Sonderabfallabgaben und Verfassungsrecht: Ein Beitrag zum Umweltschutz durch Sonderabgaben und Steuern [1 ed.] 9783428487455, 9783428087457

Der Umweltschutz durch öffentliche Abgaben steht mehr denn je im Mittelpunkt der umweltpolitischen und umweltrechtlichen

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Sonderabfallabgaben und Verfassungsrecht: Ein Beitrag zum Umweltschutz durch Sonderabgaben und Steuern [1 ed.]
 9783428487455, 9783428087457

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PETER SELMER

Sonderabfallabgaben und Verfassungsrecht

Schriften zum Umweltrecht Herausgegeben von Prof. Dr. M ich a e I Klo e p fe r, Berlin

Band 65

Sonderabfallabgaben und Verfassungsrecht Ein Beitrag zum Umweltschutz durch Sonderabgaben und Steuern

Von

Prof. Dr. Peter Selmer

Duncker & Humblot · Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme

SeImer, Peter:

Sonderabfallabgaben und Verfassungsrecht : ein Beitrag zum Umweltschutz durch Sonderabgaben und Steuern / von Peter SeImer. - Berlin : Duncker und Humblot, 1996 (Schriften zum Umweltrecht ; Bd. 65) ISBN 3-428-08745-3 NE:GT

Alle Rechte vorbehalten © 1996 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübemahrne und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Gerrnany ISSN 0935-4247 ISBN 3-428-08745-3

Inhaltsverzeichnis A. Vorbemerkung .....................................................................

9

B. Das Hessische Sonderabfallabgabengesetz i. d. F. vom 18. November 1993 .........

10

I. Zur Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

10

11. Inhalt des Hessischen Sonderabfallabgabengesetzes ............................

11

1. Vorbemerkung..............................................................

11

2. Die Konzeption der Hessischen Sonderabfallabgabe ........................

12

3. Die wesentlichen Gesetzesvorschriften im Wortlaut. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

13

III. Verfassungsrechtsprobleme der Sonderabfallabgabe ............................

16

IV. Die Sonderabfallabgabe im verfassungsrechtlichen Meinungsstreit .............

17

1. Vorbemerkung..............................................................

17

2. Die Baden-Württembergische Sonderabfallabgabe ..........................

18

3. Der Entwurf eines Bundesabfallabgabengesetzes ...........................

19

4. Die Hessische Sonderabfallabgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

22

5. Zwischenresümee ..........................................................

23

c. Kompetenzrechtliche Grundsatzfragen .............................................

24

I. Grundsätzliches ...............................................................

24

11. Die Sachzuständigkeiten der Art. 73 ff. GG als Abgabennormierungskompetenzen ... .... .... .... ....... ..... ......... .... ...... .... ... ... ...... ... ... ........

26

III. Die Sonderabfallabgabe - keine sachkompetenzexplizite oder sachkompetenzimplizite Geldleistungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

27

IV. Die entscheidende Fragestellung: Die Sonderabfallabgabe - eine sachkompetenzannexe Abgabe? ...........................................................

28

6

Inhaltsverzeichnis

1. Vorbemerkung..............................................................

28

2. Die Sonderabfallabgabe - keine Vorzugslast (Gebühr oder Beitrag) .........

30

3. Die Sonderabfallabgabe als Sonderabgabe: Prüfungsprogramm .............

31

V. Zwischenresümee ................................ . .............................

32

D. Voraussetzungen zulässiger Sonderabgaben - unter Berücksichtigung der besonderen Maßstabsfunktion der BVerfG-Iudikatur ........................................

33

I. Zur Voraussetzung der Sachkompetenz-Annexität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

33

11. Zur Voraussetzung der hinreichenden Distanz von der Finanzverfassung .......

35

1. Grundsätzliches ............................................................

35

2. Die Bewältigung der Distanz durch das BVerfG

36

ill. Ansätze einer übergreifenden Systematisierung ................................

38

E. Die Hessische Sonderabfallabgabe - eine verfassungsrechtlich zulässige Sonderabgabe? .... .... ..... ........... ........ ....... ....... ..... ... .... ............ ........

43

I. Vorbemerkung .................................................................

43

11. Allgemeine Voraussetzung: Steht dem Land Hessen sachkompetenziell die Gesetzgebungszuständigkeit für die Regelung der Sonderabfallabgabe grundsätzlich zu? ........................................................................

43

I. Die Hessische Sonderabfallabgabe und die Kompetenzzuweisung des Art. 74

Nr. 24GG ..................................................................

44

a) Zur thematischen Einschlägigkeit der ,,Abfallbeseitigung" des Art. 74 Nr. 24GG ..............................................................

44

b) Hinreichende Sachkompetenz-Annexität der Hessischen Sonderabfallabgabe als Geldleistungspflicht? ..........................................

46

2. Verbrauch der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz durch bundesgesetzliche Regelungen des Abfallrechts? .....................................

48

3. Zwischenresümee ..........................................................

53

4. Exkurs: Keine Erweiterung des Länderspielraums durch das Gesetz zur Vermeidung, Verwertung und Beseitigung von Abfällen vom 27. Sept.1994 ....

54

ill. Besondere Voraussetzung: Wahrt die Sonderabfallabgabe hinreichende Distanz zur Finanzverfassung der Art. 105 ff. GG? .....................................

55

Inhaltsverzeichnis

7

1. Die Sonderabfallabgabe - eine parafiskalische oder eine reaktive, voraussetzungsgebundene Sonderabgabe? ............................................

55

2. Zur finanzverfassungsrechlichen Zulässigkeit der Sonderabfallabgabe als parafiskalische Sonderabgabe ..............................................

59

a) Wahrung des Ausnahmecharakters des Sonderabgabeinstruments .......

59

b) Gruppenhomogenität ...................................................

61

c) Sachnähe und Gruppenverantwortung ...................................

63

aa) Spezifische Sachnähe der Sonderabfallerzeuger zu den mit der Erhebung der Sonderabfallabgabe verfolgten Zwecken ...............

63

bb) Gruppenverantwortung der Sonderabfallerzeuger für die Erfüllung der mit der Sonderabfallabgabe zu finanzierenden Aufgaben .......

64

d) Gruppennützige Verwendung des Aufkommens .........................

68

e) Zwischenresümee .......................................................

71

3. Gruhdrechtskonformität der Hessischen Sonderabfallabgabe? ...............

72

IV. Ergebnis.......................................................................

74

F. Ergänzend: Die Hessische Sonderabfallabgabe als Steuer. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

75

I. Grundsätzliches ...............................................................

75

11. Der erstmalige Anfall von Sonderabfall - ein steuerbarer Tatbestand? ..........

76

111. Ergebnis .................................................................. .. .. .

77

G. Zusammenfassung.................................................................

78

I. Kompetenzrechtliche Grundfragen ... . .. .. .. . . .. .. . . .. . .. . .. . .. . .. . . .. .. .. .. . . .

78

11. Die Hessische Sonderabfallabgabe als Sonderabgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

79

m.

Die Hessische Sonderabfallabgabe als Steuer ..................................

82

IV. Gesamtergebnis................................................................

82

H. Literaturverzeichnis ....................... .. .......................................

83

A. Vorbemerkung Seit der Verabschiedung des Abwasserabgabengesetzes im Jahre 1975 bildet das Thema des Umweltschutzes durch öffentliche Abgaben einen durchgängigen Gegenstand der umweltpolitischen und umweltrechtlichen Diskussion. Dabei hat angesichts der Eigenart des Themas im Schnittpunkt von Abgaben- und Umweltrecht rechtswissenschaftlich von Beginn an das Problem der verfassungsrechtlichen und finanzrechtlichen Rahmenbedingungen eines Umweltschutzes durch Abgaben und Steuern im Vordergrund gestanden. In diesem Zusammenhang haben in den letzten Jahren vor allem die bei der Erhebung von Abfallabgaben, insbesondere von Sonderabfallabgaben, auftauchenden rechtlichen Probleme praktische Bedeutung gewonnen. Wahrend der 1991 vorgestellte Diskussionsentwurf eines Bundesabfallabgabengesetzes indes bisher nicht umgesetzt wurde, sind zwischenzeitlich mehrere Landesgesetzgeber mit abfallabgabenrechtlichen Regelungen hervorgetreten, die vor allem auch die Erhebung einer Sonderabfallabgabe vorsehen. Gegen das Hessische Sonderabfallabgabengesetz vom 26. Juni 1991 - geändert durch Gesetz vom 18. Mai 1993 -, dessen Bestimmungen weitgehend in sachlicher Übereinstimmung mit den einschlägigen Regelungen anderer Länder stehen, ist 1993 Verfassungsbeschwerde erhoben worden, die beim Zweiten Senat des Bundesverfassungsgerichts anhängig ist. Ihr ist die Hessische Landesregierung entgegengetreten 1• Die vorliegende Arbeit unternimmt es, am Beispiel der Hessischen Sonderabfallabgabe, dabei unter Einbeziehung auch anderer landesgesetzlicher Regelungen, die sich in diesem Zusammenhang stellenden verfassungs- und finanzrechtlichen Probleme des Umweltschutzes durch Abgaben und Steuern auf breiterer Grundlage zu erörtern. Sie geht auf eine Untersuchung zurück, die der Verfasser 1994 auf Anregung der Firma Hoechst AG in Abstimmung mit dem Verband der Chemischen Industrie e. V. angestellt hat. Dabei wurde das Hessische Sonderabfallabgabengesetz in seiner vom 26. Mai 1993 an geltenden Neufassung in der am 18. November 1993 bekanntgemachten Paragraphenfolge zugrunde gelegt. Rechtsprechung und Schrifttum sind bis Anfang 1996 berücksichtigt worden.

I Unter Vorlage eines jetzt im Boorberg Verlag erschienenen, 1993 erstatteten Rechtsgutachtens von R. Hendler (künftig: Hendler, Rechtsgutachten).

B. Das Hessische Sonderabfallabgabengesetz i. d. F. vom 18. November 1993 I. Zur Entstehungsgeschichte Am 7. Mai 1991 legten die Fraktionen der SPD und der GRÜNEN dem Hessischen Landtag den Gesetzentwurf für ein Hessisches Sonderabfallabgabengesetz vor. Im Vorspruch des im übrigen einer Begründung entbehrenden Entwurfs wird als Ziel des Gesetzes "die Reduzierung des Sonderabfallaufkommens und der die Umwelt am stärksten belastenden Abfallstoffe" ausgewiesen. Dies solle "durch die Erhebung einer Sonderabgabe auf diese Abfälle erreicht werden", dessen "Aufkommen zweckgebunden (sei) für Maßnahmen der Beratung, der Erforschung und Entwicklung und der Förderung von Vorhaben einschließlich Pilotvorhaben zur Vermeidung und Verwertung besonders überwachungsbedürftiger Abfälle, sowie für Maßnahmen der Erkundung und Beseitigung von Schäden, die durch besonders überwachungsbedürftige Abfälle oder durch den Umgang mit gefährlichen, insbesondere wassergefährdenden Stoffen entstanden sind,,3. Der für die weitere Beratung federführende Umweltausschuß des Hessischen Landtages führte anläßlich seiner 3. Sitzung am 10. Juni 1991 eine öffentliche Anhörung durch, die eine unterschiedliche Einschätzung von Zweck- und Rechtmäßigkeit der geplanten Sonderabfallabgabe durch die an der Anhörung Beteiligten deutlich machte 4 • Auf der Grundlage dieser Anhörung beriet der Umweltausschuß den Gesetzentwurf in seiner Sitzung am 20. Juni 1991 und beschloß, dem Plenum des Landtages zu empfehlen, den Entwurf unter Berücksichtigung einer Reihe mündlich eingebrachter Änderungsvorschläge in zweiter Lesung anzunehmen 5 . Das schließlich vom Hessischen Landtag am 26. Juni 1991 beschlossene Hessische Sonderabfallabgabengesetz wurde am 9. Juli 1991 verkündet6 und trat am 10. Juli 1991 in Kraft7 • Mit Schreiben vom 18. Januar 19938 legte die Hessische Landesregierung dem Landtag den Gesetzentwurf für ein Gesetz zur Änderung des Hessischen SonderabLT-Drucks. 13/80 vom 7.5. 1991, S. 1 (3 ff.). LT-Drucks. 13/80, S. 1. 4 Vgl. LT-Sten.Ber., 3. Sitzung des Umweltausschusses vom 10.6.1991 (UWA 13/3). s LT-Drucks. 13/272, S. 1 mit Anlagen. 6 GVBI. I S. 218. 7 VgI. § 17 HSondAbfAbgG 1991. 8 VgI. LT-Drucks. 13/3669. 2

3

11. Inhalt des Hessischen Sonderabfallabgabengesetzes

11

fallabgabengesetzes vor. Durch seine Neuregelungen sollten ,,im Hinblick auf den Lenkungszweck unbillige oder ihm zuwiderlaufende Konsequenzen verhindert", ,,Erleichterungen in der Anwendung des Gesetzes" erreicht sowie "durch gesetzliche Präzisierungen notwendige Klarstellungen" bewirkt werden9 . Das Änderungsgesetz wurde am 18. Mai 1993 vom Hessischen Landtag beschlossen, am 25. Mai 1993 verkündet lO, am 26. Mai 1993 trat es (von mehr peripheren Ausnahmen abgesehen) in Kraftli, Auf Grund seines Art. 2 wurde sodann der Wortlaut des geänderten Hessischen Sonderabfallabgabengesetzes in neuer Paragraphenfolge am 18. November 1993 bekanntgemacht 12 •

11. Inhalt des Hessischen Sonderabfallabgabengesetzes 1. Vorbemerkung Das Hessische Sonderabfallabgabengesetz ist, wie entsprechend auch das Niedersächsische Abfallabgabengesetz vom 17. Dezember 1991 13 und das Bremische Abfallabgabengesetz vom 24. November 1992 14, in wesentlicher Weise dem Landesabfallabgabengesetz Baden-Württembergs vom 11. März 1991 15 nachgebildet. Dies dürfte auch die Ursache dafür gewesen sein, daß die Autoren des Hessischen Entwurfs auf die Beifügung einer Gesetzesbegründung glaubten verzichten zu können. Den bereits verabschiedeten Regelungen vergleichbare Gesetzentwürfe in anderen Ländern sind auf den Weg gebracht worden, so in Bayern l6, Berlin 17 , Rheinland-Pfalz l8 und Schleswig-Holstein I9 . Das Thüringische Abfallwirtschafts- und Altlastengesetz vom 31. Juli 1991 20 enthält eine (unausgeschöpfte) Verordnungsermächtigung zur Erhebung einer Abfallabgabe. Bislang noch im Vorbereitungsstadium befindet sich der 1991 präsentierte Entwurf eines Bundesabfallabgabengesetzes 21 , der sich im Gegensatz zu den landesrechtlichen Regelungen nicht auf besonLT-Drucks. 13/3669, S. 1. GVBl.I S. 171. 11 Vgl. Art. 3 des Änderungsgesetzes. 12 GVBl.I S. 611. 13 GVBI. S. 373. 14 GBI. S. 639. 15 GBI. S. 133. 16 LT-Drucks. 12/2421. 17 LT-Drucks. 10/14. 18 LT-Drucks. 12/468. 19 LT-Drucks.13/1749. 20 GVBI. S. 273. 21 Vgl. dazu Pressemitteilung des Bundesministers für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit vom 13. 9. 1991. 9

10

12

B. Das Hessische Sonderabfallabgabengesetz i. d. F. vom 18.11. 1993

ders überwachungsbedürftige Abfälle beschränkt, sondern auch Massen- und Industrieabfälle sowie die Deponierung von Abfall in die Abgabepflicht einbezieht. Für eine finanzrechtlich atypische Lösung hat sich Nordrhein-Westfalen entschieden, das in seinem Abfallgesetz vom 21. Juni 198822 die Erhebung eines sog. Linzenzentgelts für die Sonderabfallbehandlung und -entsorgung vorsieht. Die Instrumentalisierung gerade des Abgabenrechts zugunsten einer Bewältigung der Sonderabfallproblematik entspricht damit landesrechtlich einem verbreiteten und sich auf Bundesebene immerhin anbahnenden Regelungstrend23 . Wie dieser Trend verfassungsrechtlich zu beurteilen ist, läßt sich angesichts der heute überaus komplexen Abgrenzungslinien zwischen den verschiedenen Abgabentypen mit ihren deutlich voneinander abweichenden Legitimationsanforderungen nicht pauschalierend beantworten, sondern hängt jeweils von der durch den Gesetzgeber im einzelnen verfolgten Konzeption bei der normativen Ausformung der Erhebung und Verwendung der Abgabe ab.

2. Die Konzeption der Hessischen Sonderabfallabgabe Ohne die im Vorspruch des Gesetzentwurfs 24 thematisierte Reduzierungszielsetzung der Regelung noch einmal ausdrücklich zu wiederholen, bestimmt das Hessische Sonderabfallabgabengesetz 25 , daß "für" die in der Anlage zum Gesetz aufgeführten und in drei Kategorien eingeteilten Abfallarten ("abgabepflichtige Abfälle") eine nach ihrer finanzrechtlichen Eigenart nicht benannte "Abfallabgabe" zu entrichten ist (§ 1 I). Abgabepflichtig ist grundsätzlich detjenige, bei dem abgabepflichtige Abfälle erstmalig anfallen; die Abgabepflicht entsteht im allgemeinen bei der Übergabe abgabepflichtiger Abfälle an den Träger der Sonderabfallentsorgung nach Maßgabe des Hessischen Abfallwirtschafts- und Altlastengesetzes (§ 2 I, III). Bewertungsgrundlage der Abgabeerhebung ist die Zuordnung der jeweiligen Abfälle zu einer der drei Kategorien, wobei ihre Vermeidbarkeit, die Schwierigkeit ihrer umweltverträglichen Entsorgung und ihre Verwertbarkeit als Zuordnungskriterien ausdrücklich genannt werden; hieran anknüpfend beträgt der Abgabesatz für die Kategorien 1-3 nach zunächst DM 50, 100 bzw. 150 seit dem 1. Januar 1993 DM 100, 200 bzw. 300 je angefangene Tonne (§ 3).

GVNW S. 250 (§§ 10, 11). Vgl. dazu etwa die Überblicke bei Kretz, Umweltabgaben am Beispiel der Abfallabgabe und Altlastenfinanzierung, BWVP 1994, S. 29 ff.; Kügel, Sonderabfallabgaben und Altlasten, NVwZ 1994, S. 535 ff.,jew. m. Nachw. 24 AaO (0. Fußn. 3). 25 Alle im folgenden genannten Gesetzesvorschriften sind, soweit nicht besonders kenntlich gemacht, solche des Hessischen Sonderabfallabgabengesetzes (in seiner zur Zeit geltenden Fassung: vgl. Fußn. 12.). 22 23

11. Inhalt des Hessischen Sonderabfallabgabengesetzes

13

Das Aufkommen aus der Erhebung der Sonderabfallabgabe steht dem Land zu. Es wird aber nicht nach dem Gesamtdeckungsprinzip 26 verwendet, sondern ist nach ausdrücklicher Maßgabe des Gesetzes (§ 9 I) für im einzelnen aufgeführte Maßnahmen zweckgebunden, die der Beratung und Information, der Erforschung, Entwicklung und/oder Erprobung neuer Techniken sowie der Förderung von Vorhaben auf im Gesetz genannten Feldern des Sonderabfallwesens dienen (§ 9 I S. 2 Nm. 1-4), ferner aber auch für Maßnahmen, die der Erkundung, Überwachung und Bewältigung ökologischer Gefahren, Schäden und Folgelasten dienen, die durch abgabepflichtige Abfalle oder durch den Umgang mit gefährlichen Stoffen entstanden sind oder entstehen können (§ 9 I S. 2 Nr. 5). Damit hat das Hessische Sonderabfallabgabengesetz, wie schon das Landesabfallabgabengesetz von Baden-Württemberg (§ 10 S. 2 Nr. 4), das Aufkommen der Abfallabgabe auch in den Dienst der Altlastenbewältigung gestellt. Im Hessischen Landeshaushaltsplan27 - Einzelplan 10 für den Geschäftsbereich des Hessischen Ministeriums für Umwelt, Energie und Bundesangelegenheiten finden sich die Ausgaben für solche in § 9 I S. 2 genannte Verwendungszwecke unter Kapitel 1003 (Abfallwirtschaft und Altlasten), darunter insbesondere auch die für Altlastensanierungen vorgesehenen, im einzelnen ausgewiesen und erläutert. Die rechtliche Umsetzung der für die gewerbliche Wirtschaft aufgrund § 9 I S. 2 vorgesehenen Finanzierungshilfen erfolgt nach Maßgabe von ,,Richtlinien für die Gewährung von Finanzierungshilfen zur Vermeidung und Verwertung und zur Verringerung des Schadstoffpotentials von Sonderabfällen", die das Hessische Ministerium für Umwelt, Energie und Bundesangelegenheiten erlassen und im Staatsanzeiger für das Land Hessen bekanntgemacht hat28 •

3. Die wesentlichen Gesetzesvorschriften im Wortlaut Für die verfassungsrechtliche Beurteilung der Sonderabfallabgabe und damit die Klärung der leitenden Fragestellung sind, die Heranziehung weiterer Bestimmungen naturgemäß vorbehalten, im einzelnen insbesondere die nachfolgend genannten Vorschriften des Hessischen Sonderabfallabgabengesetzes von vorrangiger Bedeutung:

26 Zum (in Bund und Ländern geltenden) Gesamtdeckungsprinzip und seiner Durchbrechungsfähigkeit vgl. (zugleich für die gleichlautenden Bestimmungen des Bundes- und Länderhaushaltsrechts) § 7 HGrG: ,,Alle Einnahmen dienen als Deckungsmittel für alle Ausgaben. Auf die Verwendung für bestimmte Zwecke dürfen Einnahmen nur beschränkt werden, soweit dies durch Gesetz vorgeschrieben ist oder Ausnahmen im Haushaltsplan zugelassen worden sind". 27 Dem Verfasser liegt vor der Landeshaushaltsplan für das Haushaltsjahr 1992. 28 Vgl. Staatsanzeiger für das Land Hessen Nr. 30 vom 26.7. 1993, S. 1851 f.

14

B. Das Hessische Sonderabfallabgabengesetz i. d. F. vorn 18. 11. 1993 §I

Abgabepflichtige Abfälle (1) Die Abfallabgabe ist zu entrichten für besonders überwachungsbedürftige Abfälle gemäß den in der Anlage zu diesem Gesetz aufgeführten Abfällen aus gewerblichen oder sonstigen wirtschaftlichen Unternehmen oder öffentlichen Einrichtungen, die nach Art, Beschaffenheit oder Menge in besonderem Maße gesundheits-, luft- oder wassergefährdend, explosibei oder brennbar sind oder Erreger übertragbarer Krankheiten enthalten oder hervorbringen können (abgabepflichtige Abfälle). (2) Ausgenommen von der Abgabepflicht sind I. krankenhausspezifische Abfälle nach der Abfallbestimmungs-Verordnung, 2. Abfälle, die bei der Behandlung in Abfallentsorgungsanlagen anfallen, die im Geltungsbereich dieses Gesetzes oder des Abfallabgabengesetzes eines Landes abfallrechtlieh zugelassen sind, 3. Abfälle, die stofflich verwertet werden, ohne daß dabei das Wohl der Allgemeinheit im Sinne von § 2 Abs. I Satz 2 des Abfallgesetzes beeinträchtigt wird, 4. Abfälle, die bei der Sanierung einer Altlast nach § 16 Abs. 3 des Hessischen Abfallwirtschafts- und Altlastengesetzes anfallen, 5. Sonderabfall-Kleinmengen nach § 4 Abs. 6 des Hessischen Abfallwirtschafts- und Altlastengesetzes. (3) Der für die Abfallentsorgung zuständige Minister wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung im Rahmen des Abs. 2 Nr. 3 näher zu bestimmen, unter welchen Voraussetzungen Abfälle, die stofflich verwertet werden, abgabefrei. sind, und den Nachweis für das Vorliegen der Voraussetzungen zu regeln. Dabei ist der Lenkungszweck dieses Gesetzes, insbesondere im Hinblick auf die Stoff- und Energiebilanz und die zu erwartende Schadstoffverringerung, zu beachten. §2 Abgabepflicht (I) Abgabepflichtig ist deIjenige, bei dem abgabepflichtige Abfälle erstmalig anfallen. (2) Für abgabepflichtige Abfälle, zu deren Entsorgung der Abfallbeförderer einen Sammelentsorgungsnachweis nach § 10 der Abfall- und Reststoffüberwachungsverordnung vom 3. April 1990 (BGBl. I S. 648) verwendet, ist der Abfallbeförderer (Sammelentsorger) abgabepflichtig. (3) Die Abgabepflicht entsteht bei Übergabe abgabepflichtiger Abfälle an den Träger der Sonderabfallentsorgung nach § 4 Abs. 5 des Hessischen Abfallwirtschafts- und Altlastengesetzes. Die Abgabepflicht entsteht auch bei Übergabe abgabepflichtiger Abfälle I. zur chemisch-physikalischen oder biologischen Behandlung oder zur Verbrennung, 2. zur Ablagerung

in betriebseigenen oder sonstigen dafIIr zugelassenen Anlagen. (4) Werden abgabepflichtige Abfälle zur Entsorgung in den Geltungsbereich dieses Gesetzes verbracht, entsteht die Abgabepflicht nur, wenn die Abfälle in dem Land, in dem sie anfallen, keiner entsprechenden Abgabe unterliegen. Abgabepflichtig ist in diesem Fall der Betreiber der Anlage im Geltungsbereich dieses Gesetzes.

11. Inhalt des Hessischen Sonderabfallabgabengesetzes

15

§3 Bewertungsgrundlage, Abgabesatz (1) Die abgabepflichtigen Abfalle sind im Hinblick auf ihre Vermeidbarkeit, die Schwierigkeit ihrer umweltverträglichen Entsorgung und ihre Verwertbarkeit als Reststoffe gemäß der Anlage zu diesem Gesetz in drei Kategorien eingeteilt. . (2) Der Abgabesatz beträgt für abgabepflichtige Abfalle der

Kategorie 1

50 DM,

Kategorie 2

100 DM,

Kategorie 3

150 DM

je angefangene Tonne.

(3) Ab 1. Januar 1993 beträgt der Abgabesatz für abgabepflichtige Abfalle der Kategorie 1 Kategorie 2 Kategorie 3

100 DM, 200 DM, 300 DM

je angefangene Tonne.

§4 Bemessungsgrundlage Bemessungsgrundlage ist die Jahresmenge der abgabepflichtigen Abfälle einer Kategorie gemessen in Tonnen. Verpackungsmaterial, das mit entsorgt werden muß, ist Teil des Abfalls.

§9 Verwendungszweck (1) Die Abgabe steht dem Land zu. Das Aufkommen der Abfallabgabe ist für Maßnahmen zweckgebunden, die

1. der Beratung und Information auf dem Gebiet der Vermeidung und Verwertung abgabepflichtiger Abfälle, 2. der Erforschung und Entwicklung von Vermeidungs- und Verwertungstechniken für abgabepflichtige Abfalle, 3. der Erforschung, Entwicklung oder Erprobung umweltverträglicher und fortschrittlicher Behandlungs- und Entsorgungstechnologien, um das Schadstoffpotential abgabepflichtiger Abfalle zu verringern, 4. der Förderung von Vorhaben einschließlich Pilotvorhaben zur Vermeidung und Verwertung von abgabepflichtigen Abfallen, 5. der Erkundung, Überwachung und Bewältigung ökologischer Gefahren, Schäden und Folgelasten, die durch abgabepflichtige Abfälle oder durch den Umgang mit gefährlichen Stoffen entstanden sind oder entstehen können, dienen. (2) Nicht verausgabte Mittel werden einer Rücklage zugeführt.

16

B. Das Hessische Sonderabfallabgabengesetz i. d. F. vom 18. 11. 1993

§10 Verwaltungsaufwand Aus dem Aufkommen der Abfallabgabe wird vorweg der mit dem Vollzug dieses Gesetzes entstehende Verwaltungsaufwand gedeckt.

Für den Wortlaut der ministeriellen Richtlinien über die Gewährung von Finanzierungshilfen an die gewerbliche Wirtschaft (s. oben unter B 11 2) wird auf den Abdruck dieser Richtlinien im Staatsanzeiger für das Land Hessen29 Bezug genommen.

III. Verfassungsrechtsprobleme der Sonderabfallabgabe Bei der verfassungsrechtlichen Würdigung der Sonderabfallabgabe ist davon auszugehen, daß der hinter ihr stehende Umweltschutz, ob nun explizite Staatszielbestimmung der Verfassung (s. etwa Art. 26a HessVerf.) oder nicht, zu den gemein wichtigen Aufgaben gehört, die als "öffentliche Aufgaben" in den von Staat und Gesellschaft gemeinsam zu bewältigenden Verantwortungsbereich fallen 3o . Daß der Umweltschutz in diesem Zusammenhang gewiß ein Gemeinschaftsinteresse höchsten Ranges darstellt, bedeutet freilich nicht zwingend zugleich die Verfassungskonformität umweltschutzorientierter Regelungen. Das Stichwort Umweltschutz liefert, mit anderen Worten, kein schon per se gesetzgebungs- und eingriffslegitimierendes Blankett31 • Auch die Abfallabgabe des Hessischen Sonderabfallabgabengesetzes hat sich damit unbeschadet ihrer umweltschutzpolitischen Ambition allen formellen und materiellen Anforderungen des Grundgesetzes zu stellen. Es liegt auf der Hand, daß die besondere verfassungsrechtliche Problematik der Sonderabfallabgabe vor allem darin begründet ist, daß sie mit der gesetzlich im einzelnen geregelten umweltpolitischen Inanspruchnahme derjenigen, bei denen abgabepflichtige Abfälle erstmalig anfallen, die Auferlegung einer Geldleistungsund Finanzierungspflicht auf eine - gegenüber der Allgemeinheit der Steuerzahler - verkleinerte Gemeinschaft von Abgabepflichtigen bedeutet. Als solche gerät sie, obschon vom Gesetzgeber ersichtlich auf die Sachregelungszuständigkeiten der V gl. Fußn. 28. Vgl. zum Diskussionsstand (für viele) Kloepfer, Umweltschutz und Verfassungsrecht, 1988, S. 305 ff.; Klein, Staatsziele im Verfassungsgesetz - Empfiehlt es sich, ein Staatsziel Umweltschutz in das Grundgesetz aufzunehmen ?, DVBI 1991, S. 729 ff.; Breuer, in: SchmidtlAßmann (Hrsg.), Bes.Verwaltungsrecht, 10. Aufl. (1995), S. 438 f., 452 f.; Bl"Önneke, Vom Nutzen einer einklagbaren Umwelt-Verfassungsnorm, ZUR 1993, S. 1 ff.; zuletzt Jahn, Empfehlungen der Gemeinsamen Verfassungskommission zur Änderung und Ergänzung des Grundgesetzes, DVB11994, S. 177 ff. 31 Vgl. entsprechend bereits für das Gemeinwohlgut Wettbewerb Seimer, Untemehmensentflechtung und Grundgesetz, 1981, S. 17 m. weit. Nachw. 29

30

IV. Die Sonderabfallabgabe im verfassungsrechtlichen Meinungsstreit

17

grundgesetzlichen Kompetenzordnung gestützt32, nicht nur in abgrenzungsbedürftige unmittelbare Berührung mit der für Steuern vorgesehenen und auf diese beschränkten Finanzverfassung der Art. 105 f. GG mit ihren dort normierten speziellen Gesetzgebungs- und Ertragszuweisungen. Sie wirft vielmehr im Zusammenhang damit und unbeschadet ihrer rechtlich nicht ausgeschlossenen Überwälzbarkeit auf die Abnehmer der abfallträchtig produzierten Waren auch die Frage ihrer Vereinbarkeit mit dem Grundsatz der Lastengleichheit (Art. 3 I GG) auf, dem gegenüber sie sich angesichts ihres Sonderlastcharakters durch einen besonderen Zurechnungsgrund rechtfertigen muß. Der Umstand, daß der Bundesgesetzgeber auf den in Rede stehenden Sachgebieten der konkurrierenden Gesetzgebung bereits mannigfach regelnd tätig geworden ist (Abfallgesetz, Bundes-Imrnissionsschutzgesetz)33, läßt es angesichts Art. 72 I GG daneben schließlich als problematisch erscheinen, ob das einschlägige Bundesrecht noch kompetenzrechtlichen Raum für eine landesrechtliche Regelung der vorliegenden Art läßt. Nach einem Überblick über die Sonderabfallabgabe im verfassungsrechtlichen Meinungsstreit (B IV) und einer näheren Aufbereitung der kompetenzrechtlichen Grundsatzfragen (C I - V) wird sodann nachfolgend auf der Grundlage vor allem der BVerfG-Judikatur (D I - III) im einzelnen zu prüfen sein, ob die Sonderabfallabgabe in ihrer Ausformung durch das Hessische Sonderabfallabgabengesetz als außersteuerliche Abgabe grundgesetzlichen Postulaten genügt (E I - III). Eine ergänzende verfassungsrechtliche Würdigung der Sonderabfallabgabe als Steuer (F) sowie eine Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse der Untersuchung (G) schließen sich an.

IV. Die Sonderabfallabgabe im verfassungsrechtlichen Meinungsstreit 1. Vorbemerkung Das Grundgesetz reagiert, das darf hier vorausgesetzt werden, auf alle um die Verfassungsrechtsproblematik außersteuerlich angesiedelter Abgaben kreisenden Fragen überaus sensibel. Auch vorliegend erscheint daher eine Berücksichtigung der in ihren verschiedenen Modellen voneinander abweichenden Tatbestandsausgestaltungen der Sonderabfallabgabe unabdingbar. Mögen diese Abweichungen prima facie auch eher peripher anmuten, so verbieten sie doch, die Sonderabfallabgabe sozusagen als solche, d. h. abstrahiert von ihrer konkreten gesetzlichen Ausformung in einer Art typisierter Gestaltung, verfassungsrechtlich zu würdigen. Auf 32 Vgl. Fußn. 3 sowie (implizite) § 13 des Hessischen SonderabfalJabgabengesetzes, demzufolge bestimmte Vorschriften der AO "entsprechend anzuwenden" sind; dabei soll u. a. jeweils "an die Stelle des Wortes ,Steuer(n), das Wort ,Abgabe(n)''' treten (§ 13 I Nr. 2). 33 Vgl. den Überblick bei Breuer (0. Fußn. 30), S. 454, 527 ff., 561 ff.

2 Sehner

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B. Das Hessische Sonderabfallabgabengesetz i. d. F. vom 18.11. 1993

dieser Grundlage bietet sich an, zunächst die Diskussion um die Baden-Württembergische Sonderabfallabgabe ins Auge zu fassen, die nach fehlgelaufenen älteren Ansätzen auf Bundesebene eine gewisse Vorreiterrolle für sich in Anspruch nehmen kann, um sodann, soweit bereits erkennbar, den Stand des Meinungsstreits um die Hessische Sonderabfallabgabe sowie um den Diskussionsentwurf eines Bundesabfallabgabengesetzes nachzuzeichnen.

2. Die Baden-Württembergische Sonderabfallabgabe Die Bundestagsfraktion der GRÜNEN hatte bereits am 21. 5. 1986 eine auf Art. 74 Nr. 24 GG gestützte Sondermüllabgabe auf problematische Abfälle im Parlament eingebracht34 , die zweckgebunden für Maßnahmen der Altlastensanierung sein sollte. Durchzusetzen vermochte dieser Ansatz sich nicht. Ich selbst hielt ihm 1987 verfassungsrechtlich entgegen, es fehle der vorgeschlagenen Abgabe schon angesichts der "Einbeziehung auch solcher Sondermüllproduzenten, die als solche zur Zeit der Altlastenentstehung noch nicht existent waren, ... an durchgängiger gleichheitskonformer Sachnähe der Abgabepflichtigen zum Abgabezweck, vor allem aber an der gruppennützigen Verwendung des erzielten Abgabeaufkommens,,35. Das gedanklich in mancher Hinsicht an das Konzept der GRÜNEN anknüpfende Landesabfallabgabengesetz Baden-Württembergs vom März 1991 36 sah sich alsbald kritischen Einwänden ausgesetzt, die sich u. a. auch meine vorstehenden Verfassungsbedenken zu eigen machten. In seinem im Auftrage der BASF Aktiengesellschaft, Ludwigshafen, erstatteten Rechtsgutachten vom November 1991 37 gelangte indes Kloepfer vorab bereits zu dem Ergebnis, daß das Land Baden-Württemberg keine Gesetzgebungskompetenz zur Erhebung einer Sonderabgabe zur Eindämmung des Sonderabfallaufkommens besitze, weil eine landesgesetzgeberische Aktivität auf dem durch § la i.V. mit § 14 AbfG abschließend erfaßten Bereich der Abfallvermeidung, die unter den Kompetenztitel ,,Abfallbeseitigung" des Art. 74 Nr. 24 GG falle, nach Maßgabe des Art. 72 I GG verfassungsrechtlich nicht möglich sei 38 . Hiervon abgesehen, sprach Kloepfer der Abfallabgabe, soweit sie sich auf die Altlastensanierung bezog, die Erfüllung der an ,,Finanzierungssonderabgaben" im Sinne des BVerfG zu stellenden Legitimationsanforderungen durchBT-Drucks. 10/5531, S. 25 ff. Vgl. Seimer, Finanzierung des Umweltschutzes und Umweltschutz durch Finanzierung, in: Thieme (Hrsg.), Umweltschutz im Recht, 1988, S. 25 ff. (47). 36 Vgl. bei und in FuBn. IS. 37 Kloepfer, Verfassungsrechtliche Zulässigkeit der baden-wUrttembergischen Sonderabfallabgabe, Rechtsgutachten zum Landesabfallabgabengesetz des Landes Baden-Württemberg vom 6. März 1991, erstattet im Auftrag der BASF Aktiengesellschaft, Ludwigshafen, November 1991 (künftig: Kloepfer, Rechtsgutachten). 38 Kloepfer, Rechtsgutachten, S. 48 ff. 34

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IV. Die Sonderabfallabgabe im verfassungsrechtlichen Meinungsstreit

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gehend ab: Es fehle nicht nur an der gebotenen Gruppenverantwortung und gruppennützigen Verwendung des Aufkommens, sondern, womit Kloepfer über die von mir am GRÜNEN-Entwurf geübte Kritik noch hinausging, auch schon an der Homogenität der belasteten Gruppe der Sonderabfallerzeuger39 . In einem 1992 zusammen mit Schulte publizierten Beitrag zu den ,,zuständigkeitsgrenzen bei der Einführung landesrechtlicher Abfall(Sonder-)abgaben" bestätigte Kloepfer seine rechtsgutachtlich ausgebreiteten Thesen40 . N. Steiner schloß sich wenig später im Rahmen eines veröffentlichten Vortrages über "Umweitabgaben im Spannungsfeld von Politik, Wissenschaft und Verfassungsrecht" den bislang geäußerten Einwänden gegen die baden-württembergische Abfallabgabe an41 . Er erklärte auf dieser Grundlage, da die neben der Altlastensanierung im Gesetz ferner genannten weiteren Verwendungszwecke der Abgabe ,,nur vorgeschoben" seien, diese für ,,in toto verfassungswidrig,,42. Zwei der baden-württembergischen Umweltverwaltung zuzuordnende Autoren - R. Kühner und C. Kretz - schließlich sind etwaigen Bedenken an der Verfassungsmäßigkeit der Abfallabgabe dadurch zuvorgekommen, daß sie letztere ,,in erster Linie als Lenkungssonderabgabe" qualifizierten, die den Postulaten der Gruppenverantwortlichkeit und der Gruppennützigkeit nicht unterlägen43 . Substantielle Meinungsäußerungen der Literatur zum Niedersächsischen Abfallabgabengesetz vom Dezember 1991 oder zu anderen außerhessischen Landesregelungen liegen, soweit ersichtlich, bislang nicht vor. Dabei darf das LizenzentgeltModell des Landes Nordrhein-Westfalen als in concreto nicht einschlägig hier außer Betracht bleiben44 .

3. Der Entwurf eines Bundesabfallabgabengesetzes

Zum 1991 vorgestellten Diskussionsentwurf eines Bundesabfallabgabengesetzes hat erstmals Köck ausführlicher Stellung genommen. In einem im selben Jahr erKloepfer, Rechtsgutachten, S. 70 ff. Vgl. KloepferlSchulte, Zuständigkeitsgrenzen bei der Einführung landesrechtlicher Abfall(Sonder-)Abgaben, UPR 1992, S. 201 ff. 41 Vgl. Steiner, Umweltabgaben im Spannungsfeld von Politik, Wissenschaft und Verfassungsrecht, StVj 1992, S. 205 ff. 42 Steiner, StVj 1992, S. 205 (215). 43 Vgl. Kühner, Das neue baden-württembergische Landesabfallabgabengesetz, VBIBW 1991, S. 201 ff. (205); Kretz, Umweltabgaben arn Beispiel der Abfallabgabe und Altlastenfinanzierung, BWVP 1994, S. 29 ff. (30). 44 Vgl. dazu Salzwedel, Sonderabfallentsorgung und Altlastensanierung, Rechtsgutachtliche Stellungnahme zum Nordrhein-Westfalen-Modell, hrsg. vorn Ministerium für Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft des Landes Nordrhein-Westfalen, 1987, S. 45 ff.; Kloepfer/Follmann, Lizenzentgelt und Verfassungsrecht, DÖV 1988, S. 573 ff.; Breuer (0. Fußn. 30), S. 488 f. 39

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B. Das Hessische Sonderabfallabgabengesetz i. d. F. vom 18. 11. 1993

schienenen ersten Beitrag45 würdigte er die hier ausgefonnten Abgaben in Anlehnung an die Bewertung der naturschutzrechtlichen Ausgleichsabgabe durch das BVerwG als "Sonderabgabe eigener Art", auf welche die für Finanzierungssonderabgaben entwickelten Kriterien nicht paßten. Hiervon ausgehend bestünden gegen sie keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken: Sie sei umweltpolitisch zwecktauglich, auch könne der Anreiz zur Abfallvenneidung und -verwertung nur über ein ökonomisch wirkendes Instrument geschaffen werden, schließlich stehe die Mittelverwendung in einem Sachzusammenhang mit dem Abfallproblem46 . 1993 sah Köck die Abfallabgaben des Entwurfs dann freilich etwas kritischer47 • Nicht mehr apriori ausschließend, daß auf diese Abfallabgaben "die strengen Kriterien, die das BVerfG für die sog. Finanzierungssonderabgaben entwickelt hat", anzuwenden sind, resümiert er für diesen Fall: Insbesondere die Kriterien der Gruppenverantwortung und der gruppennützigen Aufkommensverwendung dürften dann wegen des herausragenden Stellenwerts der Altlastensanierung im Entwurf ,,kaum als erfüllt angesehen werden können". Die Deponieabgabe sei gar noch besonderen Anfechtungen ausgesetzt, da den Deponiebetreibern keine besondere Sachverantwortung für die Abfallminderung aufgebürdet werden könne; soweit man aber mit den Entwurfsverfassern eine umweltverträgliche Entsorgung als weiteres Interventionsziel in Rechnung stelle und diesbezüglich den Deponiebetreibern eine besondere Sachverantwortung bescheinige, profitiere nicht gerade die letztere Gruppe, sondern die Allgemeinheit von der Verausgabung der Mittel für diesen Zweck48 • Allerdings stellt Köck auch in diesem Beitrag die weitere Frage, ob die Abfallabgaben ,,mit der Entgegensetzung von Finanzierungs- und Lenkungszweck wirklich zutreffend erfaßt sind" - es im Ergebnis (ohne dies auszuformulieren) aufgrund ihres "umweltschutzvorsorgenden Instrumentalcharakters" jedenfalls "für möglich" haltend, "daß dem Gesetzgeber eine überzeugende Begründung für die Einführung des Abgabeinstruments gelingen kann". Zuvor muß nach seiner Überzeugung freilich deutlich gemacht werden, warum nicht ordnungsrechtliche Instrumente und Abfallentsorgungsgebühren zur Zielerreichung genügten. Gerade der letztere Aspekt war kurz zuvor auch schon von Trzaskalik nachdrücklich in die abfallabgabenrechtliche Diskussion eingeführt worden49 • Zwischen die beiden Abhandlungen von Köck schob sich 1992 eine ausführliche Begutachtung des Entwurfs durch Arndt, der auf der Grundlage der Judikatur des 45 Köck, Das geplante Abfallabgabengesetz des Bundes - Bericht über den Gesetzesentwurf und verfassungsrechtliche Würdigung, IUR 1991, S. 186 ff. 46 Köck, IUR 1991, S. 186 (189 f.). 47 VgI. Köck, Umwcltabgaben - Quo vadis ? - Entwicklungstcndcnzen des Umwcltabgabenrcchts unter besonderer Würdigung des Entwurfs eines Abfallabgabcngcsetzcs, JZ 1993, S. 59 ff. 48 Hierzu und zum Folgenden vgl. Köck, JZ 1993, S. 59 (66 f.). 49 Vgl. Trzaskalik, Der instrumentelle Einsatz von Abgaben - Bemerkungen zum Entwurf eines Abfallabgabengesetzes, StuW 1992, S. 135 ff. (146, 149 und passim).

IV. Die Sonderabfallabgabe im verfassungsrechtlichen Meinungsstreit

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BVerfG sowohl hinsichtlich der Venneidungsabgabe als auch hinsichtlich der Deponieabgabe zu dem Schluß mangelnder Verfassungskonformität gelangte und damit ersichtlich auch die letzterwähnte Stellungnahme Köck's beeinflußte50 • Unbeschadet ihm begründet erscheinender Zweifel, ob es sich bei diesen Abgaben nicht in Wahrheit überwiegend um Steuern handele, spricht er ihnen das Vorliegen sämtlicher an (Finanzierungs-)Sonderabgaben zu richtenden allgemeinen und besonderen Voraussetzungen ab: Schon den Ausnahmecharakter des Sonderabgabeinstruments sieht Arndt nicht als gewahrt. Darüber hinaus fehle es für die Deponieabgabe an der Begrenzung auf eine homogene Gruppe, für die Deponie- und die Vermeidungsabgabe aber, soweit es bei letzterer um unvenneidbaren Abfall geht, an der gebotenen Sachnähe und Gruppenverantwortung sowie schließlich durchgehend für alle Abgaben und insbesondere (aber nicht nur) hinsichtlich des Verwendungszwecks der Altlastensanierung an der gruppennützigen Verwendung des Abgabeaufkommens51 • Hinzu kommt nach Ansicht von Arndt, daß sich die vom BVerfG hervorgehobene sonderabgabenspezifische Periodizität der Abgabenerhebung auf die Abfallproblematik nicht projizieren lasse, weil es sich hier um eine staatliche Daueraufgabe handele, die grundSätzlich über Steuern zu finanzieren sei. Zuletzt hat sich unter dem Thema "Sonderabfall und Altlasten" J. W. Kügel in einem im Juni 1994 erschienenen Beitrag der vorliegenden Problematik angenommen52• Er hält, was jedenfalls den Verwendungszweck der Altlastensanierung anbetrifft, die Sonderabfallabgabe aller (mit Sonderabfallabgabengesetzen hervorgetretenen) Länder als Sonderabgabe unter sämtlichen in Betracht kommenden Gesichtspunkten für verfassungswidrig. Nicht nur spricht er, im Hinblick auf die kompetenzielle "Sperrwirkung" des Bundesabfallgesetzes, den Ländern die Gesetzgebungszuständigkeit für ihre Regelung ab 53 . Er verneint auch, ausgehend vom Charakter der Abgabe als ,,Finanzierungssonderabgabe", in bezug auf die Altlasten sanierung das Vorliegen aller herkömmlichen Rechtmäßigkeitskriterien: Schon die Gruppenhomogenität wird der Abgabe abgesprochen; hinsichtlich Sachnähe und Gruppenverantwortung sowie hinsichtlich Gruppennützigkeit folgt Kügel dann im wesentlichen dem Votum der bisherigen Kritiker der Abgabe, darüber hinaus darauf verweisend, daß bereinigungsbedürftige Altlasten auch durch die "Allgemeinheit" verursacht worden sein könnten, weswegen die ,,Annahme einer überwiegenden Verantwortlichkeit der Gruppe der Sonderabfallerzeuger rein spekulativ erschiene". Schließlich rügt er auch das durchgängige Fehlen einer auf den Wegfall der Belastungslegitimation gerichteten "Prüfungspflicht des Gesetzgebers" in den Landesabfallgesetzen als verfassungswidrig.

50 Vgl. Arndt, Entwurf eines Bundesabfallabgabengesetzes und das Grundgesetz, BB, Beilage 8 zu Heft 13/1992, S. 1 ff. 51 Hierzu und zum Folgenden Arndt, BB, Beilage 8 zu Heft 13/1992, S. 8 ff. 52 Vgl. Kügel, Sonderabfallabgaben und Altlasten, NVwZ 1994, S. 535 ff. 53 Vgl. hierzu und zum Folgenden Kügel, NVwZ 1994, S. 535 (538 ff.).

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B. Das Hessische Sonderabfallabgabengesetz i. d. F. vom 18. 11. 1993

N. Steiner, der über das baden-württembergische Landesabfallabgabengesetz 54 hinaus auch den Diskussionsentwurf eines Bundesabfallabgabengesetzes in den Blick genommen hat, greift für letzteren auf seine gegenüber dem ersteren Gesetz insbesondere unter dem Aspekt der Gruppennützigkeit geübte Kritik zurück, um diese Kritik sodann für die Deponieabgabe des Bundesentwurfs um den Vorwurf fehlender Gruppenverantwortung zu erweitern. Grundsätzlich gibt Steiner zu bedenken, daß die "laufend steigenden Entsorgungskosten" - von bundesweit ca. 1,7 Mrd. für die chemische Industrie - "ausreichenden ökonomischen Druck auf die Unternehmen zur Abfallvermeidung" erzeugten. Im übrigen zwinge ,,§ 5 I Nr. 3 BImSchG Betreib~r genehmigungsbedürftiger Anlagen, so zu agieren, daß möglichst wenig Reststoffe und damit Abfalle" entstünden: "Dennoch entstehende Abfalle sind somit unvermeidbar, eine Abgabe darauf ginge ins Leere und wäre verfassungsrechtlich wohl kaum zu rechtfertigen,,55.

4. Die Hessische Sonderabfallabgabe Das vorliegend in Rede stehende Hessische Sonderabfallabgabengesetz ist bisher ebensowenig wie das Niedersächsische Abfallabgabengesetz Gegenstand vertiefender literarischer Auseinandersetzung gewesen. Die Verfahrensbevollmächtigten der gegen das Hessische Sonderabfallabgabengesetz erhobenen Verfassungsbeschwerde haben in ihrer Beschwerdeschrift vom 24. Juni 1992 sowie in ihrem Schriftsatz vom 7. Oktober 1992 naturgemäß die gegen die Sonderabfallabgabe geltend gemachten verfassungsrechtlichen Kritikpunkte näher herausgearbeitet. Dem ist der Verfahrensbevollmächtigte der Hessischen Landesregierung, vor allem vermittels des von ihm im Auftrag der Hessischen Landesregierung erstatteten Rechtsgutachtens vom Oktober 199356 , im einzelnen entgegengetreten. Er hält die Hessische Sonderabfallabgabe für durchgehend verfassungsrechtlich bedenkenfreL Dabei geht er in erster Linie von der durch ihn näher herausgearbeiteten Prämisse aus, daß es sich bei der Hessischen Sonderabfallabgabe um eine Lenkungssonderabgabe LS. der Judikatur des BVerfG handele, für die die Voraussetzungen der Gruppenverantwortung und der gruppennützigen Verwendung keine oder nur eingeschränkte Geltung besäßen57 . Für den - von ihm verneinten - Fall, daß es sich bei der Hessischen Sonderabfallabgabe um eine Finanzierungssonderabgabe handeln sollte, legt er in einem Exkurs dar, daß es an der gebotenen Gruppenverantwortung bei Lichte betrachtet nicht fehle, während die gruppennützige Verwen54

Vgl. oben bei und in Fußn. 41 f.

ss Vgl. Stciner, StVj 1992, S. 205 (216-218). - Vgl. grds. kritisch zum Einsatz des Son-

derabgabeinstruments im Abfallwesen ("ein Holzweg") zuletzt F. Kirchhof, Umweltabgaben im Abfallwesen, DVB11994, S. 1101 (1104 ff.); Zitzelsberger, Umwelt und Besteuerung, BB 1995, S. 1769 (1777 f.). 56 Vgl. oben bei und in Fußn. 1. 57 Hendler, Rechtsgutachten, S. 54 ff. (59 f.), 60 ff.

IV. Die Sonderabfallabgabe im verfassungsrechtlichen Meinungsstreit

23

dung des Aufkommens dort, wo sie nach der Eigenart des Verwendungszwecks nicht vorliege, ausnahmsweise entbehrlich sei58 •

5. ZwischenresÜDlee Als zusammenfassender Befund des vorstehenden Überblicks bleibt zu registrieren: Die Sonderabfallabgabe ist - sei es in der Ausformung in Baden-Württemberg oder in Hessen, sei es in der Fassung des bundesrechtlichen Diskussionsentwurfs nach Maßgabe der bisher vorliegenden Stellungnahmen auf nachhaltige verfassungsrechtliche Kritik gestoßen, während eine Mindermeinung ihr aktuell (so die Hessische Landesregierung) oder doch jedenfalls potentiell eine ausreichende Begründungs fähigkeit zugesteht. Die geltend gemachte Kritik läßt sich dahin zusammenfassen, daß es sich bei der Sonderabfallabgabe um eine grundgesetzlich unzulässige, weil kompetenz- und sachwidrige finanzielle Inanspruchnahme einer gegenüber der Gemeinschaft der Steuerzahler beschränkten Lastengemeinschaft für solche nicht gerade die Interessen der Pflichtigen, sondern Interessen der Allgemeinheit berührende allgemeine Staatsaufgaben handele. Im folgenden wird zu prüfen sein, ob die gegen die Sonderabfallabgabe laut gewordenen verfassungsrechtlichen Bedenken näherer Prüfung standhalten.

58 Hendler, Rechtsgutachten, S. 63 ff., 75. - Der VGH Kassel hat in einem im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes (§ 80 VwGO) ergangenen Beschluß vom 16. 3. 1995, NVwZ-RR 1995, S. 602, die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Hessischen Sonderabfallabgabe ausdrücklich offengelassen und dem Hauptsacheverfahren vorbehalten.

c. Kompetenzrechtliche Grundsatzfragen I. Grundsätzliches Bei der kompetenzrechtlichen Zuordnung der Hessischen Sonderabfallabgabe ist von der Einsicht auszugehen, daß die Steuer (und nur sie) in der bundesstaatlichen Kompetenzordnung des Grundgesetzes - in Art. 105 ff. GG - eine ausdrück·liche und spezielle Regelung erfahren hat, die sich deutlich von dem Regime der allgemeinen Sachzuständigkeiten in Art. 73 ff. GG abhebt, den die nichtsteuerlichen Geldleistungspflichten - also insbesondere die Gebühren, Beiträge und Sonderabgaben - unterliegen59 • Das Grundgesetz zieht also eine strikte kompetenzrechtliche Trennungslinie zwischen den Steuern und den nichtsteuerlichen Abgaben. Die Grenze zwischen letzteren und den Steuern zu beachten, d. h. zwischen ihnen begrifflich zu unterscheiden, ist damit durchgehend, d. h. ausnahmslos eine (auch) verfassungskräftige Forderung60 • Nur so sind die besonderen Bestimmungen, die in der föderativen Finanzverfassung für die Steuern und die Verteilung ihres Aufkommens getroffen sind, vor Aushöhlung und Störungen durch den einfachen Gesetzgeber geschützt und auf diese Weise mittelbar zugleich die Belange des Individualschutzes der lastentragenden Bürger gewahrt61 , auf deren ,,keineswegs unerschöpfliche Ressourcen" das BVerfG gerade im vorliegenden Zusammenhang mit Recht ausdrücklich verwiesen hat62 • Dem entspricht, daß die gesetzgeberische Selbstcharakterisierung der Abgabe, von einer gewissen Bedeutung als indizieller Anhalt und Auslegungsgesichtspunkt freilich abgesehen, keine typenzuweisende Kraft hat63 . D.h. der Abgabengesetzgeber hat grundsätzlich keine abgabenbegriffliche Qualifikationskompetenz. Er kann 59 Zu den Art. 105 ff. GG als speziellen und gegenüber den Art. 73 ff. GG vorrangigen Kompetenzbestimmungen vgI. BVerfGE 3, 407 (435 f.); 4, 7 (13); 7, 244 (251); 13, 181 (196 f.); 14, 76 (99); 16, 147 (162); st. Rspr.; vgI. auch SeImer, Steuerinterventionismus und Verfassungsrecht, 1972, S. 86, 184. 60 VgI. SeImer, Steuerinterventionismus und Verfassungsrecht, S. 184; Brodersen, in: Festschr. f. Wacke, 1972, S. 103 ff. (107); Isensee, in: Staatsfinanzierung im Wandel, 1982, S. 435 ff. (438); aus der Judikatur des BVerfG grdI. BVerfGE 7,244 (251 f.). 61 V gI. auf letzteren Aspekt hinweisend auch BVerfGE 67, 256 (290). 62 VgI. BVerfGE 78, 249 (266); s. ähnlich schon BVerfGE 67, 2S6 (286) unter Hinweis auf "das keineswegs unerschöpfliche finanzielle Leistungsvermögen der Bürger". 63 VgI. hierzu und zum Folgenden bereits SeImer, in: Umweltschutz im Recht (0. Fußn. 35), S. 35; Selmer/Brodersen/Nicolaysen, Straßenbenutzungsabgaben für den Schwerverkehr, 1989, S. 49; SeImer, Verfassungsrechtliche und finanzrechtliche Rahmenbedingungen, in: Umweltschutz durch Abgaben und Steuern, UTR 16, 1992, S. 15 ff. (27 f.).

1. Grundsätzliches

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also eine von ihm fonnulierte Abgabe nicht schon durch ihre ausdrückliche Benennung einer bestimmten Abgabenkategorie zuordnen - und zwar auch dann nicht, wenn die haushaltsmäßige Behandlung des Aufkommens die Etikettierung zu bestätigen scheint. So ist es ihm auch verwehrt, eine von ihm ausgestaltete Umweltabgabe allein dadurch den besonderen verfassungsrechtlichen Gesetzgebungs- und Ertragszuweisungen für Steuern zu entziehen, daß er sie fonnal als "Gebühr", "Beitrag" oder sonstige außersteuerliche Abgabe ausgibt oder es gar unternimmt, das Aufkommen unter Zuweisung an einen besonderen Fonds oder ein Sondervermögen überhaupt vom Haushalt fernzuhalten. Entscheidend sein kann nur, wie der materielle Inhalt der Abgabe, d. h. ihre eigentliche Regelungssubstanz zu beurteilen ist64 • Die mangelnde abgabenbegriffliche Qualiflkationskompetenz des einfachen Gesetzgebers bedeutet freilich letztlich nur den Ausschluß eines konstitutiven Deklarierungsrechts, nicht eine apriorische Verengung der grundsätzlich ihm obliegenden Aufgabenerfüllungsentscheidung - etwa zugunsten der Steuererhebung. Zwar liegt der grundgesetzlichen Finanzverfassung die Vorstellung zugrunde, daß die Finanzierung der staatlichen Aufgaben in Bund und Ländern grundsätzlich aus dem Ertrag der in Art. 105 ff. GG geregelten Einnahmequellen erfolgt (Prinzip des Steuerstaates)65. Abgesehen davon, daß die verfassungsrechtliche Wirkkraft des Steuerstaat-Prinzips naturgemäß mit zunehmendem Sachregelungsgehalt der Abgaben abnimmt, läßt sich weder ihm noch ansonsten der Verfassung eine so konkrete, d. h. die Wahl des jeweiligen Abgabentyps wesentlich präjudizierende Aussage entnehrnen 66 . Vielmehr obliegt es nach Maßgabe der jeweiligen Sachlage und im Rahmen der sonstigen (auch der materiellen) Verfassung grundsätzlich dem Ermessen des einfachen Gesetzgebers, ob er eine Aufgabe über einen steuerlichen Zugriff oder - sozusagen über die Peripherie - verrnittels der Erhebung von Gebühren, Beiträgen oder Sonderabgaben bewältigen will. Er ist dabei allerdings umfassend der jeweils von ihm ins Auge gefaßten Abgabenkategorie verpflichtet. Entschließt sich der Gesetzgeber daher, eine Aufgabe nicht in Anwendung der Art. 105, 106 GG über eine Steuer zu erledigen, sondern über eine nichtsteuerliche Abgabe, so ist dies verfassungsrechtlich nur zulässig, wenn ihm die tatbestandliche Ausgestaltung der Abgabe als eine nichtsteuerliche, d. h. vor allem die Distanzwahrung zur Steuer unter Einbringung der speziflschen Wesens merkmale der ge64 Auf den "materiellen Gehalt" einer Abgabe als ausschlaggebend abstellend vgl. BVerfGE 7,244 (252); 49,343 (353); 55, 274 (304 f.). 65 Vgl. zu diesem - neuerdings auch vorn BVerfG (E 78, 249, 267; 82,159,178) ausdrücklich anerkannten - ,.Prinzip des Steuerstaates" näher Isensee, Steuerstaat als Staatsform, in: Festsehr. f. Ipsen, 1977, S. 409 (434, 436); K. Vogel, Der Finanz- und Steuerstaat, in: HStR I, 1987, § 27 Rdnr. 70; P. Kirchhof, Die Steuer als Ausdruck der Staatsverfassung, in: Festsehr. f. Sendler, 1991, S. 65; Selmer/Brodersen/Nicolaysen, Straßenbenutzungsabgaben (0. Fußn. 63), S. 47. 66 Vgl. hierzu und zum Folgenden näher Seimer, in: Umweltschutz durch Abgaben und Steuern (0. Fußn. 63), S. 26 f. m. weit. Nachw.

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C. Kompetenzrechtliche Grundsatzfragen

wählten Kategorie (Gebühr, Beitrag, Sonderabgabe) in materiell hinreichender Weise gelingen kann und gelingt. Nach alledem kommt vorliegend sehr wohl dem Umstand Bedeutung zu, daß der Hessische Gesetzgeber die von ihm geschaffene Sonderabfallabgabe ersichtlich nicht auf steuerliche Gesetzgebungskompetenzen, sondern auf sich ihm nach Maßgabe des Art. 72 I GG anbietende Sachzuständigkeiten gern. Art. 74 GG, genauer: auf Art. 74 Nr. 24 GG, stützen wollte und gestützt hat67 • Auf der Grundlage der vorstehenden Einsichten ist an diese dirigierende Leitentscheidung des einfachen Gesetzgebers anzuknüpfen, mithin unbeschadet des speziellen Charakters der für "Steuern" geltenden Kompetenzen 68 im folgenden vorrangig zu prüfen, ob der Hessische Landesgesetzgeber den von ihm für die Sonderabfallabgabe gewählten Weg über die Inanspruchnahme der Sachzuständigkeiten mit Recht gegangen ist.

11. Die Sachzuständigkeiten der Art. 73 tT. GG als Abgabennonnierungskompetenzen Bei der grundsätzlichen Klärung der vorliegenden Kompetenzfrage ist von der in ihrer Allgemeinheit nicht ohne weiteres selbstverständlichen, aber in der Rechtsprechung des BVerfG vielfach wiederholten und hier nicht in Frage zu stellenden These auszugehen, daß die Sachkompetenzen der Art. 73 ff. GG potentiell auch die Auferlegung von Geldleistungspflichten und in diesem Zusammenhang auch die Normierung öffentlicher Abgaben einschließen69 . Dieser Ausgangsposition folgend läßt sich, wie ich dies vor einiger Zeit vorgeschlagen habe, systematisierend an den unterschiedlichen Grad der Verankerungstiefe der Abgaben in den Sachkompetenzen anknüpfen und prüfen, ob sich den jeweils in Betracht kommenden Zuständigkeiten Abgabennormierungsrechte als sachkompetenzexplizite, als sachkompetenzimplizite oder nur als sachkompetenzannexe Konsequenzen dieser Zuweisungen ergeben70 • Als sachkompetenzexplizite öffentliche Abgaben bezeichne ich jene, die - wie die Straßenbenutzungsgebühren des Art. 74 Nr. 22 GG - kompetenzrechtlich ausdrücklich in der jeweiligen Sachzuständigkeit angelegt sind7l • Sachkompetenzimplizit sind jene Abgaben, bei denen die Sachzuständigkeit, wenn auch nicht ausdrücklich, so doch "bereits aus sich heraus"n, d. h. ,,ihrer Art Vgl. bereits oben bei und in Fußn. 32. Vgl. die Nachw. in Fußn. 59. 69 Vgl. BVerfGE 4,7 (13); 8, 274 (317); 18,315 (328 f.); 29, 402 (409); 37, I (16 f.); 67, 256 (274). 70 Vgl. SeImer, in: Umweltschutz durch Abgaben und Steuern (0. Fußn. 63), S. 15 (40). 71 Vgl. zu der ausdrücklichen Gebührengesetzgebungskompetenz des Art. 74 Nr. 22 GG näher und m. weit. Nachw. Selmer/Brodersen/Nicolaysen, Straßenbenutzungsabgaben (0. Fußn. 63), S. 37 ff., 75 ff. 72 Zur Formulierung vgl. BVerfGE 75, 108 (148). 67

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ill. Die Sonderabfallabgabe - keine Geldleistungspflicht

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nach,,73 bzw. nach ,,ihrem unmittelbaren Sachgehalt,,74 (auch) auf die Erhebung bestimmter öffentlicher Abgaben gerichtet ist, wie dies etwa bei den Sozialversicherungsbeiträgen im Rahmen des Art. 74 Nr. 12 GG der Fall ise5 • Als sachkompetenzannex stellen sich schließlich alle jene Abgaben dar, bei denen es an den vorstehenden Voraussetzungen fehlt, sich vielmehr eine Abgabenregelungskompetenz - wie bei den Gebühren, Beiträgen und Sonderabgaben - allenfalls als Annex der jeweiligen Sachzuständigkeit begründen läßt. In concreto kommt als sachkompetenzieller Anknüpfungspunkt für die gesetzliche Regelung der Sonderabfallabgabe des Hessischen Sonderabfallabgabengesetzes, abgesehen von dem allgemeinen des Art. 74 Nr. 11 ("Recht der Wirtschaft"), allein die konkurrierende Bundeskompetenz aus Art. 74 Nr. 24 GG in Betracht. Von deren dort genannten Einzelgebieten bietet sich vorliegend (wovon später näher zu handeln sein wird) die der "Abfallbeseitigung" als thematisch einschlägig an. Hieran hat sich die nachfolgende Einordnung der in Rede stehenden Sonderabfallabgabe in die vorgenannten drei Kategorien zu orientieren.

III. Die Sonderabfallabgabe - keine sachkompetenzexplizite oder sachkompetenzimplizite Geldleistungspflicht Offen zutage liegt, daß weder die Sachzuständigkeit für das Recht der Wirtschaft (Art. 74 Nr. 11 GG) im allgemeinen noch die für die Abfallbeseitigung (Art. 74 Nr. 24 GG) im besonderen eine ausdrückliche Ermächtigung zur Erhebung von Abgaben enthalten. Eine sachkompetenzexplizite Sonderabfallabgabe kommt nach der gegenwärtigen Verfassungsrechtslage also nicht in Betracht. Die genannten Zuständigkeitsbereiche enthalten aber, wie keine ausdrückliche, so auch keine implizite Ermächtigung zur Erhebung einer Abgabe der hier in Rede stehenden Art. Das gilt einmal für den Zuständigkeitsbereich des Rechts der Wirtschaft (Art. 74 Nr. 11 GG). Er ist keineswegs schon "aus sich heraus", d. h. seiner "Art" bzw. seinem "unmittelbaren Sachgehalt" nach 76 (auch) auf Abgabenerhebung bezogen. Gleiches gilt zum anderen aber auch für die Abfallbeseitigung (Art. 74 Nr. 24 GG). Beide Sachmaterien weisen nach ihrem gewachsenen Erscheinungsbild, wie es deutlich auch in der Entstehungsgeschichte der aufgeführten verfassungsrechtlichen Kompetenzbegriffe zum Ausdruck kommt, für sich genommen ausschließlich sachregelnden Charakter auf77 • Insoweit unterscheiden sie sich deutlich etwa von Zur Formulierung vgl. BVerfGE 75, 108 (147); 81, 156 (187). z,ur Formulierung vgl. BVerfGE 78, 249 (267). 75 Vgl. BVerfGE 75, 108 (147 f.). 76 Vgl. oben bei und in Fußn. 72-74. 77 V gl. hierzu etwa die Darstellung von Rengeling, Gesetzgebungszuständigkeit, in: HStR IV, 1990, § 100 Rdnrn. 165 ff., 236 ff. 73

74

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c. Kompetenzrechtliche Grundsatzfragen

der Materie der Sozialversicherung (Art. 74 Nr. 12 GG), die seit jeher auch die Regelung der Finanzierung der Sozialversicherung, mithin die Erhebung von Sozialversicherungsbeiträgen, als bereichsprägendes Element mit einschloß. Allerdings hatte sich das BVerfG in einigen früheren Entscheidungen zu Art. 74 Nr. 11 GG recht mißverständlich geäußert, als es (nur) meinte, daß das Recht der Wirtschaft nicht nur Gebote und Verbote ermögliche, daß vielmehr unter diesem Titel auch Gesetze erlassen werden könnten, mit denen der Gesetzgeber in Form der Auferlegung von Geldleistungen ordnend und lenkend in das Wirtschaftsleben eingreifen könne78 . Das Gericht hat diese etwas isolierte (und der Sache nach so auch nicht praktizierte) Aussage später aber treffend ausdrücklich dahin ergänzt, daß sich die Schranken für die Auferlegung von Abgaben insoweit nicht allein aus dem Inhalt und den Grenzen der zugrundeliegenden Sachgebietskompetenz bestimmen ließen79 . Das trifft ohne weiteres auch für die Abfallbeseitigung des Art. 74 Nr. 24 GG zu, für die zuletzt Köck mit Recht nachdrücklich festgestellt hat: "Keinesfalls kann schon aus der Natur der Sache, sprich: der Gesetzgebungskompetenz für das Recht der Abfallbeseitigung, die Zulässigkeit von Abgabeerhebungen gefolgert werden,,8o.

IV. Die entscheidende Fragestellung: Die Sonderabfallabgabe - eine sachkompetenzannexe Abgabe? 1. Vorbemerkung

Die damit zu registrierende Einsicht, daß die Sonderabfallabgabe des Hessischen Sonderabfallabgabengesetzes nicht schon unmittelbar in den potentiell einschlägigen Sachzuständigkeiten der Art. 74 Nr. 11 und Art. 74 Nr. 24 GG - sei es explizit oder implizit - ihre Verankerung findet, hat zur bedeutsamen, häufig nicht deutlich genug herausgestellten Konsequenz, daß die Zuständigkeit für ihre Regelung den entsprechenden Sachkompetenzen gegebenenfalls nur als Annex zugeordnet sein kann Sl • Damit aber sind die kompetenzrechtlichen Voraussetzungen an die Sonderabfallabgabe als eine nichtsteuerliehe Abgabe sozusagen programmiert: Die Abgabe muß einmal den für die Annahme einer Annex-Kompetenz notwendigen engen, unlösbaren Sachzusammenhang mit einer der genannten Materien des Art. 74 GG aufweisen. Hierfür ist in Übereinstimmung mit heute gesicherter 78 Vgl. etwa BVerfGE 18, 315 (329); 29, 402 (409); s. dazu krit. auch Trzaskalik, StuW 1992, S. l35 ff. (149). 79 BVerfGE 67, 256 (274). 80 Vgl. Köck, Umweltabgaben - Quo vadis ?, JZ 1993, S. 59 ff. (67). 81 Vgl. zur Annexkompetenz für nichtsteuerliche Abgaben (Gebühren, Beiträge, Sonderabgaben) auch Rengeling (0. Fußn. 77), § 100 Rdnr. 168; Wendt, Finanzhoheit und Finanzausgleich, in: HStR IV, 1990, § 104 Rdnrn. 44, 46 f.; vgl. der Sache nach auch BVerfGE 67, 256 (274 f., 279).

IV. Die Sonderabfallabgabe - eine sachkompetenzannexe Abgabe?

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Rechtsanschauung zu fordern, daß die Abgabe in ihrer tatbestandlichen Anknüpfung und/oder in der Regelung ihrer Verwendung ausdrücklich als Instrument der Beeinflussung des einschlägigen Sachbereichs ausgestaltet ist und in einem funktionalen Verhältnis zu diesem Sachbereich steht82 . Durch die Ausgestaltung muß darüber hinaus - zweitens - sichergestellt sein, daß die Bestimmungen der bundesstaatlichen Steuerverfassung in Art. 105 ff. GO, insbesondere deren föderative Verteilungsregeln, vor Störungen geschützt sind83 . Nur wenn beide - freilich in engem Verbund miteinander zu sehende - Voraussetzungen als erfüllt anzusehen sind, ist die Sonderabfallabgabe des Hessischen Sonderabfallabgabengesetzes mit Recht auf eine Sachregelungskompetenz des Art. 74 GG gestützt worden 84 • Unproblematisch wäre auf dieser Grundlage die kompetenzrechtliche Absicherung der Sonderabfallabgabe dann, wenn sie sich als Gebühr oder Beitrag im finanzrechtlichen Sinne qualifizieren ließe. Denn die Verankerung dieser sog. Vorzuglasten in den Sachgebietskompetenzen ist naturgemäß im Grundsatz unproblematisch 85 . Zu der Kompetenz des Sachgesetzgebers, ein bestimmtes staatliches Leistungsangebot im einzelnen auszuformen, gehört ohne weiteres als Annex auch das Recht zur Entscheidung darüber, ob und inwieweit die Leistungen entgeltlich oder unentgeltlich zur Verfügung gestellt werden; denn die (Un-)Entgeltlichkeit prägt das gestalterische Bild des gesetzlich geregelten Leistungssystems entscheidend und in einer funktional auf dieses System bezogenen Weise mit86 • Die notwendige Distanz aber zum Steuerregime der Art. 105 ff. GG erscheint bei den Vorzugslasten - wenn auch für Gebühr und Beitrag in unterschiedlicher Weise - durch die notwendige Wahrung der ihnen begrifflich innewohnenden Gegenleistungsfunktion grundSätzlich hinreichend gesichert.

82 Vgl. dazu etwa, m. weit. Nachw., Degenhart, Staatsrecht I, 8. Aufl. (1992), Rdnrn. 103 ff. (106); v. Münch, in: ders., Grundgesetz, Bd. 3, 2. Aufl. (1983), Art. 70 Rdnr. 20; für den vorliegenden Zusammenhang s. wie oben bereits Seimer, in: Umweltschutz durch Abgaben und Steuern (0. Fußn. 63), S. 15 (42). 83 Vgl. BVerfGE 67, 256 (274 f.); 75, 108 (147); 78, 249 (269); 81, 156 (187); 82, 159 (179). 84 Zur Notwendigkeit der Wahrung beider Voraussetzungen vgl. Seimer, in: Umweltschutz durch Abgaben und Steuern (0. Fußn. 63), S. 42; Amdt, Entwurf eines Bundesabfallabgabengesetzes und das Grundgesetz, BB, Beilage 8 zu Heft 13/1992, S. 9. 85 Vgl., jew. m. weit. Nachw., Selmer/Brodersen/Nicolaysen, Straßenbenutzungsabgaben (0. Fußn. 63), S. 57 f., 75; P. Kirchhof, Staatliche Einnahmen, in: HStR IV, 1990, § 88 Rdnr. 220; Wendt (0. Fußn. 81), § 104 Rdnr. 46. 86 Seimer, in: Umweltschutz durch Abgaben und Steuern (0. Fußn. 63), S. 42; ähnlich auch Osterloh, "Öko-Steuern" und verfassungsrechtlicher Steuerbegriff, NVwZ 1991, S. 823 ff. (826).

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C. Kompetenzrechtliche Grundsatzfragen

2. Die Sonderabfallabgabe - keine Vorzugslast (Gebühr oder Beitrag) Die Sachgesetzgebungskompetenz des Art. 74 Nr. 24 GG, die dem Hessischen Landesgesetzgeber damit nach Maßgabe des Art. 72 I GG auch für die Erhebung thematisch einschlägiger Gebühren und Beiträge zur Verfügung steht, schließt eine entsprechend umweltlenkende Ausgestaltung dieser Gegenleistungsabgaben ein. Weder die Gebühren noch die Beiträge sind als solche von vornherein lenkungsfeindlich 87 . So verlieren insbesondere die Gebühren ihren rechtlichen Charakter als Gebühren durch eine sachzweckorientierte Lenkungsorientierung nicht, soweit und solange ihnen eine im Sinne des - (nur) insoweit verfassungsschweren - Gebührenbegriffs angemessene Gegenleistung der öffentlichen Hand gegenübersteht88 . An dieser Gegenleistungsfunktion mangelt es indes der Hessischen Sonderabfallabgabe, und zwar nicht nur in einem das Vorliegen einer Gebühr, sondern auch in einem einen finanzrechtlichen Beitrag ausschließenden Sinne: Weder hat die Sonderabfallabgabe einen gebührenadäquaten ,,konkreten Bezug zu einer Gegenleistung der öffentlichen Verwaltung" noch weist sie eine beitragsbegriffliche "unmittelbare Verbindung zu irgendwelchen konkreten, einzeln greifbaren wirtschaftlichen Vorteilen" auf, die die Abgabepflichtigen nutzen könnten 89 • Die in § 9 I S. 2 des Hessischen Sonderabfallabgabengesetzes im einzelnen geregelte Mittelverwendung der Sonderabfallabgabe, die im Hinblick auf die dort vorgesehenen Verwendungszwecke Entgeltcharakter haben könnte, scheidet bei näherer Betrachtung als Gegenleistung im vorzugsabgabenrechtlichen Sinne durchgehend aus. Die Verwendung zugunsten der in § 9 I S. 2 Nm. 1 - 4 als förderungswürdig genannten Zwecke kann gewiß mittelbar (Nm. 1 - 4), teilweise u.V. sogar unmittelbar (Nr. 1) auch den Abgabepflichtigen zugute kommen90 ; selbst in bezug auf die in § 9 I S. 2 Nr. 5 genannten Verwendungszwecke kann ein gewisser mittelbarer Nutzen der Mittelverwendung auch zugunsten der (aktuellen) Sonderabfallerzeuger nicht ausgeschlossen werden. Den Rang einer Gegenleistung im Sinne des Gebührenbegriffs besitzen alle diese etwaigen Vorteile aber nicht. Es fehlt ihnen an dem prägenden synallagmatischen Bezug zur Abgabe: Nicht sie bilden gegebenenfalls den Anknüpfungspunkt für die Abgabepflicht. Für diese maßgebend ist vielmehr der erstmalige Anfall von Sonderabfall nach Maßgabe bestimmter Bewertungskriterien (§§ 2 I, 3 I). Mit anderen Worten: Es mangelt der Sonderabfallabgabe an solchen dem einzelnen Pflichtigen jeweils konkret zure87 Vgl. dazu, jew. m. weit. Nachw., Selmer/Brodersen/Nicolaysen, Straßenbenutzungsabgaben (0. Fußn. 63), S. 59 ff. (Gebühr), S. 63 f. (Beitrag); Seimer, in: Umweltschutz durch Abgaben und Steuern (0. Fußn. 63), S. 22 f. 88 Vgl. SelmerlBrodersenlNicolaysen, Stra8enbenutzungsabgaben (0. Fußn. 63), S. 55, 59; BVerfG, Beschl. v. 7. 11. 1995 - 2 BvR 413/88, 1300 193 - (Wasserentnahmeabgaben), S. 35 ff., 39 der mschr. Gründe. 89 Zu obigen Formulierungen vgl. BVerfGE 49,343 (352 f.). 90 Vgl. ähnlich auch Kretz, BWVP 1994, S. 29 ff. (32).

IV. Die Sonderabfallabgabe - eine sachkompetenzannexe Abgabe?

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chenbaren Vorteilen, damit aber an der konstituierenden spezifischen Gegenleistungsfunktion der Gebühr. Wie die Gebühr, so scheidet auch der Beitrag als einschlägiger Abgabentyp vorliegend aus. Zwar ist beim Beitrag die gebotene Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung im Vergleich zur Gebühr gelockert: Eine tatsächliche Nutzung ist nicht erforderlich, es genügt die unmittelbare Verbindung der Abgabe zu einer wirtschaftlich vorteilhaften öffentlichen Leistung, an der der Pflichtige nutzbringend teilhaben kann. Auch dieser Anforderung wird indes die Sonderabfallabgabe nicht gerecht. Begreift man einmal die Verwendung des Sonderabfallabgabeaufkommens zugunsten der in § 9 I S. 2 genannten Zwecke zusammenfassend als eine öffentliche Veranstaltung im beitragsrechtlichen Sinne, so ist doch bereits (was hier nicht zu vertiefen ist) höchst zweifelhaft, ob diese Veranstaltung durchgehend gerade (nur) den Abgabepflichtigen besondere Vorteile offeriert. Im Zusammenhang damit und analog der gebührenspezifischen Sicht (s.o.) scheitert die Zuordnung der Sonderabfallabgabe zum Beitrag jedenfalls aber daran, daß sie weder in ihrer Entstehung noch hinsichtlich ihrer Bemessung oder Höhe an das den Pflichtigen eröffnete Vorteilsangebot, sondern an andere belastungsauslösende und belastungsbegrenzende Kriterien anknüpft. Als begriffliche Vorzugslast im herkömmlichen finanzrechtlichen Sinne scheidet die Sonderabfallabgabe damit durchgehend aus91 •

3. Die Sonderabfallabgabe als Sonderabgabe: ~fungsprograJDlß

Auf der vorstehenden Grundlage bleibt im gegebenen Zusammenhang die Frage, ob es sich bei der Sonderabfallabgabe um eine verfassungsrechtlich zulässige sachkompetenzannexe Abgabe ohne individuell zurechenbare Gegenleistung der öffentlichen Hand, d. h. also um eine Sonderabgabe im Sinne des zwischenzeitlich eingebürgerten Verständnisses handelt. Für sie ist die Ausformung der eingangs (unter IV 1) skizzierten spezifischen beiden Voraussetzungen einer verfassungskonformen Verankerung in den Sachkompetenzbereichen, wenn auch auf der Grundlage solcher in der Literatur gegebener Anregungen92 , im einzelnen vor allem von der Judikatur des BVerfG geprägt worden. Unbeschadet der reichhaltigen Literatur zum Sonderabgabenthema93 hat sich deshalb, aber auch im Hinblick auf 91 Im Ergebnis ähnlich auch Kloepfer, Rechtsgutachten, S. 19; Hendler, Rechtsgutachten, S. 16, 18. 92 Vgl. (in zeitlicher Reihenfolge) SeImer, Steuerinterventionismus und Verfassungsrecht, 1972, S. 183 ff., 369 ff. (ergänzt in DStZ/A 1975, 396); Mußgnug, Die zweckgebundene öffentliche Abgabe, in: Festsehr. f. Forsthoff, 1972, S. 259 ff.; Friauf, Öffentliche Sonderlasten und Gleichheit der Steuerbürger, in: Festsehr. f. Jahrreiß, 1974, S. 45 ff. 93 Vgl. zum Thema der Sonderabgaben (neben den in Fußn. 92 Genannten) bis 1987 die Nachweise bei SeImer, in: Umweltschutz im Recht (0. Fußn. 35), S. 37 f. Fußn. 53; für den

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c. Kompetenzrechtliche Grundsatzfragen

Anlaß und Zweck der vorliegenden Untersuchung, die Aufmerksamkeit im folgenden vor allem auch auf diese Judikatur und die ihr - trotz eines gegenwärtig noch bestehenden gewissen dogmatischen Desiderats - in der Rechtspraxis insgesamt zukommende Maßstabsfunktion zu richten. Das schließt den Versuch nicht aus, die Entscheidungen des Gerichts, die jeweils in der Sache sehr wohl Plausibilität für sich in Anspruch nehmen dürfen, systematisierend in einen übergeordneten Zusammenhang einzuordnen, um möglicherweise hieraus auch für die Beurteilung der vorliegenden Konstellation vertiefende Anhaltspunkte zu gewinnen.

v. ZwischenresÜßlee Damit läßt sich als Zwischenresümee registrieren: Der einfache Gesetzgeber besitzt keine abgabenbegriffliche QualifIkationskompetenz, wohl aber eine grundsätzliche Aufgabenerfüllungskompetenz, die die abgabenrechtliche Bewältigung einer Aufgabe seinem Ermessen überantwortet, ihn nach getroffener Wahl allerdings strikt zur Wahrung der spezifIschen Wesensmerkmale der gewählten Kategorie (Gebühr, Beitrag, Sonderabgabe) verpflichtet. Deshalb ist vorliegend davon auszugehen, daß der Hessische Landesgesetzgeber sich für die Regelung der Sonderabfallabgabe nicht auf steuerliche Gesetzgebungskompetenzen, sondern auf die Sachzuständigkeiten der Art. 73 ff. GG stützen wollte und gestützt hat. Diese kommen nach inzwischen gesicherter Rechtsanschauung potentiell auch für die Auferlegung von Geldleistungspflichten in Betracht. Dabei kann nach dem Grad der Verankerungstiefe in den Sachkompetenzen zwischen sachkompetenzexpliziten, sachkompetenzimpliziten und sachkompetenzannexen Abgaben unterschieden werden. Die Sonderabfallabgabe kommt weder als sachkompetenzexplizite noch als sachkompetenzimplizite, sondern nur als sachkompetenzannexe Abgabe im Rahmen des Art. 74 Nm. 11 und 24 GG in Betracht. Als solche muß sie einmal den für die Annahme einer Annex-Kompetenz engen, unlösbaren Sachzusammenhang mit einer der genannten Materien des Art. 74 GG, sodann aber auch die notwendige Distanz zur bundesstaatlichen Steuerverfassung der Art. 105 ff. GG aufweisen. Unproblematisch wäre auf dieser Grundlage die kompetenzrechtliche Absicherung der Sonderabfallabgabe, wenn sich diese als Gebühr oder Beitrag qualifIzieren ließe. Das ist indes, wie nähere Prüfung ergibt, nicht der Fall. Damit bleibt die Frage, ob es sich bei der Sonderabfallabgabe um eine verfassungsrechtlich zulässige sachkompetenzannexe Abgabe ohne individuell zurechenbare Gegenleistung der öffentlichen Hand, d. h. also um eine Sonderabgabe im Sinne des zwischenzeitlich eingebürgerten Verständnisses handelt. Der Beantwortung dieser Frage gilt die nachfolgende Prüfung. Zeitraum seit 1987 vgl. die Nachw. bei Selmer, in: Umweltschutz durch Abgaben und Steuern (0. Fußn. 63), S. 44 Fußn. 146; seither vgl. noch Arndt (0. Fußn. 84), S. 8 ff.; Breuer, Umweltrechtliche und wirtschaftslenkende Abgaben im europäischen Binnenmarkt, DVBI 1992, S. 485 ff. (491 ff.); Köck, Umweltabgaben - Quo vadis ?, IZ 1993, S. 59 (64 ff.).

D. Voraussetzungen zulässiger Sonderabgaben unter Berücksichtigung der besonderen Maßstabsfunktion der BVerfG-Judikatur I. Zur Voraussetzung der Sachkompetenz-Annexität Von den eingangs 94 genannten Voraussetzungen für die verfassungsrechtliche Zulässigkeit sachkompetenzannexer (gegenleistungsloser) Abgaben - der Sachkompetenz-Annexität der Abgabe als solcher sowie der hinreichenden Steuerverfassungsferne - hat die erstere das BVerfG lange Zeit nur am Rande beschäftigt. Das ist ersichtlich darauf zurückzuführen, daß bei den in Rede stehenden Konstellationen der für die Annahme einer Annex-Kompetenz notwendige enge, unlösbare Zusammenhang mit der geregelten Materie, insbesondere die explizite Ausgestaltung der Abgabe als Instrument der Beeinflussung des jeweiligen Sachbereichs, ohne weiteres vorlag und sich das Bemühen des Gerichts daher ganz auf die Frage der Wahrung der notwendigen Distanz zur Steuer richten durfte und mußte. Anlaß, sich mit den Anforderungen an die Voraussetzung der Sachkompetenz-Annexität näher auseinanderzusetzen, fand das BVerfG - 2. Senat - erst bei seiner Beurteilung der Investitionshilfeabgabe nach Maßgabe des Investitionshilfegesetzes von 198295 • Ausgehend von der grundlegenden Einsicht, daß es dem Gesetzgeber versagt sei, Sonderabgaben zur Erzielung von Einnahmen für den allgemeinen Finanzbedarf eines öffentlichen Gemeinwesens zu erheben und das Aufkommen aus derartigen Abgaben zur Finanzierung allgemeiner Staatsaufgaben zu verwenden96, stellte das Gericht fest: "Der Gesetzgeber darf sich der Abgabe nur im Rahmen der Verfolgung eines Sachzwecks bedienen, der über die bloße Mittelbeschaffung hinausgeht. In dem Gesetz muß außer der Belastung mit der Abgabe und der Verwendung ihres Aufkommens auch die gestaltende Einflußnahme auf die Wirtschaft zum Ausdruck kommen. Das Gesetz selbst muß wirtschaftsregulierenden oder lenkenden Inhalt haben; anderenfalls fällt es nicht97 in den Kompetenzbereich des Art. 74 Nr. 11 GG. Entsprechendes gilt für die Inanspruchnahme des Art. 74 Nr. 18 GG. Nur wenn der Gesetzgeber durch die Sonderabgabe in dem jeweiligen Kompetenzbereich gestaltend wirkt, kann er sich auf Art. 70 ff. GG stützen und im Ein94

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Vgl. unter C IV 1 (vor Fußn. 81 ff.). BVerfGE 67, 256 (274 f., 279). Vgl. BVerfGE 55,274 (298). Hinzuzufügen wäre: schon aus diesem Grunde nicht.

3 Selmer

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D. Voraussetzungen zulässiger Sonderabgaben

zelfall über den bundesstaatlich begründeten Ausschließlichkeitsanspruch der in Art. l04a ff. GG nonnierten Regeln hinwegsetzen,,98. Für die Investitionshilfeabgabe gelangte der 2. Senat zu dem Ergebnis, daß die Abgabe selbst weder im Gesetzgebungsbereich des Art. 74 Nr. 11 GG noch in dem des Art. 74 Nr. 18 GG gestaltend wirke: "Die in § 1 InvHG angegebene allgemeine Zweckbestimmung ("zur Förderung des Wohnungsbaus") geht nicht über die auch bei Zwecksteuern übliche Konkretisierung hinaus und betrifft eine seit langem vom Staat wahrgenommene Aufgabe. Abgesehen von dieser Benennung des Gesetzeszwecks enthält das Gesetz keine Regelung der Bereiche Recht der Wirtschaft und Wohnungswesen. Es erschöpft sich in der Gestaltung der Abgabe, ohne die beabsichtigte Investitionshilfe in irgendeiner Weise zu regeln. Insoweit besteht ein grundlegender Unterschied zum Gesetz über die Investitionshilfe der gewerblichen Wirtschaft vom 7. Januar 1952 (BGBl. I, 7; dazu BVerfGE 4, 7)". Und im folgenden stellt das Gericht noch einmal ausdrücklich fest: "Auf Art. 74 Nr. 11 oder Nr. 18 könnte der Gesetzgeber sich nur berufen, wenn das Gesetz die Investitionshilfeabgabe auch als Mittel der Beeinflussung der Wirtschaft oder des Wohnungsbaus ausgestaltet99 hätte. Gegenstand der gesetzlichen Regelung ist im vorliegenden Fall jedoch nicht die Förderung des Wohnungsbaus selbst, sondern nur die vorübergehende Gewinnung von zweckgebundenen Mitteln für den Finanzbedarf des Bundes"loo. Das so umrissene Verständnis der Sachkompetenz-Annexität hat der 2. Senat in seinem späteren Beschluß zur Abgabe nach § 10 des Absatzfondsgesetzes von 1976\01 ausdrücklich bestätigt und in bezug auf den potentiellen Gestaltungsinhalt der Sachregelung präzisiert: "Der Gesetzgeber darf sich des Finanzierungsinstruments der Sonderabgabe nur zur Verfolgung eines Sachzwecks bedienen, der über die bloße Mittelbeschaffung hinausgeht. In dem Gesetz muß außer der Belastung mit der Abgabe und der Verwendung ihres Aufkommens auch die gestaltende Einflußnahme auf den geregelten Sachbereich zum Ausdruck kommen. Bei Gesetzen, die das Recht der Wirtschaft betreffen, muß daher das Gesetz selbst wirtschafts gestaltenden Inhalt haben; nur das steuernde, das Marktverhalten leitende oder Staatsinterventionen ausgleichende Abgabengesetz kann in den Kompetenzbereich des Art. 74 Nr. 11 GG fallen". Soweit die Literatur zu den vom BVerfG in den genannten beiden Entscheidungen formulierten spezifischen Anforderungen an die Sachkompetenz-Annexität von Sonderabgaben Stellung genommen hat, hat sie ihnen nachdrücklich zugestimmt \02. Vgl. BVerfGE 67, 256 (275) unter Hinweis auf BVerfGE 55,274 (304). Auch im Original kursiv gedruckt. 100 BVerfGE 67,256 (279). \01 BVerfGE 82,159 (179 f.) =JuS 1991,598 Nr. 2 (Selmer). \02 Vgl. Seimer, in: Umweltschutz durch Abgaben und Steuern (0. Fußn. 63), S. 42, 47; Amdt (0. Fußn. 84), S. 9; Birk, Artikel "Wirtschaftsverwaltungsabgaben", in: Ergänzbares 98

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II. Distanz von der steuerlichen Finanzverfassung

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11. Zur Voraussetzung der hinreichenden Distanz von der steuerlichen Finanzverfassung 1. Grundsätzliches

Das Schwergewicht des Bemühens um die Herausarbeitung der Anforderungen an sachkompetenzkonforme Sonderabgaben lag freilich seit jeher bei der Voraussetzung der Wahrung hinreichenden Abstands zur steuerlichen Finanzverfassung. Das kommt nicht von ungefähr. Führt gelegentlich schon die Distanzwahrung der Vorzugslasten (Gebühren, Beiträge) von der Steuer zu gewissen Schwierigkeiten lO3 , so sind diese bei den Sachkompetenzabgaben o'hne individuell zurechenbare Gegenleistung der öffentlichen Hand geradezu institutionalisiert. Der Grund dafür liegt auf der Hand: Dort, wo die vorzugslastimmanente Gegenleistungsfunktion als Hemmschwelle ausscheidet, besteht in besonderer Weise die Gefahr, daß sich das abgabenrechtliche Agieren des Gesetzgebers im Bereich der Sachzuständigkeiten in Wirklichkeit als ein zugleich der Lastengerechtigkeit widerstreitendes und kaschiertes Wildern im steuerlichen Bereich darstellt - gerichtet vor allem nur auf das Ziel, die leere Staatskasse zur Deckung des allgemeinen Finanzbedarfs zu füllen lO4 • Dieser Gefahr zu begegnen, hat sich als eine besondere Schwierigkeit abgabenrechtlicher Aktivitäten des Gesetzgebers in den Sachkompetenzbereichen erwiesen. Manche der sich zunächst anbietenden Differenzierungskriterien scheiden nach heute gesicherter und vorliegend nicht erneut in Frage zu stellender Rechtsanschauung aus. Lenkungs-, vorliegend also Umweltlenkungszwecke, können sei es als Erhebungs- oder als Verwendungszweck - sowohl mit Hilfe von Sachkompetenzabgaben als auch mit Steuern angestrebt werden 105. Die gesetzliche Ansiedelung des Abgabeaufkommens innerhalb oder außerhalb des allgemeinen Staatshaushalts (einer Gebietskörperschaft) kommt als konstituierendes Zuordnungsmerkmal gleichermaßen nicht in Betracht, will man nicht einer Anwendung der Steuerverfassung nach Maßgabe des einfachen Gesetzes das Wort reden lO6 . Die Anerkennung der Zwecksteuer als einer begrifflichen Steuer im Sinne der Finanzverfassung des Grundgesetzes 107 macht es in diesem Zusarnrnenhang ferner Lexikon des Rechts, 1990, S. 4 f.; wohl auch Schmidt, Sonderabgaben in der neueren Rechtsprechung des BVerfG, NVwZ 1991, S. 36 (37). 103 Vgl. etwa Sehner, in: Umweltschutz durch Abgaben und Steuern (0. Fußn. 63), S. 42 ff. m. weit. Nachw. 104 Darauf hinweisend etwa auch Hendler, Umweltabgaben und Steuerstaatsdoktrin, AöR 115 (1990), S. 577 ff. (591). 105 Vgl. dazu, mit zahlr. Nachw. (auch aus der Judikatur des BVerfG), näher Seimer, in: Umweltschutz durch Abgaben und Steuern (0. Fußn. 63), S. 21 ff., 28. 106 Treffend BVerfGE 55, 274 (305); nicht überzeugend daher die gegenläufige Tendenz in BVerfGE 57, 139 (166). 107 BVerfGE 7,244 (254); 49,343 (353 f.); 55, 274 (305, 310 f.). 3"

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D. Voraussetzungen zulässiger Sonderabgaben

auch fragwürdig, typenzuweisende Kraft entscheidend dem Umstand beizumessen, ob das Aufkommen einer Verwendung für bestimmte Zwecke vorbehalten werden soll oder nicht. Auch solche auf die Modalitäten der Aufkommensverwendung abstellende Ansätze waren bisher nicht substantiell weiterführend. Die vom BVerfG früher nicht selten als prägend herausgestellte Unterscheidung zwischen der Zweckzuweisung zugunsten allgemeiner Staatsaufgaben - dann Steuer - und der zugunsten besonderer Staatsaufgaben - dann nichtsteuerliche Abgabe 108 - hat sich, weil eine Frage durch eine andere ersetzend, für sich allein als unbehilflich erwiesen. Nur Bedeutung als ergänzender Gesichtspunkt hat ferner der gelegentlich geäußerte Gedanke, auf den unterschiedlichen Grad der Konkretisierung des Verwendungszwecks abzustellen und die Steuer insoweit auf "allgemeinere" Zweckbindungen zu verweisen lO9 • Auch die in der Literatur getroffene Feststellung schließlich, die (Zweck-) Steuerzahlungspflicht werde nicht dadurch in Frage gestellt, daß der Steuerertrag nicht für den vorgesehenen Zweck verwandt werde, während sich bei den sonstigen gesetzlich zweckgebundenen Abgaben eine rechtliche Verknüpfung zwischen Abgabenschuldverhältnis und Verwendungszweck finde l1O , führt (anders wohl als für die Abgrenzung der Steuer von Gebühr und Beitrag) jedenfalls für die Abgrenzung der Steuer von der Sonderabgabe nicht entscheidend weiter. Denn insoweit beschreibt sie für letztere eine gesetzlich zumeist nicht ausgeformte rechtliche Konsequenz, setzt also eine zuvor nach anderen Kriterien sich vollziehende konstitutive Zuordnung zum gewählten Abgabentyp bereits voraus.

2. Die Bewältigung der Distanz durch das BVerfG Unbeschadet des (nur schwer behebbaren) Ausstehens eines griffigen Differenzierungskriteriums muß man der Sonderabgabenjudikatur des BVerfG attestieren, daß sie sich - nach zunächst noch tastenden Ansätzen 111 - in verdienstvoller Weise bemüht hat, die Steuer als verfassungsrechtliche Normalität herauszuarbeiten, nichtsteuerliche Abgaben dagegen in restriktiv umrissene ,,kompetenzrechtliche Grenzen"ll2 zu verweisen; dabei ist sie stets der Sache nach oder sogar ausdrück108 Vgl. etwa BVerfGE 55,274 (298, 305, 310); 67, 256 (275, 277); 75, 108 (147); 82, 159 (178 f.). 109 Vgl. BVerfGE 55,274 (311); 67, 256 (279). 110 Jarass, Verfassungsrechtliche Grenzen für die Erhebung nichtsteuerlicher Abgaben, DÖV 1989, 1013 (1018). 111 Vgl. BVerfGE 4, 7, 14 (Investitionshilfeabgabe 1952); 8, 274, 316 11. (Preisausgleichsabgaben); 13, 167, 171 11. (Feuerwehrabgabe); 17,286,292 f. (Hebamrnenabgabe); 18,274, 287 (Mehrwertabgabe nach dem Aufbaugesetz NRW); 18, 315, 327 11. (Ausgleichsabgabe nach § 12 MuFG); 28, 119, 150 (Troncabschöpfung bei Spielbanken); 29,402,408 ff. (Konjunkturzuschlag); 37, 1, 16 ff. (Weinwirtschaftsabgabe). 112 BVerfGE 55, 274 (303).

ß. Distanz von der steuerlichen Finanzverfassung

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lieh davon ausgegangen, "daß sich die Schranken für die Auferlegung von Sonderabgaben nicht allein aus dem Inhalt und den Grenzen der zugrundeliegenden Sachgebietskompetenz bestimmen lassen"ll3. Aussagekräftig erscheinen in diesem Zusammenhang vor allem die Entscheidungen zur Berufsausbildungsabgabe (BVerfGE 55,274), zur Schwerbehinderten-Ausgleichsabgabe (BVerfGE 57, 137), zur 10vestitionshilfeabgabe 1976 (BVerfGE 67, 256), zur Künstlersozialabgabe (BVerfGE 75, 108), zur Fehlbelegungsabgabe (BVerfGE 78, 249), zur Erstattungspflicht nach § 128 Arbeitsförderungsgesetz - AFG - (BVerfGE 81, 156) und zu den Absatzfondsbeiträgen (BVerfGE 82, 159). Von diesen Entscheidungen können freilich im vorliegenden Zusammenhang die zur Künstlersozialabgabe und zur Erstattungspflicht nach § 128 AFG im folgenden außer Betracht bleiben. Denn beide Lasten hat das BVerfG außerhalb des Sonderabgabenthemas angesiedelt und - im Sinne der von mir vorgeschlagenen Terminologie - als sachkompetenzimplizite Geldleistungspflichten gewertet 114. Den maßgeblichen Schritt zu einer übergreifenden Beschreibung der an die Distanzwahrung der Sonderabgabe vom verfassungsrechtlichen Steuerregime zu richtenden Anforderungen machte das BVerfG - 2. Senat - 1980 in seinem Urteil zur Berufsausbildungsabgabe. In ihm formulierte das Gericht, damit erstmalig grundsätzliche Konsequenzen aus der Konkurrenzsituation der Sonderabgabe zum Steuerregime ziehend, eine Reihe strenger Zulässigkeitsvoraussetzungen für die Erhebung von Sonderabgaben, um der von diesen potentiell ausgehenden Gefährdung der bundesstaatlichen Finanzverfassung zu begegnen 115. Der 1. Senat meinte wenig später in seinem Urteil zur Schwerbehindertenabgabe freilich, die in letzterer Entscheidung u. a. etablierten Maßstäbe der "Sachnähe" der Pflichtigen zum Abgabezweck mit der daraus entspringenden "Gruppenverantwortung" sowie der "gruppennützigen Verwendung des Aufkommens" könnten bei solchen Sonderabgaben ,.nicht uneingeschränkt" gelten, "bei denen nicht die Finanzierung einer besonderen Aufgabe Anlaß zu ihrer Einführung gab,,116. Dieser verfeinernden Differenzierung gab bei Gelegenheit seiner Beurteilung der Investitionshilfeabgabe sodann auch der 2. Senat Raum: Bei Abgaben, "bei denen nicht die Finanzierung einer besonderen Aufgabe Anlaß zu ihrer Einführung gab", könnten seine in BVerfGE 55, 274 (300 ff.) dargelegten Maßstäbe "nicht uneingeschränkt gelten (vgl. BVerfGE 57, 139, 167),,117. Hiervon abgesehen allerdings, daran hielt der 2. Senat fest, seien diese Maßstäbe für alle Sonderabgaben mit ,,Finanzierungszweck - sei es als Haupt- oder als Nebenzweck -" in vollem Umfang gültig, ,,hinzutretenBVerfGE 67, 256 (274). Vgl. für die Künstlersozialabgabe BVerfGE 75, 108 (147 f.); s. im Ansatz entsprechend bereits BVerfGE 11", 105, 110 (Arbeitgeberbeiträge zu den Familienausgleichskassen) und BVerfGE 14,312,317 (Arbeitgeberbeitrag nach § 113 Angestelltenversicherungsgesetz); für die Erstattungspflicht nach § 128 AFG vgl. im obigen Sinne BVerfGE 81, 156 (187 ff.). 115 BVerfGE 55, 274 (300 ff.). 116 BVerfGE 57, 139 (167). 117 BVerfGE 67, 256 (278); Hervorhebung auch im Original kursiv. 113

114

D. Voraussetzungen zulässiger Sonderabgaben

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de Lenkungszwecke, seien sie dominant oder nur beiläufig, ändern daran nichts,,118. Praktische Bedeutung gewonnen hat die vorstehend skizzierte Differenzierung erstmals bei der verfassungsrechtlichen Würdigung der Fehlbelegungsabgabe durch den 2. Senat 1l9 . Diese Abgabe werde nicht voraussetzungslos "als selbständig belastende Abgabe" erhoben, sondern korrespondiere den von der öffentlichen Hand zuvor gewährten Subventionsvorteilen. mit denen sie ,.in einem unlösbaren sachlichen Zusammenhang" stehe; die Subventionsvorteile würden "auf dem Weg einer - als Instrument benutzten - Abgabe" zurückgeholt. Als ,,(instrumentelle) Abschöpfungsabgabe" unterliegt die Fehlbelegungsabgabe nach Ansicht des 2. Senats nicht den strengen Voraussetzungen für parafiskalische Sonderabgaben. Sie bedürfe "aber dennoch einer besonderen Legitimation, wenn sie unter Inanspruchnahme einer Sachkompetenz der Art. 73 ff. GG erhoben" werde. Diese Legitimation sieht das Gericht darin, "daß bei der Fehlbelegungsabgabe eine Gesetzgebungskompetenz in Anspruch genommen werde, um aus Gründen der Gestaltung eines Sachbereichs, der Förderung des sozialen Wohnungsbaus, staatliche Einnahmen zu erzielen und diese im Rahmen des Sachprogramms zweckgebunden zu verwenden". Der Umstand, daß die gewonnenen Mittel wieder der Förderung des sozialen Wohnungsbaues zugeführt werden, "bestätigt" nach Ansicht des 2. Senats "den Charakter der Fehlbelegungsabgabe als eines bloßen Instruments der Subventionsregulierung" 120. Insgesamt tritt damit beim BVerfG der ursprünglich vor allem erhebungszweckorientierte Ansatz vorsichtig zurück zugunsten einer Betrachtungsweise, die mehr der unterschiedlichen Qualität der Verankerung der jeweiligen Abgabe in der in Anspruch genommenen Sachmaterie verpflichtet ist. Allerdings ist deutlich, daß die Judikatur des Gerichts bislang vorwiegend kasuistisch operiert; eine ausdrückliche systematische Aufschlüsselung, obschon implizite in Sicht (dazu sogleich unter III), steht noch aus.

111. Ansätze einer übergreifenden Systematisierung (Auch) in dem Versuch, die Judikatur des BVerfG in ihren Differenzierungen einem leitenden Grundgedanken unterzuordnen, habe ich in einigen Beiträgen, bezogen auf die Eigenart des jeweiligen Verpflichtungsgrundes, zwischen aktiven parafiskalischen -, voraussetzungslos erhobenen Sonderabgaben einerseits und reaktiven, voraussetzungsgebundenen Sonderabgaben andererseits unterschieden, die jeweils unterschiedlichen Anforderungen an die notwendige Distanzwahrung BVerfGE 67, 256 (278). BVerfGE 78, 249 (267 ff.) = JuS 1989,403 Nr. 1 (Seimer). 120 BVerfGE 78, 249 (269). 118 119

ill. Ansätze einer übergreifenden Systematisierung

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zur Steuer unterliegen 121. Dabei bin ich - wofür sich der Sache nach auch in mehreren BVerfG-Entscheidungen deutliche Anhaltspunkte finden - von der Einsicht ausgegangen, daß im Verpflichtungs grund der Abgabe, in ihrer belastungslegitimierenden causa l22 , der tragende Differenzierungsgesichtspunkt angelegt ist l23 . Es ist dies im folgenden noch einmal kurz auszubreiten, zugleich indes hinzuzufügen, daß der genannte Differenzierungsgesichtspunkt 124 im unmittelbaren Verbund mit der grundlegenden Voraussetzung zu sehen ist, daß die Abgabenregelung den für die Annahme einer Annex-Kompetenz gebotenen, unlösbaren Sachzusammenhang mit der in Anspruch genommenen Materie aufweist, d. h. gesetzlich als Instrument der Regelung und Beeinflussung dieser Materie ausgestaltet ist (vgl. vorstehend unter D I). Der Unterschied zwischen den parafiskalischen und den reaktiven, voraussetzungsgebundenen Sonderabgaben besteht vor allem darin, daß der im Tatbestand ausgewiesene rechtliche Zusammenhang zu der ausgestalteten Materie bei beiden Abgabentypen in grundsätzlicher Weise voneinander abweicht. Während die Erhebung der reaktiven, voraussetzungsgebundenen Sonderabgabe tatbestandlieh unmittelbar - eben reaktiv - anknüpft an einen (etwa) wirtschaftsrechtlichen Zusammenhang, in den die Pflichtigen gesetzlich eingebunden erscheinen, ist die parafiskalische, voraussetzungslos erhobene Sonderabgabe tatbestandlieh von einem solchen bedingenden Zusammenhang losgelöst; sie reagiert nicht, sondern ist tatbestandlieh aktiv auf die isolierte Verwirklichung einer besonderen Sachaufgabe hin ausgerichtet 125 • In alledem wird deutlich, daß die parafiskalische Sonderabgabe, indem sie tatbestandlieh ohne bedingende Veranlassung - und insoweit voraussetzungslos 126 - erhoben wird, dem Steuerregime im Grundsatz ungleich näher steht als die reaktive voraussetzungsgebundene Sonderabgabe. Denn letztere wahrt 121 Vgl. SeImer, in: Umweltschutz im Recht (0. Fußn. 35), S. 36 ff. (insb. S. 39 ff.); Selmer/Brodersen/Nicolaysen, Straßenbenutzungsabgaben (0. Fußn. 63), S. 64 ff. (66 ff.); Selmer, in: Umweltschutz durch Abgaben und Steuern (0. Fußn. 63), S. 46 ff. 122 Beide Begriffe verstanden weder nur im Sinne des Belastungsmotivs noch allein im Sinne des belastungsauslösenden abgabengesetzlichen Tatbestands als solchen, sondern im Sinne des bei Würdigung des - die Rechtsbeziehung prägenden - normativen Gesamtzusammenhangs zur Rechtfertigung der Belastung bestimmten Verpflichtungsgrundes. 123 Vgl. aus der Rspr. des BVerfG etwa BVerfGE 57, 139 (167); 67, 256 (278), wo mit der spezifischen Eingrenzung von Abgaben, "bei denen nicht die Finanzierung einer besonderen Aufgabe Anlaß zu ihrer Einführung gab" (vgl. oben bei und in Fußn. 116 f.), im Ansatz deutlich auf den Belastungsgrund als erheblich abgehoben wird. 124 Ihm im Ansatz zust. etwa Köck, Die Sonderabgabe als Instrument des Umweltschutzes, 1991, S. 54, 56 ff., 60, 83 ff., 143; ders., UPR 1991, S. 7 (8 ff.); ders., IUR 1991, S. 186 (190); ders., JZ 1993, S. 59 (65); Henseler, NVwZ 1991, S. 558; Heun, DVBI 1990, S. 666 (669 m. Fußn. 48, 670 m. Fußn. 56); Osterloh, NVwZ 1991, S. 823 (827 m. Fußn. 48); Meßerschmidt, RdE 1992, S. 182,226 (228); Kloepfer, UPR 1992, S. 201 (204 m. Fußn. 65). 12.'i BVerfGE 78, 249 (268) spricht davon, daß die Abgabe insoweit "voraussetzungslos als selbständig belastende Abgabe erhoben" werde. 126 Darin mit der Steuer übereinstimmend: Vgl. insoweit auch BVerfGE 55, 274 (298); 67, 256 (275); 78, 249 (267 f.).

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D. Voraussetzungen zulässiger Sonderabgaben

vor allem schon infolge ihrer spezifischen Abhängigkeit von einem vorgegebenen (z. B.) wirtschaftsrechtlichen Zusammenhang, der sich freilich in einer entsprechend prägenden Einbettung des Abgabentatbestandes in die jeweilige normative Gesamtkonzeption widerspiegeln muß, gewisse Distanz zur Steuer. Demgegenüber ist der parafiskalischen Sonderabgabe, indem sie, tatbestandlich losgelöst von einem unmittelbar bedingenden (z. B.) wirtschaftsrechtlich erheblichen Umstand l21 , die einschlägige Sachzuständigkeit zum Vehikel einer Abgabenerhebung macht, der potentielle Einbruch in das steuerliche Reservat geradezu wesenseigen l28 . Dieser unterschiedlichen Eigenart entspricht, daß die besonderen Kautelen, die die Distanz der vorzugslastenfremden nichtsteuerlichen Sonderabgaben zur Steuerverfassung wahren sollen, bei den parafiskalischen Sonderabgaben als solche grundsätzlich ungleich strenger zu sein haben als bei den voraussetzungsgebundenen Sondenibgaben. Auf sie finden, ohne daß es in der Tat auf die Unterscheidung von Fiskalzweck und Lenkungszweck im einzelnen ankäme l29 , die besonderen Voraussetzungen ungeschmälert Anwendung, die das BVerfG für parafiskalische Sonderabgaben zuletzt in seiner Entscheidung zum Absatzfondsgesetz 130 ausdrücklich bestätigt hat. Es sind dies, abgesehen von der primär vorauszusetzenden Sachkompetenz-Annexität der Abgabe, die folgenden: (a) Die einen Sachbereich gestaltende Sonderabgabe dürfe nur eine vorgefundene homogene Gruppe in Finanzverantwortung nehmen; diese Gruppe müsse durch eine vorgegebene Interessenlage oder durch besondere gemeinsame Gegebenheiten von der Allgemeinheit und anderen Gruppen abgrenzbar sein. (b) Dabei rechtfertige die Homogenität einer Gruppe eine Sonderabgabe nur, wenn sie sich aus einer spezifischen Sachnähe der Abgabepflichtigen zu der zu finanzierenden Aufgabe ergebe. (c) Ferner müsse das Abgabeaufkommen im Interesse der Abgabepflichtigen, also gruppennützig verwendet werden; "fremdnützige" Sonderabgaben seien unzulässig, es sei denn, daß die Natur der Sache eine finanzielle Inanspruchnahme der Abgabepflichtigen zugunsten fremder Begünstigter aus triftigen Gründen eindeutig rechtfertige. (d) Schließlich sei der Gesetzgeber bei längerfristig angelegten Sonderabgaben gehalten, in angemessenen Zeitabständen zu überprüfen, ob seine ursprüngliche Entscheidung für den Einsatz des gesetzgeberischen Mittels "Sonderabgabe" aufrechtzuerhalten oder ob sie wegen veränderter Umstände zu ändern oder aufzuheben sei 131. Demgegenüber steht die reaktive - voraussetzungsgebundene - Sonderabgabe unmittelbar im Dienste der jeweiligen Sachregelung, deren ihr unlösbar korresponVgl. Fußn. 125. Vgl. hierzu und zum Folgenden bereits SeImer, in: Umweltschutz durch Abgaben und Steuern (0. Fußn. 63), S. 47 ff. 129 V gl. zur entsprechenden Auffassung des BVerfG oben vor und in Fußn. 118. 130 BVerfGE 82, 159 (179 ff.) = JuS 1991,598 Nr. 2 (Seimer); vgl. auch bereits oben vor und in Fußn. 115. 131 Vgl. hierzu auch BVerfGE 72,330 (423); 73, 40 (94). 127

128

m. Ansätze einer übergreifenden Systematisierung

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dierendes Element sie darstellt. In dieser unauflösbaren normativen Einbindung der Abgabenerhebung in eine abgabeübergreifende gesetzgeberische Konzeption im Rahmen des (etwa: des wirtschaftsrechtlichen) Sachkompetenzbereichs liegt ihr prägendes Merkmal. Der damit von der Sache her grundsätzlich gegebene größere Abstand zum Steuerregime erlaubt es, die distanzsichernden Anforderungen als solche hier niedriger anzusetzen. Welche der strengen verfassungsrechtlichen Anforderungen an parafiskalische Sonderabgaben bei Sonderabgaben der hier in Rede stehenden Art entfallen oder minder gewichtig in Ansatz zu bringen sind, hat das BVerfG bislang offengelassen 132 . Allerdings wird man annehmen dürfen, daß es bei den reaktiven, voraussetzungsgebundenen Sonderabgaben jedenfalls einer im Sinne der Judikatur des BVerfG strikt "gruppennützigen" Verwendung des Abgabenaufkommens nicht bedarf!33. Dies besagt freilich nicht ohne weiteres zugleich auch, daß das Aufkommen aus voraussetzungsgebundenen Umweltabgaben in jedem Falle als gänzlich frei verfügbare Masse in den allgemeinen Haushalt eingehen darf. Je nach der sachinstrumentalen Eigenart der Abgabe kann vielmehr - um dem Eindruck zuvorzukommen, der Staat verschaffe sich hier über die vordergründige Gestaltung eines Sachbereichs fungible Finanzmittel - die gesetzliche Anordnung geboten sein, das Aufkommen sachzweckbezogen, d. h. in einem Sachzusammenhang mit der in Rede stehenden Aufgabe einzusetzen 134 . In diesem Zusammenhang dürfte auch die Feststellung des BVerfG vom 8. 6. 1988 135 von Interesse sein, die gesetzliche Zweckbindung der Fehlbelegungsabgabe zugunsten der Förderung des sozialen Wohnungsbaus "bestätige" den Charakter der Abgabe als eines bloßen Instruments der Subventionsregulierung; dementsprechend wird denn auch abschließend nicht nur die Abgabe als solche, sondern auch "ihre Zweckbestimmung" für die Einschätzung in Anspruch genommen, daß in der Aktion weder eine Gefährdung der bundesstaatlichen Finanzverfassung noch eine Umgehung ihrer Verteilungsregeln gesehen werden könne. Im Ergebnis erscheint daher insbesondere dort, wo der rein sachinstrumentale Charakter einer reaktiven, voraussetzungsgebundenen Sonderabgabe weniger prägend in Erscheinung tritt, sehr wohl die Forderung angebracht, die notwendige Distanz zur bundesstaatlichen Steuerverfassung durch eine sachkompetenzorientierte Verwendung des Aufkommens - keinesfalls zu verwechseln mit der Gruppennützigkeitsbindung der parafiskalischen Sonderabgabe - zusätzlich (d. h. bestätigend) zu sichern.

Vgl. BVerfGE 67,256 (278): " ... bedarf hier keiner Entscheidung". So offenbar auch BVerfGE 57, 139 (167); 78, 249 (269); vgl. wie oben bereits Seimer, in: Umweltschutz durch Abgaben und Steuern (0. Fußn. 63), S. 50 m. weit. Nachw. in Fußn. 183. 134 Vgl. bereits Köck, Die Sonderabgabe als Instrument des Umweltschutzes, S. 143, 175; ders., UPR 1991, 7 (10); Seimer, in: Umweltschutz durch Abgaben und Steuern (0. Fußn. 63), S. 50 f. 135 BVerfGE 78, 249 (269). 132 133

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D. Voraussetzungen zulässiger Sonderabgaben

Auf den vorstehend gelegten kompetenzrechtlichen Grundlagen ist im folgenden der Frage nachzugehen, ob in concreto die Sonderabfallabgabe des Hessischen Sonderabfallabgabengesetzes den für sie maßgebenden verfassungsrechtlichen Anforderungen standhält.

E. Die Hessische Sonderabfallabgabe eine verfassungsrechtlich zulässige Sonderabgabe? I. Vorbemerkung Als primäre Verfassungsvoraussetzung der Hessischen Sonderabfallabgabe als Sonderabgabe wird im folgenden zu prüfen sein, ob dem Land Hessen nach Maßgabe der verfassungsrechtlichen Verteilungsanordnungen in Art. 70 ff. GG die Kompetenz zur Regelung der Sonderabfallabgabe sachkompetenziell grundsätzlich zusteht. Sodann wird als kompetenzrechtlich besondere, in der Sache freilich nicht minder gewichtige Voraussetzung ins Auge zu fassen sein, ob die Hessische Sonderabfallabgabe aufgrund ihrer tatbestandlichen Ausformung von Abgabepflicht und Aufkommensverwendung den gebotenen Abstand zur Steuerverfassung der Art. 105 ff. GG hält.

11. Allgemeine Voraussetzung: Steht dem Land Hessen sachkompetenziell die Gesetzgebungszuständigkeit f"ür die Regelung der Sonderabfallabgabe grundsätzlich zu? Das Land Hessen hat sich für die gesetzliche Ausformung seiner Sonderabfallabgabe sachkompetenziell wesentlich auf Art. 74 Nr. 24 GG gestützt. Die dort u. a. aufgeführte konkurrierende Gesetzgebungskompetenz über das Gebiet der ,,Abfallbeseitigung" hat der Bund mit dem Erlaß des (seither mehrfach geänderten und ergänzten) Abfallgesetzes ausgeübt 136 • Auf dieser Grundlage kann sich das Land Hessen auf die Kompetenzkategorie "Abfallbeseitigung" des Art. 74 Nr. 24 GG nur dann berufen, wenn die von ihm geregelte Sonderabfallabgabe - unbeschadet ihrer auf Vermeidung gerichteten Erhebungszie1setzung thematisch der "Abfallbeseitigung" des Art. 74 Nr. 24 GG unterfällt (11 1, a), - als Geldleistungspflicht diesem Sachbereich annexkompetenzrechtlich zuzuordnen ist (11 I, b) und schließlich - nicht angesichts der bundesrechtlichen Regelungen des Abfallgesetzes nach Maßgabe des Art. 72 I GG auf eine Kompetenzsperre stößt (11 2). 136 Zur Rechtsentwicklung vgl. im einzelnen den Überblick bei Kunig/Schwermer/Versteyl, AbfaIlgesetz, 2. Auf!. (1992), Einleitung Rdnr. 4 ff. m. weit. Nachw.

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E. Die Hessische Sonderabfallabgabe

1. Die Hessische Sonderabfallabgabe und die Kompetenzzuweisung des Art. 74 Nr. 24 GG a) Zur thematischen Einschlägigkeit der "Abfallbeseitigung" des Art. 74 Nr. 24 GG Geht es bei der Erhebung der Hessischen Sonderabfallabgabe thematisch um Vermeidung von Sonderabfall (und bei der Verwendung des Aufkommens auch um seine Verwertung), so fragt sich, ob der in Art. 74 Nr. 24 GG verwendete Begriff der "Abfallbeseitigung" hierfür die notwendige Kompetenzbasis bietet. Mit dem Bundesgesetzgeber, der in §§ la, 14 AbfG gesetzliche Regelungen zur Abfallvermeidung und Abfallverwertung formuliert hat, bejaht heute die vorherrschende Auffassung im verfassungs- und abfallrechtlichen Schrifttum die vorstehend aufgeworfene Frage 137 , während eine Mindermeinung den Begriff der "Abfallbeseitigung" restriktiv interpretiert 138 • Diese Meinung ist zuletzt vom VGH Kassel in seinem Vorlagebeschluß an das BVerwG vom 15. Dezember 1992 139 knapp wie folgt umrissen worden: "Bei der Regelung der Materie ,Abfallentsorgung' , worunter Abfallverwertung und Abfallablagerung fallen (§ 1 11 AbfG), kann sich der Bund auf Art. 74 Nr. 24 GG (Abfallbeseitigung) stützen. Hinsichtlich der davon zu unterscheidenden Regelung der Abfallvermeidung kann auf diesen Kompetenztitel nicht zurückgegriffen werden. Denn Abfallvermeidung unterfällt nicht dem Begriff der Abfallbeseitigung. Das Problem der Abfallbeseitigung kann sich nämlich erst dann stellen, wenn Abfall vorhanden ist, dessen Entstehung die Abfallvermeidung verhindern will,,140. Diese Meinung verdient keine Zustimmung. Der Begriff der "Abfallbeseitigung" ist vielmehr in Übereinstimmung mit der im Schrifttum vorherrschenden Auffassung (jedenfalls heute) in einem umfassenderen Sinne zu verstehen. Der vordergründige Wortsinn des Begriffs "Abfallbeseitigung" läßt freilich gewisse Zweifel offen. Es ist kaum in Abrede zu stellen, daß erst das, was vorhanden ist, "beseitigt" werden kann. Andererseits - weniger kurz gegriffen - kann schwer137 Rengeling (0. Fußn. 77), § 100 Rdnr. 237; Hösellv. Lersner, Recht der Abfallbeseitigung (Komm.), 1972 ff., § la AbfG Rdnr. 3; Klages, Vermeidungs- und Verwertungsverbote als Prinzipien des Abfallrechts, 1991, S. 21 ff., 27; Kloepfer, Rechtsgutachten, S. 49; Bremer, Die Abfallbeseitigung als Gegenstand der Bundesgesetzgebung und die Grenzen einer landesrechtlichen Ordnung der Abfallwirtschaft, BayVBI 1992, S. 70 ff. (71); Kügel, NVwZ 1994, S. 535 (538),jew. m. weit. Nachw. 138 BenderlSparwasser, Umweltrecht, 2. Aufl. (1990), Rdnr. 873 m. Fußn. 23; Bothe, Rechtliche Spielräume für die Abfallwirtschaft der Länder nach Inkrafttreten des Bundesgesetzes über die Vermeidung und Entsorgung von Abfllllen vom 27. 8. 1986, NVwZ 1987, S. 938 ff. (939); Köck, in: ders.lv. Schwanenflügel, Abfallvermeidung durch kommunale Verpackungsabgaben, 1990, S. 32 f.; Hendler, Rechtsgutachten, S. 31 ff.; s. auch Fußn. 139. 139 KStZ 1993, S. 147 = DVBI 1993, S. 741 (Ls.) = ZUR 1993, S. 123 m. insoweit zust. Anm. von Köck, ebd. S. 127 ff. 140 VGH Kassel, KStZ 1993, S. 147 (158).

11. Allgemeine Voraussetzung

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lich bestritten werden, daß Abfallentsorgung und Abfallbeseitigung untrennbar miteinander verbunden sind l4 1, braucht doch das, was an Abfall vermieden wird, nicht beseitigt zu werden. Der Gesichtspunkt der Abfallvermeidung ist, mit anderen Worten, eine entscheidende Determinante der Abfallbeseitigung selbst; dies gilt in entsprechender Hinsicht auch für das Verhältnis von Abfallbeseitigung und Abfallverwertung. In teleologischer Auslegung des "Beseitigung"-Begriffs ist als wesentlicher Aspekt ferner in die Waagschale zu werfen, daß der Verfassungsgeber dem Bund mit Art. 74 Nr. 24 GG ersichtlich eine umfassende, wenn auch nur konkurrierende Kompetenz zur Regelung der umwelterheblichen Fragen des Abfalls anband geben wollte. Anhaltspunkte dafür, daß der Verfassungsgeber umweltrelevante Teilaspekte des Abfalls, aus dem kompetenzrechtlichen Einzugsbereich der "Abfallbeseitigung" ausgeklammert wissen wollte, sind nicht deutlich 142. Daß explizite gesetzgebungshistorische Hinweise auf eine die Abfallvermeidung und -verwertung einschließende Bundeskompetenz gemäß Art. 74 Nr. 24 GG ebenfalls nicht vorhanden sind l43 , steht einer entsprechenden Auslegung des ,,Beseitigung"-Begriffs nicht entgegen. Die Verfassung ist eben - wieder einmal - klüger als ihre Autoren. Mit anderen Worten: Der Umstand, daß weder in den Materialien zur Erweiterung des Art. 74 GG noch in denen zum Abfallbeseitigungsgesetz die Aspekte der Abfallvermeidung und Abfallverwertung ausdrücklich thematisiert worden sind, besagt nur etwas über den Schwerpunkt des damaligen Problembewußtseins, hat aber keine kompetenzrechtlich abschließende Aussagekraft. Die in Art. 74 aufgeführten Sachbereiche sind ,,keine statischen Größen"I44. Sie können vielmehr ihre Konturen, sofern und soweit dem nicht Wortlaut und Teleologie unmittelbar entgegenstehen, den fortschreitenden tatsächlichen Umständen und dem diesen entsprechenden allgemeinen Rechts- und Problembewußtsein anpassen. Damit unterfallen im Ergebnis auch die Materien der Abfallvermeidung und Abfallverwertung der Abfallbeseitigung und infolgedessen bereits Art. 74 Nr. 24 GG. So bedarf hier nicht der weiteren Ausbreitung, daß als Kompetenzgrundlage für die Regelung der spezifisch abfallwirtschaftlichen Komponenten der Abfallvermeidung und -verwertung daneben auch, worüber Meinungsverschiedenheiten weitestgehend nicht bestehen, Art. 74 Nr. 11 GG in Betracht kommt l45 •

Vgl. auch Brenner, BayVBI 1992, S. 70 (71). Vgl. wie oben auch Rengeling (0. Fußn. 77), § 100 Rdnr. 237. 143 Hierauf verweisend vgl. Hendler, Rechtsgutachten, S. 32. 144 Hierzu und zum Folgenden s. auch Rengeling (0. Fußn. 77), § 100 Rdnm. 35, 237. 145 Vgl. insoweit nur (für viele) Brenner, BayVBI 1992, S. 70 (72); Hendler, Rechtsgutachten, S. 35. 141

142

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E. Die Hessische Sonderabfallabgabe

b) Hinreichende Sachkompetenz-Annexität der Hessischen Sonderabfallabgabe als Geldleistungspflicht ?

Die thematische Einschlägigkeit der ,,Abfallbeseitigung" auch für die Bereiche der Vermeidung und Verwertung besagt freilich noch nicht, daß die unter letztere fallende Hessische Sonderabfallabgabe - als Geldleistungspflicht - ohne weiteres der Sachzuständigkeitszuweisung gemäß Art. 74 Nr. 24 GG unterstellt werden kann. Denn keinesfalls kann, worauf zuletzt Köck mit Recht ausdrücklich hingewiesen hat, schon "aus der Gesetzgebungskompetenz für das Recht der Abfallbeseitigung die Zulässigkeit von Abgabeerhebungen gefolgert werden,,146. Die Frage ist damit, ob die Hessische Sonderabfallabgabe der dem: Land konkurrierend zur Verfügung stehenden Regelungskategorie "Abfallbeseitigung" kompetenziell jedenfalls als Annex zugeordnet werden kann. Dies ist, wie eingangs skizziert 147 , der Fall, wenn die Abgabe nach ihrer gesetzlichen Ausformung einen engen, unlösbaren Zusammenhang mit der Materie der Abfallbeseitigung aufweist, insbesondere - über die bloße Mittelbeschaffung hinausgehend - als Sachinstrument der gestaltenden Einflußnahme auf diese Materie geregelt ist. Das Vorliegen der vorgenannten Voraussetzung wird für die Hessische Sonderabfallabgabe - und nicht nur für sie - weitgehend ohne weiteres bejaht. Das gilt für die Autoren, die der Abgabe auch im Ergebnis umfassend die verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit attestieren, aber auch für diejenigen, die ihr schließlich aus anderen Gründen die verfassungsrechtliche Anerkennung versagen 148 . In der Tat: Es läßt sich für diese Auffassung verweisen auf den der Abgabe grundsätzlich sowie infolge ihrer Bewertungs- und Bemessungsgrundlage (§§ 3, 4) zukommenden Vermeidungs- als beabsichtigtem Erhebungszweck und auf die gesetzliche Ausformung der Aufkommensverwendung durchgehend zugunsten von Zwecken, die dem Sonderabfall thematisch zuzuordnen sind ( § 9). Das scheint den Charakter der Sonderabgabe als einer im Sachbereich Abfallbeseitigung gestaltend wirkenden Maßnahme unabweisbar zu belegen. Nähere Betrachtung läßt freilich durchaus gewisse Zweifel an der Überzeugung aufkommen, das Hessische Sonderabfallabgabengesetz selbst sei mit der gebotenen Dichte normativ als eine schon für sich so zu bewertende Sachlenkungsregelung ausgestaltet. Grundlage dieser Zweifel ist einmal eine deutliche Inkongruenz der umweltrechtlichen Erhebungs- und Verwendungszwecke der Sonderabfallabgabe. Sind erstere als solche primär allein auf die Vermeidung abgabepflichtigen Abfalls, sekundär (vermittels der in § 3 I ausgewiesenen Bewertungsgrundlage) auch auf seine umweltverträgliche Entsorgung und Verwertbarkeit ausgerichtet, so beziehen sich die Verwendungszwecke darüber hinaus auch auf die Förderung von Maßnahmen zur Bewältigung durch abgabepflichtigen Abfall oder den Umgang mit gefährli146 147 148

Köck, JZ 1993, S. 59 (67). Vgl. oben unter C IV 1 (vor Fußn. 81 ff.) und D I (bei Fußn. 94 ff.). Vgl. dazu die oben in Fußn. 34 ff. vermerkten Literaturstimmen.

II. Allgemeine Voraussetzung

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chen Stoffen bereits entstandener Gefahren, Schäden und Folgelasten. Kann deshalb, genau genommen, schon nicht davon gesprochen werden, daß durch die Verwendung des Abgabeaufkommens der Erhebungszweck der Sonderabfallabgabe (und allein er) "gestärkt" werde l49, so trifft gewiß nicht die Darlegung zu, es handele sich bei § 9 um eine "detailliert normierte" Verwendung des Abgabeaufkommens l50 . Eher schon spricht ein genauer Blick für das Gegenteil: Die Regelung des § 9 weist zwar eine ganze Reihe von Verwendungszwecken auf. Sie vermögen indes Regelungsdichte nicht zu ersetzen. Mit anderen Worten: Mit vorstehender Würdigung wird die - in § 9 in der Tat verwirklichte - Vielfalt der normierten Verwendungszwecke mit einem hohen Grad an Konkretisierungstiefe dieser Zwecke verwechselt. Diese Tiefe ist in Wahrheit bei § 9 ersichtlich unterentwickelt. Sie geht in allen Fällen im Grunde über die im allgemeinen auch bei Zwecksteuern üblichen Konturen 151 nicht hinaus. Die Vielfalt der Verwendungszwecke betont diese Unschärfe eher zusätzlich, anstatt sie abzumildern. Denn § 9 läßt durchweg nicht nur die Modalitäten der Verwirklichung der verschiedenen Zwecke im einzelnen offen. Die Bestimmung äußert sich auch in keiner Weise darüber, wie die verschiedenen Zwecke der Nm. 1 - 5 zueinander zu gewichten sind. Das gilt insbesondere für das Verhältnis der in den Nm. 1 - 4 von § 9 I S. 2 ausgeformten Zwecke, die durch Richtlinien handhabbar zu machen die Hessische Ministerialverwaltung zwischenzeitlich versucht hat, zu dem in Nr. 5 angesprochenen Aufgabenbereich. Welcher Teil des Aufkommens aus der Sonderabfallabgabe auf diesen über ihren Erhebungszweck hinausgehenden Verwendungszweck entfallen soll, bleibt gesetzlich gänzlich ungeregelt. Der dem Verfasser vorliegende Landeshaushaltsplan für das Haushaltsjahr 1992 152 läßt durchweg erkennen, daß der Haushaltsgesetzgeber Pleinpouvoir für sich in Anspruch nimmt, das Aufkommen aus der Sonderabfallabgabe für alle in § 9 festgelegten Zwecke und darunter insbesondere auch für die Kosten der erhebungszweckfremden Altlastensanierung nach freiem Ermessen zu verwenden. Insgesamt bleibt damit das Bild der "Ausgestaltung" des in Anspruch genommenen Regelungsbereichs durch das Sonderabfallabgabengesetz denkbar diffus. Von ungefähr kommt jedenfalls nicht, wenn Steiner in seiner verfassungsrechtlichen Würdigung der Sonderabfallabgabe den gesetzlichen Festlegungen ihres Aufkommens ,,Beliebigkeit" vorwirft und neben dem Zweck der Altlastensanierung "die weiteren Verwendungszwecke nur für vorgeschoben erachtet,,153. Die nach Maßgabe der Aufkommensverwendung des § 9 in der Tat unabweisbaren Zweifel, ob das Sonderabfallabgabengesetz einen spezifischen und klar umrissenen GestaltungsgeSo aber Hendler, Rechtsgutachten, S. 48. Hendler, Rechtsgutachten, S. 48. 151 Zu ihnen vgl. BVerfGE 55,274 (311); 67, 256 (279). 152 V gl. oben bei Fußn. 27. 153 Vgl. Steiner, Umweltabgaben im Spannungsfeld von Politik, Wissenschaft und Verfassungsrecht, StVj 1992, S. 205 ff. (214, 215). 149 150

48

E. Die Hessische Sonderabfallabgabe

halt aufweist, mögen indes in ihren Konsequenzen (noch) dahinstehen. Angesichts des Umstands, daß jedenfalls der Erhebungszweck der Sonderabfallabgabe klar auf Steuerung des Sachbereichs gerichtet ist und ihre Verwendungszwecke, unbeschadet der skizzierten Unabgestimmtheit und mangelnden Konkretisierungstiefe, immerhin thematisch durchgehend dem Bereich ,,Abfallbeseitigung" zuzurechnen sind, dürfte die Abgabe bei einer Gesamtbetrachtung nicht schon an der gebotenen Sachkompetenz-Annexität scheitern, sofern sie im übrigen den verfassungsrechtlichen Anforderungen in überzeugender Weise genügt.

2. Verbrauch der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz durch bundesgesetzliche Regelungen des Abfallrechts? Zu den vorgenannten weiteren verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Sachkompetenz-Konformität der Hessischen Sonderabfallabgabe gehört, daß der Bund die mit der Abgabe angestrebte Abfallvermeidung nicht seinerseits mit Sperrwirkung für die Länder bereits geregelt hat. Im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung sind die Länder zur Gesetzgebung befugt, solange und soweit der Bund von seinem Gesetzgebungsrecht keinen Gebrauch gemacht hat (Art. 72 I GG). Hinsichtlich der hier in Rede stehenden Materie der Abfallvermeidung hat der Bundesgesetzgeber in § la I S. 1 AbfG bestimmt, daß Abfälle nach Maßgabe von Rechtsverordnungen auf Grund des § 14 I Nm. 3, 4 und 11 S. 3 Nm. 2-5 zu vermeiden sind. Dementsprechend wird die Bundesregierung in § 14 I, 11 AbfG ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die in den vorgenannten Nummern der Absätze 1 und 2 bestimmten Vermeidungsregelungen zu treffen. Die Frage ist, ob der Bundesgesetzgeber durch die einschlägigen Passagen der §§ la, 14 AbfG in einer Weise ("soweit") kompetenzausschöpfend tätig geworden ist, daß den Ländern (auch) die Regelung einer auf Abfallvermeidung gerichteten Abfallabgabe gemäß Art. 72 I GG versagt ist. Dabei ist davon auszugehen, daß ein Gebrauchmachen LS. der letzteren Bestimmung vorliegt, wenn ein Bundesgesetz eine bestimmte Materie erschöpfend und damit abschließend geregelt hat l54 . Ob eine bundesrechtliche Regelung erschöpfend ist, ist auf Grund einer Gesamtwürdigung des betreffenden Normenbereichs festzustellen ISS •

Auf der Hand liegt, daß § la I S. 1 AbfG nicht schon für sich allein, sondern erst in Verbindung mit § 14 AbfG als länderkompetenzhinderndes Gebrauchmachen i.S. von Art. 72 I GG in Betracht zu ziehen ist. Dabei ist in Rechnung zu stellen, daß § 14 AbfG lediglich eine (bislang nur zu einem kleinen Teil ausgenutzte) Verordnungsermächtigung enthält, deren Sperrwirkungscharakter sich jedenfalls nicht von selbst versteht. Mit Recht wird angenommen, daß eine bundesrechtliche Ver1~4 155

Vgl. BVerfGE 36, 193 (210 f.). Vgl. BVerfGE 49, 334 (358); 67, 299 (324).

11. Allgemeine Voraussetzung

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ordnungsennächtigung nur dann eine Sperrwirkung gern. Art. 72 I GG für den Gegenstand der Ennächtigung entfaltet, "wenn bereits in der Ennächtigung eine erschöpfende und abschließende Regelung des Gegenstandes zu sehen ist,,156. Dies aber ist vorliegend nur dann der Fall, wenn § 1a i.v. mit § 14 AbfG nach Maßgabe ihres Regelungsgehalts die Länder nicht nur daran hindern, ergänzende ordnungsrechtliche Regelungen zur Abfallvenneidung zu fonnu1ieren, sondern auch daran, mit auf Abfallvenneidung ausgerichteten Sonderabgaben gestaltend tätig zu werden. Was zunächst die Willensrichtung des Bundesgesetzgebers anbetrifft, so hat die Bundesregierung als Initiatorin der Bestimmungen unter ausdrücklicher Verwerfung der Bundesratsforderung, in § 1a AbfG klarzustellen, daß weitergehende landesrechtliche Regelungen zur Venneidung und Verwertung von Abfällen möglich seien, ihre Vorschläge zur Abfallvenneidung und -verwertung als abschließend betrachtet l57 ; dabei sind die Gesichtspunkte der "Wettbewerbsgleichheit" und der "Gleichheit der Systeme in den einzelnen Bundesländern" als Gründe besonders hervorgetreten l58 . Nun reichte dies für sich allein gewiß nicht aus, der Verordnungsennächtigung als solcher Ausschließungswirkung gegenüber den Ländern beizumessen, wäre die gesetzliche Regelung des § 14 AbfG jeder einschlägigen Sachaussage in die vorgenannte Richtung im übrigen bar. Das ist indes nicht der Fall. § 14 AbfG enthält vielmehr eine eigenständige Rege1ungsaussage, die den im Gesetzgebungsverfahren zum Ausdruck kommenden Regelungswillen der Gesetzesinitiatoren bestätigt. Der Regelungsgehalt des § 14 liegt zum einen darin, daß in ihm die Ratio der Ennächtigung an die Bundesregierung, "zur Venneidung" von (schadstoffhaltigern) Abfall verordnend tätig zu werden, explizite und ohne Vorbehalte ausgesprochen wird. Vor allem aber basiert, wie an der mengenbezogenen Bestimmung des § 1411 AbfG deutlich wird, die Regelung auf einer spezifischen Venneidungskonzeption des Bundesgesetzgebers, die sich durch ein stufenweises Vorgehen von der bloßen Zielfestlegung und der von dieser erhofften Interventionswirkung bis zur verordnungsrechtlichen Ordnungsmaßnahme auszeichnet: ,,Nach dem Willen des Gesetzgebers sollen hinsichtlich der Mengenregelung staatliche Eingriffe möglichst vermieden werden. Es soll abfallproduzierenden Industrie- und Gewerbebetrieben zunächst ennöglicht werden, die von der Bundesregierung fonnulierten Zie1vorgaben zur Mengenregelung durch eigene Aktivitäten in die Praxis umzusetzen,,159. Es liegt auf der Hand, daß dieses in § 14 AbfG in wesentlicher Weise ge156 Bothe, NVwZ 1987, S. 938 ff. (945); s. ferner Kloepfer, Rechtsgutachten, S. 52; vgl. auch BVerfGE 18,407 (417 f.); BVerwG, NJW 1988, S. 1161 betr. Sperrwirkung einer bundesrechtlichen Verordnungsermächtigung zugunsten der Landesregierungen (sogar) zu Lasten des Bundesgesetzgebers. 157 Vgl. BT-Drucks. 10/2885, S. 48; BT-Drucks. 10/5656, S. 57. 158 Vgl. Fußn. 157; vgl. zu obigen Gesichtspunkten auch Klages, Rechtliche Instrumente zur Abfallvermeidung, NVwZ 1988, S. 481 ff. (483); Kügel, NVwZ 1994, S. 535 ff. (539); Hendler, Rechtsgutachten, S. 44.

4 Selmer

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E. Die Hessische Sonderabfallabgabe

setzlieh verwirklichte Kooperationsprinzipl60, mag man es rechtspolitisch für im Sinne des Vermeidungsziels zweckmäßig halten oder nicht, weitgehend derogiert werden könnte, ließe man neben §§ 1a, 14 AbfG landesrechtliehe Regelungen mit abfallvermeidender Zielsetzung zu. Sowohl der gesetzgeberische Wille als auch die objektive Gesetzeslage sprechen daher im Ergebnis dafür, daß es sich bei den genannten Bestimmungen um eine erschöpfende Regelung der Materie Abfallvermeidung unter Ausschluß der Landesgesetzgeber handelt. Daß von § 1a i.V. mit § 14 AbfG eine Sperrwirkung für die Landesgesetzgebung ausgeht, entspricht denn auch heute dem vorherrschenden Meinungsstand 161. Gelegentlich wird freilich bei grundsätzlicher Anerkennung einer solchen Sperrwirkung eine Ausnahme hiervon gerade für das vorliegend in Rede stehende abgabenrechtliche Instrumentarium gemacht. So formuliert der VGH Kassel in seinem Vorlagebeschluß an das BVerwG vom 15. Dezember 1992, ohne freilich seine These näher zu begründen: ,,§ 14 AbfG schließt lediglich die dem Bund vorgehaltenen Instrumentarien Verwendungs- und Verkehrsgebote bzw. -verbote, Rücknahme und Pfandpflichten und Auflagen für Getrenntsammlung durch Landes- und kommunale Gesetzgeber aus, nicht aber die Erhebung einer öffentlichen Abgabe,,162. Ähnlich meint Hendler in seinem Rechtsgutachten, "daß § 14 AbfG ausschließlich das klassische Instrumentarium der Verhaltenssteuerung durch ordnungsrechtliche Gebote und Verbote" betreffe, nicht aber das "abgabenrechtliche Instrumentarium", das vom Land Hessen mit dem Erlaß des Sonderabfallabgabengesetzes eingesetzt wurde l63 . Hendler begründet dies mit der Erwägung, daß das abgabenrechtliche Instrumentarium "aufgrund seiner vielfliItigen Besonderheiten" neben dem ordnungsrechtlichen Instrumentarium eine "eigenständige Kategorie" bilde l64 . Das überzeugt, wie nähere Betrachtung ergibt, in mehrfacher Hinsicht nicht. Die "Erhebung einer öffentlichen Abgabe" (VGH Kassel) bzw. "das abgabenrechtliche Instrumentarium" (Hendler) grundsätzlich von der kompetenziellen Sperrwirkung des § 14 AbfG auszuklammern, besteht in der formulierten Allgemeinheit keine Veranlassung. Richtig ist allerdings, daß der Erhebung einer zielentsprechenden Landessteuer das ordnungsrechtliche Instrumentarium des § 14 Vgl. Kunig/SchwennerlVersteyl, Abfallgesetz (0. Fußn. 136), § 14 Rdnr. 6. Vgl. Kunig/Schwenner/Versteyl, aaO (0. Fußn. 159) m. weit. Nachw. 161 Vgl. Klages, NVwZ 1988, S. 481 ff. (483); Kloepfer, Rechtsgutachten, S. 51 ff.; Brenner, BayVBI 1992, S. 70 ff. (73); Steiner, StVj 1992, S. 205 ff. (216); Kügel, NVwZ 1994, S. 535 ff. (538 f.); Köck, ZUR 1993, S. 128; a.A. Bothe, NVwZ 1987, S. 938 ff.; Hendler, Rechtsgutachten, S. 37 ff.; vgl. auch Fußn. 162. Für die entsprechende neue Rechtslage unter dem Regime des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes (s. dazu näher bei E 11 4) vgl. indes wie oben auch OssenbUhl, Zur Kompetenz der Länder für ergänzende abfallrechtliche Regelungen, DVBll996, S. 19 (20 f.). 162 VGH Kassel, KStZ 1993, S. 147 ff. (159); s. auch die insoweit zust. Anmerkung von Köck, ZUR 1993, S. 128. 163 Hendler, Rechtsgutachten, S. 39. 164 Vgl. Fußn. 163. 159 160

11. Allgemeine Voraussetzung

51

AbfG gegebenenfalls nicht als erschöpfende und damit abschließende Regelung entgegengehalten werden könnte. Steuern bilden in der Tat aufgrund ihrer (auch verfassungskräftigen) Eigenart, insbesondere ihrer kompetenzrechtlich besonderen Verankerung in den Art. 105 f. GG, eine ganz "eigenständige Kategorie" 165. Sie stehen deutlich neben den spezifisch sachordnenden gesetzlichen Maßnahmen und Instrumenten, die unmittelbar aufgrund der Gesetzgebungskompetenzen in Art. 73 ff. GG geregelt worden sind, und werden in ihrer kompetenzrechtlichen Zulässigkeit durch parallele Ordnungsregelungen eines anderen Kompetenzträgers in dem weiten durch das Prinzip der Bundestreue gezogenen Rahmen nicht in Frage gestellt 166. Anderes muß indes für das Institut der Sonderabgabe gelten, als die der Hessische Landesgesetzgeber seine Sonderabfallabgabe ausgebildet hat. Die Sonderabgabe verkörpert gerade keine von den Sachmaterien als solchen zu trennende, d. h. "neben" ihnen stehende Kategorie. Sie ist vielmehr kompetenzrechtlich - als zwingende Voraussetzung ihrer formell-verfassungsrechtlichen Zulässigkeit - den von ihr gestalteten Materien sachlich unauflöslich zugeordnet. Bereits diese der Sonderabgabe immanente spezifische Sachkompetenz-Annexität schließt es vorliegend aus, die Sonderabfallabgabe argumentativ aus dem Einzugsbereich des § 14 AbfG zu lösen und damit dessen Sperrwirkung für den Bereich der Abfallvermeidung zu entziehen. Hinzu kommt in der Sache, daß die § 14 AbfG innewohnende spezifische Zielerreichungskonzeption mit ihrer abgestuften Vorgehensweise (S.0.)167 nicht nur durch imperative Weisungen im Rahmen des Ordnungsrechts, sondern auch durch die rechtlich nicht nur (wie bei der Gebühr) als Nebenzweck, sondern als eine Primärfunktion angelegten motivationsbestimmenden und damit gezielt verhaltenslenkenden Ingerenzen einer Sonderabfallabgabe in erheblicher Weise unterlaufen, jedenfalls aber modifiziert wird. Beide Erwägungen schließen es, nimmt man sie zusammen, zwingend aus, die kompetenzrechtliche Sperrwirkung des § 14 AbfG an - nicht spezifisch gegenleistungsorientierten - abfallabgabegesetzlichen Länderinitiativen eine Grenze finden zu lassen. Wenn auch nicht maßgeblich mitbegründet, so doch jedenfalls bestätigt wird diese Schlußfolgerung dadurch, daß im Gesetzgebungsverfahren zum Abfallgesetz 1986 die Frage der Einführung von Abfallabgaben sehr wohl erörtert, aber schließlich abgelehnt worden ist l68 . Dieser Umstand rundet im Zusammenhang mit dem explizite zum AusVgl. bei und in Fußn. 163 f. Vgl. dazu näher Seimer, Steuerinterventionismus und Verfassungsrecht, 1972, S. 152 ff. (158 f.). - Entsprechendes gilt angesichts der primären Gegenleistungsfunktion der Gebühr (s. oben bei und in Fußn. 88) mit dem BVerwG, Beschl. v. 3. 5. 1994, NVwZ 1994, S. 900 = NuR 1995, S. 186, auch für eine landesgesetzliche Verpflichtung der Gemeinden und Landkreise, als Nebenzweck der Gebühr vermittels einer mengenbezogenen Gebührengestaltung Anreize zur Abfallvermeidung zu schaffen; vgl. in diesem Sinne auch F. Kirchhof, DVBI 1994, S. 1101 (1103 f.). 167 Vgl. bei und in Fußn. 159 f. 168 BT-Drucks. 1012885, S. 2; BT-Drucks. 10/5656, S. 38, 41, 44, 45, 76 ff. 165

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4*

52

E. Die Hessische Sonderabfallabgabe

druck gekommenen Willen der Bundesregierung, § la I S. 1 i.V. mit § 14 AbfG als abschließende Regelung auf dem Gebiet der Abfallvermeidung zu konzipieren (S.0.)169, den überzeugenden Gesamteindruck einer umfassenden Sperrwirkung dieser gesetzlichen Bestimmung gegenüber den Ländern ab. Die von § la I S. 1 i.v. mit § 14 ausgehende Sperrwirkung zu Lasten der Länder wird schließlich auch nicht vermittels § la I S. 2 AbfG teilweise eingeschränkt. Diese Vorschrift bestimmt im Anschluß an die in Satz 1 vorgenommene Aufzählung der Vermeidungspflichten nach potentieller Maßgabe der Ermächtigungen in § 14 AbfG: "Die Pflichten der Betreiber genehmigungsbedürftiger Anlagen, Abfälle nach den Regelungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes durch den Einsatz reststoffarmer Verfahren oder durch Verwertung von Reststoffen zu vermeiden, bleiben unberührt". Diese Unberührtheitsklausel, die ersichtlich speziell die Reststoffvermeidungspflicht des § 5 I Nr. 3 BImSchG im Auge hat 170, hat nicht die Bedeutung und Funktion, den Weg für ergänzende Regelungen der Länder in dem hier in Rede stehenden Umfange, insbesondere für die Schaffung einer vermeidungsorientierten Sonderabfallabgabe, freizuhalten. Sie verdeutlicht nur, und ist in dieser Hinsicht wortgerecht zu verstehen, daß es unbeschadet spezifisch abfallrechtlicher Vermeidungskonzeptionen bei der bundes-immissionsschutzgesetzlichen Grundpflicht des § 5 I Nr. 3 BImSchG verbleibt, soweit es um Abfallvermeidung "durch den Einsatz reststoffarmer Verfahren oder durch Verwertung von Reststoffen" geht l71 • Im übrigen behält die kompetenzielle Ausgrenzungswirkung des Abfallgesetzes gegenüber den Ländern für den Bereich der Abfallvermeidung auch angesichts § la I S. 2 AbfG ihre umfassende Bedeutung. Nur dieses Verständnis entspricht auch der im Gesetzgebungsverfahren zum Abfallgesetz 1986 unmißverständlich zum Ausdruck gekommenen grundlegenden Ambition der Bundesregierung, mit ihren (sodann gesetzlich verwirklichten) Vorschlägen zur Abfallvermeidung und -verwertung eine themenerschöpfende und damit abschließende d. h. aber unbeschadet § la I S. 2 AbfG: auch immissionsschutzrechtlich nicht erweiterungsfähige - Regelung zu treffen l72 • Auf vorstehenden Grundlagen erscheint damit die abschließende Feststellung gerechtfertigt, daß der Bund die mit der Sonderabfallabgabe thematisierte Abfallvermeidung durch § la I S. 1 i.V. mit § 14 AbfG in einer Weise gesetzlich geregelt hat, die bei einer Gesamtwürdigung des betreffenden Normenbereichs als erschöpfend und abschließend anzusehen ist. Der Bund hat, mit anderen Worten, insoweit von der ihm aus Art. 74 Nr. 24 GG konkurrierend zustehenden Gesetzgebungskompetenz i.S. von Art. 72 I GG "Gebrauch gemacht" - mit der Konsequenz, daß Vgl. oben bei und in Fußn. 157 f. Vgl. zum Verhältnis der beiden Bestimmungen näher Hansmann, Inhalt und Reichweite der Reststoffvorschrift des § 5 I Nr. 3 BJmSchG, NVwZ 1990, S. 409 ff. (insb. S. 410); Kunig/Schwermer/Versteyl, Abfallgesetz (0. Fußn. 136), § la Rdnrn. 6 f. 171 Vgl. Fußn. 170. 172 Vgl. oben bei und in Fußn. 157 f. 169

170

11. Allgemeine Voraussetzung

53

dem Land Hessen für das von ihm erlassene Sonderabfallabgabengesetz die verfassungsrechtlich gebotene Zuständigkeit fehlt 173 . Offen bleiben kann angesichts dieses schon aufgrund bestehenden Bundesrechts gesicherten Ergebnisses die Frage, ob und inwieweit gegebenenfalls auch ein Bundesabfallabgabengesetz 174 und ein Bodenschutzgesetz des Bundes 175 Sonderabfallabgabengesetzen der Länder kompetenzrechtlich entgegenstünden. Denn beide - sich in der Tat abzeichnende - Gesetze befinden sich noch in einem Stadium der Verwirklichung, das für sich allenfalls über den Gedanken der Vorwirkung gewisse (wohl zweifelhafte) kompetenzrechtliche Schlußfolgerungen zu Lasten der Länder zuläßt 176 . Nachzutragen ist, daß das OVG Bremen in einem im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ergangenen Beschluß vom 19. April 1995 (Az. 1 B 84/94) für das Bremische Abfallabgabengesetz in sachlicher Übereinstimmung mit vorstehender Darlegung nachdrücklich Zweifel daran geäußert hat, daß das (Bundes-)Abfallgesetz von 1986 dem Landesgesetzgeber einen Gesetzgebungsspielraum für die Schaffung einer Abfallabgabe beläßt und - daraus folgend - das Landesgesetz wirksam ist.

3. ZwischenresÜlnee

Damit bietet sich für die allgemeine Voraussetzung der grundsätzlichen sachkompetenziellen Gesetzgebungszuständigkeit des Landes Hessen zur Regelung der Sonderabfallabgabe folgende Zusammenfassung an: Der mit der Sonderabfallabgabe berührte Bereich der Abfallvermeidung wird als solcher zwar thematisch von der "Abfallbeseitigung" des Art. 74 Nr. 24 GG aufgenommen. Die Ausgestaltung der Aufkommensverwendung der Abgabe durch § 9 des Hessischen Sonderabfallabgabengesetzes läßt indes Zweifel schon an ihrer hinreichenden SachkompetenzAnnexität aufkommen. Stellt man diese Zweifel zurück, so scheitert die Sachgesetzgebungszuständigkeit des Landes Hessen entsprechend Art. 72 I GG jedenfalls aber daran, daß der Bund das Thema der Abfallvermeidung durch § la I S. 1 i.V. mit § 14 AbfG erschöpfend und damit abschließend besetzt hat. Das gilt auch für das sonderabgabenrechtliche Instrumentarium und wird durch die Unberührtheitsklausel des § la I S. 2 AbfG nicht in vorliegend erheblicher Weise in Frage gestellt. 173 Das gilt auch unter dem Gesichtspunkt einer ,,Nachbesserung" des Bundesabfallrechts: vgl. treffend BVerfGE 36, 193 (211 f.); 36, 314 (320). 174 Vgl. dazu oben bei und in Fußn. 21, 45 ff. 175 Vgl. dazu Ott, Der Entwurf der Bundesregierung für ein Bodenschutzgesetz, ZUR 1994, S. 53 ff; Rid/Petersen, Konzeption für ein Bundes-Bodenschutzgesetz, NVwZ 1994, S. 844; Schink, Die Altlastenregelungen des Entwurfs des Bundesbodenschutzgesetzes, DÖV 1995, S. 213. 176 Zur Frage des maßgeblichen Zeitpunktes einer Sperrwirkung vgl. BVerfGE 34, 9 (29); 36,342 (363 f.); s. dazu auch Rengeling (0. Fußn. 77), § 100 Rdnr. 118.

54

E. Die Hessische Sonderabfallabgabe

4. Exkurs: Keine Erweiterung des Länderspielraums durch das Gesetz zur Vermeidung, Verwertung und Beseitigung von Abfällen vom 27. September 1994 ,Durch das am 6. Oktober 1994 verkündete Gesetz zur Vermeidung, Verwertung und Beseitigung von Abfällen vom 27. September 1994 (BGBl. I S. 2705) ist das Abfallrecht des Bundes auf neue Grundlagen gestellt worden. Seine Bestimmungen, insbesondere das als Art. 1 ergangene Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz (KrW-/AbfG), treten grundsätzlich am 7. Oktober 1996 in Kraft; nur die Vorschriften, die zum Erlaß von Rechtsverordnungen ermächtigen oder solche ErmächtigUQgen in anderen Gesetzen ändern, sind bereits am 7. Oktober 1994 in Kraft getreten, um Zeit für die Schaffung der vollzugserforderlichen Verordnungsregelungen zu gewinnen (Art. 13). Die Frage ist, ob sich, anders als nach Maßgabe der bisherigen Rechtslage, aus dem Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz eine den Erlaß von Abfallabgaben einschließende Freistellung der Ländergesetzgebung ergibt. Sie ist zu verneinen. Das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz enthält gegenüber dem Abfallgesetz von 1986 keine Erweiterung des Länderspielraums, sieht man von der expliziten Begrenzung der Sperrwirkung des Art. 72 I GG durch § 13 IV KrW-1 AbfG für die Normierung von Andienungs- und Überlassungspflichten ab. Dabei ist für den vorliegenden Zusammenhang vor allem zu registrieren, daß der bei der Erhebung der Sonderabfallabgabe im Vordergrund stehende Zweck der Abfallvermeidung im Kreislaufwirtschafts- und Abfallgewetz eine Berücksichtigung gefunden hat, die die durch das Abfallgesetz von 1986 noch übertrifft. So wird in § 4 I KrW-1 AbfG eine deutliche Zielhierarchie zwischen Abfallvermeidung und Abfallverwertung vorgegeben, wenn dort bestimmt wird, daß Abfälle in erster Linie zu vermeiden und in zweiter Linie stofflich oder energetisch zu verwerten sind; § 4 11 nennt darüber hinaus beispielhaft Maßnahmen, die gerade der Vermeidung von Abfällen dienen. Auch wird in § 5 I KrW-1 AbfG die Abfallvermeidung zur primären Grundpflicht der Kreislaufwirtschaft erklärt. Vorliegend entscheidend ist indes, daß letztere Bestimmung ausdrücklich anordnet, daß sich die Pflichten zur Abfallvermeidung - abgesehen von § 9 KrW-1 AbfG, der in Ablösung des § la I AbfG, aber in wesentlicher Übereinstimmung mit dieser Bestimmung das Verhältnis zum Immissionsschutzrecht klärt - nach "den auf Grund der § § 23 und 24 erlassenen Rechtsverordnungen" richten. Dabei sind die §§ 23, 24 KrW-1 AbfG mit ihren ins einzelne gehenden, enumerierten Verordnungsermächtigungen ersichtlich als abschließende Umsetzung der in § 22 KrW-/AbfG festgelegten und umrissenen Produktverantwortung gedacht. Mit Recht bestehen denn auch keine Meinungsverschiedenheiten darüber, daß die Verordnungsermächtigungen des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes - unbeschadet seines § 9 (s.o.) - eine erschöpfende gesetzliche Regelung des Themas Abfallvermeidung bedeuten und damit (sind sie bisher auch noch unausgeschöpft) schon für sich die Sperrwirkung des § 72 I GG entfalten. Den Ländern fehlt es also, wobei im übrigen auf die Darlegungen unter

ill. Distanz zur Finanzverfassung der Art. 105 ff. GG?

55

E II 2 verwiesen werden kann, auch unter dem neuen Regime des Gesetzes zur Vermeidung, Verwertung und Beseitigung von Abfallen schon kompetenzrechtlich an der Befugnis zur Regelung einer als Sonderabgabe ausgestalteten Abfallabgabe l77 .

In. Besondere Voraussetzung: Wahrt die Sonderabfallabgabe hinreichende Distanz zur Finanzverfassung der Art. lOS fT. GG? 1. Die Sonderabfallabgabe - eine parafiskalische oder eine reaktive, voraussetzungsgebundene Sonderabgabe?

Die des weiteren von Verfassungs wegen an die Hessische Sonderabfallabgabe zu stellenden Anforderungen hängen ersichtlich vorrangig davon ab, ob es sich bei ihr um eine parafiskalische Sonderabgabe handelt, die voraussetzungslos als selbständig belastende Abgabe erhoben wird, oder um eine reaktive, voraussetzungsgebundene Sonderabgabe, bei der ein spezifischer Belastungsgrund im Vordergrund der Erhebung steht (s. oben unter D III). Bei der Beantwortung der Frage, welcher dieser beiden Sonderabgabe-Typen die Hessische Sonderabfallabgabe wesentlich zuzuordnen ist, bedarf vorab insbesondere der Klärung, ob für diese Qualifizierung jedenfalls primär an die Sphäre der abgabepflichtigen Sonderabfallerzeuger (§ 2 I) oder (auch) an die der Kunden der letzteren anzuknüpfen ist. Denn das Land Hessen hat die Überwälzung der Sonderabfallabgabe auf die Abnehmer abgabevorbelasteter Produkte ersichtlich in sein Kalkül aufgenommen, als es dem Gesetzentwurf eines Sonderabfallabgabegesetzes ausdrücklich die Erwartung von "Auswirkungen auf das Preisniveau" voranschickte 178 . Im Ergebnis wird man dem freilich keine konstitutierende Bedeutung zusprechen dürfen. Die Frage, wer eine gesetzlich auferlegte öffentliche Abgabe letztlich wirtschaftlich trägt, hat für ihre begriffliche Einordnung keine apriori bestimmende Funktion. Bei der verfassungsrechtlichen Bewertung von Geldleistungspflichten ist vielmehr im Ansatz stets auf die Stellung des Abgabepflichtigen abzustellen, nicht auf die des potentiellen Abgabenträgers, auf den die Abgabe übergewälzt werden kann 179. Denn selbst dort, wo diese Abwälzbarkeit der Abgabe ihrer gesetzgeberi177 Vgl. zur Regelung der §§ 22 ff. KrW-/AbfG als abschließende und die Sperrwirkung des Art. 72 I GG auslösende Behandlung der Produktverantwortung (u. a.) mit dem Ziel der Abfallvermeidung Queitsch, Das neue Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz (KrW-1 AbfG), UPR 1995, S. 412 (414 m.w.Nachw.); Ossenbühl, Zur Kompetenz der Länder für ergänzende abfallrechtliche Regelungen, DVBI 1996, S. 19 ff.; VersteyllWendenburg, Änderungen des Abfallrechts, NVwZ 1994, S. 833 (839); zur Bedeutung des § 9 KrW-1 AbfG vgl. insb. Rebentisch, Probleme zwischen Abfallrecht und Imrnissionsschutzrecht - ein Ausschnitt, NVwZ 1995, S. 639 (641). 178 Vgl. LT-Drucks. 13/80, S. 2.

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E. Die Hessische Sonderabfallabgabe

schen Grundidee entspricht (was vorliegend nicht der Fall ist), handelt es sich bei der Überwälzung letztlich stets um einen "wirtschaftlichen Vorgang"; das Gesetz überläßt es dem Abgabeschuldner, den geschuldeten Betrag in seine "Kalkulation einzubeziehen und die Wirtschaftlichkeit seines Unternehmens auch dann zu wahren,,180. Die rechtlich ermöglichte Abwälzbarkeit hat damit nicht zum Inhalt, daß der Abgabeschuldner den von ihm entrichteten Betrag tatsächlich immer von der Person ersetzt erhält, die nach der Konzeption des Gesetzes letztlich die Abgabe tragen SOll181. Andererseits ist die (kalkulatorische) Abwälzbarkeit der Abgabe auch dort nicht ausgeschlossen, wo sie (wie hier) im Gesetz nicht institutionell besonders gesichert ist. Mit Recht hat deshalb das BVerwG bereits 1975 bei seiner Würdigung der von den Filmtheaterbesitzern zu entrichtenden Filmabgabe dem Thema ihrer denkbaren Abwälzung auf die Kinobesucher keine begriffsbestimmende Bedeutung beigemessen l82 . In diesem Sinne hat es auch in seinem Urteil vom 6. 6. 1984 zur Ausgleichsabgabe des Dritten Verstromungsgesetzes die konkrete Irrelevanz der Abwälzbarkeit durch die - ersichtlich dem Ausschluß einer begrifflich konstituierenden Kraft dieses Umstandes dienende - Einsicht bestätigt gesehen, daß "Abgaben in der Regel über die Preise an die Verbraucher weitergegeben werden,,183. Auf dieser Grundlage wird im folgenden davon ausgegangen, daß entsprechend auch für die verfassungsrechtliche Beurteilung der Hessischen Sonderabfallabgabe bei der rechtlichen Abgabepflichtigkeit der Sonderabfallerzeuger und nicht bei einer etwaigen wirtschaftlich-tatsächlichen Trägerschaft der Abnehmer anzusetzen ist. Dies vorausgesetzt und vorweggenommen ergibt eine Gesamtwürdigung der Sonderabfallabgabe unter Berücksichtigung der gesetzlichen Ausgestaltung ihrer Erhebung und Verwendung sowie des umweltrechtlichen Zusammenhangs, in dem die Abgabe zu sehen ist, daß es sich bei ihr um eine aktive - parafiskalische - Sonderabgabe handelt: Für diese rechtliche Einschätzung maßgebend ist, daß die Verankerung der Hessischen Sonderabfallabgabe in der in Anspruch genommenen Sachmaterie in ihrer gesetzlichen Ausprägung nicht die Qualität aufweist, die es erlaubt, von einer reaktiven, voraussetzungsgebundenen Sonderabgabe in dem oben (unter D TII) entwik179 Vgl. BVerfGE 14,76 (95 ff.); 31, 8 (17 ff.) für das Vergnügungsteuerrecht; BVerfGE 27, 375 (385 ff.) für das Verbrauchsteuerrecht im allgemeinen; BVerfGE 36, 321 (330 ff.); 37,38 (46 ff.) für das Umsatzsteuerrecht; s. aber auch in Fußn. 183. 180 Vgl. BVerfGE 14,76 (96); 31, 8 (19 f.). 181 Vgl. BVerfGE 27, 375 (384). 182 Vgl. BVerwGE 45, 1 (2 ff.). 183 BVerwG, DVBI1984, S. 1175; für die Begriffsbestimmung wesentlich auf die Stellung der Abgabenträger (der Stromverbraucher) abstellend jetzt aber BVerfG, NJW 1995, S. 381 = JuS 1995, S. 1128 Nr. I, dabei allerdings die Umstände besonders gewichtend, daß durch § 10 m Drittes VerstromungsG ausdrücklich die gesonderte Ausweisung des .. Kohlepfennigs" in den Rechnungen über Elektrizitätslieferungen vorgeschrieben sei und auch die Härteregelung des § 11 nur von der Betroffenheit der Endverbraucher handele.

III. Distanz zur Finanzverfassung der Art. 105 ff. GG?

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kelten Sinne zu sprechen. Denn die Sonderabfallabgabe knüpft in ihrer Erhebung tatbestandlieh nicht, wie vorauszusetzen, unmittelbar - reaktiv - an einen vorgegebenen abfallrechtlichen Zusammenhang an, in den die Abfallerzeuger gesetzlich eingebunden erscheinen und aus dem zugleich der zur Rechtfertigung der Belastung bestimmte Verpflichtungsgrund der Abgabe resultiert. Sie ist vielmehr in wesentlicher Weise aktiv auf die isolierte Verwirklichung besonderer Sachaufgaben hin ausgerichtet, d. h. sie wird, wie es das BVerfG anläßlich seiner Erörterung der Fehlbelegungsabgabe für die parafiskalische Sonderabgabe formuliert hat, "voraussetzungslos als selbständig belastende Abgabe erhoben,,184. Was zunächst die auf Vermeidung und Verwertung von Sonderabfall gerichteten (Erhebungs- und Verwendungs-)Zwecke der Hessischen Sonderabfallabgabe anbetrifft, so enthalten ersichtlich weder das Bundes- noch das Hessische Landesrecht vorgegebene gesetzliche Zusammenhänge, die die Erhebung einer Sonderabfallabgabe durch das Land als integrierenden und rechtlich folgerichtigen Bestandteil eines sonderabfallrechtlichen Gesamtkonzepts erscheinen lassen. Bereits hierin unterscheidet sich die Sonderabfallabgabe deutlich etwa von der Fehlbelegungsabgabe 185 , nach richtiger Auffassung aber auch von der Ausgleichsabgabe des Dritten Verstromungsgesetzes. Diese ordnet sich auf der bedingenden Grundlage der staatlichen Leitentscheidung für die Sicherung des Einsatzes heimischer Steinkohle und entsprechender staatlich (mit-)veranlaßter Primärinterventionen in die vorgefundenen Realitäten der Marktverhältnisse im Energiebereich als Sekundärintervention eng in den energiewirtschaftsrechtlichen Zusammenhang ein; sie stellt sich damit als Element einer übergreifenden und umfassenderen elektrizitätswirtschaftlichen Marktregulierung dar und ist auch als solche rechtlich zu würdigen l86 . Von einer vergleichbaren Konstellation kann bei der Hessischen Sonderabfallabgabe auch nicht annähernd die Rede sein I8 ? Das Bild der Sonderabfallabgabe als einer "selbständig belastenden Abgabe" (S.0.)188 schärft sich, nimmt man den Gesichtspunkt der Altlastenbewältigung hinzu, wie er in der Verwendungsregelung des § 9 I S. 2 Nr. 5 des Hessischen Sonderabfallabgabengesetzes Ausdruck gefunden hat. Auch insoweit kann von einem vorgegebenen Regelungszusammenhang, in den sich die Sonderabfallabgabe zwingend einfügt, nicht die Rede sein. Mit Recht stellt Dolde in der jetzt vorgelegten Kurzfassung seines Altlasten-Gutachtens für den 60. Deutschen Juristentag fest: BVerfGE 78, 249 (268) =JuS 1989,403 Nr. 1 (Seimer). Zu ihrer Eigenart vgl. die Darstellung in BVerfGE 78,249 (268 f.). 186 Vgl. dazu im einzelnen Seimer, Die Verfassungsmäßigkeit der Ausgleichsabgabe gemäß § 8 des Dritten Verstromungsgesetzes ("Kohlepfennig"), Rechtsgutachten, erstattet dem deutschen Steinkohlenbergbau, Mai 1993, S. 20 ff., 63 ff., 72 ff., 78. A.A. jetzt aber BVerfG, Beschl. v. 11. 10. 1994, NJW 1995, S. 381 =JuS 1995, S. 1128 Nr. 1. 187 Für die im Vordergrund der Sonderabfallabgabe stehende Abfallvermeidung vgl. im obigen Sinne etwa Klages, Rechtliche Instrumente zur Abfallvermeidung, NVwZ 1988, S. 481 ff.; Kunig/Schwerrner/Versteyl, Abfallgesetz (0. Fußn. 136), § la Rdnrn. 1 ff. 188 Vgl. oben bei und in Fußn. 184. 184 185

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E. Die Hessische Sonderabfallabgabe

"Das geltende Recht der Altlasten ist verstreut und zersplittert. Das Bundesrecht enthält keine geschlossene Regelung. Abfallgesetz, Wasserhaushaltsgesetz und Bundesimmissionsschutzgesetz treffen einige ,altlastenrelevante' Regelungen. Das Landesrecht ist verschieden. Neben den Regelungen in den Landesabfall- und Altlastengesetzen gelten die Landeswassergesetze und das allgemeine Polizei- und Ordnungsrecht. Daraus resultiert eine für die Rechts- und Wirtschaftseinheit wenig sinnvolle Rechtszersplitterung. Hinzu kommen inhaltliche Regelungsdefizite: ... ,,189. Aus dem in concreto landesrechtlieh maßgeblichen Hessischen Abfallwirtschafts- und Altlastengesetz i.d.F. vom 26. Februar 1991 190 ergibt sich nichts von alledem Abweichendes, im Gegenteil: Schon das rechtliche Nebeneinander von Regelentgelt für die Sonderabfallbeseitigung, Altlastenfinanzierungsumlage gern. § 23 des genannten Gesetzes - bis August 1991 erhoben als ,,Altlastensanierungszuschlag" zu vorgenanntem Entgelt - und Sonderabfallabgabe wirft zusätzliche Zweifel daran auf, ob (und dies auch finanzrechtlich) von einem konsistenten Sonderabfallkonzept gesprochen werden kann. Ins Gewicht fällt schließlich auch, daß die Berücksichtigung der finanziellen Altlastenbewältigung in der Verwendungsregelung des § 9 I S. 2 Nr. 5 des Hessisehen Sonderabfallabgabengesetzes, worauf hinzuweisen (unter EIl 1 b)191 bereits in anderem Zusarnrnenhang Veranlassung bestand, eine deutliche Inkongruenz von Erhebungs- und Verwendungszwecken der Sonderabfallabgabe bedeutet. Sie vervollständigt, zumal der Aufkommensanteil zugunsten der Altlastensanierung in keiner Weise gesetzlich festgeschrieben ist, das Bild einer in wesentlichen Zügen deutlich als parafiskalische Sonderabgabe ausgestalteten Geldleistungspflicht. Die von Hendler vertretene Gegenmeinung, begründet wesentlich nur damit, daß die Sonderabfallabgabe ,,im Hinblick auf das Ertragsvolumen, den Kreis der Abgabepflichtigen sowie die Maßstäbe für die Abgabehöhe vollständig vom Lenkungszweck geprägt" werde 192, ist als solche ersichtlich unzutreffend: Die gesetzliche Ausgestaltung auch der Ertragsverwendung darf bei einer Gesamtwürdigung nicht aus der Betrachtung schlicht ausgeblendet werden - wie denn auch die von Hendler herausgestellten Kriterien ohne weiteres auch von einer (reinen) Lenkungssteuer erfüllt würden 193. 189 Dolde, Empfehlen sich ergänzende gesetzliche oder untergesetzliche Regelungen der Altlasten und welchen Inhalt sollen sie haben ?, NJW 1994, Beilage Nr. 4/94 zu Heft 6, S. 6 ff. (7); ähnlich Oerder, NJW 1994, S. 2181 ff. (2182); zur gegenwärtigen Disparität des Altlastenrechts in der Bundesrepublik vgl. ferner auch Pohl, NJW 1995, S. 1645; Endersl Uwer, BB 1995, S. 629; Schink, DÖV 1995, S. 213; ders., GewArch 1995, S. 441; Ossenbühl, BB 1995, S. 1805. 190 GVBI. I S. 106, zuletzt geändert durch Art. 4 Gewerbeaufsichtsverwaltungs-Neuorganisationsgesetz v. 25. 2. 1993, GVBI. I S. 49. 191 Vgl. oben bei Fu8n. 149 ff. 192 Vgl. Hendler, Rechtsgutachten, S. 59. A.A. VGH Kassel, NVwZ 1995, S. 1027, wenn er im Zusammenhang mit § 80 11 Nr. 1 VwGO ausdrücklich darauf hinweist, daß der Hessisehen Sonderabfallabgabe "auch Finanzierungsfunktion" zukomme. 193 Vgl. dazu oben bei und in Fußn. 105.

III. Distanz zur Finanzverfassung der Art. 105 ff. GG?

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Auf der Grundlage der bisher gewonnenen Einsichten wird damit im nachstehenden Abschnitt zu prüfen sein, ob die Hessische Sonderabfallabgabe den spezifischen Anforderungen an die finanzverfassungsrechtliche Zulässigkeit parafiskalischer Sonderabgaben (vgl. oben unter D III) genügt.

2. Zur finanzverfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Sonderabfallabgabe als parafiskalische Sonderabgabe a) Wahrung des Ausnahmecharakters des Sonderabgabeinstruments Die gegebene Konstellation zeichnet sich freilich durch die Besonderheit aus, daß die Hessische Sonderabfallabgabe, sich dadurch von allen bisher bekannten Sonderabgaben abhebend, im Zusammenhang zu sehen ist mit zwei weiteren Geldleistungspflichten (Entsorgungsentgelt, Altlastenfinanzierungsumlage), mit denen zusammen sie - abgesehen von etwaigen Kosten des Ordnungsrechts - rechtlich ein ganzes Maßnahmebündel außersteuerlicher finanzstaatlicher Bewältigung der in Rede stehenden Problematik bildet. Das gibt Veranlassung, vorab der Frage des Ausnahmecharakters der Sonderabgabe einige Aufmerksamkeit zuzuwenden. Erstmals in seiner Entscheidung zu der im Ausbildungsplatzförderungsgesetz vorgesehenen Sonderabgabe hat in diesem Sinne das BVerfG in Zusammenschau der für die Einführung einer Sonderabgabe erforderlichen Rechtfertigungsgründe festgestellt, "daß die Sonderabgabe ein spezielles gesetzgeberisches Instrument ist, das gegenüber der Steuer die seltene Ausnahme zu sein hat,,194. Diese Feststellung hat das Gericht im Zusammenhang mit der Sonderabgabe des Absatzfondsgesetzes nachdrücklich erneuert l95 . Abgeleitet hat es aus dem Ausnahmecharakter der Sonderabgabe bislang allerdings nur die Folge, daß die von ihm etablierten besonderen ,,zulässigkeitskriterien strikt auszulegen und anzuwenden sind,,196. Weitergehende Konsequenzen hat das Gericht seinerseits bisher nicht angedeutet oder gar ausgesprochen. Indes hat es Trzaskalik vor einiger Zeit im Rahmen seines Beitrages zum Entwurf eines Bundes-Abfallabgabengesetzes unternommen, dem vom BVerfG herausgestellten Ausnahmecharakter der Sonderabgabe gerade für den vorliegenden Bereich deutlichere Aussagekraft, i.e. eine "Sperrwirkung des Gebührenrechts", abzugewinnen: "Soweit die Pflicht zur Überlassung von Abfällen eingreift (§ 3 I AbfG), bewegt man sich im Umfeld der Vorzugslasten. Mit der Ausgestaltung der Abfallentsorgung als einer von den Landkreisen und kreisfreien Städten zu erbrinBVerfGE 55, 274 (308), Hervorhebung auch im Original kursiv. BVerfGE 82, 159 (181); zuletzt wie oben BVerfG, NJW 1995, S. 381 = JuS 1995, S. 1I28 Nr. I ("Kohlepfennig"). Im Schrifttum haben auf den vom BVerfG postulierten Ausnahmecharakter der Sonderabgabe für die Abfallabgaben hingewiesen insbes. F. Kirchhof, DVB11994, S. 1I0t (1I05); Ossenbühl, BB 1995, S. 1805 (1810). 196 Vgl. die in Fußn. 194 und 195 genannten Entscheidungen und Autoren. 194 195

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E. Die Hessische Sonderabfallabgabe

genden gebührenpflichtigen Leistung ist die Entscheidung gegen eine von der Gebühr unabhängige Abfallabgabe gefallen, die aus der Sphäre der Kunden der Entsorgungsträger heraus gerechtfertigt werden könnte. Finanzierungs- und Lenkungsüberlegungen müssen sich in der Ausgestaltung des Gebühremechts niederschlagen. ,Besondere Gründe' im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 82, 159, 181) für eine zusätzliche Abgabe sind nicht erkennbar,,197. Diese Darlegung erscheint, zumal angesichts der heute unbestrittenen Lenkungsoffenheit auch des Entgeltabgabemechts l98 , durchaus überzeugend. Sie ist, da dem Grundgesetz eine prinzipielle verfassungskräftige Nachrangigkeit des Sonderabgabe-Instruments als solche nicht zu entnehmen ist l99 , verfassungsrechtlich vor allem an den rechtsstaatlichen Gedanken der Konsequenz und Systemgerechtigkeit sowie der Notwendigkeit des einzusetzenden Lenkungsmittels festzumachen. Hendler räumt in allgemeinerem Zusammenhang denn auch ein, daß "bereits die gegenwärtig bestehenden relativ hohen Abfallentsorgungskosten Ameize für Investitionen im Bereich der Abfallvermeidung und Abfallverwertung" bildeten, meint rechtfertigend aber, daß "diese Ameize durch die Sonderabfallabgabe noch verstärkt" würden2OO. Das trifft zu, mutet angesichts der in § 23 des bisherigen Hessischen Abfall wirtschafts- und Altlastengesetzes nach wie vor zusätzlich gesetzlich angeordneten (und von 1990 bis zur Einführung der Sonderabfallabgabe auch praktizierten) Altlastenfinanzierungsumlage aber als wenig überzeugungskräftig an, zumal die Sonderabfallabgabe auf der Verwendungsseite (§ 9 I Nr. 5) unübersehbar sogar in Konkurrenz zu dieser Umlage tritt. Ob den vorstehenden Einsichten direkte Aussagekraft für das Problem der Verfassungskonformität der Hessischen Sonderabfallabgabe zukommt, mag an vorliegender Stelle offen bleiben. Es wird diese Frage anläßlich der nachstehenden Erörterung der besonderen Anforderungen an die finanzverfassungsrechtliche Zulässigkeit der Sonderabfallabgabe im gegebenen Zusammenhang wieder aufzunehmen sein. Unter dem hier speziell in Rede stehenden Aspekt des Ausnahmecharakters des Sonderabgabe-Instituts wird man indes aus den angestellten Erwägungen als solchen verfassungsrechtliche Schlußfolgerungen zu Lasten der Hessischen Sonderabfallabgabe (wohl entgegen der Auffassung von Trzaskalik)201 noch nicht entnehmen können. Gewiß nicht zu bezweifeln ist freilich, daß diese Erwägungen dazu zwingen, der vom BVerfG formulierten Forderung, "die Zulässigkeitskriterien strikt auszulegen und anzuwenden,,202, für die Hessische Sonderabfallabgabe nachfolgend mit besonderem Nachdruck zu entsprechen ist. 197

198

199 200 201

202

Trzaskalik, Der instrumentelle Einsatz von Abgaben, StuW 1992, S. 135 (146). Vgl. oben bei und in Fußn. 87 f. Vgl. Seimer, in: Umweltschutz durch Abgaben und Steuern (0. Fußn. 63), S. 26 f. Vgl. Hendler, Rechtsgutachten, S. 57. Vgl. Fußn. 197. V gl. bei und in Fußn. 196.

III. Distanz zur Finanzverfassung der Art. 105 ff. GG?

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b) Gruppenhomogenität Im Rahmen der Notwendigkeit, die (zulässige) Sonderabgabe in gebotenem Abstand zur Steuerverfassung (Art. 105 ff. GG) sowie auch in Übereinstimmung mit dem Grundsatz der Lastengleichheit aller Bürger zu halten, hat die jeweils als Sonderabgabe in Rede stehende Geldleistungspflicht vor allem der Voraussetzung der Homogenität der belasteten Gruppe zu genügen: "Die einen Sachbereich gestaltende Sonderabgabe darf nur eine vorgefundene homogene Gruppe in Finanzverantwortung nehmen; diese Gruppe muß durch eine vorgegebene Interessenlage oder durch besondere gemeinsame Gegebenheiten von der Allgemeinheit und anderen Gruppen abgrenzbar sein. Es ist dem Gesetzgeber verwehrt, für eine beabsichtigte Abgabenerhebung beliebig Gruppen nach Gesichtspunkten zu bilden, die nicht in der Rechts- oder Sozialordnung materiell vorgegeben sind,,203. Bei der Umsetzung dieser verfassungsrechtlichen Vorgaben ist insbesondere in Rechnung zu stellen, daß für die Frage der Homogenität des Kreises der Belasteten auf eine typisierende Betrachtungsweise abzustellen ist, geht es doch dabei wesentlich um die kompetenzielle Beurteilung und Zuordnung der in Rede stehenden Rechtsnormen. Das heißt: Maßgebend für die Beantwortung der vorgenannten Frage ist der vom Gesetzgeber normierte typische Pflichtige. Demgegenüber ist, worauf das BVerfG mit Recht mehrfach hingewiesen hat, die Frage, "ob der Kreis der Abgabepflichtigen allenthalben in rechter Weise abgegrenzt wurde, für die Qualifizierung der Abgabe grundsätzlich ohne Bedeutung. Soweit die Belastung mit der Abgabe unter dem Aspekt des Abgabezwecks einer sachlichen Begründung entbehrt, ist sie wegen Verstoßes gegen Art. 3 I GG nichtig,,204. Hieraus folgt in concreto, daß bereits für die Klärung der Homogenitäts-Frage allein auf die als typische Pflichtige der Hessischen Sonderabfallabgabe ausgewiesenen Sonderabfallerzeuger (§ 2 I) abzustellen ist. Demgegenüber kann außer Betracht bleiben, wie die Einbeziehung auch der Sammelentsorger sowie der aus sonderabfallabgabefreien Ländern nach Hessen verbrachten Sonderabfälle in die Abgabepflicht (§ 2 TI, IV) insoweit, aber auch im Hinblick auf die weiteren finanzverfassungsrechtlichen Postulate der Sachnähe und Gruppenverantwortung sowie der Gruppennützigkeit zu beurteilen ist. Eine gleichermaßen vorab zu klärende Grundsatzfrage stellt ferner dar, ob die Homogenität des Kreises der Pflichtigen gelöst von einer an den Zwecken, insbesondere Verwendungszwecken der Abgabe orientierten Betrachtung allein an den Abgabetatbestand anknüpft oder nicht. Sie ist, in Übereinstimmung mit Hendle~o5 und entgegen der von Kloepfe~06 vertretenen Auffassung, dahin zu beantworten: 203 204 205 206

(541).

Zuletzt BVerfGE 82, 159, 180 (st. Rspr.). BVerfGE 37,1 (17); in der Sache ebenso bereits BVerfGE 18, 315 (329). Vgl. Hendler, Rechtsgutachten, S. 52 f. Vgl. Kloepfer, Rechtsgutachten, S. 72 f.; ihm folgend Kügel, NVwZ 1994, S. 535 ff.

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E. Die Hessische Sonderabfallabgabe

Wohl muß die vom Gesetzgeber verfügte Gruppenbildung naturgemäß einen sachlichen Bezug zu der (Erhebungs-)Zielsetzung des Gesetzes aufweisen. Was indes die Verwendung des Aufkommens betrifft, so ist die formulierte Frage grundsätzlich im Sinne der (Verwendungs-)Zweckfreiheit des Homogenität-Merkmals zu beantworten. Hierfür ausschlaggebend sind freilich nicht so sehr allgemeine ,,rechtssystematische Gründe" (Hendler). Entscheidend ist vielmehr, daß die Voraussetzung der Homogenität nur den Bestandteil eines größeren Kreises von Kriterien bildet, die erst zusammen genommen der Aufgabe gerecht werden (sollen), die bundesstaatliche Finanzverfassung vor Störungen zu schützen und den Erfordernissen des Individualschutzes des Abgabepflichtigen Rechnung zu tragen 207 • Jeder dieser Kriterien kommt eine bestimmte beschränkte Sicherungsfunktion zu: Wahrend die Homogenität-Voraussetzung sozusagen in abstracto die spezifische Erhebungsgerechtigkeit der Sonderabgabe im Auge hat, sind von den Kriterien der Sachnähe und Gruppenverantwortung die erstere mehr auf die Beziehungen der Gruppe zu den Erhebungs-, die letztere mehr auf deren Beziehungen zu den Verwendungszwecken ausgerichtet, wohingegen schließlich die Gruppennützigkeit allein die steuerdistanzierte Verwendung des Aufkommens betrifft. Vor diesem Hintergrund besteht kein Anlaß, das Homogenität-Merkmal über seine genuine Funktion hinaus mit Forderungen zu befrachten, denen gerecht zu werden wesentlich die Aufgabe der anderen Kriterien ist. Auf der Grundlage der skizzierten Prämissen bestehen keine begründeten Zweifel daran, daß die im Hessischen Sonderabfallabgabengesetz ausgeformte Sonderabgabe dem Homogenität-Postulat genügt. Die Homogenität der den Leittypus der gesetzlich Pflichtigen ausmachenden Sonderabfallerzeuger ergibt sich zum einen aus ihrem vorgegebenen gemeinsamen Interesse daran, das Sonderabfallproblem durch Vermeidung oder Verwertung - bestmöglich in den Griff zu bekommen, sei es aus altruistischen Gründen (Umweltschonung) oder ökonomischen Erwägungen (Kostensenkung, Verringerung der Haftungsrisiken). Die Homogenität der (insoweit maßgeblichen) Abgabenschuldner folgt zum anderen aber auch daraus, daß diese Gruppe sich durch die Klammer der Sonderabfallerzeugung als eine besondere gemeinsame Gegebenheit ohne weiteres von der Allgemeinheit und anderen Gruppen abhebt. Dabei sind sowohl die gemeinsame Interessenlage der Gruppe als auch der sie tatsächlich verbindende "erstmalige Anfall abgabepflichtiger Abfalle" Gesichtspunkte, die jedenfalls in nuce in der Rechts- und Sozialordnung materiell vorgegeben sind, d. h. nicht erst im Hinblick auf die Erhebung der Sonderabfallabgabe, d. h. ad hoc zum Anlaß einer normativen Gruppenbildung genommen werden 208 .

2m Vgl. dazu oben bei und in Fußn. 59 ff., 81 ff., 103 ff., 115 ff., 129 ff. 208

Zu dieser Forderung vgl. oben bei und in Fußn. 203.

III. Distanz zur Finanzverfassung der Art. 105 ff. GG?

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c) Sachnähe und Gruppenverantwortung

Sehr viel problematischer ist ersichtlich, ob die Hessische Sonderabfallabgabe durchgehend auch den Forderungen der Sachnähe und Gruppenverantwortung einerseits sowie der Gruppennützigkeit andererseits in hinreichender Weise genügt. Die von Köck jüngst getroffene Feststellung, es sei im abfallrechtlichen Schrifttum ,,kaum mehr vermittelbar, warum Abgaben, die eindeutig eine Lenkungsorientierung haben, also als Instrument der Abfallvorsorge konzipiert sind, dennoch den Voraussetzungen genügen müssen, die an Finanzierungssonderabgaben gestellt werden,,209, muß (ob sie als Befund zutrifft oder nicht) befremden. Die Bedeutung der genannten Postulate für die Verfassungskonformität von Sonderabgaben liegt nach wie vor offen zutage: Da die Lenkungsorientierung einer Abgabe, mag sie noch so bestimmend sein, angesichts der in Rechtsprechung und Literatur gesicherten Zweckoffenheit der Steuer210 für sich allein noch keine hinreichende Distanz zum verfassungsrechtlichen Steuerregime der Art. 105 ff. GG schafft, bedarf es für die parafiskalischen Sonderabgaben anderer distanzsichemder Vorkehrungen. Diese sind mit den Merkmalen der Sachnähe und Gruppenverantwortung sowie der Gruppennützigkeit in grundsätzlich überzeugender Weise gefunden.

aa) Spezifische Sachnähe der Sonderabfallerzeuger zu den mit der Erhebung der Sonderabfallabgabe verfolgten Zwecken Die Sachnähe-Voraussetzung hat zum Inhalt, daß die mit der Abgabe belastete Gruppe den mit der Erhebung verfolgten Zwecken evident näherstehen muß als jede andere Gruppe oder die Allgemeinheit der Steuerzahle~ll. Nimmt man zunächst die als solche primär ausgewiesenen Erhebungszwecke der Sonderabfallabgabe, so gehen diese dahin, auf die Vermeidung und darüber hinaus auch auf die Verwertung von Sonderabfall Einfluß zu nehmen 212 . Diesen Zwecken der Vermeidung und Verwertung stehen die Sonderabfallerzeuger, da sie die abgabepflichtigen Abfälle als solche (nicht notwendig auch daraus resultierende Gefahren) in zurechenbarer Weise verursachen, gewiß näher als andere Gruppen oder die Allgemeinheit der Steuerzahler. Fehlt es damit im Hinblick auf die umweltpolitischen, d. h. außerfiskalischen Erhebungszwecke der Hessischen Sonderabfallabgabe an der gebotenen Sachnähe der Pflichtigen zu diesen Zwecken nicht, so ist fraglich, ob sich entsprechendes auch von dem wesentlich auch fiskalischen Erhebungszweck zur Gewinnung von Mitteln für Maßnahmen sagen läßt, die "der Vgl. Köck, Umweltabgaben - Quo vadis ?, JZ 1993, S. 59 (66 Fußn. 89). Vgl. oben bei und in Fußn. 105. 211 Zuletzt BVerfGE 82, 159, 180 (st. Rspr.). 212 Ihnen entsprechen auf der Verwendungsseite die in § 9 I S. 2 Nm. 1-4 des Hessischen Sonderabfallabgabengesetzes beschriebenen Aufgaben. 209

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E. Die Hessische Sonderabfallabgabe

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Erkundung, Überwachung und Bewältigung ökologischer Gefahren,' Schäden und Folgelasten (dienen), die durch abgabepflichtige Abfälle oder durch den Umgang mit gefährlichen Stoffen entstanden sind oder entstehen können" (§ 9 I S. 2 Nr. 5). Denn ob eine spezifische Sachnähe der Sonderabfallerzeuger auch zu diesem fiskalischen Erhebungszweck, der vor allem die finanzielle Bewältigung der Altlastensanierung im Auge hat, bejaht werden kann, erscheint durchaus problematisch213 • Die tiefgreifenden Zweifel, die sich insoweit an das vorauszusetzende Vorliegen der Sachnähe knüpfen, sind indes im Kern deckungsgleich mit denjenigen, die das Vorliegen einer entsprechenden Gruppenverantwortung für die Finanzierung der in § 9 I S. 2 Nr. 5 des Sonderabfallabgabengesetzes genannten Maßnahmen als fragwürdig erscheinen lassen. Es liegt deshalb nahe, die unter beiden Teilaspekten in concreto bestehenden Probleme im folgenden (unter bb) gemeinsam zu erörtern. bb) Gruppenverantwortung der Sonderabfallerzeuger für die Erfüllung der mit der Sonderabfallabgabe zu finanzierenden Aufgaben Die Frage, ob eine besondere Gruppenverantwortung der Sonderabfallerzeuger für die aus dem Aufkommen der Sonderabfallabgabe zu finanzierenden Aufgaben anzuerkennen ist, wird von den Kritikern der Sonderabfallabgabengesetze zumeist von vornherein (nur) im Hinblick auf eine etwa gebotene Unterscheidung zwischen den Maßnahmen zur Abfallvermeidung und -verwertung einerseits und denen zur Altlastensanierung andererseits problematisiert214 • Das erscheint indes, ohne die noch zu beleuchtende Erheblichkeit dieser Differenzierung als solche in Frage zu stellen, zu kurz gegriffen. Denn es droht dabei das allgemeine Problem in den Hintergrund zu treten, wie im einzelnen die vorliegend in Rede stehende Bezugsgröße der Verursachung in bezug auf die Verantwortlichkeit der Sonderabfallerzeuger grundsätzlich zu definieren ist. Dabei ist davon auszugehen, daß die bloße Verursachung (Veranlassung) - im Sinne des Äquivalenzgedankens - für sich allein noch keinen brauchbaren, Sachnähe verkörpernden und Finanzverantwortung konstituierenden Zurechnungstatbestand bildet. Vielmehr bedarf es auch hier, wie in anderen Rechtsgebieten 215 , eines eingrenzenden Zusatzmerkmals, das die Voraussetzung der Nähe zur Bedarfsentstehung und damit zur Kostenverantwortlichkeit verdeutlicht. Daran zu denken ist, Insoweit zu undifferenziert deshalb Hendler, Rechtsgutachten, S. 54. Vgl. etwa Kloepfer, Rechtsgutachten, S. 74 ff.; KUgel, NVwZ 1994, S. 535 ff. (542); Steiner, StVj 1992, S. 205 ff. (215, 217); Köck, JZ 1993, S. 59 ff. (66). 215 Zu erinnern ist etwa an die Verursachungsproblematik im allgemeinen Polizei- und Ordnungsrecht (Störerbegriff) oder im Enteignungsrecht (Begriff des entschädigungspflichtigen Staatseingriffs). 213

214

III. Distanz zur Finanzverfassung der Art. 105 ff. GG?

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hierfür auf das Merkmal der Unmittelbarkeit zurückzugreifen, dem auch in anderen Bereichen216 nicht selten eine entsprechende Begrenzungsfunktion zugesprochen wird217 . Läßt sich dem auch entgegenhalten, daß damit der gebotene Zusammenhang zwischen umweltbelastungsveranlassender Handlung und der Entstehung des zu befriedigenden Bedarfs nur in umscharfer und seinerseits wertungszugänglicher Weise angegeben ist, so bildet die Unmittelbarkeit doch immerhin einen brauchbaren Ansatz für eine sachgerechte Bestimmung des Verantwortungszusammenhangs. Denn ihre Etablierung als Voraussetzung zurechenbarer Verantwortlichkeit ist geeignet zu verhindern, daß auch fernliegende Kostenursachen, denen allenfalls ein beschränkter Vermutungsgehalt innewohnt, zur Grundlage konkreter Kostenverantwortlichkeit werden. In concreto setzt damit die zu fordernde Gruppenverantwortung der Sonderabfallerzeuger für die Erfüllung der in § 9 I S. 2 des Hessischen Sonderabfallabgabengesetzes umrissenen Aufgaben in erster Linie einen sachlichen Verantwortungszusammenhang in dem Sinne voraus, daß bei wertender Betrachtung die in Rede stehenden Aufgaben (Kosten) unmittelbar durch die Sonderabfallerzeuger verursacht sein müssen. Hiervon ausgehend ergibt sich, daß es an einer entsprechend zu begründenden ab sonderbaren Finanzverantwortlichkeit der Sonderabfallerzeuger sowohl aus grundsätzlichen Erwägungen als darüber hinaus auch - bezogen auf die Aufgaben (Kosten) des § 9 I S. 2 Nr. 5 - aus spezifischen Erwägungen fehlt: (1) Soweit die Sonderabfälle entgeltabhängig entsorgt werden, hat es, wofür ich auf die obigen Darlegungen (unter E III 2a)218 zum Ausnahmecharakter des Sonderabgabeinstruments Bezug nehmen darf, bei diesem individualisierenden Kostenausgleich sein Bewenden. Der Zuweisung eines weitergehenden finanziellen Zurechnungszusammenhangs in Form einer Sonderabgabe ist bereits durch die dirigierende Entscheidung zugunsten des - seinerseits (u. a.) zugunsten der Vermeidung und Verwertung potentiell lenkungsoffenen - Entgeltabgabenrechts ein Riegel vorgeschoben, der gebotene Unmittelbarkeitszusammenhang dadurch in verantwortlichkeitserheblicher Weise unterbrochen worden219 .

(2) Sieht man von diesem grundsätzlichen, insoweit für alle durch § 9 I S. 2 den Sonderabfallerzeugern zugewiesenen Kosten greifenden Gesichtspunkt einmal ab, 216 Vgl. etwa die in Fußn. 215 genannten Beispiele. 217 Vgl. in diesem Sinne auch P. Kirchhof, Verfassungsrechtliche Grenzen von Umweltab-

gaben, in: ders. (Hrsg.), Umweltschutz im Abgaben- und Steuerrecht, DStJG Bd. 15, 1993, S. 3 ff. (20): "Nur die aufwandsnahe Ursache, die unmittelbare Verursachung eines Umweltschadens nimmt den Verursacher in Pflicht, rechtfertigt deshalb eine Kostenzurechnung". 218 Vgl. oben bei und in Fußn. 194 ff. 219 Vgl. in Richtung dieser Sicht neben Trzaskalik, Der instrumentelle Einsatz von Abgaben, StuW 1992, S. 135 ff. (146, 150) der Tendenz nach auch Köck, JZ 1993, S. 59 ff. (67); Amdt (0. Fußn. 84), S. 14 (unter cc); deutlich zuletzt P. Kirchhof, Die Steuern als Instrument der Umweltpolitik, in: Mit Steuern steuern ?, Referate und Protokolle vom VII. Deutschen Steuerzahlerkongreß 1993, S. 19 ff. (30). 5 Selmer

66

E. Die Hessische Sonderabfallabgabe

so gilt folgendes: Soweit es um Maßnahmen im Zusammenhang mit der Vermeidung und Verwertung von Sonderabfall (§ 9 I S. 2 Nm. I, 2 und 4) oder um Maßnahmen zur Schadstoffverringerung von Sonderabfall (§ 9 I S. 2 Nr. 3) geht, wird man einen sachlichen Veranlassungs- und Zurechnungszusammenhang zu Lasten der Sonderabfallerzeuger als solchen nicht grundsätzlich verneinen können. insoweit befinden sich die Sonderabfallerzeuger nicht nur in einer spezifischen Sachnähe zu den genannten Aufgaben (s. oben); vielmehr folgt aus dieser Sachnähe an sich auch eine besondere Gruppenverantwortung für ihre finanzielle (Mit-)Bewältigung. Mit anderen Worten: Die Aufgabe, die Vermeidung und Verwertung von Sonderabfall zu fördern, ist direkter Ausfluß seiner Erzeugung und insofern in einem wertenden Sinne unmittelbar durch diese verursacht. Das wird nicht dadurch in grundsätzlicher Weise widerlegt, wenn freilich auch in seiner verantwortungsstützenden Argumentationskraft nicht unerheblich geschmälert, daß viele der Abgabepflichtigen ihrerseits Vermeidungs- und Verwertungs potentiale entwickeln und anwenden, damit dem der Gruppe der Sonderabfallerzeuger gemeinsam vorgegebenen Interesse von sich aus entsprechend (s. oben unter E III 2b)22o. Soweit dagegen Maßnahmen in Rede stehen, die "der Erkundung, Überwachung und Bewältigung ökologischer Gefahren, Schäden und Folgelasten (dienen), die durch abgabepflichtige Abfalle oder durch den Umgang mit geflihrlichen Stoffen entstanden sind oder entstehen können" (§ 9 I S. 2 Nr. 5), wird der Zurechnungszusammenhang vom Gesetzgeber überdehnt. Geht man davon aus (s. oben), daß nur die Setzung kostennaher Ursachen, d. h. die unmittelbare Verursachung ökologischer Gefahren, Schäden und Folgelasten verantwortungsbegründend wirkt, so kann die bloße Sonderabfallerzeugung für sich allein - abgesehen vom verantwortungsabbrechenden Gesichtspunkt der entgeltgebundenen Entsorgung (s. oben) als insoweit erhebliche Ursache nicht mehr in Betracht gezogen werden. Denn bei einem freilich schwer präzise auszumachenden, gewiß aber erheblichen Teil anfallender ökologischer Gefahren, Schäden und Folgelasten sind für diese unmittelbar Dritte verantwortlich, erscheint also die Zuweisung der Verantwortlichkeit an die Sonderabfallerzeuger insoweit fremdvermittelt. Die Bestimmung des § 9 I S. 2 Nr. 5 geht hierüber in grundlegender Weise hinweg: Sie stützt die Beschaffung der Finanzmittel für die Gefahren-, Schadens- und Folgelastenbewältigung, abgesehen von einer blassen Verursachungsmöglichkeit, allenfalls -vermutung, ausschließlich auf die bloße umweltunfreundliche Handlung der Sonderabfallerzeugung. Das genügt den Anforderungen an eine deutlich ausgeprägte und damit sonderabgabenrechtlich erhebliche Gruppenverantwortung nicht221 . Dabei ist für die Einbezie220 Vgl. oben vor Fußn. 208. - Mit Inkrafttreten des neuen Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes (vgl. oben unter E n 4) dUrfte im übrigen eine (nicht nur kompetenzrechtlich, sondern auch materiell wirksame) Verengung der Gruppenverantwortung der Abfallerzeuger auf Pflichten nach Maßgabe von Rechtsverordnungen auf der Grundlage der §§ 23, 24 KrW-/ AbfG eintreten, wie Absatz 4 des die sog. ,,Produktverantwortung" regelnden § 22 KrW-/ AbfG zu entnehmen ist; vgl. auch Queitsch, UPR 1995, S. 412 (414 m. Fußn. 14); Versteyl/ Wendenburg, NVwZ 1994, S. 833 (839).

III. Distanz zur Finanzverfassung der Art. 105 ff. GG?

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hung der "gefährlichen Stoffe", als die ja keineswegs nur Sonderabfälle in Betracht kommen, zusätzlich in Rechnung zu stellen, daß damit der Themenbereich des Sonderabfallabgabengesetzes in substantieller Weise verlassen wird. (3) Soweit es im Rahmen der gemäß § 9 I S. 2 Nr. 5 vorgesehenen Maßnahmen um die Sanierung von Altlasten geht, ist für die sonderabgabespezifische Finanzverantwortung der Pflichtigen schließlich ein weiterer Aspekt zu bedenken. Er leitet sich aus der Einsicht her, daß die Sonderabfallerzeuger in die Abgabepflicht des Hessischen Sonderabfallabgabengesetzes durchgehend, d. h. auch insoweit eingebunden sind, als sie zur Zeit der Entstehung einer jetzt zu sanierenden Altlast noch nicht existent waren. Das heißt: Eine Finanzverantwortung wird vom Gesetz auch dort eingefordert, wo es an der Gruppenidentität zwischen denjenigen, die die Altlast als Produzenten veraniaßt haben, und den heute tätigen Sonderabfallerzeugern fehlt. Das unterliegt durchgreifender Kritik. Denn insoweit kann, worauf ich bereits gegenüber dem 1986 vorgelegten GRÜNEN-Entwurf einer Sondermüllabgabe hingewiesen habe 222, weder von einer evidenten Sachnähe zu der verfolgten Aufgabe noch von einer daraus resultierenden Gruppenverantwortung für ihre Finanzierung gesprochen werden223 . Das verantwortliche Interesse der aktuellen Sonderabfallproduzenten ist hier im wesentlichen deckungsgleich mit dem Sanierungsinteresse der Allgemeinheit. Die in andere Richtung gehende Darlegung, die heute tätigen Sonderabfallerzeuger hätten sich ,,mit der Aufnahme der Sonderabfallerzeugung in eine ökonomische Tradition eingeordnet und (seien) einer Wirtschaftsgruppe beigetreten, von deren Erfahrungen sie profitieren und deren Verantwortung sie daher auch zu teilen haben" (Hendler)224, überzeugt demgegenüber nicht. Das liegt für die Rüstungsaltlasten auf der Hand, gilt aber auch für die sonstigen Altlasten. Eine rückwirkende Zurechnung von Finanzverantwortung kraft bloßen Gruppenzutritts ist dem Sonderabgabenrecht fremd und widerspräche nachdrücklich auch dem Grundsatz der Lastengerechtigkeit (Art. 3 I GG).

221 Ebenso im Ergebnis P. Kirchhof, in: Umweltschutz im Abgaben- und Steuerrecht (0. Fußn. 217), S. 20; Trzaskalik, StuW 1992, S. 135 ff. (148); Kügel, NVwZ 1994, S. 535 ff., 542 (daraus indes -zu Unrecht - nur Schlußfolgerungen für die Altlastensanierung ziehend); Kühner, VBlBW 1991, S. 201 ff., 205 (freilich primär eine - nach ihm als solche gerechtfertigte - ,,Lenkungssonderabgabe" annehmend); a.A. Hendler, Rechtsgutachten, S. 64 ff.; Kloepfer, Rechtsgutachten, S. 76. 222 Vgl. Seimer, in: Umweltschutz im Recht (0. Fußn. 35), S. 47. 223 Ebenso Amdt (0. Fußn. 84), S. 18; Steiner, StVj 1992, S. 205 ff. (215, 217); Köck, JZ 1993, S. 59 ff. (66); Kügel, NVwZ 1994, S. 535 ff. (542); Kloepfer, Rechtsgutachten, S. 74 ff.; vgl. entspr. für das Gebührenrecht auch Seimer, in: Umweltschutz im Recht (0. Fußn. 35), S. 37; Böhm, Kommunale Abfallgebühren und Altlastensanierung, NVwZ 1990, S. 340 ff. (342); im Zusammenhang mit den Altlastenregelungen des Entwurfs des Bundesbodenschutzgesetzes s. im obigen Sinne ferner Schink, OÖV 1995, S. 213 (224 f.). 224 Vgl. Hendler, Rechtsgutachten, S. 70.

5*

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E. Die Hessische Sonderabfallabgabe

d) Gruppennützige Verwendung des Aufkommens

Das Erfordernis einer gruppennützigen Verwendung des Abgabenaufkommens beruht auf der Einsicht, daß zwischen den von der Sonderabgabe bewirkten Belastungen und den mit ihr finanzierten Begünstigungen eine sachgerechte Verknüpfung bestehen muß, die mit dem Vorliegen des erstgenannten Merkmals hergestellt wird225 . Dabei ist gerade die Voraussetzung der gruppennützigen Verwendung rigide zu handhaben 226, liegt hier doch ersichtlich die wesentliche Spanne des zur Steuerverfassung notwendigen Abstandes. Der Neigung der Verwaltungsrechtsprechung, diese Voraussetzung bisweilen bis zur Unkenntlichkeit abzumildern227 , ist daher (sofern es sich nicht in Wirklichkeit um reaktive, voraussetzungsgebundene Sonderabgaben handelt) entschieden zu widersprechen. Die vom BVerfG gemachte und in ihrem problematischen Verhältnis zur Steuer bis heute nicht näher geklärte Ausnahme, "daß die Natur der Sache eine finanzielle Inanspruchnahme der Abgabepflichtigen zugunsten fremder Begünstigter aus triftigen Gründen eindeutig rechtfertigt,mg, dürfte wesentlich nur sachkompetenzimplizite Sonderabgaben (insbesondere Sozialversicherungsbeiträge) betreffen, bei den durchgehend nur sachkompetenzannexen Umweltabgaben also in der Regel ausscheiden 229 . Indes: Selbst wenn man, hierüber hinausgehend, weitere fremdnützige Sonderabgaben nicht von vornherein ausschließt, so fehlt es doch jedenfalls vorliegend an jedem überzeugenden Sachgesichtspunkt dafür, "daß hier einer jener Ausnahmefälle vorliegt, in denen das Erfordernis der gruppennützigen Verwendung nach bundesverfassungsgerichtlicher Rechtsprechung entbehrlich ist" (Hendler/3o . Denn auch unbeschadet der vorstehenden Darlegungen zur mangelnden Gruppenverantwortung der Sonderabfallerzeuger (vgl. unter E III 2c, bb)231 ist nicht deutlich, wie die ,,Natur der Sache,,232 beschaffen sein soll, die ihre finanzielle Immspruchnahme zugunsten fremder Begünstigter "aus triftigen Gründen eindeutig rechtfertigt". Die damit auch vorliegend anzuwendende Voraussetzung der gruppennützigen Verwendung des Aufkommens ist freilich noch keineswegs abschließend geklärt. Zeigte sich beim BVerfG in seiner Leitentscheidung vom 10. Dezember 1980 eine gewisse Tendenz, die Weichen in eine beitragsähnliche Richtung zu stellen, d. h. in Zuletzt BVerfGE 82, 159, 180 f. (st. Rspr.). Vgl. dazu m. weit. Nachw. Seimer, in: Umweltschutz durch Abgaben und Steuern (0. Fußn. 63), S. 48 m. Fußn. 169. 227 Vgl. bedenklich insb. VGH Stuttgart, DVBI 1984, S. 639 (640); OVG Münster, ZfW 1984, S. 298 (303) NVwZ 1984, S. 390 (392). 228 Vgl. erstmals BVerfGE 55, 274 (307); zuletzt BVerfGE 82, 159 (180 f.). 229 Vgl. bereits Seimer, in: Umweltschutz durch Abgaben und Steuern (0. Fußn. 63), S. 49. 230 Vgl. Hendler, Rechtsgutachten, S. 75. 231 Vgl. oben bei und in Fußn. 214 ff. 232 BVerfGE 82, 159 (180). 225

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III. Distanz zur Finanzverfassung der Art. 105 ff. GG?

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der gruppennützigen Verwendung eine "Art ,Gegenleistung'" zu sehen 233 , so wird nach einer abweichenden Auffassung das Aufkommen auch dann gruppen"nützig" verwendet, wenn es zur Deckung der von der Gruppe zu verantwortenden Kosten eingesetzt wird234. Letztere Sicht erscheint freilich durchaus fragwürdig. Denn der Gedanke, mit Hilfe einer abgabenrechtlichen Inanspruchnahme Kostenverantwortung durchzusetzen, ist gerade auch dem Steuerrecht (Gewerbesteuer, Mineralölsteuer, Kraftfahrzeugsteuer) nicht fremd. Die genannte Sicht gerät deshalb in eine finanzverfassungsrechtlich bedenkliche Gemengelage mit dem Institut der Steuer, von der die Sonderabgabe strikt zu scheiden ist. Indes braucht den hier sichtbaren Meinungsunterschieden nicht näher nachgegangen zu werden: Die verschiedenen Auffassungen über die Anforderungen des Gruppennützigkeitspostulats führen zumeist - auch vorliegend - nicht zu wesentlich voneinander abweichenden Ergebnissen: (1) Soweit der verantwortungsabbrechende Gesichtspunkt der entgeltgebundenen Entsorgung eingreift (s. oben unter E III 2c, bb)235, ist jenem Postulat von vornherein nicht genügt. Denn ist der Zuweisung eines weitergehenden finanziellen Zurechnungszusammenhangs in Form einer Sonderabgabe ein Riegel vorgeschoben (vgl. aaü), so scheidet mit der insoweit mangelnden Einstandspflicht ohne weiteres und unter jedem Aspekt auch eine gruppennützige Verwendung des Aufkommens für die in Rede stehenden Aufgaben aus. (2) Abgesehen von diesem (freilich weithin vorentscheidenden) Gesichtspunkt scheint eine gruppennützige Ven'vendung des Aufkommens - wie schon die entsprechende Gruppenverantwortung (s. oben) - hinsichtlich der in § 9 I S. 2 Nm. 1 4 genannten Aufgaben grundsätzlich zu bejahen zu sein. Dabei ist offenbar unerheblich, welcher der beiden Sichtweisen vom Wesen des Gruppennützigkeitspostulats man folgt: Nimmt man das Erfordernis der gruppennützigen Verwendung als "eine abgeschwächte und kollektivierte Form des an sich für die Vorzugslasten typischen Synallagmas ..236 , so genügen die in § 9 I S. 2 Nm. 1 - 4 umrissenen Verwendungszwecke scheinbar auch diesem Erfordernis. Zugleich werden mit der Inanspruchnahme, so könnte man sagen, die Sonderabfallerzeuger mit Kosten belastet, die von ihnen selbst - in dem beschriebenen Umfange - unmittelbar veraniaßt worden sind. Wenn gleichwohl im Ergebnis dem Erfordernis der gruppennützigen Verwendung des Aufkommens jedenfalls in bezug auf die in § 9 I S. 2 Nm. 2 - 4 genannten Aufgaben nicht in verfassungskonformer Weise genügt ist, so beruht dies auf der Einsicht, daß die Erfüllung jener Aufgaben ohne weiteres auch einen landesübergreifenden externen Nutzen (für die Sonderabfallerzeuger der anderen Bundesländer wie auch für deren Bevölkerung) zum Inhalt hat. Er bedeutet, daß in Vgl. BVerfGE 55, 274 (316). Vgl. so ausdrücklich zuletzt Morgenthaler, Umweltschutz im Abgaben- und Steuerrecht - Resümee -, in: P. Kirchhof (0. Fußn. 217), S. 206 Fußn. 42. 235 V gl. oben bei Fußn. 218 f. 236 Vgl. Kloepfer, Rechtsgutachten, S. 79 f. 233

234

70

E. Die Hessische Sonderabfallabgabe

der Belastung der Sonderabfallerzeuger des Landes Hessen in keineswegs nur peripherer, sondern wesentlicher Weise eine fremdnützige Inanspruchnahme liegt, für die es an einem - zwingend gebotenen - besonderen Titel indes fehlt (s. oben). Der Hessischen Landesregierung ist dieser Mangel ersichtlich nicht entgangen. Denn sie hat ihm in ihren Richtlinien für die Gewährung von Finanzierungshilfen zur Vermeidung und Verwertung und zur Verringerung des Schadstoffpotentials von Sonderabfällen vom 30. Juni 1993 237 entgegenzuwirken gesucht. So muß "die zu fördernde Betriebsstätte in Hessen liegen" (Nr. 2.5 der Richtlinien). Vor allem aber haben sich "die Gewährung und - bei Maßnahmen nach Nr. 5.2 (betr. nicht rückzahlbare Zuschüsse) - die Höhe der Finanzierungshilfe nach dem Grad des Landesinteresses an der Verwirklichung des Vorhabens" zu richten (Nr. 5.3 der Richtlinien). Ob diese Vorkehrungen in inhaltlicher Hinsicht genügen, um externe Nutzen-Effekte hinreichend zuverlässig auszuschließen, erscheint fragwürdig. Es mag aber hier dahinstehen. Denn die Hessische Landesregierung hat sie lediglich in die Form interner Verwaltungsvorschriften gekleidet, denen die Außenrechtswirkung des materiellen Gesetzes abgeht 238 . Damit ist es ihr schon in formeller Hinsicht nicht gelungen, den Vorwurf einer in wesentlicher Weise fremdnützigen Verwendung des Aufkommens angemessen zu entkräften. Im Ergebnis genügt daher nur die Erfüllung der in § 9 I S. 2 Nr. 1 bezeichneten Aufgabe dem Erfordernis der Gruppennützigkeit, geht man - wohl zutreffend - davon aus, daß die dort vorgesehenen Maßnahmen der "Beratung und Information auf dem Gebiet der Vermeidung und Verwertung abgabepflichtiger Abfälle" nur (aktuellen oder potentiellen) Sonderabfallerzeugern des Landes Hessen zugute kommen (sollen). (3) Es bleiben die besonders zu würdigenden Verwendungszwecke des § 9 I S. 2 Nr. 5. Für die dort genannten Aufgaben tragen die Sonderabfallerzeuger, wie sich zeigte (vgl. oben unter E III 2c, bb)239, bereits keine sonderabgabenrechtlich erhebliche Gruppenverantwortung. Mangels Gruppenverantwortung kann sodann aber auch nicht davon gesprochen werden, daß die Finanzierung der in der Nummer 5 des § 9 I S. 2 des Hessischen Sonderabfallabgabengesetzes genannten Aufgaben in prägender Weise gruppennütziger Natur ist24o. Das gilt grundsätzlich für alle in der genannten Bestimmung im einzelnen angesprochenen Maßnahmen, in besonderer Weise aber für die der Sanierung von Altlasten. Maßgebend für diese Beurteilung sind die Gründe, die über die allgemeinen Gesichtspunkte hinaus bereits die Gruppenverantwortung der heute tätigen Sonderabfallerzeuger für die Altlastensanierung - mangels Gruppenidentität - nachdrücklich ausgeschlossen haben. Auf ihre Darlegung in letzterem Zusammenhang (aaO)241 kann hier Bezug genommen werden. 237 238 239 240

Staatsanzeiger für das Land Hessen vom 26. 7. 1993, S. 1851. Vgl., m. weit. Nachw., Maurer, Allg. Verwaltungsrecht, 9. Auf!. (1994), S. 563 ff. Vgl. oben bei und in Fußn. 215 ff. Vgl. so auch, explizite oder implizite, die in Fußn. 221 genannten Autoren.

III. Distanz zur Finanzverfassung der Art. 105 ff. GG?

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e) Zwischenresümee Resümierend ergibt sich damit für die Frage der hinreichenden Distanz der Hessischen Sonderabfallabgabe zur Finanzverfassung der Art. 105 ff. GG folgende Zusammenfassung: Bei der Hessischen Sonderabfallabgabe handelt es sich um eine aktive - parafiskalische - Sonderabgabe, die voraussetzungslos als selbständig belastende Abgabe erhoben wird, nicht um eine reaktive, voraussetzungsgebundene Sonderabgabe, bei der ein spezifischer Belastungsgrund im Vordergrund steht. Den sich hieran anschließenden spezifischen Anforderungen an ihre finanzverfassungsrechtliche Zulässigkeit genügt die Hessische Sonderabfallabgabe in vielfacher Hinsicht nicht. Angesichts des rechtlichen Bestehens eines ganzen Maßnahmenbündels außersteuerlicher finanzstaatlicher Bewältigung der in Rede stehenden Problematik im Lande Hessen (Entsorgungsentgelt, Altlastenfinanzierungsumlage) erscheint bereits zweifelhaft, ob die Hessische Sonderabfallabgabe dem vom BVerfG betonten Ausnahmecharakter des Sonderabgabeinstruments gerecht wird. Insbesondere aber widerstreitet diese Sonderabfallabgabe weithin den für sie einschlägigen besonderen Zulässigkeitsanforderungen der Gruppenhomogenität, der Sachnähe und Gruppenverantwortung sowie der Gruppennützigkeit des Aufkommens. Uneingeschränkt entspricht sie, wobei auf die als typische Pflichtige der Abgabe ausgewiesenen Sonderabfallerzeuger abzustellen ist, nur dem Postulat der Gruppenhomogenität. Aber schon der Voraussetzung der - einer besonderen Sachnähe entsprechenden - Gruppenverantwortung genügt sie in wesentlichen Punkten nicht: Soweit die Sonderabfälle entgeltabhängig entsorgt werden, hat es bei diesem individualisierenden Kostenausgleich sein Bewenden; eine weitergehende finanzielle Gruppenverantwortung besteht grundsätzlich nicht. Hiervon abgesehen, ist eine Gruppenverantwortung nur für die in § 9 I S. 2 Nm. 1 - 4 bezeichneten Aufgaben (Kosten) anzuerkennen. Was hingegen die in § 9 I S. 2 Nr. 5 aufgeführten Verwendungszwecke anbetrifft, so hat der Gesetzgeber hier den Zurechnungszusammenhang in verfassungswidriger Weise überdehnt; das gilt insbesondere, aber keineswegs nur allein, für die im Rahmen des § 9 I S. 2 Nr. 5 vorgesehenen Maßnahmen der Altlastensanierung. Die Hessische Sonderabfallabgabe scheitert schließlich wesentlich auch an dem - auf sie anzuwendenden - Postulat der Gruppennützigkeit: Soweit der verantwortungsabbrechende Gesichtspunkt der entgeltgebundenen Entsorgung greift, scheidet auch eine gruppennützige Verwendung des Aufkommens ohne weiteres aus. Die in § 9 I S. 2 Nm. 1 - 4 bezeichneten Verwendungszwecke genügen sodann zwar, hiervon abgesehen, für sich genommen der Forderung nach gruppennütziger Verwendung. Gleichwohl werden sie, was die in § 9 I S. 2 Nm. 2 - 4 genannten Zwecke anbetrifft, letzterem Postulat im Ergebnis nicht gerecht, weil die Erfüllung 241

Vgl. oben nach Fußn. 221.

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E. Die Hessische Sonderabfallabgabe

dieser Zwecke ohne weiteres in wesentlicher Weise auch einen landesübergreifenden externen Nutzen (für die Sonderabfallerzeuger der anderen Bundesländer wie auch für deren Bevölkerung) zum Inhalt hat; die von der Hessischen Landesregierung hiergegen ergriffenen Vorkehrungen genügen verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht. Was schließlich die in § 9 I S. 2 Nr. 5 ins Auge gefaßten Maßnahmen anbetrifft, so wirkt deren Finanzierung ebensowenig gruppennützig, wie zuvor eine Gruppenverantwortung für jene Maßnahmen bejaht werden konnte; auch dies gilt in besonderer Weise für die Aufgabe der Altlastensanierung.

3. Grundrechtskonformität der Hessischen Sonderabfallabgabe? Die grundrechtlich-rechtsstaatliche Würdigung der Hessischen Sonderabfallabgabe folgt vorzüglich aus den Ergebnissen der im Vordergrund stehenden kompetenz-, insbesondere finanzverfassungsrechtlichen Prüfung. Dabei ist zwischen der freiheitsrechtlichen Komponente der Abgabe, die sich (nach Maßgabe ihrer thematischen Einschlägigkeit) auf die Berufsfreiheit des Art. 12 I GG sowie die allgemeine Handlungsfreiheit des Art. 2 I GG - gegebenenfalls i.V. mit Art. 19 III GGerstreckt, und ihrer gleichheitsrechtlichen Komponente (Art. 3 I GG) zu unterscheiden. Soweit der freiheitsrechtlieh erhebliche Eingriffscharakter der Sonderabfallabgabe in Rede steht, so könnte die in letzterer liegende Grundrechtsbeschränkung nur dann als verfassungsmäßig anerkannt werden, wenn sie ihrerseits als Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung allen formellen und materiellen Anforderungen der Verfassung genügt. Das gilt nicht nur für das allgemeine Freiheitsrecht des Art. 2 I GG, bei dem die "verfassungsmäßige Ordnung" ausdrücklich als Begrenzungswert in Erscheinung tritt und vom BVerfG in dem genannten Sinne interpretiert wird242 , sondern nach dessen Rechtsprechung der Sache nach auch für gesetzliche Berufsausübungsregelungen gemäß Art. 12 I GG 243 , als welche die Sonderabfallabgabe, soweit der Schutzbereich dieses Grundrechts berührt ist, ohne weiteres zu begreifen ist244 • Hiervon ausgehend stellt sich die Hessische Sonderabfallabgabe aus mehreren Gründen als nicht von der verfassungsmäßigen Ordnung getragener Eingriff in die grundrechtliche Freiheitsphäre der betroffenen Pflichtigen dar. Die Hessische Sonderabfallabgabe genügt bereits den formellen Anforderungen der Verfassung nicht und vermag schon aus diesem Grunde keine Basis für einen recht- und verfassungsmäßigen Eingriff in die Freiheitsrechte der Pflichtigen abzuGrdl. BVerfGE 6, 32 (38); s. aus jüngerer Zeit etwa BVerfGE 72, 200 (245). Vgl. BVerfGE 38, 105 (119): ,,Ein Eingriff in die Freiheit der Berufsausübung bedarf der gesetzlichen Grundlage (Art. 12 I S. 2 GG), die in jeder Hinsicht verfassungsmäßig sein muß"; ebenso BVerfGE 68,319 (327). 244 Vgl. BVerfGE 13, 181 (186); 16, 147 (162 f.); 29, 327 (333); 38, 61 (79). 242 243

III. Distanz zur Finanzverfassung der Art. 105 ff. GG?

73

geben. Zu den fonnellen Voraussetzungen gehört in erster Linie die - damit zugleich mittelbaren Grundrechtsschutz gewährende - Wahrung der grundgesetzlichen Kompetenzordnung 245 • Gegen sie hat der Hessische Gesetzgeber mit dem Sonderabfallabgabengesetz in mehrfacher Hinsicht verstoßen. Er hat zum einen verkannt, daß der Bund das mit der Sonderabfallabgabe aufgegriffene Thema der Abfallvenneidung (Art. 74 Nr. 24 GG) durch § 1a I S. 1 i.V. mit § 14 AbfG erschöpfend und infolgedessen mit länderkompetenzausschließender Wirkung (Art. 72 I GG) in Anspruch genommen hat246 . Der Hessische Landesgesetzgeber kann darüber hinaus die Sachgesetzgebungskompetenz des Art. 74 Nr. 24 GG aber auch deswegen nicht für sich in Anspruch nehmen, weil das von ihm gestaltete Sonderabfallabgabengesetz keine hinreichende Distanz zur Finanzverfassung der Art. 105 ff. GG wahrt247 . Denn sie genügt als parafiskalische Sonderabgabe, die sie darstellt, in vielfacher Hinsicht nicht den spezifischen Anforderungen, die Staatsrechtswissenschaft und BVerfG zur Harmonisierung des Instituts der Sonderabgabe und der für Steuern geltenden Finanzverfassung entwickelt haben. Auf die Frage, ob die Sonderabfallabgabe daneben auch in materieller Hinsicht die Freiheitsrechtssphäre der Pflichtigen in unzulässiger Weise beeinträchtigt, kommt es auf dieser Grundlage nicht mehr entscheidend an. Man wird sie im übrigen zu verneinen haben. Die Hessische Sonderabfallabgabe verstößt insbesondere nach ihrer Gestaltung und unter gebotener Zugrundelegung einer generalisierenden und typisierenden Betrachtungsweise nicht gegen das in Art. 2 I, 12 I GG angelegte grundrechtlich-rechtsstaatliche Übennaßverbot; vor allem ist die äußerste Grenze einer "erdrosselnden" Wirkung der Abgabe 248 auf die Pflichtigen ersichtlich nicht erreicht. Soweit in einzelnen atypischen Fällen persönliche oder sachliche Härten von grundrechtlichem Gewicht auftreten, so kann dem gemäß § 13 11 Nr. 11 des Hessischen Sonderabfallabgabengesetzes entsprochen werden. Diese Vorschrift verweist für das Erhebungsverfahren auf die steuerrechtliche Billigkeitsregelung des § 227 I AO, "mit der Maßgabe, daß bei einer sachlichen Unbilligkeit der Lenkungszweck des Hessischen Sonderabfallabgabengesetzes zu beachten ist". Soweit schließlich neben dem freiheitsrechtlichen der gleichheitsrechtliche Aspekt der Hessischen Sonderabfallabgabe (Art. 3 I GG) in Rede steht, geht es letztlich gleichennaßen um materielle Implikationen der kompetenzrechtlichen Würdigung. Denn die an parafiskalische Sonderabgaben zu richtenden sachkompetenzrechtlichen Anforderungen der Gruppenhomogenität, der Sachnähe und Gruppenverantwortung sowie der Gruppennützigkeit sichern neben der Steuerverfassungsferne der Abgabe zugleich auch die Wahrung des im allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 I GG angelegten Grundsatzes der Lastengerechtigkeit249 . Daß, BVerfGE 68,319 (327). V gl. oben bei und in Fußn. 154 ff. 247 Vgl. oben bei und in Fußn. 177 ff. (insb. 194 ff.). 248 Zur Unzulässigkeit einer solchen "erdrosselnden" Wirkung (für viele) BVerfGE 38, 61 (81 m. weit. Nachw.). 245

246

74

E. Die Hessische SonderabfaIlabgabe

wie sich zeigte, der Hessischen Sonderabfallabgabe wesentlich sowohl die gebotene Sachnähe und Gruppenverantwortung für die in Rede stehenden Aufgaben als auch die gruppennützige Aufkommensverwendung abgehen, hat damit auch zur Konsequenz, daß die Abgabe materiell-rechtlich gegen den allgemeinen Gleichheitssatz verstößt.

IV. Ergebnis Die Überlegungen des vorstehenden Abschnitts führen damit zusammenfassend zu dem Ergebnis, daß es sich bei der Hessischen Sonderabfallabgabe nicht um eine aufgrund der Sachkompetenzordnung (insbesondere Art. 74 Nr. 24 GG) zulässige Sonderabgabe handelt: Nicht nur fehlt dem Lande Hessen entsprechend Art. 72 I GG der kompetenzrechtliche Spielraum, das vom Bund abschließend besetzte Thema der Abfallvermeidung um eine Sonderabfallabgabe zu ergänzen. Die Hessische Sonderabfallabgabe verkennt auch, indem sie in mehrfacher Hinsicht gegen die an parafiskalische Sonderabgaben zu richtenden Anforderungen der Sachnähe und Gruppenverantwortung sowie der Gruppennützigkeit verstößt, die gebotene Distanz zur Finanzverfassung der Art. 105 ff. GG. Schließlich verletzt die Abgabe auch die Pflichtigen, soweit thematisch einschlägig, in ihrem Grundrecht aus Art. 12 I GG, jedenfalls aber in ihren Grundrechten aus Art. 2 I GG sowie aus Art. 3IGG.

249

Vgl. grdl. BVerfGE 55,274 (302 ff.).

F. Ergänzend: Die Hessische Sonderabfallabgabe als Steuer I. Grundsätzliches Scheidet die Hessische Sonderabfallabgabe als verfassungsrechtlich .zulässige parafiskalische - Sonderabgabe aus, so bleibt die Frage, ob sich die Abgabe mit wirksamkeitserhaltender Wirkung in die Steuerverfassung der Art. 105 ff. GG "einpassen" läßt, von der die gebotene Distanz zu halten ihr ohnehin nicht gelungen ist. Die so umrissene Frage scheint sehr schnell auf die weitere Fragestellung hinauszulaufen, ob dem Lande Hessen insoweit eine ausschließliche Gesetzgebungszuständigkeit (Art. 105 TIa GG), jedenfalls aber eine Gesetzgebungszuständigkeit im Rahmen der konkurrierenden Steuergesetzgebung (Art. 105 TI GG) zusteht. Nimmt man, hiervon ausgehend, die gesicherte Einsicht hinzu, daß landesweit erhobene Steuern bereits mangels Örtlichkeit von Art. 105 TIa GG nicht erfaßt werden 250 , so scheint das Schwerpunktproblem der konkreten Konstellation in der bekannten Streitfrage angelegt zu sein, ob mit dem Hinweis auf die "übrigen Steuern" in Art. 105 TI GG ein Steuererfindungsrecht angelegt ist oder nicht25 1, geht man im übrigen (wohl mit Recht) davon aus, daß sich die Sonderabfallabgabe sachgerecht weder als Verbrauch- noch als Verkehrsteuer i.S. des Art. 106 I, TI GG verifizieren läßt252 • Der so skizzierte - scheinbar naheliegende - Gedanken- und Argumentationsstrang greift jedoch bei näherer Betrachtung zu kurz. Er erliegt dem Fehlschluß, daß sachkompetenzgebundenes Sonderabgabenregime und Steuerregime (Art. 105 ff. GG) lücken- und fugenlos aneinanderschließen - des Inhalts, daß bei Nichtanerkennung einer Abgabe als zulässige Sonderabgabe sie nur als Steuer erlassen werden könne, aber (gegebenenfalls bei Zulassung eines Steuererfindungsrechts) auch dürfe. Dem ist zu widersprechen: Die Bemühung der für Steuern geltenden Kompetenzordnung (Art. 105 f. GG) setzt implizite, aber mit verfassungskräftiger Wirkung voraus, daß die in Rede stehende Abgabe dem in Art. 105 ff. GG vorausgesetzten Wesen der Besteuerung genügt, d. h. einen dem Grunde nach steuerbaren Sachverhalt zum Gegenstand hat253 • 250 BVerfGE 7, 244 (Leits. 4; 258); ebenso Kloepfer, Rechtsgutachten, S. 103; Hendler, Rechtsgutachten, S. 93. 251 Zum Meinungsstand vgl. SeImer, in: Umweltschutz durch Abgaben und Steuern (0. Fußn. 63), S. 37 ff. m. Nachw. 252 Vgl. auch Amdt (0. Fußn. 84), S. 6 ff.; Trzaskalik, StuW 1992, S. 135 ff. (139 f.); Steiner, StVj 1992, S. 205 ff. (216); unentschieden Hendler, Rechtsgutachten, S. 93-98; a.A. Kloepfer, Rechtsgutachten, S. 104-110.

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F. Die Hessische Sonderabfallabgabe als Steuer

11. Der erstmalige Anfall von Sonderabfall ein steuerbarer Tatbestand? Das vorliegend umrissene Postulat beruht auf der Einsicht, daß unser Steuerverfassungssystem in grundlegender Weise vom Gedanken des Zugriffs auf vorhandene Leistungs- und Zahlungsfähigkeit getragen wird254 : Sämtliche der in den Katalogen des Art. 106 I, 11 GG aufgeführten Steuern betreffen Tatbestände, die Leistungs- und Zahlungsfähigkeit indizieren. Die auf dieser Grundlage anzuerkennende immanente Voraussetzung des in Art. 105 ff. ausgeformten Regimes der Steuerverfassung 255 , i.e. das Vorliegen eines Leistungs- und Zahlungsfähigkeit signalisierenden Sachverhalts, wird durch den Gedanken des Steuerinterventionismus zwar potentiell modifiziert, aber nicht überhöht. Genauer: Zwar trifft es zu, was erneut in Frage zu stellen keine Veranlassung besteht, daß der Staat seine Besteuerungsgewalt nicht nur zu Finanzierungszwecken, sondern auch zu Lenkungszwecken einsetzen darf256 • Die damit anzuerkennende wesensmäßige Lenkungsoffenheit der Steuer darf indes nicht zu dem Schluß veranlassen, daß das jeweilige Lenkungsbedürfnis schon aus sich heraus steuerrechtfertigend wirkt257 . Mit anderen Worten: Die Lenkungsarnbition begründet keinen steuerbaren Tatbestand, sondern setzt diesen voraus, um erst auf der Grundlage dieser Voraussetzung gestaltend auf ihn Einfluß zu nehmen. Nichts anderes gilt auch für den vorliegenden Zusammenhang. Auch die umweltpolitische Zielsetzung der Vermeidung von Sonderabfall vermag sich nicht schon für sich allein, sondern erst und nur im Rahmen eines spezifisch steuerlichen Belastungsgrundes zu entfalten, d. h. eines solchen, der typischerweise finanzielle Leistungs- und Zahlungsfahigkeit indiziert. An dieser Voraussetzung eines per se steuerbaren Tatbestandes fehlt es bei der Hessischen Sonderabfallabgabe. Sie knüpft allein an den erstmaligen Anfall von Sonderabfall an (§ 2 I), bei dem es sich indes schwerlich um einen Sachverhalt handelt, der als solcher finanzielle Leistungs- und Zahlungsflihigkeit signalisiert. Damit erscheint es steuerverfassungsDies hervorhebend vor allem Trzaskalik, StuW 1992, S. 135 ff. (140 f.). Nicht allerdings, was davon zu unterscheiden ist, von der Geltung des Leistungsfähigkeitsprinzips als eines ausnahmslos verbindlichen steuerrechtlichen Gestaltungsprinzips: vgl. dazu Seimer, in: Umweltschutz durch Abgaben und Steuern, S. 30 Fußn. 77 m. Nachw.; ders., Der gerechte Steuerstaat, FinArch 1995, S. 234 (246 ff.). 2S5 Nicht erst des - wertungsoffenen - "Gebots der Lastengleichheit": So aber Kloepfer, Rechtsgutachten, S. 115 ff. (116). 256 Wobei es steuerverfassungsrechtlich unschädlich ist, wenn bei der Ausgestaltung, insbesondere der Bemessung der Steuer, der umweltrechtliche Lenkungszweck ganz in den Vordergrund tritt: Vgl. SeImer, in: Umweltschutz durch Abgaben und Steuern (0. Fußn. 63), S. 22, 30. 257 So deutlich vor allem Trzaskalik, StuW 1992, S. 135 ff. (141): Es könnten "die ,nichtfiskalischen Zwecke' lediglich die Ausgestaltung der Steuer beeinflussen, nicht aber zum Austausch des Belastungsgrundes führen". Dem nachdrücklich zustimmend P. Kirchhof (0. Fußn. 217), S. 22 f. 253

254

m. Ergebnis

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rechtlich ausgeschlossen, eine Sonderabfallsteuer allein auf den Tatbestand der Sonderabfallerzeugung zu stützen258 . Welcher Belastungsgrund in concreto in Betracht käme, um der Lenkungszielsetzung der Abfallvermeidung zu einem spezifisch steuerlichen Anknüpfungstatbestand zu verhelfen (entgeltliche Entsorgung von Sonderabfall o.ä.?, Integration des Vermeidungsgedankens in herkömmliche Steuern?), bedarf hier keiner Ausführung259 • Die Hessische Sonderabfallabgabe entspricht jedenfalls nicht den Voraussetzungen, die an eine verfassungskonforme "Steuer"-Intervention zu Lasten der Sonderabfallerzeuger zu richten sind.

rn.Ergebnis Damit steht als Ergebnis der ergänzenden Würdigung fest: Die Hessische Sonderabfallabgabe widerspricht nicht nur den Anforderungen, die an parafiskalische Sonderabgaben zu stellen sind. Sie läßt sich auch nicht mit wirksarnkeitserhaltender Wirkung in die "Steuer"-Verfassung der Art. 105 ff. GG einpassen. Denn das erstmalige Anfallen von Sonderabfall bedeutet mangels Aussagekraft für Leistungs- und Zahlungsfahigkeit der Pflichtigen für sich genommen noch keinen steuerbaren, d. h. einer Ausgestaltung als Steuer zugänglichen Tatbestand.

258 Vgl. auch P. Kirchhof (0. Fußn. 219), S. 30: ,,Eine Umweltpflicht allein ist nicht auch schon potentielle Steuerpflicht; vielmehr darf eine umweltpolitische steuerrechtliche Maßnahme nur an einen steuerlichen Tatbestand anknüpfen, der aus sich heraus gerechtfertigt ist. Deswegen wäre es nicht möglich, etwa eine eigene Müllsteuer allein auf den Tatbestand Müll zu stützen; Müll enthält keine steuerlich greifbare Leistungsfähigkeit". Ebenso in der Sache Trzaskalik, StuW 1992, S. 135 ff. (140 f.). 259 Vgl. dazu Trzaskalik, aaO (0. Fußn. 258); P. Kirchhof (0. Fußn. 217), S. 22 f.

G. Zusammenfassung I. Kompetenzrechtliche Grundsatzfragen 1. Bei der kompetenzrechtlichen Würdigung der Hessischen Sonderabfallabgabe ist vorrangig an die dirigierende Leitunterscheidung des Hessischen Landesgesetzgebers anzuknüpfen, die Sonderabfallabgabe nicht auf steuerliche Gesetzgebungskompetenzen, sondern auf die Sachzuständigkeiten der Art. 73 ff. GG, insbesondere Art. 74 Nr. 24 GG, zu stützen. 2. Die Hessische Sonderabfallabgabe ist, bezogen auf die Sachzuständigkeiten der Art. 73 ff. GG, weder eine sachkompetenzexplizite noch eine sachkompetenzimplizite Geldleistungspflicht. 3. Die Hessische Sonderabfallabgabe kommt mithin im Rahmen der Art. 73 ff. GG, insbesondere des Art. 74 Nr. 24 GG, nur als sachkompetenzannexe Geldleistungspflicht in Betracht. Die Abgabe muß infolgedessen einmal den für die Annahme einer Annex-Kompetenz notwendigen engen, unlösbaren Sachzusarnmenhang mit der in Betracht kommenden Materie aufweisen. Hierfür ist zu fordern, daß die Abgabe in ihrer tatbestandlichen Anknüpfung und/oder in der Regelung ihrer Verwendung ausdrücklich als Instrument der Beeinflussung des einschlägigen Sachbereichs ausgestaltet ist und in einem funktionalen Verhältnis zu diesem Sachbereich steht. Durch die Ausgestaltung muß darüber hinaus - zweitens - sichergestellt sein, daß die Bestimmungen der bundesstaatlichen Steuerverfassung in Art. 105 ff. GG vor Störungen geschützt sind. 4. Unproblematisch wäre auf dieser Grundlage die kompetenzrechtliche Absicherung der Sonderabfallabgabe dann, wenn sie sich als Gebühr oder Beitrag (Vorzugslast) qualifizieren ließe. Das ist indes nicht der Fall: Weder hat die Sonderabfallabgabe einen gebührenadäquaten konkreten Bezug zu einer Gegenleistung der öffentlichen Verwaltung noch weist sie eine beitragsbegriffliche unmittelbare Verbindung zu irgendwe1chen konkreten, einzeln greifbaren wirtschaftlichen Vorteilen auf, die die Abgabepflichtigen nutzen können. 5. Damit bleibt die Frage, ob es sich bei der Hessischen Sonderabfallabgabe um eine verfassungs-, insbesondere kompetenzrechtlich zulässige sachkompetenzan-

nexe Abgabe ohne individuell zurechenbare Gegenleistung der öffentlichen Hand,

d. h. also um eine Sonderabgabe im Sinne des zwischenzeitlich eingebürgerten Verständnisses handelt. Dabei ist zwischen aktiven - parafiskalischen -, voraussetzungslos erhobenen Sonderabgaben einerseits und reaktiven, voraussetzungsgebundenen Sonderabgaben andererseits zu unterscheiden.

11. Die Hessische Sonderabfallabgabe als Sonderabgabe

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6. Der Unterschied zwischen den parafiskalischen und den reaktiven, voraussetzungsgebundenen Sonderabgaben besteht vor allem darin, daß der im Tatbestand ausgewiesene rechtliche Zusammenhang zu der ausgestalteten Sachmaterie bei beiden Abgabentypen in grundsätzlicher Weise voneinander abweicht. Dem entspricht, daß die besonderen Kautelen, die die Distanz der vorzugslastenfremden nichtsteuerlichen Sonderabgaben zur Steuerverfassung wahren sollen, bei den parafiskalischen Sonderabgaben ungleich strenger zu sein haben als bei den voraussetzungsgebundenen Sonderabgaben. Auf sie finden, ohne daß es auf die Unterscheidung von Fiskalzweck und Lenkungszweck im einzelnen ankäme, die besonderen Voraussetzungen ungeschmälert Anwendung, die das BVerfG zuletzt in seiner Entscheidung zum Absatzfondsgesetz ausdrücklich bestätigt hat. Demgegenüber steht die reaktive - voraussetzungsgebundene - Sonderabgabe unmittelbar im Dienste der jeweiligen Sachregelung, deren ihr unlösbar korrespondierendes Element sie darstellt. Der damit von der Sache her grundsätzlich gegebene größere Abstand zum Steuerregime erlaubt es, die distanzsichemden Anforderungen als solche hier niedriger anzusetzen.

11. Die Hessische Sonderabfallabgabe als Sonderabgabe 7. Der mit der Sonderabfallabgabe vor allem berührte Bereich der Abfallvermeidung wird zwar als solcher thematisch von der "Abfallbeseitigung" des Art. 74 Nr. 24 GG aufgenommen. Die deutliche Inkongruenz von Erhebungs- und Verwendungszwecken (vgl. § 9 I S. 2 Nr. 5) der Sonderabfallabgabe und das Fehlen eines spezifischen und klar umrissenen Gestaltungsgehalts der Verwendungsregelung lassen indes Zweifel schon an ihrer hinreichenden Sachkompetenz-Annexität (vgl. Leits. 3) aufkommen. Stellt man diese Zweifel zurück, so scheitert die Sachgesetzgebungszuständigkeit des Landes Hessen entsprechend Art. 72 I GG jedenfalls aber daran, daß der Bund das Thema der Abfallvermeidung durch § la I S. 1 i.V. mit § 14 AbfG erschöpfend und damit abschließend besetzt hat. Das gilt auch für das sonderabgabenrechtliche Instrumentarium und wird durch die Unberührtheitsklausel des § la I S. 2 AbfG nicht in vorliegend erheblicher Weise in Frage gestellt. Die Neuregelung des Abfallrechts durch das Gesetz zur Vermeidung, Verwertung und Beseitigung von Abfällen vom 27. September 1994 führt zu keiner in concreto erheblichen Erweiterung des Länderspielraums. 8. Für die unbeschadet vorstehender Einsichten zu stellende weitere Frage, ob die Hessische Sonderabfallabgabe hinreichende Distanz zur Finanzverfassung der Art. 105 ff. GG wahrt, ist davon auszugehen, daß es sich bei dieser Abgabe, wie eine Gesamtwürdigung ergibt, unter Berücksichtigung der gesetzlichen Ausgestaltung ihrer Erhebung und Verwendung sowie des umweltrechtlichen Zusammenhangs, in dem die Abgabe zu sehen ist, um eine aktive - parafiskalische - Sonderabgabe handelt.

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G. Zusammenfassung

9. Den sich hieran anschließenden spezifischen Anforderungen an ihre finanzverfassungsrechtliche Zulässigkeit genügt die Hessische Sonderabfallabgabe in mehrfacher Hinsicht nicht: a) Angesichts des rechtlichen Bestehens bereits anderweiter - ihrerseits lenkungsoffener - außersteuerlicher Maßnahmen zur finanzstaatlichen Bewältigung der in Rede stehenden Sonderabfallproblematik im Lande Hessen (Entsorgungsentgelt, Altlastenfinanzierungsumlage) erscheint bereits zweifelhaft, ob die Hessische Sonderabfallabgabe dem vom BVerfG stets betonten Ausnahmecharakter des Sonderabgabeinstruments gerecht wird. b) Keine begründeten Zweifel bestehen daran, daß die im Hessischen Sonderabfallabgabengesetz ausgeformte Sonderabgabe der Voraussetzung der Homogenität der belasteten Gruppe genügt. Dabei ist allein auf die als typische Pflichtige des Hessischen Sonderabfallabgabengesetzes ausgewiesenen Sonderabfallerzeuger (§ 2 I) abzustellen; auch hat die Verwendung des Aufkommens bei der Beantwortung der Homogenitäts-Frage außer Betracht zu bleiben. Hiervon ausgehend ergibt sich die gebotene Gruppenhomogenität vorliegend zum einen aus dem vorgegebenen gemeinsamen Interesse der Sonderabfallerzeuger daran, das Sonderabfallproblem - durch Vermeidung oder Verwertung - bestmöglich in den Griff zu bekommen, sei es aus altruistischen Gründen (Umweltschonung) oder ökonomischen Gründen (Kostensenkung, Verringerung der Haftungsrisiken). Die Homogenität der (insoweit maßgeblichen) Abgabenschuldner folgt zum anderen aber auch daraus, daß diese Gruppe sich durch die Klammer der Sonderabfallerzeugung als eine besondere gemeinsame Gegebenheit ohne weiteres von der Allgemeinheit und anderen Gruppen abhebt. Dabei sind sowohl die gemeinsame Interessenlage der Gruppe als auch der sie tatsächlich verbindende "erstmalige Anfall abgabepflichtiger Abfälle" (§ 2 I) Gesichtspunkte, die jedenfalls in nuce in der Rechts- und Sozialordnung materiell vorgegeben sind, d. h. nicht erst im Hinblick auf die Erhebung der Sonderabfallabgabe, d. h. ad hoc zum Anlaß einer normativen Gruppenbildung genommen werden. c) Der weiteren Voraussetzung der - einer besonderen Sachnähe der Gruppe zu den mit der Abgabenerhebung verfolgten Zwecken entsprechenden - Gruppenverantwortung genügt die Hessische Sonderabfallabgabe indes in wesentlichen Punkten nicht: Soweit die Sonderabfälle entgeltabhängig entsorgt werden, hat es bei diesem individualisierenden Kostenausgleich sein Bewenden; eine weitergehende finanzielle Gruppenverantwortung besteht grundsätzlich nicht. Hiervon abgesehen, ist eine Gruppenverantwortung nur für die in § 9 I S. 2 Nm. 1 - 4 bezeichneten Aufgaben (Kosten) anzuerkennen. Was hingegen die in § 9 I S. 2 Nr. 5 aufgeführten Verwendungszwecke anbetrifft. so hat der Gesetzgeber hier den Zurechnungszusamrnenhang in verfassungswidriger Weise überdehnt; das gilt insbesondere, aber keineswegs nur allein, für die im Rahmen des § 9 I S. 2 Nr. 5 vorgesehenen Maßnahmen der Altlastensanierung. Dabei ist davon auszugehen, daß die bloße Verursachung (Veranlassung) - im Sinne des Äquivalenz-

11. Die Hessische Sonderabfallabgabe als Sonderabgabe

81

gedankens - für sich allein noch keinen brauchbaren, Sachnähe verkörpernden und Finanzverantwortung konstituierenden Zurechnungstatbestand bildet. Vielmehr bedarf es auch hier, wie in anderen Rechtsgebieten, eines eingrenzenden Zusatzmerkmals, das die Voraussetzung der Nähe zur Bedarfsentstehung und damit zur Kostenverantwortlichkeit verdeutlicht. In concreto wird man im Ergebnis einen sachlichen Verantwortungszusammenhang in dem Sinne vorauszusetzen haben, daß bei wertender Betrachtung die in Rede stehenden Aufgaben (Kosten) unmittelbar durch die Sonderabfallerzeuger verursacht sein müssen. Nähere Würdigung zeigt, daß diese Voraussetzung gegeben ist hinsichtlich der in § 9 I S. 2 Nm. 1 - 4 genannten Aufgaben. Sie fehlt indes durchgehend in bezug auf die in § 9 I S. 2 Nr. 5 genannten Maßnahmen, die "der Erkundung, Überwachung und Bewältigung ökologischer Gefahren, Schäden und Folge1asten (dienen), die durch abgabepflichtige Abfälle oder durch den Umgang mit gefährlichen Stoffen entstanden sind oder entstehen können"; auch wird mit der Einbeziehung der "gefährlichen Stoffe" der Themenbereich des Sonderabfallabgabengesetzes überhaupt verlassen. Was schließlich speziell die Altlastensanierung anbetrifft, so tritt als zusätzlicher verantwortungsausschließender Gesichtspunkt die mangelnde Gruppenidentität zwischen denjenigen, die die Altlast als Produzenten veranlaßt haben, und den heute tätigen Sonderabfallerzeugern hinzu. Das liegt für die Rüstungsaltlasten auf der Hand, gilt aber auch für die sonstigen Altlasten. d) Schließlich genügt die Hessische Sonderabfallabgabe auch dem - umfassend auf sie anzuwendenden - Erfordernis einer gruppennützigen Verwendung des Abgabenaufkommens weithin nicht. Soweit der bereits verantwortungsabbrechende Gesichtspunkt der entgeltgebundenen Entsorgung eingreift (vgl. Leits. 9, a), ist jenem Postulat naturgemäß apriori nicht entsprochen. Die in § 9 I S. 2 Nm. 1 - 4 bezeichneten Verwendungszwecke genügen sodann zwar, hiervon abgesehen, für sich genommen der Forderung nach gruppennütziger Verwendung. Gleichwohl werden sie, was die in § 9 I S. 2 Nm. 2-4 genannten Zwecke angeht, letzterem Postulat im Ergebnis nicht gerecht, weil die Erfüllung dieser Zwecke ohne weiteres in wesentlicher Weise auch einen landesübergreifenden externen Nutzen (für die Sonderabfallerzeuger der anderen Bundesländer wie auch für deren Bevölkerung) zum Inhalt hat; die von der Hessischen Landesregierung hiergegen ergriffenen Vorkehrungen genügen verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht. Was schließlich die in § 9 I S. 2 Nr. 5 ins Auge gefaßten Maßnahmen anbetrifft, so wirkt deren Finanzierung ebensowenig gruppennützig, wie zuvor eine Gruppenverantwortung für jene Maßnahmen bejaht werden konnte; auch dies gilt in besonderer Weise für die Aufgabe der Altlastensanierung. 10. Soweit der freiheitsrechtlich erhebliche Eingriffscharakter der Sonderabfallabgabe in Rede steht, so könnte die in letzterer liegende Grundrechtsbeschränkung nur dann als verfassungsmäßig anerkannt werden, wenn sie ihrerseits als Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung allen formellen und materiellen Anforderungen der Verfassung genügt. Das gilt nicht nur für das allgemeine Freiheitsrecht des 6 Selmer

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G. Zusammenfassung

Art. 2 I GG, sondern auch für gesetzliche Berufsausübungsregelungen (Art. 12 I S. 2 GG), als welche die Sonderabfallabgabe, soweit der Schutzbereich dieses Grundrechts berührt ist, ohne weiteres zu begreifen ist. Hiervon ausgehend stellt sich die Hessische Sonderabfallabgabe schon deshalb als nicht von der verfassungsmäßigen Ordnung getragener Eingriff in die grundrechtliche Freiheitssphäre der betroffenen Pflichtigen dar, weil sie in mehrfacher Hinsicht gegen die - damit zugleich mittelbaren Grundrechtsschutz gewährende - grundgesetzliehe Kompetenzordnung verstößt. 11. Daß der Hessischen Sonderabfallabgabe wesentlich die gebotene Sachnähe und Gruppenverantwortung für die in Rede stehenden Aufgaben als auch die gruppennützige Aufkommensverwendung abgehen, hat schließlich auch zur Konsequenz, daß die Abgabe den im allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 I GG angelegten Grundsatz der Lastengerechtigkeit verletzt.

111. Die Hessische Sonderabfallabgabe als Steuer 12. Die Bemühung der für Steuern geltenden Kompetenzordnung setzt implizite, aber mit verfassungskräftiger Wirkung voraus, daß die in Rede stehende Abgabe dem in Art. 105 ff. GG vorausgesetzten Wesen der Besteuerung genügt, d. h. einen Sachverhalt zum Gegenstand hat, der typischerweise finanzielle Leistungs- und Zahlungsfähigkeit indiziert. An der Voraussetzung eines so verstandenen steuerbaren Tatbestandes fehlt es bei der - an den erstmaligen Anfall von Sonderabfall anknüpfenden - Hessischen Sonderabfallabgabe. Sie scheidet deshalb als verfassungsrechtlich zulässige Steuer apriori aus.

IV. Gesamtergebnis 13. Die Hessische Sonderabfallabgabe verstößt als Sonderabgabe in mehrfacher Hinsicht gegen die formelle und materielle Verfassungsrechtsordnung des Grundgesetzes. Sie kann aber auch als Steuer nicht als verfassungskonform anerkannt werden.

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