Internetvertrieb und Kartellrecht: Unter besonderer Berücksichtigung des Vertriebskartellrechts [1 ed.] 9783428551729, 9783428151721

Der Internetvertrieb entwickelt sich dynamisch und stellt Marktteilnehmer, Rechtsprechung, Behördenpraxis und Wissenscha

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Internetvertrieb und Kartellrecht: Unter besonderer Berücksichtigung des Vertriebskartellrechts [1 ed.]
 9783428551729, 9783428151721

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Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 474

Internetvertrieb und Kartellrecht Unter besonderer Berücksichtigung des Vertriebskartellrechts

Von

Sarah J. Hachmeister

Duncker & Humblot · Berlin

SARAH J. HACHMEISTER

Internetvertrieb und Kartellrecht

Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 474

Internetvertrieb und Kartellrecht Unter besonderer Berücksichtigung des Vertriebskartellrechts

Von

Sarah J. Hachmeister

Duncker & Humblot · Berlin

Der Fachbereich Rechtswissenschaft der Philipps-Universität Marburg hat diese Arbeit im Jahre 2016 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2017 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: L101 Mediengestaltung, Fürstenwalde Druck: buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany ISSN 0720-7387 ISBN 978-3-428-15172-1 (Print) ISBN 978-3-428-55172-9 (E-Book) ISBN 978-3-428-85172-0 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Für meine Mutter

Vorwort Die nachfolgende Untersuchung wurde im Wintersemester 2016 / 2017 vom Fachbereich Rechtswissenschaften der Philipps-Universität Marburg als Dissertation angenommen. Es konnten Rechtsprechung und Literatur bis Dezember 2016 berücksichtigt werden. Zahlreiche Personen haben mich in vielfältiger Art und Weise unterstützt. Ich möchte mich an dieser Stelle bei einigen von ihnen ganz herzlich bedanken. Mein besonderer Dank gilt zunächst meinem Doktorvater, Herrn Professor Dr. Michael Kling, für die Anregung des Themas, seine hervorragende Unterstützung und sein persönliches Engagement bei der Betreuung dieser Arbeit. Ich hätte mir keinen besseren Doktorvater wünschen können. Ebenfalls herzlich danke ich Herrn Professor Dr. Sebastian Omlor, LL.M. (NYU), LL.M. Eur., für die freundliche Übernahme des Zweitgutachtens sowie Frau Professorin Dr. Monika Böhm für die Übernahme des Vorsitzes der Prüfungskommission im Rahmen der Disputation. Weiterhin bedanke ich mich bei Herrn Dr. Albin Ströbl, der mich seit dem vierten Semester gefördert hat – zunächst als studentische Hilfskraft und später als wissenschaftliche Mitarbeiterin während meiner Promotion. Im Rahmen meiner Mitarbeit gaben mir Herr Dr. Albin Ströbl und Herr Dr. A. Dominik Wendel außerdem die Gelegenheit, die Mitarbeit bei Noerr LLP in Brüssel mit einem Forschungsaufenthalt zu verbinden. Ganz herzlich danke ich außerdem Herrn Dr. Dieter Hettenbach, der mich dabei unterstützt hat, sowohl kleine und große Ziele als auch Zwischenziele zu erreichen. Frau Friederike Faitsch und Herrn Dr. Arian Nazari-Khanachayi, LL.M. Eur., danke ich für die sachkundige Kritik und anregenden Gespräche. Ein weiterer Dank gilt Frau Michelle Nierhaus und Frau Nicole Schlegel für die Durchsicht der Manuskriptfassung meiner Dissertation. Zu guter Letzt danke ich meiner Familie, insbesondere Almut Hachmeister und Sabine Rühl, denen nie ein Weg zu weit war und die immer ein offenes Ohr für mich hatten. Frankfurt a. M., im Mai 2017

Sarah J. Hachmeister

Inhaltsverzeichnis 1. Kapitel

Einleitung

19

2. Kapitel Internetvertrieb 23 A. Entwicklung des Internetvertriebs  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 B. Einordnung des Internetvertriebs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 C. Besonderheiten des Internetvertriebs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 I. Produktbezogene Besonderheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 II. Ubiquität des Internets . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 III. Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 IV. Zeitaufwand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 V. Convenience-Faktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 VI. Mögliche Nachteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 D. Auswirkungen des Internetvertriebs auf den Wettbewerb und seine Teilnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 I. Markenhersteller . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 II. Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 III. Stationärer Handel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 IV. Internet-Händler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 V. Endkunden  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 E. Gestaltungen des Vertriebs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 I. Mögliche Vertriebswege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 1. Internetplattformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 2. Cross Channel-Distribution . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 II. Mögliche Vertriebssysteme im Internet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 III. Abgrenzung Alleinvertrieb und selektiver Vertrieb . . . . . . . . . . . . . . . . 40 1. Alleinvertrieb im Rahmen des Internethandels . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 2. Selektiver Vertrieb im Rahmen des Internethandels . . . . . . . . . . . . . 42 a) Merkmale des selektiven Vertriebs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 b) Gründe zur Einführung des selektiven Vertriebssystems . . . . . . 43 c) Einfluss selektiver Vertriebssysteme auf den Wettbewerb . . . . . 46

10 Inhaltsverzeichnis aa) Selektives Vertriebssystem bei Luxusprodukten . . . . . . . . . . 49 bb) Beschränkungen im Rahmen des selektiven Vertriebs . . . . . 50 3. Selektiver Vertrieb in Kombination mit Alleinvertrieb . . . . . . . . . . . 50 F. Vergleichbarkeit des Internethandels mit dem Versandhandel . . . . . . . . 51 I. Relevanz der Abgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 II. Gemeinsamkeiten des Internetvertriebs mit dem Versandhandel . . . . . 52 III. Keine zwingende Gleichstellung von Internetvertrieb und Versandhandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 IV. Eigene Bewertung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 3. Kapitel

Kartellrechtliche Einordnung

56

A. Einordnung als Wettbewerbsbeschränkung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 I. Voraussetzungen der § 1 GWB / Art. 101 AEUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 1. Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 2. Konkreter Markt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 a) Märkte im „allgemeinen“ Online-Bereich  . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 b) Märkte im Online-Vertrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 3. Spürbare Außenwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 II. Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 B. Freistellungsmöglichkeit der Wettbewerbsbeschränkung . . . . . . . . . . . . . 62 I. Anwendungsbereich der Vertikal-GVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 II. Internetspezifische Regelungen in der Vertikal-GVO . . . . . . . . . . . . . . 64 1. Bewertung der fehlenden internetspezifischen Regelungen in der Vertikal-GVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 2. Internetspezifische Regelungen in den Leitlinien zur Vertikal-GVO  66 III. Kernbeschränkungen nach Art. 4 Vertikal-GVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 1. Gebietsbeschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 2. Kundenkreisbeschränkungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 IV. „Rückausnahme“ der Kernbeschränkung i. S. v. Art. 4 lit. b [i] bis [iii] Vertikal-GVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 1. Rückausnahmen nach Art. 4 lit. b [i] Vertikal-GVO . . . . . . . . . . . . . 70 a) Aktiver Verkauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 b) Passiver Verkauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 aa) Einordnung als passiver Verkauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 bb) Fallbeispiele einer unzulässigen Beschränkung des passiven Verkaufs im Internet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 c) Kritik an der Abgrenzung zwischen aktivem und passivem Verkauf  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 2. Abgrenzung der Kundengruppe i. S. v. Art. 4 lit. b [i] Vertikal-GVO  75 a) Abgrenzbarkeit der Kundengruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76

Inhaltsverzeichnis11

V.

b) Einschränkung der Kundenreichweite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 3. Sprunglieferungen i. S. v. Art. 4 lit. b [ii] Vertikal-GVO  . . . . . . . . . 78 Voraussetzungen der Einzelfreistellung nach Art. 101 Abs. 3 AEUV /  § 2 GWB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 4. Kapitel



Stellenwert Image

81

A. Bedeutung innerhalb der Rechtsprechung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 I. Auswirkungen der Pierre-Fabre-Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 1. Urteilsbegründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 2. Bewertung des Urteils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 a) Bezugnahme zu grundsätzlichen Ausführungen zum Internetvertrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 b) Bezugnahme zu Prestigecharakter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 c) Fehlende Bewertung des Risikos des Trittbrettfahrens . . . . . . . . 91 d) Lückenhaftigkeit des Urteils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 II. Eigene Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 B. Luxusprodukte im Internetvertrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 I. Bedeutung des Images eines Produkts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 1. Zusammenspiel von Marke und Image . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 2. Stellenwert des Images  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 a) Image als Schlüsselstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 b) Imagefaktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 c) Stellenwert für die Konsumenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 3. Zusammenfassendes Ergebnis zur Bedeutung des Images . . . . . . . . 101 II. Gestaltungsmöglichkeiten des Vertriebs zum Imageschutz . . . . . . . . . . 101 1. Einführung eines selektiven Vertriebssystems zum Schutz des Images . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 2. Wahl des konkreten Vertriebsweges zum Imageschutz . . . . . . . . . . . 103 III. Positive Auswirkungen des Imageschutzes auf den Markt und den Wettbewerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 1. Befriedigung psychologischer Bedürfnisse der Abnehmer . . . . . . . . 105 2. Verhinderung von Marktversagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 a) Produkteigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 b) Einfluss der marktlichen Informationsdefizite . . . . . . . . . . . . . . . 109 3. Imageschutz zur Verhinderung des Trittbrettfahrerproblems . . . . . . 109 4. Wettbewerbskonformer Imageschutz  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 IV. Bedeutung des spezifischen Zusatznutzens eines Produkts . . . . . . . . . . 110 V. Beschränkungen des Internetvertriebs zum Imageschutz . . . . . . . . . . . 112 VI. Chancen des Internetvertriebs in Bezug auf das Image einer Marke  . 112 VII. Abschließende Bewertung von Maßnahmen zum Imageschutz . . . . . . 113

12 Inhaltsverzeichnis 5. Kapitel

Vertriebsbeschränkungen im Internet

114

A. Verbot des Internetvertriebs durch den Hersteller . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 I. Totalverbot des Internetvertriebs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 1. Unzulässigkeit des Totalverbots . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 2. Ausnahmefälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 II. Verbot des ausschließlichen Internetvertriebs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 B. Beschränkung aktiver Verkaufsbemühungen des Händlers . . . . . . . . . . . 120 I. Nicht-selektiver Vertrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 II. Selektiver Vertrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 C. Qualitative Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 I. Das Äquivalenzprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 II. Zulässige Qualitätsanforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 1. Vorgaben an die konkrete Gestaltung der Homepage . . . . . . . . . . . . 123 2. Vorgaben in Bezug auf die Kundenbetreuung  . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 D. Quantitative Vorgaben  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 E. Verknüpfung der Händler-Website mit der Seite des Unternehmers  . . 126 I. Verpflichtung zur Verknüpfung mit Hyperlinks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 II. Produktvertrieb über einen gemeinsamen Online-Shop  . . . . . . . . . . . . 127 III. Herstellergeführte Plattform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 F. Gebietsbeschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 G. Dual Pricing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 I. Denkbare Fallgruppen im Rahmen von Dual Pricing . . . . . . . . . . . . . . 130 1. Funktionsrabatte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 2. Leistungsrabatte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 3. Zusatzrabatte im Rahmen einer Fachhandelsvereinbarung . . . . . . . . 132 a) Hintergrund im Fall „Dornbracht“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 b) Kartellrechtliche Bewertung der Zusatzrabatte  . . . . . . . . . . . . . . 134 4. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 II. Einordnung als Wettbewerbsbeschränkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 III. Doppelpreissysteme als Kernbeschränkung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 IV. Freistellungsmöglichkeit nach Art. 101 Abs. 3 AEUV . . . . . . . . . . . . . 138 1. Effizienzvorteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 2. Angemessene Beteiligung der Verbraucher am Gewinn . . . . . . . . . . 141 3. Unerlässlichkeit der Einschränkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 4. Keine Ausschaltung des Wettbewerbs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 V. Einführung von festen Gebühren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 1. Kritische Auseinandersetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 2. Andere Lösungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 3. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145

Inhaltsverzeichnis13 H. Plattformverbote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 I. Vertrieb über Internetplattformen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 II. Plattformverbote als Wettbewerbsbeschränkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 1. Erforderlichkeit zur Wahrung der Qualität und zur Gewährleistung des richtigen Gebrauchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 a) Erhalt von fachhandelsspezifischen Serviceleistungen . . . . . . . . 150 b) Qualitativ hochwertige Markenprodukte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 2. Einheitliche und diskriminierungsfreie Anwendung . . . . . . . . . . . . . 153 3. Im Rahmen des erforderlichen Maßes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 4. Wettbewerbsbeschränkung im Rahmen des nicht-selektiven Vertriebs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 III. Plattformverbote als Kernbeschränkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 1. Beschränkungen des passiven Verkaufs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 2. Plattformen als Niederlassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 a) Einordnung als Niederlassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 b) Niederlassungen nur stationär möglich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 c) Bewertung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 3. Kernbeschränkung im Rahmen des nicht-selektiven Vertriebs . . . . . 159 a) Kundenkreisbeschränkung nach Art. 4 lit. b Vertikal-GVO . . . . . 159 aa) Kunden von Internetplattformen als Kundenkreis . . . . . . . . . 159 bb) Zwischenfazit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 b) Indirekte Kernbeschränkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 4. Bewertung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 IV. Einzelfreistellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 V. Rechtliche Bewertung von mittelbaren Plattformverboten . . . . . . . . . . 165 1. Zulässige Qualitätsanforderung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 2. Kriterium der Gleichwertigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 3. Rechtfertigung durch die „Logo“-Klausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 VI. Ergebnis zur kartellrechtlichen Einordnung von Plattformverboten . . . 170 I. Preisparitäts- und Bestpreisklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 I. Einordnung der Meistbegünstigungsklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 1. Differenzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 2. Wirkung und rechtliche Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 II. Bestpreisklauseln im Rahmen von Hotelvermittlungsportalen . . . . . . . 174 1. Meistbegünstigungsklauseln als Wettbewerbsbeschränkung . . . . . . . 176 2. Freistellungsmöglichkeit der Bestpreisklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 a) Anwendbarkeit der Vertikal-GVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 b) Bestpreisklauseln als Kernbeschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 c) Einzelfreistellung nach Art. 101 Abs. 3 AEUV / § 2 GWB . . . . . 182 d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 III. Preisparitätsklausel auf Online-Plattformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 1. Wettbewerbsbeschränkung i. S. v. Art. 101 Abs. 1 AEUV . . . . . . . . . 186

14 Inhaltsverzeichnis a) Einordnung als horizontale Handelskooperation . . . . . . . . . . . . . 187 b) Wettbewerbliche Auswirkungen der horizontalen Handelskooperation  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 2. Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung i. S. v. Art. 102 Abs. 1 AEUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 3. Auswirkungen des Verfahrens gegen Amazon . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 IV. Bewertung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 J. Internetvertrieb bei Handelsvertretern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 I. Verhältnis Handelsvertreter und Unternehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 II. Handelsvertreter und Kartellrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 III. Beschränkungen des Internetvertriebs durch den Hersteller gegenüber seinen Handelsvertretern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 1. Vorbehalt des Internetvertriebs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 2. Einfluss der Treuepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 IV. Einsatz von Affiliate-Marketing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 1. Formen des Affiliate-Marketing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 2. Vergütungsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 3. Beziehung zwischen Merchant und Affiliate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 4. Kartellrechtliche Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 5. Affiliate-Marketing und Handelsvertreterverhältnisse . . . . . . . . . . . . 201 6. Kapitel

Regelungsbedarf und Ausblick

203

A. Der „digitale Binnenmarkt“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 I. „Strategie für den digitalen Binnenmarkt“  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 1. Grundpfeiler der Strategie für den digitalen Binnenmarkt . . . . . . . . 204 2. Geoblocking verhindern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 3. Ausschöpfung des Wachstumspotenzials . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 II. Ausblick „digitaler Binnenmarkt“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 B. Einführung eines Sonderkartellrechts oder Paradigmenwechsel? . . . . . 207 I. Ansätze in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 II. The more technological approach . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 C. Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 7. Kapitel Fazit 213 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232

Abkürzungsverzeichnis a. A.

andere Ansicht

a. a. O.

am angegebenen Ort

ABl. EG

Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft, Ausgabe C, Mitteilungen und Bekanntmachungen, Ausgabe L: Rechtsvorschriften

ABl. EU

Amtsblatt der Europäischen Union, Ausgabe C: Mitteilungen und Bekanntmachungen, Ausgabe L: Rechtsvorschriften

Abs. Absatz AEUV

Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union

a. F.

alte Fassung

AG

Die Aktiengesellschaft (Zeitschrift)

Anm. Anmerkung Art. Artikel Aufl. Auflage Az. Aktenzeichen BB Betriebsberater Bd. Band BeckRS

Beck-Rechtsprechung (beck-online)

Beschl. Beschluss BGB

Bürgerliches Gesetzbuch

BGHZ

Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen

BKartA Bundeskartellamt CR

Computer und Recht (Zeitschrift)

ders. derselbe dies. dieselben DSRITB

Deutsche Stiftung für Recht und Informatik (Tagungsband)

ECCR

European Communication Council Report

ECLR

European Competition Law Review (Zeitschrift)

EG

Europäische Gemeinschaft(en); Vertrag zur Gründung der Euro­ päischen Gemeinschaft in der Fassung des Vertrags von Amsterdam

EGL Ergänzungslieferung EGV

Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft in der Fassung des Vertrags von Maastricht

16 Abkürzungsverzeichnis Einf. Einführung endg. endgültig etc.

et cetera, gleichbedeutend mit „und so weiter“

EU

Europäische Union, Vertrag über die Europäische Union in der Fassung des Vertrags von Amsterdam

EuG

Europäisches Gericht erster Instanz

EuGH

Europäischer Gerichtshof

EUV

Vertrag über die Europäische Union in der Fassung des Vertrages von Maastricht

EuZW

Zeitschrift für europäisches Wirtschaftsrecht

EWS

Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht

f., ff.

folgende

Fn. Fußnote FS Festschrift GG Grundgesetz ggf. gegebenenfalls GRUR

Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht (Zeitschrift)

GRUR Int.

Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht Internationaler Teil (Zeitschrift)

GRUR Prax

Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, Praxis im Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht (Zeitschrift)

GRUR-RR

Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht RechtsprechungsReport

GWB

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen

GWR

Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht (Zeitschrift)

Hdb. Handbuch HGB Handelsgesetzbuch hrsg herausgegeben Hrsg. Herausgeber HS. Halbsatz i. E.

im Ergebnis

i. S. d.

im Sinne der / des

i. S. v.

im Sinne von

i. V. m.

in Verbindung mit

JBR

Journal of Business Research

JECLAP

Journal of European Competition Law & Practice

K&R

Kommunikation & Recht (Zeitschrift)

Kap. Kapitel KG

Kammergericht Berlin

Abkürzungsverzeichnis

17

KOM Kommission KSzW Kölner Schrift zum Wirtschaftsrecht (Zeitschrift) KVR Rechtsbeschwerde in Kartellverwaltungssachen KZR Revision, Beschwerden gegen die Nichtzulassung der Revision und Anträge auf Zulassung der Sprungrevision in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten in Kartellsachen vor dem BGH LG Landgericht lit. littera (lat. Buchstabe) LL Leitlinien MarkenG Markengesetz MDR Monatsschrift des Deutschen Rechts MMR MultiMedia und Recht (Zeitschrift) NJW Neue Juristische Wochenschrift NZG Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht NZKart Neue Zeitschrift für Kartellrecht OLG Oberlandesgericht RIW Recht der internationalen Wirtschaft (Zeitschrift) Rn.  Randnummer Rs. Rechtssache Rspr. Rechtsprechung S. Satz, Seite, Siehe s. siehe sog. sogenannt(e / er) SWD Staff working document Tz. Textziffer Urt. Urteil UWG Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb v. vom vgl. vergleiche VO Verordnung WM Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht WRP Wettbewerb in Recht und Praxis (Zeitschrift) WuW Wirtschaft und Wettbewerb (Zeitschrift) WuW / E WuW-Entscheidungssammlung zum Kartellrecht zit. zitiert ZVertriebsR Zeitschrift für Vertriebsrecht ZWeR Zeitschrift für Wettbewerbsrecht / Journal of Competition Law

1. Kapitel

Einleitung Der Online-Vertrieb entwickelt sich dynamisch und bestimmt diverse Diskussionskreise.1 Seine bereits erhebliche Bedeutung steigt bemerkenswerterweise immer noch weiter.2 Ein großer Reiz des WorldWideWeb’s liegt in seiner internationalen Vernetzung.3 Das Internet, welches die Computer weltweit verbindet, hat nicht nur den Alltag der Menschen,4 sondern im Bereich der Internetökonomie auch die Wettbewerbsbeziehungen der Marktteilnehmer grundlegend verändert.5 So sind einerseits gänzlich neue Märkte für bisher unbekannte Dienstleistungen und Produkte entstanden und andererseits haben sich auf den bereits vorhandenen Märkten die Bedingun1  Innerhofer, ZVertriebsR 2013, 266 (266); Kuntze-Kaufhold, ZVertriebsR 2015, 23 (23); Lubberger, WRP 2015, 14 (14); Eufinger, MMR 2015, 147 (147); Geis, Recht im eCommerce, S. 13; Metzlaff, Internetvertrieb und Franchising, in: Jahrbuch Franchising, S. 190; Wismer, A Note on Price-Parity Clauses in Platform Markets, in: Competition on the Internet, Surblyté, S. 41; Hederström / Peeperkorn, JECLAP 2016, 10 (10 ff.); BKartA, Vertikale Beschränkungen, Hintergrundpapier v. 10.10.2013, S. 1. 2  Die Entwicklung wird von Kuntze-Kaufhold auch „Distributionsrevolution“ genannt, WuW 2014, 476 (479); ders., ZVertriebsR 2015, 23 (23); Kirchhoff, in: FS Bornkamm, S. 199; Velte, EuZW 2012, 19 (19); Ruess, E-Commerce-Richtlinie und das deutsche Wettbewerbsrecht, S. 1 f.; Krüger / Peintinger, in: Martinek / Semler /  Flohr, Vertriebsrecht, § 36 Rn. 1; Große, Newsdienst Compliance 2014, 72020; Klees, in: Kilian / Heussen, Computerrecht, Grundlagen Rn. 4; Metzlaff, Internetvertrieb und Franchising, in: Jahrbuch Franchising, S. 190; Hederström / Peeperkorn, JECLAP 2016, 10 (12). Die Autoren des ECCR sahen bereits im Jahr 1999 nach einer „Hype-Phase“ eine „Abschwungphase der Erwartungen“ gekommen, die zuvor herrschende „Goldgräberstimmung“ weiche der Einsicht, dass sich nicht alle Investitionen im Internet kurzfristig auszahlen, in: ECCR, Die Internetökonomie, S. 19. 3  Geis, Recht im eCommerce, S. 15. 4  Die Kommission geht sogar so weit, dass „das Internet den Alltag der Europäer ebenso nachhaltig verändert (habe) wie die industriellen Revolutionen der vergangenen Jahrhunderte“, Kommission, Mitteilung v. 11.01.2012, KOM(2011) 942 endg., S. 1. Die Autoren des ECCR sprachen 1999 von einer „Frühphase der Internetrevolution“, in: ECCR, Die Internetökonomie S. 22. 5  Kuntze-Kaufhold, ZVertriebsR 2015, 23 (24); Klees, in: Kilian / Heussen, Computerrecht, Grundlagen Rn. 1; Geis, Recht im eCommerce, S. 14; Podszun / Leber, KSzW 2015, 316 (316); Kumkar, NZKart 2016, 121 (121); Dewenter, WuW 2016, 101 (101).

20

1. Kap.: Einleitung

gen und Aktionsmöglichkeiten gewandelt, wie etwa durch die Verbreiterung der Vertriebswege.6 Aus kartellrechtlicher Sicht eröffnet die ökonomische Nutzung des Internets Chancen für den Wettbewerb und wird von einigen Händlern als Chance und Grundlage ihres Geschäftsmodells gesehen. Vertrieb über das Internet birgt allerdings ebenso nicht zu unterschätzende Gefahren.7 Daher verwundert es nicht, dass der Internetvertrieb von etlichen stationären Händlern und einigen Herstellern als Bedrohung empfunden wird.8 Die durch das Internet geschaffene neue Ubiquität bringt bedeutende rechtliche Herausforderungen mit sich. Dazu gehört unter anderem die Ermittlung der Rahmenbedingungen für die Möglichkeiten von Beschränkungen des Online-Handels, Vorgaben an die Gestaltung von Internet-Webseiten (von selektiven Vertriebssystemen), die Preisgestaltung, etc. Der Aufgabe, sich mit den neuen Gegebenheiten, die der Internetvertrieb mit sich bringt, zu befassen, müssen sich auch die Gerichte und die Wettbewerbsbehörden stellen.9 Die Brisanz der rechtlichen Herausforderungen zeigt nicht zuletzt die steigende Anzahl der von den Wettbewerbsbehörden verfolgten Fälle, die den Online-Vertrieb zum Gegenstand haben.10 Der Internetvertrieb ist aus Sicht der EU-Kommission ein wesentliches Mittel, Konvergenz im Binnenmarkt herzustellen und für einen länderübergreifenden Wettbewerbsdruck zu sorgen. Der Online-Handel ist daher kartellrechtlich besonders im Fokus und seine Beschränkung führt schnell zu kartellrechtlichen Problemen.11 6  Klees, in: Kilian / Heussen, Computerrecht, Grundlagen Rn. 1; Trafkowski, MMR 1999, 630 (631); Geis, Recht im eCommerce, S. 13; Wismer, A Note on Price-Parity Clauses in Platform Markets, in: Competition on the Internet, Surblyté, S.42; Podszun / Leber, KSzW 2015, 316 (316); Dewenter, WuW 2016, 101 (101); Szönyi, GRUR Int. 2004, 567 (567) sieht die „Zukunft der klassischen Vertriebsbindungssysteme“ gefährdet. 7  Klees, in: Kilian / Heussen, Computerrecht, Grundlagen Rn. 5; Kirchhoff, in: FS Bornkamm, S. 199. 8  Kirchhoff, in: FS Bornkamm, S. 199; Pick, in: Demolin, Commercial Distribution, S. 344. 9  Podszun / Leber, KSzW 2015, 316 (316); Dewenter, WuW 2016, 101 (101); Wismer, A Note on Price-Parity Clauses in Platform Markets, in: Competition on the Internet, Surblyté, S. 42: „(…) while antitrust authorities may need to assess the effects these trends have on competition and efficiency. These task may be complex, as they necessitate not only applying established expertise, but also developing new theories to evaluate certain practices.“ 10  Innerhofer, ZVertriebsR 2013, 266 (266); Pick, in: Demolin, Commercial Distribution, S. 344. 11  Dreyer / Lemberg, BB 2012, 2004 (2004); Pick, in: Demolin, Commercial Distribution, S. 343; Klees, in: Kilian / Heussen, Computerrecht, Grundlagen Rn. 11.



1. Kap.: Einleitung21

Grundsätzlich unterliegen wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen im Rahmen des Internetvertriebs denselben Regeln wie sonstige wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen.12 Es finden sich im Vertriebskartellrecht keine besonderen verbindlichen Vorschriften für den Internetvertrieb.13 Auch auf europäischer Ebene fehlen konkrete verbindliche Regelungen zum Internetvertrieb. Lediglich in den für nationale und europäische Gerichte unverbindlichen Leitlinien zur Vertikal-GVO finden sich Ausführungen zum Internetvertrieb, wie der Grundsatz, dass es prinzipiell jedem Händler erlaubt sein soll, das Internet für den Verkauf von Produkten zu nutzen.14 Greift man in Ermangelung konkreter verbindlicher Regelungen zum Internetvertrieb auf die allgemein kartellrechtlichen Regelungen zurück, ergibt sich dabei bereits daraus eine Schwierigkeit, dass die Vorschriften des GWB und die zentralen Kartellrechtsvorschriften der EU schon seit dem 01.01.1958 in Kraft sind.15 Sie sind also in einer Zeit entstanden, in der nicht einmal die Vorläufer des Internets existierten.16 Insgesamt ist die kartellrechtliche Bewertung von Beschränkungen des Internetvertriebs weiterhin in der Entwicklungsphase, zumal die vom Bundeskartellamt aufgegriffenen Fälle überwiegend einvernehmlich beendet wurden.17 Vereinzelt ist es zwar zu privaten Rechtsstreitigkeiten gekommen, diesbezüglich war die Praxis der Instanzgerichte jedoch uneinheitlich.18 Es mangelt daher an einer einheit­ 12  Beckmann / Müller, in: Hoeren / Sieber / Holznagel, Multimedia-Recht, Teil  10 Rn. 141, 192; Nolte, BB 2014, 1155 (1155); Seeliger / Klauß, GWR 2010, 233 (233); Krüger / Peintinger, in: Martinek / Semler / Flohr, Vertriebsrecht, § 36 Rn. 1; Eufinger, MMR 2015, 147 (147). 13  Kirchhoff, in: FS Bornkamm, S. 199; Pick, in: Demolin, Commercial Distribution, S. 344; mit der Ansicht, dies sei „konsequent und richtig“ Nolte, BB 2014, 1155 (1155); Kuntze-Kaufhold, ZVertriebsR 2015, 23 (24, 33) hingegen fordert, „eine gesetzliche Regelung des selektiven Vertriebs und Internetabsatzes“ zur Sicherung eines „fairen Vertriebsrechts“. 14  Vertikal-LL Tz. 52 S. 2. Die Vertikal-Leitlinien sind für nationale Gerichte und Behörden sowie europäische Gerichte unverbindlich und dienen grundsätzlich lediglich als Auslegungshilfe, siehe dazu Ausführungen unter 3. Kapitel, B., II., S. 64 ff. 15  Körber, WuW 2015, 120 (120); Podszun, The More Technological Approach: Competition Law in the Digital Economy, in: Competition on the Internet, Surblyté, S. 101, betont, „Digitalization has changed the economy as a whole.“, „(…) It is definitely untrue, though, for competition law.“, „Nothing has changed. Legislators have refrained from changing competition law rules for the digital age.“ 16  Körber, WuW 2015, 120 (120); siehe dazu Entwicklung des Internets unter 2. Kapitel, A., S. 23 ff. 17  Mäger / von Schreitter, NZKart 2015, 62 (62); BKartA, Vertikale Beschränkungen, Hintergrundpapier v. 10.10.2013, S. 14, 28. 18  Mäger / von Schreitter, NZKart 2015, 62 (62); Podszun / Leber, KSzW 2015, 316 (316), lassen anklingen, die Kartellbehörden und Gerichte seien mit den Marktgegebenheiten der digitalen Wirtschaft und der Suche nach Antworten zum Teil überfordert. Grünvogel, GWR 2016, 80 (80), hofft – aufgrund der uneinheitlichen

22

1. Kap.: Einleitung

lichen Rechtsprechung. Dieser Umstand erfährt vielfache Kritik, wie dass die gesteigerte Aktivität des Bundeskartellamts sowie auch die „Passivität des Gesetz- und Verordnungsgebers“ zu einer substanziellen Entleerung des Prinzips der Vertriebsautonomie führen könnte.19 Aufgrund der aufgezeigten Umstände wird in der Literatur immer wieder die Frage gestellt, ob das allgemeine Kartellrecht an die sog. Distributionsrevolution angepasst werden muss und beispielsweise ein Sonderkartellrecht für die Märkte der digitalen Ökonomie entstehen sollte oder etwa ein Paradigmenwechsel im Kartellrecht stattfinden muss.20 Bedenken werden dahingehend geäußert, dass eine positive kartellrechtliche Beurteilung des Internetvertriebs den anerkannten Vertriebsformen, wie dem selektiven Vertrieb, „den Todesstoß“ versetzen könnte.21 Das Bundeskartellamt wird mithin zum Teil als „Brandbeschleuniger des Fachhandelssterbens“ bezeichnet.22 Auch die Kommission fordert bereits seit 2011 die „Schaffung eines echten digitalen Binnenmarktes“ und die „Überprüfung bestimmter Regeln“, „deren Zweckmäßigkeit oder Wirksamkeit durch die technologische Entwicklung in Frage gestellt wird“.23 Die bei der Übertragung bewährter Beurteilungsgrundsätze auf den Internetvertrieb bestehenden Unsicherheiten,24 gilt es im Rahmen dieser Arbeit aufzuzeigen und entsprechende Lösungsansätze zu entwickeln. Darüber hinaus wird die bisherige Rechtsprechung durchleuchtet und kritisch hinterfragt.

Rechtsprechung – im Hinblick auf die Rechtssicherheit bei der Ausgestaltung von Vertriebssystemen auf „eine höchstrichterliche Klärung – idealerweise auf europäischer Ebene –“. 19  Kuntze-Kaufhold, ZVertriebsR 2015, 23 (33). 20  Körber, WuW 2015, 120 (121); Font Galarza / Gissler, The EU Review of the Vertical Restraints Policy in the Context of Internet Commerce, in: Gheur / Petit, S. 176, 178 f.; Dewenter, WuW 2016, 101 (101); Podszun, The More Technological Approach: Competition Law in the Digital Economy, in: Competition on the Internet, Surblyté, S. 107 f., fordert einen Paradigmenwechsel durch die Einführung des „more technological approach“. So auch in Podszun / Leber, KSzW 2015, 316 (326). 21  Kirchhoff, in: FS Bornkamm, S. 210. 22  Kuntze-Kaufhold, ZVertriebsR 2015, 23 (27). 23  Mitteilung der Europäischen Kommission vom 11.01.2012, KOM(2011) 942 endg., S. 1. 24  Kirchhoff, in: FS Bornkamm, S. 210; Krüger / Peintinger, in: Martinek / Semler / Flohr, Vertriebsrecht, § 36 Rn. 1; Metzlaff, Internetvertrieb und Franchising, in: Jahrbuch Franchising, S. 190; Font Galarza / Gissler, The EU Review of the Vertical Restraints Policy in the Context of Internet Commerce, in: Gheur / Petit, S. 177 f.

2. Kapitel

Internetvertrieb A. Entwicklung des Internetvertriebs Um die Entwicklung des Internetvertriebs nachvollziehen zu können, ist zunächst ein Blick auf die – insgesamt junge – Geschichte des Internets zu werfen.1 Durch die Etablierung des Internets in der Gesellschaft konnte wenig später der Internethandel Fuß fassen. Erst im Jahre 1969 entstand die erste Form des Internets aus einem militärischen Forschungsprojekt der sog. Advanced Research Projects Agency (ARPA), einer Abteilung des US-Verteidigungsministeriums.2 Über zehn Jahre lang – bis Anfang der achtziger Jahre des letzten Jahrhunderts – wurde dieses sog. ARPANET primär für akademische und militärische Zwecke genutzt und war daher lediglich einem eingeschränkten Kreis von Personen zugänglich.3 Zwischen 1983 und 1986 kam es zu einem deutlichen Anstieg der Nutzerzahlen, denn bedingt durch den Aufbau eines Backbone-Netzes (NSFNET) – basierend auf den dem Internet noch heute zugrunde liegenden Datenprotokollen TCP / IP  – konnte ein Großteil der nordamerikanischen Universitäten miteinander vernetzt werden.4 Der Durchbruch des Internets für die kommerzielle Anwendung wurde schließlich zwischen 1989 und 1  Der Begriff des Internets beschreibt „das größte und bekannteste dezentrale Computernetzwerk, welches aus vielen miteinander verbundenen lokalen oder natio­ nalen Netzwerken sowie einigen globalen Backbones besteht.“, Müller, Die Verminderung von asymmetrisch verteilten Informationen, S. 8. 2  Das sog. ARPANET wurde von Wissenschaftlern und Technikern im Auftrag von ARPA entwickelt, primär um einen praktisch unzerstörbaren Kommunikationsweg zu errichten, Sieber, in: Hoeren / Sieber / Holznagel, Multimedia-Recht, Teil  1 Rn. 1; Graf / Gründer, eBusiness, S. 17; Grob / v. Brocke, Internetökonomie, S. 4 f.; ECCR, Die Internet-Ökonomie, S. 142; Müller, Die Verminderung von asymme­ trisch verteilten Informationen, S. 8. 3  Das erste Netzwerk solcher Art verband die Universität von Kalifornien in Los Angeles mit dem Stanford Research Institute, Sieber, in: Hoeren / Sieber / Holznagel, Multimedia-Recht, Teil 1 Rn. 1; ECCR, Die Internet-Ökonomie, S. 142; Graf / Gründer, eBusiness, S. 18; Müller, Die Verminderung von asymmetrisch verteilten Informationen, S. 8. 4  Sieber, in: Hoeren / Sieber / Holznagel, Multimedia-Recht, Teil  1 Rn. 2; ECCR, Die Internet-Ökonomie, S. 142.

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2. Kap.: Internetvertrieb

1993 durch die Entwicklung des Hypertext Transfer Protocol (HTTP), das die grafische Benutzeroberfläche des WWW schuf und die Entwicklung des Software-Browsers Mosaic ermöglicht.5 1993 wird als „Geburtsjahr“ der Internet-Ökonomie bezeichnet.6 Es war nun auch für Personen ohne Vorkenntnisse möglich, das Internet zu nutzen und sich von Website zu Website „zubewegen“.7 Mittlerweile sind über das Internet weltweit fast eine Milliarde Nutzer miteinander verbunden.8 Mehrere Terabit pro Sekunde können dank Glasfasernetzen übertragen werden.9 Die Nutzung des Internets erfolgt nun längst nicht mehr nur im wissenschaftlichen Bereich, sondern auch im beruflichen Umfeld, im Handel und selbstverständlich ebenso in der Freizeit, sodass es das tägliche Leben in großem Umfang mitbestimmt. Mit der Entwicklung des Internets an sich und seiner Etablierung ging schließlich auch die Entstehung der Internetökonomie10 einher. Diese ist eine im Wesentlichen digital basierte und elektronisch vernetzte Ökonomie.11 Sie nutzt die computerbasierte Vernetzung, um Kommunikation, Interaktion und Transaktion in einem globalen Rahmen zu ermöglichen.12 Sog. „eStores“, „virtuelle Filialen“ oder „Webshops“ sind mittlerweile aus der Konsum- und Vertriebswelt nicht mehr wegzudenken und Teil des Internetvertriebs.13 Im Rahmen des Internetvertriebs sind reine Online-Pro5  Das HTTP wurde Anfang der 90er Jahre von Tim Berners-Lee entwickelt. Durch die Schaffung des WWW wurde die Darstellung von Texten und sonstigen multimedialen Elementen sowie die Verknüpfung verschiedener Dokumente mit Hyperlinks oder Links ermöglicht. Der Browser „Mosaic“ war der erste Internet-Browser, der Grafiken und Texte kombiniert darstellen konnte. Siehe dazu Sieber, in: Hoeren / Sieber / Holznagel, Multimedia-Recht, Teil 1 Rn. 3; Grob / v. Brocke, Internetökonomie, S. 5; ECCR, Die Internet-Ökonomie, S. 142; Graf / Gründer, eBusiness, S. 18. 6  ECCR, Die Internet-Ökonomie, S. 142; Graf / Gründer, eBusiness, S. 19. Das anhaltende Wirtschaftswachstum der Vereinigten Staaten begünstigte die Ökonomisierung des Internets. Das kennzeichnet sich auch in dem Begriff der „New Economy“, der die Aufbruchsstimmung, die das Internet auslöste und den raschen Anstieg des Kapitalstocks der Internetunternehmen beschreibt, Grob / v. Brocke, Internetökonomie, S. 6. 7  Graf / Gründer, eBusiness, S. 19. 8  Sieber, in: Hoeren / Sieber / Holznagel, Multimedia-Recht, Teil  1 Rn. 4. 9  Sieber, in: Hoeren / Sieber / Holznagel, Multimedia-Recht, Teil  1 Rn. 4. 10  Auch E-Commerce oder Internetvertrieb genannt. 11  Geis, Recht im eCommerce, S. 13; Beckmann / Müller, in: Hoeren / Sieber / Holznagel, Multimedia-Recht, Teil 10 Rn. 140; Klees, in: Kilian / Heussen, Computerrecht, Grundlagen Rn. 1. 12  Beckmann / Müller, in: Hoeren / Sieber / Holznagel, Multimedia-Recht, Teil  10 Rn. 140. 13  Billing / Metzlaff, BB 2015, 1347 (1347).



B. Einordnung des Internetvertriebs25

dukte entstanden, die ausschließlich für den digitalen Handel und die digitale Distribution entwickelt werden und bei denen sämtliche Transaktionsprozesse online abgewickelt werden können (z. B. Musik-Downloads).14 Daneben ist durch die Kombination des Angebots von herkömmlichen Offline-Gütern über die Internetökonomie ein neuer Bereich der sog. hybriden Märkte geschaffen worden (z. B. Onlineversandhandel von Waren).15 Diese Arbeit beschäftigt sich im Schwerpunkt mit den hybriden Märkten. Die Kommission geht davon aus, dass in weniger als einem Jahrzehnt die meisten wirtschaftlichen Tätigkeiten von digitalen Ökosystemen, von der Integration digitaler Infrastrukturen, von Hardware und Software sowie von Anwendung und Daten abhängt.16 Die Bedeutung des Internets für den Vertrieb und die wirtschaftliche Tätigkeiten darf mittlerweile nicht mehr unterschätzt werden.

B. Einordnung des Internetvertriebs Begrifflich kann sowohl „Internetvertrieb“ als auch „E-Commerce“ verwendet werden. Meyer / Sprecht / Friemel wählen jedoch ganz bewusst den Begriff des Online-Handels.17 Dies soll eine Form des Eletronic-Commerce sein, bei welcher der Vertragsschluss online, also unter Zuhilfenahme des Internets bzw. anderer Online Netzwerke, durchgeführt wird.18 Im Rahmen des Internetvertriebs kann zwischen dem „echten“ und dem „unechten“ Internetvertrieb unterschieden werden. Werden nicht körperliche Daten oder Inhalte (sog. Content) unmittelbar per Datentransfer oder Down14  Beckmann / Müller, in: Hoeren / Sieber / Holznagel, Multimedia-Recht, Teil  10 Rn. 43,49; Martinek, in: Martinek / Semler / Flohr, Vertriebsrecht, § 1 Rn. 51. 15  Beckmann / Müller, in: Hoeren / Sieber / Holznagel, Multimedia-Recht, Teil  10 Rn. 45; auch „Cross Channel“ genannt, welcher sich dadurch auszeichnet, dass der stationäre Vertrieb mit dem Internetvertrieb verbunden wird, Billing / Metzlaff, BB 2015, 1347 (1347); Böhner, DSRITB 2013, 829 (829 f.). 16  Mitteilung der Europäischen Kommission vom 06.05.2015, KOM(2015) 192 endg., S. 15. 17  Meyer / Sprecht / Friemel, in: Bräutigam / Leupold, Online-Handel, A. I. 1. a) Rn. 4; ansonsten wird allgemein auch von E-Commerce oder Internetvertrieb gesprochen, Billing / Metzlaff, BB 2015, 1347 (1347). 18  Meyer / Sprecht / Friemel, in: Bräutigam / Leupold, Online-Handel, A. I. 1. a) Rn. 4, Electronic Commerce wird auch als elektronisch unterstützter Tausch bzw. Handel zwischen Marktpartnern, deren Vorbereitung, Abwicklung und Nachbereitung bezeichnet; Korb, Kaufprozesse im Electronic Commerce, S. 14; so ähnlich auch Graf / Gründer, eBusiness, S. 49; etwas allgemeiner stellt Müller, Die Verminderung von asymmetrisch verteilten Informationen, S. 19, auf die „elektronisch realisierte Anbahnung, Aushandlung und Abwicklung von Geschäftstransaktionen zwischen Wirtschaftssubjekten über Telekommunikationsnetzwerke“ ab.

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2. Kap.: Internetvertrieb

load als Ware oder Dienstleistung über das Internet vertrieben, so wird dies als „echter“ Internetvertrieb bezeichnet.19 Dabei kommt also kein körper­ licher Informationsaustausch zum Einsatz, die Leistung ist vielmehr vollständig digitalisiert.20 Beim sog. „unechten“ Internetvertrieb kommt der Vertragsschluss im Internet zustande, aber der Kaufgegenstand oder die unkörperlichen Daten werden auf physischen Informationsträgern als Waren auf dem herkömmlichen Postwege ausgeliefert.21 Der Vertrieb im Internet kann sowohl über Internetseiten erfolgen, die vom Unternehmer selbst geschaffen, gepflegt und betrieben werden, als auch über von Dritten betriebene Internetseiten.22 Der Internetvertrieb soll nach der Ansicht der EU-Kommission stets eine Form des Passivverkaufs sein, wenn ein Absatzmittler das Internet zu Vertriebszwecken nutzt.23 Der EuGH folgte der Kommission in dieser Ansicht.24 Die sich durch diese Einordnung ergebenden Konsequenzen werden im Weiteren unter 3. Kapitel B. IV 1. b) aa) auf S. 50 behandelt.

C. Besonderheiten des Internetvertriebs Die Besonderheiten des Internetvertriebs beeinflussen wesentlich die Unterschiede des Wettbewerbs im Internet gegenüber dem übrigen Wettbewerb auf herkömmlichen Vertriebswegen.25

I. Produktbezogene Besonderheiten Im Rahmen von Internetkäufen kommt es in der Regel kaum zu einer intensiven und nennenswerten Beratung.26 Typischerweise kaufen Kunden 19  So Nolte, BB 2014, 1155 (1155); Rössner, WRP 2010, 1114 (1117); Schürr, in: Küstner / Thume, Hd. des gesamten Vertriebsrechts, Bd. 3, S. 598 Rn. 4. 20  Bspw. Beim Vertrieb digitaler Güter durch Herunterladen von Software, Software-Updates, Apps oder Online-Buchungen, Nolte, BB 2014, 1155 (1155); Schürr, in: Küstner / Thume, Hd. des gesamten Vertriebsrechts, Bd. 3, S. 598 Rn. 4. 21  Nolte, BB 2014, 1155 (1155); Rössner, WRP 2010, 1114 (1117); Schürr, in: Küstner / Thume, Hd. des gesamten Vertriebsrechts, Bd. 3, S. 597 Rn. 3; zu den hy­ briden Märkten siehe oben S. 25. 22  Spieker, GRUR-RR 2009, 81 (81). 23  Vertikal-LL Tz. 52 S. 3. 24  EuGH, Urt. v. 13.10.2011, Rs. C-439 / 09, Slg 2011, I-9419, WuW / E  EU-R 2163 = EuZW 2012, 28 (28) – Pierre Fabre Dermo-Cosmétique. 25  Schrader, Die wettbewerbsrechtliche Beurteilung von neuen Vertriebsformen im Internet, S. 27; Podszun / Leber, KSzW 2015, 316 (316 f.). 26  OLG Schleswig, Urt. v. 05.06.2014, Az. 16 U Kart 154 / 13, WuW / E  DE-R 4293 = NZKart 2014, 364 (364) – Partnervereinbarung; Die Beratungsqualität wird



C. Besonderheiten des Internetvertriebs

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im Internet dann ein, wenn sie bereits darüber im Klaren sind, was sie wollen, oder sie für die Anschaffung eines Konsumprodukts von überschaubarem Wert auf die qualitative Gleichwertigkeit industriell seriengefertigter Produkte bekannter Hersteller im selben Preissegment vertrauen.27 Außerdem bietet das Internet grundsätzlich die Möglichkeit, Informationen über das jeweilige Produkt von unabhängigen Institutionen, wie etwa Stiftung Warentest oder durch Bewertungs- und Referenzsysteme, in denen sich andere Konsumenten zu Wort melden, zu erhalten.28 Die Informationsbeschaffungskosten sind im Internet im Vergleich zum stationären Vertrieb tendenziell geringer.29 Bei der Präsentation von Produkten und Übermittlung der Produkteigenschaften im Rahmen des Internetvertriebs ergeben sich außerdem weitere Besonderheiten. Zwar können über das Internet gewisse Produkteigenschaften mittels Text, Bild, Ton und Animation generell so gut dargestellt werden wie im stationären Handel.30 Taktile31, olfaktorische32 und gustatorische33 Eigenschaften eines Produkts lassen sich allerdings nicht medial über das Internet präsentieren.34 Olfaktorische Eigenschaften sind insbesondere in Bezug auf Kosmetika und Lebensmittel von Bedeutung.35 Für Lebensmittel können ebenso gustatorische Eigenschaften wesentlich sein. Taktile Eigenschaften spielen besonders bei Textilien und Möbeln eine Rolle.36

vor allem durch das Selbststudium ersetzt, Gerth, in: Link, Wettbewerbsvorteil, S. 155. Graf / Gründer, eBusiness, S. 63, kommen daher zu dem Schluss, dass „je beratungsintensiver ein Produkt (oder eine Dienstleistung) aufgrund seiner Komplexität ist, desto weniger geeignet ist es für eBusiness“. 27  OLG Schleswig, Urt. v. 05.06.2014, Az. 16 U Kart 154 / 13, WuW / E  DE-R 4293 = NZKart 2014, 364 (364) – Partnervereinbarung. 28  Dach, Internet Shopping versus stationärer Handel, S. 119; Gräfe, Informationsqualität bei Transaktionen im Internet, S. 110. 29  Gräfe, Informationsqualität bei Transaktionen im Internet, S. 110; Podszun / Leber, KSzW 2015, 316 (322). 30  Dach, Internet Shopping versus stationärer Handel, S. 118. 31  Taktil bedeutet den Tastsinn betreffend, es kommt aus dem lat. von tactilis, was berührbar heißt, so im Duden Fremdwörterbuch, S. 1320. 32  Olfaktorisch steht für den Riechnerv betreffend, zu lat. olfactorius, was riechend bedeutet, Duden Fremdwörterbuch, S. 953. 33  Lässt sich von gustativ ableiten, was den Geschmackssinn betreffend bedeutet, Duden Fremdwörterbuch, S. 530. 34  Dach, Internet Shopping versus stationärer Handel, S. 119; nach Costabiei, Marketingerfolg im Internet, S. 48, eignen sich für den Internetvertrieb insbesondere Produkte, bei denen die Haptik eine geringe oder gar keine Rolle spielt. 35  Dach, Internet Shopping versus stationärer Handel, S. 119. 36  Dach, Internet Shopping versus stationärer Handel, S. 119.

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2. Kap.: Internetvertrieb

II. Ubiquität des Internets Ein wichtiges Merkmal des Internetvertriebs ist seine Ubiquität. So ist das Angebot im Internet jederzeit und überall verfügbar, außerdem sind Bestellungen meist sofort möglich.37 Insbesondere die signifikante Ausweitung der geographischen Reichweite stellt einen möglichen Wettbewerbsvorteil des Internetvertriebs dar.38 Im Gegensatz zum stationären Vertrieb kennt das Internet keine Öffnungszeiten.39 Das Unternehmensangebot ist rund um die Uhr erreichbar.40 Daneben bietet das Internet für die Käufer eine hohe Transparenz. Es ermöglicht ihnen schnelle und effiziente Preisvergleiche und das Auffinden günstiger Angebote sowie den Vergleich von Qualität und Eigenschaften.41 Diese Flexibilität beim Vergleich der Alternativen und derart geringe Suchkosten kann der stationäre Handel so nicht bieten.42 Zum Teil können jedoch Angebotskonditionen intransparenter und unklarer sein als beim stationären Vertrieb.43 Der Internetvertrieb ist weiterhin geprägt von einer schnellen Dynamik. Preise derselben Ware oder Dienstleistung können sich innerhalb kürzester Zeit verändern.44 Daneben bietet es für Händler auch eine größere Flexibilität und Reichweite.45 37  Kirchhoff, in: FS Bornkamm, S. 199; ECCR, Die Internetökonomie, S. 144; Querndt, Selektivvertrieb und eBay-Versteigerungen, S. 17; Mayr, Internetvertrieb und EG-Kartellrecht, S. 59; Schrader, Die wettbewerbsrechtliche Beurteilung von neuen Vertriebsformen im Internet, S. 27. 38  Link, in: Link, Wettbewerbsvorteile, S. 18; Schrader, Die wettbewerbsrecht­ liche Beurteilung von neuen Vertriebsformen im Internet, S. 27; Gräfe, Informationsqualität bei Transaktionen im Internet, S. 112. 39  Kirchhoff, in: FS Bornkamm, S. 199. 40  Link, in: Link, Wettbewerbsvorteile, S. 18. 41  Kirchhoff, in: FS Bornkamm, S. 199; von Ossietzky, DSRITB 2012, 97 (97); Beckmann / Müller, in: Hoeren / Sieber / Holznagel, Multimedia-Recht, Teil 10 Rn. 140; Dach, Internet Shopping versus stationärer Handel, S. 120; Querndt, Selektivvertrieb und eBay-Versteigerungen, S. 17; Link, in: Link, Wettbewerbsvorteile, S. 18; Franke, Strategische Analyse der E-Commerce-Situation, S. 50; Graf / Gründer, eBusiness, S. 41; Gräfe, Informationsqualität bei Transaktionen im Internet, S. 112; Pod­ szun / Leber, KSzW 2015, 316 (322). 42  Dach, Internet Shopping versus stationärer Handel, S. 122; Podszun / Leber, KSzW 2015, 316 (322). 43  Kirchhoff, in: FS Bornkamm, S. 199; Schrader, Die wettbewerbsrechtliche Beurteilung von neuen Vertriebsformen im Internet, S. 29; auch Costabiei, Marketingerfolg im Internet, S. 36, sieht eine Zunahme der Informationsüberflutung im Rahmen des Internetvertriebs, die verbunden mit dem Bedürfnis der Konsumenten nach Unterstützung bei der Auswahl und Bewertung von Informationen sein soll. 44  Kirchhoff, in: FS Bornkamm, S. 199; von Ossietzky, DSRITB 2012, 97 (97). 45  Kirchhoff, in: FS Bornkamm, S. 199; Link, in: Link, Wettbewerbsvorteile, S. 18.



C. Besonderheiten des Internetvertriebs29

III. Kosten Durch die Ubiquität des Internets können also eine Vielzahl von potenziellen Kunden erreicht werden und grundsätzlich auch die Kosten gegenüber dem stationären Vertrieb niedriger gehalten werden.46 Dies ergibt sich daraus, dass im Gegensatz zum stationären Vertrieb beispielsweise kein stationäres Ladenlokal unterhalten werden muss und auch die Personalkosten niedriger sind. Die Errichtung einer Verkaufsseite im Internet ist vergleichsweise günstig.47 Durch niedrigere Kosten können Marktzutrittsschranken für potenzielle Marktteilnehmer gesenkt werden.48 Auf den ersten Blick erscheinen niedrigere Kosten für den Konsumenten, einen Vorzug des Internetvertriebs darzustellen. Für den Einkauf im stationären Vertrieb müssen grundsätzlich der Produktpreis und die Reisekosten für die Kostenermittlung miteinbezogen werden, für den Einkauf im Internet sind hingegen der Produktpreis, die Versandkosten und die Internet-Gebühren maßgeblich.49 Ob die Kosten für den Konsumenten bei einem Kauf im Rahmen des Online-Handels tatsächlich günstiger sind als beim stationären Vertrieb, konnte bisher nicht eindeutig ermittelt werden.50 Es scheint jedenfalls so, dass die Internetkunden die Gesamtkosten im Onlinehandel günstiger einstufen als im stationären Handel.51

IV. Zeitaufwand In einem von Schnelllebigkeit geprägten Zeitalter, ist der Zeitfaktor für viele Konsumenten wichtig. In Bezug auf Einkäufe im Online-Handel ist dabei – auf der einen Seite – zu beachten, dass dieser Vertriebsweg in der 46  Schrader, Die wettbewerbsrechtliche Beurteilung von neuen Vertriebsformen im Internet, S. 27; Podszun / Leber, KSzW 2015, 316 (318). 47  Podszun / Leber, KSzW 2015, 316 (318). 48  Schrader, Die wettbewerbsrechtliche Beurteilung von neuen Vertriebsformen im Internet, S. 27. 49  Dach, Internet Shopping versus stationärer Handel, S. 124. 50  Dach, Internet Shopping versus stationärer Handel, S. 137 f., der dies im Rahmen seiner Dissertation untersuchte und auf die Möglichkeit der Verzerrung der Ergebnisse zum einen durch die Vernachlässigung von Reisekosten zugunsten des stationären Handels und zum anderen durch einfachere Preisvergleiche und neue Preisbildungsformen zugunsten des Onlinehandels hinweist. Da nicht festgestellt werden kann, welche Vertriebsform inwieweit von einer solchen Verzerrung profitiert, kann mithin keine verlässliche Aussage darüber getroffen werden, in welchem Bereich die Kosten tatsächlich niedriger ausfallen. 51  So die von Dach, Internet Shopping versus stationärer Handel, S. 119, aufgestellte Hypothese.

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2. Kap.: Internetvertrieb

Regel für die Konsumenten mit einer gewissen Lieferzeit für den Erhalt der Waren verbunden ist. Die durchschnittliche Wartezeit beträgt dabei ein bis drei Werktage.52 Handelt es sich um Produkte, die digitalisierbar sind und über das Internet versendet werden können, entfällt die Wartezeit freilich.53 Auf der anderen Seite wird für Kunden im Online-Handel der Zeitaufwand für das Aufsuchen der virtuellen Einkaufsstätte und die Suche des Produkts geringer ausfallen als im stationären Handel.54 Außerdem können Entscheidungen im Online-Handel grundsätzlich innerhalb von Sekunden getroffen und kommuniziert werden.55 Sowohl im Online- wie auch im stationären Handel, entsteht im Falle einer Retour der Produkte ein Zeitaufwand für den Kunden. Insgesamt kann man für den Einkauf im Online-Handel grundsätzlich von einem geringeren Zeitaufwand für den Käufer ausgehen.56

V. Convenience-Faktoren Vorteile, die die Wahl des Konsumenten bezüglich des Vertriebswegs mitbeeinflussen, lassen sich in sog. „Convenience“-Faktoren untergliedern. Solche Faktoren sollen die Wahl des Konsumenten bezüglich des Vertriebswegs, wie dem Internetvertrieb, mitbeinflussen. Der Faktor des Zeitaufwands wird auch bei der Ermittlung des Aspekts „Convenience“ berücksichtigt. Hinzukommen ebenso die Bequemlichkeit, die Leichtigkeit bzw. die Mühelosigkeit, die sich für den Kunden mit dem Einkaufsvorgang ergeben.57 Der Aspekt der sog. „acess convenience“, welche die Bequemlichkeit und den Zeiteinsatz umfasst, um eine Einkaufsstätte zu erreichen, stellt einen Vorteil des Online-Handels für die Kunden dar.58 Der Internetvertrieb bietet außerdem eine gewisse „search convenience“, nämlich Bequemlichkeit und geringeren Zeiteinsatz bei der Suche und Auswahl der gewünschten Produkte.59 52  Untersuchung des E-Commerce-Center Handel, Kolberg, B. / Scharmacher, T., 2001, S. 115. 53  Dach, Internet Shopping versus stationärer Handel, S. 139. 54  Dach, Internet Shopping versus stationärer Handel, S. 143; Podszun / Leber, KSzW 2015, 316 (318). 55  Podszun / Leber, KSzW 2015, 316 (318). 56  Zu diesem Ergebnis kam auch Dach, Internet Shopping versus stationärer Handel, S. 143. Ein geringerer Zeitaufwand ist für viele Konsumenten ausschlaggebend, so gibt es seit den neunziger Jahren den Trend der sog. „Instant-Mentalität“ der Konsumenten, die durch die das „Ich-will-es-sofort“-Motto geprägt wird, Costabiei, Marketingerfolg im Internet, S. 35. 57  Dach, Internet Shopping versus stationärer Handel, S. 140; Gerth, in: Link, Wettbewerbsvorteile, S. 178. 58  Dach, Internet Shopping versus stationärer Handel, S. 140 f. 59  Dach, Internet Shopping versus stationärer Handel, S. 140.



C. Besonderheiten des Internetvertriebs31

Beide Aspekte stellen Vorzüge des Internethandels gegenüber dem stationären Vertrieb dar. Auch die sog. „transaction convenience“ wird im Rahmen der „Convenience“ berücksichtigt. Diese betrifft die Bequemlichkeit und den Zeiteinsatz beim Kaufabschluss und der möglichen Rückgabe von Produkten.60 Im Online-Handel kann es zu einem Zeitaufwand durch Eingabe der Kundendaten und bei etwaigen Retouren kommen.61 Einen Zeitaufwand findet man aber eben auch im stationären Vertrieb beispielsweise bei Warteschlangen oder wenn das Ladengeschäft bei Rückgabe des Produkts zwecks Retour wieder aufgesucht werden muss.

VI. Mögliche Nachteile Früher wurde insbesondere Internetplattformen ein „Flohmarktimage“ und damit einhergehend eine gewisse „Verramschungsgefahr“ nachgesagt. Aufgrund der fortschreitenden Professionalisierung des Internetvertriebs, in dem der Verkauf von Neuwaren durch Händler dominiert, kann auch das Risiko eines entwertenden „Flohmarkts“ oder des Verkaufs von Fälschungen nicht so hoch veranschlagt werden, dass man deswegen seinen Einzelhändlern den dortigen Verkauf untersagen müsste.62 Eine Besonderheit des Internethandels gegenüber dem stationären Vertrieb besteht darin, dass der Kauf im Internet mit der Angabe von Daten, wie der Lieferanschrift, Kontodaten und anderen sensiblen Daten verbunden ist. Die Gefahr der missbräuchlichen Verwendung solcher persönlichen Daten kann als ein Nachteil des Einkaufs über das Internet angesehen werden.63 Weiterhin wird das Einkaufen bei stationären Händlern für viele Konsumenten mit einem gewissen Einkaufsvergnügen verbunden. Ein positives 60  Dach,

Internet Shopping versus stationärer Handel, S. 140. Internet Shopping versus stationärer Handel, S. 141 f. 62  So OLG Schleswig, Urt. v. 05.06.2014, Az. 16 U Kart 154 / 13, WuW / E DE-R 4293 = NZKart 2014, 364 (364) – Partnervereinbarung; diesbezüglich liegt aber eine uneinheitliche Rechtsprechung vor. 63  Dach, Internet Shopping versus stationärer Handel, S. 145; Im Jahr 2000 wurde das Datenschutzproblem von Gerth, in: Link, Wettbewerbsvorteile, S. 180, sogar noch als „der wesentliche Hemmfaktor“ beschrieben. Auch 2003 wurden die Vorbehalte gegenüber Online-Transaktionen von Graf / Gründer, eBusiness, S. 61noch als „nach wie vor hoch“ eingeschätzt. Dies dürfte sich aber gegenwärtig so nicht mehr annehmen lassen, da sich die technischen Möglichkeiten zum Datenschutz und auch die Regularien in den letzten Jahren verbessert haben und mit der geplanten Datenschutz-VO der EU noch weiter verbessern können. Franke, Strategische Analyse der E-Commerce-Situation, S. 95, rät Unternehmen, die persönlichen Daten zu verschlüsseln (z. B. per SSL) und dem Kunden „eine diskrete und an datenschutzrechtliche Bestimmungen ausgerichtete Behandlung der Daten“ zu garantieren und nur die absolut notwendigen Informationen vom Kunden abzufragen. 61  Dach,

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2. Kap.: Internetvertrieb

Einkaufserlebnis wird definiert als „die während des Einkaufens subjektiv wahrgenommenen tiefen angenehmen Empfindungen, die über den reinen Versorgungsaspekt mit Waren hinausgehen, und die dazu führen, dass zusätzliche Bedürfnisse befriedigt werden“.64 Das Einkaufserleben des Konsumenten wird von verschiedenen Umständen, wie der Ladenatmosphäre, der Beratung durch das Verkaufspersonal, die Preise, das Preis-Leistungsverhältnis, die Produktauswahl und den bereits angesprochenen ConvenienceAspekten beeinflusst.65 Gerade im Bereich der Beratung und auch bezüglich der Ladenatmosphäre kann der Internetvertrieb regelmäßig nicht mit dem stationären Vertrieb konkurrieren. Die Vermittlung eines solchen „klassischen“ Einkaufsvergnügens wird der Kunde daher wohl eher über den Einkauf im stationären Vertrieb erlangen.66

D. Auswirkungen des Internetvertriebs auf den Wettbewerb und seine Teilnehmer Wie bereits mehrfach betont, hat der Internetvertrieb erhebliche Auswirkungen auf diverse Bereiche, etwa innerhalb der Gesellschaft, aber auch der Wirtschaft und auf die Marktteilnehmer im Allgemeinen. Internet und Digitalisierung verstärken den Wettbewerb zunächst direkt, indem sie – neue Märkte eröffnen und die Transparenz auf den Märkten erhöhen, – die Wechselbarrieren für bestehende Kunden senken, die Eintrittsbarrieren für neu auf den Markt tretende Unternehmen senken, zu Disintermediation67 und 64  Ziehe, Gibt es einen Trend zur Erlebnisorientierung?, in: Müller-Hagedorn, Trends im Handel, S. 56. 65  Vgl. Yoo / Park / MacInnis, JBR 1998, S. 253–263; Dach, Internet Shopping versus stationärer Handel, S. 146; Abel beschreibt die „Erträge“ für den Kunden im stationären Verkauf so: „Flanieren, schauen, in die Hand nehmen, Einfachheit, Vertrautheit, multisensorische Qualitätsprüfung, sinnliche, haptische, olfaktorische Wahrnehmung, Qualitätssicherheit, Menschen treffen, mit ihnen kommunizieren, Anerkennung bekommen, Wünsche unmittelbar erfüllen“, in: Riekhof, E-BrandingStrategien, S. 37. Der Einkauf im Online-Handel sei durch folgende mögliche Erträge gekennzeichnet: „Kontrolle, Überblick, Informationsvielfalt, Transparenz, Unparteilichkeit der Informationsquellen, Glaubwürdigkeit, Zeit für Überlegungen, ungezwungenes Entscheiden, Anonymität“, siehe Abel, in: Riekhof, E-Brand­ing-Strategien, S. 38; Graf / Gründer, eBusiness, S. 60, glauben, der persönliche Kontakt wird zwar in einigen Bereichen, wie dem Handel mit Frischwaren wichtig bleiben, aber ausschlaggebend für die Kundenentscheidung sei nunmehr der Preis, die Jetzt-Verfügbarkeit des benötigten Produkts sowie die Flexibilität und das Servicevermögen des Anbieters. 66  Dach, Internet Shopping versus stationärer Handel, S. 147, sieht dies als Vorteil des stationären Handels an; so i. E. auch Graf / Gründer, eBusiness, S. 64. 67  Disintermediation stellt die Ausschaltung von Zwischenstufen auf dem Weg des Produkts vom Hersteller zum Verbraucher dar, so definiert in: Gabler Wirt-



D. Auswirkungen des Internetvertriebs auf Wettbewerb und Teilnehmer33

Intermediation68 führen.69 Dabei können die Auswirkungen des Internetvertriebs jedoch für die einzelnen Marktteilnehmer unterschiedlich ausfallen. So stehen Markenhersteller (unter 1. näher ausgeführt), andere Unternehmen (2.), der stationäre Handel (3.) und auch Internet-Händler (4.) vor verschiedenen Herausforderungen.

I. Markenhersteller Insbesondere Hersteller von hochwertigen Markenprodukten stehen angesichts des rasant zunehmenden Internethandels vor etlichen Herausforderungen.70 Grundsätzlich haben sie zwar ein Interesse daran, den Absatz ihrer Produkte mittels des Internetvertriebs zu steigern und damit die Anzahl ihrer Kunden zu erhöhen.71 Dabei dürfen sie zum einen in dem von Dynamik und Schnelllebigkeit geprägten Internetvertrieb nicht den Anschluss verpassen.72 Auf der anderen Seite müssen sie einen der Qualität und dem Beratungsbedarf ihrer Produkte angemessenen Vertrieb sicherstellen.73 Gerade Markenhersteller sehen sich häufig damit konfrontiert, dass ihre Produkte speziell im Internet in einer Weise angeboten werden, welche dem Image und der Strategie des Herstellers nicht entspricht.74 Bei Luxusgütern ist grundsätzlich besonders auch das Ambiente essentiell für den Absatzerfolg – dies beinhaltet vor allem für den Verbraucher die Möglichkeit, sich Waren vor Ort anzuschauen, die Ware auf einer hochwertigen Präsentationsfläche vorzufinden, sie auszuprobieren, sich Funktionen erläutern zu lassen, etc.75 schaftslexikon, Bd. Bf-E, S. 753. Eine solche Disintermediation kommt also beim Direktvertrieb des Herstellers an den Verbraucher vor. 68  Intermediation steht für ein Dazwischentreten von Zwischenstufen bzw. die Vermittlung, Duden Fremdwörterbuch, S. 637. 69  Graf / Gründer, eBusiness, S. 33; Costabiei, Marketingerfolg im Internet, S. 88. 70  Pichler / Hertfelder, NZKart 2014, 47 (47); Rempe, DSRITB 2014, 625 (625). 71  Oest / Wagener, RIW 2012, 35 (35). 72  Pichler / Hertfelder, NZKart 2014, 47 (47). 73  Pichler / Hertfelder, NZKart 2014, 47 (47); Seeliger / Klauß, GWR 2010, 233 (233); Kirchhoff, in: FS Bornkamm, S. 199; Mäger / von Schreitter, NZKart 2015, 62 (62); Caffarra, Selective Distribution of Luxury Goods, in: Gheur / Petit, S. 59. 74  Dreyer / Lemberg, BB 2012, 2004 (2004); dazu auch Bauer, WRP 2003, 243 (246); Eufinger, MMR 2015, 147 (147); Bemühungen um den Schutz der Marke, Oest / Wagener, RIW 2012, 35 (35); Pick, in: Demolin, Commercial Distribution, S. 344; Gefahr der „Verramschung“ und Entwertung des Markenimages Rempe, ­DSRITB 2014, 625 (625). Mehr dazu in Kapitel 4. 75  Dreyer / Lemberg, BB 2012, 2004 (2004); Font Galarza / Gissler, The EU Review of the Vertical Restraints Policy in the Context of Internet Commerce, in: Gheur / Petit, S. 173; dazu auch Bauer, WRP 2003, 243 (246); Caffarra, Selective Distribution of Luxury Goods, in: Gheur / Petit, S. 58 f.

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2. Kap.: Internetvertrieb

Markenhersteller versuchen dieser Herausforderung in der Regel mit der Einführung oder Modifizierung eines „geschlossenen qualitativ-selektiven Vertriebssystems mit (einfacher) Fachhandelsbindung“ zu begegnen.76 Mit Hilfe des selektiven Vertriebssystems wollen die Hersteller sicherstellen, dass alle autorisierten Händler gewisse qualitative Mindestanforderungen für den Offline- und Online-Handel erfüllen.77 Mehr als nur eine Herausforderung, nämlich vielmehr ein großes Problem stellt für viele Markenhersteller der lebhafte Preiswettbewerb zwischen ihren Händlern im Internet dar, weil er zum Teil mit einem Preisverfall einhergeht.78 Die reinen Internethändler unterbieten die Händler, die auch einen stationären Vertrieb unterhalten, und die Händler führen Preiskämpfe miteinander auf Internetmarktplätzen wie Amazon und eBay oder auf Preisvergleichsportalen, insbesondere auf Preissuchmaschinen wie billiger.de, oder auf Werbeportalen wie Google Shopping.79 Bekannte Markenhersteller80 haben darauf reagiert und ihre Vertriebsvorgaben verschärft.81 Die Maßnahmen reichen von höheren Anforderungen an Präsentation und Beratung im Offline- und Onlinevertrieb über die Erforderlichkeit eines stationären Geschäfts bis hin zum Verbot der Zusammenarbeit mit Preisvergleichsportalen und / oder des Vertriebs über Drittplattformen wie Amazon und eBay.82 Daneben kommt 76  Pichler / Hertfelder, NZKart 2014, 47 (47); Eufinger, MMR 2015, 147 (147); Große, Newsdienst Compliance 2014, 72020. Ein „geschlossenes qualitativ-selektives Vertriebssystem mit einfacher Fachhandelsbindung“ beinhaltet zum einen, eine Abnehmerbeschränkung der Händler, die Vertragsware – außer an beliebige Endkunden – nur an solche Händler weiterzuverkaufen, die bestimmte Kriterien erfüllen (dies wird als „einfache Fachhandelsbindung bezeichnet, eine „qualifizierte Fachhandelsbindung“ liegt hingegen vor, wenn über eine solche Vertriebsbindung hinaus noch weitergehende Wettbewerbsbeschränkungen, insbesondere Absatzförderungspflichten vereinbart werden), Kirchhoff, in: Wiedemann, Kartellrecht, § 11 Rn. 347. Zum anderen werden im Rahmen eines „geschlossenen qualitativ-selektiven Vertriebssystems mit einfacher Fachhandelsbindung“ in der Regel nur den Händlern die Vertriebsbindungen auferlegt („händlerseitig geschlossenes Vertriebssystem“), ders., a. a. O. Möglich ist auch, dass sich der Hersteller den Händlern gegenüber dazu verpflichtet, die Belieferung weiterer Händler an die Einhaltung der festgelegten Selektionskriterien zu knüpfen, dann handelt es sich um ein „hersteller- und händlerseitig geschlossenes selektives Vertriebssystem“, ders., a. a. O. 77  Große, Newsdienst Compliance 2014, 72020. 78  Lohse, WuW 2014, 120 (120); Rahlmeyer, ZVertriebsR 2015, 144 (144). 79  Lohse, WuW 2014, 120 (120); Seeliger / Klauß, GWR 2010, 233 (233). 80  Allen voran Adidas (BKartA, Entsch. v. 27.06.2014, Az. B3-137 / 12 = Fallbericht v. 19.08.2014  – adidas), Asics (BKartA, Beschl. v. 26.08.2015, Az. B2-98 / 11, Rn. 33  – Asics) und Deuter (OLG Frankfurt, Urt. v. 22.12.2015, Az. 11 U 84 / 14 (Kart), WuW 2016, 138 = NZKart 2016, 84 (84) – Funktionsrucksäcke). 81  Lohse, WuW 2014, 120 (120). 82  Lohse, WuW 2014, 120 (120).



D. Auswirkungen des Internetvertriebs auf Wettbewerb und Teilnehmer35

es auch zu Reaktionen wie dem Einstellen der Belieferung des fraglichen Händlers, gern mit vorgeschalteten Ultimaten, die Preise endlich anzuheben. Auch ein gänzlicher Verzicht auf den Online-Absatzkanal wird teilweise erwogen.83 Die Hersteller betonen dabei oftmals, es gehe nicht um den Erhalt eines hohen Preisniveaus, sondern um die Sicherung der Qualität im Verkauf und den Schutz der Marke.84 Gerade die Frage, inwieweit Hersteller auf den Vertrieb ihrer Produkte über das Internet Einfluss nehmen können und ob das Image dafür ein ausschlaggebender Faktor sein kann, ist Gegenstand kontroverser Diskussion und wird in der folgenden Bearbeitung in Kapitel 4 näher behandelt.85

II. Unternehmen Großen Herausforderungen gegenüber stehen auch die mittelständischen Unternehmen. Zwar bietet sich ihnen durch den Internetvertrieb die Chance, über das Internet neue Absatzmärkte zu erreichen und somit die Anzahl möglicher Kunden zu vervielfachen.86 Ihnen mangelt es zuweilen an strukturellen und finanziellen Mitteln, um ihre Geschäftsmodelle auch entsprechend auf den Internetvertrieb zu erweitern.87 Daher greifen diese oftmals auf Kooperationen zurück, wie Einkaufs- oder Verkaufsverbünden.88 Außerdem entwickeln sich Vertriebspartnerschaften weiter und verändern sich dadurch, dass der „Schritt vom Kooperationspartner zum direkten Wettbewerber oftmals nur einen Mausklick entfernt ist“.89

III. Stationärer Handel Die Kehrseite der Medaille des Online-Handels trifft vor allem aber den stationären Handel.90 Er gerät mit seinen zum Teil beträchtlichen Verkaufsflächen aufgrund höherer Fixkosten, vor allem für Miete und Personal, 83  Dreyer / Lemberg,

BB 2012, 2004 (2005). Lohse, WuW 2014, 120 (120); Rössner, WRP 2010, 1114 (1117). 85  Seeliger / Klauß, GWR 2010, 233 (233); Oest / Wagener, RIW 2012, 35 (35); dazu auch Caffarra, Selective Distribution of Luxury Goods, in: Gheur / Petit, S. 67 ff. 86  Große, Newsdienst Compliance 2014, 72020. 87  Kuntze-Kaufhold, ZVertriebsR 2015, 23 (27). 88  Kuntze-Kaufhold, ZVertriebsR 2015, 23 (27). 89  Kuntze-Kaufhold, ZVertriebsR 2015, 23 (27). 90  Unter stationärem Handel werden grundsätzlich alle Einkaufsstätten bzw. Betriebsformen des Einzelhandels gezählt, die über einen physischen Verkaufsraum verfügen, so Dach, Internetshopping versus stationärer Handel, S. 16. 84  So

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2. Kap.: Internetvertrieb

durch die oft billiger online vertriebenen Waren immer mehr unter Druck.91 Stationäre Händler, die in ihre Ladengeschäfte investieren, fürchten dabei stets einen sog. „Trittbrettfahrer-Effekt“.92 Dieser tritt aus der Perspektive von stationären Händlern ein, wenn der Kunde nach intensiver Beratung im Fachhandel das Produkt günstiger im Internet erwirbt.93 Die stationären Händler können ihre Aufwendungen für die Förderung des Verkaufs, wie durch Werbung und die Steigerung der Vertriebsqualität nicht kompensieren, wenn konkurrierende Händler das gleiche Produkt ohne die Investition in solche Vertriebsmaßnahmen anbieten können.94 Nicht ohne Grund stagniert schließlich der nominelle Umsatz im stationären Einzelhandel schon seit Jahren, während der Online-Handel immer weiter zunimmt.95 Die Verschärfung des Trittbrettfahrer-Effekts lässt sich auch damit begründen, dass für die Internetkäufer die Suchkosten über das Internet erheblich gesunken sind.96 Der Trittbrettfahrer-Effekt kann außerdem zur Folge haben, dass vertriebsbezogene Serviceleistungen nicht mehr in dem Rahmen angeboten werden, wie es sowohl im Interesse des Herstellers und des Händlers als auch im Interesse der Abnehmer wäre.97 Diesbezüglich stellt sich zu Recht die Frage, ob ein fairer Wettbewerb vorliegt.98 Für den Hersteller entsteht durch den verstärkten Wettbewerb zwischen Fachhandel und Online-Anbietern zunehmend Druck, Einfluss auf den Vertrieb zu nehmen.99

91  Innerhofer, ZVertriebsR 2013, 266 (266); Velte, EuZW 2012, 19 (21); Eufinger, MMR 2015, 147 (147); Querndt, Selektivvertrieb und eBay-Versteigerungen, S. 17. 92  Der Trittbrettfahrer-Effekt wird auch als free rider-Problem oder „Beratungsdiebstahl“ bezeichnet, Franck, WuW 2010, 772 (776); Seeliger / Klauß, GWR 2010, 233 (233); Velte, EuZW 2012, 19 (20); Rahlmeyer, ZVertriebsR 2015, 144 (144); Querndt, Selektivvertrieb und eBay-Versteigerungen, S. 18. 93  Dreyer / Lemberg, BB 2012, 2004 (2004); dazu auch Bauer, WRP 2003, 243 (246); Querndt, Selektivvertrieb und eBay-Versteigerungen, S. 55; Font Galarza / Gissler, The EU Review of the Vertical Restraints Policy in the Context of Internet Commerce, in: Gheur / Petit, S. 177; Caffarra, Selective Distribution of Luxury Goods, in: Gheur / Petit, S. 62; Podszun / Leber, KSzW 2015, 316 (322). 94  Franck, WuW 2010, 772 (776); Caffarra, Selective Distribution of Luxury Goods, in: Gheur / Petit, S. 59. 95  Große, Newsdienst Compliance 2014, 72020; Beckmann / Müller, in: Hoeren /  Sieber / Holznagel, Multimedia-Recht, Teil  10 Rn. 140. 96  Franck, WuW 2010, 772 (776). 97  Franck, WuW 2010, 772 (776). 98  Dreyer / Lemberg, BB 2012, 2004 (2004); dazu auch Bauer, WRP 2003, 243 (246). 99  Dreyer / Lemberg, BB 2012, 2004 (2004).



E. Gestaltungen des Vertriebs

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IV. Internet-Händler Doch auch die ihre Waren im Internet vertreibenden Händler stehen aufgrund der hohen Preistransparenz im Internet unter einem besonderen Preisdruck.100

V. Endkunden Die Endkunden können von der Transparenz und dem offeneren Preiswettbewerb des Internetvertriebs gegenüber dem stationären Vertrieb profitieren.101 Aufgrund der Informationsüberversorgung Fülle der Informationen, die online abrufbar sind, ist dabei für den Internetnutzer jedoch zum Teil schwierig, die Glaubwürdigkeit dieser Informationen zu überprüfen.102

E. Gestaltungen des Vertriebs Im Rahmen seiner unternehmerischen Freiheit steht es dem Unternehmer zu, über die Art und Weise seiner Geschäftsorganisation zu bestimmen.103 Ihm obliegt die Dispoitions- und Entschließungsfreiheit darüber zu entscheiden, wie er konkret seinen Geschäftsbetrieb, seine kaufmännische Betätigung und mithin den Vertrieb gestalten will.104 Zur Gestaltung des Vertriebs stehen dem Unternehmer verschiedene Formen zur Auswahl. Einige der Ausgestaltungsmöglichkeiten des Vertriebs und insbesondere des Internetvertriebs werden im Zuge dieses Abschnitts näher untersucht. Mit der Entwicklung des Internets haben sich darüber hinaus spezielle Formen des Vertriebs im Internet entwickelt, deren sich der Unternehmer grundsätzlich bedienen kann. Im Rahmen der Untersuchung der verschiedenen Vertriebsformen ist jedoch im Hinterkopf zu behalten, dass das Internet kein Vertriebssystem an sich darstellt, sondern es sich vielmehr um einen Vertriebskanal handelt.105 Würde das Internet als Vertriebssystem neben Exklusiv100  von Ossietzky, DSRITB 2012, 97 (97); Große, Newsdienst Compliance 2014, 72020; Podszun / Leber, KSzW 2015, 316 (322). 101  Pick, in: Demolin, Commercial Distribution, S. 344. 102  Grob / v. Brocke, Internetökonomie, S. 57; Gräfe, Informationsqualität bei Transaktionen im Internet, S. 77, 85; dazu auch auf S. 9. 103  Löwisch, in: Ebenroth / Boujong / Joost / Strohn, HGB, § 86a Rn. 8; Funk, KfzVertrieb und EU-Kartellrecht, S. 28. 104  Dieser allgemeine Grundsatz kommt in § 86a Abs. 2 S. 3 HGB zum Ausdruck, Löwisch, in: Ebenroth / Boujong / Joost / Strohn, HGB, § 86a Rn. 8. 105  Das unterstreicht auch Querndt, Selektivvertrieb und eBay-Versteigerungen, S. 16; siehe dazu auch Mayr, Internetvertrieb S. 56. Das hat auch die Kommission deutlich gemacht, Vertikal-LL Tz. 56. Zu den Begrifflichkeiten: Der Weg, auf dem

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2. Kap.: Internetvertrieb

und Selektivvertrieb stehen, dann hätte dies eine größere Kontrollmöglichkeit für den Hersteller zur Folge. Im Rahmen dieses Abschnitts werden zunächst beispielhaft mögliche Vertriebswege (unter I.) und mögliche Vertriebssysteme (unter II.) herausgearbeitet und sodann auf die Abgrenzung zwischen Alleinvertrieb und selektivem Vertrieb (unter III.) eingegangen.

I. Mögliche Vertriebswege 1. Internetplattformen Die sog. „Internetmarktplätze“ oder „Internetplattformen“ sind eine beliebte Form des Vertriebs im Internet.106 Ein solcher Plattformmarkt zeichnet sich dadurch aus, dass auf ihnen vom Plattformbetreiber unabhängige Anbieter Dritten Waren oder Dienstleistungen offerieren.107 Grundsätzlich lassen sich zwei Formen von Internetplattformen unterscheiden. Zum einen die sog. „B2C-Marktplätze“, in denen Unternehmer ihre Produkte über das Internet an Endverbraucher vertreiben.108 Zum anderen gibt es die „B2BMarktplätze“, in welchen der Verkauf zwischen Unternehmen stattfindet.109 Es treffen grundsätzlich also Anbieter und Nachfrager zum Austausch von Waren und Dienstleistungen aufeinander.110 Ein solcher Markt ist dann zweiseitig, wenn ein Intermediär den Austausch von diesen Waren und Dienstleistungen erleichtert, indem er beispielsweise die Transaktionskosten senkt und er außerdem das Volumen der über ihn abgewickelten Transak­ tionen nicht nur über die Gesamtsumme der erhobenen Entgelte, sondern auch über deren Verteilung auf die beiden Seiten beeinflussen kann.111 Besondere Bedeutung haben mittlerweile Internet-Auktionen, wie sie auf der Plattform eBay angeboten werden.112 Diese wurden zunächst hauptsächdie Güter vom Anbieter zum Verbraucher gelangen wird Absatzkanal (auch Vertriebsweg, Absatzweg, Marktkanal, Distributionskanal oder Distributionsweg) genannt, Funk, Kfz-Vertrieb und EU-Kartellrecht, S. 31. Vertriebssysteme sind auf Dauer gerichtete, vertraglich geregelte Organisationsformen, die vertragliche Regelung kann dabei von einzelnen Vertriebsvereinbarungen bis hin zu kompletten Bindungssystemen reichen, Funk, Kfz-Vertrieb und EU-Kartellrecht, S. 31. 106  Krüger / Peintinger, in: Martinek / Semler / Flohr, Vertriebsrecht, § 36 Rn. 122; Schürr, in: Küstner / Thume, Hd. des gesamten Vertriebsrechts, Bd. 3, S. 601 Rn. 14. 107  BKartA, Vertikale Beschränkungen, Hintergrundpapier v. 10.10.2013, S. 19. 108  Krüger / Peintinger, in: Martinek / Semler / Flohr, Vertriebsrecht, § 36 Rn. 225. 109  Krüger / Peintinger, in: Martinek / Semler / Flohr, Vertriebsrecht, § 36 Rn. 217. 110  BKartA, Vertikale Beschränkungen, Hintergrundpapier v. 10.10.2013, S. 20. 111  BKartA, Vertikale Beschränkungen, Hintergrundpapier v. 10.10.2013, S. 20. 112  Krüger / Peintinger, in: Martinek / Semler / Flohr, Vertriebsrecht, § 36 Rn. 122.



E. Gestaltungen des Vertriebs39

lich für den Verkauf von Waren durch Privatpersonen an private Abnehmer benutzt.113 Nunmehr haben immer mehr professionelle Händler die InternetAuktionen als neuen Vertriebsweg für sich entdeckt.114 Im Rahmen der Versteigerung im Internet gibt es verschiedene Gestaltungsmöglichkeiten. So gibt es die sog. „Langzeitauktion“, welche unter anderem von eBay angeboten wird.115 Außerdem kann die Form der sog. „Rückwärtsauktion“ gewählt werden.116 Früher erfreute sich die Live-Auktion im Internet großer Beliebtheit, diese hat aber im Laufe der Zeit an Relevanz verloren.117 2. Cross Channel-Distribution Eine weitere Vertriebsform, die sich durch das Internet entwickelt und bisher vor allem in den USA und in Großbritannien Einzug gefunden, nennt sich „Cross Channel“-Distribution.118 Sie ist geprägt von einer Wechselwirkung zwischen Ladengeschäft und den sich neu entwickelnden Vertriebskanälen zur Abwicklung von Verkäufen, Kommunikation und Lieferung.119 Wesentliche Merkmale sind dabei ein einheitliches Leistungsangebot, die Suche online kombiniert mit dem Kauf offline, ein online verbundenes Ladengeschäft sowie die Möglichkeit von „Klick and Collect and Return“.120 113  Krüger / Peintinger, in: Martinek / Semler / Flohr, Vertriebsrecht, § 36 Rn. 123; Enchelmaier, Selective Distribution and the Internet, in: Competition on the Internet, Surblyté, S. 6. 114  Geis, Recht im eCommerce, S. 14; Krüger / Peintinger, in: Martinek / Semler / Flohr, Vertriebsrecht, § 36 Rn. 123; Enchelmaier, Selective Distribution and the Internet, in: Competition on the Internet, Surblyté, S. 6. 115  Krüger / Peintinger, in: Martinek / Semler / Flohr, Vertriebsrecht, § 36 Rn. 124. 116  Brammsen, in: MüKo Lauterkeitsrecht, Bd. 2, § 16 UWG Rn. 100: Das Merkmal der Rückwärtsauktion ist, dass es sich um umgekehrt ablaufende Auktionen handelt. Das bedeutet, dass der erste Bieter die versteigerte Ware zu einem seit Auktionsbeginn bis hin zum ersten Gebot permanent gesenkten Preis erhält oder den Beginn einer richtigen Versteigerung mit preislichem Überbieten und Zuschlag zum Höchstgebot auslöst. Wird auch „Reverse-Auctions“ genannt und derzeit u. a. von MyHammer.de angeboten, Krüger / Peintinger, in: Martinek / Semler / Flohr, Vertriebsrecht, § 36 Rn. 124. 117  Krüger / Peintinger, in: Martinek / Semler / Flohr, Vertriebsrecht, § 36 Rn. 124. Die Live-Auktionen wurden beispielsweise per Video-Stream oder mit stets aktualisiertem Ticker übertragen, sodass der Bieter dabei unmittelbar mit dem Auktionator kommunizieren konnte, Spindler, in: Spindler / Schuster, Recht der elektronischen Medien, § 156 BGB Rn. 5. 118  Böhner, DSRITB 2013, 829 (830); Verknüpfung von stationärem Vertrieb und E-Commerce wird auch mit den Stichwörtern „Multi-Channel“ und „Omni-Channel“ in Verbindung gebracht, Billing / Metzlaff, BB 2015, 1347 (1347). 119  Böhner, DSRITB 2013, 829 (831). 120  Böhner, DSRITB 2013, 829 (831 f.).

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2. Kap.: Internetvertrieb

II. Mögliche Vertriebssysteme im Internet Grundsätzlich kann der Unternehmer den Vertrieb selbst durch eine eigene Absatzorganisation durchführen (dann würde er den sog. Direktvertrieb wählen), er kann vertraglich gebundene Absatzmittler für den Vertrieb seiner Produkte einsetzen oder unabhängige Händler ohne vertragliche Bindung ein­ setzen.121 Der Unternehmer kann seine Ware oder seine Leistungen mithin generell durch Einschaltung selbstständiger Handelsunternehmen als Eigenhändler, Kommissionsagenten oder Handelsvertreter vertreiben.122 Vertrags­ händler und Handelsvertreter haben dabei gemeinsam, dass sie als selbstständige Kaufleute agieren und zu dem jeweiligen Unternehmer in einer Dauerbeziehung stehen.123 Unterschiede liegen darin, dass der Vertragshändler im eigenen Namen und auf eigene Rechnung tätig wird und der Handelsvertreter hingegen im fremden Namen und auf fremde Rechnung vertreibt.124 Darüber hinaus kann der Unternehmer unternehmenszugehörige Vertriebsstellen, wie zum Beispiel Tochtergesellschaften oder Verkaufsfilialen errichten oder sich angestellter Verkäufer bedienen.125 Es bieten sich für den Unternehmer diverse Möglichkeiten zur Gestaltung des Vertriebs. Weiterhin ist es für den Unternehmer grundsätzlich möglich, Handelsvertreter einzusetzen. Handelsvertreter sind im Sinne von § 84 Abs. 1 S. 1 HGB als selbstständiger Gewerbetreibender aufgrund ständiger Betrauung für einen anderen Unternehmer tätig, um für diesen Geschäfte zu vermitteln oder in dessen Namen abzuschließen. Zum Internetvertrieb über Handelsvertreter sei auf die Ausführungen in 5. Kapitel, I. auf den Seiten 160 ff. verwiesen.

III. Abgrenzung Alleinvertrieb und selektiver Vertrieb Zu unterscheiden ist stets zwischen Regelungen und Beschränkungen des Internetvertriebs im Rahmen eines Alleinvertriebs und im Rahmen eines Selektivvertriebs.126 121  Querndt, Selektivvertrieb und eBay-Versteigerungen, S. 7. Der Begriff „Vertrieb“ zielt insbesondere auf die Aspekte des Verkaufs, der Warenverteilung bzw. -logistik und die Pflege der Beziehungen des Herstellers zum Handel bzw. Endkunden ab, häufig auch als „Absatz“ oder „Distribution“ bezeichnet, Funk, Kfz-Vertrieb und EU-Kartellrecht, S. 30 f. 122  Martinek, in: Martinek / Semler / Flohr, Vertriebsrecht, § 2 Rn. 48. 123  Ende / Klein, Grundzüge des Vertriebsrechts im Internet, S. 70. 124  Ende / Klein, Grundzüge des Vertriebsrechts im Internet, S. 70; Pepels, Handels-Marketing und Distributionspolitik, S. 36, 54. 125  Hopt, in: FS Ulmer 2003, S. 893. 126  Hoffmann, in: Dauses, EU-Wirtschaftsrecht, H.  Wettbewerbsregeln, §  2. Art. 101 AEUV Rn. 287.



E. Gestaltungen des Vertriebs41

1. Alleinvertrieb im Rahmen des Internethandels Grundsätzlich ist es dem Unternehmer möglich, mit seinen Vertragspartnern Alleinvertriebsvereinbarungen zu schließen. Alleinvertriebsvereinbarungen sind Verträge, in denen sich der eine Vertragspartner, zumeist der Hersteller oder Importeur dem anderen Vertragspartner, dem sog. Alleinvertriebshändler, gegenüber verpflichtet, zum Zwecke des Weiterverkaufs in einem bestimmten Gebiet bestimmte Waren nur an ihn zu liefern.127 Regelmäßig wird der Vertragshändler im Gegenzug verpflichtet, sich intensiv um die Absatzförderung im Vertragsgebiet zu kümmern und eine konsequente Versorgung und Bearbeitung der bestehenden und potentiellen Kunden sicherzustellen.128 Der Unternehmer teilt im Rahmen einer Alleinvertriebsvereinbarung das zu beliefernde Vertragsgebiet also in bestimmte Regionen auf.129 Weitere Händler dürfen dann in diesem Gebiet nicht eingesetzt werden, da der Händler vor den Importen anderer Händler geschützt werden soll.130 Auch der Anbieter selbst darf in diesem Gebiet nicht tätig werden.131 Grundsätzlich muss dem Abnehmer jedoch der passive Verkauf in an andere Händler vergebene Gebiete erlaubt sein.132 Nur unter bestimmten Umständen ist die Beschränkung des passiven Verkaufs durch andere Händler möglich.133 Im Rahmen des Alleinvertriebs sind Beschränkungen an Art. 4 lit. b) i) Vertikal-GVO zu messen. Dabei kommt es jedoch darauf an, ob es sich um Beschränkungen des aktiven oder des passiven Verkaufs handelt.134 Lediglich Beschränkungen des passiven Verkaufs werden von der Ausnahme erfasst. Laut Kommission handelt es sich bei dem Betreiben einer ­eigenen Website grundsätzlich um eine Form des passiven Verkaufs.135 Die auf der Homepage verwendete Sprache ist hierfür nicht maßgeblich.136 127  Ellger, in: Immenga / Mestmäcker, EU-Wettbewerbsrecht, Art. 101 AEUV Rn. 522; Petsche / Lager, in: Liebscher / Flohr / Petsche, Hdb der GVO, § 7 Rn. 159. 128  Ende / Klein, Grundzüge des Vertriebsrechts im Internet, S. 72. 129  Ende / Klein, Grundzüge des Vertriebsrechts im Internet, S. 71. 130  Ellger, in: Immenga / Mestmäcker, EU-Wettbewerbsrecht, Art. 101 AEUV Rn. 522. 131  Ellger, in: Immenga / Mestmäcker, EU-Wettbewerbsrecht, Art. 101 AEUV Rn. 522. 132  Petsche / Lager, in: Liebscher / Flohr / Petsche, Hdb der GVO, § 7 Rn. 159. 133  Petsche / Lager, in: Liebscher / Flohr / Petsche, Hdb der GVO, § 7 Rn. 159. 134  Hoffmann, in: Dauses, EU-Wirtschaftsrecht, H.  Wettbewerbsregeln, §  2. Art. 101 AEUV Rn. 287. 135  Beckmann / Müller, in: Hoeren / Sieber / Holznagel, Multimedia-Recht, Teil  10 Rn. 149; Stögmüller, in: Münchener Anwaltshandbuch IT-Recht, Teil 6 Rn. 220; Simon, EWS 2010, 497 (502). Vertikal-LL Tz. 52. 136  Beckmann / Müller, in: Hoeren / Sieber / Holznagel, Multimedia-Recht, Teil  10 Rn. 149. Font Galarza / Gissler, The EU Review of the Vertical Restraints Policy in

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2. Kap.: Internetvertrieb

­ twas anderes könnte im Einzelfall anzunehmen sein, wenn beispielsweise E ein für Deutschland eingeteilter Vertragshändler offensiv und aufwendig in niederländischer Sprache wirbt und klar zum Ausdruck bringt, dass die Werbemaßnahme sich zumindest auch gezielt an niederländische Kunden richtet.137 Unter bestimmten Umständen ist die Einführung eines Alleinvertriebssystems im Rahmen des Internethandels und damit die Beschränkung des passiven Verkaufs durch andere Händler möglich:138 So kann ein Alleinvertriebshändler, der einen neuen Markt mit erheblichen Investitionen erschließt, in den ersten zwei Jahren nach dem Markteintritt auch vor passiven Verkäufen auswärtiger Händler in sein Gebiet geschützt werden.139 Eine solche Beschränkung auswärtiger Händler darf jedoch nicht über das erforderliche Maß hinausgehen und Online-Verkäufe ebenfalls dort ausschließen, wo der zu schützende Alleinvertriebshändler gar nicht betroffen ist.140 2. Selektiver Vertrieb im Rahmen des Internethandels Eine weitverbreitete Vertriebsform ist der selektive Vertrieb. Er wird in der Regel im Rahmen des Selektivvertriebsvertrages vereinbart, welcher einen Rahmenvertrag sui generis darstellt.141 a) Merkmale des selektiven Vertriebs Eine Legaldefinition des selektiven Vertriebs im Bereich des europäischen Kartellrechts findet sich in Art. 1 Abs. 1 S. 1 lit. e der Vertikal-GVO. Der selektive Vertrieb kennzeichnet sich grundsätzlich dadurch, dass ein Hersteller den Absatz seiner Erzeugnisse auf nach bestimmten Kriterien ausgethe Context of Internet Commerce, in: Gheur / Petit, S. 175, halten diese, in den Leitlinien der Vertikal-GVO deutlich gemachte Einschätzung der Kommission für überraschend und nicht zeitgemäß. Andere Ansicht und damit die Einschätzung der Kommission unterstützend: Enchelmaier, Selective Distribution and the Internet, in: Competition on the Internet, Surblyté, S. 10, „(…) specific language versions might be seen as no more than the electronic equivalent to a notice to customers saying, ‚We speak English / Man spricht Deutsch‘ etc.“ 137  Beckmann / Müller, in: Hoeren / Sieber / Holznagel, Multimedia-Recht, Teil  10 Rn. 149. 138  Kirchhoff, in: FS Bornkamm 2014, 199 (202). 139  Kirchhoff, in: FS Bornkamm 2014, 199 (202); Vertikal-LL Tz. 61. 140  Kirchhoff, in: FS Bornkamm 2014, 199 (202). 141  Unglaub, Der selektive Vertrieb von Parfum und Luxuskosmetika, S. 4; Rosner, Marken- und wettbewerbsrechtlicher Schutz selektiver Vertriebsbindungssysteme, S. 4.



E. Gestaltungen des Vertriebs43

wählte Händler begrenzt.142 Solche Vertriebsbindungen sind typischer Bestandteil von selektiven Vertriebssystemen, die der Hersteller nutzt, um Einfluss auf den Handel zu nehmen.143 Sie werden in der Regel bei hochwertigen Markenartikeln oder langlebigen und technisch anspruchsvollen Gütern eingesetzt, bei denen der Hersteller entweder eine besonders hohe Qualität der Beratung und des Service oder jedenfalls eine besondere „Aura prestigeträchtiger Exklusivität“144 wahren möchte.145 Hierfür sind regelmäßig fachkundige Verkaufsberatung, Lage und Ambiente des Ladenlokals sowie die Präsentation der Ware und das Gesamterlebnis des Kunden von maßgeblicher Bedeutung.146 So können technische Produkte, die bereits vor dem Kauf eine fachkundige Beratung zur Erläuterung der Funktionen und der Angebotsunterschiede bei einer Mehrzahl von Alternativen erfordern und gegebenenfalls auch eine fachkundige Einweisung oder eine Installation nach dem Kauf benötigen, einen Selektivvertrieb unerlässlich machen.147 b) Gründe zur Einführung des selektiven Vertriebssystems Die Hersteller verbinden mit der Einführung des selektiven Vertriebssystems verschiedene Ziele. An erster Stelle wird es dem Hersteller regelmäßig darum gehen, das Image des Produkts langfristig zu erhalten und daher 142  Kirchhoff, in: Wiedemann, Kartellrecht, § 11 Rn. 55; Weiß, in: Calliess / Ruffert, EUV / AEUV, Art. 191 AEUV Rn. 208; Eilsmansberger, in: Streinz, EUV / AEUV, Art. 101 AEUV Rn. 200; Pischel, GRUR 2008, 1066 (1066); Velez, ECLR 2011, 242 (242); Haslinger, WRP 2009, 279 (279); Zimmer, in: Immenga / Mestmäcker, EUWettbewerbsrecht, Art. 101 Abs. 1 AEUV Rn. 299; Bunte, in: Langen / Bunte, Kartellrecht Bd. 2, Art. 81 Rn. 94; OLG Schleswig, Urt. v. 05.06.2014, Az. 16 U Kart 154 / 13, WuW / E DE-R 4293 = NZKart 2014, 364 (364) – Partnervereinbarung; Unglaub, Der selektive Vertrieb von Parfum und Luxuskosmetika, S. 3; Rosner, Markenund wettbewerbsrechtlicher Schutz selektiver Vertriebsbindungssysteme, S. 1. 143  Bosch, in: Bechtold / Bosch GWB, § 1 Rn. 76; Rosner, Marken- und wettbewerbsrechtlicher Schutz selektiver Vertriebsbindungssysteme, S. 1. 144  Kommission, Entsch. v. 24.7.1992, ABl. EG 1992 Nr. L  236 / 11, 15 Tz. 5  – Givenchy; vgl. auch EuGH, Urt. v. 23.04.2009, Rs. C-59 / 08 P, Slg  2009, I-3421 Tz. 24 = EuZW  2009, 453 = GRUR  2009, 593 (593)  – Copad / Dior. 145  OLG Schleswig, Urt. v. 05.06.2014, Az. 16 U Kart 154 / 13, WuW / E  DE-R 4293 = NZKart 2014, 364 (364) – Partnervereinbarung; Zimmer, in: Immenga / Mestmäcker, EU-Wettbewerbsrecht, Art. 101 Abs. 1 AEUV Rn. 299; Kirchhoff, in: Wiedemann, Kartellrecht, § 11 Rn. 56; Pischel, GRUR 2008, 1066 (1067); Velez, ECLR 2011, 242 (242); Haslinger, WRP 2009, 279 (279); Eufinger, MMR 2015, 147 (148); Bunte, in: Langen / Bunte, Kartellrecht Bd. 2, Art. 81 Rn. 94; Enchelmaier, Selective Distribution and the Internet, in: Competition on the Internet, Surblyté, S. 6. 146  Nolte, BB 2014, 1155 (1159); Querndt, Selektivvertrieb und eBay-Versteigerungen, S. 10; Unglaub, Der selektive Vertrieb von Parfum und Luxuskosmetika, S.  12 f. 147  Lubberger, WRP 2015, 14 (17).

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2. Kap.: Internetvertrieb

seine Waren nur an solche Absatzmittler zu veräußern, die die von ihm aufgestellten Kriterien erfüllen.148 Insgesamt bietet der Selektivvertrieb dem Hersteller den Vorteil, dass er mehr Einfluss, zum Beispiel auf den Warenlauf und die Präsentation des Produkts, nehmen kann.149 Der Hersteller kann leichter auf die Händler zurückgreifen, wenn es darum geht, Konzepte zügig und konsequent im Markt zu verbreiten.150 Dadurch kann auch dem Interessenkonflikt zwischen Händlern und Hersteller entgegen getreten werden, der sich grundsätzlich dadurch auszeichnet, dass der Händler auf der einen Seite darauf bedacht ist, Kunden an seinen Handelsbetrieb zu binden und es dem Hersteller auf der anderen Seite primär darum geht, eine Markenbindung herzustellen.151 Für manche Hersteller kann es außerdem darum gehen, Ungleichheiten zwischen den Händlern, die sie für den Vertrieb ihrer Produkte einsetzen, zu beseitigen.152 So können die Hersteller die geeigneten Händler auswählen, sie einer einheitlichen Absatzförderungspflicht unterwerfen und ihnen zusätzlich den Verkauf an nicht zugelassene Händler untersagen.153 Im Rahmen einer quantitativen Selektion kann der Hersteller die Gesamtzahl der von ihm ausgewählten Händler begrenzen.154 Darüber hinaus wird selektiven Vertriebssystemen nachgesagt, sie könnten die Investitionsbereitschaft der Händler fördern, da sie Trittbrettfahrerprobleme vermeiden.155 Die distributierten Händler haben ein gesteigertes 148  Querndt, Selektivvertrieb und eBay-Versteigerungen, S. 10  f.; Unglaub, Der selektive Vertrieb von Parfum und Luxuskosmetika, S.12; Font Galarza / Gissler, The EU Review of the Vertical Restraints Policy in the Context of Internet Commerce, in: Gheur / Petit, S. 173. 149  Querndt, Selektivvertrieb und eBay-Versteigerungen, S.  11; Font Galarza / Gissler, The EU Review of the Vertical Restraints Policy in the Context of Internet Commerce, in: Gheur / Petit, S. 173. Caffarra, Selective Distribution of Luxury Goods, in: Gheur / Petit, S. 57, geht davon aus, dass Händler außerhalb eines selektiven Vertriebssystems den Vertrieb ineffizienter ausgestalten würden: „(…) left to their own devices, retailers would choose levels of advertising, investment in store image and sales advice, width of product range and levels of stock that are inefficiently low.“ 150  Pepels, Handels-Marketing und Distributionspolitik, S. 15. 151  Querndt, Selektivvertrieb und eBay-Versteigerungen, S. 11; Funk, Kfz-Vertrieb und EU-Kartellrecht, S. 39. 152  Beutelmann, ZWeR 2013, 346 (347). 153  Beutelmann, ZWeR 2013, 346 (347); Querndt, Selektivvertrieb und eBayVersteigerungen, S.  13 f. 154  Beutelmann, ZWeR 2013, 346 (347); Querndt, Selektivvertrieb und eBayVersteigerungen, S. 13; Funk, Kfz-Vertrieb und EU-Kartellrecht, S. 40; zum Beispiel durch eine erweiterte Fachhandelsbindung, Unglaub, Der selektive Vertrieb von Parfum und Luxuskosmetika, S. 4; Spenner / Kiani, NZKart 2016, 208 (209). 155  Beutelmann, ZWeR 2013, 346 (347); Caffarra, Selective Distribution of Luxury Goods, in: Gheur / Petit, S. 58 f.; Omlor, EuZW 2014, 932 (933).



E. Gestaltungen des Vertriebs45

Interesse an der Förderung des Angebots, da sich dadurch in der Regel auch ihre Erträge erhöhen.156 Der Hersteller kann durch ein selektives Vertriebssystem grundsätzlich eine bessere Qualität der Beratungs- und Kundendienstleistungen auf der Händlerebene sicherstellen.157 Durch die Beratung des Konsumenten hinsichtlich des korrekten Gebrauchs kann gleichzeitig einer etwaigen Frustration der Kunden bei Fehlgebrauch des Produkts entgegen gewirkt werden.158 Der Verbraucher profitiert regelmäßig durch Nebenleistungen der Händler, wie etwa durch Präsentationen, Beratungs- und Einweisungsleistungen oder durch After-Sales-Leistungen.159 Auch die Händler können von einem selektiven Vertriebssystem profitieren. Ein selektives Vertriebssystem bringt für den Händler unter anderem den Vorteil mit sich, dass er einen engen Kontakt zu dem Hersteller pflegen und ihn dieser insbesondere in den Bereichen der Werbung und Personalschulung unterstützen kann.160 Freilich profitiert der Händler auch hinsichtlich seines eigenen Images, wenn er Depositär einer bereits eingeführten Prestige-Marke ist.161 Außerdem wird auch für den Händler eine gewisse Form der Exklusivität garantiert, die bereits auch einer zahlenmäßigen Beschränkung von Händlern folgen kann.162 Durch die geringe Anzahl anderer Absatzstellen in dem Gebiet kommt es zu einem relativen Konkurrenzschutz.163 Zudem sieht er sich durch den Ausschluss bestimmter Handelsformen und die Beschränkung auf bestimmte Händler nur geringem Preiswettbewerb ausgesetzt.164 Für die Einführung eines selektiven Vertriebssystems können sowohl aus Hersteller- als auch aus Händler- und Kundensicht vielfältige Gründe sprechen. Gleichwohl muss auch der Einfluss selektiver Vertriebssysteme auf den Wettbewerb zu Ermittlung der Zulässigkeit berücksichtigt werden. 156  Pepels,

Handels-Marketing und Distributionspolitik, S. 15. Kfz-Vertrieb und EU-Kartellrecht, S. 39. 158  Unglaub, Der selektive Vertrieb von Parfum und Luxuskosmetika, S. 13. 159  Beutelmann, ZWeR 2013, 346 (347); After-Sales-Leistungen umfassen technische und kaufmännische Dienstleistungen nach dem Kauf, wie Wartungs- und Reparaturdienste, Gabler Wirtschaftslexikon, Bd. A-Be, S. 53. 160  Unglaub, Der selektive Vertrieb von Parfum und Luxuskosmetika, S. 14  f.; Pepels, Handels-Marketing und Distributionspolitik, S. 14. 161  Der Händler kann von dem Hersteller- / Markenimage profitieren, es kann auf die Geschäftsstätte ausstrahlen und das gesamte Angebot aufwerten, Pepels, Handels-Marketing und Distributionspolitik, S. 15; Unglaub, Der selektive Vertrieb von Parfum und Luxuskosmetika, S. 15. 162  Unglaub, Der selektive Vertrieb von Parfum und Luxuskosmetika, S. 15. 163  Pepels, Handels-Marketing und Distributionspolitik, S. 14. 164  Es besteht keine Notwendigkeit zur gegenseitigen Preisunterbietung, um möglichst viele Nachfrager von Konkurrenzhändlern abzuziehen, Pepels, Handels-Marketing und Distributionspolitik, S. 15; Unglaub, Der selektive Vertrieb von Parfum und Luxuskosmetika, S. 15. 157  Funk,

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2. Kap.: Internetvertrieb

c) Einfluss selektiver Vertriebssysteme auf den Wettbewerb Trotz der zahlreichen Gründe, die für die Einführung eines selektiven Vertriebssystems sprechen, ist dabei zu berücksichtigen, dass diese Einfluss auf den Wettbewerb haben. Die Etablierung eines selektiven Vertriebs stellt grundsätzlich eine Absatzbeschränkung nach Art. 101 Abs. 1 lit. b AEUV dar. Auch ein diskriminierungsfrei und objektiv praktiziertes selektives Vertriebssystem schränkt generell die wettbewerbliche Handlungsfreiheit der gebundenen Händler beträchtlich ein.165 Durch ein selektives Vertriebssystem kommt es in der Regel zu einer künstlichen Verknappung der Verkaufsstellen und einem Ausschluss besonders preisaktiver „Außenseiter“.166 Dadurch kann der Intrabrand-Wettbewerb beeinträchtigt werden.167 Der Händler ist in hohem Maße abhängig vom Geschick des Herstellers.168 Der Hersteller ist im Rahmen eines selektiven Vertriebssystems außerdem besser in der Lage, Vorgaben zur Preisgestaltung und zu exklusiven Marktgebieten durchzusetzen.169 Außerdem besteht bei Ausfällen und Verschiebungen innerhalb des Absatzkanals ein hohes Distributionsrisiko, da nicht ohne Weiteres die Möglichkeit zur Aufnahme neuer Händler in das System besteht.170 Es besteht zudem die Gefahr, dass sich Marktzutritts- und Expansionshürden für aktuelle oder potenzielle Wettbewerber durch vertikale Beschränkungen erhöhen.171 Trotz der etwaigen Einschränkungen, ist es zugleich möglich, dass die positiven Wirkungen selektiver Systeme überwiegen und die selektiven Vertriebssysteme als schützenwerter Bestandteil des Wettbewerbs im Sinne des § 1 GWB, Art. 101 Abs. 1 AEUV angesehen werden können.172 So können Qualitäts165  Zimmer, in: Immenga / Mestmäcker, EU-Wettbewerbsrecht, Art. 101 AEUV Rn. 299. 166  Unglaub, Der selektive Vertrieb von Parfum und Luxuskosmetika, S. 50; Enchelmaier, Selective Distribution and the Internet, in: Competition on the Internet, Surblyté, S. 8. 167  So auch Unglaub, Der selektive Vertrieb von Parfum und Luxuskosmetika, S. 50; Enchelmaier, Selective Distribution and the Internet, in: Competition on the Internet, Surblyté, S. 8; Kumkar, NZKart 2016, 121 (121); Omlor, EuZW 2014, 932 (933); Schröter / Voet van Vormizeele, in: von der Groeben / Schwarze / Hatje, Europäisches Unionsrecht, Art. 101 Rn. 78: Bei dem Intrabrand-Wettbewerb handelt es sich um den Wettbewerb, den sich Händler untereinander mit Erzeugnissen desselben Herstellers und derselben Marke liefern, im Gegensatz dazu, betrifft der InterbrandWettbewerb den Wettbewerb zwischen Herstellern, die ihre Erzeugnisse unter verschiedenen Marken vertreiben. 168  Pepels, Handels-Marketing und Distributionspolitik, S. 15. 169  Omlor, EuZW 2014, 932 (933). 170  Pepels, Handels-Marketing und Distributionspolitik, S. 16. 171  Omlor, EuZW 2014, 932 (933). 172  Weiß, in: Calliess / Ruffert, EUV / AEUV, Art. 191 AEUV Rn. 208; Fesenmair, GRUR-Prax 2013, 283 (283); Kumkar, NZKart 2016, 121 (121).



E. Gestaltungen des Vertriebs

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wettbewerb und auch der Interbrand-Wettbewerb verstärkt werden.173 Durch die Einführung eines selektiven Vertriebssystems kann verhindert werden, dass der Hersteller Investitionen des Händlers in den Vertrieb ausnutzt, indem der Hersteller kurz nachdem der Händler die Investitionen getätigt hat, selbst in den Vertrieb einsteigt.174 Außerdem kann der Selektivvertrieb förderlich für den Schutz des Markenimages sein und damit Informationsasymmetrien bei Erfahrungs- und Vertrauensprodukten abmildern.175 Zum Teil wird vertreten, der Schutz selektiver Vertriebssysteme als „unternehmerische Leistung“ sei schon originär im Wettbewerbsrecht begründbar.176 Dies ließe sich aus der Funktion des Wettbewerbsrechts, Behinderungswettbewerb zum Schutz des Leistungswettbewerbs abzuwehren ableiten.177 Der Aufbau und die Unterhaltung eines selektiven Vertriebssystems stelle eine wettbewerblich relevante Leistung dar.178 Der selektive Wettbewerb würde zur Produkt- und Unternehmensdifferenzierung beitragen sowie zur Intensivierung des Leistungswettbewerbs.179 Für den Unternehmer bringe die Errichtung eines solchen Vertriebssystems jedoch hohe wirtschaftliche Investitionskosten und Risiken mit sich.180 Zur Ermittlung der Zulässigkeit des selektiven Vertriebssystems wird eine sog. Erforderlichkeitsprüfung vorgenommen. Die aufgestellten Selektionskriterien dürfen danach das Maß des für den sachgerechten Vertrieb Erforderlichen nicht überschreiten und müssen diskriminierungsfrei angewendet werden.181 Eine sog. qualitative Selektion, bei der die Belieferung davon abhängt, dass der Absatzmittler bestimmte Qualitätsanforderungen erfüllt wird als grundsätzlich zulässig erachtet.182 Eine sog. quantitative Selektion kann im 173  Vertikale und horizontale externe Effekte lassen sich in selektiven Vertriebssystem unterdrücken, Omlor, EuZW 2014, 932 (933); Weiß, in: Calliess / Ruffert, EUV / AEUV, Art. 191 AEUV Rn. 208; Beutelmann, ZWeR 2013, 346 (348); Unglaub, Der selektive Vertrieb von Parfum und Luxuskosmetika, S. 50. 174  Omlor, EuZW 2014, 932 (933). 175  Omlor, EuZW 2014, 932 (933). 176  Unglaub, Der selektive Vertrieb von Parfum und Luxuskosmetika, S. 168; Fezer, GRUR 1999, 99 (99, 102). 177  Unglaub, Der selektive Vertrieb von Parfum und Luxuskosmetika, S. 168; Fezer, in: FS 100 Jahre GRUR, 939 (939). 178  Unglaub, Der selektive Vertrieb von Parfum und Luxuskosmetika, S. 168. 179  Unglaub, Der selektive Vertrieb von Parfum und Luxuskosmetika, S. 168 f. 180  Unglaub, Der selektive Vertrieb von Parfum und Luxuskosmetika, S. 169. 181  Unglaub, Der selektive Vertrieb von Parfum und Luxuskosmetika, S. 52; Ende / Klein, Grundzüge des Vertriebsrechts im Internet, S. 80; Bunte, in: Langen /  Bunte, Kartellrecht Bd. 2, Art. 81 Rn. 94; Enchelmaier, Selective Distribution and the Internet, in: Competition on the Internet, Surblyté, S. 8; Kumkar, NZKart 2016, 121 (121). 182  Kling / Thomas, Kartellrecht, § 5 Rn. 191, § 20 Rn. 118.

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2. Kap.: Internetvertrieb

Einzelfall jedoch unzulässig sein.183 Im Rahmen der Erforderlichkeitsprüfung ist zunächst zu ermitteln, ob die Beschaffenheit des Produkts einen selektiven Vertrieb zur Wahrung der Qualität oder des richtigen Gebrauchs überhaupt notwendig macht.184 Als zweiter Schritt ist – wie bereits angerissen – zu analysieren, ob sich die einzelnen Klauseln des selektiven Vertriebsvertrages auf das zur Gewährleistung eines qualitätsangemessenen Vertriebs Erforderliche beschränken und diskriminierungsfrei auf alle interessierten Händler angewendet werden.185 Entscheidend hierfür sind objektive Gesichtspunkte qualitativer Art, die sich auf die fachliche Eignung des Wiederverkäufers, seines Personals oder seine sachliche Ausstattung beziehen, welche einheitlich und diskriminierungsfrei angewendet werden.186 Bezüglich des Erfordernisses 183  Kling / Thomas,

Kartellrecht, § 5 Rn. 191, § 20 Rn. 119. in: Immenga / Mestmäcker, EU-Wettbewerbsrecht, Art. 101 AEUV Rn. 302; Eilsmansberger, in: Streinz, EUV / AEUV, Art. 101 AEUV Rn. 200; Fesenmair, GRUR-Prax 2013, 283 (284); Eufinger, MMR 2015, 147 (148); Bonacker, GRUR-Prax 2012, 4 (4); OLG Schleswig, Urt. v. 05.06.2014, Az. 16 U Kart 154 / 13, WuW / E  DE-R 4293 = NZKart  2014, 364 (364)  – Partnervereinbarung; LG Mannheim, Urt. v. 14.03.2008 = BeckRS 2008, 05933. Ablehnend Lubberger, der meint, selektive Vertriebssysteme seien schon dann freigestellt, wenn sie die Voraussetzungen der Legaldefinition von Art. 1 lit. e Vertikal-GVO erfüllen, die sich darin erschöpfe, dass es sich um ein System handelt, in dem sich der Anbieter verpflichtet, die Vertragsware oder Dienstleistungen unmittelbar oder mittelbar nur an Händler zu verkaufen, die anhand festgelegter Merkmale ausgewählt werden, und in denen sich diese Händler verpflichten, die betreffenden Waren oder Dienstleistungen nicht an Händler zu verkaufen, die innerhalb des von Anbieter für den Betrieb dieses Systems festgelegten Gebiets nicht zum Vertrieb zugelassen sind, WRP 2015, 14 (18). 185  EuGH, Urt. v. 25.11.1977 = NJW 1978, 480 (481)  – „SABA“; Zimmer, in: Immenga / Mestmäcker, EU-Wettbewerbsrecht, Art. 101 AEUV Rn. 302; Fesenmair, GRUR-Prax 2013, 283 (284); Eufinger, MMR 2015, 147 (148); Lohse, WuW 2014, 120 (122); Schweda / Rudowicz, WRP 2013, 590 (595); Lubberger, WRP 2015, 14 (17); Enchelmaier, Selective Distribution and the Internet, in: Competition on the Internet, Surblyté, S. 8. 186  „Selektive Vertriebssysteme, bei denen die Auswahl der zugelassenen Wiederverkäufer nicht an quantitative Beschränkungen, sondern an objektive Gesichtspunkte qualitativer Art anknüpft, sind als ein mit Art. 81 Abs. 1 EG vereinbarer Bestandteil des Wettbewerbs und damit nicht als Wettbewerbsbeschränkung anzusehen, sofern sich die Kriterien für die Auswahl der Wiederverkäufer nach den Anforderungen des betreffenden Produkts richten und auf die fachliche Eignung des Wiederverkäufers und seines Personals und auf seine sachliche Ausstattung bezogen sind; sie müssen ferner einheitlich und diskriminierungsfrei angewandt werden“, vgl. EuGH, Urt. v. 25.10.1977, Rs. 26 / 76, Slg 1977, 1875 = GRUR Int. 1978, 254 (256) Rn. 20  – Metro / Saba I; Siehe hierzu auch LG Mannheim, Urt. v. 14.03.2008 = BeckRS 2008, 05933; Eilsmansberger, in: Streinz, EUV / AEUV, Art. 101 AEUV Rn. 200; Velez, ECLR 2011, 242 (244); Unglaub, Der selektive Vertrieb von Parfum und Luxuskosmetika, S. 28; Ende / Klein, Grundzüge des Vertriebsrechts im Internet, S. 80; Lohse, WuW 2014, 120 (122); Schweda / Rudowicz, WRP 2013, 590 (595); Lubberger, WRP 2015, 14 (17); Spenner / Kiani, NZKart 2016, 208 (209). 184  Zimmer,



E. Gestaltungen des Vertriebs49

des selektiven Vertriebs aufgrund der Qualität der Ware ist zu beachten, dass dies nicht nur absolute Luxusgüter betrifft, sondern auch bei hochpreisigen Markenartikeln in Betracht kommt, bei denen die Marke eine besondere Wertschätzung erfährt.187 Unzulässig sind die selektiven Vertriebssysteme grundsätzlich jedoch dann, wenn wegen einer Häufung selektiver Vertriebssysteme kein Platz mehr für andere Vertriebssysteme bleibt oder eine Erstarrung der Preisstruktur eintritt, die durch andere Wettbewerbsfaktoren des in­ tra- oder interbrand-Wettbewerbs nicht mehr ausgeglichen werden kann.188 aa) Selektives Vertriebssystem bei Luxusprodukten Nicht unumstritten ist jedoch die Einordnung des Selektivvertriebs von Luxusprodukten. Zwar wurde im Europäischen Kartellrecht lange der Rechtfertigungsgrund der Sicherstellung einer angemessenen Verkaufsumgebung für Luxusprodukte nicht in Frage gestellt.189 Seit der Entscheidung zu Pierre Fabre besteht allerdings Uneinigkeit darüber, ob der EuGH seine bisherigen Grundsätze zum Selektivvertrieb bei Luxusprodukten aufgegeben hat.190 Anlass zur Diskussion ist die in der Entscheidung befindliche Aussage, „das Ziel, den Prestigecharakter zu schützen, kann kein legitimes Ziel zur Beschränkung des Wettbewerbs sein (…)“191. Die ausführliche Auseinandersetzung zu der Bedeutung von Luxusprodukten und dem Stellenwert des Images findet sich in Kapitel 4 B., Seite 68 ff. Zum Teil wird vertreten, die Aussage zum Prestigecharakter beziehe sich lediglich auf die ungewöhnlichen Umstände des konkreten Ausgangsverfahrens.192 Darin sei jedoch keine Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung zu erkennen bzw. gewollt.193 Dies werde schon aus der in der Entscheidung 187  Fesenmair, GRUR-Prax 2013, 283 (284); Beckmann / Müller, in: Hoeren / Sieber / Holznagel, Multimedia-Recht, Teil  10 Rn. 156; OLG Karlsruhe, Urt. v. 25.11.2009, Az. 6 U 47 / 08 Kart, WuW / E DE-R 2789 = GRUR-RR 2010, 109 (110) – Scout / 4YOU. 188  Weiß, in: Calliess / Ruffert, EUV / AEUV, Art. 191 AEUV Rn. 208. 189  Kommission, Entsch. v. 16.12.1991, ABl. EG 1992 L 12, 24 = GRUR Int 1992, 915 (915)  – Yves Saint Laurent Parfums; EuGH, Urt. v. 23.04.2009, Rs. C-59 / 08 P, 2009, I-3421 Tz. 24 = EuZW 2009, 453 = GRUR 2009, 593 (593) – Copad / Dior; EuGH, Urt. v. 11.12.1980, Rs. 31 / 80, Slg 1980, 3375 = RIW 1981, 487 (487 f.)  – L’Oreal. 190  Lubberger, WRP 2015 14 (18), ist der Meinung, der EuGH hätte seine Grundsätze „anders als mehrfach vertreten“, nicht aufgegeben. 191  EuGH, Urt. v. 13.10.2011, Rs. C-439 / 09, Slg 2011, I-9419, WuW / E  EU-R 2163 = EuZW 2012, 28 (28) – Pierre Fabre Dermo-Cosmétique. 192  Lubberger, WRP 2015, 14 (18). 193  Lubberger, WRP 2015, 14 (18).

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2. Kap.: Internetvertrieb

verwendeten Methodik zur Selbstreferenz und der fehlenden Abgrenzung zur bisherigen Rechtsprechung erkennbar.194 Vielmehr sei ausschließlich eine den Weitervertrieb der Händler beschränkende Klausel, wie der Totalverbot des Internetvertriebs als unverhältnismäßig und damit unter die Verbotsnorm fallend angesehen worden.195 Dies sei allerdings keine neue Herangehensweise, da Klauseln, die den Weitervertrieb der Produkte beschränken, regelmäßig Gegenstand einer Verhältnismäßigkeitsprüfung waren und einer möglichen Anwendung der Verbotsnorm. Die gruppenweise Freistellung bestimmter Beschränkungen im Weitervertrieb rechtfertigt sich demnach aus dem Vorliegen der Tatbestandvoraussetzungen der Verbotsnorm und dem Vorliegen der Freistellungvoraussetzungen.196 Insgesamt sei daher der Luxuscharakter eines Produkts zweifellos als Rechtfertigungsgrund anzusehen.197 Weiterhin müsse man, wenn man Luxusprodukte vom Selektivvertrieb ausschließen wolle, konsequenterweise ebenso alle hochwertigen Markenprodukte vom Selektivvertrieb ausschließen, die nicht gleichzeitig einen besonderen Beratungsbedarf aufgrund ihrer technischen Merkmale erfordern.198 bb) Beschränkungen im Rahmen des selektiven Vertriebs Im Rahmen des Selektivvertriebs kann weder der aktive noch der passive Verkauf an Endverbraucher durch den Hersteller gegenüber dem Einzelhändler beschränkt werden.199 Jeder zugelassene Händler darf also das Internet nutzen, um neue Endkundenkreise zu erschließen. Daher verschiebt sich die Fragestellung in die Regelung zur Kernbeschränkung nach Art. 4 lit. c) Vertikal-GVO.200 3. Selektiver Vertrieb in Kombination mit Alleinvertrieb Es ist möglich, den Selektivvertrieb mit dem Alleinvertrieb zu kombinieren.201 Dabei wird den Mitgliedern des selektiven Vertriebssystems exklusiv 194  Lubberger,

WRP 2015, 14 (18). WRP 2015, 14 (18). 196  Lubberger, WRP 2015, 14 (18). 197  Lubberger, WRP 2015, 14 (18). 198  Lubberger, WRP 2015, 14 (18). 199  Hoffmann, in: Dauses, EU-Wirtschaftsrecht, H.  Wettbewerbsregeln, §  2. Art. 101 AEUV Rn. 289; Klotz, in: von der Groeben / Schwarze / Hatje, Europäisches Unionsrecht, Nach Art. 101 – Fallgruppen Rn. 450. 200  Hoffmann, in: Dauses, EU-Wirtschaftsrecht, H.  Wettbewerbsregeln, §  2. Art. 101 AEUV Rn. 289. 195  Lubberger,



F. Vergleichbarkeit des Internethandels mit dem Versandhandel51

ein bestimmtes Gebiet zugewiesen.202 Nicht von der Vertikal-GVO freigestellt sind demgegenüber Vereinbarungen, nach denen der Hersteller im Rahmen eines selektiven Vertriebssystems zugelassenen Alleinvertriebshändlern den aktiven und passiven Verkauf der Vertragsware an den Endkunden außerhalb des ihm zugewiesenen Gebiets oder Kundenkreises verbietet.203 Ein Hersteller darf im selektiven Vertriebssystem somit nicht vorsehen, dass er lediglich einen einzigen Händler oder eine begrenzte Anzahl von Händlern in einem bestimmten Gebiet beliefert.204 Auf einer anderen Wirtschaftsstufe kann sich eine andere Beurteilung ergeben.205

F. Vergleichbarkeit des Internethandels mit dem Versandhandel Dem Internethandel wohnen einige Merkmale inne, die sich auch beim Versandhandel finden lassen und für eine Vergleichbarkeit beider Vertriebskanäle sprechen könnten. Für eine nähere Untersuchung ist jedoch zunächst die Relevanz der Abgrenzung wesentlich (unter I.). Im Anschluss werden die Gemeinsamkeiten zwischen Internet- und Versandhandel näher beleuchtet (unter II.). Trotz der Gemeinsamkeiten sprechen einige Argumente gegen eine zwingende Gleichstellung von Internetvertrieb und Versandhandel (unter III.). Abgeschlossen wird die Untersuchung mit einer eigenen Bewertung zur Vergleichbarkeit und daraus in Betracht kommenden Gleichstellung der Vertriebskanäle des Internethandels und des Versandhandels (unter IV.).

I. Relevanz der Abgrenzung Der Frage der Vergleichbarkeit des Internethandels mit dem Versandhandel kommt deshalb Bedeutung zu, weil die Kommission in der Vergangenheit ein vom Lieferanten gegenüber seinen Händlern ausgesprochenes Verbot des Versandhandels in qualitativen Selektivsystemen für zulässig und mit Art. 81 Abs. 1 EG (nunmehr Art. 101 Abs. 1 AEUV) vereinbar gehalten 201  Eilsmansberger, in: Streinz, EUV / AEUV, Art. 101 AEUV Rn. 204; Klotz, in: von der Groeben / Schwarze / Hatje, Europäisches Unionsrecht, Nach Art. 101  – Fallgruppen Rn. 451; Seeliger, in: Wiedemann, Kartellrecht § 11 Rn. 322. 202  Eilsmansberger, in: Streinz, EUV / AEUV, Art. 101 AEUV Rn. 204. 203  Klotz, in: von der Groeben / Schwarze / Hatje, Europäisches Unionsrecht, Nach Art. 101 – Fallgruppen Rn. 451. 204  Klotz, in: von der Groeben / Schwarze / Hatje, Europäisches Unionsrecht, Nach Art. 101 – Fallgruppen Rn. 451. 205  Klotz, in: von der Groeben / Schwarze / Hatje, Europäisches Unionsrecht, Nach Art. 101 – Fallgruppen Rn. 451.

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2. Kap.: Internetvertrieb

hat.206 Erachtet man den Internetvertrieb und den Versandhandel als gleichstellungsfähig, könnte daraus gefolgert werden, ein Verbot des Internetvertriebs sei in qualitativen Selektivsystemen als zulässig anzusehen.

II. Gemeinsamkeiten des Internetvertriebs mit dem Versandhandel Auf den ersten Blick lassen sich viele Gemeinsamkeiten des Internethandels mit dem Versandhandel finden. In beiden Bereichen gibt es grundsätzlich keine persönliche Beratung durch Fachpersonal.207 Daneben drängen sich auch produktbezogene Gemeinsamkeiten auf. Sowohl im Versandhandel als auch im Rahmen des Internetvertriebs werden die wesentlichen Merkmale des Produkts dem potenziellen Kunden über Beschreibungen und Bilder vermittelt. Im Internet ebenso wie einem Verkaufsprospekt kann der Kunde in der Regel nur Produktäußerlichkeiten anhand einer zweidimensionalen, überdies gegebenenfalls retuschierten, Darstellung des Produkts wahrnehmen.208 Die Einbeziehung von imagefördernden Vertriebsfaktoren, wie etwa ein exklusives Verkaufsambiente bezüglich der Produktpräsentation, Geschäftsausstattung und – lage, gestaltet sich insgesamt bei Internetvertrieb und Versandhandel schwieriger als im Rahmen des stationären Vertriebs.209 Bereits der Begriff der „Homepage“ vermittelt die Vergleichbarkeit mit einer Seite in Papierform, wie sie in einem Katalog zu finden ist.210 Der Kunde hat zunächst nicht die Möglichkeit das Produkt haptisch wahrzunehmen, sondern muss hierfür das Produkt bestellen.211 Vorher kann der Kunde das Produkt nicht auf Materialauswahl, Passform und Verarbeitungsqualität prüfen und durch Probeeinsatz ausprobieren.212 Die Ware wird dem Kunden nach dessen Bestellung direkt nach Hause geliefert. Somit sind 206  Pischel, GRUR 2008, 1066, 1068; Ruess / Slopek, WRP 2009, 1021 (1023); Jestaedt / Zöttl, in: MüKo Kartellrecht, Art. 4 Vertikal-GVO Rn. 93. 207  BGH, Urt. v. 04.11.2003, Az. KZR 2 / 02, WuW / E  DE-R 1203 = WRP 2002, 374 (374)  – Depotkosmetik im Internet. 208  Rheinländer, WRP 2005, 285 (287). 209  So Rheinländer, WRP 2005, 285 (287). 210  Rheinländer, WRP 2005, 285 (287); dieses Argument wurde auch von Neubauer, Internetvertrieb im Kartellrecht, S. 13 aufgegriffen. 211  Die haptische Wahrnehmung betrifft durch den Tastsinn, etwa durch berühren, anfassen, greifen: Das Wort haptisch lässt sich mit „den Tastsinn betreffend“ übersetzen, Duden Fremdwörterbuch, S. 541. 212  Lubberger, WRP 2015, 14 (24); Rösner, WRP 2010, 1114 (1116); Rheinländer, WRP 2005, 285 (287).



F. Vergleichbarkeit des Internethandels mit dem Versandhandel53

die Vorgänge beim Internetvertrieb und dem Versandhandel bezüglich der Warenbeschaffung, -lagerung und -auslieferung nahezu identisch.213 Der Internetvertrieb weist folglich einige Gemeinsamkeiten mit dem Versandhandel auf.

III. Keine zwingende Gleichstellung von Internetvertrieb und Versandhandel Aufgrund der zuvor aufgezeigten Aspekte liegt es nahe, dass der Internethandel in vielen Punkten strukturell dem herkömmlichen Versandhandel entspricht.214 Dementsprechend könnten die Grundsätze des Versandhandels auch für den Internetvertrieb gelten. Es lassen sich jedoch auch einige gewichtige Aspekte finden, die gegen eine Vergleichbarkeit des Versandhandels mit dem Internetvertrieb sprechen. Dementsprechend finden sich einige Stimmen, die sich gegen die Vergleichbarkeit des Versandhandels und dem Internetvertrieb aussprechen und damit auch gegen eine Anwendbarkeit der Grundsätze zum Versandhandel auf den Internetvertrieb.215 Gegen die Gleichstellung von Internetvertrieb und Versandhandel lässt sich allen voran einwenden, dass der Internetvertrieb durchaus einige Alleinstellungsmerkmale aufweist, die es im Versandhandel so nicht gibt.216 Zunächst hebt sich der Internetvertrieb insbesondere durch seine Ubiquität (d. h. die fehlende Standortgebundenheit), Transparenz und Dynamik von dem Versandhandel ab.217 Zudem ist der Internetvertrieb durch die größere Flexibilität und Reichweite besonders geeignet, die Wirksamkeit von selektiven Vertriebssystemen zu beeinträchtigen.218 Außerdem bietet der Internetvertrieb weitergehende Möglichkeiten, wie eine umfangreiche Beratung 213  Rheinländer,

WRP 2005, 285 (287). dieser Annahme kommt auch der BGH, Urt. v. 04.11.2003, Az. KZR 2 / 02, WuW / E DE-R 1203 = WRP 2002, 374 (374) – Depotkosmetik im Internet; Pischel, GRUR 2008, 1066 (1068); Lubberger, WRP 2015, 14 (24); Rösner, WRP 2010, 1114 (1116); Rheinländer schreibt dem Versandhandel sogar noch „weitere, die Aura von Luxus ausstrahlende Marketingoption(en)“ zu WRP 2005, 285 (287). 215  Baron, in: Loewenheim / Meessen / Riesenkampff, Kartellrecht, Art. 4 VertGVO Rn. 293 Fn. 474; Kirchhoff, in: FS Bornkamm, S. 199; Neubauer spricht sich gegen eine pauschale Übertragung „der Kriterien zur Vereinbarkeit eines Versandhandelsverbots mit dem Kartellverbot auf den Internetvertrieb“ aus, Internetvertrieb im Kartellrecht, S. 17; Jestaedt / Zöttl, in: MüKo Kartellrecht, Art. 4 Vertikal-GVO Rn. 93, weisen auf technisch, kaufmännisch und wettbewerblich signifikante Unterschiede hin, ohne diese näher auszuführen. 216  Kirchhoff, in: FS Bornkamm, S. 199. 217  Kirchhoff, in: FS Bornkamm, S. 199. 218  Kirchhoff, in: FS Bornkamm, S. 199. 214  Zu

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2. Kap.: Internetvertrieb

über E-Mail-Support oder Kontaktformulare sowie eine Warenpräsentation auf der Homepage, die über die Darstellung in Papierform hinausgeht.219 Auch kommunikative Mittel wie Produkt- und Shopbewertungen können im Rahmen des Internetvertriebs durch den Kunden genutzt werden.220 Ein weiteres Argument liegt darin, dass die kartellrechtliche Beurteilung von Versandhandel und Internethandel nicht durchweg parallel verläuft.221 Beispielsweise haben sowohl die Europäische Kommission als auch der BGH den Ausschluss des Versandhandels in Vertriebssystemen von Parfumherstellern als berechtigt anerkannt.222 Diesbezüglich wurde also anerkannt, dass die Händler verpflichtet werden konnten das Parfum in einer bestimmten Umgebung und mit fachkundiger Beratung zu präsentieren, wobei dem Kunden die Gelegenheit gegeben werden soll, die Parfums auszuprobieren.223 Das Verbot des Versandhandels wurde diesbezüglich nicht als spürbare Wettbewerbsbeschränkung eingestuft.224 Dies wurde in dem Urteil des EuGH zu Pierre Fabre im Rahmen des Internetvertriebs anders bewertet.225 Gegen eine Gleichstellung von Internetvertrieb und Versandhandel spricht des Weiteren, dass die Aussage in den Leitlinien, wonach der Internetvertrieb mit dem Versandhandel vergleichbar sei, schließlich aufgehoben wurde.226 Der Internetvertrieb wird von den Leitlinien explizit und gesondert angesprochen. Somit geht wohl auch die Europäische Kommission nicht (mehr) von einer Gleichstellung von Internet- und Versandhandel aus.

219  Rösner,

WRP 2010, 1114 (1117). Internetvertrieb im Kartellrecht, S. 17. 221  Kirchhoff, in: FS Bornkamm, S. 204; Innerhofer, ZVertriebsR 2013, 266 (268). 222  Kommission, Entsch. v. 16.12.1991, ABl. EG 1992 L 12, 24 = GRUR Int 1992, 915 (918) – Yves Saint Laurent Parfums; BGH, Urt. v. 04.11.2003, Az. KZR 2 / 02, WuW / E  DE-R 1203 = WRP 2002, 374 (374)  – Depotkosmetik im Internet. 223  Kirchhoff, in: FS Bornkamm, S. 204. 224  Innerhofer, ZVertriebsR 2013, 266 (268). 225  Siehe zum Urteil von Pierre Fabre EuGH, Urt. v. 13.10.2011, Rs. C-439 / 09, Slg 2011, I-9419, WuW / E  EU-R 2163 = EuZW 2012, 28 (28)  – Pierre Fabre Dermo-Cosmétique. 226  In Tz. 51, Leitlinien für vertikale Beschränkungen, 13.10.200, Abl. Nr. C 291 S. 1, werden zunächst Ausführungen zum Internetvertrieb vorgenommen, in S. 9 heißt es dann: „Dieselben Erwägungen treffen auf den Versandhandel zu.“ Baron, in: Loewenheim / Meessen / Riesenkampff, Kartellrecht, Art. 4 Vert-GVO Rn. 290 Fn. 474, mit Verweis darauf, dass die Gleichstellung des Versandhandel mit dem Internetvertrieb in den Leitlinien nicht angemessen gewesen sei. 220  Neubauer,



F. Vergleichbarkeit des Internethandels mit dem Versandhandel55

IV. Eigene Bewertung Der Internetvertrieb hat sich insbesondere in den letzten Jahren verändert und erheblich an Bedeutung zugenommen. Im Zuge dessen sind im Rahmen des Internetvertriebs Produktpräsentationen möglich, die es zuvor nicht gab. Diese übertreffen die Präsentationsmöglichkeit des Versandhandels. Die herausragende Bedeutung, die der Internetvertrieb gewonnen hat, übersteigt mittlerweile jedenfalls der des Versandhandels. Selbst wenn vor einigen Jahren die Gleichbehandlung von Internetvertrieb und Versandhandel aufgrund einiger Gemeinsamkeiten angenommen werden konnte, so ist diese Beurteilung durch die Entwicklung des Internetvertriebs nun nicht mehr angemessen. Für diese Einschätzung spricht auch die Streichung der Aus­ sage in den Leitlinien, die Ausführungen zum Versandhandel würden auch auf den Internetvertrieb zutreffen. Die für den Versandhandel entwickelten Grundsätze – allen voran die Zulässigkeit des Verbots des Versandhandels im selektiven Vertrieb – lassen sich mithin nicht ohne Weiteres auf den Internetvertrieb übertragen. Beschränkungen und sonstige Regelungen im Rahmen des Internetvertriebs sind vielmehr gesondert zu beleuchten.

3. Kapitel

Kartellrechtliche Einordnung Dem Hersteller stehen im Rahmen seiner unternehmerischen Freiheit diverse Ausgestaltungsmöglichkeiten des Vertriebs zu. Diese umfassen – wie aufgezeigt – mitunter auch Vertriebsbeschränkungen der Hersteller gegenüber ihren Händlern.1 Unter bestimmten Voraussetzungen können solche Vertriebsbeschränkungen jedoch als unzulässige Wettbewerbsbeschränkung angesehen werden. Wesentlich ist daher zunächst, in welchem Fall eine Vertriebsbeschränkung durch den Hersteller als Wettbewerbsbeschränkung anzusehen ist (unter A.). Liegt eine Wettbewerbsbeschränkung tatbestandsmäßig vor, verbleibt noch die Möglichkeit der Freistellung, um einer Vertriebsbeschränkung zur Wirksamkeit zu verhelfen (unter B.).

A. Einordnung als Wettbewerbsbeschränkung Eine Vereinbarung zwischen Unternehmer und Händler kann als Wettbewerbsbeschränkung eingeordnet werden und damit nach Art. 101 Abs. 2 AEUV bzw. § 1 GWB i. V. m. § 134 BGB zivilrechtlich nichtig sein.

I. Voraussetzungen der § 1 GWB / Art. 101 AEUV Bei Verhaltensweisen, die wettbewerbsbeschränkenden Charakter haben, stellt sich stets die Frage, ob ein Verstoß gegen § 1 GWB bzw. Art. 101 AEUV vorliegt. Die Voraussetzungen für einen entsprechenden Verstoß sollen hier – in Annahme allgemeiner Bekanntheit – nur in der gebotenen Kürze dargestellt werden. § 1 GWB beinhaltet das Verbot mindestens zweiseitiger wettbewerbsbeschränkender Verhaltensweisen und bildet gemeinsam mit § 2 GWB das Gegenstück zum Kartellverbot des Unionsrechts aus Art. 101 AEUV.2 Der Wortlaut des § 1 GWB ist in großen Teilen deckungsgleich mit dem des § 101 Abs. 1 AEUV. Sowohl § 1 GWB als auch Art. 101 AEUV erfassen horizontale und ebenso auch vertikale Wettbewerbsbeschränkungen.3 Gemäß 1  Siehe

dazu Ausführungen in Kapitel 5, S. 144 ff. in: Bechtold / Bosch GWB, § 1 GWB Rn. 1; Berg / Mudrony, in: Berg /  Mäsch, Kartellrecht, § 1 GWB Rn. 1. 3  Bosch, in: Bechtold / Bosch GWB, § 1 GWB Rn. 1. 2  Bosch,



A. Einordnung als Wettbewerbsbeschränkung

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§ 1 GWB / Art. 101 Abs. 1 AEUV sind Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken, verboten. Die Marktteilnehmer sollen also vor schädlichen Außenwirkungen unternehmerischen Verhaltens auf ihre Handlungsfreiheit geschützt werden, außerdem sollen die freien und unverfälschten Wettbewerbs­prozesse gewährleistet werden.4 1. Grundsätzliches Normadressat des § 1 GWB ist ein Unternehmen oder eine Unternehmensvereinigung. Ein Unternehmen liegt nach dem funktionalen Unternehmensbegriff bereits bei jedweder Tätigkeit im geschäftlichen Verkehr vor.5 Der Unternehmensbegriff des § 1 GWB ist identisch mit dem des Art. 101 AEUV.6 Maßgeblich für § 1 GWB sind weiterhin Verhaltensabstimmungen von mindestens zwei Unternehmen. Verbotene Handlungsweisen können in Form von Vereinbarungen, abgestimmten Verhaltensweisen und Beschlüssen von Unternehmensvereinigungen vorliegen.7 Vereinbarungen wohnt das subjektive Element der Willensübereinstimmung hinsichtlich des wettbewerbsrelevanten Verhaltens zwischen den an der Vereinbarung Beteiligten inne.8 Nicht wesentlich ist dabei, ob es sich um eine mündliche oder schriftliche bzw. ausdrückliche oder konkludente Abrede handelt.9 Im Folgenden werden für die Beurteilung von Beschränkungen des Internetvertriebs vor allem Vereinbarungen relevant sein. Die besagten Verhaltensabstimmungen müssen eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken.10 Diese drei Alternativen sind jedoch inhaltlich nicht streng voneinander zu trennen, daher wird üblicherweise der Oberbegriff der Wettbewerbsbeschränkung benutzt.11 Diese liegt grundsätzlich dann vor, wenn die wettbewerbliche Handlungsfreiheit der Beteiligten und / oder Dritter beeinträchtigt 4  Mohr,

ZWeR 2015, 1 (19). in: Bechtold / Bosch GWB, § 1 GWB Rn. 7; Berg / Mudrony, in: Berg / Mäsch, Kartellrecht, § 1 GWB Rn. 8. 6  Bosch, in: Bechtold / Bosch GWB, § 1 GWB Rn. 8. 7  Berg / Mudrony, in: Berg / Mäsch, Kartellrecht, § 1 GWB Rn. 31. 8  Berg / Mudrony, in: Berg / Mäsch, Kartellrecht, § 1 GWB Rn. 32; Bosch, in: Bechtold / Bosch GWB, § 1 GWB Rn. 17; Kling / Thomas, Kartellrecht, § 5 Rn. 54. 9  Kling / Thomas, Kartellrecht, § 5 Rn. 55. 10  Bosch, in: Bechtold / Bosch GWB, § 1 GWB Rn. 32; Kling / Thomas, Kartellrecht, § 5 Rn. 89; Berg / Mudrony, in: Berg / Mäsch, Kartellrecht, § 1 GWB Rn. 45. 11  Bosch, in: Bechtold / Bosch GWB, § 1 GWB Rn. 32; Kling / Thomas, Kartellrecht, § 5 Rn. 89; Berg / Mudrony, in: Berg / Mäsch, Kartellrecht, § 1 GWB Rn. 45. 5  Bosch,

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3. Kap.: Kartellrechtliche Einordnung

wird.12 Ausreichen soll dabei eine Beeinflussung der „materiellen Ent­ schließungsfreiheit“.13 Das bedeutet, es genügt, wenn es der gemeinsamen Zielvorstellung und kaufmännischen Vernunft entspricht, sich in einer bestimmten Weise zu verhalten.14 2. Konkreter Markt Weiterhin muss sich die Wettbewerbsbeschränkung auf einen konkreten Markt beziehen. Dieser muss in der Regel zunächst ermittelt werden.15 Dafür lässt sich das Bedarfsmarktkonzept bzw. das Konzept der funktionellen Austauschbarkeit heranziehen.16 Marktgleichwertig sind danach sämtliche Erzeugnisse, die sich nach ihren Eigenschaften, ihrem wirtschaftlichen Verwendungszweck und ihrer Preislage so ähnlich sind, dass der verständige Verbraucher sie als für die Deckung eines bestimmten Bedarfs geeignet in berechtigter Weise abwägend miteinander vergleicht und als gegeneinander austauschbar ansieht.17

12  Bosch, in: Bechtold / Bosch GWB, § 1 GWB Rn. 33; Berg / Mudrony, in: Berg / Mäsch, Kartellrecht, § 1 GWB Rn. 46; Kling / Thomas, Kartellrecht, § 5 Rn. 90, 92, weisen darauf hin, dass es für die Anwendung von Art. 101 Abs. 1 AEUV nicht genügt, wenn lediglich die Handlungsfreiheit einer oder mehrerer Parteien der Vereinbarung beschränkt wird. Die Verhaltensabstimmung soll vielmehr eine Außenwirkung entfalten, „sei es durch die Beeinflussung der Auswahlmöglichkeiten der Marktgegenseite oder der Marktzutrittsschranken potenzieller Wettbewerber.“, dies., a. a. O. 13  Dementsprechend keine formale Handlungsbeschränkung erforderlich, Bosch, in: Bechtold / Bosch GWB, § 1 GWB Rn. 33. 14  BGH, Urt. v. 18.11.1986, Az. KVR 1 / 86, WuW / E 2313 = GRUR 1987, 314 (316) – Baumarkt-Statistik; Bosch, in: Bechtold / Bosch GWB, § 1 GWB Rn. 33. 15  Berg / Mudrony, in: Berg / Mäsch, Kartellrecht, § 1 GWB Rn. 48. 16  Fuchs / Möschel, in: Immenga / Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, § 18 GWB Rn. 32; Beckmann / Müller, in: Hoeren / Sieber / Holznagel, Multimedia-Recht, Teil  10 Rn. 22; Trafkowski, MMR 1999, 630 (631); Querndt, Selektivvertrieb und eBayVersteigerungen, S. 19. 17  Beckmann / Müller, in: Hoeren / Sieber / Holznagel, Multimedia-Recht, Teil  10 Rn. 22; Trafkowski, MMR 1999, 630 (631); BKartA, Beschl. v. 08.04.2014, Az. B4 – 64000 – 9 / 11 Rn. 124  – Händlerentgelte bei electronic cash-Kartenzahlungen; ebenso die Rspr., siehe BGH, Beschl. v. 05.10.2004, Az. KVR 14 / 03, WuW / E DE-R 1355 = WRP 2004, 1502 (1502 f.) – Staubsaugerbeutelmarkt; BGH, Beschl. v. 25.06.1985, Az. KVR 3 / 84, WuW / E BGH 2150 = GRUR 1986, 180 (180 f.)  – Edelstahlbestecke; BGH, Urt. v. 19.03.1996, Az. KZR 1 / 95, WuW / E BGH 3058 = WRP 1996, 905 (905 f.) – Pay-TV-Durchleitung.



A. Einordnung als Wettbewerbsbeschränkung59

a) Märkte im „allgemeinen“ Online-Bereich Im Online-Bereich ist diese Abgrenzung regelmäßig nicht so klar möglich. Im Online-Bereich finden sich zwei-, aber auch mehrseitige Märkte. Zweiund mehrseitige Märkte18 kennzeichnen sich dadurch, dass ein Unternehmen mindestens zwei Gruppen von Nachfragern oder Anbietern bedient und zwischen diesen Gruppen zumindest ein indirekter Netzwerkeffekt vorliegt, also der Wert des einen Gutes mit dem Markterfolg eines anderen Gutes korreliert.19 Für die Ermittlung, ob ein Markt auf das Internet bezogen vorliegt, muss zunächst stets vor Augen gehalten werden, ob die spezifischen Dienste im Internet als internetspezifisch angesehen werden können oder ob sie unabhängig vom Internet sind.20 Für den Online-Bereich hat die Kommission beispielsweise bisher einen eigenständigen Markt für Suchmaschinen zwar nicht abgelehnt, aber die Frage unter Verweis auf die Unentgeltlichkeit des Angebots im Ergebnis offen gelassen, ob ein eigenständiger Markt vorliegt.21 Dagegen stellen spezielle Datenbanken, wie Informationssammlungen der Fachbereiche Recht, Wirtschaft, Finanzen oder die Nutzung spezieller Websites im Erotik-Bereich einen eigenständigen Markt dar.22 Ebenso können Internetportale einen eigenen Markt bilden.23 Diese sind für diverse Angebote denkbar, wie etwa E-Mails oder Internetshopping. Auch Internetmarktplätze können einen konkreten Markt darstellen.24 Sie werden jedoch zum Teil auch in branchenspezifische Submärkte unterteilt.25 Daher sind neben dem jeweiligen Markt für den Internetmarktplatz als solchen die Märkte für darüber gehandelte Güter zu unterscheiden.26 18  Ewald, in: Wiedemann, Kartellrecht, § 7 Rn. 71, hält den Begriff des zweiseitigen Marktes wenig aussagekräftig, da jeder Markt mit Angebot und Nachfrage für zwei Seiten gekennzeichnet sei und schlägt daher den Gebrauch des Begriffs der „Marktplätze“ oder „Plattformmärkte“ vor. 19  Dewenter / Rösch / Terschüren, NZKart 2014, 387 (388); Thomas, in: Immenga / Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, § 36 GWB Rn. 66. 20  Trafkowski, MMR 1999, 630 (636). 21  Kommission, Beschl. v. 18.02.2010, Fall Nr. COMP / M.5727 Rn. 75  – Micro­ soft / Yahoo; Beckmann / Müller, in: Hoeren / Sieber / Holznagel, Multimedia-Recht, Teil 10 Rn. 38. 22  BKartA, Beschl. v. 27.02.2002, Az. B 6-136 / 01, WuW DE-V 665 = WuW 2002, 1117 (1117 Rn.10); Beckmann / Müller, in: Hoeren / Sieber / Holznagel, 10 Rn. 40. 23  Beckmann / Müller, in: Hoeren / Sieber / Holznagel, Multimedia-Recht, Teil  10 Rn. 40. 24  Beckmann / Müller, in: Hoeren / Sieber / Holznagel, Multimedia-Recht, Teil  10 Rn. 40. 25  Beckmann / Müller, in: Hoeren / Sieber / Holznagel, Multimedia-Recht, Teil  10 Rn. 40. 26  Beckmann / Müller, in: Hoeren / Sieber / Holznagel, Multimedia-Recht, Teil  10 Rn. 40.

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3. Kap.: Kartellrechtliche Einordnung

b) Märkte im Online-Vertrieb Aufgrund der unterschiedlichen Ausgestaltungsmöglichkeiten des Internetvertriebs bedarf es jeweils einer näheren Untersuchung nach den Umständen des Einzelfalles, um den konkreten Markt zu ermitteln. Werden physisch vorhandene Produkte dergestalt über das Internet vertrieben, dass die Anbahnung und der Abschluss des Kaufvertrages ausschließlich über das Internet stattfinden, handelt es sich um Märkte im Internet.27 In Betracht kommt jedoch auch im Bereich des Internetvertriebs den jeweiligen Produktmarkt als ausschlaggebendes Kriterium für die Ermittlung des konkreten Marktes zu werten. Schwierigkeiten bereitet beim Onlinevertrieb vor allem die Ermittlung der funktionalen Austauschbarkeit im Rahmen der Prüfung, ob ein relevanter Markt vorliegt. Gerade beim Vertrieb von Gütern, die gleichermaßen über das Internet wie auch im stationären Vertrieb angeboten werden, stellt sich die Frage, ob eine Wechselbeziehung vorliegt.28 Es spricht grundsätzlich viel dafür, von einem einheitlichen Produktmarkt bei Online-Verkäufen und Offline-Verkäufen desselben Produkts auszugehen.29 Ansonsten würde man die Substituierbarkeit der Produkte über ihren Vertriebsweg annehmen. Die verschiedenen Vertriebswege haben auf die Substituierbarkeit aber generell keine Auswirkung.30 Zudem käme man schnell zu einer marktbeherrschenden Stellung eines Unternehmens, was den Vertrieb über das Internet für Unternehmen weniger attraktiv machen würde.31 Dies widerspräche jedoch dem Ziel der Kommission, das Internet als Vertriebskanal für alle Händler offen zu halten.32 Bei dem Vertrieb über eine Internetauktionsplattform ist das ersteigerte Produkt substituierbar, unabhängig davon, ob es ebenda ersteigert wird oder bei einem Internethändler oder einem stationären Geschäft gekauft wird.33 Daher kann auch im Rahmen des Vertriebs über Internetauktionsplattformen von einem einheitlichen Produktmarkt bei Online- und Offline-Verkäufen desselben Produkts ausgegangen werden. Bei der Internetauktionsplattform handelt es sich um einen Vertriebskanal, der für die Bieter zwar durch die Interaktivität ein gewisses Auktionserlebnis vermittelt.34 Dieser Vertriebs­ 27  Querndt,

Selektivvertrieb und eBay-Versteigerungen, S. 19. in: Hoeren / Sieber / Holznagel, Multimedia-Recht, Teil  10

28  Beckmann / Müller,

Rn. 43, 46. 29  Querndt, 30  Querndt, 31  Querndt, 32  Querndt, 33  Querndt,

Selektivvertrieb Selektivvertrieb Selektivvertrieb Selektivvertrieb Selektivvertrieb

und und und und und

eBay-Versteigerungen, eBay-Versteigerungen, eBay-Versteigerungen, eBay-Versteigerungen, eBay-Versteigerungen,

S. 20. S. 20. S. 20. S. 20. S. 21.



A. Einordnung als Wettbewerbsbeschränkung61

kanal bietet für das Produkt an sich aber keinen Mehrwert.35 Das darüber erworbene Produkt ist mit dem gleichen Produkt, welches stationär erworben wurde austauschbar.36 In einem Verfahren gegen ein Unternehmen, welches ein weltweit elektronisches Hotelportal für Geschäfts- und Privatreisende auf der Basis einer Datenbank von Hotels aller Preiskategorien in Deutschland, Europa und weltweit betreibt, entschied das Bundeskartellamt, dass der sachlich relevante Markt in dem Markt für Vermittlungsdienstleistungen der Hotelportale betroffen war.37 Dieser wird auch als Hotelportalmarkt bezeichnet.38 Weiterhin kam das Bundeskartellamt zu dem Ergebnis, dass der onlineVertrieb von Hotelzimmern den offline-Vertrieb ergänzt und daher nicht mit dem offline-Vertrieb austauschbar sei.39 Die vom Bundeskartellamt vorgenommene Differenzierung nach der Vertriebsform wird jedoch vom OLG Düsseldorf kritisiert.40 Die Vermittlung von Hotelzimmerbuchungen über stationäre Reisebüros und Tourismusorganisationen sei aus Sicht der nachfragenden Hotelunternehmen nicht mit der Vermittlung über ein Hotelportal funktional austauschbar, da beide Vermittlungsleistungen nebeneinander genutzt würden und keine Substitute seien.41 Dies zeigt, dass die Frage der Austauschbarkeit im Rahmen des Internetvertriebs mitunter schwer zu beantworten ist. 3. Spürbare Außenwirkung Die bezweckte bzw. bewirkte Wettbewerbsbeschränkung muss eine spürbare Außenwirkung haben.42 Die Unionsgerichte gehen neuerdings davon aus, dass bezweckte Wettbewerbsbeschränkungen stets auch spürbar sind und daher die spürbare Veränderung der Marktverhältnisse nicht gesondert 34  Querndt,

Selektivvertrieb und eBay-Versteigerungen, S. 21. Selektivvertrieb und eBay-Versteigerungen, S. 21. 36  Querndt, Selektivvertrieb und eBay-Versteigerungen, S. 21. 37  BKartA, Beschl. v. 20.12.2013, Az. B 9  – 66 / 10, WuW / E  DE-V 1953 = BeckRS 2014, 04343 Rn. 16, 69 – HRS.  38  BKartA, Beschl. v. 20.12.2013, Az. B 9  – 66 / 10, WuW / E  DE-V 1953 = BeckRS 2014, 04343 Rn. 69 – HRS. 39  BKartA, Beschl. v. 20.12.2013, Az. B 9  – 66 / 10, WuW / E  DE-V 1953 = BeckRS 2014, 04343 Rn. 73 f.  – HRS. 40  OLG Düsseldorf, Urt. v. 09.01.2015, Az. VI-Kart 1 / 14 (V), WuW / E  DE-R 4572 = NZKart  2015, 148 (148)  – HRS-Bestpreisklauseln. 41  OLG Düsseldorf, Urt. v. 09.01.2015, Az. VI-Kart 1 / 14 (V), WuW / E  DE-R 4572 = NZKart  2015, 148 (149)  – HRS-Bestpreisklauseln. 42  Berg / Mudrony, in: Berg / Mäsch, Kartellrecht, § 1 GWB Rn. 52; Bosch, in: Bechtold / Bosch GWB, § 1 GWB Rn. 41 f.; Mohr, ZWeR 2015, 1 (8). 35  Querndt,

62

3. Kap.: Kartellrechtliche Einordnung

zu prüfen ist.43 Dieser Gedanke wird zwar ebenfalls vom Bundeskartellamt44, nicht jedoch von der obergerichtlichen Rechtsprechung in Deutschland aufgegriffen.45 Diese prüft auch weiterhin im Rahmen des § 1 GWB bei bezweckten Wettbewerbsbeschränkungen, ob sie spürbar sind.46

II. Rechtsfolge Die Rechtsfolge der zivilrechtlichen Nichtigkeit ergibt sich im Unionsrecht aus Art. 101 Abs. 2 AEUV und im deutschen Recht aus dem gesetzlichen Verbot des § 1 GWB i. V. m. § 134 BGB. Aus verwaltungsrechtlicher Sicht ist bereits der Abschluss der gegen § 1 GWB verstoßenden Vereinbarung verboten, mit der Folge, dass die Kartellbehörde nach § 32 GWB die beteiligten Unternehmen zur Abstellung der Zuwiderhandlung verpflichten kann. Weiterhin ist nach § 82 Abs. 2 Nr. 1 GWB die Zuwiderhandlung gegen das Verbot des § 1 GWB, sei es vorsätzlich oder fahrlässig, ordnungswidrig; die Ordnungswidrigkeit kann nach § 82 Abs. 4 S. 1 GWB mit einer Geldbuße bis zu einer Million Euro geahndet werden.

B. Freistellungsmöglichkeit der Wettbewerbsbeschränkung Grundsätzlich kann ein gegen § 1 GWB / Art. 101 AEUV verstoßendes Verhalten gemäß §§ 2, 3 GWB bzw. nach Art. 101 Abs. 3 AEUV in Verbindung mit einer Gruppenfreistellung oder im Rahmen einer Einzelfreistellung vom Kartellverbot freigestellt werden und damit zulässig sein. Der Freistellungsmöglichkeit kommt dementsprechend eine entscheidende Bedeutung zu.

43  EuGH, Urt. v. 13.12.2012, Rs. C-226 / 11, ECLI:EU:C:2012:795 Rn. 37, WuW / E EU-R 2638 = NZKart 2013, 111 (111 f.)  – Expedia Inc. / Autorité de la concurrence; Berg / Mudrony, in: Berg / Mäsch, Kartellrecht, § 1 GWB Rn. 52; Mohr, ZWeR 2015, 1 (11). 44  BKartA, Beschl. v. 08.04.2014, Az. B4 – 64000 – 9 / 11 Rn. 124  – Händlerentgelte bei electronic cash-Kartenzahlungen, darin heißt es unter Verweis auf den EuGH: „Eine Vereinbarung, die einen wettbewerbswidrigen Zweck verfolgt, stellt ihrer Natur nach und unabhängig von ihren konkreten Auswirkungen eine spürbare Beschränkung des Wettbewerbs dar.“ 45  So zum Beispiel OLG Düsseldorf, Urt. v. 29.01.2014, Az. VI-U (Kart), WuW / E  DE-R 4858 = BeckRS 2014, 06495  – Flughafenhotel. 46  OLG Düsseldorf, Urt. v. 29.01.2014, Az. VI-U (Kart), WuW / E  DE-R 4858 = BeckRS 2014, 06495 – Flughafenhotel.



B. Freistellungsmöglichkeit der Wettbewerbsbeschränkung63

I. Anwendungsbereich der Vertikal-GVO Für vertikale Vereinbarungen kann eine solche Freistellung durch die Vertikal-GVO geregelt sein. Vertikale Vereinbarungen sind gemäß Art. 1 Abs. 1 lit. a VO 330 / 2010 (Vertikal-GVO) Vereinbarungen, die zwischen Unternehmen verschiedener Wirtschaftsstufen geschlossen werden. Vertraglich geregelte Handlungsbeschränkungen im Verhältnis zwischen Lieferant und Händler stellen grundsätzlich Wettbewerbsbeschränkungen dar und verstoßen, wenn sie spürbar sind, gegen § 1 GWB und Art. 101 Abs. 1 AEUV.47 Über die dynamische Verweisung des § 2 Abs. 2 GWB gilt die VertikalGVO auch unmittelbar im deutschen Recht. Die Vertikal-GVO hat grundsätzlich den Anspruch, eine Gruppe von Vereinbarungen zu definieren, die in der Regel die Voraussetzungen des Art. 101 Abs. 3 AEUV erfüllen.48 Aus der Eröffnung des Anwendungsbereichs der Vertikal-GVO kann die „Vermutung der Rechtmäßigkeit“ gefolgert werden, so lange ihre Vorteile nicht in einem speziellen Verfahren entzogen werden.49 Die Zielsetzung der Vertikal-GVO liegt unter anderem darin, solche vertikalen Vereinbarungen typisierend herauszufiltern, bei denen die Wahrscheinlichkeit der überwiegenden Vorteile für den Wettbewerb und die Verbraucher eine pauschale Freistellung rechtfertigen.50 Bei einer ökonomisch positiven Bewertung der Vertriebsregelungen und möglicher Effizienzgewinne für die Wirtschaftskette bis zum Verbraucher greift regelmäßig eine Freistellung für derartige Regelungen ein.51 Kommt es zu Kostensenkungen, beispielsweise durch Reduktion der Transaktions- und Distributionskosten der Beteiligten, kann darin eine Verbesserung der Warenverteilung liegen.52 Es kann unter anderem die Verteilung von Waren und Dienstleistungen durch intensive Verkaufsbemühungen, Erweiterung der Produktinformationen für die Abnehmer und eine erleichterte Vergleichbarkeit der Produkte qualitativ verbessert 47  Herrlinger, NZKart 2014, 92 (92). Für eine Spürbarkeit der Wettbewerbsbeschränkung müssen von diesen Beschränkungen spürbare Auswirkungen auf Dritte, also Beeinträchtigungen von deren Handlungsalternativen ausgehen, Kling / Thomas, Kartellrecht, § 5 Rn. 236. Dabei genügt die Eignung zur Beeinträchtigung und Vergleichsmaßstab ist „der Wettbewerb, wie er ohne die beanstandete Verhaltensweise (also ohne die Wettbewerbsbeschränkung) bestehen würde“, dies., a.a.O Rn. 236. 48  Vgl. Erwägungsgrund Nr. 3 Vertikal-GVO; Vertikal-LL Tz. 106  ff.; BKartA, Vertikale Beschränkungen, Hintergrundpapier v. 10.10.2013, S. 11. 49  BKartA, Vertikale Beschränkungen, Hintergrundpapier v. 10.10.2013, S. 11. 50  So das BKartA in Vertikale Beschränkungen, Hintergrundpapier v. 10.10.2013, S. 11. 51  Herrlinger, NZKart 2014, 92 (92). 52  Wolf, in: MüKo Kartellrecht, Art. 101 Rn. 922.

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3. Kap.: Kartellrechtliche Einordnung

werden.53 Es können qualitative Effizienzgewinne in Form neuer oder verbesserter Waren und Dienstleistungen, Erschließung neuer Märkte sowie Verkürzung von Lieferfristen auftreten.54 Weiterhin kann die Übertragung von Know-how beim Vertrieb sowie die Sicherung von Einheitlichkeit und Qualität ermöglicht werden.55 Solange die Vertragsparteien der vertikalen Vereinbarungen jeweils keinen Marktanteil über 30 % halten, erlaubt die Freistellung grundsätzlich auch wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen.56 Dies ergibt sich aus dem Umkehrschluss zu Art. 3 Abs. 1 Vertikal-GVO. Zu beachten ist, dass die Anteilsschwelle für beide Seiten gilt, um der Marktmacht von Handelsketten Rechnung zu tragen.57

II. Internetspezifische Regelungen in der Vertikal-GVO In der Vertikal-GVO finden sich keine konkreten Ausführungen zum Internetvertrieb. Der Internetvertrieb wird aber in den Leitlinien der Kommission zur Vertikal-GVO aufgegriffen.58 Hinsichtlich der Vertikalleitlinien ist zu beachten, dass diese nur Verwaltungsrichtlinien darstellen, durch die sich die Kommission in ihrer Entscheidungspraxis selbst bindet.59 Europäische Gerichte oder die nationalen Gerichte und Behörden sind durch die Verti53  Wolf,

in: MüKo Kartellrecht, Art. 101 Rn. 923. in: MüKo Kartellrecht, Art. 101 Rn. 915, 922. 55  Vertikal-LL Tz. 107 lit. e, lit. i. 56  So auch Hederström / Peeperkorn, JECLAP 2016, 10 (10), mit der Erläuterung: „The Commission considered it unlikely that net negative effects result for the consumer if both parties’ market shares are below this level.“ 57  Weiß, in: Calliess / Ruffert, EUV / AEUV, Art. 101 AEUV Rn. 202; Hederström / Peeperkorn, JECLAP 2016, 10 (10). Font Galarza / Gissler, The EU Review of the Vertical Restraints Policy in the Context of Internet Commerce, in: Gheur / Petit, S. 171, machen darauf aufmerksam, dass in der Vertikal-GVO von 1999 (2790 / 1999) die Marktanteilsschwelle von 30 % nach Art. 3 Abs. 1 lediglich für den Lieferanten galt. Dies., a. a. O. S. 171 f., setzen sich mit dieser Änderung näher auseinander. Zur sog. doppelten Marktanteilsschwelle und den Hintergründen ihrer Einführung, siehe auch Kling / Thomas, Kartellrecht, § 5 Rn. 348 f. 58  Leitlinien für vertikale Beschränkungen, ABl. EU 2010 Nr. C 130. 59  Beckmann / Müller, in: Hoeren / Sieber / Holznagel, Multimedia-Recht, Teil  10 Rn. 144; Rössner, WRP 2010, 1114 (1118); Metzlaff, Internetvertrieb und Franchising, in: Jahrbuch Franchising, S. 195; anders als die Vertikal-GVO selbst, die durch die dynamische Verweisung des § 2 Abs. 2 GWB auch unmittelbar im deutschen Recht gilt, Herrlinger, NZKart 2014, 92 (92). Inzwischen klargestellt durch den EuGH, EuGH, Urt. v. 11.09.2014, Rs. C-67 / 13 P, E-CLI:EU:C:2014:2204 Tz. 45, WuW / E Eu-R 3090 = EuZW 2014, 901 (903)  – Groupement des cartes bancaires (CB) / Kommission; dazu auch Kling / Thomas, § 5 Rn. 239 ff. 54  Wolf,



B. Freistellungsmöglichkeit der Wettbewerbsbeschränkung65

kalleitlinien nicht gebunden.60 Allgemein verbindliche Regelungen konkret zum Internetvertrieb gibt es daher bisher nicht. 1. Bewertung der fehlenden internetspezifischen Regelungen in der Vertikal-GVO Das Fehlen spezifischer Regelungen zum Internetvertrieb in der VertikalGVO wird unterschiedlich bewertet. Es gibt einige Stimmen, die die These vertreten, man habe im Rahmen der Herausgabe der überarbeiteten und nunmehr aktuellen Vertikal-GVO, im Jahr 2010 versäumt, den Internetvertrieb in die Vertikal-GVO aufzunehmen.61 Dies solle aufgrund der immer wachsenden Bedeutung des Internetvertriebs im Zuge der Formulierung der neuen GVO geändert werden. Die bisherige Fassung der Vertikal-GVO sei lückenhaft, da der Internetvertrieb einen Vertriebskanal darstelle, der eigene Gesetzmäßigkeiten entwickelt habe, wie beispielsweise die Angebotssuche, den Angebotsvergleich über Suchmaschinen und Keyword-Advertising.62 Kritisiert wird auch, dass der Verzicht der Kommission auf die Aufnahme einer Sonderregelung zum Internetvertrieb durch das strenge Alles-oderNichts-Prinzip genau den Effekt habe, den die Kommission verhindern wollte.63 Für alle Beteiligten unterhalb der Marktanteilsschwelle von 30 % tritt nach Art. 2 Vertikal-GVO die Freistellung ipso iure ein. Das hat zur Folge, dass sämtliche Vertriebsverträge von Herstellern, die Beschränkungen des Internethandels beinhalten, gruppenfreigestellt sind, so lange die Beteiligten die Marktanteilsschwelle von 30 % nicht überschreiten und so 60  Der EuGH ist dem Vorschlag der Generalanwältin Kokott, die nationalen Wettbewerbsbehörden zu verpflichten, Abweichungen von den Leitlinien zu begründen, nicht gefolgt, EuGH, Urt. v. 13.12.2012, Rs. C-226 / 11, ECLI:EU:C:2012:795 Rn. 37, WuW / E EU-R 2638 = NZKart 2013, 111 (111)  – Expedia Inc. / Autorité de la concurrence; Metzlaff, Internetvertrieb und Franchising, in: Jahrbuch Franchising, S. 195; Mestmäcker / Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht, § 4 Rn. 83; Rössner, WRP 2010, 1114 (1118); Kling / Thomas, Kartellrecht, § 5 Rn. 239 ff., § 19 Rn. 14. 61  Die rechtliche Beurteilung des Internetvertriebs stehe daher auf „systematisch unsicheren Füßen“, so Rössner, WRP 2010, 1114 (1118); Lubberger, WRP 2015, 14 (19). 62  Lubberger, WRP 2015, 14 (19). Im Rahmen von Keyword-Advertising erscheinen für bestimmte Schlüsselwörter (Keywords) gebuchte Werbeanzeigen im obersten und seitlichen Bereich der Suchergebnisse; dabei kommt als Keword u. a. der Markenname, aber auch die Bezeichnung oder die Gattung der Vertragsprodukte, in Betracht, Bühlmann / Schirmbacher, Kartellrecht und Internetvertrieb, in: Jusletter 30. Mai 2011, S. 26; Leupold / Glossner, in: Münchener Anwaltshandbuch IT-Recht, Glossar, S. 1093. 63  Lubberger, WRP 2015, 14 (19).

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3. Kap.: Kartellrechtliche Einordnung

lange die Voraussetzungen der Kernbeschränkungen des Art. 4 VertikalGVO nicht erfüllt sind. Andere halten es angesichts der dynamischen Entwicklung des OnlineHandels von Vorteil, diesen lediglich in den Leitlinien, aber nicht im Verordnungstext zu thematisieren.64 Der Weiterentwicklung des Internets als Vertriebsweg werden durch die Vertikal-GVO keine Schranken gesetzt.65 2. Internetspezifische Regelungen in den Leitlinien zur Vertikal-GVO In Ermangelung konkreter Regelungen zum Internetvertrieb muss bisweilen auf die allgemeinen Regelungen zurückgegriffen werden.66 Die Ausführungen in den Leitlinien zur Vertikal-GVO können dabei als Hilfestellung für Auslegungsfragen dienen. Für die Verwendung als Auslegungshilfe spricht zudem, dass die Leitlinien, wie auch Bekanntmachungen und Mitteilungen der europäischen Kommission, die bisher gängige Verwaltungspraxis und Rechtsprechung zum EU-Kartellrecht widerspiegeln.67 Daher haben sie auch für die betroffenen Unternehmen und die sie beratenden Rechtsanwälte eine wichtige Orientierungsfunktion.68 Der Internetvertrieb wird in den Leitlinien der Vertikal-GVO bezüglich der Themengebiete, wie der unrechtmäßigen Beschränkung des passiven Verkaufs über das Internet (Vertikal-LL, Tz. 52), Werbung im Internet (Vertikal-LL, Tz. 52), Beispiele für aktiven Verkauf im Internet (VertikalLL, Tz. 53), Qualitätsanforderungen an die Verwendung des Internets zum 64  Stellungnahme des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie und des Bundeskartellamtes zum Entwurf einer Verordnung der Europäischen Kommission über die Anwendbarkeit von Artikel 81 Absatz 3 EG-Vertrag auf Gruppen von vertikalen Vereinbarungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen (VertikalGVO), S. 6, regen aber auf S. 8 eine Überprüfung der Vertikal-GVO nach einem Zeitraum von 4 Jahren an, um der dynamischen Entwicklung des Online-Handels Rechnung zu tragen. 65  Lubberger, WRP 2015, 14 (19), sieht dies aber letztlich als nicht geglückt an. 66  Hederström / Peeperkorn, JECLAP 2016, 10 (12) weisen darauf hin, dass die Vertikal-GVO und ihre Leitlinien für die Unternehmen allgemeine Regelungen enthalten, die sowohl für den Offline-, wie auch für den Online-Vertrieb gelten sollen, („Lastly, the VABER and the Guidelines are based on the principle that the same rules should apply, irrespective of whether sales takes place offline or on-line, not least because many transactions are in practice a mix of on-line and offline sales and purchase activities“). Entscheidend sei vielmehr, der Marktanteil und der Inhalt der Vereinbarung, („What matters under these rules are the undertakings’ market shares and the content of their agreement.“), dies., JECLAP 2016, 10 (17). 67  Kling / Thomas, Kartellrecht, § 19 Rn. 14. 68  Kling / Thomas, Kartellrecht, § 5 Rn. 240.



B. Freistellungsmöglichkeit der Wettbewerbsbeschränkung

67

Weiterverkauf der Waren (Vertikal-LL, Tz. 54) sowie zum Verkauf über Internetplattformen (Vertikal-LL, Tz. 54), aufgegriffen.69

III. Kernbeschränkungen nach Art. 4 Vertikal-GVO Enthält die Vereinbarung eine sog. Kernbeschränkung, dann greift die Freistellung allerdings nicht. Bezüglich dieser Kernbeschränkungen gilt laut der Kommission die Vermutung, dass diese als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung unter Art. 101 Abs. 1 AEUV fallen und eine Ausnahme nach Art. 101 Abs. 3 AEUV grundsätzlich nicht in Betracht kommt.70 Dies gilt auch für den Fall, dass die Beteiligten einen Marktanteil unter 30 % haben.71 Solche Kernbeschränkungen, die zum Ausschluss des Rechtsvorteils der Vertikal-GVO führen, werden in Art. 4 Vertikal-GVO aufgeführt.72 Im Folgenden wird ein besonderes Augenmerk auf die Kernbeschränkung nach Art. 4 lit. b Vertikal-GVO gelegt, da diese im Rahmen des Internetvertriebs von großer Bedeutung ist.73 zu dieser Auflistung Innerhofer, ZVertriebsR 2013, 266 (267). Europäisches Wettbewerbsrecht, § 15 Rn. 35; Enchelmaier, in: Berg / Mäsch, Kartellrecht, Art. 4 GVO-VV Rn. 17; Hederström / Peeperkorn, JECLAP 2016, 10 (10). 71  Dieser Umstand begründet sich aus der Annahme, dass Kernbeschränkungen den Interbrandwettbewerb nachhaltig beeinflussen können, auch wenn die Marktanteilsschwelle unterschritten wird, Kling / Thomas, Kartellrecht, § 5 Rn. 353; Hederström / Peeperkorn, JECLAP 2016, 10 (11). 72  Hederström / Peeperkorn, JECLAP 2016, 10 (12) unterscheiden bezüglich freigestellten vertikalen Vereinbarungen und solchen, die eine Kernbeschränkung darstellen, über die Einordnung der Beschränkung nach wo und an wen sowie wie. Beschränkungen, die die Freiheit eines Händlers darüber, wo und an wen er verkaufen will, beschneiden, werden grundsätzlich als Kernbeschränkungen eingeordnet. Weiterhin hat der Unternehmer der Vertikal-GVO entsprechend, die Möglichkeit mit dem Händler zu vereinbaren, wie die Produkte verkauft werden. So heißt es „In short, restrictions on the distributor’s freedom to decide ‚where‘ and ‚to whom‘ it may sell will generally be hardcore (re)sale restrictions. On the other hand, the supplier should have and does have under the VABER the possibility to agree with the distributor ‚how‘ its products are sold (both offline and on-line).“ 73  Die besondere Bedeutung von Art. 4 lit. b Vertikal-GVO ergibt sich u. a. daraus, dass nach Vertikal-LL Tz. 56 S. 3 f.: „Innerhalb eines selektiven Vertriebssystems sollte es den Händlern freistehen, sowohl aktiv als auch passiv und auch mit Hilfe des Internets an alle Endverbraucher zu verkaufen. Die Kommission sieht daher jede Verpflichtung als Kernbeschränkung an, die die Vertragshändler davon abhält, das Internet zu benutzen, um mehr oder andere Kunden zu erreichen, indem ihnen Kriterien für Online-Verkäufe auferlegt werden, die insgesamt den Kriterien für Verkäufe im physischen Verkaufspunkt nicht gleichwertig sind.“ Siehe dazu auch Schultze / Pautke / Wagener, Vertikal-GVO Art. 4 lit. b Rn. 716 f. 69  Vgl.

70  Mestmäcker / Schweitzer,

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3. Kap.: Kartellrechtliche Einordnung

Art. 4 lit. b Vertikal-GVO bezieht sich auf Beschränkungen des Gebiets oder der Kundengruppe, in das oder an die ein an der Vereinbarung beteiligter Abnehmer verkaufen darf. Die Beschränkungen müssen den Abnehmer betreffen. Beschränkungen des Anbieters hingegen werden nicht erfasst.74 Weiter müssen sich die Beschränkungen auf den Verkauf beziehen: dies umfasst die Veräußerung von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen.75 Nachfragetätigkeiten des Abnehmers werden dagegen von Art. 4 lit. b Vertikal-GVO nicht erfasst.76 Im Rahmen von selektiven Vertriebssystemen ist zu beachten, dass eine Kundenaufteilung sachlich gerechtfertigt sein kann und nicht als wettbewerbsbeschränkend bewertet wird, wenn sich die wettbewerbsbeschränkende Eigenschaft erst aus einer Gesamtwürdigung des Marktkontextes ergibt.77 Zu unterscheiden sind im Rahmen von Art. 4 lit. b Vertikal-GVO dem Wortlaut nach, Beschränkungen des Gebiets und des Kundenkreises. Art. 4 lit. b Vertikal-GVO richtet sich nicht nur auf den vollständigen Ausschluss der Verkäufe, sondern auch auf jede beliebige Art der Einschränkung der Verkaufsfreiheit des Abnehmers, wie bezüglich der Verkaufsmengen, einer bestimmten Art von Vertragswaren und – dienstleistungen oder eine Kombination aus gebiets- und kundengruppenbezogenen Beschränkungen.78 Erfasst werden laut Vorschriftstext nicht nur direkte Verpflichtungen, sondern auch indirekte Maßnahmen. Zu den direkten Verpflichtungen gehört etwa die Verpflichtung, nur bestimmte Kunden zu beliefern oder die Produkte nicht außerhalb des Vertragsgebiets zu verkaufen.79 Indirekte Maßnahmen hingegen sind unter anderem die Verweigerung oder Reduzierung von Prämien oder Nachlässen, die Verweigerung der Lieferung oder Verringerung der Liefermenge oder etwa die Androhung der Vertragskündigung.80

74  Mestmäcker / Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht, § 15 Rn. 39; Ellger, in: Immenga / Mestmäcker, EU-Wettbewerbsrecht, Art. 4 Vertikal-GVO Rn. 36; Kling / Thomas, Kartellrecht, § 5 Rn. 367. Dies., a. a. O. Rn. 346, definieren den Anbieter als das Unternehmen, „welches als Hersteller Vertriebsverträge mit seinen Händlern abschließt oder als Zulieferer einen Hersteller eines anderen (End-)Produkts beliefert“ und den Abnehmer als „ ‚Käufer‘ des Lieferanten“. 75  Ellger, in: Immenga / Mestmäcker, EU-Wettbewerbsrecht, Art. 4 Vertikal-GVO Rn. 37. 76  Ellger, in: Immenga / Mestmäcker, EU-Wettbewerbsrecht, Art. 4 Vertikal-GVO Rn. 38. 77  Enchelmaier, in: Berg / Mäsch, Kartellrecht, Art. 4 GVO-VV Rn. 6; Kling / Thomas, Kartellrecht, § 5 Rn. 204. 78  Petsche / Lager, in: Liebscher / Flohr / Petsche, Hdb der GVO, § 7 Rn. 100; Ellger, in: Immenga / Mestmäcker, EU-Wettbewerbsrecht, Art. 4 Vertikal-GVO Rn. 43. 79  Petsche / Lager, in: Liebscher / Flohr / Petsche, Hdb der GVO, § 7 Rn. 100.



B. Freistellungsmöglichkeit der Wettbewerbsbeschränkung69

1. Gebietsbeschränkungen Gebietsbeschränkungen beziehen sich auf räumliche, an der Ansässigkeit der Abnehmer orientierte Abgrenzungen von Kundenkreisen.81 Dabei ist nicht relevant, ob die räumliche Beschränkung positiv, also wie „Verkäufe nur in diesem Gebiet“ oder negativ, wie „keine Verkäufe in diesem Gebiet“, formuliert wird.82 Es bedarf außerdem kein dem Käufer zugewiesenes ausschließliches Verkaufsgebiet, das bedeutet, dass nicht nur Alleinvertriebsverträge betroffen sind.83 Unerheblich sind darüber hinaus die Größe und die Lage der zugewiesenen oder ausgeschlossenen Gebiete.84 Jedenfalls so lange dadurch – insbesondere im Hinblick auf die Zwischenstaatlichkeitsklausel – die Anwendbarkeit des Art. 101 Abs. 1 AEUV auf die vertikalen Vereinbarungen insgesamt nicht berührt wird.85 Soweit in dem Gebiet potenzielle Abnehmer ansässig sind, stellt eine Gebietsbeschränkung gleichzeitig eine Beschränkung des Kundenkreises dar.86 2. Kundenkreisbeschränkungen Von Art. 4 lit. b Vertikal-GVO ebenfalls umfasst sind Beschränkungen des Kundenkreises. Das Merkmal des Kundenkreises betrifft die Zusammenfassung einer Mehrheit von Kunden nach abstrakten Merkmalen.87 Darunter fallen jedoch auch individuelle Kundenschutzklauseln, in denen einzelne Kunden benannt werden.88 Nicht davon umfasst sind Beschränkungen, die 80  Petsche / Lager, in: Liebscher / Flohr / Petsche, Hdb der GVO, § 7 Rn. 100; siehe zu den einzelnen Fallgruppen der indirekten Maßnahmen auch: Schultze / Pautke / Wagener, Vertikal-GVO Art. 4 lit. b Rn. 611 ff. 81  Ellger, in: Immenga / Mestmäcker, EU-Wettbewerbsrecht, Art. 4 Vertikal-GVO Rn. 41; Schultze / Pautke / Wagener, Vertikal-GVO Art. 4 lit. b Rn. 594; Kling / Thomas, Kartellrecht, § 5 Rn. 365. 82  Ellger, in: Immenga / Mestmäcker, EU-Wettbewerbsrecht, Art. 4 Vertikal-GVO Rn. 41; Kling / Thomas, Kartellrecht, § 5 Rn. 365. 83  Ellger, in: Immenga / Mestmäcker, EU-Wettbewerbsrecht, Art. 4 Vertikal-GVO Rn. 41; Kling / Thomas, Kartellrecht, § 5 Rn. 365. 84  Ellger, in: Immenga / Mestmäcker, EU-Wettbewerbsrecht, Art. 4 Vertikal-GVO Rn. 41. 85  Ellger, in: Immenga / Mestmäcker, EU-Wettbewerbsrecht, Art. 4 Vertikal-GVO Rn. 41. 86  Schultze / Pautke / Wagener, Vertikal-GVO Art. 4 lit. b Rn. 594. 87  Ellger, in: Immenga / Mestmäcker, EU-Wettbewerbsrecht, Art. 4 Vertikal-GVO Rn. 42; Schultze / Pautke / Wagener, Vertikal-GVO Art. 4 lit. b Rn. 595; Kling / Thomas, Kartellrecht, § 5 Rn. 366. 88  Ellger, in: Immenga / Mestmäcker, EU-Wettbewerbsrecht, Art. 4 Vertikal-GVO Rn. 42; Kling / Thomas, Kartellrecht, § 5 Rn. 366.

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3. Kap.: Kartellrechtliche Einordnung

aus bestimmten in der Eigenart des Produkts liegenden Gründen erfolgen, wie etwa wegen ihrer Gefährlichkeit für Sicherheit oder Gesundheit oder generell die Belieferung bestimmter Gruppen, wie beispielsweise Jugend­ liche.89

IV. „Rückausnahme“ der Kernbeschränkung i. S. v. Art. 4 lit. b [i] bis [iii] Vertikal-GVO Für Kernbeschränkungen im Sinne von Art. 4 lit. b Vertikal-GVO werden in lit. i bis lit. iii Ausnahmen aufgeführt. Dies führt zu einer „Rückausnahme“ von der Kernbeschränkung aus Art. 4 lit. b Vertikal-GVO.90 Daher sind exklusiver und selektiver Vertrieb unter bestimmten Voraussetzungen zulässig. Das Merkmal der Beschränkung der Kundengruppe oder des Gebiets wird deswegen zum Teil auch als „Türsteher“ zwischen dem weiten Freistellungsbereich der Vertikal-GVO und der nicht zulässigen Kernbeschränkung des Art. 4 lit. b Vertikal-GVO bezeichnet.91 Zu den konkreten Ausnahmen der Kernbeschränkung des Art. 4 lit. b Vertikal-GVO zählen das Verbot des aktiven Vertriebs in exklusiv vergebene Gebiete oder an exklusiv vergebene Kundengruppen (Art. 4 lit. b [i] Vertikal-GVO), Beschränkungen des Verkaufs an Endverbraucher durch Abnehmer, die auf der Großhandelsstufe tätig sind (Art. 4 lit. b [ii] VertikalGVO), Beschränkungen des Verkaufs an nicht zugelassene Händler durch die Mitglieder eines selektiven Vertriebssystems innerhalb des festgelegten Gebiets (Art. 4 lit. b [iii]) sowie die Beschränkung der Möglichkeit des Abnehmers, Teile, die zur Weiterverwendung geliefert werden, an Kunden zu verkaufen, die diese Teile für die Herstellung derselben Art von Ware verwenden würden, wie der Anbieter sie herstellt (Art. 4 lit. b [iv] VertikalGVO). 1. Rückausnahmen nach Art. 4 lit. b [i] Vertikal-GVO Von Bedeutung für Regelungen im Bereich des Internetvertriebs ist insbesondere die Rückausnahme nach Art. 4 lit. b [i] Vertikal-GVO. Im Rahmen von Art. 4 lit. b [i] Vertikal-GVO darf der aktive Verkauf durch den Händler beschränkt werden, der passive Verkauf – mit Ausnahme 89  Ellger, in: Immenga / Mestmäcker, EU-Wettbewerbsrecht, Art. 4 Vertikal-GVO Rn. 42. 90  Herrlinger, NZKart 2014, 92 (93). Für diese Rückausnahme wird in Art. 4 lit. b [i] Vertikal-GVO zwischen aktivem und passivem Vertrieb unterschieden. 91  Herrlinger, NZKart 2014, 92 (93).



B. Freistellungsmöglichkeit der Wettbewerbsbeschränkung

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des Selektivvertriebs – hingegen nicht. Beschränkungen des passiven Verkaufs sind regelmäßig eine Kernbeschränkung.92 Daher ist die Unterscheidung von aktivem und passivem Verkauf hier wesentlich. Beide Begriffe werden in der Vertikal-GVO nicht definiert. Lediglich in den Leitlinien finden sich in Tz. 52 Fallgestaltungen, die aktiven Verkauf darstellen. a) Aktiver Verkauf Ein aktiver Verkauf liegt in der „aktiven Ansprache einzelner Kunden“.93 Diese von der Kommission vorgenommene Begriffserklärung fällt knapp aus und nutzt außerdem den zu definierenden Begriff in der Definition selbst wieder.94 Es lässt sich jedoch entnehmen, dass sich die Definition auf die Kontaktaufnahme von Händler an den Kunden richtet.95 Als Fallbeispiele nennen die Leitlinien etwa die Direktwerbung einschließlich Massen-E-Mails oder persönlicher Besuche, die aktive Ansprache einer bestimmten Kundengruppe oder von Kunden in einem bestimmten Gebiet mittels Werbung in den Medien, über das Internet oder mittels anderer verkaufsfördernder Maßnahmen, welche sich gezielt an die betreffende Kundengruppe oder gezielt an die Kunden in dem betreffenden Gebiet richtet.96 Als aktiver Verkauf an eine Kundengruppe oder an Kunden in einem bestimmten Gebiet gelten außerdem die Werbung sowie verkaufsfördernde Maßnahmen, wenn sie für den Abnehmer ausschließlich interessant sind, weil sie eine bestimmte Kundengruppe oder Kunden in einem bestimmten Gebiet erreichen.97 Ein aktiver Verkauf kann an eine Kundengruppe, die außerhalb des Vertragsgebiets liegt, vorgenommen werden. Dies kann durch die Platzierung gebietsspezifischer Banner auf Webseiten Dritter, die auf ein anderes Gebiet als das Vertragsgebiet des Händlers ausgerichtet sind, getätigt werden.98 In dem Einsatz von Meta-Tags durch den Online92  Baron, in: Loewenheim / Meessen / Riesenkampff, Kartellrecht, Art. 4 VertGVO Rn. 290. 93  Vertikal-LL Tz. 51; Anm. von Pahnke zu OLG Schleswig, Urt. v. 05.06.2014, Az. 16 U Kart 154 / 13, WuW / E  DE-R 4293 = NZKart  2014, 364 (364)  – Partnervereinbarung; Kling / Thomas, Kartellrecht, § 5 Rn. 368. 94  Neubauer, Internetvertrieb im Kartellrecht, S. 146, sieht darin einen „geringen inhaltlichen Gewinn für das Verständnis des aktiven Verkaufs“. 95  So auch Neubauer, Internetvertrieb im Kartellrecht, S. 146. 96  Ausdrücklich in: Vertikal-LL Tz. 51; OLG Schleswig, Urt. v. 05.06.2014, Az. 16 U Kart 154 / 13, WuW / E DE-R 4293 = NZKart 2014, 364 (364) – Partnervereinbarung; Pischel, CR 2015, 69 (70); Lubberger, WRP 2015, 14 (20); Kling / Thomas, Kartellrecht, § 5 Rn. 368. 97  Vertikal-LL Tz. 51; Pischel, CR 2015, 69 (70); Dreyer / Lemberg, BB 2012, 2004 (2006); Lubberger, WRP 2015, 14 (20); Kling / Thomas, Kartellrecht, § 5 Rn. 368. 98  Piekser, K&R 2012, 398 (401).

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3. Kap.: Kartellrechtliche Einordnung

Händler mit dem Ziel, Kunden in einem Gebiet außerhalb des Vertragsgebiets anzusprechen, liegt auch ein „aktiver“ Verkauf.99 Eine vertragliche Untersagung des „aktiven“ Verkaufs des Online-Anbieters in Gebiete oder an Kundengruppen ist grundsätzlich zulässig, wenn sich der Hersteller diese Gebiete oder Kundengruppen selbst vorbehalten hat oder ausschließlich einem anderen Online-Anbieter zugewiesen hat.100 Äußerst selten werden Verkaufsstrategien im Rahmen des Internetvertriebs als aktiver Verkauf gewertet. Das ist der Fall, wenn die Internetseiten gezielt bestimmte Kunden innerhalb des Gebiets oder der Kundengruppe zu erreichen beabsichtigt, die einem anderen Vertriebshändler zugeteilt sind.101 Es gelten dabei strenge Maßstäbe. So wird auch die Einrichtung einer deutschen Internetseite durch einen ausländischen Händler, wenn ein deutscher Kunde auf dieser Website bestellt, als passiver Verkauf eingeordnet.102 Es bleibt festzuhalten, dass eine Website, auch in einer anderen Landessprache eine passive Verkaufsvariante darstellt.103 Auch eine Suchmaschinenoptimierung und die Nutzung von Preissuchmaschinen fallen ebenfalls in den Bereich des Passivverkaufs.104 b) Passiver Verkauf Als passiven Verkauf beschreiben die Leitlinien die Erledigung unaufgeforderter Bestellungen einzelner Kunden.105 Erreichen allgemeine Werbeoder Verkaufsförderungsmaßnahmen Kunden in Gebieten oder Kundengrup99  Piekser, K&R 2012, 398 (401). Meta-Tags sind Steuerbefehle der Hypertext Markup Language (HTML); Eine HTML-Datei besteht aus für den Internetnutzer sichtbaren Text (den sog. Body) und dem nicht sichtbaren Header, welcher Anweisungen z. B. für Browser und Suchmaschinen, insbesondere Beschreibungen des Seiteninhalts an Hand von Schlagworten, den Meta-Tags, enthält, Glossner, in: Münchener Anwaltshandbuch IT-Recht, Teil 2 Rn. 493. 100  Piekser, K&R 2012, 398 (401). 101  Seeliger, in: Wiedemann, Kartellrecht, § 11 Rn. 189. 102  Dreyer / Lemberg, BB 2012, 2004 (2006); Pischel, CR 2015, 69 (70). 103  Dies wird von Piekser, K&R 2012, 398 (401), als grenzwertig angesehen, da die Verwendung einer fremdsprachigen Internetseite den Schluss nahe legen könne, dass der Online-Anbieter „aktiv“ in das Gebiet anderer Online-Anbieter oder des Herstellers eindringen will. Auch Font Galarza / Gissler, The EU Review of the Vertical Restraints Policy in the Context of Internet Commerce, in: Gheur / Petit, S. 175 hinterfragen die Einordnung kritisch und halten es nicht für zeitgemäß. 104  LG Frankfurt, Urt. v. 18.06.2014, Az. 2-03 O 158 / 13, WuW / E  DE-R 4409 = GWR 2014, 331 (331), nachgehend: OLG Frankfurt, Urt. v. 22.12.2015, Az. 11 U 84 / 14, WuW 2016, 138 = NZKart 2016, 84 (87) – Funktionsrucksäcke; Pischel, CR 2015, 69 (70). 105  Vertikal-LL Tz. 51.



B. Freistellungsmöglichkeit der Wettbewerbsbeschränkung

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pen, die anderen Händlern (ausschließlich) zugewiesen sind, so lässt sich dies als passiver Verkauf einordnen.106 Solche Verkäufe dürfen für den Händler nicht beschränkt werden.107 aa) Einordnung als passiver Verkauf Der Verkauf über das Internet wird als vertretbare Alternative angesehen, um jeden Kunden zu erreichen und ist damit grundsätzlich als passiver Verkauf einzuordnen.108 Damit ist es generell jedem Online-Anbieter erlaubt, das Internet zum „passiven“ Verkauf seiner Produkte zu nutzen.109 Durch eine eigene Website wird den Kunden ein angemessenes Mittel zur Verfügung gestellt, um den Händler zu erreichen.110 Zwar hat die Website auch Wirkungen über ein bestimmtes Gebiet oder eine eigene Kundengruppe hinaus, dies ist jedoch der technischen Entwicklung zu zuschreiben und hat grundsätzlich keine Auswirkungen auf die Einordnung als passiver Verkauf.111 Wenn sich also ein Kunde (automatisch) vom Händler informieren lässt und dies zu einem Verkauf führt, so handelt es sich um einen passiven Verkauf.112 Sucht der Kunde die Website des Vertriebshändlers auf und nimmt mit diesem Kontakt auf und daraus ergibt sich der Verkauf einschließlich der Lieferung eines Produktes, dann wird dies dem passiven Verkauf gleichgestellt.113 bb) Fallbeispiele einer unzulässigen Beschränkung des passiven Verkaufs im Internet Unzulässige Beschränkung des „passiven“ Verkaufs stellen beispielsweise Vereinbarungen dar, nach denen der Online-Anbieter verhindern soll, dass Kunden aus einem anderen Gebiet oder aus Alleinvertragsgebieten seine Tz. 51; dazu auch: Kling / Thomas, Kartellrecht, § 5 Rn. 369. in: Loewenheim / Meessen / Riesenkampff, Kartellrecht, Art. 4 Vert-

106  Vertikal-LL 107  Baron,

GVO Rn. 290. 108  Vertikal-LL Tz. 52; Seeliger, in: Wiedemann, Kartellrecht, § 11 Rn. 188; Pischel, CR 2015, 69 (70); Lubberger, WRP 2015, 14 (20); Hederström / Peeperkorn, JECLAP 2016, 10 (16); Kling / Thomas, Kartellrecht, § 5 Rn. 370. 109  Piekser, K&R 2012, 398 (401); Enchelmaier, Selective Distribution and the Internet, in: Competition on the Internet, Surblyté, S. 10. 110  Vertikal-LL Tz. 52; Kling / Thomas, Kartellrecht, § 5 Rn. 370. 111  Vertikal-LL Tz. 52; Pischel, CR 2015, 69 (70); Lubberger, WRP 2015, 14 (20); Kling / Thomas, Kartellrecht, § 5 Rn. 370. 112  Pischel, CR 2015, 69 (70); Kling / Thomas, Kartellrecht, § 5 Rn. 370. 113  Lubberger, WRP 2015, 14 (20).

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3. Kap.: Kartellrechtliche Einordnung

Internetseite einsehen können.114 Auch die automatische Weiterleitung auf die Internetseite des Herstellers oder anderer Online-Anbieter oder die Unterbrechung von Internet-Transaktionen von Kunden, deren Kreditkarte auf eine Adresse verweist, die nicht im konkreten Vertragsgebiet liegt, ist unzulässig.115 c) Kritik an der Abgrenzung zwischen aktivem und passivem Verkauf Die Abgrenzung zwischen aktivem und passivem Verkauf unterliegt insbesondere in der Literatur vielfacher Kritik: So wird sich beim Vertrieb über Webshops zum Teil dafür ausgesprochen, diesen als aktiven Verkauf einzuordnen.116 Begründet wird diese Einordnung mit dem Aufwand, der mit der Errichtung und dem Betrieb eines Webshops verbunden ist.117 Als weiteres Argument wird angeführt, der Käufer müsse auch im stationären Vertrieb das Ladenlokal erst einmal von sich aus betreten und dies würde auch nicht als passiver Verkauf gewertet.118 Die Website bietet dem Kunden jedoch nicht nur ein angemessenes Mittel, um den Händler zu erreichen,119 sondern stellt im Gegensatz zu stationären Ladenlokalen ein Mittel für den Kunden dar, mit dem Händler zu jeder Tageszeit und ortsunabhängig Kontakt aufzunehmen und diesem unaufgeforderte Bestellungen zu senden. Der Internetnutzer kann die Website des Händlers ohne großen Aufwand aufsuchen, der Besuch der Internetpräsenz bleibt grundsätzlich vom Händler unbemerkt bis der Kunde Kontakt zu dem Händler aufnimmt. Dieser Umstand unterscheidet sich grundsätzlich vom stationären Ladenlokal und spricht gegen eine Vergleichbarkeit des Aufsuchens eines Ladenlokals mit dem Aufsuchen einer Website. Kritisch betrachtet wird unter anderem, dass die Kommission das Aufsuchen der Website des Vertriebshändlers und die Kontaktaufnahme mit diesem durch den Kunden, aus der sich der Verkauf einschließlich Lieferung des Produktes ergibt, mit dem passiven Verkauf gleichstellt.120 Dies wäre 114  Vertikal-LL 115  Vertikal-LL

Tz. 52 lit. a. Tz. 52 lit. a und b; siehe dazu 5. Kapitel, D., S. 125 und E. I.,

S. 126. 116  Rahlmeyer, ZVertriebsR 2015, 144 (145). 117  Rahlmeyer, ZVertriebsR 2015, 144 (145). 118  Rahlmeyer, ZVertriebsR 2015, 144 (145). 119  Vertikal-LL Tz. 52; Kling / Thomas, Kartellrecht, § 5 Rn. 370. 120  Aufgegriffen von Lubberger, WRP 2015, 14 (20). Font Galarza / Gissler, The EU Review of the Vertical Restraints Policy in the Context of Internet Commerce, in: Gheur / Petit, S. 175, halten die in den Leitlinien der Vertikal-GVO vorgenommene Einordnung zum aktiven und passiven Verkauf im Rahmen des Internetvertriebs als nicht passend für diese Form des Vertriebs, so heißt es „Trying to fit the Internet



B. Freistellungsmöglichkeit der Wettbewerbsbeschränkung

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unstimmig in Betracht darauf, dass im Bereich des territorialen passiven Verkaufs der Händler den Kunden in anderen Vertragsgebieten nicht einmal seine Vertriebsbereitschaft, seine Preise und Lieferkonditionen bekannt gibt.121 Dies fände aber im Internet auf einer Website, die zu Verkaufszwecken betrieben wird, regelmäßig statt.122 Eine Gleichstellungsfähigkeit sei diesbezüglich daher nicht gegeben. Weiterhin wird kritisiert, der Kommission sei es nicht gelungen, die Begrifflichkeiten des aktiven und passiven Verkaufs im Internet konkret voneinander abzugrenzen.123 Die Abgrenzung zwischen aktivem und passivem Verkauf seien aufgrund der Schnelllebigkeit des Internets und der Entwicklung ständig neuer Marketing und Vertriebsformen im Rahmen des Internetvertriebs ohnehin nicht zeitgemäß und daher überarbeitungswürdig.124 Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass eine grundsätzlich Einordnung des Internetvertriebs als passiver Verkauf nicht bedeutet, dass spezielle Gestaltungsformen des Internetvertriebs nicht als aktiver Verkauf eingeordnet werden können. Bei der Abgrenzung vom aktiven und passiven Verkauf besteht eine Flexibilität, die es ermöglicht, auch neue Vertriebsformen einzuordnen. Eine konkrete Abgrenzung von aktivem und passivem Verkauf im Internethandel stünde dieser Flexibilität entgegen. 2. Abgrenzung der Kundengruppe i. S. v. Art.  4 lit.  b [i] Vertikal-GVO Im Rahmen der Ermittlung, ob eine Rückausnahme von der Kernbeschränkung vorliegt, kommt es in Bezug auf Beschränkungen des Internetvertriebs regelmäßig zu Schwierigkeiten bei der Abgrenzung der Kundengruppen: Bezogen auf den Internetvertrieb herrscht zum einen Uneinigkeit darüber, ob eine abgrenzbare Kundengruppe innerhalb der Internetkäufer überhaupt vorliegen kann. Es könnte – statt auf eine abgrenzbare Kundengruppe innerhalb der Internetkäufer – auch darauf abgestellt werden, ob die Kundenreichweite eingeschränkt ist.

into the policy grid intended for fundamentally different sales channels might ultimately have even a counterproductive effect.“ 121  Lubberger, WRP 2015, 14 (20). 122  Lubberger, WRP 2015, 14 (20). 123  Neubauer, Internetvertrieb im Kartellrecht, S. 149; Hederström / Peeperkorn, JECLAP 2016, 10 (16). 124  Hederström / Peeperkorn, JECLAP 2016, 10 (16); Font Galarza / Gissler, The EU Review of the Vertical Restraints Policy in the Context of Internet Commerce, in: Gheur / Petit, S. 175.

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3. Kap.: Kartellrechtliche Einordnung

a) Abgrenzbarkeit der Kundengruppe Insbesondere in der jüngeren Entscheidungspraxis fehlt eine einheitliche Richtung bezüglich der Abgrenzbarkeit von Internetkäufern als eigenständige Kundengruppe. Dies wird besonders deutlich an dem Beispiel der Internetplattformkunden. Die uneinheitliche Bewertung von Internetplattformkunden als abgrenzbare Kundengruppe im Sinne von Art. 4 lit. b [i] Vertikal-GVO führte jüngst zum Vorlagebeschluss des OLG Frankfurt.125 Zuvor wurde durch das OLG München bereits angenommen, die Plattformen richteten sich an die Gesamtheit aller Internetnutzer und die auf diesen Plattformen aktiven Nutzern könnten von den gleichen Händlern über andere Vertriebskanäle innerhalb und außerhalb des Internets erreicht werden.126 Außerdem könnten die Kunden von Auktionsplattformen in der Gruppe der Interneteinkäufer nicht sachlich separat abgegrenzt werden.127 Eine Kundengruppe in Gestalt der Plattformkunden wurde daher abgelehnt.128 In einem ähnlichen Fall bejahte jedoch ein anderes Gericht die unzulässige Beschränkung der Kundengruppe.129 Demnach sei es nicht relevant, ob die Kundengruppe, die über eine bestimmte Internetplattform einkauft, abgrenzbar sei.130 Ein vollständiges Verbot des Vertriebs an die Gruppe sei nicht erforderlich, es reiche aus, wenn der Abnehmer in seiner Möglichkeit, Waren an eine Kundengruppe abzusetzen, beschränkt werde.131 Ein anderes Gericht hielt die Erschwerung der Kundenansprache für eine Kernbeschränkung nach Art. 4 lit. b Vertikal125  OLG Frankfurt, Beschl. v. 19.04.2016, Az. 11 U 96 / 14 (Kart), WuW 2016, 314 = NZKart 2016, 236 (236 ff.) – Depotkosmetik II. Zur Abgrenzbarkeit der Kundengruppe bezüglich Plattformkunden siehe Ausführungen unter 5. Kapitel, H., III., 3., a), aa), S. 159 ff. 126  OLG München, Urt. v. 02.07.2009, Az. U (K) 4842 / 08, WuW / E  DE-R 2698 = GRUR-RR 2009, 394 (394); Herrlinger, NZKart 2014, 92 (93). 127  OLG München, Urt. v. 02.07.2009, Az. U (K) 4842 / 08, WuW / E  DE-R 2698 = GRUR-RR 2009, 394 (394); Herrlinger, NZKart 2014, 92 (93). 128  OLG München, Urt. v. 02.07.2009, Az. U (K) 4842 / 08, WuW / E  DE-R 2698 = GRUR-RR 2009, 394 (394). 129  KG Berlin, Urt. v. 19.09.2013, Az. 2 U 8 / 09 Kart, WuW / E DE-R 4019 = ZVertriebsR 2014, 104 (104) – Schulranzen und -rucksäcke; Herrlinger, NZKart 2014, 92 (93). 130  OLG Schleswig, Urt. v. 05.06.2014, Az. 16 U Kart 154 / 13, WuW / E  DE-R 4293 = NZKart 2014, 364 (364) – Partnervereinbarung; KG Berlin, Urt. v. 19.09.2013, Az. 2 U 8 / 09 Kart, WuW / E DE-R 4019 = ZVertriebsR 2014, 104 (109) – Schulranzen und -rucksäcke; Herrlinger, NZKart 2014, 92 (93). 131  KG Berlin, Urt. v. 19.09.2013, Az. 2 U 8 / 09 Kart, WuW / E DE-R 4019 = ZVertriebsR 2014, 104 (109) – Schulranzen und -rucksäcke; Herrlinger, NZKart 2014, 92 (93).



B. Freistellungsmöglichkeit der Wettbewerbsbeschränkung

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GVO für ausreichend.132 Als entscheidend wurde angesehen, dass durch eine Vertriebsbeschränkung für Internetplattformen der Händler gehindert sei, mehr oder andere Kunden zu erreichen.133 Da ein nicht nur unerheblicher Teil der Internetkunden die betroffene Plattform nutze, zeige die Beschränkung auch Wirkung.134 b) Einschränkung der Kundenreichweite Diese bisher uneinheitliche Rechtsprechung findet in der Literatur zuweilen Anstoß zur Diskussion:135 Teilweise wird sich dafür ausgesprochen, dass Art. 4 lit. b Vertikal-GVO nicht einschlägig sei, wenn lediglich eine Vertriebsform beschränkt wird, trotzdem aber weiterhin sämtliche Kunden über andere Vertriebskanäle erreicht werden könnten.136 Die Beschränkung solle bestimmte Kunden als solche zum Gegenstand haben. Dies sei beispielsweise beim vollständigen Internetverbot für den Händler denkbar, wenn dieser mit seinem stationären Vertrieb grundsätzlich nicht die gleichen Kunden erreichen könne. Einzelne Einschränkungen der Vertriebsmöglichkeiten der Händler dagegen würden keine Kernbeschränkung begründen, sondern müssen sich sowohl dem intra- als auch dem interbrand Wettbewerb stellen.137 Auf der anderen Seite sprechen sich, wie auch in der Rechtsprechung, ebenfalls einige Stimmen in der Literatur dafür aus, dass nicht der Absatz an einen abgrenzbaren Kundenkreis verboten werden muss, damit die Voraussetzung des Art. 4 lit. b Vertikal-GVO erfüllt ist.138 Vielmehr genüge es, dass die Erreichbarkeit eines weiter zu ziehenden Kundenkreises, wie der der Internetkunden eingeschränkt wird.139 Es wird angeführt, dass eine eindeutige Abgrenzung der Gruppe der Internetkäufer an sich so nicht möglich 132  LG Kiel, Urt. v. 08.11.2013, Az. 14 O 44 / 13 Kart, WuW / E DE-R 4075 = NZKart 2014, 39 (40) – Digitalkameras; Herrlinger, NZKart 2014, 92 (93). 133  LG Kiel, Urt. v. 08.11.2013, Az. 14 O 44 / 13 Kart, WuW / E DE-R 4075 = NZKart 2014, 39 (40) – Digitalkameras; Herrlinger, NZKart 2014, 92 (93). 134  LG Kiel, Urt. v. 08.11.2013, Az. 14 O 44 / 13 Kart, WuW / E DE-R 4075 = NZKart 2014, 39 (40) – Digitalkameras; Herrlinger, NZKart 2014, 92 (93). 135  Herrlinger, NZKart 2014, 92 (93); Schweda / Rudowicz, WRP 2013, 590 (598); Anm. von Neubauer zu KG, Urt. v. 19.09.2013, Az. 2 U 8 / 09 Kart, WuW / E DE-R 4019 = EuZW 2013, 873  – Schulranzen und -rucksäcke; Lubberger, WRP 2015, 14 (20); Mäger / von Schreitter, NZKart 2015, 62 (66); Pichler / Hertfelder, NZKart 2014, 47 (49 f.). 136  Herrlinger, NZKart 2014, 92 (93). 137  Herrlinger, NZKart 2014, 92 (93). 138  Neubauer zu KG, Urt. v. 19.09.2013, EuZW 2013, 873 (880). 139  Neubauer zu KG, Urt. v. 19.09.2013, EuZW 2013, 873 (880); Schweda / Rudowicz, WRP 2013, 590 (598).

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3. Kap.: Kartellrechtliche Einordnung

sei.140 Vielmehr würden Kunden, die online einkaufen, in der Regel auch von stationären Händlern erreicht werden können und genauso sei dies auch umgekehrt der Fall.141 Daher sei es auch widersprüchlich auf der einen Seite, Käufer auf Online-Plattformen nicht als Kundengruppe zu betrachten, weil die Kunden ebenso über herkömmliche Internetshops erreicht werden könnten.142 Und auf der anderen Seite, Internetkäufer als eigene Kundengruppe anzusehen, obwohl diese auch von stationären Händlern erreicht werden könnten.143 Aus dieser Widersprüchlichkeit folge, dass die Abgrenzbarkeit keine Voraussetzung für die Annahme einer Kundengruppenbeschränkung sein könne.144 Besonders aussagekräftig ist jedoch der Vergleich der verschiedenen Sprachfassungen: Vielfach ist im Wortlaut der Vertikal-GVO in anderen Sprachfassungen von „Kundenbeschränkungen“, statt von „Kundengruppe“ die Rede.145 Demnach soll der konkrete Begriffsbestandteil der „Gruppe“ der deutschen Fassung kein solches Abgrenzungskriterium enthalten, wie ihm vielfach beigemessen wird.146 Entscheidend soll ferner sein, ob der Händler in seiner Kundenreichweite eingeschränkt wird.147 Dieser Ansatz geht auch aus den Leitlinien hervor, in denen im Rahmen von Art. 4 lit. b Vertikal-GVO ausdrücklich darauf abgestellt werde, ob Händler „daran gehindert werden können, mehr und andere Kunden zu erreichen“.148 3. Sprunglieferungen i. S. v. Art. 4 lit. b [ii] Vertikal-GVO Eine weitere Fallgruppe von zulässigen Beschränkungen im Rahmen von Art. 4 lit. b Vertikal-GVO findet sich in lit. ii und betrifft sog. Sprunglieferungen. Danach ist es zulässig, den Verkauf an Endverbraucher durch einen Großhändler zu beschränken, damit der Anbieter die Großhandels- und die Einzelhandelsstufe getrennt halten kann. Insoweit kann nicht nur der aktive, 140  Schweda / Rudowicz,

WRP 2013, 590 (599). WRP 2013, 590 (599). 142  Schweda / Rudowicz, WRP 2013, 590 (599). 143  Schweda / Rudowicz, WRP 2013, 590 (599). 144  Schweda / Rudowicz, WRP 2013, 590 (599). 145  Schweda / Rudowicz, WRP 2013, 590 (598); Mäger / von Schreitter, NZKart 2015, 62 (64); Baron, in: Loewenheim / Meessen / Riesenkampff, Kartellrecht, Art. 4 Vert-GVO Rn. 255; So heißt es beispielsweise „restriction of customers“, „restriction concernant la clientèle“, „la restricción de los clientes“. 146  Schweda / Rudowicz, WRP 2013, 590 (598); Mäger / von Schreitter, NZKart 2015, 62 (66). 147  Schweda / Rudowicz, WRP 2013, 590 (598). 148  Vertikal-LL Tz. 52; Schweda / Rudowicz, WRP 2013, 590 (598). 141  Schweda / Rudowicz,



B. Freistellungsmöglichkeit der Wettbewerbsbeschränkung

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sondern auch der passive Verkauf beschränkt werden.149 Dies gilt auch für den Internetvertrieb.150 Angebote im Internet – wie beispielsweise auf Internetplattformen – richten sich regelmäßig an Endverbraucher.151 Dementsprechend darf das Verbot des Verkaufs an Endverbraucher in Vereinbarungen mit Großhändlern zulässigerweise auch das Verbot des Verkaufs über Internetplattformen beinhalten.152

V. Voraussetzungen der Einzelfreistellung nach Art. 101 Abs. 3 AEUV / § 2 GWB Neben den Gruppenfreistellungen, wie im Rahmen der Vertikal-GVO, beinhalten das GWB sowie die AEUV auch Einzelfreistellungen. Eine Freistellung nach Art. 101 Abs. 3 AEUV bzw. § 2 GWB hängt von dem kumulativen Vorliegen von zwei positiven und zwei negativen Voraussetzungen ab.153 Zunächst muss in positiver Hinsicht ein Beitrag zur Verbesserung der Warenerzeugung oder -verteilung oder zur Förderung des technischen oder wirtschaftlichen Fortschritts geleistet werden und eine angemessene Beteiligung der Verbraucher an dem entstehenden Gewinn garantiert sein. Außerdem ist in negativer Hinsicht die Unerlässlichkeit der auferlegten Wettbewerbsbeschränkungen erforderlich sowie die Unmöglichkeit, für einen wesentlichen Teil der betreffenden Waren den Wettbewerb auszuschalten. Über das Merkmal der Verbesserung der Warenverteilung hinaus, ist im Rahmen von Art. 101 Abs. 3 AEUV jedoch anerkanntermaßen erforderlich, dass die Vereinbarung zu deutlichen Effizienzvorteilen führt.154 Zu ihrer Ermittlung wird zuvorderst die Wettbewerbsbeschränkung mit ihren Effi­ zienzverlusten festgestellt, im Anschluss werden Effizienzgewinne analysiert 149  Lubberger,

WRP 2015, 14 (21). WRP 2015, 14 (21). 151  Lubberger, WRP 2015, 14 (21). 152  Lubberger, WRP 2015, 14 (21). 153  OLG Düsseldorf, Urt. v. 09.01.2015, Az. VI-Kart 1 / 14 (V), WuW / E  DE-R 4572 = NZKart  2015, 148 (151)  – HRS-Bestpreisklauseln; BKartA, Entsch. v. 22.12.2015, Az. B 9-121 / 13, Rn. 254  – Booking; Schröter / Voet van Vormizeele, in: von der Groeben / Schwarze / Hatje, Europäisches Unionsrecht, Art. 101 AEUV Rn. 286; Innerhofer, ZVertriebsR 2013, 266 (268). 154  OLG Düsseldorf, Urt. v. 09.01.2015, Az. VI-Kart 1 / 14 (V), WuW / E  DE-R 4572 = NZKart  2015, 148 (151)  – HRS-Bestpreisklauseln; Diese sog. Effizienzverteidigung, auch „efficieny defence“ hat sich durch den „more economic approach“ herausgebildet, so Schröter / Voet van Vormizeele, in: von der Groeben / Schwarze /  Hatje, Europäisches Unionsrecht, Art. 101 AEUV Rn. 289; Innerhofer, ZVertriebsR 2013, 266 (268). 150  Lubberger,

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3. Kap.: Kartellrechtliche Einordnung

und mit den Effizienzverlusten abgewogen.155 Im Rahmen der Analyse der Effizienzgewinne sind die Art, die Wahrscheinlichkeit, ihre Qualität und Quantität, der Zeitpunkt sowie ihre wirtschaftliche Bedeutung zu bestimmen.156 Die in Rede stehende Vereinbarung kann einer Freistellung nach Art. 101 Abs. 3 AEUV unterliegen, wenn die Abwägung ergibt, dass die Effizienzgewinne die Effizienzverluste überwiegen.157 Effizienzvorteile können beispielsweise die Senkung der Produktionskosten, die Verbesserung der Produktqualität und die Entwicklung eines neuen Produkts sein.158 Besondere Bedeutung haben dabei sog. dynamische Effizienzgewinne, die zu Innovation führen.159 Im Zusammenhang mit Markenprodukten zählt zu den effizienzsteigernden Faktoren, die Förderung von Investitionsanreizen zur Beseitigung des „Trittbrettfahrer“-Problems sowie des „Hold-up“-Problems160, außerdem Anreize zur Erschließung neuer Märkte sowie zur Wahrung der Einheitlichkeit und Qualität der Produkte zwecks Etablierung eines Markenimages.161 Kernbeschränkungen sind nicht von vorneherein vom Anwendungsbereich des Art. 101 Abs. 3 AEUV ausgeschlossen. Es ist freilich bei schwerwiegenden Wettbewerbsbeschränkungen eher unwahrscheinlich, dass die in Art. 101 Abs. 3 AEUV festgelegten Freistellungsvoraussetzungen erfüllt sind.162

155  Schröter / Voet van Vormizeele, in: von der Groeben / Schwarze / Hatje, Europäisches Unionsrecht, Art. 101 AEUV Rn. 289. 156  Innerhofer, ZVertriebsR 2013, 266 (268). 157  Schröter / Voet van Vormizeele, in: von der Groeben / Schwarze / Hatje, Europäisches Unionsrecht, Art. 101 AEUV Rn. 289. 158  Innerhofer, ZVertriebsR 2013, 266 (268). 159  Innerhofer, ZVertriebsR 2013, 266 (268). 160  Das sog. „Hold-up“-Problem findet Erwähnung in Vertikal-LL Tz. 198: „Haben beide Seiten vertragsspezifische Investitionen vornehmen müssen (‚Hold-up‘Problem) (…)“; das „Hold-up“-Problem tritt auf, wenn ein Unternehmen, eine Investition getätigt hat, die nur im Rahmen einer spezifischen Transaktion mit einem anderen Unternehmen einen ökonomischen Wert erhält und sich der Unternehmer durch diese Investition faktisch einseitig an das andere Unternehmen bindet. Das Unternehmen, das die Investition getätigt hat, ist dadurch dem anderen Unternehmen ausgeliefert und kann seiner „Quasirente aus dieser Investition ‚beraubt‘ werden“, Kerber / Schwalbe, in: MüKo Kartellrecht, Einl. Rn. 458. 161  Siehe dazu Vertikal-LL Tz. 107; Innerhofer, ZVertriebsR 2013, 266 (268). 162  Eilmansberger, in: Streinz, EUV / AEUV, Art. 101 AEUV Rn. 144; Spenner / Kiani, NZKart 2016, 208 (211).

4. Kapitel

Stellenwert Image Zur Ermittlung, welchen Stellenwert das Image für die Vertriebsgestaltung durch den Hersteller hat, wird zunächst die Bedeutung innerhalb der Rechtsprechung (unter A.) beleuchtet, sodann wird auf den Vertieb von Luxusprodukten im Internet eingegangen (unter B.).

A. Bedeutung innerhalb der Rechtsprechung Bereits im Jahre 1991 beschäftigte sich die Europäische Kommission mit der Bedeutung des Images eines Produktes und mit den Anforderungen von Herstellern an die Wiederverkäufer, die dazu dienen sollten, den typischen Ruf der Spitzenqualität und Exklusivität zu erhalten.1 In der Entscheidung ging es konkret um die Produkte von Yves Saint Laurent Parfums. Die Produkte wurden als „hochwertige Artikel und das Ergebnis besonderer Anstrengungen“ eingestuft.2 Dies würde sich insbesondere dadurch äußern, dass „sie eine Originalschöpfung darstellen, die Angebotspalette sich an einen verwöhnten Geschmack richtet, hochwertige Ausgangsstoffe verarbeitet werden und sie in einer aufwendigen Verpackung auf den Markt gelangen“.3 Weiter wird ausgeführt, der Luxuscharakter ergebe sich aus „einer Aura prestigeträchtiger Exklusivität, die sie von ähnlichen Produkten anderer Marktsegmente unterscheiden“.4 Die Kommission lässt in der Entscheidung dem Luxuscharakter eines Produktes besondere Bedeutung zu kommen. Der Hersteller soll in der Lage sein, eine Marke mit hohem Ansehen aufzubauen und damit auch längerfristig im Geschäft zu bleiben. Dies könne nur gewährleistet werden, wenn der Hersteller die Marke seinen Kunden in einer Weise präsentieren kann, die das ästhetisch und funktionell 1  Kommission, Entsch. v. 16.12.1991, ABl. 1992, 915 (915) – Yves Saint Laurent Parfums. 2  Kommission, Entsch. v. 16.12.1991, ABl. 1992, 915 (917)  – Yves Saint Laurent Parfums. 3  Kommission, Entsch. v. 16.12.1991, ABl. 1992, 915 (917)  – Yves Saint Laurent Parfums. 4  Kommission, Entsch. v. 16.12.1991, ABl. 1992, 915 (918) – Yves Saint Laurent Parfums.

EG 1992 L 12, 24 = GRUR Int EG 1992 L 12, 24 = GRUR Int EG 1992 L 12, 24 = GRUR Int EG 1992 L 12, 24 = GRUR Int

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4. Kap.: Stellenwert Image

Besondere des einzelnen Produkts herausstellt.5 Das ergebe sich in dem spezifischen Fall auch daraus, dass gerade auf dem Markt für Luxuskosmetika eine breite Masse an konkurrierenden Marken existiert und jeder Händler in der Regel diverse Marken führe.6 Unter diesen Umständen sei die Forderung nach sachkundiger Beratung des Kunden im Geschäft berechtigt, da besondere Fachkenntnisse erforderlich seien.7 Weiterhin sei die Erhaltung des Ansehens einer bedeutenden Marke auf dem Markt für Kosmetika des Luxussegments unbedingt erforderlich, um in dem Wettbewerb bestehen zu können.8 Der Schutz des Images eines Produkts wird bereits seit Jahren von deutschen Gerichten als für die Abwägung maßgeblich erachtet: Der BGH hielt 2003 das durch den Hersteller an seine Händler gestellte Erfordernis, neben dem Internetvertrieb auch noch ein stationäres Ladenlokal zu betreiben, für nicht sachgerecht.9 Zur Begründung nahm er auf das Luxusimage eines Produkts Bezug. Es sei nicht ersichtlich, wie ein stationäres Ladengeschäft zur Aufrechterhaltung des Images dienen könne.10 Dass Betreiber eines selektiven Vertriebssystems für hochwertige Markenparfums grundsätzlich ein berechtigtes Interesse haben, diese Vertriebsform auszuschließen, erkennt der BGH in seiner Entscheidung jedoch an.11 Zehn Jahre später stellt sich das KG auf den Standpunkt, dass das Interesse, die Marken vor einer von dem Hersteller befürchteten „Verramschung“ zu bewahren, rechtlich geschützt sei.12 Das KG bezog in die Urteilsbegründung mit ein, dass der Hersteller durch Wahrung gehobener Qualitätsstandards bei der Herstellung und eine darauf bezogene Werbung ein entsprechendes Markenimage aufbaut, von dem sich der Hersteller Wettbewerbsvorteile innerhalb des für ihn relevanten Käuferkreises gegenüber Konkurrenten erhofft.13 5  Kommission, Entsch. v. 16.12.1991, ABl. EG 1992 L 12, 24 = GRUR Int 1992, 915 (918) – Yves Saint Laurent Parfums. 6  Kommission, Entsch. v. 16.12.1991, ABl. EG 1992 L 12, 24 = GRUR Int 1992, 915 (918) – Yves Saint Laurent Parfums. 7  Kommission, Entsch. v. 16.12.1991, ABl. EG 1992 L 12, 24 = GRUR Int 1992, 915 (918) – Yves Saint Laurent Parfums. 8  Kommission, Entsch. v. 16.12.1991, ABl. EG 1992 L 12, 24 = GRUR Int 1992, 915 (918) – Yves Saint Laurent Parfums. 9  BGH, Urt. v. 04.11.2003, Az. KZR 2 / 02, WuW / E  DE-R 1203 = WRP 2004, 374 (374)  – Depotkosmetik im Internet. 10  BGH, Urt. v. 04.11.2003, Az. KZR 2 / 02, WuW / E  DE-R 1203 = WRP 2004, 374 (374)  – Depotkosmetik im Internet. 11  BGH, Urt. v. 04.11.2003, Az. KZR 2 / 02, WuW / E  DE-R 1203 = WRP 2004, 374 (374)  – Depotkosmetik im Internet. 12  In dem Urteil ging es um die Untersagung der Veräußerung bei eBay, KG, Urt. v. 19.09.2013, Az. 2 U 8 / 09 Kart, WuW / E  DE-R 4019 = NZKart 2014 72 (73)  – Schulranzen und -rucksäcke.



A. Bedeutung innerhalb der Rechtsprechung83

Auch in der Rechtsprechung zum Markenrecht kommt dem Image des Produktes eine Bedeutung zu. So hat der EuGH ausdrücklich anerkannt, dass die Qualität und damit auch die Produktmerkmale nicht nur materielle Eigenschaften sein können, sondern auch der Prestigecharakter, der den Waren eine luxuriöse Ausstrahlung verleiht, als Qualitätsmerkmal maßgeblich ist.14 Die Reputation stellt demnach ein durch den Lizenzgeber schützenswertes Qualitätsmerkmal einer Ware im Sinne des Art. 8 Abs. 2 der Ersten Richtlinie 89 / 104 / EWG zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Marken dar.15 Das ausschließliche Recht des Markeninhabers nach § 14 MarkenG umfasst einen Unterlassungsanspruch. Gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist es Dritten ohne die Zustimmung des Markeninhabers untersagt, ein mit der Marke identisches Zeichen für Waren oder Dienstleistungen zu benutzen, die mit demjenigen identisch sind, für die sie Schutz genießt. Diese sog. Doppelidentität von Ware und Marke erfasst dabei nicht nur die Herstellung von Plagiaten.16 Angesichts des weiten Wortlauts ist eine Doppelidentität in diesem Sinne auch gegeben, wenn durch den Markeninhaber mit der Marke versehene Originalware durch einen Außenseiter vertrieben wird.17 Mithin sieht auch das Markenrecht den Schutz des Markeninhabers hinsichtlich des Vertriebs seiner Markenprodukte vor. Der Markeninhaber wird also hinsichtlich seiner besonderen Stellung und bezüglich seiner Marke als schützenswert angesehen. Die Markenpflege ist außerdem auch in der kartellrechtlichen Literatur als wesentlicher Bestandteil des unverfälschten Wettbewerbs anerkannt.18 Starke Marken verhindern demnach den Wettbewerb nicht, sondern können ihn fördern.19 Sie vermitteln dem Verbraucher Orientierung und dem Handelsunternehmen Attraktivität.20 Weiterhin kann das Markenimage durch die Eigenschaften, die dem Produkt durch dieses zugesprochen werden, dazu 13  KG, Urt. v. 19.09.2013, Az. 2 U 8 / 09 Kart, WuW / E  DE-R 4019 = NZKart  2014, 72 (73)  – Schulranzen und -rucksäcke. 14  EuGH, Urt. v. 23.04.2009, Rs. C-59 / 08 P, Slg  2009, I-3421 Tz. 24 = EuZW  2009, 453 = GRUR  2009, 593 (593)  – Copad / Dior. 15  Die Vorschrift wurde ersetzt durch Art. 8 Abs. 2 lit. e Richtlinie 2008 / 95 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22.10.2008 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken. Außerdem wurde die Vorschrift im deutschen Recht in § 30 Abs. 2 Nr. 5 MarkenG verankert. EuGH, Urt. v. 23.04.2009. Rs. C-59 / 08 P, Slg  2009, I-3421 Tz. 24 = EuZW  2009, 453 = GRUR 2009, 593 (593)  – Copad / Dior. 16  Unglaub, Der selektive Vertrieb von Parfum und Luxuskosmetika, S. 195. 17  Unglaub, Der selektive Vertrieb von Parfum und Luxuskosmetika, S. 195. 18  Fesenmair, GRUR-Prax 2013, 283 (283). 19  Fesenmair, GRUR-Prax 2013, 283 (283). 20  Fesenmair, GRUR-Prax 2013, 283 (283).

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4. Kap.: Stellenwert Image

dienen, eine gewisse Markttransparenz herzustellen.21 Da die Stärke einer Marke auch davon abhängt, wie sie dem Endverbraucher präsentiert wird, muss ein markenbewusstes Unternehmen in gewissem Maße Einfluss auf den Vertrieb seiner Markenprodukte nehmen und versuchen, Verkaufsmodalitäten und die Art der Präsentation von Produkten zu bestimmen oder hierfür Mindeststandards festzulegen.22 In der Regel stellt die Marke letztlich das eigentliche Kapital des Inhabers einer (Luxus-)Marke dar.23 Das Urteil des EuGH vom 13.10.2011 in der Rechtssache Pierre Fabre Dermo-Cosmétique SAS gilt als Grundsatzentscheidung im Bereich des Internetvertriebs. Erstmals bewertet der EuGH den Internetvertrieb aus dem Blickwinkel des Kartellrechts.24 Insbesondere die Aussage, „das Ziel, den Prestigecharakter zu schützen, kann kein legitimes Ziel zur Beschränkung des Wettbewerbs sein und kann daher nicht rechtfertigen, dass eine Vertragsklausel, mit der ein solches Ziel verfolgt wird, nicht unter Art. 101 Abs. 1 AEUV fällt“,25 bietet Anlass, sich im Rahmen Ermittlung des Stellenwerts des Images für die Rechtsprechung, näher mit dem Urteil des Gerichtshofs zu befassen.

I. Auswirkungen der Pierre-Fabre-Entscheidung Gegenstand der Entscheidung waren die Vertriebsvereinbarungen des Herstellers von Kosmetika und Körperpflegeprodukten Pierre Fabre im Rahmen eines selektiven Vertriebssystems, die vorsahen, dass die Produkte von Pierre Fabre ausschließlich in einer physischen Verkaufsstelle und in Anwesenheit eines diplomierten Pharmazeuten verkauft werden dürfen.26 Problematisch war, dass die Anforderungen de facto sämtliche Verkaufsformen über das Internet ausschlossen.27 Die französische Wettbewerbsbehörde 21  Querndt,

Selektivvertrieb und eBay-Versteigerungen, S. 74. GRUR-Prax 2013, 283 (283); Ruess / Slopek, WRP 2009, 1021 (1023); Querndt, Selektivvertrieb und eBay-Versteigerungen, S. 10. 23  Ruess / Slopek, WRP 2009, 1021 (1023); Weindl, Der schöne Schein, S. 23, geht noch weiter und stellt fest: „Die Marke ist eine Ikone. Das Produkt ist Nebensache.“ 24  Wegener, BB 2011, 2956 (2959). 25  EuGH, Urt. v. 13.10.2011, Rs. C-439 / 09, Slg 2011, I-9419, WuW / E  EU-R 2163 = EuZW 2012, 28 (30 Rn. 46) – Pierre Fabre Dermo-Cosmétique. 26  EuGH, Urt. v. 13.10.2011, Rs. C-439 / 09, Slg 2011, I-9419, WuW / E  EU-R 2163 = EuZW 2012, 28 (29) – Pierre Fabre Dermo-Cosmétique; Eickhoff, GWR 2011, 503 (503); Enchelmaier, Selective Distribution and the Internet, in: Competition on the Internet, Surblyté, S. 12. 27  EuGH, Urt. v. 13.10.2011, Rs. C-439 / 09, Slg 2011, I-9419, WuW / E  EU-R 2163 = EuZW 2012, 28 (29) – Pierre Fabre Dermo-Cosmétique. 22  Fesenmair,



A. Bedeutung innerhalb der Rechtsprechung85

beurteilte dieses Verbot gegenüber den zugelassenen Vertriebshändlern als eine gegen das französische und das europäische Kartellrecht verstoßende Wettbewerbsbeschränkung.28 Gleichzeitig wies die französische Wettbewerbsbehörde Pierre Fabre an, sämtliche Klauseln in ihren selektiven Vertriebsvereinbarungen, die einem Verbot des Verkaufs ihrer Kosmetika und Körperpflegeprodukte über das Internet gleichkämen, zu streichen und ihren Vertriebshändlern in ihren Verträgen ausdrücklich die Möglichkeit einzuräumen, diesen Vertriebsweg zu nutzen.29 Des Weiteren wurde gegen Pierre Fabre eine Geldstrafe in Höhe von 17.000 Euro festgesetzt.30 Im Rahmen des hiergegen eingelegten Rechtsbehelfs hat sich die zuständige Cour d’appel de Paris mit einem Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH gewandt.31 Um sich die Auswirkungen der Pierre Fabre-Entscheidung zu vergegenwärtigen, bedarf es zunächst einer näheren Auseinandersetzung mit der Urteilsbegründung (1.). Diese wird in den darauffolgenden Ausführungen einer Bewertung unterzogen, die sich insbesondere auch mit den in der Literatur und Rechtsprechung einhelligen Kritikpunkten beschäftigt (2.). 1. Urteilsbegründung Der EuGH sah in dem de facto Verbot der Internetnutzung für die Verkäufer eine bezweckte Beschränkung im Sinne von Art. 101 Abs. 1 AEUV, sofern eine individuelle und konkrete Prüfung des Inhalts und des Ziels dieser Vertragsklausel sowie des rechtlichen und wirtschaftlichen Zusammenhangs, in dem sie steht, ergibt, dass diese Klausel in Anbetracht der Eigenschaften der in Rede stehenden Produkte nicht objektiv gerechtfertigt ist.32 Außerdem sei Art. 4 lit. c Vertikal-GVO dahingehend auszulegen, dass die in Art. 2 Vertikal-GVO vorgesehene Gruppenfreistellung nicht auf eine selektive Vertriebsvereinbarung anwendbar ist, die eine Klausel ent28  Es wurde konkret ein Verstoß gegen Art. 81 EG und gegen Art. L. 420-1 des Code de commerce angenommen, EuGH, Urt. v. 13.10.2011, Rs. C-439 / 09, Slg 2011, I-9419, WuW / E  EU-R 2163 = EuZW 2012, 28 (29)  – Pierre Fabre DermoCosmétique. 29  EuGH, Urt. v. 13.10.2011, Rs. C-439 / 09, Slg 2011, I-9419, WuW / E  EU-R 2163 = EuZW 2012, 28 (29) – Pierre Fabre Dermo-Cosmétique. 30  EuGH, Urt. v. 13.10.2011, Rs. C-439 / 09, Slg 2011, I-9419, WuW / E  EU-R 2163 = EuZW 2012, 28 (29) – Pierre Fabre Dermo-Cosmétique. 31  EuGH, Urt. v. 13.10.2011, Rs. C-439 / 09, Slg 2011, I-9419, WuW / E  EU-R 2163 = EuZW 2012, 28 (29) – Pierre Fabre Dermo-Cosmétique; Eickhoff, GWR 2011, 503 (503). 32  EuGH, Urt. v. 13.10.2011, Rs. C-439 / 09, Slg 2011, I-9419, WuW / E  EU-R 2163 = EuZW 2012, 28 (28) – Pierre Fabre Dermo-Cosmétique.

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4. Kap.: Stellenwert Image

hält, die de facto das Internet als Vertriebsform für die Vertragsprodukte verbietet.33 Individuell anwendbar kann jedoch die Legalausnahme in Art. 101 Abs. 3 AEUV sein, wenn die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt sind.34 Teil der Urteilsbegründung war auch die vielfach zitierte Aussage, „das Ziel, den Prestigecharakter zu schützen, kann kein legitimes Ziel zur Beschränkung des Wettbewerbs sein und kann daher nicht rechtfertigen, dass eine Vertragsklausel, mit der ein solches Ziel verfolgt wird, nicht unter Art. 101 Abs. 1 AEUV fällt“.35 In Bezug auf die Gruppenfreistellung nach der Vertikal-GVO heißt es, dass eine Vertragsklausel, die de facto das Internet als Vertriebsform verbietet, zumindest die Beschränkung des passiven Verkaufs an Endverbraucher, die über das Internet kaufen möchten und außerhalb des physischen Einzugsgebiets des betreffenden Mitglieds des selektiven Vertriebssystems ansässig sind, bezwecke.36 Der EuGH setzte sich darüber hinaus auch mit der Annahme von Pierre Fabre, das Verbot, die Vertragsprodukte über das Internet zu verkaufen, käme einem Verbot gleich, Geschäfte von einer nicht zugelassenen Niederlassung aus zu betreiben und somit die Freistellung von Art. 4 lit. c Vertikal-GVO einschlägig sei, auseinander.37 Der EuGH stellt diesbezüglich fest, dass „nicht zugelassene Niederlassungen“ im Sinne von Art. 4 lit. c Vertikal-GVO generell nur auf Verkaufsstellen abzielen, in denen Direktverkäufe vorgenommen werden.38 Es sei fraglich, ob der Begriff durch eine weite Auslegung auf den Ort erstreckt werden könne, an dem die Dienstleistungen des Verkaufs über das Internet erbracht werden.39 Der EuGH kommt schließlich zu dem Schluss, dass kein Anlass dafür besteht, die Bestimmungen, mit denen die Vereinbarungen oder Verhaltensweisen in die Gruppenfreistellung einbezogen werden, weit auszulegen.40 Ein Unternehmer habe näm33  EuGH, Urt. v. 13.10.2011, Rs. C-439 / 09, Slg 2011, I-9419, WuW / E  EU-R 2163 = EuZW 2012, 28 (28) – Pierre Fabre Dermo-Cosmétique. 34  EuGH, Urt. v. 13.10.2011, Rs. C-439 / 09, Slg 2011, I-9419, WuW / E  EU-R 2163 = EuZW 2012, 28 (28) – Pierre Fabre Dermo-Cosmétique. 35  EuGH, Urt. v. 13.10.2011, Rs. C-439 / 09, Slg 2011, I-9419, WuW / E  EU-R 2163 = EuZW 2012, 28 (30 Rn. 46) – Pierre Fabre Dermo-Cosmétique. 36  EuGH, Urt. v. 13.10.2011, Rs. C-439 / 09, Slg 2011, I-9419, WuW / E  EU-R 2163 = EuZW 2012, 28 (31 Rn. 54) – Pierre Fabre Dermo-Cosmétique. 37  EuGH, Urt. v. 13.10.2011, Rs. C-439 / 09, Slg 2011, I-9419, WuW / E  EU-R 2163 = EuZW 2012, 28 (31 Rn. 55) – Pierre Fabre Dermo-Cosmétique. 38  EuGH, Urt. v. 13.10.2011, Rs. C-439 / 09, Slg 2011, I-9419, WuW / E  EU-R 2163 = EuZW 2012, 28 (31 Rn. 56) – Pierre Fabre Dermo-Cosmétique. 39  EuGH, Urt. v. 13.10.2011, Rs. C-439 / 09, Slg 2011, I-9419, WuW / E  EU-R 2163 = EuZW 2012, 28 (31 Rn. 56) – Pierre Fabre Dermo-Cosmétique. 40  EuGH, Urt. v. 13.10.2011, Rs. C-439 / 09, Slg 2011, I-9419, WuW / E  EU-R 2163 = EuZW 2012, 28 (31 Rn. 57)  – Pierre Fabre Dermo-Cosmétique.



A. Bedeutung innerhalb der Rechtsprechung

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lich stets die Möglichkeit, individuell die Legalausnahme in Art. 101 Abs. 3 AEUV geltend zu machen.41 2. Bewertung des Urteils Das Echo zur Pierre Fabre-Entscheidung war enorm und trägt sich bis heute fort. Die Entscheidung des EuGH wurde von deutschen Gerichten in diversen Entscheidungen zitiert,42 außerdem auch vom Bundeskartellamt aufgegriffen43 und gab in der Literatur Anlass zur Diskussion.44 Die Bewertung des Urteils geht dabei in verschiedene Richtungen: Von einigen Stimmen wird angemerkt, das Urteil gebe keine völlig neue Sicht der Dinge wieder, da im Wesentlichen die in den Leitlinien der Vertikal-GVO a. F.45 vertretene Ansicht wiedergegeben werde, wenngleich einige Auslegungsspielräume beseitigt werden.46 Dadurch würde eine gewisse Rechtssicherheit geschaffen und der Internetvertrieb letztlich gestärkt.47 Dem Urteil wird eine erhebliche praktische Bedeutung zugesprochen.48 Alles in allem habe der EuGH in dem Urteil außerdem die Ausführungen der Kommission in den Leitlinien der Vertikal-GVO gestützt und auch bestätigt.49 41  EuGH, Urt. v. 13.10.2011, Rs. C-439 / 09, Slg 2011, I-9419, WuW / E  EU-R 2163 = EuZW 2012, 28 (31 Rn. 57)  – Pierre Fabre Dermo-Cosmétique. 42  Zuletzt OLG Frankfurt, Urt. v. 22.12.2015, Az. 11 U 84 / 14 (Kart), WuW 2016, 138 = NZKart 2016, 84 (86) – Funktionsrucksäcke; OLG Frankfurt, Beschl. v. 19.04.2016, Az. 11 U 96 / 14 (Kart), WuW 2016, 314 = NZKart 2016, 236 (237). 43  BKartA, Beschl. v. 26.08.2015, Az. B2-98 / 11, Rn. 33  – Asics. 44  Eickhoff, GWR 2011, 503 (503); Peeperkorn / Heimann, GRUR 2014, 1175 (1175 f.); Ellenrieder, WRP 2012, 141 (141 f.); Wegener, BB 2011, 2956 (2959); Velte, EuZW 2012, 19 (19 f.); Dethof, ZWeR 2012, 503 (503 f.); Mäger / von Schreitter, NZKart 2015, 62 (65); Innerhofer, ZVertriebsR 2013, 266 (226 f.); Oest / Wagener, RIW 2012, 35 (35 f.); Lubberger, WRP 2015, 14 (18); Enchelmaier, Selective Distribution and the Internet, in: Competition on the Internet, Surblyté, S. 5 ff.; Pick, in: Demolin, Commercial Distribution, S. 345. 45  Mitteilung der Kommission, Leitlinien für vertikale Beschränkungen, AB1.EG 2000 V 291 / 1, Rn. 52–54. 46  Wegener, BB 2011, 2956 (2959); Oest / Wagener, RIW 2012, 35 (39); so ähnlich jedenfalls Neubauer, MMR 2012, 50 (54); Velte, EuZW 2012, 19 (21), sieht in dem Urteil keinen Widerspruch zu den Leitlinien der Vertikal-GVO, aber auf der anderen Seite auch wenig weitere Erkenntnisse für die Beurteilung von Beschränkungen des Internetvertriebs in selektiven Vertriebssystemen. 47  Wegener, BB 2011, 2956 (2959); Dethof, ZWeR 2012, 503 (514); Oest / Wagener, RIW 2012, 35 (39) meinen, in Teilbereichen sei deutlich geworden, welche Gesichtspunkte bei der Ausgestaltung des Internetvertriebs zu berücksichtigen seien, in Bezug auf den Internetvertrieb seien aber weiterhin zahlreiche Fragen offen. 48  Velte, EuZW 2012, 19 (19). 49  Dethof, ZWeR 2012, 503 (514); Oest / Wagener, RIW 2012, 35 (39).

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4. Kap.: Stellenwert Image

Es finden sich jedoch insbesondere in der Literatur weitaus kritischere Stimmen, die spezifische Aspekte der Urteilsbegründung hinterfragen: Diese lassen sich grob einteilen, in Stimmen, die sich zu grundsätzlichen Ausführungen zum Internetvertrieb äußern (a)) sowie Stimmen, die Bezug zu den Ausführungen zum Prestigecharakter nehmen (b)). Kritisch hinterfragt wird außerdem die Auseinandersetzung des Gerichtshofs mit dem Trittbrettfahrerproblem (c)) und schließlich wird die Lückenhaftigkeit des Urteils bemängelt (d)). Diese Kritikpunkte werden im Folgenden in der gebotenen Kürze dargestellt, um anschließend eine eigene Bewertung vornehmen zu können (e)). a) Bezugnahme zu grundsätzlichen Ausführungen zum Internetvertrieb Kritisiert wird zum Teil der Ansatz, wonach der Internetvertrieb als Form des Passivverkaufs einzuordnen und sein Verbot als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung anzusehen sei, als tiefen und zivilrechtsgestaltenden Eingriff in die Vertragsfreiheit der Parteien.50 Es wird die Gefahr aufgezeigt, dass der Lieferant den Verlust seiner Steuerungshoheit über den Internetvertrieb verlieren könnte.51 Entsprechende Vertragsstandards für den Internetvertrieb seien daher nunmehr unerlässlich.52 Die Einordnung des Internetvertriebs als passiver Verkauf ist jedoch – wie bereits unter S. 5053 ausgeführt – grundsätzlich anerkannt. Moniert wird diesbezüglich von den Kritikern des Pierre Fabre-Urteils ebenso, dass sich die Festlegung des Internetvertriebs als Passivverkauf und die Rechtsfolge daraus allein aus den Leitlinien zur Vertikal-GVO ableiten lasse.54 Diese Leitlinien dienen jedoch lediglich der Selbstbindung der Kommission. Es handelt sich dabei um Verwaltungsgrundsätze, die nicht die Qualität von EU-Sekundärrecht haben.55 Damit, so wird angeführt, werde eine Rechtsunsicherheit in einem Bereich geschaffen, der insbesondere durch eine schnelle technische Entwicklung und rasche wirtschaftliche Dynamik gekennzeichnet sei.56 Es wird aber auch darauf verwiesen, dass sich der EuGH in seiner Entscheidung zu 50  Nolte,

BB 2014, 1155 (1157). BB 2014, 1155 (1157). 52  Nolte, BB 2014, 1155 (1157). 53  3. Kapitel, B. IV, 1. b). 54  Nolte, BB 2014, 1155 (1157). 55  Nolte, BB 2014, 1155 (1157); inzwischen bestätigt durch den EuGH, Urt. v. 11.09.2014, Rs. C-67 / 13 P, E-CLI:EU:C:2014:2204 Tz. 45, Eu-R 3090 = EuZW 2014, 901 (903)  – Groupement des cartes bancaires (CB) / Kommission; dazu auch Kling / Thomas, § 5 Rn. 239 f., dabei darf jedoch die Orientierungsfunktion der Leitlinien für Unternehmen und die sie beratenden Rechtsanwälte nicht außer Acht gelassen werden. 56  Nolte, BB 2014, 1155 (1157). 51  Nolte,



A. Bedeutung innerhalb der Rechtsprechung89

Pierre Fabre aus 2011 auf die Grundsätze zur Warenverkehrsfreiheit gemäß Art. 34 AEUV beruft.57 Befürwortet wird zum Teil die Ablehnung der Einordnung des Internetvertriebs als virtuelle Niederlassung.58 Kritisiert wird dennoch, dass der EuGH diesbezüglich nicht mit dem Sinn und Zweck der Vorschrift des Art. 4 lit. c Vertikal-GVO argumentiert, sondern seine Argumente dogmatisch abgeleitet und damit begründet, dass die Vorschrift als Ausnahme eng auszulegen sei.59 Dieses Argument kann jedoch dadurch entkräftet werden, dass auch das übrige Verbot in Art. 4 lit. c Vertikal-GVO eine Ausnahme von der grundsätzlichen Freistellung in Art. 2 Abs. 1 Vertikal-GVO darstellt.60 Aus der Urteilsbegründung des EuGH in Sachen Pierre Fabre wurde vom LG Frankfurt der Schluss gezogen, die Ziffer 54 der Leitlinien zur VertikalGVO sei als überholt anzusehen.61 Diese Einschätzung wurde jedoch von der nächsten Instanz nicht bestätigt.62 Es muss außerdem berücksichtigt bleiben, dass es sich bei der Entscheidung des EuGH zu Pierre Fabre um eine Einzelfallentscheidung handelt und eine Hinfälligkeit der Ziffer 54 der Leitlinien zur Vertikal-GVO aus der Entscheidung nicht klar hervor geht und daher zu weitgegriffen erscheint. b) Bezugnahme zu Prestigecharakter Die Aussage des Gerichtshofs, das Ziel, den Prestigecharakter von Produkten zu schützen, sei kein legitimes Ziel zur Beschränkung des Wettbewerbs, regt zu unterschiedlichen Interpretationsansätzen an: Zum einen wird angenommen, der EuGH schließe damit den Luxuscharakter eines Produktes an sich als Rechtfertigungsgrund für den Selektivvertrieb aus.63 Zum ande57  Nolte,

BB 2014, 1155 (1157). ZWeR 2012, 503 (513). 59  Dethof, ZWeR 2012, 503 (513). 60  Dethof, ZWeR 2012, 503 (513). 61  LG Frankfurt, Urt. v. 18.06.2014, Az. 2-03 O 158 / 13, WuW / E  DE-R 4409 = GWR 2014, 331 (331) – Funktionsrucksäcke. 62  OLG Frankfurt, Urt. v. 22.12.2015, Az. 11 U 84 / 14 (Kart), WuW 2016, 138 = NZKart 2016, 84 (849) – Funktionsrucksäcke; zu den Darstellungen der Vorinstanz (LG Frankfurt, Urt. v. 18.06.2014, Az. 2-03 O 158 / 13) und der Berufungsentscheidung (OLG Frankfurt, Urt. v. 22.12.2015, Az. 11 U 84 / 14 (Kart)) siehe: Kumkar, NZKart 2016, 121 (121 ff.). 63  BKartA, Beschl. v. 26.08.2015, Az. B2-98 / 11, Rn. 33  – Asics: „Nach der Entscheidung des EuGH in der Sache Pierre Fabre Dermo-Cosmétique ist der bloße Schutz des Prestigecharakters einer Marke ohnehin keine objektive Rechtfertigung für eine schwerwiegende Beschränkung des Internetvertriebs.“ 58  Dethof,

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4. Kap.: Stellenwert Image

ren wird jedoch darauf verwiesen, dass sich die Aussage des Gerichtshofs, ausschließlich auf eine den Weitervertrieb der Händler beschränkenden Klausel beziehe, wie der, dass das Totalverbot des Internetvertriebs als unverhältnismäßig und damit unter die Verbotsnorm fallend angesehen wurde.64 Begründet wird dies damit, dass der EuGH bereits zuvor den Rechtfertigungsgrund der Sicherstellung einer angemessenen Verkaufsumgebung für Luxusprodukte für Selektivvertriebe anerkannt hat.65 Diesem Ansatz entsprach auch die Freistellungspraxis der Kommission vor Umstellung des Freistellungstatbestandes auf eine Legalausnahme.66 Würde man tatsächlich Luxusprodukte vom Selektivvertrieb ausschließen, so müsste sich der Ausschluss dann auch auf sämtliche hochwertige Markenprodukte erstrecken, die nicht gleichzeitig einen besonderen Beratungsbedarf aufgrund ihrer technischen Merkmale erfordern.67 Dies könnte das Ende des Selektivvertriebs und des Fachhandels bedeuten.68 Die besseren Argumente sprechen daher dafür, den generellen Rechtfertigungsgrund des Luxuscharakters weiterhin anzuerkennen. Es bleibt jedoch – für eine eindeutige Klarstellung, ob die Wahrung des Luxuscharakters als Rechtfertigungsgrund für ein selektives Vertriebssystem aufgrund der Pierre-Fabre-Entscheidung ausscheidet – die Einlassung des EuGH auf die Vorlagefrage des OLG Frankfurt abzuwarten.69 64  Lubberger, WRP 2015, 14 (18); Dethof, ZWeR 2012, 503 (512); Peeperkorn / Heimann, GRUR 2014, 1175 (1177). Beide Ansichten werden dargestellt vom OLG Frankfurt, Beschl. V. 19.04.2016, Az. 11 U 96 / 14 (Kart), WuW 2016, 314 = NZKart 2016, 236 (237), welches in der Vorlagefrage zum EuGH um Klarstellung darüber erbat, „ob ein wettbewerbsbeschränkendes selektives Vertriebssystem (wie dasjenige der Klägerin), das vorwiegend der Wahrung der luxuriösen Ausstrahlung der vertriebenen Luxus- und Prestigewaren dient, in keinem Fall mehr als mit Art. 101 AEUV vereinbar angesehen werden kann, sondern insgesamt nur noch unter der Voraussetzung der Vertikal-GVO – also insbesondere bei Nichtüberschreiten der Marktanteilsschwelle des Art. 2 – gruppenfreigestellt sein könnte oder nach Art. 101 Abs. 3 AEUV einer Einzelfreistellung bedürfte.“ 65  EuGH, Urt. v. 11.12.1980, Rs. 31 / 80, Slg 1980, 3375 = RIW 1981, 487 (487 f.)  – L’Oreal; Kommission, Entsch. v. 16.12.1991, ABl. EG 1992 L 12, 24 = GRUR Int 1992, 915 (915) – Yves Saint Laurent Parfums; EuGH, Urt. v. 23.04.2009, Rs. C-59 / 08 P, Slg  2009, I-3421 Tz. 24 = EuZW  2009, 453 = GRUR  2009, 593 (593)  – Copad / Dior. 66  Freistellungsentscheidung der Kommission in der Sache Yves Saint Laurent v. 16.12.1992, Kommission, Entsch. v. 16.12.1991, ABl. EG 1992 L 12, 24 = GRUR Int 1992, 915 (915) – Yves Saint Laurent Parfums; Kommission, Entsch. v. 24.07.1992, ABl. EG 1992 Nr. L 236 / 11, 15 Rn. 5 – Givenchy. 67  Lubberger, WRP 2015, 14 (18). 68  Lubberger, WRP 2015, 14 (18). 69  OLG Frankfurt, Beschl. v. 19.04.2016, Az. 11 U 96 / 14 (Kart), WuW 2016, 314 = NZKart 2016, 236 (237).



A. Bedeutung innerhalb der Rechtsprechung91

c) Fehlende Bewertung des Risikos des Trittbrettfahrens Erstaunt zeigen sich einige Stimmen darüber, dass der EuGH auf das Argument von Pierre Fabre, es bestehe das Risiko des Trittbrettfahrens, nicht weiter eingeht.70 Dies sei besonders überraschend, da sich der Generalanwalt Mazák zu diesem Punkt explizit dahingehend äußerte, dass die Gefahr des Trittbrettfahrens in Bezug auf den selektiven Vertrieb ein zu berücksichtigender Einwand sei.71 Dem lässt sich jedoch entgegenhalten, dass der Generalanwalt selbst das Argument in der konkreten Situation zurückgewiesen hat, da auch die Einrichtung und der Betrieb einer Website auf hohem Niveau mit einem hohen Kostenaufwand verbunden seien.72 Die Enthaltung des Gerichtshofs zu diesem Punkt kann sich so deuten lassen, dass der EuGH das Risiko des Trittbrettfahrens nicht als objektiven Rechtfertigungsgrund für ein Totalverbot des Internetvertriebs im Rahmen von Art. 101 Abs. 3 AEUV anerkennt.73 d) Lückenhaftigkeit des Urteils Festzuhalten bleibt, dass der EuGH in dem Urteil keine konkreten Aussagen über Markenschutzargumente im Rahmen von Art. 101 Abs. 3 ­AEUV trifft.74 Die Anwendung wird lediglich für möglich gehalten, auch für bezweckte Wettbewerbsbeschränkungen.75 Der Ausgang einer Prüfung des Art. 101 Abs. 3 AEUV in Bezug auf die Klausel wird jedoch offengelassen.76 Kritisiert wird daher auch, dass der EuGH an dieser Stelle Raum lässt und keine konkreten Anhaltspunkte aufzeigt, wann die entsprechenden Vo­ raussetzungen erfüllt sein könnten.77 Zum Teil wird daraus eine erhebliche 70  Dethof,

ZWeR 2012, 503 (509); Oest / Wagener, RIW 2012, 35 (38). ZWeR 2012, 503 (509). 72  Dethof, ZWeR 2012, 503 (509); Oest / Wagener, RIW 2012, 35 (38); Querndt, Selektivvertrieb und eBay-Versteigerungen, S. 87, kritisiert diesbezüglich, Mazàk würde die Bedeutung des Trittbrettfahrens verkennen, denn die Kosten eines stationären Ladenlokals würden bei weitem die Kosten der Erstellung einer hochwertigen Website übersteigen. 73  Oest / Wagener, RIW 2012, 35 (38). 74  So auch Peeperkorn / Heimann, GRUR 2014, 1175 (1176); Eickhoff, GWR 2011, 503 (503); Velte, EuZW 2012, 19 (21); Weitbrecht / Mühle, EuZW 2012, 290 (292). 75  Peeperkorn / Heimann, GRUR 2014, 1175 (1176); Ellenrieder, WRP 2012, 141 (143); Velte, EuZW 2012, 19 (21). 76  Peeperkorn / Heimann, GRUR 2014, 1175 (1176); Weitbrecht / Mühle, EuZW 2012, 290 (292). 77  Eickhoff, GWR 2011, 503 (503); Dethof, ZWeR 2012, 503 (513). 71  Dethof,

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4. Kap.: Stellenwert Image

Unsicherheit in der Praxis selektiver Vertriebssysteme abgeleitet.78 Das jeweilige Unternehmen muss das kumulative Vorliegen der Einzelfreistellungsvoraussetzungen nachweisen.79 Dementsprechend ist der Rechtfertigungsbedarf in solchen Fällen hoch und die Einzelfreistellung in der Regel zu verneinen.80 Gerade für Anbieter von Luxusprodukten könnte die Hürde des Art. 101 Abs. 3 AEUV praktisch unüberwindbar sein.81 Da der EuGH die Frage, ob ein Ausschluss des Internetvertriebs zulässig ist, auf die Ebene der Einzelfreistellung verlagert hat und diesbezüglich der Grundsatz der Selbsteinschätzung gilt, wird den Unternehmen zu empfehlen sein, einen strengen Prüfungsmaßstab anzulegen.82

II. Eigene Bewertung Das Urteil des EuGH in Sachen Pierre Fabre stellt klar, dass Klauseln, die de facto zu einem Verbot des Internetvertriebs für Händler führen, unzulässig sind. Darüber besteht mittlerweile Einigkeit. Aus einzelnen Aspekten der Urteilsbegründung wird zum Teil eine Allgemeinverbindlichkeit geschlossen, die so nicht angenommen werden kann. Es muss bei der Bewertung auch immer der konkrete Sachverhalt im Hinterkopf behalten werden, auf den sich die Urteilsbegründung bezieht. Der EuGH beschäftigte sich im Rahmen der Pierre Fabre- Entscheidung mit einem de facto Verbot der Internetnutzung für die Verkäufer.83 Dabei betont auch der Gerichtshof, eine individuelle und konkrete Prüfung des Inhalts und des Ziels dieser Vertragsklausel sowie des rechtlichen und wirtschaftlichen Zusammenhangs, in dem sie steht, sei maßgeblich.84 Das spricht dafür, dass das Image eines Produkts und damit auch der Prestigecharakter durchaus schützenwert sein kann, wenn eine individuelle und konkrete Prüfung der Vertragsklausel, unter Einbeziehung des rechtlichen und wirtschaftlichen Zusammenhangs, dies zulässt. Die Schutzwürdigkeit des Images von Luxusprodukten im Rahmen des Internetvertriebs wird unter dem folgenden Punkt (B.) weitergehend beleuchtet.

78  Weitbrecht / Mühle,

EuZW 2012, 290 (292). WRP 2012, 141 (143). 80  Ellenrieder, WRP 2012, 141 (143). 81  Eickhoff, GWR 2011, 503 (503); Dethof, ZWeR 2012, 503 (514). 82  Velte, EuZW 2012, 19 (21). 83  EuGH, Urt. v. 13.10.2011, Rs. C-439 / 09, Slg 2011, I-9419, WuW / E  EU-R 2163 = EuZW 2012, 28 (28) – Pierre Fabre Dermo-Cosmétique. 84  EuGH, Urt. v. 13.10.2011, Rs. C-439 / 09, Slg 2011, I-9419, WuW / E  EU-R 2163 = EuZW 2012, 28 (28) – Pierre Fabre Dermo-Cosmétique. 79  Ellenrieder,



B. Luxusprodukte im Internetvertrieb93

B. Luxusprodukte im Internetvertrieb Wie schützenswert Luxusprodukte und die Erhaltung eines Markenimages für die Hersteller sind, wird unterschiedlich bewertet: Grundsätzlich anerkannt war bisher, dass sich selektive Vertriebssysteme durch das Interesse des Herstellers einer Luxusware, das hohe Ansehen ihrer Marke aufrechtzuerhalten und die Ergebnisse seiner Anstrengung sicherzustellen sowie das Erfordernis, die „Aura prestigeträchtiger Exklusivität“ in den Augen der Verbraucher aufrechtzuerhalten, rechtfertigten.85 Wie bereits aufgezeigt, besteht jedoch insbesondere aufgrund der Pierre Fabre-Entscheidung und in Ermangelung konkreter Regelungen Unsicherheit darüber, inwieweit Luxusprodukte und generell das Marken- und Produktimage durch herstellerseitige Vertriebsvorgaben zulässig geschützt werden kann.

I. Bedeutung des Images eines Produkts Frei nach der Devise „Man gibt Geld aus, das man nicht hat, für Dinge, die man nicht braucht, um damit Menschen zu imponieren, die man nicht mag.“ (Walter Winchell), stellt das Image eines Produkts für viele Konsumenten regelmäßig einen ausschlaggebenden Reiz für die Kaufentscheidung dar. Doch was genau umfasst das Wort „Image“ eigentlich? Der Begriff des „Images“ ist relativ schwammig, so dass es sich lohnt, einen Blick auf die Herkunft des Wortes zu werfen. Im lateinischen spricht man von „imago“. Dies umfasst eine Vorstellung oder ein Vorstellungsbild von einem Objekt oder einer Person.86 „Image“ in der englischen Sprache steht unter anderem für Bild, Abbild, Ebenbild, Spiegelbild, Verkörperung, Vorstellung und Idee.87 Im US-amerikanischen bezieht sich der Begriff vor allem auf ein Abbild oder Bild einer Person oder einer Sache ebenso wie auf ein durch 85  Vgl. EuG, Urt. v. 12.12.1996, Az. T-88 / 92, Slg  1996, II-1961 Tz. 110  – Le­ clerc / Kommission; anders jetzt anscheinend, allerdings ohne Auseinandersetzung mit der früheren Rspr.: EuGH, Urt. v. 13.10.2011, RS. C-439 / 09, Slg 2011, I-9419, WuW / E  EU-R 2163 = EuZW 2012, 28 (30)  – Pierre Fabre Dermo-Cosmétique; Kommission, Entsch. v. 16.12.1991, ABl. EG 1992 L 12, 24 = GRUR Int 1992, 915 (915)  – Yves Saint Laurent Parfums; KG, Urt. v. 19.09.2013, Az. 2 U 8 / 09 Kart, WuW / E DE-R 4019 = NZKart 2014, 72 (73)  – Schulranzen und -rucksäcke. 86  Auch Erscheinung, Wertbild, Bild, Bildnis oder Abbild, so auch in Essig / Soulas de Russel / Semanakova, Das Image von Produkten, Marken und Unternehmen, S. 17. Die darauf hinweisen, dass es im alten Rom das Recht „jus imaginum“, das Recht der Aristokraten, Abbildungen ihrer Ahnen aufzustellen, gab. 87  Aber auch für Standbild, Bildsäule, Götzenbild, Heiligenbild, Essig / Soulas de Russel / Semanakova, Das Image von Produkten, Marken und Unternehmen, S. 17.

94

4. Kap.: Stellenwert Image

Phantasie hervorgerufenes Bild.88 Bei näherer Beleuchtung dieser Begriffserläuterung wird deutlich, dass „Image“ gemeinhin mit einem Bild von einer Person oder Sachen zu tun haben muss, das aufgrund eines inneren geistigen Vorgangs, wie der Vorstellung oder der Phantasie hervorgerufen wurde. Diese subjektive Komponente macht eine Bestimmung nach objektiven Kriterien schwierig. In der Literatur finden sich diverse Definitionen zum Image-Begriff.89 Eine hervorzuhebende Definition lautet „Image ist die Gesamtheit von Gefühlen, Einstellungen, Erfahrungen und Meinungen bewusster und unbewusster Art, die sich eine Person bzw. eine Personengruppe von einem „Meinungsstand“ (z. B. einem Produkt, einer Marke, einem Unternehmen) macht; Image wird geprägt von soziokulturellen und subjektiven Momenten (Erfahrungen, Vorurteilen) und stellt eine stereotypisierende Vereinfachung eines objektiven Sachverhalts dar“.90 Um die konkrete Bedeutung des Images auf den Markt, den Wettbewerb und ihre Teilnehmer zu ermitteln, wird zunächst ein Blick auf das Zusammenwirken von Marke und Image geworfen (1.). Zur Untersuchung des Stellenwerts des Images (2.) wird das Image als Schlüsselstellung näher beleuchtet (a)), weiterhin werden Imagefaktoren aufgezeigt (b)) und der Stellenwert für den Konsumenten herausgearbeitet (c)). Abgerundet wird der gegenständliche Abschnitt der Untersuchung mit einem Resultat (3.). 1. Zusammenspiel von Marke und Image Die Funktion einer Marke ist die eines Gütesiegels.91 Den Kunden wird eine gewisse Sicherheit vermittelt, stets die gleiche vertraute Qualität zu be88  Essig / Soulas de Russel / Semanakova, Das Image von Produkten, Marken und Unternehmen, S. 17. 89  Unter anderem: „In einem übertragenen Sinn bedeutet Image so viel wie das Bild, das sich jemand von einem Gegenstand macht. Ein Image gibt die subjektiven Ansichten und Vorstellungen von einem Gegenstand wieder.“, so Kroeber-Riel / Weinberg, Konsumentenverhalten, S. 196; „Image ist die dynamisch verstandene, bedeutungsgeladene, mehr oder weniger strukturierte Ganzheit der Wahrnehmungen, Vorstellungen, Ideen und Gefühle, die eine Person oder eine Mehrzahl von Personen von irgendeiner Begebenheiten besitzt.“, Zabel, Wettbewerbsrechtliche Zulässigkeit produktunabhängiger Image-Werbung, S. 18. 90  Essig / Soulas de Russel / Semanakova, Das Image von Produkten, Marken und Unternehmen, S. 21. 91  Goldammer, in: Riekhof, E-Branding-Strategien, S. 201. Bereits im Jahr 1970 sieht Laumer, Der Markenartikelvertrieb, S. 12, Markenartikel als „wettbewerbspolitisches Instrument der Industrie“, welcher aus dem Interessenkonflikt zwischen Industrie und Handel entstanden ist und in erster Linie dazu dienen soll, den direkten Kontakt des Herstellers zu dem Kunden wiederherzustellen.



B. Luxusprodukte im Internetvertrieb95

kommen.92 Dies wird als Qualitätsfunktion93 bezeichnet. Wesentlich für den Erfolg einer Marke beim Kunden kann außerdem auch noch die sog. Herkunfts- und Unterscheidungsfunktion sein. Die Marke muss demnach einen Hinweis auf eine bestimmte Herkunftsstätte enthalten und für den Nachfragenden identifizierbar sein.94 Schließlich ist auch die sog. Werbefunktion für die Marke wesentlich. Diese umfasst die Summe der mit der Marke verknüpften, positiven Assoziationen (seinen Goodwill).95 Die Marke kann mithin als sog. Zeichensystem verstanden werden, das auch übergeordnete Werte und Zusatznutzen, wie zum Beispiel Sportlichkeit widerspiegelt.96 Das Markenimage stellt die Gesamtheit aller Vorstellungen und Einstellungen des Kunden dar, die dieser mit der konkreten Marke verbindet.97 Durch die psychische Auseinandersetzung des Kunden mit dem Produkt, dessen Gebrauchszweck und seinem spezifischen Zusatznutzen resultiert schließlich das Produktimage.98 Der spezifische Zusatznutzen kann durch den Einsatz 92  Unglaub, Der selektive Vertrieb von Parfum und Luxuskosmetika, S. 191; Pepels, Handels-Marketing und Distributionspolitik, S. 171; Goldammer, in: Riekhof, E-Branding-Strategien, S. 201; Essig / Soulas de Russel / Semanakova, Das Image von Produkten, Marken und Unternehmen, S. 89. Stichwort: „Qualität hat einen Namen“, Weindl, Der schöne Schein, S. 28. Schwer wird es, wenn die Marke mit schlechter Qualität und Kurzlebigkeit in Verbindung gebracht wird, diese Assoziationen wieder ins Positive zu wandeln. Lüppens nennt diesbezüglich als Beispiele den Elch-Test von Mercedes und die schlechte Personalpolitik von Wal-Mart in den USA, die 2002 für Aufsehen sorgte, Der Markendiamant, S. 3. Als aktuelles Beispiel lässt sich dazu der sog. Abgasskandal von VW einreihen, der im September 2015 aufkam. 93  Auch Garantie- oder Vertrauensfunktion genannt, Unglaub, Der selektive Vertrieb von Parfum und Luxuskosmetika, S. 191. Die Qualitätsfunktion „besteht aus Inhaberabsicht vor allem darin, den Abnehmern eine bestimmte, in der aus Regel gleichbleibende Qualität anzukündigen und sie dadurch zu wiederholten Käufen zu motivieren“, Henning-Bodewig / Kur, Marke und Verbraucher Bd. 1, S. 6. 94  In Bezug auf die Herkunftsfunktion: Henning-Bodewig / Kur, Marke und Verbraucher Bd. 1, S. 6, mit kritischer Auseinandersetzung zur Herkunftsfunktion, Henning-Bodewig / Kur, Marke und Verbraucher Bd. 1, S. 230; Essig / Soulas de Russel / Semanakova, Das Image von Produkten, Marken und Unternehmen, S. 89: verbinden Herkunfts- und Unterscheidungsfunktion. 95  So auch Henning-Bodewig / Kur, Marke und Verbraucher Bd. 1, S. 6. 96  Goldammer, in: Riekhof, E-Branding-Strategien, S. 201; Unglaub, Der selektive Vertrieb von Parfum und Luxuskosmetika, S. 10. 97  Essig / Soulas de Russel / Semanakova, Das Image von Produkten, Marken und Unternehmen, S. 32. 98  Querndt, Selektivvertrieb und eBay-Versteigerungen, S. 9; Unglaub, Der selektive Vertrieb von Parfum und Luxuskosmetika, S. 17; Henning-Bodewig / Kur, Marke und Verbraucher Bd. 1, S. 17. Zum Teil  wird unterschieden in produktbezogene – denotative – und produktbezogene – konnotative – Merkmale des Imageobjektes, die bei der Imagebildung eine Rolle spielen sollen: Danach sind Denotationen „sachbezogene Merkmale, die unmittelbar mit dem zu beurteilenden Imageobjekt in Verbindung stehen“, zum Beispiel: sparsam, robust, teuer, sicher, leistungsstark.

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4. Kap.: Stellenwert Image

von Marketing gesteuert werden und beeinflusst letztlich die Wahrnehmung des Kunden bezüglich der Marke.99 Die Marke spiegelt die vom Hersteller beabsichtigte Botschaft und den Zusatznutzen des Produkts wieder und übermittelt dieses Gesamtkonzept – das Image – an den Kunden.100 Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Marke das Produktimage übermittelt.101 Sie spielt also bei Aufbau und Ausgestaltung eines bestimmten Images eine übergeordnete Rolle.102 Sie repräsentiert schließlich auch den Gegenwert des Kaufpreises und den des dahinterstehenden Unternehmens.103 Die Marke ist also nicht nur in ideeller, sondern auch in materieller Hinsicht relevant: Das äußert sich auch darin, dass Unternehmen von anderen zum Teil weit über dem rationalen Wert – wie beispielsweise dem faktischen Unternehmenswert oder dem Börsenwert – gekauft werden, weil die Marke des gekauften Unternehmens einen besonders hohen Wert darstellt.104 2. Stellenwert des Images Die Marke kann nur dann dauerhaft erfolgreich sein, wenn alle Marktaktivitäten, die mit der Marke in Verbindung gebracht werden, konstant stimmig Konnotationen sind dagegen „nicht-sachbezogene Eigenschaften, die zum Image­ objekt in einem übertragenen, metaphorischen Zusammenhang stehen“, wie luxuriös, sexy, protzig, spießig, langweilig, Essig / Soulas de Russel / Semanakova, Das Image von Produkten, Marken und Unternehmen, S. 24 f. Die sog. Denotationen werden im Folgenden in dem Begriff des Zusatznutzens umschrieben. 99  Querndt, Selektivvertrieb und eBay-Versteigerungen, S. 9 f. 100  Vgl. Querndt, Selektivvertrieb und eBay-Versteigerungen, S. 10; Lüppens, Der Markendiamant, S. 72. Dazu dienen auch die Markennamen, bei denen es nicht mehr primär darum geht, das Produkt zu beschreiben, sondern Emotionen zu wecken, Weindl, Der schöne Schein, S. 189. 101  So auch Querndt, Selektivvertrieb und eBay-Versteigerungen, S. 10; Unglaub, Parfüm und Luxuskosmetika, S. 17. 102  Henning-Bodewig / Kur, Marke und Verbraucher Bd. 1, S. 22. 103  Weindl, Der schöne Schein, S. 30; Lüppens, Der Markendiamant, S. 17 f.; Essig / Soulas de Russel / Semanakova, Das Image von Produkten, Marken und Unternehmen, S. 191. 104  Weindl, Der schöne Schein, S. 29. Lüppens, der Markendiamant, S. 18 nennt als Beispiel den Erwerb von „Kraft“ durch „Philipp Morris“, im Rahmen dessen der „Goodwill und andere materielle Werte“ mit 90 Prozent des Gesamtkaufpreises von 13,1 Milliarden U.S.-Dollar in der Bilanz angegeben wurde. Der Markenwert ist jedoch aus finanzwirtschaftlicher Sicht schwer zu beziffern. Es gibt zwar Länder, in denen der Markenwert bilanziert wird (beispielsweise Großbritannien). Dies ist in Deutschland allerdings gemäß § 249 Abs. 2 HGB nicht zulässig, es sei denn, dieser Wert wurde beim Kauf des Unternehmens ausdrücklich ausgewiesen. Aufgrund des Vollständigkeitsgebotes des § 246 Abs. 1 i. V. m. § 248 Abs. 2 HGB muss der Wert aktivierungspflichtig angegeben werden, wenn der Wert ausgewiesen wurde; so auch Lüppens, Der Markendiamant, S. 17 f.



B. Luxusprodukte im Internetvertrieb

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gehalten werden.105 Unternehmen sind also in der Regel bestrebt, sowohl ihre Produkte als auch das übergeordnete Markenimage stetig positiv zu halten. Der Stellenwert des Images ist nicht zu unterschätzen. Es lassen sich einige Gründe anführen, die für eine Schlüsselstellung des Images sprechen (dazu unter a)). Wesentlich zur Ermittlung des Stellenwertes sind dabei unter anderem die Imagefaktoren (b)). Weiterhin wird die Bedeutung des Images beeinflusst durch den Stellenwert, welches es für die Konsumenten hat (c)). a) Image als Schlüsselstellung Das Image eines Produkts übernimmt schon deshalb eine Schlüsselstellung, da es – wie oben ausgeführt – die wahrgenommenen Charakteristika eines Produkts und die emotionalen Elemente zu einer Einheit verknüpft, die als Produktpersönlichkeit wahrgenommen wird.106 Durch diese Verbindung entwickelt das Image eine gesonderte Stellung und ist nicht mehr nur an die objektive Beschaffenheit des Produkts gebunden, sondern unterliegt auch der subjektiven Wahrnehmung des Betrachters.107 Das wird auch durch den sog. Halo-Effekt deutlich. Eine positive Einstellung zur Marke (also ein positives Markenimage) kann dazu führen, dass ihre vom Konsumenten wahrgenommenen Eigenschaften signifikant günstiger beurteilt werden, als diejenigen vollkommen gleichartiger, aber „unmarkierter“ Produkte.108 Dass die objektiven Eigenschaften des Produkts mit der subjektiven Ausprägung im Produktimage nicht übereinstimmen müssen, zeigt neben dem Halo-Effekt auch die sog. Irradiation.109 Diese umfasst die Ausstrahlung wahrgenommener Produkteigenschaften auf andere Merkmale, die damit objektiv nicht im Zusammenhang stehen.110 Bezüglich dieser Phänomene spricht man von einem „losgelösten Image“, welches als Begleiterscheinung des Images bezeichnet wird.111 105  Unglaub, Der selektive Vertrieb von Parfum und Luxuskosmetika, S. 18; Laumer, Der Markenartikelvertrieb, S.13 f. 106  Henning-Bodewig / Kur, Marke und Verbraucher Bd. 1, S. 23; Caffarra, Selective Distribution of Luxury Goods, in: Gheur / Petit, S. 58. 107  Henning-Bodewig / Kur, Marke und Verbraucher Bd. 1, S. 18; Essig / Soulas de Russel / Semanakova, Das Image von Produkten, Marken und Unternehmen, S. 87. 108  Henning-Bodewig / Kur, Marke und Verbraucher Bd. 1, S. 18 f.; Essig / Soulas de Russel / Semanakova, Das Image von Produkten, Marken und Unternehmen, S. 87; Kroeber-Riel, Konsumentenverhalten, 3. Aufl., S. 291 f. 109  Henning-Bodewig / Kur, Marke und Verbraucher Bd. 1, S. 19. 110  Henning-Bodewig / Kur, Marke und Verbraucher Bd. 1, S. 19; Kroeber-Riel, Konsumentenverhalten, 3. Aufl., S. 303; Essig / Soulas de Russel / Semanakova, Das Image von Produkten, Marken und Unternehmen, S. 87. 111  Kroeber-Riel, Konsumentenverhalten, 3. Aufl., S. 303; Henning-Bodewig / Kur, Marke und Verbraucher Bd. 1, S. 19.

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4. Kap.: Stellenwert Image

Ein positives Image kann letztlich die Absatzchancen fördern, insbesondere bei der Neueinführung eines Produkts.112 Es bietet dem Hersteller die Möglichkeit, der hohen Markenvielfalt, dem steigenden Wettbewerbsdruck und sinkenden Absatzzahlen entgegenzutreten und sich gegenüber Konkurrenten abzuheben.113 b) Imagefaktoren Das Markenimage wird von unterschiedlichen Imagefaktoren beeinflusst. Dazu gehören unter anderem das Image des Vertriebskanals, das Image der Produkte (etwa Qualität, Sicherheit, Langlebigkeit, Preis-Wertverhältnis), das Image des Konsumenten (Berufsgruppe und soziales Umfeld), das Konkurrentenimage (unterschiedliche Zielgruppenansprachen), aber auch das Image des Herstellerlandes („Made in Germany“ als Gütesiegel).114 An diese Faktoren muss der Hersteller anknüpfen, um einen dauerhaften Erfolg der Marke und damit den Markenwert zu sichern. Dazu bedarf es stetiger und sorgfältig geführter Beziehungen zwischen Unternehmen und den Konsumenten, die eine klare Unternehmensidentität, Kommunikation, Verbrauchernähe, Produktdemonstration und einen klaren erlebnisorientierten Vertrieb über Jahre hinweg widerspiegeln.115 c) Stellenwert für die Konsumenten Für den Käufer ist das Image eines Produkts bzw. die Marke als Orientierungshilfe für ihre Kaufentscheidung von wesentlicher Bedeutung: Die Marke dient als Orientierungshilfe und als Hilfsmittel zur Informationsbeschaffung und -entlastung.116 Aus verhaltenswissenschaftlicher Sicht steht daher schon lange fest, dass die Marke im Entscheidungsprozess der Konsumenten als Informationsbündel – „informations chunk“ – eingesetzt werden kann.117 112  Henning-Bodewig / Kur,

Marke und Verbraucher Bd. 1, S. 21. de Russel / Semanakova, Das Image von Produkten, Marken und Unternehmen, S. 14. 114  Lüppens, Der Markendiamant, S. 17. 115  Lüppens, Der Markendiamant, S. 18. 116  Untermauert mit empirischen Belegen von Henning-Bodewig / Kur, Marke und Verbraucher Bd. 1, S. 57 ff., 270. Mithilfe der Marke die Informationen während der Kaufvorbereitung effizienter verarbeiten zu können, wird auch als Informationseffizienz der Marke beschreiben und als eine wesentliche Funktion der Marke von Grob / v. Brocke, Internetökonomie, S. 54 herausgearbeitet. Nach Gräfe, Informa­ tionsqualität bei Transaktionen im Internet, S. 90 kann die Reputation sogar als „Informationssurrogat“ bezeichnet werden. 117  Henning-Bodewig / Kur, Marke und Verbraucher Bd. 2, S. 32. 113  Essig / Soulas



B. Luxusprodukte im Internetvertrieb99

Es ist auch nicht absehbar, dass die Konsumenten in naher Zukunft „markenmüde“ werden könnten.118 Vielmehr kann davon ausgegangen werden, dass die Bedeutung der Marke noch weiter wächst. Sie dient bereits zum gegenwärtigen Zeitpunkt zum Teil als Lebenspartner bzw. „Ersatzreligion“ und die Sehnsucht der Konsumenten nach Luxus, der ihnen das Gefühl von Sicherheit, Beständigkeit und Selbstwertgefühl gibt, bleibt bestehen.119 Das liegt unter anderem an der steigenden Zahl von Singlehaushalten, die dazu führt, dass es viele allein lebende Menschen gibt, die sich zum Teil Anerkennung suchen, die ihnen im Sozialbereich abhandengekommen ist.120 Traditionelle Einflussgrößen wie Familie, Beruf, Kirche, Verein und Partei treten zunehmend in den Hintergrund und der Lebensstil wird vielmehr von Waren und Kommunikationsmedien geprägt.121 Produkt und Design werden als Zeichen der eigenen Persönlichkeit angesehen und dienen der Selbstdarstellung persönlicher Werte und Ziele.122 Insbesondere Kinder und Jugendliche legen immer mehr Wert darauf, dass es sich bei einem Produkt um eine spezielle Marke handelt.123 In der Konsum- und Verhaltensforschung geht man davon aus, dass sich die Entscheidungsprozesse bei der Produktauswahl unter anderem danach unterscheiden, in welchem Umfang das Verhalten kognitiv kontrolliert wird.124 Das Entscheidungsverhalten lässt sich dabei zum einen in Entscheidungen 118  Weindl, Der schöne Schein, S. 202. Bereits 1995 stellte Pepels, HandelsMarketing und Distributionspolitik, S. 175 fest, dass die „Bedeutung der Marke kaum hoch genug eingeschätzt werden“ könne. Dies hat sich in den letzten 20 Jahren nicht verändert. 119  Weindl, Der schöne Schein, S. 202: „Marken erlauben uns, dass wir uns von unseren Mitmenschen unterscheiden und dass wir uns auch immer wieder neu gestalten und „verkleiden“ können und damit eine „Identität“ annehmen.“, Lüppens, Der Markendiamant, S. 15. 120  Weindl, Der schöne Schein, S. 202; Essig / Soulas de Russel / Semanakova, Das Image von Produkten, Marken und Unternehmen, S. 96. Diesbezüglich ist jedoch auch zu bedenken, dass diese Singlehaushalte in der Regel wohl auch mehr Geld zur Verfügung haben werden und sich daher Markenartikel auch eher leisten können. Costabiei, Marketingerfolg im Internet, S. 34, führt aus, dass es zunehmend mehr Singlehaushalte gibt und Privathaushalte insgesamt über ein wachsendes Bruttogeldvermögen verfügen. 121  Lüppens, Der Markendiamant, S. 16. 122  Lüppens, Der Markendiamant, S. 16; Essig / Soulas de Russel / Semanakova, Das Image von Produkten, Marken und Unternehmen, S. 96; Pepels, Handels-Marketing und Distributionspolitik, S. 175; Caffarra, Selective Distribution of Luxury Goods, in: Gheur / Petit, S. 59. 123  Weindl, Der schöne Schein, S. 195; Lüppens, Der Markendiamant, S. 37 f.; Essig / Soulas de Russel / Semanakova, Das Image von Produkten, Marken und Unternehmen, S. 96. 124  Kroeber-Riel, Konsumentenverhalten, 3. Aufl., S. 316.

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4. Kap.: Stellenwert Image

mit geringer kognitiver Kontrolle, darunter fallen impulsives Verhalten und Gewohnheitsverhalten und zum anderen in Entscheidungen mit stärkerer kognitiver Steuerung, so der Fall bei vereinfachten Entscheidungen und extensiven Entscheidungen, unterteilen.125 Für die Hersteller von Markenprodukten, die auf den verkaufsfördernden Faktor des Images setzen, ist dabei insbesondere die Stärkung der Entscheidungen mit geringer kognitiver Kontrolle interessant. Bei impulsiven Entscheidungen spielen die am Verkaufsort dargebotenen Reize mit starkem Aktivierungspotential eine wesentliche Rolle.126 So können atmosphärische Reize stimulierende Musik, größere Einkaufswagen, die Gestaltung des Produkts und ihre Platzierung den Konsumenten zu einem Impulskauf anregen.127 Bei den Einkaufsgewohnheiten kommen verfestigte Verhaltensmuster zum Tragen: Diese können durch einen Sozialisationsprozess128 entstehen oder durch das Beibehalten von Entscheidungen, die sich bewährt haben.129 Eine starke Produkt- bzw. Markentreue spiegelt ein starkes Maß der Einkaufsgewohnheit wieder. Dabei hat die Forschung bereits 1973 ergeben, dass es grundsätzlich eine unterschiedlich hohe Ausprägung von Markentreue bei verschiedenen Produktgruppen gibt.130 Bei wenig markierten Gütern des täglichen Bedarfs (sog. convenience goods) besteht generell eine geringe bis mittlere Produkttreue.131 Bei stark markierten Gütern des täglichen Bedarfs ermittelte die Forschung eine hohe Produkttreue.132 Eine geringe bis mittlere Markentreue herrscht hingehen eher bei relativ selten gekauften Gebrauchsgütern (sog. shopping und speciality goods).133 Wesentlich war aber die Erkenntnis, dass es bei einzelnen Produkten erhebliche Abweichungen gab: So wurde insbesondere festgestellt, dass die Markentreue stärker ist, wenn der Prestigewert des Gutes hoch ist; starke Markenartikel fördern somit die stereotype Beurteilung und Präferenz durch den Konsumenten und damit den gewohnheitsmäßigen Einkauf.134 125  Kroeber-Riel,

Konsumentenverhalten, 3. Aufl., S. 317. Konsumentenverhalten, 3. Aufl., S. 331. 127  Wohl auch Wühltische, die aber für Markenprodukte nicht so relevant sein dürften, Kroeber-Riel, Konsumentenverhalten, 3. Aufl., S. 331. 128  Beispielsweise, wenn man schon als Kind an ein Produkt gewöhnt wird und dadurch „für den gewohnheitsmäßigen Konsum dieses Kulturgutes gesorgt wird“, Kroeber-Riel, Konsumentenverhalten, 3. Aufl., S. 333. 129  Kroeber-Riel, Konsumentenverhalten, 3. Aufl., S. 333. 130  Studie von Kroeber-Riel und Trommsdorff bei der Meßwerte der Markentreue unterschiedlicher Güter durch Befragungen ermittelt wurden. Damit wurde eine sog. Faktoranalyse durchgeführt, um festzustellen, welche gemeinsamen Variablen hinter den gemessenen Werten stehen, Kroeber-Riel beschreibt dies in: Konsumentenverhalten, 3. Aufl., S. 336. 131  Kroeber-Riel, Konsumentenverhalten, 3. Aufl., S. 336. 132  Kroeber-Riel, Konsumentenverhalten, 3. Aufl., S. 336. 133  Kroeber-Riel, Konsumentenverhalten, 3. Aufl., S. 336. 126  Kroeber-Riel,



B. Luxusprodukte im Internetvertrieb101

Bereits vor mehr als 40 Jahren gelangte die Konsum- und Verhaltensforschung also schon zu der Erkenntnis, dass ein hoher Prestigewert die Markentreue fördert und diese wesentlich für den gewohnheitsmäßigen Einkauf ist. Daher ist es im Interesse des Herstellers die Markentreue der Konsumenten zu stärken, um Einfluss auf die Einkaufsentscheidungen mit geringer kognitiver Kontrolle des Kunden zu nehmen. 3. Zusammenfassendes Ergebnis zur Bedeutung des Images Das Image eines Produkts und der Marke hat eine wesentliche Bedeutung: Es beeinflusst einerseits Konsumenten in ihrem Kaufverhalten und stellt andererseits für Markeninhaber einen großen wirtschaftlichen Wert dar. Die signifikante Bedeutung des Images spiegelt sich auch dadurch wider, dass es regelmäßig von der Rechtsprechung bei ihrer Urteilsfindung mit in die Erwägungen einbezogen wurde.

II. Gestaltungsmöglichkeiten des Vertriebs zum Imageschutz Zur Erhaltung oder Förderung eines positiven Marken- oder Produktimages kann der Hersteller seinen Vertrieb entsprechend gestalten. Zum einen bietet sich die Einführung eines selektiven Vertriebssystems an (1.). Zum anderen beinhaltet der konkrete Vertriebsweg, wie der Vertrieb über stationäre Ladenlokale oder über den Internethandel, Gestaltungsmöglichkeiten zum Imageschutz (2.). 1. Einführung eines selektiven Vertriebssystems zum Schutz des Images Klassischerweise sind insbesondere die Hersteller von Luxusgütern um das Markenimage besorgt und entschließen sich zu diesbezüglich schützenden Vorgaben innerhalb eines selektiven Vertriebssystems. Schließlich ist der Glanz, den die Marke ausstrahlt in der Regel teuer und aufwendig von den Herstellern erarbeitet worden.135 Die erfolgreich am Markt platzierte Marke ist für deren Inhaber von großem wirtschaftlichem Wert.136 Die 134  Kroeber-Riel, Konsumentenverhalten, 3. Aufl., S. 337; Caffarra, Selective Distribution of Luxury Goods, in: Gheur / Petit, S. 60. 135  Weindl, Der schöne Schein, S. 23. 136  Unglaub, Der selektive Vertrieb von Parfum und Luxuskosmetika, S. 17; Lüppens, Der Markendiamant, S. 17; Henning-Bodewig / Kur, Marke und Verbraucher Bd. 1, S. 22.

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4. Kap.: Stellenwert Image

Wahl des konkreten Vertriebsweges stellt ein Mittel der Hersteller zur inhaltlichen Gestaltung der Markenbotschaft dar.137 Die Struktur des Vertriebssystems hat einen entscheidenden Einfluss auf das Erscheinungsbild des Produkts.138 Häufig entscheiden sich Hersteller höher preisiger Produkte für den Vertrieb über ein selektives Vertriebssystem. Das liegt unter anderem daran, dass der Hersteller dadurch sicherstellen kann, dass die angestrebten Imagemaßnahmen, wie Preis, Serviceleistungen und Marketingmaßnahmen auch in der von ihm gewünschten Weise bei den Verbrauchern ankommen.139 Außerdem wird der Markenwert von Premium und Luxusmarken unter anderem dadurch gefördert, dass diese nicht überall erhältlich sind.140 Anerkanntermaßen muss es sich für die Zulässigkeit von selektiven Vertriebssystemen aber nicht um Luxusmarken handeln.141 Es sollte jedoch Produkte betreffen, die in besonderer Weise auf die Qualität und Herkunft aus dem jeweiligen Hause unter Einsatz der Marke als Imageträger abstellen.142 Bei hochpreisigen Produkten, die als Markenprodukte entwickelt wurden und mit Werbeaufwand vermarktet werden, ist also nicht zwingend die „Aura prestigeträchtiger Exklusivität“ vonnöten.143 Ob das Image eines Produkts tatsächlich den Stellenwert einer Produktkomponente erlangt, welcher den Schutz durch Reglementierungen des Herstellers bedarf, muss durch eine individuelle Prüfung ermittelt werden.144 Dabei kommt es nicht primär darauf an, ob einer Produktkategorie an sich Luxuscharakter zugesprochen wird.145 Der Luxuscharakter eines Produktes ergibt sich zwar grundsätzlich „aus einer Aura prestigeträchtiger Exklusivität, die sie von ähnlichen Produkten anderer Marktsegmente 137  Henning-Bodewig / Kur, Marke und Verbraucher Bd. 1, S. 33; Essig / Soulas de Russel / Semanakova, Das Image von Produkten, Marken und Unternehmen, S.  125 ff. 138  Essig / Soulas de Russel / Semanakova, Das Image von Produkten, Marken und Unternehmen, S. 125. 139  Essig / Soulas de Russel / Semanakova, Das Image von Produkten, Marken und Unternehmen, S. 128; siehe zum selektiven Vertriebssystem Ausführungen unter 2. Kapitel, E., III., 2., S. 42 ff. 140  Essig / Soulas de Russel / Semanakova, Das Image von Produkten, Marken und Unternehmen, S. 128. 141  KG Berlin, Urt. v. 19.09.2013, Az. 2 U 8 / 09 Kart, WuW / E DE-R 4019 = ZVertriebsR 2014, 104 (105) – Schulranzen und -rucksäcke. 142  LG Mannheim, Urt. v. 14.03.2008, GRUR-RR 2008, 253 (254) – Schulranzen; KG Berlin, Urt. v. 19.09.2013, Az. 2 U 8 / 09 Kart, WuW / E DE-R 4019 = ZVertriebsR 2014, 104 (105) – Schulranzen und -rucksäcke. 143  Vgl. LG Mannheim, Urt. v. 14.03.2008, GRUR-RR 2008, 253 (254) – Schulranzen. 144  Franck, WuW 2010, 772 (779). 145  Franck, WuW 2010, 772 (779); LG Mannheim, Urt. v. 14.03.2008, GRURRR 2008, 253 (254) – Schulranzen.



B. Luxusprodukte im Internetvertrieb103

unterscheidet“.146 Produkte, die generell für den alltäglichen Gebrauch bestimmt sind, können unter Umständen jedoch ebenfalls mit einer „Aura des Exklusiven“ versehen werden.147 Auf den Luxuscharakter eines Produkts kann der Umfang der Marketingbemühungen des Herstellers hinweisen. Dazu gehören die Höhe der Investitionen, die Zielrichtung bezüglich eines bestimmten Produktimages und die Höhe der Verkaufspreise.148 Maßgeblich kann auch die funktionelle Wertigkeit des Produkts sein. Diese kann sich in der Hochwertigkeit der Verarbeitung und der verwendeten Materialien äußern.149 Handelt es sich also um Produkte, die mit der Marke und ihrem Image verbunden werden, das auf eine gewisse Qualität hindeutet, bietet sich die Einführung des selektiven Vertriebssystems an. Dieses gewährt dem Hersteller grundsätzlich vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten zum Imageschutz. 2. Wahl des konkreten Vertriebsweges zum Imageschutz Neben der Wahl des Vertriebssystems kann auch die Wahl des konkreten Vertriebsweges zum Imageschutz beitragen. Dafür muss zunächst ermittelt werden, welche imageschützenden Aspekte der jeweilige Vertriebsweg mit sich bringt. Grundsätzlich können der persönliche Verkauf und die damit einhergehende Beratung für das Image förderlich sein. Ein Vorteil des persönlichen Verkaufs für das Image liegt bereits darin, dass ein Kunde das stationäre Geschäft in der Regel dann aufsucht, wenn er bereits am Produkt interessiert ist und beraten werden möchte.150 Diese positive Grundstimmung kann dann von dem Verkäufer in einen Vertragsabschluss umgewandelt werden und den Kunden zufrieden stellen und damit einen erneuten Kauf in der Zukunft wahrscheinlich machen.151 Dafür ist freilich eine qualitativ hochwertige Beratung notwendig, die durch entsprechende Schulungen in Bezug auf das Fachwissen und auf entsprechende Kommunikations- und Verhaltenstechniken der Mitarbeiter gefördert werden kann.152 146  Kommission, Entsch. v. 24.07.1992, ABl. EG 1992 Nr. L 236 / 11, 15 Rn. 5  – Givenchy. 147  Franck, WuW 2010, 772 (779). 148  Franck, WuW 2010, 772 (779). 149  Franck, WuW 2010, 772 (780). 150  Essig / Soulas de Russel / Semanakova, Das Image von Produkten, Marken und Unternehmen, S. 140. 151  Essig / Soulas de Russel / Semanakova, Das Image von Produkten, Marken und Unternehmen, S. 140. 152  Essig / Soulas de Russel / Semanakova, Das Image von Produkten, Marken und Unternehmen, S. 140.

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4. Kap.: Stellenwert Image

Gerade im Bereich des Internetvertriebs kommt der Marke eine übergeordnete Rolle zu, da Marken als „Orientierung in einem unüberschaubaren Angebotsmeer fungieren“ können.153 Dem Konsumenten können bekannte Marken helfen, seine breiten Auswahlmöglichkeiten einzugrenzen und sie können ihm Sicherheit geben, die richtige Wahl bezüglich der Kaufentscheidung zu treffen.154 Gleichzeitig bietet das Internet die Gefahr, dass die Marken weniger erklärbar werden, da die Kunden auf eine große Vielzahl von Produkten in kurzer Zeit zugreifen können und dann eine möglicherweise vorschnell wahrgenommene Vergleichbarkeit erzielen.155 Daher muss, um den Kunden eine Orientierung zu geben, ein einheitlicher Marktauftritt gesichert werden und die Marke für den Konsumenten auch sichtbar sein.156 Durch die Erhöhung der sog. Awareness kann bereits Vertrauen beim potenziellen Kunden geschaffen werden. Dazu kann durch Erfahrungen (im betriebswirtschaftlichen Management-Bereich spricht man nun von experience), also durch jeden positiven Kontakt mit der Marke, weiter Vertrauen aufgebaut werden.157 Im Internet ist dieser Kontakt oftmals interaktiv. Das hat zur Folge, dass der Konsument eine Form von „Macht“ über die Marke hat, welche ihm Sicherheit gibt und seine Bereitschaft erhöhen kann, der Marke zu vertrauen.158 Der Hersteller steht somit vor der Herausforderung, ein Vertriebskonzept zu entwickeln, dass dem Händler entgegenkommt, damit dieser seine Ware motiviert vertreibt und das gleichzeitig auch seine Marke und das Image unterstützt.

III. Positive Auswirkungen des Imageschutzes auf den Markt und den Wettbewerb Maßnahmen, die der Hersteller zum Imageschutz trifft, können auf den Markt und den Wettbewerb durchaus positive Auswirkungen haben. Stellt der Unternehmer Anforderungen gegenüber seinen Händlern im Rahmen des selektiven Vertriebs, um das Image eines Produktes zu schützen, müssen diese nicht nur erforderlich sein, um das Image zu bewahren, 153  Wagner / Teege / Baumann, in: Riekhof, E-Branding-Strategien, S. 188; Weindl, Der schöne Schein, S. 30; Caffarra, Selective Distribution of Luxury Goods, in: Gheur / Petit, S. 65 f. 154  Wagner / Teege / Baumann, in: Riekhof, E-Branding-Strategien, S. 188; Caffarra, Selective Distribution of Luxury Goods, in: Gheur / Petit, S. 65 f. 155  Lüppens, Der Markendiamant, S. 133. 156  Wagner / Teege / Baumann, in: Riekhof, E-Branding-Strategien, S. 188. 157  Wagner / Teege / Baumann, in: Riekhof, E-Branding-Strategien, S. 188. 158  Wagner / Teege / Baumann, in: Riekhof, E-Branding-Strategien, S. 188.



B. Luxusprodukte im Internetvertrieb105

sondern auch positive Auswirkungen auf die konkreten Markt- und Wettbewerbsverhältnisse haben. Lediglich dann sind die durch die Vorgaben bewirkte Einschränkung des Marken-internen Wettbewerbs und die Schwächung des Preiswettbewerbs hinzunehmen. Der Imageschutz kann vor allem aufgrund von drei Aspekten zur Funktionsfähigkeit von Markt und Wettbewerb beitragen: Zuvorderst kann das Image psychologische Bedürfnisse des Abnehmers befriedigen (im Folgenden ausgeführt unter 1.) und dadurch den Charakter des Produktbestandteils erlangt.159 Des Weiteren kann das Image als „marktlicher Mechanismus fungieren, mit dessen Hilfe hohe Produktqualität signalisiert wird“ (Ausführungen dazu finden sich unter 2.).160 Schließlich wird diskutiert, ob der Imageschutz zur Verhinderung des Trittbrettfahrer-Effekts beitragen kann (unter 3.). 1. Befriedigung psychologischer Bedürfnisse der Abnehmer Trägt das Image eines Produkts dazu bei, psychologische Bedürfnisse der Konsumenten zu befriedigen, kann dies die Konsumentenwohlfahrt161 fördern und somit schließlich auch zur Funktionsfähigkeit von Markt und Wettbewerb beitragen, wie im Folgenden aufgezeigt wird. Das Image eines Produktes kann psychologische Bedürfnisse des Abnehmers befriedigen, wenn es beispielsweise dem Nachfrager ermöglicht, sich eine Identität zu verschaffen und diese auch seinen Mitmenschen gegenüber kommuniziert werden kann.162 Dies kann dazu beitragen, soziale Beziehungen zu begründen und damit als „wohlfahrtsförderndes Signal“ zu wirken.163 Außerdem erleichtert es dem Nachfrager den Such- und Ent159  Franck, WuW 2010, 772 (778); Querndt, Selektivvertrieb und eBay-Versteigerungen, S. 54. 160  Franck, WuW 2010, 772 (778). 161  Zur Ermittlung der Konsumentenwohlfahrt ist maßgeblich, ob die Konsumentenrente zunimmt: Das ist insbesondere der Fall, wenn der Preis sinkt, aber auch, wenn für denselben Preis ein besseres Produkt zu haben ist. Konsument ist dabei nicht nur der Endverbraucher, sondern auch der unternehmerische Abnehmer des Produkts, Schröter / Voet van Vormizeele, in: von der Groeben / Schwarze / Hatje, Europäisches Unionsrecht, Art. 101 AEUV Rn. 288. 162  KG Berlin, Urt. v. 19.09.2013, Az. 2 U 8 / 09 Kart, WuW / E DE-R 4019 = ZVertriebsR 2014, 104 (106) – Schulranzen und -rucksäcke; Franck, WuW 2010, 772 (778); Querndt, Selektivvertrieb und eBay-Versteigerungen, S. 54; Lüppens, Der Markendiamant, S. 15; Caffarra, Selective Distribution of Luxury Goods, in: Gheur /  Petit, S. 59; Riekhof, in: Riekhof, E-Branding-Strategien, S. 19, beschreibt dies als Orientierungsfunktion; Grob / v. Brocke, Internetökonomie, S. 56. 163  Franck, WuW 2010, 772 (778); Querndt, Selektivvertrieb und eBay-Versteigerungen, S. 54.

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4. Kap.: Stellenwert Image

scheidungsprozess, sofern er mit der Marke bereits gewisse Eigenschaften verbindet.164 Im Einzelnen kann die Abgrenzung, ob ein Produktimage tatsächlich wegen seines Charakters als psychologischer, identitätsstiftender Zusatznutzen die Konsumentenwohlfahrt fördert und daher die entsprechenden Anforderungen des Unternehmers als wettbewerbskonform anzusehen sind, schwierig sein.165 2. Verhinderung von Marktversagen In der Investition in das Image des Produktes kann ein marktlicher Mechanismus liegen, der ein Marktversagen aufgrund struktureller Informationsasymmetrien verhindern soll. Dem liegt zugrunde, dass hohe Informationskosten166 bei Abnehmern zu „strukturellen Informationsasymmetrien“ führen können.167 Hohe Informationskosten können bewirken, dass sich die potenziellen Kunden nicht über die Qualitätsmerkmale informieren und ihre Kaufentscheidung letztlich rational nach dem Preis ausrichten.168 Die Folge kann dann sein, dass Produkte mit hoher Qualität vom Markt verdrängt werden.169 Um ein ebensolches Marktversagen zu verhindern, liegt es im Interesse der Anbieter von hochqualitativen Produkten, den potenziellen Kunden das Qualitätsniveau ihrer Produkte zu signalisieren.170 Dies kann durch den 164  Riekhof, in: Riekhof, E-Branding-Strategien, S. 19. „Weil der Kunde eben keine Lust mehr hat, viel Zeit und Gehirnschmalz dahin zu verwenden, sich im Detail die jeweiligen Produktmerkmale verständlich zu machen, vertraut er immer mehr der Marke“, Weindl, Der schöne Schein, S. 30; Henning-Bodewig / Kur, Marke und Verbraucher Bd. 1, S. 120 f. 165  Franck, WuW 2010, 772 (781). Grundsätzlich zu Informationsasymmetrien Korb, Kaufprozesse im Electronic Commerce, S. 9: „Bei der Übertragung von Verfügungsrechten bestehen zwischen den Marktpartnern Informationsasymmetrien, wenn ein Transaktionspartner über bestimmte Eigenschaften der Transaktion bzw. des Transaktionsgutes besser informiert ist als der andere. Bei dem weniger informierten Partner treten dann Unsicherheiten auf bezüglich der Transaktion selbst und der mit ihr verbundenen Bedingungen z. B. dem Preis, der Leistungsqualität und dem Verhalten des Marktpartners.“ 166  Informationskosten sind die Kosten für die Gewinnung von Informationen zur Fundierung von Entscheidungen, siehe Gabler Wirtschaftslexikon, Bd. I-K, S. 1521. 167  Franck, WuW 2010, 772 (781); Querndt, Selektivvertrieb und eBay-Versteigerungen, S. 54. 168  Franck, WuW 2010, 772 (781); Querndt, Selektivvertrieb und eBay-Versteigerungen, S. 54. 169  Damit verleibt ein sogenannter „Market for lemons“, siehe Franck, WuW 2010, 772 (781). 170  Franck, WuW 2010, 772 (781).



B. Luxusprodukte im Internetvertrieb

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Aufbau einer guten Reputation geschehen, welche die Erwartung weckt, dass der gleiche Anbieter auch in Zukunft beim Kauf eines neuen Produkts die hohe Qualität erfüllt. Durch eine solche Reputation schafft der Hersteller einen Vertrauensvorsprung bei der Marktgegenseite darüber, dass mit seinen Produkten eine gute Qualität verbunden ist.171 Dies stelle einen immateriellen Wert dar, den der Hersteller gewonnen hat.172 Ein solcher Vertrauensvorsprung ist gerade im Bereich des Online-Handels besonders wichtig. Dies rührt daher, dass der Einkauf im Internet für die Kunden weiterhin gewisse Risiken birgt, etwa in Bezug auf die Sicherheit des Zahlungsverkehrs und die fehlende haptische Wahrnehmung und Überprüfungsmöglichkeit der Produkte.173 Außerdem kommt der Informationslage im Internet einer besonderen Bedeutung zu. Das Internet hat die Informationslage insofern verändert, dass es gleichzeitig zu einer Informationsüber- und unterversorgung führt.174 Zum einen bietet das Internet eine viel höhere Anzahl an Kaufangeboten für ein bestimmtes Produkt als der stationäre Vertrieb und führt dadurch zu einer Informationsüberversorgung.175 Bei der Fülle der Informationen, die online abrufbar sind, ist dabei für den Internetnutzer zum Teil schwierig, die Glaubwürdigkeit dieser Informationen zu überprüfen.176 Die Marke dient in dem Dschungel der Informationsüberversorgung für die Konsumenten als „Navigationshilfe“ und kann dadurch die Effizienz der Suche nach dem passenden Produkt steigern.177 Zum anderen lassen sich die Produkteigenschaften überwiegend visuell und akustisch im Internet übermitteln. Olfaktorische oder haptische Wahrnehmung sowie die persönliche Beratung durch geschultes Verkaufspersonal ist jedoch im Rahmen des Internetvertriebs nicht derart möglich wie im stationären Vertrieb.178 Die eingeschränkte Darstellungsweise im Onlinehandel kann bei bestimmten Produkten im Vergleich zum stationären Handel eine schlechtere Überprüfbarkeit der Pro171  KG Berlin, Urt. v. 19.09.2013, Az. 2 U 8 / 09 Kart, WuW / E DE-R 4019 = ZVertriebsR 2014, 104 (106) – Schulranzen und -rucksäcke; Franck, WuW 2010, 772 (782); Querndt, Selektivvertrieb und eBay-Versteigerungen, S. 55. 172  Sog. goodwill, Franck, WuW 2010, 772 (782); Querndt, Selektivvertrieb und eBay-Versteigerungen, S. 55. 173  Riekhof, in: Riekhof, E-Branding-Strategien, S. 19; Grob / v. Brocke, Internetökonomie, S. 58. 174  Grob / v. Brocke, Internetökonomie, S. 57. 175  Grob / v. Brocke, Internetökonomie, S. 57; Gräfe, Informationsqualität bei Transaktionen im Internet, S. 85; dazu auch unter 2. Kapitel, C., II., S. 9. 176  Gräfe, Informationsqualität bei Transaktionen im Internet, S. 77. 177  Grob / v. Brocke, Internetökonomie, S. 57. 178  Grob / v. Brocke, Internetökonomie, S.  58; Gräfe, Informationsqualität bei Transaktionen im Internet, S. 82. Siehe dazu auch Ausführungen unter 2. Kapitel, C., I., S. 26 ff.

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4. Kap.: Stellenwert Image

duktinformationen bewirken.179 Das bezieht sich vor allem auf die Überprüfbarkeit von Eigenschaften durch riechen, fühlen und schmecken.180 Abhängig von der Qualität der Warenpräsentation können bei schlechterer bildlicher Darstellung im Internet auch visuelle Merkmale des Produkts, wie Farbe und Größe nur eingeschränkt möglich sein.181 Dies kann zu einer gewissen Unterversorgung an Informationen führen.182 Die Marke kann diesbezüglich als ein Surrogat dieser „missing information“ dienen.183 Damit die Investition in die Reputation des Produkts als wettbewerbskonformes Verhalten, das von Art. 101 Abs. 1 AEUV bzw. § 1 GWB ausgenommen ist, angesehen werden kann, müssen jedoch noch weitere Voraussetzungen vorliegen. Zwar muss die Investition in das Image bei der Kartellrechtsanwendung beachtet werden, wenn es sich um einen marktlichen Mechanismus handelt, der dazu dienen soll, ein Marktversagen aufgrund struktureller Informationsasymmetrien zu verhindern.184 Um darin jedoch ein wettbewerbskonformes Verhalten zu sehen, müsste der Hersteller außerdem wesentliche Investitionen in das Image des Produkts getätigt haben.185 Weiterhin muss das konkrete Produkt, ohne den Aufbau einer entsprechenden Reputation Gefahr laufen, aufgrund einer „adversen Selektion“ ausgelöst durch Informationsdefizite, am Markt nicht zu bestehen.186 Dafür gibt es zwei Anzeichen: Zum einen die Produkteigenschaften (a)) und zum anderen der Einfluss marktlicher Informationsdefizite auf die Produkte (b)). a) Produkteigenschaften Zunächst einmal dient die Produkteigenschaft als Anhaltspunkt dafür, ob das Produkt ohne die entsprechenden Reputationsmechanismen der adversen 179  Gräfe,

Informationsqualität bei Transaktionen im Internet, S. 82. Informationsqualität bei Transaktionen im Internet, S. 82. Zu denken wäre dabei zum Beispiel an Produkte, wie hochwertige Lebensmittel, Kosmetik, hochwertige Stoffe, bei denen die Qualität der Stoffe online nicht überprüft werden kann, Einrichtungsgegenstände, bei denen das Material und die Verarbeitung durch genaue Begutachtung und haptische Überprüfung, ebenfalls nicht überprüft werden kann. 181  Gräfe, Informationsqualität bei Transaktionen im Internet, S. 82. 182  Grob / v. Brocke, Internetökonomie, S. 58. 183  Grob / v. Brocke, Internetökonomie, S. 58. 184  Franck, WuW 2010, 772 (782). 185  Franck, WuW 2010, 772 (783). 186  Franck, WuW 2010, 772 (783). Das Problem der adversen Selektion ergibt sich bereits, bevor eine Transaktion zustande kommt, nämlich vor dem Vertragsabschluss durch sog. hidden characters, also versteckte Eigenschaften, Gabler Wirtschaftslexikon, Bd. A-Be, S. 51. 180  Gräfe,



B. Luxusprodukte im Internetvertrieb109

Selektion unterliegen würde.187 Produkte, deren Qualität sich dem potenziellen Käufer nicht auf den ersten Blick erschließt – weder vor dem Erwerb und möglicherweise auch nach dem Verbrauch nicht – sind diesbezüglich besonders gefährdet.188 Qualitative Schwächen und Stärken können von den Käufern nicht ohne die Einholung von weiteren Informationen erkannt werden. Ohne den Aufbau einer gewissen Reputation werden solche Produkte schnell der adversen Selektion zum Opfer fallen. b) Einfluss der marktlichen Informationsdefizite Weitere Voraussetzung dafür, dass die marktlichen Informationsdefizite de facto einen solchen Einfluss auf die Produkte haben, ist, dass es sich bei den Produkten tatsächlich um Produkte hoher Qualität handelt. Klar ist, dass Reputationsmaßnahmen bei Produkten, die qualitativ nicht über den gesetzlichen Mindeststandard hinausgehen, kartellrechtlich nicht anerkannt werden können. Gleichwohl spielt die Qualität der Konkurrenzprodukte ebenfalls eine ausschlaggebende Rolle für die bereits aufgezeigte Gefahr der Verdrängung vom Markt. Diese Gefahr ist für Produkte am größten, die im Marktsegment der qualitativ hochwertigsten Produkte angesiedelt sind.189 Weiterhin kann die Marke ein wichtiger Faktor bei der Senkung des Preisniveaus eines Industriestaates sein.190 Die Marke führt zu einer Rückkopplung von Informationen und eigenen Erfahrungen auf ein bestimmtes Produkt und erlaubt dadurch die Konzentration der Nachfrage beim preisgünstigsten Angebot und übt dementsprechend einen Anreiz zum Preiswettbewerb aus.191 3. Imageschutz zur Verhinderung des Trittbrettfahrerproblems Der Imageschutz kann zur Funktionsfähigkeit von Markt und Wettbewerb beitragen, wenn er zur Verhinderung des Trittbrettfahrerproblems führt. Die Schutzwürdigkeit des Images kann sich auch daraus ergeben, dass „Dritte“ (sog. Trittbrettfahrer) das mühsam aufgebaute Image ausnutzen, ohne die gleichen Kosten für den Imageaufbau zutragen. Dabei werden Leistungen einzelner zugelassener Händler mit stationärer Niederlassung von anderen zugelassenen Händlern im Selektivvertrieb ausgenutzt, indem sie von diesen 187  Franck,

WuW 2010, 772 (783). handelt es sich um sog. Erfahrungs- und Vertrauensgüter, Franck, WuW 2010, 772 (783). 189  Franck, WuW 2010, 772 (783). 190  Henning-Bodewig / Kur, Marke und Verbraucher Bd. 1, S. 53. 191  Henning-Bodewig / Kur, Marke und Verbraucher Bd. 1, S. 53. 188  Dabei

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4. Kap.: Stellenwert Image

Leistungen profitieren, ohne selbst einen nennenswerten Beitrag dazu zu leisten.192 Diesbezüglich geht es nicht primär um den Schutz des Images, sondern auch um den Schutz von Investitionen, die zum Aufbau des Images getätigt wurden.193 4. Wettbewerbskonformer Imageschutz Vorgaben, die den Imageschutz bezwecken, können also aus dem Tatbestand des Art. 101 Abs. 1 AEUV fallen, wenn die Nachfrager von den Maßnahmen profitieren. Dazu bedarf es der oben aufgezeigten Analyse, um festzustellen, ob die Vorgaben zum Schutz oder Aufbau eines Images zur Funktionsfähigkeit des Marktes beitragen. Schließlich stellte das Bundeskartellamt erst kürzlich wieder klar, dass der Schutz des Markenimages nicht pauschal als Argument dafür benutzt werden kann, zusätzliche Wettbewerbsbeschränkungen zu rechtfertigen.194 Freilich bedarf es dabei einer Prüfung der Umstände des Einzelfalles.

IV. Bedeutung des spezifischen Zusatznutzens eines Produkts Wie bereits unter B. I. 1. ausgeführt, kann der Kunde mit einem Produkt und letztlich auch mit der Marke einen spezifischen Zusatznutzen verbinden. Der Zusatznutzen besteht in der Regel in immateriellen Werten, wie Ästhetik oder „sonstige persönliche Anmutungen, wie etwa emotionaler Erlebnisqualität, und soll neben der rationellen Kaufentscheidung die Gefühlswelt des Verbrauchers ansprechen“.195 Dabei kann es sich um Zusatznutzen handeln, die nicht notwendigerweise mit einem hohen Prestige verbunden werden. Es geht vielmehr darum, dass der Zusatznutzen gegenüber dem Wettbewerb unverwechselbar und glaubhaft ist.196 So können Eigenschaften wie „ökologisch“, „nachhaltig“, „jung“ oder „modisch“ durch das Produkt übermittelt werden.197 Gerade aufgrund der Rechtsprechung des LG 192  Querndt, Selektivvertrieb und eBay-Versteigerungen, S. 58 f.; Caffarra, Selective Distribution of Luxury Goods, in: Gheur / Petit, S. 72. 193  Querndt, Selektivvertrieb und eBay-Versteigerungen, S. 58; Caffarra, Selective Distribution of Luxury Goods, in: Gheur / Petit, S. 62. 194  BKartA, Entsch. v. 27.06.2014, Az. B3-137 / 12 = Fallbericht v. 19.08.2014, S. 7  – adidas. 195  Henning-Bodewig / Kur, Marke und Verbraucher Bd. 1, S. 16; Unglaub, Der selektive Vertrieb von Parfum und Luxuskosmetika, S. 17; Lüppens, Der Markendiamant, S. 4. 196  Lüppens, Der Markendiamant, S. 4. 197  Querndt, Selektivvertrieb und eBay-Versteigerungen, S.  41; Ruess / Slopek, WRP 2009, 1021 (1025); Fesenmair, GRUR-Prax 2013, 283 (284).



B. Luxusprodukte im Internetvertrieb111

Mannheims198 stellt sich die Frage, ob solche Zusatznutzen die Einführung eines selektiven Vertriebs rechtfertigen können. Die Bedeutung der Produkteigenschaften kann jedoch im Rahmen der Erforderlichkeitsprüfung berücksichtigt werden.199 Dabei kann die Produkteigenschaft entweder als eigener Prüfungspunkt verortet werden200 oder bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung angesprochen werden.201 Da nicht allgemein feststellbar ist, welches Produkt zur Wahrung seiner Qualität ein bestimmtes Selektionskriterium bedingt, sondern auf die Besonderheiten des Produkts abgestellt werden muss, bietet es sich an, dies in der Verhältnismäßigkeitsprüfung zu berücksichtigen.202 Im Hinblick auf die Einbeziehung des spezifischen Zusatznutzens muss jedoch stets berücksichtigt werden, dass leicht die Grenze dahingehend überschritten werden kann, dass Marketingstrategien eines Unternehmens bewertet werden.203 Eine Beurteilung von betriebswirtschaftlichen Aspekten ist freilich nicht die Aufgabe der Gerichte und Kartellbehörden.204

198  Demnach genügt es für die Einführung eines selektiven Vertriebssystems, dass es sich um ein Produkt handelt, das „in besonderer Weise auf die Qualität und Herkunft aus dem Hause des Herstellers unter Einsatz der Marke als Imageträger abstellt“. 199  So gefordert von Querndt, Selektivvertrieb und eBay-Versteigerungen, S. 42. 200  Als erster Prüfungspunkt vom EuG, Urt. v. 12.12.1996, Az. T-88 / 92, Slg 1996, II-1961 Tz. 11 – Leclerc / Kommission: „Selektive Vertriebssysteme stellen einen mit Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages vereinbaren Bestandteil des Wettbewerbs dar, wenn vier Voraussetzungen erfuellt sind: Erstens müssen die Eigenschaften des fraglichen Erzeugnisses ein selektives Vertriebssystem in dem Sinne bedingen, daß ein solches System unter Berücksichtigung der besonderen Natur der betreffenden Erzeugnisse, insbesondere wegen ihrer hohen Qualität oder technischen Entwicklung, ein rechtmässiges Erfordernis darstellt, um ihre Qualität zu wahren und ihren richtigen Gebrauch zu gewährleisten. Zweitens muß die Auswahl der Wiederverkäufer aufgrund objektiver Gesichtspunkte qualitativer Art erfolgen, die einheitlich für alle in Betracht kommenden Wiederverkäufer festgelegt und ohne Diskriminierung angewendet werden. Drittens muß das betreffende System auf die Erreichung eines Ergebnisses abzielen, das zur Stärkung des Wettbewerbs beiträgt und damit einen Ausgleich für die mit selektiven Vertriebssystemen verbundene Wettbewerbsbeschränkung insbesondere im Bereich der Preise schafft. Viertens dürfen die aufgestellten Kriterien nicht über das hinausgehen, was erforderlich ist. Die Frage, ob diese Bedingungen erfuellt sind, ist objektiv unter Berücksichtigung des Verbraucherinteresses zu prüfen.“ 201  Querndt, Selektivvertrieb und eBay-Versteigerungen, S. 42. 202  Querndt, Selektivvertrieb und eBay-Versteigerungen, S. 42. 203  Diese Gefahr sieht auch Querndt, Selektivvertrieb und eBay-Versteigerungen, S. 42. 204  Querndt, Selektivvertrieb und eBay-Versteigerungen, S. 42.

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4. Kap.: Stellenwert Image

Grundsätzlich sind im Rahmen des Selektivvertriebs also durchaus nicht nur Prestigeprodukte schützenswert, sondern auch spezifische Zusatznutzen im Rahmen einer einzelfallbezogenen Verhältnismäßigkeitsprüfung in die Abwägung einzubeziehen.

V. Beschränkungen des Internetvertriebs zum Imageschutz Die Beschränkung des Internetvertriebs gegenüber den Händlern wird von den Herstellern hochpreisiger Markenartikel oftmals mit dem Imageschutz begründet. Der Vertrieb von Produkten über das Internet birgt bezüglich des Images einige Risiken: So kann es vorkommen, dass Kunden bei Angabe eines Markennamens in der Suchfunktion einer Verkaufsplattform im Rahmen der Trefferliste auf die Angebote Drittanbieter hingewiesen werden; dadurch wird die Herkunftsfunktion der Marke beeinträchtigt.205 Weiterhin kann man darauf abstellen, dass im Rahmen des Internetvertriebs ein ausreichender Kundendienst, der zur Sicherung des Images notwendig ist, nicht gewährleistet werden kann. Dem Kundendienst kommt eine entscheidende Bedeutung zur Herausarbeitung eines Marktvorsprungs zu.206 Die Zulässigkeit der konkreten Beschränkungen des Internetvertriebs bedarf einer ausführlichen Untersuchung. Diese wird im 5. Kapitel auf den folgenden Seiten vorgenommen.

VI. Chancen des Internetvertriebs in Bezug auf das Image einer Marke Obgleich der Internetvertrieb für das Image einer Marke viele Risiken mit sich bringen mag, darf nicht vernachlässigt werden, dass sich im Onlinehandel auch begrüßenswerte Möglichkeiten für Markenhersteller ergeben, ihr Image weiteraufzubauen oder zu stärken. Die Internetkunden können das Internet als interaktives Medium nutzen. Auf einer gut gestalteten Homepage kann der Kunde schnell zu den für ihn relevanten Informationen gelangen. Das Unternehmen kann außerdem die Bindung zu potenziellen Kunden stärken, indem es mit ihnen über das Internet direkt in Dialog tritt.207 Von diesen 205  Darin liegt eine Markenrechtsverletzung nach § 14 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG, LG München I, Endurt. v. 18.08.2015 = BeckRS 2015, 17221. 206  Pepels, Handels-Marketing und Distributionspolitik, S. 207; Caffarra, Selective Distribution of Luxury Goods, in: Gheur / Petit, S. 58. 207  Goldammer, in: Riekhof, E-Branding-Strategien, S. 210; Lüppens, Der Markendiamant, S. 133.



B. Luxusprodukte im Internetvertrieb113

kann das Unternehmen Rückschlüsse zu den Erlebniswünschen, Motiven, zur Kundenzufriedenheit und Aktivitäten der potenziellen Kunden gewinnen.208 Im Rahmen der Online-Beratung spart der Hersteller zudem eine Vielzahl von Außendienstmitarbeiter und Berater ein, die im stationären Vertrieb notwendig wären.209 Auch ohne eine nennenswerte Beratung, spricht das Konsumverhalten dafür, dass vor allem besonders hochwertige Hi-Fi-Produkte, TV-Geräte oder andere komplexe Güter vor dem Kauf nicht zwingend getestet werden müssen und der Vertrieb über das Internet nicht zu negativen Auswirkungen auf das Image des Markenprodukts führen muss.210 Außerdem kann der Internetnutzer durch gezielte Werbung auf ein Produkt aufmerksam gemacht werden, über das er sich dann im Internet weiter informieren und dieses dann schließlich dort auch erwerben kann.211

VII. Abschließende Bewertung von Maßnahmen zum Imageschutz Der Internetvertrieb kann dazu geeignet sein, durch eine angemessene Warenpräsentation ein bereits geschaffenes Image zu erhalten.212 Dieses Image wurde dann in der Regel zuvor durch andere Marketingmaßnahmen geschaffen. Insgesamt kann jedoch angenommen werden, dass der Internetvertrieb nicht dazu dient, ein bestimmtes Image aufzubauen.213 Geht man von einer Informationsüberflutung im Internet aus, so können gerade eine etablierte Marke und ein gutes Image ausschlaggebend für den Kauf von Produkten im Internet sein.214 Dementsprechend könnte es für Markenhersteller gerade sinnvoll sein, das Internet als Vertriebsweg zu nutzen.

208  Goldammer,

in: Riekhof, E-Branding-Strategien, S. 210. Der Markendiamant, S. 133. 210  Querndt, Selektivvertrieb und eBay-Versteigerungen, S. 66. 211  Querndt, Selektivvertrieb und eBay-Versteigerungen, S. 66. 212  Querndt, Selektivvertrieb und eBay-Versteigerungen, S. 64. 213  Querndt, Selektivvertrieb und eBay-Versteigerungen, S. 64. 214  Zur Zunahme der Informationsüberflutung im Internet, Costabiei, Marketing­ erfolg im Internet, S. 36. 209  Lüppens,

5. Kapitel

Vertriebsbeschränkungen im Internet Wie bereits aufgezeigt, haben Unternehmer ein grundsätzliches Interesse daran, dem Händler Vorgaben und Qualitätsanforderungen hinsichtlich der Ausgestaltung des Online-Shops oder seiner Website zu machen. Solche Vorgaben und Qualitätsanforderungen können jedoch schnell in tatsächliche Beschränkungen des Internetvertriebs münden. Freilich sind Beschränkungen des Internetvertriebs in vielfältigen Formen möglich. Denkbar sind Begrenzungen des Kundenkreises, an die das Online-Angebot gerichtet ist, Beschränkungen des Anteils der Verkäufe über das Internet im Verhältnis zum stationären Vertrieb sowie auch eine unterschiedliche Preis- bzw. Bonusgestaltung, sodass für den Weiterverkauf im Internet ein höherer Einkaufspreis zu zahlen ist.1 Besonders brisant ist jedoch der Fall, dass Beschränkungen ein Totalverbot des Internetvertriebs beinhalten oder – wie in der Rechtssache Pierre Fabre – de facto zu einem solchen führen (dort infolge der Vorgabe, dass ein diplomierter Pharmazeut beim Verkauf anwesend sein musste). Anerkanntermaßen stehen dem Unternehmer einige zulässige Möglichkeiten zu, um dem Händler Vorgaben für den Internetvertrieb zu machen. Dabei ist stets zu beachten, dass die Vorgaben für den Online- und den Offlinevertrieb gleichwertig sein müssen und keine Benachteiligung des Onlinevertriebs eintritt.2 Wenn die Anforderungen nicht äquivalent sind und der Unterschied so stark ausgeprägt ist, dass der Vertragshändler von einer Nutzung des Internetvertriebs abgehalten wird, kann hierin ein Verstoß 1  Emmerich / Hoffmann, in: Dauses, EU-Wirtschaftsrecht, H. Wettbewerbsregeln, § 2. Art. 101 AEUV Rn. 287. 2  Sog. Äquivalenzprinzip, Vertikal-LL Tz. 56; Dreyer / Lemberg, BB 2012, 2004 (2007); v. Hülsen, ZVertriebsR 2012, 299 (303); BKartA, Vertikale Beschränkungen, Hintergrundpapier v. 10.10.2013, S. 24; Schultze / Pautke / Wagener, Vertikal-GVO Rn. 766; kritisch zum Kriterium der Gleichwertigkeit für Vorgaben bzgl. dem statio­ närem sowie dem online-Vertrieb: Seeliger / Klauß, GWR 2010, 233 (235); ebenfalls kritisch hierzu Font Galarza / Gissler, The EU Review of the Vertical Restraints Policy in the Context of Internet Commerce, in: Gheur / Petit, S. 178, welche einen zu großen Umfang für Interpretationen sehen und die damit einhergehende Rechtsunsicherheit des Äquivalenztest für Hersteller / Lieferanten sehen („Since there is ample room for interpretation this test increases legal uncertainty for suppliers using these clauses who might ultimately bear the burden of proof in case of a dispute.“).



A. Verbot des Internetvertriebs durch den Hersteller115

gegen Art. 4 lit. c Vertikal-GVO liegen.3 Zugleich müssen die Anforderungen allerdings auch nicht identisch sein.4 Es kommt vielmehr darauf an, ob diese die gleichen Ziele verfolgen und vergleichbare Ergebnisse erzielt werden sollen.5 Die unterschiedlichen Vorgaben müssen im unterschiedlichen Wesen der Vertriebswege begründet sein.6 Das bedeutet, dass insbesondere die online-spezifischen Gesichtspunkte zu würdigen sind.7

A. Verbot des Internetvertriebs durch den Hersteller Die denkbar weitestgehende Beschränkung des Internetvertriebs stellt das Verbot des Internetvertriebs dar. Dies kann der Hersteller zum einen durch ein Totalverbot des Internetvertriebs gegenüber seinen Händlern (unter 1.) erreichen und zum anderen in abgeschwächter Form durch das Verbot des ausschließlichen Internetvertriebs (unter 2.).

I. Totalverbot des Internetvertriebs Grundsätzlich ist ein Totalverbot des Internetvertriebs sowohl in selektiven Vertriebssystemen als auch in nicht-selektiven Vertriebssystemen unzulässig, dies gilt auch für ein de facto-Verbot.8 Ein Totalverbot des Internetvertriebs für Händler darf grundsätzlich auch nicht dadurch herbeigeführt werden, dass der Hersteller sich den Internetvertrieb selbst ausschließlich vorbehält.9 3  BKartA, Vertikale Beschränkungen, Hintergrundpapier v. 10.10.2013, S. 24; Vertikal-LL Tz. 56. 4  Pichler / Hertfelder, NZKart 2014, 47 (51); Dethof, ZWeR 2012, 503 (517); Polley, CR 2010, 625 (628). 5  Vertikal-LL Tz. 56; v. Hülsen, ZVertriebsR 2012, 299 (304); Pichler / Hertfelder, NZKart 2014, 47 (47); Polley, CR 2010, 625 (628). 6  Vertikal-LL Tz. 56; v. Hülsen, ZVertriebsR 2012, 299 (304); Dethof, ZWeR 2012, 503 (517); Spenner / Kiani, NZKart 2016, 208 (212). 7  Eufinger, MMR 2015, 147 (148). 8  Nolte, BB 2014, 1155 (1157); Velte, EuZW 2012, 19 (21); Beckmann / Müller, in: Hoeren / Sieber / Holznagel, Multimedia-Recht, Teil  10 Rn. 149; Dethof, ZWeR 2012, 503 (514); Mäger / von Schreitter, NZKart 2015, 62 (65); Pichler / Hertfelder, NZKart 2014, 47 (49); Font Galarza / Gissler, The EU Review of the Vertical Restraints Policy in the Context of Internet Commerce, in: Gheur / Petit, S. 174; Pick, in: Demolin, Commercial Distribution, S. 345 f., geht zunächst auf einige Entscheidungen von Wettbewerbsbehörden und Gerichten innerhalb der EU ein, etwa aus Belgien, Frankreich und Großbritannien und kommt zu dem Schluss, dass das Totalverbot der Internetvertriebs innerhalb der EU als Kernbeschränkung im Sinne von Art. 4 lit. b Vertikal-GVO eingeordnet wird und daher einheitlich als unzulässig angesehen wird. 9  Polley, CR 2010, 625 (628).

116

5. Kap.: Vertriebsbeschränkungen im Internet

Kennzeichnend für solche Klauseln, die zu einem de facto-Verbot des Internets führen, ist, dass sie auf den ersten Blick nicht auf ein Totalverbot des Internetvertriebs gerichtet sind, sondern sich dieses mittelbar als Konsequenz aus der Anwendung der einschlägigen Vertragsklauseln ergibt. Im Rahmen der Pierre Fabre-Entscheidung hatte sich der EuGH mit einem solchen de facto-Verbot zu beschäftigen. Die dort maßgebliche Vertragsklausel schloss eine Vertriebsform der Produkte aus, die keinen physischen Ortswechsel der Kunden erfordert.10 Dadurch wurde die Möglichkeit, dass ein zugelassener Vertriebshändler die Vertragsprodukte an Kunden außerhalb seines vertraglich vereinbarten geografischen Gebiets oder seines Tätigkeitsbereichs verkauft, eingeschränkt.11 1. Unzulässigkeit des Totalverbots Im Rahmen von selektiven Vertriebssystemen wird in einem Totalverbot des Internetvertriebs grundsätzlich eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung im Sinne des Art. 4 lit. c Vertikal-GVO gesehen.12 Handelt es sich um ein nicht-selektives Vertriebssystem, so wird das Totalverbot des Internetvertriebs als eine Beschränkung nach Art. 4 lit. b Vertikal-GVO gewertet.13 Die Unzulässigkeit des Totalverbots ergibt sich aus der Einordnung des Internetvertriebs als passiver Verkauf. Ein solcher darf nach der VertikalGVO nicht untersagt werden.14 Vielmehr können Händlern generell nur bestimmte Formen des aktiven Verkaufs untersagt werden. Passiver Verkauf muss hingegen stets zulässig sein, da ansonsten eine Kernbeschränkung vorliegt, welche nicht durch die Vertikal-GVO freigestellt werden kann.15 Dies ist grundsätzlich auch für selektive Vertriebssysteme anerkannt.16 Der 10  EuGH, Urt. v. 13.10.2011, Rs. C-439 / 09, Slg 2011, I-9419, WuW / E  EU-R 2163 = EuZW 2012, 28 (28, 30 Rn. 36) – Pierre Fabre Dermo-Cosmétique, 11  EuGH, Urt. v. 13.10.2011, Rs. C-439 / 09, Slg 2011, I-9419, WuW / E  EU-R 2163 = EuZW 2012, 28 (30 Rn. 38) – Pierre Fabre Dermo-Cosmétique. 12  Mäger / von Schreitter, NZKart 2015, 62 (65); Hederström / Peeperkorn, ­JECLAP 2016, 10 (18). 13  Mäger / von Schreitter, NZKart 2015, 62 (65); Hederström / Peeperkorn, ­JECLAP 2016, 10 (18). 14  Dreyer / Lemberg, BB 2012, 2004 (2006); Simon, EWS 2010, 497 (502); Pick, in: Demolin, Commercial Distribution, S. 346; Siehe dazu Ausführungen unter 3.  Kapitel, A. IV., 1., S. 70. 15  Dreyer / Lemberg, BB 2012, 2004 (2006); Simon, EWS 2010, 497 (502); Beckmann / Müller, in: Hoeren / Sieber / Holznagel, Multimedia-Recht, Teil  10 Rn. 149; Pick, in: Demolin, Commercial Distribution, S. 346. 16  EuGH, Urt. v. 13.10.2011, Rs. C-439 / 09, Slg. 2011, I-9419, WuW / E  EU-R 2163 = EuZW 2012, 28 (31 Rn. 54) – Pierre Fabre Dermo-Cosmétique; Klotz, in:



A. Verbot des Internetvertriebs durch den Hersteller

117

abstrakte Schutz des selektiven Vertriebssystems kann ein Totalverbot im Grundsatz nicht rechtfertigen.17 Ein Totalverbot des Internetvertriebs stellt in der Regel nicht das verhältnismäßige Mittel, also die mildeste Beschränkung zur Erreichung der Qualitätsziele dar.18 Für die Unzulässigkeit eines Totalverbots sprechen schließlich auch die Ausführungen der Vertikal-Leitlinien, in denen es heißt, dass es prinzipiell jedem Händler erlaubt sein muss, sich zum Vertrieb der Produkte des Internets zu bedienen.19 2. Ausnahmefälle Zu konstatieren bleibt, dass ein Totalverbot des Internetvertriebs nur in Ausnahmefällen zulässig ist und in diesen Fällen nicht unter Art. 101 Abs. 1 AEUV fällt. Zu solchen Ausnahmefällen zählt es, wenn die Art und Beschaffenheit der vertriebenen Produkte aus Gründen der Gefahrabwehr oder Gesundheitsgefährdung als objektiv notwendig oder angemessen rechtfertigt, ein Totalverbot des Internetvertriebs auszusprechen.20 Darunter fallen beispielsweise Gefahrstoffe und giftige Stoffe. Weiterhin ist ein Totalverbot des Internetvertriebs möglich, wenn es sich bei dem Absatzmittler um einen „echten“ Handelsvertreter handelt21 oder dieser eine eigene Betriebsstätte oder Niederlassung des Lieferanten ist.22 Im Falle eines Markteintritts ist ein Totalverbot des Internetvertriebs für einen begrenzten Zeitraum von zwei Jahren zulässig, um die Einführung von Produkten mit Hilfe eines befristeten Gebietsschutzes sicherstellen zu von der Groeben / Schwarze / Hatje, Europäisches Unionsrecht, Nach Art. 101  – Fallgruppen Rn. 458. 17  Dethof, ZWeR 2012, 503 (514). 18  Dethof, ZWeR 2012, 503 (515). 19  Vertikal-LL Tz. 52; Seeliger / Klauß, GWR 2010, 233 (233). 20  Vertikal-LL Tz. 60 S. 2; Nolte, BB 2014, 1155 (1157); Beckmann / Müller, in: Hoeren / Sieber / Holznagel, Multimedia-Recht, Teil  10 Rn. 155; Polley, CR 2010, 625 (628). 21  Vertikal-LL Tz. 18 lit. a, lit. b; Für die Abgrenzung von „echten“ und „unechten“ Handelsvertretern kommt es darauf an, ob das wirtschaftliche Risiko allein vom Auftraggeber getragen wird oder ob der Handelsvertreter in irgendeiner Form an diesem Risiko beteiligt ist, Baron, in: Loewenheim / Meessen / Riesenkampff, Kartellrecht, Art. 1 Vert-GVO Rn. 46; Berg / Mudrony, in: Berg / Mäsch, Kartellrecht, § 1 GWB Rn. 37; Eilmansberger, in: Streinz, EUV / AEUV, Art. 101 AEUV Rn. 212; Funk, Kfz-Vertrieb und EU-Kartellrecht, S. 45 f.; Metzlaff, in: Flohr / Wauschkuhn, Vertriebsrecht, VO (EU) 330 / 2010 Rn. 101 f. Siehe dazu ausführlichere Abgrenzung unter 5. Kapitel, II., S. 193. 22  Nolte, BB 2014, 1155 (1157).

118

5. Kap.: Vertriebsbeschränkungen im Internet

können.23 Das ist der Fall, wenn ein Händler erhebliche Mittel aufwenden muss, um als Erster auf einen bestimmten Markt eine Marke zu verkaufen.24 Grundsätzlich soll die zeitweilige Unterbindung des Internetvertriebs einen Anreiz für die Händler schaffen, ohne den unter Umständen kein Vertrieb möglich wäre.25 Diesbezüglich ist jedoch zu bedenken, dass das Totalverbot von Internetverkäufen umfassend wirkt und damit regelmäßig über den Schutz einzelner Alleinvertriebshändler hinausgeht.26 Mithin kann im Hinblick auf die Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit oftmals nur der aktive Internetvertrieb, beispielsweise durch gebietsspezifische Banner, eingeschränkt werden.27

II. Verbot des ausschließlichen Internetvertriebs Im Rahmen des Verbots des ausschließlichen Internetvertriebs soll der Internethandel – im Gegensatz zum Totalverbot – nicht per se unterbunden werden, sondern lediglich ausgeschlossen werden, dass ein Händler ausschließlich über das Internet vertreibt. Dabei geht es also um die Frage, ob ein Hersteller von seinen Händlern verlangen kann, jedenfalls ein stationäres Ladenlokal zu betreiben.28 Es ist grundsätzlich anerkannt, dass ein Hersteller den ausschließlichen Internetvertrieb untersagen und verlangen kann, dass jeder Händler mindestens ein stationäres Ladenlokal unterhält.29 Die Zulässigkeit des Verbots des ausschließlichen Internetvertriebs wird aus unterschiedlichen Ansatzpunkten hergeleitet. 23  Vertikal-LL Tz. 61 S. 2; Nolte, BB 2014, 1155 (1157); Beckmann / Müller, in: Hoeren / Sieber / Holznagel, Multimedia-Recht, Teil  10 Rn. 155; Dethof, ZWeR 2012, 503 (515); Polley, CR 2010, 625 (628). 24  Dethof, ZWeR 2012, 503 (515). 25  Polley, CR 2010, 625 (628). 26  Dethof, ZWeR 2012, 503 (516). 27  Dethof, ZWeR 2012, 503 (516). 28  Rössner, WRP 2010, 1114 (1119  f.); Klotz, in: von der Groeben / Schwarze / Hatje, Europäisches Unionsrecht, Nach Art. 101  – Fallgruppen Rn. 453; Bosch, in: Bechtold / Bosch GWB, § 1 Rn. 76c; wird auch als Verbot des „reinen Internethandels“ bezeichnet, so Pischel, GRUR 2008, 1066 (1069); Bauer, WRP 2003, 243 (247); Dethof, ZWeR 2012, 503 (516). 29  Verlangt der Lieferant von seinen Absatzmittlern, dass sie über ein oder mehrere stationäre Ladenlokale verfügen, wenn sie Mitglied des Vertriebssystems werden wollen, wird diese Klausel auch „brick & mortar-store Klausel“ genannt, Nolte, BB 2014, 1155 (1158); Metzlaff, Internetvertrieb und Franchising, in: Jahrbuch Franchising, S. 192; Pichler / Hertfelder, NZKart 2014, 47 (49); Font Galarza / Gissler, The EU Review of the Vertical Restraints Policy in the Context of Internet Commerce, in: Gheur / Petit, S. 177; Pick, in: Demolin, Commercial Distribution, S. 346.



A. Verbot des Internetvertriebs durch den Hersteller119

Zum Teil wird argumentiert, aus dem Umkehrschluss aus Art. 4 lit. c HS. 2 Vertikal-GVO könne man die Zulässigkeit des Verbots des ausschließlichen Internethandels entnehmen, da der Hersteller den Betrieb einer stationären Verkaufsniederlassung fordern könne.30 Dafür müsste der Vertrieb über das Internet als Niederlassung anzusehen sein.31 Mit dieser Frage beschäftigte sich bereits der EuGH in seinem Pierre Fabre-Urteil. Der Hersteller von Kosmetikprodukten argumentierte zunächst damit, dass das Internet als virtuelle Niederlassung zu behandeln sei und das Verbot, seine Produkte auch im Internet zu vertreiben, von der Gegenausnahme zu Art. 4 lit. c Vertikal-GVO erfasst sei.32 Der EuGH schloss sich jedoch dem Generalanwalt an, der die Auffassung vertrat, das Internet sei keine Niederlassung, sondern eine moderne Vermarktungsform.33 Daher könne ein vollständiges Vertriebsverbot auch nicht aufgrund der Vertikal-GVO freigestellt werden.34 Der EuGH hat diesem Ansatz somit in dem Pierre Fabre-Urteil eine klare Absage erteilt. Daneben wird die Zulässigkeit des Verbots des ausschließlichen Internetvertriebs darauf gestützt, das Verbot könne zur Aufrechterhaltung von Image und Qualitätsniveau und zum Schutz wesentlicher Investitionen dienen.35 Die Vorgabe des Herstellers, seine Händler sollten über einen oder mehrere physische Verkaufsräume oder Ausstellungsmöglichkeiten verfügen, kann als Qualitätsanforderung angesehen werden.36 Dafür muss der Ausschluss reiner Internethändler durch die Forderung eines physischen Verkaufsraums 30  Rössner,

WRP 2010, 1114 (1120). Urt. v. 13.10.2011, Rs. C-439 / 09, Slg 2011, I-9419, WuW / E  EU-R 2163 = EuZW 2012, 28 (31 Rn. 56) – Pierre Fabre Dermo-Cosmétique; Klotz, in: von der Groeben / Schwarze / Hatje, Europäisches Unionsrecht, Nach Art. 101  – Fallgruppen Rn. 453, beschäftigt sich mit dieser Frage. 32  EuGH, Urt. v. 13.10.2011, Rs. C-439 / 09, Slg 2011, I-9419, WuW / E  EU-R 2163 = EuZW 2012, 28 (30 Rn. 58) – Pierre Fabre Dermo-Cosmétique; Klotz, in: von der Groeben / Schwarze / Hatje, Europäisches Unionsrecht, Nach Art. 101  – Fallgruppen Rn. 453. 33  Klotz, in: von der Groeben / Schwarze / Hatje, Europäisches Unionsrecht, Nach Art. 101 – Fallgruppen Rn. 453. 34  Klotz, in: von der Groeben / Schwarze / Hatje, Europäisches Unionsrecht, Nach Art. 101 – Fallgruppen Rn. 453. 35  Bauer, WRP 2003, 243 (245). Font Galarza / Gissler, The EU Review of the Vertical Restraints Policy in the Context of Internet Commerce, in: Gheur / Petit, S. 177, weisen darauf hin, dass eine solche brick & motar store Klausel zwar zur Dämmung des Trittbrettfahrer-Problems dienen könnte, eine solche Klausel aber nicht verhindert, dass der Händler sich auf den Online-Vertrieb der Waren konzentriert („However, this does not prevent a retailer from concentrating its business activities online, making only basic investments offline.“). 36  Dethof, ZWeR 2012, 503 (516); Pick, in: Demolin, Commercial Distribution, S.  346 f. 31  EuGH,

120

5. Kap.: Vertriebsbeschränkungen im Internet

tatsächlich qualitätswahrende Bedeutung haben und einheitlich gegenüber allen Händlern ausgeübt werden.37 Stationäre Ladengeschäften können im Bereich der Imagepflege ganz besonders wichtig sein, wofür der stationäre Handel auch entsprechende Kosten auf sich nimmt, von denen der reine Internethändler in der Regel nicht profitieren sollte, ohne selbst solche Kosten tragen zu müssen.38 Mithin wird angenommen, es lägen sachliche Differenzierungs- und Rechtfertigungsgründe für das Verbot des ausschließlichen Internetvertriebs vor.39 Zur Aufrechterhaltung von Image und Qualität ist es dem Unternehmer möglich, den ausschließlichen Internetvertrieb seiner Händler zu unterbinden.

B. Beschränkung aktiver Verkaufsbemühungen des Händlers Eine Beschränkung des Internetvertriebs kann in der Form vorliegen, dass der Hersteller den Händlern die aktiven Verkaufsbemühungen untersagt. Die Frage der Zulässigkeit solcher Beschränkungen ist für nicht-selektive und selektive Vertriebssysteme getrennt zu beantworten.

I. Nicht-selektiver Vertrieb In nicht-selektiven Vertriebsverträgen ist die Zulässigkeit der Beschränkung aktiver Verkaufsbemühungen denkbar, wenn ein bestimmtes Gebiet einem anderen Händler zugewiesen ist oder sich der Lieferant dieses Gebiet selber zur Belieferung vorbehalten hat und wenn der Marktanteil der Beteiligten jeweils unter 30 % liegt.40 Eine aktive Verkaufsbemühung liegt beispielsweise in Direktwerbung, die sich gezielt an Kunden in einem Gebiet richtet, das dem Händler nicht zugewiesen ist.41 Die Direktwerbung kann durch Banner oder etwa durch Verwendung von Massen-E-Mails geschehen.42 Diesbezüglich ist stets zu beachten, dass das Kriterium des aktiven Vertriebs eng begrenzt ist und es sich beim Internetvertrieb grundsätzlich um Passivvertrieb handelt. 37  Dethof,

ZWeR 2012, 503 (516). Trittbrettfahrerproblematik, Rössner, WRP 2010, 1114 (1120); Velte, EuZW 2012, 19 (20). 39  Pischel, GRUR 2008, 1066 (1069). 40  Pischel, CR 2015, 69 (70). 41  Pischel, CR 2015, 69 (70), siehe zur Unterscheidung von aktivem zu passivem Verkauf weiter oben 3.  Kapitel, B., IV., 1., S. 70 ff. 42  Pischel, CR 2015, 69 (70); Rempe, DSRITB 2014, 625 (628). 38  Stichwort:



C. Qualitative Vorgaben121

II. Selektiver Vertrieb Im Rahmen selektiver Vertriebssysteme muss dem Händler auch ein Aktivverkauf möglich sein. So hat das Bundeskartellamt das dem Händler gegenüber ausgesprochene Verbot von Keyword Advertising als kartellrechtlich bedenklich eingestuft.43 Es gehöre zur Freiheit jedes autorisierten Händlers, die entsprechenden Produkte auch mit Suchmaschinenwerbung bewerben zu dürfen und dafür auch den Markennamen als Suchwort zu verwenden.44 Beschränkungen aktiver Verkaufsbemühungen des Händlers im Rahmen von selektiven Vertriebssystemen sind somit nicht zulässig.

C. Qualitative Vorgaben Zunächst kann der Hersteller im Rahmen von selektiven Vertriebssystemen bestimmte qualitative Anforderungen an den Internetvertrieb stellen, um seine Marken angemessen darzustellen und die Qualität des Vertriebs seiner Produkte bzw. Dienstleistungen zu sichern.45 Qualitätsanforderungen zum Weiterverkauf darf der Hersteller aber auch außerhalb selektiver Vertriebssysteme an die Händler stellen.46

I. Das Äquivalenzprinzip Zu beachten ist hierbei – wie bereits angesprochen – das Äquivalenzprinzip, wonach eine Identität der mit den Kriterien verfolgten Ziele für den stationären Vertrieb und dem Internetvertrieb vorliegen muss.47 Unterschiede der Kriterien müssen sich aus dem unterschiedlichen Wesen der beiden Vertriebswege ergeben.48

43  BKartA, Entsch. v. 27.06.2014, Az. B3-137 / 12 = Fallbericht v. 19.08.2014, S. 10 – adidas. 44  BKartA, Entsch. v. 27.06.2014, Az. B3-137 / 12 = Fallbericht v. 19.08.2014, S. 10 – adidas. 45  Beckmann / Müller, in: Hoeren / Sieber / Holznagel, Multimedia-Recht, Teil  10 Rn. 158; Piekser, DSRITB 2011, 369 (380); Stögmüller, in: Münchener Anwaltshandbuch IT-Recht, Teil 6 Rn. 222; Rössner, WRP 2010, 1114 (1120); Eufinger, MMR 2015, 147 (148); Bonacker, GRUR-Prax 2012, 4 (5); OLG Schleswig, Urt. v. 05.06.2014, Az. 16 U Kart 154 / 13, WuW / E  DE-R 4293 = NZKart 2014, 364 (364) – Partnervereinbarung. 46  Dethof, ZWeR 2012, 503 (517). 47  Siehe oben S. 114; Dethof, ZWeR 2012, 503 (517). 48  Dethof, ZWeR 2012, 503 (517); Metzlaff, Internetvertrieb und Franchising, in: Jahrbuch Franchising, S. 191; Spenner / Kiani, NZKart 2016, 208 (212).

122

5. Kap.: Vertriebsbeschränkungen im Internet

Auf den ersten Blick mag das Äquivalenzprinzip unpräzise erscheinen. So wird es im Hinblick auf die Anwendung im Rahmen des Internetvertriebs dahingehend kritisiert, dass es versuche, zwei unterschiedliche Vertriebswege einander gleichzustellen.49 Die Gleichwertigkeit könne nur vage festgestellt werden, sodass das Äquivalenzprinzip letztlich zu einer erheb­ lichen Rechtsunsicherheit führe.50 Tatsächlich weisen der Vertrieb über stationäre Ladenlokale und der über das Internet Unterschiede auf, die sich aus der Natur des jeweiligen Vertriebswegs ergeben.51 Im Rahmen des Äquivalenzprinzips kommt es jedoch nicht darauf an, dass die Anforderungen identisch sind.52 Maßgeblich ist vielmehr, ob diese die gleichen Ziele verfolgen und vergleichbare Ergebnisse erzielt werden sollen.53 Mithin geht es bei dem Äquivalenzprinzip gerade nicht darum, unterschiedliche Vertriebswege gleich zu stellen, sondern vielmehr gleichwertige Kriterien anzusetzen, um einen Vertriebsweg nicht schlechter zu stellen als den anderen. Die besseren Argumente sprechen daher dafür, das Äquivalenzprinzip auch im Hinblick auf den Internetvertrieb anzuwenden. Grundsätzlich ist anerkannt, dass eine Anknüpfung im Rahmen von selektiven Vertriebssystemen bei der Auswahl zugelassener Wiederverkäufer sowie bei Anforderungen an den Vertrieb über das Internet an objektive Gesichtspunkte qualitativer Art ein vereinbarer Bestandteil des Wettbewerbs darstellt.54 Die Kriterien müssen sich dann aber nach den Anforderungen des betreffenden Produkts richten und auf die fachliche Eignung des Wiederverkäufers und seines Personals und auf seine sachliche Ausstattung bezogen sein und auch einheitlich und diskriminierungsfrei angewandt werden.55

II. Zulässige Qualitätsanforderungen Vorgaben qualitativer Art können zwar generell im selektiven Vertrieb als auch im nicht-selektiven Vertrieb eingebunden werden.56 Im Rahmen des 49  Neubauer, der die kritischen Stimmen in der Literatur näher darstellt, Internetvertrieb im Kartellrecht, S. 134 f. 50  Neubauer, Internetvertrieb im Kartellrecht, S. 135. 51  So auch Neubauer, Internetvertrieb im Kartellrecht, S. 135; Metzlaff, Internetvertrieb und Franchising, in: Jahrbuch Franchising, S. 191. 52  Pichler / Hertfelder, NZKart 2014, 47 (51); Dethof, ZWeR 2012, 503 (517); Polley, CR 2010, 625 (628). 53  v. Hülsen, ZVertriebsR 2012, 299 (304); Pichler / Hertfelder, NZKart 2014, 47 (47); Polley, CR 2010, 625 (628); Vertikal-LL Tz. 56. 54  OLG Karlsruhe, Urt. v. 25.11.2009, Az. 6 U 47 / 08 Kart, WuW / E DE-R 2789 = GRUR-R 2010, 109 (109, 111)  – Scout / 4YOU. 55  OLG Karlsruhe, Urt. v. 25.11.2009, Az. 6 U 47 / 08 Kart, WuW / E DE-R 2789 = GRUR-RR 2010, 109 (110) – Scout / 4YOU; Spenner / Kiani, NZKart 2016, 208 (209).



C. Qualitative Vorgaben123

selektiven Vertriebs stehen dem Hersteller grundsätzlich aber umfangreichere Gestaltungsmöglichkeiten zu.57 1. Vorgaben an die konkrete Gestaltung der Homepage Qualitätsvorgaben können seitens des Herstellers in Bezug auf das Erscheinungsbild der Website der Händler vorgenommen werden, wenn sie einheitlich und diskriminierungsfrei angewendet werden.58 Gerade ein einheitliches Erscheinungsbild der Website sämtlicher Händler kann zur Wiedererkennbarkeit von Marke und Produkt beitragen.59 Es kann vereinbart werden, dass die Internetseite des Händlers zusätzliche Links zu Internetseiten anderer Händler und / oder des Anbieters enthält.60 Weiterhin ist es dem Unternehmer grundsätzlich erlaubt, dem Händler die Nutzung von Internetverkaufsplattformen zu untersagen, wenn der Online-Shop nur über Seiten möglich ist, die das Logo des Plattformbetreibers tragen.61 Verbote des Betriebs von Internetseiten mit abwertendem Domainnamen oder solchen Domainnamen oder Shopbezeichnungen, die marken- bzw. imageschädigend sein können sowie die Nutzung sog. free-domains und Vorgabe zur Nutzung sog. top-level-domains, sind zulässig.62 Vorgaben an die Ladezeit der Internetseite des Händlers sowie an einen schnellen Seitenaufbau und an die Navigationsgeschwindigkeit der Internetseite sind dem Unternehmer möglich.63 Auch Vorgaben an die Auflösung der Internetseite sind zulässig.64 Der Unternehmer kann den Einsatz hochauflösender Bilder bzw. dreidimensionaler Grafiken fordern.65 Er kann außerdem grundsätzlich verlangen, dass das auf der Internetseite visualisierte 56  Dethof,

ZWeR 2012, 503 (517); Spenner / Kiani, NZKart 2016, 208 (208). Internetvertrieb im Kartellrecht, S. 137. 58  Dreyer / Lemberg, BB 2012, 2004 (2007); Rössner, WRP 2010, 1114 (1120); Eufinger, MMR 2015, 147 (148); Dethof, ZWeR 2012, 503 (517); Metzlaff, Internetvertrieb und Franchising, in: Jahrbuch Franchising, S. 192. 59  Dethof, ZWeR 2012, 503 (517); Spenner / Kiani, NZKart 2016, 208 (212). 60  v. Hülsen, ZVertriebsR 2012, 299 (304); Stögmüller, in: Münchener Anwaltshandbuch IT-Recht, Teil 6 Rn. 220. 61  Stögmüller, in: Münchener Anwaltshandbuch IT-Recht, Teil 6 Rn. 222; Pichler / Hertfelder, NZKart 2014, 47 (51). Siehe Vertikal-LL Tz. 54. Ob dies auch ein Plattformverbot umfasst, ist jedoch umstritten. 62  v. Hülsen, ZVertriebsR 2012, 299 (304); Rössner, WRP 2010, 1114 (1120); Eufinger, MMR 2015, 147 (148). 63  v. Hülsen, ZVertriebsR 2012, 299 (305); Beckmann / Müller, in: Hoeren / Sieber /  Holznagel, Multimedia-Recht, Teil 10 Rn. 158; Piekser, DSRITB 2011, 369 (381). 64  v. Hülsen, ZVertriebsR 2012, 299 (305). 65  Eufinger, MMR 2015, 147 (148). 57  Neubauer,

124

5. Kap.: Vertriebsbeschränkungen im Internet

Ambiente demjenigen eines Fachgeschäfts für das betreffende Produkt entsprechen muss.66 2. Vorgaben in Bezug auf die Kundenbetreuung Im Interesse des Herstellers sind grundsätzlich auch Vorgaben in Bezug auf die Kundenbetreuung, denn diese tragen zur Kundenzufriedenheit und Kundenbindung bei. Zu den zulässigen Qualitätsanforderungen an den Internetvertrieb gehören Vorgaben zur Einrichtung eines Online-Kundendienstes.67 Der Hersteller kann vom Händler im Rahmen eines solchen Online-Kundendienstes eine qualifizierte Beratung durch geschulte Mitarbeiter telefonisch oder per Chat verlangen.68 Weiterhin kann der Unternehmer die Vorgabe einer eindeutigen Anbindung an das stationäre Ladenlokal des Händlers mit deutlichem Verweis auf Standort des Ladenlokals und die dort verfügbare individuelle Beratung machen.69 Zulässig ist auch das Erfordernis einer Animation des Internetkunden zum Besuch des stationären Ladenlokals.70 Zulässig im Rahmen der qualitativen Vorgaben ist schließlich ebenfalls die Verpflichtung, bei Rückgabe des Produkts die Kosten zu übernehmen.71 Darüber hinaus sind die schnelle Abwicklung des Versands, eine sichere Zahlungsabwicklung sowie eine kundenfreundliche Bearbeitung von Reklamationen zulässige qualitative Vorgaben.72 All diese genannten Anforderungen dürfen freilich nicht zu einem de facto Totalverbot des Internetvertriebs führen.73

D. Quantitative Vorgaben Deutlich schwieriger gestaltet sich die Einführung quantitativer Vorgaben des Unternehmers gegenüber dem Händler. Der Unternehmer hat sich dabei 66  v.

Hülsen, ZVertriebsR 2012, 299 (305). BB 2012, 2004 (2007); Rössner, WRP 2010, 1114 (1120); Eufinger, MMR 2015, 147 (148); Dethof, ZWeR 2012, 503 (517); v. Hülsen, ZVertriebsR 2012, 299 (305); Rössner, WRP 2010, 1114 (1120 f.). 68  Spenner / Kiani, NZKart 2016, 208 (212). 69  v. Hülsen, ZVertriebsR 2012, 299 (305); Beckmann / Müller, in: Hoeren / Sieber / Holznagel, Multimedia-Recht, Teil  10 Rn. 158; Simon, EWS 2010, 497 (502). 70  v. Hülsen, ZVertriebsR 2012, 299 (305); Rössner, WRP 2010, 1114 (1120). 71  v. Hülsen, ZVertriebsR 2012, 299 (305). 72  Eufinger, MMR 2015, 147 (148); EuGH, Urt. v. 13.10.2011, Rs. C-439 / 09, Slg 2011, I-9419, WuW / E  EU-R 2163 = EuZW 2012, 28 (28)  – Pierre Fabre Dermo-Cosmétique. 73  Dethof, ZWeR 2012, 503 (517). 67  Dreyer / Lemberg,



D. Quantitative Vorgaben125

grundsätzlich an die Vorgaben der Vertikal-GVO zu halten und sollte auch die Leitlinien der Vertikal-GVO im Hinterkopf behalten. Für den Hersteller besteht generell die Möglichkeit, seinen Händlern vorzugeben, dass die Vertragsprodukte mindestens in einer bestimmten Menge oder zu einem bestimmten Wert in ihren physischen Verkaufsstellen oder Ladengeschäften umgesetzt werden, um einen effizienten Betrieb zu gewährleisten.74 Ein solcher absoluter Umfang kann für alle Händler identisch festgelegt werden oder anhand objektiver Kriterien im Einzelfall bestimmt werden.75 Die objektiven Kriterien sind dabei etwa Größe und Lage des Ladenlokals.76 Dabei muss auch bezüglich der quantitativen Vorgaben eine unzulässige Benachteiligung des Onlinevertriebs vermieden werden.77 Eine Begrenzung oder Beschränkung der Gesamtverkäufe über das Internet ist nicht zulässig.78 Vorgaben quantitativer Art, die zu einem de facto-Verbot des Internetvertriebs führen stellen demnach erst recht eine unzulässige Beschränkung dar.79 Als eindeutig unzulässig werden Vereinbarungen bewertet, wonach der Händler direkt oder indirekt verhindern muss, dass Kunden aus vertragsfremden Gebieten seine Website einsehen können oder aufgrund derer der Händler auf seiner Website eine automatische Umleitung („re-routing“) auf die Website des Herstellers oder anderer Händler einrichten muss.80 Daneben darf der Händler auch nicht verpflichtet werden, Internettransaktionen mit Kunden zu unterbrechen oder umzuleiten, wenn im Zahlungsprozess, etwa aus den Kreditkartenangaben des Kunden, hervorgeht, dass sich dieser in einem vertragsfremden Gebiet befindet.81 74  „Um Verkäufe an nicht zugelassene Händler zu verhindern, kann ein Anbieter seinen Vertragshändlern untersagen, mehr als eine bestimmte Menge an Vertragsprodukte an einen einzelnen Endverbraucher zu verkaufen.“ Vertikal-LL Tz. 56; Oest /  Wagener, RIW 2012, 35 (41). 75  Dethof, ZWeR 2012, 503 (519). 76  Oest / Wagener, RIW 2012, 35 (41). 77  v. Hülsen, ZVertriebsR 2012, 299 (306). 78  v. Hülsen, ZVertriebsR 2012, 299 (306); Dethof, ZWeR 2012, 503 (519); Vertikal-LL Tz. 52 lit c; Dreyer / Lemberg, BB 2012, 2004 (2007). 79  Oest / Wagener, RIW 2012, 35 (41); Dreyer / Lemberg, BB 2012, 2004 (2007). 80  Metzlaff, Internetvertrieb und Franchising, in: Jahrbuch Franchising, S. 191; Bühlmann / Schirmbacher, Kartellrecht und Internetvertrieb, in: Jusletter 30. Mai 2011, S. 15. 81  Bühlmann / Schirmbacher, Kartellrecht und Internetvertrieb, in: Jusletter 30. Mai 2011, S. 15; Metzlaff, Internetvertrieb und Franchising, in: Jahrbuch Franchising, S. 191; wird als kritisch beurteilt von Stögmüller, in: Münchener Anwaltshandbuch IT-Recht, Teil 6 Rn. 220.

126

5. Kap.: Vertriebsbeschränkungen im Internet

Festzuhalten bleibt, dass eine Vorgabe des nach Wert oder Menge bestimmten absoluten Umfangs der stationären Verkäufe der Vertragsprodukte durch den Händler zulässig sein kann.82 Die Mindestumsätze müssen dabei objektiv berechnet werden.83 In die Berechnung kann einfließen, wie ein Umsatz in der geographisch angemessenen Lage mit qualifiziertem Fachpersonal ohne besondere Anstrengungen erzielt werden kann.84 Eine solche Vorgabe darf aber nicht so ausgestaltet sein, dass die vertragliche Regelung die Menge der stationär zu verkaufenden Produkte festlegt und dies faktisch zu einem Vertriebsverbot über das Internet führt oder wenn der stationäre Absatz mindestens 50 % des Gesamtabsatzes betragen muss.85

E. Verknüpfung der Händler-Website mit der Seite des Unternehmers Eine Beschränkung des Internetvertriebs des Händlers lässt sich auch dadurch bewirken, dass der Hersteller auf seiner Homepage den OnlineShop selbst betreibt und die Händler darin allenfalls eingebunden werden.

I. Verpflichtung zur Verknüpfung mit Hyperlinks Dies kann beispielsweise dadurch geschehen, dass der Kunde von der Internetseite des Händlers über einen Hyperlink zur Homepage des Unternehmers weitergeleitet wird.86 Der eigentliche Vertragsschluss findet dann auf der Seite des Unternehmers und über ihn statt. Der Unternehmer behält sich also letztlich den Internetvertrieb selbst vor. Eine Verpflichtung hierzu bedeutet für den Händler eine Wettbewerbsbeschränkung, denn diesem wird de facto der Vertrieb über das Internet untersagt.87 Diesbezüglich gelten die obigen Ausführungen, nach denen ein Eigenvorbehalt des Internetvertriebs zugunsten des Unternehmers nur in seltenen Ausnahmefällen möglich ist.88 82  v. Hülsen, ZVertriebsR 2012, 299 (306); Dreyer / Lemberg, BB 2012, 2004 (2007). 83  Dreyer / Lemberg, BB 2012, 2004 (2007). 84  Dreyer / Lemberg, BB 2012, 2004 (2007). 85  v. Hülsen, ZVertriebsR 2012, 299 (306). 86  Sog. Hyperlinks sind Querverweise auf andere Stellen oder ein anderes Dokument, welches durch Benutzen des Hyperlinks unmittelbar aufgerufen werden kann, Leupold / Glossner, in: Münchener Anwaltshandbuch IT-Recht, Glossar, S. 1092. 87  Zu diesem Schluss kommt auch Rempe, DSRITB 2014, 625 (631). Etwas anderes kann sich im Rahmen eines Handelsvertreterverhältnisses ergeben, siehe dazu 5. Kapitel, J., III., S. 196. 88  Siehe dazu oben 3.  Kapitel, B., IV., S. 72.



E. Verknüpfung der Händler-Website mit der Seite des Unternehmers

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II. Produktvertrieb über einen gemeinsamen Online-Shop Kommt es zu einem gemeinsamen Vertrieb der Händler über den vom Hersteller bereitgestellten Online-Shop, so stellt sich das Problem, dass darin eine Verkaufsgemeinschaft zu sehen ist.89 Eine Verkaufsgemeinschaft liegt vor, wenn rechtlich und wirtschaftlich selbstständige Unternehmen einen gemeinsamen Vertrieb von Produkten vereinbaren.90 Der gemeinsame Verkauf durch Wettbewerber ist grundsätzlich wegen der damit bewirkten Vereinheitlichung der Preisgestaltung als wettbewerbsbeschränkend anzusehen.91 Eine Verkaufsgemeinschaft verstößt gegen § 1 GWB / Art. 101 Abs. 1 AEUV, wenn die Mitglieder der Verkaufsgemeinschaft verpflichtet sind, ihre Leistungen über die gemeinsame Organisation abzusetzen.92 Eine Teilnahmepflicht stellt eine wettbewerbsbeschränkende Vereinbarung gemäß Art. 101 Abs. 1 / § 1 GWB dar, weil der Händler eigene Aktivitäten im Online-Vertrieb unterlassen würde und damit aus dem Inter-Brand-Wettbewerb ausscheiden würde.93 Der Hersteller darf die Händler also nicht dazu zwingen, den Internetvertrieb über den gemeinsamen Online-Shop abzuwickeln, auch nicht durch eine faktische Teilnahmepflicht.94 Der gemeinsame Betrieb eines Online-Shops der Händler über die Homepage des Herstellers ist daher nur in Ausnahmefällen kartellrechtlich zulässig. Sind die Verhältnisse der einzelnen Händler getrennt, dann kann der Betrieb des Online-Shops durch den Hersteller für den Händler als vertikale Vereinbarung gemäß Art. 2 Abs. 1 Vertikal-GVO freigestellt sein.95 Dazu darf der Hersteller keinen Einfluss auf die Gestaltung der Verkaufspreise durch die Händler nehmen.96 Die Händler müssen in ihrer Preisgestaltung unabhängig bleiben, der eigene Internetvertrieb darf nicht gleichzeitig beschränkt werden und zudem dürfen keine wettbewerbsbeschränkenden Absprachen untereinander erfolgen.97 Wesentlich ist außerdem, dass es bei der Ausgestaltung, in der sich der Online-Shop auf der Seite des Herstellers befindet, zwischen den Händlern untereinander zu keinerlei vertraglichen Vereinbarungen kommt und 89  Rempe,

DSRITB 2014, 625 (631). in: Langen / Bunten, Kartellrecht Bd. 1, § 1 GWB Rn. 168. 91  Eine positive Bewertung von Verkaufsgemeinschaften ist jedoch nicht a priori ausgeschlossen, Eilmansberger, Streinz, EUV / AEUV, Art. 101 AEUV Rn. 28; Kling / Thomas, Kartellrecht, § 19 Rn. 100. 92  Sog. Andienungszwang, Kling / Thomas, Kartellrecht, § 19 Rn. 99. 93  Rempe, DSRITB 2014, 625 (632). 94  Rempe, DSRITB 2014, 625 (632). 95  Rempe, DSRITB 2014, 625 (632). 96  Rempe, DSRITB 2014, 625 (633). 97  Rempe, DSRITB 2014, 625 (632). 90  Bunten,

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5. Kap.: Vertriebsbeschränkungen im Internet

diese unabhängig voneinander agieren.98 Gibt es bei einer Verkaufskooperation keine weiteren wettbewerbsbeschränkenden Absprachen, kann diese zwischen Nicht-Wettbewerbern im Vertikalverhältnis also kartellrechtlich zulässig sein.99

III. Herstellergeführte Plattform Ein denkbarer Ansatz – bei dem es nicht zur Beschränkung des Internetvertriebs des Händlers kommt – ist, dass der Hersteller den Händlern lediglich die Infrastruktur des Online-Shops zur Verfügung stellt und diesen wie eine Plattform betreibt, der Kunde also letztlich bei einem bestimmten Händler einkauft.100 Dazu können Übersichtslisten eingesetzt werden, in der die Produktübersicht nach objektiv nachvollziehbaren Kriterien erfolgt, wie dem Preis, der Entfernung zum Händler oder Kundenbewertungen.101

F. Gebietsbeschränkungen Eine weitere Beschränkung des Internetvertriebs kann in Form von Gebietsbeschränkungen vorgenommen werden. Denkbar ist, dass Hersteller innerhalb eines selektiven Vertriebssystems versuchen, den Internetvertrieb ihrer Händler geographisch auf das jeweilige Einzugsgebiet der zugelassenen Niederlassungen zu beschränken.102 Die Parteien vereinbaren dann zum Beispiel, dass der Händler seine Website Kunden aus einem anderen Gebiet nicht zugänglich macht.103 Solche Beschränkungen sind jedoch als Beschränkung des passiven Verkaufs anzusehen.104 Diese sind als Kernbeschränkung nach Art. 4 lit. c Vertikal-GVO zum einen im selektiven Vertrieb nicht zulässig, zum anderen aber auch im nicht-selektiven Vertrieb nach Art. 4 lit. b Vertikal-GVO unzulässig. Nach den Vorgaben der Vertikal-GVO darf der Hersteller seinem Alleinvertriebshändler nicht vorgeben, dass die Zugriffsrechte auf die Website des Händlers derart beschränkt werden, dass 98  Rempe,

DSRITB 2014, 625 (632). DSRITB 2014, 625 (632). 100  Rempe, DSRITB 2014, 625 (632); Szönyi, GRUR Int 2004, 567 (569). 101  Rempe, DSRITB 2014, 625 (632). 102  Dethof, ZWeR 2012, 503 (518); Szönyi, GRUR Int 2004, 567 (569); Oest / Wagener, RIW 2012, 35 (41). 103  Vertikal-LL Tz. 52 lit. a; Oest / Wagener, RIW 2012, 35 (41). 104  Ähnliche Einschätzung von Dethof, ZWeR 2012, 503 (519); Oest / Wagener, RIW 2012, 35 (35 f.); Szönyi, GRUR Int 2004, 567 (569), schlägt allerdings eine Zuordnung der Händler nach geographischen Kriterien vor, welche als Beschränkung des passiven Verkaufs anzusehen sein dürften. 99  Rempe,



G. Dual Pricing129

nur Kunden aus bestimmten Gebieten darauf zugreifen können.105 Unzulässig sind auch solche Vereinbarungen, nach denen der Händler InternetTransaktionen abbrechen muss, sobald etwa Kreditkartendaten zeigen, dass der Kunde außerhalb des Vertragsgebiets des Händlers ansässig ist.106

G. Dual Pricing Das sog. Dual Pricing, auch Doppelpreissystem genannt, hat sich in den letzten Jahren großer Beliebtheit bei Herstellern zur Regulierung des Internetvertriebs gegenüber ihren Händlern erfreut und war (und ist immer noch) deshalb auch für die Literatur und Rechtsprechung ein brisantes Thema: Dual Pricing stellt ein weiteres Mittel zur Beschränkung bzw. faktischen Unterbindung des Internetvertriebs durch den Unternehmer dar.107 Dabei bekommt der Händler unterschiedliche Einkaufspreise gewährt, je nachdem, ob er das Produkt über das Internet oder den stationären Vertrieb vertreibt.108 Durch geringere Rabatte und damit höhere Einkaufspreise wird der Absatz über das Internet schlechter gestellt.109 Das resultiert daraus, dass die Einkaufspreise für den Händler variable Kosten darstellen, die letztlich den von ihm gewählten Verkaufspreis beeinflussen.110 Der Hersteller erreicht durch das Dual Pricing zwar nicht die Fixierung der eigentlichen Weiterverkaufspreise, über die Differenz der Preise können jedoch die Unternehmer den Internetvertrieb faktisch unterbinden, weil er sich für die Händler schlichtweg nicht mehr lohnt.111 In der Praxis wird ein betriebswirtschaftlich planund sinnvoll agierender Händler den Anteil seiner Internetverkäufe möglichst gering halten.112 Vertikal-LL Tz. 52 lit. a; Dethof, ZWeR 2012, 503 (519). Tz. 52 lit. b; Dethof, ZWeR 2012, 503 (519); Oest / Wagener, RIW 2012, 35 (41). 107  BKartA, Vertikale Beschränkungen, Hintergrundpapier v. 10.10.2013, spricht auf S. 21 von Doppelpreissystemen. 108  BKartA, Vertikale Beschränkungen, Hintergrundpapier v. 10.10.2013, S. 21; BKartA, Entsch. v. 27.11.2003, Az. B5-144 / 13 = Fallbericht v. 05.12.2013, S. 1  – Gardena; Jahresbericht 2013, S. 8; Innerhofer, ZVertriebsR 2013, 266 (271); Seeliger / Klauß, GWR 2010, 233 (236); Kirchhoff, in: FS Bornkamm, S. 207; Mäger / von Schreitter, NZKart 2015, 62 (64); Hederström / Peeperkorn, JECLAP 2016, 10 (19); Pick, in: Demolin, Commercial Distribution, S. 347. 109  BKartA, Entsch. v. 27.11.2003, Az. B5-144 / 13 = Fallbericht v. 05.12.2013, S. 1 – Gardena. 110  Mäger / von Schreitter, NZKart 2015, 62 (64). 111  Vgl. BKartA, Vertikale Beschränkungen, Hintergrundpapier v. 10.10.2013, S. 21; BKartA, Entsch. v. 27.11.2003, Az. B5-144 / 13 = Fallbericht v. 05.12.2013, S. 1 – Gardena; Mäger / von Schreitter, NZKart 2015, 62 (64). 112  Mäger / von Schreitter, NZKart 2015, 62 (64). 105  Vgl.

106  Vertikal-LL

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5. Kap.: Vertriebsbeschränkungen im Internet

Das Bundeskartellamt wertet ein solches Doppelpreissystem sowohl nach europäischem als auch nach deutschem Kartellrecht als eine Wettbewerbsbeschränkung, die als Kernbeschränkung nicht von der Gruppenfreistellungsverordnung für vertikale Beschränkungen erfasst wird.113 Das Doppelpreissystem kann dazu führen, dass der Internetvertrieb durch Händler gar nicht mehr genutzt oder stark eingeschränkt wird.

I. Denkbare Fallgruppen im Rahmen von Dual Pricing Ein System von Dual Pricing ist in unterschiedlichen Ausgestaltungen denkbar. Dem Einfallsreichtum der Hersteller waren diesbezüglich bisher kaum Grenzen gesetzt. Dabei wird das Doppelpreissystem regelmäßig nicht als ein solches bezeichnet, sondern geschickt in Rabattsysteme eingebettet. Im Folgenden werden Gestaltungsmöglichkeiten von Doppelpreissystemen und deren Auswirkungen aufgezeigt. Auch die rechtliche Bewertung dieser Fallgruppen findet Berücksichtigung im Rahmen der folgenden Untersuchung. 1. Funktionsrabatte Die Vertragsklauseln, die der Gartenprodukte-Hersteller GARDENA gegenüber seinen Händlern verwendete, enthielten sog. Funktionsrabatte, die letztlich daran anknüpften, ob das Produkt stationär oder online verkauft wurde.114 Die Förderung oder Einschränkung eines bestimmten Vertriebsweges ist dem Wortsinn nach im Rahmen von Funktionsrabatten nicht zwingend beabsichtigt.115 Funktionsrabatte zeichnen sich zunächst primär dadurch aus, dass der Händler für einen speziell festgelegten Aufwand vergütet werden soll, der ihm durch bestimmte verkaufsfördernde Serviceleistungen oder Maßnahmen, die auch dem Hersteller zugutekommen, entsteht.116 Zu solchen Leistungen können unter anderem die Bereitstellung von spezifischen Regalflächen im stationären Geschäft, produktspezifische Schulungen des Personals, die Einrichtung einer Werkstatt vor Ort oder das Betreiben einer Service-Hotline (beispielsweise beim Internetvertrieb) mit besonders geschultem Personal gehören.117 113  BKartA, Entsch. v. 27.11.2003, Az. B5-144 / 13 = Fallbericht v. 05.12.2013, S. 1 – Gardena. 114  BKartA, Entsch. v. 27.11.2003, Az. B5-144 / 13 = Fallbericht v. 05.12.2013, S. 1 – Gardena; BKartA Jahresbericht 2013, S. 26. 115  Rinne / Kolb, NZKart 2015, 377 (377 f.). 116  Rinne / Kolb, NZKart 2015, 377 (377 f.). 117  Rinne / Kolb, NZKart 2015, 377 (378).



G. Dual Pricing131

Die Händler von GARDENA hatten sich über die Verwendung der Funktionsrabatte beim Bundeskartellamt beschwert. Das Bundeskartellamt sah in den von GARDENA gesetzten Konditionen ein verbotenes Doppelpreissystem, da die Funktionsrabatte so ausgestaltet waren, dass ein Händler nur über seinen stationären Absatz in den Genuss der vollen Rabatte kommen konnte.118 Das Verfahren gegen GARDENA konnte schließlich durch das Bundeskartellamt eingestellt werden, da das Unternehmen das besagte Rabattsystem abschaffte und einer kartellrechtlich unbedenkliche Neuregelung zusagte.119 Die neu eingeführten Vertragskonditionen gelten unabhängig davon, ob die Einzelhändler die Produkte über das Internet, über stationäre Geschäftslokale oder parallel über beide Vertriebswege absetzten.120 2. Leistungsrabatte Die Bosch Siemens Hausgeräte GmbH (im Folgenden: BSH) führte Anfang 2013 ein System von Leistungsrabatten121 ein. Dieses setzte am Herstellerabgabepreis an, welcher umso niedriger ausfiel, je mehr Umsatz ein Hybridhändler über seinen Webshop erzielte.122 Das System von Leistungsrabatten sollte nach Angaben von BSH dazu dienen, „die höherwertige Handelsleistungen des stationären Vertriebs zu honorieren“.123 Dabei sah es bestimmte Präsentations- und Beratungsrabatte vor.124 Die Berechnung der Leistungsrabatte erfolgte in zwei Schritten: Zunächst wurde nach dem Quotenfestlegungsverfahren bestimmt, in welchem Umfang der Hybridhändler 118  BKartA, Entsch. v. 27.11.2003, Az. B5-144 / 13 = Fallbericht v. 05.12.2013, S. 1 – Gardena; kurz dargestellt von Mäger / von Schreitter, NZKart 2015, 62 (64). 119  BKartA, Entsch. v. 27.11.2003, Az. B5-144 / 13 = Fallbericht v. 05.12.2013, S. 2 – Gardena. 120  BKartA, Entsch. v. 27.11.2003, Az. B5-144 / 13 = Fallbericht v. 05.12.2013, S. 2 – Gardena. 121  Zwar sind weder Funktions- noch Leistungsrabatte im deutschen oder europäischen Kartellrecht gesondert definiert oder aufgegriffen, gemeinhin wird jedoch davon ausgegangen, dass es letztlich um die gleichen Maßnahmen geht und die Begriffe gleichzustellen sind. So beispielsweise von Rinne / Kolb, NZKart 2015, 377 (377 f.) vorgenommen, die sowohl Funktions- als auch Leistungsrabatte einheitlich als „Funktionsrabatte“ bezeichnen. 122  BKartA, Entsch. v. 23.12.2013, Az. B7-11 / 13 = Fallbericht v. 23.12.2013, S. 1  – BSH. Ein Hybridhändler betreibt ein Ladengeschäft (an einem günstigen Standort), setzt seine Waren aber überwiegend online ab, Dreyer / Lemberg, BB 2012, 2004 (2005). Hybrid bedeutet „aus Verschiedenartigem zusammengesetzt“ bzw. „gemischt“, Duden Fremdwörterbuch, S. 575. 123  BKartA, Entsch. v. 23.12.2013, Az. B7-11 / 13 = Fallbericht v. 23.12.2013, S. 2 – BSH. 124  BKartA, Entsch. v. 23.12.2013, Az. B7-11 / 13 = Fallbericht v. 23.12.2013, S. 2 – BSH.

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5. Kap.: Vertriebsbeschränkungen im Internet

die BSH-Geräte über sein stationäres Ladenlokal und in welchem Umfang er diese über seinen Webshop absetzt.125 Die Quote wurde eigenständig von BSH festgelegt, ohne dass die betroffenen Händler mitwirken konnten.126 Der zweite Schritt betraf die Rabattsätze: In diesem Rahmen wurde ein individueller Rabattsatz des jeweiligen Hybridhändlers errechnet, indem seine Online und Offline-Quote auf festgelegte Rabattsätze angewendet wurde.127 Bezeichnenderweise lagen die festgelegten Rabattsätze für Vertriebsleistungen im stationären Bereich mehr als 5-mal so hoch wie im Vergleich zum Online-Bereich.128 Daraus folgte, dass ein Hybridhändler mit einer relativ hohen Online-Quote einen deutlich geringeren Rabatt im Vergleich zu einem rein stationär tätigen Händler erhielt.129 Nach Auffassung des Bundeskartellamtes bezweckte dieses Rabattsystem eine Wettbewerbsbeschränkung im Sinne von Art. 101 Abs. 1 AEUV, § 1 GWB: Zum einen zielten die Rabatte auf eine Beschränkung der wirtschaftlichen Handlungsfreiheit der Hybridhändler durch BSH ab.130 Die niedrigeren Rabatte für den Online-Vertrieb würden den BSH Hybridhändlern Anreize setzen, die BSH-Geräte bevorzugt stationär abzusetzen anstatt online.131 Zum anderen würden sich die geringeren Rabatte im Zuge des Onlinevertriebs letztlich auch in erhöhten Abgabepreisen an Endkunden niederschlagen.132 3. Zusatzrabatte im Rahmen einer Fachhandelsvereinbarung Im Fall „Dornbracht“ wurden die Zusatzrabatte im Rahmen einer Fachhandelsvereinbarung, welche der Hersteller gegenüber seinen Händlern einsetzte, als Doppelpreissystem eingeordnet. Bezüglich der Zulässigkeit dieser Zusatz125  BKartA, S. 2 – BSH. 126  BKartA, S. 2 – BSH. 127  BKartA, S. 2 – BSH. 128  BKartA, S. 2 – BSH. 129  BKartA, S. 2 – BSH. 130  BKartA, S. 2 – BSH. 131  BKartA, S. 2 – BSH. 132  BKartA, S. 2 – BSH.

Entsch. v. 23.12.2013, Az. B7-11 / 13 = Fallbericht v. 23.12.2013, Entsch. v. 23.12.2013, Az. B7-11 / 13 = Fallbericht v. 23.12.2013, Entsch. v. 23.12.2013, Az. B7-11 / 13 = Fallbericht v. 23.12.2013, Entsch. v. 23.12.2013, Az. B7-11 / 13 = Fallbericht v. 23.12.2013, Entsch. v. 23.12.2013, Az. B7-11 / 13 = Fallbericht v. 23.12.2013, Entsch. v. 23.12.2013, Az. B7-11 / 13 = Fallbericht v. 23.12.2013, Entsch. v. 23.12.2013, Az. B7-11 / 13 = Fallbericht v. 23.12.2013, Entsch. v. 23.12.2013, Az. B7-11 / 13 = Fallbericht v. 23.12.2013,



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rabatte kam es zunächst bis zu einer Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 13.11.2013133. Die Entscheidung des OLG Düsseldorf wurde vom BGH bestätigt.134 Daneben wurde die sog. Fachhandelsvereinbarung von Dornbracht auch in einem Verwaltungsverfahren vom Bundeskartellamt beanstandet.135 a) Hintergrund im Fall „Dornbracht“ Der Hersteller von hochwertigen Sanitärarmaturen Aloys F. Dornbracht GmbH & Co. KG schloss mit seinen Großhändlern seit 2008 jährlich eine sog. Fachhandelsvereinbarung.136 Diese wurde – laut Angaben des Herstellers Dornbracht – entwickelt, um den in der Branche üblichen dreistufigen Vertriebsweg zu unterstützen.137 Der dreistufige Vertriebsweg umfasst die Lieferung der Ware des Herstellers an den Großhändler, der die Ware anschließend an den Einzelhändler bzw. Sanitärhandwerker weiterverkauft.138 In der Fachhandelsvereinbarung war vorgesehen, dass der Großhändler zusätzlich zu einem Grundrabatt einen Zusatzrabatt erhält, dessen Höhe davon abhängt, in welchem Umfang der Großhändler und seine Einzelhandelskunden die Produkte über repräsentativ ausgestattete stationäre Ladengeschäfte oder über das Internet vertreiben.139 So wurde bei der Erfüllung bestimmter Qualitätskriterien eine besondere Vergütung in Form eines Rabatts auf den Listenpreis gewährt.140 Zu diesen Qualitätskriterien gehörten u. a. die Ge133  OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.11.2013, Az. IV-U (Kart) 11 / 13, WuW / E DE-R 4117 = NZKart 2014, 68 (68 ff.)  – Fachhandelsvereinbarung Sanitär. 134  BGH, Urt. v. 07.10.2014, Az. KZR 88 / 13. 135  BKartA, Az. B5-100 / 10, ZVertriebsR 2013, 199 (199 ff.). 136  OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.11.2013, Az. IV-U (Kart) 11 / 13, WuW / E DE-R 4117 = NZKart 2014, 68 (68)  – Fachhandelsvereinbarung Sanitär; BKartA, Fallbericht v. 21.02.2012, Az. B5-100 / 10 = ZVertriebsR 2013, 199 (199)  – Dornbracht. 137  BKartA, Fallbericht v. 21.02.2012, Az. B5-100 / 10 = ZVertriebsR 2013, 199 (199) – Dornbracht. 138  OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.11.2013, Az. IV-U (Kart) 11 / 13, WuW / E DE-R 4117 = NZKart 2014, 68 (68)  – Fachhandelsvereinbarung Sanitär; BKartA, Fallbericht v. 21.02.2012, Az. B5-100 / 10 = ZVertriebsR 2013, 199 (199)  – Dornbracht. Zur Abgrenzung Pepels, Handels-Marketing und Distributionspolitik, S. 7: Einstufiger Absatz bedeutet, dass im Absatzkanal nur eine Absatzmittlerstufe zwischengeschaltet ist (, meist handelt es sich um Einzelhändler). Beim zweistufigen Absatz sind im Absatzkanal zwei Absatzmittlerstufen nacheinander zwischengeschaltet (, in der Regel Großhändler und Einzelhändler, die nacheinander aktiv werden). Beim mehrstufigen Absatz sind im Absatzkanal mehr als zwei Absatzmittlerstufen zwischengeschaltet. 139  OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.11.2013, Az. IV-U (Kart) 11 / 13, WuW / E DE-R 4117 = NZKart 2014, 68 (68)  – Fachhandelsvereinbarung Sanitär. 140  BKartA, Fallbericht v. 21.02.2012, Az. B5-100 / 10 = ZVertriebsR 2013, 199 (199) – Dornbracht.

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5. Kap.: Vertriebsbeschränkungen im Internet

währleistung einer fachgerechten Montage und Inbetriebnahme von Dornbracht-Produkten und ein adäquater After-Sales-Service.141 Diese Qualitätskriterien waren jedoch für bestimmte Kundengruppen, wie Baumärkte, reine Internethändler, Discounter oder auch bei der Querbelieferung anderer Großhändler nahezu nicht zu erfüllen. Bei einem Weiterverkauf an diese Abnehmer wurde der in der Fachhandelsvereinbarung genannte Rabatt nicht gewährt und dadurch ein solcher wirtschaftlich unattraktiv gemacht.142 Gleichzeitig wurde ein Anreiz geschaffen, den traditionellen dreistufigen Vertriebsweg zu befolgen.143 Auch in der Außendarstellung war Dornbracht darauf bedacht, den stationären Handel hervorzuheben und sich gegen den Internetvertrieb zu bekennen.144 In einer Pressemitteilung Dornbrachts war sogar die Rede von einer „Offensive gegen die Online-Vermarktung“. Auf ihrer Internetseite empfahl Dornbracht den ausschließlichen Erwerb ihrer Produkte über den Fachhandel und riet ausdrücklich von dem Internetkauf ab. Dabei wurden mögliche Risiken in Bezug auf den Internetvertrieb aufgelistet.145 b) Kartellrechtliche Bewertung der Zusatzrabatte Das Bundeskartellamt ordnete die Fachhandelsvereinbarung ausdrücklich als Doppelpreissystem ein.146 Die Ware, die im Internet verkauft werden sollte, wurde durch Nicht-Gewährung des Rabatts teurer abgegeben als die Ware, die stationär verkauft werden sollte.147 Dies sei jedoch nach Tz. 52 der Leitlinien zur Vertikal-GVO kartellrechtswidrig. Danach sind bestimmte Beschränkungen über die Nutzung des Internets als (Weiter-)Verkaufsbeschränkung anzusehen. Prinzipiell müsse es aber jedem Händler erlaubt 141  BKartA, Fallbericht v. 21.02.2012, Az. B5-100 / 10 = ZVertriebsR 2013, 199 (199) – Dornbracht. 142  BKartA, Fallbericht v. 21.02.2012, Az. B5-100 / 10 = ZVertriebsR 2013, 199 (199) – Dornbracht. 143  BKartA, Fallbericht v. 21.02.2012, Az. B5-100 / 10 = ZVertriebsR 2013, 199 (199) – Dornbracht. 144  BKartA, Fallbericht v. 21.02.2012, Az. B5-100 / 10 = ZVertriebsR 2013, 199 (199) – Dornbracht. 145  Seit dem 29.02.2012 hat Dornbracht eine neue Internetseite, siehe Pressemitteilung vom 07.03.2012, http: /  / www.dornbracht.com / de-DE / Company / Press.aspx – die Pressemittleilung von 2006 ist mittlerweile zwar nicht mehr auf der Homepage abrufbar, wird aber vom Bundeskartellamt aufgegriffen: BKartA, Fallbericht v. 21.02.2012, Az. B5-100 / 10 = ZVertriebsR 2013, 199 (199)  – Dornbracht. 146  BKartA, Fallbericht v. 21.02.2012, Az. B5-100 / 10 = ZVertriebsR 2013, 199 (199) – Dornbracht. 147  BKartA, Fallbericht v. 21.02.2012, Az. B5-100 / 10 = ZVertriebsR 2013, 199 (199) – Dornbracht.



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sein, das Internet für den Verkauf von Produkten zu nutzen.148 Das Aufrufen der Händlerwebsite und die Kontaktaufnahme mit dem Händler durch einen Kunden, aus der sich der Verkauf schließlich ergebe, gelten als passiver Verkauf.149 Dies kann folgerichtig nicht eingeschränkt werden. Das Bundeskartellamt bewertet die Fachhandelsvereinbarung als Kernbeschränkung, da vereinbart wird, dass der Händler für Produkte, die er online verkaufen will, einen höheren Preis zahlt als für Produkte, die offline verkauft werden sollen.150 Das Rabattsystem im Rahmen der Fachhandelsvereinbarung stellt demnach eine Kernbeschränkung, bei der eine Freistellung ausscheidet.151 Das Verfahren des Bundeskartellamtes wurde letztlich eingestellt, da Dornbracht, nachdem das Bundeskartellamt dem Unternehmen die kartellrecht­ lichen Bedenken mitteilte, einlenkte und die umstrittenen Klauseln aus den Verträgen strich.152 4. Bewertung Die aufgezeigten Ausformungen eines Doppelpreissystems bieten nur einen Überblick darüber, in welcher Gestalt ein solches von den Unternehmen gegenüber ihren Händlern eingeführt werden kann. In der Praxis lässt sich aufgrund der verschiedenen Ausgestaltungsmöglichkeiten oftmals nicht sofort eindeutig klären, ob ein Doppelpreissystem überhaupt vorliegt.153 Insbesondere Rabatte und umfangreiche Rabattsysteme können wegen ihrer Komplexität unter Umständen das Doppelpreissystem zunächst verschleiern.154

II. Einordnung als Wettbewerbsbeschränkung Die Einführung eines Doppelpreissystems kann eine Behinderung des Vertriebs über bestimmte Vertriebswege und damit einen Verstoß gegen 148  BKartA, Fallbericht v. 21.02.2012, Az. B5-100 / 10 = ZVertriebsR 2013, 199 (199) – Dornbracht. 149  BKartA, Fallbericht v. 21.02.2012, Az. B5-100 / 10 = ZVertriebsR 2013, 199 (199) – Dornbracht. 150  BKartA, Fallbericht v. 21.02.2012, Az. B5-100 / 10 = ZVertriebsR 2013, 199 (199) – Dornbracht. 151  BKartA, Fallbericht v. 21.02.2012, Az. B5-100 / 10 = ZVertriebsR 2013, 199 (199); diesbezüglich wird eine unzureichend differenzierte Auseinandersetzung des Gerichts bemängelt, Rahlmeyer, ZVertriebsR 2015, 144 (146); Rinne / Kolb, NZKart 2015, 377 (380). 152  BKartA, Fallbericht v. 21.02.2012, Az. B5-100 / 10 = ZVertriebsR 2013, 199 (199). 153  Mäger / von Schreitter, NZKart 2015, 62 (64). 154  Mäger / von Schreitter, NZKart 2015, 62 (64).

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5. Kap.: Vertriebsbeschränkungen im Internet

Art. 101 Abs. 1 AEUV bzw. § 1 GWB darstellen.155 Das Bundeskartellamt stellte fest, dass das Doppelpreissystem in Gestalt der Zusatzrabatte, einen Verlust an markeninternem Wettbewerb zur Folge habe, da preiswerte Angebote über das Internet zugunsten des stationären Vertriebs erschwert oder sogar unmöglich gemacht werden. Eine solche vertragliche Regelung überschreitet die nur in engen Grenzen zulässige Beschränkung des Internetvertriebs. Das Bundeskartellamt sah darin einen wettbewerbswidrigen Zweck verfolgt, nämlich die Beeinträchtigung des Wettbewerbs zwischen den Einzelhändlern, die die Qualitätskriterien erfüllen und den übrigen Einzelhändlern, die keine stationäre Ausstellung für (Sanitär-)produkte unterhalten und keine professionelle und fachgerechte Beratung durch geschultes Fachpersonal anbieten können oder die Produkte über das Internet vertreiben.156 Außerdem sei die Vereinbarung objektiv geeignet, den Wettbewerb zwischen den Einzelhändlern beim Verkauf der (Dornbracht-)Produkte an den Endkunden zu beschränken.157 Diesem Ansatz wird zum Teil entgegen gehalten, dass eine generelle Absicht der Beschränkung des Internets als Vertriebswegs schon deshalb zweifelhaft erscheinen könnte, da heutzutage auch die Markenhersteller auf diesen populären Vertriebskanal angewiesen seien.158 Das Bundeskartellamt sah die Fachhandelsvereinbarung als geeignet an, den zwischenstaatlichen Handel zu beeinträchtigen, indem sie den Marktzutritt für ausländische Einzelhändler, die die Voraussetzungen für den Zusatzrabatt nicht erfüllen, erschwert, Einfuhren aus anderen Mitgliedstaaten zu preisgünstigen Konditionen erhöht und für inländische Internethändler Verkäufe in das europäische Ausland erschwert.159 Weiterhin ziele sie darauf ab, den Weiterverkauf der Ware durch den Großhandel auf eine bestimmte Abnehmergruppe zu beschränken. Durch den wirtschaftlichen Anreiz wird der Großhandel somit indirekt dazu gebracht, die Ware hauptsächlich an den Facheinzelhandel weiterzuverkaufen.160 Die mit der Fachhandelsvereinbarung verfolgten wettbewerbsbeschränkenden Ziele wurden letztlich auch durch die Pressemitteilung von Dornbracht bestätigt. Das OLG Düsseldorf nahm an, die Fachhandelsvereinbarung sei auch geeignet, den Handel zwi155  BKartA, Fallbericht v. 21.02.2012, Az. B5-100 / 10 = ZVertriebsR 2013, 199 (199) – Dornbracht. 156  OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.11.2013, Az. IV-U (Kart) 11 / 13, WuW / E DE-R 4117 = NZKart 2014, 68 (69)  – Fachhandelsvereinbarung Sanitär. 157  OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.11.2013, Az. IV-U (Kart) 11 / 13, WuW / E DE-R 4117 = NZKart 2014, 68 (69)  – Fachhandelsvereinbarung Sanitär. 158  Rinne / Kolb, NZKart 2012, 377 (378). 159  OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.11.2013, Az. IV-U (Kart) 11 / 13, WuW / E DE-R 4117 = NZKart 2014, 68 (69)  – Fachhandelsvereinbarung Sanitär. 160  OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.11.2013, Az. IV-U (Kart) 11 / 13, WuW / E DE-R 4117 = NZKart 2014, 68 (69)  – Fachhandelsvereinbarung Sanitär.



G. Dual Pricing

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schen Mitgliedstaaten spürbar zu beeinträchtigen.161 Unter Berücksichtigung der aufgezeigten Aspekte lassen sich Doppelpreissysteme grundsätzlich als Wettbewerbsbeschränkung einordnen.

III. Doppelpreissysteme als Kernbeschränkung? Doppelpreissysteme haben anerkanntermaßen eine dämpfende Wirkung auf den intrabrand-Wettbewerb.162 Seitens der Hersteller wird bezweckt, dass das Internet als Multiplikator für die räumliche Kundenerreichbarkeit entweder ganz ausgeschaltet oder zumindest in seiner Nutzbarmachung begrenzt wird.163 Dies führt schließlich zu einer Begrenzung der räumlichen Reichweite des Händlervertriebs.164 In dem Doppelpreissystem liegt mithin eine Beschränkung des Gebiets oder der Kundengruppe, in das oder an die der Abnehmer verkaufen darf.165 Folglich handelt es sich um eine Kernbeschränkung im Sinne von Art. 4 lit. b Vertikal-GVO.166 Kartellrechtliche Bedenken hinsichtlich eines Doppelpreissystems werden auch in Bezug darauf geäußert, dass ein solches System eine Überprüfung voraussetzte, in der der Händler offenlegt, an wen er in welchem Umfang über welchen Vertriebsweg verkauft hat.167 Derartige sensible Daten stellen jedoch Geschäftsgeheimnisse dar, die im Sinne des Wettbewerbs geschützt werden müssen.168 Da Doppelpreissysteme in verschiedenen Formen möglich sind, bleibt festzuhalten, dass es für die Einordnung als Kernbeschränkung im Sinne des Art. 4 lit. b Vertikal-GVO keinen Unterschied macht, ob es sich um eine starre Preisspreizung, variable Zuschüsse oder um Rabattsysteme handelt.169 Wesentlich ist, dass ein Online-Händler keinesfalls die gleichen Rabattstufen 161  OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.11.2013, Az. IV-U (Kart) 11 / 13, WuW / E DE-R 4117 = NZKart 2014, 68 (69)  – Fachhandelsvereinbarung Sanitär. 162  Mäger / von Schreitter, NZKart 2015, 62 (64). 163  Mäger / von Schreitter, NZKart 2015, 62 (64). 164  Mäger / von Schreitter, NZKart 2015, 62 (64). 165  BKartA, Vertikale Beschränkungen, Hintergrundpapier v. 10.10.2013, S. 21; Baron, in: Loewenheim / Meessen / Riesenkampff, Kartellrecht, Art. 4 Vert-GVO Rn. 258. 166  BKartA, Vertikale Beschränkungen, Hintergrundpapier v. 10.10.2013, S. 21; Baron, in: Loewenheim / Meessen / Riesenkampff, Kartellrecht, Art. 4 Vert-GVO Rn. 258; Mäger / von Schreitter, NZKart 2015, 62 (64); Hederström / Peeperkorn, JECLAP 2016, 10 (19); Pick, in: Demolin, Commercial Distribution, S. 347. 167  Metzlaff, ZVertriebsR 2012, 66 (67). 168  Metzlaff, ZVertriebsR 2012, 66 (67). 169  Mäger / von Schreitter, NZKart 2015, 62 (65). Zu den verschiedenen Ausgestaltungsmöglichkeiten siehe unter I., S. 130 ff.

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5. Kap.: Vertriebsbeschränkungen im Internet

erreichen kann wie ein Händler, der stationär vertreibt.170 Aufgrund der Einordnung des Doppelpreissystems als Kernbeschränkung im Sinne von Art. 4 lit. b Vertikal-GVO scheidet eine Freistellung durch die Vertikal-GVO aus.

IV. Freistellungsmöglichkeit nach Art. 101 Abs. 3 AEUV Wenn sich der Hersteller nun, trotz der zuvor aufgezeigten dagegensprechenden Gründe und Unsicherheiten, dafür entscheidet, ein Doppelpreissystem gegenüber seinen Händlern einzuführen, stellt sich die Frage, ob dieses Doppelpreissystem in die Gunst einer Freistellung kommen kann. Eine Freistellung der Doppelpreissysteme nach Art. 101 Abs. 3 AEUV171 kommt nur ausnahmsweise in Betracht. Die Voraussetzungen einer Freistellung können vorliegen, wenn die Online-Verkäufe höhere Kosten verursachen als Offline-Verkäufe, weil bei letzteren die fachmännische Installation ausgeschlossen ist und es deswegen seltener zu Haftungsansprüchen kommt.172 Eine Freistellungsmöglichkeit für die Verpflichtung für online verkaufte Produkte einen höheren Preis zu verlangen kann bestehen, wenn der Hersteller für den Weiterverkauf über das Internet höhere Kosten als beim Offline-Vertrieb hat. Höhere Kosten können z. B. aus einer Vielzahl von Rücksendungen oder einer zeitintensiven Bearbeitung von höheren Beschwerdezahlen aufgrund von fehlender fachgerechter Installation onlinebezogener Produkte folgen.173 Die höheren Kosten müssen jedoch nachgewiesen werden.174 In der Praxis gelingt der Nachweis einer Freistellung nur selten, insbesondere wenn der Internetverkauf beschränkt wurde.175 Grundsätzlich gibt es für eine Freistellung nach Art. 101 Abs. 3 AEUV vier Voraussetzungen. Dazu zählen Effizienzvorteile, die angemessene Beteiligung von Verbrauchern, Unerlässlichkeit der Einschränkungen sowie keine Ausschaltung des Wettbewerbs.176 Alle vier Bedingungen müssen 170  Mäger / von

Schreitter, NZKart 2015, 62 (65). von Dreyer / Lemberg, BB 2012, 2004 (2008); ebenfalls angedacht von Rinne / Kolb, NZKart 2015, 377 (378). 172  Barth, GWR 2014, 42 (42); Rinne / Kolb, NZKart 2015, 377 (378); Dreyer / Lemberg, BB 2012, 2004 (2008); Vertikal-LL Tz. 64. 173  Innerhofer, ZVertriebsR 2013, 266 (271); Seeliger / Klauß, GWR 2010, 233 (236); Wiring, MMR 2010, 659 (660); Vertikal-LL Tz. 64. 174  Dreyer / Lemberg, BB 2012, 2004 (2008). 175  Barth, GWR 2014, 42 (42); Mäger / von Schreitter, NZKart 2015, 62 (65), gehen im Rahmen von Dual-Pricing-Systemen von einem regelmäßigen Scheitern der Freistellung aus. 176  Innerhofer, ZVertriebsR 2013, 266 (268); Leitlinien zur Anwendung von Art. 101 Absatz 3 AEUV (ex-Artikel 81 Absatz 3 EG-Vertrag), ABl. C 101 v. 27.04.2004. 171  Erwähnt



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kumulativ vorliegen. Ob solche Effizienzvorteile im Rahmen von Doppelpreissystemen gegeben sein können, wird im Folgenden näher beleuchtet. 1. Effizienzvorteile Zunächst lässt bezüglich der Freistellungsmöglichkeit von Dual-PricingSystemen an einen Effizienzvorteil in Form der Bewahrung der Wettbewerbsvielfalt und des Qualitätswettbewerbs anknüpfen. Zwar hat die Rechtsprechung den Schutz bestehender Strukturen als nicht ausreichend erachtet.177 Allerdings kann dem entgegengehalten werden, dass es für Hersteller aufgrund der starken Entwicklung des Onlinehandels zunehmend nicht mehr um den Schutz bestehender Strukturen, sondern vielmehr um die Sicherung des Fortbestehens des stationären Vertriebs geht.178 Das drohende Fachhandelssterben ist nunmehr allgegenwärtig.179 Sollten die Rabattsysteme so ausgestaltet sein, dass sie auf der einen Seite nicht zu einem Niedergang des stationären Handels führen und auf der anderen Seite die Entwicklung des Internetvertriebs nicht bremsen, können sie durchaus ein wertvolles Mittel sein, um den Wettbewerb um Endverbraucher zwischen beiden Vertriebswegen und damit auch ein Gleichgewicht zwischen Preis- und Qualitätswettbewerb aufrechtzuerhalten bzw. wiederherzustellen.180 Auch die Möglichkeit mittels der Rabattsysteme das sog. TrittbrettfahrerProblem einzugrenzen, kommt als Rechtfertigungsgrund grundsätzlich in Betracht. Zwar hat das Bundeskartellamt der Anerkennung des Trittbrettfahrer-Problems als Rechtfertigungsgrund grundsätzlich bereits eine Absage erteilt, dies scheint die Kommission jedoch anders zu bewerten.181 Nach Ansicht der Kommission kann das Trittbrettfahrer-Problem unter gewissen Voraussetzungen vertikale Beschränkungen rechtfertigen.182 Dabei ist zu 177  OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.11.2013, Az. IV-U (Kart) 11 / 13, WuW / E DE-R 4117 = NZKart 2014, 68 (69) – Fachhandelsvereinbarung Sanitär; Rahlmeyer, ZVertriebsR 2015, 144 (146), vermisst diesbezüglich einen substantiierten Vortrag des Gerichts. 178  Rinne / Kolb, NZKart 2015, 377 (380). 179  Siehe dazu Ausführungen unter 2. Kapitel, D., III., S. 35 f. 180  Rinne / Kolb, NZKart 2015, 377 (380). 181  Rinne / Kolb, NZKart 2015, 377 (380); das BKartA ist zum pauschalen Marktplatzverbot auf das Trittbrettfahrerproblem im Rahmen der Freistellungsprüfung von Art. 101 Abs. 3 AEUV eingegangen. Dazu stellte es fest, dass Trittbrettfahren „in Bezug auf online versus offline in beide Richtungen stattfindet. Ein effizientes Vertriebssystem muss unabhängig vom Vertriebskanal sicherstellen, dass die Anreize für Einzelhändler, in Markenpräsentation und Beratung zu investieren, gewahrt bleiben“, BKartA, Entsch. v. 27.06.2014, Az. B3-137 / 12 = Fallbericht v. 19.08.2014, S. 6  – adidas, abrufbar unter www.bundeskartellamt.de. 182  Kommission, Vertikal-LL Tz. 107; Rinne / Kolb, NZKart 2015, 377 (380).

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5. Kap.: Vertriebsbeschränkungen im Internet

beachten, dass Trittbrettfahren unter Abnehmern ausschließlich bei verkaufsfördernden Maßnahmen und der Kundenberatung vor dem Verkauf möglich ist.183 Daneben sollte es sich bei dem Produkt entweder um ein neues oder technisch komplexes handeln oder der Ruf des Produkts muss ein entscheidender Faktor für die Nachfrager sein.184 Weiterhin muss es ein relativ hochwertiges Produkt sein, denn ansonsten lohnt es sich für die Kunden schon gar nicht, sich zunächst in einem stationären Geschäft über das Produkt zu informieren, um es dann in Internetshops zu kaufen.185 Als letzte Voraussetzung spricht die Kommission in den Leitlinien an, dass es für den Anbieter nicht praktisch sein dürfte, allen Abnehmern durch Vertrag tatsächliche Verpflichtungen in Bezug auf verkaufsfördernde Maßnahmen oder Service aufzuerlegen.186 Diese Voraussetzungen müssten mithin auch in Bezug auf die Rabatte der Doppelpreissysteme vorliegen, damit das Trittbrettfahrer-Problem eine solche vertikale Beschränkung rechtfertigen könnte. Die Rabatte sollen grundsätzlich bestimmte verkaufsfördernde Maßnahmen eines Händlers vergüten und gleichzeitig vermeiden, dass Händler, die keine entsprechenden Leistungen erbringen, nicht auf dessen Kosten von den verkaufsfördernden Maßnahmen profitieren.187 In der Regel handelt es sich außerdem um hochwertige Markenprodukte, deren korrekte Bedienung eine Beratung erforderlich macht bzw. erforderlich erscheinen lässt.188 Schließlich wäre es aufgrund der unterschiedlichen Ausgestaltung des stationären Vertriebs und des Onlinehandels auch nicht praktikabel, alle Händler zu einer Vorab-Beratung am Produkt zu verpflichten.189 Dementsprechend ist es durchaus denkbar, dass – bei Vorliegen der aufgezeigten Umstände – die Einführung der Rabatte im Rahmen des Doppelpreissystems das Trittbrettfahrer-Problem eingrenzen und damit zu einem Effizienzvorteil führen kann.

183  Nicht möglich soll Trittbrettfahren unter Abnehmern bezüglich des Kundendienstes nach dem Verkauf sein, denn dieser kann der Händler seinen Kunden einzeln in Rechnung stellen, Vertikal-LL Tz. 107. 184  Ansonsten kann davon ausgegangen werden, dass die Kunden von vorausgehenden Käufen bereits wissen dürften, was sie konkret benötigen, Vertikal-LL Tz. 107. 185  Vertikal-LL Tz. 107. 186  Vertikal-LL Tz. 107. 187  Rinne / Kolb, NZKart 2015, 377 (381). 188  Rinne / Kolb, NZKart 2015, 377 (381) nennen als Beispiele die Fälle Gardena und BSH. 189  Rinne / Kolb, NZKart 2015, 377 (381).



G. Dual Pricing141

2. Angemessene Beteiligung der Verbraucher am Gewinn Eine weitere Voraussetzung für eine Freistellung nach Art. 101 Abs. 3 AEUV ist die angemessene Beteiligung der Verbraucher am Gewinn190. Zunächst könnte man daran denken, dass es im Falle von Doppelpreissystemen zu höheren Verkaufspreisen im Online-Handel kommt und damit eine angemessene Beteiligung der Verbraucher am Gewinn ausgeschlossen ist. Dem lässt sich jedoch entgegenhalten, dass Rabatte im Rahmen von Doppelpreissystemen grundsätzlich spezielle Leistungen des stationären bzw. des Internetvertriebs fördern und in der Regel auch kostenbasiert sind.191 Daher kann nicht pauschal davon ausgegangen werden, dass solche Rabatte zu höheren Online-Preisen führen. Zudem werden die Verbraucher in der Hinsicht beteiligt, dass sie weiterhin kostenfrei auf die besonderen Leistungen bezüglich der Beratung und Präsentation des stationären Handels zurückgreifen können.192 3. Unerlässlichkeit der Einschränkung Grundsätzlich besteht bei Doppelpreissystemen die Möglichkeit zur Einstufung als unerlässlich.193 Zwar werden Beschränkungen, die eine Kernbeschränkungen darstellen, in der Regel nicht als unerlässlich eingestuft, es ist jedoch durchaus möglich, dass eine Unerlässlichkeit der Einschränkung auch in so einem Fall angenommen wird.194 Der Unerlässlichkeit eines Doppelpreissystems könnte bereits die Alternative der Einführung von Fixzuschüssen entgegenstehen. Allerdings sind Fixzuschüsse letztlich nicht mit den gleichen Effizienzgewinnen verbunden wie Doppelpreissysteme.195 Weiterhin erscheint auch eine wirtschaftlich sinnvolle Alternative zu kostenbasierten Rabatten nicht ersichtlich.196 190  Unter den Begriff des Gewinns fallen alle mit der wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarung für die Abnehmer mit hoher Wahrscheinlichkeit verbundenen Vorteile, so Kling / Thomas, Kartellrecht, § 5 Rn. 287. 191  Rinne / Kolb, NZKart 2015, 377 (381). 192  Rinne / Kolb, NZKart 2015, 377 (381). 193  Dass dies auch die Kommission so sieht, geht daraus hervor, dass sie Doppelpreissysteme zwar als Kernbeschränkung ansieht, aber betont, dass unter Umständen die Voraussetzungen für eine Freistellung nach Art. 101 Abs. 3 AEUV erfüllt sein können, Vertikal-LL Tz. 64. 194  Davon geht auch die Kommission grundsätzlich aus, vgl. Kommission, Leitlinien zu Art. 81 Abs. 3 EG, Rz. 79. 195  Siehe dazu Ausführungen unter 5. Kapitel, G., V., S. 143 f. 196  Siehe 5. Kapitel, G., V., S. 145; zu diesem Ergebnis kommen auch Rinne /  Kolb, NZKart 2015, 377 (382).

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5. Kap.: Vertriebsbeschränkungen im Internet

4. Keine Ausschaltung des Wettbewerbs In der Regel führen Doppelpreissysteme dazu, dass Händler stationärer Geschäfte aufgrund der umfangreicheren Vertriebsleistungen zahlreiche Rabatte gewährt bekommen. Werden die Rabatte jedoch tatsächlich kostenbasiert bezogen auf die betreffenden Leistungen gewährt, so dürfte dies nicht zu einer Ausschaltung des Wettbewerbs führen.197 Dabei müssen die Rabatte unabhängig von der gewählten Vertriebsform gewährt werden.198 Unter diesen Umständen dürfte der Wettbewerb zwischen dem Internethandel und dem Vertrieb über stationäre Ladenlokale bestehen bleiben.

V. Einführung von festen Gebühren Eine Unterstützung des stationären Handels kann aufgrund von höheren Kosten im Vergleich zu den Kosten des Internetvertriebs durchaus sinnvoll sein. Zulässig sind nach der Praxis des Bundeskartellamtes feste Gebühren, die nicht von dem Ausmaß der Offline-Umsätze abhängig sind, sondern die dazu dienen sollen, die Bemühungen des Händlers beim stationären oder Online-Vertrieb zu unterstützen.199 Es ist nämlich sehr wohl anerkannt, dass der stationäre Absatz mit höheren Kosten verbunden sein kann, als der Absatz über das Internet.200 Für die Zulässigkeit solcher Fixzuschüsse spricht sich auch das Bundeskartellamt aus.201 Sie müssen jedoch umsatzoder mengenunabhängig sein.202 Das Bundeskartellamt begründet dies damit, dass dem Händler im Falle der Fixzuschüsse die Hoheit über die Wahl seiner Vertriebskanäle verbleiben würde, da die Fixbeiträge die Preissetzung in der Regel nicht beeinflussen würden.203 Es stützt sich dabei insbesondere auf die Leitlinien zur Vertikal-GVO, wonach das Verbot von Doppelpreissystemen nicht ausschließt, dass eine feste Gebühr vereinbart wird, um die Offline- oder Online-Verkaufsanstrengungen des Abnehmers zu unterRinne / Kolb, NZKart 2015, 377 (382). NZKart 2015, 377 (382). 199  BKartA, Jahresbericht 2013, S. 26; Innerhofer, ZVertriebsR 2013, 266 (271); v. Hülsen, ZVertriebsR 2012, 299 (306); Seeliger / Klauß, GWR 2010, 233 (236); Wiring, MMR 2010, 659 (661); Kirchhoff, in: FS Bornkamm, S. 207. 200  So auch BKart, Entsch. v. 27.11.2013, Az.: B5-144 / 13 = Fallbericht v. 05.12.2013, S. 2 – GARDENA. 201  BKartA, Jahresbericht 2013, S. 26. 202  BKartA, Vertikale Beschränkungen, Hintergrundpapier v. 10.10.2013, S. 21. 203  BKartA, Vertikale Beschränkungen, Hintergrundpapier v. 10.10.2013, S. 21; so auch BKart, Entsch. v. 27.11.2013, Az.: B5-144 / 13 = Fallbericht v. 05.12.2013, S. 2 – GARDENA; dem sich anschließend Mäger / von Schreitter, NZKart 2015, 62 (65). 197  Vgl.

198  Rinne / Kolb,



G. Dual Pricing143

stützen.204 Dabei ist allerdings zu beachten, dass eine variable Gebühr, die mit dem erzielten Offline-Umsatz steigt, wiederum nicht zulässig ist, weil sie indirekt zu einem Doppelpreissystem führen würde.205 1. Kritische Auseinandersetzung Bereits der Begriff der „festen Gebühr“ bietet Angriffsfläche für eine kritische Hinterfragung: Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie und das Bundeskartellamt verweisen in ihrer gemeinsamen Stellungnahme darauf, dass der Begriff der „festen Prämie“ in der Ökonomie eine klar umrissene Bedeutung habe.206 Bedenken werden dahingehend geäußert, dass für Leser aus anderen Bereichen dieser Begriff missverständlich sein könnte: So könnte angenommen werden, es handele sich um eine festgelegte Prämie, die sich aber an gewissen festgelegten Aspekten orientiert und sich daran bemisst.207 Bei der „festen Prämie“ handelt es sich aber gerade um keine an Umsätzen oder Mengen orientierte Größe, sondern um eine vorab absolut feststehende Prämie.208 Der Umstand, dass es sich um eine vorab absolut feststehende Prämie handelt, könnte begrifflich durchaus stärker zum Ausdruck gebracht werden.209 Nicht nur der Begriff der „festen Prämie“ bietet Angriffsfläche, es drängen sich – im Rahmen einer kritischen Auseinandersetzung – auch Unklarheiten 204  Rinne / Kolb,

NZKart 2015, 377 (377 f.). MMR 2010, 659 (661). 206  Stellungnahme des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie und des Bundeskartellamtes zum Entwurf einer Verordnung der Europäischen Kommission über die Anwendbarkeit von Artikel 81 Absatz 3 EG-Vertrag auf Gruppen von vertikalen Vereinbarungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen (VertikalGVO), S. 8. 207  Stellungnahme des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie und des Bundeskartellamtes zum Entwurf einer Verordnung der Europäischen Kommission über die Anwendbarkeit von Artikel 81 Absatz 3 EG-Vertrag auf Gruppen von vertikalen Vereinbarungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen (VertikalGVO), S. 8. 208  Stellungnahme des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie und des Bundeskartellamtes zum Entwurf einer Verordnung der Europäischen Kommission über die Anwendbarkeit von Artikel 81 Absatz 3 EG-Vertrag auf Gruppen von vertikalen Vereinbarungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen (VertikalGVO), S. 8. 209  Zu dieser Einschätzung kommen auch das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie und das Bundeskartellamt, in ihrer Stellungnahme des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie und des Bundeskartellamtes zum Entwurf einer Verordnung der Europäischen Kommission über die Anwendbarkeit von Artikel 81 Absatz 3 EG-Vertrag auf Gruppen von vertikalen Vereinbarungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen (Vertikal-GVO), S. 8. 205  Wiring,

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5. Kap.: Vertriebsbeschränkungen im Internet

in Bezug auf die tatsächliche Einführung einer festen Prämie in der Praxis auf. Denkt man zunächst einmal an die Einführung der Fixzuschüsse zu Beginn des Geschäftsjahres, so ergibt sich daraus ein gewisses Risiko, dass weniger umsatzstarke Händler im Endeffekt eine höhere Marge erhalten würden im Vergleich zu den erfolgreicheren Händlern mit höheren Verkaufszahlen.210 Die am Anfang des Jahres gewährten festen Prämien berücksichtigen nicht, ob und inwieweit die speziellen Absatzbemühungen des Händlers tatsächlich erfolgreich sind und er durch die besonderen Leistungen einen entsprechenden Umsatz erzielt hat.211 Letztlich kann dies also dazu führen, dass weniger erfolgreiche Händler gegenüber umsatzstärkeren Händlern besser gestellt werden. Außerdem ist es für den Hersteller aus kaufmännischer Sicht nur sinnvoll, die spezifischen Vertriebskosten seiner Händler zu kompensieren, wenn diese tatsächlich auch eine Wirkung zeigen.212 Diese Wirkung kann etwa darin liegen, dass Endverbraucher durch die Beratung gut geschulter Mitarbeiter, eine verständliche Produktbeschreibung und ähnlicher Leistungen vom Erwerb eines Produkts überzeugt werden können.213 Der Hersteller kann im Falle von jahresanfänglichen Fixzuschüssen das Abweichen eines Händlers von dessen Zielumsatz beispielweise dadurch berücksichtigen, dass man dem Hersteller eine unterjährige Anpassungsmöglichkeit gewährt.214 Insgesamt leuchtet nicht ein, wieso Fixzuschüsse im Endeffekt eine andere Wirkung haben sollen als Rabatte im Rahmen von Dual Pricing. Auch Fixzuschüsse können bis zu einem bestimmten Grad die Stückkosten senken.215 So liegt es doch nahe, dass auch Fixzuschüsse, die der stationäre Händler von dem Hersteller erhält für Online- bzw. Hybridhändler, einen Anreiz darstellen können, auf den stationären Vertrieb umzulenken.216 Eine feste Prämie kann außerdem Missbrauchspotenzial bergen, wenn diese verdeckt dazu dient, den Internethandel zu begrenzen oder zur Befolgung einer Preisempfehlung anzuhalten.217 Die Folge der Fixzuschüsse wäre dann also eine ähnliche wie sie Doppelpreissystemen beigemessen wird. Darüber hinaus besteht bei Fixzuschüssen kein Bezug zu den Umsätzen des Händlers, 210  Rinne / Kolb,

NZKart 2015, 377 (381). NZKart 2015, 377 (381). 212  Rinne / Kolb, NZKart 2015, 377 (381). 213  Rinne / Kolb, NZKart 2015, 377 (381). 214  Rinne / Kolb, NZKart 2015, 377 (381). 215  Rinne / Kolb, NZKart 2015, 377 (381). 216  Dies halten auch Rinne / Kolb, NZKart 2015, 377 (381) für naheliegend. 217  Stellungnahme des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie und des Bundeskartellamtes zum Entwurf einer Verordnung der Europäischen Kommission über die Anwendbarkeit von Artikel 81 Absatz 3 EG-Vertrag auf Gruppen von vertikalen Vereinbarungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen (VertikalGVO), S. 8. 211  Rinne / Kolb,



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damit könnte ihre Wirkung noch weitreichender sein als bei dem Einsatz eines Doppelpreissystems: Zum einen können weniger umsatzstarke Händler – im Vergleich zu den erfolgreicheren Händlern mit höheren Verkaufszahlen – letztlich eine höhere Marge erhalten.218 Zum anderen besteht sogar die Möglichkeit, dass bei umsatzschwachen Händlern durch Fixzuschüsse eine zahlungsunfähigkeit bzw. Insolvenz verhindert wird. Es scheint daher nicht verwunderlich, dass die Fixzuschüsse in der Praxis bereits als „weder praktikabel noch wirtschaftlich geeignet, um den unterschiedlichen Gegebenheiten verschiedener Vertriebswege angemessen Rechnung zu tragen“, bezeichnet wurden.219 2. Andere Lösungsansätze Da die Gewährung von Fixzuschüssen mit erheblichen Nachteilen und Unsicherheiten für den Hersteller verbunden ist, liegt es nahe, nach weiteren Lösungsansätzen für die Gewährung von Zuschüssen für spezielle Absatzbemühungen des Händlers zu suchen. Zuschüsse für spezielle Absatzbemühungen, die an Mengen- oder Umsatzerlöse anknüpfen, sind – wie bereits auf Seite 115 angesprochen – nicht zulässig. In Frage kämen aber möglicherweise Rabatte, die an andere Aspekte anknüpfen, wie etwa der Größe der Ladenfläche oder etwa der Anzahl des besonders geschulten Personals.220 Diesem Ansatz lassen sich jedoch die gleichen Argumente entgegenhalten wie bezüglich der Fixzuschüsse. Außerdem ist die praktische Umsetzung, die eine Überprüfung der für die Rabatte maßgeblichen Aspekte beinhalten würde, kaum möglich und wäre jedenfalls mit sehr großem Aufwand verbunden.221 3. Fazit Zum Teil wird kritisiert, weder die feste Prämie noch die Freistellungsmöglichkeit seien durchweg geeignet, um den unterschiedlichen Funktionen, 218  Rinne / Kolb,

NZKart 2015, 377 (381). Rinne / Kolb, NZKart 2015, 377 (381), die beide als Rechtsanwälte tätig sind und Gardena in dem Verfahren B5-144 / 13 vor dem BKartA vertreten haben; Baron, in: Loewenheim / Meessen / Riesenkampff, Kartellrecht, Art. 4 Vert-GVO Rn. 256; Font Galarza / Gissler, The EU Review of the Vertical Restraints Policy in the Context of Internet Commerce, in: Gheur / Petit, S. 177 f. sehen die Einführung von Fixzuschüssen in der Praxis vor viele Unklarheiten gestellt, so heißt es: „It is still unclear, however, how these should applied in practice and where the thin line between a fee and price discrimination between online and offline sales will be drawn.“ 220  Ebenfalls angedacht von Rinne / Kolb, NZKart 2015, 377 (382). 221  Rinne / Kolb, NZKart 2015, 377 (382). 219  So

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5. Kap.: Vertriebsbeschränkungen im Internet

die die Vertriebskanäle online und offline in einem Vertriebssystem haben können, angemessen Rechnung tragen zu können.222 So gebe es Branchen, in denen eine Neukundengewinnung nur über den Fachhandel erfolge, wenn z. B. wegen der Komplexität oder anspruchsvollen Handhabung des Produkts oder wegen gesundheitsrelevanter Aspekte der Kunde nur hier von den Vorteilen des Produkts überzeugt werden kann. Hier leiste der stationäre Händler – im Gegensatz zum Internethändler – einen nicht immer genau quantifizierbaren, aber entscheidenden Beitrag zum Vertrieb des Herstellers.223 Daher wird appelliert, es solle möglich sein, diese unterschiedliche Bedeutung der Vertriebskanäle auch über ein unterschiedliches Preisniveau zu honorieren.224 Die vorstehenden Ausführungen zeigen, dass ein Doppelpreissystem zwar generell eine Wettbewerbsbeschränkung sowie eine Kernbeschränkung nach Art. 4 lit. b Vertikal-GVO darstellt, eine Freistellung nach Art. 101 Abs. 3 AEUV grundsätzlich auch für Doppelpreissysteme möglich ist. Dies deckt sich mit der Ansicht der Kommission.225 Die engen Grenzen der Freistellung werden wohl in der Regel nicht gegeben bzw. nicht nachweisbar sein. Handelt es sich um kostenbasierte Doppelpreissysteme, die unabhängig von der Vertriebsform gewährt werden, so können die entsprechenden Voraussetzungen der Freistellung aber gegeben sein. Die vom Bundeskartellamt grundsätzlich als zulässig erachtete Form von Fixzuschüssen erscheint jedoch nicht als praxistaugliche Alternative, da auch feste Gebühren einen Anreiz für Händler darstellen können, auf den Internetvertrieb zu verzichten und stattdessen den stationären Vertrieb zu bevorzugen. Außerdem können Fixzuschüsse dazuführen, dass weniger erfolgreiche Händler besser gestellt werden, obwohl andere Händler mit ihren Absatzbemühungen erfolgreicher waren. Denkbar ist auch, dass Fixzuschüsse bei umsatzschwächeren Händlern eine ansonsten bevorstehende Insolvenz verhindern.

H. Plattformverbote Eine weitere Beschränkung des Internetvertriebs stellen Plattformverbote dar. Die Unternehmer versuchen dabei regelmäßig, den Händlern vertraglich den Vertrieb über Internetplattformen zu verbieten oder ihn wenigstens zu minimieren.226 Verbietet der Hersteller den Vertrieb über Internetplattfor222  Seeliger / Klauß,

GWR 2010, 233 (236). GWR 2010, 233 (236). 224  Seeliger / Klauß, GWR 2010, 233 (236). 225  Vertikal-LL Tz. 64. 226  BKartA, Vertikale Beschränkungen, Hintergrundpapier v. 10.10.2013, S. 24; vgl. heise.online-ct, Sportartikelhersteller untersagen Verkauf über Amazon und 223  Seeliger / Klauß,



H. Plattformverbote

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men, unabhängig von der Ausgestaltung der jeweiligen Plattform, handelt es sich um ein pauschales Plattformverbot.227 Davon abzugrenzen sind die mittelbaren Plattformverbote, die vorliegen, wenn durch Qualitätsanforderungen des Herstellers gegenüber seinen Händlern, der Vertrieb über OnlinePlattformen faktisch ausgeschlossen wird, da auf diesen Plattformen die Qualitätsanforderungen nicht eingehalten werden können.228 Die Einführung sog. Drittplattformverbote werden mit den unterschiedlichsten Argumenten begründet und auch von Literatur und Rechtsprechung nicht einheitlich behandelt. Für eine kartellrechtliche Einordnung der Plattformverbote, wird zunächst ein Blick auf den Vertrieb über Internetplattformen und sein Ruf geworfen (unter I.). Daraufhin wird untersucht, ob Plattformverbote eine Wettbewerbsbeschränkung im Sinne von Art. 101 Abs. 1 AEUV bzw. § 1 GWB darstellen (unter II.). Anknüpfend daran wird beleuchtet, ob es sich bei Plattformverboten um eine Kernbeschränkung des Art. 4 Vertikal-GVO handelt (unter III.) und daran anschließend, ob eine Einzelfreistellung für Plattformverbote in Betracht kommt (unter IV.). Die rechtliche Bewertung von mittelbaren Plattformverboten wird gesondert vorgenommen (unter V.). Abgerundet wird die Untersuchung von Plattformverboten mit dem Ergebnis zur kartellrechtlichen Einordnung von Plattformverboten (unter VI.).

I. Vertrieb über Internetplattformen Auf der einen Seite bietet der Vertrieb über Internetplattformen für Händler einige Vorzüge, auf der anderen Seite gibt es für die Hersteller Gründe, die für die Einführung eines Plattformverbots sprechen. Den Herstellern, die den Vertrieb über Internetplattformen unterbinden wollen, erscheint als besonders ausschlaggebend für die Einführung eines Plattformverbots, das markenschädigende Risiko des Vertriebs von Fälschungen oder nicht hinreichend als solche deklarierte gebrauchte Waren auf Internetplattformen.229 Die Untersagung des Vertriebs über Internetplattformen wird häufig mit eBay, 01.08.2013 unter http: /  / www.heise.de / resale / meldung / Sportartikelherstelleruntersagen-Verkauf-ueber-Amazon-und-eBay-1928424.html. Der Begriff des Drittplattformverbots beschreibt: Klauseln, nach welchen ein Hersteller einem Händler seines Vertriebssystems untersagt, unabhängige Drittplattformen, insbesondere Auktionsplattformen, zu nutzen, Seeliger, in: Wiedemann, Kartellrecht, § 11 R. 192. Im Folgenden werden Drittplattformverbote untersucht. Dabei wird zum Teil auch der Begriff des Plattformverbots damit gleichgesetzt. 227  Auch „per-se-Verbot“ genannt, BKartA, Beschl. v. 26.08.2015, Az. B2-98 / 11, Rn. 535  – Asics. 228  Schweda / Rudowicz, WRP 2013, 590 (596); Omlor, EuZW 2014, 932 (936); Mäger / von Schreitter, NZKart 2015, 62 (68 f.). 229  OLG Schleswig, Urt. v. 05.06.2014, Az. 16 U Kart 154 / 13, WuW / E  DE-R 4293 = NZKart 2014, 364 – Partnervereinbarung.

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5. Kap.: Vertriebsbeschränkungen im Internet

dem Ruf der Plattformen begründet.230 Insgesamt steht oftmals die Sorge im Vordergrund, der gute Ruf einer Marke könne durch den Vertrieb über solche Internetplattformen Schaden nehmen.231 Negiert wird dabei oft, dass Plattformen den Kunden einen Vorteil im Hinblick auf einen lebhaften Preiswettbewerb, Informationen und auf Transportkosten und – sicherheit böten.232 Der lebhafte Preiswettbewerb ist für viele Markenhersteller vielmehr ein Nachteil, da er mit einem Preisverfall einhergehen kann.233 Angeführt wird außerdem, die Händler erlitten durch ein Plattformverbot jedenfalls dann keine spürbare Beeinträchtigung, wenn sie zu vergleichsweise niedrigen Kosten zulässigerweise einen eigenen Online-Shop betreiben können und auf diese Weise alle Internetkäufer erreichen könnten, die wiederum über sog. Preisportale die Preise zwischen Online-Handelsplattformen und Online-Shops vergleichen könnten.234 Im Vergleich zu den Herstellern gewichten die Händler und Endkunden bestimmte Faktoren des Plattformvertriebs teilweise anders. Tatsächlich sind Internetplattformen von einem lebhaften Wettbewerb gekennzeichnet.235 Die Gegenstände sind dort grundsätzlich nach dem Preis geordnet. Der Preis ist für den Kunden, der im Internet Waren kaufen will, regelmäßig der Faktor, der für die Kaufentscheidung maßgebend ist.236 Daher nutzt ein Teil der Käufer die Internetplattformen vorrangig, weil diese einen unmittelbaren Preisvergleich ermöglichen und zudem zusätzlichen Service bieten wie insbesondere Kundenbewertungen und darunter auch Angaben über die Zuverlässigkeit des jeweiligen Anbieters.237 Außerdem stehen sich auf OnlinePlattformen nicht nur die Produkte verschiedener Hersteller (sog. Inter230  KG Berlin, Urt. v. 19.09.2013, Az. 2 U 8 / 09 Kart, WuW / E DE-R 4019 = ZVertriebsR 2014, 104 (106) – Schulranzen und -rucksäcke; Kirchhoff, in: Wiedemann, Kartellrecht, § 11 Rn. 401. 231  Dieselhorst / Luhn, WRP 2008, 1306 (1306); Rempe, DSRITB 2014, 625 (628); Querndt, Selektivvertrieb und eBay-Versteigerungen, S. 60. 232  So aber OLG Schleswig, Urt. v. 05.06.2014, Az. 16 U Kart 154 / 13, WuW / E  DE-R 4293 = NZKart  2014, 364 (364)  – Partnervereinbarung. 233  Lohse, WuW 2014, 120 (120); Schweda / Rudowicz, WRP 2013, 590 (591). 234  OLG Schleswig, Urt. v. 05.06.2014, Az. 16 U Kart 154 / 13, WuW / E  DE-R 4293 = NZKart 2014, 364 (364) – Partnervereinbarung. 235  OLG Schleswig, Urt. v. 05.06.2014, Az. 16 U Kart 154 / 13, WuW / E  DE-R 4293 = NZKart 2014, 364 (364) – Partnervereinbarung; Schweda / Rudowicz, WRP 2013, 590 (591); Gassner, MMR 2001, 140 (140). 236  OLG Schleswig, Urt. v. 05.06.2014, Az. 16 U Kart 154 / 13, WuW / E  DE-R 4293 = NZKart 2014, 364 (364) – Partnervereinbarung. 237  OLG Schleswig, Urt. v. 05.06.2014, Az. 16 U Kart 154 / 13, WuW / E  DE-R 4293 = NZKart 2014, 364 (364) – Partnervereinbarung. Für Kunden können die Internetplattformen eine „komfortable Navigationshilfe durch den „Informations­ dschungel“ im Netz darstellen“, Kumkar, NZKart 2016, 121 (121).



H. Plattformverbote149

Brand-Wettbewerb) gegenüber, sondern es konkurrieren ebenfalls verschiedene Angebote unterschiedlicher Händler für ein und dasselbe Produkt (sog. Intra-Brand-Wettbewerb).238 Um mit der Menge der auf den Handelsplätzen auftretenden Bewerber mithalten zu können, muss sich der Händler an dem dort herrschenden Preisniveau orientieren.239 Dieser Aspekt kann gerade in den Augen der Endkunden ein Vorteil des Plattformverbotes sein.

II. Plattformverbote als Wettbewerbsbeschränkung Zunächst stellt sich die Frage, ob eine pauschale Einschränkung des Vertriebs über Internetplattformen eine tatbestandmäßige Wettbewerbsbeschränkung im Sinne von Art. 101 Abs. 1 AEUV sowie § 1 GWB darstellt. Maßgeblich für eine kartellrechtliche Einordnung der Drittplattformverbote als Wettbewerbsbeschränkung im Rahmen eines selektiven Vertriebs ist zunächst, ob die qualitativen Kriterien mit Rücksicht auf die Eigenschaften der vertriebenen Waren zur Wahrung der Qualität und zur Gewährleistung des richtigen Gebrauchs erforderlich sind (1.). Zum anderen ist für eine Einordnung der Vertikalvereinbarung als Wettbewerbsbeschränkung wesentlich, ob die Kriterien – also das Drittplattformverbot – einheitlich und diskriminierungsfrei angewendet werden (2.). Schließlich dürfen die Kriterien nicht über das erforderliche Maß hinausgehen (3.). InAbgrenzung dazu wird in der gebotenen Kürze wird auf das Vorliegen einer Wettbewerbsbeschränkung durch ein Drittplattformverbot im Rahmen des nicht-selektiven Vertriebs eingegangen (4.). 1. Erforderlichkeit zur Wahrung der Qualität und zur Gewährleistung des richtigen Gebrauchs Die Eigenschaft des betreffenden Produktes muss einen selektiven Vertrieb erfordern: Das ist etwa bei langlebigen, hochwertigen und technisch hoch entwickelten Verbrauchsgütern der Fall, wenn das Plattformverbot dazu dient, den Fachhandel, der in der Lage ist, bestimmte Dienstleistungen für diese Produkte zu erbringen, aufrechtzuerhalten und daher die Anforderungen gerechtfertigt sind, um eine fachkundige Beratung oder einen leistungsfähigen Kundendienst zu gewährleisten.240 238  Schweda / Rudowicz,

WRP 2013, 590 (591). Schleswig, Urt. v. 05.06.2014, Az. 16 U Kart 154 / 13, WuW / E  DE-R 4293 = NZKart 2014, 364 (364) – Partnervereinbarung. 240  EuGH, Urt. v. 13.10.2011, Rs. C-439 / 09, Slg 2011, I-9419, WuW / E EU-R 2163 = EuZW 2012, 28 (30 Rn. 40) – Pierre Fabre Dermo-Cosmétique; EuGH, Urt. v. 25.10.1983, Rs. C-107 / 82, Slg. 1983, 3151 = GRUR Int. 1984, 28 (29) Rn. 33 – AEG; 239  OLG

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5. Kap.: Vertriebsbeschränkungen im Internet

a) Erhalt von fachhandelsspezifischen Serviceleistungen Primär geht es um den Erhalt von fachhandelsspezifischen Serviceleistungen, die am Markt nicht hinreichend angeboten werden würden, wenn sie nicht von allen Händlern angeboten werden würden.241 Das OLG Frankfurt erachtete, im Hinblick auf die Produktpalette eines Herstellers für Funktionsrucksäcke mit mehreren „hundert Rucksack-Modellen in unterschiedlichen Gestaltungsformen, Größen und technischen Ausstattungen für unterschiedliche Anwendungsbereiche“, eine fundierte Beratung als erforderlich.242 An anderer Stelle, begründete ein namhafter Kamerahersteller, die Beschränkung des Vertriebs seiner Waren über Internetauktionsplattformen oder Internetmarktplätze damit, sie sei zum einen zur Qualitätssicherung und zum anderen zur Beratung zum Umgang mit ihren hochwertigen Kameras mit komplexen Funktionalitäten erforderlich243, so wie dass der Verkauf über Plattformen die Einweisung durch einen Fachmann und den Zugang zu diesem erschwere.244 b) Qualitativ hochwertige Markenprodukte Qualitativ hochwertige Markenprodukte können zur Wahrung der Qualität und zur Gewährleistung des richtigen Gebrauchs einen Selektivvertrieb erfordern.245 Dies ergibt sich daraus, dass zunächst nur Markenprodukte die ansonsten unverhältnismäßigen Informationskosten erträglich halten und die Markenbotschaft nur im Wege des Selektivvertriebs unverfälscht an Endverbraucher kommuniziert werden kann.246 EuGH, Urt. v. 25.10.1977, Rs. 26 / 76, Slg 1977, 1875 = GRUR Int. 1978, 254 (256 f.) Rn. 20 f. – Metro / Saba I; OLG Frankfurt, Urt. v. 22.12.2015, Az. 11 U 84 / 14, WuW 2016, 138 = NZKart 2016, 84 (86) – Funktionsrucksäcke; Lohse, WuW 2014, 120 (123); Mäger / von Schreitter, NZKart 2015, 62 (64); Lubberger, WRP 2015, 14 (17). 241  Dies wird als Trittbrettfahrerproblem eingeordnet, Lohse, WuW 2014, 120 (123); Franck, WuW 2010, 772 (776 f.). 242  OLG Frankfurt, Urt. v. 22.12.2015, Az. 11 U 84 / 14, WuW 2016, 138 = NZKart 2016, 84 (86) – Funktionsrucksäcke. 243  Das OLG führt in seinem Urteil aus, es sei nicht ersichtlich, dass es sich bei den Kameras tatsächlich um derart hochtechnische Produkte mit erhöhtem Erklärungsbedarf handeln sollte, OLG Schleswig, Urt. v. 05.06.2014, Az. 16 U Kart 154 / 13, WuW / E  DE-R 4293 = NZKart  2014, 364 (364)  – Partnervereinbarung; Lohse, WuW 2014, 120 (120). 244  OLG Schleswig, Urt. v. 05.06.2014, Az. 16 U Kart 154 / 13, WuW / E  DE-R 4293 = NZKart 2014, 364 (364) – Partnervereinbarung. 245  Dies ergibt sich aus der von verschiedenen OLG’s vertretenen Auffassungen, zuletzt: OLG Frankfurt, Urt. v. 22.12.2015, Az. 11 U 84 / 14, WuW 2016, 138 = NZKart 2016, 84 (86) – Funktionsrucksäcke; Lohse, WuW 2014, 120 (123). 246  Lubberger, WRP 2015, 14 (18).



H. Plattformverbote151

Die Einrichtung eines selektiven Vertriebs und die damit verbundene Beschränkung des Vertriebs kann ebenso durch ein bestimmtes luxuriöses Produktimage gerechtfertigt werden.247 Abgestellt werden kann diesbezüglich auf die „Aura prestigeträchtiger Exklusivität“.248 Hierbei geht es darum, dass ein Verkauf in unangemessener Weise das Luxusimage und damit den eigentlichen Charakter des Produkts beeinträchtigen könnte.249 Der EuGH hat die Wahrung des Prestigecharakters eines Produkts in dem Pierre Fabre-Urteil nicht als legitimes Ziel zur Beschränkung des Wettbewerbs angesehen.250 Daraus kann jedoch kein genereller Ausschluss von Luxusprodukten für den Selektivvertrieb gesehen werden.251 Unter den bereits aufgezeigten Voraussetzungen ist es möglich, dass Abnehmer von Maßnahmen zum Reputationsschutz profitieren und die Maßnahmen dann aus dem Tatbestand des Art. 101 Abs. 1 AEUV fallen.252 Gerade bei einem Fall von sog. Erfahrungs- oder Vertrauensgütern, bei denen die Qualität erst nach Ingebrauchnahme oder gar nicht objektiv beurteilt werden kann und bei denen das Markenimage eine hohe Produktqualität signalisiert, können qualitative Anforderungen in Form des Plattformverbots als erforderlich angesehen werden.253 Geschützt werden soll hierbei die Möglichkeit, über das Marken­image eine hohe Produktqualität zu signalisieren, da eine Beeinträchtigung dieses Qualitätssignals die Vermarktung der Produkte ansonsten erheblich erschweren würde.254 247  OLG Frankfurt, Urt. v. 22.12.2015, Az. 11 U 84 / 14, WuW 2016, 138 = NZKart 2016, 84 (86) – Funktionsrucksäcke; KG Berlin, Urt. v. 19.09.2013, Az. 2 U 8 / 09 Kart, WuW / E DE-R 4019 = ZVertriebsR 2014, 104 (106)  – Schulranzen und -rucksäcke. 248  EuG, Urt. v. 12.12.1996, Az. T-88 / 92, Slg  1996, II-1961 Tz. 110  – Leclerc / Kommission; OLG Frankfurt, Urt. v. 22.12.2015, Az. 11 U 84 / 14, WuW 2016, 138 = NZKart 2016, 84 (86) – Funktionsrucksäcke. 249  EuG, Urt. v. 12.12.1996, Az. T-88 / 92, Slg  1996, II-1961 Tz. 110  – Leclerc / Kommission; EuGH, Urt. v. 23.04.2009, Rs. C-59 / 08, Slg  2009, I-3421 Tz. 30 ff. = EuZW  2009, 453 = GRUR  2009, 593 (593)  – Copad / Dior. 250  EuGH, Urt. v. 13.10.2011, Rs. C-439 / 09, Slg 2011, I-9419, WuW / E  EU-R 2163 = EuZW 2012, 28 (30 Rn. 46) – Pierre Fabre Dermo-Cosmétique; Schweda /  Rudowicz, WRP 2013, 590 (595); Beckmann / Müller, in: Hoeren / Sieber / Holznagel, Multimedia-Recht, Teil 10 Rn. 154; Pichler / Hertfelder, NZKart 2014, 47 (52): lehnen eine zu weite Auslegung ab und betonen, dass es dabei lediglich um den „reinen Schutz des Prestigecharakter, also der durch statusbegründenden Markenkonsum bewirkten Befriedigung eines psychologischen Geltungsbedürfnisses gegenüber den Mitmenschen“ gehe. 251  OLG Frankfurt, Urt. v. 22.12.2015, Az. 11 U 84 / 14, WuW 2016, 138 = NZKart 2016, 84 (86) – Funktionsrucksäcke; siehe oben 4. Kapitel, A., II., S. 92. 252  Siehe oben 4. Kapitel, B., S. 93 ff. 253  Lohse, WuW 2014, 120 (124). 254  KG Berlin, Urt. v. 19.09.2013, Az. 2 U 8 / 09 Kart, WuW / E DE-R 4019 = ZVertriebsR 2014, 104 (106) – Schulranzen und -rucksäcke; Lohse, WuW 2014, 120 (124).

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5. Kap.: Vertriebsbeschränkungen im Internet

Ob ein Plattformverbot zur Wahrung der Qualität und zur Gewährleistung des richtigen Gebrauchs und damit als Qualitätsanforderung durch den Hersteller gegenüber dem Händler erforderlich ist, ist umstritten.255 Zum Teil wird die Einordnung als qualitative Anforderung recht knapp damit begründet, das Plattformverbot begrenze den Vertrieb nicht in quantitativer Weise, sondern stelle Anforderungen hinsichtlich der Art und Weise des Verkaufs.256 Diese Herleitung greift jedoch zu kurz: Problematisch bei der Annahme, es handele sich um eine qualitative Anforderung, ist, dass Plattformverbote auf den Ausschluss eines Vertriebskanals bei der Nutzung des Internets als Vertriebsform abzielen.257 Das Plattformverbot bewirkt, dass der Händler zwar an jeden Verbraucher verkaufen darf, aber ihm der Verkauf an Verbraucher erschwert wird, die über Drittplattformen einkaufen wollen; damit erweist sich das Plattformverbot als Abnehmerbeschränkung.258 Darüber hinaus lässt es sich auch anzweifeln, dass das Qualitätssignal der Marke durch den Vertrieb über eine Plattform so beschädigt wird, dass die Vermarktung der Produkte erheblich erschwert wird.259 Es liegt zum einen vielmehr nahe, dass die Kunden zwischen dem Image des Produkts und dem des Plattformbetreibers unterscheiden.260 Zum anderen zeichnen sich die bekannten Online-Plattformen durch eine ausgereifte Suchfunktion, Möglichkeit der Händler-Kontakt-Aufnahme und Einrichtungen kompletter Händler-Shops und Partnerprogramme aus.261 Der Kunde sucht im Internet gezielt nach einem Produkt, nachdem er zuvor bereits durch Werbemaßnahmen und eine gewisse Imageetablierung darauf aufmerksam geworden ist.262 Das spricht dafür, dass das Internet in der Regel ohnehin nicht zu einer Imagebildung beiträgt, sondern vielmehr unter bestimmten Umständen zu einer Imageerhaltung.263 Mittlerweile werden Online-Plattformen wegen ihrer Transaktionssicherheit und Bewertungssysteme 255  Lohse, WuW 2014, 120 (125); Schweda / Rudowicz, WRP 2013, 590 (595); Mäger / von Schreitter, NZKart 2015, 62 (70); Dieselhorst / Luhn, WRP 2008, 1306 (1308), bejahen das Vorliegen eines qualitativen Kriteriums; so auch Pichler / Hertfelder, NZKart 2014, 47 (53). 256  Dieselhorst / Luhn, WRP 2008, 1306 (1308); auch Pichler / Hertfelder, NZKart 2014, 47 (53) bejahen das Vorliegen eines qualitativen Kriteriums. 257  Lohse, WuW 2014, 120 (125). 258  Lohse, WuW 2014, 120 (125). 259  Lohse, WuW 2014, 120 (126); Mäger / von Schreitter, NZKart 2015, 62 (70); Querndt, Selektivvertrieb und eBay-Versteigerungen, S. 68 f. A. A. KG Berlin, Urt. v. 19.09.2013, Az. 2 U 8 / 09 Kart, WuW / E DE-R 4019 = ZVertriebsR 2014, 104 (106) – Schulranzen und -rucksäcke. 260  Lohse, WuW 2014, 120 (126). 261  Mäger / von Schreitter, NZKart 2015, 62 (70). 262  Querndt, Selektivvertrieb und eBay-Versteigerungen, S. 68. 263  Querndt, Selektivvertrieb und eBay-Versteigerungen, S. 68.



H. Plattformverbote153

geschätzt.264 Auch gewähren die Plattformbetreiber nunmehr einen hohen Schutz gegen Plagiate und Betrug und haben die Präsentationsmöglichkeit erheblich verbessert.265 2. Einheitliche und diskriminierungsfreie Anwendung Die Kriterien des Herstellers, die das Drittplattformverbot umfassen, müssen einheitlich für alle in Betracht kommenden Wiederverkäufer festgelegt werden und von dem Hersteller auch diskriminierungsfrei angewendet werden.266 Eine diskriminierende Handhabung des selektiven Vertriebssystems durch den Hersteller ist bereits dann gegeben, wenn die Gründe, die der Hersteller für die Rechtfertigung der Zulässigkeit der selektiven Vertriebspolitik, ersichtlich nicht greifen, weil sie von dem Hersteller in anderem Zusammenhang ignoriert werden.267 Eine diskriminierende Handhabung bezüglich eines Drittplattformverbots kann vorliegen, wenn der Hersteller gleichzeitig seine Produkte über eine Discounterkette vertreibt: Stützt der Hersteller das Plattformverbot auf die Erforderlichkeit, das von ihm geschaffene Qualitätsimage zu wahren und einer „Verramschung“ der Produkte entgegenzuwirken, diskriminiert der Hersteller potenzielle Plattformhändler, wenn der Hersteller seine Produkte gleichzeitig über eine Discounterkette vertreibt, deren Verkaufsstellen nicht den Anforderungen entsprechen, die der Hersteller hinsichtlich eines stationären Einzelhandelsgeschäfts an seine Vertriebspartner stellt.268 3. Im Rahmen des erforderlichen Maßes Ob die aufgestellten Kriterien, also im Ergebnis auch das Drittplattformverbot, über das erforderliche Maß hinausgehen, ist objektiv unter Berücksichtigung des Verbraucherinteresses zu prüfen.269 Grundsätzlich ist dies im 264  Querndt,

Selektivvertrieb und eBay-Versteigerungen, S. 68. WuW 2014, 120 (126); Schweda / Rudowicz, WRP 2013, 590 (593 f.); Mäger / von Schreitter, NZKart 2015, 62 (70). 266  OLG Frankfurt, Beschl. v. 19.04.2016, Az. 11 U 96 / 14 (Kart), WuW 2016, 314 = NZKart 2016, 236 (238) – Depotkosmetik II. 267  KG Berlin, Urt. v. 19.09.2013, Az. 2 U 8 / 09 Kart, WuW / E DE-R 4019 = ZVertriebsR 2014, 104 (107)  – Schulranzen und -rucksäcke. 268  KG Berlin, Urt. v. 19.09.2013, Az. 2 U 8 / 09 Kart, WuW / E DE-R 4019 = ZVertriebsR 2014, 104 (107)  – Schulranzen und -rucksäcke. 269  OLG Frankfurt, Urt. v. 22.12.2015, Az. 11 U 84 / 14, WuW 2016, 138 = NZKart 2016, 84 (87)  – Funktionsrucksäcke; OLG Frankfurt, Beschl. v. 19.04.2016, Az. 11 U 96 / 14 (Kart), WuW 2016, 314 = NZKart 2016, 236 (237) – Depotkosmetik II. 265  Lohse,

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5. Kap.: Vertriebsbeschränkungen im Internet

Einzelfall zu klären.270 Argumente für die Erforderlichkeit eines Drittplattformverbots könnten sich daraus ergeben, dass Plattformen in der Regel gerade nicht diejenigen selbstbestimmten Außenauftritte und die Absatzkontrolle ermöglichen, die der Selektivvertrieb voraussetzt.271 Die Einhaltung legitimer Qualitätsstandards des Herstellers kann nur gesichert werden, wenn die „Verkaufsumgebung“ auch im Rahmen des Internetvertriebs durch den Hersteller gesichert gestaltet wird und nicht etwa durch einen dritten Plattformbetreiber, auf dessen Internetauftritt und Geschäftsgebaren der Hersteller keinen Einfluss hat.272 Die Einführung eines generellen Plattformverbots geht jedoch über das erforderliche Maß hinaus.273 Ein generelles Plattformverbot gilt unabhängig davon, ob im konkreten Fall tatsächlich die legitimen Qualitätsanforderungen des Herstellers verfehlt werden.274 Den Herstellern bleibt als milderes Mittel, solche qualitativen Anforderungen an den Vertrieb über OnlinePlattformen zu stellen, die vergleichbar mit den qualitativen Anforderungen an den stationären Vertrieb sind.275 Letztlich stellt das Plattformverbot im Rahmen eines selektiven Vertriebssystems daher eine Wettbewerbsbeschränkung dar.276

270  Lubberger,

WRP 2015, 14 (19). Frankfurt, Beschl. v. 19.04.2016, Az. 11 U 96 / 14 (Kart), WuW 2016, 314 = NZKart 2016, 236 (237) – Depotkosmetik II; Lubberger, WRP 2015, 14 (19). 272  OLG Frankfurt, Beschl. v. 19.04.2016, Az. 11 U 96 / 14 (Kart), WuW 2016, 314 = NZKart 2016, 236 (238) – Depotkosmetik II in den Ausführungen der Vorlagefrage zum EuGH. 273  BKartA, Beschl. v. 26.08.2015, Az. B2-98 / 11, Rn. 600 – Asics; Schweda / Rudowicz, WRP 2013, 590 (595); Klauß / Scheidtmann, GWR 2014, 331 (331). 274  OLG Frankfurt, Beschl. v. 19.04.2016, Az. 11 U 96 / 14 (Kart), WuW 2016, 314 = NZKart 2016, 236 (237)  – Depotkosmetik II. 275  BKartA, Beschl. v. 26.08.2015, Az. B2-98 / 11, Rn. 600 – Asics; Schweda / Rudowicz, WRP 2013, 590 (595); Klauß / Scheidtmann, GWR 2014, 331 (331), raten: „Hersteller sollten statt dessen differenziert vorgehen und konkrete Qualitätsanforderungen an den Internetvertrieb ihrer Produkte stellen.“; Dieselhorst / Luhn, WRP 2008, 1306 (1309), nehmen zwar an, das Plattformverbot sei in manchen Fällen lediglich die bloße Konsequenz der vom Hersteller aufgestellten qualitativen Anforderungen an den Vertrieb und gehe nicht über das hinaus, was von dem Händler nach den aufgestellten qualitativen Kriterien ohnehin einzuhalten sei, dabei ist jedoch zu bedenken, dass die Plattformbetreiber zu jener Zeit den Händlern lediglich begrenzte Möglichkeiten zur Gestaltung der Warenpräsentation boten und das Image der Plattformbetreiber sich seitdem gewandelt hat. 276  Diesbezüglich bleibt jedoch noch die Einlassung des EuGH’s zur Vorlagefrage des OLG Frankfurt, Beschl. v. 19.04.2016, Az. 11 U 96 / 14 (Kart), WuW 2016, 314 = NZKart 2016, 236 (236 ff.) – Depotkosmetik II abzuwarten. 271  OLG



H. Plattformverbote155

4. Wettbewerbsbeschränkung im Rahmen des nicht-selektiven Vertriebs Abzugrenzen sind die obenstehenden Ausführungen, welche in Bezug auf den selektiven Vertrieb gelten, gegenüber Beschränkungen des Plattformvertriebs im Rahmen von nicht-selektiven Vertriebssystemen. Zunächst erfüllt das Plattformverbot beim nicht-selektiven Vertrieb stets den Tatbestand einer bezweckten Wettbewerbsbeschränkung im Sinne des Art. 101 Abs. 1 AEUV. Für nicht-selektive Vertriebssysteme gilt anders als für selektive Vertriebssysteme keine immanente Ausnahme für qualitative Vertriebsvorgaben des Herstellers auf Ebene des Tatbestands des Kartellverbots.277

III. Plattformverbote als Kernbeschränkung Es drängt sich nunmehr die Frage auf, ob Plattformverbote als vertikale Vereinbarung nach Maßgabe des Art. 2 Abs. 1 Vertikal-GVO vom Kartellverbot freigestellt sein könnten. Dafür ist zunächst wesentlich, ob die Marktanteilsschwelle des Art. 3 Abs. 1 Vertikal-GVO eingehalten wird. Dies ist im Einzelfall zu klären. Darüber hinaus kommt es darauf an, ob es sich bei Plattformverboten um eine Kernbeschränkung des Art. 4 Vertikal-GVO handelt. Grundsätzlich verstößt ein Plattformverbot nicht gegen das Preisbindungsverbot des Art. 4 lit. a Vertikal-GVO.278 Auch ein Verstoß der Plattformverbote gegen das Querlieferungsgebot nach Art. 4 lit. d Vertikal-GVO ist nicht ersichtlich.279 In Betracht kommt jedoch eine Kernbeschränkung nach Art. 4 lit. c HS. 1 Vertikal-GVO, nämlich durch eine Beschränkung des passiven Verkaufs durch das Drittplattformverbot (1.). Diesbezüglich stellt sich die Frage, ob eine Rückausnahme nach Art. 4 lit. c HS. 2 Vertikal-GVO vorliegen könnte: Dafür müsste die Internetplattform als Niederlassung einzuordnen sein (2.). 1. Beschränkungen des passiven Verkaufs Nach Art. 4 lit. c HS. 1 Vertikal-GVO stellt jede Beschränkung des aktiven oder passiven Verkaufs an Endverbraucher durch auf der Einzelhandels277  Schweda / Rudowicz,

WRP 2013, 590 (598). liegt laut Lubberger selbst dann fern, wenn man dem Plattformverbot eine dämpfende Auswirkung auf den Preiswettbewerb zuschreibt, WRP 2015, 14 (20). 279  Lubberger, WRP 2015, 14 (22). 278  Das

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5. Kap.: Vertriebsbeschränkungen im Internet

stufe tätige Mitglieder eines selektiven Vertriebssystems eine Kernbeschränkung dar. Plattformverbote betreffen Händler auf der Einzelhandelsstufe. Da der Internetvertrieb zum passiven Verkauf gehört und die Online-Plattforme sich an Endverbraucher richten, schränken Plattformverbote Händler in ihrer Möglichkeit zum Verkauf an Endverbraucher über den Vertriebskanal der Online-Plattformen ein.280 Durch Plattformverbote kommt es außerdem zu einer erheblichen Beeinträchtigung des markeninternen Wettbewerbs.281 Somit erfüllen pauschale Plattformverbote gegenüber den Händlern den Tatbestand des Art. 4 lit. c Vertikal-GVO. Sie sind daher als Kernbeschränkung der Gruppenfreistellung entzogen. 2. Plattformen als Niederlassung Nach Art. 4 lit. c HS. 2 Vertikal-GVO ist es dem Hersteller möglich, dem Einzelhändler zu untersagen, Geschäfte von nicht zugelassenen Niederlassungen zu betreiben. Auch, wenn Beschränkungen des aktiven oder passiven Verkaufs an Endverbraucher in Art. 4 lit. c HS. 1 Vertikal-GVO als Kernbeschränkung eingestuft werden, bleibt unbeschadet davon, nach Art. 4 lit. c HS. 2 Vertikal-GVO, ein Verbot des Vertriebs in nicht zugelassene Niederlassungen, möglich. Übertragen auf den Internetvertrieb stellt sich die Frage, ob beispielsweise eine Online-Plattform eine nicht-zugelassene Niederlassung des Selektivvertriebshändlers im Sinne der genannten Vorschrift darstellt.282 Für die Ermittlung einer Antwort auf diese Frage, wird im Folgenden zunächst ein Blick auf die Argumente für die Einordnung der Plattform als Niederlassung geworfen (a)). Gegen die Einordnung der Plattform als Niederlassung sprechen sich andere Stimmen aus, die 280  BKartA, Beschl. v. 26.08.2015, Az. B2-98 / 11, Rn. 532 – Asics; Schweda / Rudowicz, WRP 2013, 590 (596); Mäger / von Schreitter, NZKart 2015, 62 (67). A. A. Immenga, K&R 2010, 24 (27), der den Vertrieb über Internet-Auktionsplattformen als aktiven Verkauf im Sinne von Art. 4 lit. b Vertikal-GVO einstuft und daher zu dem Ergebnis kommt, er könne von dem Hersteller untersagt werden. Ob es sich bei dem Drittplattformverbot um eine bezweckte Beschränkung des passiven Verkaufs an Endverbraucher im Sinne von Art. 4 lit. c Vertikal-GVO handelt, ist Gegenstand der Vorlagefrage des OLG Frankfurt, Beschl. v. 19.04.2016, Az. 11 U 96 / 14 (Kart), WuW 2016, 314 = NZKart 2016, 236 (236 ff.) – Depotkosmetik II. Diesbezüglich bleibt die Einlassung des EuGH’s abzuwarten. 281  Schweda / Rudowicz, WRP 2013, 590 (596). 282  Lubberger, WRP 2015, 14 (21); die Frage wird vom EuGH in Pierre Fabre grundsätzlich in Bezug darauf aufgeworfen, ob sich Niederlassungen auf einen Ort erstrecken, an dem die Dienstleistung des Verkaufs über das Internet erbracht werden. Dabei wird eine weite Auslegung von der Rspr. des EuGH jedoch abgelehnt, siehe EuGH, Urt. v. 13.10.2011, Rs. C-439 / 09, Slg 2011, I-9419, WuW / E  EU-R 2163 = EuZW 2012, 28 (28) – Pierre Fabre Dermo-Cosmétique; zustimmend Mäger / von Schreitter, NZKart 2015, 62 (64).



H. Plattformverbote

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eine Niederlassung nur bei stationären Geschäften annehmen (b)). Beide Ansätze werden daraufhin bewertet und eine abschließende Einordnung vorgenommen (c)). a) Einordnung als Niederlassung Die Einordnung der Online-Plattform als nicht-zugelassene Niederlassung hat zur Konsequenz, dass der Vertrieb über diese Verkaufsplattform zulässigerweise ausgeschlossen werden kann.283 Präsentiert sich die Verkaufsplattformen auf dem Markt derart nach außen, dass der Betrieb einer eigenen Website des Händlers mit eigenem Gepräge im Sinne einer „Niederlassung“ nicht zugelassen ist, kann dies für die Einordnung der Plattform als nichtzugelassene Niederlassung sprechen.284 Die Einordnung begründet sich aus der Annahme, dass die zugelassene Niederlassung der Ort sei, an dem die wesentlichen Kriterien des Selektivvertriebs umgesetzt werden würden.285 Dort würde der Handelspartner sich gegenüber dem Endverbraucher präsentieren.286 Außerdem würde an diesem Ort die Marke als Kommunikationsmittel bestimmungsgemäß in Wechselwirkung mit der Verkaufsumgebung treten.287 Ohne eine solche zugelassene Niederlassung gebe es keine kontrollierte Verkaufsumgebung und die Einhaltung der Vorgaben und diskriminierungsfreie Handhabbarkeit könne nicht überprüft werden.288 Daher müsse es im Rahmen des Selektivvertriebs im Internethandel auch im Internet eine solche Ortsfixierung geben, die die Funktion einer zugelassenen Niederlassung übernimmt.289 Dementsprechend wird eine Internetplattform, die die selektiven Kriterien des Herstellers nicht erfüllt, als nicht-zugelassene Niederlassung eingeordnet. b) Niederlassungen nur stationär möglich Dem halten jedoch die Gegenstimmen entgegen, dass bereits der Begriff der „Niederlassung“ unterstreiche, dass insoweit lediglich ein Vorbehalt für ein stationäres Geschäft, namentlich Direktvertriebsstellen ausgesprochen 283  Lubberger,

WRP 2015, 14 (21 f.). WRP 2015, 14 (21). 285  Lubberger, WRP 2015, 14 (22). 286  Lubberger, WRP 2015, 14 (22). 287  Lubberger, WRP 2015, 14 (22). 288  Lubberger, WRP 2015, 14 (22). 289  Zwar könne dies grundsätzlich auch durch einen Internetauftritt des Händlers auf einem Internetportal sein, dafür müsse aber das Portal hinter dem Auftritt des Händlers zurücktreten, Lubberger, WRP 2015, 14 (22). 284  Lubberger,

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5. Kap.: Vertriebsbeschränkungen im Internet

sei.290 Eine Website sei kein Vertriebsort.291 Zur Untermauerung ihrer Ansicht verweisen diese Stimmen auf die Pierre Fabre-Entscheidung des EuGH, in der Verkäufe über das Internet nicht als Geschäfte aus einer nicht zugelassenen Niederlassung angesehen wurden.292 c) Bewertung Gegen eine Einordnung eines Auftritts des Händlers auf einer Internetplattform als Niederlassung im Sinne von Art. 4 lit. c HS. 2 Vertikal-GVO spricht der Sinn und Zweck dieser Vorschrift. Die Ausnahme des Art. 4 lit. c HS. 2 Vertikal-GVO soll sicherstellen, dass der Hersteller die Gelegenheit bekommt, vor einem Wechsel der Verkaufsräume durch seinen zugelassenen Händler, zu prüfen, ob diese Räumlichkeiten den Qualitätsanforderungen des Herstellers entsprechen.293 Sinn und Zweck dieser Vorschrift ist also, dem Hersteller die Möglichkeit zu geben, vor Inbetriebnahme der (neuen) Verkaufsräume durch den Händler, die Übereinstimmung dieser Shops mit den zulässigen Kriterien des Herstellers zu überprüfen.294 Der Hersteller benötigt eine solche „Interventionsmöglichkeit“ vor Inbetriebnahme bei einem Auftritt des Händlers auf einer Internetplattform jedoch nicht. Ein Wechsel von Verkaufsräumen, also eine neue Verkaufsumgebung wurde durch einen Plattformvertrieb nicht geschaffen. Die Anpassung der „Verkaufsumgebung“ ist im Rahmen des Plattformvertriebs weniger aufwendig als im Rahmen des stationären Vertriebs. Gegen eine Einordnung des Händlerauftritts auf der Internetplattform als Vertrieb über eine Niederlassung im Sinne von Art. 4 lit. c HS. 2 Vertikal-GVO spricht außerdem, dass ansonsten „überschießende Kriterien“ zur Voraussetzung für eine „Zulassung“ des Plattformvertriebs gemacht werden, mit der Folge, dass das Plattformverbot über die Ausnahme für „nicht zugelassene Niederlassungen“ in Art. 4 lit. c Vertikal-GVO wieder von der Freistellung erfasst wird.295 Mithin ist die Internetplattform nicht als nicht-zugelassene Niederlassung einzuordnen und ein Plattformverbot nicht nach Art. 4 lit. c HS. 2 Vertikal-GVO zulässig.

290  Mäger / von Schreitter, NZKart 2015, 62 (67); BKartA, Beschl. v. 26.08.2015, Az. B2-98 / 11, Rn. 597  – Asics. 291  BKartA, Beschl. v. 26.08.2015, Az. B2-98 / 11, Rn. 597  – Asics; Mäger / von Schreitter, NZKart 2015, 62 (67). 292  Mäger / von Schreitter, NZKart 2015, 62 (67); Baron, in: Loewenheim / Meessen / Riesenkampff, Kartellrecht, Art. 4 Vert-GVO Rn. 276; siehe dazu 4. Kapitel, A., I., S. 86 und S. 89. 293  BKartA, Beschl. v. 26.08.2015, Az. B2-98 / 11, Rn. 597  – Asics. 294  BKartA, Beschl. v. 26.08.2015, Az. B2-98 / 11, Rn. 597  – Asics. 295  BKartA, Beschl. v. 26.08.2015, Az. B2-98 / 11, Rn. 597  – Asics.



H. Plattformverbote159

3. Kernbeschränkung im Rahmen des nicht-selektiven Vertriebs Weiterhin stellt sich die Frage, ob für Plattformverbote im Rahmen eines nicht-selektiven Vertriebssystems eine Freistellung durch die Vertikal-GVO einschlägig ist. Die Möglichkeit der Freistellung nach Art. 2 Abs. 1 VertikalGVO würde bereits ausscheiden, wenn eine Kernbeschränkung im Sinne von Art. 4 Vertikal-GVO vorliegt. a) Kundenkreisbeschränkung nach Art. 4 lit. b Vertikal-GVO Möglicherweise stellt ein solches Plattformverbot eine Kundenkreisbeschränkung im Sinne von Art. 4 lit. b Vertikal-GVO dar. Dafür muss ein Kundenkreis im Sinne von Art. 4 lit. b Vertikal-GVO vorliegen. Ein solcher Kundenkreis stellt die Zusammenfassung einer Mehrheit von Kunden nach abstrakten Merkmalen dar.296 Zunächst muss daher ermittelt werden, ob in den Kunden von Onlineplattformen ein Kundenkreis im Sinne von Art. 4 lit. b Vertikal-GVO vorliegt (aa)), um dann entscheiden zu können, ob einen Kundenkreisbeschränkung nach Art. 4 lit. b Vertikal-GVO vorliegt (bb)). aa) Kunden von Internetplattformen als Kundenkreis Ein Drittplattformverbot kann nur dann eine Kundenkreisbeschränkung nach Art. 4 lit. b Vertikal-GVO liegen, wenn es sich bei den Plattformkunden um einen abgrenzbaren Kundenkreis handelt. Auch diese Einordnung ist in Rechtsprechung und Literatur nicht einhellig geklärt.297 Vom OLG München wurde angenommen, das Verbot des Verkaufs von Sportartikeln über Online-Plattformen sei nicht als Kundenkreisbeschränkung zu werten, da es keinen bestimmten, sachlich abgrenzbaren Kreis von Kunden betreffe.298 296  Ellger, in: Immenga / Mestmäcker, EU-Kartellrecht, Art. 4 Vertikal-GVO Rn. 42; Schultze / Pautke / Wagener, Vertikal-GVO Art. 4 lit. b Rn. 595; Kling / Thomas, Kartellrecht, § 5 Rn. 366; siehe dazu Ausführungen unter 3. Kapitel, B., III., 2., S. 69 f. 297  Verneinend OLG München, Urt. v. 02.07.2009, Az. U (K) 4842 / 08, WuW / E DE-R 2698 (2699) = GRUR-RR 2009, 394 (394); zustimmend anschließend Immenga, K&R 2010, 24 (27); Rahlmeyer, ZVertriebsR 2015, 144 (145); bejahend Schweda / Rudowicz, WRP 2013, 590 (598 f.); Mäger / von Schreitter, NZKart 2015, 62 (66); Baron, in: Loewenheim / Meessen / Riesenkampff, Kartellrecht, Art. 4 Vert-GVO Rn. 272. Siehe dazu die Ausführungen unter 3.  Kapitel, B., IV., 2., S. 75 ff. 298  OLG München, Urt. v. 02.07.2009, Az. U (K) 4842 / 08, WuW / E DE-R 2698 (2699) = GRUR-RR 2009, 394 (394), bezog sich damals auf Art. 4 lit. b VertikalGVO 2790 / 1999, in der noch die Sprache von Beschränkungen des Kundenkreises und nicht von Beschränkungen der Kundengruppe war. Immenga, K&R 2010, 24 (27), unterstützt diese Auffassung in seinen Ausführungen.

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5. Kap.: Vertriebsbeschränkungen im Internet

Die Plattform richtete sich an die Gesamtheit aller Internetnutzer und die darin enthaltenen Kunden könnten von den gleichen Händlern über andere Vertriebskanäle innerhalb und außerhalb des Internets erreicht werden.299 Die Gruppe von Kunden, die über Internet-Plattformen einkauft, könne demnach nicht von der Gruppe der herkömmlichen Interneteinkäufer, welche eine anerkannte eigene Kundengruppe bilden, sachlich abgegrenzt werden.300 Teilweise wird betont, es handele sich lediglich um eine Beschränkung der Vertriebsmodalitäten, welche den Verkauf an die Kundengruppe weiterhin zulassen, jedoch auf anderem Wege.301 Eine Kundengruppe in Gestalt der Plattformkunden wurde daher abgelehnt. Dies wird von Literatur und Rechtsprechung zum Teil anders bewertet: Für die Ermittlung, ob das Drittplattformverbot eine unzulässige Beschränkung der Kundengruppe darstelle, sei nicht relevant, ob die Kundengruppe, die über eine bestimmte Internetplattform einkauft, abgrenzbar sei.302 Es wird zum Teil darauf abgestellt, ob ein Händler durch das Drittplattformverbot in seiner Möglichkeit, Waren an eine Kundengruppe abzusetzen, beschränkt wird, also seiner Kundenreichweite eingeschränkt wird.303 Die zulässige Qualitätsanforderung an den Internetvertrieb sei von der unzulässigen Kundenbeschränkung abzugrenzen: Maßstab dafür sei, ob lediglich eine Regelung der Art und Weise des Vertriebs304 erfolge oder ob die Kundenreichweite der Händler305 beschränkt wird.306 Zum Teil wird angeführt, 299  OLG München, Urt. v. 02.07.2009, Az. U (K) 4842 / 08, WuW / E  DE-R 2698 = GRUR-RR 2009, 394 (394); Herrlinger, NZKart 2014, 92 (93); Pichler / Hertfelder, NZKart 2014, 47 (50). 300  OLG München, Urt. v. 02.07.2009, Az. U (K) 4842 / 08, WuW / E DE-R 2698 (2699) = GRUR-RR 2009, 394 (394); dem folgend Nolte, BB 2014, 1155 (1160); Rahlmeyer, ZVertriebsR 2015, 144 (145); Herrlinger, NZKart 2014, 92 (93); bezweifelt bereits das Vorliegen einer speziellen Gruppe der Internetkunden. 301  Immenga, K&R 2010, 24 (27). 302  OLG Schleswig, Urt. v. 05.06.2014, Az. 16 U Kart 154 / 13, WuW / E  DE-R 4293 = NZKart 2014, 364 (364) – Partnervereinbarung; KG Berlin, Urt. v. 19.09.2013, Az. 2 U 8 / 09 Kart, WuW / E DE-R 4019 = ZVertriebsR 2014, 104 (109) – Schulranzen und -rucksäcke; Herrlinger, NZKart 2014, 92 (93); Baron, in: Loewenheim / Meessen / Riesenkampff, Kartellrecht, Art. 4 Vert-GVO Rn. 272. 303  KG Berlin, Urt. v. 19.09.2013, Az. 2 U 8 / 09 Kart, WuW / E DE-R 4019 (4030 f.) = ZVertriebsR 2014, 104 (109) – Schulranzen und -rucksäcke; Herrlinger, NZKart 2014, 92 (93); Schweda / Rudowicz, WRP 2013, 590 (598). 304  Das sog. „Wie“ des Verkaufs. 305  Das sog. „Ob“ des Verkaufs. 306  BKartA, Beschl. v. 26.08.2015, Az. B2-98 / 11, Rn. 46  – Asics; Schweda / Rudowicz, WRP 2013, 590 (599); Erschwerung der Kundenansprache für eine Kernbeschränkung nach Art. 4 lit. b Vertikal-GVO ausreichend, LG Kiel, Urt. v. 08.11.2013, Az. 14 O 44 / 13 Kart, WuW / E DE-R 4075 = NZKart 2014, 39 (40)  – Digitalkameras; Herrlinger, NZKart 2014, 92 (93).



H. Plattformverbote161

ein Plattformverbot sei aufgrund der Ortsungebundenheit des Internets nicht dazu geeignet, eine Aufteilung von Kunden zwischen einzelnen Händlern zu bewirken.307 Jeder Händler sei weiterhin frei, die Gesamtheit der Kunden im Internet anzusprechen und hätte dazu verschiedene Mittel und Wege, wie beispielsweise über Werbung oder einer Listung auf Suchmaschinen wie Google.308 Außerdem habe der Händler auch bei Anwendung eines Plattformverbots die Möglichkeit, einen bestimmten Teil der Internetkunden zu erreichen. Dies wird damit begründet, dass Kunden, die über eine Drittplattform angesprochen werden könnten, auch über andere Internet-Vertriebsformen erreichbar sind.309 Gerade bei Kunden, die höherwertige Produkte kaufen möchten – wie es beim Selektivvertrieb der Fall ist –, dienen die Homepages der Hersteller regelmäßig als Ausgangspunkt der Herstellersuche.310 Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass durch das Plattformverbot die Händler in ganz erheblicher Weise darin eingeschränkt werden, „mehr oder andere Kunden“ zu erreichen.311 Den Händlern wird der Zugang zu dem Käuferkreis verwehrt, der seine Internetkäufe hauptsächlich oder gar ausschließlich über Online-Plattforme abwickelt.312 Da ein nicht nur unerheblicher Teil der Internetkunden die betroffene Plattform nutzt, zeige die Beschränkung auch Wirkung.313 Selbst wenn man auf die anerkannte „Gruppe“ von Kunden abstellt, die für ihre Einkäufe das Internet nutzt, so lässt sich feststellen, dass das Verkaufendürfen an diese Gruppe durch ein Plattfomverbot beschränkt wird.314 In der Einschränkung der Kundenreichweite liegt auch eine Beschränkung in der Möglichkeit zum passiven Verkauf.315 Demnach liegt eine unzulässige Kernbeschränkung auch im Rahmen des nichtselektiven Vertriebs vor.

307  Pichler / Hertfelder,

NZKart 2014, 47 (50). NZKart 2014, 47 (50). 309  Pichler / Hertfelder, NZKart 2014, 47 (50). 310  Pichler / Hertfelder, NZKart 2014, 47 (50). 311  LG Kiel, Urt. v. 08.11.2013, Az. 14 O 44 / 13 Kart, WuW / E DE-R 4075 (4078 f.) = NZKart 2014, 39 (40)  – Digitalkameras; Herrlinger, NZKart 2014, 92 (93); Schweda / Rudowicz, WRP 2013, 590 (599). 312  Schweda / Rudowicz, WRP 2013, 590 (599); Mäger / von Schreitter, NZKart 2015, 62 (67); Pichler / Hertfelder, NZKart 2014, 47 (50), gehen davon aus, dass es keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass es Internetkunden gibt, die ausschließlich auf Internetplattformen Dritter nach Produkten suchen. 313  LG Kiel, Urt. v. 08.11.2013, Az. 14 O 44 / 13 Kart, WuW / E DE-R 4075 = NZKart 2014, 39 (40) – Digitalkameras; Herrlinger, NZKart 2014, 92 (93). 314  Mäger / von Schreitter, NZKart 2015, 62 (67). 315  Schweda / Rudowicz, WRP 2013, 590 (599). 308  Pichler / Hertfelder,

162

5. Kap.: Vertriebsbeschränkungen im Internet

bb) Zwischenfazit Die bisher höchstrichterlich offengelassene Frage, ob es sich bei einem Drittplattformverbot um eine bezweckte Beschränkung der Kundengruppe des Einzelhändlers im Sinne von Art. 4 lit. b Vertikal-GVO handelt, wurde vom OLG Frankfurt in dem Vorlagebeschluss vom 19.04.2016 aufgegriffen.316 Eine Einlassung vom EuGH diesbezüglich bleibt abzuwarten. b) Indirekte Kernbeschränkung Selbst wenn man annähme, es gäbe keine abgrenzbare Gruppe von Online-Pattformkäufern, so kann dennoch eine indirekte Kernbeschränkung angenommen werden.317 Von Art. 4 lit. b Vertikal-GVO wird nämlich nicht nur das vollständige Verbot der Belieferung einer Kundengruppe erfasst, sondern auch unter dieser Schwelle liegende bloße Beschränkungen dieser Kundengruppe, wenn sie ein gewisses Gewicht haben.318 Wie bereits dargelegt, hat die Beschränkung des Vertriebs über Online-Plattformen eine gravierende Auswirkung auf Möglichkeiten des Händlers im Rahmen des gesamten Internetvertriebs.319 Daher liegt jedenfalls eine Kundenbeschränkung vor. 4. Bewertung Ein Plattformverbot stellt auch im Rahmen eines nicht-selektiven Vertriebs eine Wettbewerbsbeschränkung nach Art. 101 Abs. 1 AEU / § 1 GWB dar. In dem Plattformverbot ist eine Kundenkreisbeschränkung – jedenfalls indirekter Natur – nach Art. 4 lit. b Vertikal-GVO zu sehen. Mithin liegt eine Kernbeschränkung vor, die zum Ausschluss der Freistellungsmöglichkeit aus Art. 2 Abs. 1 Vertikal-GVO führt.

IV. Einzelfreistellung In Betracht kommt weiterhin eine Einzelfreistellung nach § 2 GWB oder nach Art. 101 Abs. 3 AEUV. Grundsätzlich kommt eine Einzelfreistellung 316  OLG Frankfurt, Beschl. v. 19.04.2016, Az. 11 U 96 / 14 (Kart), WuW 2016, 314 = NZKart 2016, 236 (236 ff.) – Depotkosmetik II. 317  Schweda / Rudowicz, WRP 2013, 590 (599); Rahlmeyer, ZVertriebsR 2015, 144 (145). 318  Schweda / Rudowicz, WRP 2013, 590 (599). 319  Schweda / Rudowicz, WRP 2013, 590 (598); Mäger / von Schreitter, NZKart 2015, 62 (67); a. A. Pichler / Hertfelder, NZKart 2014, 47 (50).



H. Plattformverbote163

auch dann in Frage, wenn die Gruppenfreistellung an einer Kernbeschränkung des Art. 4 Vertikal-GVO scheitert.320 Im Rahmen von Plattformverboten wurde eine Einzelfreistellung auch regelmäßig geprüft, jedoch in der jüngeren Rechtsprechungspraxis gleichzeitig auch regelmäßig abgelehnt.321 Für eine Freistellung nach Art. 101 Abs. 3 AEUV bzw. § 2 GWB müssten die zwei positiven und die zwei negativen Voraussetzungen kumulativen vorliegen.322 Eine Freistellung nach Art. 101 Abs. 3 AEUV für ein Plattformverbot wurde vom Bundeskartellamt abgelehnt.323 Das Bundeskartellamt führt aus, der Schutz der Einzelhändler vor einem intensiveren Preiswettbewerb, der gegebenenfalls durch ein Marktplatzverbot erreicht werden könnte, stellt 320  So hat es jedenfalls der EuGH bei Pierre Fabre gehandhabt: „Da ein Unternehmen stets die Möglichkeit hat, individuell die Anwendbarkeit der Legalausnahme geltend zu machen, und seine Rechte somit geschützt werden können, besteht kein Anlass, die Bestimmungen, mit denen die Vereinbarungen und Verhaltensweisen in die Gruppenfreistellung einbezogen werden, weit auszulegen.“, vgl. EuGH, Urt. v. 13.10.2011, Rs. C-439 / 09, Slg 2011, I-9419, WuW / E  EU-R 2163 = EuZW 2012, 28 (28) – Pierre Fabre Dermo-Cosmétique. 321  Vgl. LG Frankfurt a. M., Urt. v. 31.07.2014, Az. 2 – 03 O 128 / 13, n. v. speziell zum Amazon-Ausschluss für Luxusparfüms im Rahmen eines Selektivvertrieb (Amazon „als besonders schneller und zuverlässiger Anbieter bekannt“); LG Frankfurt, Urt. v. 18.06.2014, Az. 2-03 O 158 / 13, WuW / E DE-R 4409 = GWR 2014, 331 (331) – Funktionsrucksäcke, n. v. zu einem generellen Plattformausschluss; OLG Schleswig, Urt. v. 05.06.2014, Az. 16 U Kart 154 / 13, WuW / E  DE-R 4293 = NZKart 2014, 364 (364) – Partnervereinbarung und LG Kiel, Urt. v. 08.11.2013, Az. 14 O 44 / 13 Kart, WuW / E DE-R, 4075 = NZKart 2014, 39 (39) – Digitalkameras, beide ebenfalls zu einem generellen Plattformausschluss sowie zu einem angeblich grundsätzlichen Ausschluss der Freistellungsmöglichkeit im Falle des Eingreifens einer der schwarzen Klauseln der Vertikal-GVO. Das Bundeskartellamt ging in den Fällen BKartA, Az. B7-1 / 13-35 = Fallbericht v. 24.10.2013  – Sennheiser, BKartA, Beschl. v. 26.08.2015, Az. B2-98 / 11, Rn. 3  – Asics und BKartA, Entsch. v. 27.06.2014, Az. B3-137 / 12 = Fallbericht v. 19.08.2014, S. 4 f.  – adidas, offensichtlich ebenfalls davon aus, dass eine Einzelfreistellung nicht in Betracht kommt. 322  Zunächst muss in positiver Hinsicht ein Beitrag zur Verbesserung der Warenerzeugung oder -verteilung oder zur Förderung des technischen oder wirtschaftlichen Fortschritts geleistet werden und eine angemessene Beteiligung der Verbraucher an dem entstehenden Gewinn garantiert sein. Außerdem ist in negativer Hinsicht die Unerlässlichkeit der auferlegten Wettbewerbsbeschränkungen erforderlich sowie die Unmöglichkeit, für einen wesentlichen Teil der betreffenden Waren den Wettbewerb auszuschalten, OLG Düsseldorf, Urt. v. 09.01.2015, Az. VI-Kart 1 / 14 (V), WuW / E  DE-R 4572 = NZKart  2015, 148 (151)  – HRS-Bestpreisklauseln; BKartA, Entsch. v. 22.12.2015, Az. B 9-121 / 13, Rn. 254  – Booking; Schröter / Voet van Vormizeele, in: von der Groeben / Schwarze / Hatje, Europäisches Unionsrecht, Art. 101 AEUV Rn. 286; Innerhofer, ZVertriebsR 2013, 266 (268). 323  BKartA, Entsch. v. 27.06.2014, Az. B3-137 / 12 = Fallbericht v. 19.08.2014, S. 5 – adidas.

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5. Kap.: Vertriebsbeschränkungen im Internet

keine Verbesserung des Vertriebs und daher auch keinen Effizienzgewinn im Sinne des Art. 101 Abs. 3 AEUV dar.324 Plattformen im Internet können Informations-, Vertrauens- und Sprachbarrieren senken und damit den grenzüberschreitenden Handel erleichtern.325 Sie bieten den Kunden die Möglichkeit, verschiedene Onlineshops aus unterschiedlichen Ländern und die Preise für dasselbe Produkt zu vergleichen.326 Etablierten Plattformen, wie eBay und Amazon, bringen die Kunden in der Europäischen Union großes Vertrauen in die Zahlungssicherheit und dem Produktversand entgegen.327 Solche Plattformen können also einen großen Beitrag für den grenzüberschreitenden Handel liefern.328 Drittplattformverbote wirken dem entgegen und leisten somit keinen Beitrag zur Verbesserung der Warenerzeugung oder -verteilung. Weiterhin kann ein solches per se-Marktplatzverbot auch nicht dazu geeignet sein, um ein etwaiges Trittbrettfahrerproblem einzudämmen.329 Der Schutz des Markenimages wird zwar grundsätzlich als berechtigtes Anliegen des Herstellers eingestuft.330 Diesem Anliegen würde jedoch bereits durch qualitative Vorgaben im selektiven Vertriebssystem, welche auch auf den Online-Vertrieb übertragbar sind, genüge getan.331 Das Bundeskartellamt geht nicht davon aus, dass der Verkauf über offene Plattformen geeignet ist, das Image der Marke in spürbarer Weise zu beschädigen.332 Damit wurde ein Beitrag zur Verbesserung der Warenerzeugung oder -verteilung oder zur Förderung des technischen oder wirtschaftlichen Fortschritts durch das Plattformverbot abgelehnt. Auch eine angemessene Beteiligung der Verbraucher an möglichen Effizienzgewinnen – die das Bundeskartellamt ohnehin grundsätzlich nicht sah – sei nicht zu erwarten.333 Plattformverbote stellen für Verbraucher vielmehr einen Nachteil, in Form der Erhöhung der Suchkosten, dar. Grundsätzlich trägt der Vertrieb über 324  BKartA, Entsch. v. 27.06.2014, Az. B3-137 / 12 = Fallbericht v. 19.08.2014, S. 6 – adidas. 325  Schweda / Rudowicz, WRP 2013, 590 (592). 326  Neubauer, Internetvertrieb im Kartellrecht, S. 58. 327  Neubauer, Internetvertrieb im Kartellrecht, S. 58; Marsden / Whelan, ELCR 2010, 26 (30). 328  Neubauer, Internetvertrieb im Kartellrecht, S. 58. 329  BKartA, Entsch. v. 27.06.2014, Az. B3-137 / 12 = Fallbericht v. 19.08.2014, S. 6 – adidas. 330  BKartA, Entsch. v. 27.06.2014, Az. B3-137 / 12 = Fallbericht v. 19.08.2014, S. 7  – adidas. 331  BKartA, Entsch. v. 27.06.2014, Az. B3-137 / 12 = Fallbericht v. 19.08.2014, S. 7  – adidas. 332  BKartA, Entsch. v. 27.06.2014, Az. B3-137 / 12 = Fallbericht v. 19.08.2014, S. 7  – adidas. 333  BKartA, Entsch. v. 27.06.2014, Az. B3-137 / 12 = Fallbericht v. 19.08.2014, S. 7  – adidas.



H. Plattformverbote165

Online-Plattformen nämlich zu einer Reduzierung der Suchkosten der Verbraucher bei.334 Dies resultiert daraus, dass die Suchfunktion von OnlinePlattformen eine besonders effiziente Suche ermöglicht, indem die Angebote unterschiedlicher Händler für ein Produkt gebündelt werden und dort typischerweise eine große Anzahl verschiedenster Produkte verfügbar ist.335 Dementsprechend können Plattformverbote unmittelbar die Suchkosten für Verbraucher erhöhen.336 Würde man bezüglich der Plattformverbote das Vorliegen der positiven Voraussetzungen für die Freistellung nach Art. 101 Abs. 3 AEUV annehmen und käme zur Prüfung der negativen Voraussetzungen, muss eine Unerlässlichkeit der Wettbewerbsbeschränkung zur Erreichung von Effizienzgewinnen abgelehnt werden.337 Um eventuelle positive Effekte zu erreichen, könnten statt eines Pauschalverbots auch qualitative Vorgaben an die Art und Weise des Marktplatzvertriebs gestellt werden.338 Diese sind milder und weniger wettbewerbsbeschränkend als ein pauschales Verbot des Marktplatzvertriebs. In seinen Ausführungen spricht das Bundeskartellamt stets von einem „pauschalen Verbot“ oder einem „per se-Verbot“.339 Das lässt einen Spielraum dafür offen, dass ein differenzierendes Verbot möglicherweise anders zu bewerten sein könnte.340 Festhalten lässt sich aus den vorstehenden Ausführungen, dass ein generelles Plattformverbot in Vertriebsvereinbarungen nach überwiegender Auffassung unzulässig ist und nicht nach Art. 101 Abs. 3 AEUV freigestellt werden kann.

V. Rechtliche Bewertung von mittelbaren Plattformverboten Ganz besonders schwierig erscheint die rechtliche Bewertung sog. mittelbarer Plattformverbote durch Qualitätsanforderungen an den Vertrieb. Grundsätzlich können Hersteller in selektiven Vertriebssystemen den Händlern qualitative Anforderungen an die Präsentation ihrer Produkte im Inter334  Schweda / Rudowicz,

WRP 2013, 590 (592). WRP 2013, 590 (592). 336  Schweda / Rudowicz, WRP 2013, 590 (592). 337  BKartA, Entsch. v. 27.06.2014, Az. B3-137 / 12 = Fallbericht v. 19.08.2014, S. 8 f. – adidas. 338  BKartA, Entsch. v. 27.06.2014, Az. B3-137 / 12 = Fallbericht v. 19.08.2014, S. 9 – adidas. 339  BKartA, Entsch. v. 27.06.2014, Az. B3-137 / 12 = Fallbericht v. 19.08.2014, S. 3, 5, 7  – adidas. 340  Diese Annahme vertritt auch Rahlmeyer, ZVertriebsR 2015, 144 (149). 335  Schweda / Rudowicz,

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5. Kap.: Vertriebsbeschränkungen im Internet

net stellen.341 Solche Qualitätsanforderungen können sich generell auch auf den Vertrieb über Drittplattformen beziehen.342 Problematisch wird es jedoch, wenn ein Hersteller Qualitätsanforderungen an seine Händler stellt, die einen Vertrieb über Online-Plattformen faktisch ausschließen, da auf diesen die Anforderungen nicht eingehalten werden.343 Letztlich stellt dies ein mittelbares Plattformverbot dar. Ein mittelbares Drittplattformverbot stellt keine Wettbewerbsbeschränkung i. S. v. Art. 101 Abs. 1 AEUV bzw. § 1 GWB im Rahmen eines selektiven Vertriebs dar, wenn die qualitativen Kriterien mit Rücksicht auf die Eigenschaften der vertriebenen Waren zur Wahrung der Qualität und zur Gewährleistung des richtigen Gebrauchs erforderlich sind. Darüber hinaus müssen Kriterien – also das mittelbare Drittplattformverbot – einheitlich und diskriminierungsfrei angewendet werden und nicht über das erforderliche Maß hinausgehen. 1. Zulässige Qualitätsanforderung Qualitätsanforderungen bezüglich des Vertriebs unterliegen grundsätzlich der Vertikal-GVO und sind nicht schrankenlos zulässig.344 In Betracht kommt eine Beschränkung der Kundengruppe i. S. v. Art. 4 lit. b VertikalGVO durch das mittelbare Plattformverbot. Zunächst ist maßgeblich, ob die qualitativen Kriterien mit Rücksicht auf die Eigenschaften der vertriebenen Waren zur Wahrung der Qualität und zur Gewährleistung des richtigen Gebrauchs erforderlich sind.345 Eine Wahrung der Qualität kann durch das mittelbare Plattformverbot begründet werden, wenn der Plattformvertrieb das Image der Marke auch tatsächlich negativ beeinflusst. Wie bereits ausgeführt, wird zum Teil angenommen, dass Internetplattformen im Zusammenhang mit Fälschungen genannt werden und mit Flohmärkten in Verbin341  Vertikal-LL Tz. 56; OLG Schleswig, Urt. v. 05.06.2014, Az. 16 U Kart 154 / 13, WuW / E  DE-R 4293 = NZKart  2014, 364 (364)  – Partnervereinbarung; Beckmann / Müller, in: Hoeren / Sieber / Holznagel, Multimedia-Recht, Teil 10 Rn. 158; Piekser, DSRITB 2011, 369 (380); Stögmüller, in: Münchener Anwaltshandbuch ITRecht, Teil 6 Rn. 222; Rössner, WRP 2010, 1114 (1120); Eufinger, MMR 2015, 147 (148); Bonacker, GRUR-Prax 2012, 4 (5). 342  Schweda / Rudowicz, WRP 2013, 590 (596). 343  Schweda / Rudowicz, WRP 2013, 590 (596); Mäger / von Schreitter, NZKart 2015, 62 (68 f.). 344  Schweda / Rudowicz, WRP 2013, 590 (596). 345  BKartA, Beschl. v. 26.08.2015, Az. B2-98 / 11, Rn. 46  – Asics; Schweda / Rudowicz, WRP 2013, 590 (599); Erschwerung der Kundenansprache für eine Kernbeschränkung nach Art. 4 lit. b Vertikal-GVO ausreichend, LG Kiel, Urt. v. 08.11.2013, Az. 14 O 44 / 13 Kart, WuW / E DE-R 4075 = NZKart 2014, 39 (40)  – Digitalkameras; Herrlinger, NZKart 2014, 92 (93).



H. Plattformverbote

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dung gebracht werden: Die entsprechenden Internetplattformen wurden zum Teil mit einem Bazar oder Flohmarkt verglichen.346 Ihnen wurde insbesondere in der jüngsten Vergangenheit teilweise sogar der Ruf des „Anrüchigen“ zugeschrieben.347 Es wird angeführt, die Plattformen würden in den Köpfen der Verbraucher nicht als Absatzweg für hochqualitative Ware gelten, gerade da oftmals auch gebrauchte Waren angeboten werden würden.348 Außerdem seien auf den Plattformen auch eine ordentliche Produktpräsentation und eine Präsentation ihrer gesamten Produktpalette nicht gewährleistet.349 Mitunter sei nicht ersichtlich, ob es sich um Gebraucht- oder Neuware handele und welche Seriosität die Anbieter haben.350 Daraus wird gefolgert, dass Internetplattformen mit einem Image behaftet sind, das grundsätzlich geeignet ist, das Ansehen der Produkte und des Herstellers in Bezug auf die Qualität zu beeinträchtigen.351 Es ist jedoch auch bei mittelbaren Plattformverboten nicht ersichtlich, dass sie zur Wahrung der Qualität des Vertriebs erforderlich sind. Vielmehr besteht zwischen den etablierten Online-Plattformen und herkömmlichen Online-Shops in der Regel kein spürbarer Unterschied mehr.352 Außerdem ist nicht davon auszugehen, dass der Vertrieb über Plattformen ausschlaggebend für ein schlechteres Image ist.353 Zudem haben sich gerade eBay und Amazon in den letzten Jahren jeweils zu einer attraktiven Verkaufsplattform ent346  KG, Urt. v. 19.09.2013, Az. 2 U 8 / 09 Kart, WuW / E  DE-R 4019 = NZKart 2014 72 (73)  – Schulranzen und  -rucksäcke; LG München I, Urt. v. 24.06.2008  – Az. 33 O 22144 / 07 = CR 2008, 806 (806 Rn. 56); nachgehend OLG München, Urt. v. 02.07.2009, Az. U (K) 4842 / 08, WuW / E DE-R 2698 = GRUR RR 2009, 394 (394); Beckmann / Müller, in: Hoeren / Sieber / Holznagel, Multimedia-Recht, Teil  10 Rn. 161; Omlor, EuZW 2014, 932 (936); Pichler / Hertfelder, NZKart 2014, 47 (51). 347  LG München I, Urt. v. 24.06.2008, Az. 33 O 22144 / 07 = CR 2008, 806 (806 Rn. 56). 348  Pichler / Hertfelder, NZKart 2014, 47 (51). Argumente, wie die Angebote würden sich an Schnäppchenjäger richten und Plattformen hätten ein Flohmarktimage, werden zum Teil angeführt, dargestellt von Querndt, Selektivvertrieb und eBayVersteigerungen, S. 67. 349  OLG Schleswig, Urt. v. 05.06.2014, Az. 16 U Kart 154 / 13, WuW / E  DE-R 4293 = NZKart 2014, 364 (364) – Partnervereinbarung. 350  Querndt, Selektivvertrieb und eBay-Versteigerungen, S. 67. 351  KG, Urt. v. 19.09.2013, Az. 2 U 8 / 09 Kart, WuW / E  DE-R 4019 = NZKart 2014 72 (73) – Schulranzen und -rucksäcke. Omlor, EuZW 2014, 932 (936), schlägt in Bezug auf den Neuwagenvertrieb daher vor, Internetplattformen zu nutzen, die sich auf den Vertrieb von Neuwagen spezialisiert haben und sieht den Schutz des Markenimages dadurch ausreichend sichergestellt, dass die Vertriebsmittler bei Internetpräsenz eine bestimmte Beratungsqualität sicherstellen und nur Plattformen mit gewissen Qualitätsanforderungen nutzen dürfen. 352  Schweda / Rudowicz, WRP 2013, 590 (596). 353  Querndt, Selektivvertrieb und eBay-Versteigerungen, S. 63.

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5. Kap.: Vertriebsbeschränkungen im Internet

wickelt, die eine Vielzahl von Kunden und potenziellen Kunden erreicht.354 Aufgrund ihrer Bekanntheit und der hohen click-Raten sind diese Plattformen insbesondere über Suchmaschinen besser auffindbar im Vergleich zu den Online-Shops der Händler.355 Außerdem versuchen auch die Plattformbetreiber, aktiv gegen die ihnen gegenüber erhobenen Vorwürfe vorzugehen: So hat unter anderem eBay ein Partnerprogramm für Markenhersteller errichtet und Amazon Markenshops eingeführt, in denen die Angebote unter der Marke des Herstellers gesammelt werden.356 Die Suche der Kunden kann mittlerweile anhand verschiedener Kriterien eingegrenzt werden.357 Bei der Produktdarstellung wird auch angezeigt, ob neue oder gebrauchte Produkte durch den Händler angeboten werden. Beide Plattformanbieter verbessern stetig die Möglichkeiten für die Händler, die Anforderungen der Markenhersteller an einen Onlineshop zu erfüllen.358 Das Image der Internetplattformen hat sich dadurch in den letzten Jahren zum Positiven gewandelt. Internetplattformen werden von Kunden heutzutage jedenfalls nicht so negativ wahrgenommen, wie dies oftmals von Herstellern dargestellt wird. Darüber hinaus stehen dem Unternehmer andere Maßnahmen zur Wahrung des Qualitäts bei einem Vertrieb über Plattformen zu: beispielsweise Werbung oder verkaufsfördernde Maßnahmen. Gedacht werden kann auch an die Einführung einer exklusiven Verkaufsstätte, „hot spot“ oder „flagshipstore“ genannt.359 Grundsätzlich kann davon ausgegangen werden, dass wenn in der Öffentlichkeit und damit auch in dem sozialen Umfeld der Konsumenten aufgrund der Werbung oder Existenz exklusiver Ladengeschäfte ein bestimmtes Image der Marke oder der Produkte etabliert wurde, dieses nicht ohne Weiteres durch den Verkauf über Plattformen maßgeblich beeinträchtigt wird.360 2. Kriterium der Gleichwertigkeit Qualitative Anforderungen bezüglich des Internetvertriebs müssen dem Äquivalenzprinzip entsprechen, wonach eine Identität der mit den Kriterien verfolgten Ziele für den stationären Vertrieb und dem Internetvertrieb vorliegen muss.361 Unterschiede der Kriterien müssen sich aus dem unter354  Dieselhorst / Luhn,

(629).

355  Mäger / von

WRP 2008, 1306 (1306); Rempe, DSRITB 2014, 625

Schreitter, NZKart 2015, 62 (67). WuW 2014, 120 (120). 357  Querndt, Selektivvertrieb und eBay-Versteigerungen, S. 69. 358  Lohse, WuW 2014, 120 (120). 359  Querndt, Selektivvertrieb und eBay-Versteigerungen, S. 63. 360  Querndt, Selektivvertrieb und eBay-Versteigerungen, S. 63. 356  Lohse,



H. Plattformverbote169

schiedlichen Wesen der beiden Vertriebswege ergeben.362 Ein mittelbares Plattformverbot hält dem sog. Gleichwertigkeitskriterium jedoch nicht stand. Der Hersteller müsste grundsätzlich qualitative Anforderungen an den Internetvertrieb betreffend den Vertrieb über Plattformen machen, welche die gleichen Ziele verfolgen wie die Vorgaben an den stationären Vertrieb und vergleichbare Ergebnisse erzielen. Allerdings sind solche Fälle in der Praxis kaum vorstellbar. Möglich erscheint es, wenn der Hersteller seinen Händlern besonders strikte Vorgaben im Umgang mit Markenprodukten macht.363 So wurde in der Literatur das Beispiel aufgezeigt, dass der Hersteller seinen Händlern vorgibt, unter besonderer Hervorhebung seiner Marke ausschließlich seine Produkte zu vertreiben und bei der Ausstattung des Ladenlokals sowie bei Werbemaßnahmen auf die Erwähnung des Händlernamens oder anderer Markennamen vollständig zu verzichten.364 3. Rechtfertigung durch die „Logo“-Klausel Für die Rechtfertigung eines mittelbaren Plattformverbots wird außerdem die sog. „Logo“-Klausel herangezogen.365 Die konkrete Anwendbarkeit der Logo-Klausel ist umstritten.366 So wird sich zum Teil dafür ausgesprochen, aus der sog. Logo-Klausel folge die Zulässigkeit dafür, dass der Hersteller dem Händler die Nutzung von Plattformen mit dem Logo Dritter für OnlineVerkäufe zu untersagen, wenn und soweit die Endkunden den Online-Shop nur über Internet-Seiten aufrufen können, die den Namen oder das Logo eines dritten Plattformbetreibers tragen.367 Die Vertikalleitlinien haben nur 361  Dethof, ZWeR 2012, 503 (517); siehe ferner Vertikal-LL Tz. 56; Dreyer / Lemberg, BB 2012, 2004 (2007); v. Hülsen, ZVertriebsR 2012, 299 (303); BKartA, Vertikale Beschränkungen, Hintergrundpapier v. 10.10.2013, S. 24. 362  Dethof, ZWeR 2012, 503 (517); Metzlaff, Internetvertrieb und Franchising, in: Jahrbuch Franchising, S. 191; Spenner / Kiani, NZKart 2016, 208 (212). 363  Schweda / Rudowicz, WRP 2013, 590 (597). 364  Schweda / Rudowicz, WRP 2013, 590 (597); denkbar wäre dies in Bezug auf den Namen der Shopping-Mall, in der sich das stationäre Ladenlokal befindet. Dies trifft vor allem auf sog. Flagship-Stores zu, die aber grundsätzlich von Herstellern selbst betrieben werden. 365  Diese befindet sich in Randnummer 54 der Leitlinien. 366  Für die Annahme das Plattformverbote stelle eine Qualitätsanforderung dar und der Unternehmer könne aufgrund der Logo-Klausel den Plattformvertrieb verbieten Nolte, BB 2014, 1155 (1160); a. A.: Schweda / Rudowicz, WRP 2013, 590 (597); ebenfalls ablehnend, mit dem Hinweis, der Sinn und Zweck der mit der Logo-Klausel gemachten Aussage sei schon nicht erkennbar Mäger / von Schreitter, NZKart 2015, 62 (71); Rahlmeyer geht davon aus, die „kartellrechtliche Entscheidungspraxis“ habe der Logo-Klausel „überwiegend die Gefolgschaft versagt“, ZVertriebsR 2015, 144 (147). 367  Nolte, BB 2014, 1155 (1160).

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5. Kap.: Vertriebsbeschränkungen im Internet

für die Kommission selbst eine direkte (Selbst-)Bindungswirkung.368 Für nationale Wettbewerbsbehörden und Gerichte sind sie letztlich lediglich ein wichtiges Auslegungskriterium.369 Befürworter der Anwendbarkeit der Logo-Klausel auf Plattformverbote argumentieren zum Teil, es würde dem Anliegen der Leitlinien nicht gerecht, wenn nationale Behörden und Gerichte ohne zwingenden Grund von den Leitlinien abweichen.370 Die Leitlinien würden schließlich der Einheitlichkeit der Rechtspraxis innerhalb der Europäischen Union dienen und sollten gerade den Unternehmen Rechtssicherheit vermitteln.371 Es geht jedenfalls zu weit, die Logo-Klausel dahingehend zu verstehen, dass sie den Herstellern ohne jede Einschränkung gestattet, den Vertrieb über Online-Plattformen zu untersagen. Das ergibt sich schon daraus, dass die Logo-Klausel kein pauschales Ausschlusskriterium für bestimmte Vertriebsformen begründet, sondern im Kontext von herstellerseitig gestellten Qualitätsanforderungen steht.372 Eine solche Auslegung wäre weder mit Art. 101 AEUV vereinbar noch mit der Vertikal-GVO, welche normenhierarchisch über den Leitlinien steht, die nur die Kommission binden.373 Die konsequente Umsetzung der Logo-Klausel wäre außerdem konträr zu der Kernaussage der Leitlinien, dass Bedingungen, die eine direkte oder indirekte Beschränkung des Online-Verkaufs bezwecken, die Anerkennung zu versagen ist.374 Zudem widerspräche es dem Gebot der engen Auslegung der Gruppenfreistellung.375 Diese Einschätzung ist auch dem Bundeskartellamt zu entnehmen, welches jüngst bestätigt hat, dass eine Implementierung der Logo-Klausel in ein selektives Vertriebssystem ein kartellrechtlich zu beanstandendes Drittplattformverbot begründet.376

VI. Ergebnis zur kartellrechtlichen Einordnung von Plattformverboten Aufgrund der vorstehenden Ausführungen ist davon auszugehen, dass die Voraussetzungen der Gruppenfreistellung nach Maßgabe der VertikalGVO für Plattformverbote nicht vorliegen. Vollständige Plattformverbote 368  Pichler / Hertfelder,

NZKart 2014, 47 (51). NZKart 2014, 47 (51). 370  Pichler / Hertfelder, NZKart 2014, 47 (51). 371  Pichler / Hertfelder, NZKart 2014, 47 (51). 372  Mäger / von Schreitter, NZKart 2015, 62 (71). 373  Schweda / Rudowicz, WRP 2013, 590 (597). 374  Mäger / von Schreitter, NZKart 2015, 62 (71). 375  Schweda / Rudowicz, WRP 2013, 590 (597); Mäger / von Schreitter, NZKart 2015, 62 (71). 376  BKartA, Entsch. v. 27.06.2014, Az. B3-137 / 12 = Fallbericht v. 19.08.2014, S. 1 ff. – adidas. 369  Pichler / Hertfelder,



I. Preisparitäts- und Bestpreisklauseln

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verwirklichen den Tatbestand einer Kernbeschränkung des passiven Verkaufs an Endverbraucher im Sinne des Art. 4 lit. c Vertikal-GVO. Grundsätzlich kommt zwar weiterhin eine Einzelfreistellung nach Art. 101 Abs. 3 AEUV in Betracht. Eine solche wird jedoch in der Praxis schwer nachweisbar sein. Auch ein mittelbares Plattformverbot wird in der Regel gegen Art. 4 lit. b Vertikal-GVO verstoßen. Relevant ist bei der Bewertung insbesondere, dass sich das Image der Plattformen gewandelt hat und ein Plattformverbot regelmäßig nicht mehr zur Wahrung der Qualität erforderlich sein wird.

I. Preisparitäts- und Bestpreisklauseln Sog. Preisparitäts- oder Bestpreisklauseln werden auch im Rahmen der klassischen Vertriebswege eingesetzt, sie haben aber gerade im Bereich des Internetvertriebs aufgrund von Verfahren vor Gerichten und dem Bundeskartellamt an Bedeutung gewonnen. Bei einer Preisparitäts- oder Bestpreisklausel verpflichtet der Betreiber einer Internetplattform in der Regel den Lieferanten, seinen Endkunden beim Geschäftsabschluss über die Plattform ein Angebot zu den jeweils günstigeren Preisen und Konditionen zu unterbreiten.377 Für die nähere Beleuchtung der Preisparitäts- oder Bestpreisklauseln, wird zunächst eine Einordnung der Meistbegünstigungsklauseln, insbesondere im Hinblick auf deren Wirkung und rechtliche Bewertung vorgenommen (unter I.). Des Weiteren wird die kartell- und wettbewerbsrechtliche Behandlung von Bestpreisklauseln im Rahmen von Hotelvermittlungsportalen (unter II.) sowie von Preisparitätsklauseln auf Online-Plattformen untersucht (siehe dazu III). Der Abschluss der Untersuchung der Preisparitäts- und Bestpreisklauseln bildet die Bewertung der kartell- und wettbewerbsrechtlichen Behandlung der zahlreich verwendeten Klauseln (unter IV.).

I. Einordnung der Meistbegünstigungsklausel Sog. Meistbegünstigungsklauseln sind eine Form von Bestpreisklauseln. Man versteht darunter grundsätzlich Vereinbarungen, mittels derer eine Partei der anderen stets die günstigsten Konditionen gewährt.378 377  Nolte,

BB 2014, 1155 (1162). in: Immenga / Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, § 1 GWB Rn. 367; Eufinger, K&R 2014, 307 (309). Meistbegünstigungsklauseln werden im Englischen auch „most favoured customer clause“ oder „most favoured nation clause“ genannt, Kübler / Schultze, in: Schultze / Wauschkuhn / Spenner / Dau / Kübler, Der Vertragshändlervertrag, 11.  Kap. Rn. 488. 378  Zimmer,

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5. Kap.: Vertriebsbeschränkungen im Internet

1. Differenzierung Es kann zwischen den echten und den unechten Meistbegünstigungsklauseln unterschieden werden.379 Eine sog. echte Meistbegünstigungsklausel380 regelt das Verhältnis der durch die Klausel gebundenen Partei zu Dritten.381 Sie verpflichtet den gebundenen Vertragspartner, Dritten keine besseren Konditionen als dem bindenden Unternehmer zu gewähren.382 Eine sog. unechte Meistbegünstigungsklausel383 verpflichtet den gebundenen Vertragspartner, dem bindenden Unternehmen dann bessere Konditionen einzuräumen, wenn und soweit der gebundene Vertragspartner Dritten Konditionen einräumt, die besser sind als die, die er ursprünglich dem bindenden Unternehmer eingeräumt hat.384 Daraus ergibt sich eine wirtschaftliche Bindung, andere Vertragspartner nicht besser zu behandeln als den bindenden Vertragspartner.385 Grundsätzlich beinhaltet die unechte Meistbegünstigungs379  Heyers unterscheidet außerdem noch kontemporäre und retroaktive Meistbegünstigungsklauseln. Kontemporäre Meistbegünstigungsklauseln garantieren demnach Käufern einen Preis, der nicht höher als der niedrigste Preis ist, der andernorts bzw. von einem anderen Kunden gezahlt wird. Retroaktive hingegen wirken zurück, d. h. einem Käufer wird versprochen, er profitiere von Preissenkungen innerhalb einer bestimmten Frist nach Erwerb des Gutes. Heyers, GRUR Int 2013, 409 (411), selbst kommt zu der Einschätzung, eine solche Differenzierung sei für die kartellrechtliche Beurteilung nicht von Belang. 380  Beispielhafte Formulierung einer echten Meistbegünstigungsklausel: „Der Lieferant / Hersteller verpflichtet sich gegenüber seinem Kunden / Abnehmer, Dritten (d. h. anderen Abnehmern / Kunden) keine günstigeren Preise und Konditionen für die Vertragsprodukte zu gewähren als die in diesem Vertrag dem Kunden / Abnehmer gewährten.“ Kurth, WuW 2003, 28 (29). 381  Auch „rechtliche Preisbindung“ oder „echte Meistbegünstigungsklausel“ genannt, Kurth, WuW 2003, 28 (28); Kling / Thomas, Kartellrecht, § 19 Rn. 184. 382  Fiebig, NZKart 2014, 122 (124); Kling / Thomas, Kartellrecht, § 19 Rn. 184; Tamke, WuW 2015, 594 (595); Heyers, GRUR Int 2013, 409 (411); Beckmann / Müller, in: Hoeren / Sieber / Holznagel, Multimedia-Recht, Teil  10 Rn. 170; Zimmer, in: Immenga / Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, § 1 GWB Rn. 367; Seeliger, in: Wiedemann, Kartellrecht, § 11 Rn. 161. 383  Beispielhafte Formulierung einer unechten Meistbegünstigungsklausel: „Der Lieferant / Hersteller ist verpflichtet, dem Abnehmer / Kunden die jeweils günstigen (gleich günstig oder keine ungünstigeren) Preise und Konditionen einzuräumen, die er von Dritten für die Vertragsprodukte verlangt.“, Kurth, WuW 2003, 28 (29). 384  Wird auch als „wirtschaftliche“ oder „unechte“ Meistbegünstigungsklausel bezeichnet, Kurth, WuW 2003, 28 (29); Kling / Thomas, Kartellrecht, § 19 Rn. 184; Fiebig, NZKart 2014, 122 (124); Heyers, GRUR Int 2013, 409 (411); Beckmann / Müller, in: Hoeren / Sieber / Holznagel, Multimedia-Recht, Teil  10 Rn. 170; Zimmer, in: Immenga / Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, § 1 GWB Rn. 367; Seeliger, in: Wiedemann, Kartellrecht, § 11 Rn. 161; Tamke, WuW 2015, 594 (595). 385  Zimmer, in: Immenga / Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, § 1 GWB Rn. 367; Seeliger, in: Wiedemann, Kartellrecht, § 11 Rn. 161.



I. Preisparitäts- und Bestpreisklauseln

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klausel aber keine Beschränkung des gebundenen Unternehmens in der Gestaltung von Zweitverträgen mit Dritten.386 Es kann sich zugunsten des Lieferanten auch die Auswirkung ergeben, dass Konditionen zu seinen Gunsten angepasst werden. 2. Wirkung und rechtliche Einordnung Meistbegünstigungsklauseln können zu Lasten des Lieferanten geschlossen werden.387 Solche Klauseln schränken den Spielraum für eine individuelle Preisgestaltung ein. Dies kommt einem vertraglichen Diskriminierungsverbot nahe und wirkt daher de facto wie eine mittelbare Festsetzung der Verkaufspreise.388 Nach Art. 4 lit. a Vertikal-GVO sind lediglich Preisbindungen zulasten des Käufers Kernbeschränkungen. Aus dem Umkehrschluss und unter Einbeziehung des Grundsatzes, dass alle Wettbewerbsbeschränkungen erlaubt sind, die nicht ausdrücklich in der Vertikal-GVO verboten sind, sind Meistbegünstigungsklauseln, die den Lieferanten binden, freigestellt, soweit die Voraussetzungen der Vertikal-GVO vorliegen, wie etwa die Marktanteilsschwelle von 30  % nicht überschritten ist.389 Mindest- oder Festpreisbindungen zu Lasten des Abnehmers sind somit grundsätzlich unzulässig.390 Eine Unwirksamkeit ergibt sich auch nicht mehr aus dem GWB. In der Vergangenheit unterfielen die Meistbegünstigungsklauseln regelmäßig dem § 14 GWB a. F., wenn der Lieferant tatsächlich beschränkt wurde.391 Im Rahmen der 7. GWB-Novelle im Jahre 2005 ist die Sonderregelung aus § 14 GWB a. F. jedoch durch § 2 Abs. 2 GWB entfallen.392 Liegt eine Meistbegünstigungsklausel zu Lasten des Abnehmers vor, muss hingegen differenziert werden, ob sie gegenüber den Kunden des Abnehmers wirkt oder gegenüber seinen Anbietern, also den 386  Kurth,

WuW 2003, 28 (29). Ausgestaltung der Meistbegünstigungsklausel stellt den Regelfall dar, Kling / Thomas, Kartellrecht, § 19 Rn. 184. 388  Beckmann / Müller, in: Hoeren / Sieber / Holznagel, Multimedia-Recht, Teil  10 Rn. 170. 389  Beckmann / Müller, in: Hoeren / Sieber / Holznagel, Multimedia-Recht, Teil  10 Rn. 171; Seeliger, in: Wiedemann, Kartellrecht, § 11 Rn. 162. 390  Kling / Thomas, Kartellrecht, § 19 Rn. 190. 391  Seeliger, in: Wiedemann, Kartellrecht, § 11 Rn. 162; Kling / Thomas, Kartellrecht, § 19 Rn. 184; zur Einordnung von Meistbegünstigungsklauseln nach § 14 GWB a. F. siehe Kurth, WuW 2003, 28 (30). 392  Seeliger, in: Wiedemann, Kartellrecht, § 11 Rn. 162; Kling / Thomas, Kartellrecht, § 19 Rn. 128: „§ 14 GWB a. F. enthielt ein Verbot bestimmter Vereinbarungen, die ein Unternehmen beim Abschluss weiterer Verträge hinsichtlich Preisen und Geschäftsbedingungen beschränkte und also das ‚Wie‘ eines Zweitvertrages vorschrieben, sog. Preis- und Konditionenbindungen der zweiten Hand.“ 387  Diese

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5. Kap.: Vertriebsbeschränkungen im Internet

Lieferanten.393 Meistbegünstigungsklauseln, die gegenüber den Kunden des Abnehmers wirken, verstoßen gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV und stellen eine Kernbeschränkung nach Art. 4 lit. a Vertikal-GVO dar, wenn die Meistbegünstigung zu einer Beschränkung des Kunden in der Gestaltung seiner Verkaufspreise führt.394 Wirken die Meistbegünstigungsklauseln gegenüber den Anbietern des Abnehmers, so kann darin eine Beschränkung des Wettbewerbs auf Anbieterseite, also zwischen konkurrierenden Anbietern liegen.395 Dies kann eine Kollusion zwischen ihnen erhöhen.396

II. Bestpreisklauseln im Rahmen von Hotelvermittlungsportalen Bestpreisklauseln wurden rege von etlichen Hotelportalen verwendet.397 Alle auf der Plattform geführten Hotelpartner verpflichten sich im Rahmen dieser Bestpreisklauseln gegenüber dem Hotelportal, die höchstmögliche Verfügbarkeit sowie die günstigsten Buchungs- und Stornierungskosten im Vergleich zu sämtlichen anderen Vertriebswegen, inklusive dem Eigenvertrieb, anzubieten.398 Gegenüber den Endkunden kann dann mithilfe der Bestpreis-Garantie signalisiert werden, dass das entsprechende Angebot bei keinem anderen Anbieter günstiger zu haben ist.399 Da die durch § 14 GWB a. F. geschützte Preisgestaltungsfreiheit auch das Recht umfasste, anderen Geschäftspartnern günstigere Preise und Konditio393  Beckmann / Müller, in: Hoeren / Sieber / Holznagel, Multimedia-Recht, Teil  10 Rn. 172. 394  Mit dem Hinweis, dass Meistbegünstigungsklauseln zulasten des Vertragshändlers gegenüber seinen Kunden sehr selten vorkommen, Kübler / Schultze, in: Schultze /  Wauschkuhn / Spenner / Dau / Kübler, Der Vertragshändlervertrag, 11. Kap. Rn. 491; Beckmann / Müller, in: Hoeren / Sieber / Holznagel, Multimedia-Recht, Teil 10 Rn. 172. 395  Beckmann / Müller, in: Hoeren / Sieber / Holznagel, Multimedia-Recht, Teil  10 Rn. 172. 396  Beckmann / Müller, in: Hoeren / Sieber / Holznagel, Multimedia-Recht, Teil  10 Rn. 172. 397  Siehe hierzu zu BKartA, Beschl. v. 20.12.2013, Az. B 9  – 66 / 10, WuW / E  DE-V 1953 = BeckRS 2014, 04343  – HRS; siehe zu Bestpreisklauseln bei booking.com: BKartA, Meldung v. 02.04.2015, sowie BKartA, Entsch. v. 22.12.2015, Az. B 9-121 / 13  – Booking; zu den sog. „engen“ Bestpreisklauseln: Diese zeichnen sich dadurch aus, dass die Hotels ihre Zimmer zwar auf anderen Hotel-Portalen preiswerter anbieten können, der Preis auf der hoteleignen Website darf aber nicht niedriger sein als der bei dem Hotelvermittlungsportal, das die Klausel einsetzt; zuletzt BKartA, Meldung v. 23.12.2015; BKartA, Entsch. v. 22.12.2015, Az. B 9-121 / 13, Rn. 160  – Booking. 398  Galle / Nauck, WuW 2014, 587 (587). 399  Fiebig, NZKart 2014, 122 (122).



I. Preisparitäts- und Bestpreisklauseln

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nen einzuräumen, war eine Meistbegünstigungsklausel nach dem deutschen Recht jedenfalls bis zum Wegfall des § 14 GWB a. F. nach ständiger Rechtsprechung, Entscheidungspraxis des Bundeskartellamtes und nach einhelliger Literaturmeinung als Verstoß gegen § 14 GWB a. F. wettbewerbswidrig.400 Das nunmehr weggefallene Verbot in § 14 GWB a. F. wurde nicht durch eine eindeutige Erlaubnis ersetzt.401 Auch im europäischen Kartellrecht findet sich kein eindeutiges Verbot der Meistbegünstigungsklauseln.402 Mithin fehlt es an einer konkreten Regelung zur Zulässigkeit solcher Meistbegünstigungsklauseln sowohl im deutschen als auch im europäischen Kartellrecht. Eine Zeit lang schien die Verwendung von Meistbegünstigungsklauseln von den Kartellbehörden wenigstens toleriert zu werden.403 Grundsätzlich sind sie allerdings kartellrechtlich umstritten und waren daher schließlich auch Gegenstand Untersuchungen verschiedenster Wettbewerbsbehörden.404 Insbesondere durch das Kartellverwaltungsverfahren gegen das Hotelbuchungsportal HRS waren die sog. Best-Preis-Garantien in aller Munde.405 Hierbei ist aber zu beachten, dass es in der kartellrechtlichen Prüfung auch um andere Ausprägungen der Meistbegünstigung, wie der „Konditionenparität“ und der „Verfügbarkeitsparität“ ging.406

400  Soyez, NZKart 2014, 447 (448); Fiebig, NZKart 2014, 122 (122); Zimmer, in: Immenga / Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, § 1 GWB Rn. 367. Auch wenn es keine höchstrichterlichen Entscheidungen zu der Einordnung von Bestpreisklauseln bezüglich des Internetvertriebs im Rahmen von § 14 GWB a. F. gibt, ist davon auszugehen, dass – aufgrund der klaren Einordnung von Meistbegünstigungsklauseln als nach § 14 GWB a. F. unzulässig – auch die Bestpreisklauseln gegen die Preisgestaltungsfreiheit und mithin auch gegen § 14 GWB verstoßen würde. 401  Fiebig, NZKart 2014, 122 (122). 402  Fiebig, NZKart 2014, 122 (122). 403  Soyez, NZKart 2014, 447 (447). 404  Britisches OFT-Verfahren gegen booking.com (CE / 9320 / 10), www.oft.gov. uk / OFTwork / competition-act-and-cartels / ca98 / Closure / online-booking / , hierzu auch Bischke / Brack, NZG 2013, 1136 (1137, 1138); Schweizer WEKO-Verfahren gegen booking.com, Expedia und HRS, www.news.admin.ch / message / index.html? lang=de&msg-id=47137. In Deutschland untersucht das Bundeskartellamt zuletzt die Bestpreisklauseln von Expedia, Meldung v. 23.12.2015, www.bundeskartellamt.de. 405  Soyez, NZKart 2014, 447 (447); Kirchhoff, in: FS Bornkamm, S. 208; Galle / Nauck, WuW 2014, 587 (587); Fiebig, NZKart 2014, 122 (122); Wey, WuW 2014, 119 (119); Bischke / Brack, NZG 2013, 1136 (1136, 1137); Beckmann / Müller, in: Hoeren / Sieber / Holznagel, Multimedia-Recht, Teil  10 Rn. 174 f. 406  Darauf weißt Soyez ausdrücklich in NZKart 2014, 447 (447) in Fußnote 1 hin.

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5. Kap.: Vertriebsbeschränkungen im Internet

1. Meistbegünstigungsklauseln als Wettbewerbsbeschränkung Nach dem Wegfall des § 14 GWB a. F. richtet sich die kartellrechtliche Beurteilung der Meistbegünstigungsklauseln nach den allgemeinen Grundsätzen der §§ 1, 2 GWB bzw. Art. 101 AEUV. Die wettbewerbsbeschränkende Wirkung von Meistbegünstigungsklauseln wird im Folgenden weiter am Beispiel von Bestpreisklauseln von Hotelportalen herausgearbeitet. Augenscheinlich ist zunächst einmal, dass Bestpreisklauseln die Handlungsfreiheit des Vertragspartners, hier der Hotelunternehmen, im Vertikalverhältnis zum Portalbetreiber „in Bezug auf die Möglichkeit einer Preis-, Verfügbarkeits- und Konditionendifferenzierung“, einschränken.407 Die Hotelbetreiber müssen beim Internetportal stets den günstigsten Preis für ihre Zimmer anbieten, dadurch wird der Spielraum für die individuelle Preisgestaltung erheblich eingeschränkt.408 Es handelt sich um eine Verhaltensbindung im Vertikalverhältnis, durch welche die Vertragspartner faktisch gehindert werden, beispielsweise Hotelzimmerpreise und sonstige Konditionen gegenüber den übrigen Vermittlern und gegenüber den Kunden frei festzulegen.409 Darin liegt eine Beschränkung der Preisgestaltungsfreiheit der Vertragspartner und damit eine Wettbewerbsbeschränkung.410 Weiterhin kann in der Bestpreisklausel ebenso eine mittelbare Festsetzung der Verkaufspreise gesehen werden, was den Tatbestand des Art. 101 Abs. 1 lit. a AEUV erfüllt.411 Bestpreisklauseln können außerdem kleinere konkurrierende Plattformen verdrängen und Marktzutrittsschranken für potentielle neue Anbieter bedeuten.412 Aufgrund der Klausel ist es kleineren und potenziellen Konkurrenten nicht möglich, günstigere Angebote auf ihren Plattformen einzustellen.413 Für neue Marktteilnehmer wird es dann nahezu unmöglich sein, neue Kunden zu akquirieren oder Kunden von etablierten Buchungsunternehmen zu 407  OLG Düsseldorf, Urt. v. 09.01.2015, Az. VI-Kart 1 / 14 (V), WuW / E  DE-R 4572 = NZKart  2015, 148 (149, 150)  – HRS-Bestpreisklauseln. 408  Eufinger, K&R 2014, 307 (309). 409  OLG Düsseldorf, Urt. v. 09.01.2015, Az. VI-Kart 1 / 14 (V), WuW / E  DE-R 4572 = NZKart  2015, 148 (150)  – HRS-Bestpreisklauseln; Eufinger, K&R 2014, 307 (309). 410  Eufinger, K&R 2014, 307 (309). 411  Eufinger, K&R 2014, 307 (309). 412  BKartA, Beschl. v. 20.12.2013, Az. B 9  – 66 / 10, WuW / E  DE-V 1953 = BeckRS 2014, 04343 Rn. 160 – HRS; Galle / Nauck, WuW 2014, 587 (588); Soyez, NZKart 2014, 447 (448); Fiebig, NZKart 2014, 122 (125); Eufinger, K&R 2014, 307 (310); Wismer, A Note on Price-Parity Clauses in Platform Markets, in: Competition on the Internet, Surblyté, S. 47. 413  Galle / Nauck, WuW 2014, 587 (589); Eufinger, K&R 2014, 307 (310).



I. Preisparitäts- und Bestpreisklauseln

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gewinnen.414 Insofern kommt also eine Markteintrittsbarriere durch die Meistbegünstigungsklausel in Betracht.415 Es wird mithin der Preiswettbewerb zwischen den Plattformbetreibern beschränkt.416 Weiterhin können die Meistbegünstigungsklauseln den bestehenden Preiswettbewerb zwischen den Hotels schädigen.417 Diese könnten von günstigeren Angeboten absehen, wenn sie den Angebotspreis nicht nur einzelnen Kunden, sondern aufgrund der Klausel einer Vielzahl von Kunden einräumen müssen.418 Es kann davon ausgegangen werden, dass sie das Preisniveau insgesamt aufrechterhalten wollen und daher daran gehindert werden, ihre Verkaufspreise autonom festzusetzen.419 Dies kann zu hohen Zimmerpreisen führen und letztlich für den Verbraucher nachteilig sein.420 Es kann also festgestellt werden, dass Meistbegünstigungsklauseln wettbewerbsbeschränkend wirken. Durch den Einsatz von Bestpreisklauseln wird ferner das Entstehen von Wettbewerb zwischen mehreren Vermittlungsportalen nahezu vollständig ausgeschlossen.421 Sollte ein System von Bestpreisklauseln von mehreren Vermittlungsportalen einheitlich praktiziert werden, dann kann dies unter Umständen eine direkte Verhaltensabstimmung zwischen den Hotelportalen über einen bestimmten Mindestpreis im Sinne des Art. 101 Abs. 1 AEUV bzw. § 1 GWB darstellen.422 414  Eufinger, K&R 2014, 307 (310). Wismer, A Note on Price-Parity Clauses in Platform Markets, in: Competition on the Internet, Surblyté, S. 47, weist darauf hin, dass konkurrierende Plattformbetreiber andere Wege – unabhängig vom Preis – finden könnten, um die Auswirkungen der Meistbegünstigungsklausel der konkurrierenden Plattform zu umgehen: „However, although ‚price image‘ seems to be an important strategic device, platforms may find other ways circumvent the price-parity clause of their competitors, e. g. offering additional services, or granting some forms of discounts to buyers that cannot be attributed to specific transactions.“ 415  OLG Düsseldorf, Urt. v. 09.01.2015, Az. VI-Kart 1 / 14 (V), WuW / E  DE-R 4572 = NZKart  2015, 148 (149)  – HRS-Bestpreisklauseln; Fiebig, NZKart 2014, 122 (125). 416  Fiebig, NZKart 2014, 122 (125); Soyez, NZKart 2014, 447 (447); Kirchhoff, in: FS Bornkamm, S. 208. 417  Galle / Nauck, WuW 2014, 587 (589); Kling / Thomas, Kartellrecht, §  19 Rn. 193. 418  Galle / Nauck, WuW 2014, 587 (589). 419  Fiebig, NZKart 2014, 122 (125). 420  Zu dieser Einschätzung kam der Verbraucherzentrale Bundesverband e. V. kürzlich: MMR-Aktuell 2015, 369076. 421  BKartA, Beschl. v. 20.12.2013, Az. B 9  – 66 / 10, WuW / E  DE-V 1953 = BeckRS 2014, 04343 Rn. 155, 158 – HRS; OLG Düsseldorf, Urt. v. 09.01.2015, Az. VI-Kart 1 / 14 (V), WuW / E  DE-R 4572 = NZKart  2015, 148 (150)  – HRSBestpreisklauseln; Eufinger, K&R 2014, 307 (309). 422  Eufinger, K&R 2014, 307 (309).

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5. Kap.: Vertriebsbeschränkungen im Internet

Zu diesem Ergebnis kamen zum einen auch das Bundeskartellamt in der „HRS“-Entscheidung, zum anderen in diversen Entscheidungen aber auch die EU-Kommission.423 Abgesehen davon, dass Meistbegünstigungsklauseln wettbewerbsbeschränkend wirken, verfolgen sie die Beschränkung des Wettbewerbs auch als ausschließliches und unmittelbares Ziel.424 Die Verwender der Meistbegünstigungsklauseln setzen diese gezielt ein, um sich umfassend vor Wettbewerb zu schützen und um zu verhindern, dass Wettbewerbern günstigere Konditionen gewährt werden.425 Daher stellen Meistbegünstigungsklauseln tatbestandliche Wettbewerbsbeschränkungen im Sinne von §  1 GWB, Art. 101 Abs. 1 AEUV dar. 2. Freistellungsmöglichkeit der Bestpreisklauseln Nach Feststellung der wettbewerbsbeschränkenden Wirkung der Bestpreisklauseln, stellt sich nunmehr die Frage nach der Freistellungsmöglichkeit für Bestpreisklauseln. Liegt eine Freistellung der Vereinbarung nach Art. 101 Abs. 3 AEUV bzw. § 2 Abs. 2 GWB i. V. m. Vertikal-GVO vor, sind die mit den Hotelbetreibern vereinbarten Klauseln wirksam und damit durchsetzbar. a) Anwendbarkeit der Vertikal-GVO Bereits die Anwendbarkeit der Vertikal-GVO in Bezug auf Bestpreisklauseln lässt sich nicht ohne Weiteres annehmen. Es lässt sich schon anzweifeln, ob eine vertikale Vereinbarung im Sinne von Art. 1 lit. a Vertikal-GVO vorliegt.426 Eine vertikale Vereinbarung ist anzunehmen, wenn die Portale und die Anbieter (Hotelunternehmer) auf verschiedenen Wirtschaftsstufen tätig sind und die Bestpreisklausel Bedingungen betrifft, welche den Bezug, Verkauf oder Weiterverkauf von Waren oder Dienstleistungen regeln.427 423  BKartA, Beschl. v. 20.12.2013, Az. B 9  – 66 / 10, WuW / E  DE-V 1953 = BeckRS 2014, 04343 Rn. 155 – HRS; OLG Düsseldorf, Urt. v. 09.01.2015, Az. VIKart 1 / 14 (V), WuW / E  DE-R 4572 = NZKart  2015, 148 (148)  – HRS-Bestpreis­ klauseln; Kommission, Mitteilung v. 19.04.2013, Fall Nr. COMP / AT.39.847 = http: /  / europa.eu / rapid / press-release_IP-13-343_en.htm (zuletzt aufgerufen am 31.07.2017) – E-Books. 424  Soyez, NZKart 2014, 447 (448). 425  Soyez, NZKart 2014, 447 (448). 426  OLG Düsseldorf, Urt. v. 09.01.2015, Az. VI-Kart 1 / 14 (V), WuW / E  DE-R 4572 = NZKart  2015, 148 (151)  – HRS-Bestpreisklauseln; Eufinger, K&R 2014, 307 (310); dos Santos Goncalves, GWR 2015, 425 (425, 428).



I. Preisparitäts- und Bestpreisklauseln

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Zum Teil wird ein innerer Zusammenhang zwischen der beschränkenden Vereinbarung, also der Bestpreisklausel, und der zwischen den Vertragspartnern ausgetauschten Leistung für das Vorliegen einer vertikalen Vereinbarung gefordert.428 Gegen einen inneren Zusammenhang zwischen der vertikalen Beziehung und der Vereinbarung (Bestpreisklausel) spricht: Die vereinbarte Bestpreisklausel regelt weder die Bedingungen für den Bezug der Vermittlungsdienstleistungen noch für den Weiterverkauf dieser Dienstleistungen durch die Hotelunternehmer.429 Die Bestpreisklausel betrifft also nicht die Portalleistung, sondern den Verkauf des Produktes (Hotelzimmer).430 Die Bestpreisklauseln wirkten sich primär zu Lasten der Hotelunternehmer beim Absatz von Hotelzimmern aus.431 Auf eben diesem Absatzmarkt stehen die als Vermittler tätigen Hotelplattformen jedoch in keiner vertikalen Beziehung zu den Hotels.432 Es handelt sich vielmehr um ein Dreiecksverhältnis.433 Mithin fehlt es an einem inneren Zusammenhang zwischen der vertikalen Beziehungen und der Vereinbarung. Ob ein innerer Zusammenhang überhaupt für das Vorliegen einer vertikalen Vereinbarung Voraussetzung ist, wurde vom Gericht in der HRS-Entscheidung allerdings offengelassen und darauf verwiesen, dass eine Freistellung durch die Vertikal-GVO schon an der Marktanteilsgrenze von 30 % des Art. 3 Abs. 1 Vertikal-GVO scheitern würde.434 Gegen die Voraussetzung des inneren Zusammenhangs 427  OLG Düsseldorf, Urt. v. 09.01.2015, Az. VI-Kart 1 / 14 (V), WuW / E  DE-R 4572 = NZKart  2015, 148 (151)  – HRS-Bestpreisklauseln; BKartA, Beschl. v. 20.12.2013, Az. B 9 – 66 / 10, WuW / E DE-V 1953 = BeckRS 2014, 04343 Rn. 179 – HRS; Tamke, WuW 2015, 594 (600). 428  Das Erfordernis des inneren Zusammenhangs bejahend: Fiebig, WuW 2013, 812 (825 f.); a. A. Tamke, WuW 2015, 594 (600); Galle / Nauck, WuW 2014, 587 (589); unterschiedliche Ansichten zu dem Erfordernis des inneren Zusammenhangs werden auch vom OLG Düsseldorf aufgegriffen, OLG Düsseldorf, Urt. v. 09.01.2025, Az. VI-Kart 1 / 14 (V), WuW / E  DE-R 4572 = NZKart  2015, 148 (151)  – HRSBestpreisklauseln. 429  OLG Düsseldorf, Urt. v. 09.01.2025, Az. VI-Kart 1 / 14 (V), WuW / E  DE-R 4572 = NZKart  2015, 148 (151)  – HRS-Bestpreisklauseln; Galle / Nauck, WuW 2014, 587 (589). 430  Galle / Nauck, WuW 2014, 587 (589). 431  OLG Düsseldorf, Urt. v. 09.01.2015, Az. VI-Kart 1 / 14 (V), WuW / E  DE-R 4572 = NZKart  2015, 148 (151)  – HRS-Bestpreisklauseln. 432  OLG Düsseldorf, Urt. v. 09.01.2015, Az. VI-Kart 1 / 14 (V), WuW / E  DE-R 4572 = NZKart  2015, 148 (151)  – HRS-Bestpreisklauseln; dos Santos Goncalves, GWR 2015, 425 (428); Galle / Nauck, WuW 2014, 587 (589). 433  Eufinger, K&R 2014, 307 (310). 434  Die Freistellung durch die Vertikal-GVO wurde in diesem Fall also abgelehnt, OLG Düsseldorf, Urt. v. 09.01.2015, Az. VI-Kart 1 / 14 (V), WuW / E  DE-R 4572 = NZKart  2015, 148 (151)  – HRS-Bestpreisklauseln; so auch bei BKartA, Entsch. v. 22.12.2015, Az. B 9-121 / 13, Rn. 252  – Booking.

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5. Kap.: Vertriebsbeschränkungen im Internet

spricht, dass der Wortlaut des Art. 1 lit. a Vertikal-GVO, welcher den Begriff der vertikalen Vereinbarung bestimmt, keinen Bezug zu dem inneren Zusammenhang herstellt.435 Es findet sich zwar ein Hinweis in Tz. 25 d) der Vertikal-LL auf einen inneren Zusammenhang.436 Daraus ergibt sich allerdings nicht eindeutig die Voraussetzung des inneren Zusammenhangs zwischen der vertikalen Beziehung und der Vereinbarung für das Vorliegen einer vertikalen Vereinbarung.437 Es ist also zweifelhaft, ob die Kommission eine derartige Voraussetzung einführen wollte.438 Daher ist der innere Zusammenhang für das Vorliegen einer vertikalen Vereinbarung nicht als wesentliche Voraussetzung zu werten.439 Die Bestpreisklausel stellt damit eine vertikale Vereinbarung im Sinne von Art. 1 lit. a Vertikal-GVO dar und die Vertikal-GVO ist in Bezug auf die Bestpreisklausel anwendbar. b) Bestpreisklauseln als Kernbeschränkungen Ausgehend von der Annahme, dass es sich bei Bestpreisklauseln um vertikale Vereinbarungen i. S. d. Vertikal-GVO handelt und die Marktanteilsgrenze nicht überschritten wird, kann man diskutieren, ob diese Klauseln Kernbeschränkungen nach Art. 4 S. 1 lit. a Vertikal-GVO darstellen. Vereinbarungen, die unmittelbar oder mittelbar die Festsetzung des vom Abnehmer einzuhaltenden Preisniveaus bezwecken sind demnach verboten und per se vom Anwendungsbereich der Vertikal-GVO ausgeschlossen.440 Darunter fallen allerdings Höchstpreisbindungen und unverbindliche Preisempfehlungen nicht, wenn sie sich nicht wie Fest- oder Mindestpreise auswirken.441 Weiterhin erfasst Art. 4 S. 1 lit. a Vertikal-GVO ausschließlich Fest- und Mindestpreisbindungen des Abnehmers: Die Regelung bezieht sich daher nicht auf die Preisbildungsfreiheit des Anbieters.442 Durch Bestpreisklauseln 435  Galle / Nauck,

WuW 2014, 587 (589). heißt es in S. 3 Tz. 25 lit. d der Vertikal-LL: „Derartige Vereinbarungen regeln die Bedingungen für den Bezug, Verkauf oder Weiterverkauf der vom Anbieter bereitgestellten Waren oder Dienstleistungen und / oder die Bedingungen für den Verkauf von Waren oder Dienstleistungen, die diese Waren oder Dienstleistungen enthalten, durch den Abnehmer.“ 437  Galle / Nauck, WuW 2014, 587 (589). 438  Galle / Nauck, WuW 2014, 587 (589). 439  Auch das Bundeskartellamt prüft den inneren Zusammenhang nicht und nimmt das Vorliegen einer vertikalen Beschränkung durch die Bestpreisklauseln an, BKartA, Beschl. v. 20.12.2013, Az. B 9  – 66 / 10, WuW / E  DE-V 1953 = BeckRS 2014, 04343 Rn. 180 – HRS. 440  Sog. Preisbindungen der zweiten Hand, Kling / Thomas, Kartellrecht, §  5 Rn. 357; Soyez, NZKart 2014, 447 (449); Tamke, WuW 2015, 594 (601). 441  Kling / Thomas, Kartellrecht, § 5 Rn. 357. 442  Kling / Thomas, Kartellrecht, § 5 Rn. 357. 436  So



I. Preisparitäts- und Bestpreisklauseln181

werden die Abnehmer in ihren Möglichkeiten der Preisfestsetzung beschränkt.443 Grundsätzlich erscheint die Bestpreisklausel, die Abnehmer in ihrer Preissetzungsfreiheit bindet, daher als Kernbeschränkung im Sinne von Art. 4 S. 1 lit. a Vertikal-GVO. Etwas anderes könnte sich jedoch bei Bestpreisklauseln der Hotelvermittlungsportale ergeben. Für eine Einordnung dieser Bestpreisklauseln als Kernbeschränkung im Sinne von Art. 4 S. 1 lit. a Vertikal-GVO müssen die von den Vermittlungsportalen gebundenen Hotelpartner Abnehmer im Sinne der Vertikal-GVO sein. Nach Art. 1 S. 1 lit. h Vertikal-GVO sind Abnehmer Unternehmer, die auf der Grundlage einer unter Art. 101 AEUV fallenden Vereinbarung Waren oder Dienstleistungen für Rechnung eines anderen Unternehmens verkaufen.444 Im Rahmen von Hotelvermittlungsverträgen über Plattformen können Hotelunternehmen einerseits als „Lieferanten“ von Hoteldienstleistungen und Hotelportale, wie HRS, als „Abnehmer“ dieser Hoteldienstleistungen angesehen werden.445 Durch die Bestpreisklausel werden dann aber nicht die Abnehmer unmittelbar in ihrer Preissetzungsfreiheit gebunden, sondern vielmehr der Lieferant (die Hotels).446 Andererseits können die Hotelportale als „Lieferanten“ von Vermittlungsdienstleistungen angesehen werden und die Hotelunternehmen als „Abnehmer“ dieser Dienstleistungen; sie verkaufen die Vermittlungsdienstleistungen jedoch nicht weiter.447 Die Klausel stellt dann keine Preisbindung für eine „Weiterveräußerung“ dieser Leistungen dar.448 Die Bestpreisklauseln der Reiseportalbetreiber können daher nicht als Kernbeschränkung im Sinne Art. 4 S. 1 lit. a Vertikal-GVO eingeordnet werden. Bezüglich des Dreiecksverhältnisses lassen sich die wettbewerblichen Wirkungen der Bestpreisklauseln mit derjenigen einer Kernbeschränkung nach Art. 4 S. 1 lit. a Vertikal-GVO vergleichen.449 Auch in einem Dreiecks443  Eufinger,

K&R 2014, 307 (310). K&R 2014, 307 (310); BKartA, BKartA, Beschl. v. 20.12.2013, Az. B 9  – 66 / 10, WuW / E  DE-V 1953 = BeckRS 2014, 04343 Rn. 182  – HRS. 445  BKartA, Beschl. v. 20.12.2013, Az. B 9  – 66 / 10, WuW / E  DE-V 1953 = BeckRS 2014, 04343 Rn. 183 – HRS; Tamke, WuW 2015, 594 (602); Kling / Thomas, Kartellrecht, § 19 Rn. 193. 446  BKartA, Beschl. v. 20.12.2013, Az. B 9  – 66 / 10, WuW / E  DE-V 1953 = BeckRS 2014, 04343 Rn. 183 – HRS; Tamke, WuW 2015, 594 (602); Kling / Thomas, Kartellrecht, § 19 Rn. 193. 447  BKartA, Beschl. v. 20.12.2013, Az. B 9  – 66 / 10, WuW / E  DE-V 1953 = BeckRS 2014, 04343 Rn. 183 – HRS; Tamke, WuW 2015, 594 (602); Kling / Thomas, Kartellrecht, § 19 Rn. 193. 448  Kling / Thomas, Kartellrecht, § 19 Rn. 193. 449  Eufinger, K&R 2014, 307 (310); Kirchhoff, in: FS Bornkamm, S. 208; auch Soyez, NZKart 2014, 447 (449), sieht die wettbewerbsbeschränkende Wirkung von Meistbegünstigungsklauseln vergleichbar in ihrer Intensität mit der Wirkung der Preisbindungen der zweiten Hand. 444  Eufinger,

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5. Kap.: Vertriebsbeschränkungen im Internet

verhältnis – wie dem zwischen Hotelportal, Hotelunternehmen und Kunden – wird der Hotelier wie auch der weiterverkaufende Abnehmer in der freien Preisgestaltung eingeschränkt.450 Vorgeschlagen wird mithin eine analoge Anwendung des Art. 4 S. 1 lit. a Vertikal-GVO auf derartige Dreiecksverhältnisse.451 Gegen eine solche analoge Anwendung spricht jedoch, dass dadurch die Safe-harbour-Wirkung der Vertikal-GVO ins Leere laufen würde.452 Weiterhin lässt sich gegen eine analoge Anwendung des Art. 4 S. 1 lit. a Vertikal-GVO auch das Analogieverbot des Art. 103 Abs. 2 GG anführen.453 Eine analoge Anwendung von Art. 4 lit. a Vertikal-GVO widerspräche dem deutlichen Wortlaut des Art. 1 lit. 1 a) Vertikal-GVO.454 Eine analoge Anwendung ist außerdem nicht erforderlich, da im Einzelfall die Möglichkeit der Kartellbehörde besteht, die Freistellung zu entziehen.455 Eine analoge Anwendung des Art. 4 S. 1 lit. a Vertikal-GVO ist daher abzulehnen. c) Einzelfreistellung nach Art. 101 Abs. 3 AEUV / § 2 GWB Das Gericht lehnte weiterhin eine Einzelfreistellung nach Art. 101 Abs. 3 AEUV und § 2 GWB ab.456 Die im Rahmen von Art. 101 Abs. 3 AEUV erforderlichen und auch behaupteten Effizienzvorteile wurde nach Ansicht des Gerichts nicht substantiiert genug dargelegt.457 Das Hotelvermittlungsportal hatte darzulegen und zu beweisen, dass die „Bestpreisklausel unter angemessener Beteiligung der Verbraucher an dem entstehenden Gewinn 450  Eufinger,

K&R 2014, 307 (310). K&R 2014, 307 (310); a. A. Tamke, WuW 2015, 594 (600); Soyez, NZKart 2014, 447 (449). 452  Kling / Thomas, Kartellrecht, § 19 Rn. 193. 453  Soyez, NZKart 2014, 447 (449). 454  Soyez, NZKart 2014, 447 (449). 455  Art. 6 Vertikal-GVO bzw. § 32 d GWB, so auch Tamke, WuW 2015, 594 (602); Der Entzug der Freistellung nach § 32 d GWB wurde auch vom Bundes­ kartellamt im HRS-Verfahren angesprochen, BKartA, Beschl. v. 20.12.2013, Az. B 9  – 66 / 10, WuW / E  DE-V 1953 = BeckRS 2014, 04343 Rn. 267  – HRS. 456  OLG Düsseldorf, Urt. v. 09.01.2015, Az. VI-Kart 1 / 14 (V), WuW / E  DE-R 4572 = NZKart  2015, 148 (151)  – HRS-Bestpreisklauseln; So auch das Bundeskartellamt, BKartA, Beschl. v. 20.12.2013, Az. B 9  – 66 / 10, WuW / E  DE-V 1953 = BeckRS 2014, 04343 Rn. 195 – HRS. 457  Die Effizienzvorteile müssen derart substantiiert werden, dass die Art der in Rede stehenden Effizienzvorteile, die Verknüpfung zwischen der wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarung und den Effizienzgewinnen, dass die Wahrscheinlichkeit und das Ausmaß des aufgezeigten Effizienzvorteils nachgeprüft und auch beurteilt werden kann, wie und wann der geltend gemachte Effizienzgewinn erreicht wird OLG Düsseldorf, Urt. v. 09.01.2015, Az. VI-Kart 1 / 14 (V), WuW / E  DE-R 4572 = NZKart 2015, 148 (151) – HRS-Bestpreisklauseln. 451  Eufinger,



I. Preisparitäts- und Bestpreisklauseln183

zur Verbesserung der Warenerzeugung und Warenverteilung oder zur Förderung des technischen oder wirtschaftlichen Fortschritts beiträgt, ohne dass den beteiligten Unternehmen Beschränkungen auferlegt werden, die für die Verwirklichung dieser Ziele unerlässlich sind, oder Möglichkeiten eröffnet werden, für einen wesentlichen Teil der betreffenden Waren den Wettbewerb auszuschalten“.458 Bezüglich der Effizienzgewinne wurde durch das Hotelvermittlungsportal geltend gemacht, die Bestpreisklausel schaffe Anreize für kontinuierliche Investitionen an die Qualität der Plattform.459 Außerdem löse die Klausel das sog. Trittbrettfahrerproblem, indem der Hotelkunde nicht die Such- und Vergleichsfunktion des Hotelportals nutze, sondern auch über das Portal buche, da das Zimmer auch woanders nicht günstiger angeboten werde.460 Schließlich wirke sich dies auch positiv auf die Buchungsrate und die Provisionseinnahmen des Vertragspartners und damit auch die Angebotsqualität der Plattform aus.461 Für den Endkunden soll die Bestpreisklausel eine Senkung der Transaktionskosten bewirken.462 Ihm bleibe zudem eine umfassende und aufwendige Suche nach dem günstigsten Zimmerpreis erspart.463 Für Hotelunternehmen biete sich der Vorteil, dass ein sinkender Werbeaufwand ausgelöst würde, weil das Hotelportal das Marketing gebündelt für alle bei ihm gelisteten Hotels übernehme.464 Auch in der Literatur wird die wettbewerbsbeschränkende Wirkung von Bestpreisklauseln zum Teil als minimal eingestuft, da die Hotels das Preisniveau bestimmen können und Preise differenzieren können.465 Außerdem stehen den Hotels diverse Gegenstrategien zur Verfügung, wie die Differenzierung des eigenen Produktangebots und ein mit anderen Hotels koordinierter Markteintritt in den Online-Portalmarkt.466 458  OLG Düsseldorf, Urt. v. 09.01.2015, Az. VI-Kart 1 / 14 4572 = NZKart  2015, 148 (151)  – HRS-Bestpreisklauseln. 459  OLG Düsseldorf, Urt. v. 09.01.2015, Az. VI-Kart 1 / 14 4572 = NZKart  2015, 148 (151)  – HRS-Bestpreisklauseln. 460  OLG Düsseldorf, Urt. v. 09.01.2015, Az. VI-Kart 1 / 14 4572 = NZKart  2015, 148 (151)  – HRS-Bestpreisklauseln. 461  OLG Düsseldorf, Urt. v. 09.01.2015, Az. VI-Kart 1 / 14 4572 = NZKart  2015, 148 (151)  – HRS-Bestpreisklauseln. 462  OLG Düsseldorf, Urt. v. 09.01.2015, Az. VI-Kart 1 / 14 4572 = NZKart  2015, 148 (151)  – HRS-Bestpreisklauseln. 463  OLG Düsseldorf, Urt. v. 09.01.2015, Az. VI-Kart 1 / 14 4572 = NZKart  2015, 148 (151)  – HRS-Bestpreisklauseln. 464  OLG Düsseldorf, Urt. v. 09.01.2015, Az. VI-Kart 1 / 14 4572 = NZKart  2015, 148 (151)  – HRS-Bestpreisklauseln. 465  Wey, WuW 2014, 119 (119). 466  Wey, WuW 2014, 119 (119).

(V), WuW / E  DE-R (V), WuW / E  DE-R (V), WuW / E  DE-R (V), WuW / E  DE-R (V), WuW / E  DE-R (V), WuW / E  DE-R (V), WuW / E  DE-R

184

5. Kap.: Vertriebsbeschränkungen im Internet

Als ausschlaggebend wurde vom Bundeskartellamt jedoch angesehen, dass die Bestpreisklauseln den Preis- und Qualitätswettbewerb zwischen den Hotelportalen und zwischen den dort gelisteten Hotels wenn nicht vollständig, dann jedenfalls zu einem nicht unerheblichen Teil ausschließen.467 Das OLG Frankfurt ging davon aus, dass der Wettbewerb zwischen den Hotels untereinander, ohne eine Bestpreisklausel gestärkt werde.468 Insbesondere der Beschränkung des Qualitätswettbewerbs durch Bestpreisklauseln wurde durch das Bundeskartellamt eine große Bedeutung beigemessen.469 Qualitative Aspekte des Portalangebots seien gerade für den Hotelportalmarkt wichtig, da für das auf dem Portal aufgeführte Hotel und auch für die Buchungsentscheidung des Hotelkunden, die Buchungs- und Stornierungsbedingungen, die Darstellung und das Ranking eines Hotelzimmerangebots sowie die technische Ausstattung und Beliebtheit auf der Hotelkundenseite, entscheidend seien.470 Da sich die Bestpreisklauseln nicht nur auf die Preise, sondern auch auf Angebotsbedingungen, Buchungs- und Stornierungsbedingungen beziehen, tragen sie zu einer Vereinheitlichung dieser wesentlichen Qualitätsaspekte bei.471 Dadurch wird der mögliche Qualitätswettbewerb eingeschränkt.472 Die Bestpreisklauseln werden daher auch als ungeeignet angesehen, den Qualitätswettbewerb zwischen den Hotelportalen weiter zu verstärken und dadurch die Qualität des Portalangebots zum Nutzen der Hotelkunden wesentlich zu erhöhen.473 Aus diesem Grund wurde eine angemessene Beteiligung der Verbraucher abgelehnt.474 An eine Freistellung nach Art. 101 Abs. 3 AEUV werden hohe Anforderungen gestellt, die Voraussetzungen müssen durch den Klauselverwender nachgewiesen und belegt werden. Es stellt eine hohe Hürde dar, diesen hohen Anforderungen als Klauselverwender gerecht zu werden.475 Nicht 467  BKartA, Beschl. v. 20.12.2013, Az. B 9  – 66 / 10, WuW / E  DE-V 1953 = BeckRS 2014, 04343 Rn. 196 – HRS. 468  Die Ausführungen dazu bleiben jedoch recht knapp: „Gerade dann, wenn die einzelnen Hotels ihrer Zimmerpreise und sonstigen Buchungs- und Stornierungskonditionen ohne Bindung an die Bestpreisklausel frei im Wettbewerb bilden und auf den einzelnen Portalen und sonstigen Vertriebswegen unterschiedliche Preise und Konditionen anbieten können, wird auch der Wettbewerb der Hotels untereinander verstärkt.“, OLG Düsseldorf, Urt. v. 09.01.2015, Az. VI-Kart 1 / 14 (V), WuW / E DE-R 4572 = NZKart  2015, 148 (151)  – HRS-Bestpreisklauseln. 469  BKartA, Beschl. v. 20.12.2013, Az. B 9  – 66 / 10, WuW / E  DE-V 1953 = BeckRS 2014, 04343 Rn. 207  – HRS. 470  BKartA, Beschl. v. 20.12.2013, Az. B 9 – 66 / 10, Rn. 207  – HRS. 471  BKartA, Beschl. v. 20.12.2013, Az. B 9 – 66 / 10, Rn. 207  – HRS. 472  BKartA, Beschl. v. 20.12.2013, Az. B 9 – 66 / 10, Rn. 207  – HRS. 473  BKartA, Beschl. v. 20.12.2013, Az. B 9 – 66 / 10, Rn. 222  – HRS. 474  BKartA, Beschl. v. 20.12.2013, Az. B 9 – 66 / 10, Rn. 222  – HRS.



I. Preisparitäts- und Bestpreisklauseln185

zuletzt, da es aufgrund der Einschränkung des Qualitätswettbewerbs wesentliche Gründe gibt, die gegen eine Freistellung sprechen. d) Zwischenergebnis Das Bundeskartellamt und auch das OLG Frankfurt hat die Verwendung von Meistbegünstigungsklauseln letztlich als tatbestandliche Wettbewerbsbeschränkung bewertet.476 Das BKartA hält Bestpreisklauseln im Anwendungsbereich der VertikalGVO grundsätzlich jedoch für freistellbar.477 Kartellrechtlich problematisch ist die Verwendung von Meistbegünstigungsklauseln aber jedenfalls dann, wenn der Anteil des Anbieters oder des Abnehmers auf dem relevanten Markt über 30 % liegt und die Klausel damit dem Anwendungsbereich der Vertikal-GVO entzogen ist.478 Dies wird damit begründet, dass auf der einen Seite die strengen Voraussetzungen für eine Individualfreistellung nach § 2 Abs. 1GWB, Art. 101 Abs. 3 AEUV regelmäßig nicht vorliegen und auf der anderen Seite erfüllen Meistbegünstigungsklauseln das Tatbestandsmerkmal der unbilligen Behinderung und sind mithin missbräuchlich im Sinne der §§ 19 Abs. 2 Nr. 1, 20 Abs. 1 GWB, Art. 102 AEUV.479

III. Preisparitätsklausel auf Online-Plattformen Ein populäres Beispiel einer sog. Preisparitätsklausel ist die, die Amazon am 31.03.2010 für ihre „Marketplace“-Händler einführte. Auf ihrer „Marketplace“-Internetplattform vertreibt Amazon eigene Produkte, stellt die Plattform aber auch externen Händlern, den sog. „Marketplace“-Händlern zur Verfügung. Diese können ihre Produkte auf der Plattform einstellen, von dort direkt an Endkunden verkaufen und müssen dann eine Provision in Höhe von 10–15 % des Verkaufspreises an Amazon abführen.480 Nach der von Amazon eingeführten Preisparitätsklausel dürfen die Händler ihre Wa475  Diesen hohen Anforderungen konnte das Hotelvermittlungsportal nicht gerecht werden, OLG Düsseldorf, Urt. v. 09.01.2015, Az. VI-Kart 1 / 14 (V), WuW / E  DE-R 4572 = NZKart  2015, 148 (151)  – HRS-Bestpreisklauseln. 476  OLG Düsseldorf, Urt. v. 09.01.2015, Az. VI-Kart 1 / 14 (V), WuW / E  DE-R 4572 = NZKart  2015, 148 (150)  – HRS-Bestpreisklauseln; BKartA, Beschl. v. 20.12.2013, Az. B 9 – 66 / 10, Rn. 183  – HRS; Soyez, NZKart 2014, 447 (447). 477  Soyez, NZKart 2014, 447 (447). 478  BKartA, Beschl. v. 20.12.2013, Az. B 9 – 66 / 10, Rn. 177, 188 f.  – HRS; Soyez, NZKart 2014, 447 (447). 479  Soyez, NZKart 2014, 447 (447). 480  Heyers, GRUR Int 2013, 409 (409); Bodenstein, GRUR PRax 2010, 260 (260).

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5. Kap.: Vertriebsbeschränkungen im Internet

ren auf Amazon.de nicht zu einem höheren Preis verkaufen, als sie ihn von Kunden auf anderen nicht-physischen Vertriebswegen verlangen.481 Zu den anderen nicht-physischen Vertriebswegen gehören die eigenen Online-Shops der Händler, konkurrierende Plattformen wie eBay oder Katalogverkäufe.482 Amazon hat sich vorbehalten, die Händler vom „Marketplace“ auszuschließen, die sich nicht an die Preisparität halten.483 Die von Amazon eingesetzte Preisparitätsklausel kann die Festsetzung eines Mindestpreises für alle anderen Vertriebskanäle im Internet bewirken und zu einem einheitlichen Preisniveau im Online-Vertrieb führen.484 Da auf Amazon.de auch Händler aus anderen Mitgliedstaaten ihre Angebote einstellen und diese von der Preisparitätsklausel betroffen sind, ist für die kartellrechtliche Beurteilung der Preisparitätsklausel neben dem deutschen Kartellrecht auch das europäische Kartellrecht einschlägig.485 Auch die Händler aus anderen Mitgliedstaaten werden durch die Preisparitätsklausel eingeschränkt, mithin kommt eine Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten in Frage. 1. Wettbewerbsbeschränkung i. S. v. Art. 101 Abs. 1 AEUV In der Preisparitätsklausel kann eine wettbewerbsbeschränkende Vereinbarung im Sinne von Art. 101 Abs. 1 AEUV liegen. Die von Amazon einseitig festgesetzte Klausel stellt eine allgemeine Geschäftsbedingung dar. Grundsätzlich gilt, dass auch allgemeine Geschäftsbedingungen, die einseitig festgesetzt werden, nicht im Interesse des anderen Vertragspartner sind und diesem durch die Androhung von Sanktionen, wie etwa dem Abbruch der Geschäftsbeziehungen, „auferlegt“486 werden, als Vereinbarungen im Sinne des Art. 101 AEUV bzw. § 1 GWB zu qualifizieren sind.487 Bezüglich der Preisparitätsklausel ist es jedoch ohnehin so, dass 481  BKartA, Entsch. v. 26.11.2013, Az. B6-46 / 12 = Fallbericht v. 09.12.2013, S. 2 – Amazon Marketplace; Bischke / Brack, NZG 2013, 1136 (1137); Bodenstein, GRURPrax 2010, 260 (260). 482  BKartA, Entsch. v. 26.11.2013, Az. B6-46 / 12 = Fallbericht v. 09.12.2013, S. 2 – Amazon Marketplace; Bodenstein, GRURPrax 2010, 260 (260); Heyers, GRUR Int 2013, 409 (409); Bischke / Brack, NZG 2013, 1136 (1137). 483  BKartA, Entsch. v. 26.11.2013, Az. B6-46 / 12 = Fallbericht v. 09.12.2013, S. 2 – Amazon Marketplace; Bischke / Brack, NZG 2013, 1136 (1137). 484  Bodenstein, GRURPrax 2010, 260 (261). 485  Bodenstein, GRURPrax 2010, 260 (261); Heyers, GRUR Int 2013, 409 (410). 486  „Auferlegt“ meint hier, dass der Amazonhändler, der am Amazon-Marketplace teilnehmen will, einen Vertrag mit Amazon schließen und die AGB akzeptieren muss, BKartA, Entsch. v. 26.11.2013, Az. B6-46 / 12 = Fallbericht v. 09.12.2013, S. 1 – Amazon Marketplace.



I. Preisparitäts- und Bestpreisklauseln

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Amazon die Einhaltung nicht einseitig durchsetzen kann, sondern vielmehr auf die Mitwirkung der einzelnen Händler angewiesen ist.488 Die Händler stimmen aber inzident den neuen Bedingungen zu, wenn sie unter ihrer Geltung weiterhin Produkte auf Amazon.de anbieten.489 a) Einordnung als horizontale Handelskooperation Der „Marketplace“ von Amazon kann als horizontale Handelskooperation eingeordnet werden.490 Amazon wird selbst als Anbieter auf seiner Plattform tätig und steht damit im direkten Wettbewerb zu anderen Anbietern, die Amazon als Plattform nutzen.491 Die Preisparitätsklauseln von Amazon werden daher als horizontale Preisabsprachen und nicht als rein vertikale Vereinbarung gewertet.492 Bei der Teilnahme am Marketplace geht es um „die gemeinsame integrierte Präsentation eines Gesamtsortiments einschließlich des Amazon-Sortiments unter einer einheitlichen Adresse und einer dadurch vereinfachten Navigation“.493 Diese horizontale Handelskooperation kommt dem Zweck nach dem Betrieb einer gemeinsamen Online-Plattform in Form eines Marktplatzes bzw. einer technischen Plattform nahe.494 487  BKartA, Entsch. v. 26.11.2013, Az. B6-46 / 12 = Fallbericht v. 09.12.2013, S. 2 – Amazon Marketplace; Bodenstein, GRURPrax 2010, 260 (261). 488  Bodenstein, GRURPrax 2010, 260 (261). 489  Bodenstein, GRURPrax 2010, 260 (261). 490  BKartA, Entsch. v. 26.11.2013, Az. B6-46 / 12 = Fallbericht v. 09.12.2013, S. 2 – Amazon Marketplace. Solche Verkaufsgemeinschaften stellen die „Kooperation zwischen Unternehmen, die dem gemeinsamen Absatz der Ware dienen“, dar, Kling / Thomas, Kartellrecht, § 19 Rn. 98. 491  BKartA, Digitale Ökonomie – Internetplattformen zwischen Wettbewerbsrecht, Privatsphäre und Verbraucherschutz, v. 01.10.2015, S. 27; BKartA, Entsch. v. 26.11.2013, Az. B6-46 / 12 = Fallbericht v. 09.12.2013, S. 2  – Amazon Marketplace; Fiebig, NZKart 2014, 122 (128). 492  BKartA, Digitale Ökonomie – Internetplattformen zwischen Wettbewerbsrecht, Privatsphäre und Verbraucherschutz, v. 01.10.2015, S. 27; BKartA, Entsch. v. 26.11.2013, Az. B6-46 / 12 = Fallbericht v. 09.12.2013, S. 2 f.  – Amazon Marketplace; Fiebig, NZKart 2014, 122 (128); Tamke, WuW 2015, 594 (596); A. A. Bodenstein, GRURPrax 2010, 260 (261), nimmt das Vorliegen eines Vertikalverhältnisses an, konkret sieht Bodenstein in dem Dreiecksverhältnis (Amazon, Händler, Kunde) zwei Vertikalverhältnisse vorliegen: Zum einen zwischen Amazon und dem „Marketplace“-Händler, zum anderen zwischen dem „Marketplace“-Händler und seinen Kunden. 493  BKartA, Entsch. v. 26.11.2013, Az. B6-46 / 12 = Fallbericht v. 09.12.2013, S. 2 – Amazon Marketplace. 494  BKartA, Entsch. v. 26.11.2013, Az. B6-46 / 12 = Fallbericht v. 09.12.2013, S. 2 – Amazon Marketplace.

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5. Kap.: Vertriebsbeschränkungen im Internet

b) Wettbewerbliche Auswirkungen der horizontalen Handelskooperation Eine Freistellung über die Vertikal-GVO kommt nicht in Betracht, da Amazon einen Marktanteil über 30 % hat, sodass die Anwendbarkeit der Vertikal-GVO diesbezüglich nicht in Frage kommt.495 Daher müssen die wettbewerbsfördernden und die wettbewerbsbeschränkenden Auswirkungen im Rahmen der Einzelfreistellung nach Art. 101 Abs. 3 AEUV und § 2 GWB miteinander abgewogen werden.496 Das Bundeskartellamt ordnet eine rein technische Plattform als in der Regel wettbewerblich unbedenklich ein, „weil sie trotz der damit zwingend einhergehenden Harmonisierung von bestimmten Wettbewerbsparametern im Online-Handel mit Hinblick auf die Effizienzen eines solchen Marktplatzes nach Art. 101 Abs. 3 AEUV und § 2 GWB regelmäßig freigestellt ist“.497 Eine andere Beurteilung ergibt sich jedoch, wenn die Wettbewerbsbeschränkung über diese Parameter hinausgeht und für die Effizienzen des Marktplatzes nicht unerlässlich sind bzw. im Verhältnis zu den Effizienzen unangemessene Nachteile mit sich bringen.498 Die im Rahmen der horizontalen Handelskooperation verwendete Preisparitätsklausel bringt, im Verhältnis zu den Effizienzen, unangemessene Nachteile mit sich.499 Das Bundeskartellamt sah die Auswirkungen der Preisparitätsklausel von Amazon nicht nur in Bezug auf die Preissetzung beim Online-Vertrieb über einen eigenen Webshop des Händlers gegeben, sondern stellte auch unmittelbare Auswirkungen auf dem Markt für Plattformdienstleistungen fest.500 Dabei stellte das Bundeskartellamt insbesondere fest: „Preisparitätsklauseln fungieren insoweit als Markteintrittsbarriere für neue Wettbewerber und hemmen die Expansion bereits im Markt befindlicher Wettbewerber. Denn der wesentliche Wettbewerbsparameter – die Entgelte für die Plattformleistungen – wird mit der Preisparitätsklausel 495  BKartA, Entsch. v. 26.11.2013, Az. B6-46 / 12 = Fallbericht v. 09.12.2013, S. 1 – Amazon Marketplace: „Amazon.de wies 2012 einen Anteil am Gesamtvolumen des deutschen Online-Handels mit Waren von ca. 30–40 % auf und ist bei Festpreisverkäufen die größte Online-Handelsplattform in Deutschland.“ 496  Fiebig, NZKart 2014, 122 (129). 497  BKartA, Entsch. v. 26.11.2013, Az. B6-46 / 12 = Fallbericht v. 09.12.2013, S. 2 – Amazon Marketplace. 498  BKartA, Entsch. v. 26.11.2013, Az. B6-46 / 12 = Fallbericht v. 09.12.2013, S. 2 – Amazon Marketplace; Fiebig, NZKart 2014, 122 (129). 499  BKartA, Entsch. v. 26.11.2013, Az. B6-46 / 12 = Fallbericht v. 09.12.2013, S. 2 – Amazon Marketplace. 500  BKartA, Entsch. v. 26.11.2013, Az. B6-46 / 12 = Fallbericht v. 09.12.2013, S. 3 – Amazon Marketplace.



I. Preisparitäts- und Bestpreisklauseln189

neutralisiert, da niedrige Entgelte nicht an den Endkunden weitergegeben werden. Der Aufbau von Reichweite wird auf diese Weise verhindert.“.501 Dabei wurde auch nicht vernachlässigt, dass eine Plattform, wie Amazon, die Warenverteilung durchaus fördern kann: So kann die Auffindbarkeit von Produkten, die ansonsten im Internet aufgrund einer starken Zersplitterung nur schwer auffindbar sind, erleichtert werden.502 Höher gewichtet wurde jedoch, dass die Preisparitätsklausel Beschränkungen des Preissetzungsverhaltens bewirkt.503 Die Klausel wurde weder als unerlässliche Beschränkung noch im Hinblick auf ihre Preiserhöhungswirkung als angemessene Verbraucherbeteiligung eingestuft.504 2. Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung i. S. v. Art. 102 Abs. 1 AEUV Amazon könnte durch die Auferlegung einer Preisparitätsklausel in ihren allgemeinen Geschäftsbedingungen eine marktbeherrschende Stellung im Sinne von Art. 102 Abs. 1 AEUV missbraucht haben. Im Rahmen der Ermittlung der marktbeherrschenden Stellung ist jedoch bereits die Marktabgrenzung mit Schwierigkeiten verbunden. Es stellt sich die Frage, ob es beispielsweise einen Markt für den gesamten Online-Versandhandel gibt oder etwa einen Markt für die Bereitstellung von Online-Plattformen für neuwertige Waren zu Festpreisen (wie es bei Amazon-Marketplace üblich ist).505 Dagegen lässt sich einwenden, dass die Händler gebrauchte, neuwertige Produkte genauso wie neue Güter auf der Plattform vertreiben und die Kunden ihre Kaufentscheidung vom Einzelfall, mithin von Kriterien der Zustandsbeschreibung und Preis- / Leistungsverhältnis abhängig machen.506 Elektronische Marktplätze wurden auch schon als „Markt für IT-Dienstleistungen für e-commerce-Plattformen“ klassifiziert.507 Es lässt sich jedoch allgemein von einem Markt für Online-Plattformen ausgehen. 501  BKartA, Entsch. v. 26.11.2013, Az. B6-46 / 12 = Fallbericht v. 09.12.2013, S. 3 – Amazon Marketplace. 502  BKartA, Entsch. v. 26.11.2013, Az. B6-46 / 12 = Fallbericht v. 09.12.2013, S. 3 – Amazon Marketplace. 503  BKartA, Entsch. v. 26.11.2013, Az. B6-46 / 12 = Fallbericht v. 09.12.2013, S. 3 – Amazon Marketplace. 504  BKartA, Entsch. v. 26.11.2013, Az. B6-46 / 12 = Fallbericht v. 09.12.2013, S. 3 – Amazon Marketplace. 505  Bodenstein, GRURPrax 2010, 260 (262); Heyers, GRUR Int 2013, 409 (412). 506  Heyers, GRUR Int 2013, 409 (412). 507  Kommission, Beschl. v. 02.10.2000, Fall Nr. COMP / M.2138, Rn. 12  – SAP / Siemens.

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5. Kap.: Vertriebsbeschränkungen im Internet

Nimmt man an, Amazon sei auf dem relevanten Markt marktbeherrschend, so bedeutet die Preisparitätsklausel, die den Abnehmer in seinen Verkaufspreisen bindet, jedenfalls einen Missbrauch ihrer marktbeherrschenden Stellung.508 Beachtlich dürfte auch sein, dass dem Wettbewerbsfaktor der Gebührenhöhe durch die Paritätsklausel jegliche Relevanz genommen wird.509 Die Händler müssen ihre Preise trotz Gebühr stets am niedrigsten ansetzen, unabhängig davon, wie hoch die Gebühr ist. Dementsprechend schadet sich Amazon nie ihrer Wettbewerbsfähigkeit im Hinblick auf Händlerpreise, egal wie hoch Amazon ihre Gebühren festsetzt.510 Die konkurrierenden Plattformen auf der anderen Seite können nie erreichen, dass die Produkte auf ihren Plattformen aufgrund der niedrigeren Kosten günstiger angeboten werden können, egal wie niedrig sie die Gebühren festlegen.511 3. Auswirkungen des Verfahrens gegen Amazon Am 26.11.2013 wurde das Verfahren gegen Amazon wegen der Durchsetzung der Preisparität vom Bundeskartellamt eingestellt, nachdem Amazon die Vorgaben des Bundeskartellamtes erfüllt hatte.512 Das Bundeskartellamt hatte Amazon die Vorgaben gemacht, die Preisparität rechtlich verbindlich aus den Vertragsbedingungen aller Händler zu streichen und den Händlern unmissverständlich mitzuteilen, dass die Bedingungen geändert wurden.513 Zuvor hatte Amazon zwar bereits im August 2013 angekündigt, die Preisparität im Marketplace aufzugeben und die allgemeinen Geschäftsbedingungen auch schon geändert zu haben.514 Das Bundeskartellamt konnte allerdings eine Wiederholungsgefahr nicht ausschließen und beanstandete, dass die Änderung der Vertragsbedingungen nur für einen Teil der Händler umgesetzt wurde.515 Zudem war nicht sichergestellt, dass auch tatsächlich alle Händler von der Änderung Kenntnis erlangt hatten.516 Diese Vorgaben wurden schließlich umgesetzt.517 508  Bodenstein,

GRURPrax 2010, 260 (262). GRURPrax 2010, 260 (262); Heyers, GRUR Int 2013, 409 (412). 510  Bodenstein, GRURPrax 2010, 260 (262); Heyers, GRUR Int 2013, 409 (412). 511  Bodenstein, GRURPrax 2010, 260 (263). 512  BKartA, Mitteilung v. 26.11.2013; BKartA, Entsch. v. 26.11.2013, Az. B6-46/12 = Fallbericht v. 09.12.2013, S. 1, 4 – Amazon Marketplace. 513  BKartA, Mitteilung v. 26.11.2013. 514  BKartA, Mitteilung v. 26.11.2013. 515  BKartA, Mitteilung v. 26.11.2013. 516  BKartA, Mitteilung v. 26.11.2013. 517  BKartA, Mitteilung v. 26.11.2013; BKartA, Mitteilung v. 26.11.2013; BKartA, Entsch. v. 26.11.2013, Az. B6-46 / 12 = Fallbericht v. 09.12.2013, S. 4 – Amazon Marketplace. 509  Bodenstein,



J. Internetvertrieb bei Handelsvertretern191

Beachtlich ist außerdem, dass das Bundeskartellamt in dem Verfahren gegen Amazon mit der britischen Wettbewerbsbehörde – Office of Fair Trading – im Rahmen des Netzwerkes der Europäischen Wettbewerbsbehörden ECN erfolgreich kooperierte.518 Dadurch wurde eine EU-weite Aufgabe der Preisparität durch Amazon erreicht.

IV. Bewertung Die rechtliche Beurteilung von Meistbegünstigungsklauseln ist von Unbeständigkeiten und einer damit einhergehenden Rechtsunsicherheit gekennzeichnet, diese Unsicherheit entwickelte sich insbesondere durch den Wegfall von § 14 GWB a. F. Sowohl in Bezug auf Bestpreisklauseln im Rahmen von Vermittlungsportalen, als auch bei Preisparitätsklauseln im Rahmen von Internetmarktplätzen, steht bereits die Anwendbarkeit der Vertikal-GVO in Frage. Es verbleibt zwar eine Freistellungsmöglichkeit nach Art. 101 Abs. 3 AEUV / § 2 GWB. Die vorstehende Untersuchung hat jedoch gezeigt, dass das Bundeskartellamt und auch die Gerichte bezüglich einer tatsächlichen Freistellung hohe Anforderungen stellen. In der Regel wird daher bei einer kartellrechtlichen Unzulässigkeit der Meistbegünstigungsklausel – in Form von Bestpreisklauseln oder Preisparitätsklauseln – bleiben.

J. Internetvertrieb bei Handelsvertretern Beschränkungen bis hin zum Totalverbot des Internetvertriebs finden sich auch im Rahmen von Vereinbarungen zwischen Unternehmern und Handelsvertretern. Um eine angemessene rechtliche Einordnung bezüglich der Zulässigkeit solcher Vorgaben vornehmen zu können, muss zunächst ein näherer Blick auf die Besonderheiten bei Handelsvertreterverhältnissen geworfen werden.

I. Verhältnis Handelsvertreter und Unternehmer Das Verhältnis von Handelsvertretern und Unternehmern ist insbesondere geprägt durch die Dispositionsfreiheit des Unternehmers und seiner Treuepflicht gegenüber dem Handelsvertreter. Die Treuepflicht des Unternehmers gebietet, dass dieser den Kernbereich der Interessen des Handelsvertreters 518  BKartA, Mitteilung v. 26.11.2013; BKartA, Mitteilung v. 26.11.2013; BKartA, Entsch. v. 26.11.2013, Az. B6-46 / 12 = Fallbericht v. 09.12.2013, S. 4 – Amazon Marketplace.

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5. Kap.: Vertriebsbeschränkungen im Internet

nicht antastet.519 Dies wird auch als „Gebot der Rücksichtnahme auf die schutzwürdigen Belange des Handelsvertreters“ bezeichnet.520 Der Unternehmer hat alles zu unterlassen, was Tätigkeit und Erfolg des Handelsvertreters unberechtigt beeinträchtigt oder gefährdet.521 Im Spannungsfeld dazu steht die Dispositionsfreiheit des Unternehmers. Die unternehmerische Dispositionsfreiheit ergibt sich zum einen aus Art. 12 Abs. 1 GG, Art. 2 Abs. 1 GG und § 86 a Abs. 2 HGB. Zum anderen ist anerkannt, dass es einem Hersteller frei steht, „den Absatz seiner Erzeugnisse so zu organisieren, wie es ihm zweckmäßig erscheint“, jedenfalls sofern er sich nicht willkürlich und ohne vertretbaren Grund über die schutzwürdigen Belange des Handelsvertreters hinwegsetzt.522 Jeder Unternehmer besitzt die Dispositionsfreiheit über sein Unternehmen und seine Geschäftspolitik.523 Das bedeutet, dass es ihm freisteht, wie er sein Unternehmen gestaltet und welche Vertriebswege er wählt, um die Produkte oder Dienstleistungen auf die für ihn optimale Art und Weise zu vertreiben, unter Berücksichtigung wirtschaftlicher, sozialer und rechtlicher Rahmenbedingungen.524 Zugleich hat der Prinzipal ein Weisungsrecht gegenüber dem Handelsvertreter. Aus § 665 BGB folgt, dass der Prinzipal berechtigt ist, die dem Handelsvertreter gesetzlich oder vertraglich auferlegten Pflichten durch Weisungen zu konkretisieren.525 Der Prinzipal hat also einerseits die Treuepflicht gegenüber seinem Handelsvertreter bei seinen unternehmerischen Entscheidungen zu berücksichtigen. Andererseits stehen ihm die Disposi­ tionsfreiheit und auch ein Weisungsrecht gegenüber dem Handelsvertreter zu. Grundsätzlich ist anerkannt, dass die Treuepflicht des Unternehmers seine kaufmännische Dispositionsfreiheit nur locker begrenzt.526

519  Busche, in: Oetker, HGB, § 86 a Rn. 26; Ende / Klein, Grundzüge des Vertriebsrechts im Internet, S. 69. 520  Busche, in: Oetker, HGB, § 86 a Rn. 26. 521  Busche, in: Oetker, HGB, § 86 a Rn. 26. 522  Emde, VersR 2012, 536 (536); angedeutet auch in: BGH, Urt. v. 17.07.2002, Az. VIII ZR 64 / 01, NJW 2002, 3771 = WM 2003, 255 (256); Thume in: Küstner / Thume, Hd. des gesamten Vertriebsrechts, Bd. 1, S. 294 Rn. 86. 523  Emde, VersR 2012, 536 (536); Roth, in: Koller / Kindler / Roth / Morck, HGB, § 86 a Rn. 4. 524  Emde, VersR 2012, 536 (536); Roth, in: Koller / Kindler / Roth / Morck, HGB, § 86 a Rn. 4; Funk, Kfz-Vertrieb und EU-Kartellrecht, S. 28. 525  Ende / Klein, Grundzüge des Vertriebsrechts im Internet, S. 69; Bindungen des Handelsvertreter an Weisung folgt konkret aus § 86 HGB i. V. m. §§ 675, 665 BGB, Funk, Kfz-Vertrieb und EU-Kartellrecht, S. 44; Schürr, in: Küstner / Thume, Hd. des gesamten Vertriebsrechts, Bd. 1, S. 242 Rn. 149. 526  Roth, in: Koller / Kindler / Roth / Morck, HGB, § 86 a Rn. 4.



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II. Handelsvertreter und Kartellrecht Die kartellrechtliche Beurteilung von Handelsvertretern war im Unionsrecht lange umstritten.527 Handelsvertreter sind in fremdem Namen und auf fremde Rechnung tätig.528 Unter bestimmten Voraussetzungen bilden Handelsvertreter und Geschäftsherr eine wirtschaftliche Einheit, weswegen in diesem Fall zwischen den beiden Parteien keine Vereinbarung zwischen zwei Unternehmen im Sinne von Art. 101 AEUV vorliegt.529 In diesem Fall soll sowohl Art. 101 Abs. 1 AEUV als auch § 1 GWB keine uneingeschränkte Anwendung finden.530 Dieses sog. Handelsvertreterprivileg gilt bezüglich Vorgaben des Prinzipals gegenüber seinen Vertriebsmittlern, dazu zählen eben auch Handelsvertreter, da solche Beschränkungen für das Funktionieren des Vertriebsverhältnisses notwendig sind.531 In den Genuss des Handelsvertreterprivilegs kommen allerdings nur „echte Handelsvertreterver­ hältnisse“.532 Zur Abgrenzung von „echten“ und „unechten“ Handelsvertreterverhältnissen kommt es darauf an, ob das wirtschaftliche Risiko allein vom Auftraggeber getragen wird oder ob der Handelsvertreter in irgendeiner Form an diesem Risiko beteiligt ist.533 Wenn der Vertriebsmittler nur pro 527  Emmerich, in: Immenga / Mestmäcker, EU-Wettbewerbsrecht, Art. 101 AEUV Rn. 185; Eilmansberger schlägt eigenen Lösungsansatz vor – nämlich die Vereinbarkeit von Handelsvertreterverträgen mit Art. 101 AEUV mit einer Variante der Immanenztheorie zu begründen, in: Streinz, EUV / AEUV, Art. 101 AEUV Rn. 213. Letztlich führt dies aber zum gleichen Ergebnis, wie der Ansatz der h. M., der zugleich ausgeführt wird. 528  Pepels, Handels-Marketing und Distributionspolitik, S. 54; zur Begriffsdefinition und zu Abgrenzungsproblemen siehe das gesamte erste Kapitel von Schürr, in: Küstner / Thume, Hd. des gesamten Vertriebsrechts, Bd. 1, S. 12 ff. Nicht Handelsvertreter ist derjenige, der im eigenen Namen und auf eigene Rechnung tätig ist, dabei handelt es sich vielmehr um einen Vertragshändler bzw. Eigenhändler, Ende / Klein, Grundzüge des Vertriebsrechts im Internet, S. 51; Pepels, Handels-Marketing und Distributionspolitik, S. 36. Der Vertragshändler ist ein selbstständiger Kaufmann, der durch ein Dauerschuldverhältnis in die Vertriebsorganisation eines Lieferunternehmens eingegliedert ist, Pepels, Handels-Marketing und Distributionspolitik, S. 36. 529  Eilmansberger, in: Streinz, EUV / AEUV, Art. 101 AEUV Rn. 212. 530  Emmerich, in: Immenga / Mestmäcker, EU-Wettbewerbsrecht, Art. 101 AEUV Rn. 185. 531  Kling / Thomas, Kartellrecht, § 19 Rn. 82; Emmerich, in: Immenga / Mestmäcker, EU-Wettbewerbsrecht, Art. 101 AEUV Rn. 185; Baron, in: Loewenheim / Meessen / Riesenkampff, Kartellrecht, Art. 1 Vert-GVO Rn. 45 ff. 532  Emmerich, in: Immenga / Mestmäcker, EU-Wettbewerbsrecht, Art. 101 AEUV Rn. 185; Kling / Thomas, Kartellrecht, § 19 Rn. 82; Baron, in: Loewenheim / Meessen / Riesenkampff, Kartellrecht, Art. 1 Vert-GVO Rn. 45; Mayr, Internetvertrieb und EG-Kartellrecht, S.  106 ff. 533  Baron, in: Loewenheim / Meessen / Riesenkampff, Kartellrecht, Art. 1 Vert-GVO Rn. 46; Berg / Mudrony, in: Berg / Mäsch, Kartellrecht, § 1 GWB Rn. 37; Eilmansber-

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5. Kap.: Vertriebsbeschränkungen im Internet

forma als Handelsvertreter auftritt, tatsächlich jedoch selbst das wirtschaftliche Risiko des Vertriebs trägt und daher funktional als Eigenhändler anzusehen ist, dann handelt es sich um einen „unechten Handelsvertreter“ und das Handelsvertreterprivileg gilt nicht.534 Der „unechte Handelsvertreter“ ist als eigenständiges Unternehmen anzusehen, daher sind ihm gegenüber vom Prinzipal verwendete vertragliche Bestimmungen anhand von Art. 101 Abs. 1 AEUV zu überprüfen.535 Es verbleibt dann aber gegebenenfalls noch die Freistellung durch die Vertikal-GVO.536 Umgekehrt handelt es sich um einen „echten Handelsvertreter“, wenn der Vertriebsmittler keine oder nur unbedeutende wirtschaftliche Risiken in Bezug auf die im Auftrag geschlossenen Verträge oder bezüglich der geschäftsspezifischen Investitionen für das betreffende Geschäftsfeld trägt.537 In einem solchen Fall fallen die Bestimmungen des Handelvertretervertrages nicht unter den Anwendungsbereich von Art. 101 Abs. 1 AEUV.538 ger, in: Streinz, EUV / AEUV, Art. 101 AEUV Rn. 212; Funk, Kfz-Vertrieb und EUKartellrecht, S.  45 f.; Metzlaff, in: Flohr / Wauschkuhn, Vertriebsrecht, VO (EU) 330 / 2010 Rn. 101 f.; Klement kritisiert in WuW 2016, 15 (15 ff.), die Anwendung des Risikokriteriums zur Ermittlung des Handelsvertreterprivilegs durch die Judikatur und der Europäischen Kommission. Das Eingliederungskriterium solle zwar bei der kartellrechtlichen Beurteilung von Absatzmittlerverhältnissen als Tatbestandsmerkmal des Art. 101 Abs. 1 AEUV weiterhin relevant sein, ders., WuW 2016, 15 (16). Eine wesentliche Rolle soll dabei jedoch auch die Zurechnung von Umsatzgeschäften haben. Bei der Zurechnung von Umsatzgeschäften soll es sich um „das eigentliche, die kartellrechtliche Besonderheiten dieser wirtschaftlichen Beziehungen berücksichtigende Kriterium“ handeln, ders., WuW 2016, 15 (16). Das Umsatzgeschäft ist dem Geschäftsherrn dann zuzurechnen, wenn der Geschäftsherr die Hauptrisiken trägt und das Marktverhalten bestimmt. Liegt hingegen eine gemeinsame Kontrolle des Marktverhaltens vor, wird von Klement, WuW 2016, 15 (17), eine von dem Geschäftsherrn zu trennenden kartellrechtlichen Einheit angenommen, diesem vom Geschäftsherrn zu trennenden Unternehmen soll dann das Umsatzgeschäft zugerechnet werden. In einem solchen Fall sollen wettbewerbsbeschränkende Abreden zwischen Geschäftsherrn und dem „Gemeinschaftsunternehmer“ an Art. 101 AEUV zu messen sein. 534  Kling / Thomas, Kartellrecht, § 19 Rn. 82; Baron, in: Loewenheim / Meessen / Riesenkampff, Kartellrecht, Art. 1 Vert-GVO Rn. 46; Metzlaff, in: Flohr / Wauschkuhn, Vertriebsrecht, VO (EU) 330 / 2010 Rn. 7, 101. 535  Metzlaff, in: Flohr / Wauschkuhn, Vertriebsrecht, VO (EU) 330 / 2010 Rn. 102; Zimmer, in: Immenga / Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, GWB, § 1 Rn. 54; Emmerich, in: Immenga / Mestmäcker, EU-Wettbewerbsrecht, Art. 101 AEUV Rn. 185. 536  Metzlaff, in: Flohr / Wauschkuhn, Vertriebsrecht, VO (EU) 330 / 2010 Rn. 102. 537  Mayr, Internetvertrieb und EG-Kartellrecht, S. 106  ff.; Baron, in: Loewenheim / Meessen / Riesenkampff, Kartellrecht, Art. 1 Vert-GVO Rn. 58, zählt Beispielsfälle auf, die zur Anwendung des Art. 101 Abs. 1 AEUV führen können, siehe dazu ders. a. a. O. Rn. 50–57; Berg / Mudrony, in: Berg / Mäsch, Kartellrecht, § 1 GWB Rn. 37; Eilmansberger, in: Streinz, EUV / AEUV, Art. 101 AEUV Rn. 212; Metzlaff, in: Flohr / Wauschkuhn, Vertriebsrecht, VO (EU) 330 / 2010 Rn. 7. 538  Metzlaff, in: Flohr / Wauschkuhn, Vertriebsrecht, VO (EU) 330 / 2010 Rn. 102.



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Bei der Einordnung der Stellung des Handelsvertreters muss allerdings beachtet werden, dass Handelsvertreter grundsätzlich auf mindestens zwei verschiedenen Märkten tätig sind.539 Es gibt zum einen die sog. Produktmärkte, auf denen Handelsvertreter für andere Unternehmen Verträge über von diesen angebotene oder nachgefragte Güter oder Dienstleistungen vermitteln oder abschließen.540 Auf diesem Markt tritt der Handelsvertreter hauptsächlich als Absatzmittler der Unternehmen, für die er tätig wird und in deren Absatzsystem er in unterschiedlichem Maße eingegliedert ist, auf.541 Zum anderen wird der Handelsvertreter als selbstständiger Unternehmer zugleich auch auf dem Markt für Dienstleistungen von Absatzmittlern tätig.542 Auf diesem Markt konkurrieren die Absatzmittler untereinander und mit anderen Absatzmittlern um Vertragsschlüsse mit Unternehmen, die ihre Dienstleistungen in Anspruch nehmen.543 Wettbewerbsbeschränkungen sind sowohl auf Produktmärkten als auch auf dem Markt für Dienstleistungen von Absatzmittlern denkbar. Bezüglich der Produktmärkte stellt sich regelmäßig die Frage, ob dem Handelsvertreter durch den Geschäftsherrn auferlegte Preis- und Konditionenbindungen mit Art. 101 Abs. 1 AEUV vereinbar sind.544 Auf dem Markt für Dienstleistungen von Absatzmittlern geht es im Rahmen von Art. 101 AEUV vornehmlich um die Frage der Zulässigkeit von Wettbewerbsverboten und Alleinvertriebsklauseln sowie Gebiets- und Kundenbeschränkungen.545

III. Beschränkungen des Internetvertriebs durch den Hersteller gegenüber seinen Handelsvertretern Beschränkt der Hersteller / Prinzipal für seine Handelsvertreter den Vertrieb über das Internet, kollidiert auf der einen Seite das Gebot der Treueund Loyalitätspflicht gegenüber dem Handelsvertreter mit dem auf der 539  Emmerich, Rn. 186. 540  Emmerich, Rn. 186. 541  Emmerich, Rn. 186. 542  Emmerich, Rn. 186. 543  Emmerich, Rn. 186. 544  Emmerich, Rn. 187. 545  Emmerich, Rn. 187.

in: Immenga / Mestmäcker, EU-Wettbewerbsrecht, Art. 101 AEUV in: Immenga / Mestmäcker, EU-Wettbewerbsrecht, Art. 101 AEUV in: Immenga / Mestmäcker, EU-Wettbewerbsrecht, Art. 101 AEUV in: Immenga / Mestmäcker, EU-Wettbewerbsrecht, Art. 101 AEUV in: Immenga / Mestmäcker, EU-Wettbewerbsrecht, Art. 101 AEUV in: Immenga / Mestmäcker, EU-Wettbewerbsrecht, Art. 101 AEUV in: Immenga / Mestmäcker, EU-Wettbewerbsrecht, Art. 101 AEUV

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5. Kap.: Vertriebsbeschränkungen im Internet

anderen Seite stehenden Gebot der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit.546 1. Vorbehalt des Internetvertriebs Es ist jedoch mittlerweile anerkannt, dass sich der Unternehmer von vorneherein einen bestimmten Vertriebsweg, also auch den Internetvertrieb gegenüber seinem Handelsvertreter selbst vorbehalten kann und nicht durch kartellrechtliche Vorschriften daran gehindert ist.547 Ein generelles Verbot des Internetvertriebs durch den Geschäftsherrn gegenüber dem Handelsvertreter fällt bereits nicht unter Art. 101 Abs. 1 AEUV.548 Es ist anerkannt, dass eine solche Beschränkung aufgrund der Risikotragung durch den Geschäftsherrn gerechtfertigt ist und dem Geschäftsherrn die Möglichkeit geboten werden soll, seine Strategie zur Gestaltung seiner Geschäftspolitik festzulegen.549 Diese Einschätzung wird auch durch das Urteil zum Lottovertrieb im Internet durch den BGH bestätigt.550 In dem Urteil aus 2008 hatte der BGH zunächst festgestellt, dass der Internetvertrieb als selbstständiger Vertriebsweg neben die Laden-Wettannahmestellen und die Post-Wettannahmestellen hinzutritt.551 Der BGH führte in seiner Urteilsbegründung weiter aus, dass der Handelsvertreter in die Vertriebsorganisation des Prinzipals eingegliedert ist und dieser sich den Internetvertrieb als besonderen Vertriebsweg selbst vorbehalten kann.552 Wegen der Eingliederung als Handelsvertreter in die Vertriebsorganisation findet außerdem die im Verhältnis zwischen Lieferant und Vertriebshändler geltende Vertikal-GVO keine Anwendung.553 Au546  Thume, in: Küstner / Thume, Hd. des gesamten Vertriebsrechts, Bd. 1, S. 308 Rn. 108. 547  BGH, Urt. v. 04.03.2008, Az. KZR 36 / 05, WuW / E  DE-R 2363 = VersR 2009, 66 – Post-Wettannahmestelle; Rahlmeyer, in: Martinek / Semler / Flohr, Vertriebsrecht, § 41 Rn. 52; Metzlaff, in: Flohr / Wauschkuhn, Vertriebsrecht, VO (EU) 330 / 2010 Rn. 216; Billing / Metzlaff, BB 2015, 1347 (1353); Rahlmeyer, ZVertriebsR 2015, 144 (145). 548  Metzlaff, in: Flohr / Wauschkuhn, Vertriebsrecht, VO (EU) 330 / 2010 Rn. 216; Thume, in: Küstner / Thume, Hd. des gesamten Vertriebsrechts, Bd. 1, S. 308 Rn. 108. 549  Metzlaff, in: Flohr / Wauschkuhn, Vertriebsrecht, VO (EU) 330 / 2010 Rn. 216. 550  BGH, Urt. v. 04.03.2008 Az. KZR 36 / 05, WuW / E  DE-R 2363 = VersR 2009, 66 – Post-Wettannahmestelle. 551  BGH, Urt. v. 04.03.2008, Az. KZR 36 / 05, WuW / E  DE-R 2363 = VersR 2009, 66 – Post-Wettannahmestelle. 552  BGH, Urt. v. 04.03.2008, Az. KZR 36 / 05, WuW / E  DE-R 2363 = VersR 2009, 66 (68) – Post-Wettannahmestelle. 553  BGH, Urt. v. 04.03.2008, Az. KZR 36 / 05, WuW / E  DE-R 2363 = VersR 2009, 66 (68) – Post-Wettannahmestelle.



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ßerdem stellt der Vorbehalt des Internetvertriebs durch den Prinzipal keine unzulässige Abwerbung von Kunden des Handelsvertreters dar.554 Weiterhin sei dem Handelsvertreter keine Exklusivität zugesichert worden. Auch habe der Prinzipal über das Internet nicht gezielt die Stammkunden des Handelsvertreters zu Abwerbungszwecken angesprochen.555 Die Entscheidung macht deutlich, dass nach Ansicht des BGH’s der Internetvertrieb des Prinzipals den Handelsvertreter in seinen Erwerbsmöglichkeiten nicht in einer nach § 242 BGB relevanten Weise eingeschränkt hat.556 2. Einfluss der Treuepflicht Grundsätzlich muss freilich dem Handelsvertreter gegenüber, der eng in die Absatzorganisation des Herstellers eingebunden ist, die Treuepflicht des Prinzipals gelten.557 Die Treuepflicht kann dazu führen, dass dem Hersteller eine eigene werbende Tätigkeit auf der Handelsstufe des Vertragshändlers verboten ist.558 Dem Hersteller wird nicht schrankenlos das Recht gewährt, die Absatzchancen seiner Vertragshändler durch Direktgeschäfte zu beeinträchtigen und damit deren Erwerbsmöglichkeiten zu minimieren.559 Außerdem ist generell die Erwerbsmöglichkeit des Handelsvertreters, in Form des Provisionsinteresses betroffen, wenn der Prinzipal Geschäfte ohne Beteiligung des Handelsvertreters abschließt.560 Es spricht viel dafür, dass wenn die Gefahr besteht, dass der Internetvertrieb des Prinzipals den Handelsvertretern die wirtschaftliche Existenz übermäßig erschweren oder gar deren (Provisions-)Erwerbschancen minimieren würde, der Handelsvertreter geschützt werden müsste.561 Es bleibt nämlich zu beachten, dass der Handelsvertreter im Rahmen seiner unternehmerischen Vertriebstätigkeit Kosten trägt und auf eine Erwerbsmöglichkeit angewiesen ist.562 Es sind daher die Umstände des Einzelfalles stets mitzuberücksichtigen. Kommt es durch die Beschränkung des Internetvertriebs beispielsweise zu 554  BGH, Urt. v. 04.03.2008, Az. KZR 36 / 05, WuW / E  DE-R 2363 = VersR 2009, 66 (68) – Post-Wettannahmestelle. 555  BGH, Urt. v. 04.03.2008, Az. KZR 36 / 05, WuW / E  DE-R 2363 = VersR 2009, 66 (68) – Post-Wettannahmestelle. 556  Billing / Metzlaff, BB 2015, 1347 (1354). 557  Billing / Metzlaff, BB 2015, 1347 (1354). 558  BGH, Urt. v. 12.01.1994, Az. VIII ZR 165 / 92, BGHZ 124, 351 = NJW 1994, 1060 (1061) – DAIHATSU. 559  BGH, Urt. v. 12.01.1994, Az. VIII ZR 165 / 92, BGHZ 124, 351 = NJW 1994, 1060 (1061) – DAIHATSU. 560  Billing / Metzlaff, BB 2015, 1347 (1354). 561  So auch Billing / Metzlaff, BB 2015, 1347 (1354). 562  Billing / Metzlaff, BB 2015, 1347 (1354).

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5. Kap.: Vertriebsbeschränkungen im Internet

einer nicht unwesentlichen Beschränkung der übrigen Vertriebswege, kann dies auch zu erheblichen Provisionseinbußen beim Handelsvertreter führen.563 Für so einen Fall wird zum Teil empfohlen, ein Kompensationsentgelt für die zu erwartenden Provisionsverluste zu vereinbaren.564 Es liegt nahe, diese Grundsätze auch auf Vertragshändler und Franchisenehmer anzuwenden.565

IV. Einsatz von Affiliate-Marketing Eine Möglichkeit des Herstellers um den Internetvertrieb des Händlers zu regeln, könnte der Einsatz vom sog. Affiliate-Marketing sein. AffiliateMarketing stellt grundsätzlich eine Werbeform dar, wobei es sich um ein Online-Netzwerk handelt, an dem sich der Werbetreibende und der Partner beteiligen.566 Es basiert auf dem Grundgedanken der Vertriebs-Partnerschaft.567 Es dient dem Anbieter von Waren und Dienstleistungen – sog. Merchant – dazu deren Auffindbarkeit und die Reichweite im Internet zu erhöhen und neue Vertriebskanäle über Partner-Webseiten zu eröffnen.568 Ein solcher Partner wird auch als Affiliate bezeichnet und ist regelmäßig der Vertriebspartner von kommerziellen Websites.569 In der Regel tritt der Affiliate als Absatzmittler gegenüber dem potenziellen Kunden auf.570 Die Beziehungen im Rahmen des Affiliate-Marketing zeichnen sich in der Regel durch die Dreiecksbeziehung zwischen dem Merchant, dem Affiliate und dem Internetnutzer aus.571 1. Formen des Affiliate-Marketing Das Affiliate-Marketing wird regelmäßig insbesondere in zwei unterschiedlichen Formen ausgestaltet. Die populärste Ausgestaltung ist die des 563  Thume, in: Küstner / Thume, Hd. des gesamten Vertriebsrechts, Bd. 1, S. 308 Rn. 108. 564  Thume, in: Küstner / Thume, Hd. des gesamten Vertriebsrechts, Bd. 1, S. 308 Rn. 108. 565  Billing / Metzlaff, BB 2015, 1347 (1354). 566  Fezer, in: Fezer, Markenrecht, G. VI. Rn. 90; Bühlmann / Schirmbacher, Kartellrecht und Internetvertrieb, in: Jusletter 30.  Mai 2011, S. 27. 567  Tollert, Die Provisionsgestaltung im Affiliate Marketing, S. 4. 568  Nolte, BB 2014, 1155 (1160); Tollert, Die Provisionsgestaltung im Affiliate Marketing, S. 4. 569  Gajo, AG 2010, R135 (R135). 570  Fezer, in: Fezer, Markenrecht, G. VI. Rn. 90; Müller, AG 2012, R280 (R281); Tollert, Die Provisionsgestaltung im Affiliate Marketing, S. 5. 571  Tollert, Die Provisionsgestaltung im Affiliate Marketing, S. 5.



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linkbasierten Affiliate-Marketings.572 Dabei werben die Partner auf ihren Websites für die Angebote der zu bewerbenden Firma, indem sie Hyperlinks in Form von verlinkten Bannern nutzen.573 Über diese Hyperlinks können die Besucher der Partner-Website auf die Website des jeweiligen Merchants gelangen.574 Diese Ausgestaltung bietet für den Merchant den Vorteil, dass er für den Internetnutzer sichtbar wird und ihm gegenüber als Verkäufer auftritt.575 Eine weitere Form ist das sog. integrative Affiliate-Marketing. Es zeichnet sich dadurch aus, dass auf der Partnerseite Angebote und ausführliche Informationen des Merchants eingebunden werden.576 Der entscheidende Unterschied zum linkbasierten Affiliate-Marketing besteht somit darin, dass bei der integrativen Ausgestaltung die Produktinformationen nicht beim Merchant, sondern bereits beim Affiliate sichtbar sind. Gemeinsam haben beide Formen, dass auf der Seite des Merchants schließlich der Bestellvorgang und der eigentliche Kauf stattfinden.577 Für den Affiliate bietet dieses integrative System den Vorteil, dass er durch das Darstellen der Produkte die Attraktivität der eigenen Website erhöhen kann, ohne den Internetnutzer zügig durch den Link weiterzuleiten.578 2. Vergütungsformen In der Regel wird als Gegenleistung eine erfolgsabhängige Vergütung vereinbart, damit dem Partner ein Anreiz gesetzt wird, aktiv im Sinne des Merchants zu handeln.579 Abgerechnet werden kann dabei über die Klickhäufigkeit – für jeden Klick auf einen der Hyperlinks auf der Seite des Partners wird ein geringfügiger Betrag gezahlt.580 Dabei ist es unwesentlich, ob dieser Klick versehentlich oder mit Kaufabsicht erfolgt oder ob es tatsächlich zu einem Vertragsschluss des potenziellen Kunden mit dem Merchant kommt.581 Die klassische Vergütungsform im Rahmen eines Affiliate-Marketingsystems stellt jedoch die sog. pay-per-sale-Provision 572  Tollert,

Die Provisionsgestaltung im Affiliate Marketing, S. 6. in: Fezer, Markenrecht, G. VI. Rn. 90; Gajo, AG 2010, R135 (R135). 574  Fezer, in: Fezer, Markenrecht, G. VI. Rn. 90; Tollert, Die Provisionsgestaltung im Affiliate Marketing, S. 7. 575  Tollert, Die Provisionsgestaltung im Affiliate Marketing, S. 7. 576  Tollert, Die Provisionsgestaltung im Affiliate Marketing, S. 7. 577  Tollert, Die Provisionsgestaltung im Affiliate Marketing, S. 7. 578  Tollert, Die Provisionsgestaltung im Affiliate Marketing, S. 8. 579  Tollert, Die Provisionsgestaltung im Affiliate Marketing, S. 5. 580  Sog. Pay per click, siehe Fezer, in: Fezer, Markenrecht, G. VI. Rn. 90. 581  Tollert, Die Provisionsgestaltung im Affiliate Marketing, S. 17. 573  Fezer,

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5. Kap.: Vertriebsbeschränkungen im Internet

dar.582 Dabei wird vereinbart, dass die Vergütung nur geschuldet wird, wenn es auf der Website der jeweiligen Firma zu einem vorab definierten Erfolg wie dem Kaufabschluss kommt.583 In der Regel handelt es sich um eine prozentuale oder eine fixe Umsatzvergütung.584 Eine weitere Möglichkeit der Vergütung stellt die pay-per-lead-Provision dar. Sie ist an eine im Vorfeld definierte Zielgröße gebunden. Was genau unter einen Lead fällt, kann jedoch unter Umständen unterschiedlich verstanden werden.585 Die aufgezeigten Vergütungsformen können kombiniert werden und stellen dann sog. hybride Provisionen dar. Darüber hinaus können sog. Staffelprovisionen vereinbart werden. Dabei wird die Höhe der Provision davon abhängig gemacht, ob gewisse Kriterien erfüllt werden. Solche Kriterien können umsatzabhängig oder mengenbezogen, etwa auf die Anzahl der Transaktionen oder Gewinnung der Neukunden sein.586 3. Beziehung zwischen Merchant und Affiliate Der Affiliate kann als Schnittstelle zwischen dem Merchant und den potenziellen Kunden angesehen werden.587 Die Beziehung zwischen Merchant und Affiliate wird gemeinhin als Prinzipal-Agent-Beziehung verstanden.588 In der Regel wird der Affiliate als virtueller Vertriebspartner für den Merchant tätig.589 Eine längerfristige Vertragsbeziehung, wie etwa ein Arbeitsvertrag besteht dabei grundsätzlich nicht.590 Bezüglich des Arbeitseinsatzes und der Arbeitsweise ist der Affiliate nicht weisungsbefugt.591 Durch das 582  Tollert,

Die Provisionsgestaltung im Affiliate Marketing, S. 18. Kartellrecht und Internetvertrieb, in: Jusletter 30.  Mai 2011, S. 27; Gajo, AG 2010, R135 (R135). 584  Tollert, Die Provisionsgestaltung im Affiliate Marketing, S. 18. 585  Zum einen kann ein Lead als eine Nutzereingabe auf der Webseite des Affiliate verstanden werden, aus der kein Kaufabschluss resultieren muss. Die Provision richtet sich dann nach einem Fixbetrag oder bei kostenpflichtigen Dienstleistungen nach einem bestimmten Prozentsatz. Zum anderen kann insofern abgegrenzt werden, dass sämtliche Fixbetragsprovisionen, mit Ausnahme der Click-Provision als Lead verstanden werden und die prozentuale Provision als Sale klassifiziert wird. Tollert, Die Provisionsgestaltung im Affiliate Marketing, S. 18. 586  Tollert, Die Provisionsgestaltung im Affiliate Marketing, S. 19. 587  Tollert, Die Provisionsgestaltung im Affiliate Marketing, S. 66. 588  Tollert arbeitet diesbezüglich als kennzeichnend für eine Prinzipal-AgentBeziehung raus, dass ein „Akteur als Auftragnehmer in Vertretung für einen anderen Akteur, den Auftraggeber, handelt“, Die Provisionsgestaltung im Affiliate Marketing, S. 66. 589  Tollert, Die Provisionsgestaltung im Affiliate Marketing, S. 66. 590  Tollert, Die Provisionsgestaltung im Affiliate Marketing, S. 66. 591  Tollert, Die Provisionsgestaltung im Affiliate Marketing, S. 67. 583  Bühlmann / Schirmbacher,



J. Internetvertrieb bei Handelsvertretern201

Verhalten des Affiliates wird aber der Erfolg des Merchants beeinflusst.592 Der Merchant kann die Gestaltung der Vergütung bestimmen und diese zur Verhaltenssteuerung des Affiliates nutzen.593 4. Kartellrechtliche Einordnung Grundsätzlich sind vertragliche Regelungen zwischen dem Lieferanten und seinen Händlern, mit dem Ziel, die Grenzen der zulässigen AffiliateWerbung zu definieren, kartellrechtlich jedenfalls im Alleinvertrieb nicht bedenklich.594 Dies kann im Selektivvertrieb anders gewertet werden. So ist es im Selektivvertrieb generell kartellrechtlich unzulässig, Beschränkungen des Affiliate-Marketing in Bezug auf die adressierten Kunden vorzunehmen.595 Zulässig sind hingegen – sowohl im Allein- als auch im Selektivvertrieb – Vorgaben an die Websites, auf denen die Werbung eingebunden wird, die der Sicherstellung von Qualitätsvorgaben an den Werbeauftritt und das Werbeumfeld dienen.596 Dies können unter anderem Qualitätsanforderungen an das Erscheinungsbild und die technischen Vorgaben enthalten, die eine Händler-Website im Einklang mit dem Vertriebssystem des Herstellers oder Lieferanten erfüllen muss.597 5. Affiliate-Marketing und Handelsvertreterverhältnisse Übertragen auf das Handelsvertreterverhältnis wäre nunmehr in der Ausgestaltung möglich, dass der Prinzipal einen solchen Hyperlink auf der Homepage des Händlers nutzt, um die Kunden zum Vertragsschluss auf die Seite des Prinzipals weiterzuleiten. Wie bereits ausgeführt, ist dabei im Hinterkopf zu behalten, dass der Prinzipal sich generell einen bestimmten Vertriebsweg gegenüber dem Handelsvertreter vorbehalten kann. Dabei ist jedoch auch die Treuepflicht des Unternehmers gegenüber dem Handelsvertreter zu beachten. Bei der Verwendung des Affiliate-Marketing besteht die Gefahr, dass die Möglichkeit des Handelsvertreters, eigene Verträge über seine Homepage abzuschließen, ausgeschlossen wird und seine Seite letztlich lediglich der Wei592  Tollert,

Die Provisionsgestaltung im Affiliate Marketing, S. 67. Die Provisionsgestaltung im Affiliate Marketing, S. 67. 594  Bühlmann / Schirmbacher, Kartellrecht und Internetvertrieb, in: Jusletter 30. Mai 2011, S. 27; Tollert, Die Provisionsgestaltung im Affiliate Marketing, S. 15. 595  Bühlmann / Schirmbacher, Kartellrecht und Internetvertrieb, in: Jusletter 30.  Mai 2011, S. 27. 596  Bühlmann / Schirmbacher, Kartellrecht und Internetvertrieb, in: Jusletter 30.  Mai 2011, S. 27 f.; Nolte, BB 2014, 1155 (1160). 597  Nolte, BB 2014, 1155 (1160). 593  Tollert,

202

5. Kap.: Vertriebsbeschränkungen im Internet

terleitung auf die Homepage des Unternehmers dient und dort die Verträge zustande kommen. Gemäß § 87 Abs. 2 HGB hat der Handelsvertreter aber einen Anspruch auf Provision für „alle während des Vertragsverhältnisses abgeschlossenen Geschäfte, die auf seine Tätigkeit zurückzuführen sind oder mit Dritten abgeschlossen werden, die er als Kunden für Geschäfte der gleichen Art geworben hat“. Die Erwerbsmöglichkeiten des Handelsvertreters über das Internet werden gravierend beschränkt und damit auch seine Provisionsmöglichkeit. Es liegt nahe, dass dadurch schließlich die wirtschaftliche Existenz des Handelsvertreters übermäßig erschwert wird.598 Außerdem ist zu berücksichtigen, dass das Internet die Möglichkeit mit sich bringt, dass sich der Kunde zunächst informiert und schließlich problemlos und zügig auf die Produkte des Unternehmers zugreifen kann. Das tangiert das klassische Geschäftsfeld des Handelsvertreters, das die Geschäftsanbahnung und Geschäftsvermittlung betrifft.599 Die Handelsvertreter – wie auch alle anderen Marktteilnehmer – müssen sich aufgrund der durch den Internetvertrieb veränderten Umstände neue Geschäftsfelder suchen.600 Eine Ausformung des Affiliate-Marketings mit Sicherstellung der Provisionsgewährung kann für den Handelsvertreter ein adäquates Mittel zur Teilhabe am Internetvertrieb sein.601 598  A. A.: Ende / Klein, Grundzüge des Vertriebsrechts im Internet, S. 65, die „das bloße Vorbehalten einer Website mit der Möglichkeit für potentielle Kunden, hier bestimmte Informationen abfragen zu können und über Links direkt zum Unternehmer zu gelangen“, nicht für ausreichend halten, um von einer provisionspflichtigen Mitursächlichkeit des Handelsvertreters auszugehen. Ausschlaggebend dafür sei, dass es an einem Kontakt zwischen Handelsvertreter und potentiellem Kunden, im Rahmen dessen der Handelsvertreter aktiv auf den Kunden hätte einwirken könne, fehle. Die Website des Handelsvertreters sei lediglich ein Hilfsmittel, aber nicht ein für den Geschäftsabschluss ursächlich vermittelndes Medium. Ende / Klein, Grundzüge des Vertriebsrechts im Internet, S. 66 f., weisen aber auch auf den damit verbundenen Bedeutungsverlust der klassischen Handelsvertretung und der Möglichkeit des Einsatzes sog. „Plattform-Intermediäre“ hin. 599  Ende / Klein, Grundzüge des Vertriebsrechts im Internet, S. 66. 600  Ende / Klein, Grundzüge des Vertriebsrechts im Internet, S. 66. 601  Weitere Ausformung könnte ein sog. „Plattform-Intermediär“ sein, der auf einer Internetplattform möglichst umfassend verschiedene Waren oder Dienstleistungen in einer Branche anbietet. Durch einen Link gelangt der Kunde auf die Website des von ihm ausgewählten Anbieters und schließt mit diesem dort einen Vertrag ab. Der Plattform-Intermediär erhält dafür eine vorher vereinbarte Provision von dem Anbieter der Ware / Dienstleistung. Er ist dabei aber nicht exklusiv für bestimmte Unternehmer zuständig und nicht in eine bestimmte Vertriebsorganisation eingegliedert. Daher besteht nicht die Schutzbedürftigkeit des Handelsvertreters und mithin sind die zwingenden Regelungen des Handelsvertreterrechts nicht anwendbar. Im Einzelfall können die Vorschriften des Handelsvertreterrechts jedoch anwendbar sein; siehe hierzu Ende / Klein, Grundzüge des Vertriebsrechts im Internet, S. 67.

6. Kapitel

Regelungsbedarf und Ausblick Um der rasanten Entwicklung des Internetvertriebs gerecht zu werden und der zahlreichen noch nicht einhellig geklärten Fragen zur kartellrechtlich zulässigen Gestaltung des Internetvertriebs zu entgegnen, wurden von der Kommission, aber auch der kartellrechtlichen Literatur verschiedene Ansatzpunkte entwickelt. Die Europäische Kommission hat dafür u. a. die „Strategie für den digitalen Binnenmarkt“ entwickelt (unter A.).1 In der Literatur und auch vom Bundeskartellamt wird der Regelungsbedarf für kartellrechtliche Bewertung des Internetvertriebsrechts diskutiert; dabei haben sich insbesondere zwei Lager herausgebildet: Zum einen wird die Einführung eines Sonderkartellrechts gefordert und zum anderen ein Paradigmenwechsel vorgeschlagen (unter B.). Die unterschiedlichen Ansätze werden schließlich bewertet und ein Ausblick auf Handhabungsmöglichkeiten in Bezug auf die Regelungsbedürftigkeit im Internetvertriebskartellrecht gegeben (unter C.).

A. Der „digitale Binnenmarkt“ Die Errichtung eines gemeinsamen Binnenmarktes innerhalb der Europäi­ schen Union ist eines ihrer Hauptziele (vgl. Art. 3 Abs. 3 S. 1 EUV). Die Europäische Kommission spricht sich ferner nunmehr auch für die Stärkung des „digitalen Binnenmarktes“ aus (dazu sogleich). Im Rahmen des „digitalen Binnenmarktes“ soll der freie Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital gewährleistet werden.2 Privatpersonen und Unternehmen sollen unter fairen Wettbewerbsbedingungen und auf der Grundlage hoher Verbraucher- und Datenschutzstandards unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit bzw. ihres Wohn- oder Geschäftssitzes problemlos OnlineAktivitäten nachgehen und Internetanwendungen nutzen.3 Für die Errichtung des digitalen Binnenmarktes wurde von der Kommission eine Strategie entwickelt, die verschiedene Ansatzpunkte enthält (un1  Kommission,

Mitteilung v. 06.05.2015, KOM(2015) 192 endg., S. 3. Mitteilung v. 06.05.2015, KOM(2015) 192 endg., S. 3. 3  Kommission, Mitteilung v. 06.05.2015, KOM(2015) 192 endg., S. 3. 2  Kommission,

204

6. Kap.: Regelungsbedarf und Ausblick

ter I.). Es lässt sich bereits ein Ausblick auf die Auswirkung dieser Strategie geben (unter II.).

I. „Strategie für den digitalen Binnenmarkt“ Um der schnellen Entwicklungen in der Internetbranche und der erheblichen Bedeutung des Internetvertriebs gerecht zu werden, hatte die Kommission bereits im Jahre 2012 in einer Mitteilung Maßnahmen aufgezeigt, um die Entstehung einer digitalen Gesellschaft und Wirtschaft „von einer entschlossenen europäischen Strategie“ zu begleiten und zu beschleunigen.4 Im Mai 2015 veröffentlichte die Kommission die Mitteilung an das europäische Parlament, den Rat, den europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen über die „Strategie für einen digitalen Binnenmarkt für Europa“.5 Der Aufbau des „digitalen Binnenmarktes“ zielt darauf ab, „Europa auf die Zukunft vorzubereiten und weiterhin einen hohen Lebensstandard für seine Bevölkerung zu garantieren“.6 Dabei soll die Offenheit des europäischen Marktes sowohl bewahrt werden als auch im digitalen Bereich weiterentwickelt werden.7 Die Kommission betont ferner, dass Hindernisse im globalen elektronischen Handel sich besonders stark auf europäische Unternehmen auswirken, da die EU im Export digitaler Dienstleistungen weltweit führend ist.8 Ein erstes Arbeitspapier der Kommission zur Untersuchung von Geoblocking wurde im März 2016 veröffentlicht.9 1. Grundpfeiler der Strategie für den digitalen Binnenmarkt Die von der Kommission entwickelte Strategie für den digitalen Binnenmarkt beinhaltet drei Grundpfeiler. Zum einen soll ein „besserer OnlineZugang für Verbraucher und Unternehmen zu Waren und Dienstleistungen in ganz Europa“ gesichert werden.10 Dazu sollen die gravierendsten Unterschiede zwischen der Online- und Offline-Umgebung beseitigt werden, um grenzüberschreitende Online-Aktivitäten nicht länger zu beeinträchtigen.11 Der zweite Pfeiler der Strategie basiert auf der „Schaffung der 4  Kommission,

Mitteilung v. 11.01.2012, KOM(2011) 942 endg., S. 19. Mitteilung v. 06.05.2015, KOM(2015) 192 endg., S. 1 ff. 6  Kommission, Mitteilung v. 06.05.2015, KOM(2015) 192 endg., S. 20. 7  Kommission, Mitteilung v. 06.05.2015, KOM(2015) 192 endg., S. 21. 8  Kommission, Mitteilung v. 06.05.2015, KOM(2015) 192 endg., S. 21. 9  Kommission, Arbeitspapier v. 18.03.2016, SWD(2016) 70 endg., S. 1 ff. 10  Kommission, Mitteilung v. 06.05.2015, KOM(2015) 192 endg., S. 4. 11  Kommission, Mitteilung v. 06.05.2015, KOM(2015) 192 endg., S. 4. 5  Kommission,



A. Der „digitale Binnenmarkt“205

richtigen Bedingungen für florierende digitale Netze und Dienste“.12 Im Zuge dessen sollen „hochleistungsfähige, sichere, vertrauenswürdige Infrastrukturen sowie Inhaltsdienste, die durch geeignete ordnungspolitische Rahmenbedingungen für Innovationen, Investitionen, fairen Wettbewerb und Chancengleichheit gestützt werden“, gebildet werden.13 Schließlich soll die „bestmögliche Ausschöpfung des Wachstumspotenzials unserer europäischen digitalen Wirtschaft“ gewährleistet werden.14 2. Geoblocking verhindern In ihrer „Strategie für einen digitalen Binnenmarkt“ setzt sich die Kommission dafür ein, ungerechtfertigte Praktiken des sog. Geoblocking ausdrücklich zu verbieten.15 Geoblocking zeichnet sich dadurch aus, dass die Online-Händler den Zugang zu Websites in andere Mitgliedstaaten sperren.16 Es kann in verschiedenen Formen auftreten. So kann der Verbraucher zwar Zugang zu der Website haben, kann aber darauf keine Waren oder Dienstleistungen kaufen.17 Eine andere Form besteht darin, dass der Verbraucher von der Homepage auf eine inländische Website des betreffenden Unternehmens mit anderen Preisen oder anderen Waren oder Dienstleistungen umgeleitet wird.18 Geoblocking kann dabei aus der einseitigen Entscheidung eines Unternehmens resultieren oder das Ergebnis von Marktaufteilungsvereinbarungen zwischen Wettbewerbern oder vertikalen Vereinbarungen sein.19 12  Kommission,

Mitteilung v. 06.05.2015, KOM(2015) 192 endg., S. 4. Mitteilung v. 06.05.2015, KOM(2015) 192 endg., S. 4. 14  Kommission, Mitteilung v. 06.05.2015, KOM(2015) 192 endg., S. 4. 15  Kommission, Mitteilung v. 06.05.2015, KOM(2015) 192 endg., S. 7; dazu erschien bereits Kommission, Arbeitspapier v. 18.03.2016, SWD(2016) 70 endg., S. 1 ff., zur Untersuchung der Geoblocking-Praxis im Bereich des Internethandels. 16  Kommission, Mitteilung v. 06.05.2015, KOM(2015) 192 endg., S. 6. 17  Kommission, Mitteilung v. 06.05.2015, KOM(2015) 192 endg., S. 6; Kommission, Arbeitspapier v. 18.03.2016, SWD(2016) 70 endg., S. 17. 18  Kommission, Mitteilung v. 06.05.2015, KOM(2015) 192 endg., S. 6. 19  Kommission, Mitteilung v. 06.05.2015, KOM(2015) 192 endg., S. 7; Kommis­ sion, Arbeitspapier v. 18.03.2016, SWD(2016) 70 endg., S. 70, kam zu der Schlussfolgerung, dass die überwiegenden Geoblockingmaßnahmen auf einseitigen Entscheidungen des Unternehmens basieren. 12 % der Händler gaben an, dass sie mit mindestens einer vertraglich vereinbarten Klausel konfrontiert wurden, die zu Geoblocking führt, Kommission, Arbeitspapier v. 18.03.2016, SWD(2016) 70 endg., S. 70. Die Produktbereiche, in denen die meisten Händler mit Geoblocking-Klauseln konfrontiert wurden, sind: Bekleidung, Schuhe, Zubehör, Elektronik, sowie Sport- und Outdoor-Equipment, Kommission, Arbeitspapier v. 18.03.2016, SWD(2016) 70 endg., S. 70. 13  Kommission,

206

6. Kap.: Regelungsbedarf und Ausblick

In gewissen Fällen kann ein solches Geoblocking grundsätzlich durch Preisunterschiede gerechtfertigt sein. Ungerechtfertigte Geoblocking-Maßnahmen sollen jedoch nach Ansicht der Kommission ausdrücklich verboten werden.20 Die Verbraucher und Unternehmen in der EU sollen vollen Nutzen aus dem Binnenmarkt in Form eines breiteren Warenangebots und niedrigerer Preise ziehen können. 3. Ausschöpfung des Wachstumspotenzials Bereits 2012 hat die Kommission das Potenzial des digitalen Binnenmarktes gesehen. Das noch ungenutzte Potenzial wurde damals schon als enorm und als positiv für alle Gebiete und Wirtschaftszweige der Union eingestuft.21 Im Jahre 2015 betont die Kommission nun nicht mehr nur das Potenzial der digitalen Wirtschaft, sondern auch die Unerlässlichkeit der Digitalisierung aller Wirtschaftszweige, damit Europa seine Wettbewerbsfähigkeit behaupten kann.22 Im Zuge dessen kritisiert die Kommission, dass die Unternehmen, die digitale Technik nicht ausreichend integrieren würden.23 Besonders deutlich wird dies durch die Zahlen, die die Europäische Kommission nennt. Danach nutzen nur 1,7 % der EU-Unternehmen die modernen digitalen Technologien vollständig.24 41 % der EU-Unternehmen würden jedoch gar nicht auf moderne digitale Technologien zurückgreifen.25

II. Ausblick „digitaler Binnenmarkt“ Der Vizepräsident der Europäischen Kommission Andrus Ansip verspricht, dass die „moderne, einfachere und harmonisierte Normen für den digitalen Binnenmarkt die Rechtspraxis verbessern würden“.26 Trotz der aufgezeigten Bestrebungen der Europäischen Kommission zur Stärkung des digitalen Binnenmarktes werden jedenfalls die Grundsätze des europäischen Wettbewerbsrechts in absehbarer Zeit konstant bleiben.27 Bisweilen erachtet die 20  Kommission,

Mitteilung v. 06.05.2015, KOM(2015) 192 endg., S. 7. Mitteilung v. 11.01.2012, KOM(2011) 942 endg., S. 1. 22  Kommission, Mitteilung v. 06.05.2015, KOM(2015) 192 endg., S. 15. 23  Kommission, Mitteilung v. 06.05.2015, KOM(2015) 192 endg., S. 15. 24  Kommission, Mitteilung v. 06.05.2015, KOM(2015) 192 endg., S. 16. 25  Kommission, Mitteilung v. 06.05.2015, KOM(2015) 192 endg., S. 16. 26  Ansip, Editorial MMR 2015, 357 (358); Spenner / Kiani, NZKart 2016, 208 (213), gehen davon aus, dass die Kommission Auslegungshilfen zum Internetvertrieb und der Beurteilung qualitativer Vorgaben an den Internetvertrieb veröffentlich wird. 27  Dass die Grundsätze, auf denen das europäische Wettbewerbsrecht beruht, konstant bleibt, geht zuletzt aus einer Antwort von Vestager im Namen der Kom21  Kommission,



B. Einführung eines Sonderkartellrechts oder Paradigmenwechsel?

207

Kommission die Werkzeuge, die das europäische Wettbewerbsrecht bietet, als flexibel genug, um auf den Wandel, den die fortschreitende Digitalisierung der Märkte mit sich bringt, zu reagieren.28 Welche Normen tatsächlich eingeführt werden und in welchem Umfang die Entwicklung des digitalen Binnenmarktes damit unterstützt wird, bleibt abzuwarten.

B. Einführung eines Sonderkartellrechts oder Paradigmenwechsel? Da es für den Internethandel im Rahmen des Kartellrechts keine konkreten Vorschriften gibt, wird immer wieder die Frage aufgeworfen, ob die Einführung eines Sonderkartellrechts für digitale Märkte Abhilfe und damit eine gewisse Rechtssicherheit schaffen könnte (unter I.).29 Ein weiterer Ansatzpunkt, der ökonomischen Zusammenhänge und auch technologischen Aspekte miteinbezieht, bildet der Paradigmenwechsel in Form des sog. „more technological approach“ (unter II.).

I. Ansätze in der Literatur Die Einführung eines Sonderkartellrechts für den Internetvertrieb wird zum Teil abgelehnt.30 Dafür sei kein Raum, außerdem seien kartellrechtliche Ausnahmebereiche mit Spezialregelungen für einzelne Sektoren in den vergangenen Jahren konsequent abgebaut worden.31 Gerade für die dynamische digitale Ökonomie sei ein statisches Sonderkartellrecht nicht pasmission vom 24.02.2016 zur Parlamentarischen Anfrage von Schwab vom 25.11.2015, E-015050-15, hervor. 28  Vestager im Namen der Kommission vom 24.02.2016 zu Schwab, E-01505015, hier bezüglich der „Modernisierung der Bekanntmachung der Kommission über die Definition des relevanten Marktes im Sinne des Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft“. 29  Explizit in Bezug auf die digitalen Märkte Körber, WuW 2015, 120 (121, 131); Immenga forderte jedenfalls bereits 2010 „klarere und handfestere Aussagen“, es „müsste dem doch so wichtigen virtuellen Vertriebsweg ausdrücklichere (und damit auch einfachere) Handlungsweisen mit auf den Weg gegeben“ werden, K&R 2010, 24 (28); Birnstiel / Heinrich / Kruis, in: Bräutigam / Klindt, Digitalisierte Wirtschaft / Industrie 4.0, Rechtsgutachten, S. 158: „Ob darüber hinaus weitere gesetzgeberische Maßnahmen zur Regulierung erforderlich sind, bedarf einer sorgfältigen Prüfung. Regulatorische Eingriffe in dynamische, innovationsgetriebene Märkte sollten stets die Ausnahme bilden und sollten sich außerdem darauf beschränken, Märkte offen zu halten, ohne in spezifische Geschäftsmodelle einzugreifen.“ 30  Körber, WuW 2015, 120 (131). 31  Körber, WuW 2015, 120 (131).

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6. Kap.: Regelungsbedarf und Ausblick

send.32 Vielmehr werde das deutsche wie auch das europäische Kartellrecht durch ihren hohen Abstraktionsgrad der Dynamik der Internetökonomie ausreichend gerecht.33 Es ermögliche nämlich den Kartellbehörden immer wieder, ihre Praxis flexibel an sich verändernde Marktverhältnisse und ökonomische Erkenntnisse anzupassen.34 Zudem sei es auch konsequent, dass die Vertikal-GVO keine Sonderregelungen für den Internetvertrieb beinhalte.35 Die Vertikal-GVO basiere vielmehr auf dem Konzept einer umfassenden „Schirm“-GVO, die unabhängig von Vertragstyp, Branche oder Vertriebskanal gilt.36 Die Befürworter eines Sonderkartellrechts kritisieren, dass aufgrund der fehlenden konkreten Regelungen zum Internetvertrieb „Flickschusterei“ betrieben werde.37 Zur Herbeiführung einer erheblich gesteigerten Rechtssicherheit sollten die „Voraussetzungen und Grenzen der vertriebsvertraglichen Privilegierung stationärer Geschäfte, die Anforderungen an die fachmännische Expertise, die Anerkennung der Margensicherung als Bestandteil konstruktiver Marken- und Vertriebspflege sowie der Umfang des zuzulassenden Online-Vertriebskanals“ gesetzlich geregelt werden.38 Solche Regulierungen könnten außerdem eine wesentliche Signalwirkung für die beteiligten Industrie- und Handelszweige haben.39 Gerade aufgrund einer drohenden (Kartell-)Rechtszersplitterung in der EU wird eine neue einheitliche Rechtsordnung für Beschränkungen in vertikalen Vertriebssystemen inner32  Körber, WuW 2015, 120 (131); Caffarra, Selective Distribution of Luxury Goods, in: Gheur / Petit, S. 57, 77 f., hält eine Gleichbehandlung des Internetvertriebs mit anderen Vertriebsformen für sinnvoll und betont, eine gewisse Flexibilität sei gerade im Bereich des Internetvertriebs sinnvoll, um potenzielle Wirkungen herauszufiltern und zu nutzen und dem Trittbrettfahrer-Effekt weiter entgegen wirken zu können. 33  Birnstiel / Heinrich / Kruis, in: Bräutigam / Klindt, Digitalisierte Wirtschaft / Industrie 4.0, Rechtsgutachten, S. 157; Körber, WuW 2015, 120 (131). 34  Körber, WuW 2015, 120 (131); Dewenter, WuW 2016, 101 (101), fordert jedoch eine „bessere Kenntnis von digitaler Ökonomie und den Geschäftsmodellen“ insbesondere bei den Ökonomen und Juristen des Bundeskartellamts; Birnstiel / Heinrich / Kruis, in: Bräutigam / Klindt, Digitalisierte Wirtschaft / Industrie 4.0, Rechtsgutachten, S.157, halten die kartellrechtlichen Generalklauseln für flexibel genug, um den neuen Entwicklungen der digitalen Wirtschaft begegnen zu können, fordern aber „(…) bei der Anwendung und Auslegung dieser Klauseln den Besonderheiten der digitalen Wirtschaft hinreichend Rechnung“ zu tragen. 35  Nolte, BB 2014, 1155 (1155). 36  Nolte, BB 2014, 1155 (1155). 37  Kuntze-Kaufhold, ZVertriebsR 2015, 23 (25). 38  Kuntze-Kaufhold, ZVertriebsR 2015, 23 (32); Rössner hält zwar die Rechtssicherheit nicht für gefährdet, aber durch eine Reform könne sie jedenfalls verbessert werden, WRP 2010, 1114 (1125). 39  Kuntze-Kaufhold, ZVertriebsR 2015, 23 (32).



B. Einführung eines Sonderkartellrechts oder Paradigmenwechsel?209

halb der Europäischen Union gefordert.40 Andere fordern, den Internetvertrieb als eigenständige Vertriebsform in der Vertikal-GVO selbst zu regeln.41 Außerdem müsste erläutert werden, unter welchen Umständen Internetvertriebsbeschränkungen bereits nicht als tatbestandsmäßig nach Art.  101 Abs. 1 AEUV angesehen werden und damit auch nach der Vertikal-GVO unzulässige Beschränkungen wie z. B. ein Totalverbot möglich sind.42 Untermauert werden diese Forderungen mit Verweisen auf die uneinheitliche Rechtsprechung der einzelnen Mitgliedstaaten im Rahmen des Internetvertriebsrechts.43 Tatsächlich lassen sich verbindliche und präzise formulierte Regelungen zum Internetvertrieb in der Vertikal-GVO nicht ausreichend finden, dies wurde vielmehr auf die Leitlinien verlagert. Die unverbind­ lichen Leitlinien zeichnen sich dafür umso mehr durch starke „Detailverliebtheit und systematisch unangebrachte Rechtssetzung“44 aus. Jedenfalls aber fehlt es an einer Verbindlichkeit.

II. The more technological approach Ein weiterer Ansatz, der Fortentwicklung im Kartellrecht Rechnung zu tragen und die technologischen Entwicklungen miteinzubeziehen, ist der von Podszun entwickelte Paradigmenwechsel, der sog. more technological approach.45 Dieser Ansatz soll zum einen eine Analyse des Einzelfalles 40  Robertson, ECLR 2012, 132 (135); Simon, EWS 2010, 497 (503) hält die Vertikal-GVO für „flexibel genug, um für die nächsten 12 Jahre einen relativ einfach zu erreichenden sicheren Hafen für die Freistellung von Vertriebs- und Lieferverträgen zu bieten“. 41  Rössner, WRP 2010, 1114 (1125). 42  Rössner, WRP 2010, 1114 (1125). 43  Robertson, ECLR 2012, 132 (135). 44  Rössner, WRP 2010, 1114 (1125). 45  Podszun / Leber, KSzW 2015, 316 (326); Podszun, The More Technological Approach: Competition Law in the Digital Economy, in: Competition on the Internet, Surblyté, S. 107: „In my view it is necessary to call for a ‚more technological approach‘ to competition law. After economics had its fair share, it is time to look to other disciplines that could inform competition law enforcement. In the digital economy, the scholars who need to be addressed are those who know the technology best and who understand the business models that ride on the latest developments.“ Die Bezeichnung wurde laut Podszun durch den – von seinem akademischen Lehrvater Drexl entwickelten – more economic approach inspiriert; ders., WuW 2014, 249 (249). Im Rahmen des more economic approach soll zur Analyse der wettbewerbsrechtlich relevanten Sachverhalte eine stärkere Anwendung von öknomischen Modellen und ökonomischen Methoden erfolgen, Sosznitza, in: MüKo Lauterkeitsrecht, Bd. 1, Teil 1 Rn. 10; Bueren, WRP 2004, 567 (569). Bei der Beurteilung von Wettbewerbsbeschränkungen soll das Kriterium der ökonomischen Effizienz und die zu erwartenden Marktfolgen in den Vordergrund gestellt werden, um auf diese

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6. Kap.: Regelungsbedarf und Ausblick

mit Blick auf die ökonomischen Zusammenhänge, aber auch auf die technologischen Aspekte ermöglichen.46 Zum anderen soll der Paradigmenwechsel neben der Förderung des Wohls der Verbraucher ebenso die Förderung von Innovationen und Innovationsoffenheiten berücksichtigen.47 In die kartellrechtliche Entscheidung sollen also dynamische Effizienzen genauso miteinbezogen werden, wie die bislang vorherrschende Würdigung produktiver und allokativer Effizienzen.48 Dieser Ansatz erfordert ein Verständnis für Technologien, Geschäftsmodelle und der Struktur der digitalen Ökonomie.49 Insgesamt werden fünf Elemente als strategische Merkmale dieses Ansatzes herausgearbeitet: Aufbrechen von Innovationsschranken, Neutralität der Rechtsanwendung, Auflösung enger Marktbegriffe, Integration von Daten und kostenlose Leistungen, keine Anmaßung von Wissen.50 Dafür soll, erstens, das Wettbewerbsrecht den neuen Ansatz aufnehmen.51 Zweitens sollte die Wissenschaft des Wettbewerbsrechts anerkennen, dass die neuen ökonomischen Gegebenheiten eine neue Terminologie und neue Weise zu weniger per se-Verboten zu gelangen, und stattdessen eine differenzierte Einzelfallbetrachtung zu ermöglichen, Sosznitza, in: MüKo Lauterkeitsrecht, Bd. 1, Teil 1 Rn. 10. Der Ansatz des „more technological approach“ wird auch vom Bundeskartellamt im Rahmen der Äquivalenzprüfung aufgegriffen, BKartA, Beschl. v. 26.08.2015, Az. B2-98 / 11, Rn. 338, 574  – Asics. 46  Podszun / Leber, KSzW 2015, 316 (326); Podszun, The More Technological Approach: Competition Law in the Digital Economy, in: Competition on the Internet, Surblyté, S. 107; ders., WuW 2014, 249 (249); BKartA, Beschl. v. 26.08.2015, Az. B2-98 / 11, Rn. 338  – Asics; Birnstiel / Heinrich / Kruis, in: Bräutigam / Klindt, Digitalisierte Wirtschaft / Industrie 4.0, Rechtsgutachten, S.158, benennen dies nicht als „more technological approach“ fordern aber, dass Kartellbehörden „(…) über das ökonomische und technische Know-how sowie über ausreichende finanzielle und personelle Ressourcen verfügen, um Verfahren in diesem Bereich effizient und zügig durchzuführen, eventuell unter verstärktem Einsatz einstweiliger Maßnahmen.“. 47  Podszun / Leber, KSzW 2015, 316 (326); Podszun, The More Technological Approach: Competition Law in the Digital Economy, in: Competition on the Internet, Surblyté, S. 107. 48  Podszun / Leber, KSzW 2015, 316 (326). 49  Podszun, The More Technological Approach: Competition Law in the Digital Economy, in: Competition on the Internet, Surblyté, S. 107; ders., WuW 2014, 249 (249); BKartA, Beschl. v. 26.08.2015, Az. B2-98 / 11, Rn. 338  – Asics. 50  Podszun / Leber, KSzW 2015, 316 (326); Podszun, The More Technological Approach: Competition Law in the Digital Economy, in: Competition on the Internet, Surblyté, S. 108: „Five elements may be identified as strategic features of a more technological approach.“ Ders., WuW 2014, 249 (249), arbeitete diese fünf Elemente ebenda nicht so klar heraus. 51  Podszun, The More Technological Approach: Competition Law in the Digital Economy, in: Competition on the Internet, Surblyté, S. 108.



C. Ausblick211

Konzepte erfordern.52 Als drittes Element – Neutralität der Rechtsanwendung – soll das Wettbewerbsrecht anerkennen, dass es nicht neutral gegenüber den unterschiedlichen Geschäfts- und Vertriebsmodellen sein kann.53 Auch eine einfache Entscheidung betrifft stets diverse Verpflichtungen.54 Es soll sich – viertens – ebenso die Sicht auf Verbraucher ändern.55 Diese seien heutzutage informierter, eingebundener in Produktionsprozesse und flexibler im Gegensatz zum Zeitalter vor der Internetökonomie.56 Im Rahmen des fünften Elements werden die Wettbewerbsbehörden aufgefordert, Abstand von dem Ansatz zu nehmen, die moderne Ökonomie würde gewisse Eingriffe erlauben.57

C. Ausblick „Es bleibt also abzuwarten, wohin die E-Commerce Reise gehen wird.“58 Die unterschiedlichen Rechtsprechungen nicht nur innerhalb der EU, sondern auch innerhalb Deutschlands zu Beschränkungen des Internetvertriebs zeigen, dass grundsätzlich ein Bedürfnis nach einer klaren und einheitlichen gesetzlichen Regelung bzw. einer einheitlichen rechtlichen Würdigung besteht. Die Leitlinien der Vertikal-GVO sind lediglich Verwaltungsrichtlinien und daher nur für die Kommission selbst bindend. Eine Bindungswirkung für die Gerichte der Union oder mitgliedstaatlicher Organe besteht aber nicht.59 Auf lange Sicht gesehen, wäre daher eine Festsetzung grundlegender Regelungen zum Internetvertrieb verbindlicher Natur wünschenswert, da dies zur Förderung der Rechtssicherheit beitrüge. Der Internetvertrieb steckt mittlerweile nicht mehr derart in den Kinderschuhen, wie es vor einigen Jahren der Fall war. Da sich der Internethandel und seine Ausprägung aber dennoch ständig weiterentwickeln, wäre eine zu detaillierte und damit unflexible gesetzliche Regelung nicht sinnvoll. Die Einführung 52  Podszun, The More Technological Approach: Competition Economy, in: Competition on the Internet, Surblyté, S. 108. 53  Podszun, The More Technological Approach: Competition Economy, in: Competition on the Internet, Surblyté, S. 108. 54  Podszun, The More Technological Approach: Competition Economy, in: Competition on the Internet, Surblyté, S. 108. 55  Podszun, The More Technological Approach: Competition Economy, in: Competition on the Internet, Surblyté, S. 108. 56  Podszun, The More Technological Approach: Competition Economy, in: Competition on the Internet, Surblyté, S. 108. 57  Podszun, The More Technological Approach: Competition Economy, in: Competition on the Internet, Surblyté, S. 108. 58  Spenner / Kiani, NZKart 2016, 208 (213). 59  Dreyer / Lemberg, BB 2012, 2004 (2006).

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6. Kap.: Regelungsbedarf und Ausblick

eines Sonderkartellrechts ist damit abzulehnen. Zweckdienlich ist vielmehr, den Besonderheiten des Internetvertriebs im Kartell- und Wettbewerbsrecht durch eine Anpassung der Vertikal-GVO im Rahmen ihrer nächsten Überarbeitung gerecht zu werden. Diese Anpassung sollte bisher bestehende Unklarheiten und Unstimmigkeiten der Vertikal-GVO mit den Leitlinien aus dem Weg räumen. Zudem sollte in die rechtliche Bewertung von Vertriebsbeschränkungen im Rahmen des Internetvertriebs der „more technological approach“ maßgeblich miteinbezogen werden. So kann der Brisanz des Internetvertriebs und seinen Gestaltungsmöglichkeiten Rechnung getragen werden. Gleichzeitig sollte der „more technological approach“ ermöglichen, auch neue Ausgestaltungsmöglichkeiten und Formen des Internetvertriebs bewerten und kartellrechtlich einordnen zu können und mit der Schnelllebigkeit des Internets mithalten zu können.60

60  So nehmen Cross-Channel-Systeme zu, dazu Böhner, DSRITB 2013, 829 (829 f.); der sog. Local Commerce, welcher den Einsatz des Internets und / oder mobiler und standortbezogener Technologien kombiniert, der eigentliche Kauf findet jedoch im stationären Geschäft statt, Brandenburg / Leuthner, ZD 2014, 617 (617) und das Mobile Payment, d. h. die Zahlung unter Einsatz eines mobilen Endgeräts, dies., ZD 2015, 111 (111) sowie das sog. Mobile Commerce, bei dem Transaktionen über mobile Endgeräte wie Smartphones oder Tablet-PCs angewickelt werden, Schweda / Rudowicz, WRP 2013, 590 (592).

7. Kapitel

Fazit Aufgrund der zuvor vorgenommenen Untersuchung lassen sich zum Internetvertrieb in Bezug auf das Kartellrecht zum derzeitigen Stand folgende Thesen aufstellen: 1. Kapitel: Die Einführung gewährt einen ersten Einblick in die Brisanz der Verknüpfung von Internetvertrieb und Kartellrecht. 2. Kapitel: A. Besonderheiten des Internetvertriebs Die Etablierung des Internetvertriebs hat viele Neuerungen mit sich gebracht, die sich in produktbezogenen Besonderheiten, der Ubiquität des Internetvertriebs, Kosten, Zeitaufwand und Conveniece-Faktoren äußern, zusätzlich aber auch mit Nachteilen verbunden ist. Für den Hersteller sind daher bezüglich des Internetvertriebs die Einführung eines selektiven Vertriebs und die im Rahmen dessen vorgenommenen Qualitätsanforderungen – insbesondere zum Imageschutz – von herausragender Bedeutung. B. Keine Übertragung der Grundsätze zum Versandhandel auf den Internetvertrieb Der Internethandel ist in einigen Punkten durchaus mit dem Versandhandel vergleichbar, eine Übertragung der Grundsätze zum Versandhandel auf den Internetvertrieb ist jedoch abzulehnen. Beschränkungen des Internetvertriebs sind mithin gesondert von den Grundsätzen zum Versandhandel zu bewerten.

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7. Kap.: Fazit

3. Kapitel: A. Marktabgrenzung im Internetvertrieb Die Ermittlung des konkreten Marktes im Rahmen des Internetvertriebs erfolgt in der Regel über den Produktmarkt. B. Kartellrechtliche Regelungen zum Internetvertrieb Es finden sich keine internetspezifischen Regelungen in der VertikalGVO, lediglich die Leitlinien enthalten Ausführungen zum Internetvertrieb. Diese binden zwar grundsätzlich nur die Kommission, dienen aber als Auslegungshilfe. Auf den Internetvertrieb finden daher die allgemeinen Regelungen des Kartellrechts Anwendung. C. Internetvertrieb als passiver Verkauf Der Internetvertrieb wird in den Leitlinien unter Tz. 52 grundsätzlich als passiver Verkauf eingeordnet. Dies ist unter anderem maßgeblich für die Rückausnahme nach Art. 4 lit. b [i] Vertikal-GVO. D. Internetkäufer als abgrenzbare Kundengruppe Umstritten ist die Einordnung der Internetkäufer als Kundengruppe im Sinne von Art. 4 lit. b Vertikal-GVO. Ein Vergleich der verschiedenen Sprachfassungen von Art. Art. 4 lit. b Vertikal-GVO zeigt jedoch, dass in anderen Sprachfassungen nicht von einer Kundengruppe, sondern von Kundenbeschränkungen die Rede ist. Dementsprechend ist für die Einordnung als Kernbeschränkung wesentlich, ob im entsprechenden Fall die Kundenreichweite eingeschränkt wird. 4. Kapitel: A. Pierre Fabre-Entscheidung schließt Luxuscharakter nicht grundsätzlich als Rechtfertigungsgrund aus Die Aussage des Gerichtshofs, „das Ziel, den Prestigecharakter zu schützen, kann kein legitimes Ziel zur Beschränkung des Wettbewerbs sein und kann daher nicht rechtfertigen, dass eine Vertragsklausel, mit der ein solches Ziel verfolgt wird, nicht unter Art. 101 Abs. 1 AEUV fällt“,1 kann nicht als 1  EuGH, Urt. v. 13.10.2011, Rs. C-439 / 09, Slg 2011, I-9419, WuW / E  EU-R 2163 = EuZW 2012, 28 (30 Rn. 46) – Pierre Fabre Dermo-Cosmétique.



7. Kap.: Fazit215

genereller Ausschluss des Luxuscharakters als Rechtfertigungsgrund angesehen werden. Es ging primär um das von Pierre Fabre ausgesprochene per se-Verbot des Internetvertriebs. B. Schützenswertes Image Das Image kann grundsätzlich als schützenswert angesehen werden und ist insbesondere unter Art. 101 Abs. 3 AEUV (insbesondere unter „Wahrung der Qualität“) zu beachten. Das Image hat eine Schlüsselstellung – für den Konsumenten, den Hersteller und den Händler –. Selektive Vertriebssysteme und Qualitätsanforderungen sind daher zum Schutz des Images notwendig. 5. Kapitel: Der Fokus dieser Untersuchung lag klar auf der Herausarbeitung der rechtlichen Einordnung verschiedener Vertriebsbeschränkungen durch Unternehmer gegenüber ihren Händlern bezüglich des Internethandels. Wesentlich ist dabei, ob eine Beschränkung im Rahmen des Internetvertriebs als kartellrechtlich zulässig oder unzulässig eingeordnet werden kann bzw. ob sie durch die Vertikal-GVO oder durch Art. 101 Abs. 3 AEUV freigestellt ist. A. Totalverbot nicht zulässig Das Totalverbot des Internetvertriebs durch Hersteller ist unzulässig. Bei selektiven Vertriebssystemen folgt die Unzulässigkeit des Totalverbots aus Art. 4 lit. c Vertikal-GVO und bei nicht-selektiven Vertriebssystemen aus Art. 4 lit. b Vertikal-GVO. Für die Unzulässigkeit eines Totalverbots sprechen außerdem auch die Ausführungen der Vertikal-Leitlinien in Tz. 52, in denen es heißt, dass es prinzipiell jedem Händler erlaubt sein muss, sich zum Vertrieb der Produkte des Internets zu bedienen. B. Verbot des ausschließlichen Internetvertriebs zulässig Das Verbot des ausschließlichen Internetvertriebs, welches die Anforderung der Hersteller an die Händler beinhaltet, wenigstens ein stationäres Ladenlokal zu betreiben, ist zulässig.

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7. Kap.: Fazit

C. Beschränkungen aktiver Verkaufsbemühungen Die Beschränkung aktiver Verkaufsbemühungen der Händler durch den Hersteller ist in nicht-selektiven Verträgen grundsätzlich möglich, wenn der Marktanteil der Beteiligten jeweils unter 30 % liegt. Bei selektiven Vertriebssystemen muss der aktive Verkauf den Händlern jedoch – wie sich aus Art. 4 lit. c Vertikal-GVO ergibt – möglich sein. D. Qualitative und quantitative Anforderungen an den Internetvertrieb Qualitative Anforderungen des Herstellers gegenüber der Händler bezüglich des Internetvertriebs sind grundsätzlich zulässig, dabei muss jedoch das Äquivalenzprinzip beachtet werden: Unterschiede der Kriterien müssen sich aus dem unterschiedlichen Wesen der beiden Vertriebswege ergeben. Zu den zulässigen Qualitätsanforderungen zählen: Vorgaben an die konkrete Gestaltung der Homepage, beispielsweise an ein einheitliches Erscheinungsbild der Website sowie Vorgaben in Bezug auf die Kundenbetreuung, wie die Einrichtung eines Online-Kundendienstes. Bei quantitativen Vorgaben muss eine unzulässige Benachteiligung des Internetvertriebs vermieden werden. E. Verknüpfung der Händler-Website mit der Webseite des Unternehmers Eine Verknüpfung der Händler-Website mit der Webseite des Unternehmers ist unzulässig, wenn sich dadurch der Unternehmer letztlich den Internetvertrieb selbst vorbehält und damit den Internetvertrieb de facto verbietet. Bei einem Produktvertrieb über einen gemeinsamen Online-Shop ist für die Einordnung als wettbewerbsbeschränkende Vereinbarung nach § 1 GWB / Art. 101 AEUV wesentlich, ob für die Händler eine Teilnahmepflicht bzw. ein Andienungszwang besteht. Handeln die Händler im Rahmen des gemeinsamen Online-Shops unabhängig und sind in der Preisgestaltung unabhängig, dann liegt keine wettbewerbsbeschränkende Vereinbarung vor. F. Gebietsbeschränkungen unzulässig Setzt der Hersteller Gebietsbeschränkungen im Rahmen der Anforderungen an den Internetvertrieb des Händlers ein, handelt es sich dabei im Rahmen des selektiven Vertriebs um eine Beschränkung des passiven Ver-



7. Kap.: Fazit

217

kaufs nach Art. 4 lit. c Vertikal-GVO und im Rahmen des nicht-selektiven Vertriebs um eine Beschränkung nach Art. 4 lit. b Vertikal-GVO. G. Dual Pricing Das sog. Dual Pricing ist in verschiedenen Ausgestaltungsmöglichkeiten denkbar: Funktionsrabatte, Leistungsrabatte und Zusatzrabatte im Rahmen einer Fachhandelsvereinbarung. Diese Doppelpreissysteme stellen sowohl eine Wettbewerbsbeschränkung nach Art. 101 Abs. 1 AEUV / § 1 GWB als auch eine Kernbeschränkung nach Art. 4 lit. b Vertikal-GVO dar. Aufgrund der Einordnung als Kernbeschränkung kommt eine Freistellung durch die Vertikal-GVO nicht in Betracht. Eine Freistellungsmöglichkeit nach Art. 101 Abs. 3 GWB kann jedoch vorliegen, wenn die Doppelpreissysteme kostenbasiert in Bezug auf die betreffende Leistung und unabhängig von der gewählten Vertriebsform eingesetzt werden. Die Freistellungsvoraussetzungen werden jedoch in der Praxis schwer belegbar sein. Als Alternative zu den Doppelpreissystemen wird die Einführung von Fixzuschüssen vorgeschlagen. Diese können jedoch ebenso – wie Doppelpreissysteme – einen Anreiz für die Händler darstellen, um auf den stationären Vertrieb umzulenken. Zudem können feste Gebühren, insbesondere wenn sie am Anfang des Jahres gewährt werden, dazu führen, weniger erfolgreiche Händler besser zustellen, obwohl andere Händler mit ihren Absatzbemühungen prinzipiell erfolgreicher waren. Fixzuschüsse können unter Umständen sogar dazu führen, bei umsatzschwachen Händlern eine ansonsten bevorstehende Insolvenz zu verhindern. Die Einführung von Fixzuschüssen stellt daher keine taugliche Alternative zu Doppelpreissystemen dar. H. Unmittelbare und mittelbare Plattformverbote I. Unmittelbare Plattformverbote Plattformverbote im Rahmen von selektiven Vertriebssystemen gehen über das erforderliche Maß hinaus und stellen eine Wettbewerbsbeschränkung im Sinne von Art. 101 Abs. 1 AEUV / § 1 GWB dar. Im Rahmen des nicht-selektiven Vertriebssystems liegt im Plattformverbot eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung nach Art. 101 Abs. 1 AEUV vor. Eine Freistellung durch die Vertikal-GVO scheidet in der Regel aus, da in dem Plattformverbot eine Beschränkung des passiven Verkaufs im Sinne von Art. 4 lit. c Vertikal-GVO vorliegt. Eine Einordnung der Plattform als Niederlassung im Sinne von Art. 4 lit. c HS. 2 Vertikal-GVO ist abzulehnen, da dies dem Sinn und Zweck der Vorschrift widersprechen würde. Der Sinn und Zweck liegt darin, dass dem Hersteller vor Inbetriebnahme neuer Verkaufs-

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7. Kap.: Fazit

räume durch den Händler die Gelegenheit gegeben werden soll, die Räumlichkeiten zu überprüfen. Eine solche Interventionsmöglichkeit ist bezüglich des Vertriebs über Plattformen nicht nötig. Weiterhin liegt eine Kernbeschränkung nach Art. 4 lit. b Vertikal-GVO vor, da die Kundenreichweite durch das Plattformverbot beschränkt wird. Diesbezüglich bleibt jedoch die Einlassung des Gerichtshofs auf die Vorlagefrage des OLG Frankfurts abzuwarten.2 Eine Einzelfreistellung nach Art. 101 Abs. 3 AEUV / § 2 GWB scheidet aus: Ein Beitrag zur Verbesserung der Warenerzeugung oder -verteilung sowie eine angemessene Beteiligung der Verbraucher liegen nicht vor. Würde man davon ausgehen, die positiven Voraussetzungen der Einzelfreistellung würden vorliegen, so ist das Plattformverbot schon nicht als unerlässlich einzustufen. II. Mittelbare Plattformverbote Bei mittelbaren Plattformverboten von anerkannten Plattformen handelt es sich grundsätzlich nicht um eine Klausel, die zur Wahrung der Qualität erforderlichen ist. Der Ruf von Plattformen hat sich – gerade bei eBay und Amazon – gewandelt, diese haben sich als attraktive Verkaufsplattformen etabliert. Daher sind auch mittelbare Plattformverbote als Kernbeschränkung nach Art. 4 lit. b Vertikal-GVO einzuordnen. I. Bestpreisklauseln Bestpreisklauseln stellen zum einen eine mittelbare Festsetzung der Verkaufspreise im Sinne von Art. 101 lit. a AEUV dar, zum anderen ist auch eine Wettbewerbsbeschränkung gegeben, da die Bestpreisklauseln in eine Schädigung des Preiswettbewerbs und eine Marktzutrittsschranke resultieren. Einer Freistellung durch die Vertikal-GVO steht das Kriterium des „inneren Zusammenhangs“ nicht entgegen. Das Kriterium des inneren Zusammenhangs zwischen vertikaler Beziehung und der Vereinbarung wurde von der Rechtsprechung im Rahmen der Bewertung von Bestpreisklauseln offengelassen.3 Auch im Wortlaut des Art. 4 lit. a Vertikal-GVO finden sich keine Anhaltspunkte für das Kriterium. Es gibt daher keinen hinreichenden Hinweis darauf, dass die Kommission die Voraussetzung des „inneren Zusammenhangs“ gewollt hat. Unter der Annahme, dass die Vertikal2  OLG Frankfurt, Beschl. v. 19.04.2016, Az. 11 U 96 / 14 (Kart), WuW 2016, 314 = NZKart 2016, 236 (236 ff.) – Depotkosmetik II. 3  Düsseldorf, Urt. v. 09.01.2015, Az. VI-Kart 1 / 14 (V), WuW / E  DE-R 4572 = NZKart 2015, 148 (151) – HRS-Bestpreisklauseln; so auch bei BKartA, Entsch. v. 22.12.2015, Az. B 9-121 / 13, Rn. 252  – Booking.



7. Kap.: Fazit219

GVO anwendbar ist, kann in der Bestpreisklausel im Rahmen von Hotelvermittlungsverträgen keine Kernbeschränkung nach Art. 4 S. 1 lit. a Vertikal-GVO liegen, da die Vereinbarung nicht die Festsetzung des vom Abnehmer einzuhaltenden Preisniveaus bezweckt. Es handelt sich um ein Dreiecksverhältnis, bei dem nicht die Abnehmer, sondern die Lieferanten (Hotels) in ihrer Preissetzungsfreiheit gebunden werden. Wenn man Hotelunternehmer als Abnehmer der Hotelvermittlungsdienstleistung ansehen würde, dann würden stellen die Bestpreisklauseln keine Preisbindung für eine Weiterveräußerung dieser Leistung darstellen. Eine analoge Anwendung des Art. 4 S. 1 lit. a Vertikal-GVO auf derartige Dreiecksverhältnisse ist abzulehnen. Eine analoge Anwendung würde dem Wortlaut des Art. 1 lit. a Vertikal-GVO widersprechen. Außerdem besteht die Gefahr, dass bei einer analogen Anwendung die Safe-harbour-Wirkung ins Leere laufen würde. Eine Freistellung der Bestpreisklausel nach Art. 101 Abs. 3 AEUV / § 2 GWB scheidet aus, da der Preis- und Qualitätswettbewerb zwischen Portalen zu einem nicht unerheblichen Teil ausgeschlossen wird. J. Preisparitätsklauseln auf Online-Plattformen Der bei Amazon etablierte „Marketplace“ kann als horizontale Handelskooperation eingeordnet werden. Eine Freistellung als rein technische Plattform kommt jedoch nicht in Betracht, da die Preisparitätsklausel im Verhältnis zu den Effizienzen, unangemessene Nachteile mit sich bringt: Markteintrittsbarriere, Hemmung der Expansion bereits im Markt befindlicher Wettbewerber und eine Beschränkung des Preissetzungsverhaltens. K. Internetvertrieb bei Handelsvertretern Aufgrund des Handelsvertreterprivilegs findet bei echten Handelsvertretern Art. 101 Abs. 1 AEUV / § 1 GWB lediglich eine eingeschränkte Anwendung. Weiterhin kann sich der Unternehmer den Internetvertrieb gegenüber dem Handelsvertreter vorbehalten. Eine solche Vereinbarung fällt nicht unter Art. 101 Abs. 1 AEUV / § 1 GWB. Die Treuepflicht des Unternehmers gegenüber dem Handelsvertreter kann jedoch, beispielsweise wenn die wirtschaftliche Existenz des Handelsvertreters übermäßig erschwert wird und dieser erhebliche Provisionseinbußen erleidet, dazu führen, dass ein Kompensationsentgelt für den Handelsvertreter geboten ist. Eine Möglichkeit zur Teilhabe des Handelsvertreters am Internetvertrieb kann die Einführung von Affiliate-Marketing mit Sicherstellung von Provisionsgewährung darstellen.

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7. Kap.: Fazit

6. Kapitel Die Einführung eines Sonderkartellrechts wird abgelehnt, gefordert wird vielmehr, die Eigenheiten des Internetvertriebs im Kartell- und Wettbewerbsrecht im Rahmen der nächsten Überarbeitung durch eine Anpassung der Vertikal-GVO zu berücksichtigen. Die Regelungen müssen dabei jedoch ausreichend flexibel bleiben, um mit der Schnelllebigkeit des Internets mithalten zu können. Diese Flexibilität kann durch die Einbeziehung des „­ more technological approach“ in die rechtliche Bewertung von Vertriebsbeschränkungen im Rahmen des Internetvertriebs gewährleistet werden. So kann der Brisanz des Internetvertriebs und seinen Gestaltungsmöglichkeiten Rechnung getragen werden.

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Sachwortverzeichnis Affiliate Marketing  198 ff. Aktiver Verkauf  71 f., 120 f., 216 Alleinvertrieb  40 ff., 50 f. Amazon-Marketplace siehe Preisparitätsklausel Äquivalenzprinzip  121 f., 168 Austauschbarkeit  58 f., 60 f. Bedarfsmarktkonzept  58 f. Beschränkungen des Passivverkaufs  41 f., 50, 71 f., 73 ff. Bestpreis- und Meistbegünstigungsklauseln  171 ff. Brick & motar-store Klausel  118 f. BSH siehe Dual Pricing Cross Channel-Distribution   25, 39 de facto-Verbot des Internetvertriebs   85 ff., 115 f., 125 Depotkosmetik  82, 153 ff. Digitaler Binnenmarkt  206 f. Dispositionsfreiheit des Unternehmers siehe Handelsvertreter Doppelpreissystem siehe Dual Pricing Dornbracht siehe Dual Pricing Drittplattformverbote siehe Plattformverbote Dual Pricing  129 ff., 217 – Feste Gebühren  142 ff. – Funktionsrabatte  130 f. – Leistungsrabatte  131 f. – Zusatzrabatte  132 ff. Einführung neuer Produkte  117 f. Einkaufsgemeinschaft / Einkaufskooperation  35, 127 f., 187 f. Einseitige Maßnahme  186, 205

Einzelfreistellung  79 f., 162 f., 182, 188 Expedia siehe Bestpreis- und Meist­ begünstigungsklauseln Fixzuschüsse siehe Dual Pricing Funktionaler Unternehmensbegriff  57 Funktionsrucksäcke siehe Plattform­ verbote Gardena siehe Dual Pricing Gebietsbeschränkung  69, 128, 216 Geoblocking  205 f. Gruppenfreistellung  62, 86 Halo-Effekt  97 Handelsvertreter  191 ff., 219 – echter ~  117, 194 – Treuepflicht gegenüber ~  197 – unechter ~  194 Handelsvertreterprivileg  193 Höchstpreisbindung  180 HRS siehe Bestpreisklauseln Hybridhändler  131 Hyperlinks  126, 199 Image  81 ff. – Bedeutung  93 ff. – Imagefaktoren  98 – Imageschutz  101 ff. – Spezifischer Zusatznutzen  110 ff. Interbrand-Wettbewerb  46 Internetvertrieb  23 ff. – Convenience-Faktoren  30 f. – Cross Channel-Distribution  39 – Echter ~  25 f. – Historische Entwicklung  23 ff. – Internetauktion  60

Sachwortverzeichnis233 – Internetplattformen  38 f. – keine Belieferungspflicht reiner Internethändler  118 f. – Kernbeschränkungen des Passiv­ verkaufs  116 – Marktabgrenzung  60 f., 214 – Passivverkauf  72 f., 214 – Pflicht zum Betrieb eines Ladenlokals  118 f. – Plattformverbote  146 ff., 217 f. – Qualitative Selektionsmerkmale  47 – Qualitätsanforderungen  122 f. – Quantitative Anforderungen  124 ff. – Selektive Vertriebssysteme     42 ff., 121 – Totalverbot wegen Gefahrabwehr oder Gesundheitsgefährdung  117 – Trittbrettfahrer-Problem  36 – Ubiquität  28 – Umsatz und Absatzvorgaben  126, 142 ff. – Unechter ~  26 – Unzulässige Preisbindungen  173 f., 180 – Unzulässiges Totalverbot  115 ff., 215 – Verbot des ausschließlichen Internetvertriebs  118 ff., 215 – Verkauf über Internet-Plattformen  38 f., 147 ff. Intrabrand-Wettbewerb  46 Kundengruppen  159 ff. Kundenkreisbeschränkungen  69 f., 159 Ladenlokal  43, 118, 124 f. „Logo“-Klausel siehe Plattformverbote Markt  58 ff. Marktabgrenzung  189, 214 Marktversagen  106 ff. Marktzutrittsschranken  29, 176 Meistbegünstigungsklausel  171 ff. – echte ~  172 – unechte ~  172 Metro / Saba (I)  48, 150

Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung  189 more economic approach  79, 209 more technological approach  209 ff., 220 Partnervereinbarung siehe Plattform­ verbote Passivverkauf  72 ff., 155, 214 Pierre Fabre Dermo-Cosméthique  84 ff. – Auswirkungen  49, 84 ff. – Bewertung  87 ff., 92 – Prestigecharakter  86, 89 f. – Urteilsbegründung  85 Plattformverbote  146 ff. – mittelbare ~  165 ff., 218 – unmittelbare ~  217 f. Post-Wettannahmestelle siehe Handelsvertreter Preisbindung siehe Höchstpreis­bindung Preisparitätsklausel  171 ff., 185 ff., 219 Prestigecharakter  49, 83 f., 89 ff., 92, 151 Qualitative Selektion  47 Qualitativ-selektive Vertriebssysteme  34 Quantitative Selektion  44, 48 Quantitativ-selektive Vertriebssysteme  44 Rabatt  130 ff. Relevanter Markt siehe Markt Schulranzen und -rucksäcke siehe Plattformverbote Selektiver Vertrieb  42 ff. – Beschränkungen  50 – Einfluss auf den Wettbewerb  46 ff. – Gründe zur Einführung  43 ff. – Merkmale  42 f. – Qualitative Selektion  47 – Quantitative Selektion  47 f.

234 Sachwortverzeichnis Sonderkartellrecht  207 ff., 212 Spezifischer Zusatznutzen  95 f., 110 f. Sprunglieferungen  78 f. Spürbarkeit – der Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels  136 – der Wettbewerbsbeschränkung  63 Stationärer Handel  35 f. Totalverbot des Internetvertriebs  115 ff. – Ausnahmefälle  117 – Unzulässigkeit  116 Trittbrettfahrer-Effekt    36, 109, 139 f., 150 Unternehmerische Dispositionsfreiheit  37, 192 Vereinbarung  56 f., 63, 178 f. Versandhandel  51 ff. Vertikal-GVO  63 ff.

– Anwendungsbereich  63 f. – Internetspezifische Regelungen  64 ff. – Kernbeschränkungen nach Art. 4 Vertikal-GVO  64 ff. – Leitlinien zur Vertikal-GVO  64 f. – Rückausnahme der Kernbeschränkung i. S. v. Art. 4 lit. b  70 ff. Wettbewerb  32, 46 Wettbewerbsbeschränkung  56 ff. – Bezwecken oder Bewirken   57 – Freistellungsmöglichkeit  62, 79 – horizontale ~  57 – Konkreter Markt  58 ff. – Rechtsfolge  62 – Spürbare Außenwirkung  61 f. – vertikale ~  57 – Voraussetzungen der § 1 GWB /  Art.  101 AEUV  56 ff. Wirtschaftliche Einheit  193