauchsrechte zu Lasten des Sports in der Bundesrepublik betroffen 175. Aktuell in der sportrechtlichen Diskussion wird das Grundrecht allerdings im Zusammenhang mit der Einnahme von leistungsfördernden Mitteln (Doping) disZ. B. Lorenz, in: Isenseel Kirchhof(Hrsg.), HdbStR VI,§ 128, S. 3 (12). Vgl. den Nachweis bei Murswiek, in: Sachs (Hrsg.), Rdnr. 150 zu Art. 2 GG. 170 BVerfG, Beschl. v. 14. 1. 1981, BVerfGE 56, S. 54 (75). 171 BVerfG, a. a. 0 ., S. 74 f. ; Lorenz, in: Isensee / Kirchhof(Hrsg.), HdbStR VI, § 128, S. 3 (13 f.); Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), Rdnr. 30 f. zu Art. 2 Abs. 2 GG. 172 Dazu umfassend Jung, Das Recht auf Gesundheit, 1982; Seewald, Zum Verfassungsrecht auf Gesundheit, 1981. Siehe etwa auch Murswiek, in: Sachs (Hrsg.), Rdnr. 150 zu Art. 2 GG. 173 Stern, in: Becker u. a. (Hrsg.), FS Thieme, S. 269 (277): "Sport ist die ... freiwillig ausgeübte Form körperlicher Betätigung, die für die Gesundheit notwendig ist .. .". 174 Dazu Burgi, Erholung in freier Natur, S. 216 f.; Stadler; Naturschutz und Erholung, s. 71 f. 175 So für die Erholung Burgi, a. a. 0 ., S. 217; Stadler; a. a. 0 ., S. 72. 168

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A. Stellung des Sports bzw. der Sportler im Bundesverfassungsrecht

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kutiert, nämlich inwieweit auf Grund der aus Art. 2 Abs. 2 S. I (i. V. m. Art. I Abs. l S. l u. 2 GG) gefolgerten Schutzpflicht des Staates auch für die körperliche Integrität eine Handlungspflicht des Staates entsteht zur Eindämmung des Dopingmißbrauchs, etwa in Form eines staatlichen (strafrechtlich sanktionierten) Dopingverbots 176• Weiterhin stellt sich die Frage, wie weit im Lichte dieses Grundrechts (in Gestalt seiner Drittwirkung) die Eingriffsbefugnisse der Sportorganisationen zur Kontrolle des Dopings bei den Sportlern insbesondere zur Sicherung eines fairen Wettbewerbs im Leistungssport (Stichwort: Blutentnahme zum Zwecke der Dopinganalytik?) 177, gehen 178. Betrachtet man zunächst die staatlichen Handlungspflichten, so ist im Ausgangspunkt durch die Rechtsprechung des BVerfG die Pflicht des Staates geklärt, sich schützend und fördernd für das Leben und die körperliche Unversehrtheit seiner Bürger einzusetzen und diese Rechtsgüter auch vor rechtswidrigen Eingriffen Dritter zu bewahren 179 . Daß Dopingsubstanzen die Gesundheit erheblich beeinträchtigen (können) und teilweise lebensgefährliche Zustände herbeiführen, bedarf keiner näheren Erörterung 180. Wie dieser Schutz im einzelnen zu realisieren ist, bleibt Aufgabe des Gesetzgebers, der hierbei einen erheblichen Gestaltungsspielraum hat 181 . Das BVerfG sieht die Schutzpflicht des Staates erst bei Evidenz als verletzt an. Diese ist dann gegeben, wenn die öffentliche Hand Schutzvorkehrun176 Auch der Schutz der Menschenwürde in Art. 1 Abs. 1 GG ist diskutiert, aber als Grundlage abgelehnt worden. Vgl. Tettinger, in: Ipsen u. a. (Hrsg.), Verfassungsrecht im Wandel, S. 525 (528 f.); Steiner, in: Württernbergischer Fußballverband (Hrsg.), Doping und Sport, Ostfildem 1990, S. 50 (53 f.); ders., NJW 1991, S. 2729 (2734). Erfolgt ist ein Dopingverbot im Bereich des Sports in § 6a AMG (eingefügt durch G. v. 7. 9. 1998 [BGBI. I S. 2649]). Nach dieser Vorschrift dürfen Arzneimittel zu Dopingzwecken im Sport nicht in den Verkehr gebracht, verschrieben oder angewendet werden. In§ 3 Nr. lb des Tierschutzgesetzes (v. 25. 5. 1998, BGBI. S. 1105, ber. S. 1818) wurde ein weiteres Verbot aufgenommen. Nach dieser Vorschrift ist es untersagt (und als Ordnungswidrigkeit in § 18 Abs. 1 Nr. 4 TierSchG sanktioniert) an einem Tier bei sportlichen Wettkämpfen oder ähnlichen Veranstaltungen Dopingmittel anzuwenden. 177 So auch der Titel der Untersuchung von Tettinger, in: lpsen u. a. (Hrsg.), Verfassungsrecht im Wandel, S. 525. 178 Zur Bedeutung der Berufsfreiheit in diesem Zusammenhang siehe Kap. 2 A. II. I. b) und Steiner; NJW 1991, S. 2729 (2735 f.) sowie Tettinger; in: Ipsen u. a. (Hrsg.), Verfassungsrecht im Wandel, S. 525 (543 f.). 179 BVerfG, Urt. v. 25. 2. 1975, BVerfGE 39, S. 1 (42); st. Rspr.; aktuell: dies., Beschl. v. 17. 2. 1997, NJW 1997, S. 2509, rn. Anrn. Murswiek, JuS 1998, S. 184; Kirchhof, in: Kirchhof (Hrsg.), Recht und Sport, Band 17, S. 41 (46 f.). Allgernein auch Stern, Staatsrecht III/ 1, § 69 IV, S. 931 ff. Bzgl. des Tabakrauchens Faber, DVBI. 1998, S. 745. Ausführlich speziell zum verfassungsrechtlichen Lebensschutz Breuer, in: Ipsen u. a. (Hrsg.), Verfassungsrecht im Wandel, S. 25. 1so Siehe etwa Linck, NJW 1987, S. 2545 (2545; danach sollen bisher 100 Sportler an den Folgen der Einnahme von Dopingmitteln sogar gestorben sein) und SZ Nr. 209 v. 11 . 9. 1997, S. 48 ("Die Nebenwirkungen sind nicht kalkulierbar"). 181 Vgl. etwa BVerfG, Beschl. v. 17. 2. 1997, NJW 1997, S. 394; rn. Anrn. Murswiek, JuS 1998, S. 184; Steinberg, NJW 1996, S. 1985 (1987 f.).

5 Neumann

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2. Kap.: Verfassungsrechtliche Grundlagen für den (des) Sport(s)

gen überhaupt nicht ergreift oder die getroffenen Maßnahmen völlig unzulänglich sind, das gebotene Schutzziel zu erreichen oder erheblich dahinter zurückbleiben182. Umgekehrt rechtfertigt aber auch ein weiter Entscheidungsspielraum im Grundsatz das Tatigwerden des Staates zum Schutz der körperlichen Integrität, weshalb der Staat grundsätzlich im Bereich des Dopings auch in der Form eines Anti-Doping-Gesetzes 183 tätig werden kann. Für den Bund scheint hierbei auch die kompetenzrechtliche Situation geklärt. Sein (konkurrierender) "Antidopingeinsatz" könnte insbesondere über Art. 74 Abs. I Nr. I GG (Strafrecht) bzw. Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG (Verkehr mit Arznei-, Heil- und Betäubungsmitteln) erfolgen184. Bisher hält sich der Gesetzgeber aber zurecht zurück. Zum einen ist sehr fraglich, weshalb der Staat überhaupt in die Binnenordnung der Sportverbände eingreifen sollte, denn die Sicherung eines fairen und auf Chancengleichheit ausgerichteten Sportwettbewerbs ist nicht Aufgabe des Staates, sondern basiert auf sportethischen Gesichtspunkten, also sportspezifischen Werten, deren Setzung und Sicherung (i. S. einer Selbstrege1ungskompetenz) zum Kernbereich der Vereinsautonomie des Art. 9 Abs. 1 GG gehört, folglich dem staatlichen Regelungsbereich im wesentlichen entzogen ist 185 , wenngleich die Politik sich auch diese gern zu eigen macht 186. Aus rechtlicher Sicht problematisch ist aber v. a. die im Einverständnis (bzw. mit Willen) des Sportlers Unter-Strafe-Stellung des (Eigen-) Dopings. Die Pflicht des Staates zur Wahrung der körperlichen Integrität besteht nach der Rechtsprechung richtigerweise lediglich bei Eingriffen von dritter Seite 187. Das Grundrecht verpflichtet den Staat nicht die körperliche Unversehrtheit des Einzelnen vor sich selbst zu schützen 188. In einer freiheitlichen Rechtsordnung, 182 BVerfG, Beschl. v. 14. l. 1981, BVerfGE 56, S. 54 (81). 183 Entsprechende Diskussionen waren im Gange. Siehe etwa den Gesetzesentwurf der SPD v. 3. 7. 1996, BT-Drucks. 14/5215 v. 4. 7. 1996, S. 3; SZ Nr. 225 v. 28/29. 9. 1996, S. 56; SZ Nr. 257 v. 7. 11. 1996, S. 63. Aus der juristischen Literatur Mestwerdt, SpuRt 1997, S. 119; Sreiner, NJW 1991, S. 2729 (2733 f.); ders., in: Doping und Sport, Ostfildern 1990, S. 50 (54 ff.); ders., in: Steiner (Hrsg.), Kinderhochleistungssport, Recht und Sport, Band 1, s. 41 (51 ff.). 184 Siehe auch Mestwerdt, SpuRt 1997, S. 119 (121). 185 Siehe in diesem Zusammenhang auch Mestwerdt, SpuRt 1997, S. 119 (120); Tettinger, in: lpsen u. a. (Hrsg.), Verfassungsrecht im Wandel, S. 525 (530 f.). Stern, in: Schroeder/ Kauffmann (Hrsg.}, Sport und Recht, S. 142 (143) bezeichnet im Zusammenhang mit Art. 9 Abs. I GG "die Eigenständigkeil bei der organisatorischen Gestaltung sowie Autonomie bei der Statuierung sportlicher Verhaltensnormen durch die Verbände und Vereine als unabdingbares Element". 186 Siehe etwa im 8. Sportbericht der Bundesregierung, BT-Drucks. 13/1114 v. 12. 4. 1995, s. 8. 187 Auch das geltende Arznei- und Betäubungsmittelrecht stellt daher den Eigenverbrauch als solches nicht unter Strafe (vgl. etwa §§ 29 ff. BtMG). Dazu Kohlhaas, NJW 1970, S. 1958; Turner, ZRP 1992, S. 121 (122); Schütz-Scheifele, Drogenkriminalität, 2. Auf!. 1993, s. 43 ff. 188 Dazu allgemein Hillgruber, Der Schutz des Menschen vor sich selbst, 1992.

A. Stellung des Sports bzw. der Sportler im Bundesverfassungsrecht

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verfassungsrechtlich abgesichert durch Art. 2 Abs. 1 GG 189, verbietet sich folglich auch eine Sichtweise, aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG eine "Pflicht zu gesundheitsmäßiger Lebensführung" mit dem Staat als "Oberschiedsrichter" i. S. eines staatlichen Wächteramtes über die Gesundheit des Einzelnen zu folgern. Dies wäre eine diametrale Umkehrung unserer freiheitlichen Gesellschaftsordnung 190. Schwieriger ist die Frage nach den Grenzen der autonomen Kontrollbefugnisse der Vereine und Verbände zur Sicherung ihrer ethischen Grundlagen, aber auch zur Sicherung der Gesundheit der Sportler. Rechtfertigt etwa Blutdoping die Blutentnahme? Nun ist klar, daß die Grundrechte im Prinzip kein Abwehrrecht gegen Private bzw. privatautonome Vereine und Verbände geben. Aber die Schutzpflicht des Staates besteht eben auch in bezug auf rechtswidrige Eingriffe von dritter Seite. Ohne hier in das Detail der Drittwirkung der Grundrechte zu gehen 191 , erscheint für den hier interessierenden Bereich geklärt, daß über die Ausstrahlungswirkung der Grundrechte in die Privatrechtsordnung hinein auch Grenzen für die Privatautonomie, insbesondere auch bei der Ausübung der Verbandsmacht, bestehen und insoweit die Grundrechte als "unvertretbare Störungen des Interessengleichgewichts abblockende Barrieren" fungieren 192 . Folge ist also ein "Durchschlagen" des Grundrechts in der Form, daß, auch wenn der "Eingriff.J 93 nicht durch den Staat erfolgt, sondern aus einer Tätigkeit Dritter, der objektiv-rechtliche Gehalt des Abwehrrechts Beachtung ebenso verlangt wie der Grundsatz der Verhältnismäßigkeil in seiner Funktion als Schranke für Grundrechtsschranken 194 . Wendet man diese Grundsätze auf die Praxis der Vereine und Verbände an, so scheinen die Anforderungen des Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG erfüllt zu sein 195 .

189 Zu den Grenzen eines Selbstbestimmungsrechts in diesem Zusammenhang Mestwerdt, SpuRt 1997, S. 119 (121 f.). 190 So richtig Tettinger, in: lpsen u. a. (Hrsg.), Verfassungsrecht im Wandel, S. 525 (530). Siehe dazu auch Hennes, Das Grundrecht auf Schutz von Leben und Gesundheit, 1987, S. 228 f.; Steiner, NJW 1991, S. 2729 (2734 f.); Würtenberger, in: Würtenberger (Hrsg.), Risikosportarten, S. 31 (33 f.) und Krogmann, Grundrechte im Sport, S. 141 f. 191 Dazu etwa BVerfG, Urt. v. 15. I. 1958, BVerfGE 7, S. 198 (204 ff.); dies., Beschl. v. 26. 2. 1967, BVerfGE 25, S. 256 (263 ff.); Stern, Staatsrecht III/ 1, § 76, S. 1509 ff.; Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rdnr. 351 ff. 192 Höjling,Vertragsfreiheit, 1991, S. 52 ff.; Stern, Staatsrecht III/1, § 76, S . 1578 ff. u. 1586 ff. Zu den Formeln der Rspr. in diesem Zusammenhang: BVerfG, Beschl. v. 7. 2. 1990, BVerfGE 81, S. 242 (254 ff.); dies., Beschl. v. 19. 10. 1993, NJW 1994, S. 36 (39). 193 Zur strittigen Frage, ob Blutentnahmen überhaupt einen Eingriff in Art. 2 Abs. 2 GG darstellen: BVerG, Beschl. v. 25. 5. 1956, BVerfGE 5, S. 108 (115); Lorenz, in: lsensee I Kirchhof(Hrsg.), HdbStR VI,§ 128, S. 12 f.; Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), Rdnr. 44 zu Art. 2 Abs. 2 GG. 194 Lorenz, in: lsensee I Kirchhof (Hrsg.), HdbStR VI, § 128, S. 3 (17); Tettinger, in: lpsen u. a. (Hrsg.), Verfassungsrecht im Wandel, S. 525 (538). 195 Ausführlich Tettinger, a. a. 0 ., S. 538 ff. Dort auch zur Bedeutung anderer Grundrechte, wie etwa der Religionsfreiheit des Art. 4 Abs. 1 GG in diesem Zusammenhang ders., a. a. 0., S. 541 ff.

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2. Kap.: Verfassungsrechtliche Grundlagen für den (des) Sport(s)

2. Art. 2 Abs.l GG- Das Recht auffreie Entfaltung der Persönlichkeit. Die allgemeine Handlungsfreiheit

Der hier interessierende Lebensbereich "Sportausübung" ist in Rechtsprechung und Literatur immer schon unter Art. 2 Abs. 1 GG subsumiert, folglich "Eingriffe" an dieser Norm gemessen worden 196. Insoweit läßt sich (ohne verfassungswertende Konsequenz) auch von einem Recht auf Sportausübung 197 sprechen, und zwar ohne Differenzierung nach Wertigkeit oder gar Publikumswirksamkeit der sportlichen Betätigung 198 . Dies folgt aus dem bekannten Verständnis des Art. 2 Abs. 1 GG durch das BVerfG, wonach das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit im weitesten Sinne zu verstehen ist; es schütze die allgemeine Handlungsfreiheit des einzelnen und nicht nur einen wie auch immer verstandenen "Kembereich" der Persönlichkeitsentfaltung 199. Für den Sport bestätigt hat das BVerfG diese Sichtweise explizit in seiner "Reiten im Walde" - Entscheidung 200 . Die durch das abweichende Votum des Richters Grimm201 (kurz) entflammte Diskussion über die "Wiederbelebung einer Kembereichsthese" 202 hat auch in der Literatur zu keiner Neuorientierung geführt203 . 196 OLG Hamm, Beschl. v. 13. 6. 1983, AgrarR 1984, S. 23 (23 f. Reiten); RhPfOVG, Reiten); BWVGH, Urt. v. 13. 3. 1987, Urt. v. 21. 3. 1984, NuR 1985, S. 117 (118 ESVGH 37, S. 173 (180 f. Surfen); Steiner, DÖV 1983, S. 173 (174); Kloepfer!Brandner, NVwZ 1988, S. 115 (116); Knauber, NuR 1985, S. 308 (312). 197 Siehe auch Art. I der Europäischen Charta von 1976 ("Sport für alle"): ,,Jeder Mensch hat das Recht Sport zu treiben". Zitiert nach Klose, Die Rolle des Sports bei der Europäischen Einigung, S. 66. 198 Zu letzterem Steiner, DÖV 1983, S. 173 (174). 199 Grundlegend BVerfG, Urt. v. 16. I. 1957, BVerfGE 6, S. 32 (36 ff.). Anders sieht es freilich bei dem davon zu differenzierenden allgemeinen Persönlichkeitsrecht aus, das im Zusammenspiel mit Art. 1 Abs. 1 GG einen darüber hinausgehenden Schutz für die engere persönliche Lebenssphäre und die Erhaltung ihrer Grundbedingungen gibt (BVerfG, Beschl. v. 3. 6. 1980, BVerfGE 54, S. 148 [153]; dies., Beschl. v. 13. 5. 1986, BVerfGE 72, S, 155 [170]) mit je nach Tiefe der Beeinträchtigung unterschiedlichen Eingriffsbefugnissen des Staates bis hin zu einem unantastbaren Kernbereich privater Lebensgestaltung (BVerfG, Beschl. v. 14. 9. 1989, BVerfGE 80, S. 367 [373 f.]). Zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht z. B. Jarass, in: Jarass/Pieroth, Rdnr. 28 ff. zu Art. 2 GG; Dreier, in: Dreier (Hrsg.), Rdnr. 50 ff. zu Art. 2 GG; Murswiek, in: Sachs (Hrsg.), Rdnr. 41 ff. zu Art. 2 GG. Für die Ausübung des Sports hat der BWVGH (NK-Beschl. v. 14. 10. 1997, VBlBW 1998, S. 225 [228]) entschieden, daß diese nicht zum Kernbereich privater Lebensgestaltung gehört. 200 Beschl. v. 6. 6. 1989, BVerfGE 80, S. 137 (152 f.). Auch das Wandern wurde unter die Vorschrift subsumiert (S. 161). Siehe auch die Ansicht der Bundesregierung im 8. Sportbericht, BT-Drucks. 1311114 v. 12. 4. 1995, S. 11. 2o1 A. a. 0., S. 164 ff. Vgl. auch Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rdnr. 425 ff. 2o2 Die sog. Persönlichkeitskerntheorie geht zurück auf Peters, Das Recht auffreie Entfaltung der Persönlichkeit in der höchstrichterlichen Rechtsprechung, Köln 1963. 203 Pieroth, AöR 115 (1990), S. 33; Degenhart, JuS 1990, S. 162; Kunig, Jura 1990, S. 525; Dimberger, Recht auf Naturgenuß, S. 269 ff.; Burgi, Erholung in freier Natur, S. 232 ff. Erichsen, in: lsensee!Kirchhof(Hrsg.), HdbStR VI,§ 152, S. 1185 (1186), bezeich-

A. Stellung des Sports bzw. der Sportler im Bundesverfassungsrecht

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Stellt ein Akt der öffentlichen Gewalt zulasten des Sports folglich ein Eingriff in die von Art. 2 Abs. l GG geschützte Freiheitssphäre dar, so kann dieser nur Bestand haben, wenn er der verfassungsmäßigen Ordnung entspricht, im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts folgend also in formeller wie materieller Hinsicht mit der Verfassung in Einklang steht204• Zwar ist der Sportausübende deshalb nicht gänzlich vor Beschränkungen seiner Betätigung geschützt, er kann jedoch in materieller Hinsicht verlangen, daß Maßnahmen zu seinen Lasten nur auf der Basis einer (ausreichenden) Ermächtigungsgrundlage erfolgen und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachtet wurde205 • Beispielsweise kann sich deshalb jeder Sportausübende auch gegen sportbeeinträchtigende Verkehrsbeschränkungen (zumindest) auf Grund des Straßenverkehrsrechts, wie auch sonst jeder andere Verkehrsteilnehmer206 , notfalls mittels verwaltungsgerichtlicher Klage, zur Wehr setzen. Auf Grund des weiten Schutzbereichs des Grundrechts sei jedoch auf die Konkurrenzsituation, insbesondere zu Art. 12 Abs. l und Art. 9 Abs. l GG, hingewiesen. Nach ständiger Rechtsprechung ist in Konsequenz zur Ablehnung der "Kernthese" das Persönlichkeitsrecht in Form der allgemeinen Handlungsfreiheit als Auffanggrundrecht konzipiert, mit der Folge der Subsidiarität gegenüber den speziellen Freiheitsrechten, gerade auch gegenüber den hier interessierenden Grundrechten207 . Folge ist, nach der hier vertretenen Auffassung, daß für den organisierten Sport Art. 9 Abs. l GG, für die berufsmäßige Ausübung Art. 12 Abs. l GG, jeweils die spezielleren "Sportausübungsrechte" enthalten. Art. 2 Abs. 1 GG hat dann nach der hier vertretenen Auffassung seine wesentliche Bedeutung bei den nicht berufsmäßig tätigen lndividualsportlern.

net die Rechtsprechung des BVerfG als hinnehmbar. Tettinger, SpuRt 1997, S. 109 (112) bezeichnet polemisch das Sondervotum als "belächeltes Grimmsches Märchen". 204 Z. B. BVerfG, Urt. v. 16. I. 1957, BVerfGE 6, S. 32 (41); dies., Beschl. v. 14. 5. 1986, BVerfGE 72, S. 200 (245) und Beschl. v. 6. 6. 1989, BVerfGE 80, S. 137 (153). 2os Siehe nur BVerfG, Beschl. v. 6. 6. 1989, BVerfGE 80, S. 137 (153). 206 Siehe mit Nachweisen aus der Rechtsprechung Steiner, in: Steiner (Hrsg.), BesVerwR, V., Rdnr. 176. Für straßenrechtliche Einschränkungen des Gemeingebrauchs soll dies allerdings (allgemein) nicht gelten. Siehe dazu Steiner. a. a. 0., Rdnr. 112, der dies zurecht kritisiert. Für den Gemeingebrauch, allerdings im Wasserhaushaltsrecht, wie Steiner auch BWVGH, Urt. v. 11. 7. 1997, NJW 1997, S. 2235 (2235); dies., Urt. v. 13. 3. 1987, ESVGH 37, S. 173 (173), allerdings ohne explizite Heranziehung des Grundrechts. 207 Grundlegend wiederum BVerfG, Urt. v. 16. 1. 1957, BVerfGE 6, S. 32 (37); aktueller: dies., Beschl. v. 26. 5. 1993, BVerfGE 89, S. 1 (1 3). Aus der Lit. Erichsen, in: /sensee/ Kirchhof(Hrsg.), HdbStR VI,§ 152, S. 1185 (1196 ff.).

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2. Kap.: Verfassungsrechtliche Grundlagen für den (des) Sport(s)

B. Die Stellung des Sports und der Sportler im Landesverfassungsrecht I. Die Aussagen der Landesverfassungen zum Sport Im Gegensatz zum Bundesverfassungsrecht befassen sich die Verfassungen der Bundesländer (heute) sehr wohl auch explizit mit dem Sport, dies allerdings erst in jüngster Zeit. Bis zum Erlaß der (Voll-) Verfassungen der neuen Bundesländer, die hier, in bezug auf den Sport, eine geradezu dynamische Verfassungsentwicklung in Gang gesetzt haben, war der Sport bis dahin nur an wenigen, auch wenig prägnanten Stellen erwähnt; ausdrücklich geschrieben im wesentlichen nicht. In Bayern etwa wurde (und wird) im Zusammenhang mit den Erziehungspflichten der Eltern (Art. 126 Abs. 1 S. I BayVerf) und den Bereichen kommunaler Selbstverwaltung (Art. 83 Abs. I BayVerf) die körperliche Ertüchtigung der Jugend angesprochen208, dariiber hinaus (soweit ersichtlich) an keiner Stelle. Das "Signal" hat Art. 11 Abs. 1 der Verfassung des Freistaates Sachsen vom 27. 5. 1992209 gegeben. Diesem folgten zunächst sämtliche neuen Bundesländer (Art. 36 Abs. 1 SachsAnhVerf210; Art. 35 BrandVerf211 ; Art. 16 Abs. 1 MVVerf212 ; Art. 30 Abs. 3 ThürVerf213 ) und nun auch viele "Altbundesländer" (Art. 18 Abs. 3 NWVerf214; Art. 32 BerlVerf215 ; Art. 6 NdsVerf216 ; Art. 140 Abs. 3 BayVerf217 ; Art. 9 Abs. 3 SchlHVerf218 ; Art. 40 Abs. 4 RhPfVerf219 und zuletzt [vorerst] Art. 3c Abs. 1 BWVerf220) mit der Aufnahme einer "Staatszielbestirnmung" für den Sport bei unterschiedlichen Formulierungen. Der Sport hat also Einzug gefunden in das Verfassungsrecht, allerdings, dies sei angemerkt, in der "zweiten Liga" der Verfassungen der Bundesrepublik Deutschland. Nun muß dies aber nicht bedeuten, daß der Sport dadurch nur "zweitklassig spielt". Im Gegenteil: Es wurde bereits erwähnt, daß gerade die Länder und Gemeinden den Hauptanteil an der staatlichen Sportförderung tragen, im Jahre 1993 mit weit über 4,7 Milliarden Mark221 unmittelbare Sportausgaben. 208 Ebenso in Hessen (Art. 55 S. 1 HessVerf); Rheinland-Pfalz (Art. 25 Abs. I S. I RhPfVerf) und im Saarland (Art. 24 Abs. 1 S. I SaarlVerf). 209 GVBI. S. 243. 21o Vom 16. 7. 1992, GVBI. S. 600. 211 Vom 20. 8. 1992, GVBI. S. 298. 212 Vom 23. 5. 1993, GVBI. S. 72. 21 3 Vom 25. 10. 1993, GVBI. S. 625. 214 ÄndG v. 24. ll. 1992, GVBI. S. 448. 21s Vom 23. ll. 1995, GVBI. S. 779. 216 ÄndG V. 21. 11. 1997, GVBI. s. 480. 211 ÄndG v. 20. 2. 1998, GVBI. S. 38. 218 ÄndG v. 20. 3. 1998, GVBI. S. 150. 219 ÄndG v. 8. 3. 2000, GVBI. S. 65. 220 ÄndG v. 23. 5. 2000, GVBI. S. 449.

B. Stellung des Sports und der Sportler im Landesverfassungsrecht

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II. Die Grundrechtssituation des Sports in den Landesverfassungen 1. Art. 141 Abs. 3 S. 1 BayVerf- Das Recht auf Erholung in freier Natur

a) Allgemeines

Eine früher belächelte, als "Grundrecht des Pilzesammelns" bezeichnete Verbürgung222 enthält Art. 141 Abs. 3 S. 1 BayVerf mit der Formulierung: "Der Genuß der Naturschönheiten und die Erholung in der freien Natur, insbesondere das Betreten von Wald und Bergweide, das Befahren der Gewässer und die Aneignung wildwachsender Waldfrüchte in ortsüblichem Umfang istjedermann gestattet", auf eine Kurzformel gebracht: das Recht auf Naturgenuß und Erholung. Die Qualifizierung als Grundrecht beruht vor allem auf dem Willen des Verfassungsgebers. Insbesondere meinte der Abgeordnete Hoegner223 , auf den die Formulierung der Vorschrift zurückgeht, "daß es nicht um den Wert der Pilze, sondern um die Freiheit des Menschen gehe". Zwar läßt die systematische Stellung der Vorschrift224 als solche nicht auf eine grundrechtliche Verbürgung schließen, jedoch hat die Stellung der Vorschrift redaktionelle Gründe225 . Der Wortlaut ist klar ("ist jedermann gestattet"), und deshalb sprach sich auch der BayVerfGH sehr früh dafür aus, der Vorschrift den Rang eines Grundrechts zu geben226, was auch in der Literatur bis heute nur Zustimmung gefunden hat227 . Die Dimension als Teilhaberecht, als das Recht auf Teilhabe an der freien Natur in ihrem jeweiligen Bestand, ist unproblematisch. Schwieriger ist die Frage, ob die nach dem Wortlaut bestehende "Gestattung" auch zu einem Abwehrrecht führt. Richtigerweise besteht aber nur dann ein effektiver Grundrechtsschutz, wenn man Art. 141 Abs. 3 S. 1 BayVerf 221 Vgl. Antwort der Bundesregierung (auf die Große Anfrage v. 22. 1. 1996, BTDrucks. 13/3566) v. 24. 7. 1996, BT-Drucks. 13/5329, S. 7. Andere Statistiken gehen gar von 9,57 Milliarden Mark etwa für das Jahr 1991 aus (vgl. Hockenjos, Öffentliche Sportförderung, S. 179). 222 Vgl. Herzog, BayVBI. 1992, S. 257 (258). lsensee (SächsVBI. 1994, S. 28 [30]) bezeichnet das Grundrecht auf GenuS der Naturschönheiten und die Erholung in freier Natur in Bayern als "folkloristische Nische". 223 Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Verfassungsausschusses der Bayerischen Verfassunggebenden Landesversarnrnlung, Band I, München 1946, S. 274. Die Vorschrift sollte i. ü. bewußt auch einen "deutschrechtlichen Akzent" gegenüber der v. a. römisch-rechtlichen Eigenturnsordnung des Bürgerlichen Rechts setzen. 224 Nicht im Grundrechtskatalog des 2. Hauptteils im 9. Abschnitt, vielmehr im 3. Hauptteil, der mit "Das Gerneinschaftsleben" überschrieben ist. 22s Vgl. hierzu die Ausführungen des Abgeordneten Nawiasky in den Stenographischen Berichten über die Verhandlungen des Verfassungsausschusses der Bayerischen Verfassungsgebenden Landesversarnrnlung, Band I, München 1946, S. 300. 226 BayVerfGH, Entsch. v. 13. 10. 1951, VerfGH 4, S. 206. In der ersten Entscheidung zu dieser Vorschrift v. 24. 2. 1950, VerfGH 3, S. 2 wird noch von einem verfassungsmäßigen Recht gesprochen (2. Leitsatz). 227 Vgl. statt aller Meder, Rdnr. 9 zu Art. 141 BayVerf.

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2. Kap.: Verfassungsrechtliche Grundlagen für den (des) Sport(s)

auch eine abwehrrechtliche Dimension gibt228 . Davon geht im Grundsatz auch erkennbar die Rechtsprechung aus229. Etwa formuliert der BayVerfGH in bezug auf Art. 141 Abs. 3 S. I BayVerf230, daß Beschränkungen des Grundrechts sich am Schutzzweck des Grundrechts orientieren müssen, dessen Wesensgehalt nicht antasten dürfen und sie müssen erforderlich, geeignet und verhältnismäßig sein. Je empfindlicher und nachhaltiger das Grundrecht betroffen wird, desto stärker müssen die Interessen des Gemeinwohls sein. Das Grundrecht berechtigt also, in diesem abgesteckten Rahmen, Eingriffe auch prozessual abzuwehren. Es schützt den Einzelnen (gegenüber Hoheitsträgern) vor behördlichen Einschränkungen seines Rechts auf Naturgenuß und Erholung231 . So hatte der BayVGH im Urt. v. 19. 7. 1988232 auch geprüft, ob durch eine von Anfang an bestehende (straßenrechtliche) Widmungsbeschränkung einer Straße, die zu einem Ausschluß des Reitens führt, das Grundrecht des Art. 141 Abs. 3 S. 1 BayVerf verletzt wird, und festgestellt, daß bei der Bestimmung des Gemeingebrauchs an (rechtlich) öffentlichen Wegen das Betretungsrecht als abwägungserheblicher Belang mit besonderem Gewicht berücksichtigt werden müsse, und hat dem einzelnen insoweit (wohl) zumindest einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung zugebilligt 233 . Das Grundrecht gewährt aber nicht nur gegenüber dem Staat eine Grundrechtsposition. In seiner (bereits unmittelbar) bestehenden Drittrichtung legt es dem privaten Eigentümer (bundesrechtlich gedeckt durch Art. 111 EGBGB 234) Duldungsund Unterlassungspflichten auf und kann insoweit als kraft Verfassungsrechts bestehende (entschädigungslose, da verhältnismäßige235 ) Inhalts- und Schrankenbestimmung für das Eigentum i. S. d. Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG aufgefaßt werden236 . 228 Meder, Rdnr. 7 zu Art. 141 BayVerf, meint denn auch, daß, wenn die Vorschrift nur ein Recht auf Teilhabe gäbe, dies ein "kümmerliches Recht" sei. 229 Siehe etwa BayVerfGH, Entsch. v. 24. 7. 1979, VerfGH 32, S. 92 (97 ff.); Entsch. v. 4. 3. 1994, VerfGH 47, S. 54 (57 f.). 230 Entsch. v. 20. 2. 1990, VerfGH 43, S. 67 (S. 67, 4. Leitsatz); Entsch. v. 4. 3. 1994, VerfGH 47, S. 55 (58). 231 BayVerfGH, Entsch. v. 16. 6. 1975, VerfGH 28, S. 107 (126). 232 NVwZ-RR 1989, S. 226. 233 A. a. 0., S. 227. Dieneuere Entwicklung in der Rechtsprechung des BayVerfGH scheint jedoch, was die Abwehrkraft hinsichtlich rechtswidriger Veränderungen der Natur anbelangt, wieder in eine restriktivere Richtung zu weisen. Vgl. Meder, Rdnr. 8 zu Art. 141 BayVerf m. N. aus der Rechtsprechung u. BayVGH, Urt. v. 18. 7. 1989, NuR 1991, S. 184 (185). 234 Folge: Art. 141 Abs. 3 S. 1 BayVerf ist beschränkendes "Gesetz" i. S. v. § 903 BOB mit der Folge einer Duldungspflicht für den Eigentümer gern. § 1004 Abs. 2 BOB. Vgl. dazu BayVerfGH, Entsch. v. 4. 3. 1994, VerfGH 47, S. 54 (56 f.); dies., Entsch. v. 16. 6. 1975, VerfGH 28, S. 107 (122 ff.); VG München, Urt. v. 27. 11. 1991, BayVBI. 1992, S. 506 (506); Meder, Rdnr. ll zu Art. 141 BayVerf; Palandt!Bassenge, Rdnr. 21 zu§ 903 BOB. 235 Zur Verhältnismäßigkeit BayVGH, Urt. v. 22. 7. 1982, NuR 1984, S. 193 (193); Bartlsperger, in: FS Obermayer, S. 3 (10); Soell, DVBI. 1983, S. 241 (247 f.). Siehe auch Art. 32 Abs. 1 BayNatSchG. Zur Verhältnismäßigkeitsprüfung im Einzelfall vgl. etwa BayVGH, Urt. v. 3. 8. 1988, NuR 1989, S. 136 (137) u. dies., Urt. v. 18. 7. 1989, NuR 1991, s. 184 (185).

B. Stellung des Sports und der Sportler im Landesverfassungsrecht

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Dies führt aber nicht dazu, daß der Erholungssuchende einen verfassungskräftigen Anspruch im Sinne eines Selbsthilferechts unmittelbar gegen den Eigentümer auf Nutzung seines Grundstücks hat, wenn der Verfügungsberechtigte dies, auch rechtswidrigerweise, für die Allgemeinheit erkennbar gesperrt hat237, was aus Griinden der Rechtssicherheit und des Rechtsfriedens sicher richtig ist. Die "Sicherung der Drittwirkung" ist folglich Aufgabe der Behörden, die im Rahmen der Art. 29 ff. BayNatSchG über die Zulässigkeit einer Sperrung zu entscheiden haben. Ist eine Sperre ohne die nach Art. 30 Abs. 1 S. 2 BayNatSchG erforderliche Gestattung der Naturschutzbehörde238 errichtet worden, so kann die zwingende Beseitigung einer bestehenden Sperre von der Behörde jedenfalls nach dem Wortlaut nicht verlangt werden (die Entscheidung ist nach Art. 30 Abs. 3 BayNatSchG239 in ihr Ermessen gestellt). Aufgrund der bereits hohen tatbestandliehen Anforderungen240 wird jedoch, ebenso wie bei einer baurechtliehen Beseitigungsanordnung auf der Grundlage etwa des Art. 82 S. 1 BayBO, rechtmäßigerweise im Regelfall nur die Beseitigung der Sperre in Betracht kommen241 , und für die Erholungssu236 So BayVerfGH, Entsch. v. 4. 3. 1994, VerfGH 47, S. 54 (58) aus Art. 103 Abs. 2, Art. 158 BayVerf; Engelhardt/Brenner/Fischer-Hüftle, Rdnr. 1 zu Art. 21 BayNatSchG; Maunz/Papier, in: Berg u. a., StVerwR in Bayern, Teil A, Rdnr. 303. Die Befugnisse des bayerischen Gesetzgebers zur Festlegung des Inhalts und der Schranken des Eigentums, sind nach der BayVerf die gleichen, wie nach dem GG (Maunz/ Papier, a. a. 0., Rdnr. 290). 237 BayVerfGH, Entsch. v. 4. 3. 1994, VerfGH 47, S. 54 (58 f.); Stapff, SpuRt 1997, S. 17 ( 17). Eine Sperrung kann auf verschiedene Weise erfolgen. Es sind dies alle Maßnahmen, die erkennbar den Zugang zu Flächen in der freien Natur ausschließen sollen bzw. in nicht unerheblicher Weise beschränken (Engelhardt I Brenner I Fischer-Hüftle, Rdnr. 5 zu Art. 22 BayNatSchG), wie z. B. durch die Aufstellung entsprechender Schilder oder durch Einfriedungen, ja sogar durch "psychologische Sperren", wie die Erhebung von Entgelten (vgl. VG Arnsberg, Urt. v. 14. 9. 1994, NVwZ 1995, S. 1243 [1244] m. w. N.). 238 Bzw. in ihrem Einvernehmen, wenn die Errichtung nach anderen Vorschriften einer behördlichen Gestattung bedarf (Art. 30 Abs. 1 S. 1 BayNatSchG). 239 Handelt es sich bei der Sperre um eine Anlage i. S. des Art. 82 S. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 BayBO und entspricht sie weder dem formellen noch dem materiellen Baurecht, so kann die Bauaufsichtsbehörde nach Art. 82 S. 1 BayBO die Beseitigung verlangen (vgl. auch Art. 30 Abs. 3 BayNatSchG). Problematisch in diesem Zusammenhang ist das Verhältnis zwischen den Befugnissen der Naturschutzbehörde, die nach Art. 30 Abs. 3 BayNatSchG die Beseitigung aus den dort genannten Griinden verlangen kann, und v. a. der Bauaufsichtsbehörde, der durch Art. 82 S. I BayBO die gleiche Befugnis eingeräumt wurde, insbesondere wenn die Sperre (vorausgesetzt es handelt sich um eine Anlage i. S. d. Art. 1 Abs. 1 BayBO) "nur" den Anforderungen des Naturschutzgesetzes (Art. 30 Abs. 2 BayNatSchG) widerspricht, da die Bauaufsichtsbehörde nach dem Wortlaut des Art. 82 S. 1 BayBO im Falle allgemein eines Verstoßes gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften, also nicht nur des Baurechts, einschreiten kann. Zu diesem Problemkreis HessVGH, Beschl. v. 5. 12. 1994, DVBI. 1995, S. 524 (525); Dürr, NVwZ 1992, S. 833 (841); Koch/Molodovsky!Rahm, Rdnr. 1 zu Art. 89 BayBO, Stand: August 1995 und allgemein Vondung, VBIBW 1998, S.411. 240 Die Naturschutzbehörde hat über Art. 30 Abs. 3 BayNatSchG sämtliche Voraussetzungen des Art. 29 BayNatSchG zu prüfen. Dieser beriicksichtigt die Interessen des Eigentümers bereits im Tatbestand, wie etwa seine Nutzungsmöglichkeit im Hinblick auf die Fruchtziehung (Nr. 1) und sein Wohnbedürfnis (Nr. 2).

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2. Kap.: Verfassungsrechtliche Grundlagen für den (des) Sport(s)

ehenden besteht deshalb über Art. 141 Abs. 3 S. 1 BayVerf in der Konsequenz dann nicht nur ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung bzgl. der Anordnung der Beseitigung durch die Behörde242 , sondern im Regelfall ein mit verwaltungsgerichtlicher Klage durchsetzbarer Anspruch auf Beseitigung von (rechtswidrigen) Sperren243 .

b) Einzelheiten der Gewährleistungen

Wirft man einen näheren Blick auf Details des Schutzbereichs in personaler und sachlicher Hinsicht, so sind die Ergebnisse aus sportlicher Sicht zumindest verwertbar. In personaler Hinsicht steht das Recht ,,Jedermann" zu. Als solches ist (als einklagbares Recht) geklärt, daß sich weder Naturschutzverbände noch juristische Personen auf das Grundrecht berufen können244 • Folge ist, daß die Bayerische Verfassung kein "Grundrecht für den Deutschen Alpenverein" kennt, aber dem einzelnen, unabhängig ob er Mitglied eines Vereines oder Verbandes ist, ein Grundrecht an die Seite stellt. Räumlich ist Art. 141 Abs. 3 S. 1 BayVerf auf die "freie Natur" beschränkt. Dies bedeutet aber nicht, daß die Natur auch "frei" sein muß, vielmehr ist es gerade unerheblich, ob eine Fläche frei zugänglich ist245 • Auch muß das zu schützende Gebiet nicht außerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile liegen oder gar "unkultiviert" sein. Entscheidend ist, daß die zu schützenden Flächen nicht von der umliegenden Bebauung, sondern von ihrem natürlichen Erscheinungsbild geprägt werden246 , wozu natürlich auch der Wald gehört247 . Wichtig ist noch, daß sich das 241 Für die baurechtliche Beseitigungsanordnung geht das BVerwG vom Grundsatz aus, daß ein Einschreiten geboten ist. Vgl. BVerwG, Beschl. v. 28. 8. 1980, Buchholz 406.11 zu § 35 BBauG, Nr. 168. Auf diese Entscheidung wird noch in anderem Zusammenhang zurückzukommen sein. 242 So aber Friedlein/Weidinger/Graß, Anm. 8 zu Art. 30 BayNatSch u. Engelhardt/ Brenner I Fischer-Hüftle, Rdnr. 13 zu Art. 30 BayNatSchG. 243 Wie hier wohl BayVGH, Urt. v. 17. I. 1983, NuR 1983, S. 239 (240). Der BayVerfGH, Entsch. v. 18. 12. 1981, BayVBI. 1982, S. 334 (335), hat dies ausdrücklich offengelassen. 244 Vgl. Meder, Rdnr. 9 zu Art. 141 BayVerf. Zum (verneinten) prozessualen Klagerecht eines Naturschutzverbandes im Rahmen der Verfassungsbeschwerde nach Art. 120 BayVerf: BayVerfGH, Entsch. v. 16. 6. 1975, VerfGH 28, S. 107 (121); (bejahend) im Rahmen des Popularklageverfahrens nach Art. 98 S. 4 BayVerf: BayVerfGH, a. a. 0., S. 121. 245 Auch Einfriedungen und sonstige Sperren lassen nach der Rspr. die Natur nicht "unfrei" werden (vgl. BayVerfGH, Entsch. v. 4. 3. 1994, VerfGH 47, S. 54 [57 f.]; BayVGH, Urt. v. 14. 4. 1981, BayVBI. 1981, S. 433 [433]; dies., Urt. v. 3. 8. 1988, NuR 1989, S. 136 [136]). Dies ist im Hinblick auf den auch drittgerichteten Abwehrcharakter konsequent, zum Schutz des Substrats des Grundrechts sogar erforderlich. 246 BayObLG, Beschl. v. 4. 2. 1983, NVwZ 1983, S. 503 (504); BayVGH, Urt. v. 3. 8. 1988, NuR 1989, S. 136 (136). Siehe auch BayVerfGH, Entsch. v. 18. 10. 1965,

B. Stellung des Sports und der Sportler im Landesverfassungsrecht

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Betretungsrecht auch auf private (i. S. von nicht nach Straßenrecht gewidmeten) Straßen und Wege erstreckt, oder wie der BayVGH meint, besteht gerade der Sinn des Art. 141 Abs. 3 S. 1 BayVerf darin, den Gemeingebrauch 248 in gewissem Umfang so zu erweitern, daß er auch außerhalb öffentlicher Straßen und Wege auf Privatwegen (und freien Flächen) gewährleistet wird249. Inhaltlich interessant sind aus der Sicht des Sports die Gewährleistungen "Genuß" und "Erholung" in der freien Natur250. Ohne explizite Stütze im Wortlaut werden beide Begriffe subjektiviert, d. h. eine Betätigung hält sich nur dann im Rahmen der Grundrechtsgewährleistung, wenn sie (überwiegend) zum Zweck der Erholung und des Naturgenusses erfolgt251 . Dies erinnert sehr an den noch zu erörternden Inhalt des straßenrechtlichen Gemeingebrauchs, der nur bzw. vorwiegend für Zwecke des Verkehrs besteht. Auch hier stellt sich die Problematik, wie subjektiviert ein solcher Zweck betrachtet werden kann. Genauer wird die Problematik im Rahmen des später noch näher zu untersuchenden einfachen Rechts angesprochen werden. Entschieden ist jedenfalls, daß der "Genuß- und Erholungszweck" von Verfassungs wegen auch sportliche Betätigungen mit umfaßt252. Bestätigt wird diese Sichtweise durch die in Art. 24 BayNatSchG erfolgte Aufnahme sportlicher Betätigungen, soweit damit nicht wirtschaftliche Interessen verfolgt werden253 . Anderes soll freilich für Ieistungs- und wettkampfsportliche Aktivitäten gelten, insbesondere sportliche Veranstaltungen. Diese (genauer: die Teilnehmenden) sollen generell nicht am Grundrechtsschutz teilhaben 254 • Ob dies zutrifft, kann (hier noch) dahingestellt bleiben. Jedenfalls bietet die neue "Sportförderklausel" in Art. 140 Abs. 3 BayVerf durchaus Anlaß, diese Sichtweise (sportfreundlich) zu überdenken. Der (einfache) Gesetzgeber jedenfalls sieht auch (wettkampf-)sportliVerfGH 18, S. 121 (121; Passauer Innpromenade); dies., Entsch. v. 18. 11. 1968, VerfGH 21, S. 197 (201); BayVGH, Urt. v. 19. 7. 1988, NVwZ- RR 1989, S. 226 (227); Meder, Rdnr. 9a zu Art. 141 BayVerf. 247 Meder, Rdnr. 9a zu Art. 141 BayVerf. 248 Ob die Bezeichnung "Gemeingebrauch" in diesem Zusammenhang zutreffend ist, wird noch im Rahmen der Darstellung des einfachen Rechts erörtert werden. 249 BayVGH, Urt. v. 19. 7. 1988, NVwZ- RR 1989, S. 226 (227). Siehe auch BayVerfGH, Entsch. v. 16. 6. 1975, VerfGH 28, S. 107 (126 f.). 250 Zu Details vgl. Burgi, Erholung in freier Natur, S. 339 und Stad/er, Naturschutz und Erholung, S. 75 ff. 251 Explizit spricht der VerfGH davon, daß das Grundrecht nur insoweit gewährleistet ist, als seine Wahrnehmung dem Naturgenuß und der Erholung dient. Vgl. Entsch. v. 17. 8. 1978, VerfGH 31, S. 198 (205); Entsch. v. 24. 7. 1979, VerfGH 32, S. 92 (97). Dieses ,,Zweckerfordemis" ist in den bundesrechtlichen Vorschriften der§§ 27 Abs. 1 BNatSchG, 14 Abs. 1 S. 1 BWaldG explizit gefordert. 252 BayVerfGH, Entsch. v. 16. 6. 1975, VerfGH 28, S. 107 (128). 253 BayVerfGH, Entsch. v. 6. 8. 1981, VerfGH 34, S. 131 (134). 254 BayVerfGH, Entsch. v. 16. 6. 1975, VerfGH 28, S. 107 (129); dies., Entsch. v. 29. 9. 1977, VerfGH 30, S. 152 (160). Siehe auch VG Amsberg, Urt. v. 14. 9. 1994, NVwZ 1995, S. 1243 (1243 f.).

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2. Kap.: Verfassungsrechtliche Grundlagen für den (des) Sport(s)

ehe Veranstaltungen grundsätzlich vom Erholungszweck mit umfaßt, wie die Regelung in Art. 27 BayNatSchG zeigt. Er bringt mit dieser Vorschrift im Gegensatz zur Rechtsprechung des BayVerfGH zum Ausdruck, daß es Erholung nicht nur von den Menschen, sondern auch mit und unter Menschen gibt. Auch dem Motorsport kann, jedenfalls zum großen Teil, ein Erholungszweck nicht gänzlich abgesprochen werden255 . Allgemein kann man sagen, daß die Belastungsintensität für die Natur nicht zum Ausschluß des Erholungszwecks selbst führt. Bezüglich der Art des Erholens ist der Wortlaut sehr restriktiv, in dem er lediglich das "Betreten" und bzgl. der hier nicht interessierenden Gewässer das "Befahren" gestattet. Der Sportler kann jedoch beruhigt sein, wenn er die Auslegung dieser Vorschrift in der Rechtsprechung kennt. Das Betreten ist, wie bereits durch das Wort "insbesondere" explizit zum Ausdruck kommt, nicht in einem engen Sinne, als Fortbewegung zu Fuß, wie etwa das Wandern, zu verstehen. Vielmehr umfaßt die Vorschrift auch andere natürliche und herkömmliche Fortbewegungsarten in der freien Natur, wie Radfahren, Skilaufen, Schlittenfahren, Reiten und auch das Ballspielen256 . Aber nicht nur wer sich aktiv zur Erholung in die freie Natur begibt, ist geschützt, sondern das Betreten umfaßt auch die passive Erholung (gefolgert wohl auch aus dem "Genußzweck" des Art. 141 Abs. 3 S. 1 BayVerf) i. S. eines Aufenthaltsrechts zum "Verweilen", wie etwa das Rasten und Lagern, nicht aber das Zelten und Übernachten 257 . c) Das Gebot der Gemeinverträglichkeit

Wichtig aus der Sicht des Sports ist die Frage, ob es ein unmittelbar kraft Verfassung bestehendes (ggf. ungeschriebenes) "Gebot der Gemeinverträglichkeit" gibt, das bereits den Schutzbereich des Art. 141 Abs. 3 S. 1 BayVerf inhaltlich begrenzt. Wahrend die ursprüngliche Fassung eine solche Beschränkung zumindest im Wortlaut nicht kannte, wurde durch das 5. Änderungsgesetz vom 20. 6. 1984258 mit der 255 A. A. aber etwa Soell, in: Salzwedel (Hrsg.), Grundzüge des Umweltrechts, 1982, S. 481 (555), der dem Motorsport jeden Zusammenhang mit Naturgenuß und Erholung abspricht. So auch die (veraltete) Vollzugsbekanntmachung "Erholung in freier Natur" v. 30. 7. 1976 (LUMB!. S. 135), abgedruckt etwa bei Engelharde I Brenner I Fischer-Hüftle unter C3.14, S. 5. Wie hier: VG Berlin, Urt. v. 26. 11. 1980, NuR 1981, S. 179 für den Modellflugsport (a. A. wiederum BayVGH, Beschl. v. 7. 6. 1977, NuR 1980, S. 25 [26]). Auch Burgi, Erholung in freier Natur, S. 92, sieht insoweit jedenfalls den Erholungszweck nicht als den richtigen Anknüpfungspunkt. 256 Zum Ganzen z. B. BayVerfGH, Entsch. v. 16. 6. 1975, VerfGH 28, S. 107 (122 ff.); dies., Entsch. v. 29. 9. 1977, VerfGH 30, S. 152 (159 f.); Meder; Rdnr. 9a zu Art. 141 BayVerf. Siehe auch Art. 23 f. BayNatSchG und die Vollzugsbekanntmachung, a. a. 0., S. 5. 257 BayObLG, Beschl. v. 7. 12. 1976, BayObLGSt 1976, S. 151 (152 f. und Leitsatz); Engelhardt/ Brenner/ Fischer-Hüftle, Rdnr. 1 zu Art. 22 BayNatSchG. Verfassungsgerichtliche Rechtsprechung ist aber, soweit ersichtlich, explizit zur "passiven Erholung" noch nicht ergangen. 258 GVBl. S. 223.

B. Stellung des Sports und der Sportler im Landesverfassungsrecht

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Einfügung eines S. 2 eine in diese Richtung tendierende Begrenzung aufgenommen. Danach istjedermann verpflichtet, mit Natur und Landschaft pfleglich umzugehen. Allerdings zeigt die Bezugnahme aufS. 1 ("Dabei"), daß die Vorschrift an ein bereits bestehendes Betretungsrecht anknüpft, folglich mehr an eine Art AusübungsregeJung kraft Verfassungsrechts erinnert. Wirft man einen Blick in die Gesetzesmaterialien, so wird jedenfalls nicht ganz klar, welche Bedeutung der Verfassungsgeber der "Einschränkung" geben wollte. Der ursprüngliche Änderungsentwurf der Bayerischen Staatsregierung v. 30. 1. 1984259 sah noch keinen entsprechenden S. 2 vor, dieser wurde aber im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens aufgenommen 260. Primäres Ziel sollte es im Ergebnis wohl sein, den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen nicht nur der Fürsorge des Staates anzuvertrauen, sondern, als Appell 261 , auch jedem einzelnen aufzuerlegen262. Daraus lassen sich aber noch keine Schlußfolgerungen für die hier interessierende Problematik ziehen. Wichtiger erscheint das allgemeine Ziel der Verfassungsänderung, zu einer zwar stärkeren Beachtung des Umweltschutzes zu kommen, nicht jedoch mit der Konsequenz eines "absoluten Vorrangs"263 , weshalb Raum für die Abwägung mit anderen Belangen bleibt264. Umgekehrt wird dadurch klargestellt, daß der Erholung nicht immer und in jeder Form Vorrang vor dem Schutz der Natur gebührt265 . Der BayVerfGH hat in seiner Entscheidung vom 20. 2. 1990266 denn auch formuliert, daß das Grundrecht auf Naturgenuß nunmehr gemäß Art. 141 Abs. 3 S. 2 BayVerf ausdrücklich unter dem Vorbehalt stehe, daß jedermann verpflichtet sei, mit Natur und Landschaft pfleglich umzugehen. Auch andere Formulierungen deuten mehr in Richtung auf eine Schranke der Ausübung des Grundrechts, als auf eine inhaltliche Begrenzung. Gerade in dieser Entscheidung nimmt das Gericht Bezug auf seine ältere Rechtsprechung und formuliert, daß Gesichtspunkte des Naturund Landschaftsschutzes eine Einschränkung des Grundrechts rechtfertigen können, wenn solche Anforderungen erforderlich seien, um Einwirkungen femzuhalten, die die Natur schädigen oder den Naturgenuß beeinträchtigen267 . Bereits früher wurde etwa für das Reiten angenommen, daß aus der Tatsache, daß durch den Reiter (genauer wohl durch das Reiten) möglicherweise erhebliche Schäden in Flur LT-Drucks. 10/2651. Siehe zur Entwicklung des Änderungsgesetzes: Buchner, BayVBI. 1984, S. 385 (386 f.). 261 So auch Engelhardt I Brenner I Fischer-Hüftle, Vorbemerkung zum Abschnitt V des BayNatSchG, Anm. 3. 262 So auch Buchner, a. a. 0., S. 387. 263 So aber noch der Gesetzentwurf der SPD Fraktion v. 26. 1. 1984, LT-Drucks. 10/2725, mit der Formulierung "Umweltschutz hat Vorrang" in Art. 141 Abs. 1 S. I des Entwurfs. 264 Buchner, BayVBI. 1984, S. 385 (387). 265 In anderem Zusammenhang: BayVerfGH, Entsch. v. 20. 2. 1990, VerfGH 43, S. 67 (76). 266 VerfGH 43, S. 67 (75). 267 A. a. 0 ., S. 76. 259

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2. Kap.: Verfassungsrechtliche Grundlagen für den (des) Sport(s)

und Wald entstehen könnten, nicht geschlossen werden dürfe, daß das Reiten schlechthin aus dem Kreis der geschützten Erholungsmöglichkeiten ausgeschlossen sei. Das sei allenfalls eine Frage der Schranken des Grundrechts und damit seiner Reichweite, nicht aber seines Inhalts 268 . Diese erfreulich klare Formulierung hat nicht nur die Bedeutung eines "verfassungsdogmatischen Scheingefechts", vielmehr bedarf es bei der Annahme einer Schranke jeweils der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung im Einzelfall, weshalb das Grundrecht eingeschränkt oder gar verdrängt werden soll. Unter diesem Blickwinkel kann es zwar aus verfassungsrechtlicher Sicht vertretbar sein, Fahrzeuge mit Motorkraft von der Benutzung der Wege auszuschließen269 , jedoch bedeutet dies nicht, daß insoweit die Berufung auf das Grundrecht gänzlich ausgeschlossen ist.

d) Verhältnis zum Bundesrecht

aa) Art. 142 GG Der Schutzbereich des Grundrechts auf Erholung wurde bereits aus der Sicht des Sports erörtert und die Bedeutung der Verbürgung angedeutet, ohne zu klären, ob dieser Vorschrift überhaupt noch im geltenden Recht eine Rolle zukommen kann. Angesprochen sei insoweit zunächst Art. 142 GG, nach dessen Formulierung ungeachtet der Vorschrift des Art. 31 GG Bestimmungen der Landesverfassungen auch insoweit in Kraft bleiben, als sie in Übereinstimmung mit den Art. 1- 18 des GG Grundrechte gewährleisten. Nach dem Willen der Mitglieder des Parlamentarischen Rats sollte durch diese Vorschrift erreicht werden, daß mit Bundesgrundrechten übereinstimmende Landesgrundrechte, trotz der bereits durch Art. 1 Abs. 3 GG bestehenden unmittelbaren Bindung der Landesstaatsgewalt an die Grundrechte des GG, gültig bleiben sollen, um so bei einer behaupteten Verletzung den Rechtsweg zu den Landesverfassungsgerichten nicht bundesverfassungsrechtlich abzuschneiden 270. In Folge des Inkraftbleibens der Landesgrundrechte durch die Regelung des Art. 142 GG wird die Verfassungsautonomie der Länder für den Grundrechtsbereich bekräftigt und den Landesverfassungsgerichten die Aufgabe der Grundrechtsinterpretation eröffnet271 . 268 BayVerfGH, Entsch. v. 16. 6. 1975, VerfGH 28, S. 107 (126). Siehe auch BayVGH, Urt. v. 18. 7. 1989, NuR 1991, S. 184 (185); Soell, DVBI. 1983, S. 241 (247) und die Vollzugsbekanntmachung "Erholung in freier Natur" v. 30. 7. 1976, LUMB!. S. 135, abgedruckt bei Engelhardt/Brenner/Fischer-Hüftle, C3.14, S. 7, wonach sich Beschränkungen des Betretungsrechts aus dem Gesichtspunkt der Gemeinverträglichkeit ergeben, wonach ein Recht nur in der Weise ausgeübt werden darf, daß die Rechtsausübung anderer nicht verhindert oder mehr als nach den Umständen unvermeidbar beeinträchtigt wird. Vgl. auch Art. 21 Abs. 2 BayNatSchG. 269 So Art. 23 Abs. 1 BayNatSchG. Siehe auch VG Regensburg, Urt. v. 17. 3. 1998, NuR 1999, S. 174 (175). 270 Parlamentarischer Rat, JöR I (1951), S. 910 ff. Siehe auch BVerfG, Beschl. v. 15. 10. 1997, NJW 1998, S. 1296 (1298).

B. Stellung des Sports und der Sportler im Landesverfassungsrecht

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Betrachtet man diese Vorschrift etwas genauer, so ist zunächst festzustellen, daß ihr Anwendungsbereich, trotz des klaren Wortlauts, wegen ihres Zwecks über die Grundrechte der Art. 1-18 GG hinaus auf alle mit der Verfassungsbeschwerde geltend zu machenden Grundrechte und grundrechtsgleichen Gewährleistungen zu erstrecken ise72• Ebenfalls entgegen des Wortlauts ("bleiben in Kraft"), der dafür spricht, daß Art. 142 GG nur auf solche Grundrechte der Landesverfassungen anwendbar ist, die bereits vor dem lokrafttreten des Grundgesetzes wirksam waren, wird von der h. M. zurecht aus dem Charakter der Vorschrift als Iex specialis zu Art. 31 GG273 angenommen, daß diese auch für nach dem GG eingeführte Landesgrundrechte zur Anwendung kommt274. Für die hier interessierende Regelung des Art. 141 Abs. 3 S. 1 BayVerf spielt dies allerdings keine Rolle, da diese Vorschrift bereits seit dem Inkrafttreten der Bayerischen Verfassung am 8. 12. 1946275 besteht, also vor dem Inkrafttreten des Grundgesetzes vom 23. 5. 1949. Art. 142 GG sieht die Geltung der Grundrechte der Landesverfassungen nur vor, soweit sie mit den entsprechenden Rechten des Grundgesetzes übereinstimmen. Das ist der Fall, wenn der Gewährleistungsbereich der jeweiligen Grundrechte und ihre Schranken einander nicht widersprechen276. Diese Widerspruchsfreiheit besteht zum einen bei Grundrechten, die inhaltsgleich sind, weil sie den gleichen Gegenstand in gleichem Sinne, mit gleichem Inhalt und in gleichem Umfang regeln277, darüber hinaus, wenn das Landesgrundrecht einen geringeren Schutz als das Grundgesetz bietet, vorausgesetzt, das jeweils engere Grundrecht ist als Mindestgarantie zu verstehen und enthält daher nicht den Normbefehl, einen weiterge271 Pietzcker, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdbStR IV,§ 99, Rdnr. 41. Siehe auch Poscher, NI 1996, S. 351 (352) und Scholz, Umwelt unter Verfassungsschutz, in: BayVerfGH (Hrsg.), Verfassung als Verantwortung und Verpflichtung, S. 177 (189). 272 BVerfG, Beschl. v. 19. 7. 1967, BVerfGE 22, S. 267 (271); dies., Beschl. v. 15. 10. 1997, NJW 1998, S. 1296 ( 1298); Pieroth, in: Jarass I Pieroth, Rdnr. 2 zu Art. 142 GG; Rozek, Das GG als Prüfungs- und Entscheidungsmaßstab der Landesverfassungsgerichte, S. 203 f.; Jutzi, ThürVBI. 1993, Sonderheft, S. B 15 (B 17); Pietzcker, in: Jsensee /Kirchhof (Hrsg.), HdbStR IV, § 99, Rdnr. 42. Siehe auch Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG. 273 Das Verhältnis von Art. 142 GG zu Art. 31 GG ist nicht ganz unumstritten. Überwiegend wird jedoch Art. 142 GG wie hier als Iex speialis bezeichnet (vgl. z. B. v. Campenhausen, in: v. Mangoldtl Klein, Band 14, Rdnr. 4 zu Art. 142 GG und Huber, in: Sachs (Hrsg.), Rdnr. 2 zu Art. 142 GG. 274 BVerfG, Beschl. v. 15. 10. 1997, NJW 1998, S. 1296 (1298); Storr, Verfassunggebung in den Ländern, S. 221 f. ; Dietlein, Die Grundrechte in den Verfassungen der neuen Bundesländer, S. 25 f.; Maunz, in: Maunz/Dürig/Herzog, Rdnr. 6 zu Art. 142 GG; Jutzi, ThürVBI. 1993, Sonderheft, S. B 15 (B 17). m Vgl. Feststellung des Ministerrats v. 4. 12. 1946, StAnz. Nr. 28. 276 BVerfG, Beschl. v. 15. 10. 1997, NJW 1998, S. 1296 (1298). 277 BVerfG, a. a. 0 ., S. 1298, unter Berufung auf Laforet in der 6. Sitzung des Hauptausschusses des Parlamentarischen Rats v. 19. 11. 1948, Sten. Ber., S. 75 (siehe auch JöR 1 [1951], S. 910 f.); Böckenförde/Grawert, DÖV 1971, S. 119 (121).

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2. Kap.: Verfassungsrechtliche Grundlagen für den (des) Sport(s)

henden Schutz zu unterlassen278. Hier interessant ist aber vor allem ein weiterer Fall, in dem "Übereinstimmung" i. S. d. Art. 142 GG angenommen wird. Auch wenn nämlich Landesgrundrechte gegenüber dem Grundgesetz einen weitergehenden Schutz verbürgen, widersprechen sie den Bundesgrundrechten nicht279, denn das Grundgesetz setzt richtigerweise nur einen "Minimalstandard" an Individualrechten fest, ohne ein "Mehr" an Gewährleistung (abstrakt) ausschließen zu wollen280. Einen weitergehenden Schutz gewährt ein Landesgrundrecht, wenn das Grundgesetz eine bestimmte landesgrundrechtliche Gewährleistung in sachlicher oder persönlicher Hinsicht nicht oder nicht so kennt oder wenn die Einschränkungsmöglichkeiten des Landesgrundrechts gegenüber dem Grundgesetz geringer sind281 . Wendet man diese Sichtweise auf das hier interessierende Grundrecht auf Naturgenuß und Erholung in der freien Natur an, so stellt man fest, daß das Grundgesetz keine dem Art. 141 Abs. 3 S. I BayVerf entsprechende Gewährleistung kennt. Zwar erlaßt auch die allgemeine Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. I GG die entsprechenden Verhaltensweisen 282, jedoch nicht in dieser Spezialität und mit dieser drittgerichteten Wirkung zulasten des Eigentümers283 • Vor allem steht die bayerische Gewährleistung nicht explizit unter einer Einschränkungsmöglichkeit, 278 BVerfG, a. a. 0., S. 1298; Pietzcker, in: /sensee I Kirchhof (Hrsg.), HdbStR IV, § 99, Rdnr. 45 ff.; Pieroth, in: Jarassl Pieroth, Rdnr. 3 zu Art. 142 GG; Scholz, Umwelt unter Verfassungsschutz, in: BayVerfGH (Hrsg.), Verfassung als Verantwortung und Verpflichtung, S. 177 (190 f.). Dies ist allerdings sehr strittig. Vgl. die Nachweise zur anderen Ansicht etwa bei Pieroth, a. a. 0., Rdnr. 3 und Rozek, Das GG als Prüfungs- und Entscheidungsmaßstab der Landesverfassungsgerichte, S. 206 f. 279 BVerfG, a. a. 0., S. 1298; Pieroth, in: Jarassl Pieroth, Rdnr. 3 zu Art. 142 GG; Rozek, a. a. 0., S. 205 f.; Starr; Verfassunggebung in den Ländern, S. 226 f.; Jutzi, ThürVBI. 1993, Sonderheft, S. B 15 (B 18); BöckenfördeiGrawert, DÖV 1971, S. 119 (121 f.). Siehe auch Hufen, BayVBI. 1987, S. 513 (516), der sogar annimmt, daß Art. 142 GG den Willen zur Ermöglichung zusätzlicher Grundrechte in den Landesverfassungen bekunde. Siehe auch § 44 Abs. 2 S. 2 RhPfVerfGHG und die Gesetzesbegründung dazu in: LT-Drucks. 12/1643 v. 16. 6. 1992, S. II. A. A. Quaritsch, in: lsensee I Kirchhof (Hrsg.), HdbStR V, § 120, Rdnr. 9 ff. 280 Maunz, in: MaunziDürigiHerzog, Rdnr. 4 zu Art. 142 GG; Pieroth, in: JarassiPieroth, Rdnr. 1 zu Art. 142 GG; Scholz, Umwelt unter Verfassungsschutz, in: BayVerfGH (Hrsg.), Verfassung als Verantwortung und Verpflichtung, S. 177 (191). Ähnlich auch Starr; a. a. 0., S. 227 f., der zwar das Wort "Übereinstimmung" i. S. v. Art. 142 GG sehr eng auslegt, aber trotzdem meint, daß umgekehrt Art. 142 GG keine Begrenzung für ein "Mehr" an grundrechtlicher Gewährleitung enthält, die Grenzen also nur aus Art. 31 GG zu ziehen sind, auch für abstrakte Grundrechtsgewährleistungen. 281 Pieroth, in: JarassiPieroth, Rdnr. 3 zu Art. 142 GG; BöckenfördeiGrawert, DÖV 1971, S. 119 (121 f.). 282 Siehe auch Soell, DVBI. 1983, S. 241 (247). 283 Das BVerfG hat in seiner "Reiten im Walde"-Entscheidung (Beschl. v. 6. 6. 1989, BVerfGE 80, S. 137 [151 f]) allerdings angedeutet, daß Art. 2 Abs. 1 GG durchaus dazu führen könne, daß dadurch (durch die Gestattung des Reitens auf privaten Waldwegen über Art. 2 Abs. 1 GG) zugleich die privatrechtliche Rechtsstellung des (privaten) Waldeigentümers im entsprechenden Umfang eingeschränkt sein könne. Das übersieht v. a. Scholz, Umwelt unter Verfassungsschutz, in: BayVerfGH (Hrsg.), Verfassung als Verantwortung und Verpflichtung, S. 177 (191 ff.).

B. Stellung des Sports und der Sportler im Landesverfassungsrecht

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wie der des "Schrankentrias" des Art. 2 Abs. 1 GG284. Deshalb kann man durchaus von einem "Mehr" an Gewährleistung im Verhältnis zu den Verbürgungen im Grundgesetz sprechen 285 . Rechtsfolge dieses Verständnisses ist zunächst, daß das Grundrecht auf Naturgenuß und Erholung in freier Natur durch Art. 142 GG nicht verdrängt ist, sondern im Gegenteil kraftder angeordneten Rechtsfolge "in Kraft bleibt" 286 . Nun besteht aber noch ein besonderes Problem im Zusammenhang mit Art. 141 Abs. 3 S. 1 BayVerf. So erfreulich die Grundrechtsgewährleistung (auch) für den Sportausübenden prinzipiell ist, so belastend ist sie für den privaten Eigentümer, der als "Drittbetroffener" des Grundrechts die Ausübung des Naturgenusses und der Erholung dulden muß. Diese bereits oben getroffene Feststellung soll hier noch einmal (kurz) aufgegriffen werden. Teilweise wird nämlich auf Grund dieses Zusammenhangs angenommen, daß das bayerische Grundrecht bundesrechtswidrig sei, da Art. 141 Abs. 3 S. 1 BayVerf in die von Art. 14 GG geschützte Position eingreife. Dies führe zur fehlenden "Übereinstimmung" im Sinne von Art. 142 GG287 . Sieht man aber, in Übereinstimmung mit den Vorstellungen des Verfassungsgebers, in Art. 142 GG primär eine Sicherung der Verfassungsautonomie der Länder und der Funktion ihrer Verfassungsgerichtsbarkeit, so steht jedenfalls Art. 142 GG nicht allgemein der Anwendbarkeit des Grundrechts auf Naturgenuß und Erholung entgegen. bb) Art. 31 GG Von der Frage der generellen Geltung des Landesgrundrechts ist zu trennen, ob Art. 141 Abs. 3 S. 1 BayVerf (im Einzelfall) durch Bundesrecht (auch Bundesverfassungsrecht) im Lichte der allgemeinen Kollisionsvorschrift des Art. 31 GG288 284 Wenngleich, darauf sei hingewiesen, auch dem Grundrecht aus Art. 141 Abs. 3 S. 1 BayVerf Schranken gesetzt sind. Nach ständiger Rechtsprechung des BayVerfGH (z. B. Entsch. v. 20. 1. 1990, VerfGH 43, S. 67 [75]) ergeben sich diese aus dem Wesen und Zweck des Grundrechts selbst. Danach sind Beschränkungen dort zulässig, wo die Gerneinschaftsbezogenheit des Menschen oder andere schutzwürdige Güter, insbesondere solche mit Verfassungsrang, dies erfordern (zu Details: BayVerfGH, a. a. 0., S. 75 f.). 285 Teilweise wird insoweit auch von einem alliud gesprochen (z. B. v. Campenhausen, in: v. Mangoldtl Klein, Band 14, Rdnr. 7 zu Art. 142 GG), ohne daß dies aber (negative) Konsequenzen hätte, da Art. 142 GG auch Landesgrundrechten nicht entgegensteht, die das Grundgesetz in sachlicher Hinsicht nicht kennt. 286 Siehe auch BayVerfGH, Entsch. v. 16. 6. 1975, VerfGH 28, S. 107 (122). 287 So wohl Scholz, Umwelt unter Verfassungsschutz, in: BayVerfGH (Hrsg.), Verfassung als Verantwortung und Verpflichtung, S. 177 (192 ff.), der allerdings die Problematik auf S. 192 f. nur umreißt, ohne sie konkret zu prüfen. AufS. 196 stellt er eher unerwartet die Bundesrechtswidrigkeit des Art. 141 Abs. 3 S. 1 BayVerf fest. 288 Auf das kornplizierte Verhältnis zwischen Landesgrundrechten und Bundesrecht, speziell auch das Verhältnis des Art. 31 GG zu Art. 142 GG, aber auch zu Art. 28 Abs. 1 GG kann hier im Detail nicht eingegangen werden. Dem sind bereits viele eigene Arbeiten ge-

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2. Kap.: Verfassungsrechtliche Grundlagen für den (des) Sport(s)

"gebrochen" wird, denn auch wenn Art. 142 GG ein Landesgrundrecht prinzipiell in Kraft läßt, weil es Bundesgrundrechten nicht widerspricht, kann das Landesgrundrecht durch Art. 31 GG verdrängt werden, wenn sein Regelungsgehalt mit Bundesrecht kollidiert289 . Dies setzt aber eine sogenannte Kollisionslage voraus, d. h. die Bundes- und die Landesrechtsnorm müssen auf denselben Sachverhalt anwendbar sein 290 und zu unterschiedlichen Rechtsfolgen führen 291 . Nun besteht aber gerade die Besonderheit des Art. 14 Abs. I GG darin, daß Inhalt und Schranken des Eigentums durch Gesetz bestimmt werden (Art. I4 Abs. I S. 2 GG). Eine solche Inhalts- und Schrankenbestimmung kann durch jede Rechtsnorm erfolgen, also auch einer solchen des Landesrechts, vorausgesetzt die Kompetenzordnung des Grundgesetzes ist gewahrt292; oder allgemein formuliert: Soweit die grundgesetzliehen Grundrechte Drittbetroffener einschränkbar sind, kann ein Landesgrundrecht eine solche Einschränkung vornehmen, wenn die Kompetenzfrage positiv zu beantworten ist293 . Die Kernfrage lautet also zunächst, ob sich Art. I41 Abs. 3 S. 1 BayVerf innerhalb der Kompetenzordnung der Art. 30, 70 ff. GG hält. Dererfaßte Lebensbereich (Erholung in freier Natur) wird im Grundgesetz vor allem durch Art. 75 Abs. 1 Nr. 3 GG (Naturschutz und die Landschaftspflege) kompetenziell erfaßt. Dem Bund ist insoweit (nur) die Rahmengesetzgebung zugewiesen. Dieser ist er durch Erlaß des BNatSchG und des BWaldG294 auch nachgekommen. Beide Gesetze enthalten Betretungsvorschriften für die Erholung (§ 27 BNatSchG und § I4 BWaldG), die sich auch auf die Rahmenkompetenz zur Regelung des Naturschutzes und der Landschaftspflege stützen können295 . widmet. Vgl. z. B. März, Bundesrecht bricht Landesrecht, Berlin 1989; Dietlein, Die Grundrechte in den Verfassungen der neuen Bundesländer, München 1993; Storr; Verfassunggebung in den Ländern, Stuttgart u. a. 1995, v. a. S. 220 ff. 289 So der systematische Ausgangspunkt des BVerfG im Beseht. v. 15. 10. 1997, NJW 1998, S. 1296 (1299), allerdings nur bzgl. einfachem Bundesrecht; die Situation von "drittgerichteten" Landesgrundrechten aber nicht ansprechend. Richtigerweise muß dies dann aber gerade bei drittgerichteten Landesgrundrechten auch für die Vorschriften des GG gelten. Vgl. auch Pieroth, in: Jarass/ Pieroth, Rdnr. 4 zu Art. 142 GG; Pietzcker; in: /sensee/ Kirchhof(Hrsg.), HdbStR IV,§ 99, Rdnr. 50 ff.; v. Campenhausen, in: v. Mangoldt/ Klein, Band 14, Rdnr. 8 zu Art. 142 GG; Maunz. in: Maunz/Dürig/Herzog, Rdnr. 3 zu Art. 142 GG. Siehe auch bereits BVerfG, Urt. v. 30. 4. 1952, BVerfGE 1, S. 264 (280 f.). 290 BVerfG, Beseht. v. 4. 6. 1969, BVerfGE 26, S. 116 (135 f.). 291 BVerfG, Beseht. v. 29. 1. 1974, BVerfGE 36, S. 342 (363); SächsVerfGH, Beseht. v. 21. 9. 1995, NJW 1996, S. 1736 (1737); Saar1VerfGH, Urt. v. 2. 5. 1983, NVwZ 1983, S. 604 (606); Dietlein, NVwZ 1994, S. 6 (8); Gubelt, in: v. Münch/Kunig, Band 2, Rdnr. 3 zu Art. 31 GG; Pietzcker, in: lsensee I Kirchhof, HdbStR IV, § 99, Rdnr. 32 ff. 292 BVerfG, Beseht. v. 8. 11. 1972, BVerfGE 34, S. 139 (146); dies., Urt. v. 10. 3. 1981, BVerfGE 56, S. 249 (260 ff.); dies., Beseht v. 14. 7. 1981, BVerfGE 58, S. 137 (145). So auch noch der richtige Ausgangspunkt bei Scholz, Umwelt unter Verfassungsschutz, in: BayVerfGH (Hrsg.), Verfassung als Verantwortung und Verpflichtung, S. 177 (192 f.). 293 So Pietzcker; in: lsensee/Kirchhof(Hrsg.), HdbStR IV,§ 99, Rdnr. 51. 294 Auch dieses beruht im wesentlichen auf der Kompetenz des Art. 75 Abs. 1 Nr. 3 GG (vgl. BVerwG, Urt. v. 31. 5. 1985, BVerwGE 71, S. 324 [324 f.]). 295 BVerwG, a. a. 0.; dies., Beseht. v. 3. 9. 1990, BVerwGE 85, S. 332 (342 f.).

B. Stellung des Sports und der Sportler im Landesverfassungsrecht

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Nun bedeutet Rahmenkompetenz nicht unmittelbare, im Außenverhältnis Staat/ Bürger zum Tragen kommende Bundeskompetenz, sondern primär die Befugnis zur Setzung von Rahmenrecht für das dann unmittelbar geltende Landesrecht, denn die Rahmengesetzgebung des Bundes richtet sich in erster Linie an die Länder, die über Art. 75 Abs. 3 GG verpflichtet sind, den Rahmen des Bundesrechts auszuführen und auszufüllen. Nur ausnahmsweise (Art. 75 Abs. 2 GG) 296 kann der Bund (im Verhältnis zum Bürger) unmittelbar geltendes Recht setzen. Ansonsten sind die Vorschriften, die der Landesgesetzgeber, auch wenn er sie in Ausführung der Rahmengesetze erläßt, (nur) Landesrecht297 • Ausnahmen sollen nur gelten, falls die Landesregelung sich in einer "zitierenden Wiedergabe" des Bundesrahmenrechts erschöpft298 . Durch das BVerfG ist der rahmenrechtliche Charakter der Betretungsvorschriften infolge der systematischen Stellung, des Wortlauts sowie der Entstehungsgeschichte geklärt299. Ohne hier bereits in Details der Regelungen zu gehen, gestatten diese das Betreten des Waldes bzw. der Flur zum Zwecke der Erholung (§ 14 Abs. 1 S. 1 BWaldG bzw. § 27 Abs. 1 BNatSchG). Nichts anderes wird von Art. 141 Abs. 3 S. 1 BayVerf erfaßt, zumal die Bundesregelungen ausdrücklich auch weitergehende Betretungsvorschriften durch die Länder gestatten bzw. solche unberührt lassen (§ 27 Abs. 3 BNatSchG und § 14 Abs. 2 S. 2 a. E. BWaldG). Das Bundesrecht läßt hier den Ländern also durchaus einen "Ausfüllungsraum". Folglich steht dem Landesgesetzgeber die Kompetenz zur Regelung des Rechts auf Erholung in der Natur zu, auch mit der Konsequenz der Beschränkung der Rechte des Privateigentümers, konkret also die Kompetenz zur Regelung des Inhalts und der Schranken des Eigentums i. S. d. Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG. Ein Kollisionsfall im Gehalt des Art. 31 GG ist somit gar nicht ersichtlich 300. 296 Diese explizit einengende Vorschrift ist aber erst durch Gesetz v. 27. 10. 1994 (BGBI. I S. 3146) eingeführt worden. Zur bis dahin bestehenden Rechtslage: BVerfG, Urt. v. 8. 2. 1977, BVerfGE 43, S. 291 (343); dies., Beschl. v. 28. 3. 1984, BVerfGE 66, S. 270 (285) und BVerwG, Urt. v. 27. 9. 1990, BVerwGE 85, S. 348 (357). 297 BVerfG, Beschl. v. 23. 3. 1965, BVerfGE 18, S. 407 (415). 298 BayVerfGH, Entsch. v. 24. 10. 1984, VerfGH 37, S. 140 (143); dies., Entsch. v. 17. 12. 1984, VerfGH 37, S. 177 (179); dies., Entsch. v. 21. 11. 1985, VerfGH 38, S. 152 (158). 299 BVerfG, Beschl. v. 6. 6. 1989, BVerfGE 81, S. 137 (156 ff.), allerdings unmittelbar nur zu§ 14 BWaldG. Die Ausführungen lassen sich zumindest zum Teil aber auf§ 27 BNatSchG übertragen. Siehe auch BVerwG, Urt. v. 31. 5. 1985, BVerwGE 71, S. 324 (325). 300 Teilweise wird auch angenommen, daß ein Kollisionsfall i. S. von Art. 31 GG schon deshalb ausscheide, weil Bundes- und Landesregelung unterschiedliche Adressaten haben, was gerade im Verhältnis zwischen (nicht unmittelbar geltendem) Bundesrahmen- und dem ausfüllenden Landesrecht der Fall sein soll, da sich das Rahmenrecht an den Landesgesetzgeber als Normadressaten richte(§ 4 BNatSchG und § 5 BWaldG) und das Landesrecht unmittelbar den einzelnen berechtige und verpflichte (so Huber, in: Sachs [Hrsg.], Rdnr. 17 zu Art. 31 GG; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Rdnr. 4 zu Art. 31 GG; Jarass, NVwZ 1996, S. 1041 [1047]). Falls ein Landesgesetz (auch Landesverfassungsrecht) gegen das Bundesrahmengesetz verstößt, so ist die Rechtsfolge nicht ganz unproblematisch. Verstößt das Landesgesetz

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2. Kap.: Verfassungsrechtliche Grundlagen für den (des) Sport(s)

Exemplarisch soll dies an den Reitregelungen kurz "durchgespielt" werden. Nach§ 14 Abs. 1 S. 2 BWa1dG301 ist das Reiten nur auf Straßen und Wegen gestattet. Nach der (bindenden) Auslegung durch das BVerfG ist die Vorschrift i. V. m. Abs. 2 S. 1 so zu verstehen, daß der Landesgesetzgeber das Reiten im Walde nur auf Straßen und Wegen gestatten darf302. Er darf also das Reiten nicht auch außerhalb der Wege gestatten (obere Grenze für die Landesregelung) und bei einer Einschränkung muß er sich an die in § 14 Abs. 2 S. 2 BWaldG angeführten Gesichtspunkte halten (untere Grenze für den Landesgesetzgeber)303 . Innerhalb dieses Rahmens kann der Landesgesetzgeber die Einzelheiten selbst regeln. Das Bundesrecht schreibt insoweit dem Landesgesetzgeber auch nicht vor, welche Regelungssystematik er wählen muß. Er kann sich für die generelle Zulässigkeit des Reitens auf Wegen entscheiden304 genauso wie für ein Regel-Ausnahme-Verhältnis in dem Sinn, daß Reiten im Walde grundsätzlich unzulässig ist, es sei denn, speziell gekennzeichnete Reitwege gestatten ausdrücklich das Reiten (dogmatisch also im Sinne eines Verbots mit Erlaubnisvorbehalt) 305 . Die Bayerische Verfassung erfaßt in Art. 141 Abs. 3 S. 1 im Rahmen des Betretungsrechts auch das Reiten 306 . Diese grundrechtliche Gewährleistung kann folglich dem (einfachen) Landesgesetzgeber gebieten, das Reiten auf Straßen und Wegen nicht von einem Verbot mit Erlaubnisvorbehalt abhängig zu machen307 , denn das Bundesrahmenrecht läßt, wie gesagt, dem Landesgesetz und somit auch dem Landesverfassungsrecht diesen Regelungsspielraum.

gegen unmittelbar geltende Regelungen des Bundesrechts, so scheint sich auch das BVerfG nicht klar darüber zu sein, aus welcher Rechtsnorm die (Teil-) Nichtigkeitsfolge abgeleitet werden soll. Teilweise wird dies (richtigerweise) aus Art. 31 GG gefolgert (so BVerfG, Beschl. v. 28. 3. 1984, BVerfGE 66, S. 291 [310]), andererseits aus Art. 72 Abs. I GG (so BVerfG, Beschl. v. 8. 7. 1992, BVerfGE 87, S. 68 [69] und dies., Beschl. v. 8. 7. 1992, BVerfGE 87, S. 95 [95]). Bei nicht unmittelbar geltendem Bundesrecht liegt richtigerweise kein Kollisionsfall i. S. d. Art. 31 GG vor, vielmehr läßt sich der Verstoß (mit der Folge Nichtigkeit bzw. Teilnichtigkeit) aus Art. 75 Abs. 3 GG ableiten (siehe Jarass, NVwZ 1996, S. 1041 [1047]). 301 Der sachliche Gehalt des § 27 BNatSchG soll auch insoweit übereinstimmen. Vgl. BVerfG, Beschl. v. 6. 6. 1989, BVerfGE 80, S. 137 (159). 302 BVerfG, a. a. 0., S. 158. 303 BVerfG, a. a. 0., S. 158. 304 So etwa die Regelung in Art. 23 Abs. 1 S. 1 BayNatSchG. 305 So wohl die Regelung in§ 50 Abs. 2 NWLandschG. Vgl. BVerwG, Urt. v. 31. 5. 1985, BVerwGE 71, S. 324 (Leitsatz); BrandOVG, Urt. v. 5. 12. 1996, SpuRt 1999, S. 120 (121). 306 BayVerfGH, Entsch. v. 16. 6. 1975, VerfGH 28, S. 107 (126). 307 So noch Art. 24 Abs. 2 S. 1 des BayNatSchG v. 27. 7. 1973, GVBI. S. 437, der vom BayVerfGH in der Entsch. v. 16. 6. 1975, a. a. 0., aufgehoben und für nichtig erklärt wurde. Hingewiesen sei jedoch noch darauf, daß zur damaligen Zeit auch das Reiten außerhalb der Wege in der Flur möglich war. Diese heute vom Rahmenrecht des Bundes nicht mehr gedeckte Erstreckung (Uberschreiten der Obergrenze) war (noch) nicht bindend. Vgl. BayVerfGH, a. a. 0 ., S. 119.

B. Stellung des Sports und der Sportler im Landesverfassungsrecht

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Allgemein läßt sich festhalten: Ein Landesgrundrecht, das mehr Schutz als das Grundgesetz gewährt, kollidiert nicht mit einer bundesrechtlichen Regelung, die Spielräume für die Berücksichtigung von weitergehendem Landesrecht läße08. Dies kann sogar zu der (auch) prozessualen Konsequenz führen, daß zunächst bezüglich einer behaupteten Grundrechtsverletzung (etwa des Art. 2 Abs. l GG) das BVerfG angerufen wird, dieses die Landesrechtsnorm für verfassungsgemäß, d. h. mit dem Grundgesetz oder mit (sonstigem) Bundesrecht für vereinbar erklärt hat, und daß anschließend das Landesverfassungsgericht sie (z. B. im Rahmen einer Verfassungsbeschwerde oder Grundrechtsklage) noch unter dem Gesichtspunkt der Vereinbarkeit mit der Landesverfassung prüft und im Ergebnis gegebenenfalls die Bestimmung für nichtig erkläre09.

2. Erholungsrechte in anderen Verfassungen

Eine ähnliche Vorschrift wie Art. 141 Abs. 3 S. l BayVerf enthält Art. 10 Abs. 3 S. 1 der SächsVere 10• Danach "erkennt" das Land das "Recht" auf Genuß der Na308 BVerfG, Beschl. v. 15. 10. 1997, NJW 1998, S. 1296 (1299); BayVerfGH, Entsch. v. 4. 3. 1994, VerfGH 47, S. 54 (56 f.); Saar!VerfGH, Urt. v. 2. 5. 1983, NVwZ 1983, S. 604 (606); Held, NVwZ 1995, S. 534 (537 f.); Schlaich, Das BVerfG, S. 233 f. Siehe auch § 44 Abs. 2 S. 2 RhPfVerfGHG, nach dessen Begründung (LT-Drucks. 12/1643 v. 16. 6. 1992, S. 11) auch bei der Anwendung von Bundesrecht der Verfassungsgerichtshof ang.erufen werden könne. Trotz des Vorrangs des Bundesrechts sei auch in diesen Fällen eine Oberprüfung am Maßstab der Landesverfassung möglich, wenn das Bundesrecht für eine Beachtung der Landesverfassung Raum lasse. 309 So BVerfG, Beschl. v. 25. 1. 1985, BVerfGE 69, S. 112 (117). Allgemein geht das BVerfG zurecht davon aus, daß Verfassungsgerichte der Länder neben dem Bundesverfassungsgericht stehen, also prinzipiell ihren eigenen Verfassungsraum unabhängig "überwachen" können. Folglich ist auch die Anrufung des BVerfG im Wege der Verfassungsbeschwerde weder von der vorherigen Anrufung des Landesverfassungsgerichts abhängig (da die Möglichkeiten der Erhebung einer Verfassungsbeschwerde oder einer Grundrechtsklage, nicht zu dem "Rechtsweg" i. S. des § 90 Abs. 2 S. 1 BVerfGG gehört; BVerfG, Beschl. v. 18. 1. 1996, NJW 1996, S. 1464, 1. Leitsatz), noch unter dem (problematischen) Gesichtspunkt der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde (dazu z. B. Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Rdnr. 46 zu Art. 93 GG und Schlaich, Das BVerfG, S. 156 ff.) ausgeschlossen ist (vgl. auch § 90 Abs. 3 BVerfGG). Umgekehrt schließt die Möglichkeit der Erhebung einer Verfassungsbeschwerde zum BVerfG nicht die Möglichkeit aus, das Landesverfassungsgericht in entsprechenden Verfahren anzurufen. Allerdings haben manche Länder (formelle) Subsidiaritätsklauseln (mit unterschiedlichem Inhalt) im Verhältnis zum BVerfG eingeführt (vgl. §§ 45 Abs. I BrandVerfGG, 49 Abs. 1 Ber!VerfGHG, 55 Abs. 3 Saar!VerfGHG, 44 Abs. 2 RhPfVerfGHG, 57 Abs. 3 MVLVerfGG).Vgl. dazu Stern, Der Aufschwung der Landesverfassungsbeschwerde, in: BayVerfGH (Hrsg.), Verfassung als Verantwortung und Verpflichtung, S. 241 (249 ff.). Siehe zu § 49 Abs. 1 BerlVerfGHG: BVerfG, Beschl. v. 18. l. 1996, NJW 1996, S. 1464 (1464). 310 Die anderen Bundesländer kennen ein Recht zur Erholung als eigenständige Verfassungsnorm nicht. Im Zusammenhang mit der Umwelt werden lediglich dem Land (inklusive seiner Gemeinden und Gemeindeverbände) entweder Zugangsermöglichungsverpflichtungen zur Natur (so Art. 40 Abs. 3 BrandVerfund Art. 12 Abs. 2 S. 2 MVVerf) oder allgemein nur

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2. Kap.: Verfassungsrechtliche Grundlagen für den (des) Sport(s)

turschönheiten und Erholung in der freien Natur "an". Aus den Formulierungen "Recht" und "anerkennen" könnte man zunächst schließen, daß diese Bestimmung durchaus auch einen subjektiv-rechtlichen Gehalt hat. Allerdings steht die Vorschrift systematisch nicht im Grundrechtskatalog des 2. Abschnitts, sondern im 1. Abschnitt der Verfassung, der mit "Grundlagen des Staates" überschrieben ist. Nun muß die systematische Stellung nicht unbedingt gegen die Einordnung als Grundrecht sprechen, wie das "bayerische Vorbild"311 gezeigt hae 12. Blickt man in die Literatur, so ergibt sich wenig klarstellendes dazu. Teilweise wird die Problematik gar nicht erkanne 13 . Andere sehen die Frage als klärungsbedürftig an, ohne sie selbst zu klären314. Andere gehen (ohne Begründung) von einem verfassungskräftigen subjektiven Recht aus315 und wieder andere lehnen die Grundrechtsqualität vor allem aus den bereits angesprochenen systematischen Gründen ab316. Letzterem hat sich, unter zusätzlicher Berufung auf die Entstehungsgeschichte, der SächsVerfGH in der Entscheidung vom 13. 1. 1997317 angeschlossen und formuliert, daß das in Art. l 0 Abs. 3 SächsVerf geregelte Recht auf Genuß der Naturschönheiten und Erholung in freier Natur kein Grundrecht sei, sondern eine (nur) den Staat verpflichtende Norm des objektiven Verfassungsrechts318 . Folglich ist weiterhin nur in Bayern dem Sportler ein Erholungsgrundrecht an die Seite gestellt. Allerdings, darauf sei hingewiesen, heißt dies nicht, daß sich der Sportler in den anderen Ländern (wie noch zu zeigen sein wird) ohne rechtliche Absicherung319 in der freien Natur bewegt; ihm steht aber kein (spezieller) verfassungskräftiger Anspruch auf "Sport in der freien Natur" zur Seite. Schutzpflichten für Natur und Umwelt bzw. für die natürlichen Lebensgrundlagen (so Art. 26a HessVerf; Art. 29a NWVerf; Art. 69 RhPfVerf; Art. 59a SaarlVerf; Art. 35 Abs. 1 S. 1 SachsAnhVerf; Art. 7 SchlHVerf und Art. 31 Abs. 1 ThürVerf) ggf. auch dem einzelnen (so Art. 59a Abs. 1 S. 1 SaarlVerf; Art. 35 Abs. 2 SachsAnhVerf und Art. 31 Abs. 1 ThürVerf) auferlegt. Dagegen kannte die Verfassung der ehemaligen DDR (v. 6. 4. 1968, GBl. S. 199, in der Fassung des "Ergänzungs- und Änderungsgesetzes" v. 7. 10. 1974, GBl. I S. 425) in Art. 35 Abs. 1 ein "Recht des Bürgers auf Freizeit und Erholung". 311 So Degenhart, in: Stober (Hrsg.), HdbSächsStVerwR, § 2, Rdnr. 23. 312 Auch das GG kennt zumindest grundrechtsgleiche Rechte außerhalb des Katalogs der Art. 1-19 GG (Art. 20 Abs. 4, 33, 38, 101, 103 und 104 GG; vgl. Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG). Dazu etwa Pieroth in: Jarass/ Pieroth, Rdnr. 54 zu Art. 93 GG. 313 So von Kunzmann, in: Kunzmann u. a., Rdnr. 13 zu Art. 11 SächsVerf und Müller, Anm. zu Art. 11 SächsVerf. 314 So Degenhart, in: Stober (Hrsg.), HdbSächsStVerwR, § 2, Rdnr. 23. In LKV 1993, S. 33 (35) spricht er sich noch explizit gegen eine subjektive Gewährleistung aus. 315 So Isensee, SächsVBl. 1994, S. 28 (30). 316 So Degenhart, LKV 1993, S. 33 (35); Burgi, Erholung in freier Natur, S. 333 f. und Vitzthum, VBIBW 1991, S. 405 (407). Letzterer aber noch zum, allerdings insoweit identischen, Verfassungsentwurf des Verfassungsausschusses, Stand: Mai 1991 (vgl. Nachweis bei Vitzthum, a. a. 0 ., S. 406). 317 LKV 1997, S. 251 (251 f.). 318 A. a. 0 ., S. 252 u. 1. Leitsatz. 319 Abgesehen natürlich von Art. 2 Abs. 1 GG.

B. Stellung des Sports und der Sportler im Landesverfassungsrecht

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3. Weitere sportrelevante Grundrechte in den Landesverfassungen

Zwar kennen einige Verfassungen einen eigenen Grundrechtskatalog320, jedoch bestehen hier aus der Sicht des Sports keine Besonderheiten gegenüber dem Bundesverfassungsrecht Eigenständige Grundrechte (im Sinne einer eigenständigen Bedeutung) sind aus sportlicher Sicht nicht formuliert. Die Länder kennen auch im wesentlichen die gleichen Gewährleistungen wie das Grundgesetz, so das Eigentumsrecht321, die Berufsfreiheit322, die Freizügigkeit323, die Vereinigungsfreiheie24, das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheie 25 und das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit auch im Sinne einer allgemeinen Handlungsfreiheit326, jedoch, soweit man dies beurteilen kann, ohne eigenständigen Inhalt, sieht man von kleinen Nuancen ab327 . Dies hat sicher viele Gründe. Dazu gehört 320 Die Verfassungen von Harnburg und Schleswig-Holstein enthalten keinen, die Verfassungen von Baden-Württemberg, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen keinen eigenen Grundrechtskatalog (letztere verweisen auf die Grundrechte und staatsbürgerlichen Rechte des Grundgesetzes und erklären sie zum Bestandteil ihrer Verfassung, vgl. Art. 2 Abs. 1 BWVerf, Art. 3 Abs. 2 S. 1 NdsVerf und Art. 4 Abs. 1 NWVerf). Mecklenburg-Vorpommem verweist in Art. 5 Abs. 3 ebenfalls entsprechend auf das Grundgesetz, enthält aber in Art. 5 ff. auch eigenständige Regelungen. 321 Art. 103 Abs. 1 BayVerf, Art. 15 Abs. 1 S. 1 Ber!Verf, Art. 41 Abs. 1 S. 1 BrandVerf, Art. 13 Abs. 1 S. 3 BremVerf, Art. 45 Abs. 1 S. 1 HessVerf, Art. 60 Abs. 1 RhPfVerf, Art. 18 Abs. 1 Saar!Verf, Art. 31 Abs. 1 S. 1 SächsVerf, Art. 18 Abs. 1 SachsAnhVerf und Art. 34 Abs. 1 S. 1 ThürVerf. 322 Art. 49 BrandVerf, Art. 8 S. 2 BremVerf, Art. 58 RhPfVerf, Art. 28 Abs. 1 S. 1 SächsVerf, Art. 16 Abs. 1 S. 1 SachsAnhVerf und Art. 35 Abs. 1 S. 1 ThürVerf. Die BayVerf kennt zwar einschlägige Programmsätze (z. B. Art. 151 Abs. 2, 153 S. 3 und 166 Abs. 2 BayVerf), jedoch kein eigenständiges Grundrecht der Berufsfreiheit. Aber in der Auslegung wird aus der allgemeinen Handlungsfreiheit des Art. 101 BayVerf ein Grundrecht der Berufsfreiheit anerkannt und die Rechtsprechung des BVerfG zu Art. 12 Abs. 1 GG wird in diesem Bereich zur Präzisierung der Gewährleistung herangezogen. Vgl. Meder, Rdnr. 10 zu Art. 101 BayVerf mit umfangreichen Nachweisen aus der Rspr. des BayVerfGH. 323 Art. 109 Abs. 1 S. 1 BayVerf, Art. 11 Ber!Verf, Art. 17 Abs. 1 BrandVerf, Art. 18 BremVerf, Art. 6 HessVerf, Art. 15 S. 1 RhPfVerf, Art. 9 Abs. 1 S. 1 SaarlVerf, Art. 15 Abs. 1 SachsAnhVerf und Art. 5 Abs. 1 ThürVerf. 324 Art. 114 Abs. 1 BayVerf, Art. 18 Abs. 1 Ber!Verf, Art. 20 Abs. 1 S. 1 BrandVerf, Art. 17 S. 1 BremVerf, Art. 15 HessVerf, Art. 13 Abs. 1 RhPfVerf, Art. 7 Abs. 1 SaarlVerf, Art. 24 Abs. 1 SächsVerf, Art. 13 Abs. 1 SachsAnhVerf und Art. 13 Abs. 1 ThürVerf. 325 Art. 8 Abs. 1 S. 1 BrandVerf, Art. 3 HessVerf, Art. 3 Abs. 1 RhPfVerf, Art. I S. 2 SaarlVerf (nur Leben), Art. 16 Abs. I S. 1 SächsVerf, Art. 5 Abs. 2 S. 1 SachsAnhVerf und Art. 3 Abs. 1 S. 1 ThürVerf. 326 Art. 101 BayVerf, Art. 10 BrandVerf, Art. 3 Abs. 1 S. 1 BremVerf, Art. 2 Abs. 1 S. 1 und 2 HessVerf, Art. 2 RhPfVerf, Art. 2 S. 1 Saar!Verf, Art. 15 SächsVerf, Art. 5 Abs. 1 SachsAnhVerf und Art. 3 Abs. 2 ThürVerf. 327 So meint etwa der BayVerfGH, daß sich v. a. auch Gemeinden auf das Eigentumsrecht des Art. 103 BayVerf berufen können, wenn sie sich in einer "grundrechtstypischen Gefährdungslage" befanden (BayVerfGH, Entsch. v. 13. 7. 1976, VerfGH 29, S. 105 [119 ff. u. 125 ff.]), also v. a. im fiskalischen Bereich. Das BVerfG lehnt dies ab (vgl. BVerfG, Beschl. v. 8. 7. 1982, BVerfGE 61, S. 82 [105 ff.]) mit dem "Sätzchen", daß Art. 14 GG nicht das

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2. Kap.: Verfassungsrechtliche Grundlagen für den (des) Sport(s)

etwa, daß nicht alle Bundesländer ein Verfassungsgericht kennen, dem auch der Schutz der Grundrechte des einzelnen obliegt328 und wenn doch, wie insbesondere in Bayern, wo nicht nur die Möglichkeit besteht, unter Berufung auf die Verletzung eigener verfassungsmäßiger Rechte durch eine Behörde (Art. 66, Art. 120 BayVerf) eine Verfassungsbeschwerde329 zu erheben, sondern auch, unter Berufung auf (behauptete) Grundrechtsverletzungen durch Gesetze und Verordnungen, ein Popularklageverfahren (Art. 98 S. 4 BayVerf) angestrengt werden kann, ist die Auslegung der hier interessierenden Regelungen entweder identisch mit der Rechtsprechung des BVerfG oder zumindest an diese deutlich angelehne 30•

Privateigentum schütze, sondern das Eigentum Privater (a. a. 0., S. 108 f.) bzw. generell eine "grundrechtstypische Geflihrdungslage" ablehnt (a. a. 0 ., S. 105); offengelassen allerdings für nicht näher spezifizierte besonders gelagerte Ausnahmefalle (a. a. 0., S. 109). 328 Baden-Württemberg, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen kennen nur eine kommunale Verfassungsbeschwerde gegen Gesetze (Art. 76 BWVerf, Art. 54 Nr. 5 NdsVerf und Art. 75 Nr. 4 NWVerf i. V. m. §§ 12 Nr. 8, 52 des NWVerfGHG); Bremen und Harnburg haben keine Verfassungsbeschwerde, kennen im wesentlichen nur Verfahren mit staatsorganisationsrechtlichem Inhalt (siehe Art. 140 S. 1 BremVerf, Art. 65 Abs. 2 HambVerf); Schleswig-Holstein hat gar kein eigenes Verfassungsgericht und deshalb sämtliche Verfassungsstreitigkeiten dem BVerfG übertragen (Art. 44 SchlHVerf). 329 Folgende Länder kennen neben Bayern Verfassungsbeschwerden zu ihren Landesverfassungsgerichten: Berlin (Art. 72 Abs. 2 Nr. 4 Ber!Verf), Brandenburg (Art. 113 Nr. 4 BrandVerf), Mecklenburg-Vorpomrnern (Art. 53 Abs. 1 Nr. 7 MVVerf), Rheinland-Pfalz (Art. 135 Abs. 1 Nr. 6 RhPfVerf i. V. m. § 44 Abs. 1 RhPfVerfGHG), Saarland (Art. 97 Nr. 4 SaariVerf i. V. m. § 9 Nr. 13 SaariVerfGHG, Sachsen (Art. 81 Abs. 1 Nr. 4 SächsVerf), Sachsen-Anhalt (Art. 75 Nr. 6 SachsAnhVerf) und Thüringen (Art. 80 Abs. 1 Nr. 1 ThürVerf). Hessen kennt eine sog. Grundrechtsklage zum Staatsgerichtshof (Art. 131 Abs. I HessVerf i. V. m. §§ 43 ff. HessStGHG). Zu den einzelnen Regelungen über die Verfassungsbeschwerden in den Ländern: Stern, Der Aufschwung der Landesverfassungsbeschwerde im wiedervereinigten Deutschland, in: BayVerfGH (Hrsg.), Verfassung als Verantwortung und Verpflichtung, S. 241 und (veraltet) Schumann, Verfassungsbeschwerde (Grundrechtsklagen) zu den Landesverfassungsgerichten, in: Starck/ Stern (Hrsg.), Landesverfassungsgerichtsbarkeit, Teilband li, S. 149. 330 Vgl. für den Gleichheitssatz: Götz, Die Gleichheitsgarantie in der Rechtsprechung der Landesverfassungsgerichte, in: Starck/Stern (Hrsg.), Landesverfassungsgerichtsbarkeit, Teilband III, S. 361 (401); für die Meinungs-, Presse-, Kunst-, Vereins- und Versammlungsfreiheit: Tettinger, Die politischen und kulturellen Freiheitsrechte in der Rechtsprechung der Landesverfassungsgerichte, in: Starck/Stern (Hrsg.), Landesverfassungsgerichtsbarkeit, Teilband III, S. 271 (316); zur Handlungsfreiheit, Freizügigkeit und Religionsfreiheit: Rüfner; Die persönlichen Freiheitsrechte der Landesverfassungen in der Rechtsprechung der Landesverfassungsgerichte, in: Starck/Stern (Hrsg.), Landesverfassungsgerichtsbarkeit, Teilband III, S. 247 (268 f.); zur Eigentums- und Berufsfreiheit Papier; Die wirtschaftlichen Freiheitsrechte in der Rechtsprechung der Landesverfassungsgerichte, in: Starck/Stern (Hrsg.), Landesverfassungsgerichtsbarkeit, Teilband III, S. 319 (350 ff.). Allgemein auch Rozek, Das Grundgesetz als Priifungs- und Entscheidungsmaßstab der Landesverfassungsgerichte, v. a. S. 182 ff. Siehe speziell zur Bayerischen Verfassung im Vergleich zu den Gewährleistungen des GG: Maunz / Papier, in: Berg u. a., StVerwR in Bayern, Teil A, Rdnr. 272 ff.

8 . Stellung des Sports und der Sportler im Landesverfassungsrecht

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4. Die Bedeutung der Landesgrundrechte bei der Anwendung von Bundesrecht

a) Die Anwendung der Prozeßordnungen

Eingeleitet wurde die Diskussion der letzten Jahre bezüglich der Anwendbarkeit der Landesverfassung auch bei der Anwendung von Bundesrecht zunächst im Zusammenhang mit den verfassungsrechtlich geschützten prozessualen Rechten. Die häufig bestehende Kongruenz der grundrechtliehen bzw. grundrechtsgleichen Gewährleistungen hat denn auch wichtige Konsequenzen für die Überprüfungsmöglichkeit von gerichtlichen Entscheidungen der Ländergerichte durch die Landesverfassungsgerichte. Das BVerfG hat in seinem Beschl. v. 15. 10. 1997331 , auf Vorlage des SächsVerfGH332 gern. Art. 100 Abs. 3 GG, die bis dahin strittige Frage im Grundsatz geklärt, ob die Landesverfassungsgerichte eine landesfachgerichtliche Entscheidung, die auf der Grundlage bundesrechtlicher Verfahrensordnungen (wie ZPO, StPO, VwGO, FGO und SGG) ergeht, am Maßstab subjektiver Landesverfassungsrechte und zwar auf die Einhaltung verfahrensrechtlicher, also formeller Rechte, wie das Gebot des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG), des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. l S. 2 GG), einer fairen Verfahrensgestaltung (Art. 20 Abs. 3 GG) 333 und eines effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG)334 sowie das Willkürverbot (Art. 3 Abs. l GG)335 überprüfen können, wenn die Landesverfassungen diese Rechte in gleichem Sinn und mit gleichem Inhalt wie die Gewährleistungen im Grundgesetz garantieren, also auch in der Auslegung kongruent sind, folglich i. S. d. Art. 142 GG336 "übereinstimmen" und deshalb prinzipiell gelten 337 • Das BVerfG hat dies im Grundsatz bejaht, vorausgesetzt der von 331 NJW 1998, S. 1296. Zu dieser Entscheidung siehe die Besprechung von Menzel, NVwZ 1999, S. 1314. 332 Beschl. v. 21. 9. 1995, NJW 1996, S. 1736. 333 Aus dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG und Art. 2 Abs. 1 GG, abgeleitetes (eigenes) "Prozeßgrundrecht" (z. 8. BVerfG, Beschl. v. 26. 4. 1988, BVerfGE 78, S. 123 [126]; unter dem Einfluß des Art. 3 Abs. 1 GG wird auch das Gebot der "Waffengleichheit" der Prozeßbeteiligten abgeleitet (z. 8. BVerfG, Beschl. v. 24. 4. 1985, BVerfGE 69, S. 248 [254]). 334 In zivilrechtliehen Streitigkeiten aus Art. 2 Abs. I GG i. V. m. dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 abgeleitet. Vgl. BVerfG, Beschl. v. 2. 3. 1993, BVerfGE 88, S. 118 (123); Jarass, in: Jarass/ Pieroth, Rdnr. 89 ff. zu Art. 20 GG. 335 Zu Details des Inhalts des Willkürverbots bei der Rechtsanwendung durch die Gerichte: Jarass, in: Jarassl Pieroth, Rdnr. 37 ff. zu Art. 3 GG. 336 Vgl. zur Erweiterung des Anwendungsbereichs der Vorschrift des Art. 142 GG durch die Rspr. des BVerfG oben l. d) aa). 337 Gegenstand von Entscheidungen der Landesverfassungsgerichte waren und sind v. a. Verfassungsbeschwerden gegen landesgerichtliche Entscheidungen mit der Rüge der Verletzung der Prozeßgrundrechte wie v. a. das Recht auf rechtliches Gehör, das sowohl in Art. 103 Abs. 1 GG als auch in vielen Landesverfassungen als zumindest grundrechtsgleiches Recht gewährleistet ist (vgl. z. 8. Art. 91 BayVerf, Art. 52 Abs. 3 BrandVerfund Art. 78

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2. Kap.: Verfassungsrechtliche Grundlagen für den (des) Sport(s)

der Verfahrensordnung des Bundes vorgesehene Rechtsweg ist erschöpft und die danach bleibende "Beschwer" für den Grundrechtsträger beruht auf der Ausübung von Landesstaatsgewalt und nicht der des Bundes, was in der Konsequenz bedeutet, daß die Landesverfassungsbeschwerde ausgeschlossen ist, soweit ein Bundesgericht die Entscheidung des Landesgerichts ganz oder teilweise bestätigt hat oder die Entscheidung des Landesgerichts nach einer Zurückverweisung unter Bindung an die Maßstäbe des Bundesgerichts ergangen ise 38 . Das Gericht hat auch Sicherungen zur Gewährleistung der Einheitlichkeit der Grundrechtsauslegung "eingebaut", wie insbesondere die in diesen Konstellationen (scheinbar) gern. Art. 31 GG bestehende Bindung an die Rechtsprechung des BVerfG und ggf. eine bestehende Vorlagepflicht des Landesverfassungsgerichts gern. Art. 100 Abs. 3 GG an das Bundesverfassungsgericht339, wobei es den Landesverfassungsgerichten einengenauen "Prüfungskatalog" mit auf "den Weg" gibt340. Diese "Öffnung" für die Landesverfassungsbeschwerden weckt die Landesverfassungen sicher nicht nur aus ihAbs. 2 SächsVert). Die Justitiabilität wurde unterschiedlich beurteilt. Für die prozessualen Verfahrensrechte (also formelle Rechte) wurde eine Überprüfung der (landesfachgerichtlichen) Entscheidungen bei Übereinstimmung des Grundrechts mit dem Inhalt der entsprechenden Normen des GG etwa vom BayVerfGH in ständiger Rechtsprechung bejaht (aus jüngerer Zeit: Entsch. v. 31. 3. 1988, VerfGH 41, S. 27 [31 f.]; aktuell: Entsch. v. 13. 3. 1998, BayVBl. 1998, S. 432 [432]), vom BrandVerfG offengelassen (vgl. Beschl. v. 15. 9. 1994, NJW 1995, S. 1018 [1019] m. Anm. Sachs, JuS 1996, S. 262; Beschl. v. 14. 8. 1996, NJ 1997, S. 22 [23]) und vom HessStGH in ständiger Rspr. verneint (z. B. Urt. v. 10. 5. 1989, ESVGH 40, S. 1 [3]). Der HessStGH hat nun (formal) diese Rechtsprechung aufgegeben und überprüft landesgerichtliche Entscheidungen arn Maßstab formeller Prozeßgrundrechte (Beschl. v. 9. 9. 1998, DÖV 1999, S. 388). Kritisch zu den Details der "neuen" Rspr. des HessStGH zurecht Tiedemann, DÖV 1999, S. 200 (203 f.). Zu dieser Entscheidung auch Zezschwitz, NJW 1999, S. 17. 338 BVerfG, Beschl. v. 15. 10. 1997, NJW 1998, S. 1296 (1300). Dies erinnert sehr an die Rechtsprechung des BayVerfGH, der eine landesgerichtliche Entscheidung dann nicht überprüft, wenn ein Bundesgericht auf Grund erneuter Sachprüfung die landesgerichtliche Entscheidung abgeändert oder bestätigt hat (Entsch. v. 12. 8. 1969, VerfGH 22, S 124 [125] und Entsch. v. 16. 11. 1973, VerfGH 26, S. 127 [139]), umgekehrt, bei fehlender Sachprüfung durch das Bundesgericht sich an einer Entscheidung nicht gehindert sieht; etwa bei der bloßen Zurückweisung einer Nichtzulassungsbeschwerde (Entsch. v. 26. 2. 1971, VerfGH 24, S. 48 [51] und Entsch. v. 5. 7. 1984, VerfGH 37, S. 89 [92 f.]) oder der Ablehnung der Revision (Entsch. v. 3. 12. 1970 VerfGH 23, S. 190 [191]) oder eines Prozeßkostenhilfegesuchs (Entsch. v. 17. I. 1975, VerfGH 28, S. 13 [14); dort noch zum sog. Armenrecht). Man könnte sogar wohl die These vertreten, daß sich das BVerfG der Sichtweise des BayVerfGH angeschlossen hat, wenn auch nicht explizit. Siehe auch RhPfVerfGH, Beschl. v. 16. 8. 1994, NJW 1995, S. 444 (445), der mit dem Argument des unterschiedlichen Prüfungsmaßstabs infolge getrennter Rechtskreise des BVerfG einerseits (grundsätzlich nur Bundesrecht) und des Landesverfassungsgerichts andererseits (Landesverfassungsrecht) wohl noch weiter geht. 339 BVerfG, a. a. 0., S. 1300 f. Dort auch zu weiteren Voraussetzungen der Prüfungskompetenz. 340 BVerfG, a. a. 0., S. 1301. Kritisch Lange, NJW 1998, S. 1278 (1280), der aus der Sicht des Landesverfassungsgerichts darauf hinweist, daß die vom BVerfG eröffnete landesverfassungsgerichtliche Kontrolle bundesrechtlich geregelter Verfahren die Landesverfassungsgerichte in eine bisher nicht bekannte Abhängigkeit vom BVerfG bringe.

B. Stellung des Sports und der Sportler im Landesverfassungsrecht

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rem "Domröschenschlaf.341 auf, sondern wird zu einer nicht unerheblichen (vielleicht auch mit dieser Entscheidung bezweckten) Entlastung des (mit Verfassungsbeschwerden) überlasteten BVerfG führen 342•

b) Die Anwendung von materiellem Bundesrecht

Noch interessanter sind allerdings allgemeine Wendungen der Entscheidung. Bisher war es allgemein anerkannt, daß landesgerichtliche bzw. -behördliche Entscheidungen, die auf materiellem Bundesrecht beruhen, von den Landesverfassungsgerichten nicht überprüft werden können. Eine (scheinbare) Ausnahme hat der BayVerfGH in ständiger Rechtsprechung nur für die Fälle vorgesehen, in denen sich ein Gericht in willkürlicher Weise außerhalb jeder Rechtsanwendung gestellt hat und deshalb seiner Entscheidung in Wahrheit gar kein Recht, also auch kein Bundesrecht zugrunde gelegt hae43 • Erst ein Beschluß des BerlVerfGH vom 23. 12. 1992344, der dem berühmt gewordenen sog. Honecker-Beschluß345 unmittelbar voran ging, hat die Diskussion neu belebt. Wie selbstverständlich geht der BerlVerfGH von der Überprüfungsmöglichkeit der landesgerichtliehen Entscheidungen, die auch auf materiellem Bundesrecht beruhen, aus. Um die Kollisionsproblematik zu umgehen, griff das Gericht in die (scheinbare) argumentative "Trickkiste". Der Verfassungsgerichtshof unterscheidet zwischen einer nicht überprüfbaren "Normerzeugung" und einer überprüfbaren "Normanwendung" durch die Landesgerichte346. In der Folge sieht sich das Gericht befugt, die (landesgerichtliche) Normanwendung zu überprüfen. Die Landesgerichte seien aufgrundder ihnen übertragenen landesstaatlichen Hoheitsgewalt prinzipiell den Geltungsordnungen der Landesverfassung unterworfen 347 , mit der Folge einer im Ausgangspunkt bestehenden umfassenden Kontrollbefugnis des Landesverfassungsgerichts gegenüber landesgerichtliehen Entscheidungen. Auf landesgrundrechtliche VereinStern, JA 1984, S. 385 (390) und Hufen, BayVBl. 1987, S. 513 (515). Zu diesem Lange, NJW 1998, S. 1278 (1279 f.). Siehe auch allgemein zur Frage der Entlastung;~möglichkeit des BVerfG durch die "Aktivierung" der Landesverfassungsgerichte: Danter; DOV 1998, S. 239 und Schneider, NJW 1996, S. 1517. 343 Z. B. Entsch. v. 12. 2. 1974, VerfGH 29, S. 11 (15); Entsch. v. 26. 1. 1990, VerfGH 43, S. 12 (17 f.); Entsch. v. 15. 10. 1992, NJW 1993, S. 518 (518) und Entsch. v. 27. 9. 1995, BayVBl. 1996, S. 18 (19). So wohl auch der HessStGH, Beschl. v. 1. 4. 1981, ESVGH 31, S. 174 (175) und im Beschl. v. 14. 4. 1989, StAnz für das Land Hessen, S. 1661 (1663) = ESVGH 40, S. 75 (LS). Weitere Beispiele bei: Gehb, DÖV 1993, S. 470 (474, Anm. 49). 344 NJW 1993, S. 513. 345 V. 12. 1. 1993, NJW 1993, S. 515. Bestätigt und klargestellt im Beseht. v. 2. 12. 1993, NJW 1994, S. 436 (437). Fortgeführt im Beschl. v. 6. 10. 1998, NJW 1999, S. 47. Zum Honecker-Beschluß z. B. Starck, JZ 1993, S. 231; Gehb, DÖV 1993, S. 470; Schoreit, NJW 1993, S. 881 und Berkemann, NVwZ 1993, S. 409. 346 So im Beschl v. 23. 12. 1992, NJW 1993, S. 513 (514). 347 So auch das BVerfG im Beschl v. 15. 10. 1997, NJW 1998, S. 1296 (1299). 341

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2. Kap.: Verfassungsrechtliche Grundlagen für den (des) Sport(s)

barkeit ist die gerichtliche Entscheidung bei der Anwendung von Bundesrecht jedenfalls dann überprüfbar, wenn die inhaltliche Gewährleistung mit Grundrechtsgewährleistungen der Bundesverfassung übereinstimmen, denn normsystematisch handele es sich dann um ein und dasselbe Grundrecht mit mehrfacher Absicherung348. In der Konsequenz soll dann eine bundesgrundrechtswidrige Anwendung von Bundesrecht durch die Berliner Landesgerichte notwendig zugleich auch eine Verletzung der mit den Bundesgrundrechten identischen Landesgrundrechte darstellen. Unabhängig von allen im Detail bestehenden Bedenken gegen die Rechtsprechung des Ber1VerfGH349 kann sie sich inzwischen doch zumindest zum Teil auf die (allerdings präzisere) jüngste Rechtsprechung des BVerfG stützen. Auch das BVerfG geht richtigerweise im Ansatz davon aus, daß die Landesgerichte auch bei der Anwendung von Bundesrecht immer noch Landesstaatsgewalt ausüben, folglich auch an die Landesverfassung gebunden sind350. Weiter ist akzeptiert, daß Grundrechte nicht nur bei der Schaffung der Norm und ihrer Kontrolle zur Anwendung kommen, sondern auch bei der Anwendung einer (verfassungsmäßigen) Norm in der konkreten Lage des Einzelfalls 351 . Folglich kann auch ein selbständiger - von der Normenkontrolle unabhängiger - Anlaß zur Beachtung von Grundrechten bestehen352 . Für die Rechtsanwendung ist aber nicht der Bundesgesetzgeber verantwortlich, der ein verfassungskonformes Gesetz geschaffen hat, sondern der Hoheitsträger des Rechtsanwenders353 , also im Regelfall die Länder, inklusive ihrer Gerichte. In diesem Rahmen (also im Rahmen der konkreten Rechtsanwendung) können die Landesverfassungsgerichte die landesgerichtliehen Entscheidungen am Maßstab der mit den Bundesgrundrechten inhaltsgleichen landesverfassungsrechtlichen Gewährleistungen überprüfen354. Zwar bezog sich die Entschei348 BerlVerfGH, Beschl. v. 23. 12. 1993, NJW 1993, S. 513 (514). So auch BVerfG, Beschl. v. 19. 7. 1967, BVerfGE 22, S. 267 (271). A. A. zurecht Dietlein, NVwZ 1994, S. 6 (7 f.), der davon ausgeht, daß es sich auch bei Inhaltsgleichheit um mehrere Grundrechte handelt, die auf der Ebene des Grundgesetzes und der jeweiligen Landesverfassung nebeneinander gelten. Das BVerfG hat im Beschl. v. 15. 10. 1997, NJW 1998, S. 1296 (1299), diese Frage ausdrücklich offengelassen. 349 Vgl. z. B. Dietlein, NVwZ 1994, S. 6 (S. 7 ff.); Zier/ein, AöR 120 (1995), S. 205 (insb. S. 216 ff.); Rozek, AöR 119 (1994), S. 450 (insb. S. 459 ff.); Stern, Der Aufschwung der Landesverfassungsbeschwerde, in: BayVerfGH (Hrsg.), Verfassung als Verantwortung und Verpflichtung, S. 241 (256 f.) und sehr kritisch Berkemann, NVwZ 1993, S. 409, der Uberlegungen anstellt, welche (bundesrechtlichen Zwangs-) Mittel zur Verfügung stehen, um der Kornpelenzüberschreitung durch den BerlVerfGH Einhalt zu gebieten (S. 419). Die teilweise befürchtete "Zersplitterung der Rechtseinheit" (so angedeutet von Sobota, DVBI. 1994, S. 793 [803]) kann jedenfalls durch das "Sicherungskonzept" des BVerfG bzgl. der Auslegung der Grundrechte (s. Kap. 2 B. II. 4. a]) nicht eintreten. 350 Beschl. v. 15. 10. 1997, NJW 1998, S. 1296 (1299). 351 BVerfG, a. a. 0. 352 BVerfG, a. a. 0. 353 BVerfG, a. a. 0 . 354 Zu den Detailvoraussetzungen vgl. BVerfG, a. a. 0., S. 1300 f. Dieser Sichtweise kann man auch nicht Art. 31 GG entgegenhalten. Die Vorschrift regelt die Kollision von Normen,

B. Stellung des Sports und der Sportler im Landesverfassungsrecht

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dung des BVerfG unmittelbar nur auf Prozeßgrundrechte, jedoch sind die sehr allgemein gehaltenen Ausführungen auch für sonstige Grundrechte und grundrechtsgleichen Rechte verwertbar. Kühn könnte man sogar eine Bestätigung der Rechtsprechung des BerlVerfGH in dieser Entscheidung sehen, jedenfalls bietet sie neuen Diskussionsstoff für die bisher bereits geführte Auseinandersetzung355 .

c) Ergebnis

Faßt man die wichtigsten bisher erarbeiteten Ergebnisse noch einmal zusammen, so ergeben sich zwei wichtige Konsequenzen: Die Ländergerichte müssen bei der Anwendung von (verfassungskonformem) Bundesprozeßrecht im konkreten Fall diejenigen Landesgrundrechte beachten, die die auf denselben Sachverhalt anwendbar sind, nicht jedoch "Rangprobleme" in Einzelfallentscheidungen, auch nicht der Gerichte. Vgl. Pietzcker, in: Isensee!Kirchhof, HdbStR IV, § 99, Rdnr. 24; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Rdnr. 2 zu Art. 31 GG; Sachs, ThürVBI. 1993, S. 122 (123); Gubelt, in: v. Münch/Kunig, Band 2, Rdnr. 4 zu Art. 31 GG und Schlaich, Das BVerfG, S. 232 f. Aus der Rspr.: BVerfG, Beschl. v. 15. 10. 1997, NJW 1998, S. 1296 (1298); Ber!VerfGH, Beschl. v. 2. 12. 1993, NJW 1994, S. 436 (437). "Kollisionen" gerichtlicher Entscheidungen werden durch das Prozeßrecht selbst in verschiedenen Regelungen gelöst, wie z. B. durch Vorlagepflichten der Gerichte (etwa nach §§ 541 ZPO, 132 GVG, 2 RsprEinhG, 11 f. VwGO und im Verfassungsrecht Art. 100 Abs. 3 GG) oder durch die Zulassung von Rechtsmitteln in diesen Fällen (z. B. §§ 546 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 ZPO, 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO für die Zulassung der Revision; § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO für die Zulassung der Berufung). 355 Zum Problemkreis Landesverfassungsrecht und Bundesrecht, v. a. der Bundesgrundrechte, inklusive des Verhältnisses Bundesverfassungs- I Länderverfassungsgerichtsbarkeit siehe auch: Olshausen, Landesverfassungsbeschwerde und Bundesrecht, Baden-Baden 1980; März, Bundesrecht bricht Landesrecht, Berlin 1989, v. a. S. 169 ff.; Sachs, DÖV 1985, S. 469; ders., ThürVBI. 1993, S. 121; ders., Die Landesverfassung im Rahmen der bundesstaatliehen Rechts- und Verfassungsordnung, in: Sirnon u. a. (Hrsg.), Handbuch der Verfassung des Landes Brandenburg, § 3, S. 71; Held, NVwZ 1995, S. 534 (537 f.); Lange, NJW 1998, S. 1287; Pascher; NJ 1996, S. 351; Kersten, DÖV 1993, S. 896; Jutzi, Landesverfassungsrecht und Bundesrecht, Berlin 1982, v. a. S. 20 ff. und 58 ff.; ders., ThürVBI. 1993, Sonderheft, S. B 15; Lemhöfer; NJW 1996, S. 1714; Sacksofsky, NVwZ 1993, S. 235 (236 ff.); Schneider, NJW 1996, S. 1517; Sobota, DVBI. 1994, S. 793; Starck, JZ 1993, S. 231; Danter; DÖV 1998, S. 239; Wahl, AöR 112 (1987), S. 26.; lsensee, SächsVBI. 1994, S. 28; Bartlsperger; in: lsensee/ Kirchhof, HdbStR IV,§ 96, S. 457; Lotz, Bayerische Verfassungsbeschwerde und Bundesrechtsordnung, in: BayVerfGH (Hrsg.), Verfassung als Verantwortung und Verpflichtung, S. 115; Rozek, Das GG als Prüfungs- und Entscheidungsmaßstab der Landesverfassungsgerichte, Baden-Baden 1993; Tilch, Inhaltsgleiches Bundes- oder Landesverfassungsrecht als Prüfungsmaßstab, in: Starck/Stem (Hrsg.), Landesverfassungsgerichtsbarkeit, Teilband II, S. 551; Dietlein, Die Grundrechte in den Landesverfassungen der neuen Bundesländer, München 1993, S. 7 ff. und Storr, Verfassunggebung in den Ländern, Stuttgart u. a. 1995, v. a. S. 170 ff.; Niedobitek, Neuere Entwicklungen im Verfassungsrecht der Deutschen Länder, 1994, S. 41 ff; Riegler; Konflikte zwischen GG und Länderverfassungen, 1996, S. 7 ff. u. 50 ff.; TiedeiTUlnn, Landesverfassung und Bundesrecht, DÖV 1999, S. 200 und Zezschwitz, Grundrechtsklagen ohne Grenzen nun auch in Hessen?, NJW 1999, S. 17.

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2. Kap.: Verfassungsrechtliche Grundlagen für den (des) Sport(s)

inhaltsgleich zu entsprechenden Bundesgrundrechten sind. In diesem Fall steht dann auch dem Landesverfassungsgericht eine Überpriifungskompetenz mit den oben angesprochenen Einschränkungen zu. Zur Klarstellung sei gesagt, daß das Landesverfassungsgericht nicht die bundesrechtliche Norm am Landesverfassungsrecht mißt, vielmehr nur die konkrete landesfachgerichtliche Entscheidung auf ihre Vereinbarkeil mit Landesgrundrechten überpriift. Die Ländergerichte (und die Länderverwaltungen) haben des weiteren auch bei der Anwendung von materiellem Bundesrecht die Landesverfassung und hier insbesondere die Grundrechte zu beachten, können folglich auch am Maßstab des Landesverfassungsrechts überpriift werden, vorausgesetzt das (materielle) Bundesrecht läßt Spielraum für die Beriicksichtigung (auch) von (weitergehendem) Landes(verfassungs)recht356.

111. Das Staatsziel "Sport" in den Landesverfassungen 1. Die landesverfassungsrechtlichen Regelungen

Daß der Sport explizit Einzug gefunden hat in die Landesverfassungen wurde bereits gesagt. Die Formulierungen aber auch deren inhaltlicher Bezugspunkt und Reichweite sind durchaus unterschiedlich ausgefallen. Ziel war es jedenfalls einhellig, der hohen gesellschaftlichen Funktion des Sports auch verfassungsrechtlich Ausdruck zu verleihen 357 . Konkret sind die Länder (und Gemeinden, teilweise auch die Gemeindeverbände) durch die Verfassung verpflichtet den Sport (Art. 140 Abs. 3 BayVerf, Art. 3c Abs. 1 BWVerf und Art. 9 Abs. 3 SchlHVerf358) bzw. die sportliche Betätigung (Art. 11 Abs. 1 SächsVerf)359 zu fördern. Andere bezeichnen den Sport vorsichtiger 356 Siehe noch einmal BVerfG, Beschl. v. 15. 10. 1997, NJW 1998, S. 1296 (1 299). Letzteres bedarf noch der Präzisierung. 357 Stern in der Anhörung vor dem Hauptausschuß des Landtags von NW v. 1. 10. 1992, LT-Drucks. 11 I 4604 v. 2. 11. 1992, S. 5; Begründung zum Entwurf des Bayerischen Verfassungsreformgesetzes -Weiterentwicklung im Bereich der Grundrechte und Staatsziele- v. 27. 2. 1997, LT-Drucks. 1317436, S. 5; Begründung zur Aufnahme des Sports in die Landesverfassung von Niedersachsen v. 16. 4. 1997, LT-Drucks. 1312845. Siehe auch die Begründung zur empfohlenen Einführung eines Abs. 4 in Art. 40 RhPfVerf (Sportförderung und pflege) im Verfassungsentwurf der Enquete-Kornmission "Verfassungsreform" in RheinlandPfalz, LT-Drucks. 1215555 v. 16. 9. 1994, S. 52. Siehe aber auch Hölscheidtlv. Wiese, LKV 1992, S. 393 (397), die die (geforderte) Aufnahme des Sports in die MVVerf als die Aufnahme eines Partikularinteresses bezeichnen. 358 Der Gesetzentwurf der Fraktion der CDU in Schleswig-Holstein v. 5. 2. 1997, LTDrucks. 14 I 519, sah noch in Art. 9 Abs. 1 zusätzlich eine Schutzpflicht vor. 359 Daneben ist die Teilnahme arn Sport zu ermöglichen (Art. 11 Abs. 2 S. l SächsVerf) und dafür sind öffentlich zugängliche Sportstätten zu unterhalten (Art. 11 Abs. 2 S. 2 SächsVerf).

B. Stellung des Sports und der Sportler im Landesverfassungsrecht

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als einen förderungswürdigen Teil des Lebens (Art. 35 S. 1 BrandVerf). Teilweise gebührt dem Sport neben Förderung auch Schutz durch das Land, seine Gemeinden und Gemeindeverbände (Art. 16 Abs. 1 S. 1 MVVerf, Art. 6 NdsVerf360, Art. 36 Abs. 1 SachsAnhVerf und Art. 30 Abs. 3 ThürVerf) bzw. wird wieder vorsichtiger als förderungs- und schützensweiter Teil des Lebens bezeichnet (Art. 32 S. 1 BerlVerf). In anderen Ländern ist der Sport durch Land und Gemeinden zu fördern, aber zusätzlich noch zu pflegen (Art. 18 Abs. 3 NWVerf und Art. 40 Abs. 4 RhPfVerf361 ) . Systematisch steht der Sport zwar an unterschiedlichen Stellen, jedenfalls aber außerhalb des Grundrechtskatalogs der Landesverfassungen362 . Die (müßige) Diskussion, ob der Sport als Teil der sog. (weiten) Kulturstaatlichkeil anzusehen ist363 , ist durch die Länder jedenfalls insoweit entschieden, als daß sie den Sport zwar überwiegend im Zusammenhang364 mit der Kultur nennen 365, jedoch bis auf Schleswig-Holstein, das in Art. 9 Abs. 3 SchlHVerf den Sport explizit zur Kultur zählt, als eigenständigen Lebensbereich neben der Kultur anerkennen 366. 360 Auch vor der expliziten Aufnahme des Sports in Niedersachsen wurde vertreten, daß dieser bereits durch die Kulturförderung erfaßt sei. So Berlit, NVwZ 1994, S. 11 (15), der den Sport gar als wichtigen (auch rechtlichen) Kulturteil ansieht. 361 Basierend auf dem Vorschlag der Enquete-Kommission "Verfassungsreform" in Rheinland-Pfalz v. 16. 9. 1994, LT-Drucks. 12/5555. Zu dieser: GusyiMüller, DÖV 1995, S. 257 und Meier, RuP 1995, S. 218. 362 Bayern: 2. Abschnitt ("Bildung und Schule, Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen und der kulturellen Überlieferung") des 3. Hauptteils ("Das Gemeinschaftsleben"); Berlin: Abschnitt II ("Grundrechte und Staatsziele"); Brandenburg: 6. Abschnitt (,,Bildung, Wissenschaft, Kunst und Sport") des 2. Hauptteils ("Grundrechte und Staatsziele"); MecklenburgVorpomrnem: Im 1. Abschnitt (,.Grundlagen") III. Staatsziele; Niedersachsen: I. Abschnitt (,.Grundlagen der Staatsgewalt, Grundrechte und Staatsziele"); Nordrhein-Westfalen: 3. Abschnitt ("Schule, Kunst und Wissenschaft, Sport, Religion und Religionsgemeinschaften") des 1. Teils ("Von den Grundlagen des Landes"); Sachsen: 1. Abschnitt (,.Grundlagen des Staates"); Sachsen-Anhalt: 3. Abschnitt (,.Staatsziele") des 2. Hauptteils (,,Bürger und Staat"); Schleswig-Holstein: I. Abschnitt (,,Land und Volk") und Thüringen: 3. Abschnitt (,.Bildung und Kultur") des 1. Teils ("Grundrechte, Staatsziele und Ordnung des Gemeinschaftslebens"). 363 Dazu etwa Häberle, in: Becker u. a. (Hrsg.), FS Thieme, S. 25 (40 f.); Thom, Sportförderung, S. 160 ff.; Steiner, Kulturpflege, in: Isensee I Kirchhof (Hrsg.), HdbStR III, § 86, Rdnr. 26 f.; ders., Kulturauftrag im staatlichen Gemeinwesen, VVDStRL 42 (1984), S. 7 (8); Heintzen, Erziehung, Wissenschaft, Kultur, Sport, in: lsensee I Kirchhof (Hrsg.), HdbStR IX, § 218, Rdnr. 89. 364 Stern hat sich in der öffentlichen Anhörung vor dem Hauptausschuß des Landtags Nordrhein-Westfalen am 1. 10. 1992 (LT-Drucks. 11 I 4604 v. 2. 11. 1992) dafür ausgesprochen, den Sport systematisch "in Reichweite" der Kultur anzusiedeln. 365 So Art. 140 Abs. 3 BayVerf, Art. 3c BWVerf, Art. 6 NdsVerf, Art. 18 Abs. 3 NWVerf, Art. 40 Abs. 4 RhPfVerf, Art. 1 Abs. 1 u. 2 SächsVerf, Art. 36 Abs. I SachsAnhVerf, Art. 9 Abs. 1 SchiHVerf und Art. 30 Abs. 3 ThürVerf, Berlin (Art. 32 BerlVerf) und Brandenburg (Art. 35 BrandVerf) haben für den Sport eine gänzlich eigenständige Verfassungsnorm geschaffen. 366 A. A. jedenfalls bzgl. der neuen Bundesländer zu unrecht Heintzen, Erziehung, Wissenschaft, Kultur, Sport, in: /sensee l Kirchhof(Hrsg.), HdbStR IX,§ 218, Rdnr. 89, der i. ü. auch

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2. Kap.: Verfassungsrechtliche Grundlagen für den (des) Sport(s) 2. Die Bedeutung eines Staatsziels

Verfassungstheoretisch handelt es sich bei sämtlichen Bestimmungen um sog. Staatsziele, wie systematisch am klarsten in der Verfassung des Landes SachsenAnhalt zum Ausdruck kommt, deren hier relevanter 3. Abschnitt ausdrücklich mit "Staatsziele" überschrieben ist. Staatsziele sind Ziele des Staates. Diese auf den ersten Blick wenig aussagekräftige Formulierung zeigt aber bereits die Richtung an. Staatsziele richten sich an den Staat, genauer: an "das" Land inklusive seiner staatlichen Institutionen und Körperschaften des öffentlichen Rechts. Förderung, Schutz und I oder Pflege des Sports werden als öffentliche Aufgaben, deren Erfüllung dem Staat obliegt, verfassungsrechtlich festgeschrieben 367. Der Sport verzeichnet dadurch einen protokollarischen Zugewinn in der Hierarchie der Staatsaufgaben368. Blickt man in die Verfassungen, so ist es auch hier Sachsen-Anhalt, daneben aber auch Sachsen und Thüringen369, die sich erfreulich mutig an den Versuch einer konkreteren Richtungsweisung heranwagen. Art. 3 Abs. 3 SachsAnhVerf formuliert: "Die nachfolgenden Staatsziele verpflichten das Land, sie nach Kräften anzustreben und sein Handeln danach auszurichten". (Fast) Identisch fallen auch Art. 13 SächsVerf und Art. 43 ThürVerf aus, wobei in Thüringen explizit die (selbstverständliche) Einschränkung gemacht wird, daß die Pflicht des Freistaats, die Verwirklichung der Staatsziele anzustreben und sein Handeln danach auszurichten, sich auf den Rahmen seiner Zuständigkeiten beschränkt. Es wird eimeint, daß der Einigungsvertrag den Sport als Teil der kulturellen Aufgabe von Bund, Ländern und Gemeinden begreift. Dies hat aber keine Grundlage im Einigungsvertrag. Nach dessen Systematik genießt der Sport Eigenständigkeit im Verhältnis zur Kultur. Er widmet dem Sport eine eigene Vorschrift (Art. 39, wohingegen die Kultur in Art. 35 erfaßt wird) und erwähnt in der Überschrift des VIII. Kapitels den Sport neben der Kultur (sowie Bildung und Wissenschaft) als eigenständigen Lebensbereich. Wie hier wohl auch Neumann, LKV 1996, S. 393 (394). Unklar aber Art. 36 SachsAnhVerf. In Abs. l wird der Sport als eigenständiger Lebensbereich angesehen und in Abs. 2 werden Sportstätten im Rahmen der kulturellen Einrichtungen genannt. 367 Siehe auch § 2 Abs. 1 des Entwurfs eines Niedersächsischen Sportförderungsgesetzes v. 5. 2. 1996 (LT-Drucks. 13/1712), wonach Pflege und Förderung des Sports öffentliche Aufgaben sind. Nach der Begründung (LT-Drucks. 13/1712, S. 7) sollte mit dieser Bestimmung aus Gründen der Rechtssicherheit die bestehende De-facto-Anerkennung (als öffentliche Aufgabe) auf eine gesetzliche Basis gestellt werden. 368 So Steiner; in: Bunneister (Hrsg.), FS Stern, S. 509 (516). Dessen Ausführungen wurden i. ü. auch in die Begründung zur Aufnahme des Sports in die Landesverfassung von Niedersachsen v. 16. 4. 1997 (LT-Drucks. 13 I 2845) aufgenommen. 369 In Brandenburg sollte ursprünglich ebenfalls eine Konkretisierung des Inhalts und der Zielrichtung der Staatszielbestimmungen aufgenommen werden. Bereits § 5 Abs. 1 S. 2 des Diskussionsentwurfs v. 31. 5. 1991 (GVBI. S. 96) formulierte: "Staatszielbestimmungen sind von den Staatsorganen zu verwirklichen und bei der Gesetzesanwendung zu berücksichtigen". Wohl aus Unsicherheit über die Bedeutung der Staatsziele wurde dieser S. 2 aber (auf Antrag der CDU) während der 3. Lesung am 14. 4. 1992 (Plenarprotokoll 1145, S. 3213 ff.) gestrichen. Zur Entstehungsgeschichte der BrandVerf: Franke I Kneifel-Haverkamp, in: Simon u. a. (Hrsg.), Handbuch der Verfassung des Landes Brandenburg, § 2, S. 57; dies., JöR 42 (1994), S. 111.

B. Stellung des Sports und der Sportler im Landesverfassungsrecht

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nerseits also eine (zwingende) Verpflichtung statuiert, die aber gleichzeitig wieder eingeschränkt wird, durch die Beschränkung auf die (finanziellen?) "Kräfte" des Landes, die vage Formulierung des "Anstrebens" des Ziels und der "Ausrichtung" des Handelns. Dariiber hinaus steht das Staatsziel Sport nicht alleine, vielmehr haben die Länder eine Vielzahl von Zielen statuiert, weshalb auch das Staatsziel Sport, selbst bei Erreichen der "Ziellinie" durch die Länder, nicht zu einem (reinen) Sportstaat führen kann. Akzeptiert man die allgemeine Definition der Sachverständigenkommission von 1983, so sind Staatszielbestimmungen allgemeiner formuliert "Verfassungsnorm(en) mit rechtlich bindender Wirkung, die der Staatstätigkeit die fortdauernde Beachtung oder Erfüllung bestimmter Aufgaben - sachlich umschriebener Ziele vorschreibt(en)'m0 , so ist jedenfalls folgendes im Ansatz geklärt: Staatsziele (und somit auch das Staatsziel "Sport") berechtigen und verpflichten den Bürger nicht unmittelbar371 , unterscheiden sich somit von den Grundrechten372. Sie beanspruchen aber als objektiv-rechtlicher Verfassungssatz unmittelbare Geltung, auch wenn sie keine subjektiven Rechte373 begriinden, deshalb kein einklagbarer Anspruch auf sportfreundliche Entscheidungen besteht. Obwohl folglich konkrete Leistungsanspruche im Regelfall ausgeschlossen sind, müssen sich aber Handlungen und Unterlassungen von Staat, Gemeinden und Körperschaften des öffentlichen Rechts (auch verfassungsgerichtlich) doch an der Staatszielbestimmung messen 370 In: BMI I BMF (Hrsg.), Staatszielbestimmungen I Gesetzgebungsaufträge, 1983, Rdnr. 7. Scheuner, Staatszielbestimmungen, in: Schnur (Hrsg.), FS Forsthoff, S. 325 (335 f.) meinte noch, daß für Staatszielbestimmungen kennzeichnend sei, daß sie Grundsätze und Richtlinien für das staatliche Handeln aufstellen und ihm in bestimmten Richtungen durch Gebote und Weisungen Orientierungen und sachliche Aufgaben geben. Als verbindliche und richtunggebende Verfassungsprinzipien unterschieden sie sich von bloßen Programmsätzen, beließen allerdings den Staatsorganen eine sehr weitgehende gesetzgebensehe und politische Gestaltungsfreiheit mit allerdings dynamischem Zug; sie wiesen der gesetzgebensehen Aktivität die Bahn und dienten der Rechtsprechung als Auslegungshilfe. Zur (teilweise müßigen) Abgrenzung zu anderen Verfassungsnormen wie Staatszwecke, Gesetzgebungsaufträge, Einrichtungsgarantien, Programmsätzen oder sog. sozialen Grundrechten z. B. Fischer, Staatszielbestimmungen, S. 20 ff.; Riegler, Konflikte zwischen GG und Länderverfassungen, 1996, S. 33 ff. u. Kloepfer, in: BK, Rdnr. 15 ff. zu Art. 20a GG. Letztere (das sei angemerkt) scheinen ebenfalls nichts anderes als Staatsziele zu sein, mit lediglich irreführender Bezeichnung. 37 1 Anders etwa noch der Verfassungsentwurf des Verfassungsausschusses in Brandenburg v. 31. 5. 1991 (GVBI. S. 26), dessen Art. 2 Abs. 3 auch eine Verpflichtung "der gesellschaftlichen Kräfte und brandenburgischen Bürgerinnen und Bürger" auf Achtung und Schutz der Grundrechte und Staatsziele enthielt. Systematisch nicht ganz geglückt ist die Stellung der Staatsziele in Sachsen-Anhalt, die im 2. Hauptteil ("Bürger und Staat") plaziert worden sind. 372 Zu dieser Unterscheidung auch der 10. Bericht des Verfassungs- und Rechtsausschusses zum Ausschußentwurf der Verfassung des Freistaates Sachsen v. 18. 5. 1992, in: Stober (Hrsg.), Quellen zur Entstehung der Sächsischen Verfassung, S. 384 (397) u. Simon, in: Däubler-Gmelin u. a. (Hrsg.), FS Mahrenholz, S. 443 (449 ff.). 373 Siehe auch Begrundung zum Gesetzentwurf zur Einführung eines Staatsziels Sport in Bayern v. 27. 2. 1997, LT-Drucks. 1317436, S. 5.

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lassen374. Es sei aber darauf hingewiesen, daß die Entwicklung abzuwarten bleibt, denn auch hier gilt: Jeder Fall muß erst einmal entschieden werden, und nicht jedes Staatsziel ist gleich formuliert. Etwa verpflichtet Art. li Abs. 2 S. I SächsVerf den Staat, die Teilnahme am Sport dem gesamten Volk zu ermöglichen375 und für diesen Zweck allgemein zugängliche Sportstätten zu unterhalten (S. 2). Daraus ließe sich durchaus ein allgemeiner Zulassungsanspruch im Sinne eines Teilhaberechts ableiten 376, jedenfalls im Rahmen bestehender Einrichtungen. Ein Anspruch auf Schaffung und Bereitstellung sportlicher Anlagen wird jedoch daraus sicher nicht abgeleitet werden können. Zieht man einen Vergleich zur Rechtsprechung des BVerfG zum (grundsätzlich) verneinten Anspruch aus Art. 12 GG auf Bereitstellung bestimmter Ausbildungseinrichtungen 377, so ließe sich aber jedenfalls ein (gegebenenfalls auch einklagbarer) Anspruch des Sports auf Einhaltung des "Gebots der Kapazitätserschöpfung" für bestehende sportliche Einrichtungen vertreten378 . Auch eine "Subjektivierung" des Staatsziels "Sport" mit Hilfe von Grundrechtspositionen bzw. umgekehrt die "Anreicherung" bestehender Grundrechtspositionen im Lichte des Staatsziels sind nicht ausgeschlossen. Auch hier sei an das Bundesverfassungsrecht erinnert. Bekanntlich leitet das BVerfG aus Art. I Abs. I GG i. V. m. dem Sozialstaatsgebot des Art. 20 Abs. I GG379 die (einklagbare) Pflicht des Staates zur Schaffung der Mindestvoraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein380, einen Anspruch auf das sogenannte Existenzminimum, ab381 . Wenngleich dem Sport nicht unbedingt ein klassischer Menschenwürdegehalt zu eigen ist, wäre diese Ausgangsposition sicher eine Argumentationshilfe für eine praktische Verwertung des Staatsziels Sport. Umgekehrt rechtfertigt ein verfassungsrechtliches Staatsziel durchaus auch die Einschränkung von bestehenden Grundrechtspositionen anderer, denn der Sport ist durch die Aufnahme in die Verfassung eben auch zu einem geschriebenen (Landes-)Verfassungsgut erstarkt382 . BayVerfGH, Entsch. v. 27. 9. 1995, BayVBI. 1996, S. 18 (20). Ähnlich Art. 32 S. 2 BerlVerf: "Die Teilnahme am Sport ist den Angehörigen aller Bevölkerungsgruppen zu ermöglichen". 376 So Degenhart, Verfassungsrecht, in: Stober (Hrsg.), HdbSächsStVerwR, § 2, Rdnr. 25. 377 Siehe BVerfG, Urt. v. 18. 7. 1972, BVerfGE 33, S. 303 (330 ff.). Verfassungsrechtliche Ausnahme: Bei evidenter Verletzung des Verfassungsauftrags zur Bereitstellung ausreichender Kapazitäten und Einrichtungen (S. 333). 378 Dazu BVerfG, a. a. 0., S. 338. Im Zusammenhang mit dem "Recht auf Bildung" in Art. 20 S. I ThürVerf, in dessen S. 2 der Zugang zu öffentlichen Bildungseinrichtungen gewährleistet wird, auch Huber, LKV 1994, S. 121 (125 f.). 379 Zur (strittigen) Qualifizierung als Staatsziel: Zacher, Das soziale Staatsziel, in: Isensee I Kirchhof (Hrsg.), HdbStR I, § 25, Rdnr. 1 ff. und Isensee, in: Isensee I Kirchhof (Hrsg.), HdbStR III, § 57, Rdnr. 115 ff. 380 BVerfG, Beschl. v. 29. 5. 1990, BVerfGE 82, S. 60 (85). 381 BVerfG, a. a. 0., S. 85 f.; BVerwG, Urt. v. 12. 10. 1989, BVerwGE 82, S. 364 (368) und BSG, Urt. v. 22. l. 1986, NJW 1987, S. 463 (463). Zu weiteren Gewährleistungen, wie etwa zur angemessenen Gewährung von Prozeßkostenhilfe siehe Jarass, in: Jarass I Pieroth, Rdnr. 113 zu Art. 20 GG u. Rdnr. 47a zu Art. 3 GG. 374

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B. Stellung des Sports und der Sportler im Landesverfassungsrecht

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3. Die inhaltliche Gewährleistung der Staatsziele

Betrachtet man den konkreten normativen Gehalt der Vorschriften, so fördern, pflegen und I oder schützen die Landesverfassungen den Sport. Aus den Materialien ist nicht ersichtlich, welche Bereiche des Sports die Landesverfassungen konkret erfassen wollen 383 . Nach dem Wortlautjedenfalls ist der gesamte Sport erfaße84, was im Hinblick auf die notwendige Offenheit einer Verfassung für künftige Entwicklungen sicher auch richtig ist385 . Folglich sind nicht nur seine Organisationen erlaßt; auch jeder einzelne (auch nicht organisierte) Sportler wird "gefördert, geschützt und/ oder gepflegt". Auch der Berufs- und Spitzensport läßt sich nur schwerlich ausscheiden386 . Die landesverfassungsrechtlichen Verpflichtungen sind auch nicht von dem (bundesrechtlichen) Gedanken der Gemeinnützigkeit im Sinne des Steuerrechts abhängig, wenngleich etwa Thüringen in seinem Sportförderungsgesetz die Förderung der Sportorganisationen von deren Anerkennung als gemeinnützig abhängig mache 87, was aus verfassungsrechtlicher Sicht zumindest problematisch erscheint.

382 Nach Steiner; NJW 1991, S. 2729 (2730) war die Aufnahme des Sports in die Landesverfassungen denn auch die Schließung einer längst fälligen Verfassungslücke und nach Stern, in: Beclcer u. a. (Hrsg.), FS Thieme, S. 269 (279), ein verfassungspolitisch notwendiges Ziel. 383 Die Begründung zur Aufnahme des Staatsziels Sport in Bayern v. 27. 2. 1997 (LTDrucks. 1317436, S. 5) sagt jedoch explizit, daß keine Begrenzung auf den Breitensport angezeigt sei. 384 Siehe auch Art. 35 S. 2 BrandVerf. Aus der speziellen landesverfassungsrechtlichen Literatur nur Benstzl Franke, Schulische Bildung, Jugend und Sport, in: Simon u. a. (Hrsg.), Handbuch der Verfassung des Landes Brandenburg, § 6, Rdnr. 35 f.; Reich, Rdnr. 1 zu Art. 36 SächsVerf und Hopfe, in: LincklJutzi/ Hopfe, Rdnr. 19 zu Art. 30 ThürVerf. Sämtliche weiteren Autoren beschränken sich (soweit ersichtlich) auf allgemeine Aussagen zu Staatszielen ohne Versuch einer Präzisierung des Staatsziels Sport. Vgl. die Anmerkungen von Simon, Staatsziele, in: Simon u. a. (Hrsg.), Handbuch der Verfassung des Landes Brandenburg, § 4, Rdnr. 9 ff.; zu Art. 16 MVVerf: Thiele, in: Thiele /Pirsch/Wedemeyer; Die Verfassung des Landes MV; zu Art. ll SächsVerf: Degenhart, in: Stober (Hrsg.), HdbSächsStVerwR, § 2, Rdnr. 26 ff.; Kunzmann, in: Kunzmann u. a., die Verfassung des Freistaats Sachsen und Müller; Verfassung des Freistaats Sachsen, der wohl die mit Abstand kürzeste "Kommentierung" zur gesamten Vorschrift vorgelegt hat; zu Art. 36 SachsAnhVerf: Mahnke, Die Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt. Insgesamt sind die bisherigen Komrnentierungen gerade zu den Verfassungen der neuen Länder eher enttäuschend. Vgl. dazu Kilian/ Malinka, DÖV 1996, S. 265 (v. a. S. 273 f. [Resümee]). 385 Vgl. Stern, in: Becker u. a. (Hrsg.), FS Thieme, S. 269 (285). 386 Ausdrücklich den Spitzensport nennend: Art. 35 S. 2 BrandVerf. Problematisch aber § 3 Abs. 2 S. 1 ThürSportFG. Nach dieser Vorschrift sind Einrichtungen und Maßnahmen, die überwiegend dem bezahlten Sport dienen oder gewerbsmäßig betrieben werden pauschal aus der Förderungsverpflichtung ausgenommen. Diese (pauschale) Differenzierung hat jedenfalls in Art. 30 Abs. 3 ThürVerf keine Grundlage. 387 § 15 Abs. 1 u. 2 ThürSportFG. Siehe auch § 5 Abs. 2 Spiegelstrich 2 des Entwurfs eines Sportgesetzes für Niedersachsen v. 5. 2. 1996 (LT-Drucks. 1311712, S. 3).

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2. Kap.: Verfassungsrechtliche Grundlagen für den (des) Sport(s)

a) Die Förderung

Alle Landesverfassungen, die den Sport aufgenommen haben, verpflichten den Staat und seine Körperschaften, den Sport zu fördern. Förderung als unbestimmter Rechtsbegriff der Verfassung ist bisher noch wenig erhellt. Die Materialien zeigen jedenfalls nicht die Richtung an. Brandenburg und Thüringen haben aber in Konkretisierung ihrer verfassungsrechtlichen Verpflichtung Sportförderungsgesetze nach lokrafttreten ihrer Verfassungen erlassen388 . Allerdings kennen Berlin, Bremen und Rheinland-Pfalz auch ohne verfassungsrechtliche "Rückendeckung" Sportförderungsgesetze, die lange vor der "Sportwelle" in den Landesverfassungen erlassen wurden 389. Blickt man in diese Gesetze, so läßt sich durchaus eine Konkretisierung dessen erblicken, was "Förderung des Sports" aus der Sicht des Staates beinhaltet. Nach den Zielen der Sportförderungsgesetze ist es Aufgabe der staatlichen Sportförderung, die Vereins- und Verbandsarbeit zu unterstützen sowie die Zusammenarbeit der Sportorganisationen zu sichern, die Entwicklung von Inhalten, Formen und Methoden sportlicher Betätigung zu unterstützen und (hier interessant) dazu beizutragen, das Angebot an sportlicher Betätigung zu verstärken und zu erweitem390 und die Teilnahme an Sportveranstaltungen zu ermöglichen391 . Dabei sind die Beweggrunde für die Ausübung von Sport, wie insbesondere die Freude an Spiel, Bewegung, Wettkampf und Leistung, zu beriicksichtigen392. Sportförderung bedeutet also: Schaffung und Erhaltung des Sportangebots, die Unterstützung der Sportorganisationen bei ihren vielfliltigen Tatigkeiten unter gleichzeitiger Respektierung der vom Sport selbst gewählten und von ihm gesetzten Ziele393. Diese Einschränkung ist im Hinblick auf die Respektierung der Binnenstruktur des Sports wegen Art. 9 Abs. 1 GG auch verfassungsrechtlich geboten. Zur Umsetzung dieser Ziele leisten Staat und Kommunen finanzielle Unterstützung394 388

BrandSportFG v. 10. 12. 1992, GVBI. S. 498 und ThürSportFG v. 8. 7. 1994, GVBI.

s. 808.

389 Ber!SportFG v. 24. 10. 1978, GVBI. S. 2105; BremSportFG v. 5. 7. 1976, GVBI. S. 173 und RhPfSportFG v. 9. 12. 1974, GVBI. S. 597. 390 Vgl. etwa § 1 Abs. 2 Nr. 1 3 Ber!SportFG. Ähnlich: § 2 BrandSportG, § 2 BremSportFG, § 1 RhPfSportFG, § 1 Abs. 2 ThürSportFG und § 3 Abs. 1 des Entwurfs eines NdsSportG (v. 5. 2. 1996, LT-Drucks. 1311712, S. 2). 391 So § l BrandSportFG. 392 § 1 Abs. 3 Nr. 1 Ber!SportFG und § 1 Abs. 3 Nr. 1 ThürSportFG. Daneben auch die Erhaltung von Gesundheit und Leistungsfahigkeit, die Vermittlung sozialer Grunderfahrungen, die aktive Gestaltung der Freizeit, den Beitrag zur Erziehung und Bildung und die soziale Integration unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen (vgl. § 1 Abs. 2 Nr. 2 6 BerlSportFG). 393 Art. 3c BWVerf formuliert ausdrücklich: " ... unter Wahrung der Autonomie der Träger". 394 Kirchhof, in: Kirchhof (Hrsg.), Sport und Umwelt, Recht und Sport, Band 17, S. 41 (44), meint, daß staatliches Fördern "zunächst Regeln, nicht notwendig Finanzieren" heißt. Bisher hat diese Befürchtung jedenfalls im geltenden Recht und in der Praxis keinen Niederschlag gefunden.

B. Stellung des Sports und der Sportler im Landesverfassungsrecht

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beim Bau und bei der Unterhaltung von klassischen Sportstätten395 , und gewähren Zuwendungen für Einzelmaßnahmen wie die Durchführung von Sportveranstaltungen396. Nun verteilt der Staat aber nicht nur Geld aus seinen (knappen) Haushalten, sondern entscheidet gerade im Rahmen der Leistungsverwaltung über die Verteilung und Nutzung seines Eigentums. Folgerichtig regeln die Gesetze auch den Zugang und die Nutzung der primär kommunalen Sporteinrichtungen zugunsten des Sports, und gewähren teilweise die kostenlose Zurverfügungstellung der Einrichtungen397. Staat und Kommunen sind freilich picht nur Eigentümer von klassischen Sportanlagen, sondern auch Eigentümer oder Nießbraucher an den rechtlich öffentlichen Straßen. Darüber hinaus bestehen bei "tatsächlich öffentlichen Straßen" zumindest Nutzungsbefugnisse des Staates oder der Kommunen. Diese können auf der privatrechtlichen Eigentümer- bzw. Besitzerstellung (§ 854 BGB) beruhen oder eine Folge der öffentlich-rechtlichen Beschränkungen zugunsten der Erholungssuchenden (Stichwort: Betretungsrechte) sein mit diesbezüglichen Regelungskompetenzen in den Spezialgesetzen. Dies führt zumindest zu einem "Mitentscheidungsrecht" des Staates und der Kommunen im Hinblick auf die Nutzung der Straße. Besteht die öffentliche Aufgabe der Sportförderung in der Ermöglichung und der Erweiterung des Sportangebots und der Schaffung des Zugangs zu öffentlichen Sporteinrichtungen, folglich die verfassungsrechtlich gewollte Entscheidung über die "sportfreundliche" Nutzung des Eigentums und (konsequenterweise) auch des staatlich oder kommunal beeinflußten "Substrats", so liegt es nahe, dem Staat und den Gemeinden die verfassungsrechtliche Verpflichtung aufzuerlegen, zumindest zu priifen, inwieweit die Straßen (bzw. Teile der Straßen) im Rahmen der Gesetze für den Sport allgemein nutzbar gemacht werden können (Stichwort: Einrichtung von Sportstraßen auf der Basis des Straßenverkehrsrechts398 ; sportfreundliche Interpretation der Betretungsrechte) bzw. inwieweit im Rahmen von Einzelfallentscheidungen, die die Nutzung der Straße betreffen (Stichwort: Sondernutzungserlaubnis für Sportveranstaltungen)399, die (öffentlichen) Belange des Sports beriicksichtigt 395 §§ 5 ff. Ber!SportFG; 4 ff. BrandSportFG; 9 ff. BremSportFG; 4, 6 ff. RhPfSportFG und 5 ff. ThürSportFG. 396 § 11 Abs. 1 Nr. 4 Ber!SportFG; § 10 Abs. 2 Nr. 4 u. 5 BremSportFG und § 16 Abs. 1 Nr. 13 ThürSportFG. 397 § 10 BerlSportFG; § 6 BrandSportFG; § 7 BremSportFG; § 15 RhPfSportFG und § 14 ThürSportFG. 398 Rechtsgrundlage: z. B. § 45 Abs. 1 S. 1 StVO (auf durch Zeichen 250 für den Fahrzeugverkehr gesperrten Straßen mit Zusatzschild "Sport"). Solche Verpflichtungen sind i. ü. dem geltenden Recht nicht fremd. Nach § 28 BNatSchG sind Bund, Länder, Gemeinden, Gemeindeverbände und sonstige Gebietskörperschaften verpflichtet, die in ihrem Eigentum oder Besitz stehenden Grundstücke, die sich nach ihrer Beschaffenheit dafür eignen, in angemessenem Umfang für die Erholung bereit zu stellen. Allerdings, darauf sei hingewiesen, ist die für die Ausflihrung des Straßenverkehrsrechts zuständige Straßenverkehrsbehörde nicht unbedingt mit dem Träger der Straßenbaulast identisch. Welche Konsequenzen sich daraus ergeben, wird noch zu zeigen sein.

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werden müssen400. Noch weiter geht gar der Entwurf eines Sportgesetzes für Niedersachsen v. 5. 2. 1996401 . Nach seinem § 7 Abs. 1 wird jedem das Recht eingeräumt, sich auch außerhalb von Sportanlagen sportlich zu betätigen. Besonders interessant ist § 9 des Entwurfs. Nach Abs. 1 S. 1 hat jeder das Recht, sich auf öffentlichen und dem Fahren bestimmten Wegen sportlich zu betätigen, und in Abs. 2 wird festgestellt, daß das freie Betretungsrecht des Waldes und der freien Landschaft das Recht einschließt, sich sportlich zu betätigen. Nach dem Wortlaut der Bestimmungen ist das "Sportausübungsrecht" also als subjektiv-öffentliches Recht formuliert. Bemerkenswert ist auch (worauf noch einzugehen sein wird), daß mit diesen Bestimmungen zur Sportausübung außerhalb von Sportanlagen nach der Begründung des Gesetzentwurfs die bestehenden Rechte des Einzelnen auf freie Sportausübung (lediglich) zusammengefaßt und dadurch das Verwaltungshandeln erleichtert und transparenter gemacht402 , nicht aber konstitutiv begründet werden sollten.

b) Die Schutzpflicht

Schwierig ist auch die Konkretisierung der in manchen Ländern darüber hinaus bestehenden Schutzpflicht für den Sport. Eine prominente Schutzpflicht des Staates aus den Grundrechten der Art. 2 Abs. 2 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 S. 2 für Leben und körperliche Unversehrtheit wurde bereits angesprochen403 . Im Bereich der Staatsziele ist die diskutierte aber (bisher) wenig praktizierte404 Norm Art. 20a GG. Auch hier wird dem Staat eine Schutzpflicht allerdings für die "natürlichen Lebensgrundlagen" auferlegt. Insbesondere Murswiek405 hat sich insoweit bemüht, den Schutzauftrag zu konkretisieren. Überträgt man die im Zusammenhang mit Art. 20a GG gewonnenen Erkenntnisse, so umfaßt diese die Abwehr von Eingriffen 399 V. a. auf der Grundlage des Straßenverkehrsrechts (z. B. § 29 Abs. 2 StVO). Vgl. vorstehend zur Problematik, daß die Straßenverkehrsbehörde nicht notwendig identisch mit dem Eigentümer bzw. Nutzungsberechtigten der Straße ist. 400 Darüber hinaus wäre es sinnvoll, in Konkretisierung des Förderauftrags zumindest klarzustellen, daß der Gemeingebrauch an öffentlichen Straßen und die Betretungsrechte zur Erholung auch die Sportausübung mit umfassen, denn die einfach-rechtliche Rechtslage ist (leider), wie noch zu zeigen sein wird, nicht klar formuliert. 401 LT-Drucks. 13/1712. 402 LT-Drucks. 1311712, S. 8. 403 Siehe oben, Kap. 2 A. li. l. e). Zu weiteren Schutzpflichten etwa Jarass, in: Jarass/ Pieroth, Rdnr. 10 f. der Vorb. vor Art. 1 GG mit weiteren Hinweisen. 404 Aber BVerwG, Beschl. v. 13. 4. 1995, UPR 1995, S. 309 (310 f.) u. dies., Beschl. v. 19. 12. 1997, BayVBI. 1998, S. 602 (602 f.). Für die in Art. 3 Abs. 2 und Art. 141 Abs. 1 u. 2 BayVerf (auch) enthaltene Schutzpflicht für die natürlichen Lebensgrundlagen: BayVerfGH, Entsch. v. 27. 9. 1995, BayVBI. 1996, S. 18. 405 In: Sachs (Hrsg.), Rdnr. 33 ff. zu Art. 20a GG und in NVwZ 1996, S. 222 (225 ff.). Siehe auch Kloepfer, in: BK, Rdnr. 55 ff. zu Art. 20a GG; Jarass, in: Jarass/Pieroth, Rdnr. 3 zu Art. 20a GG; Bemsdorff, NuR 1997, S. 328 (332 ff.); Waechter, NuR 1996, S. 321 (327).

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von dritter Seite und die Unterlassung des "Eingriffs" durch staatliches Handeln selbst, also auch eine Achtungspflicht des Staates, insbesondere für die Institutionen des Sports. Sieht man das so, was im Hinblick auf die Autonomie des Sports auch geboten erscheint, so besteht jedenfalls nicht die Gefahr, daß der Staat seine Schutzpflicht in Richtung einer "Schutzhaft" für den Sport definiert406. Folge ist dann auch, daß der Staat die Beeinträchtigung des Sports (von dritter Seite) insbesondere privater Seite nicht fördern dart07 . Das konkrete Schutzniveau ist durch die Verfassung allerdings nicht bestimmt. Als unterste Grenze läßt sich aber wohl festlegen, daß die Schutzpflicht ein "Rückzugsverbot" des Staates aus der staatlichen Förderung statuiert408 , wenngleich sich dieses bereits aus dem Förderauftrag selbst ergibt. Fraglich ist allerdings, ob sich aus einem Schutzauftrag auch eine Niveausicherung der staatlichen (finanziellen) Sportförderung im Sinne eines "Verschlechterungsverbots" ableiten läßt409. Richtigerweise kann dies jedoch nicht gefolgert werden. Schutz muß nicht unbedingt die Erhaltung des Status quo bedeuten. Aufgabe der Verfassung kann es nur sein, einen "Minimalstandard" zu sichern, der allerdings in effektiver Weise geeignet sein muß, den "Zielauftrag" (noch) zu verwirklichen410 •

c) Die "Pflege"

Wegen der Problematik einer "Schutzklausel" haben sich Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz für die Aufnahme einer (scheinbar) "schwächeren" Formulierung in die Landesverfassung entschieden411 • Der Sport ist nach Art. 18 Abs. 3 NWVerf bzw. Art. 40 Abs. 4 RhPfVerf (auch) zu pflegen. Pflege als Begriff des 406 Auf diese Gefahr weisen Kirchhof (in: Kirchhof [Hrsg.], Sport und Umwelt, Recht und Sport, Band 17, S. 41 [44 ff.]) und Steiner (in: Burmeister [Hrsg.], FS Stern, S. 509 [517] und in der öffentlichen Anhörung vor dem Hauptausschuß des Landtags Nordrhein-Westfalen am 1. 10. 1992 [LT-Drucks. 11/4604 v. 2. 11. 1992, S. 6]) hin. 407 Murswiek, NVwZ 1996, S. 222 (225 f.) zu Art. 20a GG. 408 So Murswiek, in: Sachs (Hrsg.), Rdnr. 40 zu Art. 20a GG. 409 So Murswiek, in: Sachs (Hrsg.), Rdnr. 44 zu Art. 20a GG und Bemsdorff, NuR 1997, S. 328 (332). Insoweit besteht aber wohl keine Vergleichsmöglichkeit zwischen dem landesverfassungsrechtlichen Staatsziel "Sport" und Art. 20a GG, denn aus den Materialien zu Art. 20a GG ergibt sich der Wille des verfassungsändernden Gesetzgebers, zu einer Verbesserung des Umweltsituation, ausgehend vom momentanen Standard, zu gelangen (vgl. Murswiek, in: Sachs [Hrsg.], Rdnr. 43 zu Art. 20a GG m. N.). Diese "Dynamik" ist auch im Wortlaut durch "die Verantwortung für die künftigen Generationen" angelegt. Dagegen war es primäres Ziel der Aufnahme des Staatsziels "Sport", der gesellschaftlichen Bedeutung auch verfassungsrechtlich Ausdruck zu verleihen. 410 Ähnlich Kloepfer, in: BK, Rdnr. 35 zu Art. 20a GG. 411 Zu den Bedenken bzgl. der Aufnahme einer "Schutzverpflichtung" in die Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen: Steiner, in der öffentlichen Anhörung vor dem Hauptausschuß des Landtags Nordrhein-Westfalen v. 1. 10. 1992 (LT-Drucks. 11/4604 v. 2. 11. 1992, s. 6).

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2. Kap.: Verfassungsrechtliche Grundlagen für den (des) Sport(s)

Verfassungsrechts ist primär im Zusammenhang mit der Kultur diskutiert und geschrieben412. In diesem Zusammenhang ist "Pflege" eine öffentliche Verantwortung, die sich in den Formen der Kulturgutsicherung, des Kulturgutschutzes und der Kulturförderung einschließlich der vielfältigen Formen der Vermittlung von Kultur vollzieht413 . Überträgt man diese Definition auf das hier interessierende Staatsziel "Sport", so ist die (allgemeine) Förderung zumindest überflüssig, da sie bereits ausdrücklich aufgenommen ist; geschützt sollte der Sport nach dem Willen des Verfassungsgebers gerade nicht werden414. Folglich bleibt als eigenständiger Gehalt der Sportpflege lediglich die "Sportgutsicherung". Das soll primär heißen, daß die (staatlichen) Sportstätten zu erhalten und (soweit möglich) zu erneuern sind415 , allgemein die Weiterentwicklung und die Entfaltung von entwicklungsfähigen Sportgegebenheiten, auch Beratung und wissenschaftliches Erfassen416, wenngleich sich auch dieses bereits aus dem Förderauftrag der Verfassungen ableiten läßt. Richtigerweise betrifft die "Sportgutsicherung" deshalb in erster Linie die verfassungsrechtliche Absicherung der dem Sport immanenten bzw. von ihm selbst gesetzten Prinzipien, wie insbesondere der "Fairnessgedanke" als oberstes "Sportgut". Weiterhin läßt sich der "Sportpflege" eine landesverfassungsrechtliche Sicherung der Autonomie des Sports ableiten. Dazu gehört etwa die Pflicht des Staates zur Neutralität bei gleichzeitiger Sicherung eines freiheitlichen Sportwesens417 .

d) Der Adressat des Staatsziels

aa) Allgemein Etwas präziser faßbar ist die Frage, an wen sich konkret die Aufgabe der Umsetzung des Staatsziels "Sport" richtet. Die Länder handeln in der Form der drei Staatsgewalten: Gesetzgebung im Rahmen der Art. 30 und 70 GG (Legislative), ihr Verwaltungshandeln, auch beim Vollzug von Bundesgesetzen (Art. 83 f. GG, 412 Geschrieben ist die Pflege v. a. im Zusammenhang mit der Kunst, die sicher Teil der Kultur ist. Vgl. Art. 141 Abs. 2 BayVerf, Art. 11 S. 2 BremVerf, Art. 62 S. 1 HessVerf, Art. 18 Abs. 1 NWVerf (dort auch Kulturpflege), Art. 40 Abs. 3 RhPfVerf (in der Überschrift des III. Abschnitts [vor Art. 27] auch explizit die Kulturpflege), Art. 34 Abs. 2 SaarlVerf, Art. 11 Abs. 3 S. 1 SächsVerf, Art. 36 Abs. 2 und 4 SachsAnhVerf und Art. 30 Abs. 2 S. 2 ThürVerf. Zur staatlichen Kulturpflege z. B. Steiner, Kulturauftrag im staatlichen Gemeinwesen, VVDStRL 42 (1984), S. 7; ders., Kulturpflege, in: lsensee I Kirchhof(Hrsg.), HdbStR III, § 86, S. 1235 und Grimm, Kulturauftrag im staatlichen Gemeinwesen, VVDStRL 42 (1984), s. 46. 413 So Steiner, Kulturpflege, in: lsensee I Kirchhof (Hrsg.), HdbStR III, § 86, Rdnr. 1. 414 Zum "Schutz" als Teil der "Pflege" auch Reich, Rdnr. 2 zu Art. 36 SachsAnhVerf. 415 Meder, Rdnr. 2 zu Art. 141 BayVerf; Braun, Rdnr. 9 zu Art. 86 BWVerf, jeweils zur Kultur. 416 Braun, a. a. 0. 41 7 Siehe in Bezug auf die Kultur etwa Steiner, Kulturpflege, in: Isensee l Kirchhof(Hrsg.), HdbStR III, § 86, Rdnr. 9 und Neumann, Rdnr. 9 zu Art. 11 BremVerf.

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Exekutive) und die Landesgerichtsbarkeit als Judikative. Das Staatsziel Sport verpflichtet nach dem Wortlaut alle drei Staatsgewalten, und zwar ohne Differenzierung. Mag man für das bundesverfassungsrechtliche Staatsziel des Art. 20a GG (Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen) aus dem Wortlaut und dem Willen des Gesetzgebers bei der Statuierung der Vorschrift schließen, daß sich Art. 20a GG "zunächst und primär" an den Gesetzgeber (auch der Länder) richtet418 , so kann dieses Ergebnis jedenfalls nicht unreflektiert auf die Landesverfassungen übertragen werden419, zumal auch nicht erkennbar ist, wo das "Sekundäre" für Verwaltung und Rechtsprechung liegen soll, denn auch für Art. 20a GG ist gewollt und anerkannt, daß sich dieses unmittelbar an Exekutive und Judikative im Sinne eines bindenden Auftrags420 richtet, mit der Folge einer "Beachtenspflicht" für die Exekutive bei der Auslegung von Gesetzen, bei der Ausübung von Ermessensbefugnissen und generell im Bereich der gesetzesfreien Verwaltung421 ; für die Rechtsprechung bei der Auslegung von Gesetzen. Für beide ist die "Berücksichtigungspflicht" also gerade bei der Wahrnehmung ihrer "Kemaufgaben" anerkannt. Der Vorbehalt von "Gesetz und Recht" in Art. 20a GG will denn auch nur die ohnehin geltende Vorgabe des Art. 20 Abs. 3 betonen422 . Sieht man dies anders, so ist ein wesentlicher (verfassungstheoretischer) Unterschied zu reinen Gesetzgebungsaufträgen nicht mehr erkennbar. Bereits die Bezeichnung als ,,Staatsziel" beinhaltet gerade den "Zielauftrag" an sämtliche Staatsgewalten423. Klar ist allerdings, daß die wesentlichen Entscheidungen gesetzgebe418 Vgl. Begründung der Gemeinsamen Verfassungskommission zu der Empfehlung der Aufnahme des Art. 20a GG v. 5. ll. 1993, BT-Drucks. 12/6000, S. 68. Siehe auch bereits den Bericht der Sachverständigenkomrnission, in: BMIIBMF (Hrsg.), Staatszielbestimmungen/Gesetzgebungsaufträge, 1983, Rdnr. 161 und die öffentliche Anhörung vor dem Rechtsausschuß des Deutschen Bundestages v. 14. 10. 1987, Protokoll Nr. 8 u. BVerwG, Beschl. v. 13. 4. 1995, UPR 1995, S. 309 (310) m. Anm. Uhle, UPR 1996, S. 55. Zum "Adressaten" bei Art. 20a GG z. B. Waechter, NuR 1996, S. 321 (322 ff.); Steinberg, NJW 1996, S. 1985 (1990 ff.); Bemsdorff, NuR 1997, S. 328 (330); Peters, NVwZ 1995, S. 555 (556); Kloepfer, in: BK, Rdnr. 18 ff. zu Art. 20a GG und Scholz, in: Maunz/Dürig/Herzog, Band II, Rdnr. 44 ff. zu Art. 20a GG. 419 So aber Fischer, Staatszielbestimmungen, S. 5, der den Gesetzgeber als primären Adressaten der Landesstaatsziele ansieht. Zur Begründung beruft er sich auf die Sachverständigenkomrnission, a. a. 0., Rdnr. 7, die aber gerade darauf hinweist, daß es auf die Formulierung ankomme. 420 Kloepfer, DVBI. 1996, S. 73 (74 f.). 421 Gemeinsame Verfassungskommission, BT-Drucks. 12/6000 v. 5. ll. 1993, S. 68; Murswiek, in: Sachs (Hrsg.), Rdnr. 61 zu Art. 20a GG und BVerwG, Beschl. v. 19. 12. 1997, BayVBI. 1998, S. 602 (602). 422 Gemeinsame Verfassungskommission, BT-Drucks. 12/6000 v. 5. ll. 1993, S. 68. Anders sah dies noch die Sachverständigenkomrnission, in: BMIIBMF (Hrsg.), Staatszielbestimmungen I Gesetzgebungsaufträge, 1983, Rdnr. 7, die meinte, daß man die verfassungsunmittelbare Wirkung für Rechtsprechung und Exekutive durch die Klausel: "nach Maßgabe der Gesetze" ausschließen könne. 423 So auch der BayVerfGH, Entsch. v. 27. 9. 1995, BayVBI. 1996, S. 18 (20) für die in Art. 3 Abs. 2 und Art. 141 Abs. 1 und 2 BayVerf enthaltene Staatszielbestimmung für den

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risch getroffen werden und auch getroffen werden müssen. Deshalb obliegt es auch dem Gesetzgeber, grundlegende Entscheidungen zur Verwirklichung eines Staatsziels selbst zu treffen, jedoch ist die konkrete Umsetzung im Einzelfall Aufgabe und Verpflichtung von Verwaltung und Rechtsprechung. Der Legislative wird grundsätzlich bei der Verwirklichung eines Staatsziels durchaus ein Gestaltungsspielraum bleiben gerade für Neuregelungen. Jedoch hat der BayVerfGH zurecht festgestellt, daß im Zusammenhang mit der Verwirklichung eines Staatsziels vielfaltige Gewichtungen, Abwägungen und Konkretisierungen erforderlich sind424. Je mehr (bindende) Staatsziele die Verfassung dem Gesetzgeber vorschreibt, um so komplizierter wird die Umsetzung im einzelnen. Sein politischer Spielraum wird eingeengt425 . In Bezug auf die Überprüfbarkeit der (ausreichenden) Umsetzung eines Staatsziels durch die (verfassungsgerichtliche) Rechtsprechung scheint sich auch ein gewisser Wandel zu vollziehen. Wahrend das BVerfG etwa im Zusammenhang mit der Verwirklichung des Schutzauftrags für Leben und körperliche Unversehrtheit nur eine Evidenzprüfung im Hinblick auf die Verletzung dieser Pflicht durch den Gesetzgeber vornimmt (s. Kap. 2 A. II. 1. e]), die in der Praxis im Regelfall dazu führt, daß faktisch eine echte Kontrolle nicht stattfindet, überprüft der BayVerfGH, ob der Gesetzgeber die erforderliche Gewichtung zutreffend vorgenommen hat. Konkret: Hat der Gesetzgeber den Verfassungsauftrag des Staatsziels ausreichend in Betracht gezogen oder von vomherein oder ohne gewichtige Gründe vemachlässigt426. Auf Grund der prozessualen Möglichkeit der Erhebung einer Popularklage zum BayVerfGH nach Art. 98 S. 4 BayVerf wird in Zukunft wohl v. a. von diesem Gericht die Entwicklung im Bereich der Verwirklichung von Staatszielen durch den Landesgesetzgeber entscheidend (mit)geprägt werden, zumal auf Grund des weiten Prüfungsmaßstabs, den das Gericht anlegt. Nach ständiger Rechtsprechung des BayVerfGH ist es (für die Zulässigkeit) eines Popularklageverfahrens ausreichend, daß eine Verletzung von Grundrechtsnormen der BayVerf (substantiiert) gerügt wird427 . Ist die Klage danach zulässig, prüft das Gericht von Amts wegen die Vereinbarkeit einer Norm, gegebenenfalls auch das Unterlassen einer (ausreichenden) Normsetzung, anband sämtlicher Vorschriften der BayVerf28 , also auch an Staatszielen429 . Umweltschutz. Siehe auch Bernsdorff, NuR 1997, S. 328 (330) und Kirchhof, in: Kirchhof (Hrsg.), Sport und Umwelt, Recht und Sport, Band 17, S. 41 (51 und 54 f.). 424 Entsch. v. 27. 9. 1995, BayVBI. 1996, S. 18 (20). 425 BayVerfGH, Entsch. v. 27. 9. 1995, BayVBI. 1996, S. 18 (20). 426 BayVerfGH, a. a. 0 . 427 Z. B. Entsch. v. 20. 2. 1990, VerfGH 43, S. 67 (73). 428 BayVerfGH, Entsch. v. 20. 2. 1990, VerfGH 43, S. 67 (73); dies., Entsch. v. 27. 9. 1995, BayVBI. 1996, S. 18 (19). Siehe auch Meder; Rdnr. 15 zu Art. 98 BayVerf m. w. N. Speziell zum Unterlassen des Gesetzgebers: Meder; Rdnr. 17 u. 19 zu Art. 98 BayVerf. 429 Siehe die detaillierte Prüfung des BayVerfGH im Zusammenhang mit dem Umweltschutzstaatsziel (Art. 3 Abs. 2, Art. 141 Abs. 1 u. 2 BayVerf): Entsch. v. 27. 9. 1995, BayVBI. 1996, S. 18 (20 f.). Zur naturgemäß eingeschränkten Kontrolle bei Verstößen gegen Programmsätze: Meder; Rdnr. 16 zu Art. 98 BayVerf. Zur Diskussion um die Handlungs-

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bb) Speziell: Die Landesverwaltung als Adressat eines Staatsziels (1) Die Verwirklichung eines Staatsziels durch die Verwaltung

Im Zusammenhang mit dem Thema der vorliegenden Untersuchung interessiert einen näheren Blick auf die Bedeutung des Staatsziels für die Verwaltung zu werfen, deren Aufgabe es ist, das geltende Recht auszulegen und anzuwenden. Solange der Gesetzgeber eine Konkretisierung des Staatsziels "Sport" noch nicht vorgenommen hat430, obliegt es (gegenwärtig) primär der Verwaltung, dessen (bindenden) Gestaltungsauftrag im Rahmen der Gesetze zu verwirklichen431 . Die Folgefrage ist dann, inwieweit die Rechtsprechung der Länder (insbesondere die Landesverwaltungs- und Landesverfassungsgerichte) die Einhaltung der Bindungen aus dem Staatsziel kontrollieren können. Daß auch die Landesverwaltungen an die landesverfassungsrechtlichen Staatsziele im Grundsatz gebunden sind, wurde bereits angesprochen, entspricht auch dem Willen des Verfassungsgebers432 , ist von der Rechtsprechung akzeptiert433 und auch von der Literatur gebilligt434• Probleme bereitet "nur" die konkrete Bedeutung des Staatsziels. Der Ausgangspunkt kann noch mit einiger Sicherheit bestimmt werden. Die Verwaltung kann (bzw. muß) ein bindendes Staatsziel dort bepflichten, die sich für den Gesetzgeber aus der Staatszielbestimmung des Art. 20a GG ergeben und der (erwarteten) Kontrolldichte v. a. des BVerfG: Kloepfer, in: BK, Rdnr. 26 ff. u. 48 zu Art. 20a GG; Murswiek, in: Sachs (Hrsg), Rdnr. 60, 64 und 73 f. zu Art. 20a GG; Bemsdorff, NuR 1997, S. 328 (332 ff.); Scholz, in: Maunz /Dürig/Herzog, Band II, Rdnr. 46 ff. zu Art. 20a GG; Steinberg, NIW 1996, S. 1985 (1991 f.). Siehe bereits auch Sterze[, ZRP 1993, S. 13 (15). 430 Siehe zu einer aus der Sicht des Sports sicher erfreulichen gesetzgebensehen Initiative, allerdings ohne direkten verfassungsrechtlichen Hintergrund: Entwurf eines Sportgesetzes für Niedersachsen v. 5. 2. 1996, LT-Drucks. 13/1712. 431 Siehe auch Bull, in: Becker (Hrsg.), FS Thieme, S. 305 (319), der ebenfalls meint, daß der praktische Einfluß der (landesverfassungsrechtlichen) Staatsziele auf die Verwaltung bedeutsamer sei, als der Handlungsauftrag an den Gesetzgeber. Auch Becker, DVBL 1995, S. 712 (712), meint zurecht, daß die tatsächliche Wirkung eines Staatsziels wesentlich von den Konkretisierungsvorgängen auf der Ebene der Verwaltung abhängt. 432 Siehe etwa ausdrücklich den Bericht des Verfassungs- und Rechtsausschusses zum Ausschußentwurf der Verfassung des Freistaates Sachsen vom 18. 5. 1992, in: Stober (Hrsg.), Quellen zur Entstehungsgeschichte der Sächsischen Verfassung, S. 397. V gl. allgemein auch den Bericht der Gemeinsamen Verfassungskommission, BT-Drucks. 12/6000 v. 5. 11. 1993, S. 68 für Art. 20a GG. 433 Z. B. BVerwG, Beschl. v. 13. 4 . 1995, NuR 1995, S. 309 (310); BayVerfGH, Entsch. v. 27. 9. 1995, BayVBl. 1996, S. 18 (20). 434 Aus der Literatur seien hier nur genannt: Kloepfer, in: BK, Rdnr. 40 ff. zu Art. 20a GG; Murswiek, in: Sachs (Hrsg.), Rdnr. 61 zu Art. 20a GG; Scholz, in: Maunz/Dürig/Herzog, Band II, Rdnr. 53 ff. zu Art. 20a GG; Erbguth/Wiegand, Die Verwaltung 1996, S. 159; dies., DVBl. 1994, S. 1325; Becker, DVBl. 1995, S. 713. Speziell im Zusammenhang mit dem landesverfassungsrechtlichen Staatsziel "Sport": Stern, in: Becker (Hrsg.), FS Thieme, S. 269 (282 f.); Kirchhof, in: Kirchhof(Hrsg.), Sport und Umwelt, Band 17, S. 41 (54 f.); Steiner, in: Bunneister (Hrsg.), FS Stern, S. 509 (521 f.).

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rücksichtigen, wo Raum dafür bleibt. Insoweit hat die Gemeinsame Verfassungskommission zurecht festgestellt, daß ein bindender "Beachtungsauftrag" der Verwaltung besteht, bei der Auslegung von Gesetzen, bei der Ausübung von Ermessenstatbeständen und generell im Bereich der gesetzesfreien Verwaltung das Staatsziel zu berücksichtigen435 . Bei der Auslegung von Landesgesetzen ist das Staatsziel sicher zu berücksichtigen, vor allem im Zusammenhang mit unbestimmten Rechtsbegriffen, die der Verwaltung einen Beurteilungsspielraum überlassen. Auch müssen die Belange des Sports im Rahmen von landesrechtlich eingeräumten Ermessenstatbeständen und Abwägungsentscheidungen, etwa im Bereich der Planfeststellung, als öffentlicher Belang berücksichtigt werden. Die Intensität der "Berücksichtigung", also die Wertigkeit des Belanges ,,Sport", kann generell nicht festgelegt werden, hängt insbesondere vom Einzelfall ab. So wird es etwa auf die "Sportnähe" des Gesetzes ankommen, genauso wie auf die Konkretheit des Staatsziels. Soweit die Landesverfassungen für den Sport nur allgemein eine Förderverpflichtung statuieren, besteht auch nur eine allgemeine "Beachtenspflicht", aber immerhin eine solche des Verfassungsrechts. Konkretisieren die Landesverfassungen, wie etwa Art. 11 Abs. 2 S. I SächsVerf, den Auftrag der Staatsgewalt in Richtung einer Verpflichtung, jedermann die Teilnahme am Sport zu ermöglichen und auch allgemein zugängliche Sportstätten zu unterhalten (S. 2), konkretisiert sich auch die Beachtenspflicht der Verwaltung, bis hin, diese These sei gewagt, zu einem allgemeinen Optimierungsgebot für den Sport436 . Praktisch relevant, dies sei angedacht, könnte dies etwa im Zusammenhang mit einer wasserhaushaltsrechtlichen Erlaubnis werden, soweit man in § 7 WHG lediglich eine Rahmenvorschrift sieht. Z. B. wäre es denkbar, daß die Benutzung der Gewässer für Zwecke des Sports infolge der Einwirkung der Sportförderungsklausel, da die sportliche Nutzung im öffentlichen Interesse liegt, eine Erlaubnis (in Bayern: sog. gehobene Erlaubnis nach Art. I6 BayWG) nach Wasserhaushaltsrecht in Betracht kommt. (2) Die Bedeutung des landesverfassungsrechtlichen Staatsziels bei der Anwendung von materiellem Bundesrecht

Näher eingegangen sei auf die Fragen, die sich im Zusammenhang mit der Anwendung von (materiellem) Bundesrecht stellen. In Betracht kommt die Berücksichtigung auch hier v. a. bei der Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe des Bundesrechts (Beispiel: "ähnliche Fortbewegungsrnittel" i. S. v. § 24 Abs. 1 StVO) und bei bundesrechtlich eingeräumten Ermessenstatbeständen (Beispiele: §§ 29 Abs. 2, 46 Abs. 2 S. I StVO). Durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist im Ansatz akzeptiert, daß auch die Landesstaatsgewalt bei der AusleBericht, BT-Drucks. 12/6000 v. 5. 11. 1993, S. 68. Siehe Bericht der Enquete-Kommission "Verfassungsreform" in Rheinland-Pfalz in Bezug auf das Staatsziel "Sport", in: LT-Drucks. 12/5555 v. 27. 10. 1994, S. 52. Allgemein zur Verfassung als Quelle von Optimierungsgeboten: Lerche, Die Verfassung als Quelle von Optimierungsgeboten, in: Burmeister (Hrsg.), FS Stern, S. 197. 435

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gung und Anwendung von (verfassungsgemäßem) Bundesrecht die Landesverfassung zu beachten hat437 , vorausgesetzt, die bundesrechtliche Regelung läßt Spielräume für die Berücksichtigung des Landesverfassungsrechts438 . Diese Sichtweise läßt sich allein schon aus der in Art. 20 Abs. 3 GG festgelegten Bindung der Verwaltung an Gesetz und Recht und somit auch an das Landesverfassungsrecht ableiten. Die Spielräume für die Berücksichtigung von Landesverfassungsrecht hängen aber zunächst davon ab, wie die Landesverwaltung die Bundesgesetze auszuführen hat. Führen die Länder die Bundesgesetze im Auftrag des Bundes aus (Art. 85 GG), ist auch die Verwaltungspraxis in der Regel nahezu vollständig durch den Bund im Sinne eines Letztentscheidungsrechts determiniert. Hier haben Weisungen nach Art. 85 Abs. 3 GG und Vorgaben des Bundes - auch in Form von Verwaltungsvorschriften - Vorrang auch vor Landesverfassungsrecht, denn die Bundesaufsicht erstreckt sich nach Art. 85 Abs. 4 GG auch auf die Zweckmäßigkeit der Ausführung und der Begriff "Gesetzmäßigkeit" im Sinne von Art. 85 Abs. 4 GG wird maßgeblich durch die Besonderheiten des Bund-Länder-Verhältnisses geprägt und nicht durch die aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleiteten Grenzen die für Einwirkungen des Staates in den Rechtskreis des Einzelnen gelten439. Im Zusammenhang mit der vorliegenden Untersuchung ist es jedoch wichtiger, näher auf den Regelfall einzugehen, nämlich die Ausführung von Bundesgesetzen als eigene Angelegenheiten der Länder (Art. 83 f. GG). In diesem Bereich regeln diese die Einrichtung der Behörden und das Verwaltungsverfahren, soweit nicht Bundesgesetze mit Zustimmung des Bundesrates etwas anderes bestimmen. Als "eigene Angelegenheit" beinhaltet die "Kompetenz" der Länder, die Ausführung der Gesetze "in verwaltungsmäßiger Weise"440, wozu insbesondere auch der Erlaß von (auch normkonkretisierenden bzw. -interpretierenden und ermessenslenkenden)441 Verwaltungsvorschriften gehört, gegebenenfalls auch der Erlaß von Verordnungen442. Dies gilt nur dann nicht, wenn der Bund (genauer: die Bundesregierung) mit Zustimmung des Bundesrates allgemeine Verwaltungsvorschriften erlassen (Art. 84 Abs. 2 GG) hat, was grundsätzlich in das freie Ermessen der Bun437 BVerfG, Beschl. v. 15. 10. 1997, NJW 1998, S. 1296 (1299). Siehe auch bereits Kap. 2 B. li. 4. a). 438 BVerfG, a. a. 0., S. 1299. 439 Siehe BVerfG, Urt. v. 22. 5. 1990, BVerfGE 81, S. 310 (338) und Erbguth/Wiegand, Die Verwaltung 1996, S. 159 (166). 440 BVerfG, Beschl. v. 15. 3. 1960, BVerfGE ll, S. 6 (15); Blümel, in: /sensee/ Kirchhof (Hrsg.), HdbStR IV,§ 101, Rdnr. 21; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Rdnr. 4 zu Art. 83 GG und Lerche, in: Maunz/ Dürig I Herzog, Band III, Rdnr. 64 zu Art. 83 GG. 441 Zu diesen etwa Bonk, in: Stelkens/Bonk/Sachs, Rdnr. 193 ff. zu§ 1 VwVfG; Kopp/ Ramsauer, Rdnr. 51 f. zu§ 40 VwVfG und Maurer, AllgVerwR, § 24, Rdnr. 9 f. 442 Vgl. Blümel, in: Jsensee/Kirchhof, HdbStR IV,§ 101, Rdnr. 21; Bull, in: Wassermann (Hrsg.), AK, Band 2, Rdnr. 29 zu Art. 83 GG; Lerche, in: Maunz/Dürig/Herzog, Band 111, Rdnr. 66 zu Art. 83 GG und Pieroth, in: Jarass/ Pieroth, Rdnr. 4 zu Art. 83 GG, der allerdings den Erlaß von Verordnungen nicht mehr zum "verwaltungsmäßigen" Vollzug zählen läßt.

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desregierung gestellt ist443 und diese, darauf sei hingewiesen, lassen keinen landesverwaltungsmäßigen Spielraum (mehr). Unwirksam sind diese aber auch dann nicht. Vielmehr gilt der Satz, daß allgemeine Verwaltungsvorschriften des Bundes entsprechenden Ländervorschriften (nur) vorgehen444 • Kann aber ein Land Bundesrecht durch Verwaltungsvorschriften konkretisieren, so muß erst recht Spielraum im Hinblick auf die Berücksichtigung von Landesverfassungsrecht bleiben. Was bedeutet diese Sichtweise? Beim landeseigenen Vollzug von Bundesgesetzen besteht solange die Verpflichtung (Art. 20 Abs. 3 GG) zur Beachtung des Landesverfassungsrechts, solange das Bundesrecht und auch Bundesverwaltungsvorschriften dem nicht entgegenstehen. Zwar wird vertreten, daß es ein (ungeschriebenes) Postulat der bundeseinheitlichen Auslegung von Bundesrecht gebe445 , jedoch ist dieses im föderalistischen System der Bundesrepublik in dieser Allgemeinheit nicht haltbar. Es kommt (wie immer) darauf an446. Wenn eine Begründung für dieses Postulat geliefert wird, dann wird vor allem Art. 31 GG herangezogen. Diese Vorschrift ist aber denkbar ungeeignet, diese Ansicht zu stützen. Art. 31 GG setzt die Kollisionslage von Bundesrecht und Landesrecht voraus. Abgesehen davon, daß bei der Anwendung der Gesetze im Einzelfall diese Vorschrift gar nicht zur Anwendung kommt447 , erscheint es äußerst schwierig zu begründen, weshalb eine Kollisionslage im Sinne einer Anwendung von Bundesrecht und Landesrecht auf denselben Sachverhalt mit jeweils unterschiedlichen Rechtsfolgen besteht, wenn das Bundesrecht durch Statuierung unbestimmter Rechtsbegriffe und die Einräumung von Ermessen für die Landesverwaltung gerade Spielräume zugunsten der Landesverwaltung läßt448 • Als schief kann auch die Sichtweise bezeichnet werden, daß Art. 31 GG dem Landesverfassungsrecht verbiete, bei einem bundesrechtlich eröffneten Spielraum, der mehrere rechtmäßige Rechtsfolgen zuläßt, nur eine für landesverfassungsgemäß zu erklären449 . Dies als Kollisionsfall zu bezeichnen, ist kaum nachvollziehbar. Erlaubt das Bundesrecht (auch) die landesverfassungsgemäße Rechtsfolge, so kommen Bundes- und Landesrecht nicht im Sinne von Art. 31 GG in Konflikt. Eine andere Frage ist, ob die Anwendung des Bundesrechts dann rechtmäßig ist. Bei bundesrechtlichen Ermessenstatbeständen stellt BVerfG, Beschl. v. 15. 3. 1960, BVerfGE 11, S. 6 (18). Pieroth, in: Jarass/ Pieroth, Rdnr. 8 zu Art. 84 GG. 445 Z. B. Starck, JZ 1993, S. 231 (232); BerkeTTUlnn, NVwZ 1994, S. 409 (414), Rozek, AöR 119 (1994), S. 450 (470) und wohl auch Lemhöfer, NJW 1996, S. 1714 (1716 ff.). 446 Siehe auch Lerche, in: Maunz /Dürig/Herzog, Band III, Rdnr. 156 zu Art. 84 GG und Rdnr. 83 zu Art. 83 GG. 447 Pietzker, in: lsensee /Kirchhof(Hrsg.), HdbStR IV,§ 99, Rdnr. 24; Maunz, in: Maunz/ Dürig/Herzog, Band II, Rdnr. 7 zu Art. 31 GG. 448 Insoweit trifft auch der Einwand von Starck, in: JZ 1992, S. 231 (232), nicht zu, der aus Art. 95 GG die Wichtigkeit der Einheitlichkeit der Rechtsprechung bei der Anwendung von Bundesrecht folgert. Ermessen ist gerichtlich insgesamt nur eingeschränkt überpriifbar. 449 So v. a. Dietlein, NVwZ 1994, S. 6 (11, Anm. 55). Dagegen zurecht Pascher, NJ 1996, s. 351 (353). 443

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sich etwa die Frage eines Ermessensfehlers im Sinne von § 40 VwVfG bzw. der entsprechenden Landesnormen, die Frage somit, ob die im Lichte des Landesverfassungsrechts erfolgte Ausübung des Ermessens noch dem Zweck der Ermächtigung und den gesetzlichen Grenzen entspricht. Auch aus dem Grundsatz des sogenannten bundesfreundlichen Verhaltens (auch Bundestreue genannt) läßt sich nicht eine bundeseinheitliche Auslegung der Bundesgesetze und der Ausübung von bundesrechtlich eingeräumtem Ermessen ableiten. Bundesfreundlich bedeutet eben nicht Bundeseinheitlichkeit, zumal dieser Grundsatz auch Pflichten für den Bund begründet im Sinne einer Rücksichtnahme auf die Länderinteressen. Für die Gesetzgebung bedeutet das, daß im Sinne einer Wechselwirkung sowohl den Ländern als auch dem Bund Grenzen gesetzt sind. Der Bund verletzt den Grundsatz, wenn er den Regelungsspielraum der Länder jedenfalls bei bestimmten Gegenständen der Gesetzgebung -übermäßig beschneidet450, die Länder dagegen, wenn sie von ihrem Gesetzgebungsrecht offenbar mißbräuchlich Gebrauch machen451 . Für die Verwaltung hat die "Bundesfreundlichkeit" vor allem in Art. 84 GG ihre Ausprägung gefunden452. Danach stehen dem Bund zur Sicherung einer "bundesgesetztreuen" Auslegung der Bundesgesetze verschiedene Mechanismen zur Verfügung. Die wichtigste ist bei den hier relevanten unbestimmten Rechtsbegriffen und Ermessenstatbeständen der bereits angesprochene Erlaß von norminterpretierenden und normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften und im Bereich des Ermessens der Erlaß von sog. ermessenslenkenden Vorschriften (Art. 84 Abs. 2 GG). Hat er diese (mit Zustimmung des Bundesrates) erlassen, so ist eine im wesentlichen einheitliche Anwendung gesichert, deren tatsächliche Befolgung dann Art. 84 Abs. 3-5 GG absichern. Das bedeutet: Will der Bund eine einheitliche Rechtsanwendung im Bundesgebiet erreichen, so hat er primär zumindest zu versuchen, entsprechende Vorschriften auf der Grundlage des Art. 84 Abs. 2 GG zu erlassen. Tut er dies nicht oder gelingt es ihm nicht, so kann er sich nicht (subsidiär) auf eine (ungeschriebene) Pflicht zu bundesfreundlicher Anwendung und Auslegung berufen453. Gerade aus dem Inhalt der Bundesrechtsaufsicht gemäß Art. 84 Abs. 3 und 4 GG läßt sich aber die These von der Beachtenspflicht der Landesverfassung weiter stützen. Die Bundesaufsicht ist Rechtsaufsicht Aus der Sicht der Landesbehörde geht es konkret um die Frage, ob sie das Bundesrecht rechtmäßig vollzogen hat454. Maßstab für die Beurteilung die450

BVerfG, Urt. v. 26. 7. 1972, BVerfGE 34, S. 9 (20), dort nur in Bezug auf Art. 74a GG.

451 BVerfG, Urt. v. I. 12. 1954, BVerfGE 4, S. 115 (140). 452 Zur daneben bestehenden (geringen) Bedeutung der "Bundestreue": Lerche, in: Maunz/Dürig/Herzog, Band III, Rdnr. 137 f. u. 151 zu Art. 84 GG. 453 In diese Richtung BVerfG, Beseht. v. 15. 3. 1960, BVerfGE 11, S. 6 (18). Ob dies auch bei erheblichen Verschiedenheiten der Ausführung gilt, läßt das BVerfG aber wohl offen (a. a. 0., S. 18). 454 Siehe Lerche, in: Maunz / Dürig I Herzog, Band 111, Rdnr. 156 zu Art. 84 GG; Bull, in: Wassennann (Hrsg.), AK, Band 2, Rdnr. 56 zu Art. 84 GG; Pieroth, in: Jarass/ Pieroth, Rdnr. 12 zu Art. 84 GG; Erbguth/Wiegand, Die Verwaltung 1996, S. 159 (169).

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2. Kap.: Verfassungsrechtliche Grundlagen für den (des) Sport(s)

ser Frage, sind alle Rechtsnormen, einschließlich des Landesrechts, sowie (zumindest partiell) Verwaltungsvorschriften455 . Der Bund muß deshalb die Bindung der Landesbehörde an die Landesverfassung berücksichtigen und, mehr noch, sogar überprüfen456. Das bedeutet, daß auch aus Sicht der Bundesaufsicht im Prinzip akzeptiert ist, daß die Landesverwaltung bei der Ausführung von Bundesgesetzen an die Landesverfassung gebunden ist. Natürlich hängt die Reichweite der Beachtung des Landesverfassungsrechts entscheidend von den Spielräumen des Bundesrechts ab, weshalb allgemeingültige Aussagen nur schwerlich zu machen sind. Als "Richtschnur" läßt sich für die Landesstaatsziele jedoch folgendes festhalten: Im Rahmen unbestimmter Rechtsbegriffe kann der Landesverwaltung zumindest im Rahmen ihres Beurteilungsspielraums, soweit ein solcher nach allgemeinen verwaltungsrechtlichen Grundsätzen besteht457 , das Recht zu einer "staatszielfreundlichen" Auslegung im Rahmen von Sinn und Zweck des Bundesgesetzes nicht abgesprochen werden, gegebenenfalls ist sie sogar dazu verpflichtet. Im Rahmen von auf Grund Bundesrechts eingeräumten Ermessensentscheidungen ist das Staatsziel als abwägungserheblicher Belang zu berücksichtigen, es sei denn, der Zweck der Ermächtigung läßt dies nicht zu oder die Verwaltung begibt sich dadurch außerhalb der gesetzlichen Grenzen des Ermessens, etwa wenn die Berücksichtigung des Staatsziels "sachfremd" wäre458 . Auch kann es ein landesverfassungsrechtliches Staatsziel nicht rechtfertigen, daß abschließendes Bundesrecht mißachtet wird. Dies gilt i. ü. auch bei der Anwendung von Landesrecht459 . In diesem Zusammenhang sei jedoch noch auf eine "bundesverwaltungsgerichtliche Spezialität" im Bereich des Ermessens hingewiesen. Es geht um das sogenannte 455 Lerche, in: Maunz/Dürig/Herzog, Band III, Rdnr. 156 f zu Art. 84 GG; Bull, in: Wassermann (Hrsg.), AK, Band II, Rdnr. 56 zu Art. 84 GG; Pieroth, in: Jarass/ Pieroth, Rdnr. 12 zu Art. 84 GG. Ob Verwaltungsvorschriften generell .,geltendes Recht" i. S. v. Art. 84 Abs. 3 GG darstellen ist allerdings umstritten. Teilweise (insbesondere Blümel, in: lsensee/Kirchhof(Hrsg.], HdbStR IV,§ 101, Rdnr. 44) wird dies in Anlehnung an die Rspr. des BVerfG (allerdings nicht zu Art. 84 Abs. 3 GG) nur für Regelungen betreffend der Behördenzuständigkeiten und des Verwaltungsverfahrens sowie in Bezug auf .,den Sonderfall" der atomrechtlichen Genehmigung (siehe etwa BVerfG, Beschl. v. 31. 5. 1988, BVerfGE 78, S. 214 [227]) angenommen. 456 Lerche, a. a. 0 ., Rdnr. 156 zu Art. 84 GG, der bemerkt, daß dies auf den ersten Blick seltsam erscheinen mag. Siehe auch Erbguth/Wiegand, Die Verwaltung 1996, S. 159 (169). 457 Dazu sei hier nur auf Bleckmann, Ermessensfehlerlehre, 1997, S. 119 ff. und Maurer, AllgVerwR, § 7, Rdnr. 27 ff., verwiesen. 458 Dazu etwa Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, Rdnr. 62 ff. zu§ 40 VwVfG; Kopp / Ramsauer, Rdnr. 63 zu § 40 VwVfG und Maurer, AllgVerwR, § 7, Rdnr. 22. 459 BVerwG, Urt. v. 23. 4. 1997, DVBI. 1997, S. 1118 (Einweggeschirr), allerdings nicht unmittelbar im Zusarnrnenhang mit Staatszielen. Hingewiesen wurde aber auch auf Art. 141 Abs. 1 BayVerf. Auch diese Norm rechtfertige keine Abweichung von einem bundesrechtlich (abschließend) festgelegten Standard (BVerwG, a. a. 0., S. 1119). Die Sperrwirkung für das Landesrecht wurde hier i. ü. zurecht aus Art. 72 Abs. 1 (noch zur a. F.) GG und nicht aus Art. 31 GG (BVerwG, a. a. 0., S. 1118) abgeleitet.

B. Stellung des Sports und der Sportler im Landesverfassungsrecht

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(bundesrechtlich) 460 intendierte Ermessen. Dem liegt folgender Gedanke zugrunde46I:

Die grundsätzliche Entscheidungsfreiheit der Verwaltung auf der Rechtsfolgeuseite soll bei einigen Ermessenstatbeständen462 so eingeengt sein, daß die Ermessensausübung der Verwaltung für den Regelfall in eine bestimmte Richtung festgelegt sei. Folge ist die grundsätzliche Ermessensreduzierung auf null, es sei denn ein Ausnahmefall ist gegeben463 . Gebietet der Zweck des (Bundes)Gesetzes nach diesen Grundsätzen im Regelfall eine bestimmte Entscheidung, so erscheint es äußerst schwierig, noch Raum für die Anwendung von Landesverfassungsrecht zu statuieren. Ob dies dennoch gelingt, hängt entscheidend von der konkreten Intention des Bundesgesetzgebers ab. Jedenfalls erscheint es durchaus denkbar, mit Hilfe des Landesverfassungsrechts zur Annahme einer (auch gegenüber dem Zweck des Bundesgesetzes noch vertretbaren) Ausnahmesituation zu gelangen und das Ermessen der Landesbehörde in diesen Fällen (wieder) herzustellen. Darauf wird noch im Zusammenhang mit den straßenverkehrsrechtlichen Tatbeständen einzugehen sein464 .

460 Landesrechtlich intendierte Entscheidungen sind im Zusammenhang mit der Berücksichtigung von Landesverfassungsrecht unter der hier betrachteten Problematik nicht interessant. 461 Auf das "intendierte Ermessen" wird noch näher im Zusammenhang mit den straßenverkehrsrechtlichen Ermessenstatbeständen der §§ 29 Abs. 1 i. V. m. 46 Abs. 2 S. 1 und 29 Abs. 2 StVO eingegangen werden. 462 Beispiele: § 135 Abs. 5 S. 1 BauGB, § 12 Abs. 6 S. 2 WPflG oder §§ 90, 91 BSHG. Weitere Beispiele bei Sachs, in: Stelkens / Bonk/Sachs, Rdnr. 29 zu§ 40 VwVfG. 463 Vgl. dazu etwa BVerwG, Urt. v. 16. 6. 1997, DVBI. 1998, S. 145, m. Anm. Schwabe, DVBI. 1998, S. 147. Ausführlich Volkmann, DÖV 1996, S. 282 und Borowski, DVBI. 2000, S. 149. Siehe auch Maurer; AllgVerwR, § 7, Rdnr. 12; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, Rdnr. 28 ff. zu§ 40 VwVfG und Kopp/Ramsauer; Rdnr. 45 ff. zu§ 40 VwVfG. 464 Hier soll noch nicht im Detail auf das "intendierte Ermessen" eingegangen werden. Interessant wird dies erst, wenn die sportrelevanten Vorschriften des Straßenverkehrsrechts dogmatisch als bundesrechtlich intendierte Entscheidungen angesehen werden können.

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3. Kapitel

Der Nutzungsrahmen für die Sportausübung auf öffentlichen Straßen A. Die straßenrechtliche "Rahmennutzungsordnung" für die Sportausübung I. Widmung zur öffentlichen Sache

Nach geltendem Straßenrecht ist die Widmung der juristische Geburtsakt der rechtlich öffentlichen Straße 1. Sie führt, in Verbindung mit der Indienststellung 2 , zur Begründung der öffentlichen Sache Straße, und zwar einer öffentlichen Sache im Gemeingebrauch3 . Öffentliche Sachen sind allgemein diejenigen Objekte des Staates oder sonstiger Verwaltungsträger, die den Zwecken der Verwaltung unmittelbar, d. h. durch ihren Gebrauch als solchen, zu dienen bestimmt sind, und im Rahmen dieser Zweckbestimmung öffentlichen Rechtsvorschriften unterliegen 4 • Nach traditioneller Lehre werden öffentliche Sachen (und somit auch Straßen) allgemein durch zwei Begriffsmerkmale bestimmt: zum einen die öffentlich-rechtliche Sachherrschaft und zum anderen die öffentliche Zweckbestimmung (Gemeinwohlfunktion). Die öffentlich-rechtliche Sachherrschaft entsteht nach heutiger Lehre5 mit der Widmung (in Verbindung mit der Indienststellung) der Straßen. Diese "verschafft" dem Staat oder sonstigen Verwaltungsträgem eine spezifische Sachherrschaft, unterstellt die Straße einem öffentlich-rechtlichen Regime. Rechtskonstruktiv wird dies nach deutscher Wegerechtstradition6 dadurch erreicht, daß zwar die privatrechtliche NaI So Steiner, in: Steiner (Hrsg.), BesVerwR, V., Rdnr. 28; Zömer, LKV 1996, S. 446 (447). Das BVerfG (Beschl. v. 10. 3. 1976, BVerfGE 42, S. 20 [33]) spricht allgernein davon, daß die Widmung den verwaltungsrechtlichen Status der Straße begründet. 2 BayVGH, Urt. v. 9. l. 1990, BayVBI. 1990, S. 661 (662); Danwitz, in: Schmidt-Aßmann (Hrsg.), BesVerwR, 11. Auf!., Rdnr. 46. 3 Zu Problernen dieser sog. Widrnungstheorie bei der Überleitung der Straßenverhältnisse in den neuen Bundesländern: Zömer, LKV 1996, S. 446; Sauthoff, NVwZ 1994, S. 864 (865 ff.) und ders., NVwZ 1998, S. 239 (242 f.). Aus der Rspr. z. B. SachsAnhOVG, Urt. v. 9. 4. 1997, LKV 1998, S. 278. 4 So oder ähnlich z. B. Forsthoff, VerwR, S. 376; Stern, Die öffentliche Sache, VVDStRL 21 (1964), S. 183 (195); Wolff/Bachhof, VerwR I,§ 55 Ila, S. 484. 5 Zur Entwicklung vgl. insb. Koda[, in: Koda[/ Krämer. Kap. 4, Rdnr. 2 ff.

A. Die straßenrechtliche "Rahmennutzungsordnung"

115

tur des Eigentums an der öffentlichen Sache i. S. v. § 903 BGB aufrecht erhalten bleibt, unabhängig davon, ob die Körperschaft, die die Hoheitsgewalt an der Sache innehat, selbst Eigentürnenn ist oder nicht7 • Aufgrund der Widmung für einen öffentlichen Zweck lastet jedoch auf diesem Privateigentum ein beschränktes dingliches Recht, eine nicht ins Grundbuch eintragungsfähige8 , öffentlich-rechtliche Dienstbarkeit, die bewirkt, daß die bürgerlich-rechtlichen Befugnisse überlagert, verdrängt oder modifiziert werden9 . Sie führt (nach h. M.) zur Duldung der Benutzung der öffentlichen Sache im Rahmen ihrer Zweckbestimmung 10, was für den zivilrechtliehen Eigentümer im Ergebnis zu einem ius nudum führen kann 11 • Die Straßengesetze weisen die öffentliche Sachherrschaft den nach Straßenklasse verschiedenen, gesetzlichen Trägem der Straßenbaulast, als Inhaber der Dienstbarkeit, zu. Ausgeübt wird sie durch die Straßenbaubehörden. Was die öffentliche Zweckbestimmung der Straßen betrifft, steht auch hier die Widmung als zentraler Begriff im Mittelpunkt. Sie bestimmt Inhalt und Umfang des öffentlich-rechtlichen Status 12• Zwar ist die öffentliche Zweckbestimmung nach den deutschen Straßengesetzen bereits abstrakt normativ auf "den Verkehr" beschränkt13, die Widmung legt jedoch weiter die konkrete Verkehrsfunktion der Straße vor allem durch die Einordnung in eine in den jeweiligen Straßengesetzen vorgesehene Straßenklasse (Einstufung) und, falls dieses noch nicht ausreichend ist (z. B. bei sonstigen öffentlichen Straßen), durch weitere Konkretisierung der Verkehrsfunktion (z. B. Geh-, Rad-, Reit- oder Fahrweg), fest. Daneben ermächtigen die Straßengesetze, nach pflichtgemäßem Ermessen die konkrete Zweckbestimmung einzuschränken, den verkehrliehen Zweck weiter zu konkretisieren, je nach Detailregelung in den Straßengesetzen auf bestimmte Benutzungsarten, 6 Mit Ausnahme Hamburgs. § 4 Abs. 1 HambWG begründet öffentliches Eigentum, das in Baden-Württemberg z. T. auch im Wasserrecht eingeführt ist,§§ 4 Abs. 1, 5 BWWG. 7 Salzwedel, in: Erichsen (Hrsg.), AllgVerwR, 10. Aufl., § 43 I, S. 545 f.; Papier, Recht der öffentlichen Sachen, S. 9. s Zeit/er, in: Zeit/er, Rdnr. 2 zu Art. 6 BayStrWG; Papier, Recht der öffentlichen Sachen, S. 81; Salzwedel, in: Erichsen (Hrsg.), AllgVerwR, 10. Aufl., Rdnr. 8 zu § 42; Krämer, in: Koda// Krämer, Kap. 5, Rdnr. 22. 9 Steiner, in: Steiner (Hrsg.), BesVerwR, V., Rdnr. 25; Papier, Recht der öff. Sachen, S. 9 f. 10 Salzwedel, in: Erichsen (Hrsg.), AllgVerwR, 10. Aufl., § 42 I, Rdnr. 5; Steiner, in: Steiner, BesVerwR, V., Rdnr. 25. Ob sich die Duldung wirklich nur auf die eigentliche Zweckbestimmung der Straße beschränkt ist fraglich, und wird an späterer Stelle erörtert. II Riegel, BayBgm. 1973, S. 36 (36); ders., BayVBI. 1975, S. 657 (657); BayVGH, Beschl. v. 6. 10. 1980, 8 CE 80 A.1424 (zitiert nach: Zeit/er, in: Zeitler, Rdnr. 6 zu Art. 6 BayStrWG). 12 Vgl. auch BVerfG, Beschl. v. 10. 3. 1976, BVerfGE 42, S. 20 (33). 13 Vgl. § 2 Abs. 1 BWStrG; Art. 1 S. 1 BayStrWG; § 2 Abs. 1 Ber!StrG; § 2 Abs. 1 BrandStrG; § 2 Abs. 1 BremLStrG; § 2 Abs. 1 HessStrG; § 2 Abs. 1 MVStrWG; § 2 Abs. 1 NdsStrG; § 2 Abs. 1 NWStrWG; § 1 Abs. 2 RhPfLStrG; § 2 Abs. 1 SaarlStrG; § 2 Abs. 1 SächsStrG; § 2 Abs. 1 SchlHStrWG und § 2 Abs. 1 ThürStrG. § 2 Abs. 1 HambWG enthält zwar keine ausdrückliche Erwähnung des Verkehrszwecks, jedoch besteht auch hier dieselbe Einschränkung.

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3. Kap.: Nutzungsrahmen für Sportausübung auf öffentlichen Straßen

-zwecke, -zeiten und -kreise. Nach einigen Straßengesetzen auch auf sonstige Unterscheidungen14, wenngleich auch hier nur auf objektive Merkmale, von der Person des Straßenbenutzers unabhängige Gesichtspunkte zurückgegriffen werden kann, da subjektive Kriterien mit dem Wesen des Gemeingebrauchs nicht zu vereinbaren wären 15 .

II. Der Gemeingebrauch 1. Abstrakte Festlegung des Nutzungsstatuts

Die wichtigste Folge der Widmung ist der Gemeingebrauch, also der (noch) unentgeltliche, öffentlich-rechtliche, jedermann zustehende Gebrauch der Straße ohne besondere Zulassung. Zwar ist dieser nach der Rechtsprechung in seinem (bisher nicht eindeutig umrissenen) Kernbereich auch verfassungsrechtlich gewährleistet, jedoch gibt es keinen einheitlichen, insbesondere auch nicht durch das BFStrG 16 oder das Straßenverkehrsrecht 17, bundesrechtlich bestimmten Begriff des Gemeingebrauchs 18. Daran anknüpfend ist der Inhalt des Gemeingebrauchs im wesentlichen durch das Wegerecht selbst, für die Straßen der Länder durch das landesrechtliche Straßenrecht bestimmt. Die Ausübung des (danach zulässigen) Gemeingebrauchs wird durch das bundesrechtliche Straßenverkehrsrecht geregelt und reglementiert. Man spricht deshalb auch von Inhaltsschranken, die primär durch das Straßenrecht festgelegt werden, und Ausübungsschranken, die Gegenstand des Straßenverkehrsrechts sind 19. Anders ausgedrückt: Das Straßenrecht legt abstrakt fest, was auf Straßen bzw. auf dieser Straße zulässig ist. Dagegen knüpft das Straßenverkehrsrecht an diesen "Rahmen" an und konkretisiert den individuellen Gebrauch zur Sicherung bestimmter öffentlicher Belange, speziell zur Wahrung der 14 Vgl. § 5 Abs. 3 S. 2 BWStrG ("sonstige Weise"); ähnlich§ 6 Abs. 3 S. 3 BrandStrG; § 6 Abs. 3 NWStrWG ("sonstige Besonderheit") und § 6 Abs. 2 S. 4 SachsAnhStrG. 15 Deshalb wäre die Beschränkung der Nutzung auf die Bewohner eines Ortsteils, die Angehörigen einer Anstalt, eines religiösen Bekenntnisses oder die Mitglieder eines Sportvereins unzulässig, wenngleich die Abgrenzung objektiv I subjektiv nicht immer leicht und überzeugend ist. Etwa soll die Beschränkung auf Anlieger oder Schulbesucher zulässig sein. Es kommt also wesentlich auf die richtige Formulierung an. Zum Problem: Nedden, in: VStrRGesGeb, S. 63 (72); Zeitler, in: Zeitler, Rdnr. 38 zu Art. 6 BayStrWG; Fickert, StrR in NW, Rdnr. 46 zu§ 6 NWStrWG; Walprecht/Cosson, StrWG NW, Rdnr. 50 zu§ 6; Krämer, in: Kodal/Krämer, Kap. 7, Rdnr. 2.3. 16 Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes ist gern. Art. 74 Abs. 1 Nr. 22 GG auf die "Landstraßen ftir den Fernverkehr" beschränkt. 17 Zur sog. "Mitbestimmung" durch das Straßenverkehrsrecht s. u. 18 Vgl. z. B. BVerwG, Urt. v. 25. 9. 1968, BVerwGE 30, S. 235 (235 ff.); anders wohl noch BVerwG, Urt. v. 14. 3. 1957, BVerwGE 4, S. 342 (343). Zur Bedeutung der Grundrechte und des bundesrechtlichen Straßenverkehrsrechts in diesem Bereich sogleich. 19 Statt vieler vgl. Grote, in: Kodal/Krämer, Kap. 24, Rdnr. 10 ff., 14 ff., 27 ff.; Papier, in: Berg u. a., StVerwR in Bayern, Teil G, Rdnr. 92 ff.

A. Die straßenrechtliche "Rahmennutzungsordnung"

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öffentlichen Sicherheit und Ordnung auf den Straßen20. Die straßenrechtlichen Inhaltsschranken betreffen folglich das Nutzungsstatut der Straße als solches. Die bundesrechtlichen Ausübungsschranken "filtern" den Gebrauch weiter und legen das (konkrete) Verkehrsstatut der Straße fest. Diese Unterscheidung ist, wie sich noch zeigen wird, vor allem auch für die Reichweite der Bundesgesetzgebungskompetenz des Art. 74 Abs. 1 Nr. 22 GG ("Straßenverkehr") von Interesse und wird für die dann folgende Untersuchung bedeutsam sein. Denn zunächst stellt sich Frage, ob die Sportausübung vom abstrakten straßenrechtlichen Gemeingebrauch, mithin vom Widmungszweck umfaßt ist bzw. sein kann. Davon zu trennen ist die Frage, welche Regelungen das bundesrechtliche Straßenverkehrsrecht unter dem Aspekt der Sicherheit und Ordnung des Verkehrs konkret für die Sportausübung bereit hält21 . Mit den straßenrechtlich bestimmten Inhaltsschranken soll sich die Untersuchung im folgenden befassen. Dem Straßenverkehrsrecht ist ein eigenes Kapitel gewidmet.

2. Die Inhaltsschranken des Gemeingebrauchs

a) Benutzung der Straße "im Rahmen der Widmung" und "zum Verkehr"

Auf Grund der Anknüpfung an den Rahmen der Widmung in den Straßengesetzen22, der, wie gezeigt, die konkrete Verkehrsfunktion näher festlegt, ist es konsequent, daß die Straßengesetze den Gemeingebrauch explizit auf Zwecke des Verkehrs beschränken. Die Mehrzahl der deutschen Straßengesetze stellt deshalb auch klar, daß kein Gemeingebrauch mehr vorliegt, wenn die Straße nicht vorwiegend für Zwecke des Verkehrs benutzt wird23 . Dies gilt auch für die Rechtslage in Baden-Württemberg und in Nordrhein-Westfalen. Im BWStrG fehlt zwar in § 13 Abs. 1 die Einschränkung auf die Nutzung für Zwecke des Verkehrs24, jedoch ergibt sich V gl. z. B. die vorstehend angegebene Literatur. Ausführlich zur Bedeutung der Trennung zwischen Inhalts- und Ausübungsschranken: Burgi, Erholung in freier Natur, S. 62 ff. 22 § 7 Abs. 1 S. 1 BFStrG; § 13 Abs. 1 S. 1 BWStrG; Art. 14 Abs. 1 S. 1 BayStrWG; § 10 Abs. 2 S. 1 BeriStrG; § 15 Abs. 1 BremLStrG; § 16 Abs. 1 S. 2 HambWG; § 14 Abs. 1 S. 1 BrandStrG; § 14 S. 1 HessStrG; § 21 Abs. 1 S. l MVStrWG; § 14 S. 1 NdsStrG; § 14 Abs. l S. 1 NWStrWG; § 34 Abs. 1 S. 1 RhPfLStrG; § 14 Abs. 1 S. 1 SaarlStrG; § 14 Abs. 1 S. 1 SächsStrG; § 14 Abs. 1 S. 1 SachsAnhStrG; § 20 Abs. 1 S. 1 Sch!HStrWG; § 14 Abs. 1 ThürStrG. 23 Vgl. § 7 Abs. 1 S. 3 BFStrG; Art. 14 Abs. 1 S. 2 BayStrWG; § 10 Abs. 2 S. 3 BeriStrG; § 16 Abs. 2 HambWG; § 21 Abs. 1 S. 2 MVStrWG; § 14 Abs. 1 S. 3 NdsStrG; § 14 Abs. 3 S. 1 NWStrWG; § 34 Abs. 3 RhPfLStrG und § 20 Abs. 1 S. 2 Sch!HStrWG. 24 Daraus folgert Lorenz, LStrGBW, Rdnr. 6 zu § 13, unter zusätzlicher Bezugnahme auf die amtliche Begründung, zu unrecht, daß in BW der Gemeingebrauch nicht auf verkehrliehe Zwecke beschränkt sei. Vgl. auch noch BWVGH, Urt. v. 27. 9. 1963, ESVGH 14, S. 150 (152 f.). 20

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3. Kap.: Nutzungsrahmen für Sportausübung auf öffentlichen Straßen

hier aus der Beschränkung des Gemeingebrauchs auf den Rahmen der Widmung in § 13 Abs. 1 S. 1 BWStrG inhaltlich kein Unterschied25 . Aus §§ 5 Abs. 1 i. V. m. 2 Abs. 1 BWStrG folgt die Beschränkung auf den Verkehrszweck, denn öffentliche Straßen im Sinne des Gesetzes sind Straßen, Wege und Plätze, die dem öffentlichen Verkehr gewidmet sind. Der Rahmen der Widmung und somit der Gemeingebrauch sind deshalb bereits normativ auf den Verkehrszweck beschränkt. Würde man dies anders sehen, hätte dies zur Folge, daß die Widmung zum Verkehr bereits abstrakt enger ist als die wichtigste Folge der Widmung, nämlich der Gemeingebrauch. Einen solchen Widerspruch wollte auch das BWStrG sicher nicht hervorrufen26. Selbiges gilt auch für das NWStrWG. Zwar wurde durch das (damalige) 2. LStrÄndG v. 5. 7. 198327 der einschlägige§ 14 Abs. 1 NWStrWG insoweit geändert, als die Worte "zum Verkehr" entfallen sind, trotzdem bleibt auch hier die Einschränkung, daß Gemeingebrauch nur der Gebrauch der öffentlichen Straßen im Rahmen der Widmung ist. Öffentliche Straßen i. S. des Gesetzes sind nach § 2 Abs. 1 NWStrWG diejenigen Straßen, die dem öffentlichen Verkehr gewidmet sind. Die Widmung erfolgt also auch hier "zum Verkehr". Konsequent beschränkt deshalb auch § 14 Abs. 3 S. 1 NWStrWG (klarstellend) den Gemeingebrauch auf den vorwiegenden Verkehrszweck. Das Ziel der Regelung kann daher vielmehr in einer Klarstellung der Intention des Gesetzgebers gesehen werden, den Verkehrsbegriff für kommunikative Nutzungsformen zu "öffnen" 28 . Sowohl für die normative Zweckbestimmung als auch für die wichtigste Folge der Widmung, den Gemeingebrauch für die Nutzer der Straße, steht der unbestimmte Rechtsbegriff "Verkehr" im Mittelpunkt, denn nur wenn sich eine Nutzung noch (zumindest abstrakt) als Verkehr bezeichnen läßt, hält sie sich im Rahmen der öffentlichen Zweckbestimmung der Straßen29. Erlaßt man darunter nur die Fortbewegung rein zum Zwecke der Ortsveränderung, so ist zweifelhaft, ob die Nutzung der Straßen allgemein zu sportlichen Zwecken unter den Verkehrsbegriff des Straßenrechts zu subsumieren ist. Obgleich eine allgemeingültige Aussage hierzu auf Grund der vielfältigen Erscheinungsformen des Sports sicher nur schwerlich zu treffen ist, bedarf es einer näheren Erörterung. 25 Die Einschränkung auf Verkehrszwecke erscheint allgemein gesetzgeberisch überflüssig, da die Straßengesetze den Gemeingebrauch auf den "Rahmen der Widmung" beschränken, der, wie gesehen, bereits normativ auf verkehrliehe Nutzungen festgelegt ist. Richtigerweise hat die Beschränkung auf Zwecke des Verkehrs daher keine eigenständige Bedeutung, vielmehr lediglich klarstellende Funktion. 26 Richtig: BWVGH, Beschl. v. 6. 7. 1998, NVwZ 1999, S. 560 (561), der meint, daß sich der Umfang des Gemeingebrauchs in erster Linie nach dem der Straße durch § 2 Abs. I BWStrG generell zuerkannten Widmungszweck bestimme. 27 GV NW 1983, S. 240 (243). 28 Vgl. Pickert, StrR in NW, Rdnr. 31 zu § 14 NWStrWG; zu dieser "Änderung" auch Steiner; DVP 1988, S. 283 (284). 29 Zur "Gleichsetzung" Gemeingebrauch/Zweckbestimmung der Straßen z. B. Grote, in: Kodal/ Krämer; Kap. 24, Rdnr. 18 ff. und BWVGH, Beschl. v. 6. 7. 1998, NVwZ 1999, S. 560 (561).

A. Die straßenrechtliche "Rahmennutzungsordnung"

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Wegen der zentralen Bedeutung des Verkehrsbegriffs ist dessen Auslegung eines der klassischen Streitthemen sowohl in der Rechtsprechung als auch in der Literatur. Gerade die Obergerichte der Länder, unter teilweiser Billigung durch den BGH30 und durch das BVerwG31 , sehen hier die Möglichkeit, eigene Akzente zu setzen und versuchen, einen eigenständigen landesspezifischen Verkehrsbegriff zu statuieren. Dies führt nicht unbedingt zur Rechtssicherheit in dieser Frage, vielmehr im Gegenteil zu einer teilweise nur noch schwer nachvollziehbaren Kasuistik. Dazu trägt sicher auch bei, daß das Straßenrecht nicht der alleinigen Beurteilung durch die Verwaltungsgerichte unterliegt. Auch die ordentlichen Gerichte haben gerade bei der Auslegung des Verkehrsbegriffs infolge ihrer Zuständigkeit für straßenrechtliche Ordnungswidrigkeiten, namentlich bei unbefugten Sondemutzungen, ein "Wörtchen mitzureden". Dies führt zu einer teilweise unterschiedlichen Beurteilung zumindest ähnlicher Sachverhalte in einem Bundesland, je nachdem, ob die Frage im Zusammenhang mit einer Ordnungswidrigkeit oder im Zusammenhang mit verwaltungsrechtlichen Fragen, etwa nach der Erforderlichkeit einer öffentlich-rechtlichen Sondernutzungserlaubnis nach den straßenrechtlichen Vorschriften (z. B. Art. 18 Abs. 1 S. 1 BayStrWG) zu beurteilen ist32 .

aa) Die historische Entwicklung des Verkehrsbegriffs Die Schwierigkeit des Verkehrsbegriffs ist kein Problem neuerer Zeit. Bereits § 7 II 15 ALR aus dem Jahre 1794 setzte kraft Gesetzes der "freien" Nutzung der Straßen einen engen Rahmen, in dem es formulierte: "Der freie Gebrauch der Land- und Heerstraßen ist einem jeden zum Reisen und Fortbringen seiner Sachen gestattet". Dieser auf reine Fortbewegung und Ortsveränderung beschränkte Gemeingebrauch an den Straßen war bereits Otto Mayer33 zu eng. Er meinte: "Wir würden uns aber schwer beengt fühlen, wenn die ganze Poesie der Landstraße in diesen Rahmen gezwängt werden müßte. Am meisten würde das der Fall sein, wo die Landstraße eine Ortschaft durchzieht. Alle Ortsstraßen sprengen völlig einen solchen Rahmen". Gemeingebrauch ist es nach Otto Mayer auch, "wenn die gesprächigen Hausfrauen sich begegnen und nun für längere Zeit auf den eigentlichen Verkehr verzichten oder wenn das Zimmermädchen den Dachshund des Abends noch einmal auf die Straße begleitet ohne jede Verkehrsabsicht"34. Auch die aus heutiger Sicht dem Anliegergebrauch zuzurechnende Nutzung der Straße Vgl. z. B. BGH, Urt. v. 4. 5. 1973, BGHZ 60, S. 365 (367). Vgl. z. B. BVerwG, Urt. v. 9. 11. 1989, BVerwGE 84, S. 71 (77). 32 Vgl. etwa einerseits OLG Stuttgart, Beschl. v. 7. 7. 1995, VRS 90, S. 217 (218) und andererseits BWVGH, Beschl. v. 12. 7. 1996, VBIBW 1997, S. 64 (65). 33 Verwaltungsrecht II, 3. Aufl. 1924, S. 79. Zusammenfassend zur damaligen Kritik an einem zu engen Verkehrsbegriff im deutschen und Österreichischen Recht: Körner; Studien zum Recht der öffentlichen Wege, S. 142 ff. 34 Mayer; a. a. 0 ., S. 79. 30 31

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3. Kap.: Nutzungsrahmen für Sportausübung auf öffentlichen Straßen

faßte Otto Mayer35 unter den Gemeingebrauch, denn "ein großer Teil des Lebens der Bevölkerung spielt sich auf der Straße ab. Man läßt allerlei Geräte, Karren und Fässer da herumstehen, stellt sich des Abends Bänke vors Haus, um Luft zu schnappen, der Handwerksbetrieb findet teilweise auf der Straße statt, wie nicht minder die Kindererziehung". Die dogmatische Begründung sah Otto Mayer weniger in einer Erweiterung des Verkehrsbegriffs als vielmehr im Üblichen, Herkömmlichen, Gewohnten und in der gemeinen Anschauung36 . Das Reichsgericht schloß sich dem entgegen des klaren Wortlauts des§ 7 II 15 ALR an. Den Gemeingebrauch der Straße begrenzte es nicht auf die reine Fortbewegung. Vielmehr entschied es grundlegend in seiner berühmten Licht-Reklame-Entscheidung 37 , daß der Gemeingebrauch der Straßen nicht auf den Verkehr im engeren Sinne beschränkt sei. Er umfasse auch den sonstigen, allgemein ausgeübten Gebrauch, wobei insbesondere die Straßenanlieger zu berücksichtigen seien, die auf Grund ihres räumlichen Verhältnisses zur Straße im gesteigerten Maße auf ihre Benutzung angewiesen seien. Auch hier wurde daher entscheidend auf das allgemein Übliche zur Begründung einer über den strengen Wortlaut hinausgehenden Benutzung der Straße abgestellt38 . Daran anknüpfend wurde teilweise angenommen, daß der Inhalt des Gemeingebrauchs auf Gewohnheitsrecht beruhe39. Mit Erlaß der Straßengesetze in den 50er und 60er Jahren versuchten die Gesetzgeber, der erweiternden Auslegung durch die Gerichte Einhalt zu gebieten. Die Vorreiterrolle nahm das Bundesfernstraßengesetz vom 6. 8. 195340 ein, das die bis heute prägende Entwicklung eingeleitet hat, mit der Folge, daß sachgerechte Lösungen anhand des Gesetzes zumindest erschwert wurden und werden. Erklärtes Ziel des Bundesfernstraßengesetzes, das vor allem im Wortlaut mit der ausdrücklichen Nennung des Verkehrszwecks zum Ausdruck kommt, war es, den GemeinMayer, a. a. 0 ., S. 80 f. Heute faßt man etwa die "gesprächigen Hausfrauen" unter den sog. kommunikativen Verkehr. Kommunikative Nutzungsformen wurden daher bereits sehr lange straßenrechtlich als Gemeingebrauch angesehen, weshalb Steiner, in: Steiner (Hrsg.), BesVerwR, V., Rdnr. 130 unzutreffend meint, daß der rein auf Fortbewegung orientierte Gemeingebrauchsbegriff (Verkehr im engeren Sinne) nicht mehr in das Funktionsbild der Ortsstraßen paßt. Die Entwicklung ist nicht neu, vielmehr gründet sie in alten Streitfragen und Erkenntnissen wie die Ausführungen von Otto Mayer zeigen. 37 RG, Urt. v. 16. 2. 1929, RGZ 123, S. 181, m. Anm. Merke/, JW 1929, S. 2342. 38 Weitere Beispiele sind: RG, Urt. v. 10. 6. 1929, RGZ 125, S. 108, wo insb. auf die allgemeine Verkehrsanschauung und Verkehrsübung abgestellt wird (S. 113); RG, Urt. v. 16. 5. 1931, RGZ 132, S. 398 (400 f.). Auch der BGH schloß sich dem später im Urt. v. 18. 11. 1955, BGHZ 19, S. 85 (90 f.) und auch noch im Urt. v. 4. 5. 1973, BGHZ 60, S. 365 (367 f.) an. Diese Rechtsprechung wurde erst im Urt. v. 3. 2. 1978, NJW 1978, S. 2201, aufgegeben. 39 Vgl. z. B. Evers, NJW 1962, S. 1033 (1036) und die dort in Fußnote 32 angegebene Rechtsprechung. Aus kompetenzrechtlichen Gründen wurde zumindest das Bestehen eines bundesrechtlichen Gewohnheitsrechts abgelehnt. Vgl. BVerwG, Urt. v. 25. 9. 1968, BVerwGE 30, S. 235 (237 f.). 40 BGBI. I S. 903. 35

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gebrauch (und auch die Zweckbestirnmung) der Bundesfernstraßen auf den eigentlichen Verkehrssinn zu beschränken41 , wenngleich, etwas widersprüchlich, nach der Begründung an den bisher in den Landesgesetzen und in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen über den Gemeingebrauch andererseits nichts geändert werden sollte42. Dem Vorbild des Bundesfernstraßengesetzes folgten (trotz seiner Geltung lediglich für Bundesfernstraßen, also den öffentlichen Straßen, die ein zusammenhängendes Verkehrsnetz bilden und einem weiträumigen Verkehr dienen oder zu dienen bestimmt sind [§ 1 Abs. 1 S. 1 BFStrG], und speziell im Falle der Bundesautobahnen, die für den Schnellverkehr mit Kraftfahrzeugen vorgesehen sind [§ 1 Abs. 3 S. 1 BFStrG]), im wesentlichen, sowohl im Wortlaut wie auch in den Begründungen, die im Zuge der Neuordnung des Straßenrechts erlassenen Landesstraßengesetze43 . Auf diese Weise sollte der stetigen Zunahme des Straßenverkehrs, speziell der mit Kraftfahrzeugen, und den damit einhergehenden Gefahren Rechnung getragen werden44. Interessanterweise war die erfolgte Neuregelung somit primär Sicherheits- und ordnungsrechtlich motiviert, Aufgaben, die eigentlich dem Straßenverkehrsrecht und weniger dem Straßenrecht obliegen. Mag diese gesetzgebensehe Entscheidung für die Bundesfernstraßen zumindest im außerörtlichen Bereich zutreffen, erscheint sie für die Straßen im Anwendungsbereich der Landesstraßengesetze sehr zweifelhaft. Die unkritische Übernahme dieser Wertungen passen nur sehr eingeschränkt auf die Straßenklassen der Länder. Eine Fußgängerzone (als beschränkt öffentlicher Weg) innerhalb einer geschlossenen Ortschaft ist sicher nicht bzgl. ihres Nutzungsrahmens mit einer Bundesautobahn vergleichbar. Genauso ist es nicht möglich, das straßenverkehrsrechtliche Institut der verkehrsberuhigten Bereiche sachgerecht straßenrechtlich mit den Wertungen des Bundesfernstraßengesetzes zu fassen. In der Folgezeit führte diese Problematik nach anfänglichem Zögern45 wiederum zur Reaktion in Rechtsprechung und Lite41 Vgl. BT-Drucks. 4248 v. 10. 4. 1953, S. 19. Aus der Lit. Grote, in Kodal!Krämer; Kap. 24, Rdnr. 19 ff.; Schmidt-Tophoff, DVBI. 1970, S. 17 (18); Maurer; in: Bartlsperger/ Blümel/Schroeter (Hrsg.), VStrRGesGeb, S. 115 (118). 42 So die Begründung zu§ 7 BFStrG. Vgl. BT-Drucks. 4248 v. 10. 4. 1953, Nr. 1 zu§ 7. 43 Vgl. dazu etwa Grote, in: Kodal/Krämer, Kap. 24, Rdnr. 19.3; Kodal, DÖV 1960, S. 444. Für Harnburg jetzt interessanterweise a. A. das OVG Harnburg. Im Urt. v. 14. 12. 1995, NJW 1996, S. 2051 (2051 f.) ist der für das Straßenrecht zuständige Senat, unter ausdrücklicher Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung, der Ansicht, daß in Harnburg bereits seit lokrafttreten des Harnburgischen Wegegesetzes vom 4. 4. 1961 (GVBI S. 117) die Straßen nicht nur der Fortbewegung dienen, sondern auch Stätten des Informations- und Meinungsaustausches sowie der Pflege menschlicher Kontakte seien, also auch kommunikative Nutzungsformen umfassen. Die historische Begründung lautete: "Es lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, daß der Gesetzgeber allgemein übliche, auf öffentlichen Wegen selbstverständlich stattfindende Tätigkeiten aus dem Verkehrsbegriff ausklammem und als Sondernutzung einer Erlaubnispflicht unterwerfen wollte" (S. 2051 ). 44 Kodal, DÖV 1960, S. 444 (451). 45 Sehr spät reagiert hat das OVG Harnburg, Urt. v. 14. 12. 1995, NJW 1996, S. 2051, das erst 34 Jahre nach Erlaß des Harnburgischen Wegegesetzes seine restriktive Sichtweise aufgegeben hat. Siehe auch das OLG Düsseldorf, Beschl. v. 8. 4. 1998, NJW 1998, S. 2375, das ebenfalls seine frühere restriktivere Rspr. ausdrücklich aufgegeben hat.

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3. Kap.: Nutzungsrahmen für Sportausübung auf öffentlichen Straßen

ratur. Die auch im Landesrecht gewollte Verengung des Verkehrsbegriffs wurde und wird (vorsichtig46) wegen der urbanen Funktion innerörtlicher Straßen47, namentlich der Fußgängerbereiche, in Richtung auf einen weiten, im Detail aber umstrittenen48, Verkehrsbegriff erweitert, der insbesondere kommunikative Nutzungsformen mit umfaßt49. Dabei "ruht" das "Erweiterungskonzept" (oder besser: die Vorstellung von Grenzen der Möglichkeit einer Einschränkung des Gemeingebrauchs) der Rechtsprechung (und ihr folgend ein großer Teil der Literatur) auf zwei bundesrechtlichen "Säulen": zum einen das bundesrechtliche Straßenverkehrsrecht, desweiteren die "Kommunikationsgrundrechte" des Grundgesetzes als zweite "Säule" des Bundesrechts. Klarstellend sei aber noch einmal darauf hingewiesen, daß es keinen einheitlichen, durch das Bundesrecht festgelegten Verkehrsbegriff gibt. Vielmehr erhält dieser sein Gepräge primär durch das Landesrecht und die daran anknüpfende ländergerichtliche Interpretation, wenngleich richtigerweise die Rechtsprechung des BVerfG auf der Grundlage der sogenannten Kornmunikationsgrundrechte zu einem zumindest bundesverfassungsrechtlich geprägten Verkehrsbegriff führt.

bb) Der Einfluß des Straßenverkehrsrechts auf den straßenrechtlichen Verkehrsbegriff Daß das Straßenverkehrsrecht Einfluß auf die inhaltliche Bestimmung des straßenrechtlichen Gemeingebrauchs haben soll, speziell auf den Verkehrsbegriff, konsequenterweise dann auch auf den Inhalt der Widmung, überrascht zunächst, denn nach ständiger Rechtsprechung und der Lehre sind vom bundesrechtlichen Kompetenzbereich "Straßenverkehrsrecht" nur Regelungen innerhalb des Rahmens ge46 So Steiner, in: Steiner (Hrsg.), BesVerwR, V., Rdm. 130; Brohm, Verkehrsberuhigung in Städten, S. 43. 47 Die h. M. stellt entscheidend (auch aus straßenrechtlicher Sicht) auf die Funktion innerörtlicher Straßen ab. Dies ist (wie noch zu zeigen sein wird) dogmatisch nicht ganz konsequent. Zur h. M. vgl. z. B. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 8. 4. 1998, NJW 1998, S. 2375 (2376); Steiner, in: Steiner (Hrsg.), BesVerwR, V., Rdnr. 130; Marschall/ Schroeter I Kastner, Rdnr. 11 zu § 7 BFStrG; Krüger; Sondernutzung und Gemeingebrauch, in: Blümel (Hrsg.), Die Straße als Mehrzweckinstitut, S. 17 (19 ff.); Mußgnug, in: Banlsperger/Blümel/Schroeter (Hrsg.), VStrRGesGeb, S. 81 ff.; Köttgen, S. 28, der den Begriff der Straßen als "Mehrzweckinstitute" geprägt hat; vgl. auch Apel, Stadtstraßen als öffentlicher Raum, AfK 1995, S. 90. Sehr kritisch zur dogmatischen Erweiterung des Gemeingebrauchs mittels der Funktion öffentlicher Straßen als "Mehrzweckinstitute" v. a. Banlsperger; Werbung und Straßenkommunikation, in: Blümel (Hrsg.), Die Straße als Mehrzweckinstitut, S. 45 (63 ff.). 48 Beispiele aus der "kasuistischen" Rechtsprechung etwa bei Axer; Widmung, S. 127 ff. 49 Zur "Kommunikation" vgl. z. B. Pappermann/Löhr/Andriske, Recht der öffentlichen Sachen, S. 67 ff.; Grote, in: Kodal/ Krämer; Kap. 24, Rdnr. 21 ff.; Stock, Straßenkommunikation; Laubinger, Straßenkunst, VerwArch 81 (1990), S. 583 (601 ff.); Peine, JZ 1996, S. 399 (404 f.); Sauthoff, NVwZ 1998, S. 239 (244 ff.); sehr kritisch Banlsperger; Werbung und Straßenkommunikation, in: Blümel (Hrsg.), Die Straße als Mehrzweckinstitut, S. 45.

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deckt, in dem der Verkehr durch die wegerechtliche Widmung zugelassen ist. Das Straßenverkehrsrecht kann prinzipiell nur den abstrakten Nutzungsrahmen des Straßenrechts unter ordnungsrechtlichen Gesichtspunkten ausfüllen, mithin den sog. konkreten Gemeingebrauch festlegen 50. Darüber hinaus sollen nach der Rechtsprechung des BVerfG beide Rechtsgebiete deutlich gegeneinander abgegrenzte Gesetzgebungsbereiche sein5 \ die auch sog. Doppelzuständigkeiten ausschließen, d. h. ein und derselbe Gegenstand kann nicht gleichzeitig durch das Straßenverkehrsrecht des Bundes und durch das Straßenrecht der Länder erlaßt werden52 . ( 1) Die veifassungsrechtliche Kompetenzverteilung

Bevor auf den konkreten Einfluß des Straßenverkehrsrechts eingegangen werden kann, bedarf es allgemein der Abgrenzung der beiden unterschiedlichen Rechtsgebiete. Jede Zuordnung einer Regelungsmaterie zum Bundesrecht oder Landesrecht53 hat zunächst von der durch das Grundgesetz festgelegten Kompetenzordnung auszugehen. Art. 74 Abs. 1 Nr. 22 GG weist dem Bund die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz für das Straßenverkehrsrecht zu. Von dieser Befugnis haben Bundesgesetz- und Verordnungsgeber einen (scheinbar) formell erschöpfenden Gebrauch gemacht54. Dies gilt jedenfalls für das Verkehrsverhaltens- und Verkehrszulassungsrecht55 . Für die Landesstraßen steht den Ländern die Gesetzgebungskompetenz gern. Art. 30 und 70 GG für das Wegerecht zu. Nach dem Verständnis der Rechtsprechung sollen, wie bereits angesprochen, Straßenrecht und Straßenverkehrsrecht deutlich voneinander abgegrenzte Gesetzgebungs50 Z. B. BVerfG, Beschl. v. 10. 12. 1975, BVerfGE 40, S. 371 (378). Dieser Ausgangspunkt wird nahezu von der gesamten Literatur im Ansatz geteilt. Statt vieler Steiner; in: Steiner (Hrsg.), BesVerwR, V., Rdnr. 111; Koda/, in: Kodal/Krämer, Kap. 3 Rdnr. 5.21. Jede Bedeutung des Straßenverkehrsrechts für die Auslegung des straßenrechtlichen Gemeingebrauchs noch ablehnend: Forsthoff, VerwR, 8. Aufl. 1961, § 19, 3; Schmidt-Bens, Verfassungsrechtliche Prüfung der Einschränkung des Gemeingebrauchs, S. 22 f. Kritisch zur Einflußnahme des Straßenverkehrsrechts auf das Straßenrecht etwa Salzwedel, in: Bartlsperger/ Blümel/Schroeter (Hrsg.), VStrRGesGeb, S. 97 (106 ff.). 5t BVerfG, Beschl. v. 9. 10. 1984, BVerfGE 67, S. 299 (314 und 320). 52 BVerfG, a. a. 0., S. 320 f. Auch das BVerwG, Urt. v. 28. 11. 1969, BVerwGE 34, S. 241 (243), ging davon aus, daß sich die beiden Rechtsgebiete nicht überschneiden. 53 Im Verhältnis zum Bundesfernstraßenrecht stellt sich das Problem so nicht. Für die Bundesfernstraßen steht dem Bund auch die Regelung der Wegeordnung gern. Art. 74 Abs. 1 Nr. 22 GO als Gegenstand der konkurrierenden Gesetzgebung zu. Allerdings hat die Abgrenzung der Regelungsbereiche zumindest für die Behördenzuständigkeit Bedeutung, die bei Ausführung des (Bundes-)Straßenrechts einerseits und des Straßenverkehrsrechts andererseits durchaus unterschiedlich sein können. Deshalb lassen sich die nun folgenden Erkenntnisse zumindest im Ergebnis auch hier fruchtbar machen. 54 Ständige Rechtsprechung. Vgl. etwa BVerwG, Urt. v. 4. 3. 1966, BVerwGE 23, S. 325 (328); BVerfG, Beschl. v. 9. 2. 1972, BVerfGE 32, S. 319 (327 f.). 55 So Steiner; in: Steiner (Hrsg.), BesVerwR, V., Rdnr. 8, Anm. 20.

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materien sein. Verkannt wird jedoch nicht, daß sie in einem sachlichen Zusammenhang stehen56 . Die Abgrenzung erfolgt nach der Rechtsprechung des BVerfG57 und des BVerwG58 nach den verschiedenen Aufgabenbereichen der beiden Rechtsgebiete. Das Wegerecht dient der Bereitstellung der Straßen für die in der Widmung festgelegte Verkehrsfunktion59, beschäftigt sich somit mit der Straße als Verwaltungsleistung60. Das Straßenverkehrsrecht regelt demgegenüber die (polizeilichen) Anforderungen an den Verkehr unter ordnungsrechtlichen Gesichtspunkten, mit dem Ziel der Abwehr von Gefahren, um die Sicherheit und Leichtigkeit des Straßenverkehrs zu gewährleisten61 . Klassisch ist die Abwehr von Gefahren, die dem Verkehr oder den Verkehrsteilnehmern von anderen Verkehrsteilnehmern drohen. Darüber hinaus deckt die kompetenzrechtliche Zuständigkeit des Bundes für das Straßenverkehrsrecht auch die Abwehr von Gefahren, die von außerhalb auf den Verkehr einwirken (z. B. Werbung), und derjenigen, die durch ihn Dritten drohen (Umweltschäden)62. Auf eine Kurzformel gebracht regelt das Straßenverkehrsrecht umfassend zum einen den Binnenbereich des Verkehrs, zum anderen aber auch die Beziehungen des Verkehrs zu seiner Umwelt63. In diesem Sinne ist das Straßenverkehrsrecht sachlich begrenztes Ordnungsrecht64. Konsequenterweise ist die Befugnis des Bundes darauf beschränkt, den wegerechtlich zugelassenen Verkehr zu regeln. Weitergehende Regelungsbefugnisse, insbesondere der Rechtsverhältnisse der Verkehrswege selbst, sind gern. Art. 30, 70 Abs. 1 GG von Verfassungs wegen ausschließlich Sache der Länder65 .

56 St. Rspr. des BVerfG. Vgl. BVerfG, Beschl. v. 10. 12. 1975, BVerfGE 40, S. 371 (378); dies., Beschl. v. 9. 10. 1984, BVerfGE 67, S. 299 (314). 57 V. a. BVerfG, Beschl. v. 9. 10. 1984, BVerfGE 67, S. 299. 58 Z. B. BVerwG, Urt. v. 28. 11. 1969, BVerwGE 34, S. 241. 59 BVerfG, Beschl. v. 9. 10. 1984, BVerfGE 67, S. 299 (314). 60 Steiner, in: Steiner (Hrsg.), BesVerwR, V., Rdnr. 6. Die Straße als Verwaltungsleistung besonders betonend, insb. auch als maßgeblichen Ansatzpunkt für die Lösung der im Straßenrecht auftauchenden Probleme v. a. bei der Abgrenzung Gemeingebrauch I Sondemutzung; Bartlsperger, Werbung und "Straßenkommunikation", in: Blümel (Hrsg.), Die Straße als Mehrzweckinstitut, S. 45. 61 BVerfG, Beschl. v. 9. 10. 1984, BVerfGE 67, S. 299. (314). Siehe auch BayVGH, Beschl. v. 21. 10. 1998, BayVBI. 1999, S. 594 (596). 62 Zum ganzen Steiner, in.: Steiner (Hrsg.), BesVerwR, V., Rdnr. 8; Sauthofj. NVwZ 1994, s. 17 (17). 63 Darüber hinaus haben insb. durch die 1980 erfolgte Erweiterung der Befugnisse des § 45 StVO durch die ÄndVO v. 21. 7. 1980 (BGBI. I S. 1060) auch städtebauliche Belange auf der Grundlage des Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG in das Straßenverkehrsrecht Einzug gefunden. Dazu: Steiner, NJW 1980, S. 2339 (2343). 64 BVerfG, Beschl. v. 10. 12. 1975, BVerfGE 40, S. 371 (380); dies., Beschl. v. 9. 10. 1984, BVerfGE 67, S. 299 (314). 65 BVerfG, Beschl. v. 9. 10. 1984, BVerfGE 67, S. 299 (314).

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Die praktische Folge der Begrenzung der Regelungskompetenz des Bundes zeigt sich auch bei der Anwendung der in Ausfüllung des Straßenverkehrsgesetzes erlassenen straßenverkehrsrechtlichen Befugnisse des § 45 StVO, die auf der Regelungskompetenzdes Art. 74 Abs. l Nr. 22 GG beruhen. Solche Anordnungen sind nur zulässig, wenn sie aus verkehrsbezogen-ordnungsrechtlichen Gründen, nicht hingegen aus sonstigen ordnungsrechtlichen (oder aus ästhetischen oder städtebaulichen) Gründen erfolgen66. Trotz dieses scheinbar klaren Ansatzpunktes gab und gibt es immer wieder Fälle, in denen beide Rechtsgebiete im Anwendungsbereich miteinander "konkurrieren". Um hier zu einer auf Grund der kompetenzrechtlichen Situation erforderlichen klaren Abgrenzung der Anwendung der beiden Rechtsmaterien zu kommen, bzw., wie das BVerfG etwas unglücklich formuliert, um Doppelzuständigkeiten zu vermeiden 67, haben Rechtsprechung und Literatur zwei Abgrenzungskriterien entwickelt, die schlagwortartig mit dem "Vorbehalt des Straßenrechts" und dem "Vorrang des Straßenverkehrsrechts" umschrieben werden68 . (2) Der Vorbehalt des Straßenrechts

Der sogenannte Vorbehalt des Straßenrechts zieht den Regelungen auf der Grundlage des Straßenverkehrsrechts in zwei Richtungen Grenzen: zum einen bezüglich der Möglichkeiten der Erweiterung des Nutzungskonzeptes des Straßenbaulastträgers, zum anderen hinsichtlich der Möglichkeiten der Einschränkung des durch die Widmung zugelassenen Nutzungsrahmens. Weder können abstrakt generelle Regelungen des Straßenverkehrsrechts (z. B. § 35 StV0)69 , noch können die Straßenverkehrsbehörden durch einzelfallbezogene Anordnungen auf der Grundlage des Straßenverkehrsrechts (etwa von §§ 45

oder 46 StVO) verkehrliehe Nutzungen zulassen, die von der Widmung nicht umfaßt sind. Es darf also keine Nutzungserweiterung stattfinden, die die wegerechtlich getroffene, von vornherein bestehende oder später, etwa durch Teileinziehung, erfolgte Entscheidung eines beschränkten Verkehrs (z. B. Fußgängerverkehr) faktisch wieder aufhebt70. Ausgeschlossen ist es deshalb, mittels des StraBVerfG, a. a. 0 ., S. 322 f. BVerfG, a. a. 0., S. 321. Daß dieses Ziel des BVerfG nicht ganz den Kern der Problematik trifft und auch an der Rechtspraxis vorbeigeht, zeigt etwa Steiner, in: Steiner (Hrsg.), BesVerwR, V., Rdnr. 9, mit Beispielen. 68 Dazu statt vieler: Steiner, in: Steiner (Hrsg.), BesVerwR, V., Rdnr. 162 ff.; ders., JuS 1984, S. l ; Papier, in: Berg u. a., StVerwR in Bayern, 6. Aufl., Teil G, Rdnr. 16 ff.; Danwitz, in: Schmidt-Aßmann (Hrsg.), BesVerwR, 11. Aufl., Rdnr. 4 ff. 69 BVerwG, Urt. v. 28. 7. 1989, BVerwGE 82, S. 266 (268); Lorenz. DÖV 1990, S. 517 (518 f .), mit Ausnahmen (dogmatisch anknüpfend allerdings an eine normative Erweiterung der Widmung) etwa aus dem Grundsatz der Bundestreue. 70 BVerwG, Urt. v. 26. 6. 1981, BVerwGE 62, S. 376 (378 f.); dies., Urt. v. 28. 7. 1989, BVerwGE 82, S. 266 (268); Wiget, in: Zeitler, Rdnr. 24 zu Art. 14 BayStrWG. Auch das BVerfG läßt die Erweiterung der Widmung mit den Mitteln des Straßenverkehrsrechts nicht 66

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3. Kap.: Nutzungsrahmen für Sportausübung auf öffentlichen Straßen

Benverkehrsrechts Art, aber auch Ausmaß der Nutzung "nach oben" zu erweitern71 . Dieser Vorbehalt muß dann erstrecht gelten, wenn mit Hilfe des Straßenverkehrsrechts nicht verkehrliehe Nutzungen zugelassen werden sollen, denn auch diese Nutzungen liegen außerhalb der Widmung, ja sogar jeglich möglicher Widmung72. Hinsichtlich der Einschränkbarkeil besagt der Vorbehalt des Straßenrechts, daß die Einschränkung der widmungsgemäßen Benutzung durch das Straßenverkehrsrecht dort ihre Grenze hat, wo die straßenverkehrsrechtliche Regelung, v. a. auf der Grundlage des § 45 StVO, im Ergebnis zu einer dauerhaften Entwidmung bzw. Beschränkung der Widmung führen würde, insbesondere eine nach der Widmung zugelassene Verkehrsart von der Benutzung der Straße auf Dauer ausgeschlossen werden so1173 . Anders formuliert kann auf der Grundlage des Straßenverkehrsrechts dauerhaft das Nutzungskonzept des Straßenbaulastträgers nicht aufgehoben oder eingeschränkt werden. Die Festlegung des Nutzungsstatuts der Straße weist das GG für die Landesstraßen dem Straßenrecht zu. Art. 74 Abs. 1 Nr. 22 GG gestattet deshalb auch nicht, (dauerhaft) dieses Statut "nach unten" einzuschränken. Hintergrund ist sicher auch, daß das Straßenverkehrsrecht nicht zu einer "Aushöhzu. Vgl. BVerfG, Beschl. v. 9. 10. 1984, BVerfGE 67, S. 299 (322). A. A. ist aber wohl der HessVGH, Urt. v. 19. 2. 1991, NVwZ- RR 1992, S. 1 (1). 71 Papier; Straßenrecht, in: Achterberg I Püttner; BesVerwR, Rdnr. 646, ders., in: Berg u. a., StVerwR in Bayern, 6. Aufl., Teil G, Rdnr. 18; Amdt, WiVerw 1993, S. 206 (227); Danwitz, in: Schmidt-Aßmann (Hrsg.), BesVerwR, 11. Aufl., Rdnr. 5. Bzgl. der Zulassung einer ganzen Verkehrsart auch BayVGH, Beschl. v. 21. 10. 1998, BayVBl. 1999, S. 594 (596). 72 Sehr fraglich Laubinger; VerwArch 81 (1990), S. 583 (622 ff.), der den Inhalt der Widmung einer öffentlichen Straße nicht auf verkehrliehe Zwecke beschränken will. Gestützt wird Laubinger allerdings durch eine dogmatisch wenig befriedigende Rspr., die gewisse Aufgaben der Leistungsverwaltung (z. B. Abfallentsorgung, kommunale Wertstoffcontainer) als zulassungsfreien "Allgemeingebrauch" einstuft und von vomherein mit jeder Widmung zum öffentlichen Verkehr eröffnet ansieht und somit zum Inhalt der Widmung erklären will. Vgl. BVerwG, Urt. v. 28. 7. 1989, BVerwGE 82, S. 266 (266 f.); OVG Bremen, Beschl. v. 14. 3. 1996, NVwZ- RR 1997, S. 385 (386). A. A. zu Recht etwa Axer; Widmung, S. 132, der darauf hinweist, daß der Inhalt der straßenrechtlichen Widmung von vomherein normativ auf den Verkehr beschränkt ist. Richtigerweise bedürfte es für eine Straße, bei der "eine nicht verkehrliehe Widmung" erfolgen soll, eines besonderen Rechtsaktes beispielsweise der Widmung zu einer öffentlichen Einrichtung auf der Grundlage des Gemeinderechts. Das Straßenrecht ist hierfür keine zulässige Grundlage. 73 Steiner; in: Steiner (Hrsg.), BesVerwR, V., Rdnr. 167; ders., DVBI. 1992, S. 1541 (1564); Papier, in: Berg u. a., StVerwR in Bayern, 6. Aufl., Teil G, Rdnr. 111 ; Amdt, WiVerw 1993, S. 206 (227 f.); Dürr; VBIBW 1993, S. 361 (365); Danwitz, in: Schmidt-Aßmann (Hrsg.), BesVerwR, 11. Aufl., Rdnr. 7; Wiget, in: Zeitler; Rdnr. 24 zu Art. 14 BayStrWG; BWVGH, Beschl. v. 26. 10. 1994, VBIBW 1995, S. 237 (240); BayVGH, Beschl. v. 21. 10. 1998, BayVBl. 1999, S. 594 (596); HessVGH, Urt. v. 16. 4.1991, NVwZ- RR 1992, S. 5 (5); dies., Beschl. v. 12. 11 . 1992, NVwZ- RR 1993, S. 389 (390); VG Stuttgart, Beschl. v. 27. 6. 1988, NZV 1989, S. 46 (48); wohl auch das BVerfG, Beschl. v. 9. 10. 1984, BVerfGE 67, S. 299 (322). A. A. etwa Steiner; JuS 1984, S. 1 (5) (der sich aber auf das viel zu weit gehende Urt. des BVerwG v. 25. 4. 1980, DÖV 1980, S. 915 [915 f.] beruft) und wohl HessVGH, Urt. v. 19. 2. 1991, NVwZ- RR 1992, S. 1 (1).

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lung" des rechtsstaatliehen Verfahrens bezüglich der Änderung des Nutzungsrahmens "nach unten" führen darf74. Gleichzeitig ist damit aber gesagt, daß vorübergehende Einschränkungen sehr wohl zulässig sind. Problematisch in der praktischen Anwendung bleibt deshalb die Frage, wann eine Maßnahme auf der Grundlage des Straßenverkehrsrechts als dauerhaft einzustufen ist75 . Rechtsprechung und Literatur scheinen die Tatbestände des § 45 StVO in dauerhafte und nicht dauerhafte Maßnahmen einzuteilen. So sollen etwa die straßenverkehrsrechtlichen Anordnungen, die weniger durch die Abwehr von Gefahren motiviert sind, als vielmehr städtebaulich und deshalb auf Dauer konzipiert sind, per se nicht in der Lage sein, den widmungsgemäßen Verkehr einzuschränken oder auszuschließen76 • Schwierig ist die Beantwortung der Frage der Dauerhaftigkeit bei den klassischen Ermächtigungen des § 45 StVO, die der Gefahrenabwehr dienen, insbesondere § 45 Abs. 1 S. 1 StVO, Maßnahmen also, die prinzipiell situationsgebunden (Gefahrensituation) sind, faktisch aber zu dauerhaften Einschränkungen der Widmung führen können. Im Detail soll hier nicht näher darauf eingegangen werden. Hingewiesen sei jedoch auf eine interessante Entwicklung in diesem Bereich. So ist es nach Ansicht des BWVGH77 trotzdes straßenrechtlichen Vorbehalts zulässig, Erforschungsmaßnahmen auf der Grundlage des § 45 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 1. Var. anzuordnen, auch wenn diese als dauerhafte Maßnahmen nur auf der Grundlage des Straßenrechts erfolgen dürfen78 . Anders liegt es jedoch bzgl. der 2. Var. dieser Vorschrift. Erprobt 74 Zumindest was das Verfahren der nachträglichen Widmungsbeschränkung durch Teileinziehung betrifft. Dazu etwa Krämer, in: Kodal/Krämer, Kap. 10, Rdnr. 22 ff. und Rdnr. 11 und Beaucamp, Innerstädtische Verkehrsreduzierung mit ordnungsrechtlichen und planungsrechtlichen Mitteln, S. 53 f. Das Mittel der Umstufung ist deshalb als prinzipiell verwaltungsinternes Verfahren zur Erzielung verkehrsberuhigter Wirkungen, namentlich der Einrichtung von Fußgängerzonen, umstritten. Vgl. Steiner, in: Steiner, BesVerwR, V., Rdnr. 51. 75 Dazu v. a. Steiner, DVBl. 1992, S. 1561 (1564 f.); ders., DAR 1994, S. 341 (341 ff.); ders., VerwArch 86 (1995), S. 173 (180f.). 76 So Steiner, DVBI. 1992, S. 1561 (1564) und Hillgruber, VerwArch 89 (1998), S. 93 (101 ff.). Letzterer meint, daß die flächendeckende Überspannung eines Stadtgebiets mit Anwohnerparkzonen, die auf der Grundlage des§ 45 Abs. 1b S. 1 Nr. 2 StVO eingerichtet werden (unabhängig von straßenverkehrsrechtlichen Bedenken) gegen den Vorbehalt des Straßenrechts verstoße, da hier keine sicherheitsrechtliche Entscheidung vorliege, vielmehr eine städtebaulich-planerische Vorentscheidung, und diese hinsichtlich des ruhenden Verkehrs zu einer dauerhaften Beschränkung des zugelassenen Benutzerkreises auf die Personengruppe der Anwohner führe und die betroffenen Straßen deshalb teilweise ihre ursprüngliche Zweckbestimmung verlören. In diese Richtung (allerdings ohne straßenrechtlichen Bezug) auch BVerwG, Urt. v. 28. 5. 1998, NJW 1998, S. 2840, in bezugauf die flächendeckende Einrichtung von Anwohnerparkzonen auf der Grundlage des Straßenverkehrsrechts, da dies eine grundlegende Stadtplanerische Entscheidung sei (a. a. 0., S. 2841 f.). 77 Beschl. v. 26. 10. 1994, VB1BW 1995, S. 237 (240 f.). Zu dieser Entscheidung Ruder, VBIBW 1995, S. 337. 78 BWVGH, a. a. 0., S. 240 f. A. A. VG Stuttgart, Beschl. v. 27. 6. 1988, NZV 1989, S. 46 (48), das nur solche Maßnahmen, die eine in Erwägung gezogene verkehrsrechtliche Rege-

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werden dürfen nur solche Maßnahmen, die auch endgültig auf der Grundlage des Straßenverkehrsrechts erfolgen. Erprobungsmaßnahmen, die auf straßenrechtliche Akte hin angelegt sind, haben keine Grundlage im Straßenverkehrsrecht Argument: Die Erprobungsalternative sei auf endgültige Maßnahmen hin angelegt, weshalb eine Identität zwischen vorläufiger und geplanter endgültiger Regelung erforderlich sei79• Folge: Es dürfen nur solche Maßnahmen angeordnet werden, die auch endgültig (dauerhaft) mit Mitteln des Straßenverkehrsrechts zu bewirken sind (sog. Identitätsthese)80. Im Ergebnis: (Spätere) straßenrechtliche Akte dürfen auf der Grundlage des Straßenverkehrsrechts erforscht, nicht jedoch erprobt werden. Auf eine Kurzformel gebracht: erforschen ja, erproben nein! (3) Der Vorrang des Straßenverkehrsrechts

Konkret soll der Vorrang des Straßenverkehrsrechts besagen, daß das bundesrechtliche Straßenverkehrsrecht in Ausschöpfung der Gesetzgebungskompetenz des Art. 74 Abs. 1 Nr. 22 GG81 Verkehrsrecht und Verkehrsregelungen im straßenrechtlichen Gewand oder auf straßenrechtlicher Grundlage verdrängt. Die sich auf das Straßenverkehrsrecht stützenden Anordnungen können die Widmung bzw. allgemein die straßenrechtlichen Regelungen überlagern. Auch hier kann man zwischen zwei Varianten des Vorrangsprinzips unterscheiden. Zum einen setzt das Straßenverkehrsrecht dem Straßenrecht Grenzen bei der inhaltlichen Einschränkungsmöglichkeit des Gemeingebrauchs, konkret durch (scheinbare) inhaltliche Mitbestimmung des straßenrechtlichen Verkehrsbegriffs82. Andererseits erlaubt der Vorrang des Straßenverkehrsrechts auch eine Einschränkung des durch die Widmung erfolgten Nutzungskonzeptes insoweit, als auf der Grundlage des § 45 StVO Nutzungen eingeschränkt oder ausgeschlossen werden können, die sich eigentlich im Rahmen der Widmung halten83 . Voraussetzung ist aber (Folge des oben angesprochenen Vorbehalts des Straßenrechts), daß die straßenverkehrsrechtJung erforschen wollen, zulassen will, nicht dagegen die Vorbereitung einer wegerechtliehen Entscheidung. 79 BWVGH, a. a. 0., S. 240. 80 So auch das VG Stuttgart, Beschl. v. 27. 6. 1988, NZV 1989, S. 46 (48). 81 Gegebenenfalls, wenn das "Übergreifen" des Straßenverkehrsrechts unerläßliche Voraussetzung für eine sinnvolle Regelung straßenverkehrsrechtlicher Komplexe ist, aus einer Kompetenz kraft Sachzusammenhangs. Dazu grundlegend BVerfG, Rechtsgutachten v. 16. 6. 1954, BVerfGE 3, S. 407 (421). Kritisch Wiget, in: Zeitler, Rdnr. 22 zu Art. 14 BayStrWG, der darauf hinweist, daß die Gesetzgebungskompetenz zunehmend nur aus nicht ausreichenden Zweckmäßigkeitsüberlegungen in Anspruch genommen wird. Vgl. auch Steiner, VerwArch 86 (1995), S. 173 (173), der auf eine exzessive Auslegung des§ 45 StVO für Zwecke der innerstädtischen Verkehrssteuerung hinweist. 82 Steiner, in: Steiner (Hrsg.), BesVerwR, V., Rdnr. 168 ff.; Papier, in: Berg u. a., StVerwR in Bayern, 6. Aufl., Teil G, Rdnr. 19 f. 83 Steiner, in: Steiner (Hrsg.), BesVerwR, V., Rdnr. 167; Papier, in: Berg u. a., StVerwR in Bayern, 6. Aufl., Teil G, Rdnr. 21.

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liehen Regelungen nicht auf Dauer angelegt sind (vgl. oben)84. Bezüglich der Möglichkeit der "Mitbestimmung" des prinzipiell straßenrechtlichen Verkehrsbegriffs hat die Vorrang-Formel des Straßenverkehrsrechts ihre Wurzel wiederum in der einengenden straßenrechtlichen Gesetzgebung der 50er und 60er Jahre. Insbesondere versuchte man mit Hilfe des Straßenrechts zu einer Bewirtschaftung des knappen Gutes Parkraum auf rechtlich öffentlichen Straßen zu kommen. Ein Dom im Auge war etwa die Nutzung der Straße als sog. Laternengarage bzw. zum Dauerparken, aber auch die gewerblich veranlaßte Nutzung der Straße zum Abstellen von Kraftfahrzeugen (z. B. durch Autovermieter zur Vermietung auf der Straße)85 . § 16 Abs. 2 S. 1 des Harnburgischen Wegegesetzes vom 4. 4. 1961 86 sah kraft Gesetzes vor, daß zum Gemeingebrauch insbesondere nicht die Benutzung eines Weges als regelmäßiger Einstellplatz für ein Kraftfahrzeug in der Nähe der Wohnung oder der Arbeitsstätte des Fahrzeughalters oder -benutzers gehört. Darin wurde nach dem Wortlaut und dem Zusammenhang eine Nutzung der Straße gesehen, die zu anderen Zwecken als der des Verkehrs erfolgt. Wie bekannt, ist diese Vorschrift insoweit durch das BVerfG87 für nichtig erklärt worden. Kernpunkt der Argumentation des Gerichts war die Annahme, das bundesrechtliche Straßenverkehrsrecht regele abschließend das Parken als Teil des ruhenden Verkehrs, was landesrechtliehe Regelungen im Bereich des Straßenrechts ausschließt88 . Allgemeiner wird aus dieser Entscheidung gefolgert, daß das Straßenrecht im Rahmen der Widmung als Gemeingebrauch alles zuläßt, was nach den straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften zum Verkehr gehört. Das Landesrecht (auch Kommunalrecht89 ) kann die vom Straßenverkehrsrecht geregelten Verkehrsvorgänge aus kompetenzrechtlichen Gründen nicht abweichend regeln; es wäre gemäß Art. 72 Abs. I i. V. m. Art. 74 Abs. 1 Nr. 22 GG verfassungswidrig90. Für die hier angesprochene Problematik be84 Nicht geklärt ist, ob infolge des Vorrangs des Straßenverkehrsrechts im Falle etwa des Ausschlusses einer widmungsgemäßen Nutzungsart diese Nutzung dann auch im straßenrechtlichen Sinne zu einer "vorübergehenden" Sondernutzung wird. Dies kann jedoch nicht richtig sein, da das Straßenverkehrsrecht diese Regelungen v. a. aus sicherheits- und ordnungsrechtlichen Gründen trifft. Ein "Bedürfnis" für eine Mitbestimmung des straßenrechtlichen Gemeingebrauchs ist insoweit nicht ersichtlich. Eine andere Beurteilung ließe auch nur schwer begründen, warum erst eine dauerhafte Beschränkung der Widmung den straßenrechtlichen Vorbehalt auslöst, denn gedanklich soll ja erst dann unzulässig in das Nutzungskonzept des Straßenrechts eingegriffen werden. Umgekehrt läßt sich deshalb folgern, daß bei nicht dauerhaften "Eingriffen" durch das Straßenverkehrsrecht keine Änderung des straßenrechtlichen Nutzungskonzeptes (in hier rechtlich relevanter Hinsicht) erfolgt, mithin die Frage, ob eine Sondernutzung nach Straßenrecht vorliegt, unberührt bleibt. Insoweit wird in dieser Variante des Vorrangs des Straßenverkehrsrechts der Gemeingebrauch nicht inhaltlich i. S. einer Inhaltsschranke durch das Straßenverkehrsrecht mitbestimmt. 85 Details dazu etwa bei Evers, NJW 1962, S. 1032. 86 GVBI. S. 117. 87 Beschl. v. 9. 10. 1984, BVerfGE 67, S. 299, nach Vorlage durch das BVerwG (Beschl. v. 7. 6. 1978, DVBI. 1979, S. 155). 88 BVerfG, a. a. 0 ., S. 320 ff. 89 Zum Verhältnis Straßenverkehrsrecht und Naturschutzrecht vgl. Kap. 3 B. IV.

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deutet das, daß das Straßenverkehrsrecht abschließend den sog. ruhenden Verkehr (§ 12 StVO) geregelt hat und, unabhängig von der Dauer und dem (subjektiven) Zweck des Ruhens, als Verkehrsvorgang allein nach Straßenverkehrsrecht zu beurteilen ist, einer eigenständigen landesstraßenrechtlichen Beurteilung somit entzogen ist91 . Voraussetzung ist aber, daß das Fahrzeug zum Verkehr zugelassen und betriebsbereit ist92• Dies ist konsequent, da so anband objektiver Merkmale die "Verkehrsbereitschaft" des Fahrzeugs zu erkennen ist. Diese erfreulich objektivierte Sichtweise wird heute v. a. im Falle der überwiegend gewerblichen Nutzung des Fahrzeugs eingeschränkt, etwa bei der Nutzung der offenen Ladefläche eines zugelassenen und betriebsbereiten Lastkraftwagens ausschließlich zu Werbezwekken (Reklametafel) 93 oder ausschließlich zum Verkauf4 . Hier soll dann auch potentiell das Kraftfahrzeug nicht (überwiegend) zu Verkehrszwecken verwendet werden95 . Es läßt sich also allgemein festhalten, daß das Straßenverkehrsrecht inhaltlich dem Straßenrecht bei der Beurteilung eines Verhaltens "als Verkehr" Grenzen zieht, und zwar durch eine prinzipiell erfreulich objektivierte Sichtweise. Etwas unglücklich wird in diesem Zusarnrnenhang davon gesprochen, daß der Inhalt des straßenrechtlichen Gemeingebrauchs durch das Straßenverkehrsrecht "mitbestimmt" wird96• Der Vorrang des Straßenverkehrsrechts ist ein kompetenzrechtlicher Vorrang. Der Landesgesetzgeber verläßt den Boden seiner Regelungskompe90 BVerfG, Beschl. v. 9. 10. 1984, BVerfGE 67, S. 299 (313 ff.); BVerwG, Urt. v. 3. 6. 1982, NJW 1982, S. 2332; Papier, in: Berg u. a., StVerwR in Bayern, 6. Aufl., Teil G, Rdnr. 20; Wiget, in: Zeit/er, Rdnr. 26 zu Art. 14 BayStrWG; Amdt, WiVerw 1993, S. 206 (222 f.). 91 Zur Nutzung der Straße als Abstellplatz für gewerbliche Kraftfahrzeugverrnietung: BVerwG, Urt. v. 3. 6. 1982, NJW 1982, S. 2332; BayObLG, Beschl. v. 29. II. 1983, BayVBI. 1984, S. 219. Für einen Lastfuhrbetrieb: BVerwG, Urt. v. 12. 12. 1969, BVerwGE 34, S. 320. 92 St. Rspr. Siehe z. B. BVerwG, Urt. v. 3. 6. 1982, NJW 1982, S. 2332. 93 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 19. 7. 1990, NVwZ 1991, S. 206. Die Abgrenzung des reinen Werbezwecks von der "üblichen" Teilnahme arn Verkehr ist allerdings äußerst schwierig, worauf das BVerfG (Beschl. v. 10. 12. 1975, BVerfGE 40, S. 371 [383]) zutreffend hinweist. I. ü. stellt sich die Frage, ob ein genereller Ausschluß des Werbezwecks aus dem straßenrechtlichen Gerneingebrauch gegen Art. 5 GG verstößt (in anderem Zusanunenhang andeutend: BVerfG, a. a. 0 ., S. 382). Zur Frage der Erforderlichkeil einer Baugenehmigung (als ortsfeste Werbeanlage) speziell eines zugelassenen und betriebsbereiten Anhängers mit Aufbauten: VG Amsberg, Urt. v. 10. 9. 1996, NWVBI. 1997, S. 233. 94 Weiteres Beispiel: Aufstellen von Anhängern mit Aufbauten zur gewerblichen Alttextiliensanunlung (NWOVG, Beschl. v. 30. 10. 1996, NWVBI. 1997, S. 269 ff.; ebenso i. E. das OVG Bremen, Beschl. v. 14. 3. 1996, NVwZ-RR 1997, S. 385, für das Aufstellen von Containern zur gemeinnützigen Altkleidersanunlung. 95 Steiner, in: Steiner (Hrsg.), BesVerwR, V., Rdnr. 169; Wiget, in: Zeit/er, Rdnr. 27 ff. zu Art. 14 BayStrWG. Kritisch dazu (insb. auf Beweisschwierigkeiten in der Praxis hinweisend): Lorenz, LStrGBW, Rdnr. 19 zu§ 13. 96 So z. B. Steiner, in: Steiner (Hrsg.), BesVerwR, V., Rdnr. 168 ff. und Danwitz, in: Schmidt-Aßmann (Hrsg.), BesVerwR, 11. Aufl., Rdnr. 6.

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tenz, wenn er (bundesrechtlich abschließend geregeltes) Verhaltensrecht statuiert. Von inhaltlicher "Mitbestimmung" zu sprechen erscheint deshalb zumindest ungenau, da es um einen Regelungsbereich geht, der dem Straßenrecht aus kompetenzrechtlichen Gründen gerade entzogen ist.

cc) Erweiterung mittels der Bundesgrundrechte (sog. kommunikativer Verkehrsbegrift) Nachdem die (zu enge) Einschränkung der zulässigen Nutzung der Straße allgemein als unbefriedigend angesehen wurde, kam zunehmend eine zweite "Säule" hinzu, die eine enge verkehrliehe Nutzung vorsichtig erweitert. Ausgangspunkt war und ist, daß die Straße selbst über die enge Verkehrsfunktion hinaus auch als Forum kommunikativer Begegnung, der Pflege menschlicher Kontakte und des Informations- und Meinungsaustausches dient97• Anknüpfungspunkt in den geltenden Regelungen des Gemeingebrauchs ist der Verkehrsbegriff selbst, da der Begriff "Verkehr" von seinem Wortsinn her nicht auf Zwecke der reinen Fortbewegung beschränkt ist. Einige Grundrechte dienen zur Absicherung dieser weitergehenden Zwecksetzung gerade der innerörtlichen Straßen, weshalb als verkehrliehe Nutzungen auch noch im Rahmen des Gemeingebrauchs die sog. kommunikativen Nutzungsformen, mithin Verkehr im Sinne des Straßenrechts auch der "kommunikative Verkehr" sein könne98 . Dogmatisch läßt sich dieses Ergebnis wohl im Wege der verfassungskonformen Auslegung des straßenrechtlichen Verkehrsbegriffs erfassen. Geklärt ist dies jedoch noch nicht99. Teilweise wird auch angenommen, daß 97 Zu diesem in dogmatischer Hinsicht problematischen Ansatzpunkt vgl. bereits oben, Anm. 49. Siehe für die Aufenthaltsfunktion der Straßen, speziell bei sog. verkehrsberuhigten Geschäftsbereichen: § 45 Abs. 1c StVO. 98 Zum ,,kommunikativen Verkehr": Steiner; in: Steiner (Hrsg.), BesVerwR, V., Rdnr. 130 ff.; Salzwedel, in: Erichsen, AllgVerwR, 10. Auf!., § 43, Rdnr. 12; Grate, in: Koda/ / Krämer; Kap. 24, Rdnr. 22 ff.; Saxer; Grundrechte, insb. S. 121 ff., Wiget, in: Zeitler; Rdnr. 38 ff. zu Art. 14 BayStrWG; Lorenz. LStrGBW, Rdnr. 21 ff. zu§ 13; Meyer; DÖV 1991, S. 542; Kohl, NVwZ 1991, S. 621 (623 ff.); Enders, VerwArch 83 (1992), S. 527 (535 ff.); Lauhinger; VerwArch 81 (1990), S. 583 (616 ff.); Meissner; JA 1980, S. 583; Steinberg I Hartung, JuS 1990, S. 795; Karpen/ Hafer; JZ 1992, S. 1060 (1062 ff.); Stock, Straßenkommunikation; Messer; Sondemutzung, v. a. S. 108 ff.; Thieme, in: Selmer!v. Münch (Hrsg.), Gs Martens, S. 517 (522 ff.); Papier; in: Berg u. a., StVerwR in Bayern, 6. Auf!., Teil G, Rdnr. 103 ff.; Bartlsperger, Werbung und "Straßenkommunikation", in: Blümel (Hrsg.), Die Straße als Mehrzweckinstitut, S. 45; Danwitz, in: Schmidt-Aßmann (Hrsg.), BesVerwR, 11. Auf!., Rdnr. 60 f. 99 Allgemein sind die Grundrechtsfragen in diesem Zusammenhang dogmatisch nicht geklärt. Schwierigkeiten bereitet bereits die Begründung ftir die Berufung des Nutzers auf Grundrechte überhaupt, da die Zurverfügungstellung der Straßen und die Regelung der Benutzung der öffentlichen Sache Straße eine klassische Aufgabe der Leistungsverwaltung darstellt. Die klassische Funktion der Grundrechte als Abwehrrechte gegenüber dem "Eingriffsstaat" kann hierbei als Begründung nur schwerlich herangezogen werden. Teilweise wird bzgl. der Kommunikationsgrundrechte deshalb von einem Grundrechtsverschaffungsan-

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3. Kap.: Nutzungsrahmen für Sportausübung auf öffentlichen Straßen

die Grundrechte zur Annahme einer erlaubnisfreien Sondernutzung führen 100, bzw. höchstens anzeigepflichtigen Sondernutzung 101 • Ein Einfluß auf die Auslegung des Inhalts des straßenrechtlichen Verkehrsbegriffs wird von den beiden letzten Ansichten abgelehnt. Die Bedeutung der Grundrechte wird vielmehr in einer verfahrensrechtlichen Überlagerung bzw. Modifizierung gesehen. Einem solchen Ansatz ist zuzugeben, daß gerade nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zumindest der Kernpunkt der verfassungsrechtlichen Überlegungen in der Ausgangsfrage liegt, ob durch die Erforderlichkeit einer Sondernutzungserlaubnis ein Grundrecht in unverhältnismäßiger Weise eingeschränkt wird 102• Auch das BVerwG scheint in neuerer Zeit dieser Fragestellung nachzugehen 103 . Richtiger dürfte es zumindest aus landesrechtlicher Sicht sein, den Einfluß der Grundrechte in der verfassungskonformen Auslegung des Verkehrsbegriffs des Straßenrechts zu sehen 104, denn das Straßenrecht kennt die Begriffe "erlaubnisfreie" bzw. "lediglich anzeigepflichtige" Sondernutzung nicht 105 . Daß das BVerfG in obiger Entscheidung keine klare dogmatische Aussage getroffen hat, ist aus Sicht des Verfassungsrechts auch nachvollziehbar. Aus Sicht der geschützten Grundrechtsbetätigung ist nicht zwangsläufig eine bestimmte Dogmatik des einfachen Rechts bzw. eine bestimmte Auslegung des einfachen Rechts erforderlich 106. Das BVerfG legt ledigspruchoder Grundrechtsvoraussetzungsanspruch ausgegangen (so z. B. wohl Steinberg I Hartung, JuS 1990, S. 795 [797 f.]; Meyer, DÖV 1991, S. 542 [543 f.]). Andere gehen von einem grundrechtliehen Freiheitsstatus des Nutzers und damit von einem zumindest eingriffsähnlichen Charakter der Straßenverwaltung aus. Insbesondere stelle der Erlaubnisvorbehalt für Sondernutzungen (lediglich) ein präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt mit eng begrenzten Versagungsgründen dar (so wohl v. a. die Rechtsprechung). Sehr kritisch zum ganzen Bartlsperger, Werbung und Straßenkommunikation, in: Blümel (Hrsg.), Die Straße als Mehrzweckinstitut, S. 45 (50 ff.). 100 OLG Düsseldorf, Urt. v. 6. 2. 1975, NJW 1975, S. 1288; OLG Celle, Beschl. v. 4. 4. 1975, NJW 1975, S. 1894. Das OLG Düsseldorfhat im Beschl. v. 8. 4. 1998, NJW 1998, S. 2375, diese Sichtweise ausdrücklich aufgegeben und rechnet die "Kommunikation" nun zum Gemeingebrauch. 101 So Pappermann, NJW 1976, S. 1341 (1343). 102 So der Ansatz des BVerfG, Beschl. v. 18. 10. 1991, NVwZ 1992, S. 53 (54). Zu dieser Entscheidung: Enders, VerwArch 83 (1992), S. 527; Hufen, JuS 1993, S. 155 und Lorenz, JuS 1993, S. 375. 103 BVerwG, Beschlüsse v. 4. 7. 1996, NJW 1997, S. 406 (407) bzw. S. 408 (408). 104 So auch Papier, in: Berg u. a., StVerwR in Bayern, 6. Aufl., Teil G, Rdnr. 102 und wohl auch Wiget, in: Zeitler, Rdnr. 38 f. zu Art. 14 BayStrWG; Steiner, in: Steiner (Hrsg.), BesVerwR, V., Rdnr. 130 ff., Grote, in: Koda[/ Krämer; Kap. 24, Rdnr. 22 ff. Ausdrücklich ablehnend Zeitler; Versammlungsrecht, Rdnr. 307. Teilweise wird bzgl. der Kunst eine lediglich kunstfreundliche Auslegung befürwortet. Vgl. etwa BVerwG, Urt. v. 9. 11. 1989, JZ 1990, S. 336 (339), insoweit in BVerwGE 84, S. 71 nicht abgedruckt; Manssen, Staatsrecht I, S. 32. 105 Die Kompetenz der Gemeinden in den Straßengesetzen bestimmte Sondernutzungen von der Erlaubnis zu befreien kann nicht die gesetzlichen und grundrechtliehen Grenzen zwischen Gemeingebrauch und Sondernutzung in die ein oder andere Richtung verschieben. Siehe nur Steiner; in: Steiner (Hrsg.), BesVerwR, V., Rdnr. 116. 106 BVerfG, Beschl. v. 18. 10. 1991, NVwZ 1992, S. 53 (54).

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lieh den abstrakten, von Verfassungs wegen erforderlichen Rahmen an das einfache Recht in diesem Falle fest, weshalb aus verfassungsrechtlicher Sicht die Einordnung als Gemeingebrauch oder Sondernutzung nicht entscheidungserheblich ist. Aus diesem Blickwinkel heraus betrachtet besteht nur dann Anlaß zur Beanstandung, wenn das einfache Recht so ausgelegt wird, daß die grundrechtlich geschützte Betätigung von einer Gestattung abhängig gernacht wird, die im freien Ermessen der Behörde steht 107• Die konkrete Auslegung bzw. systematische und dogmatische Umsetzung überläßt das Gericht den Ländergerichten bzw. dem Landesgesetzgeber 108 • Eine solche vorsichtige "Einmischung" entspricht auch durchaus dem allgemeinen Verständnis (bei Außerachtlassung aller strittigen Detailfragen) hinsichtlich der Aufgabenverteilung zwischen den Fachgerichten einerseits und dem BVerfG als Hüter der Verfassung andererseits. Das BVerfG hat nach seinem Selbstverständnis nicht die Aufgabe einer "Superrevisionsinstanz'" 09. Dem entspricht die Zurückhaltung bzgl. der konkreten Umsetzung im einfachen Recht, denn die Auslegung des einfachen Rechts und seine Anwendung auf den einzelnen Fall obliegt den Fachgerichten 110• Auf einer ähnlichen Linie bewegt sich auch (teilweise) das BVerwG. In seiner Scherenschnitt-Entscheidung 111 überläßt das BVerwG die Auslegung und Anwendung im Detail ebenfalls den Ländergerichten 112 . Bezüglich des Einflusses der Grundrechte im Straßenrecht stellen sich so betrachtet folgende Fragen: Hat das berührte Grundrecht Einfluß auf den Inhalt des straßenrechtlichen Gemeingebrauchs, insbesondere beeinflußt es den einfachrechtlichen Verkehrsbegriff und erweitert ihn gegebenenfalls. Falls ein solcher Einfluß verneint wird, stellt sich weiter die Frage, welche Bedeutung das Grundrecht im Rahmen der erforderlichen Ermessensentscheidung über die Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis im Einzelfall hat; gegebenenfalls kann es zu einer Ermessensreduzierung auf null, zu einer gebundenen Entscheidung der Verwaltung führen. Betrachtet man nun die einzelnen Grundrechte, bei denen (irgend) ein Einfluß auf das Straßenrecht anerkannt ist, so bildet die Rechtsprechung hier kein einheitliches Bild. Als durch Verfassungsrecht gestützte kommunikative Verkehrsnutzungen sind anerkannt: Die Nutzung der Straße zum (auch politischen) Meinungsaustausch bzw. zu Meinungsäußerungen, allerdings nur, soweit nicht technische Hilfsmittel bzw. Verrichtungen verwendet werden, dies gilt auch bei politischen Parteien trotz ihrer von Art. 21 GG gewährleisteten Sonderstellung selbst während des Wahlkampfes 113 . Diese Erweiterung beruht auf Art. 5 Abs. 1 GG und derbe107 108

BVerfG, a. a. 0., S. 54. BVerfG, a. a. 0, S. 54.

109 Dazu etwa BVerfG, Beschl. v. 10. 6. 1964, BVerfGE 18, S. 85 (92 f.); dies., Beschl. v. 7. 12. 1976, BVerfGE 43, S. 130 (135 ff.). t10 BVerfG, Beschl. v. 10. 6. 1964, BVerfGE 18, S. 85 (92). tll Urt. v. 9. 11. 1989, BVerwGE 84, S. 71 ff. ll2 BVerwG, a. a. 0., S. 77 f.

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3. Kap.: Nutzungsrahmen für Sportausübung auf öffentlichen Straßen

kannten besonderen Bedeutung, die das BVerfG nach Maßgabe der für Art. 5 Abs. 2 GG seit dem Lüth-Urteil 114 greifenden Wechselwirkungslehre diesem Grundrecht beimißt 115 . Literatur und Rechtsprechung scheinen bei diesem Grundrecht in der Mehrzahl eine verfassungskonforme Auslegung des Verkehrsbegriffs des Straßenrechts vorzunehmen 116• Anders sieht es überraschenderweise bei dem nach dem Grundgesetz schrankenlos gewährleisteten Grundrecht des Art. 5 Abs. 3 S. I (Kunstfreiheit) aus 117 . Obwohl der Schutzbereich dieser Vorschrift auch den sog. Wirkbereich der Kunst mit umfaßt, führt die Schrankenlosigkeit nicht zu einer schrankenlosen Straßenkunst Im Gegenteil: Im Regelfall besteht nach der Rechtsprechung kein Anlaß, den Verkehrsbegriff des Straßenrechts zwingend 118 in Richtung auf einen auch die Kunstausübung mitumfassenden Begriff des Verkehrs hin auszulegen. Die verfassungsimmanenten Schranken der Art. 2 Abs. 1, 3 Abs. I, 14 Abs. 1 GG geben dem Gemein- und Anliegergebrauch einen besonderen Schutz vor Störungen durch Dritte, weshalb die Vorschriften über die Sondernutzung der Straßengesetze, die (auch) diesem Schutz dienen und insoweit eine Ausgleichs- und Verteilungsfunktion hall3 Vgl. dazu auch das Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums des Innem Nr. II B2 -43240-001/97 vom 16. 5. 1997, in: FSt 1997/271, S. 627 f. 114 BVerfG, Urt. v. 15. l. 1958, BVerfGE 7, S. 198 ff. 11s Zu Art. 5 Abs. 1 GG und seiner Bedeutung im Straßenrecht BVerfG, Beschl. v. 18. 10. 1991, NVwZ 1992, S. 53; BVerwG, Urt. v. 7. 6. 1978, BVerwGE 56, S. 56; BVerwG, Urt. v. 24. 8. 1994, NVwZ-RR 1995, S. 129 (Plakatständer); BayVGH, Beschl. v. 4. 7. 1996, BayVBI. 1996, S. 665; dies., Beschl. v. 19. l. 2000, BayVBI. 2000, S. 418 (418); HessVGH, Urt. v. 21. 9. 1993, NVwZ 1994, S. 189; SaarlOVG, Beschl. v. 5. 8. 1998, NVwZ-RR 1999, S. 218; Enders, VerwArch 83 (1992), S. 527; Lorenz, JuS 1993, S. 375; Stock, Straßenkommunikation; Steiner, in: Steiner (Hrsg.), BesVerwR, V., Rdnr. 132 ff.; Wiget, in: Zeitler, Rdnr. 41 f. zu Art. 14 BayStrWG; Grote, in: Kodal/Krämer, Kap. 24, Rdnr. 113 u. 115, Kap. 26, Rdnr. 57 ff. !16 Anders wohl SaarlOVG, Beschl. v. 5. 8. 1998, NVwZ- RR 1999, S. 218 (219) und BayVGH, Beschl. v. 19. l. 2000, BayVBI. 2000, S. 408 (408). m Zur Kunstfreiheit und ihrer Bedeutung im Straßenrecht BVerfG, Beschl. v. 19. 6. 1981, 1 BvR 183/8; BVerfG, Beschl. v. 19. 3. 1984, NJW 1984, S. 1293; BVerfG, Beschl. v. 20. 5. 1987, 1 BvR 386/87; BVerwG, Beschl. v. 7. l. 1981, DÖV 1981, S. 342; Beschl. v. 19. 12. 1986, NJW 1987, S. 1836; BVerwG, Urt. v. 9. 11. 1989, BVerwGE 84, S. 71; BWVGH, Urt. v. 17.8. 1988, DÖV 1989, S. 128; Würkner, Das Bundesverfassungsgericht und die Freiheit der Kunst, München 1994; ders., NJW 1987, S. 1793; ders., NVwZ 1987, S. 841; ders., NJW 1988, S. 317; ders., NJW 1989, S. 1266; Laubinger, VerwArch 81 (1990), S. 583; Meyer, DÖV 1991, S. 542 (547 ff.); Heinz, JA 1990, S. 264; ders., NVwZ 1991, S. 139; Goerlich, Jura 1990, S. 415; Hufen, StT 1983, S. 394 (v. a. 398 f. ); ders., DÖV 1983, S. 353; ders., JuS 1991, S. 597; Steinberg/Hartung, JuS 1990, S. 795; Karpen!Hofer, JZ 1992, S. 1060 (1062 ff.); Steiner, in: Steiner (Hrsg.), BesVerwR, V., Rdnr. 135, Wiget, in: Zeitler, insb. Rdnr. 50 zu Art. 14 BayStrWG. 118 Eine grundrechtsfreundliche und somit kunstfreundliche Auslegung wird vom BVerwG allerdings nicht ausgeschlossen. Vgl. BVerwG, Urt. v. 9. 11. 1989, JZ 1990, S. 336 (339); insoweit in BVerwGE 84, S. 71 nicht abgedruckt. Zur sog. grundrechtsfreundlichen Auslegung vgl. z. B. Manssen, Staatsrecht I, S. 33 f., der dies als "grundrechtsorientierte" Auslegung bezeichnet.

A. Die straßenrechtliche "Rahmennutzungsordnung"

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ben 119, eine zulässige, mit Art. 5 Abs. 3 GG zu vereinbarende, den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes genügende 120 Grundlage für die Bewältigung der auch durch die Kunst auftretenden Nutzungskonflikte abgeben. Erst im Rahmen der nach den Straßengesetzen für die Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis erforderlichen Ermessensentscheidung kommt das Grundrecht zu seiner Entfaltung mit je nach Fallgestaltung unterschiedlichem Gewicht. Im Einzelfall kann es zu einer Ermessensreduzierung auf null, mithin zu einem Anspruch auf die Erteilung kommen 121 • Gleiches gilt für die Fälle, in denen die Durchführung eines Verwaltungsverfahrens unzumutbar ist (Spontankunst). Dogmatisch handelt es sich dann aber nicht um eine verfassungskonforme erweiternde Auslegung des straßenrechtlichen Verkehrsbegriffes hin zu einem auch Kunstformen mit umfassenden, kommunikativen Verkehrsbegriff, sondern um eine Berücksichtigung des Grundrechtes im Rahmen der Abwägung bei einer Ermessensentscheidung als (im Einzelfall mit besonderem Gewicht anzusehender) abwägungserheblicher Belang 122 bzw. im Falle von "Spontankunst" muß von einer Untersagung und Verfolgung als Ordnungswidrigkeit abgesehen werden. Auch wenn an dieser Einschätzung durch die Rechtsprechung mit guten Gründen Kritik geübt werden kann 123 , entspricht diese Bedeutung der Kunstfreiheit scheinbar der gegenwärtigen Rechtslage. Wie abwägungserheblich das Grundrecht im Einzelfall dann ist, ist eine schwer vorauszusehende und einschätzbare Bewertung 124, weshalb die Gemeinden sicher zu Recht gehalten sind, von ihrer Satzungsermächtigung (z. B. § 8 Abs. l S. 4 BFStrG) Gebrauch zu machen und, kunstfreundlich, künstlerische Betätigung auf der Straße dem Gemeingebrauch faktisch durch die Befreiung von der Erlaubnispflicht gleichzustellen 125 • 119 Dazu: BVerwG, Urt. v. 9. 11. 1989, BVerwGE 84, S. 71 (76); NdsOVG, Urt. v. 13. 11. 1995, NVwZ-RR 1996, S. 244 (245). 12o Siehe auch bereits BVerwG, Urt. v. 7. 6. 1978, BVerwGE 56, S. 63 (68); BVerfG (Vorprüfungsausschuß), Beschl. v. 19. 6. 1981, 1 BvR 183/81; BVerfG, Beschl. v. 16. 6. 1987, 1 BvR 386/87. 121 BVerwG, a. a. 0., S. 338 f.; Steiner, in: Steiner (Hrsg.), BesVerwR, V., Rdnr. 135. 122 Etwas unglücklich ist deshalb das Heranziehen der Scherenschnitt-Entscheidung des BVerwG als Schulbeispiel einer verfassungskonformen Auslegung (so Manssen, Staatsrecht I, S. 31 f.); ein Beispiel, bei dem die (revisionsgerichtliche) Rechtsprechung, wie dargelegt, eine solche (grundsätzlich) gerade ablehnt. 123 Kritisch v. a. immer wieder Würkner, vgl. Anm. 119. Es ist auch nur schwer einzusehen, weshalb Art. 5 Abs. 1 GG so hohen Einfluß auf das einfache Recht haben soll, dies andererseits der Kunstfreiheit nicht zugestanden wird. Bereits aus verfassungsrechtlichen Gründen (Art. 5 Abs. 3 GG ist im Gegensatz zu Abs. 1 schrankenlos gewährleistet) ist dieser Unterschied kaum zu begründen. Das Argument des BVerwG, daß der störungsfreie Gemeinund Anliegergebrauch aus Art. 2 Abs. 1, 3 Abs. 1, 14 Abs. 1 GG eine Einschränkung rechtfertige, läßt sich genausogut bei einer Einschränkung des Art. 5 Abs. 1 GG heranziehen (Flugblattverteilung). Das Argument könnte dann sogar zu einer völligen Ablehnung des grundrechtlich geprägten kommunikativen Verkehrsbegriffs führen. Zuzugeben ist aber, daß durch das Erfordernis einer Sondernutzungserlaubnis eine auf Grund der vielfältigen Erscheinungsformen der Straßenkunst erforderliche Einzelfallentscheidung garantiert wird. 124 Manssen (Staatsrecht I, S. 31 f.) geht, entgegen der Rechtsprechung des BVerwG, vom Regelfall eines gebundenen Anspruchs des Künstlers aus.

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3. Kap.: Nutzungsrahmen für Sportausübung auf öffentlichen Straßen

Die gleiche (geringe) Bedeutung gibt die Rechtsprechung des BVetwG 126 der Glaubens- und Gewissensfreiheit des Art. 4 GG im Hinblick auf die Einflußnahme auf das materielle Straßenrecht Auch hier wendet die Rechtsprechung trotz der Schrankenlosigkeit des Grundrechtes die gleichen Grundsätze an wie im Falle der Kunst, was im Ergebnis im Regelfall ebenfalls lediglich zu einer Berücksichtigung dieses Freiheitsrechts im Rahmen der Ermessensentscheidung über die Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis führt 127 • Die dogmatische Bewältigung von Versammlungen auf öffentlichen Straßen, denen der Schutz des Art. 8 GG zuteil wird und die im Versammlungsgesetz eine bundesrechtliche Regelung gefunden haben 128 . Auf Grund der hohen Bedeutung des Grundrechtes ist seit der Sitzblockaden-Entscheidung des BVerfG 129 geklärt, daß die Versammlungsfreiheit grundsätzlich auch die Selbstbestimmung über Ort und Art der Veranstaltung mitumfaßt und insoweit ein Recht zur Mitbenutzung der im Allgemeingebrauch (also der nach Straßenrecht gewidmeten) stehenden Straßen mit einschließt 130• Aus dieser Wendung wird teilweise gefolgert, daß (auch stationäre) Versammlungen grundsätzlich als kommunikativer Verkehr zum Gemeingebrauch gehören 131 . Geklärt ist dies aber nicht 132 . Teilweise wird auch angeDazu Steiner, in: Steiner (Hrsg.), BesVerwR, V., Rdnr. 135 u. 116. V. a. zwei Beschlüsse v. 4. 7. 1996, NJW 1997, S. 406 bzw. S. 408. Zum Problemkreis im Rahmen des Art. 4 GG auch die beiden vorinstanzliehen Urteile des NdsOVG v. 13. 11. 1995, NVwZ- RR 1996, S. 244 bzw. S. 247; BayObLG, Beschl. v. 13. 6. 1997, NVwZ 1998, S. 104 (105); BWVGH, Beschl. v. 12. 7. 1996, VBIBW 1997, S. 64; VG Berlin, Urt. v. 12. 10. 1988, NJW 1989, S. 2559 (2559 f.); VG Frankfurt, Urt. v. 4. 9. 1990, NVwZ 1991, S. 195 undAbel, NJW 1997, S. 426 (431). 121 BVerwG, a. a. 0, S. 407 bzw. 408. Zur Berücksichtigung im Rahmen des Ermessens auch VG Berlin, a. a. 0. und VG Frankfurt, a. a. 0. 128 Dazu BVerfG, Beschl. v. 14. 5. 1985, BVerfGE 69, S. 315 (343); BVerfG, Urt. v. 11. 11. 1986, BVerfGE 73, S. 206 (24~) ; BVerwG, Urt. v. 21. 4. 1989, BVerwGE 82, S. 34; BWVGH, Beschl. v. 16. 12. 1993, DOV 1994, S. 568; BayVGH, Beschl. v. 28. 4. 1978, DVBI. 1979, S. 81; BayVGH, Beschl. v. 13. 5. 1994, BayVBI. 1994, S. 600; HessVGH, Urt. v. 20. 9. 1977, VerkMitt 1978, S. 66; NdsOVG, Urt. v. 18. 5. 1994, VerkMitt 1994, S. 515; Burgi, DÖV 1993, S. 633 (638 f.); Grote, in: Kodal/Krämer, Kap. 24, Rdnr. 116 ff. u. Kap. 26, Rdnr. 52 ff.; Steiner, in: Steiner (Hrsg.), BesVerwR, V., Rdnr. 136; Kloepfer, HdbdStR Band VI, § 143, Rdnr. 58; Zeitler, VersR, Rdnr. 301 ff.; Meyer/ Köhler, 3. Auf!., Anm. 6 c) f. zu Art. 8 GG u. Anm. I zu § 14 VersG; Dietell Gintzel/ Kniesel, 11. Auf!., Rdnr. 8 f. u. 108 ff. zu § 15 VersG; Ridder/Breitbach/Rühl/Steinmeier, VersR, 1. Auf!., Rdnr. 22 zu Art. 8 GG u. Rdnr. 202 ff. zu§ 15 VersG; Schwerdtfeger, in: Selmer/v. Münch (Hrsg.), Gs Martens, S. 445 (447 ff.); ders., Die Grenzen des Demonstrationsrechts, S. 36 ff.; Bairl-Vaslin, Das Verhältnis der Versammlungsfreiheit zum Straßenrecht und Straßenverkehrsrecht, 1985; Schwäble, Das Grundrecht der Versammlungsfreiheit, 1975, v. a. S. 170 ff.; Höfling, in: Sachs (Hrsg.), Rdnr. 66 zu Art. 8 GG. 129 Urt. v. II . 11. 1986, BVerfGE 73, S. 206. 130 BVerfG, a. a. 0., S. 249. 131 So wohl Schwerdtfeger, in: Selmerlv. Münch (Hrsg.) Gs Martens, S. 445 (448); a. A. etwa Grote, in: Kodal/Krämer, Kap. 26, Rdnr. 56, der davon ausgeht, daß materiell i. d. R. Sondergebrauch vorliegt. 125

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nommen, daß das materielle Straßenrecht und dessen Regelungen über die Abgrenzung von Gemeingebrauch und Sondernutzung durch die abschließenden Regelungen des Art. 8 GG i. V. m. dem VersO verdrängt sind 133, mit der Folge, daß das Straßenrecht nicht inhaltlich beeinflußt, sondern überlagert wird. Der praktisch wohl wichtigste Bereich des Einflusses der Grundrechte ist im Bereich der Rechtsstellung der Straßenanlieger anerkannt 134• Abgesehen von den (wenigen) Ländern 135 , die sich nicht nur mit der Zufahrt bzw. dem Zugang und mit dem Zutritt von Licht und Luft 136 beschäftigen, sind die Nutzungsinteressen des Straßenanliegers in den Straßengesetzen nicht (ausreichend) berücksichtigt. Aber auch in diesen Gesetzen sind die besonderen Nutzungen des Anliegers (Stichworte sind: "Kontakt nach außen", insbesondere im gewerblichen Bereich; Erschließungsfunktion der Straße) 137 nicht geregelt. Hier schließt das Verfassungsrecht die bestehende Lücke. Hintergrund ist, daß die Nutzungsinteressen des Straßenanliegers infolge der Situationsgebundenheit des Grundstücks deutlich über die Nutzungsmöglichkeiten des "schlichten" (bzw. engen) Gemeingebrauchs v. a. in innerörtlichen Straßen hinausgehen. Auch muß berücksichtigt werden, daß der Anlieger nicht unerheblich zur Finanzierung der Straßensubstanz bzw. des Straßenaufwands auf Grund bundes- und landesrechtlicher Vorschriften beiträgt 138 . Der Anliegergebrauch kommt deshalb nach Meinung des BVerwG 139 in seinem Kern dem (privatrechtlichen) Eigentum so nahe, daß ihm 132 Ausführlich untersucht dies Bairl-Vaslin, Das Verhältnis der Versammlungsfreiheit zum Straßenrecht und Straßenverkehrsrecht, 1985. 133 So Steiner; in: Steiner (Hrsg.), BesVerwR, V., Rdnr. 136, der dies als h. M. bezeichnet. Auch das BVerwG geht davon aus. Vgl. Urt. v. 21. 4. 1989, BVerwGE 82, S. 34 (40). 134 Zur Stellung des Straßenanliegers: BVerfG, Beschl. v. 11. 9. 1990, NVwZ 1991, S. 358; BGH, Urt. v. 4. 5. 1973, BGHZ 60, S. 365; BVerwG, Urt. v. 25. 9. 1968, BVerwGE 30, S. 235 (238 f.); dies., Urt. v. 8. 9. 1993, NZV 1994, S. 125; dies., Beschl. v. 11. 5. 1999, NJW 1999, S. 1341 (1342); BWVGH, Urt. v. 23. 9. 1993, NZV 1994, S. 128; dies., Urt. v. 7. 7. 1994, NVwZ-RR 1995, S. 158; dies., Beschl. v. 7. 9. 1994, NuR 1995, S. 264; dies., Beschl. v. 30. 7. 1996, NuR 1997, S. 290; NWOVG, Urt. v. 28. 11. 1990, NWVBI. 1991, S. 269; Grate, in: Kodal/ Krämer; Kap. 25; Steiner; in: Steiner (Hrsg.), BesVerwR, V., Rdnr. 120 ff.; ders., DVBI. 1992, S. 1561 (1565 ff.); Papier; in: Berg u. a., StVerwR in Bayern, Teil G, Rdnr. 114 ff.; ders., Recht der öffentlichen Sachen, S. 112 ff., Lorenz, LStrGBW, Anm. zu § 15; Maurer, DÖV 1975, S. 217; ders., in: Bartlsperger/Blümel/Schroeter (Hrsg.), VStrRGesGeb, S. 115; Hohe, DÖV 1997, S. 323; Schwab, VD 1995, S. 101 ; Sauthoff NVwZ 1998, S. 239 (246 f.); Danwitz, in: Schmidt-Aßmann (Hrsg.), BesVerwR, 11. Auf!., Rdnr. 62 f. 135 Beachte aber §§ 10 Abs. 4, 11 Abs. 1 Ber!StrG; § 14 Abs. 4 BrandStrG; § 17 HambWG; §§ 14 Abs. 3, 14a NWStrWG; § 14 Abs. 4 SachsAnhStrG; § 14 Abs. 4 ThürStrG; § 9 BerlStrG. 136 So aber § 15 BWStrG; Art. 17 BayStrWG; §§ 14 Abs. 4 u. 5, 22 BrandStrG; § 8 BrernLStrG; § 27 MVStrWG; § 20 NdsStrG; § 39 RhPfLStrG; § 17 SaarlStrG; § 22 SächsStrG; §§ 14 Abs. 4, 22 SachsAnhStrG; § 25 SchlHStrG; §§ 14 Abs. 4, 22 ThürStrG. 137 Beispiele dafür etwa bei Steiner, in: Steiner (Hrsg.), BesVerwR, V., Rdnr. 120. 138 Steiner; a. a. 0.

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3. Kap.: Nutzungsrahmen für Sportausübung auf öffentlichen Straßen

der Schutz des Art. 14 GG nicht vorenthalten werden kann 140• Dies giltjedoch nur soweit, wie die angemessene Nutzung des Grundeigentums eine (zulassungsfreie) Benutzung der Straße erfordert 141 . Die grundrechtliche Gewährleistung sichert also nur einen "Minimal-, keinen Optimalstandard" an Straßenanliegernutzung 142• Das den Anlieger vom "schlichten" Verkehrsteilnehmer unterscheidende Interesse läßt sich in vier Punkten zusarnmenfassen 143: die Gewährung der verkehrliehen Kommunikation (Zufahrt, Zugang), Gewährung von Licht und Luft zu den auf dem Anliegergrundstück errichteten Gebäuden, Gewährung der geschäftlichen Kommunikation mit den Verkehrsteilnehmern und, in gewissem Umfang, der Gebrauch der Straße für die eigenen Zwecke des Anliegers. Für eine mögliche Erweiterung der Nutzung zugunsten des Sports ist dies aber nur insoweit interessant, als noch von einem Gebrauch der Straße ausgegangen werden kann, was insbesondere für die Gewährung von Licht und Luft 144, aber auch für sonstige Einwirkungen der Straße bzw. seiner Benutzung auf das Grundstück des Anliegers 145, zu verneinen ist. Für die Gebrauchsnutzungen der Straße durch den Anlieger ist es für das Ergebnis "Zulassungsfreiheit der geschützten Nutzungen" deshalb konsequent, ihn entsprechend dem dogmatischen Korsett der Straßengesetze (Gemeingebrauch oder Sondernutzung) als (gesteigerten) Gemeingebrauch einzuordnen 146• Dies 139 BVerwG, Urt. v. 25. 9. 1968, BVerwGE 30, S. 235 (238); dies., Urt. v. 29. 4. 1977, BVerwGE 54, S. 1; vgl. auch BVerfG, Beschl. v. 7. 5. 1963, BVerfGE 16, S. 94 (111 f.); dies., Beschl. v. 3. 3. 1965, BVerfGE 18, S . 392 (397); dies., Beschl. v. 11. 9. 1990, NVwZ 1991, S. 358. 140 Unklar: BVerwG, Beschl. v. 11. 5. 1999, NJW 1999, S. 1341 (1342). 141 BVerwG, Urt. v. 25. 6. 1969, BVerwGE 32, S. 222 (225); dies., Urt. v. 20. 5. 1987, NJW 1988, S. 432 (433); dies., Urt. v. 8. 9. 1993, BVerwGE 94, S. 136. Zu dieser Entscheidung u. a. Commichau, JA 1995, S. 103. Siehe auch BVerfG, Beschl. v.ll. 9. 1990, NVwZ 1991, S. 358; BVerwG, Beschl. v. 11. 5. 1999, NJW 1999, S. 1341 (1342) und BWVGH, Beschl. v. 7. 9. 1994, NuR 1995, S. 265. 142 Sendler; DÖV 1978, S. 581 (588) und BVerwG, Beschl. v. 11. 5. 1999, NJW 1999, S. 1341 (1342). Zu Details: Sauthoff, NVwZ 1998, S. 239 (246 f.). 143 Nach Grote, in: Kodal/Krämer; Kap. 25, Rdnr. 5. 144 Grote, a. a. 0., Rdnr. 24 ff., weshalb er (wie auch andere) zur begrifflichen Klarheit zwischen Anliegergebrauch und Anliegernutzung unterscheidet. Der Begriff der Anliegernutzung ist allerdings auch nur dann eindeutig (gerade im Hinblick auf den Zutritt von Licht und Luft), wenn damit klargestellt wird, daß es sich hierbei nicht um eine Nutzung der Straße handelt, sondern um Beeinträchtigungen der Nutzung des Grundstücks durch die Straße, was die (unzutreffenden) Ausführungen von Hobe, DÖV 1997, S. 323 (327) zeigen, der in diesem Fall von Nutzungsart der Straße spricht. 145 Zum Abwehranspruch des Anliegers gegen aufspritzendes Niederschlags- bzw. Oberflächenwasser: BayVGH, Urt. v. 28. 8. 1997, FSt 1998, Nr. 71 , S. 184; gegen Rollhockeyund Inlineskatingspiele: VG Lüneburg, Beschl. v. 12. 6. 1997, NJW 1998, S. 1731. 146 Die wohl h. M. ordnet den Anliegergebrauch als gesteigerten Gemeingebrauch ein. Siehe: BVerwG, Urt. v. 25. 9. 1968, BVerwGE 30, S. 235 (238 f.); dies., Urt. v.13. 6. 1980, NJW 1981, S. 412 (412 f.); BWVGH, Urt. v. 22. 7. 1971, NJW 1972, S. 837 (838); dies., Urt. v. 25. 6. 1981, DÖV 1982, S. 206 (207); dies., Beschl. v. 7. 9. 1994, NuR 1995, S . 264; Forsthoff, VerwR, Bd. 1, S. 404; Grote, in: Kodal/Krämer; Kap. 25, Rdnr. 22 ff. ; Wiget, in: Zeitler;

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sollte richtigerweise wiederum durch eine verfassungskonforme Auslegung des straßenrechtlichen Verkehrsbegriffs erfolgen 147, der auch diese kommunikativen 148 Nutzungsformen mit umfasst. In der Praxis zeigt sich jedoch, daß diese verfassungsrechtlich gewährleistete Position des Anliegers keine besonders starke Möglichkeit bietet, selbst existenzgefährdende bzw. -vernichtende Eingriffe, etwa durch die Straßenverkehrsbehörde, abzuwehren. Aus Sicht des Sports zeigt sich dies etwa an einer Entscheidung des BWVGH 149, dem folgender Sachverhalt zugrunde lag: Der Antragsteller war Inhaber eines (gewerblichen) Reiterhofs (Vermietung von Pferden zum Ausreiten). Durch Verfügung der Straßenverkehrsbehörde auf der Grundlage des § 45 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 StVO (Nutzungsbeschränkung bzw. -verbot zur Verhütung außerordentlicher Schäden) wurde ein sofort vollziehbares Reitverbot für sämtliche Straßen in der näheren Umgebung des Reiterhofs angeordnet (Verkehrszeichen Nr. 250 mit entsprechendem Sinnbild zu § 41 Abs. 2 Nr. 6a StVO). Obwohl diese Verfügung dem Betrieb die Existenzgrundlage entzog, meint der VGH 150, daß der Antragsteller seine gewerbliche Tätigkeit nicht auf den Zugang bzw. die Zugänglichkeil zum öffentlichen Grund, sondern auf der Befugnis seiner Kundschaft, auf den fraglichen Wegen reiten zu dürfen, griinde. Auf die Teilhabe seiner Kunden - also Dritter - an dem Gemeingebrauch könne sich der Antragsteller für seine gewerbliche Betätigung nicht berufen 151 . Im übrigen handele es sich lediglich um Vorteile bzw. Rdnr. 64 ff. zu Art. 14 BayStrWG; Papier, in: Berg u. a., StVerwR in Bayern, Teil G, Rdnr. 117; Püttner, AllgVerwR, S. 125 f.; Marschall/Schroeter/Kastner, Rdnr. 25 f. zu § 7 BFStrG; Schwab, VD 1995, S. 101 (102); Brenner, LKV 1998, S. 369 (371). Diese Sichtweise kann sich bzgl. der straßenrechtlichen Einordnung als Gemeingebrauch auch auf gewichtige ältere Stimmen berufen. Vgl. etwa PreußOVG, Urt. v. 10. 5. 1897, Bd. 32, S. 213; Germershausen!Seydel, S. 76 f.; Mayer, VerwR, 2. Band, S. 78 ff.; Jellinek, VerwR, 1931, S. 510. Die dogmatische Verortung ist allerdings sehr umstritten. Teilweise wird der Anliegergebrauch auch als gesetzlich eingeräumte Sondernutzung (so v. a. von Salzwedel, in: Schmidt-Aßmann [Hrsg.], BesVerwR, 10. Auf!., S. 783, Rdnr. 31 ; ders., in: Erichsen [Hrsg.], AllgVerwR, 10. Auf!., § 43 V, Rdnr. 26, S. 558) oder als gänzlich eigenständiges Institut mit grundrechtlicher Ableitung (so Hohe, DÖV 1997, S. 323 [329 f.] und wohl auch Steiner, DVBL 1992, S. 1561 [1566]; ders., VerwArch 86 [1995], S. 173 [177]; a. A. aber ders., in: Steiner [Hrsg.], BesVerwR, V., Rdnr. 125 f.) eingeordnet. 147 Wiget, in: Zeitler, Rdnr. 66 zu Art. 14 BayStrWG; Grote, in: Kodal/Krämer, Kap. 25, Rdnr. 22. 148 Den Gebrauch explizit als kommunikativen Verkehr ansehend: Wiget, in: Zeitler, Rdnr. 64 u. 66 zu Art. 14 BayStrWG und andeutungsweise Grote, in: Kodal/Krämer, Kap. 25, Rdnr. 30 f.; Papier, in: Berg u. a., StVerwR in Bayern, Teil G, Rdnr. 117. 149 Beseht. v. 7. 9. 1994, NuR 1995, S. 264. 150 A. a. 0., S. 264 f. 151 Unter Berufung auf BVerfG, Beschl. v. 11. 9. 1990, NVwZ 1991, S. 358, obwohl es dort um die Frage der Zugänglichkeit zum Gewerbebetrieb mit Pkw bzw. Bus (Restaurants, Cafe, Souvenirverkauf und Bootsverleih) und nicht um die hier zu beantwortende Frage nach der Zugänglichkeit vom Gewerbebetrieb aus ging, zumal, wenn das Substrat der betrieblichen Nutzung entzogen wird. Im vom BVerfG entschiedenen Fall blieb die Zugänglichkeit (z. B. Fußgängerverkehr) i. ü. gewahrt. A. A. ist in der vom BVerfG entschiedenen Konstellation

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3. Kap.: Nutzungsrahmen für Sportausübung auf öffentlichen Straßen

Chancen, die nicht als zum Gewerbebetrieb angehörig angesehen werden können. Der Gewerbetreibende dürfe sich nicht darauf verlassen, daß diese auf Dauer erhalten bleiben. Art. 14 Abs. 1 GG schütze den Gewerbebetrieb zwar in seiner jeweiligen, von den normativen und sonstigen Rahmenbedingungen geprägten Situationsgebundenheit; er gebe aber keinen Schutz vor Veränderungen dieser "äußeren" Gegebenheiten. Diese in der Rechtsprechung stereotyp wiederholten Wendungen 152 führen in Verbindung mit der "Angemessenheitsformel" in der Praxis im Regelfall dazu, daß der Anlieger mit seinem Anliegen bei den staatlichen Gerichten enttäuscht wird 153 • dd) Zwischenergebnis Der Blick auf die Rechtsprechung hat gezeigt, daß ein weiter, auch kommunikative Nutzungsformen umfassender Verkehrsbegriff nur bedingt grundrechtliche Absicherung erfährt und auch in Zukunft nur bedingt erfahren wird. Die Grundrechte spielen hierbei, abgesehen von Art. 5 Abs. 1 und Art. 14 GG, nicht die Rolle, die ein Blick in die Literatur erahnen läßt. Wohl auch deshalb zeigen neuere Entscheidungen, daß der "Trend" wieder weg geht von einer Erweiterung mittels der Bundesgrundrechte hin zu einer Lösung im einfachen Recht. Zumindest formal ohne grundrechtliche Stütze wird teilweise als gemeingebräuchlicher "Verkehr" selbständig, also nicht nur als Nebenzweck 154, der kommunikative Verkehrszweck in den Straßengesetzen anerkannt, namentlich in Fußgängerzonen und (da ein Begriff des Straßenverkehrsrechts etwas inkonsequent) in verkehrsberuhigten Bereichen155. Grundlage (soweit eine solche überhaupt erwähnt wird) dieses Ergebnisses ist in erster Linie (wieder) eine historische Betrachtungsweise des Gemeingebrauchsbegriffs156. Darüber hinaus ist für die Frage, ob Verkehr i. S. des Straßenrechts vorliegt, auch nicht mehr der subjektive Zweck (nicht erkennbare das BVerwG, Urt. v. 15. 11. 1974, NJW 1975, S. 1528 und im Grundsatz (mit Ausnahmen), dies., Urt. v. 8. 9. 1993, BVerwGE 94, S. 136 (139 f.). 152 Ähnlich auch BVerfG, a. a. 0. !53 Vgl. Wiget, in: Zeitler, Rdnr. 67 ff. zu Art. 14 BayStrWG mit umfangreichen Beispielen aus der Rechtsprechung. 154 So aber der BWVGH, Urt. v. 26. 6. 1986, DÖV 1987, S. 160; dies., Urt. v. 24. 4. 1992, BWGZ 1995, S. 68; dies., Beschl. v. 12. 7. 1996, VBIBW 1997, S. 64. 155 OVG Hamburg, Urt. v. 14. 12. 1995, NJW 1996, S. 2051; BWVGH (14. Senat), Urt. v. 17. 8. 1988, DÖV 1989, S. 128 (129); NdsOVG, Urt. v. 13. 11. 1995, NVwZ-RR 1996, S. 247 (248); OLG Köln, Beschl. v. 19. 8. 1991, NVwZ 1992, S. 100; OLG Stuttgart, Beschl. v. 7. 7. 1995, VRS 90, S. 217 (217 f.); wohl auch BayVGH, Beschl. v. 4. 7. 1996, BayVBI. 1996, S. 665 (665 f.); Wiget, in: Zeitler, Rdnr. 38 zu Art. 14 BayStrWG. Ausdrücklich a. A. etwa der BWVGH, Beschl. v. 12. 7. 1996, VBIBW 1997, S. 64 (65). 156 OVG Hamburg, a. a. 0., S. 2051 f.; BWVGH, a. a. 0., S. 129; NdsOVG, a. a. 0., S. 248; Wiget, in: Zeit/er, a. a. 0 ., Rdnr. 38. Dies zeigt aber die "Austauschbarkeit" der Berufung auf den Willen des Gesetzgebers, der ja ebenfalls zur Begründung, allerdings des Gegenteils, herangezogen wurde.

A. Die straßenrechtliche "Rahmennutzungsordnung"

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Absichten und Motive) des einzelnen entscheidend; vielmehr kommt es auf das objektiv feststellbare Verhalten (äußeres Erscheinungsbild) an 157. Nun scheint man also wieder (mit ähnlicher dogmatischer Begründung) bei Otto Mayer und seiner Poesie der innerörtlichen Straßen angekommen zu sein. Die Entwicklung bleibt abzuwarten. Die Tendenz scheint jedoch eindeutig hin zu einem eigenständigen, durch historische Auslegung geprägten, teilweise durch Bundesgrundrechte abgesicherten 158, weiten und objektivierten Verkehrsbegriff zu gehen. Die Autoren, die an einem engen Verkehrsbegriff "kleben", begründen dies vor allem mit der in den 50er Jahren getroffenen Entscheidung der Straßengesetzgeber159. Dabei wird jedoch übersehen, daß dieser widersprüchlich ist, insbesondere an dem Gemeingebrauchsverständnis der Rechtsprechung nichts geändert werden sollte (siehe Kap. 3 A. II. 2. a] aa]). Außerdem unterliegt der Verkehrsbegriff den Wandlungen der Zeit, steht nicht ein für allemal fest 160. Auch kann sich der Wille des Landesgesetzgebers ändern. Dies zeigen gerade Änderungen in den Straßengesetzen. So sollten in NW durch das 2. LStrÄndG v. 18. 7. 1983 161 Formen der Kommunikation in den Verkehrsbegriff mit einbezogen werden 162. Ebenso kann man in Bayern die durch das (damalige) 4. BayStrWÄndG vom 21. 8. 1981 163 erfolgte Änderung des Art. 53 Nr. 2 (damals Buchstabe b) BayStrWG (Aufnahme der Wege mit besonderer Zweckbestimmung) verstehen, denn nach der amtlichen Begründung war die Änderung notwendig im Hinblick auf die noch nicht abgeschlossene Entwicklung insbesondere im Bereich der sog. verkehrsberuhigten Zonen, Wohnstraßen und Spielstraßen etc. 164, Bereiche, in denen typischerweise kommunikative Nutzungsformen im Mittelpunkt stehen 165. Gerade die Einrichtung der reinen Fußgängerbereiche im Straßenrecht sollte zu einer Rückgewinnung des Straßenraums als Kommunikations- und Aufenthaltsort für die Menschen führen166. Für den Verkehrsbegriffbedeutet das aber konsequenterweise, daß den Stra157 lnsb. OLG Stuttgart, Beschl. v. 7. 7. 1995, VRS 90, S. 217 (218); OVG Hamburg, a. a. 0., S. 2052; NdsOVG, a. a. 0., S. 248. Dies ist aber noch eine der umstrittensten Fragen, v. a. bei kommunikativ (gewerblichen) Nutzungsformen. Dazu mit Rechtsprechungsbeispielen: Sauthoff, NVwZ 1998, S. 239 (244 ff.). Kritisch zur "Objektivierung" des Verkehrszwecks Papier; Recht der öffentlichen Sachen, S. 94 f., dessen Argumente (Rechtssicherheit und die Gesetzessystematik) aber gerade gegen die von ihm vertretene streng subjektivierte Betrachtungsweise sprechen. 158 Mit der Folge, daß auch das BVerwG als Revisionsgericht bei der Auslegung des (grundsätzlich) nicht revisiblen Landesrechts noch "ein Wortehen mitzureden" hat. 159 Vgl. insb. Laubinger; VerwArch 81 (1990), S. 583 (616 ff.) und Messer; Sondemutzung, S. 91 ff. 160 Gennershausen/ Seydel, S. 75. 161 GVBI. S. 240. 162 Steiner; DVP 1988, S. 283 (284) m. N. 163 GVBI. S. 348. Dazu Kersten, BayVBI. 1981, S. 745. 164 LT-Drucks. 9/6241 v. 30. 9. 1980, S. 17. 165 Das Spielen als zulässige kommunikative Nutzungsform ansehend: OVG Hamburg, Urt. v. 14. 12. 1995, NJW 1996, S. 2031 (2031).

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3. Kap.: Nutzungsrahmen für Sportausübung auf öffentlichen Straßen

Bengesetzen insgesamt ein weiter, auch kommunikative Nutzungsformen umfassender Begriff des Verkehrs zugrunde liegt. Manche Gerichte erwecken den Eindruck, als wäre der normative Verkehrsbegriff im Zusammenhang mit der Festlegung des Begriffs "öffentliche Straßen" in den Straßengesetzen (als die dem öffentlichen Verkehr gewidmeten Straßen, Wege und Plätze) enger als der den Gemeingebrauchsvorschriften zugrundeliegende 167 . Dies ist aber dogmatisch nicht haltbar. Etwa das (nach h. M.) prinzipiell rein straßenverkehrsrechtliche Institut der verkehrsberuhigten Bereiche kann im Hinblick auf die (straßenrechtliche) Begründung der Zulässigkeit auch kommunikativer Nutzungsformen in diesen Bereichen so nicht gelöst werden. Dogmatisch zufriedenstellend läßt sich dies auch nicht mit dem Argument begründen, daß sich aus "dem Rahmen der Widmung" die besondere (weitere) Verkehrsfunktion ergebe, denn so wäre "der Rahmen der Widmung" weiter als die normative Festlegung des Begriffs "öffentliche Straße". Der normative Verkehrszweck kann aber nicht vorweg zwingend eng gefaßt und sodann innerörtlich-situativ, für Gehwege, Plätze, Fußgängerbereiche etc. doch wieder erweitert werden, sondern er muß von vomherein weit verstanden werden 168 . Dogmatisch richtig ist deshalb davon auszugehen, daß den Landesstraßengesetzen insgesamt ein weiter (abstrakter) Verkehrsbegriff zugrunde liegt 169 . Welcher Verkehr dann im Einzelfall auf der konkreten Straße zulässig ist, ergibt sich aus der konkreten Widmung etwa zu einer bestimmten Straßenklasse. Auch insoweit wird durch die Widmung die konkrete Verkehrsfunktion der Straße weiter eingeengt, ausgehend von einem abstrakt normativ weit gefaßten Verkehrsbegriff170. Dogmatisch ist dies also genau der umgekehrte Weg. 166 Aus jüngerer Zeit: NdsOVG, Urt. v. 13. 11. 1995, NVwZ- RR 1996, S. 247 (248) m. w. N. Siehe auch explizit: § 45 Abs. lc StVO für sog. verkehrsberuhigte Geschäftsbereiche. 167 Dies kommt v. a. dadurch zum Ausdruck, daß angenommen wird, daß die innerörtlichen Straßen, insb. die Fußgängerzonen, verkehrsberuhigten Bereiche und auch die (unselbständigen) Gehwege zumindest auch Kommunikationszwecken dienen. Die Benutzung sei vom Widmungszweck gedeckt (so etwa OLG Stuttgart, Beschl. v. 7. 7. 1995, VRS 90, S. 217 (217) und BayVGH, Beschl. v. 4. 7. 1996, BayVBL 1996, S. 665 (666). 168 So richtig Stock, Straßenkommunikation, S. 61. 169 So auch der dogmatische Ansatz des BWVGH (14. Senat), Urt. v. 17. 8. 1988, DÖV 1989, S. 128 (129) und des OVG Hamburg, Urt. v. 14. 12. 1995, NJW 1996, S. 2051 (2051). 170 Etwa schließt die Widmung zu einer Bundesautobahn (wegen § I Abs. 3 BFStrG nur für den Schnellverkehr mit Kraftfahrzeugen bestimmt) kommunikative Nutzungsformen aus. Anders dagegen die Bundesstraßen mit den Ortsdurchfahrten (§§ 1 Abs. 2 Nr. 2 i. V. m. 5 Abs. 4 BFStrG). Trotz der teilweise geteilten Baulast in Ortsdurchfahrten von Gemeinden unterhalb der maßgeblichen Einwohnerzahl (vgl. § 5 Abs. 2-4 BFStrG) für (unselbständige) Gehwege einerseits und die Fahrbahn andererseits, teilt dieser das rechtliche Schicksal der Straße, zu der er gehört (aus der Lit. vgl. etwa Koda[, in: Kodal/ Krämer; Kap. 6, Rdnr. 9.3; Meissner; JA 1980, S. 583 [585]). Auch Ortsdurchfahrten sind kein eigener Straßentyp, vielmehr teilen sie das rechtliche Schicksal der Straße zu der sie gehören (aus der Lit. etwa Steiner; in: Steiner [Hrsg.], BesVerwR, V., Rdnr. 45). Dies gilt insbesondere auch für den durch die Widmung gezogenen Nutzungsrahmen. Deshalb gilt auch hier der bereits normativ weite

A. Die straßenrechtliche "Rahmennutzungsordnung"

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Wo welche Ausübungsform des danach zulässigen Verkehrs stattfinden kann, ist dann eine der klassischen Aufgaben des Straßenverkehrsrechts als sachlich begrenztes Ordnungsrecht Diese Sichtweise hat wichtige praktische Konsequenzen. Sie erklärt etwa, weshalb kommunikative Nutzungsformen auch auf unselbständigen Gehwegen, die hinsichtlich des Widmungsrahmens das Schicksal der Straße teilen, zu der sie gehören 171 , in verkehrsberuhigten Bereichen und in (vorübergehend) nach Straßenverkehrsrecht für den Kraftfahrzeugverkehr gesperrten Straßen stattfinden können, allerdings, um straßenrechtlich konsequent zu bleiben, nicht beschränkt auf innerörtliche Straßen, denn den Begriff der innerörtlichen Straßen bzw. der Ortsdurchfahrten kennt das geltende Straßenrecht als eigene Straßenklasse nicht. Deshalb kann die Beschränkung auf "den Rahmen der Widmung" nur dann zu einem bereits straßenrechtlichen Ausschluß des kommunikativen Verkehrs führen, wenn die Einordnung in eine bestimmte Straßenklasse oder die Beschränkung auf gewisse Benutzungsarten abstrakt eine solche Art des Verkehrs ausschließt 172•

ee) Sport als "Verkehr" im Sinne des Straßenrechts Viele sportliche Betätigungen auf der Straße dienen (auch) der Fortbewegung, sind also bereits von einem engen Verkehrsverständnis umfaßt. Etwa das Radfahren. Die Frage, ob der Radfahrer Sport treibt, sich also primär der Körperertüchtigung wegen fortbewegt, ist im Regelfall eine reine (nach außen nicht zum Ausdruck kommende) Motivfrage. Allerdings wird in der straßenverkehrsrechtlichen Literatur ein nach außen erkennbares objektives Kriterium teilweise dann gesehen, wenn gerade ein Radfahrer in typischer sportlicher Kleidung fährt und sich auf einem Rennrad fortbewegt (Trainingseinheiten eines Radrennfahrers) 173• Solche Unterscheidungskriterien sind jedoch ungeeignet, die straßenrechtliche Zulässigkeit eines Verhaltens zu bestimmen. Weder knüpfen das Straßen- noch das Straßenverkehrsrecht an das Tragen einer bestimmten Kleidung an. So halten sich beispielsweise die heute vor allem in Großstädten bereits zum Straßenbild gehörenden "Fahrradkuriere" trotz ihrer teilweisen sportlichen Kleidung im Rahmen des engen Verkehrsbegriffs, da sie gerade zum Transport von Gütern als Alternative zur "PSKonkurrenz" unterwegs sind 174• Daß der Sportler sich mit einem Rennrad fortbewegt, steht ebenfalls der Einordnung als straßenrechtlichem Verkehr nicht entgegen. Im Gegenteil: Das Straßenverkehrsrecht widmet sich speziell in § 67 Abs. 9 Verkehrsbegriff. Wo der kommunikative Verkehr ausgeübt werden darf, ist eine Frage des Straßenverkehrsrechts. Die Festlegung erfolgt etwa durch das unter anderem in §§ 25 und 31 StVO zum Ausdruck kommende Trennungsprinzip. m Siehe vorstehend. 172 Vgl. oben Anm. 170. 173 So Jäger. in: Diehl u. a., HK-StVR, Rdnr. 4 zu§ 31 StVO. 174 Vgl. den Bericht mit anschaulichem Bildmaterial von Kulw, ZUG 1998, S. 20.

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3. Kap.: Nutzungsrahmen für Sportausübung auf öffentlichen Straßen

StVZO dem Rennrad und läßt für dieses spezielle lichttechnische Einrichtungen zu 175 , knüpft folglich an die Ausübung einer als zulässig angesehenen (Regel-) Nutzung an. Das Straßenverkehrsrecht geht davon aus, daß auch die Benutzung eines Rennrades zu sportlichen Zwecken vom Gemeingebrauch des Straßenrechts umfaßt ist, anderenfalls wäre die gerade angesprochene Regelung überflüssig. Auch steht allgemein der Einordnung als verkehrliehe Nutzung nicht entgegen, daß der Sport treibende Radfahrer, Jogger, Skater176 etc. die Ortsveränderung als Selbstzweck verfolgt 177• Weshalb man sich fortbewegt, folglich der Grund der Fortbewegung, ist (grundsätzlich) ohne Belang 178, weshalb Sport und Verkehr sich nicht ausschließen, vielmehr handelt es sich um einen sportlich motivierten Fortbewegungszweck179. Das Straßenverkehrsrecht knüpft zwar in§ 30 Abs. 1 S. 3 StVO (unnützes Hin- und Herfahren) an das Motiv der zielorientierten Straßenbenutzung an, jedoch (unabhängig von verfassungsrechtlichen Bedenken gegen diese Vorschrift180) beeinflußt diese nicht den Inhalt des straßenrechtlichen Gemeingebrauchs, sondern zieht als typisches Verhaltensrecht der Ausübung des Gemeingebrauchs Grenzen, regelt ihn also. Die Beschränkung des Gemeingebrauchs in den Straßengesetzen auf den Gebrauch für Zwecke des Verkehrs will deshalb auch keine Motivforschung auslösen. Zu Recht knüpfen die Gerichte hinsichtlich der Beantwortung der Frage, ob ein Verhalten als Verkehr anzusehen ist, deshalb auch zunehmend an objektive Kriterien, wie das nach außen erkennbare Erscheinungsbild18\ an. Dazu Huppertz, VD 1992, S. 129. A. A. aber wohl das VG Lüneburg, Beschl. v. 12. 6. 1997, NJW 1998, S. 1731, das aber nicht begründet, warum Rollhockey- und Inlineskatingspiele Sondernutzung sein sollen. Das VG stellt lediglich fest, daß es sich hier um eine Benutzung der Straße über den Gemeingebrauch hinaus handelt (a. a. 0., S. 1731). m Zum Selbstzweck etwa BVerwG, Urt. v. 22. 1. 1971, Verw.Rspr. 22, Nr. 205, S. 852 (852) und Wiget, in: Zeitler, Rdnr. 13 zu Art. 14 BayStrWG. Vgl. auch OLG Karlsruhe, Urt. v. 1. 8. 1985, VersR 1986, S. 662 (663) für die Trainingsfahrt eines Radsportlers; VG Freiburg, Urt. v. 20. 2. 1986, VBlBW 1986, S. 430 (432) für den Skisport. A. A. ist aber Schmid, in: Zeitler, Rdnr. 7 zu Art. 53 BayStrWG, der die Widmungsfähigkeit einer Skiloipe ablehnt, da sie nicht dem Verkehr i. S. des Straßenrechts diene, sondern der sportlichen Betätigung. Abgesehen davon, daß die Widmungsfähigkeit hier wohl bereits am Fehlen eines Wegesubstrats scheitert, widerspricht sich der Autor, da er unproblematisch den Wanderweg als verkehrliehen Weg ansieht, obwohl gerade das Wandern zumindest als sportähnlich bezeichnet werden kann. Unsicher auch Schmitt, Das Recht der Wanderwege, S. 7 Anm. 14, der meint, daß dem Wandern eine "sportliche Note" nicht abgesprochen werden kann, jedoch (ohne Argument) meint, daß es sich doch nicht um Sport handelt. 178 BVerwG, Urt. v. 22. 1. 1971, Verw.Rspr. 22, Nr. 205, S. 852 (852 f.); AG Cochem, Urt. v. 3. 2. 1986, NJW 1986, S. 3218 (3218 f.); NdsOVG, Urt. v. 13.11. 1995, NVwZ - RR 1996, S. 247 (248); Wiget, in: Zeitler, Rdnr. 19 zu Art. 14 BayStrWG; Grate, in: Kodal!Krämer, Kap. 24, Rdnr. 21.41. 179 In diese Richtung (für die Erholung) Burgi, Erholung in freier Natur, S. 57 und Messer, Sondernutzung, S. 103 f. 180 Dazu: Jagusch/Hentschel, Straßenverkehrsrecht, Rdnr. 14 zu§ 30 StVO; AG Cochem, Urt. v. 3. 2. 1986, NJW 1986, S. 3218 (3218 f.) . 175

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A. Die straßenrechtliche "Rahmennutzungsordnung"

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Auch aus dem Straßenverkehrsrecht ergibt sich kein anderes Ergebnis. Zwar verbietet § 31 StVO Sport (und Spiel) auf der Fahrbahn und den Seitenstreifen, § 29 Abs. 1 StVO Rennen mit Kraftfahrzeugen und § 29 Abs. 2 StVO unterstellt (v. a., aber nicht nur verkehrliche) Veranstaltungen einer Erlaubnispflicht, soweit sie die Straßen mehr als verkehrsüblich in Anspruch nehmen 182• Daraus folgtjedoch nicht, daß in diesen Fällen die Straße nicht mehr zu verkehrliehen Zwecken, sondern überwiegend zu anderen Zwecken i. S. des Straßenrechts benutzt wird 183 • Hinsichtlich § 31 StVO folgt dies bereits aus dessen Anwendungsbereich. Die Vorschrift besagt, daß Sport und Spiel auf der Fahrbahn und den Seitenstreifen nur auf den dafür zugelassenen Straßen erlaubt sind (etwa Zusatzschilder hinter Zeichen 101 und 250). Daraus kann man folgern, daß die StVO von einem grundsätzlichen Verbot von Sport und Spiel auf der Fahrbahn und den Seitenstreifen ausgeht. Umgekehrt gilt dieses jedoch nicht z. B. auf Gehwegen 184. Hier kann Spiel, aber auch Sport, im Rahmen der Ausübungsregel des § 1 Abs. 2 StVO zulässig sein. Der Gehweg teilt aber bzgl. seines Nutzungsrahmens, soweit er unselbständig ist, das Schicksal der Straße insgesamt, d. h., es gibt keinen unterschiedlichen Nutzungsrahmen für verschiedene Teile einer Straße. Die Widmung konkretisiert die verkehrliehe Nutzung insgesamt, für den Gehweg genauso wie für sonstige Bestandteile der Straße 185 . Wie der Verkehr sich auf die einzelnen Teile der Straßen zu verteilen hat, ist dann Aufgabe des Straßenverkehrsrechts als Ausübungsregelung des Nutzungsrahmens. Daß § 31 StVO keinen Einfluß auf die Verkehrsdefinition des Straßenrechts nimmt, vielmehr als reine Ausübungsregelung zu verstehen ist, zeigen die Straßen, auf denen nach Straßenverkehrsrecht Sport und I oder Spiel explizit zugelassen wird. Etwa können durch Zeichen 250 mit entsprechendem Zusatzschild Sportund/ oder Spielstraßen eingerichtet werden(§ 41 Abs. 2 Nr. 6 StVO). In verkehrsberuhigten Bereichen ist Kinderspiel überall erlaubt (§ 42 Abs. 4a Nr. 1 StVO). Auch ohne besondere Zulassung geht die Verwaltung von der Zulässigkeit des Kinderspiels auch auf der Fahrbahn und den Seitenstreifen aus. In der VwV zu § 31 heißt es: Wohnstraßen und auch andere Straßen ohne Verkehrsbedeutung, auf denen der Kraftfahrer mit spielenden Kindern rechnen muß, brauchen nach der Erfahrung nicht zu Spielstraßen erklärt zu werden; auch ist das Zeichen 136 (Kinder) dort in der Regel entbehrlich 186. Wo die Benutzung von Skiern und Schlitten orts181 Vgl. neben der in Anm. 157 genannten Rspr. und Lit. auch: Burgi, Erholung in freier Natur, S. 57 und Messer, Sondemutzung, S. 103 f. 182 Ausführlich zu diesen Vorschriften in Kap. 4. 183 Zur Frage der Verkehrsüblichkeit und Gemeinverträglichkeit im Anschluß. 184 Für die Benutzung eines "Sportrollers" in der Fußgängerzone durch einen Erwachsenen vgl. OLG Oldenburg, Beschl. v. 21. 6. 1996, DAR 1996, S. 470. tss Das übersieht Jäger, in: Diehl u. a., HK-StVR, Rdnr. 4 zu§ 31 StVO, der meint, daß alles, was nach Straßenverkehrsrecht verboten sei, nicht mehr gemeingebräuchlich sein könne. Dazu auch im Zusammenhang mit der Frage der Verkehrsüblichkeit unten. 186 II.3. der Verwaltungsvorschrift zu§ 31 StVO, abgedruckt etwa bei Jaguschl Hentschel, Rdnr. 2 f. zu§ 31 StVO.

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3. Kap.: Nutzungsrahmen für Sportausübung auf öffentlichen Straßen

üblich ist, darf jeder sie auch auf der Fahrbahn benutzen 1s7 . Diese Beispiele zeigen im Gegenteil, daß der Bundesverordnungsgeber von der grundsätzlichen Zulässigkeit von Sport und Spiel auch i. S. des Straßenrechts ausgeht. Er behandelt den Sport (wie das Spiel) als verkehrsimmanenten Vorgang, nicht als von außen auf den Verkehr wirkende, verkehrsfremde Betätigung (wie etwa Hindernisse i. S. d. § 32 StVO). Nach der Begründung 1ss zu der Einfügung des § 6 Abs. 1 Nr. 15 StVG 1s9 (Kennzeichnung von Fußgängerbereichen und verkehrsberuhigten Bereichen) sollten nicht nur rechtliche Zweifel am Vorliegen einer ausreichenden Ermächtigungsgrundlage beseitigt werden, sondern darüber hinaus klargestellt werden, daß die Frage, wie der verbleibende Verkehr in diesen Bereichen (verkehrsberuhigte Bereiche und Fußgängerzonen) zu regeln ist, eine straßenverkehrsrechtliche Entscheidung bleibt. Das zeigt, daß auch der Bundesgesetzgeber davon ausgeht, daß das Zulassen des Spielens auf der Straße ein typischer verkehrsimmanenter Vorgang ist. Würde man Sport und Spiel nicht als Verkehr i. S. des Straßenrechts ansehen, wären Bedenken, auch unter verfassungsrechtlichen Aspekten, hinsichtlich der Zulässigkeit der angesprochenen Regelungen, die auf gewissen Straßen explizit die sportliche (und/oder spielerische) Nutzung zulassen, angebracht190, denn das Straßenverkehrsrecht kann bei konsequenter Anwendung des Vorbehalts des Straßenrechts keine Nutzungen zulassen, die außerhalb des durch die Widmung gezogenen Rahmens liegen. Dies gilt dann erst recht für Nutzungen, die sich mangels Verkehrsnutzung, außerhalb jeglich möglicher Widmung bewegeni9I . Um diese Problematik zu vermeiden, wird teilweise angenommen, daß es sich hierbei um straßenverkehrsrechtlich geregelte Sondernutzungen, und speziell bei der Zulassung des Kinderspiels in § 42 Abs. 4a Nr. 1 2. Hs StVO um eine (kraft Gesetzes) generell erlaubte Sondernutzung handelt 192. Diese Annahme ist jedoch nicht haltbar 193 ; sie vermeidet nur scheinbar die Problematik. Zwar mag es in Ausnahmefällen von der Kompetenz des Bundes gedeckt sein, (unbewußt) Son187 111.2. der Verwaltungsvorschrift (vgl. vorstehend). Dieser Hinweis hat nur Sinn, wenn sie die Zulässigkeil auf der Fahrbahn und den Seitenstreifen meint, andernfalls wäre sie überflüssig, denn § 24 Abs. 1 StVO weist mit der expliziten Nennung des Rodelschlittens und der Einordnung von Skiern als ähnliche Fortbewegungsmittel i. S. der Vorschrift (Jagusch!Hentschel, Rdnr. 6 zu § 24 StVO) diese Benutzungen dem Fußgängerverkehr zu, mithin grundsätzlich dem Gehweg. 188 VkBI. 1980, S. 243 (247). 189 Durch Art. 1 Nr. 5 a) dd) des Gesetzes zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes v. 6. 4. 1980, BGBI. I S. 413. 190 Nach Runkel, Abgrenzung, S. 170, sollten die dafür aufgestellten Verkehrszeichen rechtswidrig sein, da die Ermächtigungsgrundlage im StVG (zur damaligen Zeit) für die zulassenden Regelungen nicht ausreichend sein soll. 191 Vgl. bereits Anm. 72. 192 So Messer, Sondernutzung, S. 107 f. 193 Zumal sich Messer, a. a. 0 ., in diesem Zusammenhang nicht mit dem Vorbehalt des Straßenrechts auseinandersetzt

A. Die straßenrechtliche "Rahrnennutzungsordnung"

147

demutzungen nach Straßenrecht zu regeln und diese generell auch ohne Erlaubnis zuzulassen. Dies ist jedoch nur in sehr begrenzten Ausnahmefällen möglich. Ein Beispiel kann die Einräumung von Sonderrechten in § 35 StVO sein 194, wenngleich es sich hier in der Regel unproblematisch um verkehrliehe Nutzungen handelt und der Wortlaut des § 35 Abs. l StVO ausdrücklich nur von den Vorschriften "dieser" Verordnung (also der StVO) befreit, nicht jedoch von den Regelungen des Straßenrechts. Probleme tauchen deshalb auch nur in den Fällen auf, in denen eine Verkehrsart (etwa Fahrzeugverkehr) infolge einer Beschränkung der Widmung (z. B. auf den Fußgängerverkehr) außerhalb des durch die Widmung gezogenen Rahmens liegt und deshalb straßenrechtlich unzulässig ist 195 bzw. allgemein in den Fällen, in denen Art und I oder Zweck der Benutzung erst durch das Straßenverkehrsrecht als zulässig begründet werden. In eng begrenzten Fällen wird aus dem verfassungsrechtlichen Prinzip bundesstaatlicher Treuebindung und der daraus abgeleiteten Pflicht zur Kooperation, Abstimmung und gegenseitiger Rücksichtnahme durch die Rechtsprechung des BVerwG 196 für den Träger der Straßenbaulast gefolgert, daß dieser eine im Allgemeininteresse unumgängliche Straßenbenutzung nicht von einer Erlaubnis abhängig machen kann. Gefolgert wird daraus materiellrechtlich, daß es eine herkörnrnliche Zwecksetzung öffentlicher Verkehrsflächen gebe (eine quasi allen rechtlich öffentlichen Straßen zugrundeliegende Zweckbindung), Trägem öffentlicher Aufgaben zur Erfüllung ihrer Pflichten zu dienen. Diese verdichtet sich zu einem widmungsimmanenten "Allgemeingebrauch für bestimmte öffentliche Aufgaben" 197, ist also Inhalt der Widmung. Bei aller (auch berechtigten) Kritik an dieser Konstruktion 198 betrifft sie die hier interessierten Nutzungen jedenfalls nicht. Die Einräumung einer straßenverkehrsrechtlich erlaubten (nicht verkehrlichen) Sondernutzung wäre in der Konsequenz dann auch verfassungswidrig. Die StVO knüpfte jedoch mit ihren Regelungen an einen faktisch bestehenden Zustand an. In ländlichen Gebieten war der Nutzungsumfang, wie er in verkehrsberuhigten Bereichen zugelassen ist, schon vor Einführung der entsprechenden Re194 Zu weit gehend Wiget, in: Zeit/er, Rdnr. 34 zu Art. 14 BayStrWG, der als Sonderrechte in diesem Sinne auch die des § 29 Abs. 2 und 38 StVO nennt. Bei § 38 StVO besteht grundsätzlich überhaupt kein straßenrechtlicher Bezug. Bei § 29 Abs. 2 wird dies noch zu klären sein. Jedenfalls ist in der Erlaubnis nach § 29 Abs. 2 StVO nicht eine kraft Gesetzes, aber auch nicht als Einzelfallregelung eine das Straßenrecht verdrängende bzw. überlagernde Regelung zu sehen, wie etwa die noch zu erörternden Verfahrenskonzentrationsvorschriften in den Straßengesetzen zeigen. Zu den Sonderrechten in § 35 StVO vgl. neben Wiget, a. a. 0. auch: Grote, in: Kodal/ Krämer; Kap. 24, Rdnr. 21.33 u. 84 ff., Kap. 26, Rdnr. 46 ff.; Lorenz, DÖV 1990, S. 517; Kullik, NZV 1994, S. 58. Aus der Rspr. v. a.: BVerwG, Urt. v. 28. 7. 1989, BVerwGE 82, S. 266. 195 So in dem vorn BVerwG, a. a. 0 ., entschiedenen Fall. 196 BVerwG, a. a. 0 . 197 Lorenz, DÖV 1990, S. 517 (519). 198 Kritisiert wird das BVerwG von Lorenz, a. a. 0 ., und v. a. aus verfassungsrechtlicher Sicht von Schoenenbroicher, DVBI. 1990, S. 811.

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3. Kap.: Nutzungsrahmen für Sportausübung auf öffentlichen Straßen

gelung in der StVO ein faktisch bestehender, als zulässig angesehener Zustand 199. Sport und Spiel wurden (straßenrechtlich) seit jeher als (prinzipiell) gemeingebräuchlich eingestuft200. Nach dem Willen des Verordnungsgebers bei der Einführung der §§ 24 und 31 StV0201 sollte gerade komplizierten Erwägungen, wie nun bestimmte Verhaltensweisen einzuordnen sind, insbesondere welchen Verkehrsarten sie zugeordnet und somit welchen Regeln sie unterworfen sein sollen202, gegengesteuert werden, um zu einer klaren und eindeutigen Regelung sportlicher und spielerischer Verhaltensweisen zu kommen, insbesondere zu einer klaren Zuordnung zu bestimmten Verkehrsarten203 . Nach ständiger Rechtsprechung und ganz herrschender Ansicht im Schrifttum204 sind Sportler (genauso wie spielende Kinder) auch Verkehrsteilnehmer i. S. des Straßenverkehrsrechts (§ 1 Abs. 2 StVO). Zwar ist richtigerweise wegen des Schutzzwecks der StVO der Begriff des Verkehrsteilnehmers nicht identisch mit dem straßenrechtlichen Begriff für "Zwecke des Verkehrs" 205 , vielmehr ist Verkehrsteilnehmer (unabhängig von der Anwesenheit im öffentlichen Verkehrsraum 206) jeder, der sich irgendwie verkehrserheblich verhält, d. h. körperlich und unmittelbar aktiv oder durch pflichtwidriges Unterlassen auf den Ablauf eines Verkehrsvorganges einwirkt207 , wobei es weder auf den Benutzungszweck noch auf den Benutzungswillen ankommt208 . Trotzdem ist die Einordnung des Frank, Verkehrsberuhigung, S. 52 m. N. So das OVG Hamburg, Urt. v. 14. 12. 1995, NJW 1996, S. 2051 (2051) für das Spielen, "das niemals ernstlich als Sondernutzung angesehen wurde". Vgl. für Ballspiele und das Rollschuhlaufen auch bereits Jellinek, VerwR, 1931, S. 510. 201 Durch VO v. 16. 11. 1970, BGBI. I S. 1565, ber. 1971 S. 38. 202 Vgl. zu den komplizierten und subtilen Unterscheidungen im Rahmen des § 43 StVO alt (Wintersport) etwa Müller, Straßenverkehrsrecht, 16. Aufl. (1949), Anm. 3 ff. zu § 43 StVO. 203 Vgl. die amtl. Begründung zu §§ 24 und 31 StVO in: VkBI. 1970, S. 797 (812 bzw. 815). 204 BayObLG, Urt. v. 15. 5. 1957, VerkMitt. 1957, S. 58 (59); OLG München, Urt. v. 27. 10. 1983, VerkMitt. 1984, S. 46 (46 f.); OLG Oldenburg, Beschl. v. 21. 6. 1996, DAR 1996, S. 470; Jagusch/Hentschel, Rdnr. 6 zu§ 31 StVO; Booß, StVO, S. 298; Jäger, in: Diehl u. a., HK-StVR, Rdnr. 4 zu§ 31 StVO; Lütkes u. a., Rdnr. 1 zu§ 31 StVO; Rüth, in: Rüth/ Berr I Berz, Rdnr. 3 zu § 31 StVO; Spöhr; Aktuelles Straßenverkehrsrecht, Rdnr. 4 zu § 31 StVO. 205 So aber und noch weiter gehend Jagusch/ Hentschel, Rdnr. 17 zu § 1 StVO, der annimmt, daß Verkehrsteilnehmer nur derjenige sei, der öffentliche Wege im Rahmen des Gemeingebrauchs benutzt. Diese Ansicht ist jedoch abzulehnen, da dann etwa der Kraftfahrzeugfahrer, der eine nur dem Fußgängerverkehr gewidmete Straße benutzt (da er straßenrechtlich eine Sondernutzung wahrnimmt), nicht mehr Verkehrsteilnehmer wäre. I. ü. übersieht er den Anwendungsbereich der StVO auch auf tatsächlich öffentlichen Wegen, bei denen es einen Gemeingebrauch im Rechtssinne nicht gibt. 206 BayObLG, Beschl. v. 13. 4. 1992, NZV 1992, S. 326 (327). 207 BGH, Beschl. v. 25. 11. 1959, BGHSt 14, S. 24 (27); BayObLG, a. a. 0., S. 327; Mühlhaus/Janiszewski, Rdnr. 5 zu§ 1 StVO; Kuckuk/Wemy, Rdnr. 3 zu§ l StVO; Walther, in: Diehl u. a., HK-StVR, Rdnr. 4 zu § 1 StVO; Booß, Anm. 3 zu § 1 StVO. 199

200

A. Die straßenrechtliche "Rahmennutzungsordnung"

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Sportlers als Verkehrsteilnehmer eine entsprechende Wertung. Die StVO stellt bei vielen sportlichen Betätigungen (inklusive der Benutzung der jeweiligen Gerätschaften zur Ausübung, wie etwa Fahrräder, Inline-Skates, Skier etc.) klar, welchen Verkehrsarten sie zuzurechnen sind. § 24 Abs. 1 StVO ordnet in seinem Wortlaut Rodelschlitten und Roller, in der Auslegung209 auch Rollschuhe (lnline-Skates) 210 und Skier als besondere Fortbewegungsmittel ein. Bereits die Bezeichnung zeigt, daß die StVO bei der Benutzung dieser Gegenstände von zulässigen verkehrliehen Betätigungsformen ausgeht, obwohl diese Gegenstände so gut wie ausschließlich zu sportlichen und spielerischen Zwecken benutzt werden211 . In der Konsequenz weist die StVO diese Betätigungen dem Gehwegverkehr zu und unterstellt sie den Regelungen für den Fußgängerverkehr212 bzw. die Betätigung ist Fußgängerverkehr213. In Österreich ist i. ü. nach dem neuen § 88a StV0214 das Fahren mit Inline-Skates (bzw. allgemein das Rollschuhfahren) ausdrücklich auf Gehsteigen, Gehwegen und sog. Schutzwegen (Abs. 1 S. 1), daneben auf Radwegen (Abs. 1 208

KG, Urt. v. 28. 9. 1959, VRS 18, S. 44; OLG Stuttgart, Urt. v. 19. 7. 1963, DAR 1963,

s. 358.

209 Vgl. z. B. Jagusch/ Hentschel, Rdnr. 6 zu § 24 StVO; Spöhr; Aktuelles Straßenverkehrsrecht, Rdnr. 2 zu§ 24 StVO; Schmid, DAR 1998, S. 8 (8). 210 Zum Rollschuhlaufen als "neues Spiel" und der straßenrechtlichen Einordnung als Gemeingebrauch bereits Jellinek, VerwR, 1931, S. 510. 211 Daß die Benutzung von Inline-Skates generell dem Freizeitsport zuzurechnen ist, ist auch die Ansicht der Bundesregierung: Vgl. Antwort der Bundesregierung, "Probleme des In-Line-Skater-Verkehrs auf Gehwegen", BT-Drucks. 13/6169 v. 18. 11. 1996, S. 4. Vgl. auch zu einem "Sportroller" für Erwachsene OLG Oldenburg, Beschl. v. 21. 6. 1996, DAR 1996, S. 470 und die Begründung zu§ 24 StVO, VkBI. 1970, S. 812. Zur Einordnung des Rodelsports als Verkehr OLG München, Urt. v. 27. 10. 1983, Verk.Mitt. 1984, S. 46 (47). Teilweise wird angenommen, daß gewisse Fortbewegungsgegenstände generell nicht unter § 24 zu subsumieren sind, vielmehr diese § 31 StVO zuzurechnen sind (so Jagusch/Hentschel, Rdnr. 6 zu § 24 StVO u. Rdnr. 6 zu § 31 StVO bzgl. Rollbretter). Darauf wird noch genauer einzugehen sein. Hier sei jedoch darauf hingewiesen, daß eine solche Ansicht auf einem völligen Fehlverständnis beruht. §§ 31 und 24 StVO konkurrieren nicht miteinander, mit der Folge eines Anwendungsvorrangs für § 31 StVO (i. ü. bleibt offen, warum dies nur bei sportlicher Betätigung gilt und nicht bei den dann nach§ 31 StVO gleich zu behandelnden spielerisch eingesetzten Fortbewegungsgegenständen). Im Gegenteil: Die Vorschriften ergänzen sich logisch (§ 24 StVO weist spielerische und sportliche Fortbewegung mit bestimmten Fortbewegungsmitteln im Ergebnis räumlich dem Gehweg und inhaltlich somit dem Fußgängerverkehr zu. § 31 StVO verbietet [grundsätzlich] Sport und Spiel auf der Fahrbahn). I. ü. widerspricht diese Auffassung (worauf noch zurückzukommen ist) dem Willen des Verordnungsgebers bei Erlaß des § 24 StVO und der aktuellen Ansicht der Bundesregierung, die ebenfalls davon ausgeht, daß die Benutzung von Inline-Skates dem § 31 StVO zuzurechnen ist, gleichwohl sind diese als besondere Fortbewegungsmittel i. S. v. § 24 StVO dem Fußgängerverkehr zuzurechnen, vgl. Antwort der Bundesregierung, a. a. 0., S. 2 f. 212 Jagusch/ Hentschel, Rdnr. 6 zu § 24 StVO; Jäger; in: Diehl u. a., HK-StVR, Rdnr. 1 zu § 24 StVO; Bouska, Anm. 3) zu§ 24 StVO; OLG München, Urt. v. 17. 9. 1976, StVE Nr. 1 zu§ 24 StVO. So auch die Meinung der Bundesregierung in ihrer Antwort vom 18. 11. 1996, a. a. 0., S. 2. 213 So erfreulich klar Bouska, Anm. 3) zu§ 24 StVO. 214 Eingefügt durch die 20. StVO-Novelle durch BG BGBI. I 1998/92.

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3. Kap.: Nutzungsrahmen für Sportausübung auf öffentlichen Straßen

S. 2 Nr. 1), in Wohnstraßen und Fußgängerzonen (Abs. 1 S. 2 Nr. 2), auf Spielstraßen (Abs. 1 S. 2 Nr. 3) und zuletzt auf Fahrbahnen, bei denen durch Verordnung das Rollschuhfahren zugelassen wird (Abs. 1 S. 2 Nr. 4), ausdrücklich erlaubt. Auch daß der Laufsport zur Verkehrsart Fußgängerverkehr gehört, wurde bereits gesagt. Das Reiten wird heutzutage fast ausschließlich als Freizeitsport betrieben215, nicht mehr zur reinen Ortsveränderung. Das Pferd wird auch nur noch, wie das Straßenbild zeigt, selten als Lasttier für die Beförderung von Gütern bzw. als Zugtier für Wagen, die dem Transport von Menschen und Gütern dienen, eingesetzt. Trotzdem gehört das Reiten zum straßenrechtlichen Gemeingebrauch als verkehrliehe Nutzung216, denn auch hier erfolgt die Fortbewegung zum (objektivierten) Zweck der Ortsveränderung. Folgerichtig erkennt die StVO das Reiten als eigene Verkehrsart an und gestattet die Einrichtung von Sonderwegen, wie beim Fußgänger- und Fahrradverkehr217. Der (zusätzliche) sportliche Aspekt steht dem (als Motiv) nicht entgegen. Man könnte in diesem Zusammenhang auch einen bereits gefaßten Gedanken bzgl. des Vorrangs des Straßenverkehrsrechts im Verhältnis zum Straßenrecht aufgreifen: Ordnet das Straßenverkehrsrecht ein bestimmtes Verhalten einer bestimmten Verkehrsart zu (und zwar wie in den oben angesprochenen Parkfällen unabhängig vom Motiv oder Zweck) und bestimmt somit, daß dieses Verhalten "zum Verkehr" gehört, kann das (landesrechtliche) Straßenrecht diesen Vorgang nicht abweichend regeln218 . Beschränkungen der Verkehrsarten oder der Benutzungszwecke durch das Straßenrecht erschöpfen sich in der Festlegung der abstrakten Verkehrsfunktion (z. B. Beschränkung auf Fußgängerverkehr). Probleme, die sich aus der massenhaften oder gefährlichen Ausübung der danach zulässigen Verkehrsarten ergeben, entziehen sich der straßenrechtlichen Beurteilung. Vom Gemeingebrauch umfaßt sind deshalb alle verkehrsbezogenen Verhaltensweisen, zu denen die jeweilige Verkehrsart Gelegenheit bietet oder zwingt219. Gestattet das Straßenverkehrsrecht in der jeweiligen Verkehrsart auch die sportlich motivierte Ausübung, entzieht sich dies als (im Einzelfall) "massenhafte bzw. gefährliche" Ausübung einer bestimmten Verkehrsart (Fußgänger-, Reit-, Fahrradverkehr etc.), einer abweichenden straßenrechtlichen Beurteilung, weshalb nicht allein die Sportlich215 Das erkennt auch die straßenverkehrsrechtliche Literatur. Vgl. etwa Lütkes u. a., Rdnr. 6 zu § 28 StVO. Interessant ist, daß Jäger, in: Diehl u. a., HK-StVR, Rdnr. 23 zu § 28 StVO, keine Probleme sieht bei der Nutzung der Fahrbahn trotz sportlicher Betätigung, wie etwa bei einer Fuchsjagd auch auf der Straße. Hier wirft er, im Gegensatz zum sportlichen Fahrradfahrer, nicht die Frage nach der Zulässigkeil im Rahmen des§ 31 StVO und allgemein die Frage der Gemeingebräuchlichkeil auf. Vgl. auch OLG Hamm, Urt. v. 4.6. 1971, VerkMitt. 1971, S. 56 (Rennpferd) und BayObLG, Urt. v. 17. 3. 1971, VRS 41, S. 117 (Reitjagd). 216 Ausgenommen sind natürlich die Bundesautobahnen (Vgl. § 1 Abs. 3 BFStrG; § 18 StVO) und die Straßen aus denen die Widmung ergibt, daß der Reitverkehr nicht zulässig ist. 217 Vgl. Zeichen 238 zu§ 41 Abs. 2 Nr. 5 StVO (Reiter). 218 Siehe oben Kap. 3 A. II. 2. a) bb) (3). 219 BVerfG, Beschl. v. 9. 10. 1984, BVerfGE 67, S. 299 (322).

A. Die straßenrechtliche "Rahmennutzungsordnung"

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keit der Ausübung die Annahme einer Sondernutzung begründet. Die Einführung des § 24 Abs. 1 StVO (besondere Fortbewegungsmittel) sollte gerade die problematische Frage der "bestimrnungsgemäßen" Nutzung dieser Gegenstände, wie sie bis zur Einführung der Vorschrift im Detail bestand, gelöst werden. "Diese Vorschriften (sollten) ... künftig (unabhängig davon) gelten, ob diese Kleinfahrzeuge ihrem Bestimmungszweck dienen oder nicht'm0 . Die Straßengesetze selbst kennen i. ü. ebenfalls (selbständige) Reitwege als beschränkt öffentliche Wege221 und lassen den Ausschluß der (verkehrlichen) Nutzungsart Reiten durch Widmungsbeschränkung zu 222. Gerade diese Wege dienen aber so gut wie ausschließlich dem sportlichen Verkehr. Bestätigt wird dieses Ergebnis auch durch die historischen "Sport- und Spielregeln" des Straßenverkehrsrechts. Die erste reichseinheitliche Straßenverkehrsordnung vom 28. Mai 1934223 sah genausowenig wie die dazu erlassene Ausführungsanweisung vom 29. September 1934224 überhaupt eine Regelungsnotwendigkeit in diesem Bereich, man ging vielmehr von der prinzipiellen (straßenrechtlichen) Zulässigkeit aus. Nach Jellinek225 war sogar das Spielen mit großen Bällen auf der Straße zumindest im Süden Deutschlands, "wo sich das Leben mehr im Freien abspielt als im Norden", als Gemeingebrauch gestattet. Erst die wegen des Ziels der Förderung der Motorisierung neu erlassene StVO vom 13. November 1937226 widmete sich in § 43 dem Kinderspiel 227 (Verbot auf der Fahrbahn, soweit Straße des Durchgangsverkehrs) und in § 44 dem Wintersport (Verbot des sportmäßigen Skilaufens und Rodeins innerhalb geschlossener Ortschaften). Die zu § 43 ergangene Dienstanweisung bestätigt, daß von der grundsätzlichen Zulässigkeil des SpieJens ausgegangen wurde. Lediglich infolge der Entwicklung des motorisierten Verkehrs, und der damit verbundenen Gefahren bedurfte es einer Abtrennung228 der 22o

So die Begründung zur StVO v. 16. 11. 1970 (BGBI. I S. 1565), in: VkBI. 1970, S. 797

(812). 221 In den Straßengesetzen sind die benannten beschränkt-öffentlichen Wege nicht abschließend aufgeführt. Auch in den Ländern, in denen das Reiten nicht explizit aufgeführt ist, kann durch entsprechende Widmung die Einrichtung eines solchen Weges erfolgen. Vgl. für BW etwa Lorenz. LStrGBW, Rdnr. 33 zu § 3. Allgemein auch Krämer, in: Koda// Krämer, Kap. 8, Rdnr. 12.11. 222 Vgl. etwa Steiner, in: Pfister/Steiner, Sportrecht von A- Z, S. 139 f. (Stichwort Reiten). 223 RGBI. I S. 455. 224 RGBI. I S. 869. 22s VerwR, 3. Aufl., 1931, S. 510. 226 RGBI. I S . 1179. Zum Ziel Förderung der Motorisierung vgl. Einf. aufS. 1180. 227 Diese Vorschrift hatte in § 46 der Preußischen Polizeiverordnung über den Straßenverkehr (Straßenverkehrsordnung) vom 20. 3. 1934 (Preußische Gesetzessammlung 1934, S. 169) einen Vorläufer. Allerdings war ihr auf Grund des Art. III Abs. 1 des Einführungsgesetzes zur Reichs-Straßenverkehrs-Ordnung vom 28. 5. 1934, RGBI. I S. 455, nur eine kurze Zeit der Geltung beschert. 228 In der Dienstanweisung (abgedruckt etwa in der Textausgabe Straßenverkehrsrecht, bearbeitet von v. Unruh, 4. Aufl., Berlin 1938, S. 35 f.) heißt es: Bei der weiteren Entwick-

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3. Kap.: Nutzungsrahmen für Sportausübung auf öffentlichen Straßen

verschiedenen Nutzungen. Beide Vorschriften behielten im wesentlichen229 unverändert ihre Fassung bis zum Erlaß der StVO vom 16. November 1970230. Zuzugeben ist allerdings, daß die systematische Stellung der Vorschriften (im Abschnitt F, der mit "Schutz des Verkehrs" überschrieben ist) eher darauf hinweist, daß es sich um ein verkehrsfremdes, von außen auf den Verkehr einwirkendes Verhalten handelt, gleichwohl ändert dies nichts daran, daß der Verordnungsgeber von der prinzipiellen Zulässigkeit ausging. Die (damalige) h. M. hatte auch keine Bedenken, den sportmäßigen Skifahrer als Fußgänger i. S. d. Abschnitts C ("Fußgängerverkehr"), insb. § 37 StVO einzuordnen 231 • Dies gilt i. ü. auch heute noch232. § 31 StVO hatte nach dem Willen des Verordnungsgebers mit seinem Sportverbot auf der Fahrbahn v. a. Mannschaftsspiele von Erwachsenen und gewertete Sportübungen im Sinne233 . Diese (kommunikativen) Nutzungen sollten wegen ihrer besonderen Gefährlichkeit für den übrigen Verkehr auf der Fahrbahn grundsätzlich unzulässig sein. Würde man annehmen, die oben genannte Zulassung des Sports oder Spiels auch auf der Fahrbahn wäre eine durch das Straßenverkehrsrecht, insbesondere teilweise, wie in verkehrsberuhigten Bereichen, kraft Gesetzes zugelassene Sondemutzung234, wären kompetenzrechtliche Probleme wegen des Vorbehalts des Straßenrechts die Folge. Im Gegenteil sprechen weitere Argumente für die Annahme einer verkehrliehen Nutzung. Die bis zur Karlspreis-Entscheidung des BVerwG235 bestehende h. M?36 faßte unter den Begriff Veranstaltungen i. S. d. § 29 Abs. 2 S. 1 StVO nur solche, die zum Straßenverkehr im engeren Sinne gehören. Seit je her wurden darunter v. a. sportliche Veranstaltungen subsumiert. Der Veranstaltungszweck schließt die lung des (motorisierten) Verkehrs können Kinderspiele auf der Fahrbahn nicht mehr geduldet werden (Abs. 1 S. 1 der DA). In den folgenden Absätzen 2 und 3 wird im einzelnen erläutert, wo und unter welchen Voraussetzungen das Kinderspiel erlaubt ist. 229 Ausnahme: § 43 S. 2 StVO bekam, da (inzwischen) auch Straßen, die für den Durchgangsverkehr gesperrt waren, so dichten Fahrzeugverkehr aufwiesen, daß Kinderspiele auf ihnen nicht mehr ohne weiteres (kraft Gesetzes) erlaubt werden konnten (so die amtliche Begründung zur ÄndVO, vgl. VkBI. 1956, S. 427) durch die ÄndVO v. 14. 3. 1956, BGBI. I S. 199 (206), die Fassung: Dies (Verbot) gilt nicht für Straßen, die für den Durchgangsverkehr gesperrt und auf denen Kinderspiele zugelassen sind. 230 BGBI. I S. 1565. 23 1 Vgl. etwa Müller, Straßenverkehrsrecht, 16. Aufl., 1949, Anm. 3a) u. b) zu§ 44 StVO, S. 808 f., m. w. N.; dort auch zu komplizierten Erwägungen, welche Regeln über den Fußgängerverkehr wo anzuwenden sind und zur subtilen Unterscheidung sportlich I sportmäßig (Anm. 3). 232 Vgl. z. B. Jäger, in: Diehl u. a., HK-StVR, Rdnr. 3 zu§ 24 StVO. 233 Vgl. BRat-Drucks. 420170 v. 20. 8. 1970, S. 71. 234 So Messer, Sondemutzung, S. 104 ff., der aber u. a. nicht erklärt, warum nach Straßenverkehrsrecht Sport und Spiel auf dem Gehweg zulässig sein kann. 235 Urt. v. 21. 04. 1989, BVerwGE 82, S. 34. 236 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 27. 04. 1977, VRS 53, S. 472 (472); vgl. weitere Literatur zit. bei BVerwG, a. a. 0., S. 36.

A. Die straßenrechtliche "Rahmennutzungsordnung"

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Annahme einer verkehrliehen Nutzung selbst nicht aus 237 . Auch wird niemand abstreiten, daß es sich bei (auch nicht organisierten) Rennen i. S. d. § 29 Abs. 1 StVO um eine verkehrliehe Nutzung der Straße handelt, denn hier besteht ja gerade der Sinn darin, möglichst schnell eine Ortsveränderung vorzunehmen. Die amtliche Begründung zur Sportanlagenlärmschutzverordnung (18. BlmSchV v. 18. 7. 1991 238) nennt im übrigen wie selbstverständlich die (öffentlichen) Wege, Plätze und Spielstraßen als Sportgelegenheiten239. 237 Die gesamte straßenverkehrsrechtliche Literatur faßte schon immer die sportlichen Veranstaltungen unter§ 29 Abs. 2 S. 1. Vgl. statt aller JaguschiHentschel, 29. Auflage, Rdnr. 4 zu§ 29 StVO. Auch die VwV zu § 29 Abs. 2 befaßt sich v. a. mit sportlichen Veranstaltungen. Burgi, Erholung in freier Natur, S. 66, meint, daß Veranstaltungen generell dem straßenrechtlichen Verkehrsbegriff entzogen sind, da hier neben dem Fortbewegungszweck erkennbar der Veranstaltungszweck (Gemeinschaftserlebnis, organisatorische Einbettung) tritt. Davon abgesehen, daß Nebenzwecke oder Motive keine Rolle spielen (das vertritt auch Burgi a. a. 0., S. 57) erklärt er nicht, warum verkehrsübliche Veranstaltungen (nach der Verwaltungsvorschrift unter I. I . S. I bei motorsportliehen Veranstaltungen grundsätzlich dann, wenn weniger als 30 Fahrzeuge am gleichen Platz starten oder ankommen) trotz des Veranstaltungszwecks zulässig, also gemeingebräuchlich sind (vgl. dazu etwa Marschall I Schroeter I Kastner, 4. Auf!. 1977, Rdnr. 7.22 zu§ 8 BFStrG, die für die Einordnung als Sondernutzung bei Veranstaltungen, ebenso wie bei Rennen, entscheidend auf den Ausschluß des übrigen Verkehrs abstellen). Die von ihm zur Begründung herangezogene Literatur macht die Frage der straßenrechtlichen Einordnung als Sondernutzung in diesen Fällen auch nicht am Verkehrsbegriff selber, sondern an der Frage der (sachenrechtlichen) Üblichkeit des Verkehrs fest (so etwa Grote, in: Kodal/ Krämer, Kap. 24, Rdnr. 21.32, 77 f. u. v. a. Rdnr. 120 f.). Auch das BVerwG meint (Urt. v. 21. 4. 1989, BVerwGE 82, S. 35 (37), daßtrotzeines Veranstaltungszwecks die Teilnehmer der Veranstaltung, die sich als Fußgänger, wie von den Veranstaltern gewünscht, zwischen verschiedenen Informationsständen und Aktivitäten hin und her bewegen, Teilnehmer am Straßenverkehr im engeren Sinne sind. In die Richtung von Burgi auch Messer, Sondernutzung, S. 10, dessen Position allerdings völlig unverständlich ist. Einerseits sollen Veranstaltungen, für die Straßen mehr als verkehrsüblich in Anspruch genommen werden (wozu er motorsportliehe Veranstaltungen, Radrennen, Volksmärsche und Volksläufe etc. zählt), zwar der Fortbewegung dienen, jedoch seien diese durch die Teilnahme am sportlichen Wettkampf oder die damit bezweckte Schaustellung geprägt. Dies hebe sie vom allgemeinen Straßenverkehr ab. Er rechnet diese Nutzungen nicht mehr dem Verkehr zu, da § 29 Abs. 2 S. 2 StVO darauf abstellt, daß die Benutzung der Straße für den Verkehr eingeschränkt wird, deshalb könne es sich bei den Veranstaltungen selbst nicht mehr um Verkehr handeln. Gleichzeitig meint er zu erkennen, daß diese Veranstaltungen ihr Wesensmerkmal gerade im Fortbewegungsbegriff haben können. In die Kategorie "mehr als verkehrsüblich" können nur solche Benutzungen eingestellt werden, die jedenfalls darin eine Entsprechung zum Verkehr aufweisen. Eine Veranstaltung in diesem Sinne liege nur dann vor, wenn es sich um Bewegungsvorgänge oder sonstige Ereignisse handelt, die mit der Benutzung der Straße zu Verkehrszwecken zusarnrnenhängen. Abgesehen davon, daß diese Ansicht durch die Rspr. des BVerwG überholt ist (s. Anm. 235), ist der entscheidende Grund für die Anknüpfung des Straßenverkehrsrechts nicht die Frage des Vorliegenseiner Veranstaltung selbst, vielmehr die Frage, ob die Nutzung noch verkehrsüblich ist. Die Frage der Intensität der Nutzung ist also maßgebend. Das zeigt auch die gesetzliche Grundlage des § 29 Abs. 2 StVO. § 6 Abs. 1 Nr. 3 StVG am Anfang dieser Vorschrift ("zur Verhütung einer über das verkehrsübliche Maß hinausgehenden Abnutzung der Straße") knüpft entscheidend an die Üblichkeit und Verträglichkeit der Nutzung an. Auf die Üblichkeit und Verträglichkeit wird noch näher einzugehen sein. 238 BGBI. I S. 1588.

154

3. Kap.: Nutzungsrahmen für Sportausübung auf öffentlichen Straßen

Es wird meiner Einschätzung nach insgesamt nicht klar getrennt zwischen einerseits der Frage des Vorliegens einer verkehrliehen Nutzung als solcher und andererseits der Üblichkeit bzw. Verträglichkeit dieser Nutzung.

b) Benutzung der Straßen "im Rahmen der Straßenverkehrsvorschriften"

Mit Ausnahme des BayStrWG beschränken alle Straßengesetze in ihren Vorschriften den Gemeingebrauch, mit allerdings unterschiedlicher Formulierung, auf den Rahmen der Straßenverkehrsvorschriften240. Die Bezugnahme auf die Straßenverkehrsvorschriften in den Regelungen über den Gemeingebrauch macht jedoch das Straßenverkehrsrecht nicht zum Inhalt des straßenrechtlichen Gemeingebrauchsbegriffs. Dieses zieht der Ausübung des Gemeingebrauchs eine Schranke, oder anders ausgedruckt: Es liegt darin keine Begrenzung des abstrakten Gemeingebrauchs, sondern lediglich ein Hinweis auf die Geltung der Straßenverkehrsvorschriften als Regelung des konkreten Gemeingebrauchs241 . Da die Bindung der Verkehrsteilnehmer an die Straßenverkehrsvorschriften sich aber bereits unmittelbar aus deren Normcharakter ergibt, sind diese einer (zusätzlichen) wegerechtliehen Begrundung nicht zugänglich242• Die Verweisung ist deshalb überflüssig, stößt auch ins Leere243 und stiftet mehr Verwirrung, als daß sie zur Klärung der Abgrenzungsprobleme Straßenrecht I Straßenverkehrsrecht beiträgt. Will man diesen Regelungen (noch) einen Gehalt belassen, so bietet es sich an, sie als Hinweis auf die Geltung des straßenverkehrsrechtlichen Vorrangs zu verstehen, bzw. als einfach-rechtliche Bestätigung dieses Prinzips. 239

Siehe die Begründung zu§ 1 Abs. 2 18. BlmSchV, BRat-Drucks. 17/91 v. 16. l. 1991,

s. 30 (38).

240 § 7 Abs. 1 S. 1 BFStrG ("der verkehrsbehördlichen Vorschriften"); §§ 13 Abs. 1 S. 1 BWStrG, 21 Abs. 1 S. 1 MVStrWG, 14 Abs. 1 S. 1 Saar1StrG, 20 Abs. 1 S. 1 SchiHStrWG ("der Straßenverkehrsvorschriften"); §§ 10 Abs. 2 S. 1 BerlStrG, 14 Abs. 1 S. 1 BrandStrG, 14 S. 2 HessStrG, 14 Abs. 1 S. 1 NWStrWG, 14 Abs. 1 S. 1 SächsStrG, 14 Abs. 1 ThürStrG ("der verkehrsrechtlichen Vorschriften"); §§ 15 Abs. 1 BremLStrG, 14 Abs. 1 S. 1 NdsStrG, 34 Abs. 1 S. 1 RhPfLStrG ("der Verkehrsvorschriften"); § 16 Abs. 1 S. 2 HambWG ("der Vorschriften über den Straßenverkehr") und§ 14 Abs. 1 S. 1 SachsAnhStrG ("der Vorschriften des Straßenverkehrsrechts"). 241 Nach ganz h. M. stellen die Straßenverkehrsvorschriftentrotz der textlichen Aufnahme in das Straßenrecht Ausübungsschranken dar. Grate, in: Koda// Krämer, Kap. 24, Rdnr. 19; Papier, in: Achterberg/Püttner (Hrsg.), BesVerwR, Rdnr. 715 f, S. 547; Laubinger, VerwArch 81 (1990), S. 583 (609 f.); Lorenz, LStrGBW, Rdnr. 28 f. zu§ 13; Koch, JZ 1978, S. 574 (575); Salzwedel, in: Bartlsperger/Blümel/Schroeter (Hrsg.), VStRGesGeb, S. 97 (98); ders., DÖV 1963, S. 241 (244 f.); ders., in: Schmidt-Aßmann (Hrsg.), BesVerwR, 10. Auf!., Rdnr. 25, S. 779; unklar Schenke, Straßenrecht, in: Maurer/ Hendler (Hrsg.), BWStVerwR, S. 374 (387). 242 Grate, in: Koda// Krämer, Kap. 24, Rdnr. 29; ähnlich Salzwedel, in: Bartlsperger!Blümel/Schroeter (Hrsg.), VStrRGesGeb, S. 97 (98). 243 Laubinger, VerwArch 81 (1990), S. 583 (610); Grate, a. a. 0.

A. Die straßenrechtliche "Rahrnennutzungsordnung"

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c) Benutzung der Straße innerhalb der verkehrsüblichen Grenzen

Neben den wichtigsten gerade angesprochenen normativen Inhaltsschranken, also die von vornherein abstrakt den Inhalt des Gemeingebrauchs begrenzende Zweckbestimmung der Straße "zum Verkehr" und die sich aus der konkreten Widmung ergebenden Beschränkungen, soll sich nach h. M. seit je her244 die weitere Einschränkung ergeben, daß die Benutzung sich im Rahmen der verkehrsüblichen Grenzen halten muß. Dieser Begriff soll einen sachenrechtliehen Inhalt haben und ist von den Ausübungsschranken des Straßenverkehrsrechts zu unterscheiden 245 • Ausdrucklieh ist die Beschränkung des Verkehrs auf den "üblichen" Verkehr nur in § 13 Abs. 1 S. 1 BWStrG und§ 14 Abs. 1 S. 1 SaarlStrG vorgesehen, sie soll aber allgemein gelten246. In neuerer Zeit hat dieses Kriterium als Folge einer erweiterten Sicht des Verkehrsbegriffs eine Renaissance erfahren und dient zunehmend als Abgrenzungskriterium für die Frage, ob kommunikative Nutzungsformen noch gemeingebräuchlich oder bereits als Sondernutzung einzustufen sind247 . Es soll auch den Weg frei machen für die Beriicksichtigung einer bestehenden Verkehrsanschauung248 . Das Merkmal zieht der Nutzung der Straße in zwei Richtungen Grenzen: Einerseits die sich aus der baulichen und verkehrstechnischen Beschaffenheit des Weges ergebenden Grenzen249, zum anderen die Einschränkung auf den typischen, d. h. allgemein und regelmäßig vorkommenden (Straßen-)Verkehr250 • Zu letzterem führen Germershausen/Seydel aus251 : "Welcher Verkehr zum Gemeingebrauch gehört, steht nicht ein für allemal und überall gleichmäßig fest. Bestimmend ist das jeweilig nach der allgemeinen und regelmäßigen Gestaltung des Verkehrs Übliche und noch Zulässige. Dieses wandelt sich mit der Entwicklung der wirtschaftlichen und kulturellen Verhältnisse und Bedürfnisse und der damit zusammenhängenden Gestaltung der Verkehrsmittel und Verkehrsobjekte. Darauf beruht die Zulassung des Verkehrs mit Fahrrädern und Kraftfahrzeugen und die Gestaltung der Grundsätze über die Beförderung schwerer Lasten. ( ... ). Verschiedenheiten werden auch So Grote, in: Kodal/Krämer, Kap. 24, Rdnr. 21.2; Germershausen/Seydel, S. 75. Lorenz. LStrGBW, Rdnr. 35 zu § 13; vorsichtiger Laubinger, VerwArch 81 (1990), S. 583 (614), der davon spricht, daß die Nutzung dann nicht mehr Gemeingebrauch oder jedenfalls kein zulässiger Gemeingebrauch sei. 246 So Grote, in: Kodal/Krämer, Kap. 24, Rdnr. 21.2. 247 OLG Stuttgart, Beschl. v. 7. 7. 1995, VRS 90, S. 217 (218); NdsOVG, Urt. v. 13. 11. 1995, NVwZ-RR 1996, S. 247 (248). 248 So die Begründung zum damaligen § 15 StrGBW, vgl. Beilage vom 31. 7. 1963, GVBI., S. 6465 (6499); Peine, JZ 1984, S. 869 (873); BWVGH, Urt. v. 22. 7. 1971, ESVGH 22, S. 229 (230). 249 BWVGH, Urt. v. 7. 2. 1986, VBlBW 1987, S. 101 (103); ders., Urt. v. 25. 6. 1981, DÖV 1982, S. 206 (207); Grote, in: Kodal/Krämer; Kap. 24, Rdnr. 17 ff. 250 Z. B. BWVGH, Urt. v. 7. 2. 1986, VBIBW 1987, S. 101 (103); Grote, in: Koda/ / Krämer; Kap. 24, Rdnr. 21.2; Germershausen/Seydel, S. 74 f. 251 A. a. 0 ., S. 75. 244

245

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3. Kap.: Nutzungsrahmen für Sportausübung auf öffentlichen Straßen

durch die Bestimmung und Bedeutung der einzelnen Wege bedingt und können in örtlichen Gewohnheiten und Bedürfnissen begründet sein. ( ... ). Eine nur ausnahmsweise und gelegentlich vorkommende und über das Übliche hinausgehende Benutzungsart fallt nicht unter den Gemeingebrauch." Der Begriff soll also in dieser Variante sowohl offen für zukünftige Entwicklungen sein (insoweit dynamisch), gleichzeitig aber auch starr, nämlich auf die tatsächlichen Begebenheiten begrenzt. Dogmatisch werden die beiden Zielrichtungen des Verkehrsüblichkeitsbegriffs unterschiedlich eingeordnet. Die bauliche und verkehrstechnische Beschränkung des Gemeingebrauchs wird unter den "Rahmen der Widmung" gefaßt252 , denn die Begrenzung des Gemeingebrauchs auf den "Rahmen der Widmung" bezieht sich nicht nur auf den Rechtsakt und der sich daraus ergebenden Beschränkungen hinsichtlich der Verkehrsarten oder des Verkehrszwecks, sondern kraft Natur der Sache auf den Realakt der Schaffung und Indienststellung des dinglichen Substrats, der Straße, und damit dessen bau- und verkehrstechnischer Beschaffenheit253 . Durch die Bezugnahme auf die, auch diese technische Zweckbestimmung einschließende Widmung haben die Straßengesetze die baulich bedingte Begrenzung des Gebrauchs auch zu dessen rechtlicher Schranke gemacht254. Darauf beruht der Ausschluß des Schwer- und Großraumverkehrs aus dem straßenrechtlichen Gemeingebrauch. Wirft man zunächst einen Blick auf die 2. Variante des Begriffs der Verkehrsüblichkeit, also seiner eigentlich eigenständigen Bedeutung, so bestehen erhebliche Unsicherheiten bzgl. Bedeutung und Inhalt. Das BVerwG etwa führt in seiner Scherenschnitt-Entscheidung aus255 , daß das BWStrG mit seiner Erwähnung der verkehrsüblichen Grenzen in § 13 Abs. 1 S. 1 auch Raum lasse für die Bildung von Ortsgebräuchen. Am Ende der Entscheidung empfiehlt das BVerwG256 die Prüfung, ob unter dem Gesichtspunkt der Verkehrsüblichkeit (erweiternd) eine Qualifizierung von Straßenkunst als ortsüblicher Gemeingebrauch in Betracht kommt. Folglich wird über den Begriff der Verkehrsüblichkeit der straßenrechtliche Gemeingebrauch erweitert auf auch nicht verkehrliehe bzw. außerhalb der Widmung liegende Nutzungen. Das BVerwG begründet sein Verständnis mit einem Hinweis auf Gerhardr57 , der meint, daß dadurch, daß das Gesetz auf die verkehrsüblichen Grenzen abhebe, der Begriff des Gemeingebrauchs elastisch gestaltet werde. Es könne insbesondere auch auf die Ortsüblichkeit abgehoben werden. Anhaltspunkte 252 BWVGH, Urt. v. 17. 4. 1989, NVwZ - RR 1990, S. 225 (226); Grote, in: Kodal/Krämer, Kap. 24, Rdnr. 17 ff.; Wiget, in: Zeitler, Rdnr. 54 zu Art. 14 BayStrWG. 253 Vgl. die vorstehenden Nachweise. 254 Grote, in: Kodal/Krämer, a. a. 0 ., Rdnr. 17.2. 255 Urt. v. 9. 11. 1989, BVerwGE 84, S. 71 (77). 256 Insoweit in BVerwGE 84, S. 71 ff. nicht mehr abgedruckt. Vgl. aber etwa in JZ 1990, s. 336 (339). 257 Straßengesetz für Baden-Württemberg, Anm. 5 d) zu§ 13 BWStrG.

A. Die straßenrechtliche "Rahmennutzungsordnung"

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für die Verkehrsüblichkeil sollen sich nach seiner Ansicht aus der geduldeten tatsächlichen Benützung und insbesondere auch aus ortspolizeiliehen Vorschriften ergeben. Ähnliche Erwägungen gibt es auch in anderen Entscheidungen 258 . Sieht man das so, so hätte die Frage der Verkehrsüblichkeit einer Nutzung (zumindest auch) konstitutive Wirkung für den Gemeingebrauchsbegriff und es käme hierüber zu einer Erweiterung der zulässigen Nutzung259. Ein solches Verständnis läßt sich aber bereits mit dem Wortsinn nicht vereinbaren. Zweck des Merkmals der Verkehrsüblichkeit ist nicht eine Erweiterung des Gemeingebrauchs über die Benutzung "zum Verkehr" hinaus, sondern das weitere Merkmal kann im Gegenteil nur den Sinn haben, eine weitere Beschränkung der sich "im Rahmen der Widmung" haltenden verkehrliehen (auch kommunikativ verkehrlichen) Nutzung auf den üblichen Rahmen zu bewirken260. Auch die Rechtsprechung zieht in zunehmendem Maße die Frage der Verkehrsüblichkeit zur Begrenzung einer sich prinzipiell im Rahmen der Widmung haltenden (kommunikativ) verkehrliehen Nutzung heran261 • Jede andere Sichtweise würde zu dem widersinnigen Ergebnis führen, daß die Merkmale des Gesetzes, die den inhaltlichen Rahmen des Gemeingebrauchs bestimmen, nicht kumulativ vorliegen müßten, sondern alternativ zur Anwendung gelangen könnten. Folgt man der hier vertretenen Sichtweise, so stellt sich die Frage, wo denn nun der sachenrechtliche Gehalt des Begriffs der Verkehrsüblichkeit in dieser Variante zu sehen ist262 . Ist dieser Begriff nicht vielmehr in den Ausübungsschranken des Straßenverkehrsrechts (z. B. § 29 Abs. 2 StVO) aufgegangen, mit der Folge, daß die Worte "verkehrsübliche Grenze" (heute) keine eigenständige Bedeutung mehr haben, sondern als (rechtlich überflüssiger) Hinweis auf das Straßenverkehrsrecht 258 BWVGH; Beschl. v. 12. 7. 1996, VBIBW 1997, S. 64 (65); dies., Urt. v. 24. 4. 1992, GewArch 1992, S. 452 (452 f.); dies., Urt. v. 26. 6. 1986, DÖV 1987, S. 160 (161); RG, Urt. v. 10. 6. 1929, RGZ 125, S. 108 (111 ff.); BGH, Beschl. v. 30. 1. 1979, BGHSt 28, S. 275 (282 ff.); OLG Frankfurt, Beschl. v. 1. 9. 1975, NJW 1976, S. 203 (204). 259 Ein solches Verständnis läge in der Tradition Otto Mayers und der daran anschließenden Rechtsprechung des RG und des BGH (s. o. Kap. 3 A. II. 2. a] aa]). 260 So richtig Messer; Sondemutzung, S. 111; Laubinger; VerwArch 81 (1990), S. 583 (614). Auch Grote, in: Kodal/ Krämer; Kap. 24, Rdnr. 21.2, geht davon aus, daß es sich bei diesem Merkmal nur um ein einschränkendes Merkmal handelt. Auch Gerhardt, Straßengesetz für Baden-Württemberg, Anm. 5 d) zu § 13 BWStrG, bezeichnet die verkehrsüblichen Grenzen als Schranke des Gemeingebrauchs. Vgl. auch Steinberg I Hartung, JuS 1990, S. 795 (801). 261 OLG Stuttgart, Beschl. v. 7. 7. 1995, VRS 90, S. 217 (218); OLG Köln, Beschl. v. 19. 8. 1991, NVwZ 1992, S. 101 (101); NdsOVG; Urt. v. 13. 11. 1995, NVwZ-RR 1996, S. 247 (248); vgl. auch bereits OLG Stuttgart, Beschl. v. 25. 9. 1975, NJW 1976, S. 201 (202 f.). 262 Das wird in der Literatur in der Regel nicht präzisiert. Vgl. etwa Salzwedel, in: Bartlsperger/Blümel/Schroeter (Hrsg.), VStrRGesGeb, S. 97 (105), der meint, daß, ohne nähere inhaltliche Präzisierung, der Begriff der Verkehrsüblichkeil der sachenrechtliche Teil des Begriffs der Gemeinverträglichkeit sei. Eine solche Feststellung führt nicht gerade zu einer begrifflichen Klarheit und Genauigkeit.

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3. Kap.: Nutzungsrahmen für Sportausübung auf öffentlichen Straßen

anzusehen sind263 . Für letzteres könnte ein Ansatzpunkt die vom BVerwG264 zur Frage des Vorrangs des Straßenverkehrsrechts entwickelte Formel sein, daß sich aus dem straßenrechtlichen Begriff der Verkehrsüblichkeit (wie aus dem Begriff Gemeinverträglichkeit) sich nicht eine Beschränkung oder Unzulässigkeit von Verkehrsvorgängen ableiten läßt, weil für den Straßenverkehr das, was (gemeinverträglich oder) verkehrsüblich ist, durch § I StVO oder andere verkehrsrechtliche Vorschriften geregelt ist. Wichtige Folge ist dann, daß ein nicht mehr verkehrsübliches Verkehrsverhalten zwar straßenverkehrsrechtlich unzulässig wäre, straßenrechtlich jedoch zulässig265 , also noch gemeingebräuchlich wäre. Genau gegenteilig folgert ein Teil der Lehre aus dem Vorrangprinzip des Straßenverkehrsrechts nicht nur, daß das Straßenrecht einen Verkehrsvorgang, der sich im Rahmen des Straßenverkehrsrechts hält, vom Straßenrecht nicht als Sondernutzung eingestuft werden kann, vielmehr auch umgekehrt der Schluß gezogen, daß die Verkehrsvorgänge, die sich außerhalb der allgemeinen Verkehrsvorschriften bewegen und deshalb einer besonderen straßenverkehrsrechtlichen Erlaubnis bedürfen, auch wegerechtlich nicht mehr gemeingebräuchlich seien, vielmehr eine Sondernutzung in Anspruch nehmen 266 , oder konkreter: Eine Straßenbenutzung, die das Straßenverkehrsrecht mit Ausnahmevorbehalt verbietet oder einer Erlaubnispflicht unterwirft, kann nicht mehr als verkehrsüblich angesehen und daher nicht mehr dem Gemeingebrauch zugerechnet werden267• Begründet wird diese sehr weit gehende inhaltliche Einflußnahme des Straßenverkehrsrechts auf das Straßenrecht vor allem mit den Verfahrenskonzentrationsvorschriften in den Straßengesetzen268 , die festlegen, daß es einer gesonderten Erlaubnis nach Straßenrecht nicht bedarf, wenn nach den Vorschriften des Straßenverkehrsrechts eine Erlaubnis für eine übermäßige Straßenbenutzung oder eine Ausnahmegenehmigung erforderlich ist269 . Demnach sollen diese Vorschriften neSo Laubinger, VerwArch 81 (1990), S. 583 (615). BVerwG, Urt. v. 12. 12. 1969, BVerwGE 34, S. 320 (323 f.). 265 So das BVerwG, a. a. 0., S. 324. 266 So insbesondere Steiner, JuS 1984, S. 1 (8) und Cramer, StVR I, Rdnr. 80 zu§ 29 StVO (speziell für die Frage der Verkehrsüblichkeit); ähnlich auch das BVerwG, Urt. v. 12. 10. 1965, BVerwGE 22, S. 212 (213 f.). 267 Grote, in: Kodal/ Krämer; Kap. 24, Rdnr. 21.32; ähnlich Bouska, Anrn. 2) zu § 29 StVO, der den Begriff "verkehrsüb1ich" des Straßenverkehrsrechts mit Gerneingebrauch gleichsetzt. Jäger; in: Diehl u. a., HK-StVR, Rdnr. 5 zu§ 31 StVO, meint, allerdings ohne Begründung, daß alles, was (straßenverkehrsrechtlich) verboten sei, nicht mehr zum Gerneingebrauch gehöre. Letzteres Verständnis ist jedoch bereits in kompetenzrechtlicher Hinsicht nicht vertretbar. 268 So die Begründung von Steiner; JuS 1984, S. 1 (8) und Cramer; StVR I, Rdnr. 80 zu § 29 StVO. Die Beschränkung des Gerneingebrauchs auf den "Rahmen der Straßenverkehrsvorschriften" in den Straßengesetzen kann als Begründung nicht gelten, da diese Einschränkung ein (überflüssiger) Hinweis auf die Ausübungsschranken des Straßenverkehrsrechts ist. 269 § 8 Abs. 6 BFStrG; § 16 BWStrG; Art. 21 BayStrWG; § 19 BrandStrG; § 18 Abs. 3 BrernLStrG; § 16 Abs. 7 HessStrG; § 22 Abs. 7 MVStrWG; § 19 NdsStrG; § 21 NWStrWG; 263

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A. Die straßenrechtliche "Rahmennutzungsordnung"

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ben ihrer verfahrensrechtlichen Wirkung auch materiellrechtliche Wirkung haben. Das Straßenrecht selbst gestatte einen (wohl auch inhaltlichen) Übergriff des Straßenverkehrsrechts in das straßenrechtliche Nutzungsrecht270 . Im Ergebnis soll insoweit Kongruenz zwischen den beiden Rechtsmaterien bestehen. Dabei wird jedoch die Bedeutung dieser Vorschriften verkannt. Die Vorschriften erschöpfen sich in einer verfahrensrechtlichen Wirkung. Zweck der Vorschriften ist es, eine Konzentration des Verfahrens auf eine Behörde (Straßenverkehrsbehörde) in den Fällen anzuordnen, in denen zum einen nach den Vorschriften des Straßenverkehrsrechts eine Erlaubnis für eine übermäßige Straßenbenutzung oder eine Ausnahmegenehmigung erforderlich ist und andererseits zugleich nach Straßenrecht eine (an sich) erlaubnispflichtige öffentlich-rechtliche Sondernutzung vorliegt271 • So ging der Wille des Gesetzgebers bei der Einführung des § 8 Abs. 6 BFStrG durch das 2. FStrÄndG v. 2. 7. 1974272 dahin, die bisher bestehende Doppelspurigkeit der Verwaltungsverfahren bei der Straßenverkehrs- und bei der Straßenbaubehörde zu beseitigen und im Außenverhältnis zum betroffenen Bürger die Entscheidungskompetenz bei einer Behörde, nämlich der Straßenverkehrsbehörde, unter Wahrung der Belange der Straßenbaubehörde zu konzentrieren 273 . Darin erschöpft sich die Regelung. Voraussetzung ist bereits nach der systematischen Stellung, daß tatsächlich unter straßenrechtlichen Gesichtspunkten eine Sondernutzung vorliegt und eine Sondernutzungserlaubnis erforderlich wäre, es also "an sich" zwei Verwaltungsverfahren gibt. Dies setzt voraus, daß aus straßen- (benutzungs-) rechtlicher Sicht eine Sondernutzung tatsächlich inmitten steht. Sämtliche Konzentrationsvorschriften sind den inhaltlichen Regelungen über Gemeingebrauch und Sondernutzung nachgeordnet, sei es als nachgeordneter Absatz in den Vorschriften über die öffentlich-rechtliche Sondernutzung (so z. B. in § 8 Abs. 6 BFStrG) oder als gänzlich eigenständige Regelung (so z. B. Art. 21 BayStrWG). Die Vorschriften setzen also zunächst das Bestehen einer straßenrechtlichen Sondernutzung voraus. Es wird nicht umgekehrt wegen der Erforderlichkeit der straßenverkehrsrechtlichen Erlaubnis oder Ausnahme ein Sondernutzungstatbestand auch nach Straßenrecht (eventuell konstitutiv) begründet und sogleich deren formale Erlaubnispflichtigkeit zugunsten der Straßenverkehrsbehörde für entbehrlich erklärt. Die Richtigkeit dieser Ansicht zeigen Fälle, in denen nach Straßenverkehrsrecht Ausnahmegenehmigungen erforderlich sind. Ausnahmegenehmigungen vom Sonntagsfahrverbot (§§ 46 Abs. 1 Nr. 7 i. V. m. 30 Abs. 3 StVO) oder vom Gebot § 42 Abs. 7 RhPfLStrG; § 18 Abs. 7 SaarlStrG; § 19 SächsStrG; § 19 SachsAnhStrG; § 21 Abs. 6 SchlHStrWG; § 19 ThürStrG. 21o Steiner; JuS 1984, S. 1 (8); Cramer; StVR I, Rdnr. 80 zu§ 29 StVO. 271 Wiget, in: Zeitler, Rdnr. 1 zu Art. 21 BayStrWG; Marschall/Schroeter/ Kastner, Rdnr. 7.1 zu§ 8 BFStrG; Fickert, StrR in NW; Rdnr. 1 zu§ 21 NWStrG. 2n BGBI. I S. 1401. 273 BT-Drucks. 7 I 1265, v. 19. 11. 1973, S. 17.; BVerwG, Urt. v. 20. 10. 1993, BVerwGE 94, S. 234 (237).

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3. Kap.: Nutzungsrahmen für Sportausübung auf öffentlichen Straßen

über das Anlegen von Sicherheitsgurten etwa aus medizinischen Gründen (§§ 46 Abs. I Nr. 5a i. V. m. 2la StVO) können aus straßenrechtlicher Sicht nur schwerlich als Sondernutzung gelten 274. Auch durch die Verfahrenskonzentrationsvorschriften werden sie nicht materiell zu Fällen der straßenrechtlichen Sondemutzung. Die zur Sicherung der Belange des Straßenbaulastträgers angeordnete Beteiligung desselben im Rahmen der straßenverkehrsrechtlichen Entscheidung (z. B. § 8 Abs. 6 S. 2 BFStrG, § 16 Abs. 4 S. 2 BWStrG, Art. 21 S. 2 BayStrWG) und gegebenenfalls eine deswegen notwendige Beiladung nach § 65 Abs. 2 VwG0275 im Zusammenhang mit einer gerichtlichen Auseinandersetzung würde bei diesen Entscheidungen "ins Leere" laufen, denn solche Belange, die berührt sein könnten, sind hier nicht ersichtlich; eine Beteiligung wäre folglich kaum verständlich276. Ein weiteres Beispiel ist der Verkehr mit Fahrzeugen, deren Bauart dem Führer kein ausreichendes Sichtfeld läßt (§ 29 Abs. 3 S. 2 StVO). Abgesehen davon, daß diese Vorschrift systematisch an falscher Stelle plaziert ist277, wird die Straße in diesen Fällen nicht immer übermäßig auch i. S. d. Straßenverkehrsrechts in Anspruch genommen 278; trotzdem bedarf es formal einer Ausnahmegenehmigung. Die Zielrichtung der straßenverkehrsrechtlichen Verbote bzw. Gebote ist auch eine andere. Die einer Erlaubnis oder Ausnahmegenehmigung bedürftigen Tatbestände betreffen allgemein Handlungen und Unterlassungen der Verkehrsteilnehmer, die sich auf die Sicherheit und Ordnung des Straßenverkehrs beziehen, mithin das Verhalten auf der Straße beeinflussen (können)279. Gerade für den Motorsport hat dies etwa die Allgemeine Verwaltungsvorschrift280 zu § 5 Abs. 1 Nr. 1 der Stra274 Fickert, StrR in NW, Rdnr. 2 zu§ 21 NWStrWG; Messer, Sondemutzung, S. 11; Wiget, in: Zeitler, Rdnr. 5 zu Art. 21 BayStrWG; Marschall/Schroeter/Kastner, Rdnr. 7.1 zu § 8 BFStrG. 275 Zur Beiladung in diesem Zusammenhang Lorenz, LStrGBW, Rdnr. 62 zu§ 16. 276 Klarer zeigt dies noch etwa die Straßenverkehrsordnung vom 24. 8. 1953 (BGBI. I S. 1201) i. d. F. v. 14. 3. 1956 (BGBI. I S. 199). Vor derErteilungder Erlaubnis für die übermäßige Straßenbenutzung durch die Straßenverkehrsbehörde (§ 5 Abs. 1) war die Straßenbaubehörde nur dann zu hören, wenn geprüft werden mußte, ob zum Schutz der Straßen Bedingungen gestellt werden mußten (§ 5 Abs. 2). 277 Das erkannte auch der Verordnungsgeber. Vgl. Begr. zu Abs. 3 des § 29 StVO, abgedruckt in VkBI. 1970, S. 797 (815). 278 Auch das erkennt der Verordnungsgeber. Vgl. Begr. zu Abs. 3 des§ 29 StVO, a. a. 0., s. 815. 279 Deshalb ist für die straßenverkehrsrechtlichen Verbote (z. B. nach § 32 Abs. 1 StVO Gegenstände auf die Fahrbahn zu bringen oder dort liegen zu lassen oder nach § 33 Abs. 1 Nr. 2 StVO das Anbieten von Waren und Leistungen aller Art auf der Straße) auch Voraussetzung, daß der Verkehr nicht unerheblich gefahrdet oder erschwert werden kann (dazu z. B.: Jagusch/ Hentschel, Rdnr. 9 zu § 32 StVO und Rdnr. 9 zu § 33 StVO und BWVGH, Beschl. v. 14. 10. 1996, VBlBW 1997, S. 107 [108]). Grund für diese Einschränkung ist, daß sich nur so die Verbote im Rahmen der Ermächtigungsgrundlage des§ 6 StVG halten (so ausdrücklich die Begründung zu§ 33 Abs. 1 StVO, BRat-Drucks. 420/20 v. 20. 8. 1970, S. 71). 280 Vom 29. 3. 1956, VkBI. 1956, S. 476.

A. Die straßenrechtliche "Rahrnennutzungsordnung"

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Benverkehrsordnung in der Fassung vom 29. 3. 1956281 sehr klar formuliert: "Motorsportliche Veranstaltungen auf öffentlichen Straßen nehmen im Sinne des Verkehrsrechts282 die Straße mehr als verkehrsüblich in Anspruch, wenn dabei eine Bewertung stattfindet"283 . Die Erlaubnis nach Straßenrecht dagegen betrifft den Sondergebrauch der Straße, insbesondere des Straßenkörpers selbst, der über die gemeingebräuchliche Zweckbestimmung der Straße entsprechend ihrer Widmung hinausgehe84 . Es bedarf daher v. a. im Hinblick auf die Frage, ob der Straßenbaulastträger am Verfahren über die Erteilung der straßenverkehrsrechtlichen Erlaubnis oder Ausnahme zu beteiligen ist, der Prüfung im Einzelfall, ob die konkrete straßenverkehrsrechtlich erfaßte, unter Erlaubnis- oder Ausnahmevorbehalt stehende Nutzung tatsächlich auch straßenrechtlich als Sondernutzung zu bewerten istzss. Letztlich könnte Anhaltspunkt für den sachenrechtliehen Inhalt eines Verkehrsüblichkeilsbegriffs ein Blick auf den Inhalt der Straßenbaulast des Straßenbaulastträgers sein. Der Träger der Straßenbaulast hat nach den Straßengesetzen (entsprechend seiner Leistungsfähigkeit) die Straßen in einem dem gewöhnlichen bzw. regelmäßigen Verkehrsbedürfnis genügenden Zustand zu bauen und zu unterhalten (z. B. § 3 Abs. 1 S. 2 BFStrG, § 9 Abs. 1 S. 2 BWStrG, Art. 9 Abs. 1 S. 2 BayStrWG, § 9 Abs. 1 S. 2 NWStrWG), teilweise auch schon dynamischer zu erweitern oder sonst zu verbessern (z. B. § 3 Abs. 1 S. 2 BFStrG, § 9 Abs. 1 S. 2 BWStrG, § 9 Abs. 1 S. 2 NWStrWG). Dem gewöhnlichen bzw. regelmäßigen Verkehrsbedürfnis unterfällt alles, was nach der allgemeinen Entwicklung des Verkehrs üblich ist286. Beschränkt soll die Unterhaltungslast aber gleichzeitig auf die gemeingebräuchliche Nutzung der Straße sein287 . Wie die Bezugnahme auf die allgemeine Entwicklung des Verkehrs ergibt, ist die Straßenbaulast durchaus auf die Zukunft hin dynamisch angelegt; gleichzeitig soll der bestimmungsgemäße Gebrauch einer Straße und die Aufgabe, Straßen zu erhalten, durch diese Ausrichtung der Straßenbaulast in Einklang gebracht werden288 . 281 BGBl. I S . 199. Nach dieser Vorschrift bedurften der Erlaubnis der Straßenverkehrsbehörde (Nr. 1): "Veranstaltungen, für die öffentliche Straßen mehr als verkehrsüblich in Anspruch genommen werden ..." . 282 Hervorhebung des Verfassers. 283 VkBI. 1956, S. 480.

So zutreffend Fickert, StrR in NW, Rdnr. 2 zu§ 21 NWStrWG. Ebenfalls eine Kongruenz ablehnend: BWVGH, Beschl. v. 14. 10. 1996, VBIBW 1997, S. 107 (108); Wiget, in: Zeit/er, Rdnr. 5 zu Art. 21 BayStrWG; Marschall/Schroeter/ Kastner, Rdnr. 7.1 zu§ 8 BFStrG; Fickert, StrR in NW, Rdnr. 2 zu§ 21 NWStrWG. Andeutungsweise auch das BVerwG, das im Urt. v. 20. 10. 1993, BVerwGE 94, S. 234 (236), ausdrücklich offenläßt, ob es sich i. F. der Erforderlichkeil einer Ausnahme nach den §§ 46 Abs. 1 i. V. rn. 33 Abs. 1 Nr. 2 StVO (Verbot des Anbietens von Waren und Leistungen aller Art auf der Straße) straßenrechtlich um Sondernutzung oder Gerneingebrauch handelt. 286 Krämer, in: Kodal/Krämer, Kap. 12, Rdnr. 16. 287 Z. B. Fickert, StrR in NW, Rdnr. 30 zu § 9 NWStrWG. 284 285

II Neumann

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3. Kap.: Nutzungsrahmen für Sportausübung auf öffentlichen Straßen

Der danach zu erhaltende Standard ist insbesondere von der Verkehrsbedeutung der Straße abhängig, also speziell von deren spezifischer Klassifizierung. Dabei ist davon auszugehen, daß das Verkehrsbedürfnis jeweils durch allgemeine, sich auf die betreffende Straßengruppe bzw. Untergruppe beziehende Standards charakterisiert wird. Es kann mithin kein regelmäßiges Verkehrsbedürfnis etwa für eine bestimmte Kreisstraße geben, sondern lediglich ein Verkehrsbedürfnis für Kreisstraßen, die einem bestimmten Verkehr zu dienen haben oder zu dienen bestimmt sind289 . Dabei soll auch berücksichtigt werden, wenn ein bestimmtes Ausmaß der Benutzung der Straße zwar nur zeitweilig aber sich regelmäßig wiederholend auftritt, wie bei Wochenend- und Ausflugsverkehr, dagegen nicht die Beanspruchung durch begrenzte und gelegentliche verkehrsintensive Veranstaltungen, wie Kongresse, und der Verkehr im Zusammenhang mit sportlichen Großveranstaltungen290. Dieser Ansatz erscheint etwas widersprüchlich. Einerseits sollen sich Inhalt der Straßenbaulast und bestimmungsgemäßer Gebrauch der Straße (also Gemeingebrauch) decken, andererseits soll insbesondere anlaßbezogenes, erhöhtes Verkehrsaufkommen nicht von der Straßenbaulast umfaßt sein. Würde beides stimmen, würde letzteres nicht mehr vom Gemeingebrauch umfaßt sein, genauso wie der Spitzenbedarf etwa zur Hauptferienzeit in der Konsequenz Sondergebrauch der Straße wäre291 . Richtigerweise besteht hier allerdings gerade keine Kongruenz zwischen bestimmungsgemäßem Gebrauch (Gemeingebrauch) und Inhalt der Straßenbaulast, der hier stärker beschränkt wird aufgrund der begrenzten finanziellen und faktischen Leistungsfahigkeit des Straßenbaulastträgers292 . Auch führt ein über das regelmäßige Verkehrsbedürfnis hinausgehender Bauund Unterhaltungsaufwand wegen der Art des Gebrauchs nicht zur Annahme eines Sondergebrauchs. Die Straßengesetze legen eine Vergütungspflicht für den Fall fest, daß dem Träger der Straßenbaulast Mehrkosten für Bau und Unterhaltung wegen der Art des Gebrauchs durch einen bestimmten Nutzer erwachsen, die Straße deshalb aufwendiger hergestellt oder ausgebaut werden muß, als es dem regelmäßigen Verkehrsbedürfnis entspricht293 . Voraussetzung für die Anwendung der Vergütungsvorschriften ist, daß sich die betreffende Nutzung als Gemeingebrauch darstellt294. Gestützt wird dies auf systematische und historische Überiegungen295. Krämer; in: Koda// Krämer; Kap. 12, Rdnr. 16; ähnlich Fickert, StrR in NW, Rdnr. 30 § 9 NWStrWG. 289 Fickert, StrR in NW, Rdnr. 30 zu § 9 NWStrWG; Krämer, in: Kodal! Krämer, Kap. 12, Rdnr. 17 ff.; ähnlich Zeitler; in: Zeitler, Rdnr. 13 zu Art. 9 BayStrWG. 290 Fickert, StrR in NW, Rdnr. 31 zu § 9 NWStrWG. 291 Dieser Widerspruch wird etwa von Krämer, in: Kodal!Krämer, Kap. 12, Rdnr. 16 ff. nicht problematisiert. 292 Krämer, in: Kodal/ Krämer; Kap. 12, Rdnr. 18.1. 293 Z. B. § 7a BFStrG; § 20 BWStrG; Art. 14 Abs. 4 BayStrWG; § 16 NWStrWG. 294 BVerwG, Urt. v. 28. 9. 1979, NJW 1980, S. 852 (852); Krämer, in: Kodal/Krämer; Kap. 15, Rdnr. 15 f.; Marschall/Schroeter/Kastner; Rdnr. 1 f. zu§ 7a BFStrG. Vgl. auch die Begründung zu Art. 1 Nr. 4 (§ 7a BFStrG), BT-Drucks. 7/1265 v. 19. 11. 1973, S. 16. 288

ZU

A. Die straßenrechtliche "Rahmennutzungsordnung"

163

Folglich handelt es sich im Rahmen des Anwendungsbereichs dieser Vorschriften um einen Gebrauch der Straße, der zwar gemeingebräuchlich ist, somit auch verkehrsüblich sein muß i. S. einer sachenrechtliehen Inhaltsschranke des Gemeingebrauchs, gleichzeitig aber aus dem Rahmen des allgemein üblichen und regelmäßigen Verkehrs durch seinen besonderen Aufwand herausfälle96. Nach dem zunächst insbesondere Aufwendungen für Haltestellenbuchten und Wendeplätze für den Linienverkehr von den Vergütungsvorschriften erlaßt werden sollten297 , besteht heute der Kern der Anwendung im Gemeingebrauch der Anlieger (nicht unbedingt der Anliegergebrauch als gesteigerten Gemeingebrauch) in Ortsdurchfahrten, infolge qualitativer und I oder quantitativer besonderer Beanspruchung, etwa bei häufigem Schwerlastverkehr von und zu einem gewerblichen Betrieb, wenn entsprechende besondere Maßnahmen erforderlich werden. Gemeint sein kann damit allerdings nur ein Schwerlastverkehr, der sich im Rahmen der §§ 29 Abs. 3 S. I StVO und 70 StVZO hält, ansonsten handelt es sich um eine nicht mehr von der Widmung urnfaßte Nutzung, mithin um Sondernutzung298 • Besondere Probleme bereiten die §§ 23 SchlHStrWG, 24 MVStrWG und 38 HessStrG. Nach diesen Vorschriften besteht ein besonderer Kostenbeitragsanspruch für die Straßenunterhaltung, wenn eine Gemeindestraße oder sonstige öffentliche Straße durch Bewirtschaftung, Ausbeutung oder sonstige Art der Benutzung eines Grundstücks vorübergehend oder dauernd in einem das gewöhnliche Maß erheblich übersteigenden Umfang benutzt wird. Hier wird im Gegensatz zu § 7a BFStrG und den entsprechenden Landesvorschriften kein Ausgleich für einen besonderen (tatsächlichen) baulichen Aufwand i. S. einer Anpassung an diesen besonderen Gebrauch (z. B. besondere Ein- und Ausfahrten), sondern unabhängig von einem tatsächlichen besonderen Aufwand ein spezieller Benutzungsbeitrag für anscheinend intensivere Nutzung erhoben, wobei es sich hier wohl auch um gemeingebräuchliche Nutzungen handeln so11299 ; ansonsten wären die Vorschriften überflüssig, da alle Straßengesetze für die Sondernutzung insoweit spezielle Vorschriften enthalten (vgl. z. B. § 8 Abs. 3 S. 1 BFStrG). Was läßt sich nun aus dieser kurzen Betrachtung der Unterhaltungslast für die hier interessierende Frage des Inhalts eines gemeingebrauchsbegrenzenden Verkehrsüblichkeitsbegriffs folgern? Im Umkehrschluß läßt sich jedenfalls bestimmen, was nicht mit dem Begriff der Verkehrsüblichkeil gemeint sein kann. Gerade die Nutzungen, die von § 7a BFStrG und den entsprechenden LandesvorBVerwG, a. a. 0., S. 852. Krämer; in: Kodal/Krämer; Kap. 15, Rdnr. 15. 297 Krämer; in: Kodal/Krämer; Kap. 15, Rdnr. 15.11. 298 Darauf weist Krämer; in: Koda// Krämer; Kap. 15, Rdnr. 15.13, zurecht hin. 299 Legt man die genannten Vorschriften so aus, bestehen zumindest für den Kraftfahrzeugverkehr auch verfassungsrechtliche Bedenken (fehlende Gesetzgebungskompetenz, weil die Besteuerung des Kraftfahrzeugverkehrs nach Art. 105 Abs. 2 GG in die Bundesgesetzgebung fällt). Zum Problem Krämer; in: Kodal/Krämer; Kap. 15, Rdnr. 15.2. 295

296

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3. Kap.: Nutzungsrahmen für Sportausübung auf öffentlichen Straßen

schriften einschließlich der gerade problematisierten besonderen Vorschriften im SchlHStrWG, MVStrWG und im HessStrG erlaßt sind, müssen, da gemeingebräuchliche Nutzungen, auch verkehrsüblich sein. Allgemein läßt sich folglich sagen: Wird die Straße aufgrund der besonderen (verkehrlichen) Nutzung des Anliegergrundstücks bzw. aufgrund einer anlaßbezogenen v. a. quantitativ erhöhten Straßenbenutzung (etwa der Ziel- und Quellverkehr im Zusammenhang mit einer Sportveranstaltung) intensiver genutzt, so führt dies (noch) nicht zur Annahme einer nicht mehr verkehrsüblichen Nutzung i. S. einer inhaltlichen Begrenzung des Gemeingebrauchs. Eine solche Nutzung ist gemeingebräuchlich und entspricht der Zweckbestimmung der Straße. Die Bewältigung dieser "massenhaften" verkehrliehen Nutzung, sei sie nutzungsbedingt oder anlaßbezogen, ist hinsichtlich der konkreten Zulässigkeil Gegenstand des Straßenverkehrsrechts als Regelungsmaterie der Ausübung des konkreten Gemeingebrauchs und nicht Inhalt des abstrakten straßenrechtlichen Gemeingebrauchs 300. Zwar kennt auch das Straßenrecht (vorübergehende) Begrenzungen der Ausübung des Gemeingebrauchs, insbesondere wegen des baulichen Zustands zur Vermeidung außerordentlicher Schäden an der Straße (z. B. § 7 Abs. 2 BFStrG, § 14 BWStrG, Art. 15 BayStrWG, § 15 NWStrWG). Zweck dieser Regelungen ist jedoch, den bestimmungsgemäßen Gebrauch der Straße zu erhalten, den Bestand der Straße als solcher zu sichem301 . Zielrichtung ist der sachenrechtliche Status der Straße, ohne daß dadurch (da nur vorübergehend) die Widmung betroffen ist (vgl. § l5b Abs. l S. 4 NWStrWG). In den Wirkungen überschneiden sich die straßenbaulichen Beschränkungen allerdings mit denen des Straßenverkehrsrechts. Dies gilt für die hier interessierende Frage der Verkehrsüblichkeit auch deshalb, weil die Straßenverkehrsordnung, gedeckt von der gesetzlichen Grundlage des Straßenverkehrsgesetzes (§ 6 Abs. 1 Nr. 3 am Anfang: "die sonstigen zur Erhaltung der Ordnung und Sicherheit auf den öffentlichen Wegen oder Plätzen, ... , zur Verhütung einer über das verkehrsübliche Maß hinausgehenden Abnutzung der Straßen . . . erforderlichen Maßnahmen über den Straßenverkehr") auch straßenbauliche Belange, insbesondere die bau- und verkehrstechnischen Grenzen, wegen der Gefahren, die für den Verkehr infolge der Abnutzung der Straße (Schlaglöcher etc.) entstehen können, mit in die Aufgabe der Regelung der Sicherheit und Ordnung des Verkehrs aufgenommen hat. Gerade in § 29 Abs. 2 S. 1 StVO wird dies deutlich. Mit der Erlaubnispflicht für Veranstaltungen, für die Straßen mehr als verkehrsüblich in Anspruch genommen werden, faßt der Verordnungsgeber Veranstaltungen unter zwei Zielrichtungen zusammen, denn der Begriff "verkehrsüblich" in dieser Vorschrift, der übrigens im Hinblick auf den besonderen straßenverkehrsrechtlichen Bezug unabhängig von der wegerechtliehen Terminologie (Gemeingebrauch I Sondemutzung) gelten 300 So allgemein bzgl. der "massenhaften" Ausübung: BVerfG, Beschl. v. 9. 10. 1984, BVerfGE 67, S. 299 (322). 301 Marschall/ Schroeter I Kastner, Rdnr. 20 zu § 7 BFStrG.

A. Die straßenrechtliche "Rahmennutzungsordnung"

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soll302, meint Beeinträchtigungen sowohl der Straßensubstanz als auch die sonstige über das übliche Maß hinausgehende Beeinträchtigung der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs 303 . Grund für die Auslegung der "Üblichkeit" auch in Richtung auf die Frage der Beeinträchtigung des übrigen Verkehrs, sind die in der Regel erforderlichen besonderen verkehrsrechtlichen Maßnahmen. Aus straßenbaulicher Sicht ist es primär nur von Interesse, wenn durch eine verkehrliehe Veranstaltung die Straßensubstanz, also die bau- und verkehrstechnische Beschaffenheit der Straße (als Grenze des "Rahmens der Widmung"), betroffen ist. Die sonstigen sicherheits- und ordnungsrechtlichen Belange sind in sachenrechtlicher Hinsicht erst dann relevant, wenn infolge der Veranstaltung die Straße für den übrigen Verkehr gesperrt werden muß, da hier die allgemeine Verkehrsfunktion, also die öffentliche Zwecksetzung der Straße, wenn auch nur vorübergehend, aufgehoben wird304 • Folglich werden nur in diesen Fällen die Belange des Straßenbaulastträgers berührt. Hier überschneiden sich das Straßenverkehrsrecht und das Straßenrecht im Anwendungsbereich. Dies ist allerdings keine Seltenheit305 • Bedarf es dagegen für eine Veranstaltung lediglich besonderer Regelungen unterhalb der Sperrung der Straße im Hinblick auf das Entstehen von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Leichtigkeit des (übrigen) Verkehrs, rechtfertigt dies nicht die Einordnung als straßenrechtliche Sondernutzung. Anderes gilt natürlich für nicht verkehrliehe Veranstaltungen, wie z. B. Dorffeste. In diesen Fällen fehlt es aus straßenwegerechtlicher Sicht aber bereits an einer Verkehrsnutzung, weshalb eine solche Veranstaltung immer eine straßenrechtliche Sondernutzung darstellt, die im übrigen auch straßenverkehrsrechtlich erfaßt wird306. Selbiges gilt im Ansatzpunkt für Rennen mit Kraftfahrzeugen i. S. d. § 29 Abs. 1 StVO. Strikt straßenbaulich betrachtet ist zu überlegen, ob durch Rennen die straßenbauliche Belastungsgrenze und/ oder die Verkehrsfunktion der Straße als solche, also der bestimmungsgemäße Zweck der Straße betroffen wird. Nur wenn dies der Fall ist, kann auch straßenrechtlich von nicht mehr verkehrsüblicher Benutzung und damit von Sondernutzung gesprochen werden. Ersteres kommt insbesondere in Betracht, wenn durch die teilnehmenden Fahrzeuge (im Vergleich zum übrigen 302 So richtig Cramer, StVR I, Rdnr. 73 zu§ 29 StVO. A. A. etwa Möhl, in: Full/Möhll Rüth, StVR, Rdnr. 6 zu § 29 StVO; Rüth, in: Rüth/Berr/Berz, StVR, 2. Aufl, Rdnr. 5 zu § 29 StVO; Krampe, DAR 1997, S. 377 (384), die meinen, daß mehr als verkehrsüblich eine Inanspruchnahme der Straße sei, die über den Gemeingebrauch hinausgeht. 303 Jäger, in: Diehl u. a., HK-StVR, Rdnr. 11 zu § 29 StVO; Ronellenfitsch, DAR 1997, S. 387 (389); BVerwG, Urt. v. 12.10 1965, BVerwGE 22, S. 212 (215) das letzteres als primäres Interesse ansieht. 304 Straßenverkehrsrechtlich wird sogar teilweise angenommen, daß die Straße durch eine solche Sperrung für diesen Zeitraum ihre Eigenschaft als öffentliche Straße verliert (so Jaguschl Hentschel, Rdnr. 16 zu § I StVO). Darauf wird noch zurückzukommen sein. 305 Vgl. etwa BWVGH, Urt. v. 25. 6. 1981, DÖV 1982, S. 206, mit Anm. Steiner, DÖV 1982, S. 555. 306 Zur Anwendbarkeit des§ 29 Abs. 2 StVO auf nicht verkehrliehe Veranstaltungen vgl. BVerwG, Urt. v. 21. 4. 1989, BVerwGE 84, S. 34 (36 ff.).

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3. Kap.: Nutzungsrahmen für Sportausübung auf öffentlichen Straßen

Verkehr) außerordentliche Schäden an der Straßensubstanz zu erwarten sind. Die Verkehrsfunktion der Straße als solcher ist betroffen, wenn (aus Gründen der Sicherheit und zur Wahrung des straßenverkehrsrechtlichen Trennungsgrundsatzes) eine Sperrung der Straße (wenn auch nur vorübergehend) erfolgt. Eine Sperrung des Weges fUhrt zur Inanspruchnahme einer Sondernutzung, da der allgemeine Verkehr ausgeschlossen wird. Daß Rennen nicht per se straßenrechtlich als Sondernutzung zu begreifen sind, zeigt auch die geschichtlich wechselhafte Beurteilung durch das Straßenverkehrsrecht, auf die noch näher einzugehen sein wird. Beispielsweise wurde als Begründung für die Einführung des § 5 Abs. 3 StVO (Verbot von Rennveranstaltungen mit Kraftwagen) durch ÄndVO vom 14. 3. 1956307 maßgeblich darauf abgestellt, daß die Straßen für derartige Veranstaltungen keine ausreichende Sicherheit mehr bieten308 . Durch Rennen treten besondere Gefahren auf, sowohl für die Teilnehmer selbst als auch für die übrigen Verkehrsteilnehmer, weshalb sich der Verordnungsgeber aus sicherheits- und ordnungsrechtlichen Gründen für ein prinzipielles Verbot dieser Art der Fortbewegung entschlossen hat. Ob diese Benutzung dann straßenrechtlich noch als gemeingebräuchlich eingestuft werden kann, ist wegen der anders gelagerten Zielrichtung des Straßenverkehrsrechts damit jedoch noch nicht beantwortet. Aus der Sicht des Straßenrechts hängt es vielmehr prinzipiell vom Einzelfall ab (insbesondere auch vom Ausbauzustand der konkreten Straße), ob ein Rennen i. S. d. § 29 Abs. 1 StVO straßenrechtlich als Sondernutzung zu beurteilen ist, wenngleich dies - wegen der mit der Sportveranstaltung verbundenen Sperrung - im Regelfall sicher zu bejahen sein wird, jedoch reicht dazu allein die straßenverkehrsrechtliche Beurteilung nicht aus. Betrachtet man unter diesem Blickwinkel einige Entscheidungen der Gerichte zur Frage der Verkehrsüblichkeit als Abgrenzungskriterium Gemeingebrauch I Sondernutzung, insbesondere im Bereich kommunikativer Nutzungsformen, so stellt man fest, daß es sich hierbei gar nicht um Fragen der Verkehrsüblichkeit handelt. Es geht im Kern vielmehr um die Frage, ob überhaupt nach dem äußeren Erscheinungsbild noch von Verkehrsverhalten auch i. S. eines weit verstandenen Verkehrsbegriffsgesprochen werden kann, teilweise auch um die Frage der (Gemein-) Verträglichkeit einer Nutzung, die jedoch von der Üblichkeit zu trennen ist. Das NdsOVG309 etwa vermischt die Frage des Vorliegens von (kommunikativem) Verkehr und die Frage der VerkehrsüblichkeiL Wörtlich meint das OVG310 in einem Fall, in dem es um das gezielte Ansprechen von Passanten in werbender Absicht ging, um sie zur Durchführung eines Persönlichkeitstests zu veranlassen: "Anders als das bloße Verteilen von Werbezetteln oder Faltblättern, das nach dem objektiven Verkehrsverhalten der Straßenbenutzer in der Regel dem Gemeingebrauch zuzuordnen ist, wenn nicht das werbende Verhalten durch Aufdringlichkeit 307 308 309

310

BGBI. I S. 199. Vgl. Begründung, abgedruckt in: VkBI. 1956, S. 424 (425). Urt. v. 13. 11. 1995, NVwZ-RR 1996, S. 247 (248). A. a. 0, S. 248.

A. Die straßenrechtliche "Rahmennutzungsordnung"

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oder Aggressivität das verkehrsübliche Maß übersteigt ... , ist ... das Ansprechen von Passanten auf öffentlichen Straßen in werbender Absicht der Sondernutzung zuzuordnen. Die Trennungslinie zwischen Gemeingebrauch und Sondernutzung wird mit dem Ansprechen von Passanten in werbender Absicht überschritten. Das ergibt sich für das niedersächsische Straßenrecht daraus, daß die Straße nicht mehr vorwiegend zum Verkehr genutzt wird, auch nicht zum kommunikativen Verkehr, weil der Begriff des kommunikativen Verkehrs das gezielte Ansprechen von bestimmten Passanten in werbender Absicht auf Fußwegen öffentlicher Straßen oder in Fußgängerbereichen nicht mehr erfaßt. Das verkehrsübliche Maß der Straßenbenutzung wird dadurch überschritten. . .. . Der Kläger wird mit dem Ansprechen von Passanten auf öffentlichen Straßen in werbender Absicht auch gewerblich tätig." Davon abgesehen, daß sehr fraglich ist, wo denn nun wirklich qualitativ der Unterschied zwischen dem Flugblattverteiler und demjenigen, der aus der Hand Zeitungen verkauft311 , liegen soll, bedurfte es keines (unzutreffenden) Rückgriffs auf die Frage der Verkehrsüblichkeie 12, da, das stellt das OVG selbst fest, die Straße bereits nicht mehr vorwiegend "zum Verkehr" genutzt wird. Scheitert die Einordnung als Gemeingebrauch bereits an einem objektiven Verkehrsverhalten, bedarf es keines weiteren Rückgriffs auf das weiter einschränkende Merkmal der Verkehrsüblichkeit. Andere Gerichte sehen zwar vom dogmatischen Ansatzpunkt her den Begriff der Verkehrsüblichkeit richtigerweise als einschränkendes Merkmal für die Beurteilung einer prinzipiell (kommunikativ) verkehrliehen Nutzung. Jedoch soll hier beispielsweise bei der Beurteilung eines Bauchladenhausierers 313 oder eines Flugblattverteilers314 in Fußgängerzonen als verkehrsübliche gemeingebräuchliche Nutzung entscheidend sein, ob das Aufhalten an einer Stelle ungebührlich lange sei und dadurch der Gemeingebrauch anderer für eine ungewöhnlich lange, das verkehrsübliche Maß übersteigende Zeitspanne verhindert wird315. Tatsächlich 311 Das "Ausrufen" von Zeitungen, Zeitschriften und Extrablättern war früher (bis zum Erlaß der heute gültigen StVO v. 16. 11. 1970 [BGBI. I, S. 1565]) im übrigen durch das Straßenverkehrsrecht explizit erlaubt, wenn der Verkehr dadurch nicht behindert oder belästigt wurde (vgl. etwa § 42 Abs. 1 S. 3 der StVO v. 13. 11. 1937 [RGBI. I, S. 1179] oder § 42 Abs. 3 S. 1 der StVO in der Fassung vom 24. 8. 1953 [VkBI., S. 401]). 312 Das NdsOVG beruft sich für die von ihm vorgenommene Bewertung des Flugblattverteilens als nicht mehr verkehrsüblich, da das werbende Verhalten durch Aufdringlichkeit oder Aggressivität das verkehrsübliche Maß übersteigt, auf einen Beschl. des OLG Stuttgart v. 25. 9. 1975, NJW 1976, S. 201 (203). Darin wird jedoch diesbezüglich gerade nicht auf den Begriff der Verkehrsüblichkeit Bezug genommen, sondern auf die Frage, ob durch die Verteilung der Flugblätter der Gemeingebrauch anderer Verkehrsteilnehmer unzumutbar beeinträchtigt wurde (vgl. OLG Stuttgart, a. a. 0., S. 203); dies ist die Frage nach der Gemeinverträglichkeit der Nutzung. Vgl. etwa Grote, in: Kodal/Krämer, Kap. 24, Rdnr. 22.8 und 30 ff. 313 Diesen betraf der Beschl. d. OLG Köln v. 19. 8. 1991, NVwZ 1992, S. 100. 314 Dazu das OLG Stuttgart, Beschl. v. 7. 7. 1995, VRS 90, S. 217. 315 OLG Köln, Beschl. v. 19. 8. 1991, NVwZ 1992, S. 100 (100 f.); OLG Stuttgart, Beschl. v. 7. 7. 1995, VRS 90, S. 217 (218); ähnlich OLG Frankfurt, Beschl. v. 1. 9. 1975, NJW 1976,

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3. Kap.: Nutzungsrahmen für Sportausübung auf öffentlichen Straßen

handelt es sich in diesen Fällen jedoch nicht um die Frage der Üblichkeit der Nutzung, sondern der Verträglichkeit316. Zusammengefaßt läßt sich sagen, daß der Begriff der Verkehrsüblichkeit eigentlich keine eigenständige Bedeutung im Hinblick auf die schwierigen Abgrenzungsfragen zwischen Gemeingebrauch und Sondernutzung hat. Im Gegenteil stiftet der Begriff mangels Kontur mehr Verwirrung, als daß er zur Klärung der Fragen beiträgt. Soweit durch eine Nutzung die bau- und verkehrstechnische Beschaffenheit der Straße betroffen ist, erfolgt die dogmatische Verortung bereits durch den "Rahmen der Widmung". Eines eigenständigen Verkehrsüblichkeitsbegriffs bedarf es deshalb nicht317 . Soweit die Zwecksetzung der Straße selbst dariiber hinaus durch die Nutzung betroffen ist (insbesondere wenn eine Sperrung erforderlich wird), liegt dem in Wahrheit ein Verträglichkeitsproblem zugrunde, weniger die Frage der Üblichkeit. Im übrigen wird im Falle der Sperrung der Straße bereits der Widmungszweck beriihrt, weshalb es auch hier keines dogmatisch eigenständigen Kriteriums mehr bedarf. Daß die Frage der Üblichkeit nicht zu einer Erweiterung des Gemeingebrauchs, insbesondere auf nicht verkehrliehe Nutzungen führen darf, wurde ebenfalls bereits geklärt, denn insoweit steht bereits die normative Festlegung der öffentlichen Straßen auf "den Verkehr" entgegen 318. Dies gilt auch für den Anlieger, soweit er sich nicht auf grundrechtliche "Unterstützung" berufen kann. Der friiher begrundeten Erweiterung der Nutzungsmöglichkeiten der Straße für den Anlieger v. a. unter Berufung auf das "Übliche" ist heute nicht mehr erforderlich.

d) Benutzung der Straße im Rahmen der Gemeinverträglichkeit Als weitere Inhaltsschranke wird teilweise der Begriff der Gemeinverträglichkeit, also der Schutz des Mitgebrauchs Dritter, angesehen319 . Anders als das S. 203 (204); BWVGH, Urt. v. 26. 6. 1986, DÖV 1987, S. 160 (161) und wohl auch Grate, in: Kadal/ Krämer; Kap. 24, Rdnr. 98 ff. 316 Deshalb sind auch die Ausführungen von Grate, a. a. 0 ., widersprüchlich, da er davon ausgeht, daß die Frage der Gemeinverträglichkeit gerade keine Inhaltsschranke des Gemeingebrauchs ist, diese vielmehr als reine Ausübungsschranke nicht als Abgrenzungskriterium zwischen Gemeingebrauch und Sondernutzung dienen kann (so Grate, a. a. 0., Rdnr. 22.8). 317 Überflüssig der Rückgriff deshalb von BWVGH (5. Senat), Urt. v. 25. 6. 1981 , DÖV 1982, S. 206 (207 f.) m. Anm. Steiner; DÖV 1982, S. 554. Richtig BWVGH (ebenfalls 5. Senat), Urt. v. 17. 4. 1989, NVwZ-RR 1990, S. 225 (226), allerdings ohne Auseinandersetzung mit seinem dogmatischen "Wandel". 31 8 Nur schwer begründbat ist deshalb i. ü., weshalb Straßen über den Verkehrszweck hinaus auch anderen öffentlichen Aufgaben, insbesondere der Einrichtung von Depotsammelplätzen für Zwecke der kommunalen Wertstoffsammlung auf öffentlichem Straßengrund, was von vomherein mit jeder Widmung einer Straße zum öffentlichen Verkehr eröffnet sein soll, dienen sollen. So aber BVerwG, Urt. v. 28. 7. 1989, BVerwGE 82, S. 266 (268) und OVG Bremen, Beseht. v. 14. 3. 1996, NVwZ - RR 1997, S. 385 (386). 319 Speziell zur Gemeinverträglichkeit aus älterer Sicht: Albert, Die Gemeinverträglichkeit; Scheuner, in: Canrad u. a. (Hrsg.), FS Gieseke, S. 73; Salzwedel, PersVerk 1960, S. 85.

A. Die straßenrechtliche "Rahmennutzungsordnung"

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BFStrG und die Straßengesetze der meisten Länder320 enthalten manche Straßengesetze eine Gemeinverträglichkeitsklausel mit allerdings unterschiedlicher Formulierung. Nach § 13 Abs. 1 S. 2 BWStrG und § 14 Abs. 1 S. 2 SaarlStrG liegt kein Gemeingebrauch mehr vor, wenn durch die Benutzung der Straße der Gemeingebrauch anderer unzumutbar beeinträchtigt wird. § 34 Abs. 3 RhPfLStrG regelt, daß Gemeingebrauch nicht mehr gegeben ist, wenn der Gemeingebrauch anderer ausgeschlossen oder mehr als unvermeidbar beschränkt . . . wird. § 16 Abs. 1 S. 2 HambWG formuliert wieder anders. Nach dieser Vorschrift kann jedermann die öffentlichen Wege benutzen, soweit andere dadurch nicht in ihrem Gemeingebrauch unzumutbar beeinträchtigt werden. Wahrend die Hamburger Regelung eher auf eine Ausübungsschranke hinweist, sind die drei zuerst zitierten Vorschriften derart gefaßt, daß das Gemeinverträglichkeitserfordernis Bestandteil der Gemeingebrauchsdefinition zu sein scheint. Über die genannten Vorschriften, die den Begriff der Gemeinverträglichkeit ausdrücklich aufgenommen haben, soll dieser, wie der Begriff der Verkehrsüblichkeit, auch ohne ausdrückliche Erwähnung in den anderen Straßengesetzen zum Inhalt des Gemeingebrauchs gehören321 . Dieser Grundsatz beruht auf der Erkenntnis von der Gleichrangigkeit der (von der Widmung umfaßten) Benutzungsformen und will zu einer interessengerechten Lösung der mit der Nutzung auftretenden Nutzungskonflikte durch ein "straßenrechtliches Gebot der Rücksichtnahme" 322 kommen. Die Gemeinverträglichkeitsklausel kann auf eine lange Tradition im Wegerecht zurückgreifen. Seine Wurzel hat es in § 25 li 15 ALR 323 . Die Vorschrift lautete: 320 Beachte auch§ 20 Abs. 3 SchlHStrWG u. § 21 Abs. 3 MVStrWG, wonach der bisher ortsüblich gewesene Gemeingebrauch an sonstigen öffentlichen Straßen nicht beschränkt werden soll, solange dieser gemeinverträglich ist. Diese Vorschriften stoßen jedoch gänzlich ins Leere, vgl. Grote, in: Kodall Krämer; Kap. 24, Rdnr. 30.2. 321 Für Art. 14 BayStrWG: Wiget, in: Zeitler; Rdnr. 55 zu Art. 14 BayStrWG, der den Grundsatz der Gemeinverträglichkeit als einen der wichtigsten Grenzen für Inhalt und Ausübung des Gemeingebrauchs ansieht. Er sei dem Gemeingebrauch auch ohne gesetzliche Regelung immanent. Allerdings widerspricht er sich. An gleicher Stelle stellt er fest: "Um zur Prüfung der Gemeinverträglichkeit . . . zu gelangen, muß vorher feststehen, daß eine bestimmte Art der Benutzung Gemeingebrauch schlechthin (also verkehrsmäßige Benützung) ist ... Dann darf aber außerdem durch die gemeingebräuchliche Benützung der Gemeingebrauch anderer nicht ausgeschlossen oder mehr als unvermeidbar beschränkt werden". So formuliert handelt es sich um eine Ausübungsschranke für den abstrakten Gemeingebrauch. Wo die inhaltliche Festlegung sein soll, läßt er offen. Für Inhaltsschranke auch: Zuleeg, Fälle zum Allgemeinen Verwaltungsrecht, S. 244 und Püttner; AllgVerwR, 3. Aufl., 1975, S. 125, der aber meint, daß der Gemeingebrauch nur im Rahmen der Gemeinverträglichkeit ausgeübt werden darf, dieses Kriterium aber gleichzeitig zur Abgrenzung Gemeingebrauch I Sondernutzung heranzieht. Das ist widersprüchlich. Unklar BWVGH, Beschl. v. 26. 6. 1996, VBIBW 1997, S. 473. 322 Lorenz, LStrGBW, Rdnr. 36 zu § 13. 323 Beachte aber auch etwa§ 27 II 15 ALR ("ledige oder bloß mit Personen besetzte Wagen müssen allen mit Sachen beladenen Wagen ausweichen"); §§ 28, 29 II 15 ALR (gleichberechtigte Wagen haben nach rechts auszuweichen); § 31 II 15 ALR (ein bergabwärts fahrender Wagen ist gegenüber einem bergaufwärts fahrenden Wagen bevorrechtigt). In §§ 756,

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3. Kap.: Nutzungsrahmen für Sportausübung auf öffentlichen Straßen

"Den nach § 7 einem jeden freistehenden Gebrauch der Landstraßen muß ein jeder so ausüben, daß der Andere an dem gleichmäßigen Gebrauche des Weges nicht gehindert, noch zu Zänkereien oder gar Thätlichkeiten über das Ausweichen Anlaß gegeben werde". Bereits der Wortlaut deutet darauf hin, daß es sich um eine Ausübungssehranke handelt, denn die Formulierung geht davon aus, daß es sich zunächst um Gemeingebrauch im Sinne der (abstrakten) Definition des§ 7 II 15 ALR handeln muß. Anders wäre die systematische Trennung nicht zu verstehen. Wichtige straßenrechtliche Stimmen, gerade auch zu dieser Vorschrift, sprachen sich dafür aus, die Frage der Gemeinverträglichkeit nicht als Wesensmerkmal des Gemeingebrauchs anzusehen, sondern als Schranke für die Zulässigkeil seiner Ausübung. In dem klassischen Werk von Germershausen/SeydeP24 über "Wegerecht und Wegeverwaltung in Preußen" heißt es etwa: "Das allgemeine Recht zur Benutzung der öffentlichen Wege findet seine natürliche Begrenzung in der Bestimmung der Wege für das Publikum und der dadurch bedingten Konkurrenz aller Glieder desselben. Ein jeder muß den Gebrauch der Wege so ausüben, daß der andere an dem gleichmäßigen Gebrauch nicht gehindert wird und Störungen vermieden werden(§ 25 II 15 ALR). Hieraus in Verbindung mit den allgemeinen Bestimmungen ... folgt die Befugnis der Polizeibehörde ... , den Gemeingebrauch der Wege zu regeln und ihn, in Rücksicht auf ihre Erhaltung, auf die Vermeidung von Verkehrsstörungen und auf die Sicherheit und Bequemlichkeit, Reinlichkeit und Ruhe auf öffentlichen Wegen, zeitweilig oder dauernd Beschränkungen zu unterwerfen". Die Autoren nahmen deshalb konsequenterweise die Gemeinverträglichkeit nicht in ihre inhaltliche Definition des Begriffs Gemeingebrauch auf325 . Läßt sich bereits aus historischer Sicht deshalb eine Inhaltsschranke nur schwer begriinden, so sprechen dariiber hinaus weitere Argumente dagegen. Inhalt und Zielrichtung der Straßenverkehrsvorschriften zielen insoweit in die gleiche Richtung326. Nach ganz h. M. ist zumindest für den Verkehr, der von den Vorschriften des Straßenverkehrsrechts erfaßt und geregelt wird, der wegerechtliche Grundsatz der Gemeinverträglichkeit in der Grundregel des§ 1 Abs. 2 StVO aufgegangen327 • Auch das BVerwG328 meint, daß das, was für den Straßenverkehr gemeinverträg757 II 20 ALR werden zudem einige eklatante Gefahrdungen des Straßenverkehrs unter Strafe gestellt. Dazu Baumeister, S. 15. 324 s. 78. 325 A. a. 0., S. 78. 326 Völlige Übereinstimmung annehmend etwa Kling, Abgrenzung, S. 52; Adamaschek, Verkehrssteuerung und Gemeingebrauch, S. 67. 327 Grate, in: Kodal/ Krämer, Kap. 24, Rdnr. 30.1, der allerdings etwas widersprüchlich an anderer Stelle (Kap. 26, Rdnr. 56) meint, daß Versammlungen oder Aufzüge unter freiem Himmel wegen FehJens der Gerneinverträglichkeit die Grenzen zum Sondergebrauch überschritten hätten (insoweit wohl Inhaltsschranke); Lorenz, LStrGBWR, Rdnr. 36 zu § 13; Papier, Recht der öffentlichen Sachen, S. 92; Pappermann/Löhr/Andriske, Recht der öffentlichen Sachen, S. 74 f. 328 Urt. v. 12. 12. 1969, BVerwGE 34, S. 320 (323 f.); Urt. v. 16. 11. 1973, BVerwGE 44, S. 193 (194).

A. Die straßenrechtliche "Rahmennutzungsordnung"

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lieh (oder verkehrsüblich) ist, durch § 1 StVO oder andere verkehrsrechtliche Vorschriften geregelt wird. Nachdem sich darüber hinaus das Straßenverkehrsrecht zu einer eigenständigen Rechtsmaterie, v. a. auch in kompetenzrechtlicher Hinsicht entwickelt hat, ist der Gemeinverträglichkeitsgedanke wegerechtlich zur Begriffshülse ohne inhaltliche Wirkung und damit überflüssig (geworden) 329. Wird die Schranke der Gemeinverträglichkeit verletzt, so liegt deshalb auch nicht etwa eine erlaubnispflichtige Sondernutzung, sondern (straßenverkehrsrechtlich) unzulässiger Gemeingebrauch vor330. Das Kriterium setzt die (straßenverkehrsrechtliche) Grenze des "an sich" gegebenen Gemeingebrauchs 331 . Darüber hinaus dient das Kriterium zur Beantwortung der Frage, ob eine bestehende Sondernutzung nach öffentlichem oder privatem Recht zu regeln ist332. Wenn gleichwohl manche Straßengesetze im Wortlaut und andere auf Grund der Auslegung das Gemeinverträglichkeitsprinzip erwähnen bzw. zum Inhalt haben (sollen), ist dies Tautologie333 , und ist deshalb, ebenso wie die Beschränkung des Gemeingebrauchs auf den Rahmen der Verkehrsvorschriften in einigen Straßengesetzen, überflüssig und stößt ins Leere. In der Konsequenz wird teilweise auch vertreten, daß die landesrechtliehen Gemeinverträglichkeitsklausein sogar nach Art. 31 GG unzulässig seien, da sie den gleichen Regelungsgegenstand hätten wie das bundesrechtliche Straßenverkehrsrecht, v. a. § 1 StV0334. Dies als Ausgangspunkt akzeptierend, wird heute die eigenständige Bedeutung eines wegerechtliehen Gemeinverträglichkeitsgebots, sei es als Inhaltsschranke335 329 So auch Schmidt-Tophoff, DVBI. 1970, S. 17 (20); Salzwedel, PersVerk 1960, S. 85 (87); Kling, Abgrenzung, S. 53. 330 Schröder, Die Verwaltung 10 (1977), S. 451 (460); Salzwedel, ZfW 1962, S. 73, (90 f.), bezeichnet die Diskussion im Wegerecht deshalb auch richtigerweise als "systematisch verfehlt". 331 Lorenz, LStrGBW, Rdnr. 13 zu§ 13. 332 Grote, in: Kodal/ Krämer, Kap. 24, Rdnr. 22.8 u. Kap. 26, Rdnr. 9 f. 333 Laubinger, VerwArch 81 (1990), S. 583 (612); Adamaschek, Verkehrssteuerung und Gemeingebrauch, S. 69; Schmidt-Tophoff, DVBI. 1970, S. 17 (20). 334 Z. B. Runkel, Abgrenzung, S. 152m. N. 335 So v. a. die Rechtsprechung. OLG Hamm, Beschl. v. 16. 8. 1990, NVwZ 1991, S. 205 (206); OLG Stuttgart, Beschl. v. 25. 9. 1975, NJW 1976, S. 201 (202 f.); dies., Beschl. v. 7. 7. 1995, VRS 90, S. 217 (218); BWVGH, Urt. v. 26.6. 1986, DÖV 1987, S. 160 (161); dies., Urt. v. 17. 8. 1988, DÖV 1989, S. 128 (130); dies., Beschl. v. 26. 6. 1996, VBlBW, S. 473 (473 f.) (unklar); OVG Hamburg, Urt. v. 14. 12. 1995, NJW 1996, S. 2051 (2051 f.); HessVGH, Urt. v. 20. 9. 1977, VerkMitt. 1978, S. 66 (66); wohl auch BayVGH, Beschl. v. 4. 7. 1996, BayVBI. 1996, S. 665 (665). Stock, Straßenkommunikation, S. 63; Würkner, NVwZ 1987, S. 841 (848 f.); Salzwedel, in: Erichsen (Hrsg.), AllgVerwR, 10. Auf!., S. 550, der dazu entscheidend auch auf den Begriff der Sozialadäquanz abstellt; Marschall/ Schroeter/Kastner, Rdnr. 19 zu§ 7 BFStrG. Unklar Larenz (LStrGBW), der einerseits (Rdnr. 36 f. zu§ 13) annimmt, daß Versammlungen und Aufzüge wegen fehlender Gemeinverträglichkeit nicht mehr unter den Gemeingebrauch fallen (also wohl lnhaltsschranke), andererseits (Rdnr. 13 zu § 16) richtig feststellt, daß die Gemeinverträglichkeit nur die Grenze des "an

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3. Kap.: Nutzungsrahmen für Sportausübung auf öffentlichen Straßen

oder als Ausübungsschranke336, in den (scheinbar) vom Straßenverkehrsrecht, insbesondere § 1 StVO, nicht erfaßten kommunikativen Nutzungsformen und den Nutzungen des Anliegers gesehen. Dies beruht aber bereits auf einer Verkennung des Anwendungsbereichs gerade dieser Vorschrift. Wie bereits festgestellt, ist der Begriff des Verkehrsteilnehmers, für den § I StVO und andere Vorschriften, die das Gebot der Rücksichtnahme im Straßenverkehrsrecht konkretisieren, zur Anwendung gelangen, im Anwendungsbereich nicht auf die engen verkehrliehen Nutzungen beschränkt337. Ohne insoweit in Details zu gehen, hat gerade das Beispiel spielender Kinder gezeigt, daß dem Straßenverkehrsrecht auch kommunikative Nutzungen seit jeher nicht fremd sind338. Dies gilt in dieser Allgemeinheit zumindest dann, wenn man auch insoweit noch verkehrsbezogenes Verhalten i. S. eines weit verstandenen Verkehrsbegriffs annimmt. Zumindest als Inhaltsschranke kann es daher auch bei diesen Benutzungen keinen Bestand haben, denn es ist nicht einzusehen, weshalb bei den engen verkehrliehen Nutzungen die Frage der Gemeinverträglichkeit als (straßenverkehrsrechtliche) Ausübungsschranke angesehen wird, die infolge des erweiterten Verkehrsbegriffs gleich gestellten Nutzungsformen dagegen einer zusätzlichen Inhaltsschranke unterliegen. Dies würde zu einem inhaltlich verschiedenartigen Begriff des Gemeingebrauchs führen, was im geltenden Straßenrecht keine Grundlage hat. Erweitert man den Verkehrsbegriff, erweitert man damit die Nutzung insgesamt. Die Ausübungsgrenze bildet konsequenterweise dann auch hier das Straßenverkehrsrecht oder, wenn man dieser weiten Auslegung des Straßenverkehrsrechts nicht folgt, in einer straßenrechtlichen Gemeinverträglichkeitsausübungsschranke. Als inhaltliches Abgrenzungskriterium von Gemeingebrauch und Sondernutzung ist der Grundsatz der Gemeinverträglichkeit jedenfalls nicht geeignee 39 . sich" gegebenen Gerneingebrauchs zeichne, weshalb dieses Kriterium auch nicht geeignet sei, im Bereich des kommunikativen Verkehrs die inhaltliche Abgrenzung von Gerneingebrauch und Sondernutzung zu steuern. 336 So Teile der Lit., wie z. B. Grate, in: Kodal/Krämer; Kap. 24, Rdnr. 22.8 u. 30.1, gehen davon aus, daß das Gebot der Gerneinverträglichkeit besonders für Formen des Anliegergebrauchs eine wegerechtliche Ausübungsschranke sei; ebenso Runkel, Abgrenzung, S. 152 f., der meint, daß gerade beim Anliegergebrauch das Wegerecht sowohl den abstrakten als auch mit Hilfe des Abgrenzungskriteriums Gerneinverträglichkeit den konkreten Gerneingebrauch festlege; Lorenz, a. a. 0. 337 A. A. etwa Runkel, Abgrenzung, S. 152, der sich jedoch nicht mit der Auslegung des Begriffs "Verkehrsteilnehmer" durch die straßenverkehrsrechtliche Rechtsprechung und Literatur auseinandersetzt 338 Siehe auch § 45 Abs. 1c, der die überwiegende Aufenthaltsfunktion von "zentralen städtischen Bereichen mit hohem Fußgängeraufkornrnen" explizit erwähnt. 339 BVerwG, Urt. v. 9. 11. 1989, BVerwGE 84, S. 71 (75 ff.), mit der Erwägung, daß wegen der Vielgestaltigkeit der Betätigungen auf der Ebene des förmlichen Gesetzes eine klare Abgrenzung nicht möglich erscheint (S. 76 f.). Siehe auch Lorenz, LStrGBW, Rdnr. 13 zu § 16. Im Ergebnis richtig: BWVGH, Beschl. v. 6. 7. 1998, NVwZ 1999, S. 560 (561). Der Senat meint jedoch im Ausgangspunkt unzutreffend, "daß das . . . Betteln, jedenfalls soweit es um seine stille Form geht, dem straßenrechtlichen Gerneingebrauch unterfällt und nicht

B. Der Nutzungsrahmen im Naturschutz- und Waldrecht

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B. Der Nutzungsrahmen im Naturschutz- und Waldreche40 I. Die Betretungsvorschriften 1. Anwendungsbe~ich und Abgrenzung zum Straßen~cht

Beide Rechtsgebiete erscheinen bereits auf Grund der kompetenzrechtlichen Situation durchaus vergleichbar. Der Bund hat mit Erlaß des Bundesnaturschutzgesetzes und des Bundeswaldgesetzes (was die Betretungsrechte betrifft) von seiner ihm von Art. 75 Abs. 1 Nr. 3 GG (Naturschutz und die Landschaftspflege) eingeräumten Rahmenkompetenz Gebrauch gemacht. In beiden Rechtsgebieten bestehen Betretungsrechte zugunsten der Erholungssuchenden. § 14 BWaldG und § 27 BNatSchG statuieren als zentrale bundesrechtliche Normen für die Erholung den "Betretungsrahmen" für die Bundesländer341 . Im Falle des Bundesnaturschutzgesetzes ist gar ein eigener Abschnitt der Erholung in Natur und Landschaft gewidmet (6. Abschnitt), im Bundeswaldgesetz findet sich die Vorschrift über das Betreten interessanterweise in Abschnitt II ("Erhaltung und Bewirtschaftung des Waldes") des 2. Kapitels ("Erhaltung des Waldes"). Die beiden bundesrechtlichen Vorschriften, darauf sei hingewiesen, räumen dem Erholungssuchenden als "Rahmenregelungen" die Betretungsmöglichkeit nicht unmittelbar ein, wie auch die Duldungsverpflichtung für den Eigentümer oder sonstigen Berechtigten nicht aus diesen Vorschriften folgt, sondern unmittelbar auf Grund des Landesrechts besteht342. Der eigentliche Unterschied der Vorschriften liegt im verschiedenen räumlichen Geltungsbereich; sie stehen deshalb in Realkonkurrenz343 . Die Vorschrift des§ 14 WaldG erfaßt den in § 2 BWaldG (bzw. in den entsprechenden Landesvorschriften)344 legal definierten Wald, dagegen befaßt sich § 27 BNatSchG mit dem Betreden Gemeingebrauch anderer unzumutbar beeinträchtigt". Ob das Betteln im Unterschied zu anderen Straßennutzungen "still" ist, kann für die abstrakte straßenrechtliche Beurteilung nicht entscheidend sein. 340 Bzw. Landschaftspflege- und Forstrecht. Im folgenden nur Naturschutz- und Waldrecht. 341 Zu den Betretungsvorschriften als Rahmenvorschriften siehe bereits Kap. 2 B. Il. 1. d) bb) im Zusammenhang mit dem verfassungsrechtlichen Betretungsrecht des Art. 141 Abs. 3 BayVerf. Siehe auch die Begründung zu den Empfehlungen der Ausschüsse: BRat-Drucks. 7761 74 v. 28. 11. 1974, S. 9; Bundesrat, Anrufung des Vermittlungsausschusses, BT-Drucks. 7 I 3016 v. 19. 12. 1974, S. 4; Stellungnahme des Bundesrates, BT-Drucks. 7 I 889 v. 9. 7. 1973, Anlage 2, S. 38 (alles zum Waldbetretungsrecht). 342 Siehe nur Burgi, Erholung in freier Natur, S. 73. Vgl. auch BVerfG, Beschl. v. 6. 6. 1989, BVerfGE 80, S. 137 (150 f.). 343 Gassner, in: Gassner u. a., Rdnr. 2 zu § 27 BNatSchG. 344 § 2 BWLWaldG, Art. 2 BayWaldG, § 2 BerlLWaldG, § 2 BrandLWaldG, § 1 HambLWaldG, § 1 HessForstG, § 2 MVLWaldG, § 2 NdsLWaldG, § 1 NWLForstG, § 9 RhPfLForstG,

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3. Kap.: Nutzungsrahmen für Sportausübung auf öffentlichen Straßen

ten in der (übrigen) "Flur"345 , nach anderen Landesgesetzen in der freien Landschafe46 bzw. der freien Natur347, wenngleich sachlich kein Unterschied bestehen soll. Trotzdem ist die konkrete räumliche Bestimmung hier schwieriger. In Zweifelsfällen, etwa bei der Behandlung von großzügigen Freiflächen um eine einzelne Anlage herum, zwischen lose verstreuten Gebäuden oder größeren unbebauten Flächen innerhalb des (bauplanungsrechtlichen) Innenbereichs, ob nun beplant oder Innenbereich i. S. v. § 34 Abs. 1 BauGB, bieten die Landesgesetze teilweise durch die Statuierung von Beispielen Lösungsansätze348 . Andernfalls bedarf es der Beurteilung im Einzelfall an der bereits im Zusammenhang mit Art. 141 Abs. 3 BayVerf entwickelten Formel, ob das konkret betroffene Gebiet von seinem natürlichen Erscheinungsbild oder von der umliegenden Bebauung geprägt wird349. Jedenfalls ist der Innenbereich nicht gänzlich aus dem Anwendungsbereich ausgeschlossen, wie teilweise vertreten wurde350. Dies ergibt sich einfach-rechtlich bereits daraus, daß die Naturschutzgesetze auch im besiedelten Bereich zur Anwendung kommen (vgl. § 1 Abs. 1 BNatSchG am Anfang) und wurde für Art. 141 Abs. 3 BayVerf auch verfassungsgerichtlich geklärt351 .

§ 2 SaarlLWaldG, § 2 SächsWaldG, § 2 SachsAnhLWaldG, § 2 SchlHLWaldG und § 2 ThürWaldG. Trotz der Legaldefinitionen gibt es auch gerichtliche Entscheidungen zum Inhalt des Waldbegriffs. Vgl. etwa BWVGH, Urt. v. 20. 12. 1993, NVwZ 1995, S. 1225 (1225 f.); NWOVG, Urt. v. 22. I. 1988, NVwZ 1988, S. 1048 und BrandOVG, Urt. v. 26. 11. 1998, NuR 1999, S. 403 (404). 345 So auch § 35 Abs. 1 S. 1 BerlNatSchG, § 34 Abs. 1 S. I BremNatSchG, § 33 Abs. 1 HambNatSchG und § 10 Abs. 1 S. 1 HessNatSchG. Nach der Begründung ist "Flur" die freie Landschaft außerhalb des Waldes (BT-Drucks. 7/3879 v. 24. 7. 1975, S. 28). Siehe auch Meßerschmidt, Rdnr. 2 zu § 27 BNatSchG. 346 § 35 S. 1 BWNatSchG, § 44 Abs. 1 BrandNatSchG, § I Abs. 1 NdsFFOG, § 49 Abs. 1 NWLandschG, § 4 Abs. 1 S. 1 SaarlNatSchG, § 29 Abs. 1 S. I SächsNatSchG, § 35 Abs. 1 S. 1 SachsAnhNatSchG, § 30 Abs. 1 SchlHLNatSchG und § 34 Abs. 1 S. 1 VorlThürNatSchG. Zu diesem Begriff: NWOVG, Urt. v. 20. 12. 1990, AgrarR 1991, S. 289 (289 f.). 347 Art. 21 Abs. 1 S. 1 BayNatSchG. 348 So Art. 22 Abs. 1 BayNatSchG, § 44 Abs. 1 BrandNatSchG, § 49 Abs. 1 S. 1 NWLandschG (dazu: NWOVG, Urt. v. 20. 12. 1990, AgrarR 1991, S. 289 [290]; speziell zu geschlossenen Ortschaften: §55 NWLandSchG). Siehe auch§ 47 BrandNatSchG. 349 BayVerfGH, Entsch. v. 18. 10. 1965, VerfGH 18, S. 121 (121); dies., Entsch. v. 28. 11. 1968, VerfGH 21, S. 197 (201); BayObLG, Beschl. v. 4. 2. 1983, NVwZ 1983, S. 503 (504); BayVGH, Urt. v. 19. 7. 1988, NVwZ-RR 1989, S. 226 (227). 350 So aber wohl Soell, in: Salzwedel (Hrsg.), Grundzüge des Umweltrechts, S. 481 (554). 351 BayVerfGH, Entsch. v. 18. 10. 1965, VerfGH 18, S. 121 (121; Passauer Innpromenade). § 34 Abs. 3 VorlThürNatSchG schließt "baulich oder gewerblich genutzte Grundstücke einschließlich der eingefriedeten, nicht bebauten Teile" von der Geltung des Betretungsrechts explizit aus. Nach§ 10 Abs. 1 S. 1 HessNatSchG besteht das Betretungsrecht nur im Außenbereich i. S. d. § 19 Abs. 1 Nr. 3 BBauG. Diese Verweisung läuft, selbst wenn man sie als dynamisch qualifizieren würde und auch für die entsprechende Regelung im BauGB gelten lassen wollte, heute ins Leere, da das BauGB seit der Bekanntmachung v. 27. 8. 1997 (BGBI. I S. 2041) die frühere Abgrenzungsnorm nicht mehr enthält. Ebenso die Verweisung in § 34 Abs. 1 S. I Vor!ThürNatSchG.

B. Der Nutzungsrahmen im Naturschutz- und Waldrecht

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Im Zusammenhang mit dem räumlichen Geltungsbereich stellt sich noch ein anderes Problem: Die Frage nach der Geltung der naturschutz- und waldrechtlichen Betretungsvorschriften im Bereich der nach Straßenrecht gewidmeten (rechtlich) öffentlichen Wege. Richtigerweise, das Ergebnis sei vorweggenommen, richtet sich der Nutzungsrahmen auf den gewidmeten Straßen ausschließlich nach den Straßengesetzen der Länder352• Die Betretungsvorschriften erweitern demzufolge weder den durch die Widmung eingeräumten Rahmen 353 noch schränken sie diesen ein. Das Naturschutz- und Waldrecht akzeptiert folglich das vom Straßenbaulastträgerinsbesondere in der Widmung festgelegte Nutzungsstatue 54• Das ist auch konsequent. Das Straßenrecht unterstellt durch die Widmung zu einer öffentlichen Sache im Gemeingebrauch die Straßen gänzlich einem öffentlich-rechtlichen Nutzungsstatut und die Widmung überlagert die Befugnisse des Eigentümers. Anders sieht die rechtliche Konstruktion im Naturschutz- und Waldrecht aus. Als Inhaltsund Schrankenbestimmung für das Eigentum belastet es dieses durch die Betretungsvorschriften zugunsten einer zweckgebundenen Allgemeinnutzung, schließt darüber hinaus die Befugnisse aus dem Eigentum aber nicht aus. Aufgabe der Betretungsvorschriften ist es auch gerade an den auf Grund des Straßenrechts nicht gewidmeten Straßen, eine zweckgebundene Nutzung zu sichern, ohne förmlichen Widmungsakt, um der allgemeinen Zielsetzung des Naturschutzrechts bzw. der Zwecksetzung des Waldrechts gerecht zu werden, nämlich ausreichende Erholungsmöglichkeiten für die Bevölkerung zu gewährleisten. Für die Straßen und Wege bedeutet diese Sichtweise, daß sowohl das Naturschutz- als auch das Waldrecht mit ihren jeweiligen Betretungsvorschriften nur die sog. tatsächlich öffentlichen Straßen erfassen bzw. erfassen wollen355 . Zwar ist immer wieder die Frage 352 Aus der Rspr.: BWVGH, v. 19. 4. I983, NJW 1984, S. 8I9 (820); MVOVG, Beschl. v. 2. I!. I993, LKV 1995, S. 86 (87). Aus der Lit.: Lorenz, LStrGBW, Rdnr. 44 zu§ 3; Engelhardt I Brenner I Fischer-Hüftle, Rdnr. 8 zu Art. 22 GG; KloseI Oif, Forstrecht, Rdnr. 39 zu § 14 BWaldG; KolodziejcokiRecken, Rdnr. 16 zu§ I4 BWaldG; FriedleiniWeidingeriGraß, Rdnr. 9 zu Art. 23 BayNatSchG; Meßerschmidt, Rdnr. 2 zu § 27 BNatSchG. 353 So auch BWVGH, Urt. v. I9. 4. I983, NJW I984, S. 8I9 (820). 354 Teilweise werden die Vorschriften des Straßenrechts explizit unberührt belassen (so § 37 Abs. 5 BWNatSchG, Art. 23 Abs. 4 S. 2 BayNatSchG, § 10 Abs. I S. 3 HessNatSchG, § 25 Abs. I S. 3 NdsFFOG, § 50 Abs. 3 NWLandschG, § 11 Abs. I S. 2 RhPfLPflG, § 30 Abs. 3 SächsNatSchG, § 14 Abs. 4 BerlLWaldG, § 25 Abs. 6 Saar!WaldG und§ 11 Abs. 5 SächsWaldG), teilweise das Betretungsrecht ausdrücklich nur auf private Straßen und Wege bezogen (§ 37 Abs. 3 BWNatSchG, Art. 23 Abs. 1 S. 1 BayNatSchG, § 44 Abs. 1 S. I BrandNatSchG, §§ 33 Abs. I u. 34 HambNatSchG, § 2 Abs. 1 u. 2 NdsFFOG, §§ 49 Abs. I S. 1 u. Abs. 2 S. 2 u. 50 Abs. 1 u. 2 S. 1 NWLandschG, § 36 Abs. 3 S. I SachsAnhNatSchG, § 30 Abs. 1 u. 2 SchlHLNatSchG, § 4 Abs. 2 Nr. 2 SachsAnhFFOG, § 2 1 Abs. I S. I SchlHLWaldG, § 6 Abs. 3 S. I ThürWaldG i. V. m. § 2 Abs. I I. DVOThürWaldG v. 27. 5. 1995 [GVBI. S. 299]). 355 Siehe auch Meßerschmidt, Rdnr. 2 zu § 27 BNatSchG; KolodziejcokiRecken, Rdnr. 39 zu§ 14 BWald; EngelhardtiBrenner!Fischer-Hüftle, Rdnr. 8 zu Art. 22 BayNatSchG; KloseiOif, Forstrecht, Rdnr. 35 zu§ 14 BWaldG. A. A. aber wohl Tesmer; AgrarR 1981, S. 180 (182), der das Betretungsrecht nicht auf tatsächlich öffentliche Wege anwenden will, da hier das Straßenverkehrsrecht gelte, deshalb nur die gesperrten Privatwege betreffe (sehr fraglich).

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3. Kap.: Nutzungsrahmen für Sportausübung auf öffentlichen Straßen

diskutiert worden, ob der "Wald" oder die "Flur" als öffentliche Sachen einzustufen sind356 . Jedoch ist diese Auffassung v. a. von Burgi ausführlich widerlegt worden357; insbesondere fehlt es an einer auf Grund einer Widmung bestehenden öffentlichen Sachherrschaft358. Auch soweit die Gesetze die "Ausweisung" von Reitwegen, Sportpfaden, die Einrichtung von Erholungswäldern und von Freizeitwegen oder den sog. Entmischungsplan kennen, begründen diese als rein naturschutz- bzw. waldrechtliche Instrumentarien weder die Eigenschaft als rechtlich öffentliche Sachen359 noch wirken sie sich auf die Nutzung der gewidmeten Straßen aus, die sich (bzgl. des Nutzungsstatuts) allein nach Straßenrecht richtet. Diese (sinnvolle) Sichtweise ist aber nicht unbedingt zwingend und für immer vorgegeben. Da beide Materien dem Landesrecht zuzuordnen sind, ergeben sich auch keine kompetenzrechtlichen Probleme360. Allerdings würde das Nebeneinander von straßenrechtlichem und naturschutz- bzw. waldrechtlichem Nutzungsregime schwierige Probleme hervorrufen, insbesondere bei der Einschränkungsmöglichkeit der Nutzung. Könnten dann etwa die strengen rechtsstaatliehen Anforderungen unterliegenden straßenrechtlichen Teileinziehungsverfahren361 durch weniger strenge naturschutzrechtliche Beschränkungen unterlaufen werden? Bisher stellt sich eine solche Frage auf Grund der klaren Trennung nicht. Sämtliche Länder, bis auf Mecklenburg-Vorpomrnem362, haben die Vorschrift des § 27 BNatSchG363 in unmittelbar geltendes Landesrecht umgesetzt, allerdings 356 Häufig wird das Betretungsrecht auch falschlieherweise als "Gemeingebrauch" (so z. B. von Rennert, NJW 1989, S. 3261 [3261]), "besondere Form des Gemeingebrauchs" (so Schenk, in: Peters/Schenk/Schlabach, Umweltverwaltungsrecht, Kap. 5, Rdnr. 97; Tettinger, SpuRt 1997, S. 109 [111] und Pielow, NuR 1980, S. 53 [60]), "beschränkter Gemeingebrauch" (so Lorz/ Stöcke/, in: Erbs I Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, Band III, Rdnr. 3 zu § 27 BNatSchG), "nachrangiger Gemeingebrauch" (so Schmitt, Wanderwege, S. 89) oder "gemeingebrauchsähnliches Recht eigener Art" (so Kunig, Jura 1990, S. 523 [526]) bezeichnet. Nach der Begründung wurde explizit festgestellt, daß "ein Gemeingebrauch am Wald im verwaltungsrechtlichen Sinne . . . nicht begründet worden (sei)" (vgl. BTDrucks. 7/889 v. 9. 7. 1973, S. 29; für das Waldbetretungsrecht). 357 Erholung in freier Natur, S. 77 ff. u. S. 122 ff. 358 Siehe neben Burgi, a. a. 0., auch Meßerschmidt, Rdnr. 6 zu § 27 BNatSchG; Kolodziejcok/Recken, Rdnr. 9 zu§ 14 BWaldG; Klose/Orf, Forstrecht, Rdnr. 9 zu§ 14 BWaldG und MVOVG, Beschl. v. 2. 11. 1993, LKV 1995, S. 86 (87). 359 Sie stellen auch keine Widmung zu einem öffentlichen Weg i. S. des Straßenrechts dar. Vgl. Kolodziejcok/Recken, Rdnr. 16 zu § 14 BWaldG; Koda/, in: Kodal/Krämer, Kap. 4, Rdnr. 31; Ficken, StrR in NW, Rdnr. 61 ff. zu§ 3. Ausdrücklich:§ 25 Abs. 1 S. 3 NdsFFOG. 360 Burgi, Erholung in freier Natur, S. 77. 361 Z. B. § 5 Abs. 5 S. 2 i. V. m. § 7 BWStrG, Art. 8 Abs. 1 S. 2 i. V. m. Abs. 2 ff. BayStrWG. Siehe zum Verfahren etwa Krämer, in: Kodal/ Krämer, Kap. 10, Rdnr. 22 ff. 362 Hier soll über § 16 des "Ersten Gesetzes zum Naturschutz in MV" v. 10. 1. 1992 (GVBI. S. 3) § 27 BNatSchG wohl unmittelbar gelten. Es wird (höchste) Zeit, daß hier eine Regelung erfolgt. Zu den Problemen in der "Übergangszeit": Kloepfer, Das Umweltrecht in der Deutschen Einigung, S. 152 ff. 363 §§ 35 ff. BWNatSchG, Art. 21 ff. BayNatSchG, §§ 35 ff. BeriNatSchG, §§ 44 ff. BrandNatSchG, § 34 BremNatSchG, §§ 33 ff. HambNatSchG, §§ 10 f. HessNatSchG, §§ 49 ff.

B. Der Nutzungsrahmen im Naturschutz- und Waldrecht

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mit teilweise erheblichen Unterschieden in der Systematik und v. a. auch in der inhaltlichen Reichweite. Ebenfalls umgesetzt ist § 14 BWaldG364, aber auch hier in unterschiedlichen Gesetzen und mit unterschiedlicher inhaltlicher Reichweite. 2. Die Rechtsnatur des Betretungsrechts

Die Diskussion um die Qualifizierung der Betretungsvorschriften, genauer, der landesrechtliehen Betretungsvorschriften als Grundlage subjektiv öffentlicher Rechte scheint geklärt zu sein. In Bayern ist bereits auf Grund der Einordnung des Art. 141 Abs. 3 BayVerf als Grundrecht (s. Kap. 2 B. II. l. a]) diese Frage entschieden. In den anderen Bundesländern war lange strittig, ob es sich nicht doch nur um einen reinen Rechtsreflex für den Einzelnen handelt, auf Grund einer primär objektiv öffentlich-rechtlichen Duldungspflicht für den Eigentümer oder sonstigen Nutzungsberechtigten365. Zumindest i. V. m. Art. 2 Abs. 1 GG läßt sich die subjektivrechtliche Einschätzung der Betretungsvorschriften nicht mehr ernsthaft in Frage stellen. Klar ist, daß die Rahmenvorschriften des Bundes eine solche Position nicht einräumen (konnten)366. Aber auch, soweit nach den Formulierungen der Ländervorschriften ein "Recht" des Einzelnen nicht explizit eingeräumt wird367, sondern der Erholungssuchende den Wald bzw. die Flur (wie überwiegend) nur betreten "darf'368 oder, dem Wortlaut der Rahmenvorschriften entsprechend, das Betreten NWLandschG, §§ 11 ff. RhPfLPflG, §§ 4 ff. SaarlNatSchG, §§ 29 ff. SächsNatSchG, §§ 35 ff. SachsAnhNatSchG (siehe jetzt auch §§ 3 ff. SachsAnhFFOG für Feld und Wald), §§ 30 ff. SchlHLNatSchG und§ 34 f. Vor!ThürNatSchG. Niedersachsen hat die Betretungsregelungen für Wald und die übrige freie Landschaft in §§ 1 ff. NdsFFOG zusammengefaßt. In Bremen ist über § 34 Abs. 1 S. 1 BremNatSchG, § 43 BremLStrG (für Straßen und Wege) bzw. § 34 S. 2 BremNatSchG (für die ungenutzten Grundflächen in der Flur) maßgeblich; für das Reiten (nur) § 34 Abs. 2 BremNatSchG. 364 §§ 37 ff. BWLWaldG, Art. 13 BayWaldG i. V. m. Art. 21 ff. BayNatSchG, §§ 19 ff. BrandLWaldG, § 14 BerlLWaldG, § 9 HambLWaldG, § 25 HessForstG (i. V. m. der 2. VO zur Durchführung des HessForstG [Verordnung über das Betreten des Waldes und das Reiten und Fahren im Walde] v. 13. 7. 1980, GVBI. S. 291), § 28 f. MVLWaldG, §§ 50 Abs. 2 NWLandschG und 2 ff. NWLForstG, §§ 25 ff. SaariLWaldG, §§ 11 ff. SächsWaldG, §§ 3 ff. SachsAnhFFOG, §§ 21 ff. SchlHLWaldG und§ 6 ThürWaldG (i. V. m. 1. DVOThürWaldG v. 27. 7. 1995, GVBI. S. 299). Für Niedersachsen: siehe vorstehend. Auch (auf den Wegen) im Wald ist in Bremen § 43 BremLStrG maßgeblich. 365 So wohl auch heute noch Klose/Orf, Forstrecht, Rdnr. 14 zu§ 14 BWaldG und Lorzl Stöcke/, in: Erbs I Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, Band III, Rdnr. 7 zu § 27 BNatSchG. Siehe auch VG Karlsruhe, Urt. v. 17. 8. 1982, RdL 1982, S. 276 (277); Tesmer, AgrarR 1981, S. 180 (180 f.); Wocher, RdL 1982, S. 253 (253); offengelassen von RhPfOVG, Urt. v. 21. 3. 1984, NuR 1985, S. 117 (117). 366 Deshalb sind auch die Ausftihrungen von Tesmer, AgrarR 1981, S. 180 (181 f.), verfehlt. 367 So aber (außer Bayern): § 35 BWNatSchG, § 29 Abs. 1 S. 1 SächsNatSchG, § 35 Abs. 1 S. 1 SachsAnhNatSchG. 368 § 43 Abs. 1 BremLStrG, § 10 Abs. 1 S. 1 HessNatSchG, § 2 Abs. 1 NdsFFOG, § 3 Abs. 1 SachsAnhFFOG, § 30 Abs. I SchlHLNatSchG, § 34 Abs. 1 S. 1 Vor!ThürNatSchG, 12 Neumann

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3. Kap.: Nutzungsrahmen für Sportausübung auf öffentlichen Straßen

"gestattet" ist369, gilt spätestens seit der "Reiten im Walde-Entscheidung" des BVerfG370 im Grundsatz nichts anderes 371 . Freilich ist damit noch nichts über die Reichweite des Rechts gesagt. Klar ist zunächst, daß zwischen Eigentümer und Erholungssuchenden lediglich privatrechtliehe Beziehungen bestehen. Die Gesetze räumen aber zugunsten der Erholungssuchenden eine öffentlich-rechtliche Duldungspflicht zulasten des Eigentümers oder sonstigen Nutzungsberechtigten ein, deren Hinnahme bzw. Akzeptanz zwar primär den Behörden anvertraut ist (i. ü. auch bußgeldbewehrt ist), aber insoweit privatrechtliche Wirkung hat, als daß dem Eigentümer oder sonstigen Nutzungsberechtigten auf Grund der öffentlich-rechtlichen Duldungsverpflichtung privatrechtliche Abwehransprüche, etwa aus§ 823 Abs. 1 BGB oder§ 1004 BGB, gegen den einzelnen Erholungssuchenden verwehrt sind. Da auf Grund der Betretungsvorschriften öffentlich-rechtliche Beziehungen zwischen den Erholungssuchenden und der jeweiligen für den Vollzug zuständigen Behörde bestehen372, kommt hier die Qualifizierung als subjektiv-öffentliches Recht zum Tragen. Wichtig ist dies etwa im Zusammenhang mit der Frage, ob dem Einzelnen zumindest ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung, gerichtet auf behördliches Einschreiten gegen (rechtswidrige) Sperren, zustehe73 . Nach der im Zusammenhang mit Art. 141 § 37 Abs. 1 S. 1 BWLWaldG, § 14 Abs. 1 Ber!WaldG, § 9 Abs. 1 S. 1 HambLWaldG, § 25 Abs. 1 S. 1 HessForstG, § 28 Abs. 1 MVLWaldG, § 11 Abs. 1 S. 1 RhPfLForstG, § 11 Abs. 1 S. 1 SächsWaldG, § 20 Abs. 1 SchlHLWaldG. 369 § 35 Abs. 1 S. 1 BerlNatSchG, § 44 Abs. 1 S. 1 BrandNatSchG, § 33 Abs. 1 HambNatSchG, § 49 Abs. 1 S. 1 NWLandschG, § 11 Abs. 1 S. 1 RhPfLPflG; § 4 Abs. 1 S. 1 SaarlNatSchG, § 19 Abs. 1 BrandLWaldG, § 2 NWLForstG, § 25 Abs. 1 S. 1 SaarlLWaldG, § 6 Abs. 1 S. 1 ThürWaldG. 370 Beschl. v. 6. 6. 1989, BVerfGE 80, S. 137. 371 Aus der Rspr.: BWVGH, Urt. v. 27. 2. 1995, NuR 1995, S. 462 (463; dort zusätzlich über Art. 3 Abs. 1 GG); VG Berlin, Urt. v. 26. 11. 1980, NuR 1981, S. 179 (179); SächsVerfGH, Entsch. v. 23. 1. 1997, NuR 1998, S. 248 (249); angedeutet auch von: BrandVerfG, Beschl. v. 15. 9. 1994, UPR 1995, S. 353 (353 f.). Aus der Lit.: Kolodziejcok/Recken, Rdnr. 13 zu § 14 BWaldG; Carlsen, in: Kimminich u. a. (Hrsg.), HdUR, Band I, 2. Aufl., Sp. 284; Gassner, in: Gassner u. a., Rdnr. 18 zu§ 27 BNatSchG; Pielow/Drees, Anm. 2 zu § 2 NWLForstG; wohl auch Hoppe/ Beckmann, Umweltrecht, § 18, Rdnr. 103. 372 Klargestellt von: MVOVG, Beschl. v. 2. 11. 1993, LKV 1995, S. 86 (87). Natürlich bestehen auch solche zwischen Eigentümer und Behörden. 373 Die Entscheidung über die Beseitigung steht nach dem Wortlaut der Vorschriften im Ermessen der Behörden. Vgl.: § 41 Abs. 3 S. 1 BWNatSchG, Art. 30 Abs. 3 BayNatSchG, § 36 Abs. 6 S. I Ber!NatSchG, § 35 Abs. 2 HambNatSchG, § 7 S. 1 NdsFFOG, § 32 Abs. 3 SächsNatSchG, § 30 Abs. 3 S. 2 MVLWaldG, § 4 Abs. 5 NWLForstG (dazu: VG Arnsberg, Urt. v. 14. 9. 1994, NVwZ 1995, S. 1243 [1243 f.]), § 26 Abs. 2 S. 6 SaarlLWaldG (nur Aufhebung der Sperrung), § 30 Abs. 6 SchiHLWaldG. In den anderen Gesetzen sind, soweit ersichtlich, keine spezialgesetzlichen Ermächtigungen zum Einschreiten eingeräumt worden. Soweit es sich um bauliche Anlagen handelt, gilt das Bauordnungsrecht (das auch bei o. g. Vorschriften in der Regel vorgeht); i. ü. kann gegen rechtswidrige Sperren auf Grund des allgemeinen Sicherheits- und Polizeirechts eingeschritten werden, da die Gesetze die (eigenmächtige) Sperrung als Ordnungswidrigkeit einstufen, folglich ein Verstoß gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung vorliegt (vgl. § 73 Abs. 1 Nr. 21 BrandNatSchG, § 48

B. Der Nutzungsrahmen im Naturschutz- und Waldrecht

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Abs. 3 BayVerf vertretenen Ansicht besteht bei Nichtvorliegen der Voraussetzungen für eine Sperrung in Bayern ein Anspruch auf Beseitigung gegen die Behörde, in den übrigen Ländern zumindest aber ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung. Des weiteren kann dann auch die nach § 47 Abs. 2 S. 1 VwGO erforderliche Antragsbefugnis zur Kontrolle etwa von einschränkenden Naturschutzverordnungen im Rahmen der Nonnenkontrolle nicht in Frage gestellt werden374, soweit die Länder von der Möglichkeit des§ 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO Gebrauch gemacht haben375 . Soweit dies nicht erfolgt ist, kommt die Überpriifung im Wege der Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO in Betracht, für die nach wohl h. M. über den Wortlaut hinaus eine Klagebefugnis analog § 42 Abs. 2 VwGO gefordert wird376. Auch kann zumindest mittelbar die Vereinbarkeit der Landesregelung mit den Bundesrahmenvorschriften überpriift werden 377 . Schwierig ist die Beurteilung der Frage, inwieweit ein subjektiv-öffentlicher, und damit einklagbarer Anspruch besteht auf Einrichtung etwa von Reitwegen, speziell in den Ländern, in denen diese Benutzung gänzlich von einer expliziten Zulassung i. S. eines Verbots mit Erlaubnisvorbehalt abhängig ist378 . Der in der Folge (quasi als Ausgleich) gesetzlich Abs. I Nr. 7 BremLStrG, § 70 Abs. 2 Nr. 3 NWLandschG, § 40 Abs. 1 Nr. 7 RhPfLPflG, § 57 Abs. 1 Nr. 20 SchlHLNatSchG, § 54 Abs. 2 Nr. 8 Vor!ThürNatSchG, § 84 Abs. 1 Nr. 7 BWLWaldG, § 15 Abs. 1 Nr. 4 BerlLWaldG, § 69 Abs. 1 Nr. 7 HessForstG i. V. m. § 9 Nr. 1 2. DVO zum HessForstG v. 18. 2. 1980 [GVBI. S. 96], § 52 Abs. 2 Nr. 3 MVLWaldG, § 50 Abs. 1 Nr. 1 SaarlLWa1dG, § 53 Abs. 1 Nr. 3 SächsWaldG, § 47 Abs. 1 Nr. 2 4. Var. ThürWaldG). Siehe dazu auch NWOVG, Urt. v. 20. 12. 1990, AgrarR 1991, S. 289 (289 f.) und Klose/Orf, Forstrecht, Rdnr. 113 zu§ 14 BWaldG. Zur (strittigen) Frage, ob ein Einschreiten auch die materielle Illegalität der Sperre voraussetzt: BayVGH, Urt. v. 17. l. 1983, NuR 1983, S. 239 (240; allerdings ist in Bayern die materielle Illegalität als Tatbestandsvoraussetzung in Art. 30 Abs. 3 BayNatSchG festgeschrieben); VG Amsberg, Urt. v. 14. 9. 1994, NVwZ 1995, S. 1243 (1244); Klose/Orf, Forstrecht, Rdnr. 114 zu§ 14 BWaldG. 374 Offengelassen von BWVGH, NK-Urt. v. 14. 10. 1997, VBIBW 1998, S. 225 (226). 375 Siehe die Auflistung etwa bei Kopp/Schenke, Rdnr. 23 zu§ 47 VwGO und Gerhardt, in: Schach/ Schmidt-Aßmann/ Pietzner (Hrsg.), Rdnr. 21 zu § 47 VwGO. 376 Siehe zu dieser im Detail auch äußerst umstrittenen Frage nur Kopp I Schenke, Rdnr. 22 zu § 43 VwGO u. Rdnr. 63 zu § 42 VwGO. 377 BVerfG, Beschl. v. 6. 6. 1989, BVerfGE 80, S. 137 (153 ff.). 378 § 35 Abs. 2 Ber!NatSchG (Reiten), § 2 Abs. 2 NdsFFOG, § 50 Abs. 2 S. 1 NWLandschG (Reiten),§ 20 Abs. 3 S. 1 BrandLWaldG, § 28 Abs. 6 S. 1 MVLWaldG, § 12 Abs. 1 S. 1 SächsWaldG. In Berlin ist das Reiten im Wald nur auf den vom Waldbesitzer freigegebenen und gekennzeichneten Straßen und Wegen gestattet (§ 14 Abs. 3 S. 1 BerlLWaldG); - eine im Hinblick auf die Rahmenvorschrift des § 14 BWaldG äußerst problematische Regelung. Burgi (Erholung in freier Natur, S. 106) meint unter Berufung auf das BVerfG (Beschl. v. 6. 6. 1989, BVerfGE 80, S. 137 [161 ff.]), daß es sich bei diesen Regelungen nicht um "Verbote mit Erlaubnisvorbehalt" handele. Vielmehr führten sie lediglich zu einer Abmilderung der generell bestehenden Beschränkung. Dies beruht aber auf einer Verkennung der Entscheidung des BVerfG, die lediglich feststellt, daß es sich bei § 50 Abs. 2 S. 1 NWLandschG nicht um ein "Verbot mit Erlaubnisvorbehalt" in dem vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Sinne handelt (BVerfG, a. a. 0., S. 162; zu diesem: BVerfG, a. a. 0 ., S. 161). Zuzugeben ist allerdings, daß es sich nicht um ein klassisches Verbot mit Erlaubnisvorbehalt handelt, denn (wie noch zu zeigen sein wird) besteht nur ein Verbot des 12*

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3. Kap.: Nutzungsrahmen für Sportausübung auf öffentlichen Straßen

erteilte Auftrag zur Ausweisung ausreichender Reitwege ist in den Gesetzen lediglich als objektiv-rechtliche Verpflichtung statuiert379, weshalb ein mit verwaltungsgerichtlicher Klage380 durchsetzbarer Anspruch auf Ausweisung von Reitwegen, abgesehen vielleicht von dem Fall, daß die Möglichkeit des Reitens faktisch in einem Bundesland überhaupt nicht mehr gewährleistet wird, in der Regel nicht eingeräumt wird381 .

3. Der Inhalt der öffentlich-rechtlichen Betretungsvorschriften

a) Das "Betreten" Beide bundesrechtlichen Rahmengesetze regeln das Betreten zum Zwecke der Erholung (§ 14 Abs. 1 S. 1 BWaldG und § 27 Abs. 1 BNatSchG). Übereinstimmend ist damit nicht nur das Betreten zu Fuß (inklusive der sportlichen Varianten wie Gelände- und Langlauf, auch das sog. Joggen)382 gemeint. Vielmehr ist Betreten in einem weiteren Sinne383 zu verstehen und schließt das Reiten, Ruhen, Drachensteigen, das Mitführen eines Kinderwagens, v. a. auch neben dem Reiten andere sportliche Betätigungen, wie das Radfahren (inklusive des Fahrens mit "Mountain-Bikes"), Ski- und Schlittenfahren, Ballspiele und Federball, mit ein, alReitens unter Berufung auf die Ausgestaltung des öffentlich-rechtlichen Betretungsrechts. Anders sieht es dagegen bei einer Gestattung durch den Eigentümer auf privatrechtlicher Grundlage aus. Das ist eben gerade der entscheidende Unterschied zu den gewidmeten Straßen. 379 § 50 Abs. 7 NWLandschG, § 28 Abs. 6 S. 2 u. 3 MVLWaldG, § 12 Abs. 1 S. 2 SächsWaldG. Siehe auch§ 39 Abs. 1 S. 1 BWLWaldG, § 12 Abs. 2 u. 3 RhPfLForstG, § 27 Abs. 2 S. 1 SaarlLWaldG, § 5 Abs. 2 S. 2 u. Abs. 3 S. 1 SachsAnhFFOG und § 21 Abs. 2-4 SchlHLWaldG. 380 In Form der Verpflichtungsklage, da die Ausweisung in der Regel durch Allgemeinverfügung i. S. v. § 35 S. 2 VwVfG erfolgt. Vgl. ausdrücklich§ 26 Abs. 3 S. I NdsFFOG. Siehe ausführlich: HessVGH, Beschl. v. 16. 6. 1989, NuR 1990, S. 378 (378 ff.); dies., Beschl v. 16. 6. 1989, NuR 1990, S. 380 (380); dies., Beschl. v. 24. 2. 1998, NuR 1999, S. 112 (112); jeweils für den sog. Entmischungsplan auf der Grundlage des§ 25 Abs. 5 HessForstG. 381 Das BVerfG (Beschl. v. 6. 6. 1989, BVerfGE 80, S. 137) meint zurecht, daß bei der Erfüllung der Verpflichtung nach § 50 Abs. 7 NWLandschG letztlich ein staatlicher Planungsakt zugrundeliegt, der "einer konkreten normativen Vorherbestimmung und der Einräumung eines Rechtsanspruchs auf Zuweisung bestimmter Wege an den Reiter nicht zugänglich ist" (BVerfG, a. a. 0 ., S. 162). 382 Vgl. nur Gassner, in: Gassner u. a., Rdnr. 10 zu § 27 BNatSchG. 383 Siehe für§ 14 BWaldG: Begründung v. 9. 7. 1973, BT-Drucks. 7/889, S. 29 ("der Begriff Betreten ist im weiten Sinne zu verstehen"). Für § 27 BNatSchG: Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung, BRat-Drucks. 311/72 v. 30. 5. 1972, S. 38. A. A. zu unrecht Lorz/Stöckel, in: Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, Band III, Rdnr. 3 zu § 27 BNatSchG und für das Reiten Klose/Orf, Forstrecht, Rdnr. 122 zu§ 14 BWaldG. Für Reiten als "Betreten" i. S. v. § 14 BWaldG auch RhPfOVG, Urt. v. 21. 3. 1984, NuR 1985, s. 117 (118).

B. Der Nutzungsrahmen im Naturschutz- und Waldrecht

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so auch das Mitführen und Benutzen von Sportgeräten384. Ob es sich im Detail nun dabei um echtes Betreten handelt oder um betretungsgleiche Benutzungen, ist eine müßige Abgrenzung, die allerdings im Bundesgesetz bereits angelegt ise85 . Besser wäre es, allgemein von Benutzungen zu sprechen386• Nach beiden Vorschriften sollen allerdings motorbetriebene Fahrzeuge, folglich auch der gesamte Motorsport, nicht mehr zum Betreten selbst im weitesten Sinne gehören387 . Der Regelungsrahmen für die Bundesländer ist in beiden Vorschriften unterschiedlich ausgefallen, wenngleich das BVerfG (unzutreffenderweise) davon ausgeht, daß "beide Vorschriften in ihrem sachlichen Inhalt übereinstimmen" 388• Bereits der Wortlaut statuiert unterschiedliche Vorgaben für den Landesgesetzgeber. Das BWaldG macht drei wichtige Vorgaben: Zum einen verpflichtet es dazu, das Betreten zu Fuß, das Radfahren und das Reiten überhaupt zu ermöglichen389. Zum 384 Siehe Kolodziejcok/Recken, Rdnr. 9 zu § 14 BWaldG, Gassner, in: Gassner u. a., Rdnr. 10 ff. zu § 27 BNatSchG und Carlsen, in: Kimminich u. a. (Hrsg.), HdUR, Band I, 2. Aufl., Sp. 281. Spezielle "Sportbenutzungsregelungen" enthalten § 20 BrandLWaldG und Art. 24 BayNatSchG, der über Art. 13 BayWaldG auch im Wald gilt. Siehe auch Begründungen zu den Gesetzentwürfen der Bundesregierung: BT-Drucks. 7/889 v. 9. 7. 1973, S. 29 (zum Waldbetretungsrecht) und BRat-Drucks. 311172 v. 30. 5. 1972, S. 38 (zum naturschutzrechtlichen Betretungsrecht). Kaum nachvollziehbar Burgi, Erholung in freier Natur, S. 92, der meint, daß ein Lauftreff oder Volkslauf nicht mehr zu den zulässigen Benutzungsarten gehören soll (den Erholungszweck akzeptiert er in diesen Fällen). 385 Vgl. speziell für das Reiten und Radfahren: BT-Drucks. 7/3016 v. 19. 12. 1974, S. 3 u. 4. Diese Unklarheiten kommen auch in den Landesgesetzen zum Tragen. Beispiel Radfahren: Nach § 30 Abs. 2 Nr. 2 SächsNatSchG ist das Radfahren explizit "Betreten" (ebenso § 4 Abs. 1 S. 4 SaarlNatSchG und wohl auch in § 34 VorlThürNatSchG), nach § 35 Abs. 1 S. 2 BerlNatSchG dem Betreten "gleichgestellt" (ebenso § 33 Abs. 2 HambNatSchG), in § 44 Abs. 2 BrandNatSchG gilt das Betretungsrecht "sinngemäß" (ebenso § 49 NWLandschG) und in § 30 Abs. 2 Sch1HLNatSchG ist das Radfahren als eigenständige (zulässige) Benutzungsart bezeichnet. Die Bundesregierung ging in den jeweiligen Begründungen aber eindeutig davon aus, daß zum "Betreten" etwa auch das Reiten, Radfahren, die Benutzung von Skiern etc. gehört. Vgl. BT-Drucks. 7/889 v. 9. 7. 1973, S. 29 (zum Waldbetretungsrecht) und BRat-Drucks. 311/72 v. 30. 5. 1972, S. 38 (zum naturschutzrechtlichen Betretungsrecht). 386 Siehe auch BVerwG, Urt. v. 31. 5. 1985, BVerwGE 71, S. 324 (326), das von Benutzungsarten spricht und Überschrift etwa zu§ 14 BerlLWaldG. 387 Siehe nur Begründung zum Waldbetretungsrecht, in: BT-Drucks. 7 I 889 v. 9. 7. 1973, S. 29. Wie die Klarstellung in der Begründung zeigt, ist es jedenfalls nicht völlig abwegig, dem Motorsport einen Bezug zum Betretungsrecht zu geben. Auch sahen sich einige Landesgesetze dazu veranlaßt, hier klarstellende Vorschriften aufzunehmen. Siehe etwa § 38 Abs. 1 BWNatSchG, Art. 23 Abs. 1 BayNatSchG, § 43 Abs. 1 S. 1 BremLStrG, § 33 Abs. 2 HambNatSchG, § 2 Abs. 1 NdsFFOG, § 4 Abs. 1 S. 3 SaarlNatSchG, § 30 Abs. 2 Nr. 1 u. 2 SächsNatSchG, § 36 Abs. 2 u. 3 SachsAnhNatSchG, § 14 Abs. 4 BerlLWaldG, § 20 Abs. 1 BrandLWaldG, § 9 Abs. 1 S. 1 u. 2 HambWaldG, § 28 Abs. 5 u. Abs. 7 S. 3 MVLWaldG, § 2 NWLForstG, § 4 Abs. 1 S. 1 SachsAnhFFOG, § 22 Abs. 1 SchlHLWaldG und § 6 Abs. 7 S. 1 ThürWaldG. Siehe auch VG Regensburg, Urt. v. 17. 3. 1998, NuR 1999, S. 174 (175). 388 BVerfG, Beschl. v. 6. 6. 1989, BVerfGE 80, S. 137 (159). Siehe auch Gassner, in: Gassner u. a., Rdnr. 2 zu § 27 BNatSchG. 389 BVerwG, Urt. v. 31. 5. 1985, BVerwGE 71, S. 324 (326); BrandOVG, Urt. v. 5. 12. 1996, SpuRt 1999, S. 120 (121). Problematisch § 14 Abs. 3 S. 1 BerlLWaldG. Nach

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3. Kap.: Nutzungsrahmen für Sportausübung auf öffentlichen Straßen

anderen verpflichtet es die Länder dazu, das Radfahren, das Fahren mit Krankenfahrstühlen und das Reiten nur auf Straßen und Wegen zu gestatten, nicht aber außerhalb dieser Flächen (§ 14 Abs. 1 S. 2 BWaldG)390, und zuletzt müssen sich Einschränkungen des Betretungsrechts an die in § 14 Abs. 2 BWaldG angeführten Gesichtspunkte halten391 . Innerhalb dieses Rahmens des § 14 BWaldG sind die Länder frei, Regelungen auch mit Wirkung gegenüber den Eigentümern oder sonstigen Nutzungsberechtigten zu treffen, insbesondere können sie auch andere Benutzungsarten ganz oder teilweise dem Betreten gleichstellen (§ 14 Abs. 2 a. E. BWaldG). § 27 BNatSchG macht den Landesgesetzgebern dagegen weniger strenge Vorgaben, wie bereits Abs. 3 zum Ausdruck bringt. Allerdings gilt auch hier, daß sich Beschränkungen des Betretungsrechts an den in Abs. 2 S. 2 genannten Belangen orientieren müssen. Obwohl § 27 BNatSchG auch nach dem Willen des Gesetzgebers392 keine zwingende Vorgabe "nach oben" mit dem Inhalt enthält, daß das Reiten, das Fahren mit Krankenfahrstühlen und das Radfahren durch die Länder nur auf Straßen und Wegen gestattet werden darf393 , haben die Länder in ihren Vorschriften entschieden, überwiegend eine entsprechende, teilweise aber differenzierende Beschränkung vorzunehmen 394. Jedenfalls läßt sich aber auch für das Naturdieser Vorschrift ist das Reiten nur auf den Wegen zulässig, die durch (ausdrückliche) Kennzeichnung und Freigabe durch den Waldbesitzer ausgewiesen sind. Eine solche Regelung sichert nicht die öffentlich-rechtliche Grundbefugnis zum Reiten im Walde. 390 Speziell zum Reiten: BVerfG, Seschi v. 6. 6. 1989, BVerfGE 80, S. 137 (158). 391 BVerfG, a. a. 0., S. 158; BrandOVG, Urt. v. 5. 12. 1996, SpuRt 1999, S. 120 (121). 392 Ziel der Regelungen in § 27 f. BNatSchG war es primär einen bundesrechtlich gesicherten ,,Minimalstandard" zu gewährleisten. Vgl. BRat-Drucks. 311172 v. 30. 5. 1972, S. 39 und BT-Drucks. 7/3879 v. 24. 7. 1975, S. 28. 393 Diese Benutzungen sind in § 27 BNatSchG nicht erwähnt, nach dem Willen des Gesetzgebers aber von dieser Vorschrift umfaßt. Diese Benutzungen sollen zum "Betreten" gehören. Vgl. BRat-Drucks. 311/72 v. 30. 5. 1972, S. 38. 394 § 35 Abs. 3 BWNatSchG, Art. 23 Abs. 1 S. 1 BayNatSchG, § 35 Abs. 2 Ber!NatSchG (für das Radfahren und Fahren mit Krankenfahrstühlen gilt hier Abs. 1 S. 2, weshalb beide Benutzungen auch außerhalb der Wege gestattet sind), § 44 Abs. 2 S. 1 BrandNatSchG (sehr problematisch § 44 Abs. 2 S. 2 BrandNatSchG, wonach das Reiten auch auf Wegen unzulässig ist, allerdings widersprüchlicherweise in § 51 Abs. 3 S. 1 andererseits wohl vorausgesetzt ist. Auch das BrandVerfG [Beschl. v. 15. 9. 1994, UPR 1995, S. 353 f.] scheint sich nicht ganz sicher zu sein über die einfach-rechtliche Rechtslage, konnte dies jedoch offenlassen. Sollte das Reiten in Brandenburg generell unzulässig sein, so sind die Regelungen verfassungswidrig), §§ 34 Abs. I BremNatSchG i. V. m. 43 Abs. 1 S. 1 BremLStrG (für Fahrräder und Krankenfahrstühle) bzw. § 34 Abs. 2 (für das Reiten, das auf den Wegen, aber auch auf speziell gekennzeichneten Grundflächen zugelassen ist), §§ 33 Abs. 2 und 34 HambNatSchG (keine Beschränkung auf Wege), § 10 Abs. I S. 2 HessNatSchG (Wegebeschränkung nur für das Reiten), § 2 Abs. 1 u. 2 NdsFFOG, §§ 49 Abs. 2 S. l u. 2 bzw. 50 Abs. l NWLandschG (Krankenfahrstühle auch außerhalb der Wege), § 4 Abs. 1 S. 4 Saar!NatSchG (nur im Wald beschränkt auf Wege; im Umkehrschluß in der freien Landschaft auch außerhalb der Wege), §§ 30 Abs. 2 Nr. 2 und 31 Abs. 2 S. l SächsNatSchG, § 36 Abs. 2 u. 3 SachsAnhNatSchG (nur für das Reiten keine Beschränkung auf Wege), § 30 Abs. 2 SchlHLNatSchG und zuletzt

B. Der Nutzungsrahmen im Naturschutz- und Waldrecht

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schutzrecht vertreten, daß das Bundesrecht zumindest "nach unten" diese Benutzungen sichert, indem die Länder das Reiten, Radfahren etc. auf Grund bundesrechtlicher Vorgaben nicht ganz ausschließen dürfen 395 . Auf Details und dogmatische Facetten in den Bundesländern kann hier nicht eingegangen werden, da die Bundesländer sehr unterschiedliche Regelungen bezüglich der vom Benutzungsrecht umfaßten Betätigungen sowie ihrer konkreten Verteilung statuiert haben396. Festzustellen ist aber, daß die Vorschriften, bundesrechtlich durch§§ 27 BNatSchG und 14 BWaldG gesichert, auch die für die vorliegende Untersuchung interessierenden sportlichen Bereiche (abgesehen vom Motorsport) jedenfalls auf den Straßen und Wegen mit umfassen.

b) Der Erholungszweck

Auf Grund der allgemeinen Zielsetzung von Naturschutz- und Landschaftspflegerecht bzw. des Zwecks des Waldrechts, (auch) der Erholung der Bevölkerung zu dienen397, ist es konsequent, daß die Benutzung im Rahmen der Betretungsvorschriften auf Zwecke der Erholung in den Gesetzen beschränkt ist398• Der "Erholungszweck" ist ähnlich wie der "Verkehrszweck" im Straßenrecht die (unbestimmte) Voraussetzung, die sachgerechte Lösungen teilweise erschwert. Die Schwierigkeit des Erholungsbegriffs wurde bereits im Gesetzgebungsverfahren erkannt, v. a. auch die tatsächliche Schwierigkeit der Kontrolle, weshalb der Bundes§ 34 Abs. 6 VoriThürNatSchG (nur bei Befahren mit Fahrrädern beschränkt sich Benutzungsrecht auf die Straßen und Wege). 395 So ist wohl die Begründung zu verstehen, indem ein "Minimalstandard" gesichert werden sollte. Vgl. BRat-Drucks. 311172 v. 30. 5. 1972, S. 39. 396 Siehe speziell zu den Reitvorschriften aus neuerer Zeit: Marx, RdL 1996, S. 85 (alte Länder) bzw. S. 144 (neue Länder). 397 § 1 Abs. l a. E. BNatSchG, § 1 Abs. 1 BWNatSchG, § 1 Abs. l a. E. BremNatSchG, § l Abs. 1 a. E. NdsNatSchG, § 1 Abs. 1 a. E. NWLandschG, § 1 Abs. I RhPfLPfiG, § 1 Abs. l a. E. SachsAnhNatSchG, (die anderen Bundesländer verweisen in ihren Naturschutzgesetzen auf die Bundesregelung), § 1 Nr. 1 BWaldG, § 1 Nr. I BWLWaldG, Art. 1 S. 3 Nr. 5 BayWaldG, § 1 Nr. I BeriLWaldG, § 1 Abs. I BrandLWaldG, § 1 Abs. 2 MVLWa1dG, § 1 NdsLWaldG, § 1 Nr. I RhPfLForstG, § 1 Nr. 1 SaarlLWaidG, § I Nr. 1 SächsWaldG, § 1 Nr. I SachsAnhLWaldG, § 1 Abs. I SchiHLWaldG und§ 1 Nr. 6 ThürWaldG. 398 § 27 Abs. 1 BNatSchG, § 37 Abs. 1 S. 1 BWNatSchG, § 35 Abs. 1 S. 1 Ber!NatSchG, § 44 Abs. l S. 1 BrandNatSchG, § 34 Abs. 1 S. 1 BremNatSchG i. V. m. § 43 Abs. 1 S. 1 BremLStrG, § 33 Abs. l HambNatSchG, § 10 Abs. 1 S. 1 HessNatSchG, § 49 Abs. 1 S. 1 NWLandschG, § 11 Abs. 1 S. 1 RhPfLPfiG, § 4 Abs. 1 S. 1 SaariNatSchG, § 30 Abs. I S. 1 SächsNatSchG, § 36 Abs. 1 S. 1 SachsAnhNatSchG bzw. § 3 Abs. I SachsAnhFFOG, § 30 Abs. 1 SchlHLNatSchG, § 34 Abs. I S. 1 Vor!ThürNatSchG, § 14 Abs. I S. 1 BWaldG, § 37 Abs. I S. 1 BWLWaldG, § I4 Abs. 1 BerlLWaldG, § 9 Abs. 1 S. 1 HambLWaldG, § 25 Abs. 1 S. 1 HessForstG, § 28 Abs. 1 S. 1 MVLWaldG, § 2 Abs. 1 NWLForstG, § 11 Abs. 1 S. 1 RhPfLForstG, § 25 Abs. 1 S. 1 Saar1LWaldG, § 11 Abs. 1 S. 1 SächsWaldG, § 20 Abs. 1 SchlHLWaldG und § 6 Abs. 1 S. 1 ThürWaldG.

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3. Kap.: Nutzungsrahmen für Sportausübung auf öffentlichen Straßen

rat in seiner Stellungnahme zum Gesetzentwurf der Bundesregierung für das BWaldG vorgeschlagen hat, auf diese Begrenzung zu verzichten399, was aber, wie gesehen, keinen Niederschlag in den Gesetzen gefunden hat. Problematisch im Zusammenhang mit der Begrenzung der Wald- und Flurbenutzung auf Zwecke der Erholung, sind ähnlich wie im Straßenrecht, folgende Fragen: Ist wegen des "Zweckerfordemisses" für die Erholung ein streng subjektivierter Maßstab anzulegen oder kann, wie heute überwiegend von der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte bezüglich des straßenrechtlichen "Verkehrszwecks" vertreten wird (siehe Kap. 3 A. II. 2. a] dd]), auch hier auf das äußere Erscheinungsbild abgestellt werden, um eine ohnehin müßige Motivforschung zu vermeiden. Weiterhin stellt sich die Frage, wie beherrschend der Erholungszweck sein muß. Sind Nebenmotive ausgeschlossen? Muß der Erholungszweck der überwiegende Zweck sein? Akzeptiert man die Definition, wonach Erholung ,jede Art geistigen, seelischen und körperlich-gesundheitlichen Wohlbefindens ist, das mit dem Erlebnis in der Landschaft oder dem Aufenthalt und der Betätigung in der Landschaft im Zusammenhang steht"400, so lassen sich problemlos weitere "Zwecke" als noch vom Erholungszweck der Naturschutz- und Waldgesetze umfaßt ansehen, wie insbesondere der hier interessierende sportliche Aspekt401 . Einige Gesetze haben dies auch explizit klargestellt402. Im übrigen akzeptieren die Gesetze auch die Kennzeichnung von sog. Sportpfaden403 im Rahmen der Ausübung des Betretungsrechts. Dies setzt aber konsequenterweise voraus, daß der Sport zur "Erholung" i. S. der Gesetze gehört. Auch im Hinblick auf das in den Landesverfassungen bestehende Staatsziel "Sport" kann ernsthaft ein (genereller) Ausschluß des sportlichen Motivs nicht mehr begründet werden. Auch andere Motive sind nicht ausgeschlossen. Das waldund naturschutzrechtlich teilweise problematisierte Betreten durch ein Liebespaar, das Beobachten von Tieren und Pflanzen aus naturkundlichem Interesse oder um der Verfolgung künstlerischer Zwecke willen, zeigt nur, daß die Bedenken gegenBT-Drucks. 7/889 v. 9. 7. 1973, S. 37. So die Definition von Burgi, Erholung in freier Natur, S. 91. 401 Das ist heute im Grundsatz nicht mehr ernsthaft in Frage gestellt. Vgl. etwa Carlsen, in: Kimminich u. a. (Hrsg.), HdUR, Band I, 2. Auf!., Sp. 281; Tumer/Wemer, SpuRt 1997, S. 51 (53 f.); Smollich, DVBI. 1990, S. 454 (458), Kloepfer, Umweltrecht, § 11, Rdnr. 108; Emig, RdL 1989, S. 143 (144), Kolodziejcok/Recken, Rdnr. 10 zu § 14 BWaldG; Engelhardt/Brenner/Fischer-Hüftle, Rdnr. 2 zu Art. 24 BayNatSchG; Burgi, Erholung in freier Natur, S. 91; Hoppe/Beckmann, Umweltrecht, § 18, Rdnr. 103; Wacher, RdL 1982, S. 253 (253); Tesmer, AgrarR 1981, S. 180 (181). Aus der Rspr. etwa BWVGH, NK-Beschl. v. 14. 10. 1997, VBlBW 1998, S. 225 (228); VG Berlin, Urt. v. 26. 11. 1980, NuR 1981, S. 179 (179) und VG Arnsberg, Urt. v. 14. 9. 1994, NVwZ 1995, S. 1243 (1243 f.). A. A. aber wohl Gassner, in: Gassner u. a., Rdnr. 16 zu § 27 BNatSchG und BayVGH, Beschl. v. 7. 6. 1977, NuR 1980, S. 25 (26). 402 Siehe Art. 24 BayNatSchG, § 20 Abs. 2 S. 1 BrandLWaldG, § 28 Abs. 7 S. I MVLWaldG, § 6 Abs. 7 S. 2 ThürWaldG. 403 § 34 Abs. 2 BremNatSchG, § 31 Abs. 2 SächsNatSchG, § 9 Abs. I S. 2 HambLWaldG, § 4 Abs. 2 der 2. DVO zum HessForstG (v. 18. 2. 1980, GVBI. S. 291; betr. Waldsportanlagen), § 28 Abs. 6 S. 4 MVLWaldG, § 11 Abs. 1 S. 2 SächsWaldG. 399

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B. Der Nutzungsrahmen im Naturschutz- und Waldrecht

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über einer zu "subjektivierten" Sichtweise eines Erholungszwecks nicht unbegründet waren, aber heute wohl (endlich) als überwunden gelten kann, was bereits aus Praktikabilitätsgründen richtig ist404 , denn dieses Merkmal wollte sicher keine Motivforschung veranlassen. Insoweit erscheint es aber zumindest sinnvoll, hier klarstellend zu formulieren. Denn gerade die teilweise restriktivere Rechtsprechung nutzt den ,,Erholungszweck" als einschränkendes Merkmal. In Niedersachsen sollte in §§ 7 ff. des Sportgesetzes405 nach den Vorstellungen des Gesetzentwurfs das Recht zur Sportausübung klargestellt werden, um die bestehenden Rechtsunsicherheiten zu Lasten der Sportausübung zu beseitigen406. Beispielsweise meinte der BWVGH im Zusammenhang mit der Beurteilung der Zulässigkeit einer Schleppjagd eines Reitvereins, daß diese primär vom sportlichen Aspekt und nicht vom Erholungszweck geprägt sei407 . Unabhängig von der Richtigkeit des Ergebnisses ist jedenfalls der Erholungszweck nicht das richtige "Einfallstor", um anscheinend nicht gewollte sportliche Aktivitäten auszuschließen. Für die Ausübung des Motorsports wurde bereits im Zusammenhang mit dem verfassungsrechtlichen Betretungsrecht des Art. 141 Abs. 3 BayVerf angesprochen, daß der "Erholungszweck" nicht generell der dogmatische Anknüpfungspunkt sein kann, um naturbelastende Erholungsarten auszuschließen408 • Der ,,Zielkonflikt" der Gesetze zwischen der Bewahrung der Natur in ihrer ursprünglichen Form und der Erholung des Menschen409, oder allgemeiner die Problematik des anthropozentrischen Bezugs des Naturschutzes kann jedenfalls nicht durch eine "naturnahe" Interpretation des Erholungsbegriffs gelöst werden und ist im übrigen auch von Art. 20a GG so nicht gefordert410. Anderes gilt nur dann, wenn die Gesetze explizit eine Ein404 Carlsen, in: Kimminich u. a. (Hrsg.), HdUR, Band I, 2. Aufl., Sp. 280 f.; Kolodziejcok/Recken, Rdnr. lO zu § 14 BWa1dG; Tesmer, AgrarR 1981, S. 180 (182); Wacher, RdL 1982, S. 253 (253); Emig, RdL 1989, S. 143 (144); Klose/Orf, Forstrecht, Rdnr. 24 zu § 14 BWaldG und auch Burgi, Erholung in freier Natur, S. 91 f. 405 V. 5. 2. 1996, LT-Drucks. 13/1712. 406 Vgl. Begründung zu Abschnitt III des Entwurfs v. 5. 2. 1996, LT-Drucks. 13 /1712, s. 8. 407 Urt. v. 27. 2. 1995, NuR 1995, S. 462 (463). Diese Entscheidung ist insgesamt sehr fragwürdig. Einerseits soll die dort zu beurteilende Schleppjagd nicht mehr vom Betretungsrecht umfaßt sein, andererseits akzeptiert das Gericht, daß die Untersagungsverfügung der Behörde auf§ 40 BWNatSchG gestützt wird, eine Vorschrift, die nach ihrem Wortlaut aber von einem grundsätzlich zulässigen Betreten ausgeht, also das Bestehen eines Betretungsrechts voraussetzt. Ist die Nutzung aber bereits von den normativen Betretungsvorschriften nicht gedeckt, hätte die Untersagungsverfügung (wohl) auf§ 5 Abs. 1 BWNatSchG gestützt werden müssen. Allgemein sollen in Baden-Württemberg vom Erholungszweck des Betretungsrechts nur "extensive" Formen der Erholung umfaßt sein. Vgl. BWVGH, NK-Beschl. v. 14. IO. 1997, VBIBW 1998, S. 225 (228). So wohl auch Klose/Orf, Forstrecht, Rdnr. 26 zu § 14BWaldG. 408 Siehe im Zusammenhang mit dem Waldbetretungsrecht auch Burgi, Erholung in freier Natur, S. 92. 409 Kloepfer, Umweltrecht, § 11, Rdnr. 107, meint, daß durch das Erholungsziel der Gesetze unter der Flagge des Naturschutzes eine Aktivität akzentuiert werde, die jedenfalls auch naturschädigend wirken könne.

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3. Kap.: Nutzungsrahmen für Sportausübung auf öffentlichen Straßen

schränkung auf einen naturbezogenen und naturverträglichen Erholungszweck vornehmen411. Nur dann ist die "Verträglichkeit" bereits Inhalt des Erholungsbegriffs. Auch führen berufliche Motive als Grund für "das Betreten" nicht zwangsläufig zum Ausschluß des Betretungsrechts412 . Einem (berufsmäßigen) Leistungssportler kann wohl kaum (ernsthaft) verwehrt werden, zur Durchführung eines Lauftrainings Wald und Flur zu betreten413 . Klar ist allerdings, daß (erkennbare) gewerbliche Zwecke (so auch im Straßenrecht), wie etwa das Aufstellen und/oder der Betrieb von Verkaufsständen, nicht mehr zu den zulässigen Betretungsgriinden gehören414, wenngleich sich aber hier die Unzulässigkeit bereits aus dem mitgeführten Verkaufsstand ergibt. Dadurch läßt sich das Verhalten nicht mehr als "Betreten" charakterisieren, da die Gesetze in erster Linie das Mitführen und Benutzen von sportlichen Gerätschaften als noch vom "Betreten" gedeckt ansehen, nicht jedoch einen Verkaufsstand. Ein weiteres hier interessierendes Problem ist die ebenfalls am Erholungsbegriff festgemachte Diskussion um die Zulässigkeit von organisierten Veranstaltungen. Vom privaten Lauftreff über den Volkslauf bis hin zum Meisterschaftswettbewerb reichen die Veranstaltungen in Wald und Flur. Bezüglich der Zulässigkeit solcher Veranstaltungen werden als entscheidende Abgrenzungsmerkmale angesehen, ob sie ihr Gepräge noch vom Erholungszweck erhalten oder (überwiegend) kommerziellen, unterhalterischen, beruflichen oder wettkampfsportliehen Interessen dienen415. Jedenfalls wird richtig darauf hingewiesen, daß die Frage der Organisation selbst kein entscheidendes Kriterium sein kann416, denn gerade bei organisierten Veranstaltungen handelt es sich häufig um gemeinsame Erholungsvorhaben417 . Es 410 In der Sache ist in Art. 20a GG (wohl) zugunsten eines anthropozentrischen Bezuges des Staatsziels Umweltschutz entschieden worden. V gl. Scholz, in: Maunz/ Dürig I Herzog, Band II, Rdnr. 39 zu Art. 20a GG. 411 So § 4 Abs. I S. I SaarlNatSchG, § 30 Abs. 1 SchlHLNatSchG und § 6 Abs. I S. I ThürWaldG. 412 So aber wohl OLG Düsseldorf, Beschl. v. 21. 1. 1985, NuR 1985, S. 199 (200). 413 Emig, RdL 1989, S. 143 (144) und Tesmer, AgrarR 1981, S. 180 (182) bezeichnen denn auch eine solche (denkbare) Einschränkung als "unsinnig" bzw. nach Wocher, RdL 1982, S. 253 (253) wäre dies "lebensfremd". 414 So bereits die Begründung BT-Drucks. 7/889 v. 9. 7. 1973, S. 42. Der Ausschluß von (erkennbar) gewerblichen Zwecken entspricht allgemeiner Meinung. Vgl. Kolodziejcok/Rekken, Rdnr. 10 zu§ 14 BWaldG, Klose/Orf, Forstrecht, Rdnr. 25 zu§ 14 BWaldG; Gassner, in: Gassner u. a., Rdnr. 16 zu§ 27 BNatSchG; Engelhardt/Brenner/Fischer-Hüftle, Rdnr. 2 zu Art. 21 BayNatSchG; Carlsen in: Kimminich u. a. (Hrsg.), HdUR, Band I, 2. Aufl., Sp. 281; Wocher, RdL 1982, S. 253 (254). 415 BWVGH, Urt. v. 27. 2. 1995, NuR 1995, S. 462 (463); Carlsen, in: Kimminich u. a. (Hrsg.), HdUR, Band I, 2. Aufl., Sp. 281; Kolodziejcok/Recken, Rdnr. 10 zu§ 14 BWaldG; Gassner, in: Gassner u. a., Rdnr. 16 f. zu § 27 BNatSchG, Friedlein/Weidinger/Graß, Anm. I zu Art. 27 BayNatSchG; Klose/Orf, Forstrecht, Rdnr. 26 zu§ 14 BWaldG. 416 So Kolodziejcok/Recken, Rdnr. 10 zu§ 14 BWaldG. 417 So Engelhardt/Brenner/Fischer-Hüftle, Rdnr. 1 f. zu Art. 27 BayNatSchG und auch Kolodziejcok!Recken, Rdnr. 10 zu§ 14 BWaldG bzgl. eines organisierten Ausreitens.

B. Der Nutzungsrahmen im Naturschutz- und Waldrecht

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kann auch nicht entscheidend sein, welche Zwecke der Veranstalter verfolgt, denn das Gesetz stellt entscheidend darauf ab, ob sich ein "Jedermann" erholt. Entscheidend sind also die anhand des äußeren Erscheinungsbildes erkennbaren Motive und Zwecke der Teilnehmenden und nicht die des Veranstalters418, weshalb das erstere Kriterium auch der entscheidende Anknüpfungspunkt sein muß419. Folglich kommt es darauf an, ob die Teilnehmenden bei wertender Betrachtungsweise sich noch "erholen" oder ob bereits andere Zwecke im Vordergrund stehen. Dies hängt vom Einzelfall ab und ist einer generellen Beurteilung entzogen. Die Teilnehmer echter sportlicher Wettkämpfe, etwa i. S. eines Meisterschaftswettbewerbs, lassen sich im Ergebnis wohl auch objektiv nicht mehr als "Erholende" bezeichnen420. Die "Größe" einer Veranstaltung ist freilich kein geeignetes Kriterium für die Beurteilung des "Erholungszwecks"421 . Die "Größe" i. S. einer hohen Teilnehmerzahl kann in erster Linie ein Verträglichkeitsproblem sein, mit der Folge, daß gegebenenfalls besondere Vorkehrungen getroffen werden müssen, etwa zum Schutz anderer Erholungssuchender bzw. zur Sicherung der Interessen des Eigentümers. Deshalb ist es durchaus konsequent, wenn die Gesetze organisierte (Sport-) Veranstaltungen teilweise einer präventiven Kontrolle unterstellen422 oder räumlich den Wegen zuordnen423 . Anderes gilt wiederum nur, wenn die Gesetze explizit auf Art und Umfang der Veranstaltung abstellen und das Betretungsrecht insoweit begrenzen424 . Allerdings ist auch in diesen Gesetzen nicht der Erholungszweck der entscheidende Anknüpfungspunkt, sondern das Betreten selbst wird inhaltlich begrenzt425 .

418 So aber KloseiOrf, Forstrecht, Rdnr. 26 zu§ 14 BWaldG, die darauf abstellen, ob das überwiegende Motiv des Organisators (noch) in der Ermöglichung der Erholung liegt. 419 So wohl auch Carlsen, in: Kimminich u. a. (Hrsg.), HdUR, Band I, 2. Aufl., Sp. 28 1. Siehe auch Art. 27 BayNatSchG. Diese Vorschrift stellt richtigerweise darauf ab, ob sich die Teilnehmenden einer organisierten Veranstaltung auf das Betretungsrecht berufen können. 420 Siehe etwa Burgi, Erholung in freier Natur, S. 92. Insoweit richtig: BWVGH, Urt. v. 27. 2. 1995, NuR 1995, S. 462 (463). V. a. ist der "Erholungszweck" bei den Zuschauern einer solchen Veranstaltung i. d. R. auch objektiv nicht mehr begriindbar. 421 So aber KloseiOrf, Forstrecht, Rdnr. 26 zu§ 14 BWaldG. 422 Art. 19 BayLStVG (das Naturschutzrecht selbst gestattet sie auch ohne Zustimmung des Eigentümers im Grundsatz explizit, vgl. Art. 27 BayNatSchG), § 37 Abs. 2 BWLWaldG, § 20 Abs. 2 S. 2 BrandLWaldG, § 28 Abs. 7 S. 2 MVLWaldG, § 7 Abs. 1 S. I SachsAnhFFOG (nur flir außerhalb der Wege stattfindende öffentliche Veranstaltungen), § 6 Abs. 7 S. 3 ThürWaldG (zusätzlich auch Zustimmung des Waldbesitzers). § 11 Abs. 4 S. 3 SächsWaldG statuiert für organisierte Veranstaltungen ausschließlich die Erlaubnis des Waldbesitzers, die ohne die Regelung im allgemeinen auf Grund der öffentlich-rechtlichen Duldungspflicht wohl nicht erforderlich wäre. 423 So§ 31 Abs. 3 S. 1 SächsNatSchG. 424 Art. 27 BayNatSchG. 425 Siehe Engelhardt I Brenner I Fischer-Hüftle, Rdnr. I f. zu Art. 27 BayNatSchG.

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3. Kap.: Nutzungsrahmen für Sportausübung auf öffentlichen Straßen

c) Die Gemeinverträglichkeit

Soweit die Gesetze, wie überwiegend, die Verträglichkeit einer als "Betreten" und auf Erholung gerichteten Nutzung nicht explizit zum Inhalt der Vorschriften erklärt haben, stellt sich die Frage nach einem (ggf. ungeschriebenen) "Gebot der Gemeinverträglichkeit"426 als inhaltliche Begrenzung des Betretungsrechts. Die bundesrechtlichen Rahmenvorschriften selbst sprechen dies nicht an427 . Die Landesgesetze formulieren teilweise, daß das Recht auf Erholung nur in der Weise ausgeübt werden kann, daß die Erholung anderer nicht verhindert oder mehr als nach den Umständen unvermeidbar beeinträchtigt wird (Gemeinverträglichkeit)428. Auch soweit dies nicht formuliert ist, soll dieser Grundsatz (ähnlich wie im Straßenrecht) als allgemeingültige Regel zur Anwendung kommen429. Hierbei handelt es sich aber eindeutig um Ausübungsschranken der Betretungsrechte, die den Inhalt des Betretungsrechts selbst unberührt lassen. Dies ergibt sich in einigen Gesetzen aus dem Wortlaut, in dem sie die Gemeinverträglichkeit ausdrücklich als Ausübungsschranke bezeichnen430, andere sie als Verhaltensregel formulieren 431 . Folglich ist es auch konsequent, wenn die Gesetze die Verstöße gegen das Gemeinverträglichkeitsgebot als eigenständigen Ordnungswidrigkeitstatbestand belegen und systematisch von einem Verstoß gegen den Inhalt des "Betretens" trennen432. Auch ist nur so verständlich, warum die Gesetze, insbesondere zur Sicherung der Verträglichkeit von Nutzungen, den Behörden die Möglichkeit eröffnen, Regelungen (entweder in 426 In Bezug auf den Eigentümer das Gebot der "Eigentümerverträglichkeit" (vgl. Engelhardt I BrennerI Fischer-Hüftle, Rdnr. 7 zu Art. 21 BayNatSchG). 427 Der Bundesrat schlug eine entsprechende "Gemeinverträglichkeitsklausel" im BWaldG vor, die aber nicht aufgenommen wurde (vgl. BT-Drucks. 7 I 889 v. 9. 7. 1973, S. 37 f.). 428 So oder ähnlich: § 36 Abs. 1 BWNatSchG, Art. 21 Abs. 2 BayNatSchG a. F., § 45 S. 1 BrandNatSchG, § 4 S. 2 NdsFFOG, § 29 Abs. 2 S. I SächsNatSchG, § 35 Abs. 2 S. 1 u. 2 SachsAnhNatSchG, § 30 Abs. 5 HS 1 SchlHLNatSchG, § 37 Abs. 1 S. 3 BWLWaldG, § 11 Abs. 1 BerlLWaldG, § 19 Abs. 2 BrandLWaldG, § 25 Abs. 2 HessForstG, § 28 Abs. 3 S. 2 MVLWaldG, § 2 Abs. 3 S. 1 NWLForstG, § 11 Abs. 2 RhPfLForstG, § 25 Abs. 3 S. 2 SaarlLWaldG, § 11 Abs. 2 S. 2 SächsWaldG, § 6 Abs. 2 S. 1 ThürWaldG. 429 KloseiOrf. Forstrecht, Rdnr. 29 zu § 14 BWaldG; Schenk, in: PetersiSchenkiSchlabach, Umweltverwaltungsrecht, Kap. V, Rdnr. 96; Kloepfer, Umweltrecht, § 11, Rdnr. 109; HoppeiBeckmann, Umweltrecht, § 18, Rdnr. 103; Carlsen in: Kimminich u. a. (Hrsg.), HdUR, Band I, 2. Aufl, Sp. 281 ; Soell, in: Salzwedel (Hrsg.), Grundzüge des Umweltrechts, S. 481 (556); Gassner, in: Gassner u. a., Rdnr. 15 zu§ 27 BNatSchG. 430 Art. 21 Abs. 2 BayNatSchG a. F. (auch die Neufassung der Vorschrift durch G. v. 10. 7. 1998, GVBI. S. 403, ist als Ausübungsregelung formuliert. Zur Neuregelung: Egnerl Fischer-Hüftle, BayVBI. 1999, S. 680 [687 f.]), § 45 S. 1 BrandNatSchG, § 35 Abs. 2 S. 2 SachsAnhNatSchG. A. A. aber Engelhardt I Brenner I Fischer-Hüftle, Rdnr. 7 zu Art. 21 BayNatSchG ("eine dem Recht immanente Schranke"). 431 § 37 Abs. 1 S. 3 BWWaldG, § 19 Abs. 2 BrandLWaldG, § 25 Abs. 2 HessForstG, § 28 Abs. 3 S. 2 MVLWaldG, § 2 Abs. 3 S. 1 NWLForstG, § 11 Abs. 2 RhPfForstG, § 25 Abs. 3 S. 2 SaarlLWaldG, § 11 Abs. 2 S. 2 SächsWaldG. 432 Z. B. §§ 64 Abs. 2 Nr. 17 (Gemeinverträglichkeit) und Nr. 18 ff. (Inhalt) BWNatSchG; Art. 52 Abs. 2 Nr. 5 (Gemeinverträglichkeit) und Abs. 3 Nr. 1 ff. (Inhalt) BayNatSchG.

B. Der Nutzungsrahmen im Naturschutz- und Waldrecht

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der Form von Einzelverfügungen oder durch abstrakt generelle Verordnungen) zu treffen, etwa die Sperrung bestimmter Gebiete für gewisse Erholungsarten, die Ausweisung und Kennzeichnung von Wegen zur Entmischung des Erholungsverkehrs, zur Einrichtung von Freizeitwegen, oder Beschränkungen in Schutzgebietsverordnungen. Diese Regelungen sind nur dann sinnvoll, wenn sie an eine zulässige, von einem weit gefaßten Betretungsrecht urnfaßten Nutzung anknüpfen und dieses weiter regeln und einschränken. Anderenfalls würde hier etwas geregelt, was bereits legal im Wald und in der Flur gar nicht stattfinden darf. Der Eigentümer ist nach den Gesetzen im übrigen verpflichtet, auch belastungsintensive Nutzungen zu dulden, und ihm steht dann auch nicht generell die Befugnis zur Sperrung erheblich belasteter Bereiche zu433 . Zum Ausgleich wird ihm teilweise eine (öffentliche) Entschädigung gewährt, insbesondere im Zusammenhang mit dem Reiten434 oder die Gemeinden werden verpflichtet, Beschädigungen und Verunreinigungen zu beseitigen435. Diese Regelungen wären kaum verständlich, wenn sie Nutzungen betreffen würden, die bereits außerhalb des Betretungsrechts lägen. Eine andere noch zu erörternde Frage ist, inwieweit das Naturschutzrecht überhaupt "Verhaltensregeln" statuieren darf. Zumindest auf den hier interessierenden tatsächlich öffentlichen Straßen und Wegen stellt sich ein Konkurrenzproblem zum bundesrechtlichen Straßenverkehrsrecht. Auf dieses wird noch zuriickzukommen sein.

II. Weitergehende privatrechtliche Möglichkeiten der Nutzung Über die dargestellte durch die Naturschutz- und Waldgesetze eingeräumte "Minimalbefugnis" hinaus besteht etwa für den Motorsport die Möglichkeit, auf Grund privatrechtlicher Vereinbarung mit dem Eigentümer bzw. Nutzungsberechtigten, Flur und Wald, insbesondere die dortigen nicht nach Straßenrecht gewidmeten Wege, zu nutzen. Da die Betretungsvorschriften "nur" zu einer Duldung des durch sie eingeräumten "Erholungsverkehrs" verpflichten, ohne dadurch eine, wie im Straßenrecht als Folge der Widmung bestehende, öffentlich-rechtliche Sachherrschaft zu begriinden, folgt, daß die Befugnisse des Sachherrschaftsberechtigten, insbesondere des Eigentümers (§ 903 BGB), weder überlagert noch zuriickgedrängt werden, im Gegenteil gerade unberiihrt bleiben sollten436. Die Befugnis zur Nutzung beruht folglich auf der privaten Sachherrschaft und schließt die Möglichkeit mit Vgl. BWVGH, Beschl. v. 27. 8. 1991, NVwZ - RR 1992, S. 61 (61 f.). Z. B. § 39 Abs. 2 BWLWaldG, § 27 Abs. 3 SaarlLWaldG i. V. m. § 3 SaarlReitVO v. 12. 2. 1979 (ABI. S. 1302), § 12 Abs. 4 SächsWaldG i. V. m. § 5 SächsReitwegeVO v. 14. 12. 1994 (GVBI. 1995 S. 6). 435 So Art. 33a Abs. 2 BayNatSchG. In NW ist auf Antrag des Waldbesitzers die Forstbehörde für die Beseitigung von Schäden zuständig(§ 6 Abs. 2 S. 1 NWLForstG); bei erheblichen Schäden wird ein angemessener finanzieller Ausgleich gewährt (§ 6 Abs. 2 S. 2 NWLForstG). 436 BT-Drucks. 7/889 v. 9. 7. 1973, S. 29 (für das Waldbetretungsrecht) bzw. BRatDrucks. 311/72 v. 30. 5. 1972, S. 39 (für das naturschutzrechtliche Betretungsrecht). 433 434

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3. Kap.: Nutzungsrahmen für Sportausübung auf öffentlichen Straßen

ein, Dritten die Nutzungsmöglichkeit über den Rahmen der Betretungsvorschriften hinaus einzuräumen. Dafür gelten im Grundsatz ausschließlich die Regelungen des Privatrechts437 . Die Gesetze sichern diese Sachherrschaftsbefugnis ausdrücklich, in dem sie für Benutzungen, die über die öffentlich-rechtlich gesicherte Betretungsbefugnis hinausgehen, auf die Erforderlichkeit einer entsprechenden Gestattung des Sachherrschaftsberechtigten (deklaratorisch) verweisen bzw. diese (gesetzlich) klarstellen438 . Dies gilt im übrigen auch dann, soweit es sich um Staatswald handelt, wenngleich die Gesetze der öffentlichen Hand über die gesetzlichen Mindestbetretungsverpflichtungen hinausgehende öffentlich-rechtliche Pflichten auferlegen. Die Landesgesetze haben zum einen die in § 28 BNatSchG festgelegte (gern. § 4 BNatSchG unmittelbar) bestehende Verpflichtung zur Bereitstellung der im Eigentum oder Besitz des Bundes, der Länder, Gemeinden, Gemeindeverbände oder sonstigen Gebietskörperschaften stehenden Grundstücke für die Erholung teilweise weiter konkretisiert439. In diesem Zusammenhang wird vertreten, daß gerade auf diesen Grundstücken im Grundsatz über die Betretungsregelungen hinausgehende Benutzungen zulässig seien, soweit keine entgegenstehenden Regelungen getroffen seien440. Jedenfalls ist die Vorschrift Ausdruck der besonderen Verpflichtung der öffentlichen Hand als Teil der Daseinsvorsorge, auch zugunsten der Erholungsvorsorge tätig zu werden, um zur Lösung des "Engpaßproblems" knapper Flächen zugunsten des Sports beizutragen, denn der Sport braucht Raum. Er benö437 In diesem Zusammenhang sei auch auf eine (richtige) Entscheidung des OLG Hamm (Beschl. v. 13. 6. 1983, VRS 66 [1984], S. 69) verwiesen. Nach dieser Entscheidung ist das Reiten in NW trotz der in § 50 Abs. 2 S. 1 NWLandschG erfolgten Beschränkung auf (neben den gewidmeten Straßen) den nach den Vorschriften der Straßenverkehrsordnung speziell gekennzeichneten (privaten) Reitwegen dann zulässig, wenn das Reiten mit ausdrücklicher oder stillschweigender Duldung des Eigentümers erfolgt. In der Folge kann deshalb eine solche über die Betretungsvorschrift hinausgehende privatrechtlich gestattete Nutzung, auch nicht als Verstoß gegen den Inhalt der Betretungsvorschriften als Ordnungswidrigkeit sanktioniert werden (vgl. OLG Hamm, a. a. 0., S. 70 ff.; BayObLG, Beschl. v. 4. 2. 1983, NVwZ 1983, S. 503 [504]). A. A. ist aber wohl das BVerfG (Beschl. v. 6. 6. 1989, BVerfGE 80, S. 137). Das Gericht sieht zu Unrecht (zumal ohne Begründung) in § 50 Abs. 2 S. 1 NWLandschG ein öffentlich-rechtliches Reitverbot, das selbst mit der Zustimmung der Eigentümer nicht entfallen würde und überdies bußgeldbewehrt sei (a. a. 0., S. 152). 438 § 35 Abs. 2 Ber!NatSchG, § 34 Abs. 2 S. 1 BremNatSchG, § 3 Abs. 1 NdsFFOG, § 50 Abs. 4 NWLandschG, (wohl) § 11 Abs. 1 S. 2 RhPfLPflG, § 30 Abs. 4 SchlHLNatSchG, § 37 Abs. 4 u. 5 S. 1 BWLWaldG, § 14 Abs. 3 6 u. § 15 BerlLWaldG, § 19 Abs. 3 S. 2 u. Abs. 4 u. Abs. 6 BrandLWaldG (teilweise aber zusätzlich Genehmigung der Behörde erforderlich), § 9 Abs. 2 u. 3 HambLWaldG, § 25 Abs. 4 S. 2 HessForstG (siehe auch § I Abs. 1 S. 2 u. Abs. 2 der 2. DVO zum HessForstG v. 13. 7. 1980 [GVBI. S. 291]), § 28 Abs. 4 u. Abs. 7 S. 2 MVLWaldG (im letzten Fall betreffend organisierte Sportveranstaltungen mit Genehmigung der Behörde), § 3 Abs. 1 a. E. NWLForstG, § 11 Abs. 6 RhPfLForstG, § 25 Abs. 4 u. 5 S. 1 SaarlLWaldG, § 11 Abs. 4 S. 1 SächsWaldG, § 3 Abs. 2 u. § 4 Abs. 1 Nr. 1 u. § 5 Abs. 1 S. 2 SachsAnhFFOG, § 22 Abs. 2 u. § 23 Abs. 1 a. E. Sch1HLWa1dG, § 6 Abs. 3 S. 2 a. E. u. Abs. 6 ThürWaldG. 439 § 45 BWNatSchG, Art. 33 BayNatSchG, § 56 Abs. 1 NWLandschG, § 35 SächsNatSchG. 440 Meßerschmidt, Rdnr. 3 zu § 28 BNatSchG.

B. Der Nutzungsrahmen im Naturschutz- und Waldrecht

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tigt folglich auch Flächen in Natur und Landschaft und dies sicher nicht mit abnehmender Tendenz441 • Darüber hinaus besteht die Möglichkeit zur Ausweisung442 von Erholungswald i. S. v. § 13 BWaldG. In den Ländern wird dabei überwiegend festgelegt, daß primär Staatswälder (§ 3 Abs. I BWaldG) und Körperschaftswälder (§ 3 Abs. 2 BWaldG) dafür in Anspruch genommen werden sollen443 • In Berlin ist gar kraft Gesetzes der gesamte Wald zu Erholungswald erklärt444, in Harnburg im Grundsatz der gesamte Staatswald445 • Die Ausweisung als Erholungswald erweitert für den Sportausübenden allerdings nicht die Nutzungsmöglichkeiten, insbesondere hinsichtlich weiterer Nutzungsarten446 • Sinn der Ausweisung ist es lediglich, die Erholungsmöglichkeiten qualitativ zu verbessern, den Erholungsverkehr im Interesse der Waldbesitzer und Benutzer zu lenken, sowie (negative) Begleiterscheinungen, wie z. B. Verunreinigungen, besser in den Griff zu bekommen447 • Darüber hinaus kommt der Ausweisung eine wichtige Funktion zur Erhaltung der Walderholungsmöglichkeiten und damit auch Sportmöglichkeiten zu, etwa "zum Schutz gegen erholungsfeindliche Bewirtschaftungsmaßnahmen"448 . In der Folge führt dies häufig 441 Siehe auch Raumordnungsbericht der Bundesregierung v. 19. 7. 1990, BT-Drucks. 11 I 7589, s. 139. 442 Die Ausweisung erfolgt zum Teil durch Allgemeinverfügung i. S. v. § 35 S. 2 VwVfG (so § 23 Abs. I HessForstG, § 9 Abs. I S. 1 ThürWaldG und ausdrücklich: § 26 Abs. 1 NdsLWaldG) oder (wie überwiegend) durch Rechtsverordnung (so Art. 12 Abs. 1 BayWaldG, § 33 Abs. 1 BWLWaldG [unter den Voraussetzungen des Abs. 2 S. 1 durch Satzung der Gemeinden], § 16 Abs. 1 BrandLWaldG, § 8 Abs. 2 HarnbLWaldG [bzgl. Privatwald], § 22 Abs. 3 S. 1 MVLWaldG, §50 Abs. 1 S. 1 NWLForstG, § 20 Abs. 1 SaarlLWaldG, § 31 Abs. 1 SächsWaldG [unter den Voraussetzungen des Abs. 2 durch Satzung der Gemeinden], § 17 Abs. 1 SachsAnhLWaldG, § 26 Abs. 1 SchlHLWa1dG). In Berlin und Harnburg besteht Erholungswaldkraft Gesetzes (§ 5 Abs. I Ber!LWaldG und § 8 Abs. I HarnbLWaldG; in Harnburg nur bzgl. Staatswald). 443 § 33 Abs. 4 BWLWaldG, Art. 12 Abs. 2 BayWaldG, § 16 Abs. 5 BrandLWaldG, § 22 Abs. 1 S. 2 MVLWaldG, § 26 Abs. 3 S. 1 NdsLWaldG, § 50 Abs. 2 NWLForstG, § 20 Abs. 2 SaarlLWaldG, § 31 Abs. 4 SächsWaldG, § 17 Abs. 2 SachsAnhLWaldG, § 26 Abs. 2 S. 1 SchlHLWaldG. 444 § 5 Abs. I Ber!LWaldG. Diese Regelung ist im Hinblick auf die aus dem Bundesrahmenrecht abzuleitende Voraussetzung "der Erforderlichkeit zum Wohle der Allgemeinheit" (§ 13 Abs. 1 BWaldG) und des dem Gesetz zugrundeliegenden Gedankens der Einzelfallprüfung für das jeweilige Gebiet zumindest problematisch im Hinblick auf die generelle Einbeziehung auch der Privatwälder. 445 § 8 Abs. 1 S. 1 HarnbLWaldG. Dieser Regelung stehen die vorstehenden Bedenken wohl nicht entgegen. Staatswald (wie auch Körperschaftswald) sind sowieso bereits dem Gemeinwohl und damit auch der Erholung besonders verpflichtet. Siehe zu den "besonderen Aufgaben" des "öffentlichen Waldes" für die Erholung: KloseI Oif, Forstrecht, Rdnr. 4 zu § 3BWaldG. 446 Die Details können natürlich in den entsprechenden Verfügungen und Verordnungen geregelt werden. 447 KloseiOif, Forstrecht, Rdnr. 4 zu§ 13 BWaldG. 448 KloseI Oif, a. a. 0.

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3. Kap.: Nutzungsrahmen für Sportausübung auf öffentlichen Straßen

zu einer Einschränkung der Nutzungsmöglichkeit des Eigentümers oder sonstigen Nutzungsberechtigten, weshalb die Gesetze, soweit Privatwälder in Anspruch genommen werden, Entschädigungen vorsehen, wenn "enteignende" Wirkungen (oder allgemein Nachteile oder Schäden) eintreten449 • Statt dessen kann der Eigentümer teilweise auch die Übernahme des Grundstücks durch den Entschädigungspflichtigen (bzw. das Land) verlangen450. Allerdings können gerade hier komplizierte Überschneidungen zwischen Wald- und Naturschutzrecht entstehen. In Landschaftsschutzgebieten (§ 15 BNatSchG) und Naturparks (§ 16 BNatSchG) wird ebenfalls auf die Erholung der Bevölkerung abgestellt451 . Sowohl das Naturschutzrecht als auch das Waldrecht sehen folglich die Ausweisung von Flächen aus Gründen der Erholungsvorsorge vor. Die Rechtsgebiete können hier auch konkurrieren, da sich die naturschutzrechtlichen Gebietsausweisungen (auch) auf Waldflächen bzw. die waldrechtlichen Gebietsausweisungen sich auch auf (geplante) naturschutzrechtliche Gebiete beziehen können. Auf welche materiellrechtliche Grundlage eine Gebietsausweisung dann gestellt wird, hängt entscheidend von den Detailzielen ab, insbesondere welcher Stellenwert der wirtschaftlichen Waldnutzung verbleiben soll452 . Aus Sicht des Sporttreibenden ist dies für den Nutzungsrahmen allerdings nicht relevant453 . Praktisch wichtiger sind die Entscheidungsgrundlagen für den Grundstückseigentümer, da die waldrechtlichen Entschädigungsregelungen in der Folge einer waldrechtlichen Gebietsausweisung teilweise viel großzügiger ausgestaltet sind als das Pendant im Naturschutzrecht454 •

449 § 35 Abs. 1 u. 3 BWLWaldG, Art. 24 Abs. 1 u. 2 BayWaldG, § 17 Abs. I, 3, § 12 Abs. I Nr. 6 HambLWaldG, § 26 Abs. 1 HessForstG, § 47 Abs. 1 S. 1 MVLWaldG, § 29 Abs. I NdsLWaldG (jährlicher Zuschuß), § 51 Abs. 3 NWLForstG, § 23 Abs. I S. 2 SaarlLWaldG, § 33 Abs. 2 Nr. 1 SächsWaldG, § 21 Abs. 1 u. 3 SachsAnhLWaldG, § 28 Abs. 1 SchlHLWaldG, § 30 Abs. 1 u. 2 ThürWaldG. 450 Art. 24 Abs. 4 S. 1 BayWaldG, § 47 Abs. 3 MVLWaldG, § 30 NdsLWaldG, § 23 Abs. 3 S. I SaarlLWaldG, § 28 Abs. 2 S. I SchlHLWaldG, § 30 Abs. 4 S. 1 ThürWaldG. 451 §§ 15 Abs. I Nr. 3 bzw. 16 Abs. I Nr. 3 u. 4 BNatSchG. 452 So etwa der Vorschlag von Klose/Orf, Forstrecht, Rdnr. 6 zu§ 13 BWaldG. 453 Zu den Einschränkungsmöglichkeiten auf der Basis beider Rechtsgebiete sogleich. 454 Siehe auch KloseI Orf, Forstrecht, Rdnr. 5 zu § 13 BWaldG. Die Vorschriften über die Entschädigung im Naturschutzrecht (außer im Falle der förmlichen Enteignung) sind: § 47 BWNatSchG, Art. 32 u. 36 BayNatSchG, § 47 f. Ber!NatSchG, § 71 BrandNatSchG, § 38 BremNatSchG, § 39 HambNatSchG, § 39 HessNatSchG, §§ 50 u. 52 NdsNatSchG, § 7 NWLandschG, § 39 RhPfLPfiG, § 37 Saar!NatSchG, § 38 SächsNatSchG, § 42 f. SachsAnhNatSchG, § 42 SchlHLNatSchG, §§ 50 ff. Vor!ThürNatSchG.

B. Der Nutzungsrahmen im Naturschutz- und Waldrecht

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111. Die Einschränkungsmöglichkeiten in bezog auf die Nutzungen 1. Die generellen Regelungen

Einschränkungen der abstrakten möglichen Sportnutzung ergeben sich zunächst aus den allgemeinen Gesetzen. Diese Feststellung ist wichtig, denn sie bringt folgendes zum Ausdruck. Sowohl das Naturschutzrecht als auch das Waldrecht bzw. die auf Grund dieser Gesetze erlassenen Rechtsvorschriften und Verfügungen kennen zum einen Regelungen, die festlegen, welche Nutzungen auch mit Wirkung im Verhältnis zum Eigentümer unzulässig sind, oder beschränkt, verteilt und gelenkt werden sollen455 . Diese Regelungen sind von solchen zu trennen, die lediglich im Zusammenhang mit der öffentlich-rechtlichen Duldungspflicht des Eigentümers für das Betreten ergehen, um den "Erholungsverkehr" zu regeln, einzuschränken oder (teilweise) auszuschließen. Letztere betreffen zumindest nicht unbedingt die privatrechtliehen Befugnisse des Eigentümers, sondern "regeln" und konkretisieren die öffentlich-rechtliche Duldungspflicht zulasten der Erholungssuchenden häufig gerade im Interesse des Eigentümers 456 oder "zugunsten" der Erholungssuchenden und zulasten des Eigentümers. a) Die Eingriffsregelungen

Betrachtet man zunächst die "allgemeinen" Regelungen, die die hier interessierende Sportausübung insbesondere auf Straßen und Wegen betreffen und auch gegenüber den Eigentümern gelten, so können als allgemeingültig in erster Linie die Eingriffsregelungen angesehen werden. Die rahmenrechtliche Vorschrift des § 8 BNatSchG457 bringt zunächst Grundsätzliches zum Ausdruck. In Abs. 1 definiert 455 Wichtigstes Beispiel: Die "Eingriffsregelungen" der Naturschutzgesetze im Anschluß an§ 8 BNatSchG. 456 So kann der Waldeigentümer (oder Besitzer) das Betreten das Waldes durch Sperren einschränken (z. B. § 38 BWLWaldG und Art. 13 BayWaldG i. V. m. Art. 29 BayNatSchG). Dafür bedarf es der Erlaubnis durch die Behörden. Diese ist i. d. R. zu erteilen, wenn die tatbestandliehen Voraussetzungen, insbesondere die Interessen des Eigentümers oder sonstigen Nutzungsberechtigten dies erfordern. Nach ganz h. M. besteht auch in den Ländern, in denen nicht, wie in Nordrhein-Westfalen (§ 4 Abs. 2 S. 1 NWLForstG) und im Saarland(§ 26 Abs. 2 S. 3 SaarlLWaldG), ausdrücklich eine zwingende Erlaubniserteilung bei Vorliegen der tatbestandliehen Voraussetzungen i. S. einer "Ist-Vorschrift" statuiert ist, sondern auch dort, wo im Wortlaut ein "Rechtsfolgenermessen" für die Behörde festgelegt ist, im Lichte der Eigentumsgarantie nur eine rechtmäßige Entscheidung, nämlich die Erlaubniserteilung (Klose I Orf, Forstrecht, Rdnr. 101 zu§ 14 BWaldG). Wenngleich, darauf sei hingewiesen, überhaupt fraglich ist, wo denn noch ein Rechtsfolgenermessen der Behörde sein sollte, da die Gesetze bereits im Tatbestand mit einer Vielzahl (wertender) unbestimmter Rechtsbegriffe "gespickt" sind (etwa: "wichtiger Grund", "schützenswerte Interessen" und "Wohl der Allgemeinheit". Siehe nur§ 38 Abs. 1 BWLWaldG), die bereits alle wesentlichen Belange berücksichtigen. 457 Vgl. § 4 S. 2 BNatSchG.

13 Neumann

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3. Kap.: Nutzungsrahmen für Sportausübung auf öffentlichen Straßen

der Bundesgesetzgeber abschließend und verbindlich458 den Begriff "Eingriff' in Natur und Landschaft als Veränderungen der Gestalt oder Nutzung von Grundflächen, die die Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts oder das Landschaftsbild erheblich oder nachhaltig beeinträchtigen können, wobei mit Naturhaushalt das komplexe Wirkungsgefüge aller natürlichen Faktoren wie Boden, Wasser, Luft, Klima, aber auch Pflanzen und Tierwelt zu verstehen ist459 • Räumlich ist darauf hinzuweisen, daß die naturschutzrechtlichen Eingriffsregelungen, anders als das Betretungsrecht des § 27 BNatSchG, nicht in Realkonkurrenz zum Waldrecht stehen, Vielmehr gelten die Eingriffsregelungen auch im Wald und sind auch nicht durch Regelungen des Waldrechts (z. B. über die Erstaufforstung nach § 10 Abs. 1 S. 1 BWaldG oder die Umwandlung nach § 9 Abs. 1 S. 1 BWaldG), etwa als Iex specialis, verdrängt460• Die Länder haben auf der Basis des § 8 Abs. 8 S. 2 BNatSchG einen teilweise (insbesondere in den neuen Bundesländern) umfangreichen (gesetzlichen) Beispielskatalog für Veränderungen erlassen, die regelmäßig als "Eingriffe" zu qualifizieren sind461 • Spezielle "sportliche Eingriffe" haben definiert: § 10 Abs. 2 Nr. 6 BrandNatSchG (die Anlage oder wesentliche Änderung von Golfplätzen oder Motorsportbahnen), § 1 S. 2 Nr. 2 u. 10 des 1. Gesetzes zum Naturschutz im Land Mecklenburg-Vorpommem (Errichtung oder wesentliche Änderung von Sport- und Golfplätzen bzw. Bau und wesentliche Änderung von Motor- und Flugsportflächen und Modellflugplätzen), § 10 Abs. 2 Nr. 4 SaarlNatSchG (die Errichtung, Erweiterung oder wesentliche Änderung von Sport- und Freizeitanlagen im Außenbereich), § 8 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SachsAnhNatSchG (die Anlage von Sport- und Freizeitanlagen sowie Motorsportveranstaltungen aller Art im Außenbereich), § 7 BVerwG, Urt. v. 27. 9. 1990, BVerwGE 85, S. 348 (354 u. 357). BWVGH, Urt. v. 25. 6. 1986, NVwZ 1988, S. 166 (167), KolodziejcokiRecken, Rdnr. 11 zu § 1 BNatSchG. 460 BWVGH, Urt. v. 16. 4. 1991, NuR 1991, S. 487 (487); HessVGH, Urt. v. 4. 10. 1984, NuR 1985, S. 192 (193); KolodziejcokiRecken, Rdnr. 3 u. 13 zu§ 10 BWa1dG; Engelhardtl Brenner I Fischer-Hüftle, Rdnr. 6 vor Art. 6 BayNatSchG; speziell bzgl. Naturschutzrecht und Erstaufforstung: Fischer-Hüftle, NuR 1994, S. 68 (insb. S. 69 ff.). A. A. (aber widersprüchlich) KloseI Orf, Forstrecht, Rdnr. 49 zu § 10 BWaldG (Waldrecht grundsätzlich vorrangig); in Rdnr. 159 zu § 9 BWaldG werden beide Rechtsgebiete aber andererseits als gleichrangig nebeneinander anwendbar gesehen. In Brandenburg bedarf die Umwandlung von Wald der Genehmigung nach§ 8 Abs. 1 S. 1 BrandLWaldG. Nach S. 2 dieser Vorschrift bleiben andere landesgesetzliche Bestimmungen explizit unberührt. Im Naturschutzgesetz ist denn auch in § 10 Abs. 2 Nr. 8 BrandNatSchG die Umwandlung von Wald in eine andere Nutzungsart als Beispiel für einen "Eingriff' aufgeführt. Siehe auch: § 39 Abs. 1 S. I NWLForstG I§ 4 Abs. 2 Nr. 9 NWLandschG, § 14 Abs. 1 S. I RhPfLForstG I§ 4 Abs. I S. 2 Nr. 9 RhPfLPfiG, § 8 Abs. 1 S. I SaarlLWaldG I§ 10 Abs. 2 Nr. 7 Saar!NatSchG, § 8 Abs. 1 S. 1 SächsWaldG I § 8 Abs. 2 Nr. 9 SächsNatSchG, § 10 Abs. 1 S. 1 ThürWaldG I§ 6 Abs. 2 Nr. 17 VorlThürNatSchG. 461 Problematisch: § 7 Abs. 2 SchlHLNatSchG, wo unabhängig von der Eingriffsdefinition Eingriffe gesetzlich festgelegt werden. Im Hinblick auf das Bundesrahmenrecht kaum mehr vertretbar. 458 459

B. Der Nutzungsrahmen im Naturschutz- und Waldrecht

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Abs. 2 Nr. 3 SchlHLNatSchG (die Anlage oder wesentliche Änderung von Golfund Sportplätzen sowie Sportboothäfen) und § 6 Abs. 2 Nr. 6 VorlThürNatSchG (die Anlage von Golfplätzen). Nach (fast) allen Länderkatalogen sind auch explizit die Errichtung oder wesentliche Änderung von Straßen und Wegen im Außenbereich aufgeführt462 . Bis auf Sachsen-Anhalt sind als Eingriffe die hier nicht interessierenden speziellen Sportanlagen formuliert. Das Gesetz nennt als Beispiel auch die Motorsportveranstaltungen im Außenbereich. In Hessen gelten sämtliche Veranstaltungen im Außenbereich außerhalb der zugelassenen Einrichtungen als Eingriffe, wenn von ihnen erhebliche oder nachhaltige Beeinträchtigungen ausgehen können(§ 5 Abs. I S. 2 HessNatSchG). Während die meisten Bundesländer in den Beispielskatalogen ihrer Gesetze nur dauerhafte "Eingriffe", insbesondere die Änderung und den Bau von Anlagen aufgenommen haben, nennen das hessische und das sachsen-anhaltische Naturschutzgesetz auch Veranstaltungen insbesondere des Motorsports. Ob der Motorsport aber generell als Eingriff zu qualifizieren ist, kann bezweifelt werden. Jedenfalls bleibt aber auch hier, trotz der für die Verwaltung bestehenden Bindung bezüglich der Beurteilung als "Eingriff', für die Frage, welche Rechtsfolgen daraus abzuleiten sind, die Detailprüfung nach Art und Ausmaß der Beeinträchtigung unvermeidbar und unverzichtbar463 . Soweit für sportliche Nutzungen, insbesondere für sportliche Veranstaltungen, die Frage zu beurteilen ist, ob ein Eingriff i. S. der Naturschutzgesetze vorliegt, bedarf es der Beurteilung im Einzelfall, ob die Voraussetzungen des § 8 Abs. I BNatSchG bzw. der entsprechenden Ländervorschriften erfüllt sind. Aus sportlicher Sicht sind in erster Linie motorsportliche Veranstaltungen von den Gerichten immer wieder als "Eingriff' bewertet worden, da der Naturhaushalt und das Landschaftsbild erheblich beeinträchtigt werde464 . Dies bedarf aber jeweils der Prüfung im Detail. Festgestellt werden kann jedoch, daß diejenigen Benutzungen, die sich inhaltlich im Rahmen der Betretungsvorschriften hal462 § 10 Abs. 1 Nr. 3 BWNatSchG, § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 Ber!NatSchG, § 11 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 BremNatSchG, § 9 Abs. 1 S. 2 Nr. 3a) HambNatSchG, § 4 Abs. 2 Nr. 4 NWLandschG, § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 RhPiLPflG, § 10 Abs. 2 Nr. 4 SaarlNatSchG, § 8 Abs. 2 Nr. 4 SächsNatSchG, § 8 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SachsAnhNatSchG, § 7 Abs. 2 Nr. 1 SchlHLNatSchG, § 6 Abs. 2 Nr. 3 VorlThürNatSchG. Daneben erwähnen die Gesetze teilweise auch allgemein die Errichtung oder wesentliche Änderung von Anlagen, die einem Planfeststellungsverfahren unterliegen auch, wenn im Einzelfall von der Durchführung des Planfeststellungsverfahrens abgesehen werden kann, als Eingriff, wozu auch der Bau oder die Änderung vieler Straßen gehören (vgl. z. B. § 17 Abs. 1 S. 1 BFStrG und Art. 36 Abs. 1 u. 2 BayStrWG). 463 Kolodziejcok/Recken, Rdnr. 40 zu § 8 BNatSchG, die den "Eingriffskatalogen" deshalb im Ergebnis die gewollte Verwaltungsvereinfachung gänzlich absprechen. 464 BWVGH, Beschl. v. 2. 8. 1990, NZV 1991, S. 124 (124 f.; Geländefahrt); dies., Urt. v. 25. 6. 1986, NVwZ 1988, S. 166 (167; Moto-Cross-Rennen); HessVGH, Beschl. v. 17. 3. 1988, NuR 1989, S. 85 (86 f.; Moto-Cross-Rennen); RhPfOVG, Beschl. v. 21. 10. 1993, DAR 1994, S. 166 (167 f.; Moto-Cross-Rennen); VG Karlsruhe, Beschl v. 27. 7. 1990, in: Reschke (Hrsg.), Handbuch des Sportrechts, Band 2, 59/28, S. 5 (5 f.). Siehe aus der Lit. etwa Stollmann, ZAU 1992, S. 220 (221 ff.).

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3. Kap.: Nutzungsrahmen für Sportausübung auf öffentlichen Straßen

ten, wozu auch sportliche Veranstaltungen gehören können, jedenfalls generell nicht als "Eingriff' angesehen werden können465, wie ebenso allein die (straßenverkehrsrechtlich) übermäßige Straßenbenutzung inklusive der die Natur beeinträchtigenden Begleit- und Folgeerscheinungen, als Steigerung der Intensität der Bodennutzung keinen Eingriff in Natur- und Landschaft darstellt466. An das Vorliegen eines Eingriffs als einen zentralen Begriff des Naturschutzrechts sind wichtige Rechtsfolgen geknüpft, die bereits bundesrechtlich vorgegeben sind. Nach der Konzeption des Naturschutzrechts reagieren die Gesetze auf einen Eingriff entsprechend dem verbindlich vorgegebenen Regelungsprogramm des § 8 Abs. 2 S. 1 BNatSchG467 je nach den Umständen im Einzelfall. Grundsätzlich ist der Verursacher zu verpflichten, vermeidbare Beeinträchtigungen zu unterlassen (§ 8 Abs. 2 S. 1 I. Hs BNatSchG). Vermeidbar sind solche Beeinträchtigungen, soweit das Vorhaben ohne schädliche Folgen für Natur und Landschaft ausgeführt werden kann, nicht aber allein deswegen, weil der Eingriff gänzlich unterlassen oder an anderer Stelle ausgeführt werden kann468 . Nach der Rechtsprechung des BVerwG ist diese Pflicht striktes Recht und steht nicht unter dem Abwägungsvorbehalt des § 8 Abs. 3 BNatschG (bzw. der entsprechenden Landesvorschriften)469. Unvermeidbare Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft sind vom Verursacher auszugleichen. Unvermeidbar sind nicht nur solche Beeinträchtigungen, die technisch nicht zu vermeiden sind, sondern auch solche, die nur mit unverhältnismäßigen Mitteln vermieden und deshalb unter dem Gesichtspunkt der Angemessenheit dem Vorhaben nicht entgegengesetzt werden können470. Auch die Ausgleichsverpflichtung ist nach der Rechtsprechung des BVerwG zwingend471 .

465 Erbguth, Umweltverträgliche Freizeitanlagen, Band II, S. 209, Anm. 191, bezeichnet die Heranziehung der Eingriffsregelungen zur Lösung des Konfliktes Erholung im Rahmen der Betretungsvorschriften einerseits und (übriger) Naturschutz andererseits, denn auch als abwegig. 466 So OVG Berlin, Beschl. v. 4. 7. 1997, NJW 1998, S. I423 (1423 f.) im Zusammenhang mit der "Berliner Love-Parade" 1997. 467 BVerwG, Urt. v. 27. 9. I990, BVerwGE 85, S. 348 (356 ff.), dies., Beschl. v. 31. I. 1997, DVBJ. 1997, S. 1112 (1112). Wiederholt in: Art. 6 Abs. I BayNatSchG, § 14 Abs. 1 S. I BerlNatSchG, § I 0 Abs. I BrandNatSchG, § 11 Abs. I S. I BremNatSchG, § 9 Abs. 1 S. 1 HambNatSchG, § 5 Abs. 1 S. 1 HessNatSchG (weitergehend), § 1 Abs. 1 S. 1 des I. Gesetzes zum Naturschutz im Land MV, § 7 Abs. I NdsNatSchG, § 4 Abs. 1 NWLandschG, § 4 Abs. 1 S. 1 RhPfLPflG, § 10 Abs. 1 SaarJNatSchG, § 8 Abs. 1 SächsNatSchG, § 8 Abs. 1 SachsAnhNatSchG, § 7 Abs. 1 SchlHLNatSchG, § 6 Abs. 1 VorJThürNatSchG (weitergehend). 468 BWVGH, Urt. v. 23. 6. 1988, NuR 1989, S. 439 (439); HessVGH, Urt. v. 20. I. 1987, NuR 1988, S. 250 (253). 469 BVerwG, Beschl. v. 21. 8. 1990, NuR 1991, S. 75 (75); dies., Beschl. v. 30. 10. 1992, NuR 1993, S. 125 (128). 470 Kolodziejcok/Recken, Rdnr. 18 f. zu§ 8 BNatSchG. 471 BVerwG, Beschl. v. 30. 10. 1992, NuR 1993, S. 125 (129).

B. Der Nutzungsrahmen im Naturschutz- und Waldrecht

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Aus dieser Konzeption ergeben sich drei Reaktionsmöglichkeiten auf einen Eingriff: Der Eingriff wird zugelassen, der Verursacher wird jedoch (insbesondere durch Auflagen) verpflichtet, vermeidbare Beeinträchtigungen zu unterlassen; der Eingriff wird zugelassen, der Verursacher wird jedoch verpflichtet, unvermeidbare Beeinträchtigungen auszugleichen und - zuletzt - wird er gänzlich untersagt, wenn die Beeinträchtigungen nicht zu vermeiden oder im erforderlichen Maße auszugleichen sind, vorausgesetzt die Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege gehen bei der Abwägung aller Anforderungen an Natur und Landschaft im Range vor (§ 8 Abs. 3 BNatSchG, als "Einfallstor" einer bereits tatbestandliehen Abwägung). Um eine Beschränkung auf das Wesentliche zu erreichen und vor dem Hintergrund, daß jede Veränderung der Gestalt oder Nutzung von Grundflächen, die auch nur von einigem Gewicht ist, heute ohnehin nach anderen Rechtsvorschriften von einer behördlichen Gestattung oder bei einer Behörde anzeigepflichtig ist, hat sich der Bundesgesetzgeber entschieden, kein eigenes Verfahren zur Prüfung der Voraussetzungen des § 8 BNatSchG mit gegebenenfalls eigenständiger Gestattung vorzusehen, sondern "hängt" die Prüfung an die Voraussetzung, daß nach anderen Rechtsvorschriften eine behördliche Bewilligung, Erlaubnis, Genehmigung, Zustimmung, Planfeststellung, sonstige Entscheidung oder Anzeige an eine Behörde vorgeschrieben ist(§ 8 Abs. 2 S. 2 BNatSchG)472 , die dann grundsätzlich im Benehmen473 oder Einvemehmen474 mit der Naturschutzbehörde über die Maßnahmen entscheidet. Teilweise haben sich die Länder aber entschlossen, darüber hinaus auch für den (seltenen) Fall, daß ein oben angesprochenes Verfahren nach anderen Rechtsvorschriften nicht erforderlich ist, eine eigenständige Genehmigung der Naturschutzbehörde (bzw. Landespflegebehörde)475 oder Anzeige an diese476 einzuführen. 412 § 12 Abs. 1 S. 1 BWNatSchG, Art. 6a Abs. 1 S. 2 BayNatSchG, § 15 Abs. 1 S. 1 BeriNatSchG, § 17 Abs. 1 S. 1 BrandNatSchG, § 12 Abs. 1 BremNatSchG, § 10 Abs. 1 S. 1 HambNatSchG, § 7 Abs. 1 HessNatSchG, § 1 Abs. 2 S. 1 des 1. Gesetzes zum Naturschutz im Land MV, § 9 NdsNatSchG, § 6 Abs. 1 S. 1 NWLandschG, § 6 Abs. 1 S. 1 RhPfLPflG, § 12 Abs. 1 Saar1NatSchG, § 10 Abs. 1 S. 1 SächsNatSchG, § 10 Abs. 2 SachsAnhNatSchG, § 7a Abs. 6 S. 2 SchlHLNatSchG, § 9 Abs. 1 Vor!ThürNatSchG. 473 So § 12 Abs. 1 S. 1 BWNatSchG, Art. 6b Abs. 1 S. 2 BayNatSchG, § 12 Abs. 2 S. 1 BremNatSchG, § 13 Abs. 4 S. 1 NdsNatSchG, § 6 Abs. 1 S. 1 NWLandschG, § 6 Abs. 3 S. 1 RhPfLPflG, § 10 Abs. 2 SachsAnhNatSchG. 474 So § 15 Abs. 1 S. 2 BerlNatSchG, § 17 Abs. 2 1. Hs BrandNatSchG, § 10 Abs. 1 S. 1 HambNatSchG, § 7 Abs. 1 HessNatSchG, § 1 Abs. 2 S. 1 des 1. Gesetzes zum Naturschutz im Land MV, § 12 Abs. 1 S. 1 SaariNatSchG, § 10 Abs. 1 S. 1 SächsNatSchG, § 7a Abs. 6 S. 2 SchlHLNatSchG, § 9 Abs. 1 VorlThürNatSchG. 475 § 17 Abs. 3 S. 1 BrandNatSchG, § 6 Abs. 1 u. § 7 Abs. 3 HessNatSchG, § 6 Abs. 4 NWLandschG, § 6 Abs. 1 S. 2 RhPtl.PflG, § 12 Abs. 3 S. 1 SaarlNatSchG, § 10 Abs. 1 u. 3 SachsAnhNatSchG, § 7a Abs. 1 u. 6 S. 1 SchiHLNatSchG, § 7 Abs. I u. § 9 Abs. 4 Vor1ThürNatSchG. 476 § 15 Abs. 2 S. 1 Ber!NatSchG, § 10 Abs. 6 S. 1 SächsNatSchG. In Harnburg besteht die Möglichkeit der Einführung eines Anzeigeverfahrens durch Rechtsverordnung (§ 10 Abs. 2 S. 1 HambNatSchG).

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3. Kap.: Nutzungsrahmen für Sportausübung auf öffentlichen Straßen

Für die hier interessierenden sportlichen Betätigungen auf der Straße ist aber vor allem die Entscheidung über die Zulässigkeit von Eingriffen im Zusammenhang mit den straßenverkehrsrechtlichen Entscheidungen nach § 29 Abs. 2 StVO oder§§ 46 Abs. 2 i. V. m. 29 Abs. 1 StVO relevant477 . Im Ergebnis entscheidet die das Bundesstraßenverkehrsrecht ausführende Landesstraßenverkehrsbehörde danach (im Einvernehmen bzw. Benehmen mit den Naturschutz- bzw. Landespflegebehörden) auch über das Vorliegen eines Eingriffs, und ist befugt die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, gegebenenfalls, bei Unzulässigkeit des Eingriffs, kann die straßenverkehrsrechtliche Erlaubnis bzw. Genehmigung auch abgelehnt werden478 . Dabei handelt es sich dann nur äußerlich und formal um eine straßenverkehrsrechtliche Entscheidung, materiell aber um eine Entscheidung nach dem Landesnaturschutzgesetz 479 • Diese "Konstruktion" hält sich im Rahmen des Art. 30 GG, denn mit den auch praktisch sinnvollen "Konzentrationsvorschriften" haben die Landesgesetzgeber zulässigerweise die Zuständigkeit und das Verfahren von Landesbehörden zur Ausführung eines Landesgesetzes auch anläßtich der Ausführung eines Bundesgesetzes geregelt480. Zur Sicherung einer fachlich kompetenten Entscheidung haben sie im übrigen auch die bereits angesprochene Beteiligung der sachnahen Naturschutz- bzw. Landespflegebehörden statuiert.

b) Die besonderen Regelungen für Schutzgebiete Schwieriger ist die Situation im Zusammenhang mit der Nutzung besonders geschützter Gebiete, also vor allem von Naturschutzgebieten, Naturparken, Landschaftsschutzgebieten etc. (§§ 12 ff. BNatSchG)481 . Nach den Landesvorschriften gelten entsprechend dem bundesrechtlichen Rahmen in diesen Gebieten über die Eingriffsregelungen hinaus besondere Bestimmungen. So sind etwa in einem Landschaftsschutzgebiet gern. § 15 Abs. 2 BNatSchG482 unter Beachtung des § 1 477 Zu dieser Konstellation z. B. RhPfOVG, Beschl v. 21. 10. 1993, DAR 1994, S. 166 u. BWVGH, Beschl. v. 2. 8. 1990, NZV 1991, S. 124. 478 RhPfOVG, a. a. 0., S. 167. 479 BWVGH, Beschl. v. 2. 8. 1990, NZV 1991, S. 124 (124). 480 BWVGH, a. a. 0., S. 124. 481 Die auf der Grundlage des § 7 BWaldG bzw. der entsprechenden Landesvorschriften erlassenen forstlichen Rahmenpläne in denen etwa auch Vorschläge für Reitbeschränkungen gemacht werden können (Klose I Orf, Forstrecht, Rdnr. 8 zu § 7 BWaldG) spielen hier wegen ihrer fehlenden Außenwirkung gegenüber dem Einzelnen keine Rolle (ebenso§ 8 BWaldG). Sie können z. B. in der Form von Verwaltungsvorschriften für die Forstbehörden verbindlich gemacht werden. Primär richten sie sich jedoch an andere Planungsträger. Nach § 7 Abs. 3 sollen die raumbedeutsamen Erfordernisse und Maßnahmen der forstlichen Rahmenpläne in Programme und Pläne der Raumordnung und Landesplanung aufgenommen werden mit der Folge, daß Ziele, Grundsätze und Erfordernisse der Pläne nach §§ 4 u. 5 ROG für Träger öffentlicher Belange verbindlich werden (siehe dazu: Klose/Orf, Forstrecht, Rdnr. 3 f zu § 7 BWaldG). 482 Genauer: Gemäß den inhaltsgleichen Ländervorschriften, da die wesentlichen Vorschriften über die bestimmten Teile der Natur(§§ 12 ff. BNatSchG) nach§ 4 BNatSchG Rah-

B. Der Nutzungsrahmen im Naturschutz- und Waldrecht

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Abs. 3 BNatSchG und nach Maßgabe näherer Bestimmungen alle Handlungen verboten, die den Charakter des Gebietes verändern oder dem besonderen Schutzzweck zuwiderlaufen. Allgemeingültige Aussagen lassen sich hier jedoch nur schwerlich treffen, denn welche Tätigkeiten tatsächlich verboten oder eingeschränkt sind, bestimmt nicht bereits die jeweilige gesetzliche Vorschrift, sondern richtet sich nach Maßgabe der jeweiligen (Landschafts-) Schutzgebietsverordnung483. Die Details sind gegebenenfalls auch durch Auslegung zu ermitteln484 und in der Regel von der Naturschutz- bzw. Landschaftspflegebehörde allein auf Grund der fachlichen Sachnähe selbständig zu beurteilen, wie auch die Frage nach der Möglichkeit einer Ausnahmeerteilung, etwa von den Vorschriften einer Landschaftsschutzverordnung485. Selbiges gilt im übrigen in den auf der Basis des Waldrechts erfolgenden Gebietsausweisungen, wie insbesondere im Bereich eines Erholungswaldes nach § 13 BWaldG bzw. der entsprechenden Landesvorschriften486. Hinzuweisen sei jedoch noch darauf, daß die Behörden ihre naturschutzmenvorschriften für die Länder sind. Die entsprechenden Länderregelungen etwa für Landschaftsschutzgebiete sind: § 22 Abs. 2 BWNatSchG, Art. 10 Abs. 2 S. 3 BayNatSchG, § 20 Abs. 2 BerlNatSchG, § 22 Abs. 3 BrandNatSchG, § 20 Abs. 3 BremNatSchG, § 17 Abs. 2 HambNatSchG, § 13 Abs. 2 HessNatSchG, § 26 Abs. 2 NdsNatSchG, § 18 Abs. 2 RhPfLPflG, § 18 Abs. 3 Saar!NatSchG, § 19 Abs. 2 SächsNatSchG, § 20 Abs. 3 SachsAnhNatSchG, § 18 Abs. 2 SchlHLNatSchG, § 13 Abs. 2 VorlThürNatSchG. 483 Siehe die vorstehend zitierten Regelungen. Aus der Rspr.: RhPfOVG, Beschl. v. 21. 10. 1993, DAR 1994, S. 166 (167) und HessVGH, Beschl. v. 17. 3. 1988, NVwZ 1988, S. 1047 (1047 f.). Zur Berücksichtigung der Belange des Sports bereits bei der Ausweisung eines Naturschutzgebiets durch Rechtsverordnung vgl. BWVGH, NK-Beschl. v. 14. 10. 1997, VBIBW 1998, S. 225 (227 ff.). 484 Siehe im Zusammenhang mit dem Modellflugsport: BVerwG, Beschl. v. 29. 7. 1986, NVwZ 1987, S. 493 (493). 485 So das BVerwG im Zusammenhang mit der "Bindung" der Luftfahrtbehörde im Rahmen einer Aufstiegserlaubnis nach § 16 Abs. 5 LuftVO an die Beurteilung durch die Naturschutz- bzw. Landespflegebehörde (Beschl. v. 29. 7. 1986, NVwZ 1987, S. 493 (493); siehe auch VG Freiburg, Beschl. v. 16. 9. 1988, StVE Nr. 9 zu§ 46 StVO. Problematisch deshalb NdsOVG, Beschl. v. 18. 2. 1992, ZfS 1992, S. 142 (143), das die Beurteilung hins. der Zulässigkeil bzw. Verträglichkeit einer Rallye in einem Landschaftsschutzgebiet allein der Straßenverkehrsbehörde beläßt und dies als Teil ihrer "verkehrsbezogen ordnungsrechtlichen Entscheidung" ansieht. So wohl auch NdsOVG, Urt. v. 12. 8. 1996, DVBI. 1996, S. 1441 (1443) u. RhPfOVG, Beschl. v. 17. 6. 1992,7 B 11106/92, S. 4; offengelassen vom NWOVG, Urt. v. 12. 6. 1996, DAR 1996, S. 369 (372). Verfahrensrechtlich wird nach wohl h. M. die EingriffsregeJung mit vollzogen, wenn neben einem speziellen naturschutzrechtlichen Verfahren (z. B. Ausnahmeerteilung von den Verboten einer Landschaftsschutzverordnung oder z. B. nach Art. 6d BayNatSchG), die Beurteilung eines Eingriffs erforderlich wird. Dies erfolgt nach dem sog. Huckepackprinzip, wohl in entsprechender Anwendung der Verfahrenskonzentrationsvorschriften der Eingriffsregelungen. Vgl. dazu HessVGH, Urt. v. 9. 3. 1989, NuR 1989, S. 395 (396) und Engelhardt/Brenner/Fischer-Hüftle, Rdnr. 4 zu Art. 6a BayNatSchG. 486 V. a. die im Anschluß an § 13 Abs. 2 Nr. 2 u. 4 BWaldG erlassenen Iandesrechtlichen Vorschriften (sog. Waldordnungen), in denen häufig Regelungen, wie etwa der Leinenzwang für Hunde, und Vorschriften über das Reiten und Zelten getroffen werden. Siehe dazu KloseI Orf, Forstrecht, Rdnr. 17 zu § 13 BWaldG.

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3. Kap.: Nutzungsrahmen für Sportausübung auf öffentlichen Straßen

rechtlichen bzw. waldrechtlichen Regelungsbefugnisse in den speziellen Gebieten auch auf Straßen und Wege, teilweise sogar auf gewidmete Wege erstrecken, um diese zu sperren487 . Darauf wird noch einzugehen sein.

c) Weitere "absolut" geltende Bestimmungen Weitere "absolut" geltende Regelungen sind insbesondere die Vorschriften über den Artenschutz nach §§ 20 ff. BNatSchG, auf die hier nicht näher eingegangen werden soll. 2. Die Einschränkungen des öffentlich-rechtlichen Betretungsrechts

a) Die gesetzlichen Einschränkungen Wichtig sind noch Regelungen, die sich explizit auf die Benutzungen beziehen, die vom Betretungsrecht der Gesetze erlaßt bzw. grundsätzlich zugelassen sind und als solche die öffentlich-rechtliche Duldungspflicht des Verfügungsberechtigten von vomherein oder nachträglich konkretisieren und I oder die Benutzung im Verhältnis zum Erholungssuchenden ausschließen, beschränken oder regeln, i. ü. aber grundsätzlich seine Verfügungsbefugnis unberiihrt lassen. Klar sind die gesetzlichen Regelungen, die einzelne Benutzungsarten gänzlich ausschließen488 . Andere Vorschriften schließen (generell) gewisse räumliche Bereiche aus489 , schränken die Benutzung zu gewissen Jahreszeiten räumlich ein490 und wieder an487

So in dem vom BWVGH (Beseht. v. 30. 7. 1996, VBIBW 1997, S. 290) entschiedenen

Fall. 488 Z. B. der Ausschluß des Fahrens mit motorisierten Fahrzeugen: § 38 Abs. 1 BWNatSchG, Art. 23 Abs. 1 BayNatSchG, § 44 Abs. 2 S. 2 BrandNatSchG, § 43 Abs. 1 BremLStrG, § 33 Abs. 2 HambNatSchG, § 2 Abs. 1 NdsFFOG, § 4 Abs. 1 S. 3 SaarlNatSchG, § 30 Abs. 2 u. 31 Abs. l SächsNatSchG, § 36 Abs. 2 u. 3 SachsAnhNatSchG, § 37 Abs. 4 Nr. 1 BWLWaldG, § 14 Abs. 4 Ber!LWaldG, § 9 Abs. 1 S. 1 u. 2 HambLWaldG, § 25 Abs. 4 HessForstG, § 28 Abs. 4 u. 5 MVLWaldG, § 2 Abs. 2 NWLForstG, § 11 Abs. 6 RhPfLForstG, § 25 Abs. 5 Saar!LWaldG, § 11 Abs. 4 S. 1 SächsWaldG, § 4 Abs. I u. 2 SachsAnhFFOG, § 6 Abs. 3 S. 2 ThürWaldG i. V. m. § 2 Abs. 4 I. DVOThürWaldG v. 27. 7. 1995 (GVBl. S. 299). 489 Z. B. gilt gern.§ 45 S. 2 BrandNatSchG die Betretungsbefugnis nicht für gesetzlich geschützte Biotope i. S. v. § 32 BrandNatSchG. Außer auf Straßen und Wegen dürfen in Berlin (§ 35 Abs. 1 S. 1 Ber!NatSchG), Bremen (§ 34 Abs. 1 S. 2 BremNatSchG), Harnburg (§ 33 Abs. 1 HambNatSchG), Hessen (§ 10 Abs. I S. 1 HessNatSchG), Rheinland-Pfalz (§ 11 Abs. 1 S. I RhPfLPf!G) und in Thüringen(§ 34 Abs. I S. I Vor!ThürNatSchG) nur sog. ungenutzte Grundflächen "der Flur" betreten werden. In Schleswig-Holstein ist die Benutzung gänzlich auf Wege (und Wegeränder) beschränkt (§ 30 Abs. 1 Sch!HLNatSchG). Die Waldgesetze sehen kraft Gesetzes keine generelle räumliche Beschränkung vor (Ausnahme wiederum: in Schleswig-Holstein ist das Betreten außerhalb von Erholungswäldern gänzlich auf die Wege beschränkt [§ 20 Abs. l Nr. 1 u. 2 SchlHLWaldG]). Zu (räumlichen) Beschränkungen bzgl. bestimmter Benutzungen siehe sogleich.

B. Der Nutzungsrahmen im Naturschutz- und Waldrecht

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dere beschränken räumlich bestimmte Benutzungsarten, wie das Reiten oder Radfahren, teilweise gänzlich491 , teilweise in bestimmten Bereichen492 auf die Wege, mit allerdings unterschiedlicher dogmatischer Konstruktion.

b) Die behördlichen Regelungskompetenzen

Nahezu sämtliche Gesetze sehen neben diesen bereits kraft Gesetzes bestehenden Regelungen und neben den Regelungen im Zusammenhang mit besonders geschützten Gebieten Ermächtigungen der Behörden (Naturschutz- bzw. Landespflegebehörde oder Wald- bzw. Forstbehörde) vor, durch Rechtsverordnung (oder Einzelverfügung) das Betreten der freien Natur493 bzw. des Waldes494 zu untersagen 490 z. B. dürfen in Baden-Württemberg landwirtschaftlich genutzte Flächen während der Nutzzeit kraft Gesetzes nur auf Wegen betreten werden (§ 37 Abs. 1 S. 1 BWNatSchG; zur Nutzzeit: § 37 Abs. 1 S. 2 BWNatSchG). Siehe auch Art. 25 Abs. 1 S. 1 u. 2 BayNatSchG, § 44 Abs. 1 S. 2 u. 3 BrandNatSchG, § 1 Abs. 2 Nr. 2 u. 3 NdsFFOG, § 4 Abs. 1 S. 2 SchlHNatSchG, § 30 Abs. 1 S. 2 SächsNatSchG, § 36 Abs. 1 S. 2 u. 3 SachsAnhNatSchG. 491 § 37 Abs. 3 BWNatSchG (nur für das Radfahren in der Flur), Art. 25 Abs. 2 BayNatSchG (im Wald); § 35 Abs. 2 BerlNatSchG (nur Reiten in der Flur), § 44 Abs. 2 BrandNatSchG u. §51 Abs. 3 S. 1 BrandNatSchG (in der Flur),§ 10 Abs. 1 S. 2 HessNatSchG (nur Reiten in der Flur), § 2 Abs. 1 u. 2 NdsFFOG (für Wald und Flur), § 49 Abs. 2 S. 2 NWLandschG (Radfahren in der Flur) bzw. § 50 Abs. 1 u. 2 S. 1 NWLandschG (Reiten in der Flur und im Wald), § 4 Abs. 1 S. 4 SaarlNatSchG (im Wald), § 30 Abs. 2 Nr. 2 SächsNatSchG (Radfahren in der Flur) bzw. § 31 Abs. 2 S. 1 SächsNatSchG (Reiten in der Flur), § 36 Abs. 3 S. 1 SachsAnhNatSchG (Radfahren in der Flur), § 30 Abs. 2 Sch!HLNatSchG (in der Flur), § 34 Abs. 6 Vor!ThürNatSchG (Radfahren in der Flur), § 37 Abs. 3 S. 2 BWLWaldG (im Wald),§ 14 Abs. 2 u. 3 Ber!LWaldG (im Wald),§ 19 Abs. 3 BrandLWaldG (Radfahren im Wald) bzw. § 20 Abs. 3 S. 1 BrandLWaldG (Reiten im Wald), § 9 Abs. 1 S. 2 HambLWaldG (im Wald), § 25 Abs. 4 S. 1 HessForstG (im Wald), § 28 Abs. 5 u. 6 S. 1 MVLWaldG (im Wald), § 2 Abs. 2 NWLForstG (Radfahren im Wald), § 11 Abs. 1 S. 2 RhPfLForstG (im Wald), § 25 Abs. 1 S. 2 SaarlLWaldG (im Wald), § 11 Abs. 1 S. 2 SächsWaldG (Radfahren im Wald) bzw. § 12 Abs. 1 S. 1 SächsWaldG (Reiten im Wald), § 4 Abs. 2 Nr. 2 SachsAnhFFOG (Radfahren in Feld und Wald) bzw. § 5 Abs. 1 S. 1 SachsAnhFFOG (Reiten in Feld und Wald), § 21 Abs. 1 S. 1 Sch!HLWaldG (Reiten im Wald) bzw. § 22 Abs. 1 SchlHLWaldG (Radfahren im Wald), § 6 Abs. 3 S. 1 ThürWaldG (im Wald). 492 In Bremen ist das Reiten in der Flur in Natur- und Landschaftsschutzgebietenkraft Gesetzes nur auf den dafür zugelassenen Wegen gestattet(§ 34 Abs. 2 S. 3 BremNatSchG). 493 § 40 BWNatSchG, Art. 26 Abs. l BayNatSchG, § 36 Abs. 4 Ber!NatSchG, § 46 Abs. 3 S. l BrandNatSchG (Sperrung von Amts wegen), § 36 Abs. l HambNatSchG, § 10 Abs. 3 HessNatSchG (Sperrung von Wegen oder Vorbehalt der Wege für einzelne Benutzungsarten), § 4 Abs. l S. 4 u. 5 SaarlNatSchG, § 31 Abs. 4 S. 1 SächsNatSchG, § 39 SachsAnhNatSchG, § 31 Abs. 3 Sch!HLNatSchG (Sperrung von Amts wegen),§ 34 Abs. 4 Vor!ThürNatSchG. 494 § 9 Abs. 4 HambLWaldG, § 25 Abs. 5 HessForstG (siehe auch den sog. Entmischungsplan nach§ 25 Abs. 6 HessForstG i. V. m. § 6 der 2. DVOHessForstG v. 13. 7. 1980 [GVBI. I S. 291]), § 47 S. 1 Nr. 3 SchlHLWaldG, § 6 Abs. 4 S. I ThürWaldG (interessant: der sog. Entflechtungsplan zur Trennung der Benutzungsarten in Walgebieten mit besonders starkem Erholungsverkehr nach§ 3 Abs. 3 u. 4 der 1. DVOThürWaldG v. 27. 7. 1995, GVBI. S. 299. Von seiner Rechtsnatur her ist er wohl trotz Bezeichnung als "Plan" ähnlich wie der sog. Ent-

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3. Kap.: Nutzungsrahmen für Sportausübung auf öffentlichen Straßen

oder zu beschränken. Als mögliche Gründe dafür werden neben solchen des (allgemeinen) Naturschutzes (bzw. Forstschutzes), der Durchführung landespflegerischer Maßnahmen (bzw. der Wald- und Wildbewirtschaftung) oder sonstiger teilweise in den Gesetzen ausdrücklich benannter Gründe vor allem auch die Regelung des Erholungsverkehrs495 genannt. Diese Regelungskompetenz bezieht sich allgemein auch aufWege496, nach manchen Gesetzen sogar gerade aufWege497 . In diesem Zusammenhang sei erwähnt, daß einige Gesetze eine Kennzeichnungspflicht für Pferde ipso iure498 , teilweise die Ermächtigung zur Einführung einer solchen durch Rechtsverordnung499 vorsehen. Daran anschließend sind dann teilweise Abgabenverpflichtungen500, aber auch Aufzeichnungs-, Aufbewahrungsund Auskunftspflichten hinsichtlich kennzeichnungspflichtiger Reitpferde (sog. Reitbuch) eingeführt worden501 . Auch kennen die Gesetze explizit die (teilweise) behördliche Festlegung bestimmter (nicht nach Straßenrecht gewidmeter) Wege für bestimmte Benutzungen502, deren Ausweisung in der Regel durch Verwaltungsakt erfolgt503, wofür die Gesetze sehr aufwendige Verfahren mit Beteiligung u. a der Eigentümer vorsehen504. Kompliziert ist die Rechtslage in der Folge der Gesetze, die gewisse Benutzungen, wie insbesondere das Reiten, generell nur auf speziell für diese Benutzungsart gekennzeichneten Wegen zulassen505 . Kompliziert ist sie deshalb, weil mischungsplan auf der Grundlage des§ 25 Abs. 5 HessForstG als Allgemeinverfiigung i. S. v. § 35 S. 2 VwVfG einzustufen). 495 § 40 BWNatSchG, Art. 26 Abs. 1 BayNatSchG. In § 47 S. 1 Nr. 3 SchlHLWaldG zur Wahrung der Ordnung und Ruhe des Waldes und zur Sicherung der Erholung. 496 Siehe etwa Engelhardt/Brenner/Fischer-Hüftle, Rdnr. 8 zu Art. 23 BayNatSchG. In den Anmerkungen zu dem relevanten Art. 26 BayNatSchG aber nicht angesprochen. 497 Siehe etwa§ 10 Abs. 3 HessNatSchG. 498 §51 NWLandschG. 499 Art. 26 Abs. 3 BayNatSchG, § 34 Abs. 4 S. 3 Nr. 4 u. S. 5 Vor!ThürNatSchG, § 20 Abs. 3 S. 3 u. 4 BrandLWaldG, § 25 Abs. 4 S. 3 u. 4 HessForstG, § 27 Abs. 5 SaarlLWaldG, § 47 S. 1 Nr. 1 SchlHLWaldG. 500 So etwa in § 39 Abs. 4 BWLWaldG i. V. m. § 1 der BWReitSchVO v. 14. 9. 1978 (GVBI. S. 550) und§ 12 Abs. 3 u. 4 SächsWaldG i. V. m. § 2 f. der SächsReitwegeVO v. 14. 12. 1994 (GVBI. 1995 S. 6). 501 Zu letzterem die Verordnung in dem vom BVerwG (Beschl. v. 3. 6. 1992, NVwZ 1992, S. 1095) entschiedenen Fall auf der Grundlage des Art. 26 Abs. 3 BayNatSchG. Siehe auch die vorinstanzliehe Entscheidung des BayVGH, Urt. v. 17. 7. 1991, BayVBI. 1991, S. 112. 502 Art. 26 Abs. 2 Nr. 1 BayNatSchG, § 39 Abs. 4 BWLWaldG. 503 Soweit es sich um bestimmte Wege handelt. In Rheinland-Pfalz, wo das Reiten in Naherholungsgebieten nur auf ausgewiesenen Wegen gestattet ist (§ 12 Abs. 1 S. 2b) RhPfLForstG) erfolgt die Ausweisung (inklusive ihrer Bestimmung und Abgrenzung) interessanterweise wohl unmittelbar durch Rechtsverordnung der oberen Forstbehörde (§ 12 Abs. 8 S. 1 RhPfLForstG), wenngleich aus der Regelung nicht hervorgeht, wie bzw. ob die Wege dann optisch kenntlich gemacht werden sollen (eine Wegebeschilderung sehen nur Abs. 6 u. 7 der Vorschrift vor; siehe auch Abs. 9). 504 Siehe etwa§ 12 Abs. 3 f. RhPfLForstG und§ 21 Abs. 3 u. 4 SchlHLWaldG.

B. Der Nutzungsrahmen im Naturschutz- und Waldrecht

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die Gesetze eben für diese Benutzungen keine grundsätzliche Zulässigkeil und damit keine generelle (gesetzliche) öffentlich-rechtliche Duldungspflicht für den (privaten) Eigentümer vorsehen. Wenn das Eigentum aber nicht mit einer gesetzlichen Duldungspflicht belegt ist, stellt sich die Frage, auf welcher Grundlage dann die Ausweisung der privaten Wege für diese Benutzungen506 durch die Behörden erfolgen kann. Erfolgt in diesen Fällen die öffentlich-rechtliche Duldungspflicht i. S. einer Inhalts- und Schrankenbestimmung für den Wegeeigentümer dann unmittelbar auf Grund der Ausweisung507 ? Das Problem ist aber bereits insoweit entschärft, als eine Duldungspflicht kraft Gesetzes zumindest für andere Benutzungsarten besteht, lediglich für die konkrete Benutzungsart "Reiten" diese allgemein nicht auferlegt ist. In der Praxis scheint sich i. ü. diese Problematik nicht auszuwirken, da etwa im Wald überwiegend Körperschaften des öffentlichen Rechts nutzungsberechtigt sind und die Gesetze primär auf Zusammenarbeit zwischen Behörden, Gemeinden, Nutzungsberechtigten und den Reitvereinigungen setzen508 . Auch die bereits angesprochenen Entschädigungsregelungen und die von manchen Ländern eingeführte Abgabenpflicht gerade für Reiter, deren Erlös der Ersetzung der Schäden dient509, scheinen zur relativ reibungslosen Problembewältigung beizutragen. IV. Das Verhältnis zum Straßenverkehrsrecht Zieht man ein kurzes Resümee der Regelungen und Regelungsbefugnisse, so drängt sich die Frage nach der Konkurrenzsituation zum bundesrechtlichen Straßenverkehrsrecht, namentlich der StVO im Bereich der öffentlichen Wege auf. Kompetenzen der Naturschutz- oder Waldbehörden zur Regelung des Erholungsverkehrs, zur Auferlegung von Kennzeichnungspflichten, für Regelungen der Benutzungen in Schutzgebietsverordnungen (Stichwort etwa Waldordnung) oder quasi planensehe Entscheidungen, wie etwa der hessische "Entmischungsplan"510 oder der thüringische "Entflechtungsplan"511 , die jeweils zumindest auch zum Ziel 505 Z. B. § 35 Abs. 2 Ber!NatSchG, § 34 Abs. 2 S. 3 BremNatSchG (in Natur- und Landschaftsschutzgebieten), § 34 HambNatSchG, § 50 Abs. 2 S. 1 NWLandschG, § 20 Abs. 3 S. 1 BrandLWaldG und§ 21 Abs. I S. 1 SchlHLWaldG. 506 Und allgemein dann auch entsprechende Detailregelungen über die Benutzung. 507 Die Grundstückseigentümer und Nutzungsberechtigten sind zur Duldung der Kennzeichnung von Reitwegen verpflichtet (siehe z. B. § 50 Abs. 7 S. 2 NWLandschG). 508 Siehe insbesondere § 50 Abs. 7 S. 1 NWLandschG, § 20 Abs. 3 S. 2 BrandLWaldG. In Schleswig-Holstein (§ 21 Abs. 2 SchlHLWaldG) sollen in erster Linie Reitwege in Staatsund Körperschaftswäldern ausgewiesen werden. Ansonsten steht ebenfalls die Zusammenarbeit im Vordergrund(§ 21 Abs. 3 SchlHLWaldG). Erst wenn dann keine Regelung zustande kommt, sollen Reitwege durch die Forstbehörde nach einer umfassenden Erörterung ausgewiesen werden (vgl. im einzelnen§ 21 Abs. 4 Sch!HLWaldG). 509 Siehe etwa§ 2 Abs. 2 der SächsReitwegeVO v. 14. 12. 1994, GVBI. 1995, S. 6. 510 Siehe Anm. 494. 511 Siehe Anm. 494.

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3. Kap.: Nutzungsrahmen für Sportausübung auf öffentlichen Straßen

haben, scheinbar miteinander unverträgliche Benutzungsarten, die sich im Rahmen des Betretungsrechts halten, voneinander zu trennen und v. a. jeweils verbindlich eigenen Wegen zuzuweisen. Alle diese Regelungen und Regelungsmöglichkeiten haben deutliche Berührungspunkte mit straßenverkehrsrechtlichen Regelungen bzw. Regelungskompetenzen. Auch hier sei zunächst kurz noch einmal die kompetenzrechtliche Situation in Erinnerung gerufen. Art. 74 Abs. 1 Nr. 22 GG weist dem Bund die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz für das Straßenverkehrsrecht zu. Von dieser Befugnis (sollen) Bundesgesetz- und Verordnungsgeber einen formell erschöpfenden Gebrauch gemacht haben512. Dies gelte jedenfalls für das Verkehrsverhaltens- und Verkehrszulassungsrecht513. Hat der Bund insoweit abschließend von seiner Kompetenz Gebrauch gemacht, sind landesrechtliche Regelungen in diesem Bereich kraft der verfassungsrechtlichen Sperrwirkung des Art. 72 Abs. 1 GG ("solange und soweit") ausgeschlossen, folglich verkehrliehe Regelungen im Iandesrechtlichen Gewand verfassungswidrig und damit nichtig. Das BVerwG hat allerdings im Zusammenhang mit der (zumindest aus kompetenzrechtlicher Sicht) noch strengeren Konkurrenzsituation zwischen Luftverkehrsrecht514 und Naturschutzrecht, etwas vorsichtiger, ein Verbot des Eingriffs durch die Landesgesetzgebung in den "Kembereich des Flugrechts" formuliert51 5 . Das Naturschutz- und Waldrecht ist, was seine Außenwirkung betrifft, zumindest in den hier interessierenden Bereichen, mangels Bestehen von unmittelbar geltenden Bundesrahmenbestimmungen und FehJens von Regelungen, die sich lediglich in einer "zitierenden Wiedergabe" des Bundesrahmenrechts erschöpfen, Landesrecht. Zunächst stellt sich aber die Frage, inwieweit das bundesrechtliche Straßenverkehrsrecht überhaupt räumlich im Anwendungsbereich mit den (naturschutz- und waldrechtlichen) Betretungsvorschriften selbst und den damit zusammenhängenden Regelungen konkurriert. Die genannten Bestimmungen im Landesrecht, das wurde bereits gesagt, gelten in der "freien" Natur bzw. im Wald inklusive der dort vorhandenen Straßen und Wege, mit Ausnahme derer, die nach Straßenrecht zu rechtlich öffentlichen Straßen gewidmet sind. Das Straßenverkehrsrecht kommt nach ständiger Rechtsprechung auf allen Verkehrsflächen zur Anwendung, auf denen, ohne Rücksicht auf die EigentumsverSiehe oben, Kap. 3 A. II. 2. a) bb) (1). Siehe vorstehend. 514 Wo dem Bund in Art. 73 Nr. 6 GG die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz zugewiesen wurde. 515 BVerwG, Beschl. v. 29. 7. 1986, NVwZ 1987, S. 493 (493). 512 513

B. Der Nutzungsrahmen im Naturschutz- und Waldrecht

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hältnisse oder die verwaltungsrechtliche Widmung, auf Grund Zustimmung oder (ausdrücklicher bzw. stillschweigender) Duldung des Verfügungsberechtigten die Benutzung durch jedermann zugelassen und dieser Gebrauch für die Allgemeinheit erkennbar ist516, folglich die Verkehrsfläche tatsächlich allgemein benutzt wird, wobei es auf die erkennbaren äußeren Umstände und nicht auf die innere Willensrichtung des Verfügungsberechtigten ankommt. Wendet man letztere Formel auf die Verhältnisse der Straßen und Wege an, die sich in Wald und Flur befinden, so läßt sich folgendes feststellen: Die landesrechtliehen Betretungsvorschriften belegen das privatrechtliche Eigentum an den Straßen mit einer beschränkten öffentlich-rechtlichen Duldungspflicht. Er hat kraft dieser öffentlich-rechtlichen Vorschriften den nach den jeweiligen Landesvorschriften bestehenden Erholungsverkehr zu dulden. In der Konsequenz muß dies bedeuten, daß das bundesrechtliche Straßenverkehrsrecht auf diesen Straßen und Wegen zur Anwendung kommt und zwar ohne daß es auf die privatrechtliche Disposition des Eigentümers ankommt. Zwar wird insoweit teilweise vertreten, daß es lediglich denkbar sei, daß die rechtliche Eigenschaft eines tatsächlich öffentlichen Weges erst durch Nutzung im Rahmen der Betretungsvorschriften entsteht, wobei die Erlaubnis bzw. Duldung des Verfügungsberechtigten durch die gesetzlich eingeräumte Nutzungsbefugnis ersetzt werde517 • Richtigerweise sindjedoch bereits kraft Definition sämtliche "privateigenen" Straßen und Wege, auf die sich die Duldungspflicht erstreckt, durch die "Öffnung" für den Erholungsverkehr denknotwendigerweise tatsächlich öffentliche Straßen i. S. des Straßenverkehrsrechts geworden51 8 • Dies gilt lediglich dann nicht, wenn der Verfügungsberechtigte mit Erlaubnis der Naturschutzbehörde eine nach den Naturschutz- und Waldgesetzen wirksame Sperrung für den Erholungsverkehr vorgenommen hat. Der Verfügungsberechtigte kann also in der Konsequenz die Geltung des Straßenverkehrsrechts nicht durch einen Akt der "Selbsthilfe" ausschließen519 • Selbiges gilt im übrigen auch für tatsächlich öffentliche Wege außerhalb des Anwendungsbereichs von Naturschutz- und Waldrecht, jedenfalls wenn etwa eine Gemeinde die (tatsächliche) Baulast übernommen und damit ein Besitzrecht i. S. des Zivilrechts dokumentiert hat520 . 516 Ausneuerer Zeit: OLG Düsseldorf, Beschl. v. 17. 5. 1996, DAR 1996, S. 415 (415); dies., Beschl. v. 23. 9. 1992, JR 1992, S. 300 (300), m. Anm. Hentschel, JR 1992, S. 300; OLG Zweibrücken, Urt. v. 22. 9. 1989, NZV 1990, S. 476 (476); LG Dresden, Urt. v. 18. 9. 1998, NZV 1999, S. 221 (222) und HessVGH, Urt. v. 7. 3. 1989, NZV 1989 S. 406 (406). Vgl. auch unter li. der VwV zu § I StVO; abgedruckt etwa bei Jagusch/ Hentschel, Rdnr. 3c zu § 1 StVO. 517 So etwa Kolodziejcok/Recken, Rdnr. 16 zu § 14 BWaldG. 518 So richtig Klose/Orf, Forstrecht, Rdnr. 134 zu§ 14 BWaldG. 519 Eine Beseitigung einer solchen Sperre kann dann anscheinend (bei Vorliegen der tatbestandliehen Voraussetzungen) im Grundsatz sowohl auf das Naturschutzrecht als auch auf §§ 32 u. 44 StVO gestützt werden (so BWVGH, Beschl. v. 27. 8. 1991, NVwZ-RR 1992, S. 61 [61 f.], wobei das Gericht in dieser Entscheidung übersieht, daß die Regelungen der StVO auch auf tatsächlich öffentlichen Straßen zur Anwendung kommen). 520 Zu dieser Konstellation: BayObLG, Beschl. v. 29. 10. 1993, BayVBI. 1994, S. 220.

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3. Kap.: Nutzungsrahmen für Sportausübung auf öffentlichen Straßen

In der Folge bedeutet dies, daß sämtliche Regelungen des Straßenverkehrsrechts, insbesondere auch die Regelungskompetenzen für die Straßenverkehrsbehörden521, zur Anwendung kommen. Das bedeutet weiter, daß das bundesrechtliche Straßenverkehrsrecht auf Grund der kompetenzrechtlichen Situation sämtliche Verkehrsregelungen im naturschutz- und waldrechtlichen Gewand bzw. auf naturschutz- und waldrechtlicher Grundlage, soweit das Straßenverkehrsrecht abschließend ist, verdrängt, mit der Konsequenz der Nichtigkeit dieser landesrechtliehen Regelungen522 . Dies gilt insbesondere für jene Bestimmungen, die eine Regelungskompetenz für den "Erholungsverkehr" vorsehen. Anders sieht es freilich mit den quasi planensehen Entscheidungen auf der Grundlage der genannten fachgesetzlichen Vorschriften aus. Ein Entmischungs- oder Entflechtungsplan setzt ebenso wie die Verpflichtung zur Ausweisung eines zusammenhängenden Reitwegenetzes523 nicht lediglich eine situationsgebundene Entscheidung voraus. Vielmehr bedarf es hierzu eines Planungsaktes, für den das Straßenverkehrsrecht selbst derzeit wohl keine Grundlage bietet und nach dem derzeitigen verfassungsrechtlichen Kompetenzverständnis auch nicht bieten kann524. Insoweit sind diese Regelungen aus kompetenzrechtlicher Sicht auch nicht zu beanstanden. Eine andere Frage ist aber, ob die "Kennzeichnung" entsprechender Wege ebenfalls auf der Grundlage des Landesrechts erfolgen kann. Insbesondere sehen einige Landesgesetze eigene "Verkehrszeichen" auf Straßen und Wegen525 oder die Kenntlichrnachung dieser mit den amtlichen Verkehrszeichen des Straßenverkehrsrechts vor. Allerdings liegt die Zuständigkeit hierfür bei den Naturschutz- bzw. Forstbehörden526. Das Bundesrecht schließt jedoch beides aus, soweit es um die Kennzeich521 Dazu: HessVGH, Urt. v. 7. 3. 1989, NZV 1989, S. 406 (406) u. Lütkes u. a., Rdnr. 2 zu § 1 StVO, die ggf. zu einer Verkehrsregelungspflicht der Straßenverkehrsbehörde führen kann. Dazu: BGH, Urt. v. 25. 4. 1985, VersR 1985, S. 835 (835 f.) und Lütkes u. a., Rdnr. 2 zu§ 1 StVO. Siehe auch 1.1.1 der Bayerischen VollzugsBek.-StVO v. 9. 8. 1991, AIIMBI., s. 650. 522 So wohl auch BWVGH, Beschl. v. 30. 7. 1996, NuR 1997, S. 290 (290). 523 Z. B. i. R. des § 50 Abs. 7 NWLandschG und für den sog. Reitwegeplan in Brandenburg(§ 2 BrandReitVO v. 4. 6. 1993, GVBI. II S. 272). 524 In diesem Zusammenhang sei auf eine jüngere Entscheidung des BVerwG verwiesen. Das Gericht stellt klar, daß das Straßenverkehrsrecht keine Möglichkeit bietet flächendekkend die Einrichtung von Anwohnerparkzonen zu verfügen, da dies eine planefische Entscheidung sei, für die das geltende Straßenverkehrsrecht keine Grundlage bietet (BVerwG, Urt. V. 28. 5. 1998, NJW 1998, S. 2840 [2841 f.]). 525 Siehe etwa Anlage 2 zum HambLWaldG (Reitweg); Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 der SaarlReitVO v. 12. 2. 1979, Amtsbl. S. 378 (Reitverbotsschild); § 1 Abs. 2 SächsReitWegeVO v. 14. 12. 1994, GVBI. 1995, S. 6 (Hinweiszeichen für die für das Reiten ausgewiesenen Wege); das amtliche Schild 2 zur Kennzeichnung von Waldwegen, auf denen das Reiten gestattet ist in der Anlage zur SchlHLVO zur Kennzeichnung des Waldes vom 20. 1. 1972, GVBI. S. 17; Anlage zu § 2 Abs. 2 der l. DVOThürWaldG v. 27. 7. 1995, GVBI. S. 299 (Schilder zur Kennzeichnung von Reit- und Radwegen); noch problematischer: Anlage zu § 3 Abs. 2 der 1. DVOThürWaldG v. 27. 7. 1995, GVBI. S. 299 (Schild für Forstweg). 526 So in NW, wo nach §§ 50 Abs. 5 S. 2 i. V. m. 59 Abs. 2 NWLandschG Wege auf denen nicht geritten werden darf, nach der StVO zu kennzeichnen sind.

B. Der Nutzungsrahmen im Naturschutz- und Waldrecht

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nung auch (tatsächlich) öffentlicher Wege geht. Amtliche Verkehrszeichen und -einrichtungen dürfen nur nach Maßgabe von§ 45 StVO von den dort bezeichneten Behörden aufgestellt und angebracht werden. Sie allein sind für den Straßenverkehr zuständig527 • Auch dürfen gemäߧ 45 Abs. 2 S. 4 StVO verkehrsrechtliche Anordnungen nur durch Verkehrszeichen und -einrichtungen nach dieser Verordnung, also in der StVO vorgesehene bzw. vom Bundesverkehrsminister im Verkehrsblatt zugelassene, angeordnet werden. Die Benutzung anderer (amtlicher) Verkehrszeichen auf öffentlichen Straßen ist unzulässig (sog. Ausschließlichkeitsgrundsatz) 528 . Man wird sogar noch weiter gehen müssen. Nach h. M. ist der Eigentümer einer tatsächlich öffentlich genutzten Verkehrsfläche (grundsätzlich) auch unter der Geltung des Straßenverkehrsrechts berechtigt, die Nutzung dieser Fläche durch die Allgemeinheit ganz auszuschließen oder in räumlicher, zeitlicher und personeller Hinsicht zu beschränken. Es steht ihm auch offen, nur bestimmte Verkehrsarten zuzulassen529. Diese oft wiederholte Feststellung trifft jedenfalls für die hier interessierenden Wege im Anwendungsbereich (auch) der naturschutz- und waldrechtlichen Betretungsrechte nicht zu. In bezug auf diese ist die privatrechtliche Verfügungsbefugnis des Eigentümers gerade beschränkt. Er hat den "Verkehr" im Rahmen der Betretungsvorschriften kraft öffentlich-rechtlicher Beschränkung zu dulden. Diesen Verkehr kann er nur mit Erlaubnis der zuständigen Behörden beschränken und zwar im Wege der Sperrung, wobei der Begriff "Sperrung" weit zu verstehen ist und sogar psychologisch wirkende Hindernisse mit umfaßt, wozu auch Schilder gehören530. Ist aber der Eigentümer weder zum Ausschluß oder Beschränkung noch zur Regelung des Erholungsverkehrs befugt, kann diese Aufgabe nur durch die Straßenverkehrsbehörden wahrgenommen werden. Auf Grund der fehlenden Regelungsbefugnis des Eigentümers wird das im Rahmen des § 45 StVO bestehende Ermessen der Straßenverkehrsbehörden ob eine verkehrsrechtliche Maßnahme auf der Grundlage des Straßenverkehrsrechts erfolgt, jedenfalls insoweit eingeschränkt, als sie die Erforderlichkeit amtlicher Verkehrszeichen nicht mit der Begrundung verneinen kann, daß hier Regelungsmöglichkeiten des Eigentümers bestünden531. 527 Siehe nur Jagusch/ Hentschel, Rdnr. 12 zu § 33 StVO. Ausdrücklich auch BayVollzugs-Bek.-StVO v. 9. 8. 1991 unter 1.1.1, AIIMBI. S. 650. A. A. wohl BayVGH, Urt. v. 15. 5. 1991, BayVBI. 1992, S. 729 (730). 528 Aus der Rechtsprechung z. B.: BGH, Beschl. v. 25. 5. 1976, NJW 1976, S. 2138 (2138); OLG Köln, Beschl. v. 31. 8. 1990, DAR 1991, S. 66 (67). Siehe auch VwV III. 1. zu §§ 39 bis 43 StVO, abgedruckt etwa bei Jagusch/Hentschel, Rdnr. 7 zu§ 39 StVO, und§ 33 Abs. 2 S. 1 StVO. 529 HessVGH, Urt. v. 7. 3. 1989, NZV 1989, S. 406 (407); Kuckuk!Wemy, Rdnr. 10 f. zu § 1 StVG; Rüth, in: Rüth/Berr/Berz, Rdnr. 17 zu § 1 StVG; Böhm, DAR 1966, S. 169 (173 f.) und Ganschezian-Finck, NJW 1963, S. 1808 (1811). 530 Siehe in Kap. 2. B. II. 1. a). 53 1 So aber für tatsächlich öffentliche Verkehrsflächen außerhalb des Anwendungsbereichs der naturschutz- und waldrechtlichen Betretungsregelungen: HessVGH, Urt. v. 7. 3. 1989, NZV 1989, S. 406 (407).

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3. Kap.: Nutzungsrahmen für Sportausübung auf öffentlichen Straßen

In der Praxis lautet deshalb auch die entscheidende Frage, inwieweit das bundesrechtliche Straßenverkehrsrecht als sachlich begrenztes Ordnungsrecht einen bestimmten Sachverhalt abschließend erfaßt und deshalb jegliche landesrechtliche Regelung ausschließt. Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Verhältnis Naturschutzrecht und Straßenverkehrsrecht liegt, soweit ersichtlich, lediglich bezüglich der Frage vor, inwieweit der Bundesgesetzgeber von einer ihm zustehenden Gesetzgebungsbefugnis zur Einführung von Kennzeichnungspflichten für Teilnehmer am Verkehr auf öffentlichen Straßen und Wegen Gebrauch gemacht hat532. Das BVerwG hat dies im Zusammenhang mit der bereits angesprochenen Kennzeichnungspflicht für Reitpferde verneint, vor allem mit dem Argument, daß in Zweifelsfällen eine Vermutung für die Gesetzgebungszuständigkeit der Landesgesetzgeber bestehe533 . Anders als in der Theorie bedarf dies aber jeweils der Prüfung im Einzelfall, inwieweit der Bundesgesetzgeber abschließend von seiner Regelungsbefugnis Gebrauch gemacht hat. Leider gibt es bisher, da auf Grund Art. 100 Abs. 1 GG die Entscheidung dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten ist, insoweit keine Klärung, inwieweit die Iandesrechtlichen Vorschriften über eine Pferdekennzeichnung mit dem Bundesrecht vereinbar sind. Diese Frage hat das BVerwG offen gelassen534, ohne sie gemäß Art. 100 Abs. 1 GG dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorzulegen. Zum Verhältnis des Straßenverkehrsrechts zu anderen ordnungsrechtlichen Bereichen hat der BGH festgestellt 535 , daß die Bestimmungen einer kommunalen ordnungsbehördlichen Verordnung, nach der Hunde auf Straßen nur angeleint geführt werden dürfen, nicht gegen Vorschriften des Straßenverkehrsrechts verstoßen, wenn sie nicht straßenverkehrsrechtliche, sondern sonstige ordnungsrechtliche Zwecke verfolgen536. Akzeptiert man den so gewählten Ansatz, so ist jeweils eine zweistufige Prüfung vorzunehmen: Erstens ist die Frage zu stellen, inwieweit eine bundesrechtliche Norm einen bestimmten Lebensbereich abschließend regelt, dann ist weiter zu prüfen, ob die landesrechtliche Regelung ebenfalls den vom Bundesrecht erfaßten Lebensbereich normiert. Verfassungswidrig ist die landesrechtliche Regelung allerdings 532 Dazu: BVerwG, Beschl. v. 3. 9. 1990, BayVBI. 1991, S. 53 (55 ff.); dies., Beschl. v. 3. 6. 1992, NVwZ 1992, S. 1095 (1095). 533 BVerwG, Beschl. v. 3. 9. 1990, a. a. 0., S. 55. 534 BVerwG, a. a. 0., S. 54 f. 535 Beschl. v. 18. 4. 1991, NJW 1991, S. 1691. 536 BGH, a. a. 0., S. 1692. So auch im Zusammenhang mit einem Taubenfütterungsverbot das NdsOVG, Urt. v. 6. 2. 1997, NuR 1997, S. 610. Das Gericht meint, daß die Vorschriften des Bundesseuchengesetzes einer ordnungsbehördlichen Verordnung nicht entgegenstehen, soweit zumindest nicht das alleinige Ziel verfolgt wird, die Bevölkerung vor übertragbaren Krankheiten zu schützen.

B. Der Nutzungsrahmen im Naturschutz- und Waldrecht

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nur dann, wenn eine bestimmte Zielsetzung der Regelung bundesrechtlich vorbehalten ist. Entscheidend ist deshalb immer, welche Ziele bei einer Regelung verfolgt werden. Für den hier interessierenden Konfliktbereich zwischen Straßenverkehrsrecht und Naturschutz- bzw. Waldrecht ist jedenfalls dem Landesgesetzgeber eine verkehrsbezogen ordnungsrechtliche Zielsetzung seiner Regelung bundesrechtlich "entzogen". Schwierige Probleme tauchen insbesondere deshalb auf, weil die bundesrechtliche Kompetenz für die Regelung des Straßenverkehrs in Art. 74 Abs. I Nr. 22 GG auch die Gefahren erfaßt, die durch den Verkehr für Dritte bzw. allgemein für die Umwelt bestehen. Im Falle, daß auch in diesem Bereich bezüglich der Beziehungen des Verkehrs zu seiner Umwelt das Straßenverkehrsrecht dieses abschließend bundesrechtlich bestimmt, das landesrechtliche Naturschutz- bzw. Waldrecht diesen Bereich nicht mehr regeln kann537 . Die wichtige formelle Konsequenz daraus ist, daß einzig und allein den Straßenverkehrsbehörden das Konfliktfeld Verkehr auf öffentlichen Straßen und dessen Umweltprobleme zur Regelung anvertraut sind. Ein ähnliches Konfliktfeld entsteht bei den Vorschriften, die aus Gründen der "Ordnung" des Erholungsverkehrs Regelungszuständigkeiten vorsehen. Die bereits angesprochenen "Entmischungs-" bzw. "Entflechtungspläne" haben als primäre Zielrichtung die Trennung anscheinend unverträglicher Benutzungsarten voneinander. Die Durchführung dieses Trennungsprinzips ist aber eine der klassischen ordnungsrechtlichen Aufgaben des Straßenverkehrsrechts, weshalb zumindest die Kennzeichnung entsprechender Wege ausschließlich auf der Basis des bundesrechtlichen Straßenverkehrsrechts erfolgen kann, dessen Vollzug wiederum ausschließlich den Straßenverkehrsbehörden anvertraut ist.

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In diese Richtung auch BWVGH, Beschl. v. 30. 7. 1996, NuR 1997, S. 290 (290).

14 Neumann

4. Kapitel

Die Zulässigkeit der Ausübung des Sports unter besonderer Berücksichtigung der für den Motorsport relevanten Bestimmungen Sportausübung und Straßenverkehrsrecht A. Die historische Entwicklung der sportrelevanten Straßenverkehrsvorschriften I. Die ersten Schritte zur "Emanzipation" des Straßenverkehrsrechts

Betrachtet man zunächst die allgemeine historische Entwicklung des Straßenverkehrsrechts, so ist dessen "strikte" (auch kompetenzrechtliche und behördliche) Trennung vom bereits dargestellten Straßenrecht, aber auch vom (im Verhältnis zum Straßenverkehrsrecht) sonstigen Ordnungsrecht, ein "Phänomen" des vergangeneo Jahrhunderts. So kannte das Preußische Allgemeine Landrecht von 1794, das (unrichtiger weise) als "Wiege" der Kodifizierung des Wegerechts bezeichnet wird 1, bereits straßenverkehrsrechtliche Vorschriften. Am deutlichsten kommt dies in den Regelungen der§§ 25-37 II 15 des ALR zum Ausdruck. Diese Vorschriften werden bereits mit der deutlichen Formulierung "Vorschriften wegen des Ausweichens auf Landstraßen" überschrieben. Danach ist den "ordinären und Extraposten" Platz zu machen, "sobald der Postillion ins Horn stößt"2 , "ledige oder bloß mit Personen besetzte Wagen müssen allen mit Sachen beladenen Wagen ausweichen"3 , gleichberechtigte Wagen haben nach rechts auszuweichen4 und ein bergabwärts fahrender Wagen ist gegenüber einem bergaufwärts fahrenden Wagen bevorrechtigt5 . Diese allgemeinen Vorschriften wurden aufgrund der Verkehrsentwicklung nicht mehr als ausreichend empfunden, so daß sie etwa in der preußischen Verordnung den Verkehr auf den Kunststraßen betrefI So etwa von Runkel, S. 8. Tatsächlich hatte aber bereits das Kurfürstlich Sächsische Straßenbaumandat vom 28. 4. 1781 das Wegerecht weit umfassender geregelt. Siehe dazu Baumeister, Zur Geschichte und Problematik des deutschen Straßen- und Wegerechts, S. 12. 2 § 2611 15 ALR. 3 § 27 II 15 ALR. 4 §§ 28, 29 II 15 ALR. 5 § 31 II 15 ALR.

A. Die historische Entwicklung der Straßenverkehrsvorschriften

211

fend vom 17. 3. 18396 weiterentwickelt werden mußten. Zweck dieser Verordnung war schwerpunktmäßig der Schutz der Kunststraßen vor Beschädigungen durch unzweckmäßige Beschaffenheit und Überladung der Fuhrwerke7 . Waren zunächst also wege- und verkehrsrechtliche Regelungen gesetzessystematisch "vereint", so trat zunehmend eine "Emanzipation" des Straßenverkehrsrechts in der Form des Erlasses spezieller Landespolizeiverordnungen ein, die, etwa in Preußen, zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs nach § 6b des Gesetzes über die Polizeiverwaltung vom 11. 3. 18508 erlassen wurden. Bezüglich der Ausführung sowohl des Wege- als auch des Verkehrsrechts gab es auch nach Gründung des Deutschen Reiches keine Trennung der behördlichen Zuständigkeiten. In §§ 55-60 des Gesetzes über die Zuständigkeit der Verwaltungsbehörden vom 1. 8. 1883 (Zuständigkeitsgesetz)9 wurden explizit Vorschriften über die Wegepolizei aufgenommen. Die Wegepolizeibehörde war aufgrund § 55 dieses Gesetzes 10, soweit nicht durch Spezialgesetz die Aufgabe einer anderen Behörde begründet wurde, ausschließlich dafür zuständig, den Bestand der öffentlichen Wege in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht zu schützen, den Gemeingebrauch zu regeln und zu beaufsichtigen und für die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs auf den Wegen zu sorgen 11 • Die Verkehrspolizei bildete somit nur einen Zweig der allgemeinen Wegepolizei 12 . Die funktionelle Trennung zwischen Wegepolizei (Wegebaupolizei) und Verkehrspolizei trat in der Folge deshalb auch erst ein als sich die materielle "Emanzipation" des Straßenverkehrsrechts von der übrigen Rechtsordnung vollzog, nämlich mit dem Aufkommen des Kraftfahrzeugs als neuem Verkehrsmittel 13 . Die beginnende Motorisierung und der daraufhin erfolgende "verkehrsmäßige" Einsatz des Kraftfahrzeugs um die Jahrhundertwende 14 brachten neue Probleme. GS, S. 80. Siehe zu dieser Verordnung auch Evers, NJW 1962, S. 1033 (1034) und Baumeister, Zur Geschichte und Problematik des deutschen Straßen- und Wegerechts, S. 15. s GS, S. 265. 9 GS, S. 237. IO § 55 des Zuständigkeitsgesetzes lautet wörtlich: "Die Aufsicht über die öffentlichen Wege und deren Zubehörungen sowie die Sorge dafür, daß den Bedürfnissen des öffentlichen Verkehrs in Bezug auf das Wegewesen Genüge geschieht, verbleibt in dem bisherigen Umfang den für die Wahrnehmung der Wegepolizei zuständigen Behörde.. ". 11 Nedden, DÖV 1959, S. 844 (845). 12 Nedden, DÖV 1959, S. 844 (845) und Gennershausen/Seydel, Bd. 1, S. 393 ff. 13 Nedden, DÖV 1959, S. 844 (846). 14 Vgl. hierzu Voss, Die Entwicklung der Kraftfahrzeugstraßen in Deutschland, S. 32 ff. Genaue statistische Zahlen über den Bestand an Kraftfahrzeugen für das Reichsgebiet gibt es erst seit dem Jahre 1907. In diesem Jahr waren 27.006 Kraftfahrzeuge registriert (vgl. Stati6

7

14*

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4. Kap.: Die Zulässigkeil der Ausübung des Sports

So kam es im Jahre 1905 zu den ersten Unfällen mit Kraftfahrzeugen die mit einem tödlichen Ausgang endeten 15 . Aber auch wegen des nun erfolgenden Bundesländer überschreitenden Verkehrs, der Forderung der Industrie und der vielfach aufgetretenen Iandes- und ortsbehördlichen Abneigung gegen die neuen Straßenfahrzeuge war der Bedarf nach einer reichseinheitlichen Regelung vorhanden. Der Reichstag erkannte den wichtigen Stellenwert der Kraftfahrzeuge für die zukünftige Entwicklung der Volkswirtschaft und für die Wehrkraft 16. Dem Reich fehlte jedoch eine reichsverfassungsrechtliche Gesetzgebungskompetenz. Art. 4 Nr. 8 der Verfassung des Deutschen Reichs vom 16. 4. 1871 17 sah nur Kompetenzen im Hinblick auf das Eisenbahnwesen und die Herstellung von Land- und Wasserstraßen im Interesse der Verteidigung und des allgemeinen Verkehrs vor, weshalb auch dem Bundesrat eine entsprechende Kompetenz gern. Art. 7 (insb. Nr. 2) fehlte. Durch Beschluß des Bundesrates vom 3. 5. 1906 18 wurde (trotz fehlender Kompetenz) der erste Schritt in Richtung auf eine reichseinheitliche Regelung getan. Er ersuchte die Bundesregierung, den Verkehr mit Kraftfahrzeugen nach Maßgabe der von ihm aufgestellten "Grundzüge" 19 zu regeln. Diese Grundzüge betrafen allerdings nur den Verkehr mit Kraftfahrzeugen und nicht auch den sogenannten allgemeinen Verkehr. Zwar entfalteten die Grundzüge keine unmittelbare rechtliche Wirkung, jedoch haben sämtliche Länder diese im wesentlichen wortgleich mit Wirkung vom 1. 10. 1906 durch Gesetze und Polizeiverordnungen eingeführt20• Gleichzeitig gab es hier auch die erste reichseinheitliche sportrelevante Regelung. Nach § 22 der Grundzüge waren "das Wettfahren und die Veranstaltung von Wettfahrten auf öffentlichen Wegen und Plätzen... verboten". Ausnahmen konnten durch die zuständige Landeszentralbehörde oder durch eine von dieser zu bestimmenden höheren Verwaltungsbehörde genehmigt werden. Nicht verboten, jedoch genehmigungsbedürftig waren sogenannte Zuverlässigkeitsfahrten. Nach den amtlichen Erläuterungen zu den Grundzügen21 war die gröstisches Jahrbuch für das Deutsche Reich 1907, S. 77). Die Gesamtproduktion an Personenund Lastkraftwagen betrug in Deutschland im Jahre 1901 884 Stück (vgl. Booß, 70 Jahre Kraftfahrzeuggesetz, DAR 1979, S. 298 [298]). 15 Janiszewski, Verkehrsstrafrecht, 4. Aufl. 1994, Rdnr. 13. 16 Siehe die Beratung des Reichstags in der Sitzung vom 26. 2. 1904, Stenographische Berichte 03/04, Bd. 2, S. 1287 ff. 17 B.G.B. Nr. 16, S. 63. ts Abgedruckt bei Grotefend 1906, S. 1433. 19 Abgedruckt bei Grotefend 1906, S. 1433 ff. 20 Bayern: Oberpolizeiliche Vorschriften über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen vom 17. 9. 1906 (GVBI. S. 729); Württemberg: Verfügung des Ministeriums des Innern betreffend den Verkehr mit Kraftfahrzeugen vom 13. 7. 1906 (RegBI. S. 221); Baden: Verordnung den Verkehr mit Kraftfahrzeugen betreffend vom 20. 9. 1906 (GVBI. S. 365); Brandenburg: Polizeiverordnung des Oberpräsidenten der Provinz Brandenburg über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen vom 26. 9. 1906 (ABI. Potsdam S. 405). 21 Grotef end 1906, S. 1440.

A. Die historische Entwicklung der Straßenverkehrsvorschriften

213

ßere Gefahr für den öffentlichen Verkehr mit den Wettfahrten verbunden, da diese "das Ziel verfolgen, mit den an der Veranstaltung teilnehmenden Fahrzeugen die größtmögliche Geschwindigkeit zu erzielen", während nach Ansicht des Bundesrates bei den Zuverlässigkeitsfahrten, die hauptsächlich dazu dienten, "die Dauerhaftigkeit der Wagen und die Betriebssicherheit der Maschinen zu erproben", vorwiegend die Anhäufung von Fahrzeugen zu Unzuträglichkeiten führte 22 . Auf Reichsebene wurde dann zunächst im Reichsjustizamt der Entwurf eines Gesetzes über die Haftpflicht für den bei dem Betrieb von Kraftfahrzeugen entstehenden Schaden erarbeitet23 , welcher allerdings nur zivilrechtliche Fragen behandelte. Bald darauf entschloss man sich, das Gesetz zu einem allgemeinen Gesetz über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen zu erweitern. Als Grundlage dienten die erwähnten Grundzüge, die in den neu aufgestellten Entwurf von 190824 einflossen. Erstmalig im Reichsgesetz über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen vom 3. 5. 190925 , das in erster Linie Zulassungs- und Haftpflichtregelungen enthielt, wurde in § 6 Nr. 2 der Bundesrat ermächtigt, selbst die zur Erhaltung der Ordnung und Sicherheit auf den öffentlichen Wegen und Plätzen erforderlichen Anordnungen über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen zu erlassen. In Ausübung dieser Ermächtigung erließ der Bundesrat am 10. 2. 191026 die Verordnung über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen. In Abänderung der Grundzüge ließ dessen § 24 keine Ausnahmen mehr vom Wettfahrverbot zu, im Gegenteil, erweiterte dieses auf das Wettfahren und die Veranstaltung von Wettfahrten und dehnte den für Zuverlässigkeitsfahrten geltenden Genehmigungsvorbehalt auf "ähnliche Veranstaltungen zu Prüfungszwecken" aus. Falls letztere mit Geschwindigkeitsprüfungen verbunden wurden, war eine ministerielle Genehmigung erforderlich27 • Sowohl das Kraftfahrzeuggesetz als auch die Kraftfahrzeugverordnung blieben im wesentlichen bis zum Jahr 1923 unverändert. Verfassungsrechtliche Absicherung erfuhren die reichsrechtlichen Regelungen in Art. 7 Nr. 19 der Weimarer Reichsverfassung vom 11 . 8. 191928 • Dort wurde die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Reiches für den Verkehr mit Kraftfahrzeugen zu Lande aufgenommen. Die deshalb bestehende Zuständigkeitsaufspaltung dergestalt, daß der "allgemeine Verkehr" durch Landesrecht, der Kraftfahrzeugverkehr aber durch Reichsrecht geregelt wurde bzw. geregelt werden konnte, blieb auch in der Folgezeit aufgrund dieser verfassungsrechtlichen Kompetenzverteilung bestehen. 22 Zur diesbezüglichen Abgrenzung von Wettfahrten und Zuverlässigkeitsfahrten: KG, Urt. v. 15. 6. 1908, KGE 36, Abteilung C, S. 25. 23 BRat-Drucks. 1906 Nr. 7. 24 BRat-Drucks. 1908 Nr. 62. 25 RGBI. S. 437. 26 RGBI. S. 389. 27 Siehe zur Ausführung des § 24 auch die Vollzugsbekanntmachung des bayerischen Staatsministeriums des Innern vom 18. 5. 1923 (MABI. S. 33), MABI. S. 39. 28 RGBI. S. 1383.

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4. Kap.: Die Zulässigkeil der Ausübung des Sports

Hieran (konnte) auch die Novellierung des Kraftfahrzeuggesetzes durch Gesetz vom 21. 7. 192329 nichts ändern, obwohl die Reichsregierung in § 6 Abs. 1 ermächtigt wurde, Vorschriften über den "allgemeinen Verkehr" zu erlassen, soweit dies mit Rücksicht auf den Kraftfahrzeugverkehr erforderlich war. Von dieser Ermächtigung wurde durch das Reich kein Gebrauch gemacht, vielmehr regelten die Länder den "allgemeinen Verkehr" nach Maßgabe einer mit dem Reichsverkehrsministerium vereinbarten Musterordnung30. Aus sportlicher Sicht enthielt diese "Musterordnung", entsprechend dem "Vorbild" für den Kraftfahrzeugverkehr, für den Radfahrverkehr in § 26 S. 1 ein Verbot für Wettfahrten und die Veranstaltung von Wettfahrten. Ausnahmen bedurften der Genehmigung der zuständigen Polizeibehörde (§ 26 S. 2). Aber auch der Kraftfahrzeugverkehr blieb in der Praxis im wesentlichen landesrechtlich mitbestimmt. Zwar wurden in der Neubekanntmachung der Verordnung über den Kraftfahrzeugverkehr vom 3. 2. 191031 durch Verordnung vom 15. 3. 1923 32 durchaus umfangreiche reichsrechtliche Regelungen aufgenommen, jedoch galten daneben gern. § 2 der Verordnung über den Kraftfahrzeugverkehr auch die landesrechtliehen Regelungen, die selbst entgegenstehende Bestimmungen enthalten konnten33 . Das Reichsgesetz sah folglich eine landesrechtliche "Öffnungsklausel" für auch dem Reichsrecht entgegenstehende Vorschriften vor, von deren Möglichkeit zahlreiche Länder Gebrauch gemacht haben 34. Diese Regelungskonkurrenz bestand auch in der Folgezeit, in der zahlreiche Neubekanntmachungen und Änderungen der Reichsverordnung über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen ergangen sind35 .

RGBI. I S. 743. RT-Drucks. 2357 vom 10. 6. 1926; abgedruckt auch bei Lechner, Die Kraftfahrzeuggesetzgebung, München 1927, S. 533 ff. Siehe etwa die Badische Verordnung über den allgemeinen Verkehr auf öffentlichen Wegen und Plätzen vom 6. 7. 1926 (GVBI. S. 113); Verordnung des württembergischen Ministeriums des Innem über den allgemeinen Verkehr auf öffentlichen Wegen vom 27. 7. 1926 (RegBI. S. 207); Verordnung des bayerischen Staatsministeriums des Innem bereits vom 8. 5. 1926 (GVBI. S. 315); Verordnung des Staatsministeriums für den Landesteil Oldenburg vom 26. 7. 1926 (GBI. S. 897); Verordnung des Mecklenburg-Schwerinischen Gewerbeaufsichtsamts vom 8. 9. 1926 (RegBI. Nr. 26). 31 RGBI. S. 389. 32 RGBI. I S. 175. Diese wurde in der Folgezeit mehrfach neu gefaßt (durch VO v. 5. 12. 1925, RGBI. I S. 439; durch VO v. 16. 3. 1928, RGBI. I S. 91; durch VO v. 15. 7. 1930, RGBI. I S. 276 und durch VO v. 3. 2. 1933, RGBI. I S. 52). 33 Siehe etwa die Verordnung des württembergischen Innenministeriums betreffend den Verkehr mit Kraftfahrzeugen vom 15. 2. 1924, RegBI. S. 77. 34 Siehe etwa für Württemberg: VO des Württembergischen Innenministeriums betr. den Verkehr mit Kraftfahrzeugen v. 15. 2. 1924, RegBI. S. 77; v. 3. 4. 1926, RegBI. S. 84; v. 17. 4. 1928, RegBI. S. 142; v. 30. 7. 1930, RegBI. S. 260. 35 Vom 5. 12. 1925 (RGBI. I S. 439); i. d. F. v. 16. 3. 1928 (RGBI. I S. 91); i. d. F. v. 15. 7. 1930 (RGBI. I S. 276) und zuletzt noch i. d. F. v. 3. 2. 1933 (RGBI. I S. 52). 29

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A. Die historische Entwicklung der Straßenverkehrsvorschriften

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In seinem Wortlaut blieb § 24 der Verordnung über den Kraftfahrzeugverkehr mit seiner Regelung über das Verbot von Wettfahrten bzw. die Veranstaltung von Wettfahrten und der (präventiven) Genehmigungspflicht von Zuverlässigkeitsfahrten und ähnlichen Veranstaltungen zu Prüfungszwecken, gegebenenfalls mit einer besonderen Genehmigungspflicht, soweit (auch) Geschwindigkeitsprüfungen durchgeführt wurden, über sämtliche Änderungsverordnungen hinweg unverändert, jedoch vollzog sich in der praktischen Anwendung ein "dogmatischer Wandel" bezüglich Zuverlässigkeitsfahrten mit Geschwindigkeitsprüfungen. In der Praxis insbesondere des Rheinlandes wurde contra Iegern aus dem präventiven Verbot mit Erlaubnisvorbehalt ein Verbot ohne Genehmigungsmöglichkeit Hintergrund war der (umstrittene) Bau des Nürburgrings, dessen Grundsteinlegung am 27. 9. 1925 erfolgte, mit der Folge, daß im Rheinland auf öffentlichen Straßen keine Zuverlässigkeitsfahrten mit Geschwindigkeitsprüfungen mehr genehmigt wurden,"... da wir hier den Nürburgring haben ..." 36. Diese Praxis dehnte sich in der Folge auf ganz Preußen aus, mit der Konsequenz, daß Zuverlässigkeitsfahrten mit Geschwindigkeitsprüfungen nur noch auf dem Nürburgring, der Avus in Berlin sowie vier weiteren "Hilfsrennstrecken" stattfinden konnten 37 . Diese restriktive Handhabung hatte allerdings noch andere Gründe, die heute noch Aktualität besitzen. Die Veranstaltungen führten zu starken Beschädigungen der öffentlichen Wege und infolge der mit solchen Veranstaltungen verbundenen Menschenansammlungen (Zuschauer) zu erheblichen Flurschäden38.

II. Das reichseinheitliche Straßenverkehrsrecht seit 1933 Einen doppelten "Durchbruch" schaffte die insbesondere auf der Grundlage des durch Gesetz vom 13. 12. 193339 neugefaßten § 6 Abs. I Nr. 2 Kraftfahrzeuggesetz erlassene Reichs-Straßenverkehrs-Ordnung vom 28. 5. 193440. Neben der (erforderlich gewordenen) Umsetzung einer umfangreichen gerichtlichen Kasuistik enthielt diese Verordnung auch erstmals eine reichsrechtliche Regelung des gesamten Straßenverkehrs41 , neben der landesrechtliche Besonderheiten nur noch sehr einge36 Erlaß des Regierungspräsidenten von Düsseldorf vom 3. 1. 1927, abgedruckt in: RdK 1927, S. 34. Zur damaligen kontroversen Diskussion vgl. Amdt, RdK 1927, S. 9; ders., RdK 1929, S. 42. Siehe auch Bentlage, S. 53. 37 Runderlaß v. 15. 6. 1929- V 8592, II M 36 Nr. 35 V /29 u. I 7226 (nicht veröffentlicht) u. Runderlaß v. 30. 6. 1930- II M 36 Nr. ll4/30, Va 7070 u. I 6973 (MBliV S. 621). Siehe auch Bentlage, S. 53. 38 Deshalb wurde durch ministeriellen Runderlaß v. 15. 9. 1928 (abgedruckt in: RdK 1928, S. 338) als Bedingung der Genehmigung verfügt, "daß die Veranstalter für alle Flurschäden haften, ... , sowie für alle Beschädigungen auf öffentlichen Wegen Ersatz zu leisten haben". Ähnlich heute die Verwaltungsvorschrift unter Il. Nr. 6 zu§ 29 Abs. 2 StVO; abgedruckt etwa bei Jagusch/ Hentschel, Rdnr. 1a zu § 29 StVO. 39 RGBl. I S. 1058. 40 RGBl. I S. 457.

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4. Kap.: Die Zulässigkeit der Ausübung des Sports

schränkt möglich waren. Wörtlich verfügte Art. III Abs. 1 des Einführungsgesetzes42: "Die Reichs-Straßenverkehrs-Ordnung enthält die ausschließliche Regelung des Straßenverkehrs; Landesrecht ist daneben nur zulässig, soweit die Reichs-Straßenverkehrs-Ordnung oder die zu ihrer Ausführung erlassenen Anweisungen es zulassen". Entgegenstehende landesrechtliche Vorschriften traten außer Kraft. Für den Sport brachte die neue Straßenverkehrsordnung eine grundlegende Kurskorrektur. Erklärtes Ziel der Politik war die Förderung des Kraftfahrsports43 , so daß das Wettfahrverbot gänzlich gestrichen wurde. Statt dessen führte die Verordnung in § 33 eine (präventive) Genehmigungspflicht für sämtliche sportliche und nichtsportliche Veranstaltungen ein44 , soweit öffentliche Straßen mehr als verkehrsüblich in Anspruch genommen wurden. Betrachtet man die zu dieser Vorschrift ergangene Ausführungsanweisung vom 29. 9. 193445 , so kann in § 33 zurecht die historische Wurzel des heutigen § 29 Abs. 2 StVO gesehen werden. Nach dieser Anweisung lag eine mehr als verkehrsübliche Inanspruchnahme der öffentlichen Straßen durch eine Veranstaltung beispielsweise dann vor, wenn durch die Zahl der Teilnehmer oder durch schnelles Fahren die Benutzung der Straßen durch den allgemeinen Verkehr eingeschränkt wurde46. Eine dem heutigen § 31 StVO vergleichbare Regelung enthielt die Verordnung (noch) nicht47 . § 2 Abs. 3 der vorläufigen Autobahn-Betriebs- und Verkehrs-Ordnung vom 14. 5. 193548 führte für ,,Rennen, Rekordfahrten und ähnliche Veranstaltungen" auf sog. Kraftfahrbahnen (Autobahnen) zusätzlich zu der Genehmigungspflicht nach § 33 StVO die Zustimmungspflicht der Gesellschaft "Reichsautobahn" ein. 41 Kurz zuvor wurde bereits in Preußen eine Polizeiverordnung erlassen, die eine umfassende Regelung des gesamten Straßenverkehrs enthielt (vorn 20. 3. 1934, Preußische Gesetzessammlung S. 169), die aber rund zwei Monate nach ihrem Inkrafttreten durch Art. III Abs. 2 S. 2 des Einführungsgesetzes zur Reichs-Straßenverkehrs-Ordnung v. 28. 5. 1934, RGBl. S. 456, ausdrücklich wieder aufgehoben wurde. 42 Vorn 28. 5. 1934, RGBI. I S. 456. 43 Siehe etwa Runderlaß des Innenministeriums bzgl. kraftfahrsportlicher Veranstaltungen auf öffentlichen Straßen v. 16. 6. 1934 (abgedruckt: RdK 1934, S. 178) der sämtliche restriktiveren Erlasse aufhob. 44 Siehe bereits die Preußische Polizeiverordnung über den Straßenverkehr vorn 20. 3. 1934, Preußische Gesetzessammlung S. 169. Nach deren§ 24 war ebenfalls nunmehr lediglich eine präventive Kontrolle von Wett- und Zuverlässigkeitsfahrten erforderlich. 45 RGBI. I S. 869. 46 Siehe ähnlich: § 29 Abs. 2 S. 2 1. Hs der heutigen StVO. 47 Anders aber § 46 der Preußischen Polizeiverordnung über den Straßenverkehr vorn 20. 3. 1934 (Preußische Gesetzessammlung S. 169). Dieser lautete: "Auf der Fahrbahn sind Kinderspiele, wie Werfen und Schleudern von Bällen und anderen Gegenständen, Seilspringen, Kreisel- und Reifentreiben, Steigen lassen von Drachen, Fahren mit Rollern oder ähnlichen Bewegungsmitteln untersagt. Das gilt nicht für Straßen, die für den Fahrzeugverkehr gesperrt sind". Diese Regelung weist bereits erhebliche Ähnlichkeiten zu den heutigen §§ 24 Abs. 1 und 31 StVO auf. 48 RGBI. II S. 421.

A. Die historische Entwicklung der Straßenverkehrsvorschriften

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Die Neufassung der Verordnung über das Verhalten im Straßenverkehr (Straßenverkehrs-Ordnung) vom 13. 11. 193749 brachte für sportliche Veranstaltungen keine inhaltlichen Änderungen50. Die Regelung über ,.mehr als verkehrsübliche Veranstaltungen" befand sich nun systematisch in § 5 (Teil A: Allgemeine Vorschriften). Die Regelbeispiele der Ausführungsanweisung wurden als neuer § 5 Abs. 2 in den Verordnungstext selbst mit aufgenommen. Nach der Dienstanweisung51 erfuhr die Vorschrift allerdings in der praktischen Anwendung erhebliche, politisch motivierte Einschränkungen, die aber den Sport selbst nicht betrafen52. Allerdings legte die Dienstanweisung fest, daß radsportliche Veranstaltungen nur erlaubt werden durften, wenn der Deutsche Radfahrer-Verband seine Zustimmung gegeben hatte53 . Selbiges galt für kraftfahrsportliche Veranstaltungen. Die Dienstanweisung legte als Voraussetzung für die Erteilung der polizeilichen Erlaubnis die Zustimmung der Obersten Nationalen Sportbehörde für die deutsche Kraftfahrt (ONS) fest54. Bereits hier zeigt sich die auch heute noch zu beobachtende besondere ,.Einbindung" der Sportorganisationen in den Vollzug des Straßenverkehrsrechts, wenngleich diese nicht mit den heutzutage unter dem Dach des Art. 9 GG organisierten Sportvereinen und -verbänden vergleichbar waren. Interessant ist auch die in der Dienstanweisung erfolgte Anknüpfung an die (sportliche) Bedeutung einer Veranstaltung. Zwar sollten auf Reichsstraßen und Hauptverkehrsstraßen Radsportveranstaltungen grundsätzlich nicht stattfinden dürfen, dies galt jedoch nicht ,.für die großen internationalen Veranstaltungen und alle reichsoffenen Fahrten"55 . Erstmals auf Reichsebene56 wurden allerdings spezielle Vorschriften für Kinderspiele(§ 43) und den Wintersport(§ 44)57 eingeführt. Wegen der Entwicklung des RGBI. I S. 1179. So auch Müller; Straßenverkehrsrecht, 12. Aufl. 1938, S. 835 (Anm. 1 zu§ 5 StVO). 51 Abgedruckt etwa bei v. Unruh, Straßenverkehrsrecht, 4. Auflage 1938, S. 14 und bei Müller, Straßenverkehrsrecht, 12. Aufl. 1938, S. 829 ff. 52 Auf Reichs- und Hauptverkehrsstraßen sowie anderen wichtigen Straßen waren Massenveranstaltungen, die nicht von der Partei oder von Staats wegen angeordnet wurden, wie insbesondere Jahrmärkte, Messen, Versammlungen, Prozessionen, Wallfahrten usw. wegen der damit verbundenen Behinderungen grundsätzlich unzulässig. Größere Veranstaltungen auf verkehrswichtigen öffentlichen Straßen, bei denen die Sperrung der Straße erforderlich war bzw. Verkehrsstörungen eintreten konnten, sollten deshalb nur dann zugelassen werden, "wenn staatspolitische Notwendigkeiten es verlangen oder Ausnahmefalle vorliegen, in denen eine Verlegung der Veranstaltungen auf weniger wichtige Straßen oder Plätze aus besonderen Gründen undurchführbar ist". 53 DA unter A. I. 3. zu § 5 StVO; abgedruckt bei Müller, Straßenverkehrsrecht, 12. Aufl. 1938, S. 830. 54 DA unter B. I. 3. zu § 5 StVO; abgedruckt bei Müller, Straßenverkehrsrecht, 12. Aufl. 1938, s. 833. 55 DA A. I. 4. zu§ 5 StVO. Siehe Müller, Straßenverkehrsrecht, 12. Aufl. 1938, S. 831. 56 Für Preußen beachte aber bereits§ 46 der Polizeiverordnung vom 20. 3. 1934 für Kinderspiele (Preußische Gesetzessammlung S. 169). 57 Dazu bereits Kap. 3 A. II. 2. a) ee). 49

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4. Kap.: Die Zu1ässigkeit der Ausübung des Sports

Verkehrs übernahm die StVO fast wortgleich das bereits in § 46 der Preußischen Polizeiverordnung über den Straßenverkehr vom 20. 3. 193458 für kurze Zeit geltende Kinderspielverbot auf der Fahrbahn59 in das Reichsrecht auf. Wörtlich waren Kinderspiele, "wie Werfen und Schleudern von Bällen und anderen Gegenständen, Seilspringen, Steigen lassen von Drachen, Kreisel- und Reifentreiben, Fahren mit Rollern oder ähnlichen Fortbewegungsmitteln sowie Spiele mit oder auf Fahrrädern untersagt". Nach der Dienstanweisung sollte die Vorschrift allerdings nicht kleinlich angewendet werden60 • Gemäߧ 43 S. 2 galt dieses Verbot nicht für Straßen, die für den Durchgangsverkehr gesperrt waren61 • § 44 sah zwar ein Verbot des "sportmäßigen" Skilaufens und Rodeins innerhalb geschlossener Ortschaften vor, jedoch sollten nach der Dienstanweisung Straßen zum Wintersport freigegeben werden, insbesondere in den Wintersportgebieten 62 •

111. Die Nachkriegsentwicklung Diese Rechtslage für den Sport galt einschließlich in ihrer praktischen Anwendung bis zum Jahre 195663 und überstand insbesondere auch die im Zuge der Neubekanntmachung des Kraftverkehrsgesetzes mit Wirkung zum 23. 1. 1953 durch Art. 8 des Gesetzes zur Sicherung des Straßenverkehrs vom 19. 12. 195264 (Straßenverkehrsgesetz) erfolgte Neufassung der StVO durch Verordnung vom 24. 8. 195365 . (Wesentliche) Änderungen traten insbesondere für den Motorsport erst im Zuge der Änderung der Straßenverkehrsordnung am 14. 3. 195666 ein. § 5 StVO (übermäßige Benutzung öffentlicher Straßen) wurde neu gefaßt. In Abs. 3 wurde ein (repressives) Verbot von Rennveranstaltungen mit Kraftwagen auf öffentlichen StraPreußische Gesetzessammlung, S. 169. Nicht jedoch auf den Gehwegen. Nach der DA (abgedruckt bei Müller, Straßenverkehrsrecht, 12. Auf!. 1938, S. 995) waren dort Kinderspiele ausdrücklich nicht untersagt. 60 Siehe DA zu § 43 StVO, abgedruckt bei Müller, Straßenverkehrsrecht, 12. Auf!. 1938, S. 996. Darüber hinaus konnten gern. § 46 Ausnahmen für bestimmte Zeiten und Straßen zugelassen werden (vgl. DA, a. a. 0.). 61 Wo ein entsprechendes Bedürfnis bestand, gab es nach der DA keine Bedenken, entsprechende Straßen für den Durchgangsverkehr zu sperren (a. a. 0 .). 62 DA zu § 44; abgedruckt bei Müller, Straßenverkehrsrecht, 12. Auf!. 1938, S. 996 f. 63 Die Dienstanweisung blieb in ihrem sachlichen Gehalt ebenfalls unverändert. Es erfolgten nach dem Krieg lediglich "sprachliche Bereinigungen". Siehe Müller, Straßenverkehrsrecht, 16. Auf!. 1949, S. 649 ff. und S. 807 ff. 64 BGBI. I S. 832. 65 BGBI. I S. 1201. Am 2. 8. 1955 wurden allerdings neue Richtlinien über Mindestanforderungen zum Schutze von Zuschauern, Rennfahrern und Sportwarten bei Rennveranstaltungen erlassen (VkBI. 1955, S. 422). 66 BGBI. I S. 199, 206. 58 59

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ßen (wieder)67 eingeführt, da "für Rennveranstaltungen mit Kraftwagen ... unsere Straßen keine ausreichende Sicherheit mehr (bieten)"68 . Die Möglichkeit einer Ausnahmegenehmigung nach § 46 Abs. 2 dieser StVO bestand zwar, sollte allerdings nach dem Willen des Verordnungsgebers nur in Betracht kommen," soweit einzelne Straßen so ausgebaut sind, daß man es verantworten kann, dort noch Rennveranstaltungen mit Kraftwagen durchzuführen"69• Ausdrücklich genannt wurden als in Betracht kommende Strecken die Avus-Rennstrecke in Berlin und die Solitude-Rennstrecke bei Stuttgart. "Im übrigen- so die Begründung- müssen Rennen mit Kraftwagen auf geschlossene Rennstrecken, wie z. B. auf den Nürburgring, beschränkt werden" 70• Bezüglich der Regelung über Kinderspiele erfolgte insoweit eine Neufassung, als das Kinderspielen nicht mehr kraft Gesetzes auf Straßen, die für den Durchgangsverkehr gesperrt waren, zulässig war. Nach dem neu gefaßten § 43 S. 2 StVO war vielmehr zusätzlich erforderlich, daß Kinderspiele ausdrücklich von den Straßenverkehrsbehörden zugelassen wurden. Diese wurden gleichzeitig ermächtigt, bestimmte Straßen als "Spielstraßen" zuzulassen, zu diesem Zweck Straßen für den Durchgangsverkehr zu sperren und an den Verkehrszeichen Zusatztafeln mit der Aufschrift "Spielstraße" anzubringen71 • In der Folgezeit prägten vor allem die Richtlinien der Bundesverkehrsminister die (restriktive) Genehmigungspraxis im Hinblick auf motorsportliche Veranstaltungen72.

67 Das Wettfahrverbot bzw. die Veranstaltung von Wettfahrten war, wie bereits gesehen, von 1906 bis 1933 grundsätzlich verboten, allerdings mit unterschiedlichen Ausnahmemöglichkeiten. Die nun gewählte Bezeichnung Rennveranstaltungsverbot war lediglich eine sprachliche Neufassung des in seinem sachlichen Umfang identischen Wetifahrtveranstaltungsverbots. Nicht aufgenommen wurden allerdings die nicht organisierten "wilden" Rennen. 68 So die amtliche Begriindung zur Änderung der StVO im Hinblick auf die Einführung des Rennveranstaltungsverbots; abgedruckt in: VkBI. 1956, S. 424 (425). 69 So die amtliche Begriindung, a. a. 0. 70 So die amtliche Begriindung, a. a. 0. 71 Siehe die Allg. Verwaltungsvorschrift, in: VkBI. 1956, S. 476 (490). n Vom 8. 5. 1956, VkBI. 1956, S. 282 (vorläufig); vom 11. 1. 1957, VkBI. 1957, S. 24, mit Änderung vom 24. 6. 1958, VkBI. 1958, S. 431 und die Richtlinie zum Schutz von Zuschauern etc. vom 11. 1. 1957, VkBI. 1957, S. 28, mit Änderung vom 6. 6. 1962, VkBI. 1962, S. 308. Obwohl kein Begriff des Verordnungstextes, enthielt die Richtlinie über die Durchführung motorsportlicher Veranstaltungen von Kraftfahrzeugen vom 8. 5. 1956 (vorläufige), a. a. 0. bzw. v. 11. 1. 1957, a. a. 0., eine Definition des Begriffs motorsportliche Veranstaltung: "Eine Motorsportveranstaltung zu Lande ist eine Betätigung mehrerer Personen im Motorsport" - eine sicher nicht allzu gehaltvolle Definition.

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IV. Der Erlaß der StVO des Jahres 1970 und die Folgeentwicklung Den Schlußpunkt der Entwicklung bildete die nach 14-jähriger Vorbereitungszeit neu erlassene Straßenverkehrsordnung vom 16. 11. 197073 . Während§ 5 Abs. 3 StVO (alt) das Rennverbot auf Kraftwagen beschränkte, sah nun§ 29 Abs. 1 StVO eine Erweiterung auf sämtliche Kraftfahrzeuge vor, da es nicht mehr zeitgemäß sei, Motorradrennen anders als Kraftwagen zu behandeln74. § 29 Abs. 2 StVO mit seinem präventiven Verbot (mit Erlaubnisvorbehalt) für Veranstaltungen, durch die Straßen mehr als verkehrsüblich in Anspruch genommen werden, übernahm im wesentlichen das bis dahin geltende Rechr1 5 und ist bis heute, wie Abs. 1, unverändert geblieben. Im Gegensatz dazu ist die Verwaltungspraxis jedoch erheblich "im Wandel" (geblieben). Die Verwaltungsvorschrift vom 24. 11. 197076 ging im Grundsatz davon aus, daß eine Ausnahmegenehmigung für Rennveranstaltungen mit Kraftfahrzeugen faktisch nicht erteilt werden könne. Wörtlich hieß es: "Eine Ausnahmegenehmigung für eine Rennveranstaltung mit Kraftfahrzeugen zu erteilen, ist nur selten zu rechtfertigen. Da dann die von der Veranstaltung in Anspruch genommenen Straßen, teilweise für längere Zeit, gesperrt werden müssen, ist in jedem Fall zu priifen, ob das Interesse an der Veranstaltung so stark überwiegt, daß (eine) solche Beeinträchtigung des Verkehrs als zurnutbar erscheint.'m. In der konkreten Umsetzung durch die Behörden bestanden jedoch erhebliche Unterschiede in der Bereitschaft im Einzelfall eine Ausnahmegenehmigung zu erteilen, weshalb diese restriktive Formulierung als nicht praktikabel angesehen wurde78. Diese Unsicherheit im Verwaltungsvollzug sollte durch Änderung der Verwaltungsvorschrift mit Wirkung zum 1. 1. 198079 beseitigt werden. Vorausgegangen waren jahrelange Beratungen in kleinen Arbeitsgruppen80 aus Vertretern einiger Bundesländer unter Hinzuziehung von Sachverständigen und unter Beteiligung der 73 BGBl. I S. 1565. Zur Entstehungsgeschichte siehe die Amtliche Begründung, VkBl. 1970, S. 797 (797). 74 So die Begründung zu§ 29 Abs. 1, in: VkBl. 1970, S. 797 (815). 75 So die Begründung, BRat-Drucks. 420/70 v. 20. 8. 1970, S. 70. 76 VkBl. 1970, S. 758 (763 ff.). 77 So a. a. 0., S. 763 (zu Abs. 1 III.). 78 Dazu Herold, VD 1980, S. 1 (4) und Seidenstecher, DAR 1995, S. 95 (96). Dazu trug sicher auch bei, daß der damalige Bundesverkehrsminister durch Verfügung vom 22. 11. 1971 (VkBl. 1971, S. 618) die früheren (klaren) Richtlinien aus dem Jahre 1957 aufhob und als "Ersatz" lediglich Musterformulare, ohne inhaltliche Präzisierung des Verwaltungsvollzugs, einführte. Herold (VD 1980, S. 1 [4)) meinte dazu, daß es ein "Trugschluß" gewesen sei, anzunehmen, daß diese Formulare ausreichend seien für eine sachgerechte Bearbeitung motorsportlicher Veranstaltungen durch die Behörden. 79 Allgemeine VwV zur Änderung der allg. VwV vom 22. 6. 1979, VkBl. 1979, S. 390. 80 Hier interessierend v. a. im Unterausschuß Motorsport.

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Motorsportverbände, unter Vorsitz eines Vertreters des Bundesinnenministeriums (als Sportministerium), beginnend im Jahre 197381 . Die mit Zustimmung des Bundesrats erfolgten Änderungen der Verwaltungsvorschrift haben (bis heute) in bezug auf § 29 Abs. 1 StVO folgenden Wortlaut: "Eine Ausnahmegenehmigung für eine Rennveranstaltung mit Kraftfahrzeugen darf in der Regel nur dann erteilt werden, wenn Straßen benutzt werden, die nur geringe Verkehrsbedeutung haben. Die von der Veranstaltung betroffenen Straßen sind zu sperren. In jedem Fall ist zu prüfen, ob eine zurnutbare Umleitung für den Verkehr vorhanden ist und ob das Interesse an der Veranstaltung so stark überwiegt, daß die Beeinträchtigung des allgemeinen Verkehrs hingenommen werden kann" 82. Ziel war es nach der dazu ergangenen Begründung, die Vorschrift entsprechend den inzwischen gewonnenen Erfahrungen praktikabler und "verkehrssicherer" zu gestalten83 . Die im Wortlaut zum Ausdruck kommende Erleichterung der Erteilung von Ausnahmegenehmigungen 84 und die in der Begründung zum Ausdruck kommende optimistische Erwartung85 , daß damit und in Verbindung mit den ebenfalls überarbeiteten neuen Antragsformularen86 eine einheitliche, insbesondere großzügigere und vereinfachte Verwaltungspraxis erreicht werde, so daß sie auch von den Veranstaltern angewendet werden könne87, hat sich, wie noch zu zeigen sein wird, in der gerichtlichen Praxis nicht durchgesetzt, ist nicht bestätigt worden. Das Kinderspielverbot des § 43 StVO (alt) und die Regelung über den Wintersport in § 44 StVO (alt) wurden in einer Vorschrift zusanunengefaßt, (inhaltlich) erweitert und klarer formuliert mit der bis heute gültigen Regelung, daß Sport und Spiel (grundsätzlich) auf der Fahrbahn und den Seitenstreifen verboten und nur auf den dafür (ausdrücklich) zugelassenen Straßen erlaubt sind (§ 31 StVO, als Ausdruck des Trennungsprinzips). Der zunächst vorgesehene Abs. 2 dieser Vorschrift sah darüber hinaus vor, daß auf den Gehwegen innerhalb geschlossener Ortschaften Sport nicht ausgeübt werden dürfe88 . Diese Regelung wurde im Hinblick auf § 1 Abs. 2 StVO als überflüssig angesehen89 . Wegen der mit ihr gewollten Zielrichtung, nämlich der Erfassung von Mannschaftsspielen und gewerteten Sportübungen90, ist dies auch konsequent. Gleichzeitig sollten jedoch nach dem Willen 81 Vgl. zur Entwicklung der VwV vom 22. 6. 1979 (VkB!. 1979, S. 390) zu § 29 und zu § 46 Abs. 1 Nr. 5 StVO: Herold, VD 1980, S. 1 (1 ff.). 82 III. der VwV in der ab 1. 1. 1980 geltenden Fassung (v. 22. 6. 1979, VkBI. 1979, S. 390 [390]). Auf Details der Regelungen wird noch einzugehen sein. 83 VkB!. 1979, S. 401. 84 Siehe dazu auch Herold, VD 1980, S. 1 (4); Ronellenfitsch, DAR 1995, S. 241 (244) und Seidenstecher, DAR 1995, S. 95 (97). 85 Siehe insbesondere Herold, VD 1980, S. 1 (4). 86 Abgedruckt in: VkB!. 1979, S. 746. 87 So Herold, VD 1980, S. 1 (4). 88 So der Entwurf der Bundesregierung vom 11. 8. 1970, BRat-Drucks. 420170 v. 20. 8. 1970, s. 11. 89 So der Beschl. des Bundesrates v. 23. 10. 1970, BRat-Drucks. 420170, S. 8.

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4. Kap.: Die Zulässigkeil der Ausübung des Sports

des Verordnungsgebers durch Zusatzschild zu Zeichen 250 bzw. Zeichen 357 in wesentlich größerem Umfang "Spielstraßen" vorgesehen werden91 . Trotz der bis heute unverändert gebliebenen Formulierung des § 31 StVO veränderte sich der Geltungsbereich des Verbots (mit Erlaubnisvorbehalt). Die Verordnung über Maßnahmen im Straßenverkehr vom 27. 11. 197592 brachte zunächst Einschränkungen. Für Sackgassen entfiel die Möglichkeit der Zulassung von Kinderspielen93, so daß dort bis heute nur noch Wintersport erlaubt werden kann94. Eine (erhebliche) Erweiterung erfolgte durch die Änderungsverordnung vom 21. 7. 198095 mit der Einführung sogenannter verkehrsberuhigter Bereiche in § 42 Abs. 4a StVO, in denen Kinderspiele überall erlaubt sind96. Schließlich wurde durch Änderungsverordnung vom 22. 3. 198897 § 41 Abs. 2 Nr. 6 nach Zeichen 250 dahin neu gefaßt, daß durch Zusatzschild außer Kinderspielen auch ,,Sport" erlaubt werden kann (früher: nur Wintersport). Die Verwaltungspraxis sollte sich allerdings mehr an den bisherigen Regelungen orientieren. So formulierte zunächst etwa noch der Entwurf einer Verwaltungsvorschrift des Bundesverkehrsministeriums vom 21. 8. 197098, daß dort, wo sich die einheimische Bevölkerung im Winter mit Skiern oder Schlitten fortbewege, nur "sportmäßiges" Skilaufen oder Schlittenfahren Wintersport sei, in den anderen Gegenden dagegen jedes Skilaufen und Rodeln99. Es galt nach dem Willen der Verwaltung also ein ortsbezogener Begriff des Wintersports, obwohl gerade der Begriff des "sportmäßigen" wegen seiner fehlenden Praktikabilität in der Verwaltungspraxis aufgegeben wurde. Die endgültige, bis heute geltende Formulierung100 bestimmt deshalb auch, daß dort, wo die Benutzung von Skiern oder Schlitten ortsüblich ist, nicht einzuschreiten ist. Die explizite Freigabe von Straßen zum Wintersport, besonders zum Rodeln, soll auf das unbedingt notwendige Maß beschränkt sein. Vor allem sind nur solche Straßen und Plätze dafür auszuwählen, die keinen oder nur geringen Fahrzeugverkehr aufweisen 101 . Inwieweit diese auf den Wintersport beschränkten Regelungen seit der oben genannten Änderungsverordnung vom 22. 3. 1988 102 generell auf den Sport anzu90 Diese Beispiele nannte die Begründung zur Erweiterung des Sportverbots über das Wintersportverbot des§ 44 StVO (alt) hinaus (BRat-Drucks. 420170 v. 20. 8. 1970, S. 71). 91 So die Begründung, BRat-Drucks. 420170 vom 20. 8. 1970, S. 71. 92 BGBI. I S. 2967. 93 § 42 Abs. 7 StVO, Text hinter Zeichen 357. 94 A . a. 0 . 95 BGBI. I S. 1060. 96 Nr. I nach Zeichen 325 u. 326. 97 BGBI. I S. 405. 98 BRat-Drucks. 428170, S. 13 f. 99 III. 2. der VwV zu§ 31 StVO, a. a. 0., S. 14. 100 III. 2. der Fassung vom 24. 11. 1970, VkBI. 1970, S. 767. 101 So III. 1. der VwVin der insoweit bis heute gültigen Fassung vom 24. 11. 1970, a. a. 0., S. 767. 102 BGBI. I S. 405.

A. Die historische Entwicklung der Straßenverkehrsvorschriften

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wenden sind, bleibt abzuwarten, jedenfalls bedarf die Verwaltungsvorschrift insoweit dringend einer Anpassung an die nach der Verordnung bestehende Rechtslage. Für das Spielen stellt die Verwaltungsvorschrift zunächst fest, daß gegen dieses auf Gehwegen nicht eingeschritten werden soll, solange dadurch die Fußgänger nicht gefährdet oder wesentlich behindert oder belästigt werden 103 . Diese Voraussetzung für das Einschreiten ist wohl als "Hinweis" auf § I Abs. 2 StVO zu verstehen. Die ursprünglich bestehende "Akzeptanz" der tatsächlichen Verhältnisse in II. 2. der Verwaltungsvorschrift 104, ist mit der Formulierung entfallen: "Kann eine Straße wegen ihres nicht unerheblichen Verkehrs nicht zur "Spielstraße" erklärt werden, obwohl dort Kinderspiele nicht unterbunden werden können oder erfahrungsgemäß Kinder häufig auf die Fahrbahn laufen, so ist zu prüfen, ob das Zeichen 136 (Kinder) anzubringen und erforderlichenfalls die Geschwindigkeit (Zeichen 274) zu beschränken ist". Unverändert blieb dagegen II. 3. der Verwaltungsvorschrift vom 24. 11. 1970 105 . Danach brauchen Wohnstraßen und auch andere Straßen ohne Verkehrsbedeutung106, auf denen der Kraftfahrer mit spielenden Kindern rechnen muß, nach der Erfahrung nicht zu "Spielstraßen" erklärt werden. Auch das Zeichen 136 ist dort in der Regel entbehrlich. Gegen Kinderspiele sollte dort nicht eingeschritten werden. Das Ziel des Verordnungsgebers, in wesentlich größerem Umfang "Spielstraßen" vorzusehen, soll in der Praxis lediglich subsidiär zur Anwendung kommen 107 ; primär sollen "die Straßenverkehrsbehörden ... , selbst in stärker bewohnten Innenbezirken von Großstädten, die Schaffung von Spielplätzen anregen" 108 . In der ursprünglichen Fassung sollten deshalb auch Spielstraßen nur dort verfügt werden, wo die "Anregung" bzw. "Bemühung" 109 um Kinderspielplätze erfolglos blieb 110. In der bis heute geltenden Fassung bleibt die Straßenverkehrsbehörde jedoch auch dann, wenn Spielplätze und sonstige Anlagen, wo Kinder spielen können, zur Verfügung stehen, verpflichtet, zu prüfen, wie Kinder auf denjenigen Straßen, etwa durch die Einrichtung von Spielstraßen, geschützt wer103 I. der VwV zu § 31 StVO in der bis heute gültigen Fassung vom 24. 11. 1970, VkB!. 1970, S. 766. 104 Vom 24. 11. 1970, a. a. 0., S. 766. 10s VkB!. 1970, S. 766. 106 Ob es heutzutage noch Straßen ohne Verkehrsbedeutung gibt, erscheint zumindest fraglich. 107 In der Vollzugsbekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums des Ionern zur StVO vom 9. 8. 1991 (Nr. I C/11 D - 3611.12/2, AIIMB!. 1991, S. 650 [666]) heißt es denn auch: "Die Schaffung von Spielstraßen wird von manchen Gemeinden als Ersatzlösung für die primär gebotene Verpflichtung, nach Möglichkeit Kinderspielplätze und Sportplätze für die Jugend anzulegen, betrachtet". 108 II. 1. S. 1 der VwV zu§ 31 StVO vom 24. ll. 1970, VkB!. 1970, S. 766. Dort sollten sich die Straßenverkehrsbehörden noch um die Schaffung von Kinderspielplätzen "bemühen". Die heutige "Anregung" (siehe etwa bei Jagusch/Hentschel, Rdnr. 2 zu § 31 StVO) stellt sachlich keine Änderung dar. 109 Siehe vorstehend. 110 Siehe II. 2. S. 2 der VwV zu§ 31 StVO vom 24. 11. 1970, VkB!. 1970, S. 766.

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4. Kap.: Die Zulässigkeit der Ausübung des Sports

den, auf denen erfahrungsgemäß Kinderspiele nicht unterbunden werden können 111 • Dieser prinzipiell bestehende "Subsidiaritätsgedanke" findet allerdings weder im Wortlaut der Verordnung seinen Niederschlag noch gibt die Verwaltungsvorschrift insoweit zutreffend den (ursprünglichen) Willen des Verordnungsgebers wieder. Der neu gefaßte, ebenfalls bis heute, soweit hier von Interesse, unverändert gebliebene § 24 StVO bestimmt, daß (nach der Überschrift) sogenannte besondere Fortbewegungsmittel nicht als Fahrzeuge im Sinne der Verordnung gelten. Die Vorschrift wurde bereits in anderem Zusammenhang vorgestellt (siehe Kap. 3 A. II. 2. a] ee]). Zu diesen gesetzlich privilegierten Fortbewegungsmitteln zählen nach h. M. etwa Rollschuhe (lnline-Skates), Rodelschlitten, Skier, Rollbretter und der auch von Erwachsenen wiederentdeckte Roller112• Die Vorschrift brachte eine Zusammenfassung verschiedener in der Rechtspraxis komplizierter Vorschriften 113 • "Frei gemacht" wurde die Vorschrift insbesondere von der Frage, ob die "besonderen Fortbewegungsmittel" auch ihrem Bestimmungszweck entsprechend genutzt werden 114, da auch die Rechtslehre keine in der Praxis brauchbaren Kriterien für eine sachgerechte Anwendung entwickeln konnte 115 • Die Vorschrift kommt deshalb heute unabhängig vom (tatsächlichen) Benutzungszweck und vom "Alter" des Nutzers zur Anwendung 116•

B. Die "Sportrechtslage" in der Straßenverkehrsordnung Die wichtigsten sportrelevanten Vorschriften des Straßenverkehrsrechts sind heute: §§ 24 Abs. l, 29 Abs. 1 u. 2, 30 Abs. 2, 31 u. 46 Abs. 2 StV0 117 • Sämtliche Vorschriften sind in Ausführung von § 6 Abs. 1 StVG, insbesondere Abs. 1 Nr. 3 erlassen worden.

111 II. 2. S. 2 in der jetzt geltenden Fassung. Abgedruckt etwa bei: Jagusch!Hentschel, Rdnr. 2 zu § 31 StVO. 112 Siehe dazu bereits Anm. 209 ff. in Kap. 3. 113 So die Begründung zu§ 24 StVO in: BRat-Drucks. 420170 v. 20. 8. 1970, S. 66. 114 So noch § 24 Abs. 7 StVO (alt) mit dem Wortlaut: " . .. für Rodelschlitten sowie für Kinderwagen und Kinderschlitten, die ihrem Bestimmungszweck dienen". 115 Dazu auch die Begründung, in: BRat-Drucks. 420170 v. 20. 8. 1970, S. 66. 116 Die Begründung meinte etwa in Bezug auf Roller, daß "sich gelegentlich auch Erwachsene, z. B. Parkplatzwächter, dieser Fortbewegungsmittel bedienen (a. a. 0., S. 66 f.). Wie wahr! Siehe auch die Wiederentdeckung des Rollers durch Erwachsene als Fortbewegungsmittel. Dazu etwa OLG Oldenburg, Beschl. v. 21. 6. 1996, DAR 1996. S. 470. 117 Daneben aus dem Zulassungsrecht insbesondere§ 67 Abs. 11 u. 12 StVZO mit Sonderregeln für Rennräder. Dazu etwa Huppertz, VD 1992, S. 129.

B. Die "Sportrechtslage" in der Straßenverkehrsordnung

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I. § 29 Abs. 1 StVO (i. V. m. § 46 Abs. 2 StVO) 1. Der Tatbestand

Die Vorschrift des § 29 Abs. 1 StVO (i. V. m. § 46 Abs. 2 StVO) kann sicherlich als die Kernnorm des Motorsports auf öffentlichen Straßen bezeichnet werden. Nach ihrem (schlichten) Wortlaut, der, wie noch zu zeigen sein wird, in der Rechtsanwendung erhebliche Probleme beim Versuch, sachgerechte Lösungen zu erreichen, verursacht, sind "Rennen mit Kraftfahrzeugen . . . verboten".

a) Der Anwendungsbereich Interessant ist, worauf noch zurückzukommen sein wird, daß § 29 Abs. 1 StVO als Normadressaten nicht den Veranstalter eines Rennens erfassen will, sondern (primär) den teilnehmenden Kraftfahrzeugführer (§ 49 Abs. 2 Nr. 5 StV0) 118 • Deshalb ist es konsequent, das Rennverbot gerade auch auf nichtorganisierte (sog. wilde) Rennen 119 zu erstrecken 120, deren Anzahl gerade in den neuen Bundesländern erheblich zunimmt und teilweise - mit dem Ziel ihrer Einschränkung - zu baulichen Veränderungen der Straßen Anlaß gibt121 • Räumlich erstreckt sich die Vorschrift, wie gänzlich die Straßenverkehrsordnung, auf öffentliche Straßen, Wege und Plätze im Sinne des Verkehrsrechts. Außerhalb dieser Flächen sieht das Bundesrecht selbst keine spezielle Regelung vor, jedoch haben einige Länder teilweise besondere sicherheitsrechtliche Verordnungen erlassen 122 bzw. sehen in den Sicherheits- bzw. Polizeigesetzen eine Erlaubnispflicht vor 123• So auch Jäger, in: Diehl u. a., Rdnr. 6 zu§ 29 StVO. Neudeutsch "Cruising" genannt. 120 So li. der VwV zu § 29 Abs. I StVO, abgedruckt etwa bei Jagusch/Hentschel, Rdnr. Ia zu § 29 StVO. 121 Siehe die sich wiederholenden Berichte in der Tagespresse: SZ Nr. 205 v. 5. 9. 1996, S. 12 ("Polizei stoppt illegales Straßenrennen in Sachsen"); BZ Nr. 218 v. 17. 6. 1996, S. 15 (,,Mit Vollgas über den Olympischen Platz"); SZ Nr. 217 v. 19. 9. 1996, S. 16 ("Freizeit-Rambos liefern sich Kopf-an-Kopf-Rennen"); SZ Nr. 246 v. 24. 10. 1996, S. 11 ("Wildwest auf den Straßen des Ostens"); SZ Nr. 40 v. 18. 2. 1997, S. 40 ("Wettrennen auf der A 42"); FAZ Nr. 77 v. 3. 4. 1997, S. 10 ("Raser auf ehemaliger Rennstrecke unterwegs"); SZ Nr. 150 v. 3. 7. 1997, S. 4 ("Straßenumbau wegen illegaler Autorennen"); ARCD, Presse-Information Nr. 136 v. 29. 11. 1994, S. 3 ("Polizei hat Cruising im Griff'). 122 Z. B. in BW auf der Grundlage von§§ 1, 10 BWPolG (VO des Innenministeriums v. 2. 12. 1976, GBI. S. 630). Dazu: BWVGH, Urt. v. 25. 6. 1986, NVwZ 1988, S. 166. 123 So etwa in Bayern, vgl. Art. 19 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 BayLStVG. Die Erlaubnispflicht entfällt, soweit eine Erlaubnis nach Straßenverkehrsrecht auf öffentlichem Verkehrsgrund erforderlich ist und die Veranstaltung ausschließlich auf diesem stattfindet. V gl. Art. 19 Abs. 9 BayLStVG und 19.2.8 und 19.3 der Vollzugsbekanntmachung zu dieser Vorschrift (abgedruckt etwa bei: Bengl/Berner/Emmerig, zu Art. 19 BayLStVG am Anfang). 118

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4. Kap.: Die Zulässigkeit der Ausübung des Sports

b)Rennen

"Rennen" als unbestimmter Rechtsbegriff (ohne Beurteilungsspielraum) wird definiert als Wettbewerb oder Teil eines Wettbewerbs (z. B. Sonderprüfungen mit Renncharakter) sowie als Veranstaltung (z. B. Rekordversuch) zur Erzielung von Höchstgeschwindigkeiten mit Kraftfahrzeugen 124• Auf die Art des Starts (gemeinsamer Start, Gruppenstart, Einzelstart) kommt es dabei nicht an 125 . Sowohl die Sportorganisationen 126 als auch das (überwiegende) juristische Schrifttum 127 und die Rechtsprechung 128 nehmen hierbei an, daß das entscheidende (zumindest aber mitbestimmende) Kriterium für die Einordnung als Rennen die Erzielung von Höchstgeschwindigkeiten sein muß. Lediglich vereinzelt wird gefordert, im Hinblick auf die Benutzbarkeit öffentlicher Straßen den Begriff weiter "auszulegen" und die Erzielung von Höchstgeschwindigkeiten nicht als entscheidend angesehen; folglich seien auch Geschicklichkeits- und Orientierungsfahrten unter Abs. 1 zu subsumieren 129• Da sich diese Meinung weder auf den Wortlaut, noch auf den Willen des Verordnungsgebers, und auf die systematische Stellung (Verhältnis zu § 29 Abs. 2 StVO) berufen kann und zuletzt auch nach Sinn und Zweck der Vorschrift eine solche "Erweiterung" nicht erforderlich ist, wird dem nicht weiter nachgegangen, zumal sie aus guten Gründen vereinzelt geblieben ist. 124 So die Definition der VwV I. zu Abs. 1, abgedruckt etwa bei: Jagusch/Hentschel, Rdnr. Ia zu § 29 StVO. Zu deren "erhöhten Geltungskraft": NWOVG, Urt. v. 12. 6. 1996, DAR 1996, S. 369 (370). Ausführliehst zum Rennbegriff: Bentlage, S. 57 ff. 125 VwV I. zu Abs. 1, a. a. 0. 126 Siehe Art. 24 des Internationalen Automobii-Sportgesetzes der FIA (Rennen: Wettbewerb, in welchem die Geschwindigkeit den entscheidenden Faktor für die Bewertung gibt) und Art. 29 des Deutschen Motorrad-Sportgesetzes der OMK (Ein Rennen ist jeder Wettbewerb, bei welchem allein die Geschwindigkeit das Ergebnis bestinunt). Siehe dazu Bentlage, s. 57. 127 Jagusch!Hentschel, Rdnr. 2 zu§ 29 StVO; Cramer, StVR I, Rdnr. 71 zu§ 29 StVO; Lütkes u. a., Straßenverkehr, Leitzahl I 2 StVO, Rdnr. 2 zu § 29 StVO; Mühthaus I Janiszewski, Rdnr. 2 zu § 29 StVO, Rüth, in: Rüth/Berr!Berz, StVR, Rdnr. 1 zu§ 29 StVO; Spöhr, Aktuelles StVR, Rdnr. 3 zu § 29 StVO; Jäger, in: Diehl u. a., HK-StVR, Rdnr. 2 zu § 29 StVO; Ronellenfitsch, DAR 1995, S. 241 (244); Mayer, SpuRt 1995, S. 197 (198); kritisch: Krampe, DAR 1997, S. 377 (383 f.). 128 OLG Braunschweig, Beschl. v. 13. 7. 1994, NZV 1995, S. 38 (38); OLG Hanun, Urt. v. 27. 1. 1989, NZV 1989, S. 312 (313); dies., Beschl. v. 7. 4. 1997, NZV 1997, S. 367 (367); BVerwG, Urt. v. 13. 3. 1997 (3 C 2/97), NZV 1997, S. 372 (372); dies., Urt. v. 13. 3. 1997 (3 C 5/97), DAR 1997, S. 413 (414); NdsOVG, Urt. v. 12. 8. 1996, DVBI. 1996, S. 1441 (1442); NWOVG, Urt. v. 15. 11. 1993, NWVBI. 1994, S. 273 (274); dies., Urt. v. 12. 6. 1996, DAR 1996, S. 369 (369 f.). 129 So Kuckuk/Wemy, Anm. 1 zu § 29 StVO. A. A. zurecht etwa OLG Hanun, Urt. v. 27. 1. 1989, NZV 1989, S. 312 (313) und Schemel/Erbguth, Handbuch Sport und Umwelt, 3. Aufl., S. 443. Zu den (15) offiziellen "Veranstaltungstypen" des Automobilsports: Krampe, DAR 1997, S. 377 (379 ff.) und Schemel/Erbguth, Handbuch Sport und Umwelt, 3. Aufl., S. 414 f.; speziell zu den unter§ 29 Abs. 1 StVO fallenden Veranstaltungen sowohl des Automobil- wie auch des Motorradsports: Bentlage, S. 68 ff.

B. Die "Sportrechtslage" in der Straßenverkehrsordnung

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Wichtig aus Sicht des Wettbewerbs ist eine Einzelbetrachtung. Unterfällt nur ein Teil eines Wettbewerbs dem Rennbegriff, so fällt auch nur dieser Teil unter die Vorschrift des § 29 Abs. I StV0 130. Allein die Erzielung einer Höchstgeschwindigkeit ist jedoch noch nicht ausreichend, um das besondere repressive Verbot zu begriinden. Dies zeigt insbesondere § 3 StV0 131 • In dieser Vorschrift ist bereits zusammenfassend die jeweils einzuhaltende Geschwindigkeit geregelt. Hinzutreten muß also eine Besonderheit, die ein Rennen charakterisiert. Dies ist insbesondere im Wettbewerb mit anderen zu sehen 132. Die besonderen Gefahren des Wettbewerbs, insbesondere aus psychologischer Sicht, das Streben schneller zu fahren als der Gegner, treten hier in den Vordergrund 133 oder, wie friiher (etwas ungenau) angenommen wurde: Das Rennfahrverbot beruht vor allem auf dem Anreiz, beim Überholen des Gegners Rücksicht auf sich oder andere außer Acht zu lassen 134. Zu dem auch objektiven Kriterium "Erzielung von Höchstgeschwindigkeiten" muß das auch subjektive Kriterium des "Messens mit anderen" als ein klassisches Definitionsmerkmal des Sports hinzutreten, weshalb es auch mindestens zweier Teilnehmer bedarf135 . Der Begriff "Rennen" des § 29 Abs. 1 StVO läßt sich deshalb vielleicht folgendermaßen zusammenfassen: Ein Rennen ist ein Wettbewerb bzw. Teil eines Wettbewerbs mit mindestens zwei Fahrzeugen, der auf die Erzielung von Höchstgeschwindigkeiten gerichtet ist und bei dem das straßenverkehrsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme außer kraft tritt bzw. zumindest erheblich eingeschränkt ist 136• 130 So bestätigt von NWOVG, Urt. v. 12. 6. 1996, DAR 1996, S. 369 (370). Versicherungsrechtlich hat dies ebenfalls wichtige Konsequenzen. Der Haftpflichtversicherer des Kraftfahrzeughalters hat ein Rückgriffsrecht nach § 3 Nr. 4 und 9 S. 2 PflVG i. V. m. § 2b Abs. 1d (Versicherungsnehmer) bzw. § 3 Abs. 1 (Fahrer etc.) AKB nur dann, wenn an behördlich nicht genehmigten Fahrveranstaltungen teilgenommen wird, bei denen es auf die Erzielung einer Höchstgeschwindigkeit ankommt (= Rennen i. S. v. § 29 Abs. 1 StVO, vgl. OLG Hamrn, Urt. v. 27. 1. 1989, NZV 1989, S. 312 [312]). Auch diese Leistungsfreiheit im Innenverhältnis greift nur für die Teile einer Gesamtveranstaltung, die unter § 29 Abs. 1 StVO fallen. Vgl. etwa Weisemann/Spieker. Rdnr. 194 f. und allgemein Fritze, VersR 1968, S. 726. Die private Haftpflichtversicherung enthält für Kraftfahrzeugrennen i. ü. eine generelle Leistungsausschlußklausel (§ 4 Abs. 1 Nr. 5 AHB). Dazu Hübner; in: Würtenberger (Hrsg.), Risikosportarten, S. 1 (16 f.). 131 Siehe aber auch die Autobahn-Richtgeschwindigkeits-VO vom 21. 11. 1978, BGBI. I S. 1824. 132 Wenngleich keine vorherige ausdrückliche Absprache diesbezüglich erforderlich ist. Vgl. OLG Hamrn, Beschl. v. 7. 4. 1997, NZV 1997, S. 367 (367). 133 So auch Bentlage, S. 58 f. 134 Siehe Bentlage, S. 59 und die in Anm. 2 genannte Rechtsprechung und Literatur. Dies ist zumindest deshalb nicht ganz zutreffend, da ein Rennen auch ohne Uberholen vonstatten gehen kann, da gemeinsame Starts gerade kein entscheidendes Kriterium sind. 135 So auch Spöhr; Aktuelles Straßenverkehrsrecht, Rdnr. 3 zu § 29 StVO. 136 Einen Kern an "Rücksichtnahmeregeln" sichern freilich die offiziellen Wettbewerbsregeln, die unter dem Gesichtspunkt des "fair-play" ein Mindestmaß an Rücksichtnahme auch im Profisportbereich statuieren. 15*

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4. Kap.: Die Zulässigkeit der Ausübung des Sports

c) "Sind verboten" Rennen sind nach der (scheinbar) klaren Regelung auf öffentlichen Straßen verboten. Von diesem Verbot können die zuständigen obersten Landesbehörden oder die nach § 46 Abs. 2 S. 1 und S. 3 Hs 2 StVO zuständigen Stellen Ausnahmen für bestimmte Einzelfälle oder allgemein für bestimmte Antragsteller genehmigen. Die gesetzliche Grundlage für beide Normen bildet § 6 StVG, konkret: § 6 Abs. 1 Nr. 3 StVG. Trotz der recht allgemein gehaltenen Formulierung 137 hat das BVerfG wohl auf Grund des Gegenstandskatalogs in § 6 Abs. 1 Nr. 3 StVG festgestellt, daß diese Vorschrift "offensichtlich" den Anforderungen genügt, die Art. 80 Abs. 1 GG stellt, weil Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung hinreichend bestimmt sind 138, so daß der Eingriff meßbar und zumindest in gewissem Umfang für den Bürger voraussehbar und berechenbar werde 139 • Ob das Attribut "offensichtlich" (als Ersatz für eine konkrete Begründung) gerechtfertigt ist, kann dahingestellt bleiben. Im Ergebnis muß jedenfalls die auf Grund von § 6 Abs. 1 Nr. 3 StVG erlassene Rechtsverordnung Regelungen über den Straßenverkehr zum Inhalt haben. Sie muß die Erhaltung der Ordnung und Sicherheit auf den öffentlichen Wegen und Plätzen, die Sicherheit der Verteidigung, die Verhütung einer über das verkehrsübliche Maß hinausgehenden Abnutzung der Straßen oder die Verhütung von Belästigungen bezwecken 140• Die in§ 6 Abs. 1 Nr. 3 StVG nach dem Wortlaut "insbesondere" unter a) bis g) beschriebenen Fälle haben zwar nur beispielhaften Charakter, sie begrenzen aber zugleich die Ermächtigung auf vergleichbare Sachverhalte 141 • Akzeptiert man diesen "Ermächtigungsrahmen" des Gesetzes als verfassungskonform so läßt sich § 29 Abs. 1 StVO mit seiner Ausnahmevorschrift in § 46 Abs. 2 StVO bereits unter die Erhaltung der Ordnung und Sicherheit des Verkehrs subsumieren. Zu beachten ist noch, daß bei Straßen, die insbesondere mangels straßenrechtlicher Widmung "lediglich" öffentlich im Sinne des Verkehrsrechts sind, der "Erlaubnisrahmen" der Straßenverkehrsbehörde erst eröffnet ist, wenn der Nutzungsberechtigte, also in der Regel der zivilrechtliche Eigentümer mit der Nutzung der Straße einverstanden ist. Die Nutzung ist hier also von der Zustimmung des Verfügungsberechtigten abhängig, worauf die Verwaltungsvorschrift zutreffend hinweist 142• 137 "Die sonstigen zur Erhaltung der Ordnung und Sicherheit auf den öffentlichen Straßen . ..". 138 BVerfG, Beschl. v. 12. 11. 1958, BVerfGE 8, S. 274 (312 u. 325 f.); dies., Beschl. v. 25. 6. 1969, BVerfGE 26, S. 259 (262); dies., Beschl. v. 10. 12. 1975, BVerfGE 40, S. 371 (381); BVerwG, Urt. v. 16. 3. 1994, NZV 1994, S. 374 (375). 139 BVerfG, Beschl. v. 12. 11. 1958, BVerfGE 8, S. 274 (325). 140 BVerfG, Beschl. v. 25. 6. 1969, BVerfGE 26, S. 259 (262 f .) zur alten Rechtslage. 14 1 BVerfG, a. a. 0., S. 263. 142 Ausdrücklich zwar nur unter Il. 2. der VwV zu § 29 Abs. 2 StVO erwähnt (abgedruckt bei Jagusch/Hentschel, Rdnr. Ia zu § 29 StVO), gilt jedoch erst recht für §§ 29 Abs. 1 u. 46 Abs. 2 StVO.

B. Die "Sportrechtslage" in der Straßenverkehrsordnung

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2. Rechtsfolge: Verbot mit Ausnahmevorbehalt

a) Der dogmatische Ausgangspunkt der Ausnahmebewilligung

Daß sich der Gesetzgeber im Grundsatz für ein generelles Verbot entschieden hat, ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden. Zwar ist in anderem Zusammenhang entschieden worden, daß das ursprünglich in § 33 Abs. 1 S. 3 StVO in der Fassung vom 16. 11. 1970143 enthaltene generelle Verbot "des Umherlabrens und Parkens von Fahrzeugen allein zum Zwecke der Werbung" im Lichte des Art. 12 GG (Wirtschaftswerbung) wegen seiner Unverhältnismäßigkeit (konkret: fehlende Erforderlichkeit) nichtig sei 144, da dem gesetzgebensehen Anliegen ohne Beeinträchtigung öffentlicher Belange durch ein Erlaubnisverfahren mit Verbotsvorbehalt in ausreichender Weise Rechnung getragen werden könne 145 . Diese Rechtsprechung läßt sich allerdings nur schwerlich auf die hier inmitten stehende Regelung übertragen. Hintergrund sind allgemein folgende Überlegungen: Der Gesetzgeber (bzw. Verordnungsgeber) kann die Ausübung von Betätigungen aus Gründen (hier) der öffentlichen Sicherheit und Ordnung überwachen (lassen). Er kann- unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Grundentscheidungen - ein Prüfungsverfahren anordnen und darf die Rechtsausübung von einer behördlichen Erlaubnis abhängig machen 146. Für den einzelnen ist allerdings von ganz entscheidender Bedeutung, ob die Betätigung generell (also kraft Gesetzes) verboten ist oder lediglich präventiv durch die Behörde "kontrolliert" wird. Im ersteren Fall wird die Betätigung dogmatisch erst durch die "statusbegründende bzw. rechtsbegründende" behördliche Entscheidung (ausnahmsweise) konstitutiv gestattet. Im letzteren Fall sieht das Gesetz (bzw. die Verordnung) die Betätigung als prinzipiell erlaubt an; gleichwohl soll der Behörde in einem Verfahren bezogen auf den Einzelfall eine Prüfung möglich sein. Zusammenfassend formuliert gibt es insoweit gesetzestechnisch zwei Alternativen: das Verbot für den Einzelfall bei generellem Erlaubtsein einer Tätigkeit sowie die Einzelfallerlaubnis bei vorgeschaltetem generellen Verbot 147 . Otto Mayer ging noch, das klassische Polizeirecht vor Augen 148, davon aus, daß die Polizeierlaubnis ein Polizeiverbot mit Erlaubnisvorbehalt sei, indem er formuliert, daß die Form des Verbotes die Funktion der Überwachungsmaßregel gegen mögliche Gefährdungen übemehme 149. Er kannte die dogmatische Unterscheidung zwischen präventivem Verbot mit Erlaubnisvorbehalt und repressivem Verbot mit Ausnahmebewilligung (Befreiungsvorbehalt) nicht. Diese Unterscheidung geht zuBGBI. I S. 1565. So BVerfG, Beschl. v. 10. 12. 1975, BVerfGE 40, S. 371 (382 ff.). 145 BVerfG, a. a. 0., S. 383, unter Verweis auf BVerfG, Urt. v. 5. 8. 1966, BVerfGE 20, s. 150 (154 ff.). 146 BVerfG, Beschl. v. 10. 7. 1958, BVerfGE 8, S. 71 (76). 147 So wörtlich Schwabe, JuS 1973, S. 133 (133). 148 Deutsches Verwaltungsrecht, Band I, 3. Aufl. 1924, S. 240 ff. 149 A. a. 0., S . 240. 143

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4. Kap.: Die Zulässigkeit der Ausübung des Sports

rück auf eine Urteilsanmerkung von Richard Thoma 150• Er meinte, daß man gerade bei den aller wichtigsten Betätigungen, die die Rechtsordnung der Erlaubnispflicht unterwerfe, wie Bauen von Häusern, Errichten von gewissen industriellen Anlagen, Betrieb von Krankenhäusern usw., unmöglich sagen könne, daß sie eigentlich verboten seien 151 . In der Konsequenz trennte er zwischen "an sich" verbotenen und "an sich" erlaubten Tätigkeiten 152. Dies entspricht den in der heutigen Dogmatik benutzten Termini zur Abgrenzung der beiden Verbotstypen, einerseits den "sozial erwünschten" bzw. neutralen und andererseits den sozial unerwünschten (sozialschädlichen) Verhaltens weisen 153 • (Wohl) an diese Lehre anknüpfend formuliert der 13. Senat des NWOVG 154 für die hier interessierende Norm: "Das Rennverbot ist ein repressives Verbot mit Ausnahmemöglichkeit, d. h. der Normgeber hat derartige Veranstaltungen generell verboten, weil er sie als sozialschädlich ansieht" 155 • Diese Sichtweise, ihre Richtigkeit unterstellt, hat (bei dogmatischer Konsequenz) wichtige Folgen. Die gesetzlich mögliche Ausnahmebewilligung (zum Teil auch Dispens oder Befreiung genannt) kommt in diesem Fall nur dann in Betracht, wenn Härten oder Schwierigkeiten, die sich aus der abstrakt-generellen gesetzlichen Regelung ergeben und eigentlich für den konkreten Fall nicht intendiert sind, beseitigt werden 156 oder, wie das BVerfG explizit zu § 46 Abs. 2 StVO formuliert hat: Es ist Sinn der Ausnahmebewilligung, besonderen Ausnahmesituationen Rechnung zu tragen, die bei strikter Anwendung der Bestimmungen nicht hinreichend berücksichtigt werden können157. Insoweit läßt sich die Norm als gesetzlich verankerte Ausprägung des Ver150 Anmerkung zu PrOVO, Entsch. v. 29. 10. 1925, VerwArch 32 (1927), S. 242, in: VerwArch 32 (1927), S. 247 ff. 151 Thoma, a. a. 0., S. 248. 152 Siehe auch Gromitsaris, VerwArch 88 (1997), S. 52 (54). 153 Maurer. AllgVerwR, § 9, Rdnr. 51 ff.; Wolff/Bachof/Stober. VerwR I,§ 46, Rdnr. 36 ff.; Friauf, JuS 1962, S. 422 ff.; Gromitsaris, DÖV 1997, S. 401 (402 f.) und Brohm, JZ 1995, s. 369 (373 ff.). 154 Urt. v. 15. 11. 1993, NWVBI. 1994, S. 273. Die Revision gegen diese Entscheidung wurde durch Beschl. des BVerwG v. 24. 5. 1994, 11 B 21.94 (nicht veröffentlicht) nicht zugelassen. 155 A. a. 0., S. 274. So auch der Regierungspräsident von Düsseldorf im Schreiben vom 26. l. 1994, Az.: 53.11 - 72. Die Einordnung als repressives Verbot wird im Ausgangspunkt von der h. M. angenommen (NdsOVG, Urt. v. 12. 8. 1996, DVBI. 1996, S. 1441 [1442]; NWOVG, 25. Senat, Urt. v. 12. 6. 1996, DAR 1996, S. 369 [371]; VG Freiburg, Beschl. v. 16. 9. 1988, StVE Nr. 9 zu § 46 StVO; Bentlage, S. 81 ; kritisch aber Ronellenfitsch, DAR 1995, S. 241 [247] und Mayer. SpuRt 1995, S. 197 [198 f.]). Die straßenverkehrsrechtliche Literatur und das BVerwG nehmen zu dieser dogmatischen Figur (bisher) nicht Stellung. Anderes Beispiel: Die auf Grund von § 18 GastG erlassenen Iandesrechtlichen Vorschriften werden ebenfalls nach allgemeiner Meinung als repressive Verbote angesehen (Metzner. Rdnr. 5 zu § 18 GastG, m. w. N.). 156 So Maurer, AllgVerwR, § 9, Rdnr. 55. 157 BVerfG, Beschl. v. 10. 12. 1975, BVerfGE 40, S. 371 (377). Daran anschließend: BVerwG, Urt. v. 16. 3. 1994, NZV 1994, S. 374 (375); dies., Urt. v. 13. 3. 1997 (3 C 2/97),

8. Die "Sportrechtslage" in der Straßenverkehrsordnung

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hältnismäßigkeitsgrundsatzes begreifen. Der Antragsteller hat jedenfalls grundsätzlich keinen Anspruch auf Erteilung der begehrten Ausnahmebewilligung 158 . Die Entscheidung über die Ausnahmebewilligung steht deshalb im pjlichtgemiißen Ermessen der Behörde, so daß der Antragsteller "nur" einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über seinen Antrag hat 159. Auf eine Ausnahmebewilligung kann aber dann ein Anspruch bestehen, wenn die Versagung eine unverhältnismäßige Grundrechtsbeschränkung bedeuten würde 160 oder sie vom öffentlichen Interesse gefordert wird 161 . Darauf wird, da eine Frage der Ermessensausübung, noch einzugehen sein. Jedenfalls kann sich aus den Grundrechten auch ergeben, daß selbst in den Fällen, in denen die Ausnahmebewilligung in das behördliche Ermessen gestellt ist, die Grenzen des Ermessens im Gesetz selbst ausdrücklich abgesteckt sein müssen, wenn ein ausnahmsloses Verbot unverhältnismäßig und deshalb unzulässig wäre 162 .

b) Die ,.Ausnahmesituation" als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal?

Dieser im wesentlichen akzeptierte abstrakte Ansatz ist jedoch in der konkreten Umsetzung äußerst umstritten. Das Erfordernis der sog. Ausnahmesituation wird von einem Teil der Rechtsprechung gerade bei § 46 Abs. 2 S. 1 StVO so verstanden, daß sie als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal dieser Vorschrift zugrunde liegt 163 , mit der Folge, daß die im Gesetz vorgesehene Ermessensentscheidung erst NZV 1997, S. 372 (372); dies., Urt. v. 13. 3. 1997 (3 C 5/97), DAR 1997, S. 413 (414); NdsOVG, Urt. v. 12. 8. 1996, DVBI. 1996, S. 1441 (1443); NWOVG, Urt. v. 15. 11. 1993, NWVBI. 1994, S. 273 (274); dies., Urt. v. 12. 6. 1996, DAR 1996, S. 369 (371). 158 Siehe nur BVerwG, Beschl. v. 18. 2. 1977, VRS 53 (1977), S. 236 (237); NdsOVG, Beschl. v. 18. 2. 1992, ZfS 1992, S. 142 (142); VG Schleswig, Urt. v. 6. 1. 1988, NVwZRR 1990, S. 72 (72); Wolf!I BachofI Stober, VerwR I, § 46, Rdnr. 46; Gromitsaris, DÖV 1997, S. 401 (403 f.). Anders in Österreich. Dort besteht bei Vorliegen der tatbestandliehen Voraussetzungen ein gebundener Anspruch betreffend sämtlicher sportlicher Veranstaltungen (§ 64 Abs. 1 StVO). Dazu: Stolzlechner, ZVR 40 (1995), S. 162 (165). 159 BVerfG, Beschl. v. 16. 6. 1959, BVerfGE 9, S. 338 (353); dies., Beschl. v. 15. 1. 1969, BVerfGE 25, S. 112 (115); BVerwG, Urt. v. 3. 9. 1963, BVerwGE 16, S. 301 (307); dies., Urt. v. 8. 7. 1964, BVerwGE 19, S. 87 (90 f.); dies., Urt. v. 23. 10. 1968, DVBI. 1969, S. 360 (361); dies., Beschl. v. 18. 2. 1977, VRS 53 (1977), S. 236 (237); NdsOVG, Beschl. v. 18. 2. 1992, ZfS 1992, S. 142 (142); VG Schleswig, Urt. v. 6. 1. 1988, NVwZ-RR 1990, S. 72 (72). 160 BVerfG, Beschl. v. 17. 7. 1961, BVerfGE 13, S. 97 (120 f.); dies., Beschl. v. 9. 5. 1972, BVerfGE 33, S. 125 (168 ff.); WolffiBachofiStober, VerwR I,§ 46, Rdnr. 46; Maurer; AllgVerwR, § 9, Rdnr. 55; Schwabe, JuS 1972, S. 133 (139 f.); Gromitsaris, DÖV 1997, S. 401 (403 f.). 161 NWOVG, Urt. v. 8. 5. 1967, Verw.Rspr. 19 (1967), S. 327; WolffiBachofiStober, VerwR I, § 46, Rdnr. 46. 162 WolffiBachofiStober; VerwR I,§ 46, Rdnr. 46; Friauf, JuS 1962, S. 422 (425). 163 So BWVGH, Urt. v. 20. 3. 1991, NZV 1991, S. 485 (486); NWOVG, Urt. v. 15. 11. 1993, NWVBI. 1994, S. 273 (274) und VG Berlin, Urt. v. 30. 11. 1988, StVE Nr. 10

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4. Kap.: Die Zulässigkeit der Ausübung des Sports

eröffnet wird, wenn diese besondere Ausnahmesituation vorliegt, welche der Antragsteller dann verfahrensrechtlich darlegen muß und wofür er die sog. materielle Beweislast trägt 164. Allerdings hätte dies zur Folge, daß das ungeschriebene Tatbestandsmerkmal der "Ausnahmesituation" (wohl) als unbestimmter Rechtsbegriff (ohne Beurteilungsspielraum) der vollen verwaltungsgerichtlichen Überprüfung unterliegt. Dieser sich aus dem Wortlaut der Vorschrift nicht ergebenden Einschätzung ist das BVerwG 165 (insoweit) zurecht entgegengetreten. Im Wortlaut des § 46 Abs. 2 S. 1 StVO ist der Begriff der Ausnahmesituation nicht erwähnt. Das Gericht meint, daß die Frage des Vorliegens einer Ausnahmesituation der Rechtsfolgenseite zuzuordnen sei, in der auch die Ermessensermächtigung selbst angesiedelt ist. Aus Sinn und Zweck der Regelung ergibt sich ebenfalls nicht das Erfordernis eines ungeschriebenen objektiven Tatbestandsmerkmals. Zwar soll die Vorschrift eine Abweichung von den generellen Bestimmungen der StVO ermöglichen, um besonderen Ausnahmesituationen Rechnung zu tragen, jedoch setzt die Feststellung, ob ein besonderer Ausnahmefall vorliegt, den gewichtenden Vergleich der Umstände des konkreten Falles mit dem typischen Regelfall voraus 166• Bestätigt wird dies durch einen Vergleich mit anderen Vorschriften. Die Rechtsprechung sieht selbst in den Fällen, in denen der Wortlaut des Gesetzes die Möglichkeit der Ausnahme von generellen Verboten etwa an eine besondere oder unbeabsichtigte Härte knüpft167 (sog. Mischtatbestände oder Koppelungsvorschriften) 168, regelmäßig nicht die Kopplung eines selbständig festzustellenden Tatbestandsmerkmals rnit einer Ermessensermächtigung, sondern lediglich eine Wertungsvorgabe im Rahmen einer einheitlich zu treffenden Ermessensentscheidung 169• Hintergrund ist eine materielle Verzahnung von Tatbestands- und Rechtsfolgenseite der Norm zu einer einheitlichen Ermessensvorschrift, da beides "untrennbar" miteinander verbunden ist. zu § 46 StVO. Ausführlich zum Problem: Sauthoff, in: Diehl u. a., HK-StVR, Rdnr. 10 ff. u. 36 ff. zu§ 46 StVO und ders., NVwZ 1998, S. 239 (250). 164 So NWOVG, Urt. v. 15. 11. 1993, NWVBI. 1994, S. 273 (274); insoweit bestätigt durch: BVerwG, Beschl. v. 24. 5. 1994, 11 B 21.94, nicht veröffentlicht. 165 Beschlüsse v. 13. 3. 1997 (3 C 2/97 und 3 C 5/97), NZV 1997, S. 372 (372) bzw. DAR 1997, S. 413 (414). Ebenfalls als "reine Ermessensentscheidung" ansehend: NWOVG, Urt. v. 12. 6. 1996, DAR 1996, S. 369 (370 f.) und BayVGH, Beschl. v. 10. 8. 1992, NVwZRR 1993, S. 107 ( 107); Sauthoff, in: Diehl u. a., HK-StVR, Rdnr. 42 zu § 46 StVO. 166 BVerwG, a. a. 0 ., NZV 1997, S. 372 bzw. DAR 1997, S. 414. 167 Z. B.: § 5 Abs. 1 S. 2 Buchst. c WoBindG (dazu: BVerwG, Urt. v. 5. 7. 1985, BVerwGE 72, S. 1 [2 ff.]). Andere Beispiele in diesem Zusammenhang: § 4 Abs. 1 S. 1 ZOG (dazu: BVerwG, Urt. v. 29. 4. 1988, DOV 1989, S. 74 [76]); § 135 Abs. 5 BauGB alt (dazu: BVerwG, Urt. v. 1. 8. 1986, NVwZ 1987, S. 601); § 2 Abs. 2 TierSchG alt (dazu: BWVGH, Urt. v. 12. 3. 1985, NJW 1986, S. 395 [398 f.]), § 16 Abs. 3 HandwO (dazu: HessVGH, Urt. v. 20. 2. 1990, NVwZ 1991, S. 280 [281 f.]); § 5 Abs. 2 WaffG (dazu: BVerwG, Beschl. v. 19. 9. 1991, Buchholz 402.5, Nr. 60). 168 Dazu etwa Busch, in: Knack, Anm. 6.3 zu § 40 VwVfG und Sachs, in: Stelkens I Bonkl Sachs, Rdnr. 36 ff. zu § 40 VwVfG. 169 So BVerwG, Urt. v. 13. 3. 1997 (3 C 5/97), DAR 1997, S. 413 (414), unter Berufung auf: BVerwG, Urt. v. 5. 7. 1985, BVerwGE 72, S. 1 (4 f.).

B. Die "Sportrechtslage" in der Straßenverkehrsordnung

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Folglich ist eine Trennung zwischen einem dem eigentlichen Wortlaut entsprechenden voll gerichtlich nachpriitbaren unbestimmten Rechtsbegriff einerseits und einer Ermessensermächtigung andererseits unmöglich, da sie inhaltlich in eins zusammenfallen 170. Dies muß dann erst recht für den hier vorliegenden Fall einer reinen Rechtsfolgenermächtigung gelten.

c) § 46 Abs. 2 S. 1 StVO als Ermessensentscheidung

Ist folglich klar, daß sich die Kernprobleme des § 46 Abs. 2 S. 1 StVO (i. V. m. § 29 Abs. I StVO) im Grundsatz bei der Rechtsfolge der Norm (Ermessen) "abspielen", wird damit allerdings die "Lösung" des "Rennsportproblems" auf öffentlichen Straßen nicht einfacher. Im Gegenteil: Eine sachgerechte Lösung verlagert sich in den schwierigen und teilweise äußerst komplizierten Bereich der Ermessenslehre inklusive der nicht einfacheren Frage der Kontrolldichte des behördlichen Ermessens durch die Verwaltungsgerichte.

aa) Grundsätzliches Im Grundsatz bedeutet Ermessen bekanntlich nur, daß einer Behörde durch Rechtsvorschrift ein Entscheidungsspielraum in der Weise eingeräumt wird, daß ihr mehrere (gleichermaßen rechtmäßige) Möglichkeiten der Entscheidung eröffnet sind. Das Gesetz knüpft an den Tatbestand nicht eine Rechtsfolge, sondern ermächtigt die Verwaltung, zwischen mehreren rechtlich zulässigen Entscheidungen aus Zweckmäßigkeitsgeiinden (vgl. § 68 Abs. I S. 2, Abs. 2 VwGO) unter Abwägung der öffentlichen Belange und der Interessen des Einzelnen die sachgerechte Entscheidung zu wählen 171 • Der Verwaltung ist durch das Gesetz ein "Spielraum" zu eigener und eigenverantwortlicher Wahl und Entscheidung eingeräumt 172• Wie weit der "Spielraum" im Einzelfall reicht bzw. ob die abstrakt mögliche Entscheidungsvielfalt im Einzelfall sich in Wahrheit zu einer rechtmäßigen Entscheidung verdichtet, ist zunächst Aufgabe der Verwaltung. Verwirrend wird das Priifprogramm allerdings, wenn die "echten" Rechtsgrenzen der Ermessensausübung ins Spiel kommen und gegen gerichtlich nicht zu kontrollierende Zweckmä170 Grundlegend: Gemeinsamer Senat der Obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschl. v. 19. 10. 1971, BVerwGE 39, S. 355 (366 f.). Siehe auch BVerwG, Urt. v. 5. 7. 1985, BVerwGE 72, S. 1 (5); Sachs, in: Stelkens I Bank/ Sachs, Rdnr. 38 ff. zu § 40 VwVfG; Busch, in: Knack, Anm. 6.3 zu § 40 VwVfG. Überraschenderweise wird diese .,Verzahnung" bei den Sperrzeitregelungen des GastG (§ 18 Abs. 1 S. 2 GastG und den danach erlassenen landesrechtlichen Vorschriften) nicht angenommen. Vgl. nur Metzner, Rdnr. 7 u. 20 ff. zu § 18 GastG mit umfangreichen Nachweisen aus der Rechtsprechung. 171 Siehe nur Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, Rdnr. 13 zu§ 40 VwVfG. 172 So die Formulierung von Erichsen, in: Erichsen (Hrsg.), AllgVerwR, § 10, Rdnr. 14.

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4. Kap.: Die Zulässigkeit der Ausübung des Sports

ßigkeitserwägungen abgesetzt werden (sollen) 173. Ausgangspunkt der Überlegungen ist die (auch) aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende und in § 40 VwVfG 174 festgelegte Bindung des Ermessens. Es gibt folglich kein "freies", sondern nur ein pflichtgemäßes oder rechtlich gebundenes Ermessen 175 . Wieweit die Bindung allerdings im Einzelfall reicht, ist wohl immer noch eines der am wenigsten gelösten Probleme des Verwaltungsrechts überhaupt. Die Schwierigkeit resultiert sicher auch daraus, daß das juristische Urteil an sich im Ergebnis auf ein klares Entweder/Oder angelegt ist176. Der Bürger, zumal derjenige, der ein Einschreiten der Behörde gegen Dritte oder Leistungen für sich verlangt hat, bringt kaum Verständnis dafür auf, daß er zwar einen einklagbaren Anspruch auf fehlerfreie Ermessensbetätigung haben soll, aber mitnichten auf die von ihm begehrte Verwaltungsentscheidung177. Rechtsprechung und Rechtswissenschaft versuchen teilweise zu helfen und "ziehen" das Ermessen der Behörde gleichsam ein. Die allseits bekannte (und aus Sicht des Bürgers häufig erhoffte, aber wenig durchdrungene) "Ermessensreduzierung auf null" 178 sei hier genannt. Im einzelnen: § 40 VwVfG bzw. die entsprechenden landesrechtliehen Bestimmungen legen die materiell-rechtlichen Grenzen der Ermessensausübung durch die Verwaltung fest. § 114 VwGO ermächtigt und begrenzt zugleich die Verwaltungsrechtsprechung auf die Ermessenskontrolle 179 im dort gezogenen Rahmen. Nach dem (schlichten) Wortlaut des§ 40 VwVfG hat die Behörde ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten.

bb) Das Regel- I Ausnahmeverhältnis Ausgehend von der Formulierung in § 46 Abs. 2 S. 1 StVO wird die zuständige Behörde ermächtigt, von allen Vorschriften "dieser" Verordnung (StVO) Ausnahmen für bestimmte Einzelfälle oder allgemein für bestimmte Antragsteller nach "pflichtgemäßem Ermessen" ("können") zu erteilen. Auf den ersten Blick scheint So Di Fabio, VerwArch 86 (1995), S. 214 (214). Bzw. den entsprechenden Iandesrechtlichen Regelungen in den Verwaltungsverfahrensgesetzen der Länder. Siehe auch§ 114 VwGO. 175 Siehe nur Maurer, AllgVerwR, § 7, Rdnr. 17 und Forsthoff VerwR, § 5, S. 97 f. 176 So Di Fabio, VerwArch 86 (1995), S. 214 (215). 177 So zutreffend Di Fabio, a. a. 0., S. 215, der meint, daß dies für den Bürger sogar manchmal wie Sarkasmus klingen müsse. 178 Zu diesem Institut beispielhaft: Martens, JuS 1962, S. 245; Dietlein, DVBI. 1991, S. 685; Gern, DVBI. 1987, S. 1194; Maurer, AllgVerwR, § 7, Rdnr. 24 f.; Erichsen, in: Erichsen (Hrsg.), AllgVerwR, § 10, Rdnr. 22; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, Rdnr. 56 ff. zu § 40 VwVfG; Busch, in: Knack, Anm. 10.3.2 f. zu§ 40 VwVfG und Di Fabio, VerwArch 86 (1995), s. 214. 179 Nicht: Ermessensausübung durch die Gerichte selbst. Siehe nur Busch, in: Knack, Anm. 2.2 zu § 40 VwVfG. 173

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B. Die "Sportrechtslage" in der Straßenverkehrsordnung

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klar, daß es sich hier um eine "echte", vom Wortlaut her nicht näher eingeschränkte Ermessensermächtigung für die Behörde handelt. Dies scheint nur klar. Ein Blick in die neuere Rechtsprechung läßt daran Zweifel aufkommen. Eingeleitet durch ein Urteil des 13. Senats des NWOVG vom 15. 11. 1993 180 nahm eine gegenteilige Entwicklung ihren Lauf181 . Das Gericht formuliert, daß die Benutzung öffentlicher Straßen zu motorsportliehen Wettbewerbszwecken nur dann genehmigt werden könne, wenn das generelle Verbot dem besonderen Charakter der geplanten Veranstaltung nicht gerecht werde 182 . Dazu habe der Antragsteller dasjenige Tatsachenmaterial darzulegen, welches für die Annahme eines atypischen Ausnahmefalls spricht und das überwiegend private Interesse an der Durchführung eines Motorsportrennens begründe 183 . Im Regelfall könne daher die Behörde ohne Ermessensfehler die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung versagen. Der Antragsteller muß deshalb ein hohes Interesse darlegen und gegebenenfalls belegen, damit eine Ausnahme vom gesetzlichen Verbot gerechtfertigt sein könnte 184• Wann diese Hürde "übersprungen" wird bzw. werden kann, ist bisher nicht dargelegt worden. Die Entscheidungen der letzten Jahre zeigen überwiegend nur, in welchen Fällen - und dies sind im Ergebnis fast alle - "die Latte" so hoch hing, daß eine Ausnahmegenehmigung ermessensfehlerfrei nicht in Betracht kommen konnte 185 . Die Gerichte sprechen allgemein in diesen Fällen von einem sog. Regel-Ausnahmeverhältnis. Diese Sichtweise steht im Einklang mit der ursprünglichen Fassung der Verwaltungsvorschrift zu§ 29 Abs. 1 StVO vom 24. 11. 1970186. Dort war formuliert: "Eine Ausnahmegenehmigung für eine Rennveranstaltung mit Kraftfahrzeugen zu erteilen, ist nur selten zu rechtfertigen. Da dann die von der Veranstaltung in Anspruch genommenen Straßen, teilweise für längere Zeit, gesperrt werden müssen, ist in jedem Fall zu prüfen, ob das Interesse an der Veranstaltung so stark überwiegt, daß eine solche Beeinträchtigung des Verkehrs als zurnutbar erscheint".

180 NWVBI. 1994, S. 273. I. E. bestätigt durch: BVerwG, Beschl. v. 24. 5. 1994, 11 B 21 I 94, nicht veröffentlicht. Zur ersteren Entscheidung vgl. auch die Anm. v. Seidenstecher, in: DAR 1995, S. 95. 181 Siehe aber bereits auch VG Köln, Beschl. v. 30. 8. 1993, 11 L 1994/93, nicht veröffentlicht. 182 NWOVG, Urt. v. 15. 11. 1993, NWVBI. 1994, S. 273 (274). 183 NWOVG, a. a. 0., S. 274. 184 NWOVG, a. a. 0., S. 274. 185 Siehe nur BVerwG, Urt. v. 16. 3. 1994, NZV 1994, S. 374; dies., Beschl. v. 24. 5. 1994, 11 B 21/94, nicht veröffentlicht; dies., Urt. v. 13. 3. 1997, 3 C 2 /97, NZV 1997, S. 372. 186 VkBI. 1970, S. 758 (763 ff.).

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4. Kap.: Die Zulässigkeit der Ausübung des Sports

cc) § 46 Abs. 2 S. 1 StVO, ein Fall des intendierten Ermessens? (1) Allgemeines zum intendierten Ennessen

In der neueren Terminologie, insbesondere des BVerwG, werden vergleichbare Ermessensermächtigungen, in denen wie hier (scheinbar) das Gesetz (hier: eine Verordnung!) so auszulegen ist, daß die Ermessensausübung der Verwaltung für den Regelfall in eine bestimmte Richtung vorbestimmt ist 187 und nur in Ausnahmefällen von dieser durch Auslegung ermittelten Intention des Gesetzgebers abgewichen werden kann, als - für den Regelfall - "intendierte" Entscheidungen bezeichnet (sog. intendiertes Ermessen) 188• Im Urt. v. 16. 6. 1997 189 formuliert das BVerwG: "Ist eine ermessenseinräumende Vorschrift dahin auszulegen, daß sie für den Regelfall von einer Ermessensausübung in einem bestimmten Sinne ausgeht, so müssen besondere Gründe vorliegen, um eine gegenteilige Entscheidung zu rechtfertigen. Liegt ein vom Regelfall abweichender Sachverhalt nicht vor, versteht sich das Ergebnis der Abwägung von selbst. Versteht sich aber das Ergebnis von selbst, so bedarf es insoweit nach § 39 Abs. I S. 3 VwVfG auch keiner das Selbstverständliche darstellenden Begründung". Der Kernpunkt des "intendierten Ermessens" liegt folglich in einer durch Auslegung des Gesetzes entnommenen Regelhaftigkeit einer bestimmten Ermessensausübung, deren Befolgung die eigentlich nach§ 39 Abs. I VwVfG erforderliche Begrundung - bei Ermessensentscheidungen speziell der aus § 39 Abs. I S. 3 VwVfG folgenden - entbehrlich macht (i. S. einer nicht begründungsbedürftigen Regelrechtsfolge). Was bedeutet das? Handelt es sich bei diesen Vorschriften nun doch nicht um Ermessensentscheidungen der Verwaltung? Liegt in diesen Fällen im Regelfall zwingendes Verwaltungshandeln vor? Handelt es sich um einen im Wege der Rechtsfortbildung entwickelten Fall der (Regel-) Ermessensreduzie187 Der BFH spricht davon, daß die Entscheidung der Behörde durch das Gesetz vorgeprägt sei (BFH, Urt. v. 13. 4. 1978, NJW 1978, S. 1879 [1879]; dies., Urt. v. 8. 11. 1988, NJW 1989, S. 1383 [1383 f.]). 188 Zu dieser Rechtsfigur aus der Literatur: Busch, in: Knack, Anm. 7.3 zu § 40 VwVfG; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, Rdnr. 28 ff. zu§ 40 VwVfG; Maurer, AllgVerwR, § 7, Rdnr. 12; Stelkens, NWVBI. 1989, S. 339; Volkmann, DÖV 1996, S. 282; Schwabe, DVBI. 1998, S. 147; Duken, UPR 1994, S. 375 und Borowski, DVBI. 2000, S. 149. Aus der Rspr.: BVerwG, Beschl. v. 28. 8. 1980, Buchholz 40 6.11 Nr. 168 zu§ 35 BBauG; dies., Urt. v. 5. 7. 1985, BVerwGE 72, S. 1 (5 f.); dies., Urt. v. 4. 3. 1993, BVerwGE 92, S. 169 (170 f.); dies., Urt. v. 25. 9. 1992, BVerwGE 91, S. 82 (90 f.); dies., Urt. v. 20. 2. 1990, NJW 1990, S. 2765 (2767 f.); dies., Urt. v. 2. 7. 1992, DVBI. 1992, S. 1490 (1491); dies., Urt. v. 25. 9. 1992, BVerwGE 91, S. 82 (90); dies., Urt. v. 23. 5. 1996, 3 C 13.94; dies., Urt. v. 16. 6. 1997, DVBI. 1998, S. 145 (146); BSG, Urt. v. 25. l. 1994, DVBI. 1994, S. 1246 (1247); BFH, Urt. v. 8. 11. 1988, NJW 1989, S. 1383; RbPfOVG, Beschl. v. 6. 12. 1993, GewArch 1994, S. 203 (204); Sch!HOVG, Beschl. v. 23. 10. 1995, GewArch 1996, S. 24 (25); BWVGH, Urt. v. 6. 9. 1990, NJW 1991, S. 2922 (2922 f.); ThürOVG, Beschl. v. 27. 6. 1996, LKV 1997, S. 370 (371); HessVGH, Beschl. v. 20. 2. 1996, DÖV 1996, S. 973; SächsOVG, Beschl. v. 20. l. 1997, NVwZ-RR 1997, S. 411 (413). 189 DVBI. 1998, S. 145 (146), rn. Anrn. Schwabe, DVBI. 1998, S. 147.

B. Die "Sportrechtslage" in der Straßenverkehrsordnung

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rung auf null? Oder "verwandelt" sich die Regelung in eine sogenannte Soll-Vorschrift? Fest steht jedenfalls, daß diese Rechtsfigur zu einer erheblich vereinfachten Verwaltungsprüfung führt und in der Konsequenz auch zu einer erleichterten Kontrolle der Verwaltungsentscheidung durch die Verwaltungsgerichte. Es ist in diesen Fällen "lediglich" auf einer ersten Stufe zu ermitteln, welche Intention der Gesetz- bzw. Verordnungsgeber beim Erlaß der "Ausnahmeregel" verfolgt hat. In einem zweiten Schritt ist dann nur noch zu überprüfen, ob der konkret zu beurteilende Fall von der Regelintention erfaßt wird oder ausnahmsweise nicht. Nur im letzteren Fall ist es der Verwaltung überhaupt gestattet, Ermessen auszuüben und erst dann wird formell auch eine "echte" Abwägungsverpflichtung 190 und Begründungspflicht der Verwaltung nach § 39 VwVfG ausgelöst191 . Insoweit läßt sich in den Fällen des intendierten Ermessens auch davon sprechen, daß es sich hier um eine Regelermessensreduzierung auf null kraft Normauslegung 192 handelt193. Die Einschränkung der Ermessensermächtigung allein auf der Ebene der Norminterpretation anband des gesetz- bzw. verordnungsgebensehen Willens 194 kann sich zumindest formal betrachtet auf§ 40 VwVfG stützen, wonach das Ermessen entsprechend dem Zweck der ermächtigenden Vorschrift auszuüben ist. Ergibt sich nämlich durch Auslegung, daß die Norm im Hinblick auf ihren Zweck für den Regelfall in Wirklichkeit keine Ermessensermächtigung vorsieht, so bleibt in der Folge auch nur eine rechtmäßige Entscheidung. Eine gleichwohl erfolgende Ermessensentscheidung wäre auf der Basis des anerkannten "Korsetts" der Ermessensfehlerlehre195 ein Fall der Ermessensüberschreitung, da die Verwaltung Ermessen aus190 Borowski, DVBI. 2000, S. 149 (150), meint, daß zwar eine Abwägung selbst nicht unterbleibe, jedoch verstehe sich das Ergebnis der Abwägung von selbst (Abwägung in den Tiefen der Gehirnwindungen der Verwaltungsbeamten ohne Außenbezug?, Anmerkung des Verfassers), und spricht denn auch nun von einer "neuen Formel" des BVerwG. Richtigerweise handelt es sich, wenn überhaupt noch von Abwägung gesprochen werden kann, nicht um eine solche der Verwaltung im Einzelfall. Vielmehr hat die Abwägung bereits der Normgeber vorgenommen mit einem regelhaften Ergebnis. 191 Ansonsten kann sich die Begründung der Verwaltung in dem Satz erschöpfen, daß ein Ausnahmefall (besondere Härte etc.) nicht ersichtlich ist. So BVerwG, Urt. v. 5. 7. 1985, BVerwGE 72, S. I (5 f.). Auch darauf kann dann aber wohl verzichtet werden (so Schwabe, DVBI. 1998, S. 147 [147]). 192 So Gern, DVBI. 1987, S. ll94 (1198). 193 So wohl auch Volkmann, DÖV 1996, S. 282 (284). Di Fabio, VerwArch 86 (1995), S. 214, übersieht in seinem Versuch der Systematisierung der Fallgruppen der Ermessensreduzierung völlig die Fälle, die zulasten des Bürgers bestehen. Seine Darstellung beschränkt sich auf die Fälle der Ermessensreduzierung zugunsten des Bürgers. Zu einem (noch zu erörternden) Fall der Ermessensreduzierung zulasten des Bürgers bei einer Entscheidung nach den§§ 46 Abs. 2 S. l, 29 Abs. l StVO: BVerwG, Urt. v. 16. 3. 1994, NZV 1994, S. 374 (375). 194 Ungenau: Volkmann, DÖV 1996, S. 282 (284), der von einer Einschränkung von Gesetzes wegen spricht.

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4. Kap.: Die Zulässigkeil der Ausübung des Sports

üben würde, wo in Wahrheit eine (für den Regelfall) rechtlich gebundene Entscheidung vorliegt. Umgekehrt wäre übrigens, also im Falle, daß die Behörde zu unrecht vom gesetzlichen Regelfall des (vom Normgeber intendierten) Nichtvorliegens einer Ermessensentscheidung ausgeht, bei tatsächlichem Vorliegen von "Ausnahmegriinden" oder, wie das BVerwG formuliert, wenn der Behörde außergewöhnliche Umstände des Falles bekannt geworden oder erkennbar sind, die eine andere Entscheidung möglich erscheinen lassen, diese Umstände von der Behörde aber nicht erwogen worden sind 196, ein Ermessensfehler konsequenterweise in der Form eines Ermessensnichtgebrauchs bzw. einer Ermessensunterschreitung gegeben. Schwieriger ist jedoch zu begründen, weshalb das BVerwG dem nicht im Wortlaut zum Ausdruck kommenden Willen des Normgebers eine so hohe Bedeutung beirnißt, wo doch jede Norminterpretation sich zunächst am Wortlaut der Vorschrift orientieren sollte. Wählt der Gesetzgeber wie in § 46 Abs. 2 S. 1 StVO das Wort "können", spricht zunächst alles für eine im Rahmen der allgemeinen Rechtmäßigkeitsanforderungen bestehenden Ermächtigung für die Verwaltung, eine "offene Ermessensentscheidung" treffen zu dürfen. Will der Normgeber eine Regelentscheidung, von der nur in atypischen Fällen (Ausnahmefällen) abgewichen werden soll, so bringt er dies sprachlich auch insoweit zum Ausdruck, als er sich des Wortes "soll" 197 oder vergleichbarer Gesetzestechniken bedient, wie etwa dem "Regelbewilligungszeitraum" in § 27 WoGG, oder legt fest, wie eine Entscheidung "in der Regel" zu treffen ist 198 • Die Fälle des ,,intendierten Ermessens" könnte man deshalb auch als zwar nicht im Wortlaut manifestierte, aber durch Auslegung ermittelte "Soll-Vorschriften" begreifen 199 • Ob sich der Wortlaut des Gesetzes ("kann") in diesen Fällen, wie Schwabe formuliert200 , einfach als bloßes "Etikett" bezeichnen läßt, erscheint zumindest fraglich. Verwendet der Normgeber nämlich derartige Formulierungen, wird der Verwaltung im allgemeinen damit auch ein Ermessen eingeräumt201 • 195 In der Terminologie teilweise unterschiedlich werden die Fehlerarten wie folgt systematisiert: Ermessensüberschreitung, Ermessensnichtgebrauch (Ermessensunterschreitung) und Ermessensfehlgebrauch. Siehe nur: Maurer, AllgVerwR, § 7, Rdnr. 19 ff.; Erichsen, in: Erichsen (Hrsg.), AllgVerwR, § 10, Rdnr. 17 ff.; Achterberg, AllgVerwR, § 18, Rdnr. 55 ff.; Wolff/Bachof/Stober, VerwR I, § 31, Rdnr. 48 ff.; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, Rdnr. 74 ff. zu§ 40 VwVfG und Busch, in: Knack, Anm. 9.2 ff. zu§ 40 VwVfG. Kritisch zu dieser Systematisierung: Forsthoff, VerwR, 10. Aufl., § 5, S. 99. 196 BVerwG, Urt. v. 16. 6. 1997, DVBI. 1998, S. 145 (146), unter Berufung auf Urt. v. 23. 5. 1996, 3 c 13.94. 197 Beispiele: §§ 23 AsylVfG, 25 Abs. 2 BlmSchG und 12 Abs. 4 WPflG. 198 Z. B.: §§ 26 Abs. 1 S. 3 und 47 Abs. 2 AuslG. Ggf. kann sich dies auch aus dem Sachzusammenhang ergeben (so BVerwG, Urt. v. 8. 9. 1972, BVerwGE 40, S. 323 [330] zu § 2 Abs. 4 BBauG). 199 So wohl auch Maurer, AllgVerwR, § 7, Rdnr. 12. Busch, in: Knack, Anm. 7.3 zu § 40 VwVfG, meint, daß das intendierte Ermessen zwischen dem durch Soll-Vorschriften gebundenen und dem freien Ermessen, näher aber an ersterem liege. 2oo DVBI. 1998, S. 147 (147). 201 Sachs, in: Stelkens/Bonk!Sachs, Rdnr. 21 f. zu§ 40 VwVfG.

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Weiterhin gehört zu den klassischen Auslegungsmethoden neben dem Wortlaut und dem (historischen) Willen des Gesetzgebers auch der Sachzusammenhang bzw. die systematische Stellung der Vorschrift im Normgefüge der konkreten Vorschriften. Insoweit ist, wie Sachs zurecht formuliert202, größte Zurückhaltung geboten im Hinblick auf eine vorschnelle Annahme einer in einem bestimmten Sinne "intendierten" Entscheidung. Um dieses Ergebnis zu rechtfertigen, bedarf es jeweils der sorgfältigen Überprüfung, weshalb der Wortlaut der Vorschrift in dieser Weise "korrigiert" wird, zumal es zunächst Aufgabe der Verwaltung ist, zu erkennen, daß der nach dem Wortlaut eingeräumte Ermessensspielraum in der Regel tatsächlich gar nicht besteht. Der Normgeber ist daher auch aufgerufen, das, was er will und meint, auch in den Normtext selbst aufzunehmen, denn insbesondere im Grundrechtsbereich oder besser grundrechtsrelevanten Bereich gebietet "der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und das Prinzip der Gewaltenteilung, das die Exekutive -jedenfalls im Bereich der Eingriffsverwaltung - auf die Ausführung der Gesetze beschränkt, ... , daß der Gesetzgeber im Bereich der Grundrechtsausübung die der staatlichen Eingriffsmöglichkeit offenliegende Rechtssphäre selbst abgrenzt und dies nicht dem Ermessen der Verwaltungsbehörde überläßt. Das Gesetz muß die Tätigkeit der Verwaltung inhaltlich normieren ... . Hält es der Gesetzgeber für erforderlich, der Ausübung grundrechtlicher Befugnisse ein Genehmigungsverfahren vorzuschalten, so muß sich aus der Rechtsvorschrift selbst ergeben, welche Voraussetzungen für die Erteilung der Genehmigung gegeben sein müssen bzw. aus welchen Gründen die Genehmigung versagt werden darf'203 . Dies gilt auch bei den hier interessierenden repressiven Verboten, ihre jeweilige grundsätzliche, insbesondere verfassungsrechtliche, Zulässigkeil unterstellt. Lassen sich hier die Ausnahmefälle vorhersehen und typisieren, ist eine auch diese Lebensbereiche erfassende Verbotsregelung von vornherein unverhältnismäßig und insoweit nichtig; der Gesetzgeber muß diese Fallgruppen von Anfang an von seinem Verbot ausnehmen, sei es, daß er die Verbotsnorm entsprechend inhaltlich beschränkt, sei es, daß er Ausnahmeregelungen trifft und den Betroffenen einen Rechtsanspruch auf Erteilung der Ausnahme einräume04 • Diese daraus folgende, im übrigen auch wegen des Bestimmtheitsgrundsatzes zu fordernde, "Berechenbarkeit" der Entscheidung für den Bürger, zwingt ebenfalls zu äußerster Zurückhaltung im Hinblick auf die vorschnelle Annahme eines "intendierten Ermessens", denn hier ergibt sich die Regel I Ausnahmesituation nicht einmal aus der Vorschrift, geschweige denn, daß die Ausnahmefälle normativ fixiert worden wären205 • Der Einzelne wird hier im übrigen, In: Stelkens/Bonk!Sachs, Rdnr. 30 zu§ 40 VwVfG. So BVerfG, Urt. v. 5. 8. 1966, BVerfGE 20, S. 150 (157 f.). Siehe etwa auch dies., Beschl. v. 25. 2. 1976, BVerfGE 41, S. 378 (399); dies., Beschl. v. 12. 6. 1979, BVerfGE 52, S. 1 (41); BVerwG, Urt. v. 3. 11. 1976, BVerwGE 51, S. 235 (238 ff.). Einschränkend aber: BVerfG, Beschl. v. 8. 8. 1978, BVerfGE 49, S. 89 (144 ff.). Siehe zum Problembereich Ermessen und Beurteilungsspielraum im Grundrechtsbereich etwa Brohm, JZ 1995, S. 369. 204 Brohm, JZ 1995, S. 369 (373). 205 Auch Schwabe, DVBl. 1998, S. 147 f., übersieht dies. 2o2

203

240

4. Kap.: Die Zulässigkeil der Ausübung des Sports

da er sich nach dem Lesen des Gesetzestextes eine einzelfallbezogene umfassende Prüfung seines Anliegens erhofft, tatsächlich in dieser Erwartung enttäuscht und wird (gegebenenfalls) durch die Verwaltungsgerichte schlicht auf eine vom Gesetzgeber intendierte Entscheidung verwiesen206. (2) Anwendung

Fraglich ist, ob die hier zu beurteilende Vorschrift, die Richtigkeit der Rechtsprechung des BVerwG unterstellt, ein Anwendungsfall des intendierten Ermessens darstellt. Der Verordnungsgeber hat sich im Grundsatz für ein generelles repressives Verbot von Rennen entschieden. Die Ausnahmemöglichkeit des § 46 Abs. 2 S. I StVO soll, so zumindest der abstrakte Sinn dieser Vorschrift, wie bereits dargelegt, besonderen und somit atypischen Situationen Rechnung tragen, die bei strikter Anwendung der Bestimmungen nicht hinreichend berücksichtigt werden können. Der Wortlaut und die systematische Stellung der Vorschrift über das Rennverbot lassen auch nicht darauf schließen, daß der Verordnungsgeber bereits auf Normebene eine Differenzierung vorgenommen hat, wonach im oben dargelegten Sinne der Verordnungsgeber gewisse vorhersehbare typisierte Ausnahmefalle normativ hätte fixieren wollen. § 29 Abs. 1 StVO erfaßt seinem Wortlaut nach sämtliche Rennen auf öffentlichen Straßen unabhängig davon, ob diese etwa durch die Organisationen des Motorsports durchgeführt werden. Zwar hat der 25. Senat des NWOVG formuliert, daß "die in den§§ 29 Abs. 1, 46 Abs. 2 S. 1, S. 3 Hs 2 StVO zum Ausdruck kommende generelle Interessenbewertung des Verordnungsgebers ... in dieser Allgemeinheit ... nur auf Rennen in ihrer Gesamtheit bezogen werden (kann)". "Es ist ungerechtfertigt" so der Senat-, "sie in derselben verallgemeinemden Fassung auch auf organisierte Motorsportveranstaltungen zu beziehen. Denn als maßgeblichen Bezugspunkt für eine generalisierende Interessenbewertung sind nicht bestimmte Arten von Rennen auf öffentlichen Straßen gewählt, insbesondere nicht zwischen organisierten und nicht organisierten Rennen differenziert worden. Eine besondere Ausnahmesituation, die bei strikter Anwendung der Bestimmung nicht hinreichend berücksichtigt werden könnte und daher durch die Genehmigung einer Ausnahme Rechnung getragen werden kann, kommt insbesondere bei motorsportlich organisierten Rennen in Betracht. Denn die §§ 29 Abs. 1, 46 Abs. 2 S. 1, S. 3 Hs 2 StVO dienen gerade dem angemessenen Interessenausgleich zwischen der Verkehrssicherheit auf öffentlichen Straßen und dem organisierten Motorsport"207 . 206 Insoweit ist auch die Befürchtung von Volkmann, DÖV 1996, S. 282 (284 f.), berechtigt, daß bei der Annahme einer durch den Willen des Normgebers intendierten Entscheidung der Verwaltung die Einzelfallgerechtigkeit zurücktritt. Polemisch Schwabe, DVBI. 1998, S. 147 (147), der i. ü. seine Polemik im wesentlichen nur auf Fälle der polizeirechtlichen bzw. sicherheitsrechtlichen Ermächtigungen stützt, die zugegebenermaßen die "Wiege" des intendierten Ermessens bilden. Dagegen betrifft der Fall, den er zu obiger Urteilsanmerkung genutzt hat, aber gerade nicht eine solche Ermächtigung, sondern das intendierte Ermessen breitet sich auf das gesamte Verwaltungsrecht aus.

B. Die "Sportrechtslage" in der Straßenverkehrsordnung

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Dieser Wertung ist das BVerwG208 insoweit zurecht entgegengetreten, als sich diese Differenzierung nach seiner Auffassung weder dem Wortlaut noch dem Sinn und Zweck der Vorschrift entnehmen läßt und auch die Entstehungsgeschichte eine solche Annahme nicht rechtfertigt. Was das BVerwG aber nicht berücksichtigt, ist insbesondere ein Gedanke, der sich (auch) aus dem Bereich des oben fixierten intendierten Ermessens ergibt: der Wille des Verordnungsgebers als ermessenslenkende Direktive. In der ursprünglichen Begründung bei der Wiedereinführung des repressiven Verbotes durch Verordnung vom 14. 3. 1956209 wurde lediglich festgestellt, daß "unsere" Straßen für Rennveranstaltungen keine ausreichende Sicherheit mehr böten. Lediglich zwei Straßen seien so ausgebaut, daß man es verantworten könne, dort noch Rennveranstaltungen mit Kraftwagen durchzuführen: die AvusRennstrecke in Berlin und die Solitude-Rennstrecke bei Stuttgart. Auf diesen beiden öffentlichen Straßen allein dürften zukünftig noch Rennen mit Kraftwagen veranstaltet werden, wenn die zuständigen obersten Landesbehörden hierzu die Genehmigung erteilten. Im übrigen müßten Rennen mit Kraftwagen auf geschlossene Rennstrecken, wie z. B. auf den Nürburg-Ring, beschränkt werden210. Der (ursprüngliche) Wille des Verordnungsgebers bei der Einführung des Rennverbotes im Jahre 1956 ist zusammen mit der systematischen Stellung(§ 29 StVO steht unter der Überschrift "übermäßige Straßenbenutzung") für die restriktive Sichtweise des BVerwG maßgeblich. Das Gericht formuliert in seinen wichtigen Urteilen vom 13. 3. 1997211 denn auch: "Das generelle Verbot von KFZ-Rennen macht deutlich, daß der Verordnungsgeber die öffentlichen Straßen und Wege grundsätzlich nicht für tauglich hält, solche Rennen zu veranstalten ... Wie die ... Verordnungsbegründung zeigt, wird das Verbot . . . durch Sicherheitsaspekte getragen. Dabei war der Verordnungsgeber nicht auf die Berücksichtigung der Sicherheit etwaiger Zuschauer beschränkt. Auch die Eigengefährdung der Veranstaltungsteilnehmer ist ein Gesichtspunkt, der in den Bereich der öffentlichen Sicherheit gehört.. .. Es kann aber nicht bezweifelt werden, daß die Straßen üblicherweise für eine "angepaßte" Fahrweise gebaut werden. Die Fahrer sollen nicht "bis an die Grenze gehen", wie es gerade der Zweck eines Autorennens ist'.21 2. Diese Sichtweise entspricht allerdings nicht (mehr) den Vorstellungen des Verordnungsgebers213. Diese ergeben sich insbesondere aus der zu§ 29 StVO erlasseUrt. v. 12. 6. 1996, DAR 1996, S. 369 (371). Urt. v. 13. 3. 1997, NZV 1997, S. 372 (372 f.). 209 BGBI. I S. 199 (206). 210 VkBI. 1956, S. 424 (425). 211 3 C 2.97, NZV 1997, S. 372 (373) und 3 C 5.97, DAR 1997, S. 413 (414 f.). 212 BVerwG, a. a. 0. 213 Der ursprüngliche Wille kann (insoweit ist dem BVerwG zuzustimmen) noch zur Begründung dafür herangezogen werden, daß das generelle Verbot von KFZ-Rennen auf öffentlichen Straßen gerade auch motorsportlich organisierte Rennen im Auge hatte (Urt. v. 13. 3. 1997, 3 C 2.97, NZV 1997, S. 372 [373] und Urt. v. 13. 3. 1997, 3 C 5.97, DAR 1997, S. 413 [414 f]). 207

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4. Kap.: Die Zulässigkeil der Ausübung des Sports

nen Verwaltungsvorschrift Der Wortlaut der (besonders ausführlichen) 214 Verwaltungsvorschrift in der seit 1. 1. 1980 geltenden Fassung215 einschließlich des dort verfolgten Zieles hin zu einer Erleichterung der Genehmigungspraxis im Sinne einer "offenen Errnessensentscheidung" zu kommen, wurde bereits dargestellt. Die Heranziehung einer Verwaltungsvorschrift als geschriebene Fixierung (hier) des Willens des Verordnungsgebers der StVO gehört zu den klassischen Funktionen, die Verwaltungsvorschriften nach Auffassung der Literatur zukommen216• Ohne hier in Details insbesondere der äußerst umstrittenen Fragen der Außenwirkung217 , also der Reichweite und Intensität der Bindungswirkung der verschiedenen Verwaltungsvorschriften, abgesehen von den Organisations- und Dienstvorschriften, einzugehen 218, ist jedoch gerade bei der durch Rechtsverordnung, also als Rechtsetzungsakt der Verwaltung erlassenen Straßenverkehrsordnung durch die ordentlichen Gerichte anerkannt, daß die zu ihrem Vollzug auf der Grundlage des § 6 Abs. 1 StVG durch den Bundesminister für Verkehr219 mit Zustimmung des Bundesrates erlassene Verwaltungsvorschrift zwar für die Gerichte nicht bindend ist, jedoch als Hilfe zur Auslegung des speziell in § 29 StVO zum Ausdruck gekommenen Willens des Verordnungsgebers herangezogen werden kann220• Sieht der So Jäger. in: Diehl u. a., HK-StVR, Rdnr. 4 zu § 29 StVO. VkBI. 1979, S. 390. 216 Siehe zu diesen nur Maurer. AllgVerwR, § 24, Rdnr. 7 ff. 217 In der Rspr. des BVerwG werden normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften mit begrenzter Außenwirkung anerkannt etwa im Urt. v. 19. 12. 1985, BVerwGE 72, S. 300 (320 f.) und Urt. v. 28. 10. 1998, BayVBI. 1999, S. 600 (601), die insbesondere im Bereich des technischen Sicherheitsrechts und des Umweltschutzrechts stark verbreitet sind. Das BVerfG ist bisher sehr zurückhaltend mit der Akzeptanz der Lehre von der "originären" und mit Außenwirkung versehenen Rechtsetzungskompetenz der Verwaltung durch Verwaltungsvorschriften (insb. Beschl. v. 21. 6. 1989, BVerfGE 80, S. 257 [265]). Aus der Lit.: Ossenbühl, in: lsensee/Kirchhof(Hrsg.), HdbStR III, § 65, Rdnr. 7 ff.; Hili, NVwZ 1989, S. 401; Erbguth, DVBI. 1989, S. 473; Di Fabio, Risikoentscheidungen, S. 354 ff.; ders., DVBI. 1992, S. 1338; Send/er, UPR 1993, S. 321; Jachmann, Die Verwaltung 28 (1995), S. 17. 218 Dazu etwa Maurer. AllgVerwR, § 24, Rdnr. 15 ff. 219 Die Verfassungsmäßigkeit der Ermächtigung nur eines Ressortministers erscheint im Lichte des Art. 84 Abs. 2 S. l GG ("Bundesregierung") infolge einer Entscheidung des BVerfG (Beschl. v. 2. 3. 1999, DAR 1999, S. 498) zu dem wortgleichen Art. 85 Abs. 2 S. l GG, wonach unter "Bundesregierung" das aus Bundeskanzler und den Bundesministern bestehende Kollegium zu verstehen ist (siehe auch bereits BVerfG, Beschl. v. 15. 7. 1969, BVerfGE 26, S. 338 [395]), zumindest problematisch. 220 BGH, Urt. v. 27. 8. 1969, BGHSt 23, S. 108; OLG Braunschweig, Beschl. v. 13. 7. 1994, NZV 1995, S. 38 (38); OLG Düsseldorf, Urt. v. 29. 7. 1976, VerkMitt. 1976, S. 305 (306); dies., Urt. v. 26. 8. 1976, VerkMitt. 1977, S. 20 (20); dies., Urt. v. 26. 9. 1978, VRS 56 (1979), S. 365 (368); dies., Beschl. v. 24. 6. 1991, NZV 1991, S. 483; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 19. 5. 1983, VRS 66 (1984), S. 56 (56). Aus der Lit.: Jäger. in: Diehl u. a., HK-StVR, Rdnr. 4 zu§ 29 StVO und Seidenstecher. DAR 1995, S. 95 (97 f.). Noch weiter gehend BGH, Urt. v. 14. 6. 1961 (BGHSt 16, S. 160): "Es müßten schon triftige Umstände gegen die Auffassung des Bundesministers für Verkehr als des für Verkehrsfragen auch im Bereich der Gesetzgebung besonders sachkundigen Fachministers sprechen, wenn die Gerichte ihr die Gefolgschaft versagen wollten." 214 215

B. Die "Sportrechtslage" in der Straßenverkehrsordnung

243

Wille des Verordnungsgebers (nachträglich) 221 aber vor, daß bei Erfüllung der umfangreich formulierten Voraussetzungen222 die auf den Straßenverkehr bezogenen Sicherheits- und ordnungsrechtlichen Bedenken, die der Einführung des (generellen) Verbots für Kraftfahrzeugrennen primär zugrunde lagen, zurücktreten bzw. als erfüllt gelten, im Sinne einer insoweit bestehenden "Unbedenklichkeit" aus staatlicher Sicht, so handelt es sich bei der durch die Behörde vorzunehmenden Entscheidung jedenfalls nicht (mehr) um eine "intendierte Ermessensentscheidung" in dem Sinne, daß im Regelfall nur die Versagung der Ausnahmegenehmigung ermessensgerecht ist223 , vielmehr sind, wie das BVerwG bei einer in der Normtypik vergleichbaren Vorschrift im Ansatz zutreffend festgestellt hat, den mit dem Verkehrsverbot verfolgten (übrigen) öffentlichen Interessen die besonderen Belange der vom Verbot Betroffenen unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gegenüberzustellen224.

dd) Die in die Abwägung einzubeziehenden Belange (1) Der "Entscheidungsrahmen"

der Straßenverkehrsbehörden

Ausgehend von dieser gerade erwähnten Rechtsprechung des BVerwG zu § 46 Abs. 1 StV0225 stellt sich die Frage, welche (weiteren) öffentlichen Interessen mit der Regelung des Rennverbots verfolgt werden. Angesprochen wurde bereits der Schutz der Straßensubstanz226 und die Beeinträchtigung des allgemeinen Verkehrs, Unter Beteiligung der Motorsportverbände. Versicherungspflichten für Teilnehmer und Zuschauer, Haftungsfreistellungen der öffentlichen Hand, Streckenabnahme i. d. R. durch die Motorsportverbände bzw. Gutachten eines Sachverständigen vor allem über die Geeignetheil der Fahrstrecken und die gebotenen Sicherungsmaßnahmen, wirksame Maßnahmen zur Sicherung der Absperrung auch etwa durch Ordner, Zulassung nur von Fahrern mit gültigen Lizenzen der Motorsportverbände, Schaffung von Einrichtungen zur medizinischen Versorgung, Untersuchungspflichten der Rennfahrzeuge im Hinblick auf die Verkehrssicherheit, intensive Einbindung der Polizei vor und während der Rennveranstaltung etc. (siehe insbesondere die unter Ill. 1. und 2. der VwV aufgeführten Punkte, abgedruckt bei Jagusch/Hentschel, Rdnr. 1a zu§ 29 StVO). Siehe zur Praxis der Rahmenbedingungen durch die Motorsportverbände Krampe, DAR 1997, S. 377 (382 f.). 223 So aber Schlanstein, PVT 1994, S. 107 (109). 224 BVerwG, Urt. v. 20. 5. 1987, NJW 1988, S. 432 (432; zu§ 46 Abs. 1 S. 1 Nr. 11 StVO). Siehe auch BayVGH, Beschl. v. 16. 4. 1998, BayVBI. 1998, S. 536 (536; zur selben Vorschrift). 225 Siehe vorstehend. 226 Deshalb ist es auch vertretbar, daß, wie in Niedersachsen, Ausnahmen nur erteilt werden können, wenn der Straßenbaulastträger mit der Inanspruchnahme der Straßen als Rennstrecke einverstanden ist (Runderlaß des Ministeriums frir Wirtschaft, Technologie und Verkehr vom 1. 10. 1991, MB!. S. 1277). Siehe auch NdsOVG, Urt. v. 12. 8. 1996, DVBI. 1996, S. 1441 (1442). 221

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4. Kap.: Die Zulässigkeit der Ausübung des Sports

darüber hinaus aber auch allgemein Gründe der Sicherheit und Ordnung des Straßenverkehrs, denn richtigerweise sind nicht nur die mit dem konkreten Verbot verfolgten öffentlichen Interessen zu berücksichtigen, sondern alle vom Zweck der Ermächtigung her gestatteten, soweit im Einzelfall die Einbeziehung in die Entscheidung geboten ist227 • Letzteres ermöglicht die Berücksichtigung sämtlicher den Straßenverkehrsbehörden in Ausschöpfung der Bundeskompetenz des Art. 72 Abs. 1 Nr. 22 GG anvertrauten öffentlichen Belange, insbesondere derjenigen, die in den Katalog des § 6 Abs. 1 Nr. 3 StVG Aufnahme gefunden haben oder zumindest mit diesen vergleichbar sind, somit eingeschlossen die Gefahren und Belästigungen, die Dritten durch ein Motorsportrennen drohen (Umweltschäden)228 . Darüber hinaus müssen - wegen der Konzentrationsvorschriften in den Straßengesetzen der Länder - auch straßenbauliche Belange einfließen, wenngleich diese häufig bereits straßenverkehrsrechtlich Berücksichtigung finden229. Fraglich ist, inwieweit weitere Belange Einklang finden können und müssen. Klar ist zunächst, daß nicht jeglicher sachliche Gesichtspunkt zur Versagung der Ausnahmebewilligung führen kann230. Diskutiert wurde etwa (allerdings für die straßenrechtliche Sondernutzungsentscheidung), ob über Art. 20a GG auch allgemein ökologische oder abfallrechtliche Gesichtspunkte in die Ermessensentscheidung Einklang finden können231 , oder ob solche Gesichtspunkte vom Zweck der Ermächtigungsnorm nicht mehr gedeckt sind und folglich auch nicht durch Nebenbestirnrnungen Einzug in die Entscheidung finden können232 • Insbesondere die Rechtsprechung tendiert hier zu einer gesetzesspezifischen Interpretation. Nachdem dies für die straßenrechtliche Sondernutzungsentscheidung (im Sinne der Erforderlichkeit eines sachlichen Bezugs zur Straße) bereits seit längerem anerkannt ist233 , scheint sich diese Auffassung auch bei den straßenverkehrsrechtlichen EntSo RhPfOVG, Beschl. v. 17. 6. 1992,7 B 11106/92. Siehe speziell zu§ 29 Abs. 1 i. V. m. § 46 Abs. 2 StVO: NdsOVG, Urt. v. 12. 8. 1996, DVBI. 1996, S. 1441 (1443 f.); dies., Besch. v. 18. 2. 1992, ZfS 1992, S. 142 (143); ähnlich: RhPfOVG, Beschl. v. 17. 6. 1992, 7 B ll106/92; dies., Beschl. v. 21. 10. 1993, 7 B 12354/ 93. Erwähnt wurde auch bereits, daß daneben über die Verfahrenskonzentrationsvorschriften in den Ländernaturschutzgesetzen auch die Eingriffsregelungen dieser Gesetze formal zum Profprogramm der Straßenverkehrsbehörden werden (s. Kap. 3 B. III. 1. a]). 229 Konsequent deshalb auch 29.1.3 der Vollzugsbekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern zur StVO vom 9. 8. 1991 (Nr. I CIII D- 3611.12/2, AllMBI. 1991, S. 650 [660]), wonach die am Anhörverfahren beteiligten Straßenbaubehörden der Genehmigungsbehörde u. a. die zum Schutz der Straße erforderlichen Bedingungen und Auflagen bekannt geben. 230 BayVGH, Urt. v. 15. 12. 1983, NVwZ 1985, S. 207 (207 f.). 231 In diese Richtung im Hinblick auf die Verwendung von Einweggeschirr Becker, DVBI. 1995, S. 713 (715 u. 719 f.). 232 Nach richtiger Ansicht erweitert § 36 Abs. 2 VwVfG (bzw. die entsprechenden Ländervorschriften) nicht den Ermessensrahmen der entsprechenden Ermächtigungsnorm. Siehe nur BWVGH, Beschl. v. 14. 10. 1996, VBIBW 1997, S. 107 (109); SchlHOVG, Urt. v. 24. 8. 1993, NVwZ- RR 1994, S. 553 und Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, Rdnr. 75 zu § 36VwVfG. 221 228

B. Die "Sportrechtslage" in der Straßenverkehrsordnung

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scheidungen durchzusetzen. So formuliert etwa der BWVGH in einerneueren Entscheidung234, daß im Hinblick auf die Einbeziehung abfallrechtlicher und allgemein ökologischer Gesichtspunkte bei der Genehmigungserteilung nach Straßenverkehrsrecht kein weitergehender Ermessensrahmen als bei der straßenrechtlichen Befugnisnorm eröffnet sei, da diese ersichtlich allein auf die Gesichtspunkte Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs unter teilweiser Einbeziehung des Lärmund Abgasschutzes beschränkt sei 235 . Schwieriger ist die Frage allerdings zu beurteilen, wenn über den "Umweg" der den kommunalen Gebietskörperschaften in den Vorschriften über die Sondernutzungserlaubnis der Landesstraßengesetze236 eingeräumten Satzungsbefugnis (oder auch allein aufgrundder allgemeinen kommunalen Satzungsautonomie) allgemein ökologische oder abfallrechtliche Gesichtspunkte einbezogen werden und über die Verfahrenskonzentrationsvorschriften in den Landesstraßengesetzen auch in die Entscheidung nach Straßenverkehrsrecht Einzug finden. Der BayVGH237 hat diese "Kompetenzerweiterung" in einer gemeindlichen Satzung zugelassen bezüglich der Verwendung von Einweggeschirr. Das BVerwG238 ist dem insoweit entgegengetreten, als nach seiner Auffassung die zum Entscheidungszeitpunkt maßgeblichen Vorschriften des Bundesabfallrechts insofern eine Sperrwirkung im Sinne des Art. 72 Abs. 1 GG a. F. auslösten, somit anders lautende landesrechtliche Vorschriften ausschlössen239. Geklärt ist die aufgeworfene Frage damit aber nicht. Offen bleibt weiterhin, inwieweit die Einbeziehung der genannten Belange vom Ermächtigungs- und Ermessensrahmen des Gesetzes selbst erlaßt sind. Richtigerweise erweitert auch die Satzungsermächtigung in den Landesstraßengesetzen nicht die inhaltliche Reichweite des gesetzlichen Entscheidungsrahmens, darüber hinaus sehen die entsprechenden landesrechtliehen Vorschriften nach ihrem Wortlaut ("re233 Siehe nur BWVGH, Beschl. v. 16. 12. 1993, DÖV 1994, S. 568; dies., Urt. v. 20. I. 1994, NZV 1994, S. 455; SchiHOVG, Urt. v. 24. 8. 1993, NVwZ- RR 1994, S. 553; NdsOVG, Urt. v. 23. 4. 1992, NVwZ- RR 1993, S. 393, bestätigt durch BVerwG, Urt. v. 24. 8. 1994, NVwZ- RR 1995, S. 129; Steiner, in: Steiner (Hrsg.), BesVerwR, V., Rdnr. 115; Schmidt, NVwZ 1985, S. 167 (168 ff.); Danwitz, in: Schmidt-Aßmann (Hrsg.), BesVerwR, Rdnr. 58; Wiget, in: Zeitler, Rdnr. 26 zu Art. 18 BayStrWG; Lorenz, LStrGBW, Rdnr. 26 ff. zu§ 16. 234 Beschl. v. 14. 10. 1996, VBIBW 1997, S. 107. 235 BWVGH, Beschl. v. 14. 10. 1996, VBIBW 1997, S. 107 (108). Ähnlich: NdsOVG, Beschl. v. 18. 2. 1992, ZfS 1992, S. 142 (143; "verkehrsbezogen ordnungsrechtlich") und Bayerisches Staatsministerium des Innem (IMS vom 24. 8. 1990, IC4 - 3612.29.6/14), wonach in erster Linie straßenverkehrsrechtliche Belange zu berücksichtigen sind. 236 § 16 Abs. 7 BWStrG; Art. 22a BayStrWG; § 18 Abs. 1 S. 4 BrandStrG; §§ 23 Abs. 3 S. 1, 24 Abs. 1 u. 2 MVStrWG; § 19 Abs. 1 S. 4 NdsStrG; § 19 NWStrWG; § 42 Abs. 2 RhPfLStrG; § 19 Abs. 3 SaariStrG, § 18 Abs. 1 S. 4 SächsStrG, § 18 Abs. 4 SachsAnhStrG; § 23 Abs. 1 SchiHStrWG; § 18 Abs. I S. 4 ThürStrG. 237 Urt. v. 14. 3. 1996, 8 B 95.3555. Siehe bereits auch dies., Urt. v. 10. 3. 1993, BayVBI. 1994, S. 20. 238 Urt. v. 23. 4. 1997, DVBI. 1997, S. 1118. 239 A. a. O.,S. 1118f.

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4. Kap.: Die Zulässigkeit der Ausübung des Sports

geln") nur eine Regelungskompetenz im Rahmen des Gesetzes vor, eine Befugnis zur Einbeziehung weiterer Belange gestatten diese nicht. Dazu bedarl es dann vielmehr einer ausdrücklichen gesetzlichen oder gesetzlich zulässigen Aufnahme. So spezifiziert etwa § 11 Abs. 2 S. 2 BerlStrG die für die straßenrechtliche Sondernutzungsentscheidung maßgeblichen (weiteren) öffentlichen Belange in einer weit gefaßten Form240 . Auch aus kompetenzrechtlichen Gesichtspunkten ist der Ermessensrahmen der straßenverkehrsrechtlichen Entscheidung im Ergebnis deshalb darauf beschränkt, die öffentlichen Belange in die Abwägung einzubeziehen, die der Ermächtigungsrahmen für den Bereich Straßenverkehrsrecht abdeckt. Einbezogen werden über die verlahrensrechtlichen Konzentrationsvorschriften auch Belange des Straßenund Naturschutzrechts, wobei gerade bei letzteren bereits festgestellt wurde, daß es sich bei den auf der materiellen Basis des Landesnaturschutzrechts zu prüfenden Eingriffsregelungen nur formal um eine straßenverkehrsrechtliche Entscheidung handelt, materiell aber um eine solche des Landesnaturschutzrechts 241 . Dies hat dann auch wichtige revisionsrechtliche Folgen im Hinblick auf die Überprüfungsmöglichkeiten des BVerwG, das sich insoweit darauf beschränken muß, die Vereinbarkeit mit den bundesrechtlichen Eingriffsregelungen des Bundesnaturschutzgesetzes zu überprüfen, wenngleich, nach der Rechtsprechung des BVerwG, die Eingriffsregelung im Bundesnaturschutzgesetz im wesentlichen unmittelbar geltendes Recht darstellen soll und nicht "lediglich" eine Rahmenvorschrift gerichtet an die Länder (siehe Kap. 3 B. III. 1. a]).

(2) Die wichtigsten behördlichen Belange im Detail Läßt sich der Entscheidungsrahmen der Straßenverkehrsbehörde im oben dargestellten Sinne "abstecken", so soll im folgenden auf die in der Praxis wichtigsten Belange im Zusammenhang mit der Ermessensentscheidung auf der Rechtsfolgenseite eingegangen werden. Klar und bereits durch die Verwaltungsvorschrift vorgegeben sind die klassischen ordnungsrechtlichen Gesichtspunkte, wie insbesondere die Vertretbarkeit der Nutzung als Rennstrecke im Hinblick auf die Beeinträchtigung des "übrigen Verkehrs". Dieser wird, so die Vorstellung des Verordnungsgebers, anders als bei Veranstaltungen, die "nur" unter die Erlaubnispflicht des § 29 Abs. 2 StVO einzuordnen sind, bei motorsportliehen Rennveranstaltungen gänzlich ausgeschlossen, da die von der Veranstaltung in Anspruch genommenen Straßen zu sperren sind242 , mit der Folge, daß zumindest nach h. M. die Straße für die Dazu: VG Berlin, Urt. v. 12. 10. 1988, NJW 1989, S. 2559 (2559). Siehe oben Kap. 3 B. III. I. a). In Nordrhein-Westfalen sind die gemäߧ 29 BNatSchG anerkannten Naturschutzverbände im Zusammenhang mit einem Erlaubnis- bzw. Genehmigungsverfahren für motorsportliche Veranstaltungen nach § 29 StVO bei der erforderlichen Stellungnahme der Landschaftsbehörden durch diese zu beteiligen und haben die Anregungen und Bedenken zu verwerten (Runderlaß vorn 12. I. 1988 des Ministers für Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft). 240

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B. Die "Sportrechtslage" in der Straßenverkehrsordnung

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Dauer der Sperrung ihre Eigenschaft als öffentliche Straße im Sinne des Verkehrsrechts verlieren soll 243 . Deshalb ist im Grundsatz eine zurnutbare Umleitung des "übrigen Verkehrs" erforderlich. Gleichzeitig bedeutet dies auch, daß im wesentlichen nur Straßen benutzt werden dürfen, die eine geringe Verkehrsbedeutung aufweisen244. Der Verordnungsgeber trennt die Rennveranstaltung vom übrigen Verkehr insbesondere zur Gefahrenminimierung für die Allgemeinheit ab245 . Insoweit kommt darin der allgemeine ordnungsrechtliche Gedanke des Straßenverkehrsrechts zum Ausdruck, nach dem miteinander unverträgliche Nutzungen der öffentlichen Straße voneinander zu trennen sind (sog. Trennungsprinzip)246. Dies bedeutet in der Praxis einen nicht unerheblichen Planungsaufwand um die kollidierenden Verkehrs- und Raumnutzungsinteressen anderer zu einem zumindest vertretbaren Ausgleich zu bringen. Zunächst ist eine im vorgenannten Sinne geeignete Strecke auszuwählen, dabei insbesondere ihre Verkehrsbedeutung zu ermitteln und letztlich in Zusammenarbeit v. a. mit den Polizeibehörden247 eine geeignete Umleitungsstrecke für die Dauer der Veranstaltung zu ermitteln. Um die Sicherheit der Teilnehmenden, aber auch der Zuschauer, zu gewährleisten, stellt bereits die Verwaltungsvorschrift umfangreiche Regelungen über Erklärungs-, Sicherungs- und Versicherungspflichten des Veranstalters zur Verfügung248, die in der Regel durch entsprechende Auflagen abgesichert werden249. Bedeutung erlangt der Sicherheitsgedanke auch in Überlegungen, inwieweit, vor allem aus verkehrspsychologischer Sicht, Rennen mit Kraftfahrzeugen "Vorbildfunktion" für das Verhalten im "normalen" Straßenverkehr haben bzw. haben können, insbesondere auf jüngere Verkehrsteilnehmer. Die Frage scheint wissenschaftlich noch nicht eindeutig geklärt zu sein250. Solange zumindest auch viel für das 242 III. S. 2 der VwV zu § 29 Abs. 1 StVO; abgedruckt etwa bei Jagusch/Hentschel, Rdnr. 1a zu§ 29 StVO. 243 Jagusch/Hentschel, Rdnr. 16 zu § 1 StVO m. w. N., Cramer, Rdnr. 22 zu § 1 StVO. Dies ist jedoch zumindest für rechtlich öffentliche Straßen äußerst fraglich. Diese Auffassung würde voraussetzen, daß es eine selbständige (unabhängig vom Straßenrecht bestehende) Eigenschaft als öffentliche Straße i. S. des Straßenverkehrsrechts gibt. Woraus sich diese dann ableiten soll, wird jedenfalls nicht präzisiert. 244 III. S. I der VwV zu § 29 Abs. I StVO; a. a. 0. 245 NWOVG, Urt. v. 12. 6. 1996, DAR 1996, S. 369 (372). 246 Siehe auch NWOVG, a. a. 0 . und NdsOVG, Urt. v. 12. 8. 1996, DVBI. 1996, S. 1441 (1442). 247 Zur Mitwirkung der Polizeibehörden insoweit: David, VD 1994, S. 232 (235 f.). 248 Siehe insbesondere li. 6. ff. der VwV zu § 29 Abs. 2 StVO; abgedruckt bei Jagusch/ Hentschel, Rdnr. 1a zu § 29 StVO. 249 Zu darüber hinaus gehenden Verpflichtungen durch Nebenbestimmungen und ihre Zulässigkeit vgl. etwa OLG Köln, Urt. v. 10. I. 1992, VersR 1992, S. 470. 250 Zum Problem etwa Schlanstein, PVT 1994, S. 107 (107 f.); Meyer-Gramcko, Stellungnahme, Nov. 1991; ADAC (Hrsg.), Motorsport gehört dazu, S. 15 ff.; (ohne Verfasser), Mit Erfahrung in die Zukunft, DVR report 1995, S. 14 (15); ARCD-Presse Nr. 224 vom 3. 9. 1996, S. 3.

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4. Kap.: Die Zulässigkeil der Ausübung des Sports

Gegenteil spricht251 , kann der Nachahmungs-Gesichtspunkt, als Gefahr der aggressiven Fahrweise bei Teilnahme am allgemeinen Straßenverkehr, rechtmäßigerweise einem Motorsportrennen auf öffentlichen Straßen nicht entgegengehalten werden. In der Praxis weit häufiger beschäftigen die Gerichte die Umweltprobleme von (geplanten) Motorsportveranstaltungen252. Im Blickpunkt stehen hierbei die Lärmund Abgasbeeinträchtigungen der Anwohner (soweit solche vorhanden sind) und Dritter insbesondere Erholungssuchender des weiteren die Beeinträchtigungen für Natur- und Landschaft, sowie der Artenschutz und zuletzt die häufig mit Veranstaltungen verbundenen Abfallprobleme. Vorauszuschicken ist dabei, daß das Konfliktpotential nicht ausschließlich unmittelbar durch die Veranstaltung und ihre Teilnehmer selbst hervorgerufen wird, vielmehr häufig durch die Begleiterscheinungen von Veranstaltungen allgemein, insbesondere durch das Verhalten der Zuschauer an der Veranstaltungsstrecke selbst und durch die Folgen des an- und abfahrenden ,,Zuschauerverkehrs" (im Sinne von mittelbar durch die Veranstaltung hervorgerufener Umweltkonflikte)253 . Das BVerwG hat in einer grundlegenden Entscheidung aus dem Jahre 1994 für eine rechtlich öffentliche Straße formuliert 254: "Störungen durch Lärm und Abgase, die in einem entsprechend der Waldfunktionskartierung 255 als Erholungsschwerpunkt genutzten Gebiet von einem ... Kraftfahrzeugrennen auf einer zum öffentlichen Verkehr bestimmten Straße256 ausgehen, müssen sich die Erholungsuchenden unabhängig davon nicht zumuten lassen, wie hoch der Grad der Störung im Einzelfall ist". Daran anschließend meint das Gericht, daß es nicht darauf ankomme, ob die Emissionen durch das Rennen nicht höher oder sogar niedriger sind als die des "normalen" Verkehrs, diese jedenfalls eine andere rechtliche Qualität hätten, da (im konkret zu entscheidenden Fall eine nach Landesstraßenrecht gewidmete Kreisstraße) die Straße eine Erschließungsfunktion habe, die im öffentlichen Interesse liege, mit der eine allein im privaten Interesse liegende Sportveranstaltung nichts zu tun habe257 • Dritte müßten deshalb auch nur solche unvermeidbaren Belästigungen durch Verkehrslärm und Abgas hinnehmen, die mit dieser Erschließungsfunktion verbunden seien 258 . Im Ergebnis führt dies dazu, daß in einem solVgl. bis auf Schianstein die vorgenannte Literatur. Dazu allgemein: Bauer, Motorsport und Umwelt, Frankfurt a. M. 1989; Salm, Motorsport und Umweltrecht, ZAU 1991, S. 168 und Stellungnahme des Deutschen Sportfahrerkreises (DSK), Motorsport und Umwelt, Karlsdorf 1990. 253 Dazu etwa BWVGH, Urt. v. 25. 6. 1986, NVwZ 1988, S. 166 (167) und HessVGH, Beschl. v. 17. 3. 1988, NuR 1989, S. 85 (86). 254 BVerwG, Urt. v. 16. 3. 1994, NZV 1994, S. 374 (374, Leitsatz). 255 Nach Landeswald- bzw. Landesforstrecht 256 Also nach Straßenrecht gewidmeter. 257 BVerwG, Urt. v. 16. 3. 1994, NZV 1994, S. 374 (375). 258 BVerwG, a. a. 0. 251

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B. Die "Sportrechtslage" in der Straßenverkehrsordnung

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chen Fall das Ermessen der Behörde in der Regel auf null reduziert ist und nur die Versagung der Genehmigung als ermessensgerechte Entscheidung in Betracht kommt. Aus Sicht des Gerichts können also zwei Gesichtspunkte zu einer Ermessensreduzierung auf null führen: zum einen die auf der Basis des Landesnaturbzw. Landeswaldrechts bestimmte Gebietstypik, in der sich die Rennstrecke befindet, zum anderen die in der Regel auf der Basis des Landesstraßenrechts durch die Widmung begründete (Teil)funktion der Straße. Problematisch ist bereits, weshalb das BVerwG zwei landesrechtliche Belange zur Basis seiner revisionsrechtlichen und -gerichtlichen Entscheidung macht. Wahrend noch die Einstufung der Umgebung nach Natur- und Waldrecht zumindest formal nicht als entscheidend angesehen wird, mit der Formulierung, daß das Waldgebiet um die Straße ungeachtet möglicher landesrechtlicher Folgerungen auf Grund der natürlichen Gegebenheiten der Erholung diene259, scheint die landesstraßenrechtliche Einordnung als solche für die revisionsgerichtliche Entscheidung maßgeblich zu sein260. Eine Kreisstraße dient nach den Legaldefinitionen der Landesstraßengesetze dem überörtlichen Verkehr innerhalb eines Landkreises, dem Verkehr zwischen benachbarten Landkreisen und kreisfreien Städten oder dem erforderlichen Anschluß von Gemeinden an das überörtliche Verkehrsnetz261 . Auf eine (etwas ungenaue) Kurzformel gebracht dient die Kreisstraße der verkehrliehen Erschließung des Landkreises selbst und sichert seine verkehrliehe Anbindung262 . Insoweit ist richtig, daß eine Sportveranstaltung mit dieser räumlichen Verbindungsfunktion nichts zu tun hat. Unabhängig von revisionsrechtlichen Bedenken gegen die Heranziehung der in der Regel landesrechtlich begründeten Erschließungsfunktion der Straße als maßgebliche Ermessenserwägung, die zum Regelfall der (negativen) Ermessensreduktion auf null führt, wird damit das Institut der Sondernutzung (rechtlich) öffentlicher Straßen gänzlich in Frage gestellt. Die meisten Sondemutzungen sind Nutzungen der Straße über ihre eigentliche Kernfunktion hinaus und wären konsequenterweise dann, sobald sie mit einer Belästigung Dritter (Anwohner und I oder Erholungssuchender) oder der (anderen) Verkehrsteilnehmer verbunden sind, infolge der "anderen rechtlichen Qualität" der Belästigung im Regelfall bereits aus diesem Grund nicht genehmigungs- bzw. erlaubnisfähig. Sämtliche auf den Straßen stattfindenden Nutzungen wie Straßenfeste, Umzüge bei Volksfesten, Radrennen, Prozessionen, öffentliche Versamrnlungen263, das Aufstellen von Glascontainern oder das Aufstellen von Tischen und BVerwG, Urt. v. 16. 3. 1994, NZV 1994, S. 374 (375). BVerwG, Urt. v. 16. 3. 1994, NZV 1994, S. 374 (375). 261 So oder ähnlich: § 3 Abs. 1 Nr. 2 BWStrG; Art. 3 Abs. 1 Nr. 2 BayStrWG; § 3 Abs. 3 BrandStrG; § 3 Abs. 1 Nr. 2 HessStrG; § 3 Nr. 2 MVStrWG; § 3 Abs. 1 Nr. 2 NdsStrG; § 3 Nr. 2 RhPfLStrG; § 3 Abs. 1 Nr. 2 Saar!StrG (sog. Landstraßen II. Ordnung); § 3 Abs. I Nr. 2 SachsAnhStrG; § 3 Abs. 1 Nr. 2 SächsStrG; § 3 Abs. 1 Nr. 2 SchJHStrWG und § 3 Abs. l Nr. 2 ThürStrG. 262 Vgl. zur Erschließungsfunktion speziell der Kreisstraßen auch Krämer; in: Kodal/Krämer; Kap. 9, Rdnr. 14.5 f. 259 260

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4. Kap.: Die Zulässigkeit der Ausübung des Sports

Stühlen auf der (rechtlich) öffentlichen Straße vor einem Straßencafe264, wären im Regelfall wegen der damit verbundenen, nicht hinnehmbaren unmittelbaren oder mittelbaren Belästigungen unzulässig. Stützen läßt sich dieses auf rechtlich öffentlichen Straßen gewonnene Ergebnis allerdings mit der von der h. M. im Straßenrecht angenommenen Reichweite der öffentlich-rechtlichen Dienstbarkeit als Folge der Widmung. Durch die Widmung soll das Privateigentum nur insoweit "zurückgedrängt" werden, als der Privateigentümer zur Duldung der Benutzung der öffentlichen Sache im Rahmen der Zweckbestimmung (Gemeingebrauch) verpflichtet ist265 . Dies ließe sich dann auch auf Dritte übertragen. Richtigerweise, dies gilt auch nach h. M?66, unterstellt die Widmung die Straße jedoch gänzlich einem öffentlichen Nutzungsstatut einschließlich der entsprechenden Sachherrschaft, die die Erteilung von Sondernutzungen gerade mit einschließt267 . Nur so ist auch zu erklären, weshalb in dem Falle, daß Straßenbaulast und Eigentum am Straßengrund verschiedenen Rechtsträgern zustehen, eine öffentlich-rechtliche Sondernutzungserlaubnis nicht von der Zustimmung des Eigentümers abhängig ist268 und zivilrechtliche Unterlassungsansprüche gegen eine genehmigte Sondernutzung keinen Erfolg haben, da infolge der öffentlich-rechtlichen Genehmigung die Sondernutzung der Straße (im Rahmen der Genehmigung bzw. Erlaubnis) gemäߧ§ 1004 Abs. 2, 863 BGB zu dulden ist269. 263 Soweit man diese nicht im Lichte des Art. 8 GG einer gänzlich eigenständigen Beurteilung unterzieht. 264 Zur (im Ergebnis offen gelassenen) Frage, ob für letzteres eine Ausnahmegenehmigung nach Straßenverkehrsrecht (§§ 46 Abs. 1 Nr. 8 [Hindernisse] und 46 Abs. 1 Nr. 9 [Anbieten von Waren und Leistungen] StVO) erforderlich ist: BWVGH, Beschl. v. 14. 10. 1996, VBIBW 1997, S. 107 (108). 265 Siehe nur Steiner, in: Steiner (Hrsg.), BesVerwR, V., Rdnr. 25; Salzwedel, in: Erichsen (Hrsg.), AllgVerwR, § 42 I, Rdnr. 5. 266 Siehe Steiner, a. a. 0.; Salzwedel, a. a. 0. und Papier, Recht der öffentlichen Sachen, s. 78. 267 So auch Fickert, StrR in NW, Rdnr. 4 ff. zu § 18; Papier, Recht der öffentlichen Sachen, S. 78. A. A. aber wohl Lorenz, LStrGBW, Rdnr. 3 zu § 16, der meint, daß vor dem Hintergrund des dualistischen Verständnisses der öffentlichen Sachen nur das private Eigentum durch eine sonstige Benutzung (Sondemutzung) in Anspruch genommen wird, während die öffentliche Zweckbindung unberührt bleibt. Wie Lorenz auch Marschall I Schroeter I Kastner, Rdnr. 2 zu§ 8 BFStrG. 268 Ganz h. M.: BGH, Urt. v. 28. 9. 1982, NVwZ 1983, S. 499, BayObLG, Urt. v. 28. 4. 1980, BayVBI. 1980, S. 630; LG Saarbrücken, Urt. v. 25. 3. 1988, DAR 1988, S. 385; BVerwG, Urt. v. 29. 3. 1968, BVerwGE 29, S. 248 (250); BWVGH, Urt. v. 20. 11. 1989, NVwZ-RR 1991, S. 393; BayVerfGH, Entsch. v. 20. 3. 1981, BayVBI. 1982, S. 238 (240); Lorenz, LStrGBW, Rdnr. 16 zu§ 16; Marschall/SchroeteriKastner, Rdnr. 2 zu§ 8 BFStrG, Wiget, in: Zeit/er, Rdnr. 25 zu Art. 18 BayStrWG; Fickert, StrR in NW, Rdnr. 9 zu§ 18; Papier, Recht der öffentlichen Sachen, S. 125; PalandtiBassenge, Rdnr. 28 zu§ 903 BGB. Ausnahme: § II Abs. 6 BeriStrG. 269 BGH, Urt. v. 4. 5. 1973, NJW 1973, S. 1281 (1282 f.); dies., Urt. v. 31. 5. 1974, NJW 1974, S. 1869 (1870); OLG München, Urt. v. 23. 12. 1988, DAR 1989, S. 225 (226;

B. Die "Sportrechtslage" in der Straßenverkehrsordnung

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Anders sieht es freilich bei den rein tatsächlich öffentlichen Verkehrsflächen aus. Eine Erlaubnis bzw. Genehmigung ist hier wegen fehlender öffentlicher-rechtlicher Sachherrschaft von der Zustimmung des privaten Eigentümers abhängig270. Gerade bei den hier interessierenden, in den meisten Fällen jährlich wiederkehrend stattfindenden (Motor-) Sportveranstaltungen, spricht vieles dafür, daß "die andere rechtliche Qualität" der Nutzung nicht zu einem Ausschluß der "Ausnahmemöglichkeit" führt, sondern im Gegenteil großzügigere Maßstäbe anzuwenden sind. So setzt sich in der Rechtsprechung auch der Verwaltungsgerichte im Bereich des Immissionsschutzrechtes zunehmend die Erkenntnis durch, daß bei seltenen Veranstaltungen höhere Immissionsbelastungen für Dritte, insbesondere für Anwohner, zugemutet werden können271 . Normativ hat dies auch in der für die Gerichte verbindlichen272 Sportanlagenlärmschutzverordnung (18. BlmSchV) v. 18. 7. 199t273 seinen Niederschlag gefunden. Dort sind Sonderregeln bezüglich der Immissionsrichtwerte für sog. seltene Ereignisse formuliert. Dies sind Ereignisse und Veranstaltungen, die an höchstens 18 Kalendertagen eines Jahres in einer Beurteilungszeit oder mehreren Beurteilungszeiten auftreten (1.5 des Anhangs). Zwar findet diese Verordnung nach deren § 1 nur für die Errichtung, die Beschaffenheit und den Betrieb von Sportanlagen, soweit sie zum Zwecke der Sportausübung betrieben werden und nicht einer Genehmigung nach § 4 BlmSchG bedürfen, Anwendung, jedoch wird der darin zum Ausdruck kommende Gedanke von den Gerichten auch in anderem Zusammenhang zur Anwendung gebracht, teilweise sogar auf nichtsportliche Veranstaltungen angewendet274• Der BayVGH hat gar (erhebliche) Lärm- und Abgasbeeinträchtigungen für Anlieger einer Umleitungsstrecke, die infolge von Konzerten bzw. Theateraufführungen erheblich höheren Verkehrsbelastungen ausgesetzt waren, nicht nur am Maßstab der sogenannten seltenen Ereignisse gemessen, sondern, wegen der langjährigen alljährlichen Wiederholung der zu beurteilenden Theateraufführung, die Belastungen als ortsüblich und damit speziell zu einem Motorsportrennen); LG Saarbrücken, Urt. v. 25. 3. 1988, DAR 1988, S. 385 (385); Palandt I Bassenge, Rdnr. 28 zu § 903 BGB. 270 Siehe II. 2. der VwV zu § 29 StVO. Abgedruckt etwa bei Jagusch/ Hentschel, Rdnr. Ia zu§ 29 StVO. 271 Aus der Rechtsprechung: BGH, Urt. v. 23. 3. 1990, NJW 1990, S. 2465 (2466); BWVGH, Urt. v. 13. 12. 1993, NVwZ- RR 1994, S. 633 (634); BayVGH, Urt. v. 9. 12. 1992, BayVBI. 1993, S. 468 ((469); dies., Urt. v. 19. 3. 1997, FSt 1998, S. 193 (196); dies., Beschl. v. 29. 5. 1998, BayVBJ. 1998, S. 753 (755); HessVGH, Urt. v. 8. 10. 1996, GewArch 1997, S. 162 (164); NdsOVG, Urt. v. 15. 9. 1994, GewArch 1995, S. 173 (174); NWOVG, Urt. v. 28. 5. 1993, NVwZ 1994, S. 1018 (1019); VG Koblenz, Beschl. v. 17. 7. 1991, DAR 1991, S. 435 (435); dies., Beschl. v. 15. 7. 1992, DAR 1992, S. 394 (395). Das VG Kob1enz jeweils im Zusammenhang mit einer Erlaubnis nach § 29 Abs. 2 StVO. 272 Dazu: BVerwG, Beschl. v. 8. 11. 1994, UPR 1995, S. 108 (108). 273 BGBI. I S. 1588, ber. S. 1790. 274 BWVGH, Urt. v. 13. 12. 1993, NVwZ- RR 1994, S. 633 (634; Festveranstaltung); BayVGH, Urt. v. 19. 3. 1997, FSt 1998, S. 193 (196; Betrieb einer Mehrzweckhalle); dies., Beschl. v. 29. 5. 1998, BayVBJ. 1998, S. 753 (755; Sommerfest aufBadegelände); HessVGH, Urt. v. 8. 10. 1996, GewArch 1997, S. 162 (164; Kirrnesveranstaltung).

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4. Kap.: Die Zu1ässigkeit der Ausübung des Sports

zulässig angesehen275 . Der Gedanke der Privilegierung seltener (hier interessierender) sportlicher Veranstaltungen kommt im übrigen auch in nicht normativen Regelwerken bzw. Erkenntnissen unter Billigung der Gerichte zum Ausdruck. So sieht die Neufassung der TA Lärm vom 26. 8. 1998276 unter 7.2 Sonderregeln für seltene Ereignisse vor und läßt hier höhere Imrnisionswerte als die Imrnisionsrichtwerte zu. Auch die LAI-Hinweise zur Beurteilung von Freizeitlärm vom 28. 10. 1982277 und in der im Jahre 1987 überarbeiteten Fassung278 enthalten unter 4.2. Besonderheiten bei sog. seltenen Störereignissen, wozu insbesondere sportliche Veranstaltungen gezählt werden. Gerade im Zusammenhang mit Motorsportveranstaltungen außerhalb von Anlagen zur Übung und I oder Ausübung des Motorsports sehen die LAI-Hinweise die Beachtung der Besonderheiten bei seltenen Ereignissen vor279• Diese Beispiele zeigen, daß die vom BVerwG aufgestellte These, wonach solche Beeinträchtigungen und Belästigungen, die mit dem öffentlichen Widmungszweck der rechtlich öffentlichen Straße im eigentlichen Sinne nichts zu tun haben, automatisch deshalb von dritter Seite (Anlieger oder Erholungssuchenden) nicht hingenommen werden müssen, weil sie eine andere rechtliche Qualität aufweisen. Im Gegenteil akzeptiert die Exekutive und ein Großteil der Judikative die immissionsschutzrechtliche "Sonderstellung" seltener Ereignisse. In der Praxis bietet sich daher bei der Beurteilung der Erheblichkeit von Lärmbelästigungen durch Rennveranstaltungen der Rückgriff auf die Werte der Sportanlagenlärmschutzverordnung und dort speziell der Regelungen für seltene Ereignisse an. Die Einhaltung der Werte muß dann durch entsprechende Auflagen im Genehmigungsbescheid abgesichert werden. Im Hinblick auf den Schutz der Nachtruhe der Bevölkerung, ergibt sich bereits aus der Verwaltungsvorschrift, daß Veranstaltungen, die geeignet sind, diese zu stören, für die Zeit von 22.00 bis 6.00 Uhr nicht erlaubt werden dürfen280. Aber auch für solche, die etwa auf Grund der Örtlichkeit oder der geringen Teilnehmerzahl die Nachtruhe nicht zu stören vermögen, gilt in der Praxis, daß hier nur bei internationalen und überregionalen Veranstaltungen eine Erlaubnis höchstens bis 24.00 Uhr in Betracht kommt281 . Dies gilt trotz der AusnahmemöglichBayVGH, Urt. v. 9. 12. 1992, BayVBI. 1993, S. 468 (469). GMBI. 1998, S. 503. 277 Abgedruckt in: NVwZ 1985, S. 98 ff. 278 Abgedruckt in: NVwZ 1988, S. 135 ff. 279 Im Anhang siehe unter "4. Motorsport" (vgl. NVwZ 1988, S. 135 [137]). In der alten Fassung siehe Anhang unter "5. Motorsport" (vgl. NVwZ 1985, S. 98 [100]). Siehe auch 4.2 des Gemeinsamen Runderlasses mehrerer Niedersächsischer Ministerien (Freizeitlärmerlaß) vom 14. 11. 1988 (NdsMBI. S. 23). Zu diesem: NdsOVG, Urt. v. 15. 9. 1994, GewArch 1995, S. 173 ( 174 f. ). Kritisch bzgl. der Heranziehung insbesondere von technischen Richtlinien Bauer; Motorsport und Umwelt, S. 74 ff. (81). 280 II. 3. der VwV zu§ 29 StVO. Abgedruckt etwa bei Jagusch/Hentschel, Rdnr. la zu § 29 StVO. 281 So etwa 29.2.2.1 der Bayerischen Vollzugsbekanntmachung zur StVO vom 9. 8. 1991, AllMBl. S. 650 (660). 275

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B. Die "Sportrechtslage" in der Straßenverkehrsordnung

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keit in § 30 Abs. 2 StVO, die in der Regel selbst dann nicht erteilt wird, wenn lediglich Bewohner eines alleinstehenden Hauses belästigt werden können, da dem Schutz der Nachtruhe generell der Vorrang einzuräumen sei282. Ähnlich lassen sich mögliche Abgasbelästigungen durch Motorsportveranstaltungen lösen. Zwar sieht die für genehmigungsbedürftige Anlagen nach dem BlmSchG maßgebliche TA Luft283 insbesondere unter 2.4 (Ableitung von Abgasen) keine Besonderheiten für seltene "Störereignisse" vor, jedoch kann auch hier nichts anderes gelten, zumal der Ländervollzug bereits strengere Anforderungen an die abgastechnische Ausrüstung der Fahrzeuge vorsieht, als dies für den "übrigen" Verkehr im allgemeinen vorgesehen ise84. Darüber hinaus stehen den geschätzten 30 Mio. Kraftfahrzeugen in der Bundesrepublik nur etwa 10.000 Fahrzeuge im Sporteinsatz gegenüber285 . Der Benzinverbrauch bei Motorsportveranstaltungen wird im Jahr auf 2 Mio. Liter Benzin geschätzt286. Dem stehen im allgemeinen Straßenverkehr allein Verdunstungsverluste von 210 Mio. Liter Benzin gegenüber287 . In Österreich wurden bei bedeutenden Motorsportveranstaltungen Messungen hinsichtlich des Schadstoffausstoßes vorgenommen 288 und die dabei auftretenden Schadstoffmengen mit dem allgemeinen Transitverkehr im gleichen Zeitraum auf einer Autobahn verglichen. Dabei ergab sich 1987 das Verhältnis 1 zu 217 zulasten des allgemeinen Verkehrs allein für den Ausstoß von Kohlenmonoxid289. Nach einer Untersuchung der Universität Salzburg, ebenfalls aus dem Jahre 1987, zeigt sich im übrigen auch, daß die Schadstoffgesamternissionen zum geringsten Teil (3 %) vom eigentlichen Renngeschehen verursacht werden. Der weitaus größte Teil (80 %) wird durch an- und abfahrende Zuschauerfahrzeuge hervorgerufen290, ein Problem, das durch jede Massenveranstaltung ausgelöst wird. 282 Siehe Jagusch/ Hentschel, Rdnr. 9 zu § 30 StVO; Rüth, in: Rüth/ Berr I Berz, Rdnr. 6 zu§ 30 StVO und Wiethaup, DAR 1974, S. 152 (153). 283 Vom 27. 2. 1986, GMBI. S. 95, ber. S. 202. 284 In der Regel dürfen an motorsportliehen Veranstaltungen nur Kraftfahrzeuge teilnehmen, die mit einem geregelten Drei-Wege-Katalysator ausgerüstet sind. Siehe dazu etwa die Allgemeinen Verfahrensgrundsätze für die Genehmigung und Durchführung motorsportlicher Veranstaltungen des Bayerischen Staatsministeriums des Innem, Stand: 31. 12. 1992 und das IMS vom 25. 3. 1993, IC4- 3612.1-87; Genehmigungsbescheid der Bezirksregierung Amsberg vom 25. 5. 1994, Az.: 53. l. 10 (1), Auflage 2a); Runderlaßzweier Hessischer Minister betr. Durchführung motorsportlicher Veranstaltungen (Zusammenarbeit der Straßenverkehrsund Naturschutzbehörden) vom 7. 9. 1994 unter 1.5. Zu den umfangreichen "freiwilligen" bereits eingeführten und geplanten Maßnahmen: DSK, Motorsport und Umwelt, S. 12 ff. 285 DSK, Motorsport und Umwelt, S. 9 f. 286 DSK, Motorsport und Umwelt, S. 10. 287 DSK, a. a. 0 . 288 Siehe die Auswertung bei Bauer, Motorsport und Umwelt, S. 55 ff. 289 Siehe Bauer, Motorsport und Umwelt, S. 56. 290 Die restlichen 17 % sind den Begleitfahrzeugen (Troß) zuzurechnen. Zum Ganzen Bauer, Motorsport und Umwelt, S. 56.

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4. Kap.: Die Zulässigkeit der Ausübung des Sports

In neuerer Zeit immer stärkere (rechtliche) Bedeutung gewinnt das Abfallproblem allerdings nicht nur im Zusammenhang mit Motorsportveranstaltungen. Vor allem die unteren Straßenverkehrsbehörden versuchen, straßenverkehrsrechtliche Sondernutzungen mit einer Auflage291 zu versehen, die die Verwendung von Mehrweggeschirr, -behältnissen und -bestecken vorschreibt oder umgekehrt die Verwendung von entsprechenden Einweggegenständen verbietet292. Mit dem Ziel der Vermeidung bzw. Reduzierung einer drohenden Versehrnutzung der Straße ließe sich diese Verpflichtung sicher auch straßenverkehrsspezifisch begründen293 , jedoch ist eine entsprechende Auflage aus folgenden Gründen rechtswidrig: Soweit lediglich die Erteilung einer landesstraßenrechtlichen Sondernutzungserlaubnis erforderlich wäre, hat das BVerwG geklärt, daß die früheren (abschließenden) bundesrechtlichen Regelungen des AbfG vom 27. 8. 1986294 und der VerpackV vom 12. 6. 1991 295 keinen Raum lassen für ein (landesrechtliches) Verbot von entsprechenden Einweggegenständen296. Der Erlaß des KrW-/ AbfG vom 27. 9. 1994297 und der neuen VerpackV vom 21. 8. 1998298 haben daran im Ergebnis nichts geändert299 . Im Zusammenhang mit der straßenverkehrsrechtlichen Genehmigung bzw. Erlaubnis stellt sich zwar das Kompetenzproblem einschließlich der Sperrwirkung für die Landesgesetzgebung durch Art. 72 Abs. 1 GG als solches nicht, im Ergebnis kann jedoch auch hier nichts anderes gelten. Regelt ein Spezialgesetz eine Angelegenheit abschließend, so kann die Anwendung zumindest der Wertungen in einer im Grundsatz dazu sachfremden Materie, soweit man die Anwendung zuläßt, die lediglich einen (geringen) Bezug zur Spezialmaterie aufweist, jedenfalls nicht weiter gehen, als diese selbst. Dies gebietet bereits die Einheit der Bundesrechtsordnung. Das bedeutet, daß auch mit straßenverkehrsrechtlicher Begründung bei der Erlaubniserteilung kein höherer "Abfallstandard" eingeführt werden kann, als dies das abschließende bundesrechtliche Abfallrecht diesen Behörden gestattet. Solange das Bundesabfallrecht kein Verbot von Einweggegenständen einführt, kann ein solches auch nicht auf öffentlichen Straßen über entsprechende 291 Teilweise auch als echte Bedingung i. S. v. § 36 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG. So etwa in dem vom BWVGH (Beschl. v. 14. 10. 1996, VBIBW 1997, S. 107) entschiedenen Fall. 292 Auch im Zusammenhang mit der (rein) straßenrechtlichen Sondernutzung ist dies von den Straßenbaubehörden versucht worden. 293 Siehe auch BWVGH, Beschl. v. 14. 10. 1996, VBIBW 1997, S. 107 (108), wenngleich zumindest eine "konkrete Gefährlichkeit" dieses rechtfertigen muß. Siehe dazu nur Manssen, DVBI. 1997, S. 633 (636). 294 BGBI. I S. 1410. 295 BGBI. I S. 1234. 296 BVerwG, Urt. v. 23. 4. 1997, DVBI. 1997, S. 1118 (1118 f.). Dies folgt aus der Sperrwirkung des Art. 72 Abs. 1 GG, dessen Anwendungsbereich sich auch auf den Bereich der Leistungsverwaltung erstreckt (so ausdrücklich das BVerwG, a. a. 0., S. 1119). 297 BGBI. I S. 2705. 298 BGBI. I S. 2379. 299 Siehe insbesondere § 5 Abs. 1 KrW-/ AbfG und § 6 VerpackV vom 21. 8. 1998, BGBI. I S. 2379.

B. Die "Sportrechtslage" in der Straßenverkehrsordnung

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Auflagen, sei es als Verbot der Verwendung von Einweggegenständen oder als Gebot der Verwendung von Mehrweggegenständen, eingeführt werden. Ein speziell sportliches Problem soll an dieser Stelle noch aufgegriffen werden. Die bisher, soweit ersichtlich, nicht diskutierte Frage, inwieweit die Straßenverkehrsbehörden insbesondere durch Nebenbestimmungen für die an einer Motorsportveranstaltung Teilnehmenden, etwa durch entsprechende Zulassungs- und Überwachungsverpflichtungen des Veranstalters, ein "Dopingverbot" einführen könnten. Oder anders ausgedrückt: Könnte eine straßenverkehrsrechtliche Erlaubnis davon abhängig gemacht werden, daß gesichert ist, daß die Teilnehmenden keine leistungsfördernden Mittel verwenden und etwa bei entsprechenden (negativen) Erfahrungen aus vorangegangenen Jahren eine entsprechende Genehmigung rechtmäßigerweise versagt werden? Die Kernfrage wird in diesem Zusammenhang sein, ob entsprechende Regelungen bzw. die Versagung einer Genehmigung mit einer entsprechenden Begründung sich noch im Rahmen der gesetzlichen Grenzen des Ermessens bzw. der Ermächtigungsgrundlage halten. Auf den ersten Blick ließe sich ein sachlicher Bezug zum Straßenverkehrsrecht herstellen, etwa mit den Sicherheitserwägungen, die den straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften über die Eignung zum Führen eines Kraftfahrzeugs300 oder den damit sachlich zusammenhängenden strafrechtlichen Vorschriften über die Gefahrdung des Straßenverkehrs301 zugrundeliegen. Akzeptiert man mit der wohl h. M., daß im Falle der Sperrung der öffentlichen Straße für eine motorsportliche Veranstaltung diese ihre Eigenschaft als öffentliche Straße im Sinne des Verkehrsrechts verliert, mit der Konsequenz der Nichtanwendbarkeit der StVO, so ließe sich formal betrachtet begründen, daß zunächst die obengenannten Vorschriften als solche gar nicht zur Anwendung kommen, denn sowohl die Eignungsvorschriften als auch die strafrechtlichen Sanktionsvorschriften setzen das Führen eines Kraftfahrzeugs im öffentlichen Verkehrsraum voraus302. Nichtsdestotrotz besteht ein sachlicher Bezug allein schon auf Grund des Gefahrdungspotentials sowohl für die anderen Teilnehmer als auch für die Zuschauer einer motorsportliehen Veranstaltung. Die Verwaltungsvorschrift akzeptiert denn auch nur solche Teilnehmer, die eine gültige Fahrerlizenz der ONS/OMK/DAM (jetzt: DMSB) oder bei Ausländern eine gültige Lizenz der zuständigen ausländischen Organisationen besitzen303 • Straßenverkehrsrechtlich würden insbesondere entsprechende Auflagen auch voraussetzen, daß zumindest für Dritte (Zuschauer und Teilnehmer) infolge der Einnahme leistungsfördernder Mittel eine konkrete Gefährlichkeit besteht. Voraussetzung dafür ist, daß es sich um Mittel handelt, welche die intellektuellen und motorischen Fähigkeiten und das Hemmungsvermögen beeinträchtigen304. Anerkannt ist dies grundsätzlich bei allen Insbesondere§ 2 Abs. 4 StVO und§ 11 FeV. Insbesondere§ 315c Abs. 1 Nr. 1 a) bzw. b) StOB. 302 Siehe nur den Wortlaut des § 2 Abs. 1 S. 1 StVO und Jagusch/ Hentschel, Rdnr. 1 zu § 315c StOB. 303 III. 2. h) aa) der VwV zu§ 29 Abs. 2 StVO. Abgedruckt etwa bei Jagusch/Hentschel, Rdnr. 1a zu § 29 StVO. 300

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4. Kap.: Die Zulässigkeil der Ausübung des Sports

Stoffen nach § 1 BtMG und der entsprechenden Anlagen dazu305 , die nicht unbedingt gleichzeitig Dopingsubstanzen nach den Regeln des Sports darstellen. Umgekehrt fallt nicht jeder aus Sicht des Sports unzulässige Wirkstoff unter das Betäubungsmittelgesetz306. Schwierig ist darüber hinaus der wissenschaftliche Nachweis der konkreten Beeinträchtigung, v. a. auch im Hinblick auf die Konzentrationsschwelle. Derzeit läßt sich ein bestimmter Beweisgrenzwert nicht einmal für Haschisch wissenschaftlich begründen307 . Aus straßenverkehrsrechtlicher Sicht läßt sich daher auch ein durch entsprechende Auflagen verfügtes Dopingverbot nur dann rechtmäßigerweise begründen, wenn jeweils die konkrete Gefährlichkeit wissenschaftlich belegt ist. Ansonsten gilt für die Einnahme leistungsfördernder Mittel, daß diese zwar "sportbinnenrechtlich" insbesondere aus dem Gedanken des fair-play relevant sind, mit den jeweils in den Verbandsregeln vorgesehenen Konsequenzen308. Staatliche Beschränkungen lassen sich damit (pauschal) jedoch im Straßenverkehrsrecht mangels Sachbezogenheit zu dieser sicherheits- und ordnungsrechtlichen Regelungsmaterie (derzeit) nicht begründen. Neben den zuvor ausführlicher erörterten Belangen, die gegen eine Motorsportveranstaltung im Einzelfall sprechen können, seien noch genannt: die Belange der land- und forstwirtschaftliehen Bodennutzung, des (übrigen) Umweltschutzes und des Naturschutzes, insbesondere des Naturhaushaltes, des Wassers309, der Luft, des Bodens310, des Klimas, der Tier- und Pflanzenwelt311 , der Landschaftspflege und des Denkmalschutzes312 .

304 Dazu: BGH, Urt. v. 30. 9. 1976, VRS 53 (1977), S. 356 (356); BayObLG, Beschl. v. 24. 4. 1990, NZV 1990, S. 317 (317); OLG Düsseldorf, Beschl. v. 4. 3. 1993, NZV 1993, S. 276 (276); dies., Beschl. v. 2. 5. 1994, NZV 1994, S. 326 (326); Saiger, DRiZ 1993, S. 311 (314); Maatz /Mille, DRiZ 1993, S. 15 (22). 305 Siehe etwa OLG Düsseldorf, Beschl. v. 4. 3. 1993, NZV 1993, S. 276 (276); Maatz/ Mille, DRiZ 1993, S. 15 (18 ff.); Nehm, DAR 1993, S. 375 (377). 306 Zu den verbotenen Wirkstoffgruppen und Methoden siehe z. B. die Liste des IOC aus dem Jahre 1994, abgedruckt bei Summerer, in: Fritzweiler u. a., PHBSportR, 2. Teil, Rdnr. 216 f. 307 Siehe etwa die Rechtsprechungsnachweise bei Jagusch/Hentschel, Rdm. 5 zu § 316 StGB. 308 Zu diesen siehe den Überblick bei Summerer; in: Fritzweiler u. a., PHBSportR, 2. Teil, Rdnr. 240 f. 309 Zu den möglichen Belastungen insbesondere durch Enduro- und Trialwettbewerbe Bauer, Motorsport und Umwelt, S. 60 ff. 310 Speziell geschützt durch das BBodSchG v. 17. 3. 1998, BGBI. I S. 502. Zu den Belastungen des Bodens (insbesondere Verdichtungen) v. a. durch den Geländemotorsport: Bauer, Motorsport und Umwelt, S. 44 ff. 311 Dazu: Bauer, Motorsport und Umwelt, S. 47 ff. (Pflanzen) und 50 ff. (Tiere). 312 Zu allem siehe etwa Ronellenfitsch, DAR 1995, S. 274 (277).

B. Die "Sportrechtslage" in der Straßenverkehrsordnung

257

(3) Die Belange des Motorsports Hinsichtlich der Belange, die zugunsten des Motorsports auf öffentlichen Straßen ins Feld geführt werden können und müssen, sollen auch hier nur einige wenige näher untersucht werden. Generell kann dem Motorsport sicher ein wichtiger Beitrag zum technischen Fortschritt nicht abgesprochen werden. So beruhen heutzutage selbstverständliche Ausrüstungen von Kraftfahrzeugen wie ABS, Benzineinspritzung, Halogenscheinwerfer, Sicherheitsgurt, Aerodynamikformen und vieles andere 313 zumindest auch auf Entwicklungen im Bereich des Motorsports 314. Die sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkte wurden bereits in anderem Zusammenhang vorgestellt. Weiterhin besteht in breiten Teilen der Bevölkerung ein hohes Interesse an Motorsportveranstaltungen315 . Bei international ausgerichteten Veranstaltungen sollten auch die Gesichtspunkte der Völkerverständigung und der europäischen Integration nicht vergessen werden sowie der historische Bezug gerade von gewachsenen Veranstaltungen, die einen prägenden Einfluß auf das soziale, kulturelle und regionalwirtschaftliche Leben in den Angrenzergebieten haben3'6. Neben diesen Belangen kommt auch den Interessen vor allem des organisierten Motorsports selbst, insbesondere an der Durchführung von Wettbewerben, eine wichtige Bedeutung zu. Fraglich ist zunächst, ob lediglich, wie von einem Teil der Rechtsprechung angenommen317, auf die (privaten) Interessen des Veranstalters abzustellen ist oder ob nicht zumindest auch die Belange der teilnehmenden Sportler mit einzubeziehen sind. Es wurde bereits festgestellt, daß primärer Adressat des Verbotes des § 29 Abs. 1 StVO der Rennteilnehmer ist. Dann müssen aber konsequenterweise dessen Interessen in die Abwägung miteinbezogen werden, wie etwa bei Berufsfahrern das Interesse an der Ausübung ihres Berufes (Art. 12 Abs. 1 GG). Von ganz entscheidender Bedeutung ist darüber hinaus die Frage, welche abstrakte Gewichtung vorzunehmen ist. Die Rechtsprechung geht im Ausgangspunkt davon aus, daß die Interessen, auch der Veranstalter, die dem organisierten Motorsport angehören, (lediglich) privater Natur sind318 . Nun bedeutet die Tatsache, daß es sich gegebenenfalls um private Interessen handelt, nicht zwangsläufig, daß diese generell hinter öffentlichen Interessen zurücktreten müssen. Es gibt keinen Rechtssatz, Siehe die Übersicht bei Bauer; Motorsport und Umwelt, S. 68. Siehe Bauer; Motorsport und Umwelt, S. 67 ff. 315 Dazu auch RhPfOVG, Beschl. v. 21. 10. 1993, DAR 1994, S. 166 (169); VG Koblenz, Beschl. v. 17. 7. 1991, DAR 1991, S. 435 (435); dies., Beschl. v. 15. 7. 1992, DAR 1992, s. 394 ((395). 316 Siehe Ronellenfitsch, DAR 1995, S. 274 (277). 317 Siehe z. B. BVerwG, Urt. v. 16. 3. 1994, NZV 1994, S. 374 (375) und NWOVG, Urt. v. 15. 11. 1993, NWVBI. 1994, S. 273 (274). 318 Siehe nur BVerwG, Urt. v. 16. 3. 1994, NZV 1994, S. 374 (375); BWVGH, Urt. v. 25. 6. 1986, NVwZ 1988, S. 166 (167); NWOVG, Urt. v. 15. 11. 1993, NWVBI. 1994, S. 273 (274); VG Schleswig, Urt. v. 6. 1. 1988, NVwZ- RR 1990, S. 72 (72). 313

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4. Kap.: Die Zulässigkeil der Ausübung des Sports

der besagt, daß öffentlichen Interessen generell der Vorrang vor privaten Interessen gebührt319, wenngleich das BVerwG im Urt. v. 16. 3. 1994320 "bei einer am Schutzzweck der einschlägigen Vorschriften orientierten Wertung" (§§ 29 Abs. I und 46 Abs. 2 StVO) zum Regelfall des Vorrangs der öffentlichen Interessen gelangt, sogar mit der Folge der Ermessensreduzierung auf null. Nur bei einem "Überwiegen" der privaten Interessen soll dann eine Ausnahmegenehmigung möglich sein321 . Dieses Ergebnis kann jedoch zumindest für die unter dem Dach des Art. 9 Abs. 1 GG organisierten Motorsportverbände als Veranstalter bzw. für die Teilnehmenden als Mitglieder dieser Organisationen keinen Bestand haben. Auch die bisher zur Frage der Bedeutung des Art. 9 Abs. 1 GG im Rahmen der Verbotsnorm des § 29 Abs. 1 StVO mit der Ausnahmemöglichkeit des § 46 Abs. 2 S. 1 StVO veröffentlichte Rechtsprechung322 steht dem nur scheinbar entgegen. Angesprochen wurde lediglich, ob das generelle Verbot des § 29 Abs. 1 StVO im Lichte des Grundrechts der Vereinigungsfreiheit verfassungsrechtlichen Bedenken ausgesetzt ist bzw. ob gegebenenfalls daraus zu folgern wäre, daß Rennen, die von einem Motorsportverband veranstaltet und organisiert werden, nicht unter das generelle Verbot zu subsumieren wären 323 • Davon zu trennen istjedoch die hier zu erörternde Frage, inwieweit das Grundrecht der Vereinigungsfreiheit im Rahmen der durch die Straßenverkehrsbehörde zu treffenden Ermessensentscheidung Beriicksichtigung finden muß und daran anschließend, welches konkrete Gewicht der verfassungsrechtlich verbürgten Rechtsposition im Einzelfall beizumessen ist. Diese Frage ist, soweit ersichtlich, nicht geklärt. Ausgangspunkt ist zunächst die grundsätzliche Frage, inwieweit Art. 9 Abs. 1 GG überhaupt eine so verstandene externe Betätigung eines Verbands oder Vereins und im Korrelat auch seiner Mitglieder schützt. Die Frage wurde in anderem Zusammenhang bereits bejaht324. Handelt es sich um die berufsmäßige Ausübung des Motorsports, so stehen sowohl dem Verband bzw. Verein (soweit diese als Unternehmer mit gewerblichem Schwerpunkt bei Veranstaltungen in Erscheinung treten) als auch dem jeweils teilnehmenden Berufssportler das Grundrecht der Berufsfreiheit des Art. 12 GG (als spezielle Verbürgung der Verwirklichung des Vereinszwecks) zur Seite. Dabei kann es nicht darauf ankommen, ob die Ausübung des Motorsports gerade auf öffentlichen Straßen der (wesentliche) Vereinszweck ise25 , 319 Siehe nur Söjker, in: Emst/Zinkhahn/Bielenberg, Rdnr. 209 zu § I BauGB und Krautzberger, in: Battis/Krautzberger/Löhr, Rdnr. I02 und 106 zu § I BauGB jeweils zur Abwägung in der Bauleitplanung mit Nachweisen aus der Rspr. 320 NZV 1994, S. 374 (375). 321 So etwa NWOVG, Urt. v. I5. 11. I993, NWVBI. 1994, S. 273 (274). 322 BVerwG, Urt. v. 13. 3. 1997, 3 C 2.97, NZV 1997, S. 372 (373); dies., Urt. v. I3. 3. 1997, 3 C 5.97, DAR I997, S. 413 (4I5); NdsOVG, Urt. v. I2. 8. I996, DVBI. I996, s. 144I (1442). 323 Siehe die vorstehend zitierte Rspr. 324 Siehe Kap. 2 A. II. I. d) bb). 325 So wohl aber NdsOVG, Urt. v. I2. 8. I996, DVBI. I996, S. 1441 (1442).

B. Die "Sportrechtslage" in der Straßenverkehrsordnung

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da nicht entscheidend sein kann, welchen Zweck sich ein Verein oder Verband (selbstbestimmt) setzt, mit der daran anknüpfenden Folge einer (möglichen) Teilhabe an einer staatlichen Leistung der Daseinsvorsorge326 . Auch auf Grund der wechselnden rechtlichen Rahmenbedingungen des Staates für den Motorsport auf öffentlichen Straßen ist vielmehr in Anlehnung an eine Formel des BVerfG327 zur Frage der "berufsregelnden Tendenz" staatlicher Vorschriften zu fragen, ob die Vorschrift (hier: § 29 Abs. 1 StVO) nach Entstehungsgeschichte und Inhalt im Schwerpunkt Tätigkeiten betrifft, die typischerweise beruflich328 und I oder - ergänzend dazu - vereins- oder verbandsmäßig ausgeübt werden. Dies ist für den Motorrennsport auf öffentlichen Straßen ohne weiteres der Fa11329 und auch vom BVerwG anerkannt, indem das Gericht ausführt, daß "die Organisation eines Rennens ... in der Regel einen hohen organisatorischen Aufwand (erfordert). Dieser setzt Erfahrung und umfangreiche sachliche und persönliche Mittel eines Veranstalters voraus. Es muß daher davon ausgegangen werden, daß motorsportlich organisierte Rennen gerade der Regelfall von Rennen waren und sind, die auf öffentlichen Straßen stattfinden" 330 . Auch die These vom rein privaten Interesse der motorsportliehen Organisationen an der Durchführung eines Rennens kann im Hinblick auf die jüngeren landesverfassungsrechtlichen Entwicklungen nicht unwidersprochen bleiben. Mit der Aufnahme des Staatsziels "Sport" in die Verfassungen der meisten Bundesländer ist die Förderung, der Schutz und I oder die Pflege des Sports als öffentliche Aufgabe festgeschrieben worden33 1. Faßt man, wie sich insbesondere auch aus den einfach-rechtlichen Sportförderungsgesetzen ergibt, speziell unter den Begriff "Förderung" die Aufgabe und Verpflichtung der Länder (einschließlich ihrer Behörden), das Angebot an sportlicher Betätigung zu verstärken und zu erweitern, darüber hinaus die Teilnahme an Sportveranstaltungen zu ermöglichen332, so haben auch die Landesstraßenverkehrsbehörden bei der Anwendung einer Norm, die, wie § 29 Abs. 1 StVO i. V. m. § 46 Abs. 2 S. 1 StVO, gerade eine staatliche Entscheidung über das "ob" einer Sportveranstaltung treffen, diese Verpflichtung bei der zu treffenden Ermessensentscheidung mit besonderem Gewicht zu berücksichtigen. Dies 326 Auch darf eine Ausnahmegenehmigung nicht deshalb verweigert werden, weil das Interesse der Motorsportverbände und der Rennfahrer an organisierten Rennveranstaltungen auch außerhalb öffentlicher Straßen verwirklicht werden kann (in diese Richtung aber wohl NWOVG, Urt. v. 15. 11. 1993, NWVBI. 1994, S. 273 [274]), da die Verwirklichung des Interesses ansonsten unangemessen erschwert würde (so Sauthoff in: Diehl u. a., HK-StVR, Rdnr. 53 zu § 46 StVO). 327 Im Urt. v. 17. 2. 1998, NJW 1998, S. 1627. 328 BVerfG, a. a. 0., S. 1628. 329 Siehe speziell zu den motorsportliehen Organisationen auch BGH, Urt. v. 28. 11. 1969, NJW 1970, S. 378 (379 ff.). 330 BVerwG, Urt. v. 13. 3. 1997, 3 C 2.97, NZV 1997, S. 372 (372 f.); dies., Urt. v. 13. 3. 1997, 3 C 5.97, DAR 1997, S. 413 (414). 331 Siehe Kap. 2 B. 111. 2. 332 Siehe Kap. 2 B. 111. 3. a). 17*

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4. Kap.: Die Zulässigkeit der Ausübung des Sports

gilt auch bei der Ausführung einer bundesrechtlichen Vorschrift, soweit, wie hier, Raum bleibt für die Berücksichtigung von Landesrecht333 . Die Verwaltungsvorschrift steht jedenfalls der Berücksichtigung des Staatsziels Sport nicht entgegen. Es wird lediglich der Behörde zur Aufgabe gemacht, zu prüfen, "ob das Interesse an der Veranstaltung so stark überwiegt, daß die Beeinträchtigung des allgemeinen Verkehrs hingenommen werden kann"334. Die Gewichtung der Interessen an der Veranstaltung wird also gerade der Landesbehörde überlassen, mit der Folge, daß landesrechtlicher Spielraum verbleibt, das Interesse (auch) an einer motorsportliehen Veranstaltung mit besonderem (staatlichem) Gewicht zu versehen, somit die Gewichtung hin zu einer stärkeren Berücksichtigung der "Wettkampfanliegen" des Sports "zu verschieben" 335 • Zuletzt ist die Tatsache zu beachten, daß die meisten in der Bundesrepublik durchgeführten Rennveranstaltungen auf eine jahrzehntelange (positive) Genehmigungspraxis der Behörden zurückblicken können. Im Vertrauen darauf werden und wurden erhebliche Investitionen getätigt, darüber hinaus ist eine umfangreiche personelle und sachliche Ausstattung für die Organisation erforderlich. Unter diesem Gesichtspunkt muß den Veranstaltern ein Anspruch darauf zugestanden werden, daß die Genehmigungspraxis der Behörden nicht "abrupt" geändert werden kann, zumal, wenn den Veranstaltungen nun v. a. Umweltgesichtspunkte entgegengehalten werden, die bisher in jahrzehntelanger Praxis (scheinbar) nicht bestanden. Es besteht eine besondere Ermessensbindung der Behörden gerade im Hinblick auf turnusmäßigjährlich abgewickelte sportliche Großveranstaltungen336 .

ee) Ergebnis Die hier vertretene Auffassung (Berücksichtigung der "externen Betätigungsfreiheit" der Vereine und Verbände, der Berufsfreiheit für "Berufssportveranstaltungen" und zuletzt des landesverfassungsrechtlichen Staatsziels "Sportförderung") führt jedenfalls dazu, daß die Veranstalter und Teilnehmer von Rennen, die Siehe dazu bereits Kap. 2 B. II. 4. bzw. III. 3. d) bb) (2). III. S. 2 der VwV zu§ 29 Abs. I StVO, abgedruckt bei Jagusch/Hentschel, Rdnr. Ia zu§ 29 StVO. 335 Das übersieht etwa die Bezirksregierung Düsseldorf in ihrem ablehnenden Bescheid zur Rhein-Maas-Rallye des AvD vom 18. 7. 1994, Az.: 53 - 11-72. Darin wird die Auffassung vertreten, Art. 18 Abs. 3 NWVerf setze voraus, daß der Sport im Rahmen der bestehenden Gesetze ausgeübt werde. Übersehen wird jedoch die (gebotene) Anwendung der Verfassungsnorm im Rahmen der bestehenden Gesetze. Die Bezirksregierung scheint hier wohl lediglich von einem Programmsatz der Staatszielbestimmung in der Verfassung auszugehen. 336 So in dem vom NdsOVG (Beschl. v. 12. 9. 1989, StVE Nr. 11 zu § 46 StVO) entschiedenen Fall. Zum Vertrauensschutz und zur Verwaltungsübung in diesem Zusammenhang auch NdsOVG, Beschl. v. 18. 2. 1992, ZfS 1992, S. 142 (143); RhPfOVG, Beschl. v. 26. 7. 1991, 7 B 11406/91; dies., Beschl. v. 17. 6. 2992,7 B 11106/92 und dies., Beschl. v. 21. 10. 1993, DAR 1994, S. 166 (167). 333

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B. Die "Sportrechtslage" in der Straßenverkehrsordnung

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von den Motorsportorganisationen durchgeführt werden, zumindest einen Anspruch haben auf eine "offene" Ermessensbetätigung durch die Straßenverkehrsbehörden im Hinblick auf die Genehmigung ihrer wettkampfsportliehen Veranstaltungen. Auch der Wille des Verordnungsgebers bei der Einführung des Rennverbots in § 29 Abs. 1 StVO steht, wie auch die systematische Stellung, diesem Ergebnis, wie gesehen, nicht (mehr) entgegen. Die Besonderheit und die Schwierigkeit der Vorschrift über das Rennverbot liegt insbesondere in den wechselnden Vorstellungen des Verordnungsgebers. Mit der Einführung des repressiven Rennverbots im Jahre 1956 wurde auch im Verordnungstext selbst eine (restriktive) Vorstellung zum Ausdruck gebracht, die zunächst im Jahre 1970 formal bestätigt (und erweitert) wurde; im Jahre 1979 dann aber (zum Teil) revidiert und klargestellt. Dies geschah aber nicht durch Veränderung des Verordnungstextes selbst, sondern durch Schaffung einer umfangreichen Verwaltungsvorschrift Diese Vorgehensweise war und ist sicher nicht glücklich gewählt, wie die Rechtsprechung des BVerwG und eines Großteils der Obergerichte zeigt. Anders stellt sich aber etwa die bayerische Praxis dar. Hier ist festgelegt, wie eine faire und einigermaßen planbare Genehmigungssituation gestaltet werden kann. Unter Beteiligung der Motorsportverbände wird durch das zuständige Ministerium ein Veranstaltungskalender für überregionale Veranstaltungen und Rennen erstellt und bekanntgemacht Mit der Aufnahme in diesen ministeriellen Kalender ist zwar keine bestimmte Weisung verbunden, jedoch hat sie immerhin die Bedeutung, "daß aus der Sicht einer notwendigen Koordinierung motorsportlicher Termine auf Landesebene und bei grundsätzlicher Abwägung der Interessen des Motorsports einerseits und der Sicherheit und Ordnung des Verkehrs bzw. des Naturund Umweltschutzes andererseits- soweit das zentral beurteilt werden kann- im Hinblick auf Anzahl, Art, Umfang, Zeitpunkt und Austragungsort der Veranstaltungen keine grundsätzlichen Bedenken bestehen"337 .

3. Überlegungen de lege ferenda

Wünschenswert wäre es aber, wenn der Verordnungsgeber unter Beachtung auch der bundes- und landesverfassungsrechtlichen Vorgaben eine klar formulierte Regelung, im Verordnungstext selbst erließe. Als Vorbild könnte hierfür die Vorschrift des § 64 der Österreichischen Straßenverkehrsordnung dienen, die speziell für sportliche Veranstaltungen geschaffen wurde. Der Wortlaut sei hier wiedergegeben338:

So 29.2.2.1 der BayVollzugsBek - StVO vom 9. 8. 1991, AllMBI. S. 650 (660). In der Fassung des BG BGBI. 1994/518. Systematisch ist die Vorschrift im V. Abschnitt (allgemeine Vorschriften über den Fahrzeugverkehr) plaziert worden. 337 338

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4. Kap.: Die Zulässigkeil der Ausübung des Sports § 64. Sportliche Veranstaltungen auf Straßen

(1) Wer auf der Straße sportliche Veranstaltungen wie Wettlaufen, Wettfahren usw. durchführen will, bedarf hierzu der Bewilligung der Behörde. Die Bewilligung darf nur erteilt werden, wenn die Veranstaltung die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs nicht wesentlich beeinträchtigt und schädliche Einwirkungen auf die Bevölkerung und die Umwelt durch Lärm, Geruch oder Schadstoffe nicht zu erwarten sind. (2) Die Bewilligung ist, wenn es der Schutz der Bevölkerung und der Umwelt oder die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs erfordern, unter Bedingungen oder mit Auflagen zu erteilen. Insbesondere kann vorgesehen werden, daß der Veranstalter und die einzelnen Teilnehmer an der Veranstaltung bei einer in Österreich zugelassenen Versicherungsanstalt eine Versicherung für die gesetzliche Haftpflicht für Personen- und Sachschäden in einer von der Behörde zu bestimmenden angemessenen Höhe abzuschließen haben. (3) Wenn es die Verkehrssicherheit erfordert und die Verkehrslage es zuläßt, kann die Behörde eine Straße für die Dauer der sportlichen Veranstaltung ganz oder teilweise für den sonstigen Verkehr sperren. In einem solchen Fall kann die Behörde, wenn aus Gründen der Verkehrssicherheit keine Bedenken bestehen, Ausnahmen von den Fahrregeln zulassen. (4) Erstreckt sich eine sportliche Veranstaltung auf zwei oder mehrere Bundesländer, so ist zur Erteilung der Bewilligung nach Abs. 1 die Landesregierung zuständig, in deren örtlichem Wirkungskreis die Veranstaltung beginnt; das Einvernehmen mit den übrigen in Betracht kommenden Landesregierungen ist herzustellen.

Zunächst ist diese Regelung so formuliert, daß bei Erfüllung der tatbestandliehen Voraussetzungen ein Anspruch auf Erteilung der Bewilligung bestehe39 • Weiterhin sind in Abs. 1 S. 2 die tatbestandliehen Voraussetzungen inhaltlich festgelegt und, wie Abs. 2 zeigt, zum Ausdruck gebracht, daß die Sicherung der öffentlichen Belange aus Gründen der Verhältnismäßigkeit primär durch Nebenbestimmungen erfolgen sol1 340 • Erst wenn dies nicht möglich ist, liegen die tatbestandliehen Voraussetzungen für die Erteilung der Bewilligung nicht vor. Auch wird die Befugnis statuiert, die Straße (für die Veranstaltung) zu sperren und Ausnahmen von den Fahrregeln zu gestatten, was erhebliche Detailprobleme im Vollzug, auch in Abgrenzung zu den Behördenzuständigkeiten, erspart341 • Verfahrensvereinfachend ist darüber hinaus, daß lediglich eine Behörde in einem Verfahren eine motorsportliehe Rennveranstaltung zu beurteilen hat, ein Problem, auf das noch zurückzukommen sein wird.

Dazu: Stolzlechner, ZVR 40 (1995), S. 162 (165). Dies erspart die komplizierten Ermessensfragen. 341 Für die Ausnahmen von den Fahrregeln, die gerade bei motorsportliehen Veranstaltungen erforderlich werden, bestehen in der Bundesrepublik wieder eigene Regeln in den Bundesländern. So sieht etwa die Bayerische Vollzugsbekanntmachung vom 9. 8. 1991, AllMBl., S. 650 unter 29.2.2.2 teilweise die Befreiung generell vor (so für § 3 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. c StVO), teilweise wird darauf hingewiesen, daß Ausnahmen erteilt werden können. 339

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B. Die "Sportrechtslage" in der Straßenverkehrsordnung

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4. FonneUe Fragen der Erteilung der Ausnahmegenehmigung

Das Genehmigungsverfahren als Verwaltungsverfahren, das auf den Erlaß eines (begünstigenden) Verwaltungsaktes (in der Regel) der höheren Straßenverkehrsbehörde342 nach § 29 Abs. 1 StVO i. V. m. § 46 Abs. 2 S. 1 StVO gerichtet ist (§ 9 1. Var. VwVfG), wird, mangels spezieller Regelungen in der Straßenverkehrsordnung, maßgeblich durch die Vorschriften der§§ 10 ff. VwVfG bestimrnr343 . Insbesondere§ 10 S. 1 des VwVfG344 räumt der Verwaltung mit der Formulierung, daß das Verwaltungsverfahren im Regelfall an bestimmte Formen nicht gebunden ist, ein sog. Verfahrensermessen ein345 . Dieses vor allem zur zweckmäßigen Umsetzung des materiellen Rechts eingeräumte Ermessen erstreckt sich auf den Beginn (§ 22 S. 1 VwVfG), die Auswahl des Verfahrens einschließlich der Handlungsformen sowie die Durchführung insgesamt346 (z. B. §§ 24 Abs. 1 S. 2, 26 Abs. 1, 28 Abs. 2, 37 Abs. 2 S. 1). Seine Grenzen findet es wie auch das "materielle Ermessen" in § 40 VwVfG einschließlich der "gesetzlichen Grenzen" des § 10 S. 2 VwVfG und anderer Vorschriften347 sowie in allgemeinen Grundsätzen v. a. des Verfassungsrechts. Gerade das GG dient sowohl zur Absicherung als auch zur Grenzziehung des Handlungsspielraums der Verwaltung. Als (schwer zu definierender)348 verfassungsrechtlich geforderter "Minimalstandard" des Verwaltungsverfahrens lassen sich in Anlehnung an Bonk349 sieben Punkte fordern: Das Verwaltungsverfahren muß 1. dem Prinzip der Gewaltenteilung entsprechen; 2. bezogen auf den jeweiligen Regelungsgegenstand sachgerecht, geeignet und zurnutbar ausgestaltet sein; 3. die Effektivität und Funktionsf