Eigentum und Steuern in der Republik: Ein Beitrag zum steuerverfassungsrechtlichen Halbteilungsgrundsatz [1 ed.] 9783428522767, 9783428122769

Angesichts stetig steigender Lasten der Bürger durch Steuern und Abgaben hat der Halbteilungsgrundsatz des Bundesverfass

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 9783428522767, 9783428122769

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Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1098

Eigentum und Steuern in der Republik Ein Beitrag zum steuerverfassungsrechtlichen Halbteilungsgrundsatz Von

Marcus A. Pausenberger

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

MARCUS A. PAUSENBERGER

Eigentum und Steuern in der Republik

Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1098

Eigentum und Steuern in der Republik Ein Beitrag zum steuerverfassungsrechtlichen Halbteilungsgrundsatz

Von

Marcus A. Pausenberger

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Die Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg hat diese Arbeit im Jahre 2005 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

D 29 Alle Rechte vorbehalten # 2008 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 978-3-428-12276-9 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meiner Mutter

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde von der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg im Mai 2005 als Dissertation anerkannt. Zu besonderem Dank bin ich meinem akademischen Lehrer, Herrn Professor Dr. Karl Albrecht Schachtschneider, verpflichtet, der mir jede nur mögliche Unterstützung sowie größtmögliche Freiheiten bei der Erstellung dieser Arbeit zuteil werden ließ und im konstruktiven Diskurs diese Schrift maßgeblich prägte und bereicherte. Er verstand es, in zahlreichen Diskussionen meinen Blick für die Fragen des Eigentums und der Steuern in dem großen Zusammenhang der Republik zu schärfen. Weit über den Rahmen dieser Schrift hinaus verdanke ich ihm die intensive Auseinandersetzung mit der Lehre der modernen Republik, die – in konsequenter Fortsetzung aristotelischen Gedankenguts und anderer Philosophien der Antike, kantianischer Positionen und vieler Ideen des Humanismus – mein Denken und Handeln beeinflusst. Zu danken habe ich außerdem Herrn Professor Dr. Wolfram Reiß für die Übernahme der Zweitkorrektur, zumal unter deutlich erschwerten Bedingungen. Professor Dr. jur. h.c. Norbert Simon und Dr. Florian R. Simon haben der Aufnahme dieser Schrift in die Reihe der „Schriften zum Öffentlichen Recht“ zugestimmt. Frau Enhuber, als „gute Seele“ des Lehrstuhls, hat wie so häufig im Hintergrund, aber umso wirkungsvoller zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen, ebenso das Team des Lehrstuhls für Öffentliches Recht und andere Mitarbeiter der Fakultät. Nicht vergessen möchte ich all diejenigen, die mir bei dieser Schrift immer wieder mit Rat und Tat zur Seite standen und oftmals wichtigen Beistand leisteten. Dankbar bin ich meinen Freunden, die nicht nur – manchmal aus gänzlich neuen Blickwinkeln – zur inhaltlichen Auseinandersetzung mit meinen Gedanken bereit waren, sondern auch häufig Rücksicht übten und aktiv mithalfen, private Beziehungen während dieser Arbeit aufrecht zu erhalten. Mein Dank gilt Herrn Dr. Helmut Fischer, der auch weit jenseits fachlicher Themata stets ein geduldiger Gesprächspartner, wertvoller Impulsgeber und wichtiger Förderer war. Dank gebührt insbesondere auch Harald Kienzle, der mich als treuer Wegbegleiter auf vielfältigste Art und Weise bei der Erstellung dieser Schrift unterstützte. Von Herzen danken möchte ich vor allem meiner Mutter – ohne sie, ihren Rat, ihre Hilfe, ihren motivierenden Optimismus und ihren Esprit wäre diese Schrift nicht entstanden! Nürnberg, im März 2008

Marcus A. Pausenberger

Inhaltsverzeichnis Erster Teil Einleitung

21

1. Kapitel: Orientierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

21

2. Kapitel: Hinführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

23

3. Kapitel: Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

28

Zweiter Teil Freiheitliche, gleichheitliche und brüderliche Republik als das Projekt der Moderne

31

1. Kapitel: Grundlagen der Republik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit als republikanische Grundprinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Rechtlichkeit, Gesetzlichkeit und Gerechtigkeit in der Republik . . . . . . . .

31 31 39

2. Kapitel: Republik als Finanzstaat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Grundlegendes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Geld als Substrat des Finanzstaates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

43 43 46

3. Kapitel: Republik als Steuerstaat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Grundlegendes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Einnahmemöglichkeiten des Staates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Erwerbswirtschaftliche Betätigung des Staates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Staatseinnahmen aus Geldschöpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Kredite als Mittel zur Staatsfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Abgaben zur Erzielung von Staatseinnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Grundsatzentscheidung für eine Steuerfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Textliche Hinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Steuerstaatlichkeit im Licht der Wirtschaftsverfassung . . . . . . . . . . . . . . 3. Gleichheitliche Lastenzuteilung durch Steuerfinanzierung . . . . . . . . . . . IV. Leistungsfähigkeitsprinzip als Fundamentalprinzip der Besteuerung . . . . . V. Grundparameter der Besteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

52 52 53 54 56 59 61 67 67 68 71 76 80

10

Inhaltsverzeichnis 1. Steuerobjekte in der Republik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Steuersubjekte in der Republik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Steuerbemessungsgrundlage und Steuertarif als wesentliche Belastungsdeterminanten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

80 84 87

Dritter Teil Freiheit, Privatheit und Selbständigkeit in der Republik

91

1. Kapitel: Freiheit im republikanischen Staat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Grundlegendes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Freiheit als Recht des Menschen auf Glück und Pflicht zum Gemeinwohl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

91 91

2. Kapitel: Privatheit in der Republik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Privatheit und Staatlichkeit des Bürgers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundlegendes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Privatheit durch Gesetzlichkeit und Sittlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Privatheitlichkeit im Verhältnis zur Staatlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Privatheit als Recht zur Willkür . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Privatheit als berechtigte Willkür und Recht auf Alleinbestimmung . . 2. Privatheitliches Willkürrecht über das äußere Mein und Dein (kantianisch) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rechte der Privatheit als subjektive Rechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Privatheit als Rechte und Pflichten zur Befriedung der bürgerlichen Gemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Bürgerliche Lebensbewältigung in Privatheit und Staatlichkeit . . . . . . . . . 1. Lebensbewältigung in Gemeinsamkeit als republikanisches Prinzip . . . 2. Eigentum als Paradigma von Privatheit und Staatlichkeit bei der gemeinschaftlichen Lebensbewältigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Privatheit, Marktlichkeit und Wettbewerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vertragsfreiheit als Recht der Privatheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Markt und Wettbewerb zur Gemeinwohlverwirklichung . . . . . . . . . . . . . 3. Gemeinwohlverwirklichung auch jenseits des Wettbewerbes . . . . . . . . . V. Grundsatz und Vorrang privater Lebensbewältigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Lebenspraktische Bedeutung der Privatheitlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Grundsatz und Vorrang der Privatheit in der Lebensbewältigung . . . . . 3. Pflichtigkeit einer privatheitlichen Lebensführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Vorrangige Privatheit in den Grenzen allgemeiner Gesetze . . . . . . . . . . 5. Eigentum als zentrales Recht privatheitlicher Lebensbewältigung . . . . 6. Grundsatz der Privatheit unternehmerischer Wirtschaft . . . . . . . . . . . . .

95 95 95 96 97 100 100

93

102 104 106 109 109 111 112 112 113 114 115 115 117 118 119 120 121

Inhaltsverzeichnis 3. Kapitel: Selbständigkeit in der Republik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Facetten republikanischer Selbständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Selbständigkeit als Merkmal des bürgerlichen Zustandes (kantianisch) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Selbständigkeit als Ausdruck privatheitlicher Freiheit . . . . . . . . . . . . . . . 3. Selbständigkeit als Voraussetzung freiheitlicher Sittlichkeit . . . . . . . . . . II. Materiale Dimension der Selbständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Selbständigkeit durch rechtlich Eigenes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

11 123 123 123 124 125 126 128

Vierter Teil Soziales Prinzip in der Republik

131

1. Kapitel: Brüderlichkeit in der sozialen Republik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Freiheit als Pflicht zur Sittlichkeit im brüderlichen Gemeinwesen . . . . . . . II. Sittlichkeit als Regulativ des Handelns in gemeinsamer Freiheit . . . . . . . . III. Sittlichkeit als Pflicht zur allgemeinen Gesetzlichkeit zum Wohle aller . . IV. Gleichheit als unabdingbare Notwendigkeit der Freiheit . . . . . . . . . . . . . . . V. Brüderlichkeit im Verhältnis von Freiheit und Gleichheit . . . . . . . . . . . . . . VI. Pflicht zur Brüderlichkeit für Bürger und Staat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Sittliche Brüderlichkeit des Bürgers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Sittliche Brüderlichkeit im republikanischen Sozialstaat . . . . . . . . . . . . .

131 131 132 134 136 138 140 140 142

2. Kapitel: Sozialprinzip und soziale Realitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Sozialprinzip als (material) offenes Grundprinzip der Republik . . . . . . . . . II. Offenheit als Möglichkeit und Verpflichtung um des Sozialen willen . . . . III. Aspekte einer stetigen Ausweitung des material offenen sozialen Auftrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Materialisierung des Sozialprinzips in allgemeinen Gesetzen . . . . . . . . . . . V. Verwirklichung des sozialen Prinzips in Steuer- und Abgabegesetzen . . . VI. Soziale Homogenität als Zielgröße des republikanischen Sozialprinzips . .

144 144 147

3. Kapitel: Leitlinien des Sozialprinzips für den Steuerstaat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Existenzsicherung als Mindestanforderung des Sozialprinzips . . . . . . . . . . II. Auftrag zur Daseinsvorsorge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Sozialprinzip versus Sozialismusprinzip – Gefahr eines Verlusts der Bürgerlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. (Staatlicher) Auftrag zur Förderung bürgerlicher Selbständigkeit . . . . . . . . 1. Staatlicher Auftrag zur Bereitstellung (materieller) Grundlagen bürgerlicher Selbständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Unmittelbare Förderung bürgerlicher Selbständigkeit in praxi . . . . .

160 161 164

149 152 153 155

165 166 167 168

12

Inhaltsverzeichnis b) Bewertung unmittelbarer Förderung bürgerlicher Selbständigkeit . . 169 2. (Staatliche) Sicherung von Rahmenbedingungen zur Erlangung brüderlicher Selbständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 a) Soziale Marktwirtschaft als Wirtschaftsordnung des Grundgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 b) Eigentum als wesentliches Element makrosozialer Rahmenbedingungen zur privatheitlichen Lebensbewältigung . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 c) „Arbeit“ als sittliches Handeln für eigens begründete Selbständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 3. Vorrang der sozialstaatlichen Schaffung von Rahmenbedingungen zur Erlangung bürgerlicher Selbständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178

Fünfter Teil Eigentum in der Republik

182

1. Kapitel: Eigenes und Eigentum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 I. Das Eigene des Menschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 1. Möglichkeiten als Eigenes des Menschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 2. Mein und Dein der Menschen als Gemeinschaftswesen . . . . . . . . . . . . . 184 II.

3. Verbindungen als Eigenes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 Eigentum als rechtlich Eigenes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 1. Gesetzlichkeit des Eigentums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 2. Inhalt und Schranken des Eigentums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 3. Das Essentielle des Eigentums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195

4. Gesetzliches Eigentum als gerechtes Eigentum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 III. Eigentum als „vermögenswertes“ Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 2. Kapitel: Recht auf Eigentum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 I. Eigentum als Menschenrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208

II.

1. Menschenrecht des Eigentums in einem weiten Sinne . . . . . . . . . . . . . . 209 2. Eigentum(-srecht) im engeren Sinn als substantielles Recht des Menschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 Begründungsversuche eines Rechts auf Eigentum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 1. Eigentum als Notwendigkeit bürgerlicher Selbständigkeit . . . . . . . . . . . 212 2. Recht auf Eigentum und Pflicht zu bürgerlicher Selbständigkeit . . . . . 216 3. Begründung eines Rechts auf Eigentum durch eigene Leistung . . . . . . 218 4. Recht auf Eigentum aus dem Blickwinkel der Verteilungsfrage . . . . . . 223

III. Recht auf Eigentum und gerechte Eigentumsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . 227

Inhaltsverzeichnis

13

Sechster Teil Teilung des Eigentums zwischen Steuerbürger und Steuerstaat

232

1. Kapitel: Steuerzugriff in der Republik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 I.

Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232

II.

Art. 2 Abs. 1 GG als Grenze der Besteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 1. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 2. Steuern als Beschränkung der allgemeinen Handlungsfreiheit in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 3. Mäßigung der Steuerlast durch die allgemeine Handlungsfreiheit . . . . 242

III. Art. 12 Abs. 1 GG als Grenze der Besteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 1. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 2. Steuern als Verletzung der Berufsfreiheit in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 3. Berufsfreiheit als Maßstab für steuerliche Belastungen des Bürgers . . 251 2. Kapitel: Eigentum und Steuern in der Republik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 I.

Entwicklung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Verhältnis von Eigentum und Steuern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 1. Leerlauf der Eigentumsgewährleistung gegenüber dem Fiskalzugriff . . 256 2. Ausnahmsweises Verbot einer übermäßigen Besteuerung . . . . . . . . . . . . 260

II.

Verhältnis von Eigentum und Besteuerung aus Sicht der Staatsrechtslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 1. Abgrenzung der Steuerhoheit gegenüber dem Eigentumsgrundrecht als notwendige Bedingung des Sozialstaates – die Position Ernst Forsthoffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 2. Kritische Auseinandersetzungen mit der judizierten Trennung von Eigentumsgrundrecht und Besteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 a) Art. 14 GG als Gewährleistung des Eigentumswertes gegenüber dem Steuerzugriff – der Ansatz von Karl Heinrich Friauf . . . . . . . . 269 b) Schutz der „Eigentümerfreiheit“ gegen den Steuerzugriff durch Art. 14 GG – das Konzept von Hans-Jürgen Papier . . . . . . . . . . . . . 272 c) Schutz vor steuerlichen Lasten durch die Institutsgarantie des Art. 14 GG – Ausführungen von Wolfgang Rüfner und Peter Selmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 d) Schutz des Eigentümerhandelns vor dem Steuerzugriff durch die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG – die Dogmatik von Paul Kirchhof . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276

III. Halbteilungsgrundsatz des Bundesverfassungsgerichts als Wendepunkt im Verhältnis von Eigentum und Steuern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284

14

Inhaltsverzeichnis 1. Grundsätzliche Aktivierung der Eigentumsgewährleistung bei einer Auferlegung staatlicher Geldleistungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 2. Neue Eigentumsgewährleistung gegen den Steuerzugriff im Vermögensteuerbeschluss vom 22. Juni 1995 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 IV. Hälftige Teilung des Eigentums zwischen Steuerbürger und Steuerstaat . . 292 1. Eigentumsgrundrecht im republikanischen Steuerstaat . . . . . . . . . . . . . . 292 a) Handlungsmöglichkeiten als Eigentum des Steuerbürgers . . . . . . . . 292 b) Schutz des Vermögens aus der Eigentumsgewährleistung . . . . . . . . 295 c) Eigentumsrelevanz des Steuerzugriffs in einer modernen Geldwirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 d) Eigentumsgrundrechtliche Relevanz der Besteuerung in der Republik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 2. Höchstens hälftige Teilung des Eigentums zwischen Bürger und Staat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 3. Grundsätzliche Notwendigkeit der Quantifizierung der Halbteilung . . 303 V.

Begründungsansätze der hälftigen Teilung zwischen Bürger und Staat . . . 306 1. Auslegung nach dem Wortlaut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 2. Besteuerungsgrenze „Privatnützigkeit des Eigentumsgebrauches“ . . . . 311 a) Beschränkung des Steuerzugriffs durch das Postulat der Privatnützigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 b) Quantifizierung von Steuergrenzen auf Basis vorrangiger Privatnützigkeit in der Jurisdiktion des Bundesverfassungsgerichts . . . . . 313 c) Vorrangige Privatnützigkeit als Begründungsansatz für eine maximal hälftige Teilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316 d) Das Privatnützigkeitskriterium als wichtiger Hinweis auf ein steuerverfassungsrechtliches Grundprinzip der hälftigen Teilung . . . . . . 320 3. Privatheitsprinzip und Sozialprinzip als republikanische Grundprinzipien der hälftigen Teilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 a) Privatheitsprinzip als Grenzlinie des Steuerverfassungsrechts . . . . . 321 b) Eigentum und Besteuerung als material-ökonomische Realitäten der Privatheitlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 c) Vorrangige Privatheit als steuerverfassungsrechtlicher Maßstab der Steuerbegrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 d) Bestätigung der höchstens hälftigen Teilung durch das republikanische Sozialprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 e) Auftrag zur makrosozialen Förderung in der sozialen Republik als weiteres Indiz einer steuerverfassungsrechtlichen Halbteilung . . . . 338 4. Wirtschaftsordnung der Republik als Votum für den Halbteilungsgrundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341 a) Vorrangige Privatheitlichkeit der sozialen Marktwirtschaft als Indiz einer maximal hälftigen Teilung zwischen Bürger und Staat . . 341

Inhaltsverzeichnis

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b) Notwendigkeit der Halbteilung aufgrund der Privatheit des Eigentums in der sozialen Marktwirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344 c) Logik der Steuerstaatlichkeit in der sozialen Marktwirtschaft als weiteres Indiz der Halbteilung zwischen Bürger und Staat . . . . . . . 346 5. Prinzip des rechten Maßes als substantielle Determinante einer hälftigen Teilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 352 3. Kapitel: Realitäten des Halbteilungsgrundsatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 361 I. Halbteilungsrelevante Steuern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 362 1. Gesamtsteuerlast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 362 2. Vermögensteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 364 3. Ertragsteuern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 366 a) Einkommensteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 366 b) Körperschaftsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 367 c) Gewerbesteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 372 d) Weitere Steuerbelastungen des (Soll-)Ertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . 378 4. Verbrauch-, Verkehr- und Aufwandsteuern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 382 a) Verbrauch-, Verkehr- und Aufwandsteuern als indirekte Steuern auf die Einkommensverwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 382 b) Einbeziehung der indirekten Steuern aufgrund ihrer Belastungsrealität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 384 c) Privatnützigkeit als Grenze der Steuern auf Einkommensverwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 387 d) Privatheit als Grenze der Steuern auf Einkommensverwendung . . . 388 5. Einbeziehung aller Steuern aufgrund der Schutzintention des privaten Bürgers im Steuerstaat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 389 II. Summe aller Steuerlasten als sachgerechte Bemessungsgrundlage des verfassungsrechtlichen Halbteilungsprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 390 III. Maßgebliche Parameter der steuerlichen Halbteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 392 1. Nettoertragsgröße als steuerverfassungsrechtliche Bemessungsgrundlage des Halbteilungsgrundsatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 392 2. Lastenminderung durch staatliche Unterstützungsleistungen . . . . . . . . . 396 3. Halbteilungsmaßgeblicher Steuersatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 399 4. Problem der exakten Quantifizierung der Ertragsteuerlast . . . . . . . . . . . 401 5. Keine Berücksichtigung von inflationsbedingten Scheingewinnen . . . . 403 6. Quantifizierung der Belastung durch Umsatzsteuern . . . . . . . . . . . . . . . . 407 IV. Sonderproblem der Schenkung- und Erbschaftsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . 410 V. Ausweitung des Halbteilungsgrundsatzes für nichtsteuerliche Abgaben . . 418 VI. Steuerliche und außersteuerliche Pflichtdienste des Bürgers im Licht des republikanischen Halbteilungspostulats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 428

16

Inhaltsverzeichnis 1. Steuerliche Mitwirkungspflichten des Bürgers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Weitere steuerstaatliche Lasten durch steuerliche Hilfsdienste . . . . . . . 3. Weitere Belastungen der Unternehmer durch außersteuerliche Pflichtdienste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Mitwirkungspflichten und steuerliche sowie außersteuerliche Pflichtdienste vor dem Hintergrund des Halbteilungsprinzips . . . . . . . . . . . . . .

428 431 438 439

7. Teil Ausblicke

450

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 459 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 498

Abkürzungsverzeichnis a. A. a. a. O. abgedr. abl. Abs. Abschn. AfA AK Anm. AO AöR ARSP Art. Aufl. Az. BB BBankG Bd. bearb. Beih. Beil. BFH BFHE BGB BGBl. BK BMF BStBl. BVerfG BVerfGE bzw. DB ders. d.h. dies.

anderer Ansicht am angegebenen Ort abgedruckt ablehnend Absatz Abschnitt Absetzung für Abnutzung Kommentar zum Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Reihe Alternativkommentare (Rudolf Wassermann) Anmerkung Abgabenordnung Archiv des öffentlichen Rechts Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie Artikel (auch im Plural) Auflage Aktenzeichen Betriebs-Berater Gesetz über die Deutsche Bundesbank vom 22.10.1992 Band bearbeitet Beiheft(er) Beilage Bundesfinanzhof Entscheidung des Bundesfinanzhofes Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Kommentar zum Bonner Grundgesetz (Bonner Kommentar) Bundesministerium der Finanzen Bundessteuerblatt Bundesverfassungsgericht Bundesverfassungsgerichtsentscheidung beziehungsweise Der Betrieb derselbe das heißt dieselbe, dieselben

18 Diss. DJT DÖV DRiZ DStJG DStR DStZ DVBl. EGV entspr. Entw. Erg. EStG ESZB et al. etc. f. ff. FinArch FR FS gem. GewArch GewStG GG ggf. GmbHR GrStG GS Halbs. HB Hbd. Herv. Hinw. h. M. h. L. Hrsg. hrsg. HStR HVerfR i. d. R. i. d. S.

Abkürzungsverzeichnis Dissertation Deutscher Juristentag Die Öffentliche Verwaltung Deutsche Richterzeitung Veröffentlichungen der Deutschen Steuerjuristischen Gesellschaft Deutsches Steuerrecht Deutsche Steuer-Zeitung Deutsches Verwaltungsblatt Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft entsprechend Entwurf Ergänzung Einkommensteuergesetz Europäisches System der Zentralbanken et aliud, et alii et cetera folgende (Seite); für folgende (Seiten) Finanzarchiv Finanz-Rundschau Festschrift gemäß Gewerbearchiv Gewerbesteuergesetz Grundgesetz gegebenenfalls GmbH-Rundschau Grundsteuergesetz Gedächtnisschrift Halbsatz Handelsblatt Halbband Hervorhebung Hinweis (auch im Plural) herrschende Meinung herrschende Lehre Herausgeber herausgegeben Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland Handbuch des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland in der Regel in diesem Sinne

Abkürzungsverzeichnis i. e. S. im Erg. insb. Inst. FuSt i. S. i. S. d. i. S. v. i.V. m. i. w. S. JA Jura JuS JZ Kap. KritV KStG LS m. m. E. m. w. H. m.w. N. N. Nachdr. Nachw. NJW Nr. NVwZ Rn. Rspr. S. s. s. a. sc. s. o. sog. Sp. Stbg StBJb StbKRep. StBp st. Rspr. SteuerStud

19

im engeren Sinne im Ergebnis insbesondere Institut „Finanzen und Steuern“ im Sinne im Sinne des im Sinne von in Verbindung mit im weiteren Sinne Juristische Arbeitsblätter Juristische Ausbildung Juristische Schulung Juristenzeitung Kapitel Kritische Vierteljahresschrift für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft Körperschaftsteuergesetz Leitsatz mit meines Erachtens mit weiteren Hinweisen mit weiteren Nachweisen Nennung (auch im Plural) Nachdruck Nachweis (auch im Plural) Neue Juristische Wochenschrift Nummer Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Randnummer (auch im Plural) Rechtsprechung Satz; Seite siehe siehe auch scilicet siehe oben sogenannte(r) Spalte Die Steuerberatung Steuerberater-Jahrbuch Steuerberater-Kongreß-Report Die steuerliche Betriebsprüfung ständige Rechtsprechung Steuer und Studium

20 StuW stv. StVj u. u. a. u. a. m. u. ö. Urt. usw. UStG UStKRep u. U. v. Verf. VerwArch vgl. VO VVDStRL VZ WiVerw Wpg z. B. ZfSH/SGB ZfSÖ ZgesSW ZKF zus.

Abkürzungsverzeichnis Steuer und Wirtschaft stellvertretend Steuerliche Vierteljahresschrift und und andere und andere mehr und öfter Urteil und so weiter Umsatzsteuergesetz Umsatzsteuer-Kongreß-Report unter Umständen vom, von, vor Verfassung; Verfasser Verwaltungsarchiv vergleiche Verordnung Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer Veranlagungszeitraum Wirtschaft und Verwaltung (Vierteljahresbeilage zum Gewerbearchiv) Die Wirtschaftsprüfung zum Beispiel Zeitschrift für Sozialhilfe und Sozialgesetzbuch Zeitschrift für Sozialökonomie Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft Zeitschrift für Kommunalfinanzen zustimmend

Erster Teil

Einleitung 1. Kapitel

Orientierung „Es ist gerecht, dass jeder Einzelne dazu beiträgt, die Ausgaben des Staates tragen zu helfen, aber es ist nicht gerecht, dass er die Hälfte seines jährlichen Einkommens mit dem Souverän teilt. Bauer, Bürger und Edelmann müssen in einem gut verwalteten Staat einen großen Teil ihrer Einkünfte selbst genießen und sie nicht mit der Regierung teilen.“ (Friedrich der Große)1

Die Frage der gerechten Besteuerung, vor allem aber der höchstens zulässigen Besteuerung ist nicht erst eine Frage der modernen Republik, sondern wohl ebenso alt wie die Steuern selbst. Auch der Preußenkönig Friedrich der Große nahm in seinen Politischen Testamenten2 dazu Stellung, in welchem Umfang der Bürger steuerlich belastet werden könnte. Auf die Frage, ob bei der Steuererhebung das Wohl des einzelnen Bürgers oder des Staates im Vordergrund stehen müsse, stellte er fest, „dass der Staat aus Einzelnen zusammengesetzt ist und es nur ein Wohl für den Fürsten und seine Untertanen gibt. Die Hirten scheren ihre Schafe, aber sie ziehen ihnen nicht das Fell ab.“ Wenn auch noch einer Terminologie des Liberalismus verhaftet, konstatierte er doch nicht nur die grundlegende Notwendigkeit einer Beschränkung hoheitlich auferlegter Lasten, sondern formulierte mit einer höchstens hälftigen Teilung zwischen Bürger und Staat auch deren Maßstab. Um so mehr verwundert es, dass in unserer Republik der Zugriff des Steuerund Abgabenstaates auf das Eigentum der Bürger lange Zeit außerhalb der Verfassung zu stehen schien. Fast entstand der Eindruck, als wären die Grundrechte des steuerpflichtigen Bürgers, allen voran die Eigentumsgewährleistung des Art. 14 GG, im Besteuerungsfall weitgehend ignoriert, zumindest „ausgeblendet“ worden – von einer Besteuerungsgrenze im Sinne einer hälftigen Teilung ganz zu schweigen. Auch das Bundesverfassungsgericht als oberstes Gericht der Republik brachte über viele Jahre keine verfassungsrechtlichen Grenzlinien ge-

1 Die politischen Testamente der Hohenzollern, Veröffentlichungen aus den Archiven Preußischer Kulturbesitz 20, bearbeitet von R. Dietrich, 1986, S. 499. 2 Ebenda.

22

1. Teil: Einleitung

gen fiskalische Lasten in Stellung. Nicht ohne Grund bezeichnete beispielsweise Hans-Jürgen Papier 1987 „Steuern und Abgaben“ als „offene Flanke des Rechtsstaats“3 und konnte noch 1994 mit Fug und Recht juristische Bemühungen, die Teilhabe des Staates am privaten Wirtschaften auf den Boden der Verfassung zu holen und grundlegend einzudämmen, in die „Traumfabrik des Staatsrechtes“4 verweisen. Das Grundgesetz der Bundesrepublik allerdings scheint den „Gedanken staatspolitischer Klugheit“ Friedrichs des Großen „in behutsamer Formulierung“5 aufzunehmen und in Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG mit dem „zugleich“ zwischen privater Nützigkeit und Gemeinwohldienlichkeit des Eigentumsgebrauchs die Grundidee einer hälftigen Teilung zwischen Bürger und Staat anklingen zu lassen. Erst vor wenigen Jahren hat das Bundesverfassungsgericht dieses „große Wort von Friedrich dem Großen“6 in seiner vieldiskutierten Entscheidung zur Vermögensteuer7 thematisiert. In dem 3. Leitsatz der Entscheidung vom 22. Juni 1995 – 2 BvL 37/91 – judiziert der Zweite Senat des Verfassungsgerichts8: „Die Vermögensteuer darf zu den übrigen Steuern auf den Ertrag nur hinzutreten, soweit die steuerliche Gesamtbelastung des Sollertrages bei typisierender Betrachtung von Einnahmen, abziehbaren Aufwendungen und sonstigen Entlastungen in der Nähe einer hälftigen Teilung zwischen privater und öffentlicher Hand verbleibt.“

Mit dem so genannten Halbteilungsgrundsatz vermochte das Bundesverfassungsgerichts9 in der Diskussion um das (verfassungsrechtliche) Verhältnis von hoheitlich auferlegten Pflichten und Lasten – insbesondere steuerlichen Geldleistungspflichten – zu dem bürgerlichen Eigentum als wesentlichem Element bürgerlicher Privatheit grundlegend neue Impulse zu setzen10, wurde doch nicht 3

Steuern und Abgaben – Die offene Flanke des Rechtsstaats, KritV 1987, S. 140 ff. In: T. Maunz/G. Dürig (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, 1994, Art. 14, Rn. 179. 5 P. Kirchhof, Der verfassungsrechtliche Auftrag zur Erneuerung des Steuerrechts, DSWR 2002, S. 251. 6 Ebenda. 7 In diesem Verfahren wurde verfassungsrechtlich geprüft, ob § 10 Nr. 1 VStG mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar ist, weil die Vorschrift für die Besteuerung einheitswertgebundenen und nicht einheitswertgebundenen Vermögens einen einheitlichen Steuersatz festlegt. Grundlage dieser Entscheidung war ein Aussetzungs- und Vorlagebeschluss des FG Rheinland-Pfalz vom 4. November 1991 (5 K 2464/91). 8 BVerfGE 93, 121 (LS 3). 9 Der Halbteilungsgrundsatz wurde im Zuge der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu den Einheitswerten im 3. Leitsatz des Beschlusses des Zweiten Senats vom 22. Juni 1995 – 2 BvL 37/91 –, BVerfGE 93, 121, erstmals judiziert. 10 J. Isensee, Vorwort, in: W. Leisner, Eigentum, Schriften zu Eigentumsgrundrecht und Wirtschaftsverfassung 1970–1996, hrsg. von J. Isensee, 1996, S. VIII, spricht von einer „Sternstunde“, wenn das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung zur Vermögensteuer „die Grenzen des legitimen Steuerzugriffs aus dem grundrechtlichen 4

2. Kap.: Hinführung

23

nur eine grundsätzliche Grenzlinie des Verfassungsrechts für den fiskalischen Zugriff errichtet, sondern diese durch den Grundsatz einer annähernd hälftigen Teilung zwischen Bürger und Staat mit einem aus dem Verfassungsgesetz abgeleiteten Maßstab versehen. Nicht zuletzt mit Blick auf ständig steigende Steuerund Abgabenlasten und einen immer weiter um sich greifenden Staat kommt dieser Entscheidung große Bedeutung zu. Die folgende Schrift widmet sich dem Halbteilungsgrundsatz als wichtiger Facette des Verhältnisses von privatem Eigentum und steuerstaatlicher Lastenzuweisung, von Steuerbürger und Steuerstaat, von Bürger und Staat in der freiheitlichen, gleichheitlichen und brüderlichen Republik11. 2. Kapitel

Hinführung Die Republik, das Gemeinwesen bürgerlicher Freiheitlichkeit, Gleichheitlichkeit und Brüderlichkeit auf der Basis des Rechts, ist „das Projekt der Moderne“12, das, verfasst mit seinen fundamentalen Prinzipien im Grundgesetz, in Form des guten Lebens aller in allgemeiner Freiheit das Wohl aller Bürger in einer Gesellschaft des Friedens und der Freiheit zu realisieren sucht. Nach der republikanischen Konzeption ist der Staat als eine Gemeinschaft freier Menschen, der Bürger, vereint unter Rechtsgesetzen13, zu definieren. Nicht dem demokratischen Prinzip im Sinne einer Herrschaft des Volkes – die Republik kennt keine Herrschaft – ist das republikanische Gemeinwesen verpflichtet, sondern dem Prinzip des allgemeinen Gesetzes; denn nur allgemeine Gesetze verwirklichen die Freiheit. Schließlich sind die Bürger nur dann in der Lage, zugleich auch verpflichtet, allgemeinen Gesetzen zuzustimmen, wenn diese ihren Interessen nicht zuwiderlaufen und das allgemeine Wohl der republikanischen Schutz des Eigentums . . . herleitet“. W. Leisner, Steuer- und Eigentumswende – die Einheitswert-Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts, NJW 1995, S. 2591, sieht in der Vermögensteuerentscheidung des Bundesverfassungsgerichts eine „Steuer- und Eigentumswende“. 11 Auf eine Fortsetzung der Diskussion um die verfassungsrechtliche Verbindlichkeit des Halbteilungsgrundsatzes wird hier bewusst verzichtet. Der VI. Senat des Bundesfinanzhofes, BStBl. II 1998, 671 (672), hat den Halbteilungsgrundsatz als „unverbindliche Meinungsäußerung“ bezeichnet; dass der Halbteilungsgrundsatz, insbesondere in seiner hier zu erörternden Bedeutung, wohl nicht auf ein „obiter dictum“ der Verfassungsrichterschaft reduziert werden kann, werden die folgenden Ausführungen zeigen. 12 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi. Grundlegung einer Allgemeinen Republiklehre. Ein Beitrag zur Freiheits-, Rechts- und Staatslehre, 1994, Vorwort, S. XI. 13 I. Kant, Metaphysik der Sitten, Metaphysik der Sitten, in: Werke in zehn Bänden, hrsg. v. W. Weischedel, Bd. 7, 5. Nachdr., 1983, S. 431.

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1. Teil: Einleitung

Bürgerschaft verwirklichen. Unter dieser Prämisse müsste davon auszugehen sein, dass die Bürger, vertreten durch ihre Repräsentanten, sich selbst praktisch vernünftige, klare, gleichmäßige, gerechte und nicht übermäßig belastende Steuergesetze gegeben haben14. Die Wirklichkeit in der modernen Republik zeichnet allerdings ein anderes Bild. Die Steuergesetze sind hochkomplex, oftmals unsystematisch, mit zahllosen Sonder- und Ausnahmeregelungen überfrachtet sowie mit Lenkungs- und Interventionstatbeständen durchsetzt, letztlich nicht nur für den steuerlichen Laien kaum mehr verständlich. Dass das Vertrauen der Steuerbürger in den Rechts- und Steuerstaat in diesem „Steuerdickicht“, „Steuerdschungel“ oder „Steuerchaos“, um nur einige Begriffe zu nennen15, mehr und mehr verloren geht, verwundert nicht. „Das deutsche Steuersystem – empfindliche Nahtstelle zwischen Staat, Wirtschaft, Individuum und Gesellschaft – ist denaturiert. Der ursprüngliche Zweck aller Besteuerung, dem Staat auf einfache, die bürgerliche Dispositionsfreiheit achtende Weise die Mittel für seine notwendigen Ausgaben zu verschaffen, wurde an den Rand gedrängt und Besteuerung zunehmend als Instrument schillernder Umverteilungspolitik missbraucht.“16 Zugleich ist das Ausmaß, in dem der Staat an den Erfolgen privaten Wirtschaftens teilhaben will, in der jüngeren deutschen Geschichte stetig gewachsen. Das preußische EStG enthielt noch einen progressiven Staffeltarif, der bei 0,6% begann und – „welche Zeiten“17 – bei 4% endete18. § 21 REStG 1921 sah für Einkommen größer 501.500 Mark einen Grenzsteuersatz von 60% vor. 1925 verlief der Steuertarif von 10% bis 40%19. 1934 hatte man den Tarifverlauf auf 8 bis 50% abgestimmt20. 1946 betrug die Steuerbelastung ca. 95% in der Spitze. 1951 wurde sie auf 80% und 1953 dann auf 70% abgesenkt. 1956 belief sich die maximale Grenzsteuerlast auf 64% des zu versteuernden Einkommens. Mit Einführung der Splitting-Veranlagung in 1958 wurde der Spitzensteuersatz auf 54% korrigiert. Von 1975 bis in das neue Jahrtausend schließlich waren Einkommen in der Spitze mit 56% belastet. Im Jahr 2004 wurde der Spitzensteuersatz auf 47% des zu versteuernden Einkommens abgesenkt. Wei14

I. d. S. P. Kirchhof, Besteuerung im Verfassungsstaat, 2000, S. 9. So bereits 1971 eine Aufzählung bei K. Tipke, Steuerrecht – Chaos, Konglomerat oder System?, StuW 1971, S. 2. 16 G. Dahlmanns, Vorwort, in: P. Kirchhof/M. J. M. Neumann (Hrsg.), Freiheit, Gleichheit, Effizienz. Ökonomische und verfassungsrechtliche Grundlagen der Steuergesetzgebung. Tagungsband des Frankfurter Instituts – Stiftung Marktwirtschaft und Politik, 2001. 17 So der Kommentar von D. Birk, Die verteilungsgerechte Einkommensteuer – Ideal oder Utopie?, JZ 1988, S. 822, bei seinen Ausführungen über die Einkommensbesteuerung im Deutschland des 20. Jahrhunderts. 18 § 17 preußisches EStG 1891. 19 § 55 REStG 1925. 20 § 32 Abs. 1 REStG 1934. 15

2. Kap.: Hinführung

25

tere moderate Steuersatzsenkungen sind zu erwarten; doch von dem ursprünglichen Spitzensteuersatz der Einkommensteuer von 4% ist der Steuergesetzgeber weiterhin meilenweit entfernt. In der Tendenz verlangt der Fiskus auch künftig den Bürgern qua Einkommensteuer wenigstens in der Spitze annähernd die Hälfte ihres Einkommens als finanzielle Kontribution für das republikanische Gemeinwesen ab. Auch das Progressionsgefüge hat sich in den vergangenen Jahrzehnten deutlich verschoben. Das zu versteuernde Einkommen, bei dem der Höchstsatz der Einkommensteuer greift, hat sich nominal seit den 50er Jahren zwar kaum verändert, die reale Veränderung hingegen ist beachtlich. Während der Spitzensteuersatz damals erst bei dem 21-fachen des Durchschnittseinkommens zum Tragen kam, wird heute die Progressionsspitze bereits bei dem 2,5-fachen eines Durchschnittseinkommens erreicht und dieses Einkommen entsprechend mit dem Spitzensteuersatz belastet21. Der Anteil der Spitzensteuerzahler, also der überdurchschnittlich leistungsfähigen Bürger, die mit einem beträchtlichen Teil ihres Einkommens zur Finanzierung der Aufgaben und Ausgaben des Staates beitragen, dürfte sich damit in den letzten Jahrzehnten immer weiter erhöht haben. Die Bürger in ihrer Gesamtheit wie auch der einzelne Bürger sehen sich mit einer ständig wachsenden Steuer- und auch Abgabenlast konfrontiert. Dass die Steuerschraube zum Stillstand kommt oder gar spürbar rückwärts gedreht wird, ja überhaupt rückwärts gedreht werden könnte, lassen die Realitäten unserer Republik in näherer Zukunft nicht erwarten. Adolph Wagners Gesetz wachsender Staatsausgaben – und dafür erforderlicher Staatseinnahmen – scheint sich augenscheinlich auch in der jüngeren Geschichte der Republik zu bewahrheiten. Die Abgeordneten, eigentlich die Interessenvertreter des Volkes, präsentieren sich dem Wähler „nicht als Garant niedriger Steuerlasten . . ., sondern als Vordenker zusätzlicher Staatsleistungen und damit weiterer Steuererhöhungen.“22 Um so bedeutsamer erscheint die Frage nach den verfassungsmäßigen Orientierungen und Leitlinien, aber auch Grenzen der Besteuerung. Besteuerung ist allemal eine Frage der Verfassung. Die Steuer ist Ausdruck der Staatsverfassung23 und bringt wesentlich das Verhältnis von Bürger und Staat in der Republik, die notwendigerweise auch Steuerstaat sein muss, zum Ausdruck. Schließlich ist der Bürger in der Republik Individuum und Gemein21 Vgl. W. Ritter, Gedanken zur Erbschaftsteuer. Reinhold Kreile zum 65. Geburtstag, BB 1994, S. 2287. 22 W. Ritter, Gedanken zur Erbschaftsteuer. Reinhold Kreile zum 65. Geburtstag, BB 1994, S. 2287. 23 So z. B. der gleichnamige Aufsatz von P. Kirchhof, Die Steuer als Ausdruck der Staatsverfassung, in: E. Franßen/K. Redeker/O. Schlichter/D. Wilke (Hrsg.), Bürger – Richter – Staat, Festschrift für Horst Sendler, Präsident des Bundesverwaltungsgerichts, zum Abschied aus seinem Amt, 1991, S. 65.

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1. Teil: Einleitung

schaftswesen zugleich, gleichermaßen seinen privatheitlichen Maximen und dem allgemeinen Wohl verpflichtet: „Die staatliche Balance zwischen individualnützigem Wirtschaften und sozialstaatlichem Ausgleich wird durch den Steuerzugriff ermöglicht, der staatliches Nehmen als Teilhabe am privatwirtschaftlichen Erfolg der einzelnen ausgestaltet, staatliches Geben sodann aber strikt von der vorherigen Nahme sondert.“ (Paul Kirchhof )24

Als eine „Idee des Rechts“25 muss jede Steuer ihren Maßstab in den Grundprinzipien der Verfassung der freiheitlichen, gleichheitlichen und brüderlichen Republik finden. Dass staatliche Steuererhebung nicht außerhalb einer bürgerlichen, ja menschheitlichen Verfassung stattfinden kann, akzeptierte bereits die magna carta libertatum, mit der die modernen Menschenrechte am 19. Juni 1215 eine grundlegende Verankerung erfuhren; bereits hier wurde versucht, den Bürger vor unangemessenen Abgaben zu schützen. Spätestens mit der Aufklärung und der französischen Revolution, die den Steuerstaat in seiner heutigen Form wesentlich beeinflusst hat26, erforderte die Verfassung der Republik nicht nur eine gleichmäßig Verteilung der Lasten auf alle Bürger nach Maßgabe ihrer jeweiligen Belastbarkeit, sondern beschränkte die Erhebung allgemeiner Abgaben auf bestimmte, staatsnotwendige Aufgaben und mäßigte den Steuerzugriff des Fiskus. Gleichwohl versuchte der Staat des 19. Jahrhunderts – einer liberalistischen Tradition der Trennung von Staat und Gesellschaft verpflichtet – die Steuerpolitik weitestgehend vor den Grundrechten abzuschirmen und Entscheidungen über die Finanzierung des Staates, insbesondere des Heeres, aus der (parlamentarischen) Verantwortung der Bürgerschaft in die Hände des Staates zu transferieren27. Das Bundesverfassungsgericht war ebenfalls über viele Jahre bemüht, die staatliche Besteuerungsgewalt von dem Geltungsbereich der Grundrechte zu exemtieren, vermochte die Herauslösung der Steuergesetzgebung aus dem Verfassungsgefüge jedoch nicht dauerhaft aufrecht zu halten. Den Steuerbürger beschäftigt verständlicherweise nicht nur die Gesetzmäßigkeit und Gleichmäßigkeit des Besteuerungszugriffs, sondern vor allem die Frage 24 Staatliche Einnahmen, in: J. Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. IV, Finanzverfassung – Bundesstaatliche Ordnung, 1990, § 88, Rn. 49. 25 P. Kirchhof, Standortbestimmung aus verfassungsrechtlicher Sicht, in: P. Kirchhof/M. J. M. Neumann (Hrsg.), Freiheit, Gleichheit, Effizienz. Ökonomische und verfassungsrechtliche Grundlagen der Steuergesetzgebung, Frankfurter Institut – Stiftung Marktwirtschaft und Politik, 2001, S. 19. 26 Nach H. Weber-Grellet, Steuern im modernen Verfassungsstaat. Funktionen, Prinzipien und Strukturen des Steuerstaats und des Steuerrechts, 2001, S. 1, ist der „nationale Steuerstaat in seiner heutigen Gestalt . . . eine Kulturleistung der Aufklärung und der französischen Revolution.“ 27 Vgl. K. A. Schachtschneider, Umsatzbesteuerung der Mineralölsteuer, S. 54, der zutreffend auf den preußischen Budgetkonflikt von 1862 bis 1866 als Kulminationspunkt des Streites über die Zuständigkeiten des Parlamentes in Sachen der Staatsfinanzierung hinweist.

2. Kap.: Hinführung

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nach den verfassungsseitigen Besteuerungsgrenzen, die wohl ebenso alt wie das Steuerzahlen selbst und doch immer aktuell ist. Der Steuerpflichtige darf mithin erwarten, dass der Gesetzgeber in klaren, praktisch vernünftigen und sachlich richtigen Gesetzen Steuergegenstand, Steuerschuldner, Steuerbemessungsgrundlage und Steuertarife regelt. Damit sich die Besteuerung stets auf dem Boden der Verfassung bewegt, beansprucht der pflichtige Bürger mit Recht nicht nur, dass die Verfassung die einzelnen Belastungsgründe in der Gesamtlast gleichmäßig gestaltet und diese verständlich und voraussehbar darlegt, sondern auch, dass sie die Steuerlast des Bürgers mäßigt und nötigenfalls den Begehrlichkeiten des Fiskus Einhalt gebietet28. Die verfassungsrechtliche Diskussion um eine Mäßigung und Begrenzung steuerlicher Lasten spitzt sich vor allem zu einer Diskussion um das Eigentum und dessen Gewährleistung in der Republik zu, wird doch mit der Besteuerung „Geldvermögen von privater in öffentliche Hand überführt“29 und damit eine der wichtigen bürgerlichen Eigentumspositionen unserer Zeit berührt. Für die Steuergesetze der freiheitlichen, gleichheitlichen und brüderlichen Republik wird so der Maßstab des Art. 14 GG eröffnet, der das bürgerliche Eigentum in seinem republikanischen Kontext von privater Nützigkeit und Gemeinwohldienlichkeit widerspiegelt. Um dem Recht und der Wirklichkeit der Republik entsprechend die Grenzen, die die Verfassung – auch und insbesondere das Eigentumsgrundrecht – dem fiskalischen Zugriff auf das Eigentum des Bürgers zieht, ausloten zu können, darf die Diskussion nicht auf eine Erörterung abstrakter Grenzlinien für den Steuerstaat reduziert werden, sondern muss nach konkreten Maßstäben einer möglichen verfassungsseitigen Steuerbegrenzung fragen. Mit dem Halbteilungsgrundsatz, der von dem damaligen Vorsitzenden Richter des Zweiten Senats Paul Kirchhof in vielen Schriften sukzessive entwickelt worden ist, hat das Verfassungsgericht erstmals nicht nur eine Verfassungsgrenze des Steuerzugriffs näher quantifiziert, sondern vor allem dargelegt, dass der Fiskus dem Bürger nicht wesentlich mehr als die Hälfte eines Besteuerungsgutes abverlangen darf. In mancherlei Hinsicht bahnbrechend, hat der steuerrechtliche Halbteilungsgrundsatz Rechtswissenschaft und -praxis über viele Jahre intensiv beschäftigt und tut dies noch heute30. Schließlich hat dieser Spruch des obersten Gerichts etliche Fragen aufgeworfen: ob der Halbteilungsgrundsatz einen maximalen Steuersatz von 50% vorgibt, inwieweit der Halbteilungsgrundsatz rechtsverbindliche Wirkung entfaltet, auf welche Steuerarten das Postulat der Halbteilung anzuwenden ist und viele mehr. Letztlich entpuppt sich bei näherer Auseinandersetzung mit dem steuerverfassungsrechtlichen Halbteilungsgrundsatz dieser nicht nur als die Frage nach dem (Höchst-)Maß, in dem 28 29 30

Vgl. P. Kirchhof, Besteuerung im Verfassungsstaat, S. 10. P. Kirchhof, Staatliche Einnahmen, in: HStR, Bd. IV, § 88, Rn. 86 (m.w. N.). Für einen Überblick über das Schrifttum vgl. vor allem Fn. 1212.

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1. Teil: Einleitung

der Bürger Einkommen oder Vermögen an den Staat abzuführen, also mit der Bürgergemeinschaft qua Besteuerung zu teilen hat, sondern auch als Maßstab in der Beziehung von Eigentum und Steuer, ja von Steuerstaat und Steuerbürger, letztlich von Staat und Bürger. Damit ist der Hintergrund skizziert, vor dem in dieser Schrift wesentliche theoretische Grundlagen wie auch praktische Implikationen des Halbteilungsgrundsatzes als wichtigem Eckpunkt im Verhältnis von Steuerbürger und Steuerstaat im Lichte einer freiheitlichen, gleichheitlichen und brüderlichen Republik ausführlicher erörtert werden. 3. Kapitel

Überblick Nach der kurzen Hinführung zum Thema im ersten Teil werden im zweiten Teil die Grundlagen der freiheitlichen, gleichheitlichen und brüderlichen Republik als das Projekt der Moderne erläutert. Neben den Grundideen der Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit werden die Prinzipien der Rechtlichkeit und Gesetzlichkeit, letztlich die allgemeinen Gesetze, als wesentliche Beiträge zum Allgemeinwohl wie auch zu allgemeiner Gerechtigkeit im republikanischen Gemeinwesen vorgestellt, auf deren Basis die Interessenlagen des Einzelnen und der Gemeinschaft in Einklang gebracht werden und wichtige Schritte auf dem Weg zu dem Ziel von Frieden und Freiheit in der Gesellschaft gemacht werden können. Überdies wird erklärt, warum das moderne Gemeinwesen notwendigerweise Finanzstaat und insbesondere Steuerstaat sein muss. Ausgehend von der Finanzund Steuerverfassung der Republik wird ein kurzer Überblick über die verschiedenen Finanzierungsmöglichkeiten des freiheitlichen, gleichheitlichen und brüderlichen Staates mit einem besonderen Schwerpunkt auf die Steuerfinanzierung gegeben. Anschließend werden bedeutsame verfassungsrechtliche wie auch rechtspraktische Elemente republikanischer Steuerstaatlichkeit herausgearbeitet. Im dritten Teil wird zunächst mit dem Prinzip der Freiheit ein zentraler Grundstein in der Lehre von der Republik wie auch in deren Lebenswirklichkeit gelegt. Die Privatheit des Lebens, die eine unmittelbare Konsequenz des Freiheitsprinzips ist, wird als notwendiges Humanum in ihren formalen wie auch materialen Dimensionen vorgestellt. Ein besonderes Augenmerk wird auf die Privatheit der Lebensbewältigung im republikanischen Gemeinwesen gerichtet. In diesem Kontext werden auch Markt und Wettbewerb als unverzichtbare Elemente privatheitlicher Lebensbewältigung eingeführt. Außerdem wird ein erster Bezug zwischen dem Privatheitsprinzip, insbesondere dem Grundsatz privatheitlicher Lebensbewältigung, und dem Eigentum des privaten Bürgers in der Republik hergestellt. Schließlich werden die Auswirkungen des Prinzips der Freiheit und des Privatheitsprinzip in der Wirklichkeit der modernen Republik thematisiert.

3. Kap.: Überblick

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Der vierte Teil beschäftigt sich mit dem Sozialprinzip in der Republik, das die Idee der Brüderlichkeit in soziale Realitäten transferieren will. Deutlich werden die Konsequenzen des sozialen Prinzips sowohl für den republikanischen Staat als auch für den einzelnen Bürger in der Republik herausgearbeitet. Im Zuge der Darstellung sozialer Realitäten in der modernen Republik wird die Verwirklichung der sozialen Verpflichtungen von Staat und Bürger in allgemeinen Gesetzen, auch in Steuer- und Abgabengesetzen, diskutiert. Abschließend werden die Leitlinien, die das Sozialprinzip dem steuer- und abgabenfinanzierten Sozialstaat vorgibt, nachgezeichnet und das daraus abzuleitende Spektrum sozialstaatlicher Aufgaben intensiver beleuchtet. Im fünften Teil werden die in den vorhergehenden Teilen erarbeiteten Grundlagen der republikanischen Konzeption zu einem Überblick über das bürgerliche, privatheitliche Eigentum in seiner Republikanität verdichtet. Eigentum wird nicht nur als substantielles Recht des Menschen dargestellt, sondern auch als wesentliche Pflicht des Bürgers, wie dies auch Art. 14 GG konzipiert. Der innere Zusammenhang zwischen privatem Eigentum und privatheitlicher Lebensbewältigung in ihrer Rechtlichkeit wie Pflichtigkeit wird hergestellt. Damit lässt sich nicht nur das fiskalische Zugriffsobjekt in seinen unterschiedlichen Facetten näher abgrenzen, sondern auch eine republikanische Eigentumsordnung skizzieren, in der sich der Gesetzgeber, auch der Steuergesetzgeber, zu bewegen hat, um hinreichende Gleichheit und Gerechtigkeit, letztlich das allgemeine Wohl in der Bürgergemeinschaft zu verwirklichen. Den Grundsatz der hälftigen Teilung des Eigentums zwischen Steuerbürger und Steuerstaat hat schließlich der sechste Teil zum Gegenstand. Für eine bessere Einordnung der Diskussion um die Eigentumsgewährleistung als Verfassungsgrenze der Besteuerung werden im ersten Kapitel zunächst der Steuerzugriff in der steuerstaatlichen Republik wie auch dessen erste, grundlegende Verfassungsschranken kurz dargelegt. Zu Beginn des zweiten Kapitels, das das verfassungsrechtliche Verhältnis von Eigentum und Steuern in der Republik aufarbeitet, findet sich eine kurze Replik der grundsätzlichen Beziehung des Eigentumsgrundrechts, wie es in Art. 14 GG verankert ist, zu hoheitlich auferlegten Geldleistungspflichten; sowohl die verschiedenen Positionen der Verfassungsrechtslehre als auch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts im Zeitverlauf werden kurz skizziert. Schließlich kann die Bedeutung des Halbteilungsgrundsatzes, der in seiner Herleitung anschließend erläutert wird, erst in Kenntnis dieser Entwicklungslinien tatsächlich ermessen werden. In den nächsten Schritten wird der Halbteilungsgrundsatz, der in seiner Grundkonzeption eine Verteilung des Eigentums zwischen Steuerbürger und Steuerstaat in der Nähe einer hälftigen Teilung postuliert, an den Eckpunkten der republikanischen Konzeption gemessen und vornehmlich auf seine Eignung als Verfassungsgrenze der Besteuerung überprüft sowie in dieser Funk-

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1. Teil: Einleitung

tion behutsam weiterentwickelt. Insbesondere wird der Vorschlag einer maximal hälftigen Teilung zwischen Steuerbürger und Steuerstaat als möglicher Ausdruck des Verhältnisses zwischen Bürger und Staat im republikanischen Gemeinwesen aufgegriffen und in seiner Maßstäblichkeit an Grundprinzipien der Republik überprüft. Außerdem wird versucht, den Halbteilungsgrundsatz in dem Gefüge der sozialen Marktwirtschaft als freiheitlicher, gleichheitlicher und brüderlicher Wirtschaftsordnung des Grundgesetzes zu identifizieren und an dieser Stelle wichtige Orientierungshilfen für seine Herleitung wie auch praktische Verwertung zu gewinnen. Zusammenfassend wird die Grundidee der hälftigen Teilung als wichtiges Fundament einer gerechten und ausgleichenden Ordnung des Gemeinwesens zur Verwirklichung des Allgemeinwohls in Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit aufgegriffen. Auf dieser Grundlage werden in dem dritten Kapitel des sechsten Teiles ausgewählte Praxisfragen der Halbteilungsdiskussion aufgegriffen und der Halbteilungsgrundsatz in seiner republikanischen Konzeption als Beurteilungsmaßstab herangezogen. Insbesondere wird zu diskutieren sein, für welche Steuerarten das Halbteilungsprinzip Wirkung entfaltet, welche Bemessungsgrundlagen sich als sachgerecht für die Halbteilungsvorgabe erweisen, ob und inwieweit der steuerrechtliche Halbteilungsgrundsatz dezidierte Höchststeuersätze vorgibt. Zu den Realitäten des Halbteilungsgrundsatzes zählt auch die Frage nach einer möglichen Ausweitung dieser verfassungsrechtlichen Belastungsgrenze auf andere, nichtsteuerliche Abgaben. Nachdem der Staat den pflichtigen Bürger, insbesondere den Unternehmer, zu zahlreichen Pflichtdiensten jenseits finanzieller Leistungsverpflichtungen heranzieht und sich der Halbteilungsgrundsatz als Maßstab bürgerlicher Pflichtigkeit für das Gemeinwesen zu präsentieren scheint, bedarf die Überlegung ebenfalls der Erörterung, ob der Halbteilungsgrundsatz auch für nichtgeldliche Belastungen des Bürgers Wirkung entfalten kann. In dem siebten Teil finden sich nach einer Zusammenfassung der Ergebnisse einige Anmerkungen zu weiteren Implikationen und möglichen Entwicklungslinien des Halbteilungsgrundsatzes im Gefüge von Bürger und Staat. Auch Überlegungen zur Bedeutung des Prinzips der hälftigen Teilung für staatliche Ausgaben und damit Aufgaben des Finanz- und Steuerstaates werden skizziert. Vor allem aber sollen einige grundsätzliche Denkanstöße gezeigt werden, die der Halbteilungssatz für unser heutiges Gemeinwesen der freiheitlichen, gleichheitlichen und brüderlichen Republik liefert.

Zweiter Teil

Freiheitliche, gleichheitliche und brüderliche Republik als das Projekt der Moderne 1. Kapitel

Grundlagen der Republik I. Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit als republikanische Grundprinzipien „Res publica res populi.“ (Cicero)31 „Der Staat, das sind wir.“ (Friedrich Naumann)32

Einfacher, treffender und doch umfassender als in diesen Worten lässt sich die Idee der Republik wohl nicht fassen33. In der Republik steht der Bürger dem Staat nicht etwa gegenüber, vielleicht sogar wehr- und rechtlos, schutzbedürftig. Nicht das Gegeneinander von Staat und Bürger, die Zweiteilung, die oft bemühte Dichotomie von Staat und Gesellschaft ist die Lehre von der Republik34. Der Staat ist kein eigenständiges Gebilde, dessen sich der Bürger gar 31 De re publica, S. 130 f. u. ö. Zum begrifflichen Verständnis der rei publicae grundlegend und umfassend K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 1 ff. (weiterführende Hinw. in Fn. 1), passim; ebenso ders., Freiheit in der Republik, 2005 (i. E.), 3. Kap. u. ö.; dazu z. B. auch J. Isensee, Staat und Verfassung, in: J. Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. I, Grundlagen von Staat und Verfassung in der Bundesrepublik Deutschland, 1987, § 13, Rn. 104 ff., 158; interessanterweise auch ders., Gemeinwohl und Staatsaufgaben im Verfassungsstaat, in: J. Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. III, Das Handeln des Staates, 1988, § 57, Rn. 9, mit explizitem Hinweis auf das Gemeinwohlkriterium bei Cicero; auch ders., Republik – Sinnpotential eines Begriffes. Begriffsgeschichtliche Stichproben, JZ 1981, S. 1 ff.; zur Republik z. B. auch W. Henke, Die Republik, in: J. Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. I, Grundlagen von Staat und Verfassung in der Bundesrepublik Deutschland, 1987, § 21. 32 So das Zitat bei K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 1. 33 Zur Freiheits-, Rechts- und Staatslehre der Republik umfassend und dogmatisch K. A. Schachtschneider, Res publica res populi; ebenso ders., Freiheit in der Republik, passim. 34 Substantiell kritisch zur Trennung von Staat und Gesellschaft, wie sie die Lehre des Liberalismus vornimmt, K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 159 ff., 175 ff. u. ö.; auch ders., Freiheit in der Republik, 3. Kap., IX. u. ö.; a. A. z. B. E.-W. Böckenförde, Die Bedeutung der Unterscheidung von Staat und Gesellschaft im demo-

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2. Teil: Republik als das Projekt der Moderne

noch erwehren müsste35, sondern der Staat setzt sich aus jedem einzelnen Bürger, aus der Gesamtheit der Bürger, aus der Bürgerschaft zusammen; der Staat, die Republik, sind die Bürger36. Die Republik als freiheitlich verfasstes Gemeinwesen freier Menschen, der Bürger, kennt keine Herrschaft, auch nicht die Herrschaft des Volkes37. Die Republik ist auch keine Demokratie, keine „Volksherrschaft“, im eigentlichen Wortsinn. „Alle Gewalt geht vom Volke aus“ (Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG)38; außer

kratischen Sozialstaat der Gegenwart, in: ders. (Hrsg.), Staat und Gesellschaft, 1976, S. 406 ff., 411 ff.; 421 ff. u. ö.; für eine Unterscheidung von Staat und Gesellschaft (in einer neueren Lehre) deutlich ders., Die verfassungstheoretische Unterscheidung von Staat und Gesellschaft als Bedingung der individuellen Freiheit, 1973, S. 32 ff. u. ö.; i. d. S. bereits E. Forsthoff, Der Staat der Industriegesellschaft. Dargestellt am Beispiel der Bundesrepublik Deutschland, 2. Aufl., 1971, S. 11 ff., 21 ff.; sinngemäß z. B. auch W. Henke, Recht und Staat. Grundlagen der Jurisprudenz, 1988, S. 251 ff. u. ö. 35 Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund thematisiert der Liberalismus regelmäßig „Abwehrrechte“ der Bürger gegen den Staat. Siehe dazu grundlegend BVerfGE 7, 198 (204): „Ohne Zweifel sind die Grundrechte in erster Linie dazu bestimmt, die Freiheitssphäre des Einzelnen vor Eingriffen der öffentlichen Gewalt zu sichern; sie sind Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat.“ Vgl. auch BVerfGE 13, 318 (325 f.); 50, 290 (337 f.); weiterführend z. B. K. Hesse, Das Grundgesetz in der Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland, Aufgabe und Funktion der Verfassung, in: E. Benda/W. Maihofer/H.-J. Vogel (Hrsg.), Handbuch des Verfassungsrechts, 1983, S. 24; ders., Grundrechte – Bestand und Bedeutung, in: E. Benda/W. Maihofer/H.-J. Vogel (Hrsg.), Handbuch des Verfassungsrechts, 1983, S. 81, 91 f. („Die Grundrechte als individuelle Abwehrrechte gegen den Staat“ referierend); J. Isensee, Gemeinwohl und Staatsaufgaben im Verfassungsstaat, in: HStR, Bd. III, § 57, Rn. 82, 166; C. Link, Staatszwecke im Verfassungsstaat nach 40 Jahren Grundgesetz, VVDStRL 48 (1990), S. 42 f.; F. Ossenbühl, Die Interpretation der Grundrechte in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, NJW 1976, S. 2100 ff.; C. Starck, in: H. v. Mangoldt/F. Klein/C. Starck (Hrsg.), Das Bonner Grundgesetz, Kommentar, Bd. I, 3. Aufl. 1985, Art. 1 Abs. 3, Rn. 110–112; für eine Abwehrfunktion der Grundrechte z. B. auch A. Bleckmann, Staatsrecht II. Die Grundrechte, 3. Aufl., 1989, S. 199 ff. („. . . Bedeutung der Abwehrrechte auch in unserer Zeit . . .“; Zitat S. 200); P. Badura, Staatsrecht. Systematische Erläuterung des Grundgesetzes, 2., neubearb. Aufl., 1996, S. 76 f. („. . . als Abwehrrechte gegen die öffentliche Gewalt zum Schutz der individuellen Freiheit . . .“, Zitat S. 76), auch S. 255, wenn auch dort die „abwehrenden“ Freiheitsrechte gegen die öffentliche Staatsgewalt eher als Phänomen des älteren Verfassungsstaates thematisierend; kritisch z. B. K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, 6. Kap. 36 Für den Staat als Bürgergemeinschaft K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 14 ff., 96 ff., 211 ff., 1045 ff. u. ö. Dazu stv. für viele J. Isensee, Staat und Verfassung, in: HStR, Bd. I, 1987, § 13, Rn. 158 ff.; ergänzend auch BVerfGE 83, 37 (50); 83, 60 (71). 37 Dazu ausführlicher K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 14 ff., 34, 92 ff., 100 ff.; auch ders., Freiheit in der Republik, 3. Kap. 38 Näher K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 14 ff. u. ö.; ders., Freiheit in der Republik, 3. Kap., 5. Kap., 7. Kap., passim; ders., auch im europäischen Kontext, Die existentielle Staatlichkeit der Völker Europas und die staatliche Integration der Europäischen Union. Ein Beitrag zur Lehre vom Staat nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Vertrag über die Europäische Union von Maastricht, in: K. A. Schachtschneider/W. Blomeyer (Hrsg.), Die Europäische Union als Rechts-

1. Kap.: Grundlagen der Republik

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„in Wahlen und Abstimmungen“ wird sie „vom Volk“ vor allem „durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt“ (Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG)39. Der Text des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland vom 23. Mai 1949 macht deutlich, dass die Bundesrepublik vom Volk – als eigentlichem Verfassungsgeber – demokratisch verfasst wurde. Die Staatsform der Republik lässt sich in ihrem demokratischen Prinzip40 mit keiner Form der Herrschaft vereinbaren, eben auch nicht mit der Herrschaft „des als Bürgerschaft verstandenen Volkes über die Vielheit der Bürger als das Volk“ (Schachtschneider)41. Auch diese Form der Herrschaft, selbst die Herrschaft aller über alle und in manchem Falle eben auch gegen einen42, ist in einem der Freiheit verpflichteten Gemeinwesen nicht vorstellbar, in dem sich das Bürgersein, die ,Bürgerschaft‘43, durch Selbständigkeit, durch Unabhängigkeit von eines anderen nötigender Willkür, also durch Freiheit, manifestiert44. Demokratie darf nicht als Herrschaftsform, geschweige denn als Regierungsform45 fehlinterpretiert werden. Gestützt auf die Grundentscheidung der Verfassung für die allgemeine Freiheit ist es gerade das demokratische Prinzip,

gemeinschaft, Bd. 1, 1995, S. 75 ff.; ebenso ders., Die Republik der Völker Europas, ARSP 1997, Beiheft Nr. 71, S. 154 ff. 39 Vgl. hierzu K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 2 sowie im Detail S. 17 f., 168 ff., S. 560 ff.; siehe auch BVerfGE 83, 60 (71 ff.). 40 Zum demokratischen Prinzip der Republik siehe z. B. K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 532 ff. sowie S. 14 ff., insb. S. 64 ff.; ausführlicher auch ders., Freiheit in der Republik, 3. Kap., III. ff., auch 7. Kap. 41 Res publica res populi, S. 3, auch S. 14 ff., 97 ff., 124 ff., 532 ff., passim. Dagegen identifiziert das Bundesverfassungsgericht in BVerfGE 83, 60 (71 f.), die „freiheitliche Demokratie“ als legitimierte „staatliche Herrschaft“; ebenso auch BVerfGE 83, 37 (52). Für die Demokratie als eine, wenn auch mit entsprechender Legitimation durch das Volk ausgestattete Herrschaft des Staates z. B. W. Henke, Recht und Staat. Grundlagen der Jurisprudenz, S. 251 ff., 300, 365 ff., 387 ff., auch S. 620 ff.; K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 16. Aufl., 1988, Rn. 134, S. 53; J. Isensee, Staat und Verfassung, in: HStR, Bd. I, § 13, Rn. 34, 93 f.; K. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. I, Grundbegriffe und Grundlagen des Staatsrechts. Strukturprinzipien der Verfassung, 2. Aufl., 1984, S. 604 f. u. ö.; R. Zippelius, Allgemeine Staatslehre, 12. Aufl., 1994, S. 70 ff. 42 Denn in diesem Fall werden „alle, die doch nicht alle sind, beschließen; welches ein Widerspruch des allgemeinen Willens mit sich selbst und mit der Freiheit ist“ (I. Kant, Metaphysik der Sitten, S. 207). 43 Zur Bürgerlichkeit des Bürgers K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 211 ff., 341 ff., 501 ff. 44 Zum bürgerlichen Freiheitsbegriff I. Kant, Metaphysik der Sitten, S. 345 sowie im republikanischen Sinne weiterführend K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 275 ff., 325 ff., 370 ff., 410 ff., 427 ff. 45 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 4 verweist hier zutreffend auf I. Kant, der in seiner Schrift Zum ewigen Frieden. Ein philosophischer Entwurf, in: Werke in zehn Bänden, hrsg. v. W. Weischedel, Bd. 9, 5. Nachdr., 1983, S. 207 ausführt, dass eine demokratische Regierung nichts anderes als „notwendig ein Despotism“ ist.

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2. Teil: Republik als das Projekt der Moderne

das die Herrschaftslosigkeit fordert46. Jede andere Auslegung des Demokratieprinzips, vornehmlich als Herrschaft, lädiert die Freiheit, wie sie die Republik auszeichnet47. Freiheit unter Gleichen und Gleichheit in der Freiheit sind das Essentielle der Republik, Idee und Ziel zugleich48. Nur unter Gleichen gibt es keine Herrschaft, lässt sich die Freiheit aller verwirklichen49. Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland thematisiert wiederholt die „freiheitlich demokratische Grundordnung“ (Art. 18 S. 1, Art. 21 Abs. 2 S. 1, Art. 91 Abs. 1 GG und weitere); das Bundesverfassungsgericht stützt dies ausdrücklich50. Diese frei46 Das in Art. 20 Abs. 4 GG Verfasste Recht, ja die Pflicht zum Widerstand gegen jeden, der die verfassungsmäßige Ordnung bedroht, ist eine zentrale Vorschrift des demokratischen Prinzips in der Republik. So K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 4. 47 Ausführlicher dazu K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 71 ff., 139 ff. sowie S. 14 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 3. Kap., auch 5. Kap. 48 So K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 4 mit umfassenden bibliographischen Hinweisen; ausführlicher auch ders., Freiheit in der Republik, passim. Hinzuweisen ist grundlegend auf Cicero, de re publica, S. 140 f.; J. Locke, Über die Regierung, Two Treaties of Government, The Second ed. P. C. Mayer Tasch, ed. reclam, 1983, S. 18 f., 41, 73; J.-J. Rousseau, Vom Gesellschaftsvertrag, ed. Brockard, 1977/1986, S. 22 f., 26, 27, insb. S. 56 f. u. ö.; I. Kant, Zum ewigen Frieden, S. 204, 241, ders., Über den Gemeinspruch: Das mag in der Theorie richtig sein, taugt aber nicht für die Praxis, in: Werke in zehn Bänden, hrsg. v. W. Weischedel, Bd. 9, 5. Nachdr., 1983, S. 145, 150 sowie die Philosophie der praktischen Vernunft in toto. Siehe auch die weitergehenden Ausführungen bei G. Dürig, in: Maunz/Dürig, GG, Kommentar, 1958, Art. 1 Abs. 1, Rn. 18; Art. 3 Abs. 1, Rn. 134; E. Grabitz, Freiheit und Verfassungsrecht, 1976, S. 153 ff., 201 ff., 244; P. Häberle, Die Menschenwürde als Grundlage der staatlichen Gemeinschaft, in: J. Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. I, Grundlagen von Staat und Verfassung in der Bundesrepublik Deutschland, 1987, § 20, Rn. 61 ff.; J. Isensee, Staat und Verfassung, in: HStR, Bd. I, 1987, § 13, Rn. 104 ff.; ders., Gemeinwohl und Staatsaufgaben im Verfassungsstaat, in: HStR, Bd. III, 1988, § 57, Rn. 75 ff.; P. Kirchhof, Der allgemeine Gleichheitssatz, in: J. Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. V, Allgemeine Grundrechtslehren, 1992, § 124, Rn. 103 ff.; M. Kriele, Freiheit und Gleichheit, in: E. Benda/W. Maihofer/H.-J. Vogel (Hrsg.), Handbuch des Verfassungsrechts, 1983, S. 129 ff.; ders., Einführung in die Staatslehre. Die geschichtliche Legitimationsgrundlage des demokratischen Verfassungsstaates, 1975, 4. Aufl., 1990, S. 318 f.; W. Maihofer, Prinzipien der freiheitlichen Demokratie, in: E. Benda/W. Maihofer/H.-J. Vogel (Hrsg.), Handbuch des Verfassungsrechts, 1994, 2. Aufl., S. 428 ff., 489 ff., 507 ff.; z. B. auch E.-W. Böckenförde, Demokratie als Verfassungsprinzip, in: J. Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. I, Grundlagen von Staat und Verfassung in der Bundesrepublik Deutschland, 1987, § 22, Rn. 35 ff., 41 ff.; W. Henke, Die Republik, in: J. Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. I, Grundlagen von Staat und Verfassung in der Bundesrepublik Deutschland, 1987, § 21, Rn. 32 ff. 49 Vgl. näher K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 4 f., 410 ff.; grundlegend auch ders., Freiheit in der Republik, 7. Kap. 50 „Da Menschenwürde und Freiheit jedem Menschen zukommen, die Menschen insoweit gleich sind, ist das Prinzip der Gleichbehandlung aller für die freiheitliche

1. Kap.: Grundlagen der Republik

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heitlich demokratische Grundordnung findet ihre Vollendung in der Republik, stets unter Berücksichtigung des Sittengesetzes. Sittlichkeit zählt zu den elementaren Gestaltungsprinzipien der Republik. Freiheit ohne Sittlichkeit ist aber nicht denkbar; denn (innere) Freiheit ist zugleich Pflicht zur Sittlichkeit51, also Brüderlichkeit52. Nur wer sittlich zu handeln vermag und handelt, ist in seinem brüderlichen Handeln notwendigerweise frei53. Frei ist schließlich nur der, der von eines anderen nötigender Willkür unabhängig ist54, also nicht dessen Knecht oder Herr („sui iuris“55), sondern ihm gleich56. Ohne diese Freiheit, ohne die Autonomie57 seines Willen, ist der Mensch in seiner Würde verletzt; die Würde des Menschen aber ist „unantastbar“ (Art. 1 Abs. 1 S. 1 GG), „sie

Demokratie ein selbständiges Postulat“ [BVerfGE 5, 85 (205)]. Dass das Gericht dennoch Freiheit und Gleichheit liberalistisch material, nicht republikanisch formal begreift, wie dem Wortlaut zu entnehmen, sei hier nur am Rande erwähnt. 51 Die Pflicht zur Sittlichkeit, zum sittlichen Handeln in der Republik legt umfassend K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 288 ff., 318 ff., 344 ff., 501 ff., 560 ff., 584 ff., 617 ff., 655 ff., 670 ff., 728 ff., 799 ff., 810 ff., 819 ff., 858 ff., 978 ff., 1027 ff., dar; näher auch ders., Freiheit in der Republik, 2. Kap., VII., 4. Kap., II. 52 Dazu umfassend und eindrucksvoll K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 234 ff.; auch ders., Freiheit in der Republik, 2. Kap., VII., 8. Kap., III. 53 Zur inneren Freiheit des Bürgers vgl. K. A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht. Kritik der Fiskustheorie exemplifiziert an § 1 UWG, 1986, S. 104 ff., 111, 116 ff., 125 f., 154 ff., 161, 171; ebenso ders., Res publica res populi, S. 253 ff., insb. S. 279 ff.; kritisch zu einer inneren, von der äußeren zu trennenden Freiheit W. Kersting, Wohlgeordnete Freiheit, S. 16 ff., 42 ff. 54 Vgl. I. Kant, Metaphysik der Sitten, S. 345; dazu K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 253 ff. (m.w. N. in Fn. 2), S. 290 (m.w. N. in Fn. 186), 332 ff., 494 ff. 55 I. Kant, Über den Gemeinspruch, S. 149, 151; auch ders., Metaphysik der Sitten, S. 345, 382; weiterführend K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 241 ff. 56 Zur unlösbaren Verbindung von Freiheit und Gleichheit in der Republik, zur Gleichheit aller in der Freiheit, G. Dürig, in: Maunz/Dürig, GG, 1958, Art. 1 Abs. 1 GG, Rn. 18, 134; auch P. Kirchhof, Der allgemeine Gleichheitssatz, in: HStR, Bd. V, § 124, Rn. 44 ff., 103 ff.; deutlich M. Kriele, Freiheit und Gleichheit, in: HVerfR, S. 129 f.; W. Maihofer, Prinzipien der freiheitlichen Demokratie, in: HVerfR, S. 427 ff., 455 ff., 499 ff., 507 ff.; wegweisend K. A. Schachtschneider, Republikanische Freiheit, in: B. Ziemske/T. Langheid/H. Wilms/G. Haverkate (Hrsg.), Staatsphilosophie und Rechtspolitik, Festschrift für Martin Kriele zum 65. Geburtstag, 1997, S. 829 ff.; ebenso substantiell ders., Res publica res populi, S. 4 f., 275 ff., 325 ff., 410 ff., 422 ff. u. ö.; auch ders., Freiheit in der Republik, 7. Kap. u. ö.; prägnant ders., Prinzipien des Rechtsstaates, 5. wirkl. neu bearb. Aufl., 2000, S. 25 ff., 29 ff. 57 „Autonomie ist also der Grund der Würde der menschlichen und jeder vernünftigen Natur“ (I. Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, in: Werke in zehn Bänden, hrsg. v. W. Weischedel, Bd. 6, 5. Nachdr., 1983, S. 69). Zur Bedeutung der Autonomie, der „Selbstgesetzgebung“, in ihren verschiedenen Ausprägungen ausführlicher K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 4 ff., 275 ff. (insb. S. 280 ff.), 325 ff. (insb. S. 332 ff.), S. 504; ders., Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 101 (mit zahlr. weiterführenden Hinw.); wesentlich z. B. W. Maihofer, Prinzipien freiheitlicher Demokratie, in: HVerfR, S. 427 ff., 494.

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2. Teil: Republik als das Projekt der Moderne

zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt“ (Art. 1 Abs. 1 S. 2 GG)58. Ausweislich dieser fundamentalen Norm des Grundgesetzes obliegt der staatlichen Gewalt mit dem Schutz der Würde jedes Menschen die Wahrung von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit als den elementaren Prinzipien der Republik. Der republikanische Staat nämlich lässt sich nicht auf eine Veranstaltung der Bürger zur Verwirklichung der allgemeinen Freiheit, ergo zur Verwirklichung der Freiheit jedes Einzelnen reduzieren, auch wenn das Privatheitsprinzip59 als substantielle Facette der Freiheitsidee, restringiert lediglich durch das allgemeine Gesetz, immer in den Vordergrund allen bürgerlichen Handelns treten darf und treten muss60. Zweck des Staates ist nicht nur die bestmögliche allgemeine Freiheit, sondern ebenso das gute Leben aller Bürger, wie bereits Aristoteles für den Staat der Republik formuliert hat61. Immerhin darf – stets im Rahmen der Gesetze – jeder Bürger nach dem guten Leben, nach seinem Glück streben62. Da der Staat nichts anderes ist als die Menge aller in der Bürgerschaft vereinten Menschen, manifestiert sich der eigentliche Zweck der republikanischen Gemeinschaft in der Verwirklichung des Gemeinwohls als dem guten 58 Dazu BVerfGE 5, 85 (204); auch W. Maihofer, Prinzipien freiheitlicher Demokratie, in: HVerfR, S. 489 ff.; M. Kriele, Freiheit und Gleichheit, in: HVerfR, S. 129 ff.; K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 7 (m.w. N.); ders., Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 99 ff., 138 ff., grundlegend auch G. Dürig, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 1 Abs. 1 GG, Rn. 1 ff. 59 Grundlegend zum republikanischen Privatheitsprinzip K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 370 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 8. Kap.; auch ders., Der Anspruch auf materiale Privatisierung. Exemplifiziert am Beispiel des staatlichen und kommunalen Vermessungswesens in Bayern, 2005, S. 67 ff.; näher auch im Folgenden, 3. Teil, 2. Kap. 60 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 387, thematisiert „das republikanische Prinzip des Grundsatzes und daraus folgend des Vorranges der Privatheit“; weiterführend auch S. 201 ff., 244, 389 f.; umfassender auch ders., Freiheit in der Republik, 8. Kap., IV.; siehe außerdem J. Isensee, Subsidiaritätsprinzip und Verfassungsrecht. Eine Studie über das Regulativ des Verhältnisses von Staat und Gesellschaft, 1968, S. 215 f., 313 ff.; ders., Gemeinwohl und Staatsaufgaben im Verfassungsstaat, in: HStR, Bd. III, § 57, Rn. 165 ff.; H. H. Rupp, Die Unterscheidung von Staat und Gesellschaft, in: J. Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. I, Grundlagen von Staat und Verfassung in der Bundesrepublik Deutschland, 1987, § 28, Rn. 51 ff. 61 Politik, übers. u. hrsg. von O. Gigon, 6. Aufl., 1986; analog ed. Reclam, 1993, S. 230 (1328 a 36): Der Staat ist die „Gemeinschaft . . . zum Zweck eines möglichst guten Lebens“; vgl. auch ders., Nikomachische Ethik, übers. u. hrsg. von O. Gigon, 6. Aufl., 1986, analog ed. Reclam, 1992, S. 55 ff., insb. S. 58 (1095 a 13, 14 ff.); i. d. S. auch I. Kant, Zum ewigen Frieden, S. 158 f. 62 So grundlegend K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 54 ff.; weiterführend S. 218 ff., 297 ff., 613 ff.; substantiell I. Kant, Metaphysik der Sitten, S. 515 ff.; umfassend D. Sternberger, Das Menschenrecht nach Glück zu streben, 1966, in: ders., Ich wünschte ein Bürger zu sein. Versuche über den Staat, 1967, S. 131 ff.; ergänzend auch 3. Teil, 1. Kap.

1. Kap.: Grundlagen der Republik

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Leben aller Individuen in der Bürgergemeinschaft der Republik63. Der republikanische Staat präsentiert sich als eine Einrichtung der Bürger mit dem Ziel, das gute Leben aller in gemeinsamer Freiheit zu verwirklichen64. Das gute Leben aller bedarf nicht nur der Gleichheit in der allgemeinen Freiheit, sondern ebenso der Brüderlichkeit aller Menschen, aller Bürger in der Republik65. Schließlich impliziert die Republik in ihrer allgemeinen Freiheitlichkeit für alle Bürger, dass diese als Gleiche an der allgemeinen Freiheit teilhaben können. Die Schaffung eines solchen Zustandes, die Herstellung derartiger „Grundrechtsvoraussetzungen“66, obliegt dem republikanischen Staat, der nicht zuletzt ausweislich des Sozialprinzips67 als einem der substantiellen Prinzipien der Republik notwendigerweise immer auch Sozialstaat ist68. Das Leitmotiv republikanischer Brüderlichkeit, die soziale Idee der republikanischen Staatsge63 Zum formalen Gemeinwohlbegriff ausführlicher K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 346 ff., 410 ff., 574 f., 657 ff., 978 ff., 994 f.; auch ders., Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 236 ff., 242 ff., 247 ff. 64 So K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 299 ff., 346, 350 ff., 574 ff., 625 ff. (m.w. N.); dazu auch ders., Freiheit in der Republik, 1. Kap. u. ö. 65 Zur unlösbaren Verbindung von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit prägnant z. B. M. Kriele, Die demokratische Weltrevolution. Warum sich die Freiheit durchsetzen wird, 1987, S. 50; i. d. S. auch ders., Einführung in die Staatslehre, S. 229, 334; republikanisch K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 8 f., umfassender S. 234 ff.; zur Idee der Brüderlichkeit siehe außerdem 4. Teil, 1. Kap. 66 P. Häberle, Grundrechte im Leistungsstaat, VVDStRL 30 (1972), S. 95; dazu E.-W. Böckenförde, Die Bedeutung der Unterscheidung von Staat und Gesellschaft im demokratischen Sozialstaat der Gegenwart, in: ders., Staat und Gesellschaft, S. 421 f.; sinngemäß auch M. Kriele, Einführung in die Staatslehre, S. 219, 334; mit dieser Intention z. B. auch BVerfGE 33, 303 (331). Ausführlicher zu den Bedingungen bürgerlicher Grundrechtswahrnehmung, insb. zur Selbständigkeit als Notwendigkeit republikanischer Bürgerlichkeit, 3. Teil, 3. Kap., 4. Teil, 3. Kap., IV., 5. Teil, 2. Kap., II. 67 Grundsätzlich zum Sozialprinzip K. A. Schachtschneider, Das Sozialprinzip, S. 31 f., passim; wesentlich auch H. F. Zacher, Das soziale Staatsziel, in: J. Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. I, Grundlagen von Staat und Verfassung in der Bundesrepublik Deutschland, 1987, § 25, Rn. 1 ff.; für weitere Ausführungen vgl. auch 4. Teil. 68 Zur sozialen Verpflichtung der bürgerlichen Gemeinschaft wegweisend BVerfGE 5, 84 (197 f.); grundlegend z. B. H.-F. Zacher, Das soziale Staatsziel, in: HStR, Bd. I, § 25, Rn. 48 ff., 86; sinngemäß J. Isensee, Gemeinwohl und Staatsaufgaben im Verfassungsstaat, in: HStR, Bd. III, § 57, Rn. 170; wichtig dazu K. A. Schachtschneider, Frei – sozial – fortschrittlich, in: Die Fortentwicklung des Sozialstaates – Verfassungsauftrag und administrative Implementation, Symposium zu Ehren von Werner Thieme, Hamburg, 24. Juni 1988, 1988, S. 7 ff.; substantiell auch M. Kriele, Freiheit und Gleichheit, in: HVerfR, S. 146; W. Maihofer, Prinzipien freiheitlicher Demokratie, in: HVerfR, S. 516 f., 527 f.; ebenso P. Häberle, Grundrechte im Leistungsstaat, VVDStRL 30 (1972), S. 90 ff. sowie ders., Die Wesensgehaltsgarantie des Art. 19 Abs. 2 GG. Zugleich ein Beitrag zum internationalen Verständnis der Grundrechte und zur Lehre vom Gesetzesvorbehalt, 1962, 3. Aufl., 1983, S. 121 f.; ergänzend z. B. H. U. Erichsen, Allgemeine Handlungsfreiheit, in: J. Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. VI, Freiheitsrechte, 1989, § 152, Rn. 19; R. Herzog, Ziele, Vorbehalte und Grenzen der Staatstätigkeit,

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2. Teil: Republik als das Projekt der Moderne

meinschaft, verwirklicht sich jedoch nicht vorrangig in einem sozialen, oft nicht grundlos der Gefahr des Paternalismus ausgesetzten Wohlfahrtsstaat, sondern in einer bürgerlichen Gemeinschaft, in der alle Bürger in Akzeptanz ihres Bürgerseins auf dieses Fundament der Freiheit und Gleichheit, damit gesellschaftlicher Gerechtigkeit, letztlich des Friedens69 und des Wohlstandes, hin- und an dessen bestmöglicher Verwirklichung mitwirken. Diese republikanische Tugend der Brüderlichkeit, die fraternité der Französischen Revolution, ist als Pflicht zur Sittlichkeit nichts anderes als die innere Freiheit, die freiheitliche Moral des Einzelnen in der bürgerlichen Gemeinschaft70. Brüderlichkeit zielt auf die Dimensionen „Freiheit“ und „Gleichheit“ ab, kann zugleich nur unter diesen Vorbedingungen gedeihen, setzt folglich eine spezifische Homogenität71 der in der Republik vereinigten Bürger voraus, beabsichtigt im selben Atemzug aber die Erreichung der Freiheit aller und damit der Gleichheit aller in der Freiheit als der republikanischen Grundentscheidung schlechthin72, mithin ein gewisses Maß an Homogenität in der bürgerlichen Gemeinschaft. Republikanische Brüderlichkeit wird damit als elementares Erfordernis der allgemeinen Freiheit, letztlich des allgemeinen Friedens verortet, woraus sich eine substantielle Aufgabe der brüderlichen Gemeinschaft und des Sozialstaates als Ausfluss des allgemein-gesetzlichen Willens der im Staat verbundenen Bürgerschaft ableiten lässt. Welche Stoßrichtung der Brüderlichkeit als republikanischem Grundprinzip in der Trias von Freiheit – Gleichheit – Brüderlichkeit gemeinhin zugemessen wird, lebensweltlich auch zukommt, verdeutlicht Martin Kriele: „Freiheit des Geistes, Gleichheit im Recht, Brüderlichkeit im Wirtschaftsleben.“73

In komprimierter Form wird mit dieser Aussage präzisiert, dass ein tragendes, wenn nicht gar das Hauptaugenmerk republikanischer Brüderlichkeit auf die Schaffung der materialen – auch materiellen – Grundvoraussetzungen von Freiheitlichkeit und Gleichheitlichkeit gerichtet ist74, dass letzten Endes die Frage der Brüderlichkeit stets und immer eine ökonomische ist und sein muss; in: J. Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. III, Das Handeln des Staates, 1988, § 58, Rn. 27, 75 ff. 69 Allg. zum Frieden als Staatsziel C. Starck, in: B. Börner/H. Jahrreis/K. Stern (Hrsg.), Einigkeit und Recht und Freiheit, Festschrift für Karl Carstens zum 70. Geburtstag, Bd. 2, 1984, S. 876 ff. 70 So K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 8 sowie ausführlicher S. 234 ff.; außerdem W. Maihofer, Prinzipien freiheitlicher Demokratie, in: HVerfR, S. 519 ff., Rn. 156 ff.; ebenso P. Häberle, Die Menschenwürde als Grundlage der staatlichen Gemeinschaft, in: HStR, Bd. I, Rn. 56 ff. 71 Ausführlicher zur Homogenität vgl. 4. Teil, 2. Kap., insb. VI. 72 Zur allgemeinen Freiheit als Idee und Zweck der Republik stv. für viele K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 4 (m. zahlr. Hinw.); grundlegend auch ders., Freiheit in der Republik, 1. Kap., 5. Kap. u. ö. 73 Die demokratische Weltrevolution, S. 49.

1. Kap.: Grundlagen der Republik

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schließlich ist politische, rechtliche und soziale Homogenität75 der in der Bürgerschaft vereinten Menschen trotz aller Formalität der republikanischen Konzeption als einer Konzeption des gerechtigkeitsstiftenden allgemeinen Gesetzes nicht ohne gewisse materiale, auch materiell-ökonomische Grundbedingungen vorstellbar. Brüderliches Handeln impliziert ein Wahrnehmen der bürgerlichen Pflichten jedes Einzelnen zum Wohl des Anderen, ja aller Anderen und damit für die Allgemeinheit. Brüderlichkeit erweist sich als eine der republikanischen Tugenden, nichts anderes als die innere Freiheit, ganz im Sinne der Pflicht zur Sittlichkeit. Bürgerliche Homogenität, Homogenität der in der Republik verfassten, freien und gleichen Menschen, setzt die Erfahrungsgeschichte der Brüderlichkeit mit allen formal und material fassbaren Konsequenzen voraus; nur in dieser Konzeption und in dieser Lebenswirklichkeit können Frieden und Freiheit, Recht und Staat verwirklicht werden76. „Liberté, égalité, fraternité“ – auf den Grundprinzipien Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit gründet also die Republik als bestmögliche Form des Miteinanders von Menschen zur Verwirklichung des guten Lebens aller in gemeinsamer Freiheit77. II. Rechtlichkeit, Gesetzlichkeit und Gerechtigkeit in der Republik „Ein Staat ist die Vereinigung einer Menge von Menschen unter Rechtsgesetzen.“ (Kant)78

Die Republik ist nicht nur freiheitliches Gemeinwesen, also Bürger- oder Freistaat, sondern notwendigerweise zugleich ein Staat des Rechts, also Rechts74 Spätestens in diesem Kontext erschließt sich die substantielle Bedeutung des privatheitlichen Eigentums für das freiheitliche Leben des Bürgers, ja überhaupt für dessen Menschheit. So z. B. K. A. Schachtschneider, Das Recht am und das Recht auf Eigentum. Aspekte freiheitlicher Eigentumsgewährleistung, in: J. Isensee/H. Lecheler (Hrsg.), Freiheit und Eigentum, Festschrift für Walter Leisner zum 70. Geburtstag, 1999, S. 743 ff., insb. S. 751 ff., 767 ff.; zum Eigentum in der Republik ausführlich im 5. Teil. 75 Begriff und Bedeutung der Homogenität im republikanischen Gemeinwesen erläutert K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 241 ff., umfassender S. 1177 ff.; grundlegend bereits H. Heller, Politische Demokratie und soziale Homogenität. Gesammelte Schriften, Bd. 2, 1. Aufl., 1971, S. 123 ff.; dazu auch BVerfGE 89, 155 (186). 76 So K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 8 f. (m.w. N.). Zur Gewährleistung des Rechts und des Friedens und zum Schutz der Rechte und Freiheiten z. B. auch, wenngleich deutlich liberalistisch geprägt, P. Badura, Staatsrecht, S. 254 f. 77 Zu dem Wahlspruch der Französischen Revolution K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 9 f., ansonsten passim; W. Maihofer, Prinzipien der freiheitlichen Demokratie, in: HVerfR, S. 489 ff., 519 ff., 536; zum historischen Kontext z. B. auch M. Kriele, Die demokratische Weltrevolution, S. 49 ff. 78 Metaphysik der Sitten, S. 431.

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2. Teil: Republik als das Projekt der Moderne

staat79. Nach Art. 20 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 3, 19 Abs. 4 und Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG ist die Bundesrepublik Deutschland, ebenso deren Länder, als Rechtsstaat verfasst; dies macht auch das Bundesverfassungsgericht deutlich80. Dabei soll das Recht das gute Leben aller in allgemeiner, ergo gleicher Freiheit ermöglichen, also die Ideale der Republik in der staatlichen Gemeinschaft zum Leben erwecken und dauerhaft bewahren81. In dieser Rechtlichkeit liegt der Zweck des Staates, der Zweck der Republik als politischer Form des grundgesetzlichen Gemeinwesens82; Ausprägungen der Rechtlichkeit finden sich als Prinzipien dieses Rechtsstaates in etlichen Einzelregelungen des Grundgesetzes wieder83. Gesetzlichkeit als Verwirklichung der allgemeinen Freiheit setzt die Staatlichkeit der Republik, gemeinhin deren Rechtsstaatlichkeit voraus. Ohne Gesetzlichkeit kann der Staat nicht Rechtsstaat, nicht Republik sein. Der Primat des Rechts gilt bei allen Handlungen. Auch und gerade die Politik, also Gesetzgebung84, ist diesem Primat unterworfen85. Gesetzgebung meint nichts anderes als Rechtsetzung; ohne diese Vorgabe werden keine allgemeinen Gesetze gegeben, ist letztlich das Recht als großes Gut der republikanischen Bürgergemeinschaft verletzt. Gesetze – eigentlich vermeintliche Gesetze –, die gegen das Recht verstoßen, sind mit der allgemeinen Freiheit, wie sie die Republik in ihrer Ideenhaftigkeit voraussetzt, nicht zu vereinbaren. Nur allgemeine Gesetze, denen alle Bürger zuzustimmen in der Lage sind, können die allgemeine Freiheit wie auch die Gleichheit und Brüderlichkeit in der republikanischen Bürgergemeinschaft verwirklichen86. 79 Grundlegend zur Republik als Rechtsstaat K. A. Schachtschneider, Prinzipien des Rechtsstaates, S. 5 f., passim; ders., Res publica res populi, S. 519 ff. u. ö.; auch ders., Freiheit in der Republik, 11. Kap., 12. Kap.; ebenfalls ders., Das Rechtsstaatsprinzip des Grundgesetzes, JA 1978, S. 185 ff., 237 ff.; zum Rechtsstaat auch P. Kunig, Das Rechtsstaatsprinzip. Überlegungen zu seiner Bedeutung für das Verfassungsrecht der Bundesrepublik Deutschland, 1986. 80 So etwa BVerfGE 2, 380 (403); 84, 90 (121). 81 Vgl. K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 350 ff.; ergänzend ders., Freiheit in der Republik, 5. Kap., IV., auch 7. Kap., 11. Kap., 12. Kap., 13. Kap.; näher auch ders., Rechtsstaatlichkeit als Grundlage des inneren und äußeren Friedens, in: Mut zur Ethik. Grundrechte, Rechtsstaatlichkeit und Völkerrecht versus Krieg, 2002, S. 6 ff. 82 So pointiert K. A. Schachtschneider, Prinzipien des Rechtsstaates, S. 6; umfassend im Sinne der Republik ders., Res publica res populi, passim; ebenfalls ders., Freiheit in der Republik, passim. 83 Dazu K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 350 ff., 353 ff., 476 f., 1030 f. 84 Das trifft selbstverständlich auch auf die steuerstaatliche Gesetzgebung in der Republik zu. 85 Vgl. z. B. K. A. Schachtschneider, Prinzipien des Rechtsstaates, S. 5 f. (m.w. N.); für den republikanischen Hintergrund ders., Res publica res populi, S. 350 ff. 86 Wegweisend I. Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, S. 59 ff.; dazu auch z. B. H. Hofmann, Grundpflichten als verfassungsrechtliche Dimension, VVDStRL 41 (1983), S. 69 („Die gleiche Freiheit aller kann nur gesetzmäßige Freiheit

1. Kap.: Grundlagen der Republik

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Das ethische Prinzip des Rechts ist das Sittengesetz87. Rechtsetzung, also auch Eigentums- oder Steuerrechtsetzung, muss immer dem Sittengesetz entsprechen. Aus der Pflicht jedes Menschen zur Sittlichkeit, also aus seiner Pflicht zur allgemeinen Gesetzgebung, zumindest mittelbar letztlich zur Rechtssetzung, entspringt der Beitrag aller zu den gemeinsamen Gesetzen88. Nur wenn das Volk und die Vertreter des ganzen Volkes, die Abgeordneten89, bei der Gesetzgebung moralisch gehandelt haben, mithin das Sittengesetz beachtet haben90, ist die Rechtlichkeit der Gesetze gewahrt, sind Gesetze sittlich. Um sittlich zu sein, müssen Gesetze praktisch vernünftig sein, gleichzeitig sachlich91. Nur solche Gesetze verwirklichen das gute Leben aller in gemeinsamer Freiheit92, sind gerecht. Gerechtigkeit aber ist ein zentrales Ziel der Republik, insbesondere des Rechtsstaates93. In der Republik existiert Gerechtigkeit unter der Bedingung von Rechtlichkeit und Gesetzlichkeit94, wenn Gesetze dem Sittengesetz entsprechen, also wenn alle Rechtsvorschriften materieller und formaler Art unverletzt bleiben95. Unter dieser Prämisse der Rechtlichkeit leisten die allgemeinen Gesetze den Ausgleich zwischen den Interessen aller Bürger und schaf-

sein.“); wesentlich zum Thema K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 275 ff., auch S. 124 ff., 145 ff., 153 ff., 494 ff., 519 ff., 637 ff., 978 ff., 990 ff., 1027 ff. 87 Zum Sittengesetz als republikanischem Schlüsselbegriff ausführlicher K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 259 ff. (m. zahlr. w. N.); ebenfalls ders., Freiheit in der Republik, 4. Kap. u. ö.; grundlegend ders., Das Sittengesetz und die guten Sitten, in: B. Becker/H. P. Bull/O. Seewald (Hrsg.), Festschrift für Werner Thieme zum 70. Geburtstag, 1993, S. 195 ff.; auch ders., Sittlichkeit und Moralität – Fundamente von Ethik und Politik in der Republik, Teil 1, Aufklärung und Kritik 2/ 2004, S. 7 ff.; ders., Sittlichkeit und Moralität – Fundamente von Ethik und Politik in der Republik, Teil 2, Aufklärung und Kritik 1/2005, S. 5 ff. 88 Vgl. insb. K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 632, 670 f., 728 ff.; dazu ders., Freiheit in der Republik, 2. Kap., VI., VII., 4. Kap. 89 Siehe dazu Art. 38 Abs. 1 GG. 90 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 279 ff., 519 ff., 637 ff., insb. S. 707 ff.; allg. dazu ders., Freiheit in der Republik, 11. Kap., auch 4. Kap. 91 Weiterführend K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 275 ff., 519 ff., 637 ff. u. ö.; allg. dazu ders., Freiheit in der Republik, passim. 92 Recht ist das Richtige für das gute Leben aller in allgemeiner Freiheit auf der Grundlage des Wahrheit. Dazu K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 567 ff., insb. S. 569, 978 ff., insb. S. 980, 990 ff., insb. S. 996; ders. (unter Mitarbeit von O. Gast), Sozialistische Schulden nach der Revolution. Kritik der Altschuldenpolitik. Ein Beitrag zur Lehre von Recht und Unrecht, 1996, S. 9 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 1. Kap., 2. Kap. u. ö. 93 Vgl. BVerfGE 7, 89 (92). 94 Dazu K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 279 ff. (insb. S. 282), 423 f., 995 ff., 1027 ff. u. ö.; ders., Freiheit in der Republik, 2. Kap., IV., VI., 7. Kap., I., u. ö.; bereits ders., Neubescheidung nach Rechtskraft, VerwArch 63 (1972), S. 306 f., 308 (Hinw. in Fn. 386); ders., Das Sozialprinzip, S. 58. 95 K. A. Schachtschneider, Prinzipien des Rechtsstaates, S. 7.

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2. Teil: Republik als das Projekt der Moderne

fen eine wichtige Basis für ein freiheitliches Leben all dieser Bürger in einer befriedeten Gemeinschaft. So verstandene Gerechtigkeit äußert sich nicht nur als Rechtssicherheit für alle Bürger, sondern leistet gleichrangig materiale Gerechtigkeit96. Beide Prinzipien haben den Verfassungsrang des Rechtsstaatsprinzips, wie das Bundesverfassungsgericht regelmäßig judiziert97. Beides – materielle Gerechtigkeit und Rechtssicherheit98 – bezwecken die Gesetze, die insgesamt das gute Leben in allgemeiner Freiheit verwirklichen; eine Differenzierung, eine Abwägung gar, der beiden Zwecke ist nicht möglich99. Rechtsstaatlichkeit jedenfalls führt zu bestmöglicher (materialer) Gerechtigkeit. Ganz im Sinne des sozialen Prinzips der Republik mündet die allgemeine Gesetzlichkeit der rechtsstaatlichen Republik, aber auch deren andere Prinzipien, in eine Form materialer, auch materieller Gerechtigkeit, bei der – nicht zuletzt durch das Regulativ sittlicher und praktisch vernünftiger Gesetze – die Interessen aller zum konsensualen Ausgleich gebracht werden100. Basierend auf der Idee des gerechtigkeitsstiftenden Rechts, das in der Zustimmung aller zu allgemeinen, darum richtigen Gesetzen gründet, können in der Konstruktionslogik der Republik die Lebensmöglichkeiten sozial gerecht verteilt werden, ohne dass ein Auftrag zu einer umfassenden Umverteilung der Güter oder gar zu einer freiheits-, übrigens auch gleichheitswidrigen und in letzter Konsequenz keineswegs brüderlichen Nivellierung der Lebensverhältnisse daraus abzuleiten wäre. Schließlich haben die allgemeinen Gesetze den gerechten Ausgleich aller Interessen, mithin auch der Interessen des einzelnen Bürgers gegenüber der Bürgerschaft, herzustellen; denn solange er die Belange der Anderen nicht verletzt, steht der Einzelne in seiner Freiheitlichkeit im Mittelpunkt der republikanischen Konzeption. Die Realität der Republik der Moderne fordert die Schaffung dieses Interessenkonsenses in materialer, in materiell-ökonomischer Hinsicht von den allgemeinen Gesetzen, somit auch von den Steuer- und Abga-

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Zur Steuergerechtigkeit in der rechtsstaatlichen Republik 2. Teil, 3. Kap., III., 3. Siehe BVerfGE 2, 380 (403); 7, 89 (92); 49, 304 (308); 82, 6 (12). 98 Besondere Bedeutung für die Gerechtigkeit kommt der Rechtskraft zu, welche der Unsicherheit des materiellen Rechts nach einem Verfahren ein Ende setzt; in praxi dürfte Rechtssicherheit für den steuerpflichtigen Bürger zu den offenen Flanken der Rechtlichkeit in der Republik zählen. 99 So völlig zutreffend K. A. Schachtschneider, Prinzipien des Rechtsstaates, S. 7; a. A. das Bundesverfassungsgericht, das dem Gesetzgeber Spielräume zugestehen will, welche Maßnahmen er um der Rechtssicherheit willen zu Lasten der materiellen Gerechtigkeit treffen wolle [seit BVerfGE 2, 380 (403 ff.); 3, 225 (237)]. 100 Für eine Einordnung des Rechts für den gesellschaftlichen Interessenausgleich sei übrigens auch auf die Ausführungen von H. Steinmann/A. Löhr, Grundlagen der Unternehmensethik, 2. Aufl., 1994, S. 94 ff., insb. S. 102 ff., 114 ff., hingewiesen, die die Bedeutung des Rechts für das Friedensziel in der Konzeption der Wirtschafts- und Unternehmensethik näher erläutern. 97

2. Kap.: Republik als Finanzstaat

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bengesetzen, die unbestritten wesentliche, materiell-ökonomische Relevanz für Bürger und Staat entfalten101. 2. Kapitel

Republik als Finanzstaat I. Grundlegendes Der moderne Staat, die moderne Republik, ist fast zwangsläufig Finanzstaat102, lässt sich doch kaum eine der zahlreichen Aufgaben103 für die staatliche Lebensbewältigung in Freiheit ohne finanzielle Mittel wahrnehmen104. Im Gegensatz zu älteren politischen Systemen, die ihren materiellen Bedarf durch Naturalleistungen der Staatsangehörigen – oftmals die Untertanen – gedeckt haben, tut der moderne Staat dies nicht oder nur in Ausnahmefällen105. Statt dessen beschafft, verwaltet und verwendet der moderne Staat Finanzmittel, Zahlungsmittel, Geld106. Dadurch entsteht die „Finanz“107, wird „aus der Staats-

101 Die wichtigen Eckpunkte von Steuer- und Abgabengesetzen werden im Folgenden näher erläutert; überdies zeigen der 3. und 4. Teil mit Privatheitsprinzip und Sozialprinzip die beiden zentralen, prinzipienhaften Vorgaben der Republik, die in Steuer- und Abgabengesetzen regelmäßig zu einem Ausgleich gebracht werden müssen. 102 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 865, spricht von der Republik als „Finanz- und Steuerstaat“; dazu grundlegend z. B. K. Vogel, Der Finanz- und Steuerstaat, in: J. Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. I, Grundlagen von Staat und Verfassung in der Bundesrepublik, 1987, § 27, Rn. 51 ff.; mit besonderem Blick auf die föderale Ordnung der Republik F. Klein, Bund und Länder nach der Finanzverfassung des Grundgesetzes, in: E. Benda/W. Maihofer/H.-J. Vogel (Hrsg.), Handbuch des Verfassungsrechts, 1983, S. 861 ff.; zum Steuerstaat vgl. 3. Kap. 103 Ein systematischer Überblick über die Staatsaufgaben findet sich z. B. bei J. Isensee, Gemeinwohl und Staatsaufgaben im Verfassungsstaat, in: HStR, Bd. III, § 57, Rn. 150 ff. 104 R. Herzog, Strukturmängel der Verfassung?. Erfahrungen mit dem Grundgesetz, S. 115, spricht von den Finanzen im modernen Staat als „nervus rerum“ und legt dar, „dass in der modernen Politik die Frage der Finanzen der eigentlich springende Punkt ist“; so z. B. auch F. Klein, Vorbemerkung und Kommentierung zu Art. 104a, in: B. Schmidt-Bleibtreu/F. Klein (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, 8. Aufl., 1989, Rn. 1 ff. („Die Finanzverfassung ist eine Kernfrage des bundesstaatlichen Aufbaues. Sie sichert die Grundlagen für das Tätigwerden der verschiedenen Träger der öffentlichen Aufgaben und damit für das ganze Wirtschafts- und Sozialgefüge.“; Zitat Rn. 1). 105 Vgl. z. B. P. Kirchhof, Finanzverwaltung und Grundgesetz, in: H. Vogelgesang (Hrsg.), Perspektiven der Finanzverwaltung, 1992, S. 1 f.; auch ders., Der Auftrag des Grundgesetzes zur Erneuerung des Steuerrechts, Stbg 1998, S. 386 f.; ausführlicher nochmals im Folgenden. 106 Grundlegend, wenn auch eher liberalistisch geprägt P. Kirchhof, Steuergerechtigkeit und sozialstaatliche Geldleistungen, JZ 1982, S. 305: „Der Finanzstaat be-

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2. Teil: Republik als das Projekt der Moderne

wirtschaft die streng berechenbare Finanzwirtschaft“108. Ohne Finanzen wäre ein Staat in der heutigen Wirklichkeit de facto nicht mehr lebensfähig; die Existenz des (modernen) Staates, auch und gerade der Republik als freiheitlich und brüderlich verfasstem Gemeinwesen, setzt das Vorhandensein finanzieller Mittel, der „Finanzen“, und damit auch einer Finanzverfassung109 voraus110. Nur auf der Basis eines funktionierenden Finanzwesens mit auskömmlichen Staatseinnahmen lassen sich Grundentscheidungen der Republik für das gute Leben aller wie das Sozialprinzip111 oder auch die Eigentumsgarantie112 in praxi umsetzen und dauerhaft gewährleisten113. In der Realität der modernen Republik ist der Finanzstaat „gleichzeitig eingreifender Steuerstaat, planender Sozialstaat, gewährender Leistungsstaat und ein für reale ökonomische Freiheit engagierter Rechtsstaat.“114 Die freiheitliche, gleichheitliche und brüderliche Verfassung der Republik als Ausdruck des Willens der Bürgerschaft gibt dem Staat zahlreiche Aufgaben auf115, die im Gemeinwesen, erst recht im modernen Gemeinwesen, nachgerade

schafft Finanzmittel, hortet ein Potential an finanzwirtschaftlicher Wirkungsmacht und überbringt in Geldleistungen faktische Ermächtigungen zu wirtschaftlichem Handeln.“ 107 von Rotteck, Finanz, in: von Rotteck/Welcker, Staats-Lexikon oder Enzyklopädie der Staatswissenschaften, Bd. 5, 1837, S. 536, zitiert nach K. Vogel/C. Waldhoff, in: R. Dolzer/K. Vogel/K. Graßhof (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, 1997, Vorbem. z. Art. 104a–115, Rn. 268. 108 L. v. Stein, Finanzwissenschaft, Th. I, 1871, S. 42, zitiert nach K. Vogel/C. Waldhoff, ebenda. 109 Zum Begriff der Finanzverfassung siehe ausführlicher K. Vogel/C. Waldhoff, in: BK, Vorbem. z. Art. 104a–115, Rn. 1 ff. (m.w. N.) bewusst wird nicht der Terminus „Finanzwesen“ des Staates aufgegriffen, obgleich der zehnte Abschnitt des Grundgesetzes diese Begrifflichkeit verwendet, da dieser Begriff gemeinhin finanzwissenschaftlich und somit empirisch-deskriptiv verstanden wird; der Begriff der „Finanzverfassung“ ist ein staatsrechtlicher, am Normativen orientierter. Hierzu z. B. K. Vogel/H. Walter: in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Zweitbearbeitung, 1971, Art. 105, Rn. 10 ff. 110 K. Vogel/C Waldhoff, in: BK, Vorbem. z. Art. 104a–115, Rn. 268, leiten daraus ab, dass angesichts der heutigen Voraussetzungen und der historischen Entwicklung der Begriff des „Finanzstaates“ eine „Tautologie“ sei; dem ist nicht beizupflichten. Zugleich betonen die Autoren die Sinnhaftigkeit dieses Terminus „als Hervorhebung einer bestimmten Seite der Staatlichkeit“; diese Interpretation überzeugt. Zur Staatlichkeit der Republik vgl. grundlegend K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 14 ff., 519 ff., passim. 111 Dazu ausführlich 4. Teil. 112 Dazu ausführlich 5. Teil. 113 Vgl. R. Lappin, Kreditäre Finanzierung des Staates unter dem Grundgesetz, S. 19. 114 P. Kirchhof, Steuergerechtigkeit und sozialstaatliche Geldleistungen, JZ 1982, S. 305. 115 Vgl. zur Systematik der Staatsaufgaben statt aller J. Isensee, Gemeinwohl und Staatsaufgaben, in: HStR, Bd. III, § 57, Rn. 150 ff. (m. zahlr. Nachw.).

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zwangsweise mit Ausgaben verbunden sind. Sehr treffend stellt Isensee fest, dass „. . . das Gemeinwesen der Gegenwart dem Gesetz wachsender Staatsaufgaben unterworfen sei. Es lebt damit unvermeidlich unter dem Gesetz wachsender Finanzbedürfnisse.“116

Diese Gesetzmäßigkeit stetig wachsenden Finanzbedarfs des Staates, die nicht zuletzt aus der Deformierung der Republik zum Parteienstaat herrührt117, ist aus zahllosen Beispielen hinreichend geläufig, so dass sich nähere Hinweise fast verbieten118. Um diese (weiter wachsenden) Finanzbedürfnissen zu befriedigen, bedarf der Staat, der Finanzstaat, der Einnahmen; in diesen finanziellen Bedürfnissen ist die einzige Begründung für staatliche Einnahmen zu suchen, wie Kirchhof 119 zutreffend formuliert: „Staatliche Einnahmen rechtfertigen sich letztlich allein aus dem Finanzbedarf.“

Staatliche Einnahmen rühren in aller Regel aus hoheitlichen Befugnissen der öffentlichen Hand her. Im Grundsatz mindert die staatliche Einnahme das Vermögen des Bürgers (Belastungswirkung) und mehrt die öffentlichen Haushalte (Aufkommenswirkung); mit ihr wird Zahlungskraft von der privaten auf die öffentliche Hand übertragen120. Da staatliche Einnahmen nicht nur den finanzwirtschaftlichen Spielraum des Gemeinwesens vermehren, sondern dem Bürger zugleich121 (finanzielle) Handlungsmöglichkeiten – eine wichtige Grundlage der

116 Steuerstaat als Staatsform, in: R. Stödter/W. Thieme (Hrsg.), Hamburg – Deutschland – Europa, Beiträge zum deutschen und europäischen Verfassungs-, Verwaltungs- und Wirtschaftsrecht, Festschrift für Hans Peter Ipsen zum 70. Geburtstag, 1977, S. 415. So bereits A. Wagner, Grundlagen der politischen Ökonomie, 1. Teil, 2. Halbband, 1893, S. 895, zitiert nach R. Lappin, Kreditäre Finanzierung des Staates unter dem Grundgesetz, S. 24. 117 Zur Kritik des Parteienstaates siehe K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 1045 ff., insb. S. 1086 ff., 1133 ff.; näher z. B. ders., Der republikwidrige Parteienstaat, in: D. Murswiek/U. Storost/H. A. Wolff (Hrsg.), Staat – Souveränität – Verfassung, Festschrift für Helmut Quaritsch zum 70. Geburtstag, 2000, S. 141 ff. 118 Adolph Wagner formulierte bereits 1861 das ,Gesetz der wachsenden Staatsaufgaben‘. Dazu K. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. I, S. 919, der seiner Hoffnung Ausdruck verleiht, dass dieses Gesetz nicht zum „ewigen Gesetz“ wird. 119 Staatliche Einnahmen, in: HStR, Bd. IV, § 88, Rn. 14. 120 Stv. für viele D. Birk, in: R. Wassermann (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Reihe Alternativkommentare, Bd. 2, 2. Aufl., 1989, Art. 105, Rn. 10 ff. (Zitat Rn. 10): „Die Geldleistung bewirkt eine Vermögensbelastung beim Bürger und führt zur Einnahmeerzielung der öffentlichen Hand“; zur Wirkung von Einnahmen in rechtlicher Hinsicht ausführlicher z. B. auch P. Kirchhof, Staatliche Einnahmen, in: HStR, Bd. IV, § 88, Rn. 26 ff.; näher im 3. Kap. 121 Über den Begriff des „zugleich“ im Kontext staatlicher Einnahmen und Ausgaben wird an späterer Stelle noch zu sprechen sein. Siehe ausführlich 6. Teil, 2. Kap., IV., 1. ff., insb. 5.

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2. Teil: Republik als das Projekt der Moderne

Eigenverantwortlichkeit und damit Menschheit des Menschen122 – entziehen und in letzter Konsequenz immer ein Stück Privatheit durch Staatlichkeit substituieren, verdienen sie die besondere Aufmerksamkeit des Verfassungsrechts. II. Geld als Substrat des Finanzstaates Geld123 ist das eigentliche Substrat der Finanzverfassung; ohne Geld gibt es keine Finanzverfassung, der Finanzstaat wäre sinnentleert und ohne Funktion. Die Finanzverfassung mit ihren Regelungen zu den Kompetenzen von Bund, Ländern und Kommunen bedient sich des Geldes als Bezugsmaß, das Haushaltsrecht nutzt Geld als Rahmen- und Verteilungsgröße, ja die gesamten Regelungen zum Finanzwesen haben Geld zum Gegenstand und auch die im Steuerverfassungsrecht definierte, ausgestaltete und begrenzte Abgabenerhebung zielt auf nichts anderes als Geld ab. Die Regelungen des Grundgesetzes nehmen an vielen Stellen Bezug auf Geld, nicht nur in dessen Funktion als gesetzlichem Zahlungsmittel. Eine Geldverfassung als Teil der Finanzverfassung hat sich formiert124. Über die originäre Finanzverfassung hinaus vermittelt die Lebenswirklichkeit moderner Staaten die Erkenntnis, dass bei der Ausübung grundrechtlich gesicherter Freiheiten Geld weder unmittelbar noch mittelbar ausgeblendet werden kann125. Geld ist Fundamentalelement der Bürgergemeinschaft, zugleich stets 122 Dazu näher K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 446 ff.; ausführlich auch im 3. Teil, 2. Kap., III., V., 3. Kap., auch 4. Teil, 3. Kap., IV., 5. Teil, insb. 2. Kap., II. 123 Die Wirtschaftswissenschaften kennen Geld unter anderem als Tauschmittel, als Wertmaßstab und Recheneinheit sowie als Mittel zur Wertaufbewahrung. Die Vielzahl der Geldtheorien und -begriffe kann an dieser Stelle nicht ausführlicher dargelegt werden; einen Überblick geben z. B. K. Vogel/C. Waldhoff, in: BK, Vorbem. z. Art. 104a– 115, Rn. 271 ff. Für den Geldbegriff der Wirtschaftswissenschaften bleibt festzuhalten, dass bei diesen Begriffsbestimmungen regelmäßig ein funktionaler Ansatz verfolgt wird. Auch die Diskussion des Zivilrechts, deren Schwerpunkt oftmals darauf abstellt, ob für ein Zahlungsmittel Annahmezwang besteht, ob es sich bei Geld um Sachen handelt und andere Aspekte, soll an dieser Stelle nicht vertieft werden. Für das Verfassungsrecht steht jedenfalls ein Geldbegriff im Vordergrund, der auf das geltende Grundgesetz rekurriert; dieser kann sich nur an der verfassungsrechtlichen Funktion des Geldes ausrichten. Der verfassungsrechtliche Geldbegriff weist damit deutlich größere Nähe zum ebenfalls funktional geprägten Geldbegriff der Wirtschaftswissenschaften auf als zu dem zivilrechtlichen, gelegentlich auch als „allgemein juristischen“ titulierten Geldbegriff des Zivilrechts auf; so dies, ebenda, Rn. 277. 124 Dazu K. Vogel/C. Waldhoff, in: BK, Vorbem. z. Art. 104a–115, Rn. 273 (m. zahlr. Hinw.). 125 D. Suhr, Eigentumsinstitut und Aktieneigentum, 1966, S. 31 ff., exemplifiziert dies für die Vertragsfreiheit, den Gleichheitssatz und das Grundrecht auf Eigentum. Neben der zu thematisierenden, im Übrigen häufig zu findenden Aussage, dass Geld der Verwirklichung der Freiheit diene, soll vornehmlich die Bedeutung von Geld für das Grundrecht des Art. 14 GG untersucht werden.

2. Kap.: Republik als Finanzstaat

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Ausdruck der Staatlichkeit im verfassten Gemeinwesen126. Nicht umsonst entspringt Geld, auch in seiner Gesetzlichkeit, einem allgemeinen Gesetz als Ausfluss des Willens aller in der Republik. Der Staat stellt Geld nicht nur her und bereit, sondern garantiert vor allem eine rechtliche Geldordnung. Die Bürgerschaft als eine Menge von Menschen unter Rechtsgesetzen127 akzeptiert Geld in dieser Funktionalität und Institutionalität. Geld ist Sache, materielles oder auch immaterielles Gut. Diese sachenrechtlich geprägte Betrachtungsweise vornehmlich des Zivilrechtes vernachlässigt jedoch die Bedeutung und Andersartigkeit des Geldes im direkten Vergleich zu allen anderen Gütern128. Die eigentliche Substanz des Geldes ist nicht in seiner Gegenständlichkeit, seinem Bestand und seinem Gebrauch zu suchen; denn per se verfügt es über keinen wesentlichen eigenständigen, marktunabhängigen Wert129, sei es in seinem Bestand oder in seinem Gebrauch, mit dem es der Privatheit zu Nutzen sein könnte. Statt originären Gebrauchs- oder Materialwert innezuhaben, repräsentiert Geld in einer hoch entwickelten Geldwirtschaft stellvertretend für ein Gut dessen (Geld-)Wert, ist also abstrakter Träger des Geldwertes und findet in der Republik seinen Platz in der Funktion zur „Aufbewahrung von Wert“, ist somit „Wertspeicher“. Als isolierter Wertträger kann Geld dieses Nutzenpotential nur bedingt in Stellung bringen; seine wirkliche Funktion, seine Nutzenhaftigkeit für Bürger und Staat entfaltet es vorwiegend, also substantiell in seiner jederzeitigen Eintauschfähigkeit130 gegen andere Güter mit 126 Hinzuweisen ist auf die Staatsbezogenheit des Geldes, das (zumindest in der Vergangenheit) untrennbar mit einem Staat, einem Staatswesen, auch einem Staatsgebiet im territorialen Verständnis – so ist regelmäßig von einem Währungsraum die Rede –, verbunden war. Spätestens seit Schaffung der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion mit dem Vertrag über die Europäische Union (EUV) vom 7. Februar 1992, dem sog. Maastricht-Vertrag, und der Einführung des Euro dürfte die Währung aus ihrer Staatlichkeit herausgelöst sein. Umfassend zu dieser Diskussion W. Hankel/ W. Nölling/K. A. Schachtschneider/J. Starbatty, Die Euro-Klage. Warum die Währungsunion scheitern muss, 1998, S. 247 ff. 127 Grundlegend bereits I. Kant, Metaphysik der Sitten, S. 431; zum Begriff der Bürgerschaft in der Republik K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 16 f. u. ö.; auch ders., Freiheit in der Republik, 11. Kap. 128 Eine informative Sittengeschichte des Geldes zeichnet z. B. R.-D. Brunowsky, Geld. Der menschliche Faktor, 1998. 129 H.-M. Hänsch, Gesamtwirtschaftliche Stabilität als Verfassungsprinzip. Die gesamtwirtschaftliche Stabilität der deutschen Wirtschaftsverfassung und die Europäische Währungsunion, 2002, S. 123 (Fn. 330), weist darauf hin, dass auch gegenständliches Geld Privatnützigkeit entfalten kann, so beispielsweise im Sammlertum. Derartige Verwendungsmöglichkeiten sind mit Blick auf den Diskussionsgegenstand jedoch zu vernachlässigen. 130 Neben der Tauschfunktion erfüllt Geld eine Wertaufbewahrungsfunktion, in der es sich nicht von einem „normalen“ Eigentumsgegenstand unterscheidet; eine etwaige Differenzierung ist für den Fortgang der Untersuchung jedoch nicht von Bedeutung, sind doch im heutigen Steuerstaat Steuern stets in Geld zu begleichen. Zum Geld als Tauschmittel vgl. statt vieler P. Samuelson, Volkswirtschaftslehre. Eine Einführung,

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2. Teil: Republik als das Projekt der Moderne

einem eigenständigen Bestands- und Gebrauchswert, d.h. in seiner allgemeinen Kaufkraft, eben in seinem Geldwert131. Dieser Wert bestimmt sich gemeinhin nach nominalen Geldeinheiten, Währungseinheiten; der Nominalbetrag des Geldes kann signifikant vom realen Geldwert abweichen, der gleichermaßen für Staatsfinanzen und Bürger weitaus größere Bedeutung entfaltet. Erst im realen Geldwert kommt die Kaufkraft oder die Währungsparität zum Ausdruck, also die Menge an Gütern, Dienstleistungen oder auch anderen Währungen, die für einen bestimmten Nominalbetrag Geldes erworben werden können132. Geld in seiner ganzen Marktlichkeit hat sich zur faktischen Voraussetzung für den Vollzug ökonomischer Tauschvorgänge entwickelt. Es erschließt und verbessert individuelle Handlungsalternativen, mithin die Möglichkeiten eines Einzelnen, also das Seine, Eigene, im Rahmen der Gesetze sein Eigentum133. In seinen Funktionalitäten als Tauschmedium und Wertmaßstab schützt es eine Flanke des Eigentums, die sonst mangels Werthaftigkeit und Werthaltigkeit ausgehöhlt werden könnte. Zum Wesentlichen des Eigentums zählen dessen Früchte, Erträge unterschiedlichster Art. Geld ermöglicht in seiner Konstruktionslogik gerade Bezug und Nutzung von Erträgen aus dem gesetzlich Eigenen, dem Eigentum, fördert Eigentum mithin nicht nur in seinem Bestand, sondern auch in seinen Gebrauchsmöglichkeiten134. Hans-Jürgen Papier konstatiert zutreffend, „dass unter den heutigen sozialen und ökonomischen Bedingungen nicht allein und nicht vorrangig den Sachwerten, sondern den Geldwerten existentielle Bedeutung für die ökonomisch gesicherte Individualentfaltung zukommt.“135 Das Bundesverfassungsgericht folgt dieser Einschätzung, weitet sie über eine Berücksichtigung des Sacheigentums 2. Aufl., 1955, S. 44 ff. (insb. S. 50 f., 53 f.); M. Neumann, Theoretische Volkswirtschaftslehre II. Produktion, Nachfrage und Allokation, 2. Aufl., 1987, S. 178 f. 131 Ob und inwieweit die qua „Mechanismus Geld“ erzielte oder erhöhte Fungibilität von Eigentumsobjekten deren Wert sichert oder erhöht, die Funktion des Geldes also eine wertsichernde oder -erhöhende Komponente birgt, soll an dieser Stelle nicht erörtert werden. Dazu z. B. K. Vogel/C. Waldhoff, in: BK, Vorbem. z. Art. 104a–115, Rn. 282 (m.w. N.). 132 Die Diskussion um Nominal- und Realwert des Geldes, vorrangig vor dem Hintergrund der lebenswirklichen Erfahrung der Geldentwertung, Inflation, und die damit verbundene Frage nach einem etwaigen grundgesetzlichen Schutz des realen, tatsächlichen Wertes eines Gutes, von Eigentum, des Geldes – und diese Frage dürfte für den Bürger immer im Vordergrund stehen – ist eine immerwährende; natürlich ist diese Diskussion auch im Beziehungsgeflecht von Eigentum, Geld und Steuern zu führen. Zu dem Themenkomplex der Stabilität, auch in geldlicher Dimension, umfassend mit zahlreichen Hinw. H.-M. Hänsch, Gesamtwirtschaftliche Stabilität als Verfassungsprinzip, passim. 133 Dies erschöpft sich nicht mit einem möglichen Eigentum am Geld, dessen Schutz ohne Berücksichtigung des Werts und eine grundsätzliche Gewährleistung dieses Wertes – abgesehen von dem subjektiven Recht auf Aufrechterhaltung der staatlichen Institution Geld – ohnehin ins Leere laufen würde. 134 Grundlegend hierzu im 5. Teil, 1. Kap., I., auch 2. Kap., I., II.

2. Kap.: Republik als Finanzstaat

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nebst dessen Erträgen aus und ergänzt sie um den Aspekt des „Arbeitsertrags“, der sich in Geld und der Begründung von geldwerten sozialversicherungsrechtlichen Positionen136 niederschlägt. Die zentrale Rolle des Arbeitsertrages – und auch des damit verbundenen Geldflusses – für die Existenz der Bürger darlegend, spricht das Gericht im Euro-Beschluss137: „In der heutigen Gesellschaft sichert die große Mehrzahl der Staatsbürger die wirtschaftliche Grundlage ihrer Existenz und ihrer Freiheiten ,weniger durch privates Sachvermögen als durch den Arbeitsertrag und die daran anknüpfende solidarisch getragene Daseinsvorsorge, die historisch von jeher eng mit dem Eigentumsgedanken verknüpft war‘.“

Regelmäßig wird Geld im Kontext der Freiheit, von grundgesetzlichen Freiheiten thematisiert, als freiheitsverwirklichendes Element des Staatswesens dargelegt. Das Bundesverfassungsgericht bringt dieses Verständnis einer faktischen Gleichsetzung von Geld und Freiheit deutlich zum Ausdruck: „Geld ist geprägte Freiheit; . . .“138

135 H.-J. Papier, in: T. Maunz/G. Dürig (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, 1994, Art. 14, Rn. 184. 136 Die grundsätzliche Frage, ob neben den subjektiv-privaten Rechten auch subjektiv-öffentliche Positionen, insbesondere die verschiedenen Sozialversicherungspositionen wie vor allem Rentenanwartschaften und -ansprüche, vom Schutzbereich des Art. 14 erfasst werden, war lange Zeit streitig und ist nach wie vor nicht abschließend geklärt. Das Bundesverfassungsgericht hat nach langjähriger, zunächst ablehnender Rechtsprechung die Erstreckung des Schutzbereichs auch auf subjektiv-öffentliche Positionen grundsätzlich bestätigt, sofern diese einen eigentümerpositionsähnlichen Charakter aufweisen; vgl. auch BVerfGE 4, 219 (240 f.); 11, 221 (226); 40, 65 (82 ff.); 48, 403 (412); 53, 257 (289 ff.); 69, 272 (299 ff.); 72, 175 (193 ff.); 74, 203 (213); 76, 220 (235). Hierzu P. Badura, Eigentum, in: E. Benda/W. Maihofer/H.-J. Vogel (Hrsg.), Handbuch des Verfassungsrechts, 2. Aufl. 1994, § 10, S. 349 f.; B.-O. Bryde, in: I. v. Münch/P. Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, 4. Aufl., Bd. 1, 1992, Art. 14, Rn. 25 f.; O. Kimminich, in: R. Dolzer/K. Vogel/K. Graßhof (Hrsg.), Kommentar zum Bonner Grundgesetz, Drittbearbeitung, 1992, Art. 14, Rn. 65 ff.; W. Leisner, Eigentum, in: J. Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. VI, Freiheitsrechte, 1989, § 149, Rn. 119 ff.; B. Schmidt-Bleibtreu, in: B. Schmidt-Bleibtreu/F. Klein, Kommentar zum Grundgesetz, neu bearb. und erw. 8. Aufl., 1995, Art. 14, Rn. 4; kritischer z. B. H.-J. Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 14, Rn. 137. 137 BVerfGE 97, 350 (371) unter Hinw. auf BVerfGE 40, 65 (84); 53, 257 (290). 138 BVerfGE 97, 350 (371); weniger absolut das Gericht im Maastricht-Urteil von 1993 [BVerfGE 89, 155 (207)], wonach die Währungspolitik „mit dem Geldwert die individuelle Freiheit stützt“. Zu einer vermeintlichen Freiheitsfunktion des Geldes P. Kirchhof, Das Geldeigentum, in: J. Isensee/H. Lecheler (Hrsg.), Freiheit und Eigentum, Festschrift für Walter Leisner zum 70. Geburtstag, 1999, S. 641 (Fn. 36); äußerst kritisch angesichts des republikanischen Freiheitsbegriffes K. A. Schachtschneider, Das Recht am und das Recht auf Eigentum, in: FS W. Leisner, S. 788: „Wenn Geld Freiheit wäre, wäre die Freiheit höchst ungleich verteilt.“; ders., Der Euro-Beschluss des Bundesverfassungsgerichts, IHI-Schriften 9/1998, S. 30: „Aber der Satz vom Geld als geprägte Freiheit muss zum rhetorischen Beiwerk des Beschlusses gerechnet wer-

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2. Teil: Republik als das Projekt der Moderne

Diese Deutung des Geldes verfehlt jedoch die republikanische Idee der Freiheit139. Die Freiheitsfunktion, ja die Freiheitlichkeit des Geldes äußert sich eher in den oben apostrophierten Handlungsmöglichkeiten, die auch und vor allem auf der Tauschfunktion des Geldes beruhen140. Freiheit als Unabhängigkeit von eines anderen nötigender Willkür141 hat stets eine formale Dimension, ist immer eine formale. Gleichwohl darf die materiale – auch materielle – Komponente des Freiheitsbegriffes nicht übersehen werden142; wer über entsprechende Mittel verfügt, ist eher selbständig und unabhängig, eben auch von eines anderen nötigender Willkür. Nicht ohne Grund verknüpft die Republik Freiheitlichkeit und Sozialstaatlichkeit, immer mit Blick auf den Vorrang der Privatheit, der privaten Lebensbewältigung143. Geld per se verwirklicht nicht die Freiheit. Unterstützend wirkt es bei der Verwirklichung der Freiheit allemal144. Eine Vielzahl von Freiheiten, aber auch Zuständigkeiten und Institutionen in der Republik setzen also Geld, eine funktionsfähige Geldordnung, voraus. Geld betrifft Freiheit und Gleichheit, aber auch Sozialstaatlichkeit und Eigentum in der Republik. Mit steter Regelmäßigkeit spielt Geld in die Organisation und Aktivitäten des Staates und seiner Organe hinein, sowohl in deren Verhältnis zueinander als auch im Verhältnis Staat-Bürger. Das Bürgersein in der Republik ist ohnehin substantiell mit Geld in seinen unterschiedlichen Ausprägungen verbunden. Geld wird als Bedingung einer funktionierenden Verfassung – auch Fi-

den; denn es dürfte sich weder eine Geldtheorie noch gar eine Freiheitslehre finden lassen, die diesen Satz stützt.“ 139 Grundlegend zur republikanischen Freiheit, insb. in ihrer Formalität, K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, 1. Kap., 2. Kap. u. ö.; ders., Res publica res populi, S. 253 ff., 275 ff., 325 ff., 441 ff., u. ö.; ders., Republikanische Freiheit, in: FS M. Kriele, S. 829 ff. 140 P. Häberle, Grundrechte im Leistungsstaat, VVDStRL 30 (1972), S. 85, identifiziert Eigentum in diesem Kontext als Freiheit; i. d. S. BVerfGE 79, 292 (304): „Freiheit, den Eigentumsgegenstand zu veräußern“, „selbst zu nutzen“, usw.; auch BVerfGE 97, 350 (371): „Eine wesentliche Freiheitsgarantie des Eigentums liegt gerade darin, Sachgüter und Geld austauschen zu können“; auch BVerfGE 52, 1 (31); 93, 121 (137). Dazu ausführlicher im 5. Teil, wo das Verhältnis von Freiheit und Eigentum auf einer grundlegenderen Ebene beleuchtet wird. 141 Metaphysik der Sitten, S. 345; siehe dazu K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 332 ff., 494 ff. 142 So sind Vertragsfreiheit als integraler Bestandteil der allgemeinen Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG, Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG), Koalitionsfreiheit (Art. 9 Abs. 3 GG) oder Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG), besser deren Materialisierung und lebenswirkliche Umsetzung, ohne das Vehiculum Geld kaum mehr denkbar. 143 Dazu ausführlicher K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 370 ff., 474 ff. (jew. m.w. N.). 144 Sinngemäß für die republikanische Dogmatik vorrangig privatheitlicher Lebensbewältigung K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 234 ff., auch S. 474 ff.; ebenso ders., Freiheit in der Republik, 8. Kap., IV., 10. Kap.; ergänzend ders., Der Anspruch auf materiale Privatisierung, S. 67 ff.

2. Kap.: Republik als Finanzstaat

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nanzverfassung, Wirtschaftsverfassung und Steuerverfassung – notwendigerweise gewährleistet, muss gewährleistet werden145. Ohne das Instrument des Geldes gäbe es in der modernen Republik weder Einnahmen noch Ausgaben des Staates, das Haushaltswesen wäre in seinen Fundamenten berührt und in seiner Funktionsfähigkeit wesentlich beschnitten. Nicht nur Geld und Eigentum bilden im modernen Staat eine facettenreiche, nur schwer zu trennende Einheit. Geld schlägt auch die Brücke zwischen Eigentum und Steuern; denn der Steuerstaat partizipiert mittels Steuern, also Geldleistungen am Eigentum des Steuerbürgers. Jedem steuerzahlenden Bürger dürfte diese untrennbare Verknüpfung aus eigener Erfahrung hinlänglich bekannt sein. Ohne Geld wäre der Steuerstaat moderner Prägung überhaupt nicht mehr vorstellbar146, ohne Geld würde es weder Steuern nach heutigem Verständnis noch Einnahmen für den Staat geben147. Letztlich bedürfen in der Realität der modernen Republik staatliche Einnahmen wie staatliche Ausgaben des Mediums Geld. Geld als „Substrat der Finanzverfassung“148 erlaubt in einem Atemzug nicht nur die gedankliche Verbindung der Finanzverfassung der Republik, die auch eine Steuerfinanzverfassung149 ist, mit dem (verfassungsrechtlichen) Steuerbegriff, sondern wirkt parallel als integrative Größe für die Wirtschaftsverfassung der Republik, die immer auch eine Verfassung des privaten Eigentum sein muss. Gesetzliches Geld erweist sich in der Republik als eine wichtige Klammer zwischen Staat und Bürger – zweifelsohne auch und insbesondere zwischen Steuerstaat und Steuerbürger.

145 So zutreffend K. Vogel/C. Waldhoff, in: BK, Vorbem. z. Art. 104a–115, Rn. 285. Näher zu der Wirtschaftsordnung der Republik 3. Kap., III., 2., auch 3. Teil, 2. Kap., IV., V., sowie 4. Teil, 3. Kap., IV., 2. 146 R. Herzog, Das Geld im Grundgesetz, in: ders., Staat und Recht im Wandel. Einreden zur Verfassung und ihrer Wirklichkeit, 1993, S. 286, spricht vom „Geldsteuerstaat“ (Hervorh. im Original). 147 Zu den Einnahmen des Staates im Folgenden. 148 K. Vogel/C. Waldhoff, ebenda, Rn. 267. 149 Vgl. K. Vogel/C. Waldhoff, ebenda, Rn. 332 ff.; dazu z. B. auch J. Isensee, Finanzverfassung und Sozialrecht, in: B. Schulin (Hrsg.), Sozialfinanzverfassung, 5. Sozialrechtslehrer-Tagung, 6.–8. März 1991 in Göttingen, 1992, S. 9.

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2. Teil: Republik als das Projekt der Moderne

3. Kapitel

Republik als Steuerstaat I. Grundlegendes Der moderne Staat, die moderne Republik ist notwendigerweise Steuerstaat150. Auch wenn die Steuerstaatlichkeit der Republik mit dem Finanzinstrumentarium der Besteuerung weitestgehend anerkannt ist, die Frage nach der Rechtfertigung von Steuern per se, also nach dem „ob“, nicht mehr gestellt wird151, und Wissenschaft wie Praxis gleichermaßen das „wie“ der Besteuerung in den Mittelpunkt aller Diskussionen stellen, seien an dieser Stelle die Grundlegungen der Steuerstaatlichkeit in der Republik angesprochen. Einerseits sind – wie eingangs erwähnt – die Finanzierungswege eines Staates zugleich Indiz und Ausfluss seiner Staatlichkeit152, andererseits liefern diese Grundlegungen erste wichtige Hinweise für die Erörterung möglicher Grenzlinien der Besteuerung.

150 Grundlegend die Schrift von J. Isensee, Steuerstaat als Staatsform, in: FS H. P. Ipsen, S. 409 ff.; zur Steuerstaatlichkeit auch BVerfGE 78, 249 (266 f.); H. H. v. Arnim, Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), S. 288 ff.; P. Kirchhof, Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), S. 215 ff.; ders., Staatliche Einnahmen, in: HStR, Bd. IV, § 88, Rn. 45 ff.; ders., Staat und Steuern. Juristische Grundlagenforschungen über den Verfassungsstaat, in: H. Vogt (Hrsg.), Wissenschaft 2000, Zukunftsperspektiven Heidelberger Forscher vor dem dritten Millenium, 2000, S. 11 ff.; K. Vogel, Der Finanz- und Steuerstaat, in: HStR, Bd. I, § 27, Rn. 51 ff., 69 ff. u. ö.; zur staatsrechtlichen Einordnung z. B. auch H. Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 897; ergänzend z. B. R. Scholz, Steuerstaat und Rechtsstaat, in: J. Isensee/H. Lecheler (Hrsg.), Freiheit und Eigentum, Festschrift für Walter Leisner zum 70. Geburtstag, 1999, S. 797 ff.; J. Wieland, Finanzverfassung, Steuerstaat und föderaler Ausgleich, in: P. Badura/H. Dreier (Hrsg.), Festschrift 50 Jahre Bundesverfassungsgericht, 2001, S. 771 ff.; für den historischen Überblick E. R. Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, Bd. I, 2. Aufl., 1967, S. 9 ff., 317; gegen diese „angebliche Grundentscheidung der Finanzverfassung“ z. B. H. Meyer, Der Staat als Unternehmer und Wirtschaftssubjekt, Aussprache, VVDStRL 60 (2001), S. 617 („verfassungsrechtliche Lyrik“). 151 So der richtige Hinweis von J. Lang, in: K. Tipke/J. Lang (Hrsg.), Steuerrecht, 17. Aufl., 2002, § 4, Rn. 60 (m.w. N.). Substantiell und wegweisend greift K. Vogel, Rechtfertigung der Steuern: Eine vergessene Vorfrage. Zugleich zur „heimlichen Steuerrevolte“ und zum Dreieck Staat/Wirtschaft/Gesellschaft, Der Staat 1986, S. 481 ff., diese Frage auf. Die Diskussion um Rechtfertigung der Steuern ist Gegenstand zahlloser Schriften, etwa P. Kirchhof, Die verfassungsrechtliche Rechtfertigung der Steuern, in: D. Birk/P. Kirchhof/M. Lehner (Hrsg.), Steuern im Verfassungsstaat, Symposion zu Ehren von Klaus Vogel aus Anlass seines 65. Geburtstags, 1996, S. 27 ff., sowie weitere Schriften dieses Bandes. 152 Vgl. etwa P. Kirchhof, Die Steuer als Ausdruck der Staatsverfassung, in: E. Franßen/K. Redeker/O. Schlichter/D. Wilke (Hrsg.), Bürger – Richter – Staat, Festschrift für Horst Sendler, Präsident des Bundesverwaltungsgerichts, zum Abschied aus seinem Amt, 1991, S. 65.

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Die elementare Bedeutung der Möglichkeiten, derer sich ein Staat bei der Finanzierung seines Aufgabenspektrums bedient, bringt Paul Kirchhof 153 einprägsam zum Ausdruck: „Ein Staat, ein Gemeinwesen zeigt sein alltägliches Gesicht in der Art seiner Finanzierung. Solange der römische Staat sich wesentlich aus Tributen finanzierte, die möglichst aus einer Siegesbeute zurück zu zahlen waren, war sein Handeln auf Raub und Krieg, auf ausbeuterische Unterwerfung angelegt. Solange der mittelalterliche deutsche Staat seine Finanzmittel vorwiegend in staatseigenen Domänen erwirtschaftete, er also in der Selbstversorgungswirtschaft lebte, waren staatliche und private Finanzquellen voneinander unabhängig und bestanden in einer Art Trennwirtschaft. Die Realität moderner geldwirtschaftlicher Nationalökonomien stellt die Staaten im Grundsatz vor die Alternative einer Staatswirtschaft oder einer Steuerfinanzierung. Der Staat als Unternehmer verdrängt die Privatwirtschaft; der Steuerstaat hingegen beschränkt sich auf die steuerliche Teilhabe am Erfolg privaten Wirtschaftens und baut damit auf eine privatnützige Wirtschaftsordnung. Er überlässt das Produktivkapital und Erwerbsleben tendenziell dem Privaten und partizipiert über die Steuer am Florieren privaten Wirtschaftens.“

Vor diesem Hintergrund sollen die in der Finanzverfassung der Republik vorgesehenen Einnahmemöglichkeiten – denn die Finanzverfassung hat wesentlich die Erzielung von Einnahmen für den Staat zum Gegenstand – im Folgenden kurz beleuchtet werden. II. Einnahmemöglichkeiten des Staates Grundsätzlich verfügt der Staat, wie auch dem Grundgesetz zu entnehmen154, über vier Einnahmequellen155: Erwerbswirtschaftliche Betätigung, Geldschöpfung, die Aufnahme von Krediten oder die Erhebung von Abgaben. Finanzmittel aus Strafen, Bußen156, Zwangsgeldern, aus Erstattungen, Ersatzansprüchen, Vermögensveräußerungen und Erbschaften, die der Staat erhält – und diese Mit153 Finanzverwaltung und Grundgesetz, in: Perspektiven der Finanzverwaltung, S. 1 f. 154 So nennt der Verfassungstext Steuern (Art. 105–108 GG), die Finanzmonopole (Art. 105 Abs. 1, 106 Abs. 1 GG) und die Ablieferungen von Bundesbetrieben und Sondervermögen (Art. 110 Abs. 1 S. 1 GG), Staatskredite (Art. 115 GG) und Gebühren (Art. 74 Nr. 22, 80 Abs. 2 GG). 155 Im Gegensatz zu dem feudalherrschaftlichen ,Zehnten‘ führen angesichts der mangelnden Nutz- und Tauschbarkeit nicht-monetärer Mittel in einer modernen Geldwirtschaft Waren und Dienstleistungen, die der Staat erhält, nicht mehr zu Einnahmen. Statt der „grundsätzlichen Blankettbefähigung zu finanziellem Handeln von der privaten auf die öffentliche Hand“, wie dies bei Geldmitteln der Fall ist, wird dem Staat die Nutzung, die Verwendung der Einnahmen vorgezeichnet und beschränkt, so dass bei von den Bürgern erhaltenen Waren und Dienstleistungen nicht von einer tatsächlichen Einnahme die Rede sein kann. Dazu auch P. Kirchhof, Staatliche Einnahmen, in: HStR, Bd. IV, § 88, Rn. 10. 156 Dazu etwa BVerfGE 22, 49 (79).

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tel sind ebenfalls in den Haushalt einzustellen –, zählen mangels dauerhaftem Finanzmittelfluss nicht als staatliche Einnahmen im eigentlichen Sinn157. 1. Erwerbswirtschaftliche Betätigung des Staates In der Praxis des Wirtschaftslebens betreibt die öffentliche Hand eine Vielzahl von erwerbs-, ja gewinnorientierten Unternehmen und erzielt mit ihren erwerbswirtschaftlichen Tätigkeiten Einnahmen teilweise beträchtlichen Umfangs. Da staatliche, öffentliche Unternehmen auch in etlichen Gesetzen erwähnt werden, scheint die erwerbswirtschaftliche Betätigung des Staates nicht nur gängige Praxis zu sein, sondern auch gesetzliche Absicherung erfahren zu haben158. Gleichwohl ist das unternehmerische Handeln des Staates durchaus kritisch zu beurteilen159. Alles staatliche Handeln hat Gesetzgebung, Rechtsprechung oder Verwaltung zum Gegenstand160. Mit seiner unternehmerischen Betätigung in privatrechtlicher Form übt der Staat unternehmerische Verwaltung aus. Der Staat darf jedoch keine Unternehmen betreiben oder anderweitig unternehmerisch tätig werden161; denn Unternehmen zeichnen sich durch institutionelle Pri157 „. . . keine Finanzierungsmittel, die darauf angelegt wären, den Staat mit stetiger Finanzkraft auszustatten“, P. Kirchhof, Staatliche Einnahmen, in: HStR, Bd. IV, § 88, Rn. 11; ebenso auch K. Vogel/C. Waldhoff, in: BK, Vorbem. z. Art. 104a–115, Rn. 380. Auf die nähere Betrachtung von Staatseinnahmen aus Verkäufen, Vermögenseinkommen, sonstigen laufenden Transfereinkommen, Vermögenstransfers und ähnlichem wird im Folgenden verzichtet. 158 Zur unternehmerischen Betätigung des Staates, auch nur um des Erwerbszweckes willen, ausführlicher z. B. U. Hösch, Die kommunale Wirtschaftstätigkeit. Teilnahme am wirtschaftlichen Wettbewerb oder Daseinsvorsorge, 2000, S. 62 f. u. ö.; zusammenfassend ders., Öffentlicher Zweck und wirtschaftliche Betätigung von Kommunen, DÖV 2000, S. 393 ff.; ders., Der öffentliche Zweck als Voraussetzung kommunaler Wirtschaftstätigkeit, GewArch 2000, S. 1 ff.; auch H. H. v. Arnim, Rechtsfragen der Privatisierung. Grenzen staatlicher Wirtschaftstätigkeit und Privatisierungsangebote, Karl-Bräuer-Institut des Bundes der Steuerzahler; Bd. 82, 1995, S. 73 u. ö.; J. Hidien, Gemeindliche Betätigungen rein erwerbswirtschaftlicher Natur und öffentlicher Zweck kommunaler wirtschaftlicher Unternehmen, 1981 (S. 138 ff.); näher ders., Die positive Konkretisierung der öffentlichen Zweckbindung kommunaler Wirtschaftsunternehmen. Zugleich ein Beitrag zu Inhalt und Grenzen der unternehmenswirtschaftlichen Betätigung der Kommunen, 1984, passim; auch R. Scholz, in: T. Maunz/G. Dürig (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 12, 1977/1981, Rn. 403; informativ P. Selmer, Wirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand und Unternehmergrundrechte, in: R. Stober/H. Vogel (Hrsg.), Wirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand, 2000, S. 75 ff. (m.w. N. auf S. 88, Fn. 62). 159 Für einen ersten Überblick z. B. W. Berg, Die erwerbswirtschaftliche Betätigung des Staates als Verfassungsproblem, GewArch 1990, S. 225 ff. 160 Staatliches Handeln ist zwangsläufig Ausübung der Staatsgewalt des Volkes, wie für den unternehmerischen Staat zutreffend K. A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 253 ff., 261 ff., ebenso ders., Grundgesetzliche Aspekte der freiberuflichen Selbstverwaltung, Die Verwaltung 31 (1998), S. 142 ff., 148 ff., allg. auch ders., Res publica res populi, S. 17 ff., 519 ff., 637 ff., 819 ff., darlegt.

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vatheit aus162. Privatheit aber ist dem Staat versagt, würde er doch den verfassungsmäßig gesicherten und gewährten Raum des staatlichen Handelns und damit den Boden der Verfassung verlassen. Das gesamte Wirtschaftssystem basiert auf einer Ordnung der Privatheit, für die es keine staatsrechtliche Entsprechung gibt – schon gar nicht im Wettbewerbsrecht, das den Wettbewerb zwischen privaten Unternehmen schützen soll163. „Der Staat ist kein rechtmäßiger Wettbewerber.“164 Konstruktionslogisch fordert und fördert der Steuerstaat eine privatnützige Wirtschaftsordnung mit all ihren Freiheiten, indem er sich auf die gesetzlich fundierte Partizipation am Erfolg privaten Wirtschaftens auf dem wettbewerblichen Markt beschränkt165, der Unternehmerstaat hingegen verzerrt den Wettbewerb und verdrängt die Privatwirtschaft166. Vor diesem Hintergrund verbietet sich für den 161 Gegen die Wahl der privaten Rechtsform für den Staat, seine Organisationen und deren Handeln K. A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 5 ff., 173 ff., 181 ff.; auch ders., Grundgesetzliche Aspekte der freiberuflichen Selbstverwaltung, Die Verwaltung 31 (1998), S. 144; ebenso ders., Res publica res populi, S. 230; ergänzend ders., Freiheit in der Republik, 8. Kap., VI.; deutlich auch ders., Der Anspruch auf materiale Privatisierung, S. 39 f., 53 ff., 102, 190 ff., passim; ebenfalls ders./A. Emmerich-Fritsche, Fallstudie zum Kommunalen Wettbewerb, in: K. A. Schachtschneider (Hrsg.), Fallstudien zum Öffentlichen Wirtschaftsrecht, Manuskript des Lehrstuhls für Öffentliches Recht, Wirtschaft- und Sozialwissenschaftliche Fakultät der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, 3. Aufl., 2003, S. 60 ff. 162 Vgl. K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 394 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 8. Kap., insb. VI.; ders., Der Anspruch auf materiale Privatisierung, S. 101, auch S. 41 ff., 100 ff., 200 ff.; ders./A. Emmerich-Fritsche, Fallstudie zum Kommunalen Wettbewerb, S. 65 f. 163 Dazu K. A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 25 ff., 218 ff.; dazu auch W. Löwer, Der Staat als Wirtschaftssubjekt und Auftraggeber, VVDStRL 60 (2001), S. 419. („Folgt der Wettbewerb dem Bauprinzip ,Freiheit‘, ist er Wettbewerb unter Privaten. Dann ist der Staat kein geborener Mitspieler.“) 164 K. A. Schachtschneider, Eigentümer globaler Unternehmen, in: B. N. Kumar/M. Osterloh/G. Schreyögg (Hrsg.), Unternehmensethik und die Transformation des Wettbewerbs. Shareholder-Value – Globalisierung – Hyperwettbewerb, Festschrift für Professor Dr. Dr. h. c. Horst Steinmann zum 65. Geburtstag, 1999, S. S. 421; ebenso ders., Der Anspruch auf materiale Privatisierung, S. 102 u. ö.; ausführlich ders., Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 235 ff., 261 ff., 281 ff.; ders., Res publica res populi, S. 1119; auch ders./A. Emmerich-Fritsche, Fallstudie zum Kommunalen Wettbewerb, S. 60 ff.; a. A. z. B. H. H. Klein, Die Teilnahme des Staates am wirtschaftlichen Wettbewerb, 1968, passim, insb. S. 242 ff.; ebenso G. Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, 2. Aufl., 1985, S. 276 ff.; E.-W. Böckenförde, Der Staat als Wirtschaftssubjekt und Auftraggeber, Aussprache, VVDStRL 60 (2001), S. 593 f.; sinngemäß H. Meyer, ebenda, S. 617 f.; gänzlich unkritisch M. Ronellenfitsch, Wirtschaftliche Betätigung des Staates, in: J. Isensee/P. Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. III, Das Handeln des Staates, 1988, § 84, Rn. 1 ff. 165 Siehe stv. für viele P. Kirchhof, Finanzverwaltung und Grundgesetz, in: Perspektiven der Finanzverwaltung, S. 1 f. 166 Vgl. etwa W. Löwer, Der Staat als Wirtschaftssubjekt und Auftraggeber, VVDStRL 60 (2001), S. 416 ff.; direkt dazu K. A. Schachtschneider, Der Staat als

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republikanischen Finanzstaat die Erzielung von Staatseinnahmen aus unternehmerischer Tätigkeit, geschweige denn die Installierung staatlicher Unternehmen als Quelle nennenswerter und dauerhafter Staatseinnahmen167. Auch wenn die Praxis anderes zeigt168, muss sich der moderne Staat, will er nicht die republikanische Konzeption des modernen Gemeinwesens verleugnen, anderer Einnahmequellen zur Finanzierung seiner Haushalte bedienen169. 2. Staatseinnahmen aus Geldschöpfung Staatliche Geldschöpfung meint das „Schaffen für die Staatsfinanzierung geeigneter Zahlungsmittel durch den Staat“170. Eine solche Ausweitung der im Staat verfügbaren Geldmenge tangiert in aller Regel die Geldwertstabilität171 als einem Element des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts172. Finanzwissenschaftlich betrachtet lässt sich im Einklang mit den Buchstaben der Verfassung Geldschöpfung in verschiedenen Formen betreiben, nämlich mittels der Schaffung von Münzgeld, der Ausgabe von Notengeld oder einer Ausweitung des Buchgeldes.

Wirtschaftssubjekt und Auftraggeber, Aussprache, VVDStRL 60 (2001), S. 615 ff. („Der Wettbewerb des Staates ist Ingerenz.“, Zitat S. 615); grundlegend für die republikanische Position auch ders., Eigentümer globaler Unternehmer, in: FS H. Steinmann, S. 419 f. 167 Im Ergebnis ebenda. 168 Auch in praxi zeigt sich, dass die erwerbswirtschaftliche Betätigung des Staates zwar noch einen Beitrag zur Aufbesserung der maroden Staatsfinanzen zu leisten vermag, eine substantielle Finanzierungsbasis – losgelöst von deren verfassungsrechtlicher Fragwürdigkeit – jedoch nicht schaffen kann. 169 Bedenkenswert die Ergänzung von W. Löwer, Der Staat als Wirtschaftssubjekt und Auftraggeber, VVDStRL 60 (2001), S. 421, der zutreffend darauf hinweist, dass staatliche Einnahmen, allen voran die Steuern, dem Staat „zur Verwendung für das gemeine Wohl anvertraut sind“, nicht jedoch „als Wagniskapital zur Generierung weiterer Einkünfte“; ganz so BVerfGE 44, 125 (143). 170 J. Pahlke, Staatliche Geldschöpfung als Einnahmequelle, in: F. Neumark (Hrsg.), Handbuch der Finanzwissenschaft, Bd. III, 3. Aufl., 1981, S. 118. 171 Zur Frage der Geldwertstabilität als Verfassungsproblematik in der Republik W. Hankel/W. Nölling/K. A. Schachtschneider/J. Starbatty, Die Euro-Klage, S. 192 ff.; dies., Die Euro-Illusion. Ist Europa noch zu retten?, 2001, S. 27 ff., 53 ff. u. ö.; grundlegend und umfassend H.-M. Hänsch, Gesamtwirtschaftliche Stabilität als Verfassungsprinzip, passim, insb. S. 55 f., 171 ff.; wesentlich zum Verständnis BVerfGE 89, 155 (200 ff.); erläuternd z. B. P. Kirchhof, Das Geldeigentum, in: FS W. Leisner, S. 648 ff, 654 ff. 172 Zum gesamtwirtschaftlichen Gleichgewicht in der Republik W. Hankel/W. Nölling/K. A. Schachtschneider/J. Starbatty, Die Euro-Klage, S. 206 ff.; dies., Die EuroKlage, S. 29 f. u. ö.; H.-M. Hänsch, Gesamtwirtschaftliche Stabilität als Verfassungsprinzip, S. 43 ff., 61 ff., 138 ff., 142 ff., 149 f., 168 ff., 195 ff., jew. mit weiterführenden Hinweisen.

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Münzen zu prägen und in Umlauf zu bringen dürfte eine der traditionellsten und am weitesten verbreiten Ausdrucksformen von finanzstaatlicher Hoheitsgewalt sein; diesem Mittel der Geldschöpfung bedienten sich Staaten vom Altertum bis in die Neuzeit173. Ausweislich Art. 73 Nr. 4 GG steht dem Bund die ausschließliche Gesetzgebung über das „Währungs-, Geld- und Münzwesen“ zu, er kann also Münzgeld schaffen174. Die hieraus generierten Staatseinnahmen – im Grundsatz Nennwerte der Münzen abzüglich Herstellkosten – sind in praxi zu vernachlässigen, da der Münzumlauf weniger als 1 v. H. der gesamten Geldmenge175 beträgt, der geschaffene Wert also in absoluto diese Quote regelmäßig nicht übersteigt, und überdies die Einnahmen durch merkliche Verwaltungskosten bei Münzprägung und -ausgabe weiter geschmälert werden176. Die Ausgabe von Notengeld wurde bis zur Übertragung der Währungshoheit auf die Europäische Zentralbank mit § 14 Abs. 1 BBankG der Bundesbank überantwortet, die Höhe und Zeitpunkt der Notenausgabe in Abhängigkeit von ihren Aufgaben – dazu zählte auch die Sicherung der Währung (§ 3 BBankG) – festlegte. Aufgrund ihrer Unabhängigkeit gegenüber Weisungen der Regierung konnte sie der Gefahr einer „Defizitfinanzierung durch die Notenbankpresse“177 und etwaigen Inflationstendenzen wirksam entgegentreten. Gem. Art. 106 Abs. 1 EGV genehmigt nun die Europäische Zentralbank (EZB) die Ausgabe von Banknoten innerhalb der Europäischen Gemeinschaft, wobei die Ausgabe grundsätzlich durch die EZB oder durch die nationalen Notenbanken erfolgen kann. Auch nach der Europäischen Währungsunion erfolgt die Ausgabe von Banknoten gem. § 14 Abs. 1 BBankG weiterhin durch die Bundesbank. Die Ausweitung des Buchgeldes offeriert formal das größte Potential zur Geldschöpfung. In der Vergangenheit wurden die Handlungsspielräume zur Staatsfinanzierung durch die Mindestreservepolitik i. S. d. § 16 BBankG, durch 173 Vgl. den Hinweis bei P. Kirchhof, Staatliche Einnahmen, in: HStR, Bd. IV, § 88, Rn. 283, auf den 2. Teil, 13. Titel, § 12 des Preußischen Allgemeinen Landrechts von 1794. 174 Das Münzrecht ist auch nach der Europäischen Währungsunion bei den nationalen Staaten verblieben. In der Vergangenheit hat der Bund nach dem Münzgesetz v. 8.7.1950 Münzen in Nennbeträgen von einem Deutschen Pfennig bis zu fünf Deutschen Mark begeben. Zwischenzeitlich begibt der Bund Münzgeld in Nennbeträgen von einem Eurocent bis zu zwei Euro. 175 Hier wird auf die Geldmenge M3 als Referenzgröße abgestellt; gemeint sind kurzfristig verfügbare Mittel wie Bargeld oder Guthaben auf Giro- und Sparkonten, im Einzelnen (nach gültiger Definition der EZB) der Bargeldumlauf, die Guthaben auf Girokonten, Termingelder, Spareinlagen (mit einer Anlagedauer bis zu 3 Monate), Wertpapier-Leihgeschäfte (sog. Repo-Geschäfte), Geldmarktfondsanteile, Geldmarktwertpapiere und Schuldverschreibungen bis 2 Jahre Laufzeit. 176 Vgl. etwa R. Lappin, Kreditäre Finanzierung des Staates unter dem Grundgesetz, S. 27. 177 O. Gandenberger, Theorie der öffentlichen Verschuldung, in: F. Neumark (Hrsg.), Handbuch der Finanzwissenschaft, Bd. III, 3. Aufl., 1981, S. 10.

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die Refinanzierungskosten für Diskont und Lombard sowie insbesondere durch eine Beschränkung des möglichen Geldschöpfungsvolumens spürbar begrenzt178. Das Grundgesetz der Bundesrepublik wie auch in einfachgesetzlicher Normierung das Bundesbankgesetz verhinderten durch eine deutliche Entkoppelung währungspolitischer Aufgaben179 von allgemeinen Staatsaufgaben, besser der Deckung deren Finanzbedarfs, eine Finanzierung von Staatsausgaben auf dem Weg der Geldschöpfung180. Überdies brachte die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion zahlreiche gemeinschaftliche Vorgaben für die Wirtschafts- und Währungspolitik der einzelnen Gemeinschaftsstaaten mit sich181. Wesentlich für die Finanzierung des Gemeinwesens gingen im Zuge der Vereinheitlichung der Geldpolitik die Kompetenzen für geld- und währungspolitische Entscheidungen auf die EZB über. Mit Art. 105 EGV wurden die EZB und die nationalen Zentralbanken – zusammengefasst in dem ESZB – nicht nur dem Ziel der Preisniveaustabilität verpflichtet und der Grundsatz einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb für die allgemeine Wirtschaftspolitik festgelegt, sondern auch die Festlegung und Durchführung der Geldpolitik der Gemeinschaft als eine der Aufgaben der EZB verankert182. Ohne die Diskussion um die Vorgaben der Wirtschafts- und Finanzpolitik für die Geldschöpfung auf europäischer Ebene an dieser Stelle zu vertiefen183, ist doch festzuhalten, dass im europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakt jedenfalls eine vorrangige Deckung des staatlichen Finanzbedarfs durch inflationäre Geldpolitik, also durch die Schaffung neuen Geldes, nicht gedeckt ist. Für die Republik war und ist Geldschöpfung als Einnahmequelle zur Sicherung der Finanzierung öffentlicher Aufgaben und damit Ausgaben nur sehr bedingt einsetzbar184, so dass sich der Staat in seiner Fi-

178 So z. B. R. Lappin, Kreditäre Finanzierung des Staates unter dem Grundgesetz, S. 27 f. 179 Als währungspolitisches Instrumentarium standen der Bundesbank Diskont-, Offenmarkt-, Mindestreserve- und Einlagenpolitiken (§§ 15 bis 17 BBankG) zur Verfügung. Im Zuge der Wirtschafts- und Währungsunion wurden diese Kompetenzen auf die EZB übertragen. 180 P. Kirchhof, Die Finanzierung des Leistungsstaates, Jura 1983, S. 505. 181 Für einen Überblick z. B. R. Streinz, Europarecht, 6. Aufl., 2003, § 15, Rn. 863 ff.; W. Schill, in: C. O. Lenz/K.-D. Borchardt (Hrsg.), EU- und EG-Vertrag, Kommentar, 3. Aufl., 2003, Vorbem. Titel VII, Rn. 1 ff.; für einen eher technischen Überblick z. B. Europäische Zentralbank (Hrsg.), Die Geldpolitik der EZB, 2001. 182 Siehe etwa W. Schill, in: C. O. Lenz/K.-D. Borchardt, EU- und EG-Vertrag, Kommentar, 2003, Art. 105, Rn. 1 ff.; ergänzend z. B. I. Pernice, in: E. Grabitz/M. Hilf (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, Kommentar, Altband I, 1999, Art. 105 EGV, Rn. 2 ff., 10 ff. 183 Hierzu umfassend im Sinne der Republik W. Hankel/W. Nölling/K. A. Schachtschneider/J. Starbatty, Die Euro-Klage, S. 39 ff., 63 ff., 163 ff., 192 ff., 214 ff. u. ö. (jew. m. zahlr. Hinw.); auch dies., Die Euro-Klage, S. 25 ff., 53 ff. u. ö. (jew. m. zahlr. Hinw.).

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nanzstaatlichkeit auf andere Einnahmequellen stützen, ja wohl sogar – wie dies die tägliche Erfahrung zeigt – stürzen muss. 3. Kredite als Mittel zur Staatsfinanzierung Art. 115 GG regelt „die Aufnahme von Krediten sowie die Übernahme von Bürgschaften, Garantien oder sonstigen Gewährleistungen, die zu Ausgaben in künftigen Rechnungsjahren führen können“ und weist sogar expressis verbis darauf hin, dass es sich um „Einnahmen“ handelt; die Ermächtigung hierzu muss durch Bundesgesetz erfolgen185. Auch wenn eine Finanzierung der Staatsausgaben durch zinslose Kredite grundsätzlich vorstellbar ist, dürfte dies realiter der Ausnahmefall sein, eine mit Zinslasten einhergehende Kreditaufnahme des Staates zur Generierung von Staatseinnahmen und Finanzierung von Staatsaufgaben dagegen der Regelfall. In diesen Zinsverpflichtungen für die heutige Bürgerschaft und vor allem für künftige Generationen, die dadurch vieler Handlungsmöglichkeiten beraubt werden, gründet eines der zentralen Probleme der Staatsfinanzierung durch Kreditaufnahme186. Nicht zuletzt aus diesen Gründen limitiert die Verfassung die Kreditaufnahme auf der Höhe veranschlagter Investitionen (Art. 115 Abs. 1 S. 2 1. HS GG)187; ein Überschreiten188 dieser Grenze „zugunsten weiterer, kreditfi184 So das Fazit von R. Lappin, Kreditäre Finanzierung des Staates unter dem Grundgesetz, S. 28, der die Bedeutung der Geldschöpfung hinsichtlich der Finanzierung öffentlicher Ausgaben „gering“ und „begrenzt“ nennt. P. Kirchhof, Staatliche Einnahmen, in: HStR, Bd. IV, § 88, Rn. 36, macht das Konfliktpotential der Geldschöpfung sehr deutlich: „Im Ergebnis jedenfalls wirkt die staatliche Geldschöpfung tendenziell wie eine unmerkliche Besteuerung allen . . . Geldvermögens. Diese heimliche, nicht parlamentarisch entschiedene Belastungswirkung ist allenfalls als Ausnahme zu rechtfertigen.“ 185 Das Haushaltsgrundsätzegesetz (HGrG) als von Art. 115 Abs. 1 S. 3 GG gefordertes Ausführungsgesetz wurde auf Bundesebene in der Bundeshaushaltsordnung (BHO) materialisiert sowie auf Länderebene in den jeweiligen Landeshaushaltsordnungen umgesetzt. Ausnahmefälle der staatlichen Kreditaufnahme sieht Art. 115 Abs. 1 S. 2 GG bei Störungen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts vor, einschlägig sind die §§ 5 und 6 StabG. Die mit einer über die grundsätzliche Höchstgrenze hinausgehende Kreditfinanzierung aufgrund der Exemption bei Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts auftretenden Problemstellungen, auch vor dem Hintergrund der Europäischen Wirtschaft- und Währungsunion, werden näher z. B. bei H.-M. Hänsch, Gesamtwirtschaftliche Stabilität als Verfassungsprinzip, passim, insb. S. 310 ff., erörtert und kritisch beleuchtet; grundlegend zu dieser Problematik auch W. Hankel/W. Nölling/K. A. Schachtschneider/J. Starbatty, Die Euro-Klage, S. 192 ff. 186 Die Grundentscheidung der Republik, besser deren Finanzverfassung, für den Steuerstaat ist mit diesen Problemlagen eng verknüpft, wie bei der näheren Erläuterung der Zusammenhänge im Folgenden, auch im 6. Teil, 2. Kap., IV., insb. 8., ersichtlich werden wird. 187 Vgl. BVerfGE 79, 311 (334 ff.); zu den verfassungsrechtlichen Grenzen staatlicher Verschuldung z. B. auch D. Birk, Die finanzverfassungsrechtlichen Vorgaben und Begrenzungen der Staatsverschuldung, DVBl. 1984, S. 745 ff.; ausführlich zu diesem

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nanzierter, nicht investiver, gleichwohl die Nachfrage stimulierender Ausgaben“ ist ausnahmsweise nur bei Störungen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts zulässig189. Kredite stehen grundsätzlich als Einnahmeoptionen zur Deckung des aus den Staatsausgaben abgeleiteten Finanzbedarfs zur Verfügung – im (hypothetischen) Fall des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts bis zur Höhe der veranschlagten Investitionen. Für den (Normal-)Fall des gesamtwirtschaftlichen Ungleichgewichts kann der Staat, der ausweislich wirtschaft- und finanzpolitischer Erfahrungen in der heutigen Lebenswirklichkeit offensichtlich nicht nur Finanz- und Steuer-, sondern auch Schuldenstaat ist, über diese Grenze hinausgehende Kreditaufnahmen zur Schaffung von Staatseinnahmen und Finanzierung von Staatsausgaben tätigen. Allerdings kann der moderne Staat, nicht zuletzt aufgrund der Restriktionen der republikanischen Verfassung, keinesfalls mit Krediten, die ihm lediglich Liquidität auf Zeit verschaffen, den Hauptteil seiner staatlichen Einnahmen schöpfen190. Dass die Einnahmen des Staates nicht primär durch Kredite finanziert werden dürfen, wird durch den europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakt noch bestätigt. Im Zuge der europäischen Integration wurden nicht nur die Wirtschaftsund Finanzpolitiken der Mitgliedsstaaten näher koordiniert, sondern auch Überwachungs- und Sanktionsmechanismen errichtet, um eine Begrenzung staatlicher Einnahmen aus Kreditaufnahme grundsätzlich zu gewährleisten191. Mit den Problemfeld R. Lappin, Kreditäre Finanzierung des Staates unter dem Grundgesetz, passim, der ein leidenschaftliches Plädoyer auch unter republikanischen Gesichtspunkten gegen den Kreditstaat verfasst hat. 188 Gleichwohl steht zu vermuten, dass das signifikante Unterschreiten dieser Höchstgrenze eher zur löblichen Ausnahme gereicht, wie die Haushalte der Bundesrepublik Deutschland in den vergangenen Jahren immer wieder bewiesen haben. 189 Art. 109 Abs. 2 GG verpflichtet Bund und Länder „bei ihrer Haushaltswirtschaft den Erfordernissen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts Rechnung zu tragen.“ Dieser „Haushaltswirtschaft obliegen auch und insbesondere die zusätzlichen Kreditaufnahmen, die final auf das Wiedererlangen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts auszurichten sind“; näheres hierzu findet sich bei H.-M. Hänsch, Gesamtwirtschaftliche Stabilität als Verfassungsprinzip, S. 138 ff. Den Ausnahmecharakter dieser Regelung des Art. 115 Abs. 1 S. 2 2. HS GG unterstreicht das Gericht, BVerfGE 79, 311 (LS 4), wenn es dem Gesetzgeber eine besondere Darlegungslast bei dem Nachweis der Finalität auferlegt. 190 Siehe dazu unter republikanischen Gesichtspunkten die wegweisende Schrift von R. Lappin, Kreditäre Finanzierung des Staates unter dem Grundgesetz, S. 57 f., passim; stv. für viele D. Birk, Die finanzverfassungsrechtlichen Vorgaben und Begrenzungen der Staatsverschuldung, DVBl. 1984, S. 745 ff.; deutlich z. B. auch P. Kirchhof, Der demokratische Rechtsstaat – die Staatsform der Zugehörigen, in: J. Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. IX, Die Einheit Deutschlands – Festigung und Übergang, 1997, § 221, Rn. 209 („Die Staatsverschuldung steht nur als Ausnahmefinanzierung zur Verfügung.“); überdies begrenzen die Konvergenzkriterien auf europäischer Ebene die öffentliche Verschuldung, was jedoch nicht vertieft werden soll; unter republikanischen Gesichtspunkten bedeutsam W. Hankel/W. Nölling/K. A. Schachtschneider/J. Starbatty, Die Euro-Klage, S. 70 ff. (insb. S. 72).

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Art. 101, 102 EGV soll nicht nur die Unabhängigkeit der nationalen Notenbanken gesichert, sondern auch die Haushaltsdisziplin der jeweiligen Mitgliedsstaaten gefördert werden192. Während Art. 101 EGV ein Verbot der Kreditgewährung zur monetären Finanzierung öffentlicher Defizite durch die EZB und die nationalen Notenbanken ausspricht, will Art. 102 EGV eine nicht-marktgemäße Finanzierung staatlicher Kreditaufnahme durch Finanzinstitute ausschließen193. Zur Vermeidung übermäßiger öffentlicher Defizite soll nach Art. 104 Abs. 1 EGV nebst zugehörigen Protokollen nicht nur das Haushaltsdefizit für das laufende oder für das folgende Jahr nicht mehr als 3% des Bruttoinlandsproduktes betragen, sondern auch die öffentliche Gesamtverschuldung – brutto und zu Marktwerten – grundsätzlich 60% des Bruttoinlandsproduktes nicht übersteigen194. Ohne an dieser Stelle auf die Frage näher einzugehen, ob diese Mechanismen tatsächlich geeignet sind, nicht nur dauerhafte Währungsstabilität in der Gemeinschaft zu gewährleisten, sondern auch die öffentliche Verschuldung in den Mitgliedsstaaten einzudämmen, wird doch deutlich, dass auch in der Europäischen Gemeinschaft Kreditfinanzierung des Staates nicht als vorrangige Finanzierungsform zur Deckung des staatlichen Finanzbedarfs vorgesehen ist195. Grundsätzlich müssen also andere Möglichkeiten zur Erzielung staatlicher Einnahmen für das Gemeinwesen der modernen Republik in den Vordergrund treten. 4. Abgaben zur Erzielung von Staatseinnahmen Da die Möglichkeiten der Staatsfinanzierung durch Kreditaufnahme, also durch (Neu-)Verschuldung, in der Verfassung der Republik sowie seit der Währungsunion in den Verträgen der Europäischen Gemeinschaften (EGV) ihre Grenzen finden und andere Finanzierungsquellen ebenfalls nicht zur Deckung

191 Ausführlicher z. B. U. Häde, in: C. Callies/M. Ruffert (Hrsg.), Kommentar zu EU-Vertrag und EG-Vertrag, 2. Aufl., 2002, Art. 104, Rn. 1 ff., 16 ff., 53 ff. (jew. m.w. N.); B. Kempen, in: R. Streinz (Hrsg.), EUV/EGV, Vertrag über die Europäische Union und Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, Kommentar, 2003, Art. 104, Rn. 1 ff. 192 Vgl. etwa U. Häde, in: C. Callies/M. Ruffert (Hrsg.), Kommentar zu EU-Vertrag und EG-Vertrag, 2. Aufl., 2002, Art. 101, Rn. 1 ff. („. . . alle Schlupflöcher verstopft . . .“; Zitat Rn. 5). 193 Vgl. etwa W. Schill, in: C. O. Lenz/K.-D. Borchardt (Hrsg.), EU- und EG-Vertrag, Kommentar, 2003, Art. 101–104, Rn. 2 ff. 194 Näher etwa W. Schill, in: Lenz/Borchardt, EU- und EG-Vertrag, Vorbem. Titel VII, Rn. 6 f.; ders., in: Lenz/Borchardt, EU- und EG-Vertrag, Art. 101–104, Rn. 6 ff. 195 Vgl. dazu W. Hankel/W. Nölling/K. A. Schachtschneider/J. Starbatty, Die EuroKlage, S. 70 ff., 229 ff. u. ö. (jew. m.w. N.); zum Haushaltskriterium in der Praxis auch dies., Die Euro-Illusion, S. 34 ff. u. ö.

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2. Teil: Republik als das Projekt der Moderne

des Finanzbedarfs ausreichen196, empfehlen sich Abgaben in ihren unterschiedlichen Formen zur Finanzierung des Gemeinwesens197. Abgaben dienen der Erzielung von Einnahmen zur Deckung des allgemeinen Finanzbedarfs198, eine genauere Definition und Einordnung des (verfassungsrechtlichen) Abgabensystems existiert nicht199. Die finanzverfassungsrechtlich relevanten Art. 105 und 106 GG sehen lediglich eine Finanzausstattung der öffentlichen Hand durch Steuern vor200. Allerdings erzielt der Staat auch mit öffentlich-rechtlichen Gebühren und Beiträgen sowie Sonderabgaben Einnahmen für seinen Finanzbedarf. Im Gegensatz zu den Steuern, die keine Verpflichtung zur Gegenleistung für den Staat implizieren201, stehen Gebühren und Beiträge in einem unmittelbaren Sachzusammenhang mit einer konkreten Leistung (Gebühr202) oder aber mit dem bevorzugten Angebot einer Leistung (Beitrag)203. So fußen Gebühren

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Vgl. oben 1. f. Eine hilfreiche Übersicht über das Abgabensystem geben z. B. K. Vogel/C. Waldhoff, in: BK, Vorbem. z. Art. 104a–115, Rn. 346; ergänzend z. B. D. Birk, in: W. Hübschmann/E. Hepp/A. Spitaler (Hrsg.), Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, Kommentar, 1999, § 3, Rn. 19 ff.; K.-D. Drüen, in: K. Tikpe/W. Kruse (Hrsg.), Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, Kommentar, 2003, § 3, Rn. 6; informativ z. B. auch L. Fleischer, McDonald’s Steuer, Bundesstraßenmaut und Wasserpfennig, SteuerStud 1997, S. 113 ff. 198 Daneben finden sich auch Abgaben, die nicht der Deckung eines öffentlichen Finanzbedarfes dienen, wie Erdrosselungsabgaben oder Investitionshilfeabgaben. Nachdem hierbei nicht die Erzielung von Staatseinnahmen, sondern Lenkungszwecke in den Vordergrund treten, soll diese Abgabenform im Detail nicht weiter erörtert werden. Insb. zu den Lenkungsgebühren z. B. M. Kloepfer, Die lenkende Gebühr, AöR 97 (1972), S. 232 ff.; R. Wendt, Die Gebühr als Lenkungsmittel, 1975; grundlegend auch H. D. Jarass, Nichtsteuerliche Abgaben und lenkende Steuern unter dem Grundgesetz, 1999, S. 27 ff. 199 Dem Grundgesetz ist ein solches System offensichtlich nicht zu entnehmen. Auch das Gericht hat es bis dato abgelehnt, eine finanzverfassungsrechtliche Abgabensystematik zu entwickeln; siehe dazu BVerfGE 67, 256 (288) sowie BVerfGE 93, 319 (342) unter Bezugnahme auf BVerfGE 82, 159 (181). Möglicherweise würde dies die Gestaltungsfreiheit – um den Begriff des „Erfindungsreichtums“ nicht zu bemühen – des einfachgesetzlichen Abgabengesetzgebers zu stark tangieren und die Praktikabilität der Abgabenerhebung weiter erschweren, von den Problemlagen bei einer supranationalen Öffnung der Finanzverfassung und dem Zusammenspiel mit gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben ganz zu schweigen; so K. Vogel/C. Waldhoff, in: BK, Vorbem. z. Art. 104a–115, Rn. 341. 200 Vgl. z. B. K. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. II, Staatsorgane. Staatsfunktionen. Finanz- und Haushaltsverfassung. Notstandsverfassung, 1980, S. 1090. 201 Zur Voraussetzungslosigkeit als Wesensmerkmal der Steuer siehe BVerfGE 55, 274 (298); 67, 256 (275); 78, 249 (267); 81, 156 (186); 92, 91 (113); ergänzend z. B. K. Vogel/C. Waldhoff, in: BK, Vorbem. z. Art. 104–115 GG, Rn. 379 ff. (insb. Rn. 384). 202 Vgl. BVerfGE 50, 217 (226); 97, 332 (345). 203 Zur grundsätzlichen Verortung von Gebühren und Beiträgen z. B. W. Patzig, Steuern-Gebühren-Beiträge und „Sonderabgaben“, DÖV 1981, S. 734 f. 197

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systematisch auf dem Äquivalenzprinzip, demzufolge Gebühren nach den Prinzipien der Kostendeckung sowie des Vorteilsausgleichs zu bemessen sind204. Beiträge werden als Aufwendungsersatzleistungen zur Finanzierungsbedarfsdeckung z. B. für die Herstellung, Instandhaltung oder Verbesserung von öffentlichen Einrichtungen und Anlagen, aber auch Straßen, Wegen o. ä. auferlegt; ihre Begründung findet sich regelmäßig in der für den Bürger gegebenen Nutzungsmöglichkeit von öffentlichen Investitionsmaßnahmen205. Allerdings hängen Gebühren wie auch Beiträge im Wesentlichen von der Nachfrage, der Zahlungsfähigkeit und der Zahlungsbereitschaft der Bürger, typischerweise nur der betroffenen Bürger, ab, so dass sich eine Finanzierung des Gemeinwesens regelmäßig schwierig gestalten wird. Vor allem wesentliche öffentliche Aufgaben und Leistungen, wie z. B. die Sicherung grundgesetzlich verankerter Aufgaben der Gefahrenabwehr, der sozialen Sicherung o. ä. können aus diesem Grunde potentiell gefährdet sein; der allgemeine Finanzbedarf des Staates kann aus Gebühren und Beiträgen systemimmanent nicht gedeckt werden206. Mit Sonderabgaben als aperiodische und atypische Einnahmequellen207 werden gemeinhin besondere Aufgaben finanziert, die nicht in den Haushaltsplänen ausgewiesen sind. Da die Sonderabgaben nicht zu den Steuern zählen, lässt sich eine finanzstaatliche Hoheit zur Erhebung von Sonderabgaben aus den Art. 105 ff. GG nicht herleiten, sondern wird vielmehr auf die allgemeinen Sachzuständigkeiten der Art. 73 ff. GG gestützt208. Ohne auf die verfassungsrechtlich gebotenen Voraussetzungen von Sonderabgaben detaillierter einzuge204 Vgl. etwa J. Lang, in: K. Tipke/J. Lang (Hrsg.), Steuerrecht, 17. Aufl., 2002, § 3, Rn. 18 f.; näher D. Birk, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, § 3, Rn. 136 ff.; K. Vogel, Grundzüge des Finanzrechts des Grundgesetzes, in: J. Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. IV, Finanzverfassung – Bundesstaatliche Ordnung, 1990, § 87, Rn. 68; auch P. Kirchhof, Staatliche Einnahmen, in: HStR, Bd. IV, § 88, Rn. 166. 205 Vgl. zu den Beiträgen z. B. P. Kirchhof, Staatliche Einnahmen, in: HStR, Bd. IV, § 88, Rn. 180; der Text des Grundgesetzes verweist vereinzelt auf Gebühren als Finanzbeitrag des Bürgers, so z. B. in Art. 73 Nr. 22 auf die „Gebühren für die Benutzung öffentlicher Straßen mit Fahrzeugen“ oder in Art. 80 Abs. 2 S. 1 auf die „Gebühren für die Benutzung der Einrichtungen des Postwesens und der Telekommunikation“. Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 nennt die Sozialversicherungsbeiträge zwar nicht expressis verbis, impliziert aber deren finanzverfassungsrechtliche Existenz; zu den Sozialversicherungsbeiträgen als abgabenrechtliche Sonderlast ausführlicher im 6. Teil, 3. Kap., V. 206 Sinngemäß R. Lappin, Kreditäre Finanzierung des Staates unter dem Grundgesetz, S. 31. 207 Zu den Sonderabgaben grundlegend etwa P. Kirchhof, Die Sonderabgaben, in: R. Wendt (Hrsg.), Staat, Wirtschaft, Steuern, Festschrift für Karl Heinrich Friauf zum 65. Geburtstag, 1996, S. 669 ff. Für den „Ausnahmecharakter“ der Sonderabgabe BVerfGE 55, 274 (308); 91, 186 (203); 92, 91 (113); 93, 319 (344); weiterführend in Abgrenzung zu den Steuern z. B. F. Klein, Zur Verfassungsmäßigkeit von Sonderabgaben und ihre Abgrenzung zu den Steuern, DStR 1981, S. 275 ff. 208 So BVerfGE 67, 256 (274) m.w. N.

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hen, verdeutlicht bereits die Ausnahmehaftigkeit der Sonderabgabe, dass sich diese – sei sie nun Finanzierungs- oder Lenkungsabgabe – nicht als regelmäßige Einnahmequelle für den allgemeinen Finanzbedarf des Staates eignen kann209. Dass sich Sonderabgaben, die nicht als Einnahmen i. S. d. Art. 110 Abs. 1 S. 1 GG klassifiziert werden, mangels Ausweis im Haushaltsplan überdies der parlamentarischen Kontrolle entziehen210, bestätigt die Notwendigkeit eines restriktiven Einsatzes der Sonderabgabe als staatliche Finanzierungsmaßnahme, die somit nicht als substitutive Einnahmequelle für den Steuerstaat zur Verfügung stehen kann und darf211. Letztlich kristallisiert sich – wie bereits thesenhaft vorangestellt – die Steuer als die probateste Form der Abgabe und Einnahmequelle der modernen Republik heraus, mit der der Staat im Grundsatz seinen Finanzbedarf, auch im Einklang mit dem Verfassungsgesetz und den Ideen der Republik, bestmöglich decken kann212. Wie andere Abgaben auch dienen Steuern vorrangig der Erzielung

209 Vgl. 55, 274 (298): „Das Grundgesetz versagt es dem Gesetzgeber, Sonderabgaben zur Erzielung von Einnahmen für den allgemeinen Finanzbedarf eines öffentlichen Gemeinwesens zu erheben und das Aufkommen aus derartigen Abgaben zur Finanzierung allgemeiner Staatsaufgaben zu verwenden.“; grundlegend bereits BVerfGE 18, 315 (328). Näher zum Thema z. B. K. H. Friauf, Zur Zulässigkeit von außersteuerlichen Sonderabgaben, in: G. Schmölders et al. (Hrsg.), Der Bürger als Objekt der staatlichen Finanzpolitik, Festschrift für Willy Haubrichs zum 65. Geburtstag, 1976, S. 103 ff.; ders., Zur Zulässigkeit von Sonderabgaben, JA 1981, S. 261 ff.; W. Jakob, Sonderabgaben – Fremdkörper im Steuerstaat?, in: P. Kirchhof/K. Offerhaus/H. Schöberle (Hrsg.), Steuerrecht, Verfassungsrecht, Finanzpolitik, Festschrift für Franz Klein, 1994, S. 663 ff.; M. Jachmann, Sonderabgaben als staatliche Einnahmequelle im Steuerstaat, StuW 1997, S. 299 ff. 210 Diesen wichtigen Hinweis gibt R. Lappin, Kreditäre Finanzierung des Staates unter dem Grundgesetz, S. 32; dazu BVerfGE 55, 274 (LS 2b; ansonsten 305 f.); 67, 256 (275). 211 Im Ergebnis deutlich R. Lappin, Kreditäre Finanzierung des Staates unter dem Grundgesetz, S. 33; vgl. auch BVerfGE 75, 108 (147); 82, 159 (178). Die wissenschaftlichen Auseinandersetzungen mit der – auch verfassungsrechtlichen – Problematik von Sonderabgaben sind zahlreich; hingewiesen sei exemplarisch auf die Arbeiten von K. H. Friauf, Öffentliche Sonderlasten und Gleichheit der Steuerbürger, in: Institut für Völkerrecht und Ausländisches Öffentliches Recht der Universität zu Köln (Hrsg.), Festschrift für Festschrift für Hermann Jahrreiß zum 80. Geburtstag, 1974, S. 45; ders., Zur Zulässigkeit von außersteuerlichen Sonderabgaben, in: G. Schmölders et al. (Hrsg.), Der Bürger als Objekt der staatlichen Finanzpolitik, Festschrift für Willy Haubrichs zum 65. Geburtstag S. 103 ff.; ebenso ders., Zur Zulässigkeit von Sonderabgaben, JA 1981, S. 261; J. Isensee, Nichtsteuerliche Abgaben – ein weißer Fleck in der Finanzverfassung, in: K.-H. Hansmeyer (Hrsg.), Staatsfinanzierung im Wandel, 1983, S. 435 ff.; M. Jachmann, Sonderabgaben als staatliche Einnahmequellen im Steuerstaat, StuW 1997, S. 299 ff.; W. Jakob, Sonderabgaben – Fremdkörper im Steuerstaat?, in: FS F. Klein, S. 663 ff.; F. Kirchhof, Vom Steuerstaat zum Abgabenstaat?, Die Verwaltung 1988, S. 143 f.; P. Kirchhof, Die Sonderabgaben, in: FS K. H. Friauf, S. 669 ff. 212 Stv. für etliche P. Kirchhof, Standortbestimmung aus verfassungsrechtlicher Sicht, in: P. Kirchhof/M. J. M. Neumann (Hrsg.), Freiheit, Gleichheit, Effizienz. Öko-

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von Staatseinnahmen; gleichwohl greift der Staat mittels Steuern auch steuernd und lenkend in das Wirtschaftsgeschehen ein213. Die Finanzverfassung, namentlich Art. 104a bis 115 GG, konzipiert Hand in Hand mit der finanziellen Ausstattung des Gemeinwesens den finanziellen Zugriff auf den Bürger und seine Finanzen insbesondere in Form der Steuererhebung214. Ein eigenständiger Steuerbegriff findet sich im Verfassungstext jedoch nicht215. Allerdings kennt das Verfassungsrecht einen tradierten einfachgesetzlichen Steuerbegriff, an den es sich gemeinhin anlehnt216. Dieser mit „Steuer“ umschriebene Begriffsinhalt wurde allgemein akzeptiert, ja stillschweigend voraus-

nomische und verfassungsrechtliche Grundlagen der Steuergesetzgebung, Tagungsband des Frankfurter Instituts – Stiftung Marktwirtschaft und Politik, 2001, S. 13 ff. 213 Die drängenden verfassungsrechtlichen Fragenstellungen, die Lenkungssteuern regelmäßig aufwerfen, sollen an dieser Stelle nicht vertieft werden, da das materielle Belastungsergebnis – und dieses steht, wie noch zu zeigen sein wird, im Mittelpunkt der Frage nach der möglicherweise hälftigen Belastungsgrenze – durch diese Differenzierungen nicht verändert wird. 214 Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund lassen sich Eckpunkte eines Steuerbegriffs aus dem Grundgesetz ableiten. So sind Steuern i. S. d. Art. 105 ff. GG: 1) einmalige oder laufende Geldleistungen, 2) die dem Leistenden hoheitlich auferlegt sind, 3) durch den Bund, die Länder, die Gemeinden oder die öffentlich-rechtlichen Religionsgesellschaften, 4) zur Deckung des öffentlichen Finanzbedarfs, und zwar 5) voraussetzungslos, also unabhängig davon, ob der Pflichtige einzeln oder auch als Angehöriger einer Gruppe durch ein Verhalten eines abgabeberechtigten Hoheitsträgers einen Vorteil erlangt hat oder ob ihm eine besondere Kostenverantwortung zukommt; vgl. K. Vogel/C. Waldhoff, in: BK, Vorbem. z. Art. 104–115 GG, Rn. 393, mit vorhergehender Ausarbeitung der Extrapolation des Steuerbegriffs aus dem Grundgesetz nebst etlichen Hinweisen. Dazu nochmals im Folgenden. 215 Dass die Suche nach einem fassbaren Steuerbegriff auch in Verfassungsdimensionen nicht etwa ,l’art pour l’art‘ ist, wird deutlich, wenn man sich vor Augen führt, dass eine spezifisch verfassungsrechtliche Begrifflichkeit eine „Garantiefunktion gegenüber dem (Steuer-)Bürger“ birgt, mithin dem Staat die Möglichkeit verwehrt, von dem Bürger beliebige Zahlungen einzufordern und diese als Steuern oder Abgaben zu deklarieren. Siehe K. Vogel/C. Waldhoff, in: BK, Vorbem. z. Art. 104a–115, Rn. 342, die zutreffend bemerken, dass eine „Systematisierung und Katalogbildung“ sehr wohl „Verfassungsfrage“ ist, auch wenn das Bundesverfassungsgericht eine solche „mit etwas abschätzigem Unterton“ ablehnt (BVerfGE 93, 319 (342, 345). I. d. S. auch J. Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 3, Rn. 9, der insbesondere die Relevanz eines verfassungsrechtlichen Begriffes bei Fragen nach der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit von Abgaben sieht, mithin also eine ähnliche Funktion wie Vogel/Waldhoff unterstellt. 216 Vgl. BVerfGE 3, 407 (435); 4, 7 (13 f.); 7, 244 (251 f.); 8, 274 (317); 10, 372 (380 f.); 29, 402 (408 f.); 36, 66 (70); 38, 61 (79 f.); 42, 223 (228); 49, 343 (353); 55, 274 (299); 65, 325 (344); 67, 256 (282); 84, 239 (269); 98, 106 (123); 84, 239 (269); aktuell bezugnehmend auf den Steuerbegriff z. B. 108, 1 (13). Dazu z. B. J. Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 3, Rn. 9 ff.; weiterführend zu den unterschiedlichen Steuerbegriffen die Ausführungen von K. Vogel/C. Waldhoff, in: BK, Vorbem. z. Art. 104– 115, Rn. 349 ff., wo auch das Verhältnis zwischen dem verfassungsrechtlichen und dem einfachgesetzlichen Steuerbegriff sowie die daraus erwachsenden Probleme intensiv beleuchtet werden (dazu Rn. 364 ff.).

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gesetzt, offenkundig auch seitens des Verfassungsgebers, später auch seitens des verfassungsändernden Gesetzgebers, und somit dem Grundgesetz zu Grunde gelegt217. „Steuern sind einmalige oder laufende Geldleistungen, die nicht eine Gegenleistung für eine besondere Leistung darstellen und von einem öffentlichrechtlichen Gemeinwesen zur Erzielung von Einkünften allen auferlegt werden, auf die der Tatbestand zutrifft, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft.“218

Bereits vor der Legaldefinition des Steuerbegriffs im Jahre 1977 nahm die Rechtsprechung eine Übereinstimmung des verfassungsrechtlichen Steuerbegriffs mit dem Begriff des § 1 Abs. 1 S. 1 RAO an219; nachdem in § 3 Abs. 1 AO 1977 lediglich einige redaktionelle Änderungen220 vorgenommen worden waren, ist von einer bewussten Entscheidung für diese Begriffsdefinition auszugehen: „Steuern sind Geldleistungen, die nicht eine Gegenleistung für eine besondere Leistung darstellen und von einem öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen zur Erzielung von Einnahmen allen auferlegt werden, bei denen der Tatbestand zutrifft, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft; die Erzielung von Einnahmen kann Nebenzweck sein. Zölle und Abschöpfungen sind Steuern im Sinne dieses Gesetzes.“

Im Grundsatz gibt diese Formulierung des § 3 Abs. 1 AO den allgemeinen deutschen Steuerbegriff wieder, ist „Ausdruck des allgemein anerkannten Steuer-Grundbegriffs des Grundgesetzes“221. Der begriffliche Kern ist unstrittig. Anlass zur Diskussion in Rechtsprechung und Gesetzgebung geben die Randfragen, gleichwohl nicht weniger bedeutsam. Über eine bloße inhaltliche Festlegung hinaus ermöglicht dieser Kernbegriff eine Bewertung, ob und inwieweit öffentliche Lasten der Verfassung entsprechen. Erfüllen solche Lasten nämlich die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 AO, entsprechen der Gesetzlichkeit222, so 217 Zum Gesetzgebungsverfahren der Republik, insbesondere mit Blick auf die Bedeutung der Begriffe vor dem Hintergrund der Gesetzlichkeit, vgl. K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 519 ff., 560 ff., 584 ff., umfassend S. 819 ff., auch ders., Prinzipien des Rechtsstaates, S. 206 ff., grundlegend zum Gesetzesprinzip S. 93 ff. sowie äußerst kritisch zur Praxis der Gesetzgebung im Parteienstaat S. 330 ff., wobei diese Kritik weniger die hier dargelegte grundsätzliche Verankerung der Steuer im Verfassungsgesetz als die einzelgesetzliche Umsetzung der Steuererhebung trifft. 218 § 1 Abs. 1 S. 1 RAO. 219 Auf eine solche Übereinstimmung deutet auch die bei der Finanzverfassungsreform 1969 vorliegende, ständige Rechtsprechung hin, BVerfGE 3, 407 (435); 7, 244 (251 f.); 10, 372 (380); BVerwGE 12, 140 (143); 15, 149 (150) u. a. m. 220 Die textliche Entwicklung dieser Formulierung von der RAO 1919 bis zur AO 1977 wird, nicht zuletzt angesichts der grundlegenden Bedeutung der Steuerdefinition auch für das materielle Steuerrecht, an zahlreichen Stellen aufgearbeitet. Statt vieler D. Birk, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, § 3, Rn. 5. 221 K. Vogel/C. Waldhoff, in: BK, Vorbem. z. Art. 104a–115, Rn. 362. 222 Zur Gesetzlichkeit als republikanischem Element ausführlicher z. B. K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, passim.

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ist im Grundsatz zunächst ihre Verfassungsmäßigkeit zu unterstellen. Andernfalls wäre ein hinreichend bestimmter Steuerbegriff geeignet, staatliche Abgabengewalt zu beschränken223. Auf dieser nicht nur begrifflichen Basis operiert der republikanische Steuerstaat, dessen Eckparameter für einen besseren Verständnishintergrund der Frage nach einem verfassungsrechtlichen Prinzip einer Teilung, ja möglicherweise gar einem Prinzip der hälftigen Teilung, im Folgenden kurz skizziert werden sollen. III. Grundsatzentscheidung für eine Steuerfinanzierung 1. Textliche Hinweise Die Verfassung der Republik, vornehmlich ihre Finanzverfassung, unterstellt offenkundig im Grundsatz eine Steuerfinanzierung des Finanzstaates, selbst wenn dies den Texten nicht expressis verbis zu entnehmen ist. So rekurriert der X. Abschnitt des Grundgesetzes nahezu ausschließlich auf Steuern als Finanzierungsinstrumente des Staates. Art. 105 GG weist in Absatz 1 die Gesetzgebungskompetenz für Zölle und Finanzmonopole ausschließlich dem Bund zu, für die übrigen Steuern224 [Hervorh. d. Verf.] erhält der Bund eine konkurrierende Gesetzgebungskompetenz, die Länder schließlich haben über die örtlichen Aufwands- und Verbrauchssteuern225 [Hervorh. d. Verf.] zu befinden. Andere Kompetenzen zur Gesetzgebung innerhalb der Einnahmemöglichkeiten des Staates erteilt die Verfassung nicht, die Steuerfinanzierung steht augenscheinlich im Vordergrund. Für die Ertragshoheit von Bund und Ländern, die Frage also, wem staatliche Einnahmen zustehen, hat der Verfassungsgeber ausschließlich die Verteilung von Steuern (Art. 106 GG) geregelt; auch die Vorgaben zum Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern beziehen sich nur auf Steueraufkommen, also auf steuergeborene Einnahmen des Staates. In den Regelungen zur Verwaltungshoheit (Art. 108 GG) werden ebenfalls Steuern als Finanzquellen in den Mittelpunkt gestellt. Allein aus dem Verhältnis der Überschrift des Art. 106 GG – „Finanzverwaltung“ – zu dem Text, der einzig die Verwaltungshoheit für Steu-

223 Dieser Gedankengang findet sich z. B. bei D. Birk, Steuerrecht I, Allgemeines Steuerrecht, 1994, S. 25; ders., „Vorteilsabschöpfung“ durch Abgaben. Eine neue Kategorie nichtsteuerlicher Umweltabgaben?, in: M. D. Kley (Hrsg.), Festschrift für Wolfgang Ritter zum 70. Geburtstag, 1997, S. 46. 224 Allein dieser Rückbezug verdeutlicht die Existenz, die Verfassungshaftigkeit, von Steuern, impliziert die Formulierung doch, dass der Staat neben den im Text erwähnten „übrigen Steuern“ eben hauptsächlich Steuern als grundlegende Finanzquellen erschließt, zu denen dann diese übrigen Steuern [Hervorh. d. Verf.] hinzutreten. 225 Die unterschiedlichen Steuerarten, auch in ihren Belastungsgründen, werden im 6. Teil, 3. Kap., I. f., ausführlicher erläutert.

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ern festlegt, lässt sich eine klare Vorrangstellung der Steuerfinanzierung ableiten. Die Finanzverfassung zeigt sich in ihrer Textlichkeit226 primär als eine Steuerverfassung, die Steueraufkommen zuweist, verteilt und dabei die zentralen Steuerarten implizit voraussetzt227; mit dieser „vom Grundgesetz als selbstverständlich erachteten Finanzierungsart“ (P. Kirchhof )228 wird der Steuer der Vorzug vor anderen, ebenfalls möglichen Finanzierungsquellen des Staates gegeben. 2. Steuerstaatlichkeit im Licht der Wirtschaftsverfassung Mit der Finanzverfassung eng verwoben ist die Wirtschaftsverfassung, deren Ausprägungen mit steter Regelmäßigkeit im Kontext des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts (Art. 109 Abs. 2 GG) erörtert, mithin also auch in Beziehung zum X. Abschnitt des Grundgesetzes gesetzt werden. Die Wirtschaftsverfassung der Republik von heute ist die der Marktwirtschaft mit sozialer Prägung, der sozialen Marktwirtschaft229, besser der marktlichen Sozialwirtschaft230. Das Be226 Die zentralen Textstellen der Finanzverfassung wurden hier aufgegriffen; auf eine etwaige, weiterführende Diskussion hinsichtlich ergänzender Textpassagen wird verzichtet. 227 Dazu ausführlicher P. Kirchhof, Staatliche Einnahmen, in: HStR, Bd. IV, § 88, Rn. 6. 228 Ebenda, Rn. 45. 229 So die herrschende Meinung; grundlegend Alfred Müller-Armack, Wirtschaftslenkung und Marktwirtschaft, in: ders., Wirtschaftsordnung und Wirtschaftspolitik. Studien und Konzepte zur Sozialen Marktwirtschaft und zur Europäischen Integration, 2., unveränd. Aufl., 1974, S. 19 ff. (S. 109), der als „Ideenstifter“ der „Sozialen Marktwirtschaft“ gilt; für die erste verfassungsrechtliche Einordnung zeichnet H. C. Nipperdey, Soziale Marktwirtschaft und Grundgesetz, 3., neubearb. Aufl., 1965, insb. S. 64, verantwortlich. Anstelle der umfangreichen Literatur zum Thema sei auf R. Schmidt, Staatliche Verantwortung für die Wirtschaft, in: J. Isensee, J./P. Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. III, Das Handeln des Staates, 1988, § 83, verwiesen. Man beachte die umfangreichen Nachweise bei K. A. Schachtschneider, Die existentielle Staatlichkeit der Völker Europas und die staatliche Integration der Europäischen Union, in: W. Blomeyer/K. A. Schachtschneider (Hrsg.), Die Europäische Union als Rechtsgemeinschaft, S. 75 ff. (S. 132, Fn. 274); aktuell zur Wirtschaftsverfassung z. B. M. Kläver, Die Verfassung des Marktes. Friedrich August von Hayeks Lehre von Staat und Markt im Spiegel grundgesetzlicher Staats- und Verfassungsrechtslehre, 2000, S. 215 ff. 230 Republikanisch K. A. Schachtschneider/A. Emmerich-Fritsche/T. C. W. Beyer, Der Vertrag über die Europäische Union und das Grundgesetz, JZ 1993, S. 751 (S. 756); K. A. Schachtschneider (unter Mitarbeit von O. Gast), Sozialistische Schulden nach der Revolution, 1996, S. 155 (Fn. 675); K. A. Schachtschneider, Der EuroBeschluss des Bundesverfassungsgerichts, IHI-Schriften 9/1998, S. 19 ff. (S. 47); dazu auch W. Hankel/W. Nölling/K. A. Schachtschneider/J. Starbatty, Die Euro-Klage, S. 192 ff., 200 ff., 209 f., 224, u. ö.; dies., Die Euro-Illusion, S. 30 ff., 47 f. u. ö. Die Diskussion wird an späterer Stelle nochmals aufzugreifen sein, da sich die Frage stellt,

3. Kap.: Republik als Steuerstaat

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kenntnis zu dieser Wirtschaftsverfassung tragen die grundlegenden Prinzipien der Republik – Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit – in sich. Eine solche marktorientierte Wirtschaftsverfassung ist mit einem erwerbswirtschaftlich tätigen Staat, einer den Markt konterkarierenden Staatswirtschaft, zum Scheitern verurteilt231. Statt dessen setzt eine markorientierte Wirtschaftsverfassung, setzen die Marktmechanismen systemisch privates Handeln, privatwirtschaftliche Betätigung, voraus232. In einer privatheitlichen Wirtschaft finanziert sich der Staat eben gerade nicht aus den Gewinnen staatlicher Betätigung, staatlicher Teilnahme am Wirtschaftsleben, sondern aus der Teilhabe an den Ergebnissen privaten Wirtschaftens233. Jedenfalls aus einem wirtschaftspolitischen Blickwinkel besehen „gehören Steuerstaat und Marktwirtschaft [im Original kursiv] zusammen.“234 ob nicht aus dem ,Basis-Modell‘ Hinweise für das Verhältnis von Bürger und Staat, von Steuerbürger und Steuerstaat, abgeleitet werden können. 231 Dass die bei erwerbswirtschaftlicher Betätigung regelmäßig zu unterstellende Gewinnerzielungsabsicht schlechthin kein legitimes Ziel staatlichen Handelns sein kann und darf, sei hier nur am Rande erwähnt. Zur Unvereinbarkeit staatlichen Unternehmertums mit dem bloßen Gewinnzweck ausführlich K. A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 310 ff.; dazu ders., Der Anspruch auf materiale Privatisierung, S. 53 ff., 78 ff., 197 ff.; wichtig J. Isensee, Steuerstaat als Staatsform, in: FS H. P. Ipsen: „Gewinnerzielung ist kein legitimer Staatszweck. Unternehmerische Motivation ist dem Steuerstaat fremd.“ (S. 416); a. A. statt vieler R. Scholz, Wettbewerb der öffentlichen Hand. Sanktions- und Rechtswegprobleme zwischen öffentlichem Recht und Privatrecht, NJW 1974, S. 781 f. Eine auf bloße Kostendeckung ausgerichtete Marktteilnahme mag noch in staatsrechtlicher Hinsicht ein Sonderfall sein, führt aber in praxi bei derartig angelegten erwerbswirtschaftlichen Tätigkeiten eben gerade dazu, dass Marktkräfte gestört werden und vorzugsweise die öffentliche Hand, die zu Grenzkosten ohne Gewinnaufschlag im Markt agieren kann, den privaten Wettbewerber regelmäßig zu verdrängen vermag. Hierzu näher im republikanischen Sinne K. A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, passim. 232 I. d. S. K. A. Schachtschneider, Eigentümer globaler Unternehmer, in: FS H. Steinmann, S. 419 ff., wo der Autor nachweist, dass die gesamte Wirtschaftsordnung der Republik auf einer Ordnung der Privatheit basiert; dazu auch ders., Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 25 ff., 218 ff; ebenso ders., Freiheit in der Republik, 8. Kap., VI. 233 Hierzu dogmatisch z. B. P. Kirchhof, Staatliche Einnahmen, in: HStR, Bd. IV, § 88, Rn. 47 ff., ders., in: Standortbestimmung aus verfassungsrechtlicher Sicht, in: P. Kirchhof/M. J. M. Neumann (Hrsg.), Freiheit, Gleichheit, Effizienz, S. 13 ff.; wesentlich und grundlegend ders., Das Steuerrecht als Ausdruck einer Sozialen Marktwirtschaft, in: Ludwig-Ehrhard-Stiftung e. V. (Hrsg.), Ludwig-Erhard-Preis für Wirtschaftspublizistik 2000, 2000, S. 39 ff.; aktuell auch ders., Wirtschaftsfreiheit und Steuerstaat, Festvortrag zu Ehren des Vorsitzenden der Ludwig-Erhard-Stiftung Prof. Dr. Christian Otto Schlecht, in: B. Gemper (Hrsg.), Wirtschaftsfreiheit und Steuerstaat, 2001, S. 31 ff.; grundsätzlich dazu auch ders., Freiheit im ausgleichenden Finanzstaat. Verdienst und Bedarf in einer verteilenden, mechanisierten, geldwirtschaftlich gesteuerten Erwerbswirtschaft, in: Festgabe zum 10jährigen Bestehen der Gesellschaft für Rechtspolitik, 1984, S. 157 ff. Zur Bedeutung der Teilhabe an den Ergebnissen privaten Wirtschaftens für die Eigentumsordnung des Grundgesetzes nochmals im 6. Teil, 2. Kap., auch 5. Teil, 2. Kap., III., ergänzend 3. Teil, 2. Kap., V. 234 J. Isensee, Steuerstaat als Staatsform, in: FS H. P. Ipsen, S. 417. Allerdings hat Isensee den Liberalismus [im Original kursiv] „in seiner staatstheoretischen wie in seiner wirtschaftspolitischen Dimension“ zu der „ideologischen Grundlage des dualisti-

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2. Teil: Republik als das Projekt der Moderne

Es ist wesentliches Zeichen des Steuerstaates, dass er zur Einnahmenerzielung nicht auf eigene erwerbswirtschaftliche Betätigung angewiesen ist, sondern an den am Markt erzielten Erfolgen privaten Wirtschaftens partizipiert235, wie er dies eben durch die Erhebung von Steuern und Abgaben tut236. Während der Staat als Unternehmer die Privatwirtschaft verdrängt und den Markt seiner Marktlichkeit beraubt, diesen in letzter Konsequenz ad absurdum führt, baut der Steuerstaat auf die steuerliche Teilhabe an den Erfolgen der Privatwirtschaft und damit auf eine privatnützige, marktbasierte Wirtschaftsordnung237; schließlich überlässt der Staat Produktivkapital und Erwerbsleben tendenziell dem Privaten und partizipiert lediglich über die Steuer am Florieren privaten Wirtschaftens. Das durch die Vorgaben des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes des Art. 109 GG untermauerte Bekenntnis zu einer marktlichen und sozialen Wirtschaftsverfassung erfordert zwingend eine derivate Form der Einnahmenerzielung wie die Steuerfinanzierung238, die sich zugleich als „verlässlicher Garant einer privaten Berufs- und Eigentumsordnung“ erweist239. schen Konzepts von Steuerstaat und Wirtschaftsgesellschaft“ erkoren; dem ist nicht beizupflichten, lässt sich doch der steuerstaatliche Partizipationsgedanke auch in der republikanischen Konzeption verorten, wie im Folgenden noch zu erläutern sein wird; klar z. B. auch P. Kirchhof, Das Steuerrecht als Ausdruck einer Sozialen Marktwirtschaft, in: Ludwig-Ehrhard-Stiftung e. V. (Hrsg.), Ludwig-Erhard-Preis für Wirtschaftspublizistik 2000, S. 39 ff.; prägnant auch ders., Steuern als Bedingung eines freiheitlichen Wirtschaftssystems. Der Staat darf nur die Wirtschaftskraft besteuern, die der Markt ermöglicht hat, Financial Times Deutschland, 3. Juli 2000, S. 25. 235 Grundlegend J. Isensee, Steuerstaat als Staatsform, in FS H. P. Ipsen, S. 416, der dem Steuerstaat damit „die Absage an das historische System der Eigenwirtschaft [im Original kursiv]“ attestiert. 236 Im Grundsatz sind wohl auch andere Formen der staatlichen Partizipation am privat Erwirtschafteten denkbar als Abgaben, Steuern und Gebühren. Eine nicht geldliche Begleichung der dem Bürger aufzuerlegenden Lasten, wie in der Vergangenheit oftmals mittels des Zehnten geschehen, ist mit den geldwirtschaftlichen Mechanismen einer Marktwirtschaft heutiger Prägung nicht zu vereinbaren, so dass ein staatlicher Anteil an den Resultaten wirtschaftlicher Aktivitäten der Privaten – und der Unternehmen – nur mittels Geldleistungen zu erheben ist. Das Tatbestandsmerkmal der Geldleistung qualifiziert eine Abgabe, besser eine Steuer notwendig, nicht hinreichend; mit anderen Formen von Geldleistungen vermag der Staat jedoch nicht ohne weiteres Einnahmen durch Teilhabe an den Ergebnissen privaten Wirtschaftens zu erzielen. 237 Siehe z. B. P. Kirchhof, Das Steuerrecht als Ausdruck einer Sozialen Marktwirtschaft, in: Ludwig-Ehrhard-Stiftung e. V. (Hrsg.), Ludwig-Erhard-Preis für Wirtschaftspublizistik 2000, S. 39 ff.; ders., Wirtschaftsfreiheit und Steuerstaat, Festvortrag zu Ehren des Vorsitzenden der Ludwig-Erhard-Stiftung Prof. Dr. Christian Otto Schlecht, in: B. Gemper (Hrsg.) Wirtschaftsfreiheit und Steuerstaat, S. 31 ff.; auch ders., Finanzverwaltung und Grundgesetz, in: Perspektiven der Finanzverwaltung, S. 1 ff. 238 Stv. für viele K. Vogel, Der Finanz- und Steuerstaat, in: HStR, Bd. I, 1987, § 27, Rn. 52, 59; so z. B. auch M. Jachmann, Verfassungsrechtliche Grenzen der Besteuerung. Sozialstaatliche Steuergesetzgebung im Spannungsverhältnis zwischen Gleichheit und Freiheit, 1996, S. 4. 239 P. Kirchhof, Finanzverwaltung und Grundgesetz, in: Perspektiven der Finanzverwaltung, S. 1 f.; dazu nochmals 6. Teil, IV., 8.

3. Kap.: Republik als Steuerstaat

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3. Gleichheitliche Lastenzuteilung durch Steuerfinanzierung Die Finanzierung des Staates geht mit republikanischer Gleichheit als Gleichheit aller in Freiheit240 einher. Die Bürger in der Republik haben sich allgemeine Gesetze gegeben, sind gleiche vor dem Gesetz, somit auch vor den Lastengesetzen241. Verfasste Gleichheit meint nicht nur Rechte, gleiche Rechte, sondern auch Pflichten, eben auch Verpflichtungen zu Beiträgen für das Gemeinwesen. In der Republik als freier, gleicher und brüderlicher Bürgergemeinschaft haben alle Bürger gleichmäßig an den vielfältigen Aufgaben des Gemeinwesens mitzuwirken; diese sittliche Verpflichtung ist nichts anderes als die (innere) Freiheit jedes Bürgers in der Republik242. Nicht erst in der arbeitsteiligen, modernen Gesellschaft bedeutet aktive Beteiligung an den Gemeinschaftsaufgaben auch eine wirtschaftliche, finanzielle Verpflichtung für den Bürger. Spätestens an dieser Stelle lässt sich die Klippe der Materialität nicht umschiffen. Trotz aller Formalität des republikanischen Gleichheitsverständnisses müssen die Vorgaben freiheitlicher Gleichheitlichkeit und deren lebenswirkliche Konsequenzen auch in einer materialen, ja materiell-ökonomischen Größe ihren Ausdruck finden; schließlich erfordert über den formalen Aspekt hinaus Freiheit und damit Gleichheit in der Freiheit stets Materialität zur Bewältigung des gemeinsamen Lebens in gleicher Freiheit.

240 Grundlegend Cicero, de re publica, S. 140 f.; J. Locke, Über die Regierung, S. 18 f., 41, 73; J.-J. Rousseau, Vom Gesellschaftsvertrag, S. 22 f., 26, 27, 56 f. u. ö.; I. Kant, Zum ewigen Frieden, S. 204, 241; ders., Über den Gemeinspruch: Das mag in der Theorie richtig sein, taugt aber nicht für die Praxis, S. 145, 150; ders., Kritik der praktischen Vernunft, in: Werke in zehn Bänden, hrsg. v. W. Weischedel, Bd. 6, 5. Nachdr., 1983, S. 103 ff.; sowie exemplarisch G. Dürig, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 1 Abs. 1, Rn. 18, Art. 3 Abs. 1, Rn. 134; M. Kriele, Freiheit und Gleichheit, in: HVerfR, S. 129 ff.; W. Maihofer, Prinzipien der freiheitlichen Demokratie, in: HVerfR, S. 427 ff., 489 ff., 507 ff.; K. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. I, S. 571, 788 ff.; K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, passim; ders., Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 138 ff.; E.-W. Böckenförde, Demokratie als Verfassungsprinzip, in: HStR, Bd. I, § 22, Rn. 35 ff., 41 ff.; W. Henke, Die Republik, in: HStR, Bd. I, § 21, Rn. 32 ff.; J. Isensee, Staat und Verfassung, in: HStR, Bd. I, § 13, Rn. 102 ff.; ders., Gemeinwohl und Staatsaufgaben im Verfassungsstaat, in: HStR, Bd. III, § 57, Rn. 75 ff.; P. Kirchhof, Der allgemeine Gleichheitssatz, in: HStR, Bd. V, § 124, Rn. 103 ff. 241 Einen ersten Überblick zur Frage der Gleichheit vor dem Steuergesetzgeber gibt z. B. H.-W. Arndt, Gleichheit im Steuerrecht, NVwZ 1988, S. 787 ff.; einführend z. B. auch J. Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 4, Rn. 70 ff. (m. zahlr. Hinw. vor Rn. 70); zur Gleichheit im republikanischen Sinne im Folgenden. 242 Zur (inneren) Freiheit als Pflichtigkeit, eben auch dem Gemeinwesen gegenüber grundlegend und ausführlich K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 370 ff., insb. S. 370 ff., auch S. 253 ff., 275 ff., 325 ff., 340 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 2. Kap., VII.; weitere Hinweise finden sich auch im 3. Teil, 1. Kap., 4. Teil, 1. Kap.

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2. Teil: Republik als das Projekt der Moderne

Der republikanische Staat ist dem Gemeinwohl, dem guten Leben aller in gemeinsamer Freiheit243, verpflichtet244; darauf hat er auch sein Finanzgebaren abzustellen. Dementsprechend hat die Finanzierung der Angelegenheiten des Gemeinwohls nach dem „Gemeinlastprinzip“ (P. Kirchhof )245 zu erfolgen. Diese Lasten der Gemeinschaft müssen, dem Gedanken der Republik folgend, nicht nur gemeinschaftlich, brüderlich, von der Gemeinschaft, sondern auch gleichheitlich, von der Allgemeinheit geschultert werden. In Realisierung der sozialen Idee der Republik haben nicht nur alle Bürger brüderlich zu den gemeinschaftlichen Lasten der staatlichen Gemeinschaft beizutragen, sondern auch – nach Maßgabe eines den allgemeinen Gesetzen entsprechenden Maßstabes – diese Lasten gleichheitlich zu tragen; es geht in letzter Konsequenz um die gerechte Verteilung der Lasten für die sozialen Ziele und Aufgaben der republikanischen Bürgerschaft. Bereits die Weimarer Reichsverfassung brachte diesen Gedanken der Lastengleichheit zum Ausdruck: „Alle Bürger ohne Unterschied tragen im Verhältnis ihrer Mittel zu allen öffentlichen Lasten nach Maßgabe der Gesetze bei.“ (Art. 134)

Auf den ersten Blick erlaubt diese Festlegung noch keinen endgültigen Rückschluss auf die in der Verfassung hinterlegte Finanzierungsform des republikanischen Gemeinwesens, zumal dieser Passus der Weimarer Reichsverfassung nicht explizit in das Grundgesetz übernommen worden ist246. Gleichwohl ist diese Definition des Steuerbegriffes in der Weimarer Reichsverfassung – denn darum handelt es sich hier – deckungsgleich mit dem des Grundgesetzes247. Dieser Ruf nach Gleichheit in der Lastenbewältigung, nach Lastengleichheit – „ohne Unterschied“248 – formuliert eine zentrale Anforderung an das Finanzierungssystem und legt dem Finanzgesetzgeber bei der Wahl seiner Abgabenarten deut243 Vgl. K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 297 ff., 350 ff., 573 ff., 625 ff. 244 Dazu W. Henke, Die Republik, in: HStR, Bd. I, § 21, passim; P. Kirchhof, Die Identität der Verfassung in ihren unabänderlichen Inhalten, in: J. Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. I, Grundlagen von Staat und Verfassung in der Bundesrepublik Deutschland, 1987, § 19, Rn. 76 sowie ausführlich zum Gemeinwohlbegriff K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 350 f., 574 ff., 996 f., auch S. 221 f., 286 ff., 402 ff., 656 ff., 668, 815. 245 Staatliche Einnahmen, in: HStR, § 88, Rn. 46. 246 Verschiedene Stimmen gehen davon aus, dass dieser Steuerbegriff der Weimarer Reichsverfassung durch Art. 3 Abs. 1 GG implizit übernommen und abgedeckt wird. Diese Diskussion wird hier nicht vertieft, da sie in der Frage nach den von der Verfassung vorgegebenen Finanzierungswegen nur bedingt zur Problemlösung beiträgt. Dazu z. B. K. Vogel/C. Waldhoff, in: BK, Vorbem. z. Art. 104–115, Rn. 361 f. 247 Hier soll nicht zwischen steuerrechtlichem und verfassungsrechtlichem Steuerbegriff differenziert werden, da etwaige Unterschiede an dieser Stelle der Untersuchung ohne Bedeutung sind. Zum Steuerbegriff nochmals 6. Teil, 1. Kap. 248 Siehe der Wortlaut von Art. 134 WRV.

3. Kap.: Republik als Steuerstaat

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liche Beschränkungen auf. So ist der einnehmende und austeilende Staat nicht nur gehalten, in Erfüllung seiner (sozial-)staatlichen Aufgaben bestmögliche Gleichheit in der Bürgerschaft anzustreben, sondern auch sich des Finanzierungsmechanismus zu bedienen, der eine bestmögliche, gesetzliche und letztlich gerechte Lastenzuweisung erlaubt. Freiheitliche, damit gleichheitliche Einbindung aller Bürger in die Aufgaben der staatlichen Gemeinschaft erfordert auch, dass jeder Bürger wirtschaftlich gleich, somit auch gesetzlich249 an den Gemeinschaftsaufgaben beteiligt wird250. Im Steuerstaat wird dies durch die Steuergleichheit als elementares Wesensgesetz251 eben dieses Steuerstaates zum Ausdruck gebracht. Die Steuerstaatlichkeit erschließt eine gleichheitsgemäße Finanzierungs- und Abgabenart252, mit der nicht nur alle Bürger in die Sicherstellung des öffentlichen Finanzbedarfs eingebunden werden: „Wesensmerkmal der Steuer ist ihre Allgemeinheit. . . . Die Steuer ist die einzige Gemeinlast unter den öffentlichen Abgaben.“ (J. Isensee)253

Keine andere Form der Beteiligung der Bürger an den Aufgaben und Lasten des Gemeinschaft ermöglicht in ihrer Gesetzlichkeit in größerem Maß Gleichheit als die gesetzliche Steuerstaatlichkeit254, keine andere Form der Finanzgewinnung für die Gemeinschaft bietet systemisch bessere Möglichkeiten zur Ausgestaltung in Gleichheit als der verfasste Steuerstaat. Die Steuerpflicht, die Gleichheit in der Belastung verwirklicht255, erweist sich als eine materiale Grundpflicht des verfassten Steuerstaates. Typischerweise wird die Steuer voraussetzungslos im Interesse der Allgemeinheit erhoben. Dieses allgemeine Inte-

249 Gleichheit erfordert Gesetzlichkeit; dies gilt auch für die Besteuerungsgleichheit. Dazu K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 997 ff., 1028, grundlegend auch S. 410 ff.; ergänzend P. Kirchhof, Der allgemeine Gleichheitssatz, in: HStR, Bd. V, § 124. 250 Siehe z. B. J. Isensee, Steuerstaat als Staatsform, in: FS H. P. Ipsen, S. 430. Näher z. B. auch M. Jachmann, Steuergesetzgebung zwischen Gleichheit und wirtschaftlicher Freiheit, S. 9 ff. 251 Vgl. J. Isensee, Steuerstaat als Staatsform, in: FS H. P. Ipsen, S. 418. 252 Nachdem bereits dargelegt wurde, dass in der Republik, auch in der republikanischen Wirklichkeit allein Abgaben der regelmäßige Finanzierungsweg sein können, kann darauf verzichtet werden, andere Formen der staatlichen Finanzierung an der hohen Meßlatte republikanischer Gleichheit zu prüfen; gleichwohl sei darauf hingewiesen, dass eine Vereinbarkeit von steter Kreditaufnahme oder anderen, bereits angesprochenen Möglichkeiten zur Generierung staatlicher Einnahmen im Gesamtkonzept der Staatsfinanzierung mit dem Gedanken der Gleichheit kaum gegeben zu sein scheint. 253 Nichtsteuerliche Abgaben, S. 441. 254 Sinngemäß etwa P. Kirchhof, Die Steuer als Ausdruck staatlicher Gerechtigkeit, in: Katholische Sozialwissenschaftliche Zentralstelle (Hrsg.), Kirche und Gesellschaft, Nr. 291, 2002, passim. 255 So M. Jachmann, Verfassungsrechtliche Grenzen der Besteuerung, S. 9 (m.w. N.).

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2. Teil: Republik als das Projekt der Moderne

resse korrespondiert mit der Belastung der Allgemeinheit, die aus dieser Allgemeinheitlichkeit heraus eine gleichheitliche ist, notwendigerweise sein muss256. Die Allgemeinheit der Steuer spiegelt sich im verfassten Steuerstaat, aber auch in der Steuertechnik, in einer relativen Belastungsgleichheit der einzelnen Steuerpflichtigen untereinander wieder. Den Gedanken der Gleichheit vor dem Gesetz, der Gleichheit in der Belastung, letztlich der Gerechtigkeit in der Belastung wahrend, leitet das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung257 aus dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG das Gebot der Steuergerechtigkeit ab258, an dem der Steuergesetzgeber in seinem ganzen Erfindungsreichtum zu messen ist. Das Bundesverfassungsgericht konstatiert: „Der Gleichheitssatz verlangt für das Steuerrecht, dass die Steuerpflichtigen durch ein Steuergesetz rechtlich und tatsächlich gleich belastet werden.“259

Gerade diesen Gedanken der Gleichheit in der Lastenzuteilung zieht das Bundesverfassungsgericht auch zur Rechtfertigung des steuerlichen Eingriffs in die Rechts- und Vermögenssphäre heran260. Auch und vor allem diese Möglichkeit zur gleichmäßigen, gerechten Verteilung der Lasten auf die einzelnen Bürger, auf die Mitglieder der staatlichen Gemeinschaft rechtfertigt die Steuer, ja die 256 J. Lang, in: in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 4, Rn. 78 stellt völlig zutreffend fest: „Steuergleichheit bedeutet Allgemeinheit der Besteuerung“. 257 Vgl. etwa BVerfGE 6, 55 (70); 9, 3 (9); 13, 202 (298, 338); 23, 242 (253); 43, 108 (118); 65, 325 (354); 66, 214 (223); 84, 239 (268) u. ö. 258 Weiterführend zu der Steuer als Gerechtigkeitsidee in der bürgerlichen Gemeinschaft, wenn auch mit einem deutlich liberalen Zungenschlag etwa P. Kirchhof, Die Steuer als Ausdruck staatlicher Gerechtigkeit, in: Katholische Sozialwissenschaftliche Zentralstelle (Hrsg.), Kirche und Gesellschaft, Nr. 291, 2002; ein informativer Überblick findet sich bei J. Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 4, Rn. 60 ff. (m.w. N. v. Rn. 60), ergänzend Rn. 4 ff., 13, 194 ff.; zum Thema auch P. Kirchhof, Steuergerechtigkeit und sozialstaatliche Geldleistungen, JZ 1982, S. 305 ff., J. Martens, Grundrecht auf Steuergerechtigkeit?. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Leistungsfähigkeitsprinzip, KritV 1987, S. 39 ff., K. Vogel, Steuergerechtigkeit und soziale Gestaltung, DStZA 1975, S. 409 ff.; umfassend K. Tipke, Steuergerechtigkeit in Theorie und Praxis. Vom politischen Schlagwort zum Rechtsbegriff und zur praktischen Anwendung, 1981; hierzu, die Frage der Steuergerechtigkeit aus Sicht der Betriebswirtschaftslehre grundlegend und systematisch erörternd, G. Rose, Überlegungen zur Steuergerechtigkeit aus betriebswirtschaftlicher Sicht, StuW 1985, S. 330 ff. 259 BVerfGE 84, 239 (LS 1); 93, 121 (134). Konsequenterweise verletzt eine (steuer-)gesetzliche Regelung also den Gleichheitssatz, wenn das „Ziel der Gleichheit im Belastungserfolg prinzipiell nicht zu erreichen“ ist; BVerfGE 84, 239 (272); für einen Überblick z. B. T. Koblenzer, Der allgemeine Gleichheitssatz im Steuerrecht, SteuerStud 1999, S. 390 ff. 260 BVerfG, BStBl. II 1995, 655 (660); BVerfGE 84, 239 (268 f.); ausführlicher K. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. II, S. 532 ff.; grundsätzlich zum Gedanken der Lastengleichheit als Maßstab für die Verteilung von Grundpflichten H. Hofmann, Grundpflichten und Grundrechte, in: J. Isensee/P. Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. V, Allgemeine Grundrechtslehren, 1992, § 114, Rn. 37.

3. Kap.: Republik als Steuerstaat

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gesamte Steuerfinanzierung des Gemeinwesens261. Gebühren und Beiträge erfüllen diese Vorgabe in aller Regel nicht, da sie Ansprüche auf konkrete Gegenleistungen begründen, eine tatsächliche Inanspruchnahme durch den Bürger quasi voraussetzen, das Risiko der Einnahmengenerierung dem Staat überantworten und im selben Atemzug die Finanzlasten des Gemeinwohls nur auf unmittelbar betroffene, bestimmte gemeinwohlrelevante Leistungen des Staates nutzende Bürger verteilen; eine vollständige Deckung aller der Gegenleistung zuzurechnenden Kosten durch das zu erwartende Gebühren- und Beitragsaufkommen ist überdies nicht zu prognostizieren, geschweige denn zu garantieren262. Auch die Erhebung von Sonderabgaben unterliegt etlichen restriktiv gehandhabten Vorbedingungen, die das Gericht mit einem besonderen Augenmerk auf die Gleichheit in der Belastung eng gefasst hat, so dass die Sonderabgabe unter gleichheitsrechtlichen Aspekten typischerweise nicht der probate Weg bei der Abgabenerhebung sein wird263. Selbst wenn Finanzlasten des Staates, die auf einzelne Bürger oder ausgewählte Gruppen rekurrieren, noch formale und materiale Gleichheitlichkeit vor diesen Lastengesetzen zuzugestehen ist, begrenzen sie die Zahl der vor dem Gesetz Gleichen, während das gute Leben aller in gemeinsamer Freiheit und daraus abzuleitende Finanzbedürfnisse der Bürgerschaft in ihrer Gesamtheit und Gemeinschaft zukommen. Nur die Steuer vermag also die Bürgerschaft gemeinsam, damit allgemein, letztlich gleichheitlich zur Bewältigung der aus der Gemeinwohlverpflichtung erwachsenden Lasten heranzuziehen. In der Verbindung von (Steuer-)Gleichheit und Steuerstaatlichkeit wird die Steuererhebung regelmäßig verfassungsseitig als die Form der Staatsfinanzierung legitimiert, bei der – auch konstruktionslogisch bedingt – alle Bürger nach einem allgemeinen zugänglichen, bestmöglichen Gerechtigkeitsmaßstab, der Idee der Besteuerung nach wirtschaftlicher 261 M. Jachmann, Steuergesetzgebung zwischen Gleichheit und wirtschaftlicher Freiheit, S. 9, sieht neben vielen anderen in der Verbindung von Steuerstaatlichkeit und Besteuerungsgleichheit sogar die grundlegende [Hervorhebung d. Verf.] verfassungsrechtliche Legitimation der Steuererhebung. Statt vieler z. B. J. Isensee, Steuerstaat als Staatsform, in: FS H. P. Ipsen, S. 416; H.-J. Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 14, Rn. 167; K. Vogel, Der Finanz- und Steuerstaat, in: HStR, Bd. I, § 27, Rn. 51 ff., 69 ff. 262 Schlüssig z. B. R. Lappin, Kreditäre Finanzierung des Staates unter dem Grundgesetz, S. 48 f. 263 Zu den verfassungsrechtlichen Fragen der Sonderabgabe beispielsweise F. Klein, Zur Verfassungsmäßigkeit von Sonderabgaben und ihre Abgrenzung zu den Steuern, DStR 1981, S. 275 ff.; K. H. Friauf, Zur Zulässigkeit von außersteuerlichen Sonderabgaben, in: G. Schmölders et al. (Hrsg.), Der Bürger als Objekt der staatlichen Finanzpolitik, Festschrift für Willy Haubrichs zum 65. Geburtstag, 1976, S. 103 ff.; ders., Zur Zulässigkeit von Sonderabgaben, JA 1981, S. 261 ff.; W. Patzig, Steuern-Gebühren-Beiträge und „Sonderabgaben“, DÖV 1981, S. 729; W. Jakob, Sonderabgaben – Fremdkörper im Steuerstaat?, in: FS F. Klein, S. 663 ff.; P. Kirchhof, Die Sonderabgaben, in: FS K. H. Friauf, S. 669 ff.; M. Jachmann, Sonderabgaben als staatliche Einnahmequelle im Steuerstaat, StuW 1997, S. 299 ff.

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2. Teil: Republik als das Projekt der Moderne

Leistungsfähigkeit nämlich264, ihren Beitrag zu den finanziellen Lasten der Gemeinschaft leisten (können)265. Ein anderes Modell der Staatsfinanzierung würde sich insbesondere unter diesem Aspekt der Herstellung von Lastengleichheit als weniger geeignet, also nicht praktisch vernünftig und somit nicht gerechtigkeitsvermittelnd erweisen; es würde nicht ebensolche Legitimierbarkeit erfahren. IV. Leistungsfähigkeitsprinzip als Fundamentalprinzip der Besteuerung Vor diesem Hintergrund der Steuergleichheit und -gerechtigkeit orientiert sich die Besteuerung am Prinzip der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit266 des ein264

Dazu im Folgenden. Vgl. grundlegend statt vieler P. Kirchhof, „Dass er sich schätzen ließe, ein jeglicher nach seiner Kraft.“ Gebt nicht dem Kaiser, was des Bürgers ist: Eine Weihnachtspredigt über Steuergerechtigkeit und die Kultur der Freiheit, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 24. Dezember 2002, S. 31. 266 Grundlegend D. Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Maßstab der Steuernormen. Ein Beitrag zu den Grundfragen des Verhältnisses Steuerrecht und Verfassungsrecht, 1983. Siehe auch den Überblick zum Leistungsfähigkeitsprinzip als Primärgrundsatz des Steuerrechts bei J. Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 4, Rn. 81 ff. Das Leistungsfähigkeitsprinzip als fundamentalen Maßstab steuerlicher Lastengleichheit entwickelte bereits 1776 A. Smith, An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of the Nations, Zitat nach der deutschen Ausgabe von H. Recktenwald, Wohlstand der Nationen, S. 703, in seiner ersten Steuermaxime der Steuergleichheit: „Die Bürger sollen Steuern im Verhältnis zu ihren Fähigkeiten („in proportion to their respective abilities“) zahlen, und zwar besonders im Verhältnis zum Einkommen, das sie unter dem Schutze des Staates genießen.“ Wenig später fand sich dieser Gedanke, an dem sich viele Verfassungen orientierten, in Art. 13 der französischen Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte vom 3.11.1789 wieder: „Für die Unterhaltung der Streitmacht und für die Kosten der Verwaltung ist ein gemeinschaftlicher Beitrag unerlässlich; dieser soll unter alle Bürger des Staates im Verhältnis zu ihren Vermögensverhältnissen („En raison de leurs facultés“) auf gleiche Weise verteilt werden.“ In Art. 134 der Weimarer Reichserfassung vom 11.8.1919 wurde die Formel von dem unterschiedslosen Lastenbeitrag aller Bürger „im Verhältnis ihrer Mittel“ wieder aufgegriffen. Zur Historie des Leistungsfähigkeitsprinzips auch D. Pohmer/G. Juhrke, Zu Geschichte und Bedeutung des Leistungsfähigkeitsprinzips unter besonderer Berücksichtigung der Beiträge im Finanz Archiv und der Entwicklung der deutschen Einkommensbesteuerung, FinArch. 42 (1984), S. 445; zur verfassungsrechtlichen Verortung außerdem das Zinssteuer-Urteil des BVerfG vom 27.06.1991, BVerfGE 84, 239 (268 ff.); ergänzend z. B. H.-W. Arndt/A. Schumacher, Einkommensbesteuerung und Grundrechte. Zum Einfluss grundrechtlicher Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts auf die Entwicklung der Einkommensbesteuerung in der Bundesrepublik Deutschland, AöR 118 (1993), S. 518 ff.; näher z. B. H. W. Kruse, Die Einkommensteuer und die Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen, in: R. Wendt (Hrsg.), Staat, Wirtschaft, Steuern. Festschrift für Karl Heinrich Friauf zum 65. Geburtstag, 1996, S. 793 ff.; für einen Blick auf die Besteuerung nach wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit durch Vermögen-, Erbschaft- und Schenkungsteuer statt vieler K.-G. Loritz, Verfassungsrechtlicher Rahmen für eine vernünftige Neubewertung des Grundbesitzes, DStR 1995, Beihefter 1 zu Heft 8, S. 3 f. 265

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zelnen Bürgers, was in besonderem Maße für das Einkommensteuerrecht postuliert wird, das augenscheinlich stärker als alle anderen Steuergesetze auf die Leistungsfähigkeit des einzelnen Steuerpflichtigen abzielt267. Allgemein wird das Leistungsfähigkeitsprinzip als „Fundamentalprinzip“268 zur gerechten Verteilung steuerlicher Lasten, zur Erzielung von Steuergerechtigkeit vor dem Hintergrund der in Art. 3 Abs. 1 GG verfassten Gleichheit in der Besteuerung, zur gerechten Besteuerung anerkannt269. Da Steuern voraussetzungslos erhoben werden, können bei der Steuerfinanzierung die Bürger nicht nach dem Äquivalenzprinzip270, also in Abhängigkeit von Leistungen, die die Gemeinschaft bereitstellt, zur Finanzierung eben dieser Gemeinschaftsaufgaben herangezogen werden271. Das steuerliche Leistungsfähigkeitsprinzip soll einen Maßstab für eine gerechte Verteilung der steuerlichen Lasten auf die Bürger in der staatlichen Gemeinschaft liefern272. Die Leistungsfähigkeit eines Bürgers bemisst sich dabei 267 Vgl. BVerfGE 61, 319 (343 f.) m.w. N.; 280, 60 (86). Die besondere Bedeutung der Einkommensteuer beim Steuerzugriff nach Maßgabe der individuellen Leistungsfähigkeit zeichnete sich bereits bei A. Smith, An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of the Nations (siehe obiges Zitat), ab. 268 J. Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 4, Rn. 83. 269 Vgl. BVerfGE 61, 319 (342 f.); 68, 287 (310); 74, 182 (200). Dazu stv. f. viele P. Kirchhof, Der verfassungsrechtliche Auftrag zur Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit, StuW 1985, S. 325 („Das Leistungsfähigkeitsprinzip sichert Gleichmaß . . . der Steuerlast . . .); zu den praktischen Konsequenzen z. B. ders., Die Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit – ein verfassungsrechtliches Problem im Steueralltag, StbKRep. 1988, S. 29 ff.; grundlegend etwa K. Vogel, Steuergerechtigkeit und soziale Gestaltung, DStZ, S. 409 f.; ebenso D. Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Maßstab der Steuernormen, S. 194 f. 270 Ausführlicher zum Äquivalenzprinzip z. B. K. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. I, 2. Aufl., 2000, S. 476 ff.; auch z. B. B. Hansjürgens, Äquivalenzprinzip und Staatsfinanzierung, 2001, der die Thematik allerdings aus einer finanzwissenschaftlichen Perspektive aufarbeitet. 271 Bei einer Besteuerung nach dem Äquivalenzprinzip, wo die Steuer als Gegenwert zu staatlichen Leistungen, auch als Ausgleich staatlicher Kosten fungiert, kann nur eine Gruppenäquivalenz, die staatliche Leistungen einer Gruppe von Abgabenschulden zugerechnet, in Frage kommen, da die einzelnen Abgabenschuldnern zurechnende Individualäquivalenz regelmäßig zum Gebührenbegriff des Finanzverfassungsrechts führt, so der Hinweis bei J. Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 4, Rn. 87. Eine Besteuerung nach dem Prinzip der Individualäquivalenz würde in letzter Konsequenz den Steuerstaat in den Gebührenstaat überführen; hierzu z. B. R. Hendler, Gebührenstaat statt Steuerstaat?, DÖV 1999, S. 749; a. A. wohl P. Kirchhof, Empfiehlt es sich, das Einkommensteuerrecht zur Beseitigung von Ungleichbehandlungen und zur Vereinfachung neu zu ordnen?, in: Gutachten F zum 57. Deutschen Juristentag in Mainz, 1988, S. 16 f., der die Einkommensteuer äquivalenztheoretisch rechtfertigt, indem er den Einkommenserwerb als „individuellen Vermögenszugang durch individuelle Nutzung gemeinschaftlich angebotener Erwerbsmöglichkeiten“ definiert; sinngemäß ders., Verfassungsrechtliche und steuersystematische Grundlagen der Einkommensteuer, DStJG 24 (2001), S. 14 ff.; ders., Besteuerung im Verfassungsstaat, 2000, S. 53. 272 Vgl. dazu bereits die Hinweise in Fn. 266; näher etwa auch J. Lang, Konkretisierungen und Restriktionen des Leistungsfähigkeitsprinzips, in: W. Drenseck/R. Seer (Hrsg.), Festschrift für Heinrich Wilhelm Kruse zum 70. Geburtstag, 2001, S. 313 ff.;

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nach dessen Fähigkeit, Steuern, also Geldleistungen zu erbringen. Mit der Höhe des disponiblen Einkommens wächst die Leistungsfähigkeit des Bürgers, an der die Bemessung der Steuer anknüpft. Gleiche Besteuerung hat also eine numerisch unterschiedliche Besteuerung in Abhängigkeit von der jeweiligen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zur Folge273. Jeder Bürger trägt für das Gemeinwohl „qualitativ gleiche“ Verantwortung274. Dass höhere Leistungsfähigkeit im Sozialstaat mit höherer sozialer Verantwortung, in quantitativer, also wirtschaftlicher Hinsicht korrespondiert, ist in diesem Gedankengebäude nur konsequent275. Als Ausfluss des in Art. 3 Abs. 1 GG statuierten proportionalen Gleichheitssatzes darf das Leistungsfähigkeitsprinzip nicht als Aufforderung zu nivellierender, umverteilender Gleichheit missinterpretiert werden276, sondern sollte nicht zuletzt in seinen einfachsteuergesetzlichen Ausprägungen als Moda-

D. Pohmer/G. Juhrke, Zur Geschichte und Bedeutung des Leistungsfähigkeitsprinzips unter besonderer Berücksichtigung der Beiträge zum Finanzarchiv und der Entwicklung der deutschen Einkommensbesteuerung, FinArch 1984, S. 445 ff.; K. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. I, S. 492 ff. u. ö.; ergänzend, statt vieler, L. Schemmel, Zur Aufnahme des Leistungsfähigkeitsprinzips und anderer Grenzen für den Steuerstaat in das Grundgesetz, StuW 1995, S. 39 ff.; kritisch zur Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit als tragendem Prinzip der Steuergerechtigkeit z. B. H.-W. Arndt, Steuerliche Leistungsfähigkeit und Verfassungsrecht, in: J. Damrau/W. Fürst/ A. Kraft (Hrsg.), Festschrift für Otto Mühl zum 70. Geburtstag, 1981, S. 17 ff.; ders., Gleichheit im Steuerrecht, NVwZ 1988, S. 791, 793 f.; ders., Lenkung durch Steuern und sonstige Abgaben auf dem Gebiet des Wirtschaftsverwaltungsrechts – Bestandsaufnahme und Perspektive, WiVerw 1990, S. 1 (16); H. W. Kruse, Über die Gleichmäßigkeit der Besteuerung, StuW 1990, S. 322 (327); J. Martens, Grundrecht auf Steuergerechtigkeit? Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Leistungsfähigkeitsprinzip, KritV 1987, S. 39 ff.; D. Schneider, Leistungsfähigkeitsprinzip und Abzug von der Bemessungsgrundlage, StuW 1984, S. 356 ff.; dogmatisch sehr kritisch auch W. Leisner, Von der Leistung zur Leistungsfähigkeit – die soziale Nivellierung. Ein Beitrag wider das Leistungsfähigkeitsprinzip, StuW 1983, S. 97 ff. 273 So z. B. M. Jachmann, Steuergesetzgebung zwischen Gleichheit und wirtschaftlicher Freiheit, S. 11. 274 Vgl. z. B. J. Isensee, Steuerstaat als Staatsform, in: FS H. P. Ipsen, S. 430; R. Wendt, Empfiehlt es sich, das Einkommensteuerrecht zur Beseitigung von Ungleichbehandlungen und zur Vereinfachung neu zu ordnen?, DÖV 1988, S. 715; allgemein zur Gemeinwohlverantwortung des Bürgers z. B. J. Isensee, Grundrechtsvoraussetzungen und Verfassungserwartungen an die Grundrechtsausübung, in: HStR, Bd. V, § 115, Rn. 163. 275 Hierzu M. Jachmann, Steuergesetzgebung zwischen Gleichheit und wirtschaftlicher Freiheit, S. 11; ausführlich dies., Verfassungsrechtliche Grenzen der Besteuerung, S. 9 ff. Dass sich formal gleiche Verantwortung für das Gemeinwohl in quantitativ unterschiedlichen Belastungen, je nach Verteilungsmaßstab, niederschlagen kann, entspricht dem Prinzip der Republik, das Gleichheit – zunächst losgelöst von seinen wirtschaftlichen Auswirkungen – formal interpretiert. Hierzu näher K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 410 ff., 990 ff. 276 Deutlich W. Leisner, Von der Leistung zur Leistungsfähigkeit – die soziale Nivellierung, Ein Beitrag wider das Leistungsfähigkeitsprinzip, StuW 1983, S. 97 ff.; ebenso ders., Der Steuerstaat – Weg der Gleichheit zur Macht, StuW 1996, S. 307 ff.: „Der Steuerstaat wirkt nicht nur egalisierend . . .“ (Zitat S. 307).

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lität zur Schaffung eines bestmöglichen Interessenausgleiches für die Erfüllung bürgerlicher Pflichten verstanden werden, bei der – wie es die republikanische Gleichheitsvorstellung vorsieht – hinreichende Unterschiede zwischen den Bürgern, auch in materieller Hinsicht, gewahrt werden können. Das Sozialprinzip277, das als eines der zentralen Prinzipien der Republik auf das gute Leben aller in gemeinsamer Freiheit, in praxi vornehmlich auf soziale Sicherheit, soziale Gleichheit, Steigerung des gesellschaftlichen Wohlstandes und die Teilhabe möglichst vieler daran abzielt278, steht dem Leistungsfähigkeitsprinzip nicht etwa entgegen, sondern bestätigt diesen Besteuerungsgrundsatz279. Republikanische Sozialstaatlichkeit bedingt nicht nur die Chance des einzelnen Bürgers auf Unterstützung durch die Gemeinschaft im Falle von Bedürftigkeit, sondern – getreu dem Verständnis von der Republik, das Rechte und Pflichten im staatlichen Gemeinwesen in Einklang zu bringen versteht280 – auch die sozialstaatlich pflichtige Einbindung des Einzelnen in die staatliche Allgemeinheit, somit auch die Pflicht zur Finanzierung sozialstaatlicher Aufgaben durch den zahlungsfähigen Bürger281. Schließlich bringt die Pflichtigkeit der Steuerbürger die Idee der Brüderlichkeit in der modernen Republik, letztlich den Gedanken der Solidarität der Bürger untereinander, zum Ausdruck282. Das Leistungsfähigkeitsprinzip sieht vor, dass der pflichtige Bürger seiner Steuerpflicht in Abhängigkeit von seinen individuellen Möglichkeiten, seiner jeweiligen Zahlungsfähigkeit nachzukommen hat. Dies führt offensichtlich zu bestmöglicher Gleichheit, folglich auch Gerechtigkeit in der Lastenzuteilung, so dass die Grundkonzeption des Steuerzugriffs nach Maßgabe der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des einzelnen Steuerbürgers nicht auf der Stufe eines individualorientierten Steuerprinzips stehen bleibt, sondern in seinen jeweiligen Um-

277

Zum Sozialprinzip ausführlich im 4. Teil. Stv. f. viele H. F. Zacher, Das soziale Staatsziel, in: HStR, Bd. I, 1987, § 25, Rn. 48. 279 So deutlich P. Kirchhof, Steuergleichheit, StuW 1984, S. 306; dazu BVerfGE 13, 290 (298); 21, 160 (169); 23, 74 (80); 26, 1 (10); 26, 172 (185); 29, 402 (412); 32, 333 (339, 343); 36, 66 (72); 37, 38 (51 f.); i. d. S. auch P. Selmer, Steuerinterventionismus und Verfassungsrecht, 1972, S. 45. 280 Der Interessenausgleich, bei dem Rechte und Pflichten der einzelnen Bürger zum Ausgleich gelangen und so die Freiheit aller verwirklicht wird, ist die Logik der Republik. Hierzu substantiell K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 617 ff. u. ö. 281 Hierzu näher P. Kirchhof, Staatliche Einnahmen, in: HStR, Bd. IV, § 88, Rn. 46; unter besonderer Berücksichtigung der Steuerstaatlichkeit z. B. J. Lang, Verantwortung der Rechtswissenschaft für das Steuerrecht, StuW 1989, S. 209. 282 Zur Solidarität im Sinne der „Sittlichkeit des gemeinsamen Lebens“ wie auch der „Tugend in der Privatheit“ K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 285 f., auch S. 211 ff., 221 f., 230 ff., 266 (m.w. N. in Fn. 74), 566 ff. u. ö.; ergänzend ders., Freiheit in der Republik, 4. Kap., 5. Kap., 8. Kap., III.; weiterführend unten im 4. Teil, auch 3. Teil. 278

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setzungen auch die soziale Idee der brüderlichen Republik unter Gerechtigkeitsaspekten zu befördern vermag. Nicht zuletzt vor dem oben skizzierten Hintergrund erschließt sich neben der relativen Dimension des Prinzips der Besteuerung nach wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit dessen absolute Dimension. Während die relative Komponente, die zweifelsohne im Vordergrund steuerstaatlicher Gleichheitsaxiome stehen muss, auf die Belastungsproportionen zwischen den Steuerbürgern, also das Verhältnis zu anderen Mitsteuerpflichtigen, abstellt, fragt steuerliche Leistungsfähigkeit als absolute Größenordnung nach dem Maß dessen, was der pflichtige Bürger aufgrund seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit an Steuerzahlungen zu leisten imstande ist, also nach der absoluten Grenze steuerlicher Belastbarkeit des Einzelnen283. Hier präsentiert sich das Leistungsfähigkeitsprinzip im Sinne eines Rechts- und Steuerprinzips, das vornehmlich den grundrechtlichen Schutz des Steuerpflichtigen gegenüber dem Fiskus konkretisiert; insofern vermag es zumindest einen die Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen übersteigenden Steuerzugriff zu verhindern284. V. Grundparameter der Besteuerung 1. Steuerobjekte in der Republik Im Einklang mit dem Prinzip der Besteuerung nach wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit streckt der fiskalische Gesetzgeber seine belastende Hand stets nach dem Eigentum, also Einkommen oder Vermögen des pflichtigen Bürgers aus, wenn er Geldzahlungen von der privaten für die öffentliche Hand einfordert. „Das deutsche Steuerrecht zieht nicht den Menschen, nicht den Erwerbsfähigen und nicht den Leistungsempfänger zur Finanzierung der Staatsaufgaben heran, sondern lediglich denjenigen, der Eigentum erworben hat (Besteuerung des Einkommens), der ein Vermögensbestand zu eigen hat (Besteuerung des Vermögens) und der sein Eigentum gebraucht (Besteuerung der Einkommensverwendung).“ (Paul Kirchhof )285 283 So der wichtige Hinweis von H. Weber-Grellet, Die Bedeutung der Rechtsnatur des Steuerrechts für dessen Anwendung und Auslegung, StuW 1993, S. 98, der übrigens das Leistungsfähigkeitsprinzip in seiner absoluten Dimension in den Art. 2 Abs. 1 und Art. 14 GG verankert sehen will. Dazu nochmals im 6. Teil, 2. Kap., I., II., auch IV. 284 Dazu deutlich D. Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Maßstab der Steuernormen, S. 123 ff., 179 ff., 202 ff.; auch P. Kirchhof, Besteuerung im Verfassungsstaat, S. 17 ff., 22 (die „im Leistungsfähigkeitsprinzip steuerlich ausgeformten Grundsätze der Freiheit und Gleichheit . . .“); sinngemäß auch ders., Der verfassungsrechtliche Auftrag zur Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, StuW 1985, S. 325 f.; ebenso K. Tipke: Über Steuergerechtigkeit, in: B. Ziemske/T. Langheid/H. Wilms/G. Haverkate (Hrsg.), Staatsphilosophie und Rechtspolitik, Festschrift für Martin Kriele zum 65. Geburtstag, 1997, S. 961 („Schon aus dem Leistungsfähigkeitsprinzip selbst ergeben sich auch gewisse Grenzen der Besteuerung“).

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Im Steuerstaat verfügt der Bürger über die Freiheit, sein Talent zur Erwerbsbetätigung brachliegen zu lassen oder sein Eigentum nicht zur marktlichen Nutzung anzubieten. Systematisch knüpft die Steuerpflicht als republikanische Bürgerpflicht also erst an dem Erworbenen, nicht an der Erwerbsfähigkeit des Bürgers an. Die Besteuerung fragt nach der Fähigkeit zur Steuerzahlung aufgrund dieses Erworbenen, nicht nach der Fähigkeit zum Erwerb infolge erwerbswirtschaftlicher Bemühungen286. Belastungsgrund der Steuer ist damit das privatnützige Eigentümerhandeln, nämlich das Erwerben, Haben und Verwenden von Eigentum287. „Die Steuer ist Eigentümersteuer und bemisst sich nach der individuellen Zahlungsfähigkeit.“ (Paul Kirchhof )288

Konsequenterweise richtet der Finanzstaat, der seine Belastungsbemühungen auf das Eigentum des privaten Bürgers konzentriert, sein Hauptaugenmerk grundsätzlich und vorrangig auf das private Eigentum in Bewegung, nicht den ruhenden Eigentumsbestand289. Im Falle der Besteuerung des Einkommens wird die Einkommensquelle im Grundsatz steuerlich verschont und der fiskalische Staat beschränkt sich auf eine Teilhabe an den Eigentumszuwächsen aus dieser Quelle. Soweit der Eigentumsgebrauch, also die Eigentumsverwendung besteuert wird, erfasst der Steuergesetzgeber Privateigentum, das ein Berechtigter willentlich aus dem Bestand seines Privateigentums herausgelöst und zur Disposition des Marktes gestellt hat. Der Steuerzugriff auf den Eigentumsbestand gestaltet sich dogmatisch schwieriger; nicht zuletzt vor diesem Hintergrund werden fiktive Sollerträge dieses Eigentumsbestandes unterstellt, um einen entsprechenden Steuerrechtfertigungsbeitrag leisten zu können. Mit jeder hoheitlichen Geldleistungspflicht wird ein konkretes Wirtschaftsgut – Einkommen, Vermögen oder ein als Gegenleistung eingesetztes Entgelt – belastet und ein spezieller Eigentumsbestand gemindert290. Regelmäßig knüpft an dieser Stelle die indivi285 Steuergleichheit, StuW 1984, S. 298. Vgl. ergänzend z. B. J. Mitschke, Über die Eignung von Einkommen, Konsum und Vermögen als Bemessungsgrundlage der direkten Besteuerung. Eine meßtechnische Analyse, 1976. 286 Siehe etwa P. Kirchhof, Steuergerechtigkeit und sozialstaatliche Geldleistungen, JZ 1982, S. 306. 287 I. d. S. z. B. P. Kirchhof, Staatliche Einnahmen, in: HStR, Bd. V, § 88, Rn. 70 ff. 288 Ebenda (im Original kursiv). Sinngemäß, wenn auch noch zwischen Leistungsfähigkeit und Zahlungsfähigkeit differenzierend, ders., Steuergerechtigkeit und sozialstaatliche Geldleistungen, JZ 1982, S. 306 f.; diese Differenzierung scheint m. E. vernachlässigbar, wenn man sich die Definition von wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit vor Augen führt, die auf die Fähigkeit des Pflichtigen zur Steuerzahlung, also offensichtlich auf seine Zahlungsfähigkeit, abstellt. 289 Vgl., auch weiterführend, z. B. P. Kirchhof, Steuergerechtigkeit und sozialstaatliche Geldleistungen, JZ 1982, S. 306 f.; ders., Steuergleichheit, StuW 1984, S. 299; ders., Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Vermögen- und Erbschaftsteuer, S. 1 f. 290 So P. Kirchhof, Steuergleichheit, StuW 1984, S. 309.

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duelle Verfassungsrechtsposition für den Steuerbürger an, besonders die Eigentumsgewährleistung des Art. 14 GG291. Steuern auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit in ihrer Prinzipienhaftigkeit differenzieren292 die Steuerbemessungsgrundlagen grundsätzlich nach drei Leistungsfähigkeitsindikatoren, nämlich dem Einkommen im Sinne eines Vermögenszugangs, dem Vermögen im Sinne des gespeicherten Einkommens und dem Konsum als Verwendung von Einkommen oder Vermögen293. Durch Einkommensteuer und Körperschaftsteuer werden die Markteinkommen der Bürger universell erfasst. Auch die Besteuerung des Vermögenstransfers durch die Erbschaft- und Schenkungsteuer zählt steuersystematisch zu diesem Steuerzugriff auf Einkommen und Vermögen. Weiterhin wird der Vermögensbestand steuerlich erfasst; da gegenwärtig die Vermögensteuer ausgesetzt und die Gewerbekapitalsteuer zwischenzeitlich abgeschafft ist, beschränkt sich die Steuerbelastung für den Vermögensbestand auf die Grundsteuer. Die Einkommens- oder Vermögensverwendung wird durch die Umsatzsteuer als allgemeine Verbrauchsteuer, durch spezielle Verkehrsteuern und durch spezielle Verbrauch- und Aufwandsteuern belastet294. Die Einkommensteuer, die sich steuersystematisch am deutlichsten an der verfassungsgesetzlichen Vorgabe des Leistungsfähigkeitsprinzips orientiert, knüpft an sieben, im Einkommensteuergesetz enumerativ aufgeführten Einkunftsarten an, deren „zugrunde liegenden Tätigkeiten oder Vermögensnutzungen auf eine größere Zahl von Jahren gesehen der Erzielung positiver Einkünfte oder Überschüsse dienen“295. Als der Steuer zu unterwerfendes Einkommen aus wirtschaftlichen Betätigungen, also als Markteinkommen296, hat die Judikatur 291

Dazu umfassend 6. Teil, 2. Kap. Zur „Utopie“ der Alleinsteuer siehe den Überblick von J. Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 4, Rn. 93 f. (m.w. N.). 293 Siehe die grundsätzliche Darstellung bei J. Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 4, Rn. 95 ff., insb. Rn 95. Steuerdogmatisch identifiziert übrigens K. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. I, S. 326, „das Einkommen, genau: das als Vermögen gespeicherte Einkommen“ als einzige Steuerquelle; dazu z. B. P. Kirchhof, Steuerrechtsordnung als Wertordnung, StuW 1996, S. 5 ff. Diese steuersystematische Diskussion soll nicht vertieft werden, da die Eingriffs- und Belastungshaftigkeit der Besteuerung durch diese Qualifizierung nicht entscheidend verändert wird. 294 Dazu ausführlicher J. Lang, in: K. Tipke/J. Lang (Hrsg.), Steuerrecht, 17. Aufl., 2002, § 8, Rn. 30 ff., 38 ff., 43 f., 100 ff.; dogmatisch wesentlich P. Kirchhof, Steuergerechtigkeit und sozialstaatliche Geldleistungen, JZ 1982, S. 306 f.; ergänzend ders., Der verfassungsrechtliche Auftrag zur Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, StuW 1985, S. 321, 324 ff. 295 So die Formulierung des Großen Senats, BFH BStBl. 1984, 766, die zurück geht auf das Grundsatzurteil des RFH vom 14.3.1929, RStBl. 1929, 329. 296 Die Beschränkung auf das Markteinkommen gestaltet im Wesentlichen den Charakter des deutschen Einkommensteuerrechts. Grundlegend zum Markteinkommen R. Wittmann, Das Markteinkommen – einfachgesetzlicher Strukturbegriff und verfassungsdirigierter Anknüpfungsgegenstand der Einkommensteuer?, 1992; ders., Besteue292

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damit das Einkommensteuerobjekt „Summe der Einkünfte“ näher bestimmt. Nachdem das Einkommensteuerrecht ganz auf die Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen ausgelegt sein soll, bedarf es eines Einkommensbegriffes, der die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit umfassend, unterschiedslos und folgerichtig erfasst; die Besteuerung des mit wirtschaftlicher Betätigung erzielten Markteinkommens297 scheint diesen Anforderungen am ehesten zu entsprechen298. Im geltenden Einkommensteuerrecht kommt das Leistungsfähigkeitsprinzip an zahlreichen Stellen zum Ausdruck299, so z. B. in der Progression der Steuersätze300, dem abgestuften System bei der Abzugsfähigkeit von Vorsorgeaufwenrung des Markteinkommens – Grundlinien einer freiheitsschonenden Besteuerung, StuW 1993, S. 35 ff. Zur theoretischen Fundierung der Markteinkommenstheorie ausführlicher J. Lang, in: K. Tipke/J. Lang (Hrsg.), Steuerrecht, 17. Aufl., 2002, § 9, Rn. 52 (m.w. N.). 297 Während die Einkommensteuer die Einkommen natürlicher Personen erfasst, sind der Körperschaftsteuer die Einkommen juristischer Personen, insbesondere Kapitalgesellschaften, und anderer Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen im Sinne des § 1 KStG unterworfen; mit diesem Dualismus von Einkommensteuer und Körperschaftsteuer wird die umfassende Besteuerung aller Markteinkommen sichergestellt. 298 Siehe auch den Hinweis von J. Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 8, Rn. 30 ff., auf die Markteinkommenstheorie, die sich seines Erachtens in der Praxis der Rechtsanwendung durchgesetzt hat; ob es sich bei der Besteuerung des Markteinkommens nun um die rechtspraktische Umsetzung der Markteinkommenstheorie oder eine besondere Ausprägung der Basistheorien des Steuerrechts – Qellentheorie und Reinvermögenszugangstheorie – handelt, sei dahingestellt. Zu dieser Diskussion ausführlich J. Lang, Gewinnrealisierung – Rechtsgrundlagen, Grundtatbestände und Prinzipien im Rahmen des Betriebsvermögensvergleichs nach § 4 Abs. 1 EStG, DStJG 4 (1980), S. 54 ff.; kritisch z. B. H. Söhn, Erwerbsbezüge, Markteinkommenstheorie und Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit, in: J. Lang (Hrsg.), Die Steuerrechtsordnung in der Diskussion, Festschrift für Klaus Tipke zum 70. Geburtstag, 1995, S. 343 ff.; A. Steichen, Die Markteinkommenstheorie. Ei des Kolumbus oder rechtswissenschaftlicher Rückschritt?, in: J. Lang (Hrsg.), Die Steuerrechtsordnung in der Diskussion, Festschrift für Klaus Tipke zum 70. Geburtstag, 1995, S. 365 ff. 299 Allgemein zur Erfassung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit im Einkommensteuerrecht BVerfGE 48, 108 (120); 55, 274 (302); 61, 319 (344); 66, 214 (223); 67, 290 (297); 280, 60 (86);?, 198 (206 ff.); 83, 395 (402). Dazu D. Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Maßstab der Steuernormen, S. 21 ff.; K. Tipke, Über „richtiges Steuerrecht“, StuW 1988, S. 269; J. Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer. Rechtssystematische Grundlagen steuerlicher Leistungsfähigkeit im deutschen Einkommensteuerrecht, 1988, S. 99 ff. 300 Den progressiven Einkommensteuertarif leitet das Bundesverfassungsgericht unmittelbar und allein aus dem Gleichheitssatz ab, so BVerfGE 18, 51 (68 f.); i. d. S. auch K. Vogel, DStZ/A 1975, S. 409 (411); ders., StuW 1980, S. 206 (211). Das Leistungsfähigkeitsprinzip führt jedoch nicht zwangsweise zu einem progressiven Steuertarif, wie z. B. K. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. I, S. 411 f., feststellt; auch H.-H. v. Arnim, Staatslehre der Bundesrepublik Deutschland, 1984, S. 154 ff. Die Steuerprogression findet ihre Rechtfertigung weniger in der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit als vielmehr in einer mit der Höhe des Einkommens progressiv steigenden Verzichtsmöglichkeit auf zusätzliches Einkommen, wie P. Kirchhof, Empfiehlt es sich, das Einkommensteuerrecht zur Beseitigung von Ungleichbehandlungen und zur Ver-

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dungen, anderen Sonderausgaben und außergewöhnlichen Belastungen, der Einbeziehung ausländischer Einkünfte in den Progressionsvorbehalt, der Interperiodizität des Verlustvor- oder -rücktrages oder der möglichst realitätsnahen Berücksichtigung von Unterhaltspflichten für Ehegatten, Kinder und andere nahe stehende Personen301. Als substantielles Prinzip der steuerstaatlichen Republik prägt es allerdings nicht nur das Einkommensteuerrecht, sondern formt – wie bereits angedeutet – alle steuergesetzlich normierten Besteuerungsaktivitäten des Steuerstaates nicht nur als Gleichheits- und Gerechtigkeitsstatut, sondern fungiert gegebenenfalls auch als erste Grenzlinie des Steuerzugriffs. 2. Steuersubjekte in der Republik Grundsätzlich unterliegen alle der Gesetzgebungshoheit des Staates unterworfenen Personen302 auch der Besteuerungsgewalt des Staates. Ebenso wie Gleichheit, aber auch andere Prinzipien der Republik Rechte der Menschen und der Bürger sind, entfalten sich die steuerlich einschlägigen Verfassungsprinzipien, wie das Prinzip der Besteuerungsgleichheit und das steuerliche Leistungsfähigeinfachung neu zu ordnen?, in: Gutachten F für den 57. Deutschen Juristentag 1988, S. 71, überzeugend nachweist. 301 Vgl. z. B. den überblicksartigen Hinweis bei M. Jachmann, Verfassungsrechtliche Grenzen der Besteuerung, S. 9; ausführlicher H.-W. Arndt/A. Schumacher, Einkommensbesteuerung und Grundrechte. Zum Einfluss grundrechtlicher Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts auf die Entwicklung der Einkommensbesteuerung in der Bundesrepublik Deutschland, AöR 118 (1993), S. 513 (519 ff.) m.w. N.; umfassend K. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. II, 1993, S. 532 ff. 302 Die Diskussion um den Begriff der Person soll hier nicht vertieft werden. Wertvoll erscheint jedoch der Hinweis von K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 217, dass der Mensch nur unter Menschen und nur durch das Gesetz Person ist, dass der Mensch als rechtliches Subjekt, also auch als Steuerrechtssubjekt Person ist. Zum Personenbegriff grundlegend I. Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, S. 60 f., 72; ders., Metaphysik der Sitten, S. 329 f.; dazu W. Maihofer, Prinzipien der freiheitlichen Demokratie, in: HVerfR, S. 490 ff., K. A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 99 ff., 116 ff., 122 ff.; auch BVerfGE 1, 159 (161); ergänzend K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 275 ff., 328 f., 370 ff. Zutreffend wird – so z. B. auch bei W. Henke, Recht und Staat, S. 611 – thematisiert, dass der Erhalt von Rechtsfähigkeit und Staatsbürgerschaft mit der Geburt integraler Bestandteil der Menschenwürde i. S. d. Art. 1 Abs. 1 GG ist. Auch Steuerrechtsfähigkeit und ggfs. Steuerpflicht entstehen mit der Geburt. Ob und inwieweit nun Steuerrechtsfähigkeit eine unbedingte Forderung der Menschenwürde ist, sei an dieser Stelle dahingestellt; vor dem Hintergrund, dass eine staatliche Teilhabe am Erfolg des privaten Wirtschaftens zur Finanzierung der Aufgaben des Gemeinwesens, also eine Steuerfinanzierung, die Freiheit verwirklicht und somit in letzter Konsequenz (Steuer-)Gesetze der Freiheit des Bürgers in der Republik dienen, mag sogar der Brückenschlag zwischen Steuerrechtsfähigkeit und Steuerpflicht einerseits, Menschenwürde andererseits gelingen. Provokant wäre sogar die These in den Raum zu stellen, dass ein grundsätzlich nicht steuerpflichtiger Bürger, der also von der Steuerpflicht ausgeschlossen wird, einer elementaren Bürgerpflicht und implizit damit auch eines Bürgerrechtes beraubt wird, schlussendlich in seinem Bürgersein verletzt wird.

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keitsprinzip, aber auch andere Verfassungsprinzipien und -rechte – dazu zählt auch das Eigentumsgrundrecht – für jeden Bürger, für jede natürliche Person. Steuersubjekte303 sind die Rechtssubjekte des Steuerrechts im Sinne von potentiellen Steuerschuldnern, denen ein Steuerobjekt und die damit verbundene Steuerschuld zugerechnet wird. Dies macht zunächst jede natürliche Person, jeden Bürger, den der Staat mit öffentlich-rechtlichen Geldleistungspflichten belastet, zum verfassungsrelevanten Steuerbürger. Die Steuerrechtsfähigkeit darf nicht mit der Rechtsfähigkeit des bürgerlichen Gesetzbuches gleichgesetzt werden, ist eine davon unabhängige Sonder-Rechtsfähigkeit304. Steuersubjekt ist nicht nur jede Steuerperson, die Träger von steuergesetzlichen Rechten und Pflichten ist, sondern auch jedwedes Gebilde, in dem wirtschaftliche Leistungsfähigkeit abgebildet und erfasst werden kann; das Steuersubjekt muss nicht zwingend mit dem Bürger des Grundgesetzes identisch sein305. Auch inländische juristische Personen – Kapitalgesellschaften, Körperschaften des öffentlichen Rechts etc. – können Steuersubjekt sein, so in erster Linie bei der steuerlichen Erfassung des Einkommens durch die Körperschaftsteuer, aber auch bei der Ertragsbesteuerung des Gewerbebetriebes der juristischen Person im Zuge der Gewerbesteuer oder bei der Besteuerung von wirtschaftlich relevanten Verkehrsvorgängen durch die Umsatzsteuer. Auch wenn die Grundrechtsfähigkeit der juristischen Personen wie auch die Problematisierung dieser 303 Alternativ finden die Begriffe Steuerrechtssubjekt, Steuerrechtsperson oder Steuerperson, in aller Regel – zumindest in der Terminologie des Steuerrechts – der Begriff Steuerpflichtiger Verwendung. Auch die Abgabenordnung als große Klammer über alle Einzelsteuergesetze kennt die Begriffe „steuerrechtsfähig“ oder „Steuerrechtsfähigkeit“ nicht. Nicht zuletzt diese Begrifflichkeit verdeutlich, dass im Steuerrechtsverhältnis offensichtlich die Pflichten überwiegen, obgleich der Steuerpflichtige natürlich steuerrechtsfähig ist, in seiner Bürgerlichkeit den Gesetzen verbunden ist und sich auf diese berufen kann, mithin ihm nicht nur Pflichten, sondern auch Rechte erwachsen. Siehe den Hinweis zu dieser Begriffsverwendung bei J. Lang, in: K. Tipke/J. Lang, Steuerrecht, 17. Aufl., 2002, § 6, Rn. 11. Ob die Bezeichnung des Steuerbürgers als Steuerpflichtiger nicht zu kurz greift und das hier kommunizierte Verständnis von Bürgerlichkeit der Republik als bürgerlicher Gemeinschaft, auch Finanzgemeinschaft, zuwiderläuft, sei einmal dahingestellt. 304 Dass verfassungsrechtlicher Bürger und einfachgesetzlicher Steuerpflichtiger auf den ersten Blick auseinanderfallen können, zeigt sich auch bei Betrachtung der Steuerhoheit des Staates, die untrennbar verbunden mit dessen Gebietshoheit ist. Die Besteuerung folgt im Grundsatz dem Gebietsprinzip. Die steuerlichen Zahlungspflichten beschränken sich nicht etwa nur auf (deutsche) Staatsbürger, sondern erstrecken sich auf alle Inländer. Dieses Element staatlicher Besteuerungsgewalt spiegelt sich in einfachgesetzlichen Regelung der Abgabenordnung wider, die die subjektive Steuerpflicht nicht an Nationalität, Staatsangehörigkeit oder ähnlichem, sondern am Wohnort (§ 8 AO) oder am Ort des gewöhnlichen Aufenthalt (§ 9 AO) des Steuerpflichtigen festmacht. 305 Trotz etwaiger Diskrepanz von Grundrechts- und Steuersubjekt sei im Folgenden die uneingeschränkte Grundrechtsfähigkeit des Steuerpflichtigen unterstellt; der vom steuerlichen Zugriff in seinem Einkommen und Vermögen, seinem Eigentum berührte Steuerpflichtige sei der Bürger des Grundgesetzes.

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2. Teil: Republik als das Projekt der Moderne

Frage eine lange Tradition haben und die grundrechtliche Relevanz der Eigentumsgewährleistung des Art. 14 GG für Einkommen und Vermögen der juristischen Person Anlass zur Diskussion bieten mögen, sei die grundsätzliche Steuersubjekthaftigkeit der juristischen Person neben der der natürlichen Person festgehalten306. Das Kriterium der juristischen Person, also das rechtsformbedingte Anknüpfen an einem Rechtsträger ermöglicht auch die steuerliche Erfassung erwerbswirtschaftlicher Tätigkeit der öffentlichen Hand307, letztendlich eine Besteuerung von Hoheitsträgern im Rahmen ihrer privaten wirtschaftlichen Betätigungen mit ihren öffentlichen Unternehmen308, die zumeist als juristische Person ebenfalls Steuersubjekt sein können309. Theoretisch kommen Einzelper306 Zu dem Grundrechtsschutz von juristischen Personen vgl. BVerfGE 61, 78 (108); 66, 116 (130); auch BVerfGE 21, 362 (369 ff.); 35, 263 (271); 39, 302 (314 f.); 45, 63 (78 f.); 61, 82 (110); 62, 354 (369); 68, 163 (206); 70, 1 (15 ff.); 75, 192 (196); 85, 360 (385); vgl. z. B. G. Dürig, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 3, Rn. 33 ff.; dazu auch K. A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 275 ff.; zur Grundrechtsfähigkeit der juristischen Personen aus Art. 14 Abs. 1 i.V. m. Art. 19 Abs. 3 GG vgl. BVerfGE 50, 290 (351 ff.); dazu z. B. W. Leisner, Eigentum, in: HStR, Bd. VI, § 149, Rn. 108 ff., 112 ff.; B.-O. Bryde, in: v. Münch/Kunig, GG, Art 14, Rn. 6 („Grundrechtsträger sind alle inländischen natürlichen und juristischen Personen des Privatrechts“). Für die weitere Untersuchung mag weniger die Steuerrechtsfähigkeit als die Grundrechtsfähigkeit der juristischen Personen zu problematisieren sein; im Folgenden wird davon ausgegangen, dass auch juristische Personen – und diese Erkenntnis steht für die weitere Untersuchung über das Verhältnis von Eigentum und Steuern im Vordergrund – die Eigentumsgewährleistung des Art. 14 GG beanspruchen können. 307 Klar von der unternehmerischen, gewerblichen Betätigung der öffentlichen Hand zu trennen ist die Ausübung öffentlicher Gewalt, die Wahrnehmung staatlicher Aufgaben, deren Steuerunwürdigkeit unbestritten sein dürfte. Als in praxi problematisch erweist sich regelmäßig die Ziehung einer Trennlinie, die über eine prinzipielle Unterscheidung hinausgeht und das Finden von Tatbestandsmerkmalen zur fallgenauen Differenzierung ermöglicht. Die Bedeutung einer solchen Unterscheidung ist in einer etwaigen wettbewerbsverzerrenden Kosten – und Preiswirksamkeit der Steuer zu finden. Konkurriert nämlich ein steuerbelastetes Privatunternehmen gegen ein vom steuerlichen Zugriff verschontes öffentliches Unternehmen liegt dessen Wettbewerbsvorteil evident auf der Hand; derartige Fälle kennt die Praxis zur Genüge, man denke nur an zahlreiche Umsatzsteuerbefreiungen. 308 Zum Problemfeld der öffentlichen Unternehmen grundlegend K. A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, passim; ders., Der Anspruch auf materiale Privatisierung, S. 33 ff., 45 ff., 100 ff., 190 ff., sowie oben II. 1. 309 So die gängige Praxis; a. A. K. A. Schachtschneider, Eigentümer globaler Unternehmer, in: FS H. Steinmann, S. 420 („Auch wenn in etlichen Gesetzen von staatlichen, öffentlichen Unternehmen die Rede ist und sich in der Praxis des Wirtschaftslebens eine Vielzahl von erwerbs-, ja gewinnorientierten Unternehmen der öffentlichen Hand finden, darf der Staat keine staatlichen Unternehmen betreiben oder anderweitig unternehmerisch tätig werden.“), der sich vor diesem Hintergrund deutlichst gegen die Möglichkeit der Wahl einer privaten Rechtsform für den Staat, seine Organisationen und deren Handeln ausspricht; vgl. etwa ders., Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 5 ff., 173 ff., 181 ff.; auch ders., Grundgesetzliche Aspekte der freiberuflichen Selbstverwaltung, Die Verwaltung 31 (1998), S. 144; ergänzend ders., Res publica res populi, S. 230; ders., Der Anspruch auf materiale Privatisierung, S. 49 ff.,

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sonen, Personengesellschaften, Kapitalgesellschaften, Genossenschaften, nicht rechtsfähige Personenvereinigungen, Unternehmen beliebiger Rechtsform, letztendlich alle Gebilde, die etwas erwirtschaften und über Wirtschaftsgüter verfügen können, die also in irgendeiner Form wirtschaftlich leistungsfähig sind, als Steuersubjekte in Betracht310. Über die juristische Person hinaus werden auch deren Anteilseigner – seien es natürliche oder juristische Personen – als Steuersubjekte von den fiskalischen Zugriffen erfasst311; ihre Steuersubjekthaftigkeit erschließt sich über das Anteilseigentum312. Mit der Wahl des Steuergegenstandes ist regelmäßig auch das Steuersubjekt definiert, weil jeder Steuergegenstand nach Maßgabe von Art. 14 GG einem Eigentümer zugeordnet werden kann; insoweit gestaltet sich die Frage nach dem Grundrechtsträger weitgehend unproblematisch. Allerdings stehen dem Steuergesetzgeber auch bei der Festlegung des Steuersubjektes gewisse Entscheidungsspielräume offen, wenn z. B. eine formale Eigentümerstellung mit der wirtschaftlichen Sachherrschaft nicht kongruent verläuft. Als problematisch erweist sich die Benennung des Steuersubjektes als verfassungsrechtlich erhebliches Rechtssubjekt in den Fällen überwälzbarer Steuern313. 3. Steuerbemessungsgrundlage und Steuertarif als wesentliche Belastungsdeterminanten Steuerliche Geldleistungspflichten, die der moderne Steuerstaat seinen Steuerbürgern auferlegt, konkretisieren sich in einem geldlichen Steuerbetrag, einer Geldzahlung, die der Steuerpflichtige regelmäßig aus seinem Einkommen oder seinem Vermögen zu leisten hat. In dieser Einkommens- oder Vermögenshingabe liegt die eigentliche, material-ökonomische Belastungswirkung der Besteuerung, mit der sich auch die verfassungsrechtliche Diskussion auseinander53 ff., 190 ff., 200 ff.; ders./A. Emmerich-Fritsche, Fallstudie zum Kommunalen Wettbewerb, S. 60 ff. 310 So stv. für viele J. Lang, in: in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 7, Rn. 22; deutlich vor allem K.-H. Ladeur, in: R. Wassermann (Hrsg.), Reihe Alternativkommentare, Kommentar zum Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Bd. 1, 2. Aufl., 1989, Art. 19 Abs. 3, Rn. 57: „Nach der hier vertretenen Auffassung hängt die Grundrechtsfähigkeit unter dem Aspekt des Art. 14 nicht von der Organisations- oder Handlungsform (öffentlich-rechtliche Organisationsform/Eigengesellschaft/Gemischt-Wirtschaftliches Unternehmen; hoheitlich/verwaltungs-privatrechtlich, fiskalisch) ab.“ 311 Für eine Eigentümerstellung der Anteilhaber an Unternehmer etwa BVerfGE 14, 263 (276); 25, 371 (407); 50, 220 (341 ff.); tendenziell kritisch W. Leisner, Eigentum, in: HStR, Bd. VI, § 149, Rn. 112 ff., insb. Rn. 116. 312 Siehe BVerfGE 14, 263 (276 ff.); 25, 371 (407); 50, 290 (341 ff.); ebenso W. Leisner, Eigentum, in: HStR, Bd. VI, § 149, Rn. 112 ff.; H.-J. Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 14, Rn. 193 f., 498 ff.; im republikanischen Sinne auch K. A. Schachtschneider, Eigentümer globaler Unternehmer, in: FS H. Steinmann, S. 409. 313 Hierzu P. Kirchhof, Steuergleichheit, StuW 1984, S. 312.

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2. Teil: Republik als das Projekt der Moderne

zusetzen hat314. Die steuerliche Belastung – und diese Größe muss bei der Frage nach dem Maß, mit dem der Fiskus den Bürger belasten darf, natürlich im Mittelpunkt der Betrachtungen stehen – resultiert in der Höhe nicht etwa, wie landläufig immer wieder vermutet wird, allein aus dem steuergesetzlich vorgesehenen Steuersatz, sondern präsentiert sich als Produkt von Steuersatz und Steuerbemessungsgrundlage; aus dem Steuersatz leitet sich auf der Bemessungsgrundlage als Bezugsbasis der Steuerbetrag ab. In der Steuerbemessungsgrundlage315 wird der Steuergegenstand tatbestandlich erfasst und abgegrenzt; die Bemessungsgrundlage der Steuer bilden diejenigen Normen, die das Steuerobjekt quantifizieren316. Aufgrund des numerischen Charakters der Steuer muss das, was zu besteuern ist, was der Steuerbemessung zugrunde zu legen ist, also die Bemessungsgrundlage, in einer zählbaren Größe ausgedrückt werden. Dabei können Steuerbemessungsgrundlagen an den Wert (Wert, Entgelt, Gegenleistung) eines Steuerobjektes anknüpfen und an technische Bemessungsgrundlagen (Stückzahl, Menge, Gewicht, Hohlmaß, Flächenmaß); während indirekte Steuern auch auf solche Maßgrößen Bezug nehmen können, quantifiziert das geltende (Ertrags-)Steuerrecht Steuerobjekte regelmäßig nach ihrem wirtschaftlichen Wert. „Ein Steuertatbestand muss den wirtschaftlichen Belastungsgrund in zählbare Einheiten umsetzen, um daraus in Anwendung des Steuersatzes eine . . . fassbare Steuerschuld abzuleiten“317. 314 Insofern konzentrieren sich die weiteren Ausführungen auf den steuerstaatlichen Zugriff mittels fiskalischer Normen, die primär die Erzielung von Staatseinnahmen zum Gegenstand haben. Auf die verfassungsrechtlichen Fragen, ja Bedenken, die gegen Lenkungssteuern erhoben werden, wird nicht gesondert eingegangen. Systematisch zu den Lenkungssteuern etwa K. Vogel, Klaus, Die Abschichtung von Rechtsfolgen im Steuerrecht – Lastenausteilungs-, Lenkungs- und Vereinfachungsnormen und die ihnen zuzurechnenden Steuerfolgen. Ein Beitrag zur Methodenlehre des Steuerrechts, StuW 1977, S. 97 ff.; als kritische Stimmen seien statt vieler H.-W. Arndt, Lenkung durch Steuern und sonstige Abgaben auf dem Gebiet des Wirtschaftsverwaltungsrechts – Bestandsaufnahme und Perspektive, WiVerw 1990, S. 1 ff.; deutlich P. Kirchhof, Der Auftrag des Grundgesetzes zur Erneuerung des Steuerrechts, Stbg 1998, S. 391 f.; ders., Die Unternehmenssteuerreform im Lichte des Verfassungsrechts. Mäßigung der Steuerlast bei gleichzeitigem Verlust an einkommensvermittelter Freiheit, DStR 2001, Kommentar in Heft 3, S. III f.; ähnlich ders., in: P. Kirchhof (Hrsg.), Einkommensteuergesetz, KompaktKommentar, 2004, Einleitung, Rn. 18 („Übermaß an Steuerlenkungen“), genannt. 315 Statt Steuerbemessungsgrundlage findet gelegentlich der Begriff der Besteuerungsgrundlage Verwendung. Unter Besteuerungsgrundlagen – dazu zählen z. B. die Einkünfte bei der Einkommensteuer, aber auch Einnahmen, Werbungskosten, Sonderausgaben etc. – versteht man gemeinhin quantifizierte Berechnungsgrundlagen von Teilen des Steuerobjektes, gesichert ist diese Begriffswelt jedoch nicht. So spricht die Literatur z. B. statt von Besteuerungsgrundlagen von Steuermerkmalen oder Steuerfaktoren. In der Quintessenz sollte der Begriff der Besteuerungsgrundlage nicht mit dem der Bemessungsgrundlage gleichgesetzt werden; so J. Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 7, Rn. 27, 31. 316 Zu diesem Zusammenhang etwa P. Kirchhof, Steuergleichheit, StuW 1984, S. 312 f.

3. Kap.: Republik als Steuerstaat

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Der Steuergegenstand liefert dem Gesetzgeber, nicht zuletzt aus Gründen der praktischen Vernunft, klare Vorgaben bei der Definition der Bemessungsgrundlage, die die grundsätzliche Steuerbarkeit eines Steuergegenstandes widerspiegeln. Der eigentliche Belastungsgrund tritt oftmals erst in der Bemessungsgrundlage zutage; Bemessungsgrundlage für das Einkommen ist das zu versteuernde Einkommen, für den Umsatz das Entgelt beim Leistungsaustausch und für das Vermögen das bewertungsrechtlich erfasste Gesamtvermögen318. Bemerkenswert ist der Hinweis von Paul Kirchhof, der die Bemessungsgrundlage als „die Einbruchstelle für eine tatbestandliche Verfremdung des steuerlichen Belastungsgrundes“319 bezeichnet. Eine Durchbrechung der Regelbesteuerung kann aus steuertechnischen, interventionspolitischen, motivationsbestimmenden und handlungsleitenden Überlegungen erfolgen320; dies kann auch auf Ebene der Steuerbemessungsgrundlage geschehen. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund der latenten Gefahr, allemal der Möglichkeit, einer Veränderung des steuerlichen Belastungsgrundes und Modifikation der Bemessungsgrundlage könnte der Steuergesetzgeber, eine Beschränkung des steuerlichen Zugriffes in Form eines Maximalsteuersatzes vorausgesetzt, auch eine verbindliche Halbteilungsvorgabe durch eine Veränderung – in aller Regel Verbreiterung – der Steuerbemessungsgrundlage aufweichen und aushöhlen321. Der Steuersatz als funktionelles Bindeglied zwischen Steuerbemessungsgrundlage und Steuerbetrag ist entweder ein fester Geldbetrag, der Bezug auf eine definierte Größe der Bemessungsgrundlage nimmt, oder ein vom Hundertoder auch Tausendsatz, der auf eine Bemessungsgrundlage anzuwenden ist. Mehrere Steuersätze werden in den Steuergesetzen zu einem Steuertarif zusammengefasst. Dieser Tarif kann proportional, mit gleichbleibendem Durchschnittssteuersatz322, progressiv, mit steigendem Durchschnittssteuersatz, oder degressiv, also mit fallendem Durchschnittssteuersatz, ausgestaltet sein; verschiedene Tariftypen können auch kombiniert werden. Zum gegenwärtigen Zeit-

317 P. Kirchhof, Staatliche Einnahmen, in: HStR, Bd. IV, § 88, S. 162, Rn. 173; i. d. S. z. B. auch J. Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 7, Rn. 31. 318 BFH, BStBl. II 1988, 808 (809): „Weltvermögen“. 319 Staatliche Einnahmen, in: HStR, Bd. IV, § 88, Rn. 176. I. d. S. wohl z. B. auch J. Lang, Verantwortung der Rechtswissenschaft für das Steuerrecht, StuW 1989, S. 209, wenn er von der „Neuformulierung privilegienfreier Bemessungsgrundlagen“ spricht. 320 Zur besonderen Rechtfertigung derartiger Eingriffe in das Besteuerungssystem P. Kirchhof, Staatliche Einnahmen, in: HStR, Bd. IV, § 88, Rn. 53 ff. 321 Dazu nochmals im 6. Teil, 3. Kap., III., 1., 3. 322 Vom Durchschnittsteuersatz zu unterscheiden ist der Grenzsteuersatz. Während der Durchschnittsteuersatz die durchschnittliche prozentuale Belastung der zu besteuernden Bemessungsgrundlage, z. B. des zu versteuernden Einkommens i. S. d. § 32a Abs. 1 S. 1 EStG, wiedergibt, zeigt der Grenzsteuersatz die prozentuale Steuerbelastung des Mehrbetrages von der Bemessungsgrundlage i. S. e. Marginalbetrachtung.

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2. Teil: Republik als das Projekt der Moderne

punkt verläuft der Einkommen- und Erbschaftsteuertarif progressiv323, der Körperschaftsteuertarif im Grundsatz proportional, die Verbrauchsteuern sind auf regressive Wirkung angelegt. Steuersätze und Steuertarife hängen in besonderer Weise vom politischen Willen, von der politischen Entscheidung der Bürgerschaft in der republikanischen Gemeinschaft ab. Hier werden Gerechtigkeitsvorstellungen zum Ausdruck gebracht, gleichzeitig fließen Rahmenbedingungen wie soziale Verhältnisse, Wirtschaftslage, Haushaltsnotwendigkeiten, letztlich staatlicher Finanzbedarf in die gesetzliche Festlegung von Steuersätzen und -tarifen ein. Die Besteuerungsintensität hat sich stets an der Gleichheitsbindung des Gesetzgebers zu orientieren, ebenso ist dem verfassungsrechtlich gebotenen Übermaßverbot durch entsprechende gesetzliche Regelungen Rechnung zu tragen. Innerhalb dieses weiten Rahmens überantwortet das Verfassungsrecht dem Gesetzgeber bei der Entscheidung über den Steuersatz einen deutlich größeren Freiraum als bei der Definition des Besteuerungsgegenstandes, des Steuersubjektes und erst recht der steuerlichen Bemessungsgrundlage324. Daher werden Belastungswirkung und -intensität des fiskalischen Zugriffs auf Einkommen und Vermögen des Bürgers insbesondere durch die Höhe der Steuersätze sowie deren Tarifverlauf determiniert. Dieser Logik folgend und um diesen größeren Spielraum des Steuergesetzgebers bei der Festlegung der Steuertarife wissend stellt nicht nur das Bundesverfassungsgericht bei seinen Ausführungen über mögliche Verfassungsgrenzen der Besteuerung vorrangig auf eine Begrenzung der Steuersätze zur Vermeidung etwaiger steuerlicher Überbelastungen der Bürger ab. Die weitere Untersuchung setzt sich nicht nur mit grundsätzlichen Fragen von Eigentum und Steuern in der modernen Republik auseinander, sondern richtet in der Diskussion um den Halbteilungsgrundsatz und seine Auswirkungen im republikanischen Steuerstaat den Blick stets auch auf die Stellgröße Steuersatz und -tarif.

323 Präzise formuliert handelt es sich bei dem gegenwärtigen Einkommensteuertarif um einen linear-progressiven Tarif, der nach der steuerlichen Freistellung eines Grundfreibetrages zunächst in einem Übergangsbereich bis zur linear-progressiven Zone, dann innerhalb eines bestimmten Korridors linear-progressiv und nach Erreichen bestimmter Einkommen in der oberen Proportionalzone Spitzeneinkommen mit dem Spitzensteuersatz wieder proportional besteuert. 324 P. Kirchhof, Staatliche Einnahmen, in: HStR, Bd. IV, § 88, Rn. 178; ebenso ders., Steuergleichheit, StuW 1984, S. 313.

Dritter Teil

Freiheit, Privatheit und Selbständigkeit in der Republik 1. Kapitel

Freiheit im republikanischen Staat I. Grundlegendes Nur die Staats- und Gesellschaftsform der Republik325, die als einzige die Idee einer freiheitlich demokratischen Grundordnung326 zur Vollendung führen kann, vermag Freiheit im Sinne einer allgemeinen Freiheit – und nur in dieser Allgemeinheit ist Freiheit eine tatsächliche, über eine bloße Worthülse hinausgehende – zu verwirklichen327. Freiheit darf nicht im negativen Sinne als Abwehrrecht oder gar Summe von Abwehrrechten gegen einen vermeintlich demokratischen Staat missverstanden und -interpretiert werden; denn ein solches, dem Liberalismus verpflichtetes Verständnis impliziert die Herrschaft des Staa325 Essentiell zur Republik in ihrer Gesetzlichkeit J.-J. Rousseau, Vom Gesellschaftsvertrag, S. 41 („Republik nenne ich deshalb jeden durch Gesetze regierten Staat, . . .“); grundlegend zur Republik K. A. Schachtschneider, Res publica res populi; ders., Freiheit in der Republik; ders., Die Republik der Völker Europas, ARSP 1997, Beiheft Nr. 71, S. 153 ff.; ders., Republikanische Freiheit, in: FS M. Kriele, S. 830 ff.; W. Maihofer, Prinzipien freiheitlicher Demokratie, in: HVerfR, S. 427 ff. („Bürgerstaat“ als „durch Demokratie vollendete Republik“); J. Isensee, Republik – Sinnpotential eines Begriffs, JZ 1981, S. 1 ff.; ders., Staat und Verfassung, in: HStR, Bd. I, § 13, Rn. 104 ff.; W. Henke, Die Republik, in: HStR, Bd. I, § 21; ders., Zum Verfassungsprinzip der Republik, JZ 1981, S. 249 ff. 326 Vgl. K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 6 f., auch S. 39 ff.; W. Maihofer, Prinzipien freiheitlicher Demokratie, in: HVerfR, § 12, S. 427 ff. (S. 428 ff.); umfassend zum Begriff auch K. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. I, S. 556 ff.; zur „freiheitlichen demokratischen Grundordnung“ als Begriff des Grundgesetzes Art. 18 Satz 1, Art. 21 Abs. 2 Satz 1 GG u. ö.; für eine Begriffsbestimmung BVerfGE 2, 1 (12 f.) sowie BVerfGE 5, 85 (197 f.); 44, 125 (139). 327 Zur Verwirklichung der Freiheit in der Republik K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 4 f. (m. zahlr. Hinw.) u. ö.; ergänzend ders., Republikanische Freiheit, in: FS M. Kriele, S. 829 ff.; wegweisend ders., Freiheit in der Republik, 1. Kap. u. ö.; für einen allgemeinen Überblick statt vieler vgl. C. Starck, Grundrechtliche und demokratische Freiheitsidee, in: J. Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. II, Demokratische Willensbildung – Die Staatsorgane des Bundes, 1987, § 29, S. 3.

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3. Teil: Freiheit, Privatheit und Selbständigkeit in der Republik

tes im Verhältnis zum Bürger, eigentlich zum „Untertan“. Eine solche Herrschaft widerspräche gerade eben der Freiheit328, der Freiheitlichkeit des republikanischen Gemeinwesens, auch der Bundesrepublik. Entgegen dieser Annahme der Materialität der Freiheit ist Freiheit eine formale, mit dem Menschen geborene Größe329. „Freiheit (Unabhängigkeit von eines anderen nötigender Willkür), sofern sie mit jedes anderen Freiheit nach einem allgemeinen Gesetz zusammen bestehen kann, ist dieses einzige, ursprüngliche, jedem Menschen, kraft seiner Menschheit, zustehende Recht.“ (Immanuel Kant)330

Freiheit in ihrer politischen Dimension lässt sich im Sinne politischer Freiheit als Autonomie des Willens331 definieren. Die Essentialität und Globalität eines solchen Freiheitsverständnisses in seinem ganzen Umfang dokumentiert das Weltrechtsprinzip des Art. 1 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen vom 10. Dezember 1948, auf die auch die Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte Bezug nimmt332: „Alle Menschen sind frei und gleich an Würde geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geist der Brüderlichkeit begegnen.“

Parallel zur Freiheit ist stets, so auch hier, Gleichheit und Brüderlichkeit zu thematisieren – Prinzipien333 der Republik als Gemeinwesen, die spätestens seit

328

Siehe umfassend K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, 3. Kap. Zum republikanischen Freiheitsbegriff K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, 5. Kap., auch 1. Kap., 2. Kap., 3. Kap. u. ö.; ders., Republikanische Freiheit, in: FS M. Kriele, S. 829 ff., den liberalistischen Freiheitsbegriff abgrenzend auf S. 834 ff.; ausführlich auch ders., Res publica res populi, S. 253 ff., 275 ff., 427 ff., zur Abgrenzung beider Anschauungen insb. S. 441 ff. sowie, die materiale Komponente der Freiheit vor dem Hintergrund der sozialen Frage thematisierend, S. 247 f.; wesentlich auch ders., Vom liberalistischen zum republikanischen Freiheitsbegriff, in: ders. (Hrsg.), Wirtschaft, Gesellschaft und Staat im Umbruch, Festschrift der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg 75 Jahre nach Errichtung der Handelshochschule Nürnberg, 1995, S. 418 ff. 330 Metaphysik der Sitten, S. 345; dazu vor allem K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 275 ff., insb. S. 290 ff. (m.w. N. in Fn. 186); 332 ff., 494 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 2. Kap., VI. 331 Weiterführend K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 325 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 2. Kap. 332 Präambel der EMRK (Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950), 1. Erwägungsgrund. 333 I. Kant, Metaphysik der Sitten, S. 345 f. spricht von „transzendentalen apriorischen“ Prinzipien, die konsequenterweise auch losgelöst von ihrer verfassungsrechtlichen Fixierung allgemeine Gültigkeit besitzen; vgl. auch ders., Zum ewigen Frieden, S. 204; ders., Über den Gemeinspruch, S. 145 ff.; dazu K. A. Schachtschneider, Vom liberalistischen zum republikanischen Freiheitsbegriff, in: FS WiSo der FAU ErlangenNürnberg, S. 418 ff. (S. 420); M. Kriele, Die demokratische Weltrevolution. S. 49 ff.; grundlegend J. Locke, Über die Regierung, S. 73, 95. 329

1. Kap.: Freiheit im republikanischen Staat

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der Aufklärung334 im Mittelpunkt jeder republikanischen Verfassung stehen, so auch im Grundgesetz als deutschem Verfassungsgesetz335: „Auch unser Grundgesetz ist erfüllt von diesem Geiste der Freiheit – Gleichheit – Brüderlichkeit.“ (Werner Maihofer)

II. Freiheit als Recht des Menschen auf Glück und Pflicht zum Gemeinwohl „In der Republik ist jeder in dem, was dem anderen nicht schadet, vollkommen frei. Dies ist ein für allemal die Grenze; man kann sie nicht genauer ziehen.“ (Jean-Jacques Rousseau)336

Solange ein anderer in seiner Freiheit nicht lädiert und die Gesetzlichkeit des gemeinsamen Lebens nicht gefährdet wird, kann in der Republik jeder sein Glück suchen und seinen Interessen frönen337. Die Interessen des Einzelnen sind untrennbar mit dem grundgesetzlichen Freiheitsbegriff verbunden338. Die freie „Entfaltung der Persönlichkeit“ meint nichts anderes als den jeweiligen Versuch des Menschen, sein subjektives Glück zu finden, nach seinem individuellen Verständnis gut zu leben. Dieses Streben nach dem persönlichen Glück ist unvermeidlich; denn: „Glückseligkeit, d.i. Zufriedenheit mit seinem Zustande, sofern man der Fortdauer derselben gewiss ist, sich zu wünschen und zu suchen ist der menschlichen Natur unvermeidlich; . . .“ (Immanuel Kant)339

Dieses Recht des Einzelnen gewährleistet grundsätzlich Art. 2 Abs. 1 GG ganz im Sinne des Menschenwürdeprinzips des Art. 1 Abs. 1 S. 1 und 2 GG. Übersehen werden darf nicht, dass dieses Recht, nach dem Glück zu suchen, auch allen anderen (Mit-)Bürgern zukommt, so dass jeder Schritt auf der Suche nach dem eigenen guten Leben, jedes Streben nach dem persönlichen Glück, stets an dem sozialen, eben gemeinschaftlichen Prinzip der Freiheit – des ande334 Siehe dazu ausführlicher K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 253 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 1. Kap. 335 Vgl. W. Maihofer, Prinzipien freiheitlicher Demokratie, in: HVerfR, S. 519 ff. (Das Zitat entstammt dem unveränderten Nachdruck der Originalausgabe, 1983, S. 237); K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 9 f.; ders., Frei – sozial – fortschrittlich, in: Symposium zu Ehren von Werner Thieme, S. 6 ff. (S. 17); ders., Die Republik der Völker Europas, ARSP 1997, Beiheft 71, S. 153 ff. (S. 155); P. Häberle, Die Menschenwürde als Grundlage der staatlichen Gemeinschaft, in: HStR, Bd. I, § 20, Rn. 46 ff. 336 Vom Gesellschaftsvertrag, S. 150. 337 So K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 54 f.; auch ders., Freiheit in der Republik, 4. Kap., III. 338 Ergänzend K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 617 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 4. Kap., auch 2. Kap., V., VI., VII. 339 Metaphysik der Sitten, Tugendlehre, S. 517.

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3. Teil: Freiheit, Privatheit und Selbständigkeit in der Republik

ren und aller anderen – zu messen ist. Die allgemeine Freiheit gibt allen Menschen insbesondere das Recht, selbst und selbständig340 – natürlich im Rahmen der Gesetze – zu entscheiden, welchen Weg zu ihrem Glück sie einschlagen möchten, letztlich also das Recht zur Privatheit341. Das Bemühen um Verwirklichung der eigenen Persönlichkeit, das Verfolgen eigener Interessen ist ergo in dem Maße zu akzeptieren, in dem diese anderen nicht schaden342. Sucht der Einzelne seine Interessen im Rahmen der allgemeinen Gesetze zu wahren, besteht für den Staat keine Veranlassung, ja nicht einmal eine Möglichkeit hiergegen einzuschreiten; denn diese allgemeinen Gesetze verwirklichen die Freiheit, während eine wie auch immer geartete staatliche Intervention zunächst einmal Despotie wäre343. Losgelöst von dieser primär rechtlichen Dimension verfügt dieser Mechanismus der privatheitlichen Interessenverfolgung über eine politisch-gesellschaftliche Nutzenkomponente, die in ihrer Bedeutung nicht zu unterschätzen ist, wäre es doch letztlich dem Gemeinwohl abträglich, die Suche des Einzelnen nach seinem Glück über das gesetzlich gegebene Maß hinaus einzuschränken oder gar zu verhindern344. Schließlich führt der permanente Versuch, die eigenen Wünsche und Belange durchzusetzen und zu verwirklichen zu einer bestmöglichen Entfaltung des Leistungswillens der Menschen, was der Gemeinschaft nur förderlich sein kann und ist. Nachdem, wie auch Theorie- und Erfahrungswissen lehren, sich nicht jeder alles zu eigen machen kann345, entsteht dann, wenn Menschen in Freiheit und nach den Buchsta340 Die selbständige Entscheidung über die individuellen Maximen des eigenen Handelns zählt ebenso wie die selbständige Bewältigung des eigenen Lebens – auch in materieller Hinsicht – zu den elementaren Erfordernissen der Freiheit jedes einzelnen Bürgers. Dazu ausführlicher im 3. Kap. 341 Zur Privatheit in der Republik detaillierter im 2. Kapitel; grundlegend K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, 8. Kap.; ders., Res publica res populi, S. 370 ff. u. ö.; ders., Der Anspruch auf materiale Privatisierung, S. 67 ff. (jew. m.w. N.). 342 So die Quintessenz bei K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 55, 218 ff., 613 ff., auch S. 297 ff.; dazu ders., Freiheit in der Republik, 2. Kap., VI., 5. Kap., III. 343 Zur Despotie in der Demokratie K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 110 (unter Hinweis auf die Einstufung der Demokratie ob ihres Mangels an Repräsentativität und ihrer Verletzung republikanischer Gewaltenteilung als Despotie bei I. Kant, Zum ewigen Frieden, S. 206 ff.) sowie allgemein zur Despotie im Gemeinwesen ebenda, S. 43 ff., 82, 135, 140 ff., 169, 194 ff., 225, 339 ff., 349, 705, 732, 790, 882, 1106. 344 Weitergehender K. A. Schachtschneider, Republikanische Freiheit, in: FS M. Kriele, S. 856 f., der dies nicht nur unter Effizienzgesichtspunkten betrachtet, sondern die eigenverantwortliche Suche nach dem persönlichen Glück zu einer Forderung der Menschenwürde erhebt; umfassend dazu ders., Freiheit in der Republik, 5. Kap., III. 345 An dieser Stelle zeigt sich deutlich die logisch untrennbare Verbindung des Eigentums, nötigenfalls auch in einem weiteren Verständnis, mit dem Streben nach Glück, dem Verfolgen eigener Interessen und dem hieraus entstehenden Wettbewerb; denn ohne dieses Beziehungsgefüge wäre ein (rechtlich) Eigenes, nach dem zu eifern

2. Kap.: Privatheit in der Republik

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ben des Gesetzes zu ihrem Glück streben, marktlicher Wettbewerb346; der aber verwirklicht nach allgemeiner Erkenntnis den Wohlstand der Gemeinschaft, des Volkes bestmöglich347. Dazu trägt wesentlich bei, dass die Suche nach dem eigenen Glück, nach persönlicher Entfaltung und Verwirklichung, die in der Natur des Menschen liegt348, wohl stärker als jeder andere Impetus den Menschen antreibt; in letzter Konsequenz kommen die größtmöglichen Anstrengungen, die der Einzelne um seiner individuellen Ziele willen unternimmt, immer auch dem Gemeinwesen zugute349. 2. Kapitel

Privatheit in der Republik I. Privatheit und Staatlichkeit des Bürgers 1. Grundlegendes Privatheit als einer der tragenden Pfeiler der Republik eröffnet dem privaten Bürger die Bestimmbarkeit seiner Handlungsmaximen und überantwortet ihm auch die Entscheidung dieser Bestimmung350. Privatheit verwehrt dem Staat bestimmte – und bestimmungsbedürftige – Regelungskompetenzen, hält jedoch nicht etwa den Staat (in einem engeren Sinne) von Lebensbereichen Privater

und das zu erreichen, gegebenenfalls zu besitzen, wohl der Natur des Menschen entspricht, nicht möglich, geschweige denn nötig. Zum Eigentum ausführlich im 5. Teil. 346 H. H. Rupp, Die Unterscheidung von Staat und Gesellschaft, in: HStR, Bd. I, § 28, Rn. 42, spricht vom „freien Markt“ als „Herzstück der Gesellschaft“; nochmals zum Markt im 2. Kap., IV. 347 Zum Prinzip des Wettbewerbs als Garant des Wohlstandes A. Smith, An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations, 1776, ed. W. B. Todd, 1976, S. 9 ff., insb. S. 452 ff.; i. d. S. auch I. Kant, Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht, in: Werke in zehn Bänden, hrsg. v. W. Weischedel, Bd. 9, 5. Nachdr., 1983, S. 37 ff.; ergänzend, wenn auch etwas kritischer in seiner Betrachtung H. Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 454 ff.; grundlegend auch K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 394 f., 396 ff.; i. d. S. auch ders./A. Emmerich-Fritsche, Fallstudie zum Kommunalen Wettbewerb, S. 34 f.; umfassend und substantiell zum Wettbewerbsprinzip M. Kläver, Die Verfassung des Marktes, 2000. 348 Zur Natur des Menschen als Kontradiktion zu seiner Pflichtigkeit I. Kant, Metaphysik der Sitten, S. 517 f. 349 Um dem Gemeinwohl zu dienen, muss der Wettbewerb gesetzlich, ergo auch sittlich sein; erfüllt er diese Prämissen, fördert er das allgemeine Wohl, also das Wohl aller Bürger in der Republik; so K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 200 ff., 388 f.; dazu auch ders., Freiheit in der Republik, 8. Kap., VI. 350 Für einen Überblick über das Privatheitsprinzip der Republik siehe K. A. Schachtschneider, Der Anspruch auf materiale Privatisierung, S. 67 ff.; auch ders., Res publica res populi, S. 370 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 8. Kap., I., II.

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3. Teil: Freiheit, Privatheit und Selbständigkeit in der Republik

fern351. Privatheit als integraler Bestandteil des Bürgers in seiner Bürgerlichkeit wird um der Persönlichkeit des Menschen willen durch subjektive Rechte materialisiert und grundrechtlich oder gesetzlich garantiert. Privatheit genießt in einer freiheitlichen Verfassung, wie sie das deutsche Grundgesetz ist, einen prinzipienhaften Vorrang vor der Staatlichkeit. Privatheit darf jedoch nicht mit einem Freibrief für individualisierendes Leben ohne jegliche Grenzen verwechselt werden. Privatheit folgt den Erkenntnissen der praktischen Vernunft und basiert auf den allgemeinen Gesetzen der autonomen, also sittlich verpflichteten Bürgerschaft352. Privatheit ist überdies untrennbar mit der sittlichen Verpflichtung des Tugendprinzips verknüpft. Privatheit ermöglicht den Bürgern, ihren eigenen Interessen zu folgen – natürlich im Einklang mit den republikanischen Prinzipien der Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit, somit stets nach Maßgabe allgemeiner Gesetz und des Sittengesetzes. 2. Privatheit durch Gesetzlichkeit und Sittlichkeit Die Privatheit ist wegen ihrer (allgemeinen) Gesetzlichkeit freiheitlich; als Privater ist der Bürger durch die allgemeinen Gesetze, die eben auch seine Gesetze sind, frei. Privatheit wiederum erfordert Freiheit ebenso wie Freiheit Privatheit verlangt, so dass sich Privatheit und Freiheit unlösbar gegenseitig bedingen. „Privatheit ist äußere und innere Freiheit, wenn und weil sie wegen ihrer Gesetzlichkeit die Persönlichkeit entfaltet/nach Glück strebt, ohne anderen Unrecht zu tun.“ (Karl Albrecht Schachtschneider)353

Private Willkür im Sinne eines Rechts zur Privatheit, mithin auch zur freien Entfaltung der eigenen Persönlichkeit, dient der Freiheit des Einzelnen in ihrer Prinzipienhaftigkeit, weil diese gesetzlich, legal ist. „Das Prinzip der Freiheit ist in der Privatheit verwirklicht, wenn und weil die Privatheit auf den allgemeinen Gesetzen gründet, spezifischer, die allgemeinen Gesetze vollzieht. Immer verbleiben dem Privaten rechtlich geschützte Möglichkeiten, subjektive Rechte, die Maximen des Handelns allein zu bestimmen, ohne sich mit anderen Privaten vertragen zu müssen. Diese Möglichkeiten gehen mehr oder weniger weit und sind mehr oder weniger von den Grundrechten geschützt.“ (Karl Albrecht Schachtschneider)354 351 Eine auch nur potentielle Abwehr des Staates, gar staatlicher Einsatz als Grundtopos lässt sich nicht mit der Republik vereinbaren, folgt vielmehr einem liberalistischen, auf dem Gegenspiel von Staat und Bürger fußenden Demokratieverständnis. Hierzu umfassend K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, 3. Kap., 6. Kap. u. ö.; ders., Res publica res populi, passim. 352 Ausführlicher K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 370 ff. (insb. S. 386 ff.), 449 ff., 461 ff., 466 ff., auch S. 211 ff. sowie S. 1023 ff.; dazu auch ders., Freiheit in der Republik, 4. Kap., 8. Kap., insb. II. 353 Res publica res populi, S. 373 (m.w. N.).

2. Kap.: Privatheit in der Republik

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Privatheitlichem Handeln in seiner Grundsätzlichkeit wird der Schutz des Grundgesetzes nicht nur nach dessen Buchstaben, sondern auch nach den Prinzipien der republikanischen Verfassung vermittelt. Soweit weder staatliche, also allgemeine Gesetze bestehen noch privat(rechtlich)e Vereinbarungen, ist der Bürger durch das Sittengesetz angehalten, sein (äußeres) Handeln nach den Tugendpflichten auszurichten355; dieses Postulat greift im Übrigen ebenso für private Vereinbarungen, deren Inhalt nicht gegen die guten Sitten verstoßen darf, und für die Gesetzgebung, die ohne Moralität niemals Recht herzustellen vermag356. (Innere) Freiheit erlangt der Mensch nur dadurch, dass sein (äußeres) Handeln dem Anspruch der Moralität genügt; dies beweist Art. 2 Abs. 1 GG in seinem Wortlaut: „Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.“ [Hervorh. d. Verf.]

Handelt der Bürger also „außenwirksam“, ist er – sollte keine gesetzliche Regelung oder private Vereinbarung bestehen – in seinen Entscheidungen und Handlungen in jedem Fall dem Sittengesetz verpflichtet, das durch Gesetzlichkeit die allgemeine Freiheit zu verwirklichen sucht. 3. Privatheitlichkeit im Verhältnis zur Staatlichkeit Jegliches äußeres, nämlich Dritte tangierendes Handeln des Bürgers ist staatlich, zugleich im Rahmen des Staatlichen aber auch privat357. Die allgemeine Freiheit wird auch in der Privatheit verwirklicht, weil diese allgemein, also staatlich gewünscht und übereinstimmend vereinbart ist358. Das Handeln des Einzelnen anderen Bürgern gegenüber ist in Abhängigkeit seines Verhältnisses zu Dritten durch Gesetze regelbar und meist auch geregelt. In anderen Fällen können Menschen private Vereinbarungen mit Verträgen treffen, die weder all-

354 Zu den subjektiven Rechten der Privatheit Res publica res populi, insb. S. 385 ff.; auch S. 447 ff., 449 ff., 1023 ff. Zur allgemeinen Anbindung von Privatheit und Staatlichkeit an das (allgemeine) Gesetz S. 370 ff. (Zitat S. 373); vgl. außerdem ders., Freiheit in der Republik, 8. Kap., insb. III. 355 Zur Sittlichkeit in der Republik K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, 4. Kap.; umfassend auch ders., Das Sittengesetz und die guten Sitten, in: FS W. Thieme, S. 195 ff. 356 Vgl. dazu K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 560 ff., 584 ff., 655 ff., 819 ff, 858 ff.; dazu auch ders., Freiheit in der Republik, 11. Kap. 357 Umfassender dazu K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, 8. Kap. I.; auch ders., Res publica res populi, S. 370 ff. 358 Vgl. K. A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 138 ff., 140 ff., 143 ff., 145 ff.; auch ders., Res publica res populi, S. 220 f., 222 ff., 332 ff., 370 ff., 449 ff.

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3. Teil: Freiheit, Privatheit und Selbständigkeit in der Republik

gemeines Gesetz sind noch autonome Übereinkünfte privater Natur359. Geltung entfalten diese Vereinbarungen aus dem besonderen Willen der Beteiligten heraus, der seine Verbindlichkeit aus dem allgemeinen Gesetz, also der vereinten Willensautonomie der Bürger(-schaft) bezieht. Die jeweiligen Besonderheiten der Lebensumstände und -verhältnisse jedes Einzelnen werden durch die Rechte der Privatheit erst ermöglicht. Auch wenn diese privatheitlichen, also besonderen Bedingungen individuellen Lebens von allgemeinem Interesse sein sollten, werden sie staatlich nicht reglementiert, solange sie das Gemeinwohl nicht tangieren oder das Grundgesetz den privaten Interessen Vorrang eingeräumt hat und daher staatlich-intervenistische Eingriffe untersagt. In den Grenzen der Grundrechte jedoch darf jedes Handeln des Bürgers, das nach außen wirkt, eine staatliche Regelung – nicht gleichzusetzen mit einer staatlichen Reglementierung – erfahren. In diesem Spannungsverhältnis wird eine staatliche, also allgemeine Norm immer dann geschaffen, wenn die Allgemeinheit, mithin die Bürgerschaft, einer wie auch immer gearteten Regulierung größeren Nutzen für die allgemeine Freiheit beimisst als der Privatheit des Handelns. Das gute Leben aller Bürger in allgemeiner Freiheit, das eigentliche Ziel der Republik360, führt idealiter zu allgemeiner Glückseligkeit361, zu der auch die bürgerliche Privatheit zählt. Der Bürger ist einerseits frei als Teil der Allgemeinheit, der Bürgerschaft, quasi als staatliche Persönlichkeit, andererseits als private Persönlichkeit, eben in seiner Privatheit362. In der bürgerlichen Gemeinschaft hat der Bürger einen autonomen, nicht aber einen privaten Willen; kraft seiner Autonomie gibt er zusammen mit allen anderen Bürgern Gesetze. Während er hier als gemeinschaftlicher Gesetzgeber und damit Entscheidungsträger agiert, kann er über all das, was die staatliche Gemeinschaft nicht tangiert, was 359 So K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 220 f.; ähnlich ders., Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 421 ff. 360 Zum guten Leben aller in gemeinsamer Freiheit ausführlich K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, vor allem S. 299 ff., 346 ff., 350 ff.; auch S. 199, 201 ff., 236 f., 241 ff.; außerdem S. 573 ff. (jew. m. zahlr. Hinw.); dazu auch ders., Freiheit in der Republik, 1. Kap. u. ö. 361 Nachdem die allgemeine „Glückseligkeit“ im guten Leben aller Bürger in allgemeiner Freiheit zu suchen ist, das den eigentlichen Zweck der Republik stiftet, verfolgt die Republik in ihrer Zweckhaftigkeit auch die Glückseligkeit als Zweck. Hierzu D. Sternberger, Das Menschenrecht nach Glück zu streben, in: Ich wünschte ein Bürger zu sein, S. 131 ff., 143 ff.; zur allgemeinen Wohlfahrt als Staatszweck H. F. Zacher, Das soziale Staatsziel, in: HStR, Bd. I, § 25, Rn. 48 ff.; C. Link, Staatszwecke im Verfassungsstaat nach 40 Jahren Grundgesetz, VVDStRL 48 (1990), S. 34 ff.; auch G. Ress, ebenda, S. 101 ff.; ergänzend für die Republik K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 346 ff. sowie S. 199, 241 ff., 576 ff., 633 f. 362 Zum Verhältnis von Privatheit und Staatlichkeit des Bürgers insb. K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 370 ff.; umfassender auch ders., Freiheit in der Republik, 8. Kap., I.

2. Kap.: Privatheit in der Republik

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also privat ist, alleine bestimmen. Dieses Private wird – ganz dem lateinischen Wortsinne (privatus) entsprechend – als Kontrapunkt zu allem Staatlichen, Allgemeinen, Öffentlichen gesetzt. Eine stereotype, auf pauschalierender Rhetorik basierende Grenze zwischen dem Privaten und dem Staatlichen lässt sich aufgrund ihrer Variabilität und Dynamik nicht ziehen. Wie die Freiheit per se muss die Privatheit, aber auch die Staatlichkeit formal begriffen werden; ihre Materialisierung erfahren sie beide in jeweiligen Gesetzen. Nachdem alles Handeln in aller Regel alle, zumindest einige, also nicht nur den Einzelnen betrifft, haben alle darüber zu befinden, ob die Maximen des Handelns von der Bürgerschaft oder vom privaten Bürger materialisiert werden sollen. Ergo existieren vor dem Gesetz weder von dem Privaten noch von dem Staatlichen materialisierende Begrifflichkeiten363. Dies trifft auch auf die Bewältigung des Lebens der Bürger zu. Wird die Lebensbewältigung dem Staat übertragen, ist sie staatlich, wird sie den Privaten überlassen, findet private Lebensbewältigung statt364. Auch wenn die republikanische Gesellschaft kein unhinterfragbares Apriori der Verantwortlichkeiten zur Bewältigung aller Lebenslagen kennt, zeichnet das Privatheitsprinzip, das tief in der Würde des Menschen verankert ist, ein klares Leitbild für eine vorrangig privatheitliche Lebensführung als Recht und Pflicht des freien Bürgers365 – nicht zuletzt in dieser Konstruktionslogik begründet kann sich der Private einer elementaren Staatlichkeit in der Bürgergemeinschaft, auch in der Gemeinschaft der Steuerbürger, nicht entziehen. Nicht nur in seinem Handeln zur Meisterung des eigenen Lebens, sondern in jedem Handeln ist der Private eigen-, zugleich staatlich bestimmt, in beiden Fällen selbstbestimmt366; schließlich vollzieht er die allgemeinen Gesetze, denen er zwar praktisch vernünftig zugestimmt hat, die aber doch nach erfolgter 363 Aus diesem Grund bedarf es institutioneller Begriffe des Staates und des Privaten; hierzu weiterführend K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 370 ff. (insbes. S. 372 f.); in Nuancen differierend ders., Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 175 ff.; auch S. 253 ff., 261 ff. 364 In diesem Sinne etwa K. A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 173 ff., 253 ff. 365 Vgl. grundlegend K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 346 ff., ergänzend S. 195 ff., 201, 220 ff., 244, 386 ff., 449 ff., 978 ff., 1033 ff.; auch ders., Freiheit in der Republik, 8. Kap., II., IV.; ebenso ders., Der Anspruch auf materiale Privatisierung, S. 67 ff., 78 ff.; ausführlicher zur Privatheit der Lebensbewältigung im 2. Kapitel. 366 Insbesondere bei Steuergesetzen mag dies auf den ersten Blick verwundern, erscheint doch gerade die mit einem Steuergesetz regelmäßig verknüpfte Pflicht zur Zahlung von Steuern alles andere als ein Akt der Selbstbestimmung. Allerdings darf der rechtstheoretische, ja rechtsdogmatische Aspekt der Steuergesetzgebung nicht übersehen werden; denn Steuergesetze entstehen wie alle anderen Gesetze auch durch den vereinten Willen der Bürger in ihrer gemeinsamen republikanischen Gesetzgeberschaft.

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3. Teil: Freiheit, Privatheit und Selbständigkeit in der Republik

Zustimmung mit der Befugnis zu zwingen verbunden sind367. Das Staatliche wird nach der Autonomie des Willens in freier, praktisch vernünftiger und damit allgemeine Gesetze gebender Willkür entschieden, das Private bestimmt sich in Willkür, allein dem privaten Glück verpflichtet. Staatliches und Privates, ja Persönliches verbinden sich zu integralen Bestandteilen des Lebens jedes Bürgers, eben zu seiner Persönlichkeit; dies trifft auch und in besonderem Maße für das Eigene368 des Bürgers zu: „Auch das Staatliche ist das Eigene des Bürgers; denn: res publica res populi.“ (Karl Albrecht Schachtschneider)369

Ganz in diesem Sinne bringt auch das rechtlich Eigene des Bürgers, sein Eigentum, die beiden Seiten von Privatheit und Staatlichkeit zum Ausdruck. Grundsätzlich präsentiert sich das Eigentum als ein, wenn nicht das wesentliche Recht der Privatheit370; zugleich ist es ausweislich Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG in Innehabung und Gebrauch dem Wohl der Allgemeinheit verpflichtet. Eine der zentralen Formen sozialer Pflichtigkeit des privaten Bürgers für die Staatsgemeinschaft ist die Auferlegung von Geldleistungspflichten, vornehmlich Steuern, wie sie die Gesetze des modernen Finanz- und Steuerstaates vorsehen. In letzter Konsequenz zeichnet das Verhältnis von Eigentum und Steuern ein Abbild der Relation von Privatheit und Staatlichkeit, von Bürger und Staat. II. Privatheit als Recht zur Willkür 1. Privatheit als berechtigte Willkür und Recht auf Alleinbestimmung Privatheit basiert auf Rechten zur Willkür, die durch allgemeine Gesetze gegeben und zugleich begrenzt werden; auf diesem Fundament gründet und ge367 Grundlegend bereits I. Kant, Metaphysik der Sitten, S. 338 f. („Recht ist mit der Befugnis zu zwingen verbunden“), auch S. 365 f.; ebenfalls ders., Über den Gemeinspruch, S. 144 f., 148, 169; J. Locke, Über die Regierung, S. 103 ff.; für den Hintergrund K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 318 ff., auch S. 230 ff., 265 ff., 307 f., 545 ff. 368 In diesem Kontext zielt der Begriff des Eigenen nicht auf das Eigentum in einem engeren Sinne ab, auch nicht auf ein Kollektiveigentum oder eine andere Teilhabe an einem vermeintlichen Staatseigentum; vielmehr soll verdeutlicht werden, dass der pars privata und der pars publica der Bürgerlichkeit nicht auf Formalität reduziert werden kann, sondern seine Auswirkungen auch im (materialen) Leben, gegebenenfalls sogar in materiellen Dimensionen, zeigt. 369 Siehe das gleichnamige Werk, passim (Zitat S. 373). 370 Vgl. K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 386 ff.; ders., Das Recht am und das Recht auf Eigentum, in: FS W. Leisner, S. 744 ff., 752 ff., 763 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 8. Kap., III., 10. Kap., I.; auch ders. (unter Mitarbeit v. S. Jungheim/W. Dorner), Fallstudie Konkurrentenklage, in: K. A. Schachtschneider (Hrsg.), Fallstudien zum Öffentlichen Wirtschaftsrecht, Manuskript des Lehrstuhls für Öffentliches Recht, Wirtschaft- und Sozialwissenschaftliche Fakultät der FriedrichAlexander-Universität Erlangen-Nürnberg, 3. Aufl., 2003, S. 453.

2. Kap.: Privatheit in der Republik

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deiht das Private als Recht zur Privatheit371. Wie das Recht zur Privatheit als Recht zur Willkür ausgestaltet ist, zeigt fast schon typisierend, in jedem Fall beispielhaft und wegweisend § 903 BGB, die Definition des Sacheigentums: „Der Eigentümer einer Sache kann, soweit nicht Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen, mit jeder Sache nach Belieben verfahren und andere von jeder Einwirkung ausschließen.“372

Privatheitliche Willkür stellt nicht etwa ein Negativum dar, wie der Begriff vielleicht vermuten lässt373, sondern schafft unter der Voraussetzung, dass sie frei, also sittlich und moralisch ist, Recht374. Da sie nicht den Willen des gesamten Volkes konsensual zu repräsentieren vermag, dient sie gleichwohl nicht der allgemeinen Gesetzgebung, sondern verkörpert das Recht, unabhängig von allgemeinen oder staatlichen Vorgaben, nach Maßgabe der eigenen sittlichen Tugendhaftigkeit die Maximen des Handelns individuell bestimmen und allein, eben privatheitlich materialisieren zu dürfen: „Das Recht zur Willkür ist somit das Recht zur Alleinbestimmung.“ (Karl Albrecht Schachtschneider)375

371 Vgl. K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 370 ff., 378 ff. u. ö.; ders., Freiheit in der Republik, 8. Kap., insb. III.; auch ders., Der Anspruch auf materiale Privatisierung, S. 67 ff., 70 ff. (m.w. N.). 372 Entgegen der häufigen, allerdings irrigen Bezeichnung als Freiheit wird hier, kaum treffender möglich, Privatheit skizziert. Vgl. vor allem, auch dogmatisch, K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 14 ff. (insb. S. 34 ff.), 71 ff., 88 ff., 92 ff., 100 ff., 106 ff., 159 ff., 685 ff., 772 ff., auch S. 501 ff.; ebenfalls ders., Freiheit in der Republik, 2. Kap., V., VI., VII., 8. Kap., II.; dazu auch W. Leisner, Freiheit und Eigentum – die selbständige Bedeutung des Eigentums gegenüber der Freiheit, 1974, in: J. Isensee (Hrsg.), Eigentum, Schriften zu Eigentumsgrundrecht und Wirtschaftsverfassung 1970–1996, 1996, S. 7 ff.; i. d. S. wohl auch W. Maihofer, Prinzipien der freiheitlichen Demokratie, in: HVerfR, S. 500 ff. 373 Der Begriff des Willkürverbots weckt gleichwohl Assoziationen des Negativen, wie K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 374, unter Hinweis auf S. 982 ff., 986 ff., konstatiert. Das Willkürverbot aber ist nichts anderes als das „Verbot der nötigenden, also der freiheitswidrigen Willkür“ (ebenda, S. 375); schließlich definiert nach I. Kant, Metaphysik der Sitten, S. 345, die „Unabhängigkeit von eines anderen nötigender Willkür“ die (äußere) Freiheit des Bürgers. Zum Willkürverbot, insb. zu seiner grundrechtlichen Fundierung, die nicht etwa, so h. M., Art. 3 Abs. 1 GG, sondern Art. 2 Abs. 1 GG zu entnehmen ist, ders., ebenda, S. 978 ff. (insb. S. 986 ff.), 990 ff.; auch ders., Freiheit in der Republik, 3. Kap. u. ö. 374 Hierzu vornehmlich K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 275 ff. (insb. S. 298 ff.), auch S. 442 f., 56 ff., 978 ff., 990 ff. 375 Res publica res populi, S. 375, wo Schachtschneider überdies eine dezidierte begriffliche Trennung von „Alleinbestimmung“, in der sich die republikanische Konzeption in ihrer gesamten Tragweite wiederfindet, und „Selbstbestimmung“, die eher liberalistischer „Üblichkeit“ entsprungen ist, vornimmt.

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3. Teil: Freiheit, Privatheit und Selbständigkeit in der Republik

2. Privatheitliches Willkürrecht über das äußere Mein und Dein (kantianisch) Auch im Privatheitsverständnis Kants findet sich das Recht zur Willkür als Recht zur alleinigen Bestimmung, gegebenenfalls verbunden mit einem Unterlassungsanspruch und einem Ausschlussrecht Dritten gegenüber. In der „Definition des Begriffs des äußeren Mein und Dein“376 wird dies thematisiert: „Das äußere Mein ist dasjenige außer mir, an dessen mir beliebigen Gebrauch mich zu hindern Läsion (Unrecht) sein würde.“ (Immanuel Kant)377

Die rechtmäßige, damit freiheitliche Erlangung und Innehabung des Privaten, das sich als Gegenstand privater Willkür präsentiert, bedarf einiger Rahmenbedingungen, darunter des Vorhandenseins des bürgerlichen Zustandes, der bürgerlichen Verfassung; bei Wahrung dieser Prämisse kann das Willkürrecht an einem Objekt weder dem Privaten aus irgendeinem gesetzlichen Grund entzogen werden, noch vermag es die Rechte anderer zu verletzen. „Wenn ich (wörtlich oder durch die Tat) erkläre, dass ich will, dass etwas Äußeres das Meine sein solle, so erkläre ich jeden anderen für verbindlich, sich des Gegenstandes meiner Willkür zu enthalten: eine Verbindlichkeit, die niemand ohne diesen meinen rechtlichen Akt haben würde. In dieser Anmaßung aber liegt zugleich das Bekenntnis: jedem anderen in Ansehung des äußeren Seinen wechselseitig zu einer gleichmäßigen Enthaltung verbunden zu sein; denn die Verbindlichkeit geht hier aus einer allgemeinen Regel des äußeren rechtlichen Verhältnisses hervor. Ich bin also nicht verbunden, das äußere Seine des anderen unangetastet zu lassen, wenn mich nicht jeder andere dagegen auch sicher stellt, er werde in Ansehung des Meinigen sich nach eben demselben Prinzip verhalten; welcher Sicherstellung gar nicht eines besonderen rechtlichen Akts bedarf, sondern schon im Begriff seiner äußeren rechtlichen Verpflichtung, wegen der Allgemeinheit, mithin auch der Reziprozität der Verbindlichkeit aus einer allgemeinen Regel, enthalten ist. Nun kann der einseitige Wille in Ansehung eines äußeren, mithin zufälligen, Besitzes nicht zum Zwangsgesetz für jemanden dienen, weil das der Freiheit nach allgemeinen Gesetzen Abbruch tun würde. Also ist nur ein jeden anderen verbindender, mithin kollektiv-allgemeiner (gemeinsamer) und machthabender Wille derjenige, welcher jedermann jene Sicherheit leisten kann. Der Zustand aber unter einer allgemeinen äußeren (d.i. öffentlichen) mit Macht begleitenden Gesetzgebung ist der bürgerliche. Also kann es nur im bürgerlichen Zustand ein äußeres Mein und Dein geben.“ (Immanuel Kant)378

Deutlich offenbart sich das Mein und Dein als Kristallisationspunkt der Privatheit, die ohne die Existenz des privaten Eigenen ihrer Bedeutungshaftigkeit als Recht zur Willkür, eben auch zur willkürlichen Verfügung über einen wie 376 Metaphysik der Sitten, S. 357 (§ 5 des Privatrechts). Zur Bedeutsamkeit des (rechtlichen) Mein und Dein für den Versuch einer Dogmatik des Eigentums unten näher 5. Teil, insb. 2. Kap., I., II. 377 Metaphysik der Sitten, S. 357. 378 Ebenda, S. 365 f.

2. Kap.: Privatheit in der Republik

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immer gearteten Gegenstand, weitestgehend beraubt wäre379. Dass der Private nur willkürlich und frei, ohne andere zu verletzen, über etwas verfügen kann, wenn es das Seine ist, versteht sich. Dass die Existenz eines Mein und Dein, zumindest eines rechtlichen Mein und Dein, den bürgerlichen Zustand in der Republik postuliert, folgt ebenfalls der Logik republikanischer Privatheit. Darüber hinausgehend erwartet die Privatheit im Sinne eines Rechts zur Willkür aber auch das Vorhandensein des Mein und Dein, ergo aus der Sicht des Privaten das Bestehen und die Nutzungsmöglichkeit des Eigenen380; denn privatheitlich, also willkürlich und trotzdem freiheitlich kann ein Privater nur mit Gegenständen, Dingen, Sachen und anderen Verhältnissen381 handeln, wenn er diese sein Eigen nennen kann, und diese auch sein Eigen sind382. Dass die Bedeutung des Mein und Dein nicht nur theoretischer, sondern sehr wohl lebenspraktischer Natur sein kann, sich die Gemüter über die Bedingungen des jeweiligen Mein und Dein bevorzugt erhitzen können, und der Streit über das jeweils Seine, ergo das Eigene, überproportional häufig Gegenstand von Auseinandersetzungen sein dürfte383, hat auch Kant erkannt, wenn er, quasi als Kontrapunkt zu etwaigen Differenzen über das Mein und Dein, den bürgerlichen Zustand, die bürgerliche Verfassung als Regulativ gerade für solche Konflikte verankert: „Folgesatz: Wenn es rechtlich möglich sein muss, einen äußeren Gegenstand als das Seine zu haben: so muss es auch dem Subjekt erlaubt sein, jeden anderen, mit dem es zum Streit des Mein und Dein über ein solches Objekt kommt, zu nötigen, mit ihm zusammen in eine bürgerliche Verfassung zu treten.“384 379 Vgl. zum Eigentum als wesentlichem Recht der Privatheit grundlegend K. A. Schachtschneider, Recht am und Recht auf Eigentum, in: FS W. Leisner, S. 743 ff., insb. S. 747 f., 754 f.; ebenso grundsätzlich ders., Freiheit in der Republik, 10. Kap.; wichtig auch ders., Res publica res populi, S. 1025 f. („denn das Eigentum ist begrifflich ein Recht zur Privatheit als Recht zur Willkür.“, Zitat S. 1025); ausführlicher zum Thema nochmals im 5. Teil. 380 Die Privatheitlichkeit des Eigenen in dessen Bestehen und Nutzungsmöglichkeiten findet in der eigentumsrechtlichen Terminologie ihre Entsprechung in der Innehabung und dem Gebrauch des Eigentums. Zu diesen unterschiedlichen Facetten der grundrechtlichen Eigentumsgewährleistung vgl. 5. Teil, 2. Kap. 381 Folgt man einem weiten Eigentumsbegriff, können auch bestimmte Verhältnisse, nicht nur Sachen, einem Menschen „zueigen“ sein. Dazu die Eigentumsdogmatik von K. A. Schachtschneider, Das Recht auf und das Recht am Eigentum, in: FS W. Leisner, S. 743 ff., insb. S. 749 f., umfassend ders., Freiheit in der Republik, 10. Kap., I., II., sowie nochmals im 5. Teil, 2. Kap. 382 Welche Gegenstände Eigenes des Bürgers, gegebenenfalls sein Eigentum sein können, wird vor dem Hintergrund des Eigentumsbegriffes, insbesondere vor dem Eigentumsbegriff im engen Sinne im 5. Teil, 2. Kap. näher erörtert. 383 In praxi entzündet sich die Diskussion über das Mein und Dein auch im Verhältnis von Bürger und Staat, oftmals mit besonderer Vehemenz, an der Frage der Steuerund Abgabenlast des Bürgers; eine deutliche Sprache spricht die fast unüberschaubare Anzahl von Verfahren in Steuersachen vor deutschen Finanzgerichten. 384 Metaphysik der Sitten, S. 366.

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3. Teil: Freiheit, Privatheit und Selbständigkeit in der Republik

Die verfasste bürgerliche Gemeinschaft vermittelt dem rechtlichen Mein und Dein einen Zustand des freiheitlichen Neben- und Miteinanders, der für die unterschiedlichsten Gegenstände der privaten Willkür, die das Mein und Dein, das Eigene eben, letztlich ausmachen, Anwendung findet. Als (äußere) Gegenstände privater Willkür werden die „körperlichen Sachen außer mir“, aber auch die „Willkür eines anderen zu einer bestimmten Tat (praestatio)“, also der Leistungsanspruch, oder der „Zustand eines anderen im Verhältnis auf mich“ spezifiziert385. Eine Interpretation des Mein und Dein als materiale Gegenstände allerdings würde zu einem grundlegenden Missverständnis führen; Mein und Dein sind als formal-rechtliche Kategorien zu begreifen, quasi als subjektive Rechte386, ohne deren Vorhandensein Privatheit nicht existent, ja konstruktionslogisch nicht einmal denkbar sein kann. 3. Rechte der Privatheit als subjektive Rechte Abhängig vom Zweck der allgemeinen Gesetze spiegelt sich Privatheit in unterschiedlichen Rechten zur Willkür wider; die Gegenstände387 der privaten Willkür, so die Kantianische Terminologie388, variieren also. Auch wenn die subjektiven Rechte der Privatheit unterschiedlich materialisiert werden können, lassen sich die privatheitlichen Rechte immer wieder auf subjektive – in der Verfassung verankerte – Rechte der Bürger verdichten, die diesen in ihrem Streben nach Freiheit, Glück, Wohlbefinden, Wohlfahrt und ähnlichem zugute kommen389. Der Grundsatz der Privatheit ist auf grundrechtlicher Ebene angesiedelt, erfordert aber in aller Regel weitere gesetzliche Normierungen, ohne die die nötige Bestimmtheit, damit Gesetzlichkeit, letzten Endes Freiheitlichkeit nicht her385 Metaphysik der Sitten, S. 355 f. (§ 4 des Privatrechts); dazu auch S. 382 ff., (§§ 18 ff.). 386 Gleichwohl deutet die grundsätzliche Verortung des Mein und Dein, wie sie hier Kant vornimmt, die substantielle Bedeutung dieser Kategorien für das Recht der Privatheit an, das ohne die Existenz eines Mein und Dein, eines Eigenen für den Privaten eben, gleichsam funktionslos und sinnentleert wäre. Auch das Eigentum als rechtlich Eigenes, nicht nur in einem weiteren Sinne, basiert auf einem formalen Begriff, trägt aber sehr wohl eindeutig materiale Versatzstücke in sich; hierzu im Detail 5. Teil, 1. und 2. Kap. 387 Hier handelt es sich nicht etwa um Gegenstände im sachenrechtlichen Sinn. 388 Vgl. Metaphysik der Sitten, S. 365; dazu auch oben. 389 Insbesondere vor dem Hintergrund der Privatheitlichkeit in der Lebensbewältigung erweist sich das Grundgesetz als eine „Verfassung der größtmöglichen Privatheit“, so K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 387, deren objektiven Verfassungsgrundlagen in den besonderen Grundrechten, wie z. B. der Berufsfreiheit, der Eigentumsgarantie oder der (unternehmerischen) Vereinigungsfreiheit, zu finden sind. Dazu ausführlicher im Kontext des Grundsatzes und Vorrangs der privatheitlichen Bewältigung des bürgerlichen Lebens unter V.

2. Kap.: Privatheit in der Republik

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gestellt werden kann390. Allgemeine Gesetze geben den Bürgern Rechte zur Privatheit als subjektive Rechte. Subjektive Rechte setzen wiederum objektive Gesetze oder aber auf Gesetzen beruhende Verträge391 voraus; einzig die Freiheit als Recht auf Recht und die aus der Freiheit unmittelbar folgenden Rechte, letztlich also Menschenwürde und Menschenrechte, bedürfen keines objektiven Gesetzes392, um subjektive Rechte zu begründen. Subjektive Rechte versetzen den „berechtigten“ Bürger in die Lage, die Erfüllung einer bestimmten Pflicht, die mit einem Recht verbunden ist, mit rechtsstaatlichen Mitteln zu erzwingen. Identisch mit dieser Zwangsbefugnis, die sich dem Bürger meist als (grundrechtliches) Abwehrrecht393, nämlich als Anspruch auf Unterlassung eines bestimmten (staatlichen) Tuns394, präsentiert, ist der – zumindest im Grundsatz ausschließlich – staatliche Rechtschutz395; denn richtigerweise versagt der Rechtstaat dem Berechtigten weitgehend die Durchsetzung seiner Interessen mittels eigener Gewalt396. Schließlich überwindet der bürger390 Hierzu K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 449 ff., 466 ff.; auch S. 211 ff.; zum Prinzip der Bestimmtheit in seiner grundrechtsdogmatischen Relevanz S. 866 ff., 882 ff., 887 ff., 890 ff., 896 ff., 900 ff.; ergänzend ders., Freiheit in der Republik, 5. Kap., V. 391 Zur Differenzierung von Verträgen und Gesetzen P. Häberle, Grundprobleme der Verfassungsgerichtsbarkeit, S. 14 f.; K. A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 128 ff., 162 f.; zur Verbindung subjektiver Rechte und objektiver Gesetze ders., Res publica res populi, S. 378 f.; ders., Der Anspruch auf materiale Privatisierung, S. 70 f.; zum Thema auch. K. Stern, (unter Mitarbeit von M. Sachs), Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. III, Allgemeine Lehren der Grundrechte, 2. Halbband, 1994, S. 869. 392 Hierzu C. Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 1 Abs. 2, Rn. 84 ff., S. 68 ff. sowie Art. 1 Abs. 3, Rn. 107; P. Häberle, Die Menschenwürde als Grundlage der staatlichen Gemeinschaft in: HStR, Bd. I, § 20, Rn. 56 ff. 393 Aus diesen Abwehrrechten wird gemeinhin eine negative Kompetenz des Staates abgeleitet. Hierzu grundlegend K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 353 ff., 378 f., 476 f., 821 ff., 1013 f. Zum Abwehrrecht auch A. Enderlein, Der Begriff der Freiheit als Tatbestandsmerkmal der Grundrechte. Konzeption und Begründung eines einheitlichen, formalen Freiheitsbegriffs, dargestellt am Beispiel der Kunstfreiheit, 1995, S. 101 ff.; anders J. Schwabe, Probleme der Grundrechtsdogmatik, 1977, S. 13 ff., der den Terminus „Nichtbeeinträchtigungsrecht“ einführt. In den Kreis der Abwehrrechte fällt auch das Eigentumsrecht des Art. 14 GG im Sinne eines Abwehrrechtes gegen (staatliche) Beeinträchtigungen oder Eingriffe in das Eigentum des Bürgers, gegebenenfalls auch durch die Auferlegung steuerlicher Geldleistungspflichten; dazu umfassend 6. Teil, insb. 1. & 2. Kap. 394 Zur vorrangigen Bedeutung des Abwehrrechts als Unterlassungsanspruch K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 380 („Das Abwehrrecht ist vor allem . . . Unterlassungsanspruch.“), weiterführend S. 379 ff., unter Hinweis auf J. Schwabe, Probleme der Grundrechtsdogmatik, S. 13 ff., 17 ff., 37 ff., 53. 395 Zum individuellen Rechtsschutz für den Grundrechtsberechtigten, insb. im Kontext des Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG, K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rn. 335 ff., S. 135 ff. 396 Vgl. vor allem die Erläuterungen bei K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 270, 548 ff.

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3. Teil: Freiheit, Privatheit und Selbständigkeit in der Republik

liche Zustand, der Rechtsstaat oder eben die Republik die private Gewaltsamkeit, ganz im Sinne der Unabhängigkeit aller von der nötigenden, also ungesetzlichen Willkür anderer397. Subjektive (Unterlassungs-)Rechte beinhalten entweder die Verpflichtung für andere, Handlungen eines Berechtigten dulden zu müssen, oder das Recht für den Berechtigten, Handlungen anderer nicht dulden zu müssen. Auch wenn der zu dieser Privatheit Berechtigte seine Rechtsposition, nötigenfalls mit Zwang, durchsetzen (lassen) kann, vermag dem subjektiven Recht folgendes Handeln niemals und niemanden zu lädieren („Volenti non fit iniuria“); denn die subjektiven Rechte verleihen dem Handeln des Berechtigten Legalität, so dass die Freiheit anderer nicht etwa beschnitten, sondern vielmehr die allgemeine Freiheit und damit die Sittlichkeit des gemeinsamen Lebens aller zur Wirklichkeit werden kann398. Die subjektiven Rechte des Einzelnen, die ihm mit diesen grundrechtsgeleiteten Gesetzen zugestanden werden, haben eine einfachgesetzliche Begründung erfahren; denn das subjektive Grundrecht ist ein Recht auf grundrechtsgemäße Gesetze, nicht aber ein subjektives Recht auf bestimmte Handlungen399. In ihrer objektiven Dimension aber vermögen die Grundrechte den Gesetzgeber zur einfachgesetzlichen Begründung subjektiver Rechte zu verpflichten. Dies trifft in besonderem Maße für die Eigentumsgewährleistung zu400, in der der Grundsatz und der Vorrang der Privatheit, auch der Privatheit der Lebensbewältigung, eine Verfassungsgrundlage objektiver Dimension findet401, die einer Ableitung in subjektive Rechte bedarf402. 4. Privatheit als Rechte und Pflichten zur Befriedung der bürgerlichen Gemeinschaft Die in subjektiven Rechten formulierte Privatheit erfordert konsequenterweise im Gegenzug ein Dulden der Handlungen des subjektiv Berechtigten seitens des Verpflichteten, so dass folgerichtig subjektive Rechte regelmäßig ihr Pendant in 397 Die Unabhängigkeit von nötigender, im Gegensatz zu freiheitlicher Willkür zeichnet die allgemeine Gesetzlichkeit aus. Dazu insb. K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, 1994, S. 519 ff.; zur Freiheitlichkeit als Gesetzlichkeit S. 124 ff., 145 ff., 153 ff., 275 ff., 494 ff., 519 ff., 637 ff., 858 ff., 978 ff., 990 ff., 1027 ff.; zum Thema auch ders., Freiheit in der Republik, 2. Kap., VI., 5. Kap. u. ö. 398 Vgl. K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 282 ff., 305 ff., 380 f., S. 500 f. (m.w. N. in Fn. 274). 399 Hierzu vor allem K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 389, 828. 400 Vgl. K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 1023 ff.; dazu umfassend im 5. Teil. 401 So, wie bereits oben erwähnt, K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 387. 402 Auf die Konsequenzen für den Steuerbürger in der Republik wird im 6. Teil einzugehen sein.

2. Kap.: Privatheit in der Republik

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subjektiven Pflichten finden403. Menschen müssen oftmals Störungen, Lasten und andere Beeinträchtigungen ihrer privatheitlichen Lebensführung ertragen, weil eben andere Menschen aus Gesetzen Handlungsrechte ableiten können; nur so aber lässt sich Leben in der Gemeinschaft verträglich gestalten404. Nachdem in bürgerlichen Gemeinschaften, noch dazu in modernen, auf vielerlei Weise „vernetzten“405 Gesellschaften nahezu jedes Handeln andere betrifft, tangiert, entwickelt sich die Duldung eines bestimmten Tuns, das aufgrund eines subjektiven Rechts der Legalität und somit auch der Moralität entspricht, immer mehr gleichermaßen zu Voraussetzung und Konsequenz bürgerlicher Privatheit; das Dulden der Privatheit des anderen ist gleichsam die „Kehrseite der Medaille“ eigener Privatheit406. Die Freiheit des einen bedingt die Freiheit des anderen, so dass in diesem „Bedingungszusammenhang“407 der Ausgleich individueller Interessen in der Gemeinschaft und damit die gemeinsame Bewältigung des (privaten und gemeinschaftlichen) Lebens glückt. Nachhaltig untermauert wird die Bedeutung der Privatheit als gemeinschaftsbefriedendes Regulativ durch das Sittengesetz, das – im Sinne einer Sicherstellung der „Sozialverträglichkeit“ privatheitlichen Handelns – vor einer nach außen wirkenden Handlung eines Grundrechtssubjektes das (fiktive) Einverständnis all derer einfordert, die von diesem Handeln potentiell oder tatsächlich 403 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 382, formuliert pointiert unter Hinweis auf J. Schwabe, Grundrechtsdogmatik, S. 13 ff., 17 ff., 37 ff., 86 f.: „Den Handlungsrechten entsprechen Duldungspflichten und den Unterlassungsrechten Handlungsverbote.“ 404 So K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 378 ff. (insbes. S. 382) sowie zur gemeinsamen Lebensbewältigung in Staatlichkeit und („vorrangiger“) Privatheit S. 466 ff. 405 Dieser Passus stellt nicht etwa primär auf die informations- und kommunikationstechnisch vernetzte Gesellschaft oder auf die globalisierte Wirtschaft ab, sondern zielt auf den Typus einer sich generell vernetzenden Gesellschaft mit vielschichtigen Beziehungsgeflechten und Interdependenzen zwischen ihren Mitgliedern und ihren zahlreichen (Sub-)Systemen ab; „Vernetzung“ im technischen Sinne oder „Globalisierung“ sind lediglich Phänomene, die stetig wachsende und immer engere Verbindungen und Verknüpfungen auf einer vorgelagerten Ebene befördern und forcieren. 406 I. d. S. auch die Position des Gerichts spezifisch zum Grundrecht der freien Meinungsäußerung BVerfGE 42, 163 (170 ff.); 60, 234 (240 ff.); s. a. BVerfGE 62, 230 (244 f., 247 f.). 407 H. H. Rupp, Die Unterscheidung von Staat und Gesellschaft, in: HStR, Bd. I, § 28, Rn. 36 („Die Freiheit des einen lebt zugleich von der Freiheit des anderen und die Freiheit aller stehen in einem dynamischen Bedingungszusammenhang, der die einzelnen Individualfreiheiten erst zur Entfaltung bringt. Umgekehrt ist jede Individualfreiheit ein unverzichtbares Stück Freiheit der Gesellschaft und es gibt keine Freiheit der Gesellschaft ohne die Pluralität der Individualfreiheiten.“). Im Ergebnis zustimmend, zu den Begrifflichkeiten kritisch K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 471, der konstatiert, dass die materialen subjektiven Grundrechte – offensichtlich Rupp’s „Individualfreiheiten“ – keine vom Staat zu separierende Gesellschaft zu gründen vermögen, da der Staat nichts anderes als das freiheitliche Gemeinwesen ist.

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3. Teil: Freiheit, Privatheit und Selbständigkeit in der Republik

betroffen oder gar in ihren subjektiven Rechten verletzt sind408; denn nur durch die Zustimmung der Betroffenen (zu einer Handlung, einem Vertrag oder einem allgemeinen Gesetz) kann Unrecht verhindert und in der so entstandenen rechtmäßigen Freiheit aller letztlich (gesellschaftlicher) Frieden geschaffen werden409. Analogien zu diesem Interpretationsversuch der Privatheit, die in ihrer Ambivalenz der Wahrung des gesellschaftlichen und sozialen Friedens dienen soll, finden sich im Steuerwesen als der in der (modernen) Republik gängigen Form der Staatsfinanzierung. Dem Gedanken der Privatheit entsprechend genießt der Bürger die Freiheit, seine Arbeitskraft und anderes Vermögen nach seinen Vorstellungen – idealiter ertragsbringend – einzusetzen und über die Früchte dieser Bemühungen frei, also willkürlich zu verfügen410. Dieser Privatheit beraubt den (steuerpflichtigen) Bürger der Mechanismus der Steuer gerade nicht411, sondern belässt dem Privaten seine privatheitlichen Entscheidungs- oder Handlungsmöglichkeiten und beschränkt sich darauf, die Sozialpflichtigkeit des grundsätzlich Privaten im Sinne einer (materiellen) Kontribution für das Wohl der Allgemeinheit geltend zu machen. Während privatheitliches Handeln des Bürgers also im Grundsatz toleriert wird, kommt ein Ausgleichsmechanismus, der letztlich auch dem sozialen Frieden dient, über eine steuerliche Teilhabe der Allgemeinheit zum Tragen. Die Mechanik der Steuerfinanzierung des Staatswesens entspricht nicht uneingeschränkt einer Konzeption der vornehmlich privates Handeln und dessen Einwirkung auf Dritte in der Gemeinschaft regelnden Privatheit, die dem Recht auf Privatheit die der dieser Privatheit ebenfalls innewohnende Pflichtigkeit an die Seite stellt. Gleichwohl offenbart sich die große Nähe des Steuerwesens, zumindest in seiner Modellhaftigkeit, das die grundsätzlich mögliche Ausübung der Privatheit mit einer Verpflichtungskomponente der Allgemeinheit gegenüber versieht, zur republikanischen Konzeption der Privatheit, nach der privatheitliches Handeln in der Republik – nicht zuletzt um des gesell408 Hierzu K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 259 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 2. Kap., VII., 5. Kap.; ders., Das Sittengesetz und die guten Sitten, in: FS W. Thieme, S. 195 ff. 409 Zu diesem Zusammenhang exemplarisch K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 381 f. 410 Vgl. statt vieler P. Kirchhof, Staatliche Einnahmen, in: HStR, Bd. § 88, Rn. 47 („Die Privatheit des Erwerbens setzt eine Steuerbarkeit voraus“; dazu bereits im 2. Teil, 3. Kap., dazu auch 4. Teil, 3. Kap., nochmals ausführlich im 6. Teil, 2. Kap., V., 3., 4. 411 Inwieweit Lenkungssteuern, deren grundgesetzliche Zulässigkeit immer wieder Gegenstand steuerverfassungsrechtlicher Diskussionen sind, in diese Privatheit des individuellen Handelns eingreifen, sei hier dahingestellt, auch wenn der Umfang volkswirtschaftlich kritisch zu beleuchtender (Fehl-)Allokationen von Investitionen, beispielsweise in den „Wohnungsbau Ost“, infolge massiver steuerlicher Vergünstigungen doch Anlass zur Diskussion gibt. Zur Frage der Lenkungssteuern siehe auch 2. Teil, 3. Kap., III., 2., 3.

2. Kap.: Privatheit in der Republik

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schaftlichen, also allgemeinen Friedens willen – auch eine verpflichtende Seite birgt. III. Bürgerliche Lebensbewältigung in Privatheit und Staatlichkeit 1. Lebensbewältigung in Gemeinsamkeit als republikanisches Prinzip Als Zweck hat die Republik wenigstens die Ermöglichung und Beförderung der Freiheit aller um des Glückes des Einzelnen willen412, so dass die gemeinsame Lebensbewältigung als eines der zentralen republikanischen Prinzipien von der Logik der Republik quasi vorgegeben wird; schließlich „ist der Naturzweck, den alle Menschen haben, ihre eigene Glückseligkeit.“ (Immanuel Kant)413

Das Erstreben und Erreichen dieses Zustandes bedarf der Freiheit, also auch der Privatheit der Bürger, mithin des Rechts der Menschen, womit sich der eigentliche Sinn und Zweck des Staates erschließt, der das Recht zu verwirklichen hat, also den rechtlichen Zustand, in dem die Freiheit gedeihen kann414. 412 Die Diskussion um die Staatszwecke soll ebenso wenig vertieft werden wie die Erörterung etwaiger Staatszwecklehren, die J. Isensee, Gemeinwohl und Staatsaufgaben im Verfassungsstaat, in: HStR, Bd. III, § 57, Rn. 116 f., ohnehin als beendet betrachtet; zu den Staatszwecklehren zusammenfassend z. B. G. Jellinek, Allgemeine Staatslehre, S. 230 ff.; einen historischen Überblick liefert C. Link, Herrschaftsordnung und bürgerliche Freiheit, 1979, S. 132 ff. sowie ders., Staatszwecke im Verfassungsstaat, VVDStRL 48 (1990), S. 10 (Hinw. in Fn. 2). Eine Trennung zwischen Staatszielen und Staatszwecken nimmt J. Isensee, Gemeinwohl und Staatsaufgaben im Verfassungsstaat, in: HStR, Bd. III, § 57, Rn. 116, vor, der die „Belange des Gemeinwohls“ nicht bei den Staatszwecken, sondern bei den Staatszielen verortet. Auch wenn die Existenz eines originären Staatszwecks immer wieder zur Diskussion gestellt wird, scheint doch – im Sinne eines kleinsten gemeinsamen „Nenners“ – weitgehende Einigkeit über die staatlichen Aufgaben der „Existenzerhaltung und Existenzförderung“ zu bestehen; so z. B. bei H. Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 196; ähnlich W. Leisner, Staatsethik, 1977, S. 84. Im Tenor lässt sich jedenfalls eine Zielorientierung, ggf. eine Zwecksetzung des Staates gleichermaßen zur Existenzsicherung des Bürgers und Beförderung des Gemeinwohls ausmachen. Zu den Staatsaufgaben und -zwecken im republikanischen Sinne insb. K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 198 f., 201 ff., 236 f., 299 ff., 350 ff., 474 (mit Blick auf die gemeinsame Lebensbewältigung in Privatheit und Staatlichkeit), 573 ff. 413 Grundlagen zur Metaphysik der Sitten, S. 62 f., auch S. 44 ff.; ebenso ders., Kritik der praktischen Vernunft, S. 128 ff., 133 ff., 145 ff., 149, 216 ff.; ders., Metaphysik der Sitten, S. 515 ff.; ders., Über den Gemeinspruch, S. 145, 149; zum Prinzip des eigenen Glücks insb. K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 54 f., 216 ff., 297 ff., 333, 350 ff., 370 ff., 612 ff., 617 ff., 660 ff. sowie zur eigenen Glückseligkeit im Kontext des Prinzips der gemeinschaftlichen Lebensbewältigung S. 474 f. 414 So W. Maihofer, Die Legitimation des Staates aus der Funktion des Rechts, S. 21 („Der einzige Zweck“ des Staates, „dessen Verwirklichung alle Staatsordnung und Staatsgewalt als ein bloßes Mittel zu dienen hat“, ist das „Recht des Menschen“).

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3. Teil: Freiheit, Privatheit und Selbständigkeit in der Republik

Die Wohlfahrtsaufgabe des Staates äußert sich, neben der Sicherung der Gesetzlichkeit, in der Herstellung und Wahrung der Bedingungen, unter denen der Bürger diese seine Vorstellungen verfolgen kann, und gegebenenfalls in einer Unterstützung des Bürgers in den Bestrebungen, sein privates Glück – wie auch immer es zu definieren ist – zu fassen und festzuhalten. Alles auf diesen Zweck abgestelltes Handeln des Bürgers wird nicht nur durch die individuellen Maxime des Einzelnen geleitet und erfolgt damit privat, sondern wird zugleich von staatlichen, also allgemeinverbindlichen Vorschriften bestimmt und findet folglich allgemein-öffentlich statt. Die Regelung, nicht aber notwendigerweise die Beschneidung der Möglichkeiten menschlichen Handelns durch den Staat415 rechtfertigt sich aus dem Ziel allgemeiner Freiheitlichkeit in einem Gemeinwesen, die schlussendlich im guten Leben aller in gemeinsamer Freiheit münden soll. Das allgemeine Gesetz als oberster Regulierungsmechanismus des Handelns Privater, der aufgrund seiner allgemeinen Gesetzlichkeit und der damit implizierten Zustimmungsbereitschaft der Gemeinschaft wie auch des Einzelnen den Interessen aller in der Gemeinschaft verbundenen Bürger Rechnung trägt, bildet eine substantielle Basis der Lebensbewältigung in der Bürgergemeinschaft. Privates Handeln als gelebte Privatheit, die den allgemeinen Gesetzen entspricht und damit die allgemeine Freiheit verwirklicht, dient in seiner Freiheitsverwirklichung gleichermaßen dem Gemeinwohl und dem besonderen, privaten Wohl416. In dem stetigen Mühen um das eigene Wohl wird notwendigerweise (praktische) Lebensbewältigung betrieben. Der Impetus, die eigene Glückseligkeit zu erreichen, veranlasst den Bürger, nach Maßgabe individueller, freilich allgemeiner, folglich gesetzlicher Maximen gesetzte Ziele anzustreben und auf diesem Weg existierende Schwierigkeiten meistern zu wollen. Die Anstrengungen zur Erfüllung individueller Wünsche und Ziele als Maßgrößen des persönlichen Wohlergehens kommen dank der unlösbaren Verknüpfung von privatem und allgemeinem Wohl immer auch dem Gemeinwohl zugute417. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund der der Republik immanenten, inneren Verbindung von Privatheit und Staatlichkeit wird deutlich, dass die Bewältigung des – individuellen und gemeinschaftlichen – Lebens im republikanischen Staat, stets mit dem Ziel der

415 Staat meint an dieser Stelle die „Institutionen des Staatlichen“, so K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 470 sowie ausführlicher S. 161 ff., 226 ff.; zum republikanischen Staatsbegriff S. 16 f., 93 ff., 160 f., 165 f., 519 ff., 827; dazu grundlegend ders., Freiheit in der Republik, 1. Kap. u. ö. 416 Für diesen Zusammenhang deutlich K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, 8. Kap., III.; ders., Res publica res populi, S. 378 ff.; auch ders., Der Anspruch auf materiale Privatisierung, S. 70 ff. 417 So im Ergebnis K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 379 ff.; dazu nochmals im Folgenden, IV., 2., 3.

2. Kap.: Privatheit in der Republik

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Erreichung persönlicher Glückseligkeit und des Gemeinwohles vor Augen, nur getragen von dieser Einheit aus Privatheit und Staatlichkeit erfolgen kann. 2. Eigentum als Paradigma von Privatheit und Staatlichkeit bei der gemeinschaftlichen Lebensbewältigung Die Prämisse freiheitlicher Lebensführung besitzt für die unterschiedlichsten Zielsetzungen in der Verfolgung individueller Freiheiten Gültigkeit, solange diese in der Allgemeinheit konsensfähig, damit gesetzlich und freiheitlich sind; konsequenterweise trifft dies nicht nur für grundrechtliche Freiheiten zu, die den hominem politicum in einer formalen Dimension tangieren, sondern auch auf Freiheiten mit einem ebenso materiellen Bezug, die eher den hominem oeconomicum berühren418, so auch auf die Eigentumsfreiheit. Ohne Eigentum lässt sich ein bürgerliches Leben kaum bestreiten, kann der Bürger möglicherweise nicht nur in seiner Bürgerlichkeit, sondern gar in seiner Menschheit als Mensch, also in seiner Menschenwürde419, verletzt sein420. Auch wenn das Eigentum nur einer von vielen Bausteinen freiheitlicher Lebensbewältigung in der Republik ist, verdeutlich er wie kaum ein anderer die Einheit, die Privatheit und Staatlichkeit, damit auch Sozialität, in allen Belangen des gemeinschaftlichen Lebens in der Republik eingehen (müssen). Gerade das Eigentum ist res privata und res publica zugleich; schließlich wird es, obgleich im Grundsatz als privates Eigentum(-srecht) gewährleistet, in seiner Innehabung, noch mehr in seiner Nutzung sogar expressis verbis im Verfassungstext des Art. 14 Abs. 2 GG dem Gemeinwohl verpflichtet421. Unstrittig essentielles Erfordernis eines Lebens in Freiheit, auch in gemeinschaftlicher Freiheit, dient es dem Privaten, zugleich der Allgemeinheit bei der Bewältigung der Lebensaufgaben, sei es auf privater oder gemeinschaftlicher Ebene. Eben in dieser Nutzbarmachung des Eigentums, wenigstens seiner Früchte, für privates und allgemeines Wohl gleichermaßen manifestiert sich die unumstößliche Einheit von Privatheit und Staatlichkeit in der Lebensbewältigung, kommt doch das Ei418 Zu diesem Verhältnis K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 245, der im Kontext des der individuellen Lebensführung dienenden Sozialprinzips auf den „materiellen Bürger“ und den „formellen Bürger“ rekurriert. 419 Zur Menschheit des Menschen als Menschenwürde grundlegend I. Kant, Metaphysik der Sitten, S. 345 f.; hierzu A. Enderlein, Der Begriff der Freiheit als Tatbestandsmerkmal der Grundrechte, S. 84 ff.; K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, 1. Kap. u. ö.; ders., Res publica res populi, S. 258 f., 430 f., 827 f., 216 f., 446 ff. (m.w. N. in Fn. 25). 420 So K. A. Schachtschneider, Das Recht auf und das Recht am Eigentum, in: FS W. Leisner, S. 751 f., 755 f. sowie ausführlicher im 5. Teil, 2. Kap., I., auch 1. Kap., I. 421 Grundlegend zum Eigentum in der Republik K. A. Schachtschneider, Das Recht am und das Recht auf Eigentum, in: FS W. Leisner, S. 743 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 10. Kap.; näher im 5. Teil.

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3. Teil: Freiheit, Privatheit und Selbständigkeit in der Republik

gentum und dessen Gebrauch, letztlich also ein privates Recht des Bürgers, sowohl dem Einzelnen als auch der Gesellschaft, damit der Gemeinschaft zugute. Die gemeinschaftliche Lebensbewältigung in der republikanischen Gemeinschaft als Zusammenspiel von Privatheit und Staatlichkeit wird exemplifiziert durch das Eigentumsrecht, zeigt es doch geradezu idealtypisch auf, dass in der Republik rei privatae stets zugleich422 rei publicae sind. Generell verwirklicht der Einzelne mit der Verfolgung seiner privaten Maxime die persönliche und die allgemeine Freiheit423. Unter der Prämisse, dass sein Tun und Lassen dem allgemeinen Gesetz folgt, bewältigt er damit nicht nur sein privates Leben in der Gemeinschaft, gemeinschaftlich, ohne die Freiheit anderer zu verletzen, sondern trägt zugleich zum gemeinschaftlichen Leben, zur Verbesserung des allgemeinen Lebens bei; denn „ohne Opfer und Lasten (des Einzelnen, die die Gemeinschaft wiederum unterstützen und befördern, [Erg. d. Verf.]) ist das gemeinsame Leben nicht denkbar.“ (Karl Albrecht Schachtschneider)424

Lebensbewältigung in der freiheitlichen und gesetzlichen Republik erfolgt immer sowohl privatheitlich als auch staatlich, stets in der Gemeinschaft, zum Wohle des Einzelnen wie der Gemeinschaft. IV. Privatheit, Marktlichkeit und Wettbewerb 1. Vertragsfreiheit als Recht der Privatheit Zu den grundlegenden Rechten der Privatheit der einzelnen Rechtssubjekte zählt die Vertragsfreiheit; immerhin steht den Menschen im Rahmen der Gesetze das Recht zu, bestimmte Vertragsangebote anzunehmen oder eben abzulehnen. Auch dieses Recht der privaten Willkür ist freiheitsverwirklichende Privatheit. Obgleich willkürlich vermag ein das allgemeine Gesetz wahrender Vertrag – über welchen Gegenstand auch immer – kein Unrecht zu vermitteln, sondern erweist sich vielmehr als ein zentrales Objekt der die Ideale der Republik befördernden Privatheit, die nichts anderes als die Freiheit verwirklicht: 422 Bewusst sei an dieser Stelle auf das Wort „zugleich“, wie es auch in Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG zu finden ist, hingewiesen, da es das Zusammenspiel von Privatheit und Staatlichkeit treffend verdeutlicht. Zur detaillierten Untersuchung des Terminus „zugleich“, nicht nur im Kontext des Halbteilungsgrundsatzes, vgl. 6. Teil, 2. Kap., V., 1. u. ö. 423 Voraussetzung ist, dass die Maxime des Handelns dem Recht und den allgemeinen Gesetzen, die sich die Bürger als freie Menschen gegeben haben, entsprechen; dazu K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 275 ff., 325 ff., 452 (m.w. N. zur Gesetzlichkeit und allgemeinen Gesetzgeberschaft in Fn. 47), 457 (m.w. N. zur Bürgerlichkeit in Fn. 71), 707 ff.; ergänzend ders., Freiheit in der Republik, 8. Kap., III. 424 Res publica res populi, S. 477.

2. Kap.: Privatheit in der Republik

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„. . . Verträge als gelebte Privatheit sind wegen ihrer Gesetzlichkeit Freiheitsverwirklichung.“ (Karl Albrecht Schachtschneider)425

Die Freiheit zum Abschluss von Verträgen, wenn auch zentraler Ausdruck der privatheitlichen Rechtsmündigkeit eines Rechtssubjektes, wird nicht allein um ihrer selbst willen garantiert. Auf der Vertragsfreiheit in ihrer Funktionshaftigkeit, damit auch auf der Privatheit, basiert der wettbewerbliche Markt, den die Wirtschaftsordnung der Bundesrepublik verfasst426. Der Erfahrung nach führt die Verfolgung privater, aber stets gesetzlicher Interessen in der Marktwirtschaft, die konstruktionslogisch ohne die Existenz der Vertragsfreiheit zum Scheitern verurteilt ist, zu einer bestmöglichen Verwirklichung der allgemeinen Wohlfahrt427. 2. Markt und Wettbewerb zur Gemeinwohlverwirklichung Da die Menschen nach ihrem besonderen Glück zu streben pflegen, führt die Privatheit, also die Besonderheit der Lebensbewältigung, zum „Wettbewerb um die vielfach knappen Ressourcen des Lebensglücks“428. Dieser Wettbewerb ist durchaus gewollt; er spornt besser als jedes andere Mittel den Menschen zu bestmöglichen Leistungen, zu individuellen Höchstleistungen an. Unter der Prämisse des sittlichen Handelns des Einzelnen kommt der Wettbewerb, besser das Ergebnis des Wettbewerbs, dem Gemeinwohl zugute. Einen unrechtlichen Wettbewerb, der dem allgemeinen Wohl der Gemeinschaft zuwiderläuft, verhindert das allgemeine Gesetz429; im Grundsatz aber ist der (rechtliche) Wettbewerb, den die Privatheit in ihrer Systemlogik fordert und fördert, ein Ergebnis des 425

Res publica res populi, S. 383. Dazu im Folgenden. 427 Grundlegend A. Smith, Der Wohlstand der Nationen. Eine Untersuchung seiner Natur und Ursachen, 1776/1778, übers. und mit einer umfassenden Würdigung des Gesamtwerkes von H. C. Recktenwald, rev. Fassung, S. 17 f. u. ö.; ebenfalls grundlegend J. A. Schumpeter, Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie, Einleitung von E. Salin, 3. Aufl., 1972, S. 448 f. u. ö.; umfassend zum Thema M. Kläver, Die Verfassung des Marktes, passim; für die Republik K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 200 ff., 396 ff. 428 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 195. 429 Zutreffend ist vom „verwalteten Wettbewerb“ die Rede, der gleichermaßen private wie staatliche Angelegenheit des gemeinsamen Lebens ist. Hierzu vor allem E.-J. Mestmäcker, Der verwaltete Wettbewerb. Eine vergleichende Untersuchung über den Schutz von Freiheit und Lauterkeit im Wettbewerbsrecht, 1984, S. 3 ff., 78 ff.; aber auch H. H. Rupp, Die Unterscheidung von Staat und Gesellschaft, in: HStR, Bd. I, § 28, Rn. 42 f. sowie K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 195, 396 f.; weiterführend vor allem ders., Staatsunternehmen und Privatheit, S. 355, 393 f. Zum Wettbewerb als „staatlicher Veranstaltung“ stv. für einige P. Badura, Bewahrung und Veränderung demokratischer und rechtsstaatlicher Verfassungsstruktur in den internationalen Gemeinschaften, VVDStRL 23 (1966), S 78; ebenso ders., Wirtschaftsverwaltungsrecht, in: I. v. Münch/E. Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, 9. Aufl., 1992, S. 193 ff., 199 ff., 201 ff., insb. S. 204 ff. 426

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3. Teil: Freiheit, Privatheit und Selbständigkeit in der Republik

vereinten Willens der Bürgerschaft und wichtige Triebkraft zur Steigerung des Gemeinwohls430. Damit wird deutlich, dass sich die These, Privatheit nütze nur dem Einzelnen und stehe den Interessen der Gemeinschaft entgegen, schade dieser sogar unter bestimmten Voraussetzungen, nicht aufrecht erhalten lässt. Der Grundsatz der Privatheit und die Rechte der Privatheit sind ohnehin Ergebnis eines Konsensprozesses unter freien und gleichen Bürgern eines republikanischen Gemeinwesens und als solches integraler Bestandteil politischer und rechtlicher Konzeption der Republik, auch republikanischer Lebenswirklichkeit. Die bürgerliche Gemeinschaft hat sich dahingehend verständigt, dass sich nach Maßgabe praktischer Vernünftigkeit das Gemeinwohl bestmöglich in einem System der Privatheit, unter materialen Gesichtspunkten in einer privatheitlich ausgerichteten Marktwirtschaft mit freiem und gesetzlichem Wettbewerb verwirklichen lässt. Insbesondere unter der Prämisse, dass die Privatheit in einer materialen Dimension zu wirtschaftlicher Unabhängigkeit für den Einzelnen führt, kann sich die Frage der Vorteilhaftigkeit, zumindest in einer materiellen Betrachtung, augenscheinlich sogar zu Gunsten der Gemeinschaft verschieben, wird diese doch von den aus dem Sozialprinzip zu entnehmenden Verpflichtungen und daraus erwachsenden – auch materiellen – Lasten in dem Maße verschont, in dem der Einzelne seinen Maximen getreu nach seinem persönlichen Glück eifern und, wenn auch im Wettbewerb mit anderen, mit seinen Zielen korrespondierende Ergebnisse erzielen kann. Im Rahmen der allgemeinen Gesetze trägt die Privatheitlichkeit von Markt und Wettbewerb damit sowohl den Interessen des Einzelnen in seinem Streben nach Glückseligkeit als auch den Gemeinwohlinteressen Rechnung. 3. Gemeinwohlverwirklichung auch jenseits des Wettbewerbes Nicht nur im systemischen Zusammenhang von Markt und Wettbewerb kann die Privatheit als wertvolles Mittel zur Beförderung des Allgemeinwohls in Stellung gebracht werden. Generell fungiert die privatheitsgestiftete Vertragsfreiheit als ein Mechanismus des bestmöglichen Interessenausgleichs im Staat, also in der bürgerlichen Gemeinschaft, da sich die Menschen freiheitlich über ihre jeweiligen Interessen ins Benehmen setzen können und müssen und – unter 430 Zu dieser Erfahrung der Wettbewerblichkeit z. B. K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 203 („Der Wettbewerb der Bürger ist, wenn die allgemeine Gesetzlichkeit gewahrt bleibt, nicht staatswidrig, sondern dem Gemeinwohl förderlich.“), auch S. 200 f., 388 f.; ders./A. Emmerich/Fritsche, Fallstudie zum kommunalen Wettbewerb, S. 34 f. Anders die liberalistische Position, die die republikanisch fundierte Notwendigkeit der Rechtlichkeit des Wettbewerbs negiert und dem „offenen Wettbewerb der privaten Egoismen . . .“ uneingeschränkte Gemeinwohleffekte zuspricht, so z. B. bei J. Isensee, Gemeinwohl und Staatsaufgaben im Verfassungsstaat, in: HStR, Bd. III, § 57, Rn. 28 ff.

2. Kap.: Privatheit in der Republik

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der Prämisse der Machtfreiheit431 – erst bei endgültigem Ausgleich divergierender Interessen Verträge zustande kommen. Ein solches Prinzip entlastet nicht nur den Staat in seinen unterschiedlichen Funktionen zum gesellschaftsbefriedenden Interessenausgleich, den er in praxi wohl ohnehin nur unzureichend bewerkstelligen könnte, lässt sich somit also unter Effizienzgesichtspunkten trefflich verargumentieren, sondern überträgt dem Menschen, seiner Menschheit und Menschenwürde entsprechend, Eigenverantwortung und Möglichkeiten zur Gestaltung seines privatheitlichen Lebens; denn dass der Staat über alle Maxime des Handelns entscheidet, ist nicht nur „undurchführbar“, sondern „unmenschlich“432. „Die weitestmögliche Privatheit ist eine praktische Notwendigkeit des gemeinsamen Lebens.“ (Karl Albrecht Schachtschneider)433

V. Grundsatz und Vorrang privater Lebensbewältigung 1. Lebenspraktische Bedeutung der Privatheitlichkeit Zum Wesen der Republik gehört es, um der Persönlichkeit des Menschen willen das Besondere, das Private, die „pluralistische Vielfalt“434 als Kontrapunkt zu staatlicher Einheitlichkeit, gelegentlich sogar paternalistischer Vereinheitlichung, in den Vordergrund zu rücken und dem Einzelnen Rechte zur Wahrung und Stärkung seiner Entscheidungs- und Handlungskompetenz zu gewähren, ihm Chancen einzuräumen und seine Selbständigkeit435 – durchaus auch in materieller Hinsicht – zu sichern und zu fördern436. Aus diesem Grunde 431 Machtfreiheit aber gehört zu den zentralen Anforderungen an die Republik, da Macht zu Despotie oder Herrschaft führt, die der freiheitlichen, gleichheitlichen und brüderlichen Republik fremd ist; insofern zählt die Herstellung und Aufrechterhaltung von machtfreien Rahmenbedingungen zu den essentiellen Flankierungsaufgaben des Staates im Bereich der Vertragsfreiheit. 432 Auch wenn die empirische Argumentation eine dogmatische Fundierung nur unterstützend begleitend kann, sei als aussagekräftiges Beispiel dafür, dass die staatliche Einmischung und letztlich Übernahme privater Verantwortlichkeiten, letztlich auch in Form von Entscheidungen über Handlungsmaximen, nur scheitern kann, der „real existierende Sozialismus“ angeführt; dazu K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 245 f.; nochmals im Folgenden, 4. Teil, 3. Kap., III. 433 Res publica res populi, S. 384. 434 H. H. Rupp, Die Unterscheidung von Staat und Gesellschaft, in: HStR, Bd. I, § 28, Rn. 27. 435 Die Selbständigkeit des Bürgers, gegebenenfalls auch mit staatlicher Unterstützung, ist ein Gebot der Brüderlichkeit in der Republik. Zur Selbständigkeit und Brüderlichkeit nach dem republikanischen Sozialprinzip grundlegend K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 234 ff. (m. w. M.); siehe ausführlicher auch 4. Teil, 1. Kap. u. ö. 436 Vgl. BVerfGE 5, 84 (197 f.); dazu etwa E.-W. Böckenförde, Staat und Gesellschaft im Sozialstaat, S. 421 f.; P. Häberle, Die Wesensgehaltsgarantie des Art. 19 Abs. 2 GG, S. 121 f.; ders., Grundrechte im Leistungsstaat, VVDStRL 30 (1972),

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3. Teil: Freiheit, Privatheit und Selbständigkeit in der Republik

teilt das Grundgesetz als freiheitliche Verfassung der Republik in seinen verfassten Grundrechten, auch in den besonderen Grundrechten, Privatheit zu. Das Postulat der Privatheit darf dabei weder auf ein modellhaftes Konzept akademischer Natur noch auf eine allein in der juristischen Lehre verwurzelte Frage reduziert werden – Privatheit in der Republik zeichnet sich vielmehr durch größte lebenspraktische Bedeutung für die bürgerliche Gemeinschaft aus437. Schließlich wird der Grundsatz der Privatheit der Lebensbewältigung durch die Grundrechte in ihrer subjektiven Dimension vorgeschrieben, die alle Bereiche des Lebens berühren438. Privatheit als Recht zur freien und gesetzlichen Willkür ist kein Recht um des Rechts willen. Seine Privatheit erlaubt es dem Bürger, seinen ureigenen Interessen in den Grenzen der allgemeinen Gesetze und des Sittengesetzes nachzugehen; die Verfolgung der Maximen seines Handelns entspringt dem Streben nach Glückseligkeit, zunächst aber dem Mühen des Bürgers um die Bewältigung seines Lebens, seiner Existenz. Die Möglichkeit zur privatheitlichen, selbständigen Lebensführung, die der Menschheit des Menschen entspricht, macht einen substantiellen Teil der Würde des Menschen aus. Privatheit manifestiert sich auch und insbesondere in einer Privatheit der Lebensbewältigung, die ob ihrer untrennbaren Verbindung mit der Menschenwürde in ihrer Elementarität zu den unumstößlichen Grundsätzen der freiheitlichen, gleichheitlichen und brüderlichen Republik zu zählen ist439, denn „grundsätzlich sind die Rechte der Privatheit . . . subjektive Rechte des Menschen, sein Glück zu suchen . . .“440

S. 90; R. Herzog, Ziele, Vorbehalte und Grenzen der Staatstätigkeit, in: HStR, Bd. III, § 58, Rn. 27, 75 ff.; J. Isensee, Gemeinwohl und Staatsaufgaben im Verfassungsstaat, in: HStR, Bd. III, § 57, Rn. 170; M. Kriele, Freiheit und Gleichheit, in: HVerfR, S. 146; W. Maihofer, Prinzipien der freiheitlichen Demokratie, in: HVerfR, S. 516, 528 f.; K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 234 f.; H. F. Zacher, Das soziale Staatsziel, in: HStR, Bd. I, § 25, Rn. 48 ff.; vgl. auch 4. Teil, 3. Kap., IV. 437 Für bürgerliche Privatheit als „praktische Notwendigkeit“ des gemeinsamen Lebens K. A. Schachtschneider, Der Anspruch auf materiale Privatisierung, S. 75; so auch ders., Res publica res populi, S. 378 ff. u. ö.; i. d. S. auch W. Maihofer, Prinzipien der freiheitlichen Demokratie, in: HVerfR, S. 500 ff. 438 Vgl. K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, beispielhaft S. 450; dazu z. B. auch ders., Der Anspruch auf materiale Privatisierung, S. 78 f. 439 Umfassender K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 370 ff. 440 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 378, zu diesen Rechten als „Privatsphäre“ oder auch „Freiheitssphäre“ BVerfGE 6, 389 (433 ff.); 27, 1 (7 f.); 27, 344 (351); 32, 373 (379); 33, 367 (376); 34, 238 (246); 35, 202 (220 f.); 51, 97 (107); u. ö. Umfangreiche Hinweise finden sich bei K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 224 (Fn. 90), 454 (Fn. 58), 459 (Fn. 84), 466 (Fn. 115).

2. Kap.: Privatheit in der Republik

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2. Grundsatz und Vorrang der Privatheit in der Lebensbewältigung Das republikanische Prinzip der Privatheit impliziert einen Vorrang der Privatheit441; dies trifft auch für die Privatheit in der Bewältigung des eigenen Lebens in all seinen Aufgaben und Herausforderungen zu. In einer fast unentwirrbaren Gemengelage von staatlicher und privater Aufgabenerfüllung werden Handlungsmöglichkeiten, mehr oder weniger stark durch allgemeine Gesetze geregelt, vorrangig dem Bürger in seiner Privatheit zugeteilt: „Der privaten, besonderen, eigenständigen Lebensbewältigung gebührt der Vorrang.“ (Karl Albrecht Schachtschneider)442

Auch die besonderen Grundrechte liefern eine klar skizzierte Verfassungsgrundlage für diesen Grundsatz und Vorrang der Privatheit der Lebensbewältigung: eine Verfassung, die Eigentumsgarantie, Berufsfreiheit, Vereinigungsfreiheit und ähnliche Freiheiten garantiert, ist ein klares Indiz für eine „Verfassung der größtmöglichen Privatheit“443. Die menschheitliche, auch bürgerliche Lebensbewältigung genießt in ihrer Individualität und damit Privatheitlichkeit eindeutigen Vorrang vor der staatlichen Lebensbewältigung, die in einem subsidiären Verhältnis444 zur individuell-privatheitlichen Lebensbewältigung gesehen 441 So die Argumentationslinie bei K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 386 ff.; wesentlich J. Isensee, Subsidiarität und Verfassungsrecht, S. 215 f., 313 ff.; auch ders., Gemeinwohl und Staatsaufgaben im Verfassungsstaat, in: HStR, Bd. III, § 57, Rn. 165 ff.; D. Merten, Sozialrecht, Sozialpolitik, in: E. Benda/W. Maihofer/ H.-J. Vogel (Hrsg.), Handbuch des Verfassungsrechts, 2. Aufl., 1994, S. 999 f.; H. H. Rupp, Die Unterscheidung von Staat und Gesellschaft, in: HStR, Bd. I, § 28, Rn. 51 ff.; K. A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 272 f.; ganz i. d. S. ders., Republikanische Freiheit, in: FS M. Kriele, S. 856 ff. 442 Res publica res populi, S. 475. 443 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 386 ff. (Zitat S. 387); ebenso ders./A. Emmerich-Fritsche, Rechtliche Begründung, in: Vertragsärztliche Bundesvereinigung (Hrsg.), Revolution der Krankenversicherung. Prinzipien, Thesen und Gesetz, 2002, S. 63. 444 Der Grundsatz der privaten Lebensbewältigung wird oftmals als judiziables Subsidiaritätsprinzip dogmatisiert. Dazu substantiell J. Isensee, Subsidiarität und Verfassungsrecht, S. 264 f., 281 f., 313 ff. („Subsidiaritätsprinzip“ als „Gebot staatlicher Zurückhaltung“); auch H. H. Rupp, Die Unterscheidung von Staat und Gesellschaft, in: HStR, Bd. I, § 28, Rn. 51 ff. Diese Gleichsetzung des Subsidiaritätsprinzips mit der Privatheitlichkeit der Lebensbewältigung lehnt K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 195 ff., 201 ff., 220 f., 244, 370 ff. (insbes. 386 ff.), 450 f., 475 ff., 858 ff., auch S. 478 ff., 486 ff. (zum „Regel-Ausnahmeprinzip“), regelmäßig ab. Zutreffend konstatiert er auf S. 220 in Fn. 76, dass der Grundsatz und Vorrang der Privatheit der Lebensbewältigung und das Subsidiaritätsprinzip „verwandt“, beide Prinzipien aber durchaus „eigenständig“ sind; denn „während das Subsidiaritätsprinzip über die Kompetenz unter konkurrierenden staatlichen Kompetenzen entscheidet (typisch Art. 3 a Abs. 2 EGV, Maastricht), begrenzt der Grundsatz der Privatheit die Staatlichkeit der Lebensbewältigung überhaupt. Privatheit als Verwirklichung der Freiheit ist zwar kompetenzhaft, aber keine Kompetenz. Der Mensch ist Person, aber nicht wesentlich Kompetenzträger, der eine Aufgabe hat. Eine solche Sicht würde die Selbstzweckhaftigkeit des Menschen verkennen. Es konkurriert nicht die Kompetenz des

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3. Teil: Freiheit, Privatheit und Selbständigkeit in der Republik

wird. Dem Regel-Ausnahme-Schema445 folgend, das Privatheit und Staatlichkeit im institutionellen Sinn verteilt446, wird private Lebensbewältigung soweit erlaubt, als sie nicht verboten ist. Demzufolge muss Privatheit der Lebensbewältigung ihre Grundlagen in Verfassung und Gesetz finden, was auch der Fall ist447. 3. Pflichtigkeit einer privatheitlichen Lebensführung Die der Konzeption republikanischer Privatheit innewohnende Pflichtigkeit des Individuums der Gemeinschaft gegenüber erstreckt sich auch auf die Privatheit bei der Meisterung des eigenen Lebens. So ist der Bürger verpflichtet, die Chancen, die ihm zu einem autonomen Bestreiten seines Lebens, natürlich auch seines Lebensunterhaltes, geboten werden, zu nutzen448. Zumindest gibt das Einräumen eines Handlungsspielraumes dem Bürger die Pflicht auf, diese Privatheit der Bewältigung seines Lebens anzustreben und sich um diese bestmöglich zu mühen; erst in dem Augenblick, in dem ein Bürger – trotz aller Bemühungen – sein Leben nicht mehr privatheitlich zu meistern in der Lage ist, vermag er auf staatliche Unterstützung zurückzugreifen, die die staatliche Staates mit der des Menschen, schon deswegen nicht, weil das Staatliche das Allgemeine der Bürgerschaft verwirklicht, das (besondere) Private aber nicht allgemein ist, auch nicht, wenn der Staat eine Aufgabe aufgibt oder nicht übernimmt. Das Staatliche und das Private sind auch wegen der unterschiedlichen Rechtsprinzipien, die die Maximen und die Maximenbildung bestimmen, in anderer Weise unterschiedlich als verschiedene staatliche Institutionen, deren Kompetenzen konkurrieren. Die Privatheit des Lebens ist ein notwendiges Humanum, die Kompetenz des Landes anstelle der des Bundes oder des Mitgliedsstaates anstelle der der europäischen Gemeinschaft nicht. . . . Der Grundsatz der Privatheit . . . betrifft nicht die modale Staatlichkeit, sondern die modale Privatheit der Maximen des Handelns.“ 445 Das republikanische Prinzip von Regel und Ausnahme als Freiheitsprinzip wird bei K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 309 sowie detaillierter S. 478 ff. (insbes. S. 489 ff.) erläutert. Hierzu ergänzend, wenn auch wohl nicht im republikanischen Sinne, J. Isensee, Subsidiaritätsprinzip und Verfassungsrecht, S. 264 ff. (insb. S. 281 ff., 313 f.). 446 Vgl. dazu K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 370 ff.; dazu weiterführend ders., Freiheit in der Republik, 8. Kap., 1. 447 Zur grundrechtlichen Begründung des Vorrangs der Privatheit der Lebensbewältigung J. Isensee, Subsidiaritätsprinzip und Verfassungsrecht, S. 215 f., 313 ff.; ders., Gemeinwohl und Staatsaufgaben im Verfassungsstaat, in: HStR, Bd. III, § 57, Rn. 165 ff.; R. Herzog, Ziele, Vorbehalte und Grenzen der Staatstätigkeit, in: J. Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. III, Das Handeln des Staates, 1988, § 58, Rn. 36; H. H. v. Arnim, Staatslehre, S. 474 ff.; C. Link, Staatszwecke im Verfassungsstaat nach 40 Jahren Grundgesetz, VVDStRL 48 (1990), S. 26; H. H. Rupp, Die Unterscheidung von Staat und Gesellschaft, in: HStR, Bd. I, § 28, Rn. 51 ff.; grundlegend K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 201 ff., 220 m. w. Hinw. in Fn. 76, 244; ders., Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 189, 272 f. (m.w. N. in Fn. 184) sowie S. 317. 448 Zur Pflicht zur Selbständigkeit siehe 3. Kap. sowie umfassend 4. Teil, 1. Kap., insb. VI.

2. Kap.: Privatheit in der Republik

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Gemeinschaft auf Grundlage des Prinzips republikanischer Brüderlichkeit zu leisten verpflichtet ist449. Im heutigen Parteienstaat hingegen, der sowohl das Prinzip der Privatheit als auch das Prinzip der Brüderlichkeit fast bis zur Unkenntlichkeit verzerrt und sinnentleert hat, scheinen die unterschiedlichsten Interessengruppen anstelle privater Verpflichtung aus moralischen Gründen eine vermeintliche sozialstaatliche Verpflichtung, nicht jedoch aus moralischen, sondern aus wahltaktischen Überlegungen, im politischen Meinungsbildungsprozess zu zementieren450. Anstelle der vorrangigen Pflichtigkeit der Privatheit, der Privatinitiative bei der Lebensbewältigung wird mit steter Regelmäßigkeit versucht, dem Bürger eine zwingende Pflicht des Sozialstaates zur nachhaltigen Unterstützung des Bürgers in seiner Lebensführung, einen Vorrang dieser Staatspflicht vor privaten Bemühungen des Bürgers, ja sogar einen unstrittigen Anspruch jedes Bürgers auf staatliche Unterstützung in vielerlei Hinsicht zu suggerieren. Statt der Bürgerpflicht zur Privatheit rückt die staatsbürgerliche Verpflichtung zur Steuerzahlung, quasi die Steuerpflicht als Bürgerpflicht, in den Vordergrund staatlicher Interessen und Begehrlichkeiten. Schließlich verursachen dauerhaft – gleichermaßen in Gesetzen und öffentlicher Wahrnehmung – verankerte Wohltaten des (Sozial-) Staates Ausgaben, zu deren Finanzierung Steuern und Abgaben als unerlässliche Finanzierungsquellen vonnöten sind. Entgegen der derzeitigen Praxis, die zur Bewältigung des bürgerlichen Lebens, zumindest aber zur Abdeckung aller „bürgerlichen Lebensrisiken“, staatliche Verpflichtungen, auch in allen monetären Konsequenzen, eindeutig vor private Pflichten, wenigstens Bemühungen des privaten Individuums zu stellen scheint, fordert und fördert die Republik den mündigen, weil freien Bürger in seinen privatheitlichen Rechten, damit zugleich Pflichten zur Bewältigung seines Lebens. 4. Vorrangige Privatheit in den Grenzen allgemeiner Gesetze Der Zweck des republikanischen Staates451, nämlich das gute Leben aller in gemeinsamer Freiheit, verbietet – trotz oder gerade wegen des grundsätzlichen 449 Das Prinzip der Brüderlichkeit als Sozialprinzip in der Republik zieht für den Staat im Sinne einer bürgerlichen Gemeinschaft Verpflichtungen nach sich, die aus dem eigentlichen Ziel der Republik, dem guten Leben aller in gemeinsamer Freiheit resultieren. Dazu detaillierter im 4. Teil, insb. 3. Kap. 450 Zur Parteienkritik grundlegend K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 1045 ff. (m. zahlr. Hinw.); ebenso ders., Das Hamburger Oppositionsprinzip. Zum Widerspruch des entwickelten Parteienstaates zur republikanischen Repräsentation, Der Staat 28 (1989), S. 173 ff.; dazu z. B. auch ders., Republikanische Freiheit, in: FS M. Kriele, S. 842. 451 Vgl. zum Staatszweck K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 551, auch S. 299 ff., 346 ff. (m. zahlr. Hinw.); siehe z. B. auch C. Link, Staatszwecke im

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3. Teil: Freiheit, Privatheit und Selbständigkeit in der Republik

Vorrangs privatheitlicher Lebensführung – ein Übermaß an Privatheit, erst recht Privatheitlichkeit ohne Maß. Dass privatheitlichem Handeln, welches gegen die Interessen, ja gegen das Recht eines Dritten verstößt, Grenzen in Form allgemeiner Gesetze zu ziehen sind, bedarf wohl keiner gesonderten Erläuterung. Viele wichtige Aufgaben in der bürgerlichen Gemeinschaft, wie beispielsweise substantielle Daseinsvorsorge, können privatheitlich gar nicht erledigt werden und bedürfen aus diesem Grund einer staatlichen Wahrnehmung; auch dies ist qua allgemeiner Gesetze zu regeln. Die Frage der Daseinsvorsorge ist wie jede andere Frage des gemeinsamen guten Lebens freiheitlich zu lösen und somit dem gemeinsamen, aber autonomen Willen der Bürger überstellt. Auch staatliche Lebensbewältigung bedarf der Gesetze, rechtliche Gesetze sind generell Grundlage jeder Staatlichkeit452. Generell aber genießt die Privatheit der Lebensbewältigung eindeutigen Vorrang vor einer prinzipiellen staatlichen Unterstützung oder gar gänzlichen Übernahme der Lebensführung des Einzelnen; dieser Grundsatz entspringt einer Verfassungsgrundlage objektiver Dimension in den besonderen Grundrechten453. Neben der Berufsfreiheit, der Vereinigungsfreiheit und mancher anderen Freiheit mehr zählt die Eigentumsfreiheit zu den Grundpfeilern einer Verfassung, die auf größtmögliche Privatheit setzt454. Diese Privatheit in Gesetzen bestmöglich zu verwirklichen gibt die Verfassung dem Gesetzgeber auf, der folglich eine Rechtsordnung zu gestalten hat, die den Bürgern – auch den Steuerbürgern – größtmögliche Freiheit im Sinne von vielfältigsten Möglichkeiten bei der Entfaltung ihrer Persönlichkeit gewährt, natürlich stets in den Grenzen des Allgemeinverträglichen. 5. Eigentum als zentrales Recht privatheitlicher Lebensbewältigung In besonderem Maße ist eine der Privatheit verpflichtete Rechtsordnung ohne das Eigentum des Art. 14 GG als eines der zentralen Rechte der Privatheit nicht vorstellbar455. Auch wenn der Eigentumsbegriff einem steten Wandel unterliegt, muss wenigstens die Idee des Eigentums dauerhaft aufrecht erhalten werden456. Verfassungsstaat nach 40 Jahren Grundgesetz, VVDStRL 48 (1990), S. 7 ff.; G. Ress, ebenda, S. 56 ff. 452 Hierzu K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 202, auch S. 14 ff., 211 ff., 328 ff., 519 ff. 453 Siehe etwa K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 370 ff. (insb. S. 378 ff.), 386 ff.; ders., Der Anspruch auf materiale Privatisierung, S. 78 ff. 454 Vgl. insb. K. A. Schachtschneider, Das Recht am und das Recht auf Eigentum, in: FS W. Leisner, S. 744 ff., 752 ff., 763 ff.; auch ders., Res publica res populi, S. 386 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 8. Kap., III., IV., 10. Kap., I., II. 455 Siehe grundlegend K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 386 ff.; ders., Das Recht am und das Recht auf Eigentum, in: FS W. Leisner, S. 744 ff., 752 ff., 763 ff.; wesentlich auch ders., Freiheit in der Republik, 8. Kap., III., 10. Kap.,

2. Kap.: Privatheit in der Republik

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Schließlich ist das Eigentum bereits in seiner Begrifflichkeit ein Recht des Einzelnen, damit ein Recht zur Privatheit im Sinne eines Willkürrechts457. Das wird noch untermauert durch die in Art. 14 Abs. 2 GG verfasste Sozialpflichtigkeit des Eigentums, die logischerweise nur erforderlich, ja überhaupt nur konstruktionslogisch denkbar ist, wenn das Eigentum im Grundsatz Rechten zur Privatheit entspricht458. Im Kontext einer privatrechtlichen Eigentumsverfassung – nur unter solchen Vorzeichen lassen sich Privatheit und Eigentum sinnkongruent vereinen – erfordert das Eigentum eine Rechtsordnung der bestmöglichen Privatheit, die als Konsequenz des Grundsatzes der Privatheit insbesondere die grundsätzliche Verfügungsbefugnis und Privatnützigkeit des Eigentums sicherstellt. Die Vielzahl von Gesetzen, in denen das Eigentum gerade in seiner Privatheitlichkeit unmittelbar oder mittelbar tangiert wird – so auch in den Steuergesetzen –, verdeutlicht die Weite des Bogens, den eine solche privatheitliche Rechtsordnung zu spannen hat. 6. Grundsatz der Privatheit unternehmerischer Wirtschaft Privatheit kann nicht auf das Eigentumsrecht des Art. 14 GG beschränkt werden, auch nicht Privatheit in der Wirtschaft. Privatheitliche Wirtschaft mit all ihren unterschiedlichen Facetten dient unmittelbar, zumindest aber mittelbar der Lebensbewältigung der wirtschaftenden Akteure. Das gilt für Unternehmer, die mit unternehmerischen Erlösen nicht nur den Fortbestand und die Weiterentwicklung ihrer Unternehmen, sondern auch ihr privates Einkommen sichern, ebenso für Arbeitnehmer, die mit ihren (Arbeits-)Einkommen den Lebensunterhalt bestreiten, aber auch für Aktionäre oder Anteilseigner, deren Zinseinkünfte und Dividenden der Lebensführung in ihrer Materialität dienen. Letztlich agieren alle Teilnehmer des Wirtschaftssystems nach ihren individuellen Maximen – was die Privatheit als Willkürrecht in den Grenzen der allgemeinen Gesetze bekanntlich auch gestattet –, unter denen in aller Regel auch die Gewinnmaxime zu finden sein wird, und streben nach einer bestmöglichen Verwirklichung ihrer privatheitlichen Zielvorstellungen, darunter wohl typischerweise auch größtmögliches Einkommen oder größtmöglicher Gewinn, um dann mit diesen (materiellen) Mitteln ihr Leben bestreiten zu können.

I. u. ö.; zur Bedeutsamkeit des Eigentums für eine privatheitliche Lebensbewältigung siehe auch 3. Kap. sowie ausführlicher im 4. Teil, 3. Kap. 456 Näher im 5. Teil, 1. Kap. 457 Zur Privatheit als Willkürrecht im Rahmen der allgemeinen Gesetze K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 374 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 8. Kap., II., III.; vgl. bereits 2. Kap., II. 458 Vgl. K. A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 272 f.; ders., Res publica res populi, S. 387 sowie allg. zum Grundsatz der Privatheit der Lebensbewältigung S. 220 (m. zahlr. Hinw. in Fn. 76); auch S. 201 ff., 244, 389.

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3. Teil: Freiheit, Privatheit und Selbständigkeit in der Republik

Auf dieser Privatheitlichkeit, diesen Rechten der Privatheit, basiert die unternehmerische Betätigung459, ja jede Form der Partizipation am gesamten Wirtschaftskreislauf, die der verschiedenen Privatheitsrechte systemnotwendig bedarf460. Um diese systemischen Mechanismen und deren Funktionsfähigkeit zu sichern und zu schützen, erfahren in einer Verfassung, die sich nicht nur der Privatheit als einem nicht nur freiheitlichen, vielmehr republikanischen Grundprinzip verschrieben hat, sondern auch die Marktlichkeit im Wirtschaftsleben und die damit systemlogisch untrennbar verbundene Privatheitlichkeit in diesem Wirtschaftsleben verankert hat, die diversen Rechte zur Privatheit im wirtschaftlichen Verkehr ihren grundgesetzlichen Schutz im Interesse der marktwirtschaftlichen Ordnung des Gemeinwesens und des einzelnen Bürgers. Der Grundsatz privatrechtlicher Unternehmensformen als einer Form der Privatheit beispielsweise leitet sich aus Art. 9 Abs. 1 GG ab. Art. 9 Abs. 3 GG sieht die Privatrechtlichkeit, mithin auch Privatheit von Arbeitsverhältnissen vor. Im Ergebnis verdichten sich die Grundrechte mit besonderer wirtschaftlicher Relevanz zu einem Grundsatz der Privatheit unternehmerischer Wirtschaft, der mit den Grundsätzen der Marktlichkeit und Wettbewerblichkeit dieser Wirtschaft einhergeht und untrennbar verbunden ist461. Ähnlich deutlich signalisiert auf europäischer Ebene der Vertrag über die Europäische Union vom 7. Februar 1992 in Art. 3a EGV einen grundsätzlichen Vorrang der Privatheit, auch und gerade der Wirtschaft, indem er die Mitgliedsstaaten „dem Grundsatz einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb“ verbindlich verpflichtet462; Marktlichkeit und Wettbewerblichkeit funktionieren 459 Vgl. K. A. Schachtschneider, Eigentümer globaler Unternehmen, in: FS H. Steinmann, S. 419, der darlegt, dass sich Unternehmen durch „institutionelle Privatheit“ auszeichnen. Dazu ders., Res publica res populi, S. 394 ff.; ebenso ders., Freiheit in der Republik, 8. Kap., VI. 460 Zur Privatheit in der Wirtschaftsordnung der Republik grundlegend K. A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 283 ff., auch S. 25 ff., 218 ff.; ders., Eigentümer globaler Unternehmer, in: FS H. Steinmann, S. 417 ff.; ausführlich ders., Der Anspruch auf materiale Privatisierung, S. 79 f., 105 ff., 148, 296 ff. u. ö.; ders./A. Emmerich-Fritsche, Fallstudie zum Kommunalen Wettbewerb, S. 34 f., 64 f., 78 f. 461 So der Hinweis im Kontext der Privatheit von K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 388; außerdem zum grundgesetzlichen Prinzip der Marktlichkeit und Wettbewerblichkeit der Wirtschaft grundlegend R. Schmitt, Öffentliches Wirtschaftsrecht. Allgemeiner Teil, 1990, S. 3, 66; auch P. Badura, Bewahrung und Veränderung demokratischer und rechtsstaatlicher Verfassungsstruktur in den internationalen Gemeinschaften, VVDStRL 23 (1966), S. 77 ff.; H.-J. Papier, Grundgesetz und Wirtschaftsordnung, in: E. Benda/W. Maihofer/H.-J. Vogel (Hrsg.), Handbuch des Verfassungsrechts, 2. Aufl. 1994, S. 809 ff. Hinzuweisen bleibt auf die Bemerkung von K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 388 f., der „die nichtwirtschaftlichen Lebensbereiche erst recht der bestmöglichen Privatheit“ überantworten möchte, offensichtlich also in wirtschaftlichen Handlungsbereichen ein relativ größeres Maß an Staatlichkeit einfordert als in den apostrophierten „nichtwirtschaftlichen Lebensbereichen“, zumindest aber dies als plausible Entwicklung erwartet.

3. Kap.: Selbständigkeit in der Republik

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aber nur in einer unternehmerischen Privatwirtschaft463, zu deren Grundprinzipien die Privatheit der wirtschaftsrelevanten Akteure gehört, die gerade dank dieser Privatheit ihr Leben in Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit, eben nach den Idealen der Republik bestreiten können.

3. Kapitel

Selbständigkeit in der Republik I. Facetten republikanischer Selbständigkeit 1. Selbständigkeit als Merkmal des bürgerlichen Zustandes (kantianisch) Die Republik verwirklicht als einzige Staatsform das Prinzip der Menschenwürde, materialisiert in ihrer Entscheidung zu allgemeiner Gleichheit in allgemeiner Freiheit. Der republikanische Staat bedarf einer bürgerlichen Verfassung464, die getreu den republikanischen Prinzipien die staatsteilnehmenden Menschen zu freien, gleichen und brüderlichen Bürgern macht. Diese republikanischen Prinzipien definieren den bürgerlichen Zustand: „Freiheit jedes Gliedes der Sozietät, als Menschen, . . . Gleichheit desselben mit jedem anderen, als Untertan, . . . Selbständigkeit jedes Gliedes eines gemeinen Wesens, als Bürger.“ (Immanuel Kant)465

Deutlicher lässt sich die innere Verbindung von Brüderlichkeit, die gleichberechtigt als drittes Prinzip der Republik neben Freiheit und Gleichheit steht, und Selbständigkeit als republikanischem Prinzip, zumindest prinzipienhaftem Fundament der Republik, kaum zum Ausdruck bringen. So stellt Kant Selbständigkeit gleichberechtigt in eine Reihe mit Freiheit und Gleichheit, substituiert gar den gebräuchlichen Terminus der Brüderlichkeit. Brüderlichkeit definiert sich als ein allgemeiner Zustand, in dem alle Freien und Gleichen Selbständigkeit 462 Dazu z. B. K. A. Schachtschneider, Der Anspruch auf materiale Privatisierung, S. 78 ff.; ders. (unter Mitarbeit von S. Jungheim/W. Dorner), Fallstudie Konkurrentenklage gegen Subventionen, S. 453 f.; zur Marktwirtschaft ausführlicher 2. Teil, 3. Kap., III., 2., auch 4. Teil, 3. Kap., IV., 2., a, 6. Teil, 2. Kap., V., 4. 463 Vgl. K. A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 281 ff.; ders., Res publica res populi, S. 388, 394 f.; auch ders., Freiheit in der Republik, 8. Kap., VI.; ders., Der Anspruch auf materiale Privatisierung; S. 296 ff.; ders./A. Emmerich-Fritsche, Fallstudie zum Kommunalen Wettbewerb, S. 61 ff. (insb. S. 68); auch A. Emmerich-Fritsche, Das Privatheitsprinzip des Binnenmarktes, EWS 2001, S. 365 ff. 464 Schon I. Kant, Zum ewigen Frieden, S. 204, auch S. 241, stellte fest, dass die bürgerliche Verfassung in jedem Staat republikanisch sein solle. Umfangreich zur Republik im 2. Teil, 1. Kap. (m. zahlr. Hinw. in Fn. 30). 465 Über den Gemeinspruch, S. 145 ff.

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3. Teil: Freiheit, Privatheit und Selbständigkeit in der Republik

erlangt haben, mithin erst in dieser Selbständigkeit zur Bürgerlichkeit gelangen. Während die Freiheit den Menschen ausmacht, und die Gleichheit, nicht vor dem Herrscher – denn Herrschaft widerspräche dem Gedanken der Republik466 –, sondern vor dem Gesetz, den „Untertan“ kennzeichnet, charakterisiert Selbständigkeit den „Bürger“, ist also Selbständigkeit das entscheidende Merkmal des bürgerlichen Zustandes. 2. Selbständigkeit als Ausdruck privatheitlicher Freiheit „Äußere Freiheit“ ist die „Unabhängigkeit von eines anderen nötigender Willkür“, also das Recht zur freien Willkür467, das in der Allgemeinheit der Gesetze ermöglicht wird. Mit eben dieser freiheitlichen Willkür kann der Bürger seine unterschiedlichen Freiheitsrechte468 – eigentlich die allgemeine Freiheit in ihren unterschiedlichen Ausprägungen als materiale Rechte aus Gesetzen – wahrnehmen. Die subjektiven Rechte des Menschen bzw. des Bürgers, Privatheit eben, werden um dessen freiheitlicher Persönlichkeit willen geschützt469. 466 Zur Republikwidrigkeit der Herrschaft, die den Verlust der Freiheit nach sich zieht K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, gesamter 2. Teil, insbes. S. 73 ff. zur Begriffsgeschichte der Herrschaft, ansonsten S. 83 ff. sowie passim; a. A. z. B. BVerfGE 83, 37 (52) („staatliche Herrschaft“), 83, 60 (73); sinngemäß ebenso E.-W. Böckenförde, Demokratie als Verfassungsprinzip, in: HStR, Bd. I, § 22, Rn. 9 ff., insb. Rn. 9. 467 I. Kant, Metaphysik der Sitten, S. 345; K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 431 ff., ebenfalls S. 279 ff., 303 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 2. Kap., VI. u. ö. 468 Kritisch zum Begriff der Freiheitsrechte K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 465 f. („Es gibt nur die eine Freiheit, nicht verschiedene Freiheiten. Eine Mehrheit von Freiheiten sind liberalistische Handlungsrechte. Wenn das Grundgesetz Freiheiten benennt, wie Art. 18 GG etwa die Meinungsäußerungs-, die Presse-, die Lehr-, die Versammlungs- und die Vereinigungsfreiheit, so sind verschiedene Lebensund Handlungsbereiche, aber immer dieselbe Freiheit angesprochen.“) sowie ausführlicher S. 441 ff., 1002 ff. (insb. S. 1009 mit Fn. 993). Anders die Positionen derer, die Freiheit mit materialen subjektiven Grundrechten gleichsetzen, so etwa J. Schwabe, Probleme der Grundrechtsdogmatik, S. 14, 37 ff., 52, 67 ff. u. ö.; auch A. Bleckmann, Allgemeine Grundrechtslehren, 2. Aufl. 1985, S. 175 f.; H. H. Klein, Die Grundrechte im demokratischen Staat, S. 53 ff., 57 ff., 70; C. Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 1 Abs. 3, Rn. 110–112; G. Lübbe-Wolff, Die Grundrechte als Eingriffsabwehrrechte, S. 8, 98 ff., ansonsten passim; W. Schmitt Glaeser, Schutz der Privatsphäre, in: J. Isensee/P. Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. VI, Freiheitsrechte, 1989, § 129, Rn. 20 ff.; C. Starck, Grundrechtliche und demokratische Freiheitsidee, in: HStR, Bd. II, § 29, Rn. 16 f.; K. Stern (unter Mitarbeit von M. Sachs), Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. III, Allgemeine Lehren der Grundrechte, 1. Halbband, 1988, S. 628, 632; sinngemäß R. Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 194 ff.; als einer von wenigen abweichend E. Grabitz, Freiheit und Verfassungsrecht, S. 3 ff., 158 ff., 201 ff., 207, 209 ff., 235 ff. 469 Exemplarisch sei als Recht der Privatheit das Recht jedes Deutschen genannt, gem. Art. 12 Abs. 1 S. GG seinen Beruf „frei“ zu bestimmen. Hierzu weiterführend K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 392 ff., 845 ff.

3. Kap.: Selbständigkeit in der Republik

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Freiheitlichkeit impliziert stets eine grundsätzliche Privatheit des Bürgers in all seinem Tun und Lassen, zugleich auch dessen Selbständigkeit; denn nur wenn dem Bürger individuelle Entscheidungen verbleiben, die ihm auch nicht durch allgemeines Gesetz abgenommen werden – und sei es noch so vernünftig –, handelt er privatheitlich-selbständig und verwirklicht so seine Freiheit470. Schließlich erfordert die allgemeine Freiheit, auch um der Menschheit des Menschen willen, ein hinreichendes Recht zur Privatheit, deren Fehlen ein gemeinsames Leben in Recht und Freiheit geradezu „ersticken“471 würde, wie auch deren lebensweltliche Umsetzbarkeit. Der Blick auf die Lebenswirklichkeit in der Republik überführt die Privatheit in den Grundsatz der privatheitlichen Lebensbewältigung472, wo grundrechtsgeschützte Privatheit sich als „Unabhängigkeit von den Anderen, von der staatlichen Allgemeinheit, im Sinne der Alleinbestimmung, im Interesse des eigenen Glücks“473, eben als Selbstbestimmung und Selbständigkeit, äußert. 3. Selbständigkeit als Voraussetzung freiheitlicher Sittlichkeit Als Pendant zu dieser „äußeren Freiheit“ ist „innere Freiheit“ die Pflicht zur Sittlichkeit, die sich, trotz oder gerade wegen ihrer Pflichtigkeit, als integraler Bestandteil der Freiheit des Einzelnen erweist. Freier „Staatsbürger, nicht bloß Staatsgenosse“474, ist nur der, der seiner Verpflichtung zur Sittlichkeit nachkommen kann, der also mit allen anderen Bürgern, mit denen er in irgendeiner Form verbunden ist, in einen Diskurs treten und gemeinsame Gesetze schaffen kann; dazu aber muss er frei, unabhängig, eben selbständig sein. Die Verwirklichung der allgemeinen Sittlichkeit, der Sittlichkeit aller, bedingt also Selbständigkeit, da nur der sittlich, somit eben auch eigenverantwortlich, zu handeln in 470 So K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 450; dazu auch ders., Freiheit in der Republik, 2. Kap., V., VI., 8. Kap., II., III., IV. u. ö. 471 Sehr treffend K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 465. 472 Die gemeinsame Lebensbewältigung mit dem Ziel des Friedens aller um des Glückes des Einzelnen willen ist elementares Prinzip der Republik; den Vorrang bei dieser Bewältigung des individuellen und gemeinsamen Lebens genießt um der Freiheit des Menschen willen die privatheitliche Lebensbewältigung. Zur Lebensbewältigung in der Republik K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 474 ff., zum Grundsatz der Privatheit der Lebensbewältigung ebenda, S. 449 (m.w. N. in Fn. 41), sowie zur Abgrenzung gegenüber dem Subsidiaritätsprinzip S. 220 (m.w. N. in Fn. 76); ausführlicher bereits oben, 2. Kap., III., IV., V. 473 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 465. 474 Vgl. I. Kant, Metaphysik der Sitten, S. 432 ff., Zitat S. 433; ders., Über den Gemeinspruch, S. 150 ff.; H. F. Zacher, Das soziale Staatsziel, in: HStR, Bd. I, 1987, § 25, Rn. 48 ff.; H. H. Rupp, Die Unterscheidung von Staat und Gesellschaft, in: HStR, Bd. I, § 28, Rn. 18 ff.; K. A. Schachtschneider, Das Sozialprinzip. Zu seiner Stellung im Verfassungssystem des Grundgesetzes, 1974, S. 40 ff.; ders., Staatsunternehmen und Privatrecht, 143 f.; ders., Res publica res populi, S. 234 ff. (insb. 241 ff.), 438 ff., 584 ff.

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3. Teil: Freiheit, Privatheit und Selbständigkeit in der Republik

der Lage ist, der selbständig ist und auch entsprechend selbständig handeln kann. Ist dies aber erfüllt – und zwar nicht nur für einen, sondern idealiter für alle Bürger –, findet das Postulat der Brüderlichkeit seine Entsprechung in der republikanischen Wirklichkeit475. Nur der selbständige Bürger vermag seiner sittlichen Pflicht zu entsprechen, brüderlich zu handeln und seinen Beitrag zum Wohl der Mitbürger zu leisten. Nicht zuletzt aus diesem Grund ist der Staat als Ausdruck des gemeinschaftlichen Willens der Bürger und Wahrer deren Interessen gehalten, die erforderlichen Bedingungen zu größtmöglicher Selbständigkeit der Bürger herzustellen; schließlich dient deren Selbständigkeit nicht nur ihren eigenen, individuellen Freiheit, letztlich ihrer freiheitlichen Privatheit, sondern auch dem Gemeinwohl, also der Freiheit aller. II. Materiale Dimension der Selbständigkeit Allgemeine Freiheit erfordert allgemeine Selbständigkeit, diese wiederum entsteht mit der äußeren Selbständigkeit jedes Einzelnen in der Republik. Ohne diese äußere Freiheit lässt sich innere Freiheit weder theoretisch denken noch praktisch erlangen. Auch wenn im republikanischen Gemeinwesen Formalität die (äußere und innere) Freiheit kennzeichnet, lässt sich die allgemeine Freiheit von ihren materiellen Grundvoraussetzungen476, die auch das soziale Prinzip der Republik einfordert, niemals trennen. Der Selbständigkeit als einer essentiellen Vorbedingung allgemeiner, bürgerlicher Sittlichkeit immanent ist eine materielle, besser: eine ökonomische Komponente, die – determiniert durch Situation und Bedarf des Einzelnen – stärker oder weniger stark in den Vordergrund tritt; die (äußere) Selbständigkeit bedingt jedenfalls das Vorhandensein ausreichender ökonomischer Möglichkeiten für den Einzelnen: „Voraussetzung der Sittlichkeit des Bürgers ist dessen (auch und vor allem ökonomische [Hervorh. d. Verf.]) Selbständigkeit.“ (Karl Albrecht Schachtschneider)477

475 So vor allem K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 241, der neben anderen Hinweisen insbesondere auf I. Kant, Metaphysik der Sitten, S. 432 f. verweist; außerdem ders., Das Recht am und das Recht auf Eigentum, in: FS W. Leisner, S. 743 ff. (S. 767 ff.); ders., Freiheit in der Republik, 4. Kap., 8. Kap., III., IV. 476 P. Häberle, Grundrechte im Leistungsstaat, VVDStRL 30 (1972), S. 95, spricht von „materiellen Grundrechtsvoraussetzungen“, die die „Sozialstaatsklausel“ im Sinne einer „freiheitsschaffenden Kraft“ herzustellen hat; i. d. S. z. B. auch E.-W. Böckenförde, Staat und Gesellschaft im Sozialstaat, S. 421 f.; ähnlich auch M. Kriele, Einführung in die Staatslehre, S. 219, 334 („Realbedingungen der Freiheit“); eigentumsspezifischer z. B. O. Kimminich, in: GG, BK, Art. 14, Rn. 18 ff.; grundsätzlich K. A. Schachtschneider, Frei – sozial – fortschrittlich, in: Symposium zu Ehren von Werner Thieme, S. 11 ff.; für die „privat verfügbare ökonomische Grundlage individueller Freiheit“ BVerfGE 97, 350 (370). 477 Res publica res populi, S. 234; dazu weiterführend auch ders., Freiheit in der Republik, 8. Kap., III., IV., auch VI., 10. Kap., II., III., VII.

3. Kap.: Selbständigkeit in der Republik

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Eine Aussage über den Inhalt dessen, was Selbständigkeit ausmacht, oder gar das Maß, ab dem ein Bürger seine individuelle Selbständigkeit erreicht, wird, getreu dem formalen Prinzip der Republik, das seine Materialisierung erst in allgemeinen Gesetzen erfährt, im Verfassungsgesetz nicht getroffen. Gleichwohl bedarf die Freiheit, ohne die ein sittliches Handeln nicht möglich ist, bestimmter Voraussetzungen, um sie nicht nur de jure beanspruchen, sondern de facto und in concreto auch in Anspruch nehmen zu können478; dazu zählen selbstverständlich lebensweltliche, eben auch ökonomische Erfordernisse. „Wer in Armut und Elend lebt, ist nicht frei, sondern gezwungen, ständig und ausschließlich um die Erhaltung seiner Lebensbasis besorgt zu sein. Die Überwindung der Not . . . bedeutet auch die Herstellung von sozialen Bedingungen der Entfaltung der Persönlichkeit für jedermann. Das ist der Grundgedanke . . ., der nicht etwa im Gegensatz zur Idee der Freiheit steht, sondern eben aus den rechtlichen philosophischen Wurzeln der Freiheitsidee selbst sich mit innerer Zwangsläufigkeit ergibt.“ (Martin Kriele)479

Ein Bild von Freiheit als „Unabhängigkeit von physischen Notwendigkeiten“480, wie es schon die griechische Polis gezeichnet hatte, lässt sich vor dem historischen Hintergrund der Jahrhunderte, in denen viele Menschen neben ihrer Bürgerlichkeit im politischen Sinn auch und insbesondere die materielle Basis für ihr tägliches Dasein entbehren mussten, leicht nachvollziehen. Nach den altgriechischen Stadtstaaten setzte sich die Differenzierung der ökonomischen Verhältnisse in der römischen Republik fort, die freilich auch durch ausgeprägte politische Ungleichgewichte gekennzeichnet war481. Die Französische Revolution hatte ebenfalls, neben der politischen Freiheit, unstrittig materielle Belange zum Gegenstand, die auf Gleichheit auch in materieller Hinsicht abstellten, um die Bürgerschaft zum Ideal der Brüderschaft zu befördern. Spätestens die industrielle Gesellschaft brachte (politische) Freiheit als Willensautonomie für einen Gutteil der Bevölkerung mit sich; gleichwohl darf nicht übersehen werden, dass die Nutzbarmachung dieser Freiheitsräume mit der Sicherung existentiellster Grundbedürfnisse materieller Natur einherging und ohne diese kaum vorstellbar gewesen wäre, dass auch in neuerer Zeit allgemeine, politische Freiheit, die die Sittlichkeit der Bürger im Wesentlichen ausmacht, auf ein materielles Fundament nicht verzichten kann482. 478

I. d. S. z. B. auch BVerfGE 33, 303 (331). Freiheit und Gleichheit, in: HVerfR, S. 129 ff. (S. 146); auch ders., Einführung in die Staatslehre, S. 229 f. 480 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 235, unter Hinweis auf H. Arendt, Vita Activa, S. 33 ff.; ergänzend z. B. M. Kriele, Freiheit und Gleichheit, in: HVerfR, S. 146 ff. 481 Dazu W. Henke, Recht und Staat, S. 319 ff. 482 Der historische Überblick über den Aspekt von Freiheit als Unabhängigkeit von den Notwendigkeiten des täglichen Lebens, vom täglichen Bedarf, findet sich bei K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 235 f. 479

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3. Teil: Freiheit, Privatheit und Selbständigkeit in der Republik

Selbständigkeit meint letztlich nichts anderes als immateriale und materiale Unabhängigkeit von anderen; selbständig ist derjenige, der nicht Herr, geschweige denn Knecht eines anderen, sondern jedem anderen gleichgestellt ist. Wer aber „Eigner seiner Selbst“, „sein eigener Herr (sui iuris)“483 ist, der ist eigenständig und kann aus diesem Grunde auch brüderlich handeln. Schließlich gedeiht die (innere und äußere) Freiheit als Autonomie des Willens, folglich auch im Sinne allgemeiner Sittlichkeit, am besten in wirtschaftlicher Homogenität484 von substantiell gleichen und selbständigen Bürgern485. III. Selbständigkeit durch rechtlich Eigenes Formale und materiale Unabhängigkeit und Selbständigkeit als Vorbedingung der Freiheit bedingt für den Bürger auch den Besitz, das Vorhandensein, Innehaben und Nutzenkönnen gewisser (materieller) Güter, die ihm „zueigen“ sind, deren Eigentümer er ist. Streng genommen beschränkt sich dieses Eigene – unter der Prämisse der Gesetzlichkeit also das Eigentum486 – nicht auf reine Güterkategorien, sondern erfasst all das, was der Bürger als Eigenes haben und nutzen kann. „Die Freiheit ist eine wirkliche erst in dem, der die Bedingungen derselben, den Besitz der materiellen und geistigen Güter, als die Voraussetzung der Selbstbestimmung, besitzt.“ (Lorenz von Stein)487

Mit Blick auf eine materiale Dimension der Selbständigkeit und Unabhängigkeit rückt gleichwohl die Güterwelt in den Mittelpunkt des Interesses, da nur mittels bestimmter Güter, eigentlich des Eigentums an bestimmten Gütern und der inhärenten Bestands- und Nutzungsgarantien Leben eigenständig und selbst483 I. Kant, Über den Gemeinspruch, S. 149, 151; auch ders., Metaphysik der Sitten, S. 345; zur genauen Einordnung K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 241 ff. 484 Zum Begriff der Homogenität siehe 4. Teil, 2. Kap., VI. 485 I. d. S. BVerfGE 5, 85 (206) („Die freiheitliche Demokratie ist von der Auffassung durchdrungen, dass es gelingen könne, Freiheit und Gleichheit der Bürger trotz der nicht zu übersehenden Spannungen zwischen diesen beiden Werten allmählich zu immer größerer Wirksamkeit zu entfalten und bis zum überhaupt erreichbaren Optimum zu steigern.“); näher dazu E. Grabitz, Freiheit und Verfassungsrecht, S. 205 ff., 237; P. Häberle, Grundrechte im Leistungsstaat, VVDStRL 30 (1972), S. 90 ff.; W. Maihofer, Prinzipien der freiheitlichen Demokratie, in: HVerfR, S. 445 f., 507 ff., 519 ff., 530 f.; grundlegend bereits Aristoteles, Politik, S. 116 ff., 125 ff., 151 f., 166 ff.; ähnlich wohl auch M. Kriele, Freiheit und Gleichheit, in: HVerfR, S. 146; ebenso P. Kirchhof, Die Identität der Verfassung in ihren unabänderlichen Inhalten, in: HStR, Bd. I, § 19, Rn. 83; zur „bürgerlichen Selbständigkeit“ auch I. Kant, Metaphysik der Sitten, S. 432 ff.; ders., Über den Gemeinspruch, S. 151 f. 486 Zum Eigentum in der Republik ausführlich im 5. Teil. 487 Geschichte der sozialen Bewegung in Frankreich von 1789 bis auf unsere Tage, Bd. 3, hrsg. v. G. Salomon, 1921, Neudruck 1959, S. 104, zitiert nach K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 242.

3. Kap.: Selbständigkeit in der Republik

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verantwortlich bewältigt werden kann; trotz eines oft wünschenswerten Zurückdrängens mancher Materialismen in der modernen Republik soll und kann sich der Bürger sämtlichen materiellen Zwängen des täglichen Lebens nicht entziehen: „Jedenfalls muss jeder Bürger so viel an Gütern haben können und haben, dass er selbständig ist.“ (Karl Albrecht Schachtschneider)488

Eine Aussage, über wie viele oder welche Güter ein Bürger als Eigentum verfügen können muss, um seine bürgerliche Selbständigkeit zu erlangen, lässt sich, nicht zuletzt eingedenk der streng formalen Prinzipien der Republik, insbesondere der Offenheit des sozialen Prinzips489, kaum treffen. Der grundlegende Maßstab für die Definition dieser Güter, ihrer Kategorien und Mengen, kann sich nur über das eigentliche Ziel der bürgerlichen Selbständigkeit, nämlich das Gemeinwohl im Sinne des guten Lebens aller in gemeinsamer Freiheit, im lebensweltlichen Kontext, nach den jeweiligen Gegebenheiten und Erforderlichkeiten, erschließen, ist also Sache allgemeiner Gesetze und der praktischen Vernunft. Bürgerliche Selbständigkeit, vornehmlich in ihrer materialen und materiellen Bedeutsamkeit, benötigt im Wesentlichen rechtlich Eigenes, sprich Eigentum490 und die Gegenstände des Eigentums491, zumindest aber die Chance auf Eigentum492; mit dem republikanischen Eigentumsverständnis korrespondierend umfasst dieses Verständnis nicht etwa nur Eigentum im herkömmlichen, engeren Sinne, sondern auch Eigentum als Summe der Möglichkeiten des Einzelnen zum bürgerlichen, freiheitlichen Leben in einer republikanischen Gemein488 Das Recht am und das Recht auf Eigentum, in: FS W. Leisner, S. 743 ff. (S. 761); umfassend dazu ders., Res publica res populi, S. 234 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 8. Kap., III., IV., 10. Kap., I., II., III. 489 Zur materialen Offenheit des Sozialprinzips ausführlicher im 4. Teil, 2. Kap., I., II., III. (jew. m. zahlr. Hinw.). 490 Vgl. näher 5. Teil, 1. Kap., II. u. ö. 491 Zur Notwendigkeit des Eigentums, auch im materialen Sinne, für die bürgerliche Selbständigkeit grundlegend I. Kant, Über den Gemeinspruch, S. 147 ff., 150 ff.; ders., Metaphysik der Sitten, S. 432 ff.; K. A. Schachtschneider, Das Recht am und das Recht auf Eigentum, S. 768 ff. u. ö.; dazu auch ders., Res publica res populi, S. 234 ff. 492 Vgl. z. B. K. Kühl, Eigentumsordnung als Freiheitsordnung, S. 271 ff., 277 ff. mit entsprechenden Hinweisen auf I. Kant, der diesen grundlegenden Topos der Chancengleichheit bereits in der Diskussion verankert hat; siehe etwa W. Maihofer, Prinzipien der freiheitlichen Demokratie, in: HVerfR, S. 512; P. Häberle, Grundrechte im Leistungsstaat, VVDStRL (1972), S. 84, 92, 97; P. Kirchhof, Der allgemeine Gleichheitssatz, in: HStR, Bd. V, § 124, Rn. 74 f.; H. F. Zacher, Das soziale Staatsziel, in: HStR, Bd. I, § 25, Rn. 39; K. A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 144 f., 344; kritisch W. Leisner, Der Gleichheitsstaat. Macht durch Nivellierung, 1980, insb. S. 143 ff.; ganz i. d. S. ders., Chancengleichheit als Form der Nivellierung, 1980, in: J. Isensee (Hrsg.), Staat, Schriften zu Staatslehre und Staatsrecht 1957–1991, 1994, S. 642 ff.

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3. Teil: Freiheit, Privatheit und Selbständigkeit in der Republik

schaft493. Um selbständig und frei sein zu können, bedarf der Bürger dieses Eigentums; zugleich will der fiskalische Staat im Zuge der Steuererhebung auf dieses Eigentum zugreifen. Die Frage nach dem Verhältnis von Eigentum und Steuern in der Republik, die immer eine Frage der Freiheit ist, muss also auch eine Frage nach den Grenzen steuerlicher Pflichtigkeit des selbständigen Bürgers und dessen Eigentums sein.

493 Vgl. K. A. Schachtschneider, Das Recht am und das Recht auf Eigentum, S. 744 f. u. ö.; dazu näher im 5. Teil, 1. Kap., I.

Vierter Teil

Soziales Prinzip in der Republik 1. Kapitel

Brüderlichkeit in der sozialen Republik I. Freiheit als Pflicht zur Sittlichkeit im brüderlichen Gemeinwesen Einer der Schlüsselbegriffe unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung ist das Sittengesetz494, das den Freiheitsbegriff des Grundgesetzes nach Art. 2 Abs. 1 GG wesentlich prägt495. Diese Sittlichkeit bildet einen der wesentlichen Grundpfeiler der freiheitlichen Republik; denn das Grundgesetz ist die „Verfassung der Freiheit“ (F. A. v. Hayek)496. Der Freiheit entspricht die Würde des Menschen, die die „grundgesetzliche Fundamentalnorm“ (Schachtschneider)497 des Art. 1 GG in Absatz 1 Satz 1 als unantastbar verfasst, und deren Achtung und Schutz Satz 2 aller staatlichen Gewalt aufgibt498. Neben der Freiheit im 494 Dazu vor allem K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 259 ff. u. ö.; ders., Freiheit in der Republik, 4. Kap. 495 Zum Freiheitsbegriff in der Republik K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 253, 275 ff. (kantianisch), 325 ff. (dogmatisch), 410 ff. (politisch), 494 ff. (unter Berücksichtigung von Art. 2 Abs. 1 GG) sowie an zahlreichen anderen Stellen in der Schrift Res publica res populi; wesentlich auch ders., Freiheit in der Republik, passim. 496 Die Verfassung der Freiheit, 3. Aufl. 1991, S. 225 f.; i. d. S. auch K. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. I, S. 571 f., 788 ff.; W. Maihofer, Prinzipien der freiheitlichen Demokratie, in: HVerfR, S. 427 f. (m. w. H.); i. d. S. auch K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, passim; ergänzend ders., Freiheit in der Republik, 1. Kap., 3. Kap., 5. Kap., 6. Kap., 7. Kap. 497 Res publica res populi, S. 7. 498 I. d. S. BVerfGE 5, 85 (204); W. Maihofer, Prinzipien der freiheitlichen Demokratie, in: HVerfR, S. 489 ff.; M. Kriele, Freiheit und Gleichheit, in: HVerfR, S. 129; K. A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 99 ff., 138 ff. (m.w. N.); zur Menschenwürde grundsätzlich, wenn auch stark im Sinne eines christlichen Menschenwürdeverständnisses argumentierend K. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. III, 1. Halbband, S. 3 ff.; das Menschenwürdeprinzip im aufklärerischen Sinne humanistisch wie auch christlich begreifend W. Maihofer, a. a. O.; die Menschenwürde in humanistischer, aufklärerischer und christlicher Ideengeschichte zusammenführend C. Stark, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 1 Abs. 1, Rn. 1 ff.; diesem Ansatz folgend P. Häberle, Die Menschenwürde als Grundlage der staatlichen Gemeinschaft, in: HStR, Bd. I, § 20, Rn. 33 ff., 67 ff.; grundsätz-

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äußeren Sinne als Unabhängigkeit von eines anderen nötigender Willkür499 äußert sich die innere Freiheit als Pflicht zur Sittlichkeit, als Moralität, letztlich als die republikanische Tugend der Brüderlichkeit500. Freiheitliche Moral setzt die – auch lebenswirklich zu erfahrene – Homogenität501 der in der republikanischen Bürgerschaft zusammengeführten Menschen voraus, die in ihrer Bürgerlichkeit auch brüderlich handeln und mit dieser Brüderlichkeit die großen Ziele der Republik – Freiheit und Frieden, Recht und Staatlichkeit – zu verwirklichen helfen: „Freiheit und Frieden, Recht und Staat erfordern bürgerliche Homogenität und gebieten freiheitliche, unparteiliche Moralität.“ (Karl Albrecht Schachtschneider)502

II. Sittlichkeit als Regulativ des Handelns in gemeinsamer Freiheit Freiheit äußert sich sowohl als „Unabhängigkeit von eines anderen nötigender Willkür“503, als äußere Freiheit also, wie auch als Pflicht zur Sittlichkeit, trotz ihrer Pflichtigkeit ganz im Sinne einer inneren Freiheit des republikanischen Bürgers. Die Sittlichkeit als allgemeine Gesetzlichkeit bildet das Regulativ der der menschlichen Natur entsprechenden, a priori ungezügelten Verfolgung eigener Ziele des Handelns504. Die allgemeine Gesetzlichkeit wiederum lich G. Dürig, in: Maunz/Dürig, GG, 1958, Art. 1 Abs. I GG, Rn. 1 ff.; auch M. Herdegen, in: T. Maunz/G. Dürig (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 1 GG, Rn. 1 ff., insb. Rn. 30 ff. 499 I. Kant, Metaphysik der Sitten, S. 345; hierzu K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 332 ff., 494 ff. („Freiheit als Urrecht“), außerdem S. 253 ff. mit Fn. 2 sowie S. 290 ff. mit Fn. 186. 500 Zum Begriff der Brüderlichkeit, auch im eigentlichen Wortsinne, K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 234 ff. (m.w. N.); W. Maihofer, Prinzipien der freiheitlichen Demokratie, in: HVerfR, S. 519 ff.; auch P. Häberle, Die Menschenwürde als Grundlage der staatlichen Gemeinschaft, in: HStR, Bd. I, § 20, Rn. 54 („Der Bezug zum ,Anderen‘, ,Nächsten‘, dem ,Du‘ und ,Bruder‘ (i. S. der Brüderlichkeit von 1789), heute auch der ,Schwester‘, ist integraler Bestandteil des Grundrechtssatzes der Menschenwürde“). 501 Ausführlicher zu den verschiedenen Facetten der Homogenität in der Republik siehe 2. Kap., VII. 502 Res publica res populi, S. 9; zur Bürgerlichkeit der Bürger insb. S. 1177 ff. 503 I. Kant, Metaphysik der Sitten, S. 345; dazu K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 431 ff., auch S. 279 ff., 303 ff.; ders., Freiheit in der Republik, passim. 504 Im Wesen der Menschen, in ihrem Naturzustand quasi, liegt es, „nach dem Prinzip der Selbstliebe“ ihre eigenen Interessen, ihr eigenes Glück zu verfolgen, so I. Kant, Kritik der praktischen Vernunft, S. 128 ff.; ders., Metaphysik der Sitten, S. 515, 587 f. u. ö. Hier wird übrigens nicht auf den Begriff des praktisch vernünftigen Interesses abgestellt, wie ihn Kant z. B. in Metaphysik der Sitten, S. 97, thematisiert, sondern auf das „vernunftlose“, triebähnliche Interesse des Menschen als Sinneswesen, als homo phaenomenon. Vgl. hierzu den Hinweis bei K. A. Schachtschneider, Res

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führt zur (äußeren) Freiheit als Unabhängigkeit „von anderer nötigender Willkür“505, die schlussendlich im freiheitlichen Gemeinwesen mündet. Auch wenn sich die Republik in besonderem Maße durch das Privatheitsprinzip506 auszeichnet, das subjektive Rechte für den Einzelnen ermöglicht und konstruktionsnotwendig ermöglichen muss, blenden – trotz oder gerade wegen der Gewährleistung der Privatheitlichkeit und deren grundsätzlicher Vorrangigkeit507 – die Grundfeste der zweifelsohne primär privatheitlich angelegten Republik die Fragen des Gemeinwesens, vornehmlich des sozialen Gemeinwesens, nicht etwa im Sinne eines übersteigerten und missverstandenen Individualismus und Kapitalismus aus, sondern postulieren die Verwirklichung des republikanischen Sozialprinzips508 und dessen konkretere Umsetzung in entsprechenden Gesetzen. Das Prinzip der Sittlichkeit als Prinzip einer inneren Freiheitlichkeit in der Republik leitet jeden Einzelnen zu solch gemeinwohlorientiertem Handeln an, das über die persönliche Freiheit, besser: das Streben nach persönlicher Freiheit, in einem eher liberalistischen Sinne hinausreicht und die Freiheit, damit das Wohl des Anderen einbezieht, der letztlich auch nur sein individuelles Glück zu erreichen sucht. Aus diesem Zusammenhang erschließt sich das Gemeinwohl als ein Zustand, in dem es jedem (Bürger) möglich sein muss und möglich ist, getreu seinen persönlichen Maximen sein individuelles Glück zu verfolgen und zu realisieren; gegebenenfalls hat der Staat als Gemeinschaft der

publica res populi, S. 617 (Fn. 518) sowie ausführlicher ebenda, S. 54 f., 216 ff., 243 ff., 297 ff., 350 ff., 370 ff., 660 ff. Abweichend, stv. für viele J. Isensee, Grundrechtliche Freiheit – Republikanische Tugend, S. 71. 505 So zur äußeren Freiheit I. Kant, Metaphysik der Sitten, S. 345; in der Sache auch ders., Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht, S. 39 ff.; dazu erläuternd K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 126 ff., 295 ff., 325 ff., 373 ff., 449 ff. 506 Siehe dazu den 3. Teil. 507 Zum Vorrang der Privatheit K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 371 ff., 387 ff. u. ö.; umfassender ders., Freiheit in der Republik, 8. Kap.; auch ders., Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 235 ff., 283 ff.; ders., Vom liberalistischen zum republikanischen Freiheitsbegriff, in: FS WiSo der FAU Erlangen-Nürnberg, S. 441 ff.; i. d. S. ders./A. Emmerich-Fritsche, Rechtliche Begründung, in: Revolution der Krankenversicherung, S. 62 ff. 508 Grundlegend K. A. Schachtschneider, Das Sozialprinzip, passim; ders., Frei – sozial – fortschrittlich, in: Symposium zu Ehren von Werner Thieme, S. 7 ff.; auch ders./A. Emmerich-Fritsche, Rechtliche Begründung, in: Revolution der Krankenversicherung, S. 19 ff.; wesentlich H. F. Zacher, Das soziale Staatsziel, in: HStR, Bd. I, § 25, Rn. 1 ff.; ergänzend auch J. Isensee, Gemeinwohl und Staatsaufgaben im Verfassungsstaat, in: HStR, Bd. III, § 57, Rn. 170; wichtig dazu auch M. Kriele, Freiheit und Gleichheit, in: HVerfR, S. 146; W. Maihofer, Prinzipien freiheitlicher Demokratie, in: HVerfR, S. 516 f., 527 f.; ebenso P. Häberle, Grundrechte im Leistungsstaat, VVDStRL 30 (1972), S. 90 ff. sowie ders., Die Wesensgehaltsgarantie des Art. 19 Abs. 2 GG, S. 121 f.; ergänzend außerdem z. B. H. U. Erichsen, Allgemeine Handlungsfreiheit, in: HStR, Bd. VI, § 152, Rn. 19; R. Herzog, Ziele, Vorbehalte und Grenzen der Staatstätigkeit, in: HStR, Bd. III, § 58, Rn. 27, 75 ff.

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Bürger509 – und damit jeder Einzelne – zur Erreichung dieses Status nach Kräften beizutragen, ist also einer freiheitlichen Sittlichkeit, aber auch einer sozialen Brüderlichkeit verpflichtet510. III. Sittlichkeit als Pflicht zur allgemeinen Gesetzlichkeit zum Wohle aller In dem Gleichklang von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit soll die Glückseligkeit, sprich das „gute Leben aller in gemeinsamer Freiheit“511 als eigentliches Ziel der Republik verwirklicht werden. Ohne die allgemeine Gesetzgebung, der „Wohlfahrtseffekt und Wohlfahrtszweck“ (Schachtschneider)512 zugesprochen werden, vermag diese Verwirklichung nicht zu gelingen. Aus dem persönlichen Streben nach Glückseligkeit leiten sich zunächst die Maximen individuellen Handelns ab513; unter der Prämisse der Sittlichkeit fügen sich diese Interessenlagen des Einzelnen zu gemeinsam entwickelten, konsensual tragbaren und zustimmungsfähigen, also allgemeinen Gesetzen514. Derartige Gesetze spiegeln den vereinigten Willen der Bürgerschaft wider und binden damit den Einzelnen ethisch-moralisch, der als Individuum und zugleich Teil der bürgerlichen Gemeinschaft im demokratischen Verfahren seinen Willen zum Ausdruck bringen und in seiner bürgerlichen Pflichtigkeit dem allgemeinen Gesetz beistimmen kann und muss515. Das allgemeine Gesetz reguliert über das Procedere der 509 Im Republikanismus ist der Staat, die civitas, eine Vereinigung von Menschen, mithin Bürgern, unter Rechtsgesetzen, somit kein eigenständiges Gebilde, wie vom Liberalismus gerne skizziert, sondern die Summe aller Bürger (vgl. bereits die Hinw. in Fn. 30). Konsequenterweise ist nicht die Bürgerschaft im Sinne eines corporis iuris zur Sittlichkeit verpflichtet, sondern jeder Bürger in der Bürgergemeinschaft. 510 An dieser Stelle gelingt der Brückenschlag zum republikanischem Grundprinzip der Brüderlichkeit, auch zum Sozialprinzip, in zweifacher Hinsicht: zum einen kann nur der sittlich handeln, der frei, gleich und Bruder ist, so dass eine Facette des Sozialprinzips die Brüderlichkeit als notwendige Voraussetzung sittlichen Handels jedes Bürgers einfordert; zum anderen bedingt das Ziel der Brüderlichkeit in lebenspraktischer Erfahrung sittliches Handeln von Bürger und Bürgerschaft. 511 So die Formel bei K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 573 u. ö.; näher S. 299 ff., 350 ff., 625 ff.; ebenso bereits I. Kant, Über den Gemeinspruch, S. 154 f. 512 Res publica res populi, S. 236. 513 Vgl. zum Streben nach „Glückseligkeit“ I. Kant, Metaphysik der Sitten, S. 515 ff.; ders., Zum ewigen Frieden, S. 250 f.; ders., Über den Gemeinspruch, S. 154 f.; ders., Kritik der Urteilskraft, S. 313 f.; dazu K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 216, insb. 297 ff.; ergänzend z. B. auch L. W. Beck, Kants „Kritik der praktischen Vernunft“, 3. Aufl. 1995, S. 99 ff., 102 ff.; hierzu allgemein auch D. Sternberger, Das Menschenrecht nach Glück zu streben, in: Ich wünschte ein Bürger zu sein, S. 131 ff. 514 Zum allgemeinen Gesetz und dem Verfahren seiner Gesetzgebung umfassend K. A. Schachtschneider, Prinzipien des Rechtsstaates, S. 7 ff., näher S. 93 ff., auch S. 206 ff., 230 ff., 327 ff., 404 ff.

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allgemeinen Gesetzlichkeit, auch Gesetzesfindung, nicht nur das individuelle Streben nach (materialer) Freiheit, sondern verwirklicht im selben Atemzug die allgemeine Freiheit, ergo die Freiheit aller bestmöglich516. Diesem Gedanken entsprechend gibt die Demokratie dem Gemeinwesen eine Ordnung der Gleichheit517, die eben auch eine Gesetzgebung aller, mithin eine Gesetzgebung unter Gleichen vorsieht. Das so entstandene allgemeine Gesetz bringt die Interessen aller auf der Grundlage eines allgemeinen, gemeinschaftlich getragenen Konsenses zum Ausgleich und vermag somit in letzter Konsequenz auch die gesamtgesellschaftliche Wohlfahrt, die idealiter sogar über die Summe der Wohlfahrt der Einzelnen hinausgeht, bestmöglich zu realisieren. Die allgemeinen Gesetze gewinnen Konturen als substantielle Basis und Konsequenz der Trias von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit. In der Republik vereinen sich die allgemeinen Gesetze zum Recht, das die Wirklichkeit der Freiheit im Staat als „Vereinigung einer Menge von Menschen unter Rechtsgesetzen“518 ist519. „Das Recht ist also der Inbegriff der Bedingungen, unter denen die Willkür des einen mit der Willkür des andern nach einem allgemeinen Gesetze der Freiheit zusammen vereinigt werden kann. . . . ,Eine jede Handlung ist recht, die oder nach deren Maxime die Freiheit der Willkür eines jeden mit jedermanns Freiheit nach einem allgemeinen Gesetze zusammen bestehen kann etc.‘“ (Immanuel Kant)520

Aus der Pflicht jedes Menschen zur Sittlichkeit, also aus seiner Pflicht zur allgemeinen Gesetzgebung, zumindest mittelbar in letzter Konsequenz zur

515 Dazu I. Kant, Metaphysik der Sitten, S. 431 f.; J.-J. Rousseau, Vom Gesellschaftsvertrag, S. 70 f. („das Volk, das Gesetzen unterworfen ist, muss auch ihr Urheber sein“), S. 92 f.; W. Maihofer, Prinzipien freiheitlicher Demokratie, in: HVerfR, S. 454, 501 u. ö. 516 Gegenläufig hierzu die Konzeption des Liberalismus, die die „Freiheit als Recht missversteht, zu tun und zu lassen, was die Gesetze nicht verbieten“, so K. A. Schachtschneider, Republikanische Freiheit, in: FS M. Kriele, S. 829 (S. 833) unter Hinweis auf T. Hobbes, Leviathan, Übersetzung J. P. Mayer, ed. Reclam, 1980, S. 189 f.; ders., Res publica res populi, S. 290 ff., 292 u. ö.; grundlegend auch ders., Freiheit in der Republik, 3. Kap., 6. Kap. 517 Vgl. W. Maihofer, Prinzipien freiheitlicher Demokratie, in: HVerfR, S. 507 ff., der die Demokratie als „die Ordnung der Gleichheit in der Freiheit und das Prinzip einer sozialen Demokratie“ für „größtmögliche und gleichberechtigte Wohlfahrt des Einzelnen bei notwendiger Gerechtigkeit für Alle“ bezeichnet; ähnlich auch H. F. Zacher, Das soziale Staatsziel, in: HStR, Bd. I, § 25, Rn. 86 f.; „Die egalitäre Demokratie als wichtigste Prämisse und Garantie des „Sozialen“ und das soziale Staatsziel als materielle Direktive sind einander zugeordnet.“ Dazu auch K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 60 ff., 236 ff.; ders., Das Sozialprinzip, S. 48 ff. 518 I. Kant, Metaphysik der Sitten, S. 431; dazu K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 17, 519 ff. u. ö. 519 Vgl. K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 290 ff. 520 Metaphysik der Sitten, S. 337.

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Rechtssetzung, entspringt der Beitrag aller zu den gemeinsamen Gesetzen521. Ganz im Sinne einer idealtypischen Leitlinie der bürgerlichen Gesetzgeberschaft ist der Einzelne seinem Nächsten gegenüber verpflichtet, wie es auch Kants kategorischer Imperativ zum Ausdruck bringt: „Handle so, dass die Maxime deines Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könne.“522

In ihrer Sittlichkeit verwirklichen die republikanischen Bürger auf Grundlage der allgemeinen Gesetze die Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit in der Republik, also das Gemeinwohl als das gute Leben aller in gemeinsamer Freiheit – dazu zählt brüderliches, also soziales Handeln des Einzelnen ebenso wie das Geben sozialer Gesetze als Mandat für gemeinschaftsdienliches Handeln des (sozialen) Staates. IV. Gleichheit als unabdingbare Notwendigkeit der Freiheit Republikanische Freiheit im Sinne eines Ausschöpfens der Möglichkeiten im Rahmen der Gesetze steht, wie etwa vermutet werden könnte, nicht in einer widersprüchlichen, gar gegensätzlichen Beziehung zu republikanischer Gleichheit523. Gleichheit darf nicht als Antinomie zur Freiheit missverstanden werden. Vielmehr entfaltet die Gleichheit „der Freiheit gegenüber eine dienende Funktion“524, ist Gleichheit in der Republik eine konstruktionslogische Vorbedingung der Freiheit; denn Freiheit lässt sich nur in Gleichheit, also unter Gleichen verwirklichen525. Allgemeine Gleichheit duldet keine formalen Unterschiede zwischen Gleichen, vornehmlich keine Unterschiede zwischen den Menschen vor dem allgemeinen526, darum freiheitlichen Gesetz527, ist also zunächst eine formale Größe:

521 Dazu insb. K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 632, 670 f., 728 ff. 522 I. Kant, Kritik der praktischen Vernunft, S. 140; ähnlich ders., Grundlegung der Metaphysik der Sitten, S. 51, 69 ff.; auch ders., Metaphysik der Sitten, S. 331, 526. 523 So z. B. auch P. Kirchhof, Der allgemeine Gleichheitssatz, in: HStR, Bd. V, § 124, Rn. 104 („Gleichheit und Freiheit sind also keine Gegensätze, sondern bedingen sich gegenseitig.“); ähnlich ders., Objektivität und Willkür, in: H. J. Faller/P. Kirchhof (Hrsg.), Verantwortung und Freiheit. Die Verfassung als wertbestimmte Ordnung, Festschrift für W. Geiger zum 80. Geburtstag, 1989, S. 99 ff. 524 I. Kant, Metaphysik der Sitten, S. 345 f.; zu dieser Funktion der Gleichheit ähnlich z. B. G. Dürig, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 3 Abs. 1 GG, Rn. 135. 525 Zu Freiheit und Gleichheit vor allem K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 67, 177 ff., 178, 998 ff. (jew. m.w. N.); ebenso ders., Freiheit in der Republik, 1. Kap. u. ö. 526 Näheres zum allgemeinen Gesetz z. B. bei K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 304, 306 ff., 371 ff., 412 ff.; ergänzend etwa ders., Freiheit in der Republik, 11. Kap.

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„Wegen der Formalität der Freiheit ist auch die Gleichheit formal und die Gleichheit aller darum nichts anderes als die gesetzgebende Allgemeinheit. Die Allgemeinheit der Freiheit und die Gleichheit aller sind im Prinzip der Gleichheit in der Freiheit identisch.“ (Karl Albrecht Schachtschneider)528

Republikanische Gleichheit darf nicht als materiale – und auch materielle – Gleichheit (miss-)interpretiert529, geschweige denn die verfasste Gleichheit des deutschen Grundgesetzes als Aufforderung zu Nivellierung und Umverteilung bis hin zur völligen materialen Gleichstellung missbraucht werden. Diskrepanzen in materialer und eben auch materieller Hinsicht zwischen formal, also rechtlich an sich Gleichen erlaubt die allgemeine Freiheit der Verfassung sehr wohl530; denn die Allgemeinheit der Freiheit im Sinne einer Gleichheit aller in allgemeiner Freiheit wird durch solche vermeintlichen materialen Ungleichheiten in ihren Grundzügen nicht gefährdet531. Der Frage, ob und inwieweit Ungleichgewichte, sei es zwischen einzelnen Bürgern, vor allem aber gesellschaftsweit, unter substantiellen Voraussetzungen, jedenfalls aber unter der Bedingung der Existenzialität, in ihren Auswirkungen sowohl die Freiheit des Einzelnen und als auch der Bürgerschaft an sich zu gefährden vermögen, sei an dieser Stelle eine endgültige Klärung versagt. Festzu527 Zum allgemeinen Gesetz als Maßstab für Gleichheit und Ungleichheit K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 413 (m.w. N.). 528 Res publica res populi, S. 411; i. d. S. I. Kant, Metaphysik der Sitten, S. 345; ders., Zum ewigen Frieden, S. 204 f.; ergänzend auch M. Kriele, Freiheit und Gleichheit, in: HVerfR, S. 133 ff.; ders., Befreiung und politische Aufklärung, S. 59 ff.; ders., Einführung in die Staatslehre, S. 228 ff., 331 ff.; W. Maihofer, Prinzipien der freiheitlichen Demokratie, in: HVerfR, S. 514 ff.; i. d. S. auch G. Dürig, in: Maunz/ Dürig, GG, Art. 3 Abs. 1, Rn. 8 ff. 529 Gegen das freiheitswidrige Prinzip einer materialen Gleichheit deutlich K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 245 f. 530 So der Tenor bei I. Kant, Über den Gemeinspruch, S. 147 f.; explizit betont das BVerfG in seiner Entscheidung zur Vermögensteuer von 1995 [BVerfGE 93, 121 (163)], der auch der Halbteilungsgrundsatz zu entnehmen ist, dass im Grundsatz materielle Ungleichheiten „gewollt und elementarer Inhalt einer freiheitlichen Rechtsordnung“ sind; eine ausführlichere Darlegung der möglichen Gleichzeitigkeit von allgemeiner Freiheit und materialer Ungleichheit findet sich bei M. Kläver, Die Verfassung des Marktes, S. 248 f. Die Materialität des Ungleichen äußert sich in besonderem Maße im Eigentum, das ungleich verteilt ist, wie K. A. Schachtschneider, Das Recht am und das Recht auf Eigentum, S. 756 f., konstatiert. Siehe außerdem W. Leisner, Freiheit und Eigentum, S. 18 („Das Eigentum aber bleibt stets das wesentlich Ungleiche“). 531 Vgl. grundlegend zur Einheit von Freiheit und Gleichheit, teils auch in Kontrast zu liberalistischen Positionen K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 410 ff., insb. S. 422 ff. m. v. N.; ders., Freiheit in der Republik, 7. Kap. u. ö.; M. Kriele, Freiheit und Gleichheit, in: HVerfR, S. 129 ff., S. 133 ff.; ders., Die demokratische Weltrevolution, S. 49 ff.; W. Maihofer, Prinzipien freiheitlicher Demokratie, in: HVerfR, S. 519; P. Häberle, Grundrechte im Leistungsstaat, VVDStRL 30 (1972), S. 43 ff. (S. 96 ff.); speziell für die Antinomie BVerfGE 5, 85 (206) u. ö.; auch z. B. R. Zippelius, Allgemeine Staatslehre, S. 331 f., 341 f.

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halten bleibt aber doch, dass – wie im Folgenden noch näher zu diskutieren sein wird532 – bei aller formalen, wenn vielleicht auch inhaltsarmen Gleichheit markante materiale Ungleichheiten den gesellschaftlichen Frieden und letztlich auch die Freiheit des einzelnen Bürgers beeinträchtigen können533. Zeitgemäße republikanische Gleichheit birgt in ihrer inneren Verbindung zur allgemeinen Freiheit, also der Freiheit der Bürger, stets eine soziale Komponente, die über das rein formale Element hinaus lebenswirkliche Materialität einfordert. Etwas verkürzt, aber durchaus pointiert hält Peter Häberle534 fest: „Soziale Gleichheit ist eine Form der Freiheit.“

V. Brüderlichkeit im Verhältnis von Freiheit und Gleichheit Nicht nur obiger Hinweis auf die Sozialität republikanischer Gleichheit als Vorbedingung der Freiheit verdeutlicht die notwendige Existenz eines sozialen Moments von Freiheit und Gleichheit, letztlich eine sich gegenseitig bedingende Komplementarität von Freiheit und Gleichheit als Grundvoraussetzung535 der Brüderlichkeit: „Es gibt keine Brüderlichkeit ohne Freiheit und Gleichheit.“ (Martin Kriele)536

Die republikanische Tugend der Brüderlichkeit, die fraternité der Französischen Revolution, ist als Pflicht zur Sittlichkeit nichts anderes als die innere Freiheit, die freiheitliche Moral des Einzelnen in der bürgerlichen Gemeinschaft537. Brüderlichkeit kann nur unter den Vorbedingungen „Freiheit“ und 532 Siehe hierzu 2. Kap., VI., ergänzend 3. Teil, 2. Kap., III., 3. Kap., auch 5. Teil, 2. Kap., II., III. 533 So etwa K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 249 ff.; in diesem Tenor auch ders., Das Recht am und das Recht auf Eigentum, in: FS W. Leisner, S. 760, 766 (m.w. N. in Fn. 158); für die Ungleichheit als Nährboden der „Revolution“ bereits Aristoteles, Politik, S. 167, 1302 a 26. 534 VVDStRL 30 (1972), S. 96 f. Inwieweit der Begriff der „sozialen Gleichheit“ als unangemessene Verkürzung des Gleichheitsgedankens zu werten ist oder eher bei konsequenter Deklination in republikanischem Verständnis zum Vorwurf der pleonastischen Verwendung dieses Termini zu tendieren wäre, sei dahingestellt. Grundlegend zur Gleichheit in der republikanischen Lehre K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 4 ff., 410 ff., passim; umfassend ders., Freiheit in der Republik, 7. Kap. 535 Eine Reduzierung auf die bloße Erfordernis von Freiheit und Gleichheit im Sinne einer ,Wenn-dann-Relation‘ würde dem inneren Verhältnis zwischen den drei Grund- und Eckpfeilern republikanischer Dogmatik nicht gerecht werden; zu den drei Elementarprinzipien der Republik grundlegend und vertiefend K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, passim; ebenso ders., Freiheit in der Republik, passim. 536 Die demokratische Weltrevolution, S. 50; auch ders., Einführung in die Staatslehre, S. 229, 334. 537 So K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 8 sowie ausführlicher S. 234 ff.; auch W. Maihofer, Prinzipien freiheitlicher Demokratie, in: HVerfR, S. 519 ff.; ebenso P. Häberle, Die Menschenwürde als Grundlage der staatlichen Gemeinschaft, in: HStR, Bd. I, § 20, Rn. 54 f.

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„Gleichheit“ gedeihen, setzt folglich eine spezifische Homogenität538 der in der Republik vereinigten Bürger voraus, zielt im selben Atemzug aber auf die Erreichung der Freiheit aller und damit der Gleichheit aller in der Freiheit als der republikanischen Grundentscheidung schlechthin539, mithin auf ein gewisses Maß an Homogenität in der bürgerlichen Gemeinschaft ab. Republikanische Brüderlichkeit wird damit als elementares Erfordernis der allgemeinen Freiheit, letztlich des allgemeinen Friedens verortet, woraus sich eine substantielle Aufgabe der brüderlichen Gemeinschaft, des sozialen Staates als Ausfluss des allgemein-gesetzlichen Willens der im Staat verbundenen Bürgerschaft ableiten lässt. Nach allgemeiner Lesart obliegt, auch bedingt durch das Sozialprinzip540 der Republik, die Herstellung und Wahrung dieser freiheitsrelevanten (ökonomischen) Rahmenbedingungen dem Staat republikanischer Brüderlichkeit, eben dem Sozialstaat541. „Die Sozialstaatsklausel dient der Schaffung materieller Grundrechtsvoraussetzungen.“ (Peter Häberle)542

Schließlich geschieht Brüderlichkeit, mithin also soziales, gemeinschaftliches Wirken der in der Freiheit geeinten republikanischen Bürgerschaft nicht um ihrer selbst willen, sondern mit Blick auf allgemeine Freiheit und Frieden in der Republik, wenn auch stets unter Berücksichtigung (ökonomischer) Realitäten, deren Vorhandensein die „Nutzbarkeit“ der Freiheit ausmacht: „Das Freiheitsrecht wäre ohne die tatsächliche Voraussetzung, es in Anspruch nehmen zu können, wertlos.“543 538

Ausführlicher zur Homogenität in 2. Kap., VI., ergänzend auch 5. Teil, 2. Kap.,

III. 539 Zur allgemeinen Freiheit als Idee und Zweck der Republik stv. für viele K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 4 (m. zahlr. Hinw.) u. ö. 540 Zum republikanischen Sozialprinzip K. A. Schachtschneider, Das Sozialprinzip, S. 31 f., ansonsten passim; grundlegend auch H. F. Zacher, Das soziale Staatsziel, in: HStR, Bd. I, § 25, Rn. 1 ff. 541 Auch wenn eine immanente Sozialität der Republik nicht in Abrede gestellt werden kann, lässt sich dem Kanon republikanischer Grundprinzipien, insbesondere dem Prinzip der Brüderlichkeit, keine Handlungsanleitung als Apriori entnehmen, auf welche Weise denn nun diese Realitäten für den (im Zweifelsfall) bedürftigen Bürger zu schaffen sind. Ob nun also Zuwendungen des Sozialstaates sich in einer minimalen Grundversorgung erschöpfen oder das Füllhorn sozialstaatlicher Annehmlichkeiten in extenso über dem Bürger ausgeschüttet wird, lässt sich mit dem republikanischen Brüderlichkeitsprinzip ebenso wenig eindeutig beantworten wie die Frage nach dem von der Bürgergemeinschaft zu favorisierenden Gesellschafts-, Wirtschafts- und Sozialmodell oder den für (sozial-)staatliche Leistungen heranzuziehenden Finanzquellen. 542 Grundrechte im Leistungsstaat, VVDStRL 30 (1972), S. 95, wo diese Leistung als „freiheitsschaffende Kraft“ der Sozialklausel bezeichnet wird; i. d. S. auch E.-W. Böckenförde, Staat und Gesellschaft im Sozialstaat, S. 421 f.; ebenfalls M. Kriele, Einführung in die Staatslehre, S. 219, 334. 543 BVerfGE 33, 303 (331). Das Gericht stellt in dieser Entscheidung zum Numerus Clausus zwar auf das Recht zur Wahl der Ausbildungsstätte ab, doch die Ausführun-

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In diesem Recht der allgemeinen (äußeren) Freiheit von rechtlich Gleichen, ergo in allgemeiner Gesetzlichkeit, manifestiert sich das Wesen der Republik. Findet der einzelne Bürger die nötigen Rahmenparameter dieser Freiheitlichkeit nicht vor, hat der Staat als republikanisches Gemeinwesen aller Bürger unter einer Verfassung die Aufgabe, diese Bedingungen herzustellen; diese Pflicht der bürgerlichen Gemeinschaft zur Brüderlichkeit ist jedoch nicht allein staatliche Pflicht, sondern sittliche Pflicht jedes Bürgers, mithin (innere) Freiheit des Einzelnen544. VI. Pflicht zur Brüderlichkeit für Bürger und Staat 1. Sittliche Brüderlichkeit des Bürgers Das soziale Prinzip der Republik gebietet Brüderlichkeit, mithin die Pflicht zur Sittlichkeit für jeden einzelnen Bürger; diese Moral des Einzelnen in der bürgerlichen Gemeinschaft ist nichts anderes als dessen innere Freiheit545. Grundsätzlich verwirklicht der republikanische Bürger mit seinem sittlichen Handeln – auch über das Geben gemeinwohldienlicher Gesetze hinaus – die allgemeine Freiheit, also die Freiheit der Allgemeinheit wie auch seine individuelle Freiheit546. Zugleich befördern seine Handlungen und deren Ergebnisse stets auch das Gemeinwohl547; darin äußert sich die Brüderlichkeit jedes Bürgers der Republik548. Ohne einer Trennung, gar einer Gegensätzlichkeit von Bürger und Staat das Wort reden zu wollen, manifestiert sich hier, der republikanischen Dogmatik entsprechend, eine deutliche Dualität des individuellen Handelns, kommt doch gen lassen sich unzweifelhaft auf andere „Freiheitsrechte“, ja auf die allgemeine Freiheit übertragen; ganz i. d. S. K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 235, der auf eben diese Aussage des Gerichts zur Schaffung von „Freiheitsvoraussetzungen“ verweist. 544 Hierzu bereits I., auch 3. Teil, 3 Kap., I., 3. Ausführlicher zur inneren Freiheit K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 280 ff., 282, 289 ff., 303 ff., 494 ff. sowie insb. zur inneren Freiheit als Sittlichkeit S. 435, 443 ff. (jew. m. zahlr. Hinw.); auch ders., Freiheit in der Republik, 2. Kap., VII. u. ö. 545 Vgl. dazu K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 8 sowie ausführlicher S. 234 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 2. Kap., VII., ergänzend 4. Kap.; auch W. Maihofer, Prinzipien der freiheitlichen Demokratie, in: HVerfR, S. 519 ff.; ebenso P. Häberle, Die Menschenwürde als Grundlage der staatlichen Gemeinschaft, in: HStR, Bd. I, § 20, S. 843. 546 Siehe ausführlicher K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, 2. Kap., VII.; auch ders., Res publica res populi, 230 ff., 259 ff., 271 ff., 279 ff., 285 ff. u. ö. (jew. m. zahlr. Hinw.). 547 I. d. S. etwa K. A. Schachtschneider, Der Anspruch auf materiale Privatisierung, S. 69 („Die private Sittlichkeit fördert die Gemeinschaft . . .“). 548 Zu diesen beiden Seiten des Bürgers in der Republik grundlegend K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 370 ff.; ders. Freiheit in der Republik, 8. Kap., I.

1. Kap.: Brüderlichkeit in der sozialen Republik

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das sittliche Handeln und dessen – nicht zuletzt materielle – Früchte gleichermaßen dem Bürger und der Bürgergemeinschaft zugute. Eine solche Konzeption der gemeinwohlorientierten Pflichtigkeit des Bürgers, die dessen grundsätzliche Privatheit und die damit verbundenen (Grund-)Rechte nicht negiert, findet sich im Verfassungsgesetz an verschiedenen Stellen, so auch für das grundgesetzlich garantierte Eigentum des Art. 14 GG. Dieses Eigentum(-srecht), zweifelsohne markanter, ja essentieller Ausdruck bürgerlicher Privatheit wird gewährleistet, im gleichen Atemzug549, zumindest in seinem Gebrauch, dem Gemeinwohl verpflichtet. In diesem Gebot zur gemeinwohlstiftenden, ergo sittlichen Verwendung des Eigentums spiegelt sich nichts anderes als republikanische Brüderlichkeit in ihrer ganzen freiheitlichen Pflichtigkeit des Einzelnen in der und für die Gemeinschaft550. Das soziale Prinzip der Republik beinhaltet in seiner Pflicht zur Sittlichkeit eine Verpflichtung zu sittlichem, gemeinschaftsdienlichem Handeln, ein handlungsbezogenes Element. Spätestens in der Lebenswirklichkeit einer hochdifferenzierten Gesellschaft mit arbeitsteiliger Wirtschaft lässt sich eine derartige Anforderung für den Einzelnen nicht immer unmittelbar in praxi realisieren. Losgelöst von vielfältigen sozialen Aktivitäten, mit denen der einzelne Bürger seiner Bürgerpflicht, seiner sittlichen Pflicht zur Brüderlichkeit nachkommen kann und sollte, bedingt die einer modernen Gesellschaft immanente Geldwirtschaft, dass der Bürger seinen Beitrag zum Wohl der Allgemeinheit in aller Regel in Form von Geldeinheiten, als Steuern und Abgaben, leistet, die dann einem distribuierenden „Sozialkreislauf“ wieder zugeführt werden können; Steuern und Abgaben als republikanische Realitäten sind zugleich Grundvoraussetzung und Ergebnis sittlicher Brüderlichkeit jedes Bürgers. Während der besser gestellte Bürger, der wenigstens über mehr Mittel als für die Sicherung seiner Existenz zwingend nötig verfügt, durch entsprechende Gesetze zu einem finanziellen Beitrag für das Wohl der Allgemeinheit herangezogen wird und auf diese Weise der republikanischen Pflicht zur Brüderlichkeit Rechnung trägt, bewegt sich derjenige, dessen Mittel zum Bestreiten seiner Existenz nicht ausreichen, am anderen Ende des sozialen Korridors. Er aber ist gehalten, nach (materieller) Selbständigkeit zu streben, um der Allgemeinheit möglichst wenig zur Last zu fallen551. In dieser Form vermag auch ein Bürger 549 Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG; dazu etwa K. A. Schachtschneider, Das Recht am und das Recht auf Eigentum, in: FS W. Leisner, S. 773 ff., auch S. 791 ff. (jew. m.w. N.). 550 Dazu ausführlicher 5. Teil, 1. Kap., 2., II., auch 2. Kap., III. 551 Zu diesem wesentlichen Aspekt bürgerlicher Sittlichkeit K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 237 ff. (deutlich auf S. 238: „Zur bürgerlichen Moralität gehört es auch, das so genannte soziale Netz nicht zu missbrauchen und nicht etwa unberechtigt Leistungen in Anspruch zu nehmen.“); allg. zur Sittlichkeit S. 124 ff., 133 ff., 234 ff., 277 f., 560 ff., 584 ff., 655 ff., 819 ff., 858 ff.; beachte für die Grundlegungen vor allem I. Kant, Metaphysik der Sitten (Tugendlehre), S. 516 f., auch S. 214 f., 221 f., 230 ff., 308 f., 320 ff.

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4. Teil: Soziales Prinzip in der Republik

mit weniger Möglichkeiten, einen Beitrag zum Gemeinwohl zu leisten; zugleich verwirklicht der, der die bürgerliche Selbständigkeit zu erreichen sucht, seine Freiheit. Die sittliche Pflicht zum permanenten Mühen um ein selbständiges Leben, die Selbstverantwortlichkeit, ist eine der wichtigen Facetten republikanischer Brüderlichkeit552. 2. Sittliche Brüderlichkeit im republikanischen Sozialstaat Gemeinhin wird das Sozialprinzip zur Begründung und Rechtfertigung des Sozialstaates in seiner ganzen Aufgabenfülle herangezogen553. Oft genug wird dieser Sozialstaat als mehr oder minder abstraktes Gebilde554 verstanden, das soziale Leistungen an bedürftige Bürger verteilt, gelegentlich auch – wie die (politische) Praxis erahnen lässt – an weniger bedürftige, dafür umso empfänglichere Bürger. Als absolutes Minimalziel, jedoch in aller Regel nicht als letzte obere Grenze sozialstaatlicher Intervention für den Einzelnen wird der Topos der Menschenwürdigkeit555 bemüht, der eine klare Zielperspektive für die Aufgaben des Sozialstaates zeichnet, nämlich:

552 Dazu K. A. Schachtschneider, Frei – sozial – Fortschrittlich, in: Symposium zu Ehren von Werner Thieme, S. 12 ff., 16 ff.; ders., Res publica res populi, S. 234 ff., grundlegend ders., Freiheit in der Republik, 4. Kap., 8. Kap., I., III., IV.; eigentumsspezifisch auch ders., Das Recht am und das Recht auf Eigentum, in: FS W. Leisner, S. 767 ff. u. ö. 553 Konsequenterweise wird regelmäßig nicht das Sozialprinzip, sondern das Sozialstaatsprinzip als Rechtfertigungsversuch sozialstaatlichen Handelns im Staat bemüht. Hierzu z. B. E. Benda, Der soziale Rechtsstaat, in: E. Benda/W. Maihofer/H.-J. Vogel (Hrsg.), Handbuch des Verfassungsrechts, 2. Aufl. 1994, S. 789 f.; weiterführend etwa H. F. Zacher, Das soziale Staatsziel, in: HStR, Bd. I, § 25, Rn. 1 ff.; dazu z. B. O. Bachof, Begriff und Wesen des sozialen Rechtsstaats. Der soziale Rechtsstaat in verwaltungsrechtlicher Sicht, VVDStRL 12 (1954), S. 37 ff.; zum Thema G. Nicolaysen, Wohlstandsvorsorge, in: R. Stödter/W. Thieme (Hrsg.), Hamburg – Deutschland – Europa. Beiträge zum deutschen und europäischen Verfassungs-, Verwaltungs- und Wirtschaftsrecht, Festschrift für Hans Peter Ipsen zum 70. Geburtstag, 1977, S. 485 ff.; gegen eine Reduzierung des Sozialprinzips auf eine sozialstaatliche Dimension K. A. Schachtschneider, Das Sozialprinzip, S. 31 f. u. ö.; ders., Grundgesetzliche Aspekte der freiberuflichen Selbstverwaltung, Die Verwaltung 31 (1998), S. 154 ff. 554 Zum Verhältnis von Bürger und Staat K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 211 ff., ansonsten passim; ergänzend ders., Freiheit in der Republik, 1. Kap. u. ö. 555 Zweifelsohne erwächst allein aus der Würde des Menschen die Verpflichtung für die bürgerliche Gemeinschaft, alle erforderlichen Maßnahmen zur Wahrung der Menschenwürde zu ergreifen; material findet diese Pflicht ihre Entsprechung in gesetzlichen Regelungen der Sozialhilfe zur Sicherung des Existenzminimums, wie M. Herdegen, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 1, Rn. 114, stv. für viele festhält. Gleichwohl kann der Auftrag zur Existenzsicherung, der eben bereits in dem Menschenwürdeprinzip begründet liegt, nicht mit den Pflichtigkeiten des Sozialprinzips gleichgesetzt, geschweige denn als alleinige Materialisierung des sozialen Prinzips der Republik abgeleitet werden.

1. Kap.: Brüderlichkeit in der sozialen Republik

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„persönliche und wirtschaftliche Hilfe, die die Teilnahme am Leben der Gemeinschaft ermöglicht und die Führung eines menschenwürdigen Lebens sichert.“556

Republikanisch definiert sich der Staat als eine Menge von Menschen unter Rechtsgesetzen, als deren gemeinsames Ziel und Zweck Recht und Freiheit, Frieden und Wohlstand zu gelten haben. Im republikanischen Staat als Bürgerschaft leiten die Prinzipien der Republik – Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit – individuelles wie gemeinschaftliches Handeln, das sich unter eben diesen Prinzipien als dem Einzelnen wie der Gemeinschaft dienlich und förderlich erweist. Brüderlichkeit als Pflicht zur Sittlichkeit verpflichtet solches Handeln dem Wohl des Bruders, des anderen, also jedes anderen im Staat, folglich der bürgerlichen Gemeinschaft. Die Staatsbürger erfüllen ihre sittliche Pflicht der Brüderlichkeit als gesetzgebende Gemeinschaft zum Wohl eben dieser Gemeinschaft – und damit letztlich wiederum zum Wohl jedes Bürgers, insbesondere des schwächeren Ungleichen. Soziales Handeln der staatlichen Gemeinschaft erfolgt nicht nur um der Freiheit und des Wohlstands aller Bürger in ihrer Summenhaftigkeit willen, sondern auch per se für die republikanische Gemeinschaft als bestmögliche Staatsform, für deren friedliche Existenz557. Auch betont diese Zweckhaftigkeit des (sozialen) Staates in einer allgemeinen Kategorie: „Der allgemeine Volkswille hat sich nämlich zu einer Gesellschaft vereinigt, welche sich immerwährend erhalten soll, und zu dem Ende sich der inneren Staatgewalt unterworfen, um die Glieder dieser Gesellschaft, die es selbst nicht vermögen, zu erhalten.“ (Kant)558 „. . ., weil der Staat, ohne Wohlhabenheit des Volks, nicht Kräfte genug besitzen würde, auswärtigen Feinden zu widerstehen, oder sich selbst als gemeines Wesen zu erhalten.“ (Kant)559

556 I. d. S. schon BVerfGE 1, 97 (105). Dazu ergänzend, auch m. w. Hinw. C. Link, Staatszwecke im Verfassungsstaat nach 40 Jahren Grundgesetz, VVDStRL 48 (1990), S. 34. 557 Keinesfalls sei an dieser Stelle eine wie auch immer geartete Trennung zwischen Staat und Bürger konstruiert, die der republikanischen Konzeption grundlegend widerspräche. Allerdings soll die soziale Verantwortung der Staatsgemeinschaft, die in ihrer Staatlichkeit eben doch mehr ist als die Summe ihrer Bürger, für ihre eigene Existenz und ihren Fortbestand – freilich immer zum Wohl der Bürger, nie als Selbstzweck – verdeutlich werden. Dazu weiter im Folgenden. 558 Metaphysik der Sitten, S. 446 [Hervorh. d. Verf.]; in diesem Kontext leitet Kant die Berechtigung der Regierung ab, „die Vermögenden zu nötigen, die Mittel der Erhaltung derjenigen, die es, selbst den notwendigsten Bedürfnissen nach, nicht sind, herbeizuschaffen.“ Diese Passage deutet auf die Besteuerung hin, die nun wahrlich keine Erfindung der modernen Republik ist; zugleich findet sich ein Hinweis auf den gebotenen Umfang sozialstaatlicher Maßnahmen, damit auch auf den erforderlichen Finanzbedarf, ist doch der Staat gehalten, (nur) für die Bürger Mittel bereitzustellen, denen es selbst am Nötigsten fehlt. 559 I. Kant, Über den Gemeinspruch, S. 155, Anmerkung [Hervorh. d. Verf.].

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4. Teil: Soziales Prinzip in der Republik

2. Kapitel

Sozialprinzip und soziale Realitäten I. Sozialprinzip als (material) offenes Grundprinzip der Republik Das Grundgesetz verfasst Deutschland in Art. 20 Abs. 1 GG als „demokratischen und sozialen Bundesstaat“ sowie in der primär an die Länder gerichteten Homogenitätsklausel auf Bundesebene des Art. 28 Abs. 1 GG als „sozialen Rechtsstaat“. Die Homogenitätsklausel auf europäischer Ebene, Art. 23 Abs. 1 GG, nimmt Deutschland für die Mitwirkung an der Entwicklung eines auch „sozialen . . . Grundsätzen“ entsprechenden Europas in die Pflicht. Nicht allein ob dieser textlichen Ausweise gilt das Sozialprinzip als eines der tragenden Prinzipien der Republik, das neben anderen, ebenfalls zusammenhängenden Grundsätzen, durch die „Ewigkeitsklausel“ des Art. 79 Abs. 3 GG als unabänderlich verfasst in der Bundesrepublik allzeit wirken wird. Auch wenn die sprachliche Analyse der Texte, zumindest auf einen ersten Blick, einen anderen Eindruck vermitteln mag, rangiert das Sozialprinzip nicht etwa „in der zweiten Reihe“; sondern entfaltet eher als – auch textlich verankerte – Sozialkomponente über die Verfassungsnormen, auch auf Ebene der Organisationseinheiten „Bundesstaat“ und „Rechtsstaat“, übergreifende Wirkung560. Im Gegensatz zu den anderen Strukturprinzipien, die das Grundgesetz in einer Vielzahl von Vorschriften näher ausgestaltet, verbleibt das Sozialprinzip, letztlich also das „Soziale“ der Verfassung in den Texten offen, immaterialisiert561, findet aber in der Verfassungswirklichkeit wie auch in positivrechtlichen Normen immer wieder ausdrücklichen Niederschlag562. Dem Sozialprinzip des Grundgesetzes, dessen soziale Grundidee in den republikanischen Grundprinzipien, insbesondere dem Prinzip der Brüderlichkeit ihr dogmatisches Pendant findet, wird nicht nur die unausweichliche Notwendigkeit der Existenzsicherung und Grundvorsorge der Bürgerschaft durch den sozialen Staat entnommen, sondern in aller Abstraktheit auch das prinzipielle Gebot zu sozialem Ausgleich und sozialer Gerechtigkeit563. Der Topos des sozialen Aus560 So K. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. I, S. 877 f.; H. F. Zacher, Das soziale Staatsziel, in: HStR, Bd. I, § 25, Rn. 2; i. d. S. auch R. Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20 Absch. VIII, Rn. 2. 561 Stv. für viele R. Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20 Absch. VIII, Rn. 5. Zum entstehungsgeschichtlichen Hintergrund der textlichen Offenheit K. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. I, S. 878 f. (m.w. N.); H. F. Zacher, Das soziale Staatsziel, in: HStR, Bd. I, § 25, Rn. 8 f.; dazu auch K. A. Schachtschneider, Das Sozialprinzip, S. 41. 562 Vgl. hierzu K. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. I, S. 881 f. 563 Auch das Bundesverfassungsgericht thematisiert in BVerfGE 5, 85 (198), „soziale Gerechtigkeit“ und postuliert im weiteren Verlauf [BVerfGE 22, 180 (204)] den

2. Kap.: Sozialprinzip und soziale Realitäten

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gleichs wird jedenfalls in seiner Materialität – und dieser Grundannahme wird man im Lauf der weiteren Diskussion immer wieder begegnen – typischerweise mit ökonomischen Größenordnungen verbunden, ohne die ein wie auch immer gearteter sozialrelevanter Ausgleich zwischen den Bürgern nicht vorstellbar ist564. Immerhin bedarf es ökonomischer Grundvoraussetzungen, um überhaupt der Bürgerlichkeit fähig zu sein, Bürger sein zu können, womit bereits eine grundlegende Mindestmarke für sozialstaatliche Ausgleichs- und Gerechtigkeitsbemühungen gesetzt wäre. Allerdings ist damit weder die Frage zu beantworten, wie nun das soziale Prinzip inhaltlich mit Leben zu füllen ist noch lässt sich klären, in welchem Maß qua sozialstaatlichem Gerechtigkeitspostulat zwischen den Bürgern ausgeglichen, folglich verteilt, also umverteilt und dafür bürgerliche Privatheit eingeschränkt werden kann und muss. Keineswegs kann dem Sozialprinzip der modernen Republik ein Auftrag zur Herstellung absoluter (sozialer) Gleichheit entnommen werden, geschweige denn ein Gebot zur abschließenden Nivellierung, zur Gleichmacherei zwischen den Bürgern ohne jegliche Rücksicht auf deren grundgesetzlich zulässige und gewünschte Unterschiedlichkeit565; eine solche paternalistische Nivellierung nämlich wäre nichts anderes als eine Herrschaft des (Sozial-)Staates, die gegen die Grundideale der Republik – nicht nur die allgemeine Freiheit und Gleichheit, sondern auch die Brüderlichkeit – verstoßen würde566. Das Verfassungsgericht macht deutlich, in welcher Grundintention es das Sozialprinzip verstanden wissen will567:

„Ausgleich der sozialen Gegensätze und damit . . . eine gerechte Sozialordnung“. So z. B. auch BVerfGE 100, 271 (284) u. ö., jew. unter Rückgriff auf BVerfGE 22, 180 (204). 564 H. F. Zacher, Das soziale Staatsziel, in: HStR, Bd. I, 1987, § 25, Rn. 68 ff., erläutert die primär ökonomische Relevanz der sozialen Idee jedenfalls in der praktischen Lebenswirklichkeit; dazu auch C. Link, Staatszwecke im Verfassungsstaat – nach 40 Jahren Grundgesetz, VVDStRL 48 (1990), S. 36. 565 Die Zielvorgabe für sozialstaatliches Bemühen könnte vielmehr in einem relativen Mehr an sozialer Gleichheit und der „Vision einer sozialen Normalität“ gesehen werden, wie sie H. F. Zacher, Das soziale Staatsziel, in: HStR, Bd. I, § 25, Rn. 37, 61 ff., skizziert; gegen sozialstaatliche Nivellierung z. B. auch W. Leisner, Der Gleichheitsstaat. Macht durch Nivellierung, passim; ders., Chancengleichheit als Form der Nivellierung, in: Staat, Schriften zu Staatslehre und Staatsrecht 1957–1991, S. 642 ff. 566 I. d. S. K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 240 f. (m. Hinw. auf A. v. Humboldt, J. St. Mill, K. R. Popper et al. in Fn. 171); grundlegend I. Kant, Über den Gemeinspruch, S. 159 („Der Souverän will das Volk nach seinen Begriffen glücklich machen, und wird Despot; das Volk will sich den allgemeinen menschlichen Anspruch auf eigene Glückseligkeit nicht nehmen lassen und wird Rebell.“); W. Maihofer, Die Legitimation des Staates aus der Funktion des Rechts, ARSP 1981, Beiheft Nr. 15, S. 34; auch W. Kersting, Wohlgeordnete Freiheit, S. 48. 567 So, nicht nur eigentumsspezifisch, wohl die herkömmliche Meinung des Bundesverfassungsgerichts referierend, E.-W. Böckenförde in dem abweichenden Votum zum Halbteilungsgrundsatz, BVerfGE 93, 121 (162 f.).

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4. Teil: Soziales Prinzip in der Republik

„Mit dieser durch die Verfassung gewährleisteten Grundlegung des Gemeinwesens in der Freiheit und Besonderheit des Einzelnen werden gesellschaftliche Ordnungsbildung und Entwicklung weitgehend dem freien Spiel der Konkurrenz und sich hierbei bildender Unterscheidungen überlassen. Die rechtliche Gleichheit verbunden mit der individuellen Handlungs- und Erwerbsfreiheit und der Garantie des Eigentums entbindet eine weit reichende Dynamik und führt unweigerlich zur Entstehung materieller Ungleichheit unter den Bürgern. Dies ist gewollt und elementarer Inhalt einer freiheitlichen Rechtsordnung. Insoweit bedarf es aber eines Ausgleichs. Wenn Lorenz von Stein schon 1850 formulierte, ,das Gesetz, unter dem das Leben Europas begonnen hat, ist das Gesetz, nach welchem die Verteilung der Güter die Gesellschaft und durch sie den Staat beherrscht‘ (Geschichte der sozialen Bewegung in Frankreich, Bd. 3, Ausgabe Salomon, S. 208), erkannte er diese Notwendigkeit gerade in Bezug auf die Eigentumsordnung. Im Eigentum gerinnt die Ungleichheit der freigesetzten Gesellschaft zur Materie und wird Ausgangspunkt neuer Ungleichheiten. Stellt man dieses unter Sicherung von dessen unbegrenzter Akkumulation sakrosankt, besteht die Gefahr, dass sich die Ungleichheit ungezügelt potenzieren kann und sich darüber die freiheitliche Rechtsordnung selbst aufhebt. Das Grundgesetz hat dem durch die Einführung des Sozialstaatsprinzips Rechnung getragen (Art. 20 Abs. 1 GG). Es verpflichtet den Staat, für einen Ausgleich der sozialen Gegensätze und damit für eine gerechte Sozialordnung zu sorgen.“

Während der soziale Gedanke in seiner Grundsätzlichkeit als zentraler Verfassungsbaustein unumstritten ist, führt der Mangel an textlichen und entstehungsgeschichtlichen Anknüpfungspunkten bei der Suche nach einer verfassungskongruenten Inhaltsbestimmung des Sozialprinzips zu einer nachhaltigen Auseinandersetzung, in die der Sache gemäß neben dogmatischen Positionen immer auch praktische Erkenntnisse und Zielvorstellungen hineingetragen wurden und werden; im Ergebnis mündet die Diskussion in einer breiten Palette von Meinungen, die sich von einer völligen, jeglicher Interpretation zugänglichen „Inhaltslosigkeit“ des Sozialstaatsgebotes bis hin zu einem, dem verfassten Sozialprinzip direkt zu entnehmenden „Generalinhalt“ erstrecken568. Angesichts der essentiellen Bedeutung und immerwährenden Aktualität sozialer Fragen verwundert es nicht, dass das Themenfeld in seiner materialen Offenheit mit steter Regelmäßigkeit, je nach wirtschaftlichen und sozialen Lagen und Gegebenheiten, auch von politischen Parteien unterschiedlichster Couleur instrumentalisiert wird569. Sicherlich nicht nur vor diesem Hintergrund bezeichnet Herzog das So568 Für einen „substanzlosen Blankettbegriff“ bereits sehr frühzeitig W. Grewe, Die Bundesrepublik als Rechtsstaat, DRiZ 1949, S. 395; umfassend zu einer Einordnung des Sozialprinzips in seiner Inhaltlichkeit v. a. E. Forsthoff sowie (im Korreferat zu Forsthoff ) O. Bachof, Begriff und Wesen des sozialen Rechtsstaats, beide VVDStRL 12 (1954), S. 8 ff. (insb. S. 19 ff.) und S. 37 ff.; zum Thema K. A. Schachtschneider, Das Sozialprinzip, insb. S. 31 ff. 569 K. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. I, S. 909, zeichnet das oft bemühte Rechtfertigungspotential des Sozialprinzips sehr treffend, wenn er formuliert: „Es kann für jede politische Initiative ,herhalten‘, es ist die Aufgabenbe-

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zialprinzip als „das umstrittenste politische und auch verfassungsrechtliche Prinzip der gesamten politischen Landschaft“570. Dieser Einschätzung, die die Unstrittigkeit der Existenz und Prinzipienhaftigkeit der im Grundgesetz verfassten sozialen Idee im gleichen Atemzug ausbreitet wie deren materiale Offenheit mit all ihren Konsequenzen, ist nur beizupflichten571. In welcher Form das Sozialprinzip – die grundgesetzliche Entscheidung für einen sozialen Staat – in concreto mit Leben, mit Materialität zu erfüllen ist, sei an dieser Stelle dahingestellt572; dass dieses grundlegende, mit dem Menschsein untrennbar verbundene Prinzip um seiner Existenz willen mehr als ein inhaltsleeres, formelhaftes Bekenntnis sein muss, steht jedoch außer Frage. Ganz in diesem Sinne, formulierte Ipsen bereits 1951 nachdrücklich573: „Wenn die Entscheidung des Grundgesetzes zum Sozialstaat etwas Wesentliches und Tieferes sein will als eine wohlfeile Formel aus Kompromiss oder Konzession oder auch nur eine unverbindliche Verheißung, so bedeutet sie Bereitschaft und Verantwortung, Aufgabe und Zuständigkeit seines Staates zur Gestaltung der sozialen Ordnung. . . . nur sie entspricht auch der modernen Staatsstruktur.“

II. Offenheit als Möglichkeit und Verpflichtung um des Sozialen willen Allen Bestimmungsversuchen der Bereiche, für die der soziale Gestaltungsauftrag entfaltet werden sollte574, zum Trotz trägt die Sozialstaatsklausel keinen originären Inhalt in sich, geschweige denn eine absolute Maßgröße für individuelle und kollektive Sozialkontributionen oder andere Unterstützungsmaßnahmen der öffentlichen Hand575. Vielmehr untermauern solche deskriptiven Bemühungründungsnorm und Gemeinwohlklausel par excellence.“; sinngemäß auch E. Benda, Der soziale Rechtsstaat, in: HVerfR, S. 757. 570 R. Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20 Absch. VIII, Rn. 1. 571 So die zusammenfassende Erkenntnis bei H.-M. Hänsch, Gesamtwirtschaftliche Stabilität als Verfassungsprinzip, S. 65 (m. zahlr. Hinw.). 572 Dazu ausführlicher im Folgenden, auch 3. Kap. 573 H. P. Ipsen, Enteignung und Sozialisierung, VVDStRL 10 (1952), S. 74; ebenso ders., Über das Grundgesetz, Hamburger Universitätsrede vom 17. 11. 1949, abgedr. in: E. Forsthoff (Hrsg.), Rechtsstaatlichkeit und Sozialstaatlichkeit, 1968, S. 16 ff. 574 So nennt z. B. K. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. I, S. 893 ff., exemplarisch und keinesfalls abschließend 1) Sozialversicherung, 2) Sozialhilfe, 3) soziale Entschädigung, Arbeitsrecht, 4) Leistungs- und Daseinsvorsorge, 5) neue Aufgaben, die „Sozialstaatliche Imprägnierung der Wirtschaft“, Mittelstandspolitik, Bildungspolitik sowie „Imprägnierung des Privatrechts“ umfassen, 6) Umweltpolitik und 7) die staatliche Wachstumsvorsorge, die wesentlich auf das Sozialstaatsgebot i.V. m. Art. 109 Abs. 2 bis 4 GG gestützt würde, als primäre Gestaltungsfelder sozialstaatlicher Aktivitäten. 575 Ähnlich der bekannten Unterscheidung in eine mikro- und makroökonomische Betrachtungsebene differenziert Zacher mikrosoziale und makrosoziale Methoden in der Realisierung sozialstaatlicher Zieldimensionen; als mikrosoziale Förderung wären

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4. Teil: Soziales Prinzip in der Republik

gen, deren Begrenztheit, Endlichkeit und damit fehlende Schließung des Themenfeldes sich geradezu aufdrängt, die Notwendigkeit einer strikten Offenhaltung des sozialen Verfassungsprinzips, gerade um seiner Funktionalität willen; denn ein inhaltlich ausgefülltes, damit begrenztes und letztlich terminiertes Sozialprinzip könnte sich wechselnden Gegebenheiten – innerhalb wie auch außerhalb der bekannten Betätigungsfelder – nur bedingt, mit Verzögerungen oder gar unter Einschränkungen anpassen, so dass ein solchermaßen materialisierter Verfassungsauftrag an Funktionsfähigkeit deutlich einbüßen und so seine ureigene Zielsetzung der Gestaltung und Gewährleistung wie auch immer gearteter sozialer Lebensbedingungen für den Einzelnen in der bürgerlichen Gemeinschaft letztlich gar verfehlen könnte576. In folgerichtiger Umsetzung dieser Konzeption materialer Offenheit formuliert das Grundgesetz keine differenzierten sozialen Grundrechte577 – man denke an Arbeit, Bildung oder soziale Sicherheit – und verzichtet auf eine ausdrückliche Festlegung sozial ausgerichteter Staatszielbestimmungen. Stattdessen sieht sich das Sozialprinzip, wie andere Verfassungsprinzipien auch, mit der Erwartungshaltung konfrontiert, die bewusste Öffnung und Offenhaltung der Verfassungssätze in materialer Hinsicht werde in einen permanent578 fortschreitenden Entwicklungsprozess579 münden, der die Verwirklichung der Ziele der Republik, eben auch die sozialer Natur, bestmöglich zu unterstützen vermag580. etwa Arbeitslosenunterstützung, Kindergeld oder Sozialhilfe zu bezeichnen, während interventionistische Eingriffe in den Arbeitsmarkt, aber auch eine weitgehende Freistellung der Marktkräfte zu den makrosozialen Maßnahmen des sozialen Staates zählen. Vgl. H. F. Zacher, Das soziale Staatsziel, in: HStR, Bd. I, § 25, Rn. 70. 576 So etwa E. Benda, Der soziale Rechtsstaat, in: HVerfR, S. 763, 768 ff. Auf die Diskussion, ob ein inhaltlich fixierter Aufruf zur sozialen Gestaltung im Zeitverlauf dem Druck der zahlreichen Lobbyisten überhaupt standgehalten hätte, sei an dieser Stelle verzichtet; hierzu H. F. Zacher, Das soziale Staatsziel, in: HStR, Bd. I, § 25, Rn. 105; weiterhin R. Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20 Absch. VIII, Rn. 21. 577 Dazu K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 238 f., grundlegend zu den Grundrechten S. 353 ff., 476 ff., 819 ff., 847 ff.; weiterführend zu einem „sozialen Grundrechtsverständnis“, das grundsätzliche Rechte wie Arbeit, Bildung und soziale Sicherheit zu seinem Gegenstand macht, ders. (unter Mitarbeit von P. Wollenschläger), Fallstudie Umweltschutz (FCKW-Verbot), in: K. A. Schachtschneider (Hrsg.), Fallstudien zum Öffentlichen Wirtschaftsrecht, Manuskript des Lehrstuhls für Öffentliches Recht, Wirtschaft- und Sozialwissenschaftliche Fakultät der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, 3. Aufl., 2003, S. 303 ff., insb. S. 307 f., 313 ff.; zum Thema auch ders., Recht auf Arbeit – Pflicht zur Arbeit, in: K. A. Schachtschneider/H. Piper/M. Hübsch (Hrsg.), Transport – Wirtschaft – Recht, Gedächtnisschrift für Johann Georg Helm, 2001, S. 832 f. 578 R. Scholz, Neue Verfassung oder Reform des Grundgesetzes, ZfA 1991, S. 683 ff. (S. 690). 579 Zur Prozessualität des Sozialprinzips H. F. Zacher, Das soziale Staatsziel, in: HStR, Bd. I, § 25, Rn. 66; näher ders., Der Sozialstaat als Prozess, ZgS 1978, S. 16 ff. 580 Siehe die Beschreibung als „dynamisch-progressives Element“ bei H.-M. Hänsch, Gesamtwirtschaftliche Stabilität als Verfassungsprinzip, S. 67 f., der die Offenheit der Materialität des Sozialprinzips näher beleuchtet und, flankiert durch zahl-

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Mit Hilfe der so installierten Anpassungs- und Wandlungsfähigkeit des sozialen Auftrages kann der Staat einerseits in seinen sozialstaatlichen Aktivitäten wechselnden Problemlagen Rechnung tragen. Im gleichen Atemzug ist er qua verfügbarem Handlungsspielraum umso stärker gehalten, dies auch, all seine Möglichkeiten ausschöpfend, bestens zu tun. Die materiale Offenheit des sozialen Prinzips in der Republik birgt Möglichkeit und Verpflichtung zugleich; dementsprechend tituliert das Bundesverfassungsgericht das Sozialprinzip als „ein der konkreten Ausgestaltung in hohem Maße fähiges und bedürftiges Prinzip.“581

Diesen konkreten Ausgestaltungsauftrag des Verfassungsgebers an den Staat – auch an den Sozialstaat – umreißt Zacher scharf, die große Bedeutung materialer Offenheit für die Zukunftsfähigkeit einer auch sozial geprägten Verfassung hervorhebend: „Aber sein Auftrag ist umfassender und offen für die Zukunft. Der Sozialstaat muss deshalb immer bereit sein, auch andere, insbesondere neue soziale Probleme wahrzunehmen und alte Festschreibungen von daher zu relativieren.“582

Den zentralen Topos der Offenheit des sozialen Prinzips, des sozialen Gestaltungsauftrages in der Republik, betont auch Stern, der es gar als den „offensten Grundsatz der Verfassung“ identifiziert583: „Sozialstaatlichkeit darf nicht statisch, sondern muss dynamisch verstanden werden. Sie existiert in ,Spannung und Bewegung‘.“584

III. Aspekte einer stetigen Ausweitung des material offenen sozialen Auftrages Theoretisch besehen können dynamische Veränderungen, wie sie dem sozialen Grundprinzip zugeschrieben werden, in die Erschließung neuer Aufgabenfelder sozialstaatlicher Aktivität, in die ständige Ausweitung des sozialen Auftrages also, münden, aber auch in eine Aufgabe bisheriger Aufgabenbereiche, in einen Rückzug des Sozialstaates. Naturgemäß weitet die ausgeprägte Offenheit

reiche Hinweise, die damit verbundenen Frage- und Problemstellungen einer umfassenden Erörterung unterzieht. Zur „Dynamik“ des Sozialstaats vgl. außerdem die informativen Ausführungen von C. Link, Staatszwecke im Verfassungsstaat – nach 40 Jahren Grundgesetz, VVDStRL 48 (1990), S. 36. 581 BVerfGE 5, 85 (198). 582 H. F. Zacher, Das soziale Staatsziel, in: HStR, Bd. I, § 25, Rn. 24. 583 K. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. I, S. 881. 584 K. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. I, S. 892; zum Thema auch H. F. Zacher, Was können wir über das Sozialstaatsprinzip wissen?, in: R. Stödter/W. Thieme (Hrsg.), Hamburg – Deutschland – Europa. Beiträge zum deutschen und europäischen Verfassungs-, Verwaltungs- und Wirtschaftsrecht, Festschrift für Hans Peter Ipsen zum 70. Geburtstag, 1977, S. 239 ff.

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4. Teil: Soziales Prinzip in der Republik

des sozialen Auftrages, einhergehend mit der funktionskongruenten Dynamik des sozialstaatlichen Prinzips, die Grenzen der Sozialstaatlichkeit immer weiter aus, scheint letztlich sozialstaatlichen Aktivitäten – zumindest so die momentane Bestandsaufnahme in einem ersten Augenschein – überhaupt keinen Einhalt mehr zu gebieten. In jedem Fall führt die fehlende Materialisierung trotz eines geradezu selbstverständlichen Übereinkommens aller auf einer abstrakten Ebene, dass der Staat, die Bürgergemeinschaft, auch dem Sozialprinzip verpflichtet sei, zu beträchtlichen Unschärfen auf konkreter fassenden Ebenen; allen normativen Grundlegungen zum Trotz erweist sich die Offenheit des Sozialprinzips vor allem für die Realpolitik als Einfallstor für mannigfaltige, oftmals kontrovers diskutierte Ziel- und Aufgabenfestlegungen sozialer Art585. Hinsichtlich dessen, was in concreto als „sozial“ anzusehen ist, herrscht bei Betroffenen, Politik und Gerichten gleichermaßen Ungewissheit586; über die unterschiedlichen Wege zur Erreichung sozialer Zielvorgaben wird – auch vor dem Hintergrund begrenzter Möglichkeiten zur Beurteilung der jeweiligen Erfolgsaussichten – trefflich gestritten, von konsensualem Einvernehmen kann keine Rede sein587. Offene oder gar fehlende Grenzen des Sozialprinzips verleiten vor allem Akteure auf der politischen Bühne588 immer wieder dazu, den Sozialstaatsauftrag in eine „Blankovollmacht“589 umzudeuten und den sozialen Gedanken zu instrumentalisieren, schlimmstenfalls zu missbrauchen590. Ambivalent ist diese Offenheit des Sozialprinzips allemal, wie Stern auch zutreffenderweise konstatiert: „Diese Grenzenlosigkeit ist seine Stärke, aber auch seine Schwäche.“591 585 R. Scholz/K. G. Meyer-Teschendorf, „Politisiertes“ Verfassungsrecht und „Depolitisierung“ durch Verfassungsrecht, DÖV 1998, S. 10 ff. (S. 17), sehen eine „permanente Gratwanderung zwischen normativer Stringenz einerseits und real-politischer Offenheit andererseits“. 586 K. A. Schachtschneider, Das Sozialprinzip, S. 37, bezeichnet diese Ungewissheit gar als „Hilflosigkeit gegenüber der Allgemeinheit des Sozialprinzips.“ 587 Zu dem Konfliktpotential materialer Offenheit näher H. F. Zacher, Das soziale Staatsziel, in: HStR, Bd. I, § 25, Rn. 61 ff. (Spannungsfeld „abstrakte Gewissheit – konkrete Ungewissheit“), der Facetten der Ungewissheit über „Soziale“ in Rn. 65, 79 näher ausführt; im gleichen Sinn auch ders., Sozialrecht in Europa – Sozialrecht im Verfassungsstaat, ZfSH/SGB 1991, S. 625 ff. 588 Zum Parteienstaat vor allem K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 1058 („Parteiliche Parteien machen die Republik unmöglich.“), näher S. 1060 ff., 1069 ff.; ausführlich auch ders., Der republikwidrige Parteienstaat, in: D. Murswiek/U. Storost/H. A. Wolff (Hrsg.), Staat – Souveränität – Verfassung, Festschrift für Helmut Quaritsch zum 70. Geburtstag, 2000, S. 141 ff. 589 H. Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 27; ergänzend zu dieser (vermeintlichen) Schwäche des Sozialprinzips H. Zacher, Das soziale Staatsziel, in: HStR, Bd. I, § 25, Rn. 63. 590 R. Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20 Absch. VIII, Rn. 3, thematisiert dieses Gefahrenpotential sehr pointiert, wenn er vor der Gefahr einer „einseitigen und überspitzten Interpretation ideologischer Voreingenommenheit“ warnt.

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Doch allein die Möglichkeit zur missbräuchlichen Nutzung der verfassungsgewollten Offenheit des sozialen Prinzips, also seine angebliche Schwäche, darf weder zu einer unreflektierten Infragestellung oder Herabwürdigung von auf dem Sozialprinzip aufbauenden Argumentationslinien führen592 noch eine sukzessive inhaltliche Ausfüllung – und damit Einschränkung sozialer Aktivitäten vor allem in künftigen Problemlagen – des grundgesetzlichen Auftrages zur Brüderlichkeit nach sich ziehen593. Vielmehr gilt es, die materiale Offenheit des Sozialprinzips gleichermaßen als Chance und Gestaltungsauftrag zu verstehen, dieses Verfassungsprinzip, stets auf das Ziel des Gemeinwohls als gutes Leben aller in gemeinsamer Freiheit ausgerichtet, abhängig von Problemlage und situativen Rahmendeterminanten zum Wohl jedes Bürgers zu verwirklichen und so aktiv den Gefahren einer missbräuchlichen Umdeutung und Ausweitung des sozialen Gedankens in der Gesellschaft zu begegnen. Ausdrücklich ist der zumindestens in praxi vielfach vorzufindenden Auffassung entgegenzutreten, dass das Sozialprinzip in seiner materialen Offenheit eine Garantie zur Wahrung sozialer Besitzstände beinhalte oder gar – im Sinne einer ,sozialstaatlichen Einbahnstraße‘ – eine stete Ausweitung der Aktivitäten des Sozialstaates auf Basis des bisher Erreichten rechtfertigte594. Dem Sozialprinzip lässt sich, republikanisch interpretiert, nicht nur vor dem Hintergrund materialer Begriffsöffnung, sondern vor allem angesichts der Logik der Republik eine grundlegende Verpflichtung zu ökonomischem und gesellschaftlichem Fortschritt entnehmen595 – einen Freibrief für eine immerwährende Ausdehnung sozialstaatlicher Wohltaten hingegen beinhaltet es nicht. 591

K. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. I, S. 909. So H.-M. Hänsch, Gesamtwirtschaftliche Stabilität als Verfassungsprinzip, S. 69 f. (m zahlr. Hinw.). 593 Eine materiale Definition eines Verfassungsprinzips, gar einhergehend mit einer textlichen Verankerung, würde den dem Formalen verpflichteten Prinzipien der Republik zuwiderlaufen, vornehmlich der Formalität der Gesetzlichkeit der allgemeinen Freiheit. Die Formalität selbst bringt die Subjekthaftigkeit, also Persönlichkeit aller Bürger, mithin deren Würde, zum Ausdruck. Die Moralität jedes Bürgers ist Spiegelbild der allgemeinen Freiheit und birgt ebenso die moralische Pflicht zur Erkenntnis des rechtlich Richtigen, also zur Sittlichkeit. Würde man dem Bürger dieses Recht, zugleich diese Pflicht zur eigenständigen Erkenntnis und Entscheidung entziehen, würde er seiner Freiheit beraubt werden; daher kann das soziale Prinzip in der Republik, das letztlich auch die Pflicht zur Sittlichkeit birgt, nur ein formales sein. Zur Freiheit allg. K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 218, 821 ff., 230 ff., 275 ff. (insb. S. 289 ff., 301 ff., 318 ff.), 332 ff., 431 ff., 494 ff., 509 ff., 978 ff.; passim; zur Formalität der Freiheit S. 275 ff., 325 ff. (insb. S. 356 ff.), 410 ff., 437, 494 ff. (insb. S. 498), 956 ff., 978 ff., 990 ff.; zur Freiheitlichkeit als Gesetzlichkeit allg. („volonte generale“) S. 124 ff., 145 ff., 153 ff., 519 ff. (insb. S. 534 ff.), 536 ff., 560 ff., auch S. 211 ff. (insb. S. 218 ff.), 275 ff. (insb. S. 293 ff.), 349 f., 494 ff., 637 ff., 707 ff. (S. 719 ff., 728 ff.); detaillierter S. 858 ff., 978 ff., 990 ff., 1027 ff. 594 Gegen die soziale Besitzstandswahrung K. A. Schachtschneider, Das Sozialprinzip, S. 42 f. 595 So dogmatisch K. A. Schachtschneider, Das Sozialprinzip, S. 40 ff. 592

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IV. Materialisierung des Sozialprinzips in allgemeinen Gesetzen Allgemeine Gesetze verwirklichen in ihrer Konstruktionslogik bestmöglich nicht nur die Freiheit596, sondern auch die Brüderlichkeit, somit auch das soziale Prinzip der Republik – erst recht vor dem Hintergrund einer ständigen Veränderung der (sozialen) Lage, die eine jeweils angepasste Verwirklichung durch das Gesetz erfordert: „Wenn auch die Wendung vom ,sozialen Bundesstaat‘ nicht in den Grundrechten, sondern in Art. 20 des Grundgesetzes . . . steht, so enthält sie doch ein Bekenntnis zum Sozialstaat, das bei der Auslegung des Grundgesetzes . . . von entscheidender Bedeutung sein kann. Das Wesentliche zur Verwirklichung des Sozialstaates aber kann nur der Gesetzgeber tun.“597

Republikanische Gesetzgebung, ausgestattet mit weit reichenden, aber nicht etwa unbegrenzten Gestaltungsspielräumen598, erweist sich als probates Verfahren, mittels immerwährender Setzung, Veränderung oder Aufhebung einfachgesetzlicher Normen dem permanenten Anpassungsdruck der Lebenswirklichkeit gebührend zu begegnen und soziale Homogenität599 als Ausfluss des Sozialprinzips zumindest in Versatzstücken realisieren zu können; Schachtschneider kann zutreffend feststellen: „Sozialrecht ist notwendig immer in Bewegung.“600 596 Denn die Gesetzlichkeit des gemeinsamen Lebens ist die allgemeine Freiheit in der Republik, in deren Rahmen sich die besondere Freiheit, die Privatheit eben, entfaltet. Hierzu K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 126 f., 211 ff., 370 ff., 449 ff., 466 ff.; grundlegend auch ders., Freiheit in der Republik, 2. Kap., IV., 5. Kap., IV., 7. Kap. u. ö. 597 So BVerfGE 1, 97 (105), sowie danach BVerfGE 5, 85 (197 f., 206); 33, 303 (331 ff.); 43, 213 (226); 50, 57 (108); 53, 164 (184); 65, 182 (193); 69, 272 (314); 70, 278 (288); i. d. S. auch P. Häberle, Grundrechte im Leistungsstaat, VVDStRL 30 (1972), S. 43 ff. (S. 98 ff., 110 f.); M. Kriele, Freiheit und Gleichheit, in: HVerfR, S. 129 ff. (S. 145 ff.); H. Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 815 ff.; W. Maihofer, Prinzipien freiheitlicher Demokratie, in: HVerfR, S. 516; C. Starck, in: v. Mangoldt/ Klein/Starck, GG, Art. 1 Abs. 3, Rn. 119; W. Martens, Grundrechte im Leistungsstaat, VVDStRL 30 (1972), S. 30 f.; J. C. K. Ringler, Die Europäische Sozialunion, 1997, S. 27 f.; K. A. Schachtschneider, Das Sozialprinzip, vor allem S. 71 ff., ansonsten passim; ders., Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 135 ff., 267; ders., Frei – sozial – fortschrittlich, in: Symposium zu Ehren von Werner Thieme, S. 12 f., 17; ders., Res publica res populi, S. 247 ff. (Fn. 209); W. Gr. Vitzthum, Staatszielbestimmungen und Grundgesetzreform, in: A. Randelzhofer (Hrsg.), Gedächtnisschrift für Ernst Grabitz, 1995, S. 829 f.; H. F. Zacher, Das soziale Staatsziel, in: HStR, Bd. I, § 25, Rn. 65 ff. sowie bei K. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. I, S. 915 (Fn. 226 m.w. N.); zum grundlegenden Verständnis außerdem H. Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 7 f. 598 Vgl. etwa BVerfGE 18, 257 (273); 29, 221 (235); 59, 231 (263); 71, 66 (80). 599 Zur Homogenität in der Republik, auch unter sozialen Gesichtspunkten, siehe unter VI. 600 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 247. Auf eine nähere Ergründung der Begrifflichkeit ,Sozialrecht‘ wird bewusst verzichtet, da sämtliche Rechtsge-

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Recht, auch Sozialrecht601, das stets untrennbar mit den Gesetzen in der Republik, eben mit der republikanischen Gesetzgebung, verwoben ist, dient der Idee der Freiheit und verwirklicht diese Freiheit – gerade im Kontext der sozialen Frage auch eine materiale Freiheit. Unter der Prämisse, dass die Gesetze Recht geben602, dass es also allgemeine, somit autonome, repräsentativ-konsensuale, praktisch vernünftige, richtige, letzten Endes sittliche Gesetze sind, transferieren sie das Sozialprinzip in die Realität der bürgerlichen Gemeinschaft und fördern auf dem Weg der Gesetzlichkeit das Gemeinwohl, letztlich eben die sozialen Belange des Bürgers und der Bürgerschaft603. Den Auftrag, ja die Pflicht zur Sozialität erfüllen die Bürger als bürgerliche Gemeinschaft, folglich als Staat, mit ihrem sittlichen Handeln, ihrer Sittlichkeit, mithin ihrer Brüderlichkeit, die sich in den Rechtsgesetzen niederschlägt; das material offene Sozialprinzip findet in der Republik Eingang in die Gesetze des Rechts und erfährt auf diesem Weg seine situativ angemessene Konkretisierung zur Verwirklichung des Gemeinwohls als eigentlichem Ziel der Republik. V. Verwirklichung des sozialen Prinzips in Steuer- und Abgabegesetzen In der Wirklichkeit der modernen, arbeitsteiligen Republik muss der soziale Staat umfangreiche finanzielle Mittel einsetzen, öffentliche Ausgaben eben, um dem sozialen Prinzip in seiner Auftragsfülle gerecht werden zu können. Dass die zahllosen Aufgaben, die das Sozialprinzip in seiner gesetzlichen Materialisierung dem Staat aufgibt, ohne entsprechende staatliche Einnahmen nicht zu erfüllen sind, bedarf wohl ohnehin keiner weiteren Erwähnung. Konsequenterweise wird das Sozialprinzip heute nicht nur in Sozialgesetzen verwirklicht, sondern auch in vielfältigen Ausgabe- und Einnahmegesetzen. Zu den Gesetzen, die das Sozialprinzip verwirklichen, zählen wesentlich auch die Steuergebiete, die soziale Fragen in der einen oder anderen Weise betreffen, einer dynamischen Veränderung unterworfen sind, unterworfen sein sollten; dies gilt übrigens auch für die Rechtsfragen des Eigentums, die ebenfalls einen deutlichen sozialen Bezug aufweisen. 601 Damit sind nicht nur die Sozialgesetze im unmittelbaren Sinn zu verstehen, sondern jegliche Gesetze, die unmittelbar oder mittelbar zu einer Verwirklichung der sozialen Idee in der Gemeinschaft beitragen; auch Steuer- und Abgabengesetze können, wie im Folgenden zu erörtern sein wird, zu den Regelungen des Sozialrechts gezählt werden. 602 Die bedeutsame Unterscheidung zwischen Recht und Gesetz erschließt und vertieft K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 672 ff., 884, 887, 902, 978 ff. (insb. S. 986 ff., 995 ff., 1027 ff.), außerdem S. 497 ff., 519 ff., 560 ff.; S. 672 ff. (jew. m. w. Hinw.); ergänzend ders., Freiheit in der Republik, 7. Kap. u. ö. 603 Vgl. K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 248 f. (Zitat S. 249), die dynamisch-prozessuale Komponente des entwickelnden Voranschreitens und Strebens nach sozialer Ausgeglichenheit („Fortschritt zur sozialen Homogenität“) betonend; i. d. S. auch H. F. Zacher, Das soziale Staatsziel, in: HStR, Bd. I, § 25, Rn. 86 ff.

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setze, mit deren Hilfe der (soziale) Staat nicht nur die erforderlichen Mittel zur Finanzierung seiner Aufgaben im Gemeinwesen generieren, sondern auch die mit dem Ziel sozialer Gerechtigkeit verknüpfte Verteilung zwischen den Bürgern betreiben kann604. „Elementares Mittel und unerlässliche Voraussetzung der – vorrangig dem Gesetzgeber obliegenden – Ausgestaltung des sozialen Ausgleichs ist gerade das Steuerrecht. Erst durch die Erhebung von Steuern wird der Gesetzgeber zu Sozialleistungen befähigt und kann bedrohliche Entwicklungen der Eigentumsverteilung auch umverteilend korrigieren.“605

Neben den Steuern bedient sich der soziale Staat vornehmlich der Abgaben, um Finanzmittel für die Sozialaufgaben des bürgerlichen Gemeinwesens zu beschaffen, wie die Beispiele der Krankenversicherung, der Arbeitslosenversicherung oder ähnlicher, auf dem Solidarprinzip basierender Instrumentarien zeigen606. Auch den Abgabegesetzen kommt folglich bei der rechtstheoretischen und -praktischen Umsetzung des Sozialprinzips eine tragende Rolle zu. Ähnlich den Steuergesetzen zeigen Ausgabegesetze, gerade im Bereich der Sozialversicherung, die Reziprozität der finanz- und steuerstaatlichen Republik. Einerseits werden dem Bürger auf deren Grundlage im Bedarfsfall vornehmlich finanzielle Unterstützungen gewährt, andererseits liefern sie die rechtliche Basis für zahlreiche Steuer- und Abgabenlasten, die dem pflichtigen Bürger auferlegt werden. Nicht zuletzt in dieser Facette des sozialen Prinzips begegnen sich Sozialstaat und Steuerstaat: „Der Steuerstaat entzieht den Einzelnen nach Maßgabe ihrer Leistungsfähigkeit Kaufkraft, während der Sozialstaat diese nach Maßgabe ihrer Bedürftigkeit zurückgibt.“ (Josef Isensee)607

Unbestritten entsprechen Steuer- und Abgabepflichten auf Basis solcher allgemeiner Gesetze den grundsätzlichen Leitideen des Sozialprinzips in der Republik, die eine grundlegende Pflichtigkeit des Bürgers in seiner Brüderlichkeit für die staatliche Gemeinschaft vorsehen. Nicht zuletzt der Einsatz des Mediums Geld, dessen sich der Steuer- und Abgabenstaat in der heutigen Wirtschaftsund Gesellschaftsordnung zur Erfüllung seiner Aufgaben bedient, verdeutlicht, dass Steuern, aber auch Abgaben ein probates Instrument des brüderlichen Staates sind, um die Bürger in ihrer Pflichtigkeit zur gemeinschaftlichen, ergo so604 Grundlegend E. Forsthoff, Begriff und Wesen des sozialen Rechtsstaates, VVDStRL 12 (1954), S. 31 f.; wesentlich auch J. Isensee, Steuerstaat als Staatsform, in: FS H. P. Ipsen, S. 432 ff. (Zitat S. 432): „Der Sozialstaat des Grundgesetzes findet in der Steuer sein gemäßes Instrumentarium zur Herstellung der sozialen Gerechtigkeit.“ 605 BVerfGE 93, 121 (162). 606 Für einen Überblick über die unterschiedlichen Steuern und Abgaben in der Republik etwa K. Vogel/C. Waldhoff, in: BK, Vorbem. z. Art. 104a–115, Rn. 340 ff. (Schaubild S. 297). 607 Steuerstaat als Staatsform, in: FS H. P. Ipsen, S. 432.

2. Kap.: Sozialprinzip und soziale Realitäten

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zialen Mitwirkung an der Schaffung und Verbesserung sozialer Ausgewogenheit heranzuziehen und ihren – auch finanziellen – Beitrag hierfür einzufordern. Die Mechanismen der Steuer- und Abgabenpflicht per se lassen sich vor dem Hintergrund sozialstaatlicher Zielsetzungen und daraus abzuleitender Erfordernisse allemal rechtfertigen; die Frage nach dem ,ob‘ einer Steuer oder Abgabe bedarf angesichts sozialer Idee und sozialer Realitäten sicher keiner weiteren Erörterung. Um allerdings zu klären, in welchem Maß dem Bürger im Licht des Sozialprinzips finanzielle Lasten auferlegt werden können, sei das soziale Prinzip der Republik – auch auf seinen materialen Gehalt hin – im Folgenden kurz beleuchtet. VI. Soziale Homogenität als Zielgröße des republikanischen Sozialprinzips Das Sozialprinzip verpflichtet „zur Brüderlichkeit der in ihrer Freiheit gleichen Bürger“608. Dieses Prinzip der Republik, das Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit in den Mittelpunkt allen Lebens stellt, lässt sich ohne die Homogenität der Menschen, die sich im Staat als Volk vereinigt sehen, nicht realisieren. Soweit die Homogenität der Gemeinschaft nicht gegeben ist, erfordert allein die Menschenwürdigkeit des gemeinsamen Lebens, letztlich das „gute Leben aller in gemeinsamer Freiheit“, die Herstellung und Förderung der Homogenität im Gemeinwesen: „Eine Erfahrung der Menschheit ist die, dass ein gewisses Minimum an Homogenität des Volkes Voraussetzung des gemeinsamen Lebens in Frieden und Freiheit, der Republik also, ist.“ (Karl Albrecht Schachtschneider)609

Heterogenität nämlich konterkariert die Freiheit und mündet erfahrungsgemäß in Herrschaft610. Allerdings hat die Schaffung des Homogenen in der republikanischen Bürgerschaft nicht etwa durch eine Selektion und Elimierung des Heterogenen zu erfolgen, sondern durch die substantiierte Ermöglichung der (politischen) Freiheit für alle, die aus „Staatsgenossen“ „Staatsbürger“ werden lässt611. Das Homogenitätsprinzip612, das – nicht nur als bürgerlich-politisches Prinzip – in der Republik unterschiedlichste Ausprägungen erfahren kann, hat als 608

K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 245. Res publica res populi, S. 1183. 610 So K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 1181. 611 I. Kant, Metaphysik der Sitten, S. 432 ff. 612 Zum Homogenitätsprinzip in der Wirklichkeit der modernen Republik z. B. E.-W. Böckenförde, Demokratie als Verfassungsprinzip, in: HStR, Bd. I, § 22, Rn. 46 ff., 63 ff.; H. Hofmann, Grundpflichten als verfassungsrechtliche Dimension, VVDStRL 41 (1983), S. 66 f.; J. Isensee, Staat und Verfassung, in: HStR, Bd. I, Rn. 161 ff.; P. Kirchhof, Die Identität der Verfassung in ihren unabänderlichen Inhalten, in: HStR, 609

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Prinzip der Gleichartigkeit613, Gleichheit, substantielle Bedeutung für das republikanische, oftmals als demokratisch apostrophierte Gemeinwesen; denn: „Demokratie baut auf eine . . . Gleichartigkeit jedes zum Staatsvolk gehörenden Menschen und garantiert fortbestehende individuelle Gleichheit in der mehrheitlichen Teilhabe und trotz mehrheitlicher Entscheidungsgewalt.“ (Paul Kirchhof )614

Die politische, somit auch rechtliche Einheit bedingt einen gesellschaftlichen Grundkonsens615, der in der Formulierung einer Verfassung mündet. Geschieht dies unter den Grundbedingungen der Republik, handelt es sich um eine freie Verfassung, letztlich um einen konsensualen Gesellschaftsvertrag. Mithilfe einer solchen Verfassung vereinen sich Menschen zu einem Staat, in dem sie ihre Bd. I, S. 56 ff., 83; auch W. Maihofer, Prinzipien der freiheitlichen Demokratie, in: HVerfR, S. 445, 530 f.; K. A. Schachtschneider, Bemerkungen zum Ausländerwahlrecht, 53. Deutscher Juristentag 1980, Sitzungsbericht L, S. 148 ff.; ders., Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 143, 150; K. Stern, Idee der Menschenrechte und Positivität der Grundrechte, in: J. Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. V, Allgemeine Grundrechtslehren, 1992, § 108, Rn. 38. Siehe außerdem die weiteren Hinweise bei K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 1179 ff. 613 Als Prinzip der Gleichartigkeit in der Demokratie wird oftmals die Homogenität von Regierung und Volk, von Herrschern und Beherrschten thematisiert, so z. B. bei C. Schmitt, Verfassungslehre, S. 224 ff., 235 ff.; ders., Die geistesgeschichtliche Lage des heutigen Parlamentarismus, S. 13 ff. Von dieser liberalistischen, trotzdem herrschaftlichen Sichtweise ist republikanische Gleichheit, so auch hier vertreten, deutlich zu unterscheiden. Zur Gleichheit als alleinigem Prinzip des Demokratischen K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 43 ff., 145 ff., 990 ff., 1027 ff. 614 Die Identität der Verfassung in ihren unabänderlichen Inhalten, in: HStR, Bd. I, § 19, Rn. 83; s. a. ders., Der allgemeine Gleichheitssatz, HStR, Bd. V, § 124, Rn. 150 ff., 250, 256 ff.; ähnlich auch M. Kriele, Einführung in die Staatslehre, S. 331 ff. 615 Zu diesem „Grundkonsens“, auch als „Wertekodex“, „Wertbasis“, „Grundwerte“ etc. tituliert, stv. für etliche H. H. v. Arnim, Zur normativen Politikwissenschaft. Versuch einer Rehabilitierung, Der Staat 26 (1987), S. 483 ff.; E.-W. Böckenförde, Demokratie als Verfassungsprinzip, in: HStR, Bd. I, § 22, Rn. 46 ff., 63 ff.; M. Kriele, Freiheit und Gleichheit, in: HVerfR, S. 132 ff.; M. Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 547; K. A. Schachtschneider, Das Rechtsstaatsprinzip des Grundgesetzes, JA 1979, S. 515; ders., Res publica res populi, S. 1180; ders., Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 164; W. Schmitt Glaeser, Die grundrechtliche Freiheit des Bürgers zur Mitwirkung an der Willensbildung, in: J. Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. II, Demokratische Willensbildung – Die Staatsorgane des Bundes, § 31, Rn. 34 f.; K. Stern, Idee der Menschenrechte und Positivität der Grundrechte, in: HStR, Bd. V, § 108, Rn. 61; zu Entstehung und Mechanismen dieses Grundkonsenses BVerfGE 5, 85 (195 ff., insb. 197 f.: „. . . der Mehrheitsentscheidung geht die Anmeldung der Forderungen der Minderheit und die freie Diskussion voraus, zu der die freiheitliche demokratische Ordnung vielfältige Möglichkeiten gibt, die sie selbst wünscht und fördert, und deshalb auch für den Vertreter von Minderheitsmeinungen möglichst risikolos gestaltet. . . . So kann in weitem Maße Kritik am Bestehenden, Unzufriedenheit mit Personen, Institutionen und konkreten Entscheidungen im Rahmen dieser Ordnung positiv verarbeitet werden. In die schließlich erreichte Mehrheitsentscheidung ist immer auch die geistige Arbeit und die Kritik der oppositionellen Minderheit eingegangen.“).

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Freiheit durch Gesetze zu verwirklichen suchen; für dieses freiheitliche, auf einem gesellschaftlichen Konsens gründende Staatsmodell und dessen „staatstragende“ Gesetze sowie die Umsetzung dieser Ideen in die republikanische Wirklichkeit liefert die Homogenität essentielle Beiträge: „Das Ideal freiheitlicher, also allgemeiner Gesetze, das Konsensprinzip, hat ohne die republikanische Homogenität die besagte reale Chance nicht, . . .“ (Karl Albrecht Schachtschneider)616

Dieser Staat, die Republik nämlich, gründet auf der Homogenität von Menschen, deren republikanische Verfasstheit sie zu Bürgern dieses Staates617 befördert. Allgemeine Gleichartigkeit618, nicht als Apriori mit Gleichheit619 zu übersetzen, gerät damit zur Grundvoraussetzung der Bürgerlichkeit, in einem Atemzug auch zur elementaren Voraussetzung der Gesetzlichkeit und Rechtlichkeit im republikanischen Staatswesen. Homogenität erweist sich in ihren verschiedenen Facetten620 als einer der Säulen, an denen die Republik in ihrer Trias von Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit ankert. Auch wenn Homogenität stets Gleichartigkeit, mithin Gleichheit, vor dem Gesetz meint und folglich eine unstrittig formale Komponente in sich trägt, wird aus nahe liegenden Gründen im Kontext der Homogenität mit steter Regelmäßigkeit der Topos der „einheitlichen Lebensverhältnisse“ bemüht, was lebenswirkliche Materialität erahnen lässt. Eine solche Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse621, die durch eine adäquate Rechtsordnung geschaffen wird, 616

Res publica res populi, S. 1184 (m.w. N. in Fn. 40.). Zum Begriff des Staatsbürgers vgl. etwa K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 207 ff. (m.w. N.). 618 Gemäß der Allgemeinheit des Homogenitätsprinzips unterfällt der allgemeinen Gleichartigkeit auch soziale Gleichartigkeit, soziale Homogenität, sei das nun auf gesellschaftlicher oder individueller Ebene verortet; vgl. dazu unten VI. 619 Zur Unterscheidung von Gleichheit und Gleichartigkeit, zumindest im herrschaftlichen Demokratieverständnis K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 689 f., 738 f. 620 Auch wenn die Forderung nach Homogenität nicht auf nationale Grenzen beschränkt werden kann und darf, ist diese in praxi zunächst auf nationaler Ebene anzustreben, da eine gemeinsame Kultur mit gemeinsamer Geschichte, geteilter Sprache, einheitliche Grundwerte etc. eine starke Basis für ein homogeneres Gemeinwesen liefert. Zur Kultureinheit allg. R. Zippelius, Allgemeine Staatslehre, S. 34 ff.; kritischer z. B. E.-W. Böckenförde, Demokratie als Verfassungsprinzip, in: HStR, Bd. I, § 22, Rn. 48; S. 918; P. Kirchhof, Die Identität der Verfassung in ihren unabänderlichen Inhalten, in: HStR, Bd. I, § 19, Rn. 31 ff., 53 f., 57 („Kulturgemeinschaft“); gleichermaßen grundlegend und detailliert zum Kulturstaat W. Maihofer, Kulturelle Aufgaben des modernen Staates, in: E. Benda/W. Maihofer/H.-J. Vogel (Hrsg.), Handbuch des Verfassungsrechts, 1983, S. 953 ff.; zur Homogenität der deutschen Nation umfassend K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 1186 ff., 1194 ff. (jew. m. zahlr. Hinw.). 621 Dazu z. B. H. Heller, Staatslehre, S. 164 f.; ergänzend J. Habermas, Legitimationsprobleme im modernen Staat, S. 48 ff.; zur „Herstellung der Gleichheit“ auf diesem Wege P. Kirchhof, Der allgemeine Gleichheitssatz, in: HStR, Bd. V, § 124, 617

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4. Teil: Soziales Prinzip in der Republik

stabilisiert die Homogenität in der Gesellschaft, auch die politische und kulturelle Homogenität622. Das Sozialprinzip fordert die Herstellung, Wahrung und Verbesserung einer so verstandenen Homogenität623, deren konsens- und damit friedensstiftende Wirkung nur unter der Prämisse einheitlicher Lebensverhältnisse zur Entfaltung gelangen kann, und folglich stets auch soziale624 und damit notwendigerweise materielle Homogenität impliziert. Neben der abstrakten Grundidee der sozialen Gerechtigkeit beinhaltet das soziale Prinzip in der Realität der Republik wesentliche Zielsetzungen wie „wirtschaftliche Sicherheit, insbesondere die Kranken- und Altersversorgung, und die Verantwortung des Gemeinwesens für den Einzelnen und des Einzelnen für das Gemeinwesen, die gegenseitige Sozialpflichtigkeit“625. Die soziale Idee der Republik verpflichtet die bürgerliche Gemeinschaft auf das Ziel der sozialen Homogenität626 unter gleichen Bürgern nicht nur im Sinne einer Sicherung, sondern auch einer ständigen Verbesserung627 allgemeiner – auch materialer – Selbständigkeit und verwirklicht auf diesem Weg den Gedanken der Brüderlichkeit in seinem Dreiklang von Freiheit – Gleichheit – Brüderlichkeit. Dem republikanischen Leitgedanken der Privatheit, auch und insbesondere dem Vorrang der Privatheit der Lebensbewältigung628 entsprechend, darf Rn. 66 ff.; zum sozialen Gedanken der Chancengleichheit im Sinne einer für alle gleichen Chance, zur Selbständigkeit eines Staatsbürgers „sich empor arbeiten zu können“, I. Kant, Metaphysik der Sitten, S. 433 f.; ähnlich übrigens auch J.-J. Rousseau, Vom Gesellschaftsvertrag, S. 57. 622 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 1192. 623 Hierzu K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 234 ff., 247 ff.; S. 438 ff.; weiterführend im Folgenden, 3. Kap. 624 So, die soziale Komponente im Sinne einheitlicher Lebensverhältnisse als Grundbedingung kultureller und politischer Homogenität hervorhebend, K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 1192. 625 K. A. Schachtschneider, Das Sozialprinzip, S. 45. 626 Zur Homogenität im Gemeinwesen K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 241 ff., umfassender S. 1177 ff.; der Begriff der „sozialen Homogenität“ wurde geprägt bei H. Heller, Politische Demokratie und soziale Homogenität. Gesammelte Schriften, Bd. 2, 1. Aufl., 1971, S. 123 ff.; dazu auch BVerfGE 89, 155 (186). 627 Vgl. BVerfGE 5, 84 (198) (Fortschritt zu „sozialer Gerechtigkeit“ als „leitendes Prinzip aller staatlichen Maßnahmen“); K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 240, 247 ff.; ders., Das Sozialprinzip, S. 40 ff. 628 Vgl. K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 370 ff. (insb. 386 ff.), auch S. 234 ff. (insb. S. 244 f.); ders., Freiheit in der Republik, 8. Kap., insb. IV.; auch ders., Vom liberalistischen zum republikanischen Freiheitsbegriff, in: FS der WiSo der FAU Erlangen-Nürnberg, S. 418 ff. (S. 436); ebenso ders., Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 189 f., 272 f.; ders., Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 145 ff., 149 f.; ders., Das Sozialprinzip, S. 62 f.; ders., Frei – sozial – fortschrittlich, in: Symposium zu Ehren von Werner Thieme, S. 16 ff.; so ders., Grundgesetzliche Aspekte der freiberuflichen Selbstverwaltung, Die Verwaltung 31 (1998), S. 140 f.; umfassend auch ders., Der Anspruch auf materiale Privatisierung, S. 75 ff.; i. d. S. bereits I. Kant, Metaphysik der Sitten, S. 434; grundlegend J. Isensee, Subsidiarität und Verfassungsrecht, S. 215 ff., 313 ff.; ders., Gemeinwohl und Staatsaufgaben im Ver-

2. Kap.: Sozialprinzip und soziale Realitäten

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das Sozialprinzip in seinen Zielsetzungen nicht zu einem Auftrag zur SozialNivellierung desavouiert werden, wie dies der Sozialismus tut629, sondern muss als Leitprinzip verstanden werden, das es dem Staat, also der bürgerlichen Gemeinschaft, aufgibt, der erforderlichen Selbständigkeit des Einzelnen entgegen stehende Ungleichheiten zu beseitigen630. Diese Verantwortung trägt das Gemeinwesen, in dem sich die Bürgerschaft zusammenfindet, für den Einzelnen; zugleich postuliert das soziale Prinzip der Republik eine Verantwortung des Einzelnen für das Gemeinwesen, die mit seiner Selbstverantwortlichkeit, also mit seiner Pflicht zur Selbständigkeit beginnt und sich bis zu seinem Beitrag für das republikanische Gemeinwesen erstreckt631. Dieser Weg der gemeinschaftlichen Solidarität führt zu „sozialer Gerechtigkeit“ in der Republik632.

fassungsstaat, in: HStR, Bd. III, § 57, Rn. 165 ff.; auch R. Herzog, Subsidiaritätsprinzip und Staatsverfassung, Der Staat 2 (1963), S. 399 ff., 411 ff.; H. Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 813 f.; D. Merten, Sozialrecht, Sozialpolitik, in: HVerfR, S. 999 f.; H. H. Rupp, Die Unterscheidung von Staat und Gesellschaft, in: HStR, Bd. I, § 28, Rn. 51 ff.; H. F. Zacher, Das soziale Staatsziel, in: HStR, Bd. I, § 25, Rn. 28 ff. 629 Zum freiheitswidrigen Sozialismusprinzip, das irrigerweise formale Gleichheit zu materialer Gleichheit umdeutet, K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 245 f. 630 Vgl. H. F. Zacher, Das soziale Staatsziel, in: HStR, Bd. I, § 25, Rn. 32 ff., 63 ff.; auch M. Kriele, Freiheit und Gleichheit, in: HVerfR, S. 129 ff. (S. 145 ff.); sinngemäß E. Benda, Der soziale Rechtsstaat, in: HVerfR, S. 788 ff.; K. A. Schachtschneider, Frei – sozial – fortschrittlich, in: Die Fortentwicklung des Sozialstaates – Verfassungsauftrag und administrative Implementation, S. 14 f.; i. d. S. auch schon Aristoteles, Politik, S. 116 ff., 125 ff., 166 ff.; lt. BVerfGE 5, 85 (206), soll das Sozialprinzip „schädliche Auswirkungen schrankenloser Freiheit verhindern und die Gleichheit fortschreitend bis zu dem vernünftigerweise zu fordernden Maße verwirklichen.“ 631 So auch H. F. Zacher, Das soziale Staatsziel, in: HStR, Bd. I, § 25, Rn. 85: „Die soziale Republik“: „. . . im Sinne der Teilhabe möglichst vieler . . ., einer Identifikation des Bürgers mit dem Gemeinwesen . . .“, dies „unterstreicht Wesentliches, was der ,Sozialstaat‘ in der Sache meint: die Solidarität der Bürger mit den Bürgern – vermittelt durch das Gemeinwesen und zugleich gelebt in der Gesellschaft.“ 632 Da die Lehre von der Republik anders als das liberalistische Modell die Trennung von Bürger und Staat ablehnt, lassen sich in der modernen Republik soziale Verantwortlichkeiten nicht auf Handeln des Staates für seine Bürger reduzieren, sondern implizieren notwendigerweise – sogar vorrangig – soziale Pflichten des einzelnen Bürgers für die Bürgergemeinschaft; vor diesem Hintergrund wird die Verkürztheit des Begriffs „Sozialstaatsprinzip“ deutlich, da hier die grundlegende Verantwortung des Einzelnen für die Gemeinschaft ausgeblendet und das Sozialprinzip auf den Staat im engeren Sinn, also auf staatliche Institutionen, bezogen wäre. Vorsichtig für eine solche „Sozialpflichtigkeit“ des Bürgers E. Benda, Der soziale Rechtsstaat, in: HVerfR, S. 789; deutlich K. A. Schachtschneider, Das Sozialprinzip, S. 31 f.

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4. Teil: Soziales Prinzip in der Republik

3. Kapitel

Leitlinien des Sozialprinzips für den Steuerstaat Im Unterfangen, das soziale Prinzip in seinen Konsequenzen für den Staat des Sozialen konkreter zu fassen, drängt sich die Frage auf, welche Aufgaben und Pflichten das Sozialprinzip – wie auch seine Materialisierung in allgemeinen Gesetzen – dem sozialen Staat des Grundgesetzes, aber auch dem einzelnen Bürger, zur Realisierung von Brüderlichkeit und sozialer Gerechtigkeit, letztlich Freiheit, aufgibt, welchen Rahmen dieses substantielle Prinzip dem Sozialstaat steckt und welche Grenzen sozialstaatlicher Aktivitäten es schließlich zieht. Regelmäßig wird eine solche Materialisierung mit wirtschaftlichen Dimensionen gleichgesetzt, zumindest der ökonomische Aspekt in den Vordergrund gerückt633 – angesichts der Unüberwindbarkeit material-ökonomischer Notwendigkeiten für das individuelle wie gemeinsame, also soziale Leben in der Republik ist eine solche Fokussierung, zumindest Ausrichtung der Diskussion um die Realitäten des republikanischen Sozialprinzips verständlich. Dass soziale Fragen in der Realität der modernen Republik nicht losgelöst von ökonomischen Überlegungen diskutiert werden können, wird um so deutlicher, wenn man sich die Finanzierungsnotwendigkeit sozialstaatlicher Aufgabenerfüllung vor Augen führt. Schließlich werden die Herstellung und Wahrung von Recht und innerem Frieden, der Schutz von Leben und Freiheit, aber auch der Schutz des Eigentums sowie die Wahrnehmung von Staatlichkeit nach innen und außen im modernen Staat immer mehr als Selbstverständlichkeiten wahrgenommen, während Wohlfahrts- und Kulturzwecke – wenigstens in der öffentlichen Wahrnehmung – sukzessive an Bedeutung gewonnen haben. Der heutige Staat zeichnet vermehrt für die materielle Wohlfahrt der Bürgerschaft, für Wirtschaftsentwicklung und soziale Sicherheit verantwortlich; dazu treten Aufgabenbereiche wie Bildung und Ausbildung, Kultur und Wissenschaft634. Die erforderliche Finanzierung leistet der republikanische Staat wesentlich in seiner Eigenschaft als Steuerstaat635. Mit der folgenden Annäherung an die ma633 Vgl. H. F. Zacher, Das soziale Staatsziel, in: HStR, Bd. I, § 25, Rn. 68 ff., i. d. S. auch C. Link, Staatszwecke im Verfassungsstaat – nach 40 Jahren Grundgesetz, VVDStRL 48 (1990), S. 36. 634 So z. B. P. Badura, Staatsrecht, S. 254 f. („Das Signum des heutigen Zeitalters ist angesichts des ausschlaggebenden Gewichtes, das die wirtschafts- und sozialpolitischen Aufgaben des Staates erlangt haben, der vom Staat zu gewährleistende Schutz der wirtschaftlichen und sozialen Interessen.“; Zitat S. 255); grundlegend J. Isensee, Gemeinwohl und Staatsaufgaben im Verfassungsstaat, in: HStR, Bd. III, § 57, Rn. 1 ff. (m. zahlr. Hinw.); ausführlicher zu den Staatsaufgaben auch R. Herzog, Ziele, Vorbehalte und Grenzen der Staatstätigkeit, in: HStR, Bd. III, § 58, Rn. 1 ff. (ebenfalls m. umfangreichen Hinw.). 635 J. Iseensee, Gemeinwohl und Staatsaufgaben im Verfassungsstaat, in: HStR, Bd. III, § 57, Rn. 175: „Die verfassungsrechtliche Regel geht dahin, dass der Staat

3. Kap.: Leitlinien des Sozialprinzips für den Steuerstaat

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terialen Facetten des sozialen Prinzips soll nicht etwa das Aufkommen an Steuern – und damit ein Großteil der Staateinnahmen – als limitationaler Faktor sozialstaatlicher Bemühungen in die Diskussion eingeführt, sondern vielmehr das Verständnis für die Auf- und Ausgaben des sozialen Staates in ihren vielschichtigen Wechselwirkungen mit der republikanischen Steuerstaatlichkeit geschärft werden. Zweifelsohne prägt das Sozialprinzip als Prinzip der Brüderlichkeit die Auferlegung von Steuern als Gemeinlasten und deren gesetzliche Verwirklichung tiefgreifend – ob die Republik in ihrer sozialen Prinzipienhaftigkeit weitere steuer- oder auch abgabengesetzliche Implikationen bereithält, wird im Folgenden zu beleuchten sein. I. Existenzsicherung als Mindestanforderung des Sozialprinzips Bekanntlich vermag der Mensch in aller Regel sittlich nur zu handeln, wenn ihm zumindest die (materialen) Möglichkeiten gegeben sind, sein Leben zu bestreiten und seine Existenz zu sichern636. Ansonsten zwingen ihn faktische Erfordernisse, nicht a priori nach dem guten Leben aller – ein Teil derer er ja immerhin ist – zu streben, sondern sich zunächst an seinen eigenen Interessen zu orientieren. Dann freilich handelt er nicht sittlich; denn sittlich handelt eben nur der, der das gute Leben aller in gemeinsamer Freiheit zu verwirklichen sucht637. Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund wird aus dem Sozialprinzip des Grundgesetzes wenigstens ein staatlicher Auftrag zur Existenzsicherung abgeleitet638, in aller Regel auch ein weiter greifender Auftrag zur Herstellung von

seine Aufgaben . . . über seine eigene Organisation und über den öffentlichen Dienst . . . wahrnimmt und über die steuerliche Gemeinlast finanziert.“ 636 Sinngemäß bereits Aristoteles, Politik, S. 123, 1283 a 15 ff. u. ö.; i. d. S. auch J. J. Rousseau, Vom Gesellschaftsvertrag, S. 26 (Fn. 57), 63; interessanterweise auch F. Schiller, Über die ästhetische Erziehung des Menschen, ed. W. Henckmann, 1967, S. 29 f. („. . . warm wohnen und satt zu essen haben . . .“); weiterführend K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 234 ff. (m.w. N.). 637 Näher zur Pflicht der Sittlichkeit K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, passim, insb. S. 288 ff., 318 ff., 344 ff., 501 ff., 560 ff., 584 ff., 617 ff., 655 ff., 670 ff., 728 ff., 799 ff., 810 ff., 819 ff., 858 ff., 978 ff., 1027 ff.; ders., Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 104 ff.; elementar I. Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, S. 66, 69, 74 u. ö.; ders., Kritik der praktischen Vernunft, S. 144. 638 Vgl. J. Isensee, Gemeinwohl und Staatsaufgaben im Verfassungsstaat, in: HStR, Bd. III, § 57, Rn. 57; grundlegend K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, 8. Kap., V.; ders., Res publica res populi, S. 201, 346 f., 348 ff., ebenfalls grundlegend BVerfGE 5, 85 (198); 35, 202 (236); 40, 121 (133); steuerspezifischer 82, 60 (85): „. . . Schaffung der Mindestvoraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein . . . Dieses verfassungsrechtliche Gebot folgt aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsgrundsatz des Art. 20 Abs. 1 GG.“; in jüngerer Zeit etwa 103, 197 (224): „. . . weiter Gestaltungsraum in Fragen der Daseinsvorsorge“.

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4. Teil: Soziales Prinzip in der Republik

sozialem Ausgleich und sozialer Gerechtigkeit639, die zweifelsohne jeweils eine materiale, auch materielle Komponente in sich tragen müssen640; denn um nicht der „Herrschaft des Überlebensdrangs unterworfen“641 zu sein, sondern vielmehr im Geist der Gemeinschaft sittlich, brüderlich und freiheitlich handeln zu können, bedarf der Einzelne, nötigenfalls mit staatlicher Unterstützung, einer ausreichenden existenziell-materialen Ausstattung, damit auch des (existenzsichernden) Eigentums642: „Der Mensch, der sich nicht zu einem Mindestmaß der Möglichkeit sicher weiß, die vitalsten Bedürfnisse an Nahrung, Kleidung und Unterkunft für sich und seine Familie einigermaßen regelmäßig befriedigen zu können, existiert allenfalls als animalisches, nicht jedoch als soziales Wesen.“ (Herbert Krüger)643 „Der Sozialstaat entspringt der nüchternen Erkenntnis, dass ein Mensch, dem es die Gesellschaft nicht möglich macht, seine und seiner Familie Mindestbedürfnisse an Ernährung, Bekleidung und Behausung aus eigener Kraft zu befriedigen, nicht Bürger sein kann: Was sollte ihn mit einem Staat verbinden, ja ihm verpflichten, in dem es ihm nicht einmal möglich ist, Mensch zu sein?“ (Herbert Krüger)644

Sozialstaatliche Pflicht ist die Sicherstellung eines Mindestmaßes an Wohlstand zur Existenzsicherung aller Bürger, wie dies auch die gesetzlich verankerte Sozialhilfe vorsieht645, allemal. Allerdings impliziert der Versuch der in639 I. d. S. auch BVerfGE 5, 85 (198): „soziale Gerechtigkeit“; 22, 180 (204): „Ausgleich der sozialen Gegensätze und damit . . . eine gerechte Sozialordnung“; 93, 121 (163): „Die rechtliche Gleichheit verbunden mit der individuellen Handlungs- und Erwerbsfreiheit und der Garantie des Eigentums entbindet eine weitreichende Dynamik und führt unweigerlich zur Entstehung von materieller Ungleichheit unter den Bürgern. Dies ist gewollt und elementarer Inhalt einer freiheitlichen Rechtsordnung. Insoweit bedarf es aber eines Ausgleichs.“; 100, 271 (284) u. ö. unter Verweis auf 22, 180 (204). 640 Spätestens an dieser, das soziale Prinzip mit materiellen Gütern, mit Besitz verknüpfenden Stelle eröffnet sich ein weiter Bezugsrahmen für Fragen des, auch grundgesetzlich verfassten, Eigentums. Zum Sozialprinzip im Eigentumsgefüge des Grundgesetzes ausführlich im 5. Teil, 1. Kap., II., 2. Kap., III. 641 So die pointierte Formulierung bei H.-M. Hänsch, Gesamtwirtschaftliche Stabilität als Verfassungsprinzip, S. 94, umfassender zum Thema S. 92 ff. 642 In diesem Kontext sei auf W. Leisner, Eigentum als Existenzsicherung?. Das „soziale Eigentum“ in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, 1986, S. 52 ff., hingewiesen, der hier das Eigentum zwar weiter fasst denn als bloßes Mittel zur Existenzsicherung, aber bei dieser Gelegenheit doch deutlich die elementare Bedeutung des Eigentums für die bürgerliche Existenzsicherung erkennen lässt. 643 Allgemeine Staatslehre, S. 389, der diesen Mindeststandard als „primitive Sicherheit“ und „erste Voraussetzung des Menschseins überhaupt“ ansieht. 644 Allgemeine Staatslehre, S. 810 f. Besonders beachtenswert erscheint der Hinweis auf die substantielle Bedeutung der Menschheit des Menschen für dessen mit Rechten und Pflichten versehener Bürgerschaft; hierzu nochmals detaillierter K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 446 ff. (zur Menschheit des Menschen), 207 ff., insb. 208 (zum Menschen und seiner republikanischen Bürgerschaft). 645 Siehe dazu die Ausführungen bei K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 244 f., mit Hinweis auf § 1 Abs. 2 BSHG; § 1 Abs. 1 S. 2; § 9 SGB AT.

3. Kap.: Leitlinien des Sozialprinzips für den Steuerstaat

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haltlichen Grenzziehung gegenüber der materialen Offenheit des Sozialprinzips wohl immer auch einen sozialinterventionistischen Eingriff in die Privatsphäre des Bürgers, möglicherweise gar einen Verstoß gegen das republikanische Grundprinzip der Privatheit646 und das eng verbundene, wenn nicht identische Subsidiaritätsprinzip, das einen Vorrang der privatheitlichen Lebensbewältigung postuliert. Wird dem Bürger nämlich die Existenzsicherung qua Automatismus garantiert und er nicht mehr vorrangig zu einem Bemühen um Selbständigkeit angehalten, tangiert dies seine freiheitliche Bürgerlichkeit, auch seine brüderliche Pflicht zur Sittlichkeit im Sinne eines Bemühens um Eigenständigkeit, und widerspricht dem Sozialprinzip der Republik. Die Frage, ob die Verpflichtung zur Gewährleistung existenzieller Mindestbedürfnisse jedes Bürgers der republikanischen Gemeinschaft nicht bereits durch das Prinzip der Menschheit des Menschen, seine Menschenwürde also, aufgetragen wird, mag zwar eher akademischer Natur sein; ihre – positive – Beantwortung vorausgesetzt, verdeutlicht sie gleichwohl, dass sich das Sozialprinzip in seinem Inhalt von einem bloßen Auftrag zur Existenzsicherung unterscheidet, unterscheiden muss647. Überdies birgt die unhinterfragte Gleichsetzung von sozialem Auftrag und Sicherung des Existenzminimums auch die Gefahr einer dezisionistischen Festlegung, was denn nun das für die Existenzsicherung des Einzelnen notwendige (Mindest-)Maß sei. Auch wenn Nahrung, Kleidung und Unterkunft unstrittig als Grundbedürfnisse des Menschen in seinem Menschsein identifiziert werden können, lässt sich die Frage nach dem erforderlichen Minimum einer freiheitlich-bürgerlichen Existenz nicht ohne Schwierigkeiten beantworten, ist überdies in ihrer Beurteilung an die Buchstaben des (allgemeinen) Gesetzes zu verweisen. Eine Reduktion des Sozialprinzips auf einen (staatlichen) Auftrag zur Sicherung des Existenzminimums jedes republikanischen Bürgers vermag im Ergeb646 Zur Privatheit in der Republik grundlegend K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 201 ff., 220 f., 244; zum Grundsatz der Privatheit der Lebensbewältigung S. 195 ff., 201 ff., 220 f., 244, 370 ff., insb. 386 ff., auch S. 449 ff., 466 f.; zur Auswirkung der grundrechtlich oder gesetzlich garantierten Privatheit, die nicht etwa eine Abschirmwirkung gegenüber staatlichem Handeln (im engeren Sinne) entfaltet, sondern vielmehr bestimmte Handlungsmaximen dem Staat verwehrt und dem Privaten überantwortet, S. 164, 370 ff., 858 ff., auch 211 ff.; zur Privatheit auch ders., Freiheit in der Republik, 8. Kap.; zu diesem Themenfeld bereits im 3. Teil, 2. Kap., 3. Kap. 647 Eine solche Interpretation des Sozialprinzips würde eindeutig zu kurz greifen, da das Sozialprinzip sich um seiner selbst willen nicht auf die Gewährleistungsfunktion des Existenzminimums beschränken kann, die schon aus dem menschlichen Recht auf Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) sowie aus dem Menschenrecht auf Leben und freie Persönlichkeitsentfaltung (Art. 2 GG) folgt; „Hilflosigkeit gegenüber der Allgemeinheit des Sozialprinzips darf nicht dazu führen, dieses Prinzip auf das unabweisbare Minimum der Garantie eines menschenwürdigen Daseins zu reduzieren.“, K. A. Schachtschneider, Das Sozialprinzip, S. 36 f. (Zitat S. 37).

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4. Teil: Soziales Prinzip in der Republik

nis nicht zu überzeugen648. Der Sozialstaat in seiner Prinzipienhaftigkeit hat um der Bürgerlichkeit seiner Bürger willen deren Existenzminima zu gewährleisten – und darf zur Finanzierung entsprechende Steuermittel einfordern –, seine einzige Aufgabe kann die Sicherung der existenziellen Grundbedingungen jedoch nicht sein. II. Auftrag zur Daseinsvorsorge Erachtet man die Reduktion des Sozialprinzips auf die bloße Gewährleistung des Existenzminimums als unzutreffend649 und misst ihm einen staatsbindenden Auftrag zur „Daseinsvorsorge im weitesten Sinn“650 bei, versteht man gar den Interessenausgleich aus einem sozialen Blickwinkel oder die vielfach apostrophierte soziale Gerechtigkeit als inhaltsstiftenden Auftrag des sozialen Prinzips im Grundgesetz, drängt sich die Frage nach dem Maßstab auf, den man quasi als allgemeine Zielgröße allen Ausgleichs- oder Verteilungsmaßnahmen zugrunde legen sollte. Losgelöst von der argumentativ kaum fassbaren Frage, ob die Fixierung eines solchen Zielpunktes sozialer Gleichheit, zumindest eines Zielkorridors für soziale Ausgleichsbemühungen allein in ökonomischen Größenordnungen der Lebenswirklichkeit tatsächlich gerecht werden könnte, ist jedenfalls zu konstatieren, dass soziale Ausgeglichenheit in absoluto ohnehin nicht zu erzielen ist651, sondern lediglich ein Zugewinn, also ein Delta im Sinne eines relativen Plus an Gleichheit angestrebt werden könnte652. Gegen eine „staatliche Daseinsvorsorge“, die als Apriori sämtliche Lebensbereiche des Bürgers – schließlich entspricht das seinem „Dasein“ – erfasst, sind unabhängig vom Versuch einer näheren materialen Definition grundlegende Bedenken anzumelden, korrespondiert doch eine solche Auslegung des sozialstaatlichen Auftrags nicht mit dem Prinzip der Privatheit, speziell der privatheitlichen Lebensbewältigung. Wer in seinem gesamten Dasein „versorgt“, für wessen Dasein gänzlich „Vorsorge“ durch einen vermeintlich brüderlichen, eigentlich herrschaftlichen Staat getroffen wird, der ist seiner Bürgerlichkeit, 648 „Die Verfassung . . . wird verzerrt, wenn das Sozialprinzip auf ein Gebot, den Armen zu helfen, reduziert wird.“, so K. A. Schachtschneider, Das Recht am und das Recht auf Eigentum, S. 761 f.; i. d. S. ders., Res publica res populi, S. 241 ff.; dazu grundlegend ders., Freiheit in der Republik, 8. Kap., V.; vgl. auch H. F. Zacher, Das soziale Staatsziel, in: HStR, Bd. I, § 25, Rn. 27 ff. sowie grundlegend BVerfGE 1, 97 (104 f.). 649 Siehe oben. 650 M. Kittner, in: R. Wassermann (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Reihe Alternativkommentare, Bd. I, 2. Aufl., 1989, Art. 20 Abs. 1–3 Absch. IV, 2. Aufl. 1989, Rn. 38. 651 H. F. Zacher, Das soziale Staatsziel, in: HStR, Bd. I, § 25, Rn. 61 ff., thematisiert eine unerreichbare „Vision einer sozialen Normalität“. 652 Vgl. H. F. Zacher, Das soziale Staatsziel, in: HStR, Bd. I, § 25, Rn. 37.

3. Kap.: Leitlinien des Sozialprinzips für den Steuerstaat

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seiner Privatheit und schlussendlich seiner Freiheit beraubt653. Gerade der Terminus „Vorsorge“ lässt eine gewisse Nähe zu einem seitens des sozialen Staates verfolgten Plan erahnen, mittels dessen der Bürger in seinem Dasein aller Lebensrisiken entledigt werden soll; das aber widerspräche dem republikanischen, darum freiheitlichen Privatheitsprinzip voll und ganz. Ähnlich der Obliegenheit zur Existenzsicherung durch das Sozialprinzip kann ein Mandat zur umfassenden Daseinsvorsorge nur nachrangiger Bestandteil, nötigenfalls Konsequenz, keinesfalls aber substantieller Kern eines republikanischen Sozialprinzips sein, das – trotz oder gerade wegen der Brüderlichkeit – Privatheit und Selbständigkeit als vorrangige Zielkriterien kennt. III. Sozialprinzip versus Sozialismusprinzip – Gefahr eines Verlusts der Bürgerlichkeit Immer wieder wird versucht, dem sozialen Prinzip eine Rechtfertigung des Sozialismus zu entnehmen, ja abzutrotzen. Aber vom Sozialprinzip, das seine lebensweltliche Entsprechung in republikanischer Brüderlichkeit erfährt, unterscheidet sich das Sozialismusprinzip, das die Idee der Brüderlichkeit überzeichnet und letztlich konterkariert. Während nämlich das Sozialprinzip einem formalen Freiheitsbegriff folgt und zur Brüderlichkeit der in ihrer Freiheit gleichen Bürger verpflichtet, leitet das vermeintliche Idealbild von der allgemeinen materialen Gleichheit alle Bestrebungen des Sozialismus654. Dass dies zu einer Verstaatlichung der Lebensbewältigung des Einzelnen führt, die zumindest im Übermaß gegen die Freiheitlichkeit verstößt und in letzter Konsequenz den Hilfe empfangenden Bürger seiner Freiheit beraubt, zum Unfreien macht, dürfte evident sein. Mit dem Verlust der Privatheit, eben auch der Privatheit der Lebensbewältigung, werden in jedem Fall die Unterschiede zwischen den Menschen nivelliert, was jedoch keinesfalls als ein Gewinn an Gleichheit missinterpretiert werden darf. Ein Zuviel an staatlicher Bevormundung vornehmlich sozialistischer Prägung vergeht sich nicht nur gegen das republikanische Prinzip der Privatheit und den eigentlichen Auftrag an den Staat, diese zu fördern, sondern schwächt nachhaltig die Selbständigkeit, damit die Bereitschaft zur Leistung und langfristig den allgemeinen Wohlstand655; vermeintliche Wohltaten des Sozialstaates können 653 So deutlich K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 245 f.; dazu auch ders., Das Sozialprinzip, S. 24 ff. 654 Diese, nicht nur dogmatische, Grundunterscheidung zeigt Auswirkungen auf zahllose nachgelagerte Stellgrößen, auch auf eigentumsrelevante Fragen wie Verteilungsaspekte, Steuersystematik und etliche andere, vgl. dazu, ein Verständnisfundament schaffend, K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 4 ff., 177 ff., 410 ff., 978 ff., 997 ff.; dazu auch ders., Freiheit in der Republik, 7. Kap. 655 Substantiell F. A. v. Hayek, Die Verfassung der Freiheit, S. 323 ff.

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4. Teil: Soziales Prinzip in der Republik

also in letzter Konsequenz sogar das Sozialprinzip und die aus ihm erwachsenen Pflichten der Brüderlichkeit verletzen. Der real praktizierte Sozialismus in seinen heute bekannten Formen lässt sich jedenfalls überhaupt nicht mit den Vorgaben des republikanischen Sozialprinzips in Einklang bringen. IV. (Staatlicher) Auftrag zur Förderung bürgerlicher Selbständigkeit Nicht zuletzt aus dem Begründungskontext, dass die Sittlichkeit des Bürgers entscheidend von dessen Selbständigkeit abhängt, erlegt das Sozialprinzip dem Staat die Aufgabe, ja die Verpflichtung auf, die Selbständigkeit des Bürgers nachhaltig zu befördern656. „Voraussetzung der Sittlichkeit des Bürgers ist dessen (auch und vor allem ökonomische) Selbständigkeit. Diese zu fördern ist durch das Sozialprinzip (moralische) Verpflichtung auch des Staates.“ (Karl Albrecht Schachtschneider)657

Diese Pflicht des brüderlichen Sozialstaates, die Selbständigkeit des Bürgers auch um dessen Freiheit willen herzustellen und zu fördern, korrespondiert mit dem republikanischen Privatheitsprinzip, das um der Freiheit des Bürgers willen dessen Selbständigkeit, insbesondere dessen vorrangig privatheitliche Lebensbewältigung, postuliert658. Offensichtlich entspricht eine Interpretation und Materialisierung des Sozialprinzips, die die Privatheit und Selbständigkeit des Bürgers nicht grundsätzlich behindert – so beispielsweise bei einer übermäßigen Ausweitung sozialstaatlicher Leistungen –, sondern diese akzeptiert und sogar befördert, am ehesten der freiheitsverwirklichenden, trotzdem sozialen Konzeption der Republik. Allerdings stehen dem Sozialstaat zur Umsetzung der Vorgaben des sozialen Prinzips mehrere Wege offen; insbesondere kann die öffentliche Hand – über eine Sicherung des Existenzminimums im Sinne einer bloßen Deckung täglicher Notwendigkeiten wie Nahrung, Wohnung und Kleidung hinausgehend – dem hilfsbedürftigen Bürger (materielle) Grundlagen zur Verfügung stellen, auf denen er eine selbständige Existenz gründen kann659, oder 656 BVerfGE 5, 84 (197 f.); i. d. S. E.-W. Böckenförde, Staat und Gesellschaft im Sozialstaat, S. 421 f., der interessanterweise diesen Begründungsansatz in seinem abweichenden Votum zur Entscheidung über die Vermögensteuer, BVerfGE 91, 121 (150 ff.), weniger vehement verfolgt; i. d. S. außerdem P. Häberle, Die Wesensgehaltsgarantie des Art. 19 Abs. 2 GG, S. 121 f.; ders., Grundrechte im Leistungsstaat, VVDStRL 30 (1972), S. 90; M. Kriele, Freiheit und Gleichheit, in: HVerfR, S. 146; W. Maihofer, Prinzipien der freiheitlichen Demokratie, in: HVerfR, S. 516, 528 f.; R. Herzog, Ziele, Vorbehalte und Grenzen der Staatstätigkeit, in: HStR, Bd. III, § 58, Rn. 27, 75 ff.; bedeutsam H. F. Zacher, Das soziale Staatsziel, in: HStR, Bd. I, § 25, Rn. 48 ff.; J. Isensee, Gemeinwohl und Staatsaufgaben im Verfassungsstaat, in: HStR, Bd. III, § 57, Rn. 170. 657 Res publica res populi, S. 234. 658 Hierzu K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 201 ff., 218 ff., 243 ff., 385 ff. (m.w. N.).

3. Kap.: Leitlinien des Sozialprinzips für den Steuerstaat

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aber Rahmenbedingungen schaffen, die bürgerliche Eigenständigkeit ermöglichen und befördern660. 1. Staatlicher Auftrag zur Bereitstellung (materieller) Grundlagen bürgerlicher Selbständigkeit Die Aufgabe des republikanischen, notwendig sozialen, denn brüderlichen Staates, sich um die wirtschaftlichen Belange des Bürgers zu kümmern und für den Bürger Möglichkeiten zur Selbständigkeit zu schaffen und diese zu fördern, ist hinlänglich bekannt und seit langem akzeptiert. Insbesondere ist der Staat innerhalb dieses Aufgabenspektrums angehalten, dem Bürger materielle Voraussetzungen zu bieten, auf denen dieser seine persönliche Existenz gründen kann und mit deren Hilfe er – nicht zuletzt auch zum Wohl der Allgemeinheit – nach seinen individuellen Maßstäben Wohlstand erreichen kann. Bereits Aristoteles wusste um die Bedeutsamkeit dieser Pflicht des sozialen, die Gemeinschaft befriedenden Staates: „Der wahrhafte Demokrat muss also vielmehr darauf schauen, dass das Volk nicht gar zu arm werde. Denn dies ist die Ursache, wenn eine Demokratie schlecht wird. Man muss es also so einrichten, dass eine dauernde Wohlhabenheit entstehe; denn dies nützt auch den Wohlhabenden. Man soll den Ertrag der Staatseinkünfte sammeln und aufhäufen und ganz den Armen verteilen, und zwar womöglich auf jeden soviel, dass es zum Ankauf eines Grundstückes reicht, oder doch wenigstens als Anfangskapital für ein Geschäft oder einen Bauernbetrieb.“661 659 H.-M. Hänsch, Gesamtwirtschaftliche Stabilität als Verfassungsprinzip, S. 99 ff., spricht vom „mikrosozialen Ansatz“ sozialstaatlicher Unterstützung, bei der der einzelne Bürger – in Ansätzen vergleichbar einer mikroökonomischen Betrachtungsebene – unmittelbare Förderung erfährt, die darauf abzielt, seine Bemühungen um ökonomische, damit auch bürgerliche Eigenständigkeit zu stärken. Dieser Ansatz entspricht dem Sozialstaat herkömmlicher Prägung in unserer Republik, der über das existentielle Maß hinaus, das in aller Regel durch staatliche Sozialhilfe abgedeckt wird, dem Bürger individuelle (Sozial-)Leistungen zukommen lässt; inwieweit diese der Bürger als Fundament eigenständiger Bemühungen im Sinne eines Strebens nach Wohlstand in realiter einsetzen kann und will, sei hier dahingestellt. 660 Als Gegensatz zum mikrosozialen Ansatz positioniert H.-M. Hänsch, ebenda, S. 104 ff., den makroökonomischen Ansatz, der die Schaffung von Rahmenbedingungen, unter denen Eigenständigkeit der Bürger wachsen und gedeihen kann, in den Mittelpunkt sozialstaatlichen Handelns stellt. 661 Aristoteles, Politik, S. 210, 1320 a 31 ff.; analog Reclam-Ausgabe, S. 310, 1320 a 30 ff.: „Es muß vielmehr ein echter Demokrat darauf sehen, daß die Volksmenge nicht zu sehr unbemittelt ist. Denn das ist die Ursache dafür, daß die Demokratie verkommt. Man muß also die ganze Kunst daransetzen, daß es zu einer langwährenden Wohlhabenheit kommt. Weil dies aber auch den Wohlhabenden zugute kommt, muß man das, was sich aus den Staatseinkünften ergibt, sammeln und zusammengenommen unter die Mittellosen verteilen, und zwar besonders, wenn man soviel zusammenbringen kann, wie für das Erwerben eines bescheidenen Landgutes auslangt, ist das nicht möglich, so doch für den Beginn eines Handelsgeschäftes oder einer Landwirtschaft; . . .“ Die Textvarianten lassen erkennen, dass eine Auslegung des aristotelischen

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In ihrer Grundidee der Brüderlichkeit ist die Republik gehalten, den Bürger in seiner Selbständigkeit zu unterstützen und ihn in seinem Streben nach eigenverantwortlicher Lebensführung zu unterstützen. Der soziale Staat, der notwendigerweise immer auch Steuerstaat ist, hat Steuereinnahmen wie auch andere staatliche Einnahmen dergestalt zu verteilen, dass für bedürftige Bürger nicht nur wichtige Grundlagen ihrer (künftigen) Selbständigkeit bereitgestellt werden können, sondern der Bürger in seinen Möglichkeiten gefördert wird, diese eigenverantwortlich zu nutzen und auszubauen. a) Unmittelbare Förderung bürgerlicher Selbständigkeit in praxi Direkte mikrosoziale, also an den einzelnen Bürger gerichtete Unterstützung, die sich nicht in bloßer Existenzsicherung erschöpft, vermag in vielen Fällen die wirtschaftlichen Voraussetzungen zu schaffen, um die Möglichkeiten der Eigenständigkeit – auch wirtschaftlicher Eigenständigkeit – substantiell zu verbessern. So erweist sich beispielsweise die finanzielle Unterstützung von Studierenden nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BaföG) als eine wirksame Form mikrosozialer Förderung662. Auch das derzeitige System der Krankenversicherung zielt in diese Richtung, soll doch die von der Solidargemeinschaft finanzierte Krankenversorgung den Patienten in einen Gesundheitszustand versetzen, der es ihm erlaubt, nach der Genesung seine Berufstätigkeit wieder aufzunehmen und so seine Eigenständigkeit zu sichern. Als typische Beispiele mikrosozialer Hilfe durch die öffentliche Hand, seien es im Detail nun Bund, Länder oder Gemeinden, präsentieren sich die zahlreichen Förderprogramme zur Existenzgründung, die materiale Unterstützung zur Begründung bürgerlicher Selbständigkeit nicht nur in finanzieller Form bieten. Eine solche Tendenz zum „aktivierenden“, Eigenverantwortung fordernden und fördernden Sozialstaat signalisiert beispielsweise auch das Instrument der so genannten Ich-AG, mit der Existenzgründungen einzelner, im Regelfall bis dato arbeitsloser Bürger subventioniert werden, wobei nur zeitlich begrenzte und degressiv ausgestaltete Zuschüsse vorgesehen sind und auch nur ein Teil der sozialen Sicherungskosten für den künftig Selbständigen abgedeckt werden. Postulats einer weitreichenden Verteilung der Staatseinkünfte als Aufruf zur umfassenden Umverteilung völlig fehlliefe; vielmehr stellt Aristoteles eindeutig die Schaffung von Fundamenten einer eigenständigen Lebensbewältigung in den Mittelpunkt seiner Thesen. Auch das Postulat, die Staatseinkünfte „ganz“ den Armen zu verteilen, relativiert sich vor dem Hintergrund von staatlichen Einnahmen – vornehmlich Steuereinnahmen – zum damaligen Zeitpunkt, die einen verschwindenden Bruchteil heutiger Staatseinnahmen ausgemacht haben. Im Übrigen klingt bereits bei Aristoteles die zentrale Rolle der – auch materiell fundierten – Selbständigkeit und des für diese Selbständigkeit benötigten Kapitals, Vermögens, Einkommens an. 662 Natürlich nur unter der Prämisse, dass Studierende diese Maßnahme tatsächlich wahrnehmen und ihre Studien konsequent ableisten.

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Mit diesem Regularium wird Mitnahmeeffekten entgegengewirkt, gewinnorientiertes Arbeiten wird forciert und Chancen und Risiken des selbständigen Arbeitens werden auf den tatsächlichen Nutznießer verlagert. Eine solche Fördervariante ist eine typische mikrosoziale Unterstützung, die weniger die kurzfristige Sicherung des Überlebens eines Bürgers als die langfristiger angelegte Begründung einer eigenständigen Existenz zum Ziel hat. b) Bewertung unmittelbarer Förderung bürgerlicher Selbständigkeit Auf den ersten Blick scheint eine auf Langfristigkeit angelegte mikrosoziale Unterstützung, die über die eher kurzfristig ausgerichtete staatliche Versorgung existenzieller Notwendigkeiten hinausgeht, den Erfordernissen republikanischer Sozialität zu entsprechen, soll doch der Bürger schrittweise zu einer eigenen Existenz, damit zu Unabhängigkeit und Selbständigkeit geführt werden, die schlussendlich in eigenständigem, selbstverantwortlichem Leben münden soll; in jedem Fall zielen solche Maßnahmen darauf ab, dem Bürger Möglichkeiten zu eröffnen, sein privates Glück zu suchen und Wohlstand über das Existenzminimum hinaus zu erwerben. Grundsatz und Vorrang der privatheitlichen Lebensbewältigung, die sich aus dem objektiven Gehalt der Grundrechte, allen voran der Eigentums-, Berufs- und Vereinigungsfreiheit, erschließen663, verlagern allerdings den Ansatz der mikrosozialen Unterstützung sozial Schwächerer zumindest in die Nachrangigkeit. Als mit diesem Grundsatz identisch, zumindest ähnlich wird übrigens regelmäßig der Grundsatz der Subsidiarität verortet, der z. B. im Sozialrecht eine grundsätzliche Nachrangigkeit gesetzlicher Sozialhilfe verankert664. Republikanische Privatheitlichkeit lässt sich von der moralischen Pflicht des Einzelnen zur Sittlichkeit im Sinne von Selbstverantwortung nicht trennen; diese sittliche Pflicht impliziert immer auch das stetige, eigene Streben nach Selbständigkeit. Verfolgt man diesen Gedanken aber konsequent zu Ende und versucht die Bedeutung des Postulats der Selbständigkeit in aller Tiefe auszuloten, wird deutlich, muss deutlich werden, dass Selbständigkeit konsequenterweise zunächst nur als Selbständigkeit in und durch Selbstverantwortung, als eigenes Handeln in eigener Verantwortlichkeit in allen Situationen, also als eigens begründete Selbständigkeit665 gedacht werden kann und muss. Tatsächlich 663 Siehe K. A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 189 f., 272 f., 317; ders., Res publica res populi, S. 211 ff. (insb. S. 220 f. m.w. N. in Fn. 76); ebenso ders., Freiheit in der Republik, 8. Kap., III., IV.; grundlegend J. Isensee, Subsidiaritätsprinzip und Verfassungsrecht, S. 215 f., 313 ff.; auch ders., Gemeinwohl und Staatsaufgaben im Verfassungsstaat, in: HStR, Bd. III, § 57, Rn. 165 ff.; i. d. S. H. H. Rupp, Die Unterscheidung von Staat und Gesellschaft, in: HStR, Bd. I, § 28, Rn. 51 ff. 664 Vgl. § 2 Abs. 1 BSHG. 665 Zum Begriff der eigens begründeten Selbständigkeit [im Original kursiv] vgl. H.-M. Hänsch, Gesamtwirtschaftliche Stabilität als Verfassungsprinzip, S. 99; vgl.

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und in letzter Konsequenz handelt eben nur der eigenverantwortlich, der auch seine Eigenständigkeit selbst erschaffen hat, und zwar aus ureigenem Impetus, nicht aufgrund externer Anreizmechanismen. Dementsprechend ist eine Form von Selbständigkeit, die in Selbstverantwortung gelebt wird, aber auf (materialer) Unterstützung durch das Gemeinwesen gründet – was unbestritten in der Lebenswirklichkeit einer modernen Republik um des Friedens und der allgemeinen Freiheit oftmals erforderlich und einem lediglich das menschenwürdige Dasein sichernden Staat allemal vorzuziehen ist –, stets nachrangig zu beurteilen666. Überdies reduzieren sich in der Praxis Potential und tatsächliche Wirksamkeit mikrosozialer Unterstützungsmaßnahmen, die mit staatlichem Beistand bürgerliche Eigenständigkeit entstehen lassen und vorantreiben wollen. Dabei präsentieren sich verschiedene Faktoren, die sich von mangelnder Geeignetheit solcher Instrumente gerade bei unterstützungsbedürftigen Bürgern, sei das nun aus persönlichen oder fachlichen Gründen, bis hin zu fehlenden motivationalen Mechanismen zur tatsächlichen Nutzung dieser Angebote erstrecken können, als limitierend, wenn nicht kontraproduktiv. Stattdessen erweisen sich viele Leistungen, die aus einem mikrosozial geprägten Unterstützungsszenario herrühren – also konventionell verstandene Sozialpolitik – als (praktisch) geeignet, dem Bürger Beruhigung durch ein Sicherheitsversprechen für etwaige Extremsituationen in seinem Leben zu vermitteln und damit die Gemeinschaft vor einem möglichen, durch den drohenden Verlust der Eigenständigkeit oder gar der Existenz ausgelösten, unsittlichen Handeln in all seinen Konsequenzen zu bewahren. In dieser Palette an Unterstützungsangeboten spiegelt sich die Verpflichtung des republikanischen Staates zur Existenzsicherung seiner Bürger wider – zu eigener Selbständigkeit motivieren solche Schutzmechanismen allerdings nicht667. Angesichts solcher Maßnahmen mikrosozialer Unterstützung, deren Förderungwirkung eigens begründete Selbständigkeit realisieren oder zumindest eine Basis für eine künftig eigenständig weitergeführte Existenz aufbauen kann, leisten direkte Zuwendungen an den einzelnen Sozialstaatsbürger zumindest dahin-

dazu H. F. Zacher, Das soziale Staatsziel, in: HStR, Bd. I, § 25, Rn. 28 ff.; H. Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 813 ff.; K. A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 145 ff.; ders., Frei – sozial – fortschrittlich, in: Symposium zu Ehren von Werner Thieme, S. 16 ff.; ders., Das Recht am und das Recht auf Eigentum, in: FS W. Leisner, S. 768, 772; dazu auch ders., Recht auf Arbeit – Pflicht zur Arbeit, in: GS J. G. Helm, S. 844 ff.; D. Merten, Sozialrecht, Sozialpolitik, in: HVerfR, S. 779 ff., 790 f., 797 ff. 666 Sinngemäß bereits I. Kant, Metaphysik der Sitten, S. 433; ders., Über den Gemeinspruch, S. 151; zum Thema M. Kläver, Die Verfassung des Marktes, S. 165 ff. 667 So die Quintessenz bei H.-M. Hänsch, Gesamtwirtschaftliche Stabilität als Verfassungsprinzip, S. 100 ff. (m. zahlr. Hinw.).

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gehend einen Beitrag zur allgemeinen Selbständigkeit, als im Interesse, gleichwohl unter material-finanziellen Aspekten auch zu Lasten der Gemeinschaft der Einzelne soweit abgesichert wird, dass seine wirtschaftliche Situation ihn nicht zu unsittlichem, gemeinschafts- und freiheitswidrigem Handeln drängt. Ob das damit geschaffene Bewusstsein, dass nicht nur existenzielle Bedrohungen, sondern auch andere Lebensrisiken, die unstrittig zu spürbaren materiellen Einschnitten führen können, durch den sozialen Staat kompensiert werden, ausreichend Motivation zu eigens begründeter und gelebter Selbständigkeit hervorrufen kann, sei an dieser Stelle dahingestellt. Im Ergebnis bleibt festzuhalten, dass staatliche gewährte Sicherheit – insbesondere über das Maß des Existenziellen hinaus – keinesfalls das Prinzip der Selbständigkeit und der damit untrennbar verbundenen Selbstverantwortung unterlaufen darf; solches aber würde beispielsweise für Sozialhilfe gelten, deren Höhe ein Streben nach eigens begründeter Selbständigkeit unattraktiv machte, da sie den aktiv Mühenden materiell schlechter als den untätig Empfangenden stellen und – mit den Worten Kants – „das Armsein zum Erwerbmittel für faule Menschen machen“668 würde. Als – praktisches und auch systemisches – Problem erweist sich die Kombination von unmittelbarer Wirksamkeit (sozial-)staatlicher Leistungen für den individuellen Bürger einerseits und größtmöglicher Gestaltbarkeit staatlicher Unterstützungsmechanismen auf dem Weg zur selbständigen Bürgergemeinschaft andererseits. Völlig losgelöst von der objektiven Problematik, sachgerechte und praktisch vernünftige Lösungswege für die unbestritten äußerst schwierige und komplexe soziale Frage zu finden, darf keinesfalls vernachlässigt werden, dass die Frage sozialer Leistungen, gelegentlich auch „Wohltaten“, über immense realpolitische Relevanz verfügt und dabei nicht nur politischen Zündstoff par excellence birgt, sondern auch immer wieder zum parteipolitisch motivierten Missbrauch verleitet, so dass letzten Endes Parteiinteressen vor das eigentliche Verfassungsziel zu treten drohen669. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund dieser Schwierigkeiten in der praktischen Umsetzung sollte – abgesehen von den dogmatisch fundierbaren Defiziten einer auf direkte Unmittelbarkeit ausgerichteten Förderpolitik670 – die Unterstützung individueller und zugleich allgemeiner Selbständigkeit auf anderen Wegen verfolgt werden als mit mikrosozialer Um-

668 I. Kant, Metaphysik der Sitten, S. 447, obschon an dieser Stelle für eine Finanzierung staatlicher Gewährleistung eines Existenzminimums „durch laufende Beiträge“ anstelle institutionalisierter Versorgung durch staatliche, „fromme Stiftungen“ argumentierend; vgl. dazu M. Kläver, Die Verfassung des Marktes, S. 247 (dort insb. Fn. 1093). 669 Zu den Gefahren des „Parteienstaates“ kritisch K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 166 ff., 772 ff., 1154 ff. u. ö.; kritisch auch ders., Der republikwidrige Parteienstaat, in: FS H. Quaritsch, S. 141 ff. 670 Dazu näher unter IV., 1., b).

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verteilung – in jedem Fall sollte dieser Weg lediglich neben anderen, gegebenenfalls nachrangig beschritten werden671. 2. (Staatliche) Sicherung von Rahmenbedingungen zur Erlangung brüderlicher Selbständigkeit Eigens begründete Selbständigkeit, die ohne jegliche Einwirkung des sozialen Staates entsteht und fortbesteht, verwirklicht bürgerliche Selbständigkeit in ihrer ,republikanischsten Form‘672. Aufgabe des der bürgerlichen Freiheit verpflichteten Staates ist es hierbei, einen (rechtlichen) Rahmen anzulegen und dauerhaft zu gewährleisten, der der Privatheit des Bürgers umfassend Rechnung trägt. In besonderem Maße trifft diese Forderung für Rahmenbedingungen zu, innerhalb denen bürgerliche Selbständigkeit und privatheitliche Lebensbewältigung in ihrer ganzen Materialität Platz finden können. Als unmittelbare Konsequenz der materialen Dimension seiner Selbständigkeit müssen es diese Rahmenparameter dem Bürger erlauben, die (materialen) Grundlagen seiner Eigenständigkeit zu schaffen, innezuhaben und zu nutzen; denn nur unter diesen Prämissen verfügt er tatsächlich über dieses materiale Substrat seiner Bürgerlichkeit. Nicht ohne Grund tritt an dieser Stelle erneut das Eigentum in den Vordergrund, ohne dessen Vorhandensein eine bürgerliche Existenz, der eigenständige Bürger per se, nicht vorstellbar ist673. Die Eigentumsordnung des Grundgesetzes gewährleistet die Begründung von Eigentum als einer wesentlichen Basis bürgerlicher Eigenverantwortlichkeit und dessen dauerhaft gesicherte Verfüg- und Nutzbarkeit, jedenfalls im Grundsatz674. Nachdem der moderne Staat, auch der Sozialstaat, dazu verpflichtet ist, die privatheitliche Eigenständigkeit seiner Bürger – auch um des Gemeinwohls wil671 Zu diesem gesamten Themenkomplex ausführlicher H.-M. Hänsch, Gesamtwirtschaftliche Stabilität als Verfassungsprinzip, S. 99 ff., 104 ff. 672 Es ließe sich trefflich streiten, ob das Wort „republikanisch“ der Steigerung fähig ist. Dass ein Leben in Selbständigkeit, die der Bürger selbst und eigenveranwortlich begründet hat, am ehestem der Privatheit des Bürgers und damit der Idee der Freiheit in der Republik entspricht, dürfte jedoch einleuchten. 673 Zur Bedeutung des Eigentums für die bürgerliche Selbständigkeit K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 234 ff., ders., Das Recht am und das Recht auf Eigentum, in: FS W. Leisner, S. 743 ff., insb. S. 767 ff.; näher ebenso ders., Freiheit in der Republik, 10. Kap.; auch P. Häberle, Grundrechte im Leistungsstaat, VVDStRL 30 (1972), S. 85 ff., 100 ff. (mit Schwerpunkt auf dem Eigentum durch Arbeitsleistung) sowie im 3. Teil, 2. Kap., III., 3. Kap., II. Im Übrigen lässt sich aus der bloßen Existenz von Eigentum noch keine Aussage über die jeweilige Wirtschaftsordnung treffen, in die das Eigentum(-srecht) eingebunden ist; so kennt nicht nur die kapitalistische Marktwirtschaft, sondern auch die sozialistische Planwirtschaft Eigentum – wenn auch in „reduzierter“ Form. 674 Die verschiedenen Facetten der Eigentumsgewährleistung werden im 5. Teil, 1. Kap., II., III, näher erläutert.

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len – zu ermöglichen und zu fördern, lässt sich die Frage aufwerfen, ob Rahmenbedingungen, die Privatheit bei der Lebensbewältigung und bürgerliche Eigenständigkeit nicht einschränken, vielmehr grundsätzlich ermöglichen, dieser Aufgabe in erforderlichem Maße entsprechen oder ob die Förderaufgabe des republikanischen Staates über die bloße Bereitstellung von Randbedingungen, die das Streben der Bürger nach Eigenständigkeit lediglich nicht behindern, hinauszugehen hat. Trotz der Verpflichtung des Bürgers zur Sittlichkeit, damit auch zum Streben nach (wirtschaftlicher) Eigenständigkeit, steht zu fürchten, dass in praxi die moralische Pflichtigkeit mancher Bürger nicht ausreicht und geeignete Gesetze oder andere Anreizmechanismen vonnöten sind, die den Bürger in seinem Streben nach Selbständigkeit, vorzugsweise nach eigens begründeter Selbständigkeit, noch weiter bestärken675. Als eine der zentralen Grundanforderungen an die vorzugebene Rahmenordnung bedingt die Freiheitlichkeit der Republik, vornehmlich das Privatheitsprinzip, ein Minimum an staatlicher Einflussnahme, ja an Möglichkeiten der staatlichen Einflussnahme. Zugleich müssen sich die material-ökonomischen Implikationen bürgerlicher Selbständigkeit in ausreichendem Maße wiederfinden, sprich die zu definierenden Rahmenparameter bedürfen wie auch immer zu gestaltender materieller Kategorien und Regelungsmechanismen, die insbesondere das individuelle und gemeinsame Wirtschaften als Ausdruck der erwähnten Materialität erfassen und in geeigneten Gesetzen regeln; schließlich liefert in der Realität der modernen Republik die zielgerichtete, gewinnorientierte Teilnahme am Wirtschaftsgeschehen nicht nur ein substantiiertes Spiegelbild der Verfolgung individueller Maxime, sondern zielt vornehmlich auf materiale Ziele zur Erreichung individuellen Wohlstandes, mindestens jedoch auf die Schaffung materieller Grundlagen zur Sicherung der eigenen Existenz. Aus diesem Grund obliegt dem sozialen Staat in besonderem Maße die Schaffung wirtschaftsrelevanter Rahmengrößen, kurz einer Wirtschaftsordnung, die bürgerliche Eigenständigkeit in all ihren materiellen Konsequenzen ermöglicht und fördert.

675 Wer seine Handlungen nach dem Sittengesetz bestimmt, handelt der Würde des Menschen gemäß gesetzlich, praktisch vernünftig und freiheitlich, ist ein homo noumenon. Der homo phaenomenon hingegen ist „als Sinnenwesen“, I. Kant, Metaphysik der Sitten, S. 332 f., nicht zur Sittlichkeit fähig, handelt somit wider die allgemeine Freiheit. Um auch diesen Bürger auf das Gemeinwohl zu verpflichten, bedarf es des allgemeinen Gesetzes, das in letzter Konsequenz über staatliche Zwangsbefugnisse verfügt oder anderer, in Gesetzen verankerter „Anreizmechanismen“, die in praxi weniger Zwang auslösen. Damit sind ausdrücklich nicht mikrosoziale Fördermaßnahmen gemeint, seien sie nun pekuniärer Natur oder anderweitiger Art, sondern lediglich gesetzlich verankerte Eckpfeiler, in deren Grenzen der Bürger bestmöglich nach Eigenständigkeit streben kann und will.

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4. Teil: Soziales Prinzip in der Republik

a) Soziale Marktwirtschaft als Wirtschaftsordnung des Grundgesetzes Eine Ordnung der Wirtschaft als soziale Marktwirtschaft mit Grundelementen wie „Markt“ und „Wettbewerb“676, aber auch „Soziale Verantwortung“ entspricht am ehesten den Anforderungen an einen (rechtlichen und faktischen) Rahmen, der bürgerliche Privatheit und Eigenständigkeit bestmöglich zur Geltung bringt. So kann der Bürger, natürlich im Rahmen allgemeiner Gesetze und persönlicher Sittlichkeit, seine individuellen Vorstellungen und Ziele verfolgen, aus denen er seine Handlungsmotivation ableiten kann. Seinem Streben nach Glück und Wohlstand kann er in diesem marktlichen System, freilich im Wettbewerb mit anderen, nachkommen, so dass – schon systemimmanent – seine Bemühungen um die Festigung der eigenen Existenz grundsätzlich sichergestellt sind. Erst dann, wenn ein Bürger an dem marktlichen Wettbewerb nicht mehr teilzunehmen vermag, ist der soziale Staat gehalten, diesem Bürger die Partizipation an Marktgeschehen und Wirtschaft zu ermöglichen, so dass der jeweilige Bürger anschließend, seiner Bürgerpflicht der Sittlichkeit wie auch seiner privatheitlichen Freiheit gemäß, seine Bemühungen um die eigene Existenz, um Glück und Wohlstand wieder aufnehmen kann. Staatliche Intervention ist auch und vorrangig bei einem Versagen der Marktmechanismen angezeigt, da nur in einem funktionierenden Marktsystem die Interessen der Einzelnen den „Marktgesetzen“677 entsprechend, also gesetzlich, damit freiheitlich zum Ausgleich gebracht werden können678. In der Herstellung dieses Zustandes, in dem jeder Bürger ohne nötigende Willkür eines anderen, also frei und selbständig, am Markt agieren, seinem Streben nach Wohlstand nachgehen und die Früchte seiner Arbeit(en) ernten kann, liegt die eigentliche Aufgabe des brüderlichen Staates, des Sozialstaates: „Ziel des Sozialstaates ist es, dem Bürger Schutz vor den Risiken des Marktes zu gewährleisten und ihm die effektive Ausübbarkeit der Freiheit unter den Bedingungen ungleicher gesellschaftlicher Machtverhältnisse zu ermöglichen.“ (Josef Isensee)679 676 Zur Funktion von Markt und Wettbewerb als Garanten individuellen und allgemeinen Wohlstandes grundlegend F. A. v. Hayek, Die Verfassung der Freiheit, passim, insb. S. 323 ff.; ebenso substantiell A. Smith, Der Wohlstand der Nationen, passim; für das weitere Verständnis K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 245 f., 394 f., 396 ff. 677 Damit sind nicht die Gesetzmäßigkeiten des Marktes gemeint, sondern gesetzliche Regelungen des Marktes und seiner Mechanismen. 678 Vgl. K. A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 369 ff., 388 ff., 393 ff.; ders., Res publica res populi, S. 396 ff.; auch ders., Freiheit in der Republik, 8. Kap., VI.; ausführlicher M. Kläver, Die Verfassung des Marktes, S. 127 ff. (m.w. N.). 679 Das Grundrecht als Abwehrrecht und als staatliche Schutzpflicht, in: HStR, Bd. V, § 111, Rn. 132.

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Die soziale Marktwirtschaft als freiheitliche, zugleich gleichheitliche und brüderliche, also soziale Wirtschaftsordnung des republikanischen Gemeinwesens verwirklicht das gute Leben aller in gemeinsamer Freiheit als eigentliches Ziel des Staates bestmöglich. Insbesondere gelingt das, weil diese Ordnungsform die freiheitliche Privatheit des Bürgers, seine Selbständigkeit gleichermaßen als Recht und Pflicht so weit als irgend möglich akzeptiert, fordert und fördert und auf diese Weise individuelle und allgemeine Wohlfahrt eint und weiterentwickelt. Ein Eingreifen des Sozialstaates ist erst dann erforderlich, wenn Verzerrungen der allgemeinen, auch marktlichen Rahmenbedingungen oder die persönliche Lage dem Bürger die eigenverantwortliche Teilnahme am Markt verwehren, und ihm daher ein seiner freiheitlichen Bürgerlichkeit entsprechendes Streben nach selbständiger Existenzsicherung und Wohlstand schlichtweg nicht möglich ist. Im Grundsatz hat der Staat lediglich einen Ordnungsrahmen, auch eine Ordnung der Wirtschaft, vorzugeben und zu gewährleisten, in dem die Bürger ihr Leben privatheitlich bewältigen können; abgesehen von den Fällen, in denen der Staat die Funktionsfähigkeit der erforderlichen Rahmenbedingungen (wieder-)herstellt oder den Bürger in die Lage versetzt, am Markt eigenverantwortlich zu agieren und so seine Existenz zu begründen und zu sichern, ist (sozial-)staatliche Intervention im Grundsatz nicht vonnöten, ja im Sinne der bürgerlichen Freiheit nicht gewollt: „Staatliche Lebensbewältigung muss die Selbständigkeit der Bürger wahren und fördern; denn diese Selbständigkeit ist Grundlage der Gleichheit in der Freiheit. Ohne Selbständigkeit geht die bürgerliche Autonomie des Willens verloren. . . . Die Wirtschaft des grundgesetzlichen Gemeinwesens gibt die ökonomischen Voraussetzungen.“ (Karl Albrecht Schachtschneider)680

b) Eigentum als wesentliches Element makrosozialer Rahmenbedingungen zur privatheitlichen Lebensbewältigung Eigentum ermöglicht dem Bürger Eigenständigkeit, da dieser auf Eigentum eine Existenz begründen, das Eigentum und dessen Früchte zur Existenzsicherung einsetzen und durch Eigentum seinen Wohlstand mehren kann, – kurz, die grundsätzlich freie Verfügungsmöglichkeit über sein Eigentum mit allen Konsequenzen erlaubt dem Bürger eine privatheitliche Bewältigung seines Lebens. In Anlehnung an ein weiter gefasstes Eigentumsverständnis beinhaltet Eigentum, das Eigentumsrecht wie auch der -gegenstand, eine Vielzahl von Möglichkeiten – Möglichkeiten zur privatheitlichen Lebensführung681. Vor diesem Hintergrund 680 Res publica res populi, S. 203 und 240; grundlegend dazu ders., Freiheit in der Republik, 8. Kap., IV., V., auch VI. 681 „Das Eigene sind die Möglichkeiten [Hervorh. d. Verf.] des Menschen zu leben und zu handeln. . . . Es ist Eigentum, wenn und insoweit es als Recht durch den Staat geschützt wird.“, K. A. Schachtschneider, Das Recht am und das Recht auf Eigentum,

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4. Teil: Soziales Prinzip in der Republik

gebietet das soziale Prinzip der brüderlichen Republik dem Staat, die geeigneten Randbedingungen zu gewährleisten, unter denen solches Eigentum, das zur privatheitlichen Lebensführung verwendet wird, entstehen, wachsen und gedeihen kann. Zugleich stellt Eigentum – vornehmlich in seiner Privatnützigkeit, also im Recht des Eigentümers, nach eigener Initiative und nach eigenem Interesse Nutzen zu ziehen, wirtschaftlich zu handeln und Vorsorge zu treffen, also selbständig und eigenverantwortlich mit seinem Eigentum zu verfahren – einen der elementaren Funktionsbausteine unserer dezentralen und marktwirtschaftlichen Wirtschaftsordnung dar682. Allein um der Funktionsfähigkeit und Funktion des Wirtschaftssystems willen, das – wie gezeigt – die Möglichkeiten zu bürgerlicher Selbstverantwortlichkeit eröffnen und verbessern kann, muss in die Wirtschaftsordnung eine Eigentumsordnung eingebettet werden, die eben dies sicherstellt, die es dem Bürger also erlaubt, Eigentum zur Sicherung seiner Selbständigkeit zu erwerben, zu behalten und idealiter Ertrag bringend zu nutzen; schließlich trägt nicht nur diese Eigentumsnutzung im Regelfall zur Sicherung seiner Eigenverantwortung bei und fördert auf diesem Weg das allgemeine Wohl – bereits die Möglichkeit, Eigentum begründen und zum eigenen Nutzen einsetzen zu können, wird sich in einem freien, marktlichen System als Stimulans für den Einzelnen erweisen, die Bemühungen um die Sicherung der eigenen Existenz nicht etwa einzustellen, sondern in seinem Bestreben – eben in der Aussicht auf Eigentum – fortzufahren. c) „Arbeit“ als sittliches Handeln für eigens begründete Selbständigkeit Soweit er nicht auf entsprechendes Vermögen zurückgreifen kann, ist der Bürger auf Arbeit angewiesen, um mit deren Ergebnissen, deren Ertrag, dem Arbeitseinkommen, sein bürgerliches Leben zu bewältigen und seinen Lebensunterhalt zu verdienen; ist er vorübergehend oder dauerhaft hierzu nicht in der Lage, greift der Staat infolge seiner sozialstaatlichen Verpflichtung zur Brüderlichkeit ein und versucht, geeignete Unterstützung zu ökonomischer Selbständigkeit zu leisten oder schlimmstenfalls zumindest die Existenz des Bedürftigen zu sichern683. Da Arbeit als Grundlage bürgerlichen Lebens „Ausdruck menschlicher Selbsterhaltung und Selbstentfaltung“684 ist und der brüderliche Staat S. 744 u. ö. (jew. m.w. N.); substantiell auch ders., Freiheit in der Republik, 10. Kap., ergänzend 8. Kap., III., VI.; weiterführend im Folgenden. 682 P. Badura, Eigentum, in: HVerfR, S. 654. 683 Angesichts des Privatheitsprinzips, auch des Prinzips der privatheitlichen Lebensführung, sollte eine solche Existenzsicherung durch den Staat idealiter stets nachrangig erfolgen, d.h. nur dann, wenn der notleidende Bürger nicht in der Lage ist, seine Existenz eigenständig mittels Arbeit zu bestreiten und auch durch staatliche Maßnahmen nicht in diese Lage versetzt werden kann. Hierzu bereits 1., b), auch 3. Teil, 2. Kap., III., V., 3. Kap., I.

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dem Bürger grundsätzlich die Chance eines eigenständigen Lebens in Bürgerlichkeit schuldet, sollte jegliches sozialstaatliche Bestreben über die Gewährleistung des Existenzminimums hinausgehen und darauf abzielen, Möglichkeiten wie Fähigkeiten zur Arbeit als Grundlage bürgerlicher, auch materieller Eigenständigkeit (wieder-)herzustellen. Nachdem der Bürger mit Arbeit und deren Ergebnissen die Grundlagen seiner Existenz, wenigstens in einer ökonomischen Dimension, erwirtschaften und so seine Eigenständigkeit begründen wie sicherstellen kann685, muss die primäre Verantwortung des Staates – eigentlich des Sozialstaates – auf die Schaffung einer Rahmenordnung abzielen, die den bestmöglichen Erfolg eines jeden am Markt Agierenden gewährleistet; das muss für den in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis Arbeitenden und für den wie auch immer selbständig Arbeitenden gleichermaßen gelten686. Makrosoziale Unterstützung durch den Staat muss sich hier in rechtlichen Rahmenbedingungen niederschlagen, die einerseits die individuelle – in manchen Fällen durch persönliche, also mikrosoziale Förderung hergestellte oder verbesserte – Marktfähigkeit eines jeden Einzelnen so gut wie möglich gewährleisten und zur Geltung bringen, andererseits ein geregeltes, verlässliches und stabiles687 Marktgeschehen ermöglichen und sicherstellen. „Ohne wirtschaftliche Stabilität gibt es keine Chance für die Sozialität der Gemeinschaft.“ (W. Hankel/W. Nölling/K. A. Schachtschneider/J. Starbatty)688

In besonderem Maße bedarf es einer gesetzlich verankerten Rahmenordnung, die sicherstellt, dass der Arbeitende grundsätzlich über die Früchte seiner Arbeit, welcher Form auch immer sie sei, frei verfügen kann; denn nur unter der Prämisse, Arbeitsergebnisse – damit auch Eigentum – de iure und de facto zur privatheitlichen Lebensführung eigenverantwortlich einsetzen zu können, sieht sich der Bürger, wenigstens in praxi, angehalten und motiviert, nach eigens begründeter Selbständigkeit zu streben. Flankierend kann der soziale Staat eingrei684 H. P. Schneider, Art. 12 GG – Freiheit des Berufs und Grundrecht der Arbeit, VVDStRL 43 (1985), S. 15, mit einem kurzen Überblick zu staatsphilosophischen Grundlagen der „Arbeit“; hierzu auch P. Häberle, Aspekte einer Verfassungslehre der Arbeit, AöR 109 (1984), S. 630 ff.; ders., Arbeit als Verfassungsproblem, JZ 1984, S. 345 ff. 685 Zur Bedeutung von eigener Arbeit und deren Früchten für die Selbständigkeit des Bürgers grundlegend z. B. P. Häberle, Grundrechte im Leistungsstaat, VVDStRL 30 (1972), S. 85 ff., 100 ff. 686 Die Unterscheidung von Arbeitnehmern und Selbständigen gestaltet sich ohnehin immer schwieriger; man denke nur an Phämomene wie ,Scheinselbständigkeit‘ oder ,freie Mitarbeit‘. 687 Den Aspekt der Stabilität des Marktgeschehens als wesentliches (Ziel-)Kriterium makrosozialer Förderbemühungen arbeitet z. B. H.-M. Hänsch, Gesamtwirtschaftliche Stabilität als Verfassungsprinzip, S. 104 ff., 130 ff., 132 ff., ansonsten passim, konsistent heraus. 688 Die Euro-Klage, S. 202.

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4. Teil: Soziales Prinzip in der Republik

fen, indem er die vorherrschenden Rahmenbedingungen so modifiziert, dass die jeweiligen Rahmenparameter – dazu zählt auch jede Form der Besteuerung – die Aufnahme und Ausübung einer Arbeit für eigenverantwortliches Leben nicht nur nicht behindern, sondern diese Bestrebungen eines Bürgers nachdrücklich unterstützen. 3. Vorrang der sozialstaatlichen Schaffung von Rahmenbedingungen zur Erlangung bürgerlicher Selbständigkeit Nicht unmittelbar auf das Leben und die Mündigkeit des republikanischen Bürgers einwirken zu müssen, wie das der makrosoziale Ansatz eben vorsieht, entspricht am ehesten dem Prinzip der privatheitlichen Lebensbewältigung, bleibt doch auch der für den Bürger günstige Eingriff in sein Privatleben allemal noch ein Eingriff in seine Privatheit689. Daher ist einem makrosozial ausgerichteten Modell, mit dem der Staat den Boden für erfolgreiches Handeln des Einzelnen im eigenverantwortlichen Bemühen um seine Existenz bereitet, stets der Vorzug zu geben. Dass hierbei auch materialen Erforderlichkeiten Rechnung getragen werden muss, sprich: insbesondere die Wirtschaftsordnung die Möglichkeiten zu Erwirtschaftung, Innehabung und Nutzung von materiellen Grundlagen der Existenzsicherung schaffen und sichern muss, versteht sich. Ebenso einsichtig dürfte es sein, dass getreu dem marktlichen System der freie Wettbewerb als Konsequenz der Privatheit, freilich im Rahmen der Gesetze, zugelassen und funktionsfähig gehalten wird und folglich die Früchte der individuellen Bemühungen nicht nur verdient werden, sondern auch unterschiedlich verteilt sein können; denn es entspricht dem freiheitlichen, nichtsdestotrotz sozialen Modell des Marktes, dass der intensiver nach sicherer Existenz und Wohlstand strebende, der ,mehrleistende‘ Bürger ein Mehr an Ergebnissen seines Strebens ernten darf. Gelingt es überdies, als flankierende Maßnahme die Inanspruchnahme staatlich begründeter Selbständigkeit zwar zuzugestehen, aber die eigens begründete Selbständigkeit noch attraktiver zu gestalten, nähert sich diese Form der (sozial-)staatlichen Mitwirkung dem republikanischen Optimum, wird doch der einzelne Bürger zu „selbstverantwortlichem und selbstverantwortetem“ Le689 Grundsätzlich K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 222 ff.; hierzu, wenn auch nicht expressis verbis auf die Privatheit des Bürgers bezogen, sondern auf dessen inneren Bereich privater Lebensgestaltung abstellend BVerfGE 6, 32 (41); 6, 389 (433 ff.); 27, 1 (6 ff.); 27, 344 (350 ff.); 32, 373 (379); 34, 238 (245 f.); 35, 202 (220 f.); 51, 97 (107); 54, 148 (153); 60, 123 (134 f.); 65, 1 (41); 67, 213 (228); 71, 183 (201); 72, 153 (170); für einen Überblick auch R. Scholz, Das Grundrecht der freien Entfaltung der Persönlichkeit in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, AöR 100 (1975), S. 80 ff., 265 ff.; wesentlich zum Thema G. Rüpke, Der verfassungsrechtliche Schutz der Privatheit. Zugleich ein Versuch pragmatischen Grundrechtsverständnisses, 1976, passim, insb. S. 20 ff., auch S. 30 f.; ähnlich in der Sache, allerdings den vielfach bemühten Begriff der „Privatsphäre“ ablehnend z. B. H. H. Rupp, Die Unterscheidung von Staat und Gesellschaft, in: HStR, Bd. I, § 28, Rn. 19.

3. Kap.: Leitlinien des Sozialprinzips für den Steuerstaat

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ben motiviert, also seine bürgerliche Privatheit und Freiheit bestmöglich verwirklicht690. Im Versuch einer Bewertung der praktischen Einsetzbarkeit makrosozial orientierter Unterstützungsformen des sozialen Staates für seine Bürger drängen sich die Betrachtungsobjekte auf, die auch zur Beurteilung mikrosozialer Fördervarianten herangezogen worden sind. So steht zu vermuten, dass Selbständigkeit postulierende Rahmenbedingungen bei all denen, die objektiv einer eigenständigen Existenzsicherung nicht fähig sind, ebenfalls nicht verfangen, ja erst recht nicht verfangen691. Allerdings hat für derartig Bedürftige der Sozialstaat ohnehin einzustehen, um ihre Existenz zu sichern, so dass im direkten Vergleich von unmittelbarer staatlicher Hilfe, auch auf dem Weg zur Selbständigkeit, und einer auf Rahmenparameter abzielenden Förderung des Staates letzterer der Vorzug zu geben ist – wenigstens für die objektiv zur Eigenständigkeit fähigen Bürger kann die praktische Geeignetheit, ja sogar eine vorrangige Eignung des makrosozialen Ansatzes nur bejaht werden. Ähnlich der sozialstaatlichen Individualunterstützung folgt auch makrosoziale Gestaltung geeigneten allgemeinen Gesetzen, der Gesetzgebung, die Staat und einzelnen Wirtschaftsakteuren gleichermaßen Handlungsanweisungen gibt und Handlungsmöglichkeiten vermittelt. Im Gegensatz zur mikrosozialen Förderung knüpft sie allerdings nicht an der Situation des Individuums an, so dass zunächst kein Maß sozialstaatlich gewollter Selbständigkeit festgelegt werden muss, sozialstaatlicher Dezisionismus also zurückgedrängt werden kann. Die dem Sozialprinzip immanente Offenheit belässt mikro- wie makrosozialer Einwirkung des Staates in das Sozialgeschehen praktische Gestaltungsspielräume; gleichwohl reduziert sich bei makrosozial motiviertem Eingreifen des Staates die unmittelbare Auswirkung auf den einzelnen Bürger, so dass der grundsätzlichen Offenheit des Sozialprinzips mit allen Konsequenzen in der praktischen Umsetzung wesentlich einfacher Rechnung getragen werden kann. Generell korrespondiert makrosoziale Einflussnahme als abstrakter gehaltene Gestaltungsvariante zweifelsohne stärker mit einer auf hohem Abstraktionsniveau angesiedelten Wirtschaftsverfassung als die eindeutig konkretere mikrosoziale Förderung. Die Schaffung und staatliche Gewährleistung von gesetzlichen, darum im Grunde freiheitlichen Rahmenbedingungen zur Herstellung und Förderung eigenverantwortlicher Existenzmöglichkeiten ist geringstmöglicher Eingriff in die Privatheit des Bürgers, schafft zugleich größtmögliche Spielräume für unterschiedlichste Betätigungen der Bürger in ihrem Streben nach einer gesicherten 690 So prägnant H.-M. Hänsch, Gesamtwirtschaftliche Stabilität als Verfassungsprinzip, S. 104 ff. (Zitat S. 105). 691 Siehe im Vergleich hierzu die Bewertung mikrosozialer Unterstützungsvarianten oben.

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4. Teil: Soziales Prinzip in der Republik

Existenz. Insbesondere für einige praxisrelevante Details ziehen diese geschaffenen Freiräume interessante Implikationen nach, bedarf doch beispielsweise der material offene Begriff der selbständigen Existenz a priori keiner wie auch immer gearteten Festlegung seitens des Sozialstaats; denn innerhalb der Handlungsspielräume des Marktes kann jeder Bürger für sich selbst Eigenständigkeit material definieren und diese Zielvorgabe umzusetzen suchen692. Im Gegensatz zu den verschiedenen Möglichkeiten mikrosozialer Förderung lässt Sozialstaatlichkeit auf makrosozialer Ebene deutlich weniger Mitnahmeeffekte, vor allem im Sinne einer missbräuchlichen Erschleichung, sozialstaatlicher Leistungen erwarten, da in diesem, auf das Prinzip der Selbständigkeit abstellenden System staatliche Eingriffe zunächst nur auf die Veränderung oder auch Fixierung von Rahmenparametern abzielen, ehe eine individuelle Förderung des Einzelnen auch nur in Betracht gezogen wird. Sollten staatliche Unterstützungsmaßnahmen mit dem Ziel, bürgerliche Selbständigkeit auf dem Weg zur eigenen Existenz zu fördern, tatsächlich Raum für Mitnahmeeffekte lassen, wiegen solche missbräuchlichen Verwendungen allemal weniger schwer als fälschlicher Erhalt mikrosozialer Fördermittel, da in Falle makrosozial motivierter Zuwendungen wenigstens im Anschluss eine eigenständige Existenz entsteht sowie potentiell auch Dritte von verbesserten Rahmengrößen profitieren können. Nicht zuletzt aus diesem Mechanismus heraus birgt das makrosozial fundierte Förderinstrumentarium signifikant geringeres Potential zu parteipolitischem Missbrauch, lassen sich doch bewusst gesteuerte Zuweisungen unterschiedlicher „sozialer Wohltaten“ an bestimmte Gruppen in praxi wesentlich schwieriger realisieren. Besonders schwierig gestalten sich gewollte „Umleitungen“ budgetierter Unterstützungsmittel an ausgewählte Wählergruppen, politisch motivierte Vorteilsgaben an Lobbyisten und deren Klientel oder ähnliche Fehlleitungen in einer staatlich gesicherten Rahmenordnung, deren erklärtes Ziel eine bestmögliche, damit eher passive Unterstützung eigens begründeter Selbständigkeit der Bürger ist – plakativ formuliert, gibt es in diesem Fall „nicht mehr viel zu verteilen“, mit dem Wählerstimmen zu gewinnen wären. Die grundsätzliche Funktionshaftigkeit der sozialen Marktwirtschaft – oder marktlichen Sozialwirtschaft – und ihre Eignung als effizientes Instrument zur Verwirklichung individueller und gesellschaftlicher Wohlfahrt, nötigenfalls in ihren Rahmenparamtern adjustiert und gesichert, hat sich in praxi bewiesen693. 692 Lediglich im Kontext einiger, auf die Sicherung und Förderung der eigenständigen Existenz abzielenden Randbedingungen gilt es für den Staat, mithin den Gesetzgeber als Ausdruck des gemeinsamen Willens der Bürgerschaft, den materialen Maßstab bürgerlicher Existenzialität festzulegen, so z. B. bei der Steuerfreistellung des Existenzminimums. 693 I. d. S. für die Republik K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 246, 396 ff.; i. d. S. ders., Freiheit in der Republik, 8. Kap., VI.; dazu ders., Staatsunterneh-

3. Kap.: Leitlinien des Sozialprinzips für den Steuerstaat

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Trotz – oder gerade wegen – makrosozialer „Minimaleingriffe“ des sozialen Staates können Bürger, auch als Marktteilnehmer, nicht nur grundsätzlich frei wirtschaften und somit ihr Leben eigenverantwortlich, privatheitlich bestreiten, sondern im Rahmen der allgemeinen Gesetze auch der Maxime der reinen Gewinn- oder Einkommensorientierung anhängen, letztlich ihr privates Glück suchen, ohne dass dies dem Gemeinwohl zuwiderliefe. Diese – oder eine ähnliche Form – makrosozialer Gestaltung von Rahmenbedingungen für ein eigenständiges, bürgerliches Leben möglichst vieler durch den Staat korrespondiert auch in der praktischen Anwendbarkeit wohl am ehesten mit dem Aufgabenkanon des Sozialstaates nach republikanischem Verständnis, verwirklicht also Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit auch in der Lebenswirklichkeit bestmöglich; die oben kurz gestreiften Vorteile eines möglichen Zurückdrängens parteienstaatlicher Einflussnahmen tun ein Übriges. Vor diesen Notwendigkeiten darf auch der Steuerstaat seine Augen nicht verschließen. So ist der Steuerzugriff vorrangig derart zu konzipieren, dass der Fiskus in das Wirtschaftssystem möglichst wenig eingreift und dem einzelnen Steuerbürger größtmögliche Privatheitlichkeit zugesteht. Keinesfalls dürfen die fiskalischen Lasten den Bürger in einem Maße tangieren, dass seine Fähigkeit und Bereitschaft zur Teilnahme am Marktgeschehen, damit sein Streben nach Selbständigkeit nachhaltig geschwächt oder sogar konterkariert wird. In besonderem Maße trifft das für Arbeit des Bürgers und deren Früchte zu. Falls der (soziale) Staat die Bemühungen des Bürgers um eine eigenverantwortliche Lebensbewältigung unterstützen will, treten fördernde Korrekturen an den wirtschaftlichen und gesetzlichen Rahmenbedingungen in den Vordergrund, bei denen die Steuergesetzgebung eine zentrale Position einnimmt. Unbestritten darf die Sozialgemeinschaft der Republik ihren Bürgern Steuern als substantiellen Beitrag zur kollektiven Aufgabenbewältigung und Lastenverteilung abverlangen – ebenso unbestritten darf sich sozialstaatliche Intervention jedoch nicht in einer steuer- oder abgabenbasierten Umverteilungsbesteuerung erschöpfen, die den einzelnen Bürger in seiner Möglichkeit, aber ebenso auch in seiner Pflicht zur vorrangig eigenverantwortlichen Lebensbewältigung behindert.

men und Privatrecht, S. 369 ff., 388 ff., 393 ff. u. ö.; grundlegend F. A. Hayek, Die Verfassung der Freiheit, S. 323 ff. u. ö.; weiterführend z. B. auch M. Kläver, Die Verfassung des Marktes, passim.

Fünfter Teil

Eigentum in der Republik 1. Kapitel

Eigenes und Eigentum „Eigentum ist ein eigentümliches Recht: Die meisten haben es, alle streben danach – und doch steht es überall im Streit. Der Kampf ums Recht ist die Theorie, der Kampf ums Eigentum die Praxis.“ (Walter Leisner)694

Pointierter lässt sich „Eigentum“ in allen Facetten seiner lebenswirklichen Bedeutung kaum beschreiben. Nicht zuletzt aufgrund der tiefgreifenden Interdependenzen695 zwischen Eigentum und Freiheit – einer der, wenn nicht die zentrale Frage vieler Menschen696 – beschäftigt das (bürgerliche) Eigentum seit mehr als zwei Jahrhunderten Theorie und Praxis, Rechtswissenschaft und Rechtsprechung, Staatsrechtslehre und Rechtsphilosophie, Rechtspolitik und Finanzpolitik gleichermaßen. Das verwundert nicht, wenn man sich vor Augen führt, dass ein bürgerliches Leben ohne jegliches Eigentum nicht vorstellbar ist, dass das Eigentum jedes Menschen nahezu ständig im Spannungsfeld von Individuum und Gemeinschaft steht, ja dass kaum eine Frage des Rechts ohne Bezug und Wirkung für das Eigentum des Bürgers entschieden werden kann; für die Steuer, die augenscheinlich auf das Eigentum des Bürgers zugreift, dieses offensichtlich berührt und wenigstens in den Augen des Steuerpflichtigen oft verletzt, trifft dies in besonderem Maße zu697. 694 Eigentum, in: J. Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. VI, Freiheitsrechte, 1989, § 149, Rn. 1. Einen Überblick zum „Kampf“ um das private Eigentum in der politischen Ideengeschichte gibt z. B. M. Brocker, Arbeit und Eigentum, 1992. 695 So H.-J. Papier, in: Maunz/Dürig, 2002, GG, Art. 14, Rn. 1. Das Bundesverfassungsgericht sieht regelmäßig einen „inneren Zusammenhang“ des Eigentums mit der Garantie der persönlichen Freiheit; vgl. z. B. BVerfGE 24, 367 (389); 30, 292 (334); 31, 229 (239); 50, 290 (339); 97, 350 (370 f.); 100, 226 (241); dazu ergänzend H. Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 423; P. Badura, Eigentum, in: HVerfR, S. 328 ff.; außerdem H.-J. Papier, Unternehmen und Unternehmer in der verfassungsrechtlichen Ordnung der Wirtschaft, VVDStRL 35 (1977), S. 81 ff. 696 Zur Freiheit statt vieler grundlegend K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, passim; ders., Res publica res populi, S. 253 ff., 441 ff. u. ö.; ders., Republikanische Freiheit, in: FS M. Kriele, S. 829 ff.; auch ders., Vom liberalistischen zum republikanischen Freiheitsbegriff, in: FS WiSo der FAU Erlangen-Nürnberg, S. 415.

1. Kap.: Eigenes und Eigentum

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I. Das Eigene des Menschen 1. Möglichkeiten als Eigenes des Menschen Das Eigene des Menschen sind das Mein und Dein, also das Seine. Dem Menschen zu eigen sind seine Möglichkeiten zu leben und zu handeln; diese sind sein Eigenes. Ohne Eigenes kann der Mensch weder leben noch handeln, also seine Freiheit, letztlich seine Menschheit nicht verwirklichen. Eigenes jedes einzelnen Menschen sind Leib, Seele und Geist, die in ihrer Einheit den Menschen, das Menschsein ausmachen. Jeder Mensch ist auf unterschiedliche Art und Weise mit anderen Menschen verbunden, sei das privat durch Freundschaft, Liebe, Ehe, Elternschaft oder Kindschaft, beruflich oder geschäftlich durch Arbeits-, Dienst- und ähnliche Verhältnisse oder in sonstiger Weise, hier vornehmlich durch schuldrechtliche Verhältnisse; auch diese Verhältnisse sind Eigenes des Menschen, gehören (zu) ihm698. An Sachen – beweglichen Sachen oder Grund und Boden699 – hat der Mensch unmittelbaren oder mittelbaren Besitz. All dieses ist das Seine, sein Eigenes700. 697 Trotz – oder gerade wegen – der ständigen Präsenz der Fragen des Eigentums, auch in der Lebenspraxis der Republik, existiert keine geschlossene Lehre vom Eigentum; vgl. W. Leisner, Eigentum, in: HStR, Bd. VI, § 149, Rn. 2. Dem Phänomen Eigentum kann man sich dogmatisch wohl nur schritt- und ansatzweise nähern, so dass im Folgenden Elemente des Versuches einer Dogmatik des Eigentums und damit auch des Eigenen des Menschen in der freiheitlich-gleichheitlich-brüderlichen Republik aufgezeigt werden sollen; nur unter dieser Voraussetzung lässt sich das Verhältnis von Eigentum und Steuer in der Republik sinnvoll erörtern. 698 So grundlegend für die weitere Entfaltung einer Eigentumsdogmatik K. A. Schachtschneider, Das Recht am und das Recht auf Eigentum, in: FS W. Leisner, S. 743 ff., insb. S. 744 ff. 699 Die Bedeutung des Besitzes an Grund und Boden für die Historie des bürgerlichen Eigentums hebt H.-J. Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 14, Rn. 25 f., hervor, wenn er betont, dass der Grundbesitz als das „Eigene“ von Lehn- und Grundherren über Jahrhunderte hinweg nicht nur sachenrechtliche Befugnisse an diesen von ihnen verliehenen Böden vermittelte, sondern primär politische Herrschaft. Nachdem aber Herrschaft der Freiheit zuwiderläuft, ja diese verletzt und ausschließt, deutet auch dieser historische Kontext auf das manchmal schwierige Verhältnis von Eigentum und Freiheit sowie die damit verbundenen Konfliktpotentiale an. 700 K. A. Schachtschneider, Das Recht am und das Recht auf Eigentum, in: FS W. Leisner, S. 749 f., zieht völlig zutreffend die Geschichte und die Philosophie des Eigentums, aber auch die lebensweltliche Erfahrung als überzeugenden Nachweis eines derart weiten Eigentumsbegriff heran. Vgl. insb. die Hinweise zur Geschichte des Eigentumsbegriffs bei D. Schwab, Eigentum, in: O. Brunner/W. Conze/R. Koselleck (Hrsg.), Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 2, 1975, S. 65 ff.; H. Welkoborsky, Die Herausbildung des bürgerlichen Eigentumsbegriffs, in: W. Däubler/U. Sieling-Wendeling/H. Welkoborsky (Hrsg.), Eigentum und Recht. Die Entwicklung des Eigentumsbegriffs im Kapitalismus, 1976, S. 11 ff.; U. Sieling-Wendeling, Die Entwicklung des Eigentumsbegriffes vom Inkrafttreten des bürgerlichen Gesetzbuches bis zum Ende des Nationalsozialismus, ebenda, S. 75 ff.; H. Rittstieg, Eigentum als Verfassungsproblem. Zur Geschichte und Gegenwart des bürgerlichen Verfassungsstaates, 1975; interessant für das Hintergrundverständnis auch der Überblick über die jüngere Geschichte

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5. Teil: Eigentum in der Republik

In seinen Verhältnissen zu anderen steht das Eigene des Menschen in einem besonderen Zuordnungsverhältnis, das ihn jedem anderen gegenüber heraushebt, dem genau dieses eben nicht eigen ist und der im Grundsatz von diesem Eigenen und dessen Gebrauch ausgeschlossen werden darf; wird trotzdem Eigenes eines Menschen gegen seinen Willen, ohne seine Zustimmung gebraucht, berührt und verletzt das den Menschen701. Das Eigene ist integraler Bestandteil der Persönlichkeit des Menschen, deren freie Entfaltung Art. 2 Abs. 1 GG jedem Menschen zugesteht702. Wird der Mensch am Gebrauch dieses Eigenen gehindert oder dieses Eigene in anderer Form verletzt, wird der Mensch in seiner Person – denn das Eigene ist personal und muss zwangsweise personal sein703 – verletzt. Dieses Recht des Menschen, sein Eigenes, seine eigenen Möglichkeiten zu nutzen und sein Eigenes zur Entfaltung zu bringen, mit ihm zu leben und zu handeln, ist nicht anderes als Freiheit704. 2. Mein und Dein der Menschen als Gemeinschaftswesen Leben und Handeln von Menschen in Gemeinschaft erfordert zwingend ein Mein und Dein, das ein Apriori des Menschen als Gemeinschaftswesen ist. „Das meum et teum ist eine conditio humana des hominis socialis.“ (Karl Albrecht Schachtschneider)705

Erst das Mein und Dein macht die Menschheit des Menschen in der Gemeinschaft aus. Menschen als Einzelne, als Besondere sind individualisiert706, Indides Eigentums bei C. Ulmschneider, Eigentum und Naturrecht im Deutschland des beginnenden 19. Jahrhunderts, 2003. 701 I. Kant, Metaphysik der Sitten, S. 353, definiert das „Das Rechtlich-Meine (meum iuris)“ als „dasjenige, womit ich so verbunden bin, daß der Gebrauch, den ein anderer ohne meine Einwilligung von ihm machen möchte, mich lädieren würde“. 702 Dazu umfassend K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 54 ff., 297 ff., 318 ff., 340 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 10. Kap., auch 4. Kap., II. 703 Vgl. BVerfGE 24, 367 (400): „personenhafte Bezogenheit“ des Eigentums, „als Arbeitsraum für eigenverantwortliche Betätigung“; i. d. S. auch BVerfGE 50, 290 (339 ff., insb. 348); 53, 257 (291 ff.); 58, 81 (112); weiterführend für einen persönlichen „Frei(heits)raum“, um „eine eigenverantwortliche Gestaltung“ des Lebens zu ermöglichen BVerfGE 97, 350 (370 f.); ebenso BVerfGE 24, 367 (389); 31, 229 (239); 40, 263 (293); 50, 290 (339); 53, 257 (290); 68, 193 (222); 69, 272 (300); Zum Personenbezug des Eigentums grundlegend z. B. G. Dürig, Eigentum als Menschenrecht, ZfgesStW 109 (1953), S. 345 ff.; H. Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 421 ff.; H. Rittstieg, in: R. Wassermann (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Reihe Alternativkommentare, Bd. I, 2. Aufl., 1989, Art. 14/15, Rn. 61 f. („Eigentum bezeichnet dem Wortsinn nach etwas der Person Zugehöriges.“; Rn. 61), 74 ff.; allgemein W. Leisner, Grundrechte und Privatrecht, 1960, S. 395 ff. 704 So K. A. Schachtschneider, Das Recht am und das Recht auf Eigentum, in: FS W. Leisner, S. 745; i. d. S. W. Leisner, Freiheit und Eigentum – die selbständige Bedeutung des Eigentums gegenüber der Freiheit, in: Eigentum, S. 14 u. ö. 705 Ebenda.

1. Kap.: Eigenes und Eigentum

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vidualität in der Gemeinschaft entsteht nur durch das Eigene, das Mein in Abgrenzung zum Dein, das den Einzelnen aus der Gemeinschaft heraushebt, ohne ihn hervorzuheben. Jeder Mensch hat sein Eigenes, seine ihm eigenen Möglichkeiten, die kein zweiter, kein anderer hat; die Besonderheit jedes Menschen bewirkt die Einzigartigkeit seiner Möglichkeiten, eben die Persönlichkeit des Menschen707. Jedes Handeln in der Gemeinschaft ist ein Nutzen dieser Möglichkeiten, die der Mensch sich damit zu eigen macht, sich aneignet. Im gleichen Atemzug schließt er mit seinem Handeln andere von der Nutzung aus, denen eben diese Möglichkeit versagt bleibt. Mit seinem Handeln verändert er das Leben, die Handlungsmöglichkeiten, damit das Handeln, letztlich die Lebenswirklichkeit anderer, – in Kategorien des Möglichen gedacht – aller Menschen708. Damit wird deutlich, dass der Mensch „nicht isoliertes und selbstherrliches Individuum, sondern gemeinschaftsbezogene und gemeinschaftsgebundene Person“709 ist. Wie der Mensch als Person ist in konsequenter Fortsetzung der republikanischen Idee, die parallel zu der freiheitsvermittelnden Individualdimension stets die soziale, brüderliche Gemeinschaftsdimension impliziert, auch das Eigene des Menschen also notwendigerweise zugleich sozial710. 3. Verbindungen als Eigenes Das Eigene ist notwendigerweise mit dem Menschen verbunden, und zwar sowohl mit dem Menschen als Individuum als auch mit dem Menschen als Gemeinwesen711. Folglich sind die wie auch immer gearteten Verbindungen Eige706

Weiterführend z. B. K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 211 ff. Vgl. K. A. Schachtschneider, Das Recht am und das Recht auf Eigentum, in: FS W. Leisner, S. 746; dazu ders., Freiheit in der Republik, 10. Kap., I. u. ö. 708 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 218 ff., 299, 318 f., auch S. 370 ff., 478 ff. 709 BVerfGE 4, 7 (15 f.); 12, 45 (51); 27, 1 (7); 30, 173 (193); 32, 98 (108); 33, 303 (334); 45, 187 (227); 50, 166 (175); zum Personenbegriff I. Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, S. 60 f., 72; ders., Metaphysik der Sitten, S. 329 f.; W. Maihofer, Prinzipien freiheitlicher Demokratie, in: HVerfR, S. 480 ff.; K. A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 99 ff., 116 ff., 22 ff.; ders., Res publica res populi, S. 211 ff. (insb. S. 222), 234 ff. 710 Hierzu u. a. W. Leisner, Sozialbindung des Eigentums, 1972, passim; ders., Eigentum, in: HStR, Bd. VI, § 149, Rn. 133 ff.; ders., Sozialbindung des Eigentums nach privatem und öffentlichem Recht. Privates Nachbarrecht als Hilfsmittel zur Bestimmung der „Enteignungsschwelle“, 1975, in: J. Isensee (Hrsg.), Eigentum, Schriften zu Eigentumsgrundrecht und Wirtschaftsverfassung 1970–1996, 1996, S. 507 ff.; ders., Das Eigentum Privater – Vertragsfreiheit und Sozialbindung, 1995, ebenda, S. 180 ff.; G. Dürig, Eigentum als Menschenrecht, ZfgesStW 109 (1953), S. 344 ff.; i. d. S. für das Eigentum BVerfGE 42, 263 (294); 50, 290 (340); 52, 1 (29); 53, 257 (291 ff.); st. Rspr. 711 Diese Zusammenführung des – personalen und sozialen – Eigenen im Menschen lässt das Konfliktpotential erahnen, das in dem Eigenen und dessen Gebrauch in der Gemeinschaft schlummert, signalisiert zugleich aber auch einen Lösungsansatz, der 707

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5. Teil: Eigentum in der Republik

nes des Menschen, das die beiden Seiten des Eigenen – das individuell Personale und das gemeinschaftlich Soziale – geradezu beispielhaft zeigt. Diese Verbindungen des Menschen finden ihre unterschiedlichsten Grundlegungen, sei das in der Liebe als stärkster Bindung des Menschen überhaupt, im bloßen Interesse, dessen (oftmals opportunistisches) Ausgleichspotential Handlungsweisen veranlasst, im gesetzlosen Zwang, der ohne Recht nötigt, oder eben im Gesetz, das ein subjektives Recht – nämlich Eigentum712 – begründet. All diese Verbindungen, ja bereits die damit verknüpften Erwartungen im Sinne des Möglichen, sind Eigenes des Menschen, obgleich die Gründegeschichten, auch in ihrem Maß an Verbindlichkeit, höchst unterschiedliche sein können; parteipolitisches Interesse oder Zwang von Gewaltverbrechern vermag in realiter oftmals um ein Vielfaches verbindlicher wirken als die Bindung durch das Gesetz. Ein jeder, der ein bestimmtes Handeln von einem anderen erwarten kann, hat ein Eigenes an diesen Handlungen, an dieser „Willkür eines anderen“713. Nicht immer sind Erwartungen an die Handlungen eines anderen sittlich, rechtlich fundiert; auch der eben apostrophierte Verbrecher darf ein ihm genehmes Handeln von dem bedrohten, unter Zwang stehenden Opfer erwarten. Auch eine solche Handlung verlässt quasi den Freiheitsraum des Handelnden und wird zum Eigenen des die Handlung Erwartenden714; sogar der im Unrecht Handelnde kann ein Eigenes haben. Man darf sich die Handlung eines anderen gleichwohl nicht einfach aneignen, nicht dessen handlungsleitenden Freiraum einengen, da man damit seine Freiheit – denn (äußere) Freiheit ist „die Unabhängigkeit von eines anderen nötigender Willkür“715 – verletzten würde. Nur wenn die Freiheit eines anderen, dessen freie Entscheidung zu einem bestimmten Tun oder Unterlassen, gewahrt bleibt, kann eine wie auch immer geartete Bindung zwischen Menschen frei, können damit einhergehende Verbindlichkeiten freiheitlich sein. Nur auf solcher Freiheit basierende Verbindungen lassen rechtliche, rechtmäßige Verbindlichkeiten entstehen; solche Verbindlichkeiten wiederum können freiwillig, freiheitlich, somit auch moralisch erfüllt werden. Moralität postuliert ein pflichtgemäßes, folglich freiheitliches Handeln: „Handle pflichtmäßig, aus Pflicht“ (Kant)716. Wer im Sinne dieses allgemeinen ethischen Gebotes pflichtgemäß handelt, handiesen vermeintlichen Widerspruch zwischen dem Personalen und dem Sozialen zum Ausgleich zu bringen vermag, nämlich die Republikanität des Eigenen, des gesetzlichen Eigenen. Dazu ausführlicher im Folgenden. 712 Zur Begründung des Eigentums, insbesondere in seiner Rechtlichkeit, siehe ausführlich 2. Kap. 713 I. Kant, Metaphysik der Sitten, S. 382. 714 D. Suhr, Eigentumsinstitut und Aktieneigentum, S. 45, spricht bei diesem Vorgang von Eigentum. Vgl. auch K. A. Schachtschneider, Das Recht am und das Recht auf Eigentum, in: FS W. Leisner, S. 747 ff. 715 I. Kant, Metaphysik der Sitten, S. 345; dazu näher K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 325 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 2. Kap., V., VI., passim.

1. Kap.: Eigenes und Eigentum

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delt freiheitlich, ist frei. Ein so entstandenes Eigenes ist im Grunde immer frei, da der Handelnde das von ihm Erwartete nach seinem Willen717, nach seiner Willkür, also frei, tun oder auch lassen kann; in republikanischer Gesinnung hat er sich zu etwas freiwillig verpflichtet, handelt pflichtgemäß. Handelt der Mensch pflichtgemäß, verfügt er über Eigenes, das die anderen, die Gemeinschaft nicht lädiert718. Der praktisch vernünftige homo noumenon folgt dem allgemeinen Gesetz als gemeinsamen Willen aller. In diesem Fall entsteht Eigenes nicht gegen den Willen, sondern im Interesse und mit Billigung der Gemeinschaft; dieses Eigene verletzt die Gemeinschaft nicht. Wer als homo phaenomenon aus Unvermögen719 das allgemeine Gesetz nicht zu achten in der Lage ist, vermag auch zum Erfüllen seiner Verpflichtungen gezwungen zu werden. Denn „Recht ist mit der Befugnis zu zwingen verbunden“ (Kant); ein solches, den Willen aller verwirklichendes Gesetz, rechtfertigt den gesetzlichen Zwang und verwirklicht zugleich die Freiheit720. Unter der Ägide des Rechts erweist sich Eigenes als freiheitlich, zugleich gesetzlich. Die allgemeine Freiheit findet ihre bürgerliche Wirklichkeit in den Rechtsgesetzen721, die als Ausdruck des gemeinsamen Willens722 aller in der Republik 716 Metaphysik der Sitten, S. 521, dazu umfassend K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 288 f.; ders., Freiheit in der Republik, 2. Kap., VII. 717 Dieser Zusammenhang wird noch deutlicher, wenn man sich vor Augen führt, dass Freiheit nichts anderes als die „Autonomie des Willens“ ist. So I. Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, S. 81 f., 88 f.; ders., Kritik der praktischen Vernunft, S. 139, 144; vgl. außerdem S. 125 ff., 138 ff., 141 ff., 144 ff., 191 ff., 218, u. ö.; dazu vor allem K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 275 ff., 325 ff., 410 ff., 449 ff., passim; ders., Freiheit in der Republik, 2. Kap., VI., VII., 5. Kap., passim. 718 Dazu grundlegend und umfassend K. A. Schachtschneider, Das Recht am und das Recht auf Eigentum, in: FS W. Leisner, S. 744 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 10. Kap., I. 719 I. Kant spricht von „Triebfedern“ (Grundlegungen zur Metaphysik der Sitten, S. 41), „Neigungen und Antriebe (mithin die ganze Natur der Sinnenwelt)“ (ebenda, S. 95), die den Mensch als Sinnenwesen wider dem allgemeinen Gesetz handeln lassen. Dazu insb. K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 318 ff.; mit Blick auf das Eigentum ders., Das Recht am und das Recht auf Eigentum, in: FS W. Leisner, S. 748. 720 I. Kant, Metaphysik der Sitten, S. 338 f., 464, 527; ders., Über den Gemeinspruch, S. 144, 169. Hierzu K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 553 ff.; auch ders., Die existentielle Staatlichkeit der Völker Europas und die staatliche Integration der Europäischen Union. in: K. A. Schachtschneider/W. Blomeyer (Hrsg.), Die Europäische Union als Rechtsgemeinschaft, S. 81. 721 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 279 ff., 332 ff., 519 ff., 978 ff.; ders., Freiheit in der Republik, S. 26 ff., 95 ff., 114 ff., 200 ff. 722 Der allgemeine Wille, der Wille aller, der als einziger die dem Recht verpflichteten Gesetze zu geben vermag, ist die volonté générale bei J.-J. Rousseau, Vom Gesellschaftsvertrag, S. 39 ff., 112 ff., i. d. S. auch I. Kant, Metaphysik der Sitten, S. 432;

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5. Teil: Eigentum in der Republik

auch die Konturen des Eigenen zeichnen. Nur allgemeine Gesetze als Gesetze aller und damit als Gesetze jedes einzelnen Menschen, der in der Republik selbst Gesetzgeber ist723, schaffen Recht, das das gemeinsame Leben aller in gemeinsamer Freiheit auf Grundlage der Wahrheit ermöglicht724. Zwecke solcher Gesetze des Rechts sind materielle Gerechtigkeit und Rechtssicherheit, in der Summe eben der große Terminus Gerechtigkeit725. Nur Gesetze wahren die Freiheit jedes Einzelnen, somit auch die Freiheit aller, und schaffen zugleich Gerechtigkeit, mithin einen gerechten Ausgleich zwischen den Interessen des Einzelnen und der Gemeinschaft; unter solchen Bedingungen des Rechts kann jeder ein Eigenes innehaben, das freiheitlich und im selben Atemzug gerecht ist. II. Eigentum als rechtlich Eigenes 1. Gesetzlichkeit des Eigentums Eigenes kann der Mensch rechtmäßig nur haben, wenn er mit diesem Eigenen und dem Gebrauch des Eigenen keinen anderen in dessen Freiheit lädiert. Daher bedarf das Eigentum in seiner Begründbarkeit wie auch in seiner Gewährleistung des Rechts, also des allgemeinen Gesetzes, dem jeder Bürger zuzustimmen in der Lage und verpflichtet ist, da seine Interessen nicht verletzt werden. Nur mit dem Prinzip der allgemeinen Gesetzlichkeit gelingt der Interessenausgleich in der bürgerlichen Gemeinschaft, so dass konsequenterweise das Eigentum als eine der substantiellen Materien des gemeinschaftlichen Zusammenlebens der Klärung durch allgemeine Gesetze bedarf. Schließlich vermag die Gemeinschaft nur dann der Gewährleistung und dem Schutz des privaten Eigenen in allgemeinen Gesetzen beizupflichten, wenn diese Sicherstellung des Eigentums eines einzelnen Bürgers nicht dem Wohl der Bürgergemeinschaft zuwiderläuft, wenn also alle mit den dem Einzelnen eigenen Möglichkeiten einders., Über den Gemeinspruch, S. 150; ders., Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, S. 41 f., 45 f.; ders., Kritik der praktischen Vernunft, S. 135 ff.; vgl. auch ders., Metaphysik der Sitten, S. 326 ff.; weiterführend K. A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 104 ff., 109 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 2. Kap., I.; ders., Res publica res populi, S. 273 ff., 286 ff., 443, 852; ders., Prinzipien des Rechtsstaates, S. 19 ff., 37 ff., 43 ff., 97 ff. 723 Zur Selbstgesetzgeberschaft in der Republik, also zur „Autonomie“ im eigentlichen Wortsinn, ausführlich K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 275 ff., 326 ff., 410 ff. u. ö.; ergänzend ders., Prinzipien des Rechtsstaates, S. 93 ff., 206 ff. 724 So K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 567 ff. (insb. S. 569), 978 ff. (insb. S. 980), 990 ff. (insb. S. 996); dazu auch ders., Freiheit in der Republik, 3. Kap., VIII. u. ö. 725 Beiden Prinzipien wird ausdrücklich der Verfassungsrang des Rechtsstaatsprinzips zugewiesen (BVerfGE 2, 380 (403); 7, 89 (92); 49, 304 (308); 82, 6 (12). Zum Rechtsstaatsprinzip K. A. Schachtschneider, Prinzipien des Rechtsstaates, passim, bereits S. 5 ff.

1. Kap.: Eigenes und Eigentum

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verstanden sein können726. So wie die Republik der Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit nur ein Gemeinwesen der allgemeinen Gesetzlichkeit sein kann, weil nur allgemeine Gesetze freiheitliches Leben und Handeln ermöglichen, kann es in der freiheitlich-gleichheitlich-brüderlichen Republik nur gesetzliches Eigentum geben, zeichnet sich Eigentum also notwendigerweise durch allgemeine Gesetzlichkeit aus727. Die bürgerlichen Gesetze in der Republik, also die allgemeinen Gesetze, geben die subjektiven Rechte, die das Eigene formen und zugleich schützen. Nur die allgemeinen Gesetze als die Gesetze aller vermögen Eigentum zu begründen728, weil allein die allgemeine Gesetzlichkeit die Verträglichkeit des gemeinsamen Lebens gewährleistet, so dass das Leben und Handeln jedes Menschen mit dem der anderen Menschen vereinbar ist, ohne dass die Freiheit des einen oder die Freiheit des anderen verletzt wird729. Erst durch allgemeine Gesetze wird das Mein und Dein, das jeweils Eigene, zum Eigentum, oder anders formuliert: mit dem allgemeinen Gesetz wird das provisorische zum peremtorischen Eigentum730. Das Eigentum ist also weitestgehend eine „Schöpfung der Rechtsordnung“731. 726 Vgl. K. A. Schachtschneider, Das Recht am und das Recht auf Eigentum, in: FS W. Leisner, S. 752 ff., 765 ff., dezidiert zum Eigentum im Blickwinkel des steuerlichen Zugriffs ders., Umsatzbesteuerung der Mineralölsteuer, S. 48 f. 727 Zur Notwendigkeit des Rechts für das Eigentum, wenn auch in einer mitunter kritisch zu beleuchtenden begrifflichen Trennung von Recht und Gesetz, z. B. O. Depenheuer, Zwischen Verfassung und Gesetz, in: FS W. Leisner, S. 281: „In einem Staat, der auf dem Recht gründet, ist Eigentum notwendig [Hervorh. d. Verf.] rechtsgeprägt.“ 728 K. A. Schachtschneider, Das Recht am und das Recht auf Eigentum, in: FS W. Leisner, S. 755 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 10. Kap., I. 729 In der Konzeption der Republik fußt die Staatlichkeit als Gesetzlichkeit auf der allgemeinen Freiheit. Dazu umfassend K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 4 ff., 275 ff., 303 ff., 410 ff., 519 ff.; ergänzend ders., Freiheit in der Republik, 1. Kap. u. ö. 730 Siehe K. A. Schachtschneider, Das Recht am und das Recht auf Eigentum, S. 753. Zu diesen Begrifflichkeiten und deren Einordnung in eine Eigentumsdogmatik siehe den Hinweis ebenda auf I. Kant, Metaphysik der Sitten, S. 366 f., 374 ff., 430 f.; J.-J. Rousseau, Vom Gesellschaftsvertrag, I, 9; W. Kersting, Transzendentalphilosophische Eigentumsbegründung, 1991, in: ders., Recht, Gerechtigkeit und demokratische Tugend, 1997, S. 64 ff., 69 ff. 731 I. d. S. BVerfGE 58, 300 (335 ff., 338 f.); als folgerichtige Konsequenz der republikanischen Lehre vertritt K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 1023, diese Position; weitergehend D. Ehlers, Eigentumsschutz, Sozialbindung und Enteignung bei der Nutzung von Boden und Umwelt, VVDStRL 51 (1992), S. 214, 217; ablehnend H.-J. Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 14, Rn. 37 ff., 254 ff.; O. Kimminich, in: BK, GG, Art. 14, Rn. 159 ff., 165 ff.; ebenfalls R. Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, 1985, S. 62 f. Gegen ein „Eigentum nach Gesetz“ auch W. Leisner, Eigentum, in: HStR, Bd. VI, § 149, Rn. 54 ff., wobei er bei dieser Aussage augenscheinlich auf den einfachen Gesetzgeber abstellt, der – so die zutreffende Position Leisners – bei der gesetzlichen Ausgestaltung des Eigentums der Verfassung Rech-

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5. Teil: Eigentum in der Republik

Das Eigentum in seiner Gesetzlichkeit wird entscheidend durch den zugrunde liegenden Gesetzesbegriff determiniert. Der republikanische Gesetzesbegriff stellt nicht eine (vermeintliche) Mehrheit über eine Minderheit, verleiht also nicht einer Mehrheit ein willkürliches Recht über die Minderheit, wie das das Gesetz des Liberalismus tut, sondern bringt die Erkenntnis dessen zum Ausdruck, was für das gute Leben aller in allgemeiner Freiheit auf der Grundlage der Wahrheit richtig ist732. Nur auf dieser Grundlage kann Eigenes zu Eigentum werden; dann aber entspricht das Eigentum dem allgemeinen Gesetz, ist also gesetzmäßiges Eigentum, das von Art. 14 des Grundgesetzes gewährleistet wird733: „Das Eigentum . . . wird gewährleistet.“734

Die Gewährleistung des Eigentums deutet auf den ersten Blick einen Schutz des Eigentums des privaten Bürgers gegenüber Eingriffen seitens Dritter, auch seitens des Staates an. Republikanische Gesetzlichkeit impliziert jedoch nicht nur die Rechtlichkeit, sondern auch die Pflichtigkeit des Eigentums; denn allgemeine Gesetze verleihen dem Bürger nicht nur Rechte, sondern zugleich Pflichten gegenüber jedem anderen, letztlich gegenüber der Gemeinschaft aller Bürger. Unter dieser Prämisse der allgemeinen Gesetzlichkeit kann das Eigentum, das Recht des Eigentums, im Sinne des einzelnen Bürgers gewährleistet werden, da so sichergestellt ist, dass dieses gesetzliche Eigentum nicht nur in seiner Innehabung, sondern auch in seiner Nutzung und Verwendung nicht gegen die Interessen aller Bürger verstoßen kann. In diesen beiden Seiten des einen Eigentums spiegelt sich die Eigentumskonzeption in ihrer Republikanität. Dieser Logik folgt Art. 14 Abs. 2 GG, der nach allgemeinem Verständnis die Sozialpflichtigkeit des Eigentums zum Ausdruck bringt735: nung zu tragen habe, weshalb es eben doch ein Eigentum „vor“ dem Gesetz geben müsse, das Eigentum also keine „Schöpfung der Rechtsordnung“ sein könne. Insoweit ist Leisner, der für seine Argumentation, die augenscheinlich zwischen Verfassungsund einfachem Gesetzgeber trennt, eher ein liberalistisches denn ein republikanisches Gesetzesverständnis zugrunde legt, beizupflichten, als der einfache Gesetzgeber bei der Gesetzesfindung tatsächlich der Verfassung verpflichtet ist, nach republikanischer Konzeption aber Gesetzgebung und Rechtserkenntnis – eben auch im Bereich des Eigentums – ohnehin nur unter der Prämisse der Verfassungsmäßigkeit stattfinden kann. Nach republikanischem Verständnis berücksichtigt der (einfachgesetzliche) Gesetzgeber die Vorgaben der Verfassung qua „systemimmanentem Automatismus“; denn das folgt dem Gesetzesprinzip der Republik. Ansonsten obliegt es dem Verfassungsgericht, Gesetzgebungsergebnisse auf Irrtümlichkeit und Verfassungswidrigkeit zu überprüfen und gegebenenfalls zur Neuregelung an den (einfachen) Gesetzgeber zu verweisen; auch bei der Steuergesetzgebung geschieht dies regelmäßig. Vgl. allgemein K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 519 ff., 560 ff., 584 ff., 819 ff., 858 ff., 932 ff. 732 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 303 ff., 340 ff., 350 ff., 560 ff., 584 ff., auch S. 625 ff., gegen das Mehrheitsprinzip, S. 106 ff. 733 Dazu näher im Folgenden. 734 Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG.

1. Kap.: Eigenes und Eigentum

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„Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.“

Der Eigentümer ist also gehalten, das Eigentum nicht nur für seine privaten Belange einzusetzen, sondern vor allem bei dessen Gebrauch, bei dessen Nutzbarmachung die Belange der Allgemeinheit zu berücksichtigen; zumindest hat er im Interesse der Allgemeinheit Beeinträchtigungen seines Eigentums hinzunehmen, die ihm der Gesetzgeber auferlegt736. Der Grundstückseigentümer etwa muss Lärmbelastungen erdulden, der Wohnungseigentümer sieht sich mit mannigfaltigen gesetzlichen Beschränkungen bei der Vermietung seines Eigentums konfrontiert und auch der Steuerbürger hat grundsätzlich Belastungen seines Eigentums aufgrund des Finanzbedarfs der öffentlichen Hand hinzunehmen. Die Verpflichtung des Eigentums auf das Gemeinwohl, oft als Sozialbindung oder auch Sozialpflichtigkeit des Eigentums bezeichnet, rechtfertigt nicht die grundsätzliche und ständige Umverteilung des Eigentums im Namen der Allgemeinheit – geschweige denn, dass sie eine solche Neuverteilung bis hin zur völligen, auch ökonomischen Nivellierung fordern würde; Sozialpflichtigkeit des Eigentums impliziert zunächst nur eine Pflicht zur Rücksichtnahme auf Belange der Gemeinschaft, auf das öffentliche Interesse. Walter Leisner737 formuliert dieses Apriori durchaus prägnant und zutreffend: „Sozialpflichtigkeit – das verlangt gemeinschaftsbewussten Umgang mit Hab und Gut, nicht mehr und nicht weniger.“ 735 Stv. für viele H. v. Mangoldt/F. Klein, Das Bonner Grundgesetz, 2. Aufl., 1957, die den Abs. 2 des Art. 14 GG „im Zusammenhang mit dem Grundgebote des ,sozialen Staates‘“ lesen und als „seine Abspiegelung, seine Anwendung auf dem Gebiete des Eigentumsrechts“ (S. 433) verstehen. Nach ihrer Auffassung „besteht die sozialethische Eigentumsbindung, ohne daß es dazu einer legislativen Konkretisierung, Präzisierung und Spezialisierung bedürfte“ (ebenda), sondern beruht vielmehr „auf der Verantwortung, die in jeder gesunden Sozialordnung mit Besitz und Macht . . . gegeben ist“ (S. 434). Dazu ausführlicher K. A. Schachtschneider, Das Recht am und das Recht auf Eigentum, in: FS W. Leisner, S. 743 ff., insb. S. 773 ff.; grundlegend zu der sozialen Bindung des Eigentums z. B. W. Leisner, Sozialbindung des Eigentums, passim; ders., Eigentum – Grundlage der Freiheit, 1994, in: J. Isensee (Hrsg.), Eigentum, Schriften zu Eigentumsgrundrecht und Wirtschaftsverfassung 1970–1996, 1996, S. 41 ff.; ders., Sozialbindung des Eigentums nach privatem und öffentlichem Recht. Privates Nachbarrecht als Hilfsmittel zur Bestimmung der „Enteignungsschwelle“, ebenda S. 507 ff.; auch ders., Das Eigentum zwischen privatem Nutzen und sozialer Bindung, 1994, ebenda, S. 537 ff.; ders. (mit kritischen Untertönen: „. . . die Sozialbindung ist zur Rechtfertigung der Umverteilung degeneriert.“), Das Eigentum Privater – Vertragsfreiheit und Sozialbindung, 1995, ebenda, S. 182 f. (Zitat S. 183); zum sozialen Eigentum z. B. auch K. A. Schachtschneider, Grenzen der Kapitalverkehrsfreiheit, in: K. A. Schachtschneider (Hrsg.), Rechtsfragen der Weltwirtschaft, 2002, S. 266 ff. Diese wichtigen Fragen werden im weiteren Verlauf der Schrift mehrfach wieder aufgegriffen. 736 Ausführlicher zum Thema statt vieler F. Ossenbühl, Eigentumsschutz gegen Nutzungsbeschränkungen, in: J. Isensee/H. Lecheler (Hrsg.), Freiheit und Eigentum, Festschrift für Walter Leisner zum 70. Geburtstag, 1999, S. 689 ff. 737 Eigentum – Grundlage der Freiheit, in: Eigentum, S. 46.

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5. Teil: Eigentum in der Republik

So verstandene Pflichtigkeit des grundgesetzlich zu gewährleistenden Eigentums, die ihre Rechtfertigung nicht allein aus dem Verfassungstext erfährt, sondern bereits aus den republikanischen Idealen der Gleichheit, Freiheit und Brüderlichkeit, wird – im Einklang mit der Sittlichkeit des Bürgers in seinem Handeln – durch die allgemeinen Gesetze umgesetzt738. Nur die Dualität von Rechtlichkeit und Pflichtigkeit, die allgemeine Gesetze zum Ausgleich bringen, wird der Idee des Eigentums als einem substantiellen Recht des privaten Bürgers in der Bürgergemeinschaft der Republik gerecht. 2. Inhalt und Schranken des Eigentums Eigentum ist ein Recht, ein Rechtsverhältnis, das seine personal-soziale Dimension, schlussendlich auch seine Materialität, erst durch die unmittelbar und mittelbar involvierten Menschen erfährt739. Ob seiner notwendigen Gesetzlichkeit ist Eigentum zunächst als formale Größe zu verstehen, dessen Formalität eine ohnehin gänzlich ungeeignete Statik des Eigentums verhindert und stattdessen eine immer wieder erforderliche Anpassung des Eigentums und seines Inhaltes in allen Facetten an die Notwendigkeiten der Lebenswirklichkeit ermöglicht740. Die Idee des Eigentums ist zweifelsohne abstrakter Natur, muss sie wohl sein: „Gestern war grundrechtsgeschütztes Eigentum etwas anderes, als es heute ist oder morgen sein wird, aber die Idee Eigentum bleibt.“ (Karl Albrecht Schachtschneider)741

Gleichwohl bedarf das Eigentum, wenn es nicht nur formelhaft umrissen, sondern in der Lebenswirklichkeit des Gemeinwesens wirkungsvoll platziert, damit auch gewährleistet und geschützt werden soll, einer materialen Ausfüllung. Das leisten die allgemeinen Gesetze, die den Inhalt dessen, was Eigentum ist, die Materie des Eigentums, regeln742. Dass das Eigentum(-srecht) in seiner Rechtlichkeit wie auch Pflichtigkeit eine inhaltliche Ausfüllung durch allge-

738 Zu diesen Gesetzen, die die Verpflichtung des Eigentums für die Allgemeinheit mit Leben erfüllen, zählen auch Steuergesetze, die im Ergebnis das Eigentum des privaten Bürgers für das Gemeinwohl in Anspruch nehmen. 739 I. d. S. z. B. G. Dürig, Eigentum als Menschenrecht, ZfgesStW 109 (1953), S. 346 ff.; vgl. I. Kant, Metaphysik der Sitten, S. 365 ff.; W. Kersting, Transzendentalphilosophische Eigentumsbegründung, S. 42. 740 Zur Variabilität und Dynamik des Rechts ausführlicher K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 1033 ff. 741 Res publica res populi, S. 1025. 742 Zur allgemeinen Gesetzlichkeit in der Republik vgl. K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 317, 400, 519 ff., 1027 ff. u. ö.; auch ders., Freiheit in der Republik, 2. Kap., IV., VI. u. ö.; ergänzend ders., Prinzipien des Rechtsstaates, S. 93 ff.

1. Kap.: Eigenes und Eigentum

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meine Gesetze zu erfahren hat, macht auch das Verfassungsgesetz in Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG deutlich743: „Inhalt und Schranken [des Eigentums; Erg. d. Verf.] werden durch die Gesetze bestimmt.“

Der Gesetzgeber, der dem gemeinsamen Willen aller Bürger verpflichtet ist744, hat den rechtlichen Begriff des Eigentums praktisch vernünftig mit Leben zu erfüllen745. Auch wenn es durchaus dem republikanischen Modell entspräche, sieht der Verfassungstext ein solches Inhaltsbestimmungsrecht des Gesetzgebers bei anderen Grundrechten nicht vor. Lediglich ein Recht zur „Schrankenziehung“ des Gesetzgebers wird für Grundrechte, so auch für das Eigentumsrecht, regelmäßig thematisiert746, wobei Inhalt und Schranken nicht 743 Ob die Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentumsrechtes mit der gesetzlichen Materialisierung der sozialen Pflichtigkeit des Eigentums übereinstimmt, wie von vielen Stimmen angenommen, oder sich im materialen Ergebnis Unterschiede ergeben können, wird – da für den weiteren Verlauf der Erörterung nicht ausschlaggebend – im Folgenden nicht thematisiert. 744 „Die gesetzgebende Gewalt kann nur dem vereinigten Willen des Volkes zukommen“, so I. Kant, Metaphysik der Sitten, S. 432; grundlegend Aristoteles, Nikomachische Ethik, S. 169, 1134 b 11 f.; i. d. S. auch J.-J. Rousseau, Vom Gesellschaftsvertrag, S. 40 ff.; weiterführend dazu K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 519 ff. (m.w. N.). 745 Zur Bedeutung des allgemeinen, rechtlichen Gesetzes für die Verwirklichung der Freiheit in der praktischen Vernunft K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 219 ff., 519 ff., 536 ff., 584 ff., auch S. 275 ff. (insb. S. 309 ff.), 325 ff., 418 ff., 494 ff., 677 ff., 728 ff., 810 ff., außerdem S. 819 ff., 858 ff. (insb. S. 901 ff.), 982 ff., 995 ff., 1027 ff.; auch ders., Freiheit in der Republik, 1. Kap. u. ö. 746 „Schranken“ sind hier nicht im Sinne durch den Gesetzgeber „verhängter“ Schranken als Grenzen persönlicher Freiheitsrechte zu verstehen, was der liberalistischen Lehre einer materialen allgemeinen Handlungsfreiheit entspräche, sondern als Hinweis darauf, dass auch den vermeintlich vorbehaltlosen Grundrechten in den allgemeinen Gesetzen ihre Grenzen finden. Gegen eingriffshafte Schranken z. B. P. Häberle, Wesensgehaltsgarantie, S. 126 ff., 134 ff., 154 ff.; dazu auch ders., Grundrechte im Leistungsstaat, VVDStRL 30 (1972), S. 80 ff.; deutlich K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 478 ff.; kritisch H. H. Rupp, Die Unterscheidung von Staat und Gesellschaft, in: HStR, Bd. I, § 152, Rn. 9 ff., wohl auch Rn. 63; ähnlich E. Grabitz, Freiheit und Verfassungsrecht, S. 24 ff.; hierzu auch C. Starck, in: v. Mangoldt/ Klein/Starck, GG, Art. 1 Abs. 3, Rn. 170; J. Isensee, Gemeinwohl und Staatsaufgaben im Verfassungsstaat, in: HStR, Bd. III, § 57, Rn. 81 f.; ebenso H.-U. Erichsen, Allgemeine Handlungsfreiheit, in: HStR, Bd. VI, § 152, Rn. 31 ff.; W. Schmitt Glaeser, Schutz der Privatsphäre, in: HStR, Bd. VI, § 129, Rn. 24 ff., 37; für ein „Eingriffsdenken“ auch P. Lerche, Grundrechtsschranken, in: J. Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. V, Allgemeine Grundrechtslehren, 1992, § 122, Rn. 1 ff. Zur Lehre von der materialen allgemeinen Handlungsfreiheit vgl. BVerfGE, st. Rspr., etwa BVerfGE 6, 32 (36 f.); 54, 145 (146); 55, 159 (165 ff.); 59, 275 (278); siehe auch H.-U. Erichsen, Allgemeine Handlungsfreiheit, in: HStR, Bd. VI, § 152, Rn. 1 ff., 13 ff.; R. Scholz, Das Grundrecht der freien Entfaltung der Persönlichkeit in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, AöR 100 (1975), S. 86 ff.; W. Schmitt Glaeser, Schutz der Privatsphäre, in: HStR, Bd. VI, § 129, Rn. 18; „Eingriffe“ abhaltende „Abwehrrechte“ lehnt K. A.

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5. Teil: Eigentum in der Republik

etwa gleich zu setzen sind. Würde man nämlich Inhalt und Schranken nicht begrifflich unterscheiden, die Schrankenbestimmung also lediglich als einen Aspekt eines allgemeineren, weitergehenden Rechts zur Inhaltsbestimmung begreifen, wäre – losgelöst von der Verpflichtung des allgemeinen Gesetzgebers auf richtige, damit gerechte Gesetze durch die Prinzipien der Republik – eine Überprüfung des einfachen Gesetzgebers, ob er sein Recht zur Ziehung von Schranken gegenüber dem Eigentum möglicherweise überzogen hat, ad absurdum geführt. Schließlich hätte der inhaltsstiftende Gesetzgeber, der das zu Beschränkende erst hervorgebracht hat, die Inhaltsbestimmung des Eigentums quasi nach Maßgabe gewollter Schranken vornehmen können, so dass etwaige Konfliktpotentiale bereits auf der Ebene der inhaltlichen Eigentumsfestlegung ausgeblendet worden wären747. Mit einer solchen Möglichkeit zu nahezu grenzenloser Ausfüllung des Rechtsgegenstandes wäre der Gesetzgeber, wenigstens für den Bereich der Inhaltsbestimmung – und damit für eine im eigentlichen Wortsinne substantielle Frage des Eigentumsrechtes – weitgehend der Kontrolle des Verfassungsgerichts entzogen748; das aber ist nichts anderes als Willkür749 und verstößt gegen die Prinzipien der Republik, damit gegen das oberste Ziel der Republik, das gute Leben aller in gemeinsamer Freiheit. Die explizite Aufforderung an den Gesetzgeber, das Eigentum inhaltlich zu bestimmen, rekurriert also nicht etwa auf die grundrechtsimmanenten Schranken750, sondern bezieht seine Sinnstiftung und Rechtfertigung aus der Notwendigkeit einer näheren Bestimmung des äußerst offenen Verfassungsbegriffs751 des Eigentums; unabhängig davon, dass in die materiale Füllung eines offenen Verfassungsbegriffs stets die aktuelle gesellschafts-, wirtschafts- und sozialpolitische Lage752 einzufließen hat, weisen die Güter, auf die sich das Eigentum bezieht, etliche Besonderheiten – „Eigentümlichkeiten“753 – auf.

Schachtschneider, Res publica res populi, S. 331, 342, 441 ff., 460 (m. zahlr. Hinw. in Fn. 86), 478 ff., 831 ff., 978 ff., 990 ff., ab; sinngemäß auch ders., Freiheit in der Republik, 6. Kap. u. ö. 747 Vgl. etwa BVerfGE 58, 300 (348). 748 Siehe dazu unten. 749 Zum Willkürverbot allgemein K. A. Schachtschneider, Prinzipien des Rechtsstaates, S. 365 ff.; ders., Res publica res populi, S. 990 ff., auch S. 410 ff. 750 Zu den immanenten Schranken grundsätzlich BVerfGE 14, 263 (277). 751 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 1023 f. (Zitat S. 1024): „Eigentum im Sinne des Art. 14 Abs. 1 GG ist ein variabler und dynamischer Verfassungsbegriff.“ 752 Vgl. zur lagemäßigen gesetzlichen Verwirklichung BVerfGE 52, 1 (29 ff.); siehe auch P. Badura, Eigentum, in: HVerfR, S. 328 ff.; ähnlich, wenn auch im Endergebnis divergierend D. Ehlers, Eigentumsschutz, Sozialbindung und Enteignung, VVDStRL 51 (1992), S. 216; O. Kimminich, in: BK, GG, Art. 14, Rn. 168 ff. („Situationsgebundenheit“). 753 So pointiert W. Leisner, Eigentum, in: HStR, Bd. VI, § 149, Rn. 65.

1. Kap.: Eigenes und Eigentum

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Wenigstens unter der Prämisse eines engeren Eigentumsverständnisses scheint Eigentum auf den ersten Blick nicht an allen Gütern möglich zu sein, präsentieren sich nicht alle Güter evident eigentumsfähig. Als unproblematisch und eingängig erweist sich Eigentum als Sacheigentum an beweglichen Gütern. Schwieriger gestaltet sich eine genaue Bestimmung des Eigentums an sog. „abgrenzungsbedürftigen“ Gütern, vornehmlich am Grundeigentum, wo der Gesetzgeber zwar das Eigentumsrecht per se vorgegeben hat, zumindest für die lebenspraktische Handhabbarkeit aber Abgrenzungen schaffen muss, um die (rechtstechnische) Eigentumsfähigkeit derartiger Güter herzustellen754. Grenzziehungen, Grundbucheinträge u. ä. bilden die rechtlichen Grundlagen dieses Eigentums. Andere Güter, vornehmlich immaterielle Güter, entziehen sich im ersten Anschein, oftmals mangels Körperlichkeit, der Eigentumsfähigkeit gänzlich755 – man denke an Forderungen, aber auch an Patente, Warenzeichen oder ähnliche Rechte756. Gerade für derartige Güter erfordert die Qualifizierung als Eigentum, auch mit Blick auf die daraus abzuleitende Schützbarkeit, eine adäquate gesetzliche Ausgestaltung; hier muss der Gesetzgeber „inhaltsbestimmend“ aktiv werden, um derartiges Eigentum überhaupt in der Rechtsordnung zu verankern757. Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund erschließt sich die Aufgabe, ja die Pflicht des Gesetzgebers zur Inhaltsbestimmung, zur gesetzlichen Ausfüllung des an sich formalen Eigentumsbegriffs, die Walter Leisner – übrigens deutlich republikanisch geprägt – formuliert hat: „,Inhalt und Schranken des Eigentums‘ zu bestimmen – das ist mehr eine Pflicht als ein Recht des Gesetzgebers: Er muss optimale rechtliche Möglichkeiten der privaten Nutzbarkeit aller Güter schaffen, er ist nicht ihr globalsozialisierender Herr.“758

3. Das Essentielle des Eigentums Aller Pflichtigkeit zum Trotz kann der Gesetzgeber den Inhalt des Eigentums nicht beliebig, ja willkürlich festlegen, ist nicht „Herr der Eigentumsinhalte“759. 754 Zur Bedeutung der Abgrenzung für die Ausgestaltung von Eigentumsrechten vgl. BVerfGE 24, 367 (388 ff.); auch BVerfGE 58, 300 (339). 755 Dies trifft natürlich in besonderem Maße bei einem material ausgerichteten Eigentumsverständnis zu, während bei Heranziehung eines formalen, republikanisch orientierten Eigentumsbegriffes dem Bürger auch immaterielle Güter „zueigen“ sein können. 756 Nach republikanischer Dogmatik deutet bereits die Rechtshaftigkeit die Eigentumsfähigkeit an; gleichwohl bedarf es auch in diesem Verständnis einer rechtlichen Ausgestaltung, um Eigentumscharakter erlangen zu können. Vgl. hierzu K. A. Schachtschneider, Das Recht am und das Recht auf Eigentum, in: FS W. Leisner, S. 749 f. 757 Vgl. ausführlicher W. Leisner, Eigentum, in: HStR, Bd. VI, § 149, Rn. 67 ff. 758 Eigentum, in: HStR, Bd. VI, § 149, Rn. 71. 759 Siehe W. Leisner, Eigentum, in: HStR, § 149, Rn. 60 f. (Zitat Rn. 60).

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5. Teil: Eigentum in der Republik

Vornehmlich die mit der Eigentumsdefinition untrennbar verknüpfte Gewährleistung des Eigentums, wie sie Art. 14 Abs. 1 GG vorsieht, würde gänzlich leerlaufen760, wenn der Eigentumsgegenstand uneingeschränkt zur Disposition des Gesetzgebers stünde761. Vielmehr unterliegt der Gesetzgeber bei der Inhaltsund Schrankenbestimmung des Eigentums einigen grundlegenden Vorgaben. So darf er nur Regelungen treffen, die den „Kern der Eigentumsgarantie“, den „Inbegriff des Eigentums“, den „grundlegenden Gehalt der Eigentumsgarantie“ nicht missachten, die es erlauben, noch vom Eigentum zu sprechen762. Der Gesetzgeber hat die Wertentscheidung für das Eigentum763, die objektive Leitentscheidung des Grundgesetzes für das Eigentum764, zu respektieren, der zufolge das Eigentum grundsätzlich als Element der Privatheit akzeptiert wird765. Ebenso hat der Gesetzgeber bei der Inhaltsfindung der Tatsache Rechnung zu tragen, dass sich das Eigentum durch Privatnützigkeit wie auch durch Sozialpflichtigkeit definiert766. Bei der Festlegung von Inhalt und auch Schran760 Der Extremfall der völligen „Inhaltslosigkeit“ des Eigentums könnte faktisch einer Enteignung gleichkommen. Zur Unterscheidung von verfassungswidriger Inhaltsbestimmung und Enteignung vgl. aber näher BVerfGE 52, 1 (27 f.); 58, 300 (320); 79, 174 (192); 100, 226 (240); 102, 1 (15). 761 Allgemein zum „Leerlaufargument“, das jedenfalls ohne die objektive Dimension der Grundrechte berechtigt wäre, C. Schmitt, Grundrechte und Grundpflichten, 1932, in: ders., Verfassungsrechtliche Aufsätze von den Jahren 1924–1954, 1958, S. 191 ff.; ders., Freiheitsrechte und institutionelle Garantien der Reichsverfassung, 1931, ebenda, S. 140 f.; dazu K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 819 ff. (insb. S. 824, 857 f.). 762 BVerfGE 21, 73 (79 f., 82 f.); 24, 367 (389 f.); 42, 263 (295); 45, 142 (173); 45, 272 (296); 50, 290 (341); 52, 1 (30); 83, 201 (208 f.); zum Thema W. Leisner, Eigentum, in: HStR, Bd. VI, § 149, Rn. 16 ff.; auch K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 1024; ebenso ders., Das Recht am und das Recht auf Eigentum, in: FS W. Leisner, S. 764 ff.; vgl. außerdem O. Kimminich, in: BK, GG, Art. 14, Rn. 23, 147. 763 Grundlegend zur Wertentscheidung des Grundgesetzes zugunsten des Privateigentums bereits BVerfGE 1, 264 (276); 4, 219 (240); außerdem BVerfGE 14, 263 (277); 18, 121 (132); 37, 132 (140); 58, 300 (382); 62, 169 (183); 102, 1 (15); W. Leisner, Eigentum, in: HStR, Bd. VI, § 149, Rn. 19 ff. 764 Vgl. K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 845, 1023 ff. 765 Vgl. K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 1023 ff.; ders., Das Recht am und das Recht auf Eigentum, in: FS W. Leisner, S. 744 ff., 780 ff.; ders., Freiheit in der Republik, S. 309 ff., 355 ff.; zur Bedeutung des Eigentums für das Privatheitsprinzip ders., Res publica res populi, S. 370 ff. (386 ff.); ders., Freiheit in der Republik, 8. Kap., III., IV., auch 10. Kap., I.; ders., Der Anspruch auf materiale Privatisierung, S. 67 ff., 78 f.; gemeinschaftsrechtlich A. Emmerich-Fritsche, Privatheitsprinzip des Binnenmarktes, EWS 2001, S. 365 ff.; siehe auch 3. Teil, 2. Kap., III., V., 3. Kap., II. 766 Vgl. dazu grundlegend BVerfGE 61, 82 (108 f.); W. Leisner, Eigentum, in: HStR, Bd. VI, § 149, passim; ders., Das Eigentum Privater – Grundpfeiler der sozialen Marktwirtschaft, 1994, in: J. Isensee (Hrsg.), Eigentum, Schriften zu Eigentumsgrundrecht und Wirtschaftsverfassung 1970–1996, 1996, S. 712 ff.; ders., Das Eigentum Privater – Vertragsfreiheit und Sozialbindung, ebenda, S. 180 ff., 184 ff.; K. A.

1. Kap.: Eigenes und Eigentum

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ken des Eigentums hat der Gesetzgeber immer die grundlegenden Prinzipien der freiheitlich-gleichheitlich-brüderlichen Republik767, der Verfassung und des Verfassungsgesetzes768 zu achten, da er nur auf diesem Wege zu gesetzlichen, damit praktisch vernünftigen und gerechten Eigentumsinhalten gelangt, gelangen kann. Inhalt und Schranken dürfen nie in einer Art und Weise bestimmt werden, die sachwidrig ist und die Interessen der Beteiligten übermäßig tangiert769; diese äußerste Grenze aller freiheitlichen Gesetzgebung betrifft auch und besonders das Eigentum als materiale Substanz bürgerlichen Lebens. Die allgemeine Gesetzlichkeit des Eigentums erfordert eine Wahrung des Prinzips des rechten Maßes, praktiziert als Verhältnismäßigkeitsprinzip770, und „des Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG“771, also wiederum das rechte Maß772. Überdies hat „der Gesetzgeber . . . die schutzwürdigen Interessen der Beteiligten in einen gerechten Ausgleich und in ein ausgewogenes Verhältnis zu bringen“773. Auch dem Wohl der Allgemeinheit, das nicht nur Grund, „sondern auch Grenze für Schachtschneider, Res publica res populi, S. 1023 ff.; ders., Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 277 ff.; ders., Das Recht am Eigentum und das Recht auf Eigentum, in: FS W. Leisner, passim; unter besonderer Berücksichtigung der Relation von Eigentum und Besteuerung BVerfGE 93, 121 (138); dazu stv. für viele W. Leisner, Steuer- und Eigentumswende – die Einheitswert-Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts, NJW 1995, S. 2591 ff.; hierzu nochmals im 6. Teil, insb. 3. Kap., IV., 6. 767 Die Prinzipien der Republik legt K. A. Schachtschneider in seinem Werk Res publica res populi ausführlich dar (s. vor allem die Hinw. auf S. 1, Fn. 1); grundlegend auch ders., Freiheit in der Republik, 1. Kap., 3. Kap. u. ö.; für einen Überblick z. B. ders., Republikanische Freiheit, in: FS M. Kriele, S. 829 ff. 768 So BVerfGE 102, 1 (17). 769 Vgl. hierzu BVerfG 14, 263 (278); 18, 121 (132); 21, 150 (155). 770 Zum Verhältnismäßigkeitsprinzip allgemein etwa BVerfGE 7, 377 (405 f.); 17, 306 (313); 19, 342 (348 f.); 21, 1 (8); 27, 344 (350 f.); 38, 281 (298); 69, 315 (354); 91, 389 (401); st. Rspr.; C. Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 2 Abs. 1, Rn. 19; grundlegend P. Lerche, Übermaß und Verfassungsrecht, 1961, S. 134 ff. u. ö.; ders., Grundrechtsschranken, in: HStR, Bd. V, § 122, Rn. 16 f.; P. Kirchhof, Der allgemeine Gleichheitssatz, in: HStR, Bd. V, § 124, Rn. 235 ff., 253 f.; K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 362 f., 978 ff.; ders., Prinzipien des Rechtsstaates, S. 375 ff., 380 ff., 389 ff.; K. Stern (unter Mitarbeit von M. Sachs), Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. III, Allgemeine Lehren der Grundrechte, 2. Halbband, 1994, S. 762 ff.; ergänzend z. B. auch E. Grabitz, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, AöR 98 (1973), S. 568 ff.; R. Wendt, Der Garantiegehalt der Grundrechte und das Übermaßverbot, AöR 104 (1979), S. 414 ff.; umfassend A. Emmerich-Fritsche, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, 2000, insb. S. 50 ff., 140 ff. 771 BVerfGE 102, 1 (17). 772 So K. A. Schachtschneider, Umsatzbesteuerung der Mineralölsteuer, S. 35 ff. (steuerspezifisch); zur praktischen Bedeutung dieses Prinzips für das Eigentum vgl. BVerfGE 7, 377 (405 f.); 17, 306 (313 f.); 19, 342 (348 f.); 24, 367 (404); 27, 344 (350 ff.); 38, 281 (298); 42, 212 (220); 43, 242 (298); 51, 97 (113); 61, 126 (134); 69, 315 (354); 76, 1 (50 f.); 77, 308 (334); 81, 310 (338); st. Rspr. 773 BVerfGE 102, 1 (17); auch BVerfGE 100, 226 (240); dazu K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 617 ff.

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5. Teil: Eigentum in der Republik

die Beschränkung des Eigentümers“774 ist, ist der Gesetzgeber bei der Findung von Inhalt und Schranken des Eigentums verpflichtet. Das Verfassungsgericht hat die zahlreichen Vorgaben für den Eigentumsgesetzgeber auch immer wieder deutlich gemacht, wie z. B. im „Feldmühle“-Urteil des Ersten Senats vom 7. August 1962775: „Es ist jedoch selbstverständlich, dass jede gesetzliche Inhalts- und Schrankenbestimmung sowohl die grundlegende Wertentscheidung des Grundgesetzes zugunsten des Privateigentums im herkömmlichen Sinne . . . zu beachten hat als auch mit allen übrigen Verfassungsnormen in Einklang stehen muss, also insbesondere dem Gleichheitssatz, dem Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und den Prinzipien der Rechts- und Sozialstaatlichkeit.“

Auch der Zweite Senat hat diese Bindungen des Gesetzgebers bei der Wahrnehmung seiner Pflicht zur inhaltlichen Fixierung des Eigentums wiederholt dargelegt, so in seiner Entscheidung zur „Zweckentfremdung von Wohnraum“ vom 4. Februar 1975776: „Der Gesetzgeber muss bei der Wahrnehmung seines Auftrags, den Inhalt und die Schranken des Eigentums zu bestimmen, sowohl die grundgesetzliche Anerkennung des Privateigentums durch den Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG als auch das Sozialgebot des Art. 14 Abs. 2 GG beachten und sich in Einklang mit allen anderen Verfassungsnormen halten, insbesondere ist er an den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebunden.“

Als bemerkenswert ist überdies der – in Zusammenhang mit der sogenannten Institutsgarantie777 – wiederholt ergangene Hinweis des Bundesverfassungsgerichts auf mögliche Inhaltsgrößen des Eigentums einzustufen. Ohne einer durch den Gesetzgeber durchzuführenden Materialisierung des Eigentumsrechts vorzugreifen, macht das Gericht doch deutlich, was dem Wesen des Eigentums nach zwingend zu den Eigentumsinhalten zu gehören hat, was in einer gesetzlichen Eigentumsordnung inhaltlich zu bestimmen und somit für eine grundsätzliche Gewährleistungsmöglichkeit zu öffnen ist. Gleichzeitig die begriffsimmanente Nähe von Eigentum und Vermögen andeutend, untersagt das Verfassungsgericht778, „dass solche Sachbereiche der Privatrechtsordnung entzogen werden, die zum elementaren Bestand grundrechtlich geschützter Betätigung im vermögensrechtlichen Bereich gehören.“ 774 BVerfGE 102, 1 (17); i. d. S. auch BVerfGE 25, 112 (118); 50, 290 (340); 100, 226 (241). 775 BVerfGE 14, 263 (277 f.). 776 BVerfGE 38, 348 (370); vgl. auch BVerfGE 31, 299 (240); 34, 139 (146); 52, 1 (27, 29 f.). 777 Zur Gewährleistung des Privateigentums als Rechtseinrichtung BVerfGE 20, 351 (355); 24, 367 (389). 778 BVerfGE 58, 300 (339).

1. Kap.: Eigenes und Eigentum

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Im Ergebnis zeigt dieser Überblick über die grundgesetzlich verankerten Maßgaben zur Bestimmung von Inhalt und Schranken, dass das Grundgesetz die letzte Entscheidung über den Begriff des Eigentums, damit auch über die Ordnung des Eigentums, dem Bundesverfassungsgericht überträgt779, das als dem Recht verpflichteter Interessenwahrer der Bürgerschaft gegebenenfalls das Eigentum gegen den Gesetzgeber zu verteidigen hat780. Zu den – oftmals allzu begehrlichen – Eigentumsgesetzgebern, dem das Verfassungsgericht in der Vergangenheit allerdings nicht immer Einhalt zu gebieten wusste781, zählt mit steter Regelmäßigkeit der Steuergesetzgeber, der mit all seinen steuerlich relevanten Gesetzen wenigstens mittelbar Inhalt, vor allem aber Schranken des Eigentums festzulegen scheint782. Dem gegenüber steht das Bundesverfassungsgericht, das zumindest die Eckpunkte der gesetzgeberischen Inhalts- und Schrankenbestimmung fixiert und so ein Entgleiten der Eigentumsgesetzgebung zu verhindern sucht. Schließlich stehen die Gesetze, auch die Steuergesetze, nicht etwa zur alleinigen Disposition des in praxi oftmals von parteipolitischen Interessenlagen und ähnlichen Motivationen geleiteten, also nicht mehr allein den Gemeinschaftsinteressen verpflichteten Gesetzgebers783, sondern sollen als allgemeine Gesetze den vereinten Willen der republikanischen Bürgerschaft und deren am Gemeinwohl ausgerichtete Motivation zum Ausdruck bringen784; darüber hat im gewaltenteiligen Staat785 das Verfassungsgericht zu wachen786. 779 Dass das Gericht diesen Auftrag, dem Eigentumsgesetzgeber Schranken zu ziehen, annimmt, spiegelt die immer wieder zu findende Aussage wider, dass „bei der Begrenzung von Eigentümerbefugnissen . . . dem Gesetzgeber – wie das Bundesverfassungsgericht mehrfach ausgesprochen hat – Schranken gezogen“ sind, so z. B. BVerfGE 58, 300 (388). 780 Vgl. K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S.1023 f.; dazu ausführlicher O. Kimminich, in: BK, GG, Art. 14, Rn. 23, 147. 781 Dazu umfassend im 6. Teil, 3. Kap. 782 So deutlich statt vieler B.-O. Bryde, in: von Münch/Kunig, GG, Art. 14, Rn. 66 („Die Steuerzahlung ist eine vom GG vorausgesetzte Grundpflicht, die Belastung der Eigentümer mit Abgaben daher regelmäßig zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung“). Die auf den ersten Blick nahezu obsolete Frage, ob die Steuer eine Schranke des Eigentumsrechts oder einen Eingriff in das Eigentum bedeutet, bedarf einer näheren Erörterung, nicht zuletzt vor dem Hintergrund einer höchstrichterlichen Rechtsprechung, die über viele Jahre Eigentum und Steuerzugriff strikt zu trennen wusste. Hierzu 6. Teil, 2. Kap., I., 3. Kap., I. 783 Eine grundlegende Kritik des Parteienstaates findet sich bei K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 1045 ff., 1080 ff. („Parteilichkeit ist der Widerspruch zur allgemeinen Freiheit und damit zum Rechtsprinzip der Gesetzlichkeit“, Zitat S. 1083), 1131 ff.; auch ders., Prinzipien des Rechtsstaates, S. 41 f. Zu den praktischen Konsequenzen der Parteienoligarchie auf europäischer Ebene ders., Demokratiedefizite in der Europäischen Union, in: W. Nölling/K. A. Schachtschneider/J. Starbatty (Hrsg.), Währungsunion und Weltwirtschaft, Festschrift für Wilhelm Hankel zum 70. Geburtstag, 1999, S. 119 ff. 784 Die Bedeutung des allgemeinen Willens des Volkes, des Willens aller Bürger i. S. d. volonté générale erläutert K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 14 ff., 230 ff., 279 ff., 519 ff., 637 ff., 863 ff., 867 ff.; ders., Freiheit in der Republik, passim.

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5. Teil: Eigentum in der Republik

4. Gesetzliches Eigentum als gerechtes Eigentum Nicht nur den Inhalt dessen, was Eigentum ist, also die Materie des Eigentumsrechts, und die Schranken dieses Eigentums regeln die Gesetze, sondern sie gewährleisten auch – wie noch zu zeigen sein wird787 – das Eigentum und schaffen eine Ordnung des rechtlichen Mein und Dein, eine Ordnung des Eigentums. Eine solche Ordnung lässt sich, der Konzeption der auf das Recht gründenden Republik entsprechend, vom allgemeinen Gesetz ebenso wenig lösen wie das Eigentum per se788. Zwar können sich Menschen Handlungsmöglichkeiten, also Eigenes im weiteren Sinne, auch außerhalb des Gesetzes aneignen, aber den Schutz des Staates, besser: den Schutz des Gesetzesstaates, können diese willkürlichen und somit freiheitswidrigen Zueignungen nicht für sich reklamieren789. Nur das Mein und Dein, welches den Gesetzen gemäß erworben wurde, erfüllt die Anforderung der Gesetzlichkeit, kann somit gesetzmäßiges Eigentum – ja überhaupt Eigentum – sein790. Nachdem das rechtlich Eigene, das Eigentum eben, nicht auf den individuellen Bürger reduziert werden kann, sondern in seinen Auswirkungen stets auch Dritte tangiert, letztlich die gesamte Bürgerschaft tangieren kann, erfordert dies konsequenterweise eine Ordnung des Eigentums in der und für die bürgerliche Gemeinschaft; diese Eigentumsordnung aber kann – nicht allein wegen der Gesetzlichkeit des Eigentums, sondern auch wegen des republikanischen Gesetzesprinzips791 – nur in allgemeinen Gesetzen geschaffen werden. 785 Vgl. BVerfGE 2, 1 (13); 3, 225 (247); 5, 85 (140); 18, 52 (59); 22, 106 (111); 49, 89 (124 ff.); 61, 1 (86 f.). 786 Wenn Gesetze gegen höherrangiges Recht verstoßen, hat das Bundesverfassungsgericht diese Rechtsverletzung festzustellen und anschließend über die Rechtsfolgen seiner Entscheidung zu befinden. Zu den Rechtsfolgen im Einzelnen K. A. Schachtschneider, Prinzipien des Rechtsstaates, S. 272 ff. 787 Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG weist expressis verbis auf eine Gewährleistung des Eigentums hin, nicht aber auf dessen Schutz; unabhängig davon, dass ein Schutz von Eigentum und Eigentümer eher der Diktion des Liberalismus entlehnt sein könnte, muss in der Sache grundsätzlich zunächst zwischen Gewährleistung und Schutz differenziert werden, wie K. A. Schachtschneider, Das Recht auf und das Recht am Eigentum, in: FS W. Leisner, S. 753 f. ausführt. A. A. wohl P. Badura, Eigentum, in: HVerfR, S. 341 ff.; O. Kimminich, in: BK, GG, Art. 14, Rn. 100 ff.; H.-J. Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 14, Rn. 3 ff.; sinngemäß auch W. Leisner, Eigentum, in: HStR, Bd. VI, § 149, Rn. 4 ff. 788 Dazu z. B. O. Kimminich, in: BK, GG, Art. 14, Rn. 22 („Die Ausformung des Eigentumsbegriffs durch die Gesetzgebung . . . und der Konkretisierung der Sozialbindung . . . gehören wesensgemäß zum Eigentumsbegriff.“); weniger klar D. Ehlers, Eigentumsschutz, Sozialbindung und Enteignung, VVDStRL 51 (1992), S. 214. 789 So etwa K. A. Schachtschneider, Das Recht am und das Recht auf Eigentum, in: FS W. Leisner, S. 747 ff., 751 ff. 790 Siehe dazu oben. 791 Das Gesetzesprinzip der Republik erläutert K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 357, 904 ff. (m. zahlr. Hinw.).

1. Kap.: Eigenes und Eigentum

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Allein die Inhalts- und Schrankenbestimmung impliziert eine ordnende Gestaltung des Eigentums, wird doch mit der Fixierung des Eigentumsinhalts stets nicht nur geregelt, was Eigentum für den Einzelnen ist, sondern auch was Eigentum in all seinen Konsequenzen für das Gemeinwesen ist. Eigentum, sei es nun in einem weiteren oder engeren Sinne verstanden, schließt Dritte von Möglichkeiten des Handelns und Lebens aus; insofern scheinen Konflikte divergierender Interessen vorprogrammiert. Angesichts der Auswirkungen auf andere ist Eigentum und dessen Gewährleistung ohne interessenausgleichende Verteilung der Handlungsmöglichkeiten nicht denkbar. Bereits die gesetzliche Sicherung des jeweiligen Besitzstandes wirkt verteilend, ja zuteilend, vermeintlich konfliktträchtig. Eine auf allgemeinen Gesetzen basierende Ordnung des Eigentums, die sich aus obigen Gründen nicht in einer isoliert betrachteten Definition des Eigentums erschöpfen darf, sondern ob dessen Sozialität immer auch die Zuteilungs- und Verteilungskomponente zu berücksichtigen hat, soll und kann dem entgegenwirken; denn: „Der Interessenausgleich ist die Logik der Materialität von Gesetzen.“ (Karl Albrecht Schachtschneider)792

Der konsensuale Ausgleich zwischen individuellen und gemeinschaftlichen Interessenpositionen findet qua legibus statt; denn Gesetze finden nur dann allgemeine Zustimmung, wenn das Interesse aller am guten Leben in Freiheit verwirklicht wird, wenn eben die unterschiedlichen Maximen des persönlichen Handelns in Einklang gebracht werden. Schließlich wird die Bürgerschaft, repräsentiert durch die Vertreter des ganzen Volkes in dem Gesetzgebungsorgan793, nur dann Möglichkeiten des Lebens und des Handelns als Eigentum sichern, also in allgemeinen (Eigentums-)Gesetzen verankern, wenn diesem Eigenen und dessen Innehabung und Nutzung weder praktisch vernünftige, gesetzliche, also „gute“ Gründe des privaten Eigentümers noch irgendwelche Kollektivinteressen der Bürgerschaft entgegenstehen. Immerhin sind die Bürger, die nach dem guten Leben, nach ihrem individuellen Glück also streben dürfen794, nicht verpflichtet, nachteiligeren Gesetzen beizupflichten. Folglich müssen sie auch in Gesetze nicht einwilligen, die grundlos, also willkürlich unterscheiden, mithin auch das Eigene grundlos unterscheiden und das Eigentum willkürlich zuteilen795, die also letztlich die Verteilungsfrage nicht gesetzlich 792 Das Recht am und das Recht auf Eigentum, in: FS W. Leisner, S. 761; ergänzend K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 617 ff.; grundlegend I. Kant, Zum ewigen Frieden, S. 250 f.; auch ders., Kritik der praktischen Vernunft, S. 146. 793 Dazu K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 637 ff. (insb. S. 707 ff.). 794 I. Kant, Metaphysik der Sitten, S. 515 ff.; ders., Zum ewigen Frieden, S. 250; ders., Über den Gemeinspruch, S. 144; D. Sternberger, Das Menschenrecht nach Glück zu streben, in: ders., Ich wünschte ein Bürger zu sein, S. 131 ff. Zum Recht des Menschen, sein Glück zu suchen, bereits im 3. Teil, 1. Kap., I. 795 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 978 ff., 990 ff., auch S. 410 ff.; ders. (unter Mitarbeit von O. Gast), Sozialistische Schulden nach der Revo-

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5. Teil: Eigentum in der Republik

und gleichheitlich, schlussendlich gerecht zu lösen vermögen. Eine wie auch immer geartete Verteilung der Handlungsmöglichkeiten aber ist unabdingbar, da das Eigene des Bürgers, notwendigerweise auch sein Eigentum, immer sozial, damit „gemeinschaftsbezogen und gemeinschaftsgebunden“796 ist. Die Frage der Eigentumsordnung, damit auch die Frage der – gerechten – Verteilung wird wohl nie abschließend beantwortet werden können, aber wenigstens für Momentaufnahmen der Verteilungsdiskussion liefert die allgemeine Gesetzlichkeit des Eigentums nicht nur wichtige Anhaltspunkte, sondern offeriert zugleich einen (prozeduralen) Mechanismus zum Ausgleich divergierender Interessenlagen bei der Zu- und Verteilung des gesetzlichen Eigenen; denn: „Der Prozeduralismus bewahrt die bestmögliche materiale Gerechtigkeit in der Republik.“ (Karl Albrecht Schachtschneider)797

Diesen Ausgleichsprozess leisten also die Gesetze in ihrer Allgemeinheit. Die Bürger, die durch die Gleichheit in der Freiheit und damit durch ihre Gesetzgeberschaft definiert sind798, regeln als dieser freiheitliche Gesetzgeber in allgemeinen Gesetzen das Eigentum und legen dadurch nicht nur fest, was Eigentum ist, sondern stecken, basierend auf der Frage nach dem Begriff des Eigentums, die Eckpunkte einer gesetzlichen Eigentumsordnung, letzten Endes einer verteilenden Ordnung, ab. Eine solche Ordnung darf nicht etwa als gleichmachende, nivellierende, das Eigene undifferenziert auf alle verteilende Ordnung missverstanden werden799. Vielmehr ist unter der Prämisse der Gesetzlichkeit dieser lution, S. 94 ff.; zum Willkürverbot etwa BVerfGE 3, 58 (135 f.); 4, 144 (155); 9, 124 (129 f.); 50, 177 (186); 51, 295 (300 f.); 55, 72 (90); 57, 107 (115); 60, 16 (42); 71, 202 (205); 76, 256 (329); 88, 87 (97); 91, 389 (401); st. Rspr.; C. Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 3 Abs. 1, Rn. 10, 11, 12 ff.; grundlegend G. Dürig, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 3 Abs. I, Rn. 303 ff., insb. Rn. 333 ff.; P. Kirchhof, Der allgemeine Gleichheitssatz, in: HStR, Bd. V, § 124, Rn. 25, 86 ff., 236 ff.; R. Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 357 ff., 364 ff. 796 BVerfGE 4, 7 (15 f.); 12, 45 (51); 27, 1 (7); 30, 173 (193); 32, 98 (108); 33, 303 (334); 45, 187 (227); 50, 166 (175); zu dieser sozialen Bindung des Eigentums u. a. W. Leisner, Sozialbindung des Eigentums, passim; ders., Eigentum, in: HStR, Bd. IV, § 149, Rn. 133 ff.; ders., Sozialbindung des Eigentums nach privatem und öffentlichem Recht. Privates Nachbarrecht als Hilfsmittel zur Bestimmung der „Enteignungsschwelle“, in: Eigentum, S. 507 ff.; ders., Das Eigentum Privater – Vertragsfreiheit und Sozialbindung, ebenda, S. 180 ff.; G. Dürig, Eigentum als Menschenrecht, ZfgesStW 109 (1953), S. 344 ff.; i. d. S. auch BVerfGE 42, 263 (294); 50, 290 (340); 52, 1 (29); 53, 257 (291 ff.); st. Rspr. 797 Das Recht am und das Recht auf Eigentum, in: FS W. Leisner, S. 764; hierzu allg. R. Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 71 ff., 445, 493 ff.; auch K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 560 ff., 584 ff. 798 Siehe hierzu grundlegend I. Kant, Über den Gemeinspruch, S. 150 f.; erläuternd K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 1 ff., 14 ff., 23 ff., 211 ff. 799 Allgemein gegen das Missverständnis, republikanische Gleichheit zwischen allen Bürgern würde zu einer Nivellierung zwischen den in ihrer Menschheit unterschiedlichen Bürgern auffordern, sei diese nun formal oder material zu interpretieren, K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 245 f.

1. Kap.: Eigenes und Eigentum

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Ordnung eine unterschiedliche Verteilung des Eigentums, der Güter des Eigentums allemal zulässig, ja sogar notwendig. Sie bedarf lediglich, dem allgemeinen, aus der Freiheit aller folgenden Gleichheitsprinzip gemäß800, einer Rechtfertigung durch besondere Gründe801. Dies alles gestaltet die gesetzgebende Bürgerschaft näher in Gesetzen, auf die sie sich verständigt hat oder zu verständigen hat802; die Allgemeinheit dieser Gesetze stellt den notwendigen Interessenkonsens sicher. Die Gesetze, auch die Steuergesetze, haben nicht nur die allseitige Schutzzusage unter den in ihrer Freiheit gleichen Bürgern für das jeweils Eigene zu treffen, sondern zugleich die allgemeine, damit gerechte Verteilung der Möglichkeiten des Lebens und Handelns zu leisten803. Die notwendige Gesetzlichkeit des Eigentums erschöpft sich also nicht in einer Inhaltsbestimmung; denn in dem gesetzlichen Eigentum ist die gerechte Eigentumsverteilung, die die zahlreichen Interessen in der Bürgergemeinschaft, im Staat also, in Einklang bringt, bereits systemisch angelegt. III. Eigentum als „vermögenswertes“ Recht Das Recht verwirklicht der Staat, der das Eigene schützt und letztlich, seiner staatlichen Gesetzlichkeit entspringend, Eigentum begründet804. Nachdem nicht nur Dinge, also Sachen das Eigene des Menschen ausmachen, sondern ebenso die Summe seiner Möglichkeiten, seine Handlungen oder gar seine Erwartungen an andere, dürften auch die eigentumsgründenden Rechte dogmatisch nicht enger gefasst werden: „Eigentum im weiteren Sinne sind nämlich die durch allgemeine Gesetze begründeten materialen Rechte des Lebens und des Handelns, Rechte an Handlungen anderer Menschen, Rechte an Sachen, Rechte an Gegenständen aller Art.“ (Karl Albrecht Schachtschneider)805

800 Vgl. I. Kant, Metaphysik der Sitten, S. 345 f.; K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 410 ff.; ders., Freiheit in der Republik, S. 212 ff. 801 Insbesondere das Leistungsprinzip rechtfertigt eine ungleiche Verteilung des Eigentums; vgl. K. A. Schachtschneider, Das Recht am und das Recht auf Eigentum, in: FS W. Leisner, S. 760; i. d. S. auch D. Suhr, Eigentumsinstitut und Aktieneigentum. S. 75. 802 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 617 ff. 803 So K. A. Schachtschneider, Das Recht am und das Recht auf Eigentum, in: FS W. Leisner, S. 764, auch S. 755. 804 Die immer wieder aufgeworfene Frage nach einer möglichen Differenzierung zwischen einer Gewährleistungs- und einer Schutzfunktion des Art. 14 GG dürfte, wie im Folgenden zu zeigen sein wird, eher begrifflicher Natur sein. 805 Das Recht am und das Recht auf Eigentum, in. FS W. Leisner, S. 753; eine Orientierung des Eigentums an künftigen Möglichkeiten findet sich, wenn auch in größerer Nähe zur liberalen Lehre, bei W. Leisner, Eigentum – Grundlage der Freiheit, in: Eigentum, S. 21 ff.

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5. Teil: Eigentum in der Republik

Alles Eigene ist Eigentum, wenn und insoweit es als Recht, als Eigentumsrecht, durch den Staat geschützt wird806; ansonsten wird das Eigene durch andere eigentumshafte Rechte geschützt807. In jedem Fall kann Eigentum nicht Sache sein, sondern muss Recht sein. Aber auch das auf das sachenrechtliche Eigentum i. S. d. § 903 BGB reduzierte Eigentumsverständnis des Bürgerlichen Gesetzes, das Eigentum als privates Recht, als Recht des Privaten annimmt, trägt der Lebenswirklichkeit nur bedingt Rechnung808. Eigentum in seiner wirtschaftlichen und politischen Dimension weist Güter und deren Ertrag zu; eine solche rechtliche Ordnung des Eigentums, der Güterzu- und -verteilung erfasst der sachenrechtliche Begriff des Eigentums nur unzureichend, da Geldforderungen, Aktien, Urheberrechte, private und sozialversicherungsrechtliche Anwartschaften oder Ansprüche und andere vermögenswerte Rechte wirtschaftlich und politisch vergleichbare Bedeutung entfalten wie das Eigentum an Sachen809. Über das sachenrechtliche Eigentum hinausgehend sind wenigstens „alle Werte, welche der Existenzsicherung dienen können, eigentumsfähig“ (W. Leisner)810, zählt zum Eigentum jedes „vermögenswerte Recht“ (P. Badura)811.

806 Völlig zutreffend K. A. Schachtschneider, Das Recht am und das Recht auf Eigentum, in: FS W. Leisner, S. 744 ff. Die grundsätzliche Rechtshaftigkeit des Eigentums betont auch P. Badura, Eigentum, in: HVerfR, S. 328, wenn er – allerdings beschränkt auf das Sacheneigentum – seinen umfassenden Ausführungen im allerersten Satz voranstellt: „Das Eigentum ist ein Recht . . .“. Ähnlich formuliert W. Leisner, Eigentum, in: HStR, Bd. VI, § 149, Rn. 7, ein „Rechts-Eigentum“, konstatiert aber zugleich: „Eigentum ist mehr als Rechtsstaatlichkeit“, Rn. 79. 807 Die Rechte an oder auf Handlungen anderer Menschen als Eigenes des Menschen werden beispielsweise im Ehe- und Familienrecht, im Grundrecht des Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2, im Vertragsrecht, das ebenfalls grundrechtlichen Schutz genießt, in jedem Fall durch Art. 2 Abs. 1 GG, geschützt. Zu letzterem BVerfGE 8, 274 (328); 12, 341 (347); 70, 115 (123); 81, 242 (253 ff.); 89, 48 (61); 89, 214 (232 ff.); siehe auch K. A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 337 ff.; ders., Res publica res populi, S. 404 ff. 808 Zum über das Privatrecht hinausgehenden Verfassungsrechtsbegriff des Eigentum stv. für viele W. Leisner, Eigentum, in: HStR, Bd. VI, § 149, Rn. 72 ff. (m.w. N.). 809 Dafür spricht wohl auch die Verpflichtung des Gesetzgebers zur Inhaltsbestimmung des Eigentums gem. Art. 14 Abs. 2 GG; hätte der Verfassungsgeber nämlich eine Reduktion des Eigentums auf das Sacheigentum im Sinn gehabt, wäre der Auftrag zur inhaltlichen Ausgestaltung des Eigentums, der für das Eigentum an Sachen weitgehend obsolet ist, kaum erforderlich gewesen, so sinngemäß W. Leisner, Eigentum, in: HStR, Bd. VI, § 149, Rn. 71. 810 Eigentum, in: HStR, Bd. VI, § 149, Rn. 93; ders., Eigentum als Existenzsicherung?. Das „soziale Eigentum“ in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, 1986, in: J. Isensee (Hrsg.), Eigentum, Schriften zu Eigentumsgrundrecht und Wirtschaftsverfassung 1970–1996, 1996, S. 52 ff. Der mögliche Umkehrschluss, dass nur Rechte an Dingen, die der Existenzsicherung dienen, eigentumsfähig sind, ist keinesfalls zulässig. Zur Bedeutung des Eigentums für die Existenzsicherung des Bürgers in der Republik näher im 3. Kap., I. 811 Eigentum, in: HVerfR, S. 329. Dagegen statt vieler wohl B.-O. Bryde, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 14, Rn. 23.

1. Kap.: Eigenes und Eigentum

205

Einer solchen Interpretation der Eigentumsrechte i. S. d. Art. 14 GG pflichtet auch die Rechtsprechung trotz ihrer nach wie vor restriktiven Auslegung mit der durchgängigen Deklarierung „vermögenswerter Rechte“ als „Eigentum“ bei. „Das Eigentum ist das wichtigste Rechtsinstitut zur Abgrenzung privater Vermögensbereiche.“

Unter den Eigentumsbegriff werden dabei nicht nur private Rechte subsumiert, also privatrechtliche Ansprüche, sondern bei bestimmten Voraussetzungen auch öffentlich-rechtliche Ansprüche812; denn der Eigentumsschutz „umfasst nicht das Privateigentum, sondern das Eigentum Privater“813. „Im engeren Sinne ist Eigentum die Menge der Rechte am ,vermögenswerten‘ Eigenen, auch am Vermögen insgesamt.“ (Karl Albrecht Schachtschneider)814

Eigentum in diesem engeren Sinne – auf dieses Verständnis konzentriert sich die weitere Untersuchung – sind alle vermögenswerten Rechtspositionen, zumindest die des Privatrechts, in der Hand eines Grundrechtssubjekts815. Jede einzelne, bestehende und einem Inhaber zustehende vermögenswerte Rechtsposition ist Eigentum, ebenso die Menge dieser Rechtspositionen. Das Grundgesetz sichert „das Eigentum“, nicht nur „einzelne Eigentumsrechte“. Getreu dieser Einheitlichkeit in der Eigentumsordnung816 schützt Art. 14 GG nicht etwa ein Bündel von Eigentumsrechten817, sondern ein einheitliches Eigentum, 812 BVerfGE 14, 288 (293); 30, 292 (334); 53, 257 (289 ff.); 58, 81 (112 f.); 69, 272 (300 ff.); 70, 115 (122); 70, 191 (199); 72, 175 (193); 83, 201 (209); 95, 267 (300); 97, 350 (371); st. Rspr.; dazu P. Badura, Eigentum, in: HVerfR, S. 329, 347 ff.; D. Ehlers, Eigentumsschutz, Sozialbindung und Enteignung bei der Nutzung von Boden und Umwelt, VVDStRL 51 (1992), S. 214 f.; O. Kimminich, in: BK, GG, Art. 14, Rn. 31, 55 f.; W. Leisner, Sozialbindung des Eigentums, S. 19 ff.; ders., Eigentum, in: HStR, Bd. VI, § 149, Rn. 3, 85 ff., 119 ff. (m.w. N.); H.-J. Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 14, Rn. 123 ff.; R. Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, 1985, S. 113 ff., noch weitreichender BGHZ (Großer Senat) 6, 270 (278), der „jedes vermögenswerte Recht“, „das ganze Vermögen der Bürger“, der Eigentumsgarantie und dem Eigentumsschutz unterstellen will, „gleichgültig, ob es dem bürgerlichen oder dem öffentlichen Recht“ angehört. 813 W. Leisner, Eigentum, in: HStR, Bd. VI, § 149, Rn. 73. 814 Das Recht am und das Recht auf Eigentum, in: FS W. Leisner, S. 753. 815 BVerfGE 1, 264 (278); 58, 300 (335 f.); 70, 191 (199); 79, 174 (191); 95, 64 (82); 95, 267 (300); summarisch BVerfGE 83, 201 (201 ff.); stv. für viele H.-J. Papier, in Maunz/Dürig, GG, Art. 14, Rn. 55; für einen Überblick auch H. Jarass, in: H. Jarass/B. Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Kommentar, 5. Aufl., 2000, Art. 14, Rn. 6 f. 816 Zur „Einheit der Eigentumsordnung“ stv. für viele W. Leisner, Eigentum, in: HStR, Bd. VI, § 149, Rn. 46 ff. 817 Hinsichtlich gebündelter Eigentumsrechte ließe sich eine Parallele zu den sog. Property Rights der angelsächsischen Rechtsordnung ziehen, wo die „Vielheit der Eigentume“ im Gegensatz zu der in der deutschen Rechtsordnung gebräuchlichen Einheit des Eigentums im Vordergrund steht. Dazu ausführlich etwa P. Häberle, Vielfalt der Property Rights und der verfassungsrechtliche Eigentumsbegriff, AöR 109 (1984), S. 36 ff.

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5. Teil: Eigentum in der Republik

also jede einzelne Rechtsposition, die vom allgemeinen Gesetz als rechtlich, rechtmäßig Eigenes gewährt wird. Infolge der die gesamte Eigentumsdogmatik durchziehenden Einheit des Eigentums gestaltet sich im Grundsatz der Eigentumsschutz einheitlich und wird nicht etwa nach Güterkategorien oder anderen Dimensionen abgestuft. Der rechtliche Schutz des Eigentums in seiner allgemeinen Gesetzlichkeit differenziert nicht Eigentumsgegenstände in Abhängigkeit von ihrer Begründung. Auch „Leistungseigentum“ genießt a priori kein höheres Schutzniveau als andere Rechtspositionen; denn eine besondere Schutzwürdigkeit des Leistungseigentums vermag allenfalls zu bewirken, dass durch eigene Leistung erworbene Güter des Einzelnen bei der Abwägung gegenüber dem allgemeinen Interesse oder den Belangen Dritter besonders hoch zu beurteilen sind, eine Aufwertung des eigentlichen Rechts an eben diesem Eigentum bedeutet es nicht818. Einheit des Eigentums meint auch, dass das zwingend einheitliche Eigentumsrecht an einem Gut nicht in mehrere selbständige Berechtigungen oder mehrere (Teil-)Rechte aufgespalten werden kann. Eigentum verleiht zwar eine Vielzahl einzelner Berechtigungen, so etwa im Zivilrecht das Recht zum Besitz, zur Nutzung, zur Verwaltung, zur Verfügung, zum Erwerb und zum Verkauf. Das sind jedoch nur „Aspekte, Verdeutlichungen von gewissen Seiten des einen Eigentums“819, mithin eines in allgemeinen Gesetzen realisierten einheitlichen Eigentumsrechtes. Die Eigentumshaftigkeit einer Rechtsposition bedingt eine wie auch immer geartete Vermögenswertigkeit820, ohne deren Existenz das Recht Eigentum nur schwer denkbar ist. Dieser Vermögenswert einer Eigentumsposition orientiert sich an dem Wert eines Rechts oder einer Sache, an der ein eigentumsbegründendes Recht besteht. Dieser „Vermögenswert“ einer eigentumsstiftenden Rechtsposition und der damit verbundenen Sache lässt sich nicht einfach dem Eigentum gleichsetzen821, liefert aber Hilfestellungen zu einer materialen Erfassung von Eigentumsrechten. Der vermögenswerte Charakter eines Eigentumsrechts kann auch nicht, einem simplifizierenden Automatismus gleich, ohne weiteres in einen aus der Eigentumsgewährleistung des Art. 14 GG zu deduzierenden Eigentumsschutz des gesamten Vermögens eines Bürgers umgedeutet

818

Dazu W. Leisner, Eigentum, in: HStR, Bd. VI, § 149, Rn. 48, 85 f. W. Leisner, Eigentum, in: HStR, Bd. VI, § 149, Rn. 52. 820 Einen solchen Eigentumsbegriff, der sich an der „Wertkomponente“ einer Rechtsposition orientiert und den sachenrechtlichen Eigentumsbegriff als „zu eng“ ablehnt, verdeutlicht insb. P. Badura, Eigentum, in: HVerfR, S. 329, mit seiner Formulierung: „In einem weiteren Sinn ist „Eigentum“ jedes vermögenswerte Recht.“ 821 Gegen eine rechtliche Gleichsetzung von Eigentum mit dem (wirtschaftlich errechenbaren) Wert eines Rechts oder einer Sache stv. für etliche P. Badura, Eigentum, in: HVerfR, S. 348. 819

1. Kap.: Eigenes und Eigentum

207

werden822; denn Eigentum im verfassungsrechtlichen Sinne ist das subjektive Recht, eben auch das Vermögensrecht, nicht aber einfach nur das (materiale) „Vermögen“ des Einzelnen als Ausdruck seiner gesamten wirtschaftlichen Potenz823. Setzte man Eigentum und Vermögen deckungsgleich, würde man das Eigentum als eigene Rechtspositionen vernachlässigen, das Eigentum von seiner Rechtspositionshaftigkeit entfernen, letztlich dem Eigentum das Rechtliche, seine Rechtlichkeit entziehen. Der inhaltsgebende Gesetzgeber könnte in nahezu grenzenloser Beliebigkeit subjektive Privatrechte aufheben, sie durch andere Rechte ersetzen, andere Inhalte und Schranken setzen, das Eigentum sogar schrankenlos modifizieren, solange für den grundrechtsgeschützten Bürger nur im Ergebnis und dem Wert nach der bisherige Vermögensstatus bestehen bliebe. Dann aber würden nicht nur die einzelnen Eigentumspositionen in ihrer Rechtlichkeit aufgeweicht, sondern auch das grundgesetzlich zu gewährleistende Eigentum auf einen vermögenswerten „(Mindest-)Saldo“ (H.-J. Papier)824 reduziert und somit Eigentum als subjektives Recht des Bürgers degradiert. Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund vermag die immer wieder vorgenommene Reduktion des Eigentumsbegriffs auf geldwertes Vermögen dogmatisch nicht zu überzeugen, und zwar schon deswegen nicht, weil Handlungsmöglichkeiten wie auch Erwartungen an die Handlungen eines anderen im Sinne eines Eigenen825 einen Geldwert haben können. Unter dieser Prämisse der Geldlichkeit kommt der Begriff des Eigentums, in jedem Fall des Eigentums im engeren Sinne, nicht zur Deckung mit einem am allgemeinen Gesetz ausgerichteten Eigentumsverständnis. Dies wird um so deutlicher, wenn man sich vor Augen führt, dass ein Vermögen des Menschen als intelligiblem Wesen die Freiheit als Freiheit zur praktischen (gesetzgebenden) Vernunft ist826, gerade dieses Grundvermögen des Bürgers aber nicht in Geldwerten zum Ausdruck gebracht werden

822 Von einem originär in Art. 14 GG verfassten Vermögensschutz, der in Rechtsprechung und Literatur regelmäßig verneint wird, ist ein möglicher Eigentumsschutz der im Vermögen zusammengefassten Rechtspositionen oder des Wertes dieser Rechtspositionen zu unterscheiden. Vgl. dazu im Ergebnis R. Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 37 f. (m. zahlr. Hinw.). 823 Vgl. dazu z. B. H.-J. Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 14 GG, Rn. 160. Siehe auch BVerfGE 65, 196 (209); 72, 175 (195); 95, 267 (300) sowie die weiteren Hinweise in BVerfGE 30, 250 (271 f.). 824 In: Maunz/Dürig, GG, Art. 14, Rn. 3. 825 Dieser weite Begriff des Eigentums als rechtlich Eigenem des Bürgers findet sich bei K. A. Schachtschneider, Das Recht am und das Recht auf Eigentum, in: FS W. Leisner, S. 749. 826 Dazu K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 279 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 1. Kap., 2. Kap., II., III., IV., VI. u. ö.; grundlegend I. Kant, Metaphysik der Sitten, S. 332 f.; ebenso ders., Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, S. 88 f.; vgl. ders., Kritik der praktischen Vernunft, S. 144 ff., 218.

208

5. Teil: Eigentum in der Republik

kann. Eigentum kann tatsächlich nichts anderes als alle – vermögenswerten – Rechte des Einzelnen sein. Das ist das Eigentum, das sich grundsätzlich mit der fordernden Hand des Steuergesetzgebers konfrontiert sieht. 2. Kapitel

Recht auf Eigentum I. Eigentum als Menschenrecht Eigentum ist Menschenrecht: „1. Jeder hat das Recht, sowohl allein als auch in Gemeinschaft mit anderen Eigentum innezuhaben. 2. Niemand darf willkürlich seines Eigentums beraubt werden.“ (Art. 17 AEMR)

Ähnlich formulierte schon Art. 17 der Déclaration des Droits de l’Homme et du Citoyen vom 28. August 1789 das Eigentum827: „Das Eigentum des Menschen als unverletzliches und heiliges Recht kann niemand entzogen werden, abgesehen in Fällen, in denen gesetzlich anerkannte Gründe des öffentlichen Wohls eine Entziehung eindeutig erfordern und eine gerechte Entschädigung gewährt wird.“828 827 Die zentrale Bedeutung der Französischen Revolution als „entscheidende Eigentumszäsur gegenüber einer vom gestuften Feudaleigentum geprägten Vergangenheit“ hebt W. Leisner, Eigentum, in: HStR, Bd. VI, § 149, Rn. 28, hervor, wenn er feststellt: „Die institutionelle Geschichte des Eigentums beginnt in der Nacht des 4. August 1789“. Dass diese erstmalige Verfassung des bürgerlichen Eigentums nicht zu dem Trugschluss verleiten darf, das als Apriori vorgegebene, der Menschheit des Menschen entsprechende Eigentums-(menschen)recht wäre vor der Französischen Revolution nicht existent gewesen, sei nur am Rande erwähnt. Zur Institutsgarantie des Eigentums, die nach Meinung des Verfassers nicht mit einem Recht auf Eigentum gleichzusetzen ist, grundlegend C. Schmitt, Freiheitsrecht und institutionelle Garantien der Reichsverfassung, in: Verfassungsrechtliche Aufsätze von den Jahren 1924–1954, S. 140 ff., 160 ff.; i. d. S. auch K. A. Schachtschneider, Das Recht am und das Recht auf Eigentum, in: FS W. Leisner, S. 751 ff. (insb. S. 751); auch W. Leisner, Eigentum, in: HStR, Bd. VI, § 149, Rn. 12 ff.; H.-J. Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 14, Rn. 11 ff.; P. Badura, Eigentum, in: HVerfR, S. 342, 345 ff.; O. Kimminich, in: BK, GG, Art. 14, Rn. 119; D. Ehlers, Eigentumsschutz, Sozialbindung und Enteignung bei der Nutzung von Boden und Umwelt, VVDStRL 51 (1992), S. 216; eher kritisch G. Dürig, Eigentum als Menschenrecht, ZfgesStW 109 (1953), S. 331 ff.; i. d. S. BVerfGE 24, 367 (389); 26, 215 (222); 31, 229 (240); 42, 263 (294); 58, 300 (339). 828 Diesen Tenor behielt auch § 164 der Paulskirchenverfassung bei: „Das Eigentum ist unverletzlich. Eine Enteignung kann nur aus Rücksichten des gemeinen Besten, nur auf Grund eines Gesetzes und gegen gerechte Entschädigungen vorgenommen werden“. In diesem Sinne formulierte auch Art. 9 der Verfassungsurkunde für den Preußischen Staat vom 31. Januar 1850: „Das Eigenthum ist unverletztlich. Es kann nur aus Gründen des öffentlichen Wohls gegen vorgängige, in dringenden Fällen wenigstens vorläufig festzustellende Entschädigung nach Maßgabe des Gesetzes entzogen oder beschränkt werden.“

2. Kap.: Recht auf Eigentum

209

1. Menschenrecht des Eigentums in einem weiten Sinne Die Menschenrechte sind mit den Menschen geboren, sie folgen aus der Freiheit, welche die Menschheit des Menschen ausmacht829. Konsequenterweise schützen sie das wesentliche Eigene des Menschen, so etwa das Recht auf Leben830 und das Recht auf Gesundheit (Art. 3 und 25 AEMR; Art. 2 Abs. 2 GG). Auch und gerade diese Dinge, ja Güter831, sind Eigenes des Menschen und, soweit sie – was hier unstrittig der Fall ist – durch Gesetze geschützt sind, eben auch sein Eigentum, wenigstens in einem weiteren Sinn832. Folgt man aber diesem weiten Eigentumsverständnis, das alles rechtlich Eigene des Menschen als dessen Eigentum begreift, kann daraus nur ein Recht auf Eigentum – zumindest für gewisse Güter – abgeleitet werden. Denn gerade essentielle Güter des Menschen, die sein Menschsein ausmachen, wie z. B. sein Leben oder seine Gesundheit, sind als Recht, gar als Menschenrecht geschützt833. Derartige Rechte, auch in materialer Hinsicht, zu gewährleisten und deren Nichtverletzung sicherzustellen, obliegt dem Staat als bürgerlicher Rechtsgemeinschaft. Der Bürger hat ein Recht auf Recht834, mithin auch ein (Menschen-)Recht auf diese Güter; wenigstens aber hat er um seiner Menschheit, auch um seiner bürgerlichen Freiheit willen ein Anrecht auf eine Rechtsordnung, die den Schutz dieser Gegenstände seines Menschheitsrechts gewähr-

829 I. Kant, Metaphysik der Sitten, S. 345 f.; A. Enderlein, Der Begriff der Freiheit als Tatbestandsmerkmal der Grundrechte. Konzeption und Begründung eines einheitlichen, formalen Freiheitsbegriffs, dargestellt am Beispiel der Kunstfreiheit, 1995, S. 84 ff.; K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, S. 147 ff. 830 Deutlich die Aussage des Gerichts, das das Recht auf Leben als „vitale Basis der Menschenwürde“ bezeichnet, BVerfGE 39, 1 (42); siehe hierzu auch BVerfGE 88, 203 (251 f.). 831 I. d. S. K. A. Schachtschneider, Das Recht am und das Recht auf Eigentum, in: FS W. Leisner, S. 757, der als „die wichtigsten Güter der Menschen“ „Leben und . . . Gesundheit“ nennt. Nicht ohne Grund kennt auch der Volksmund „Gesundheit“ als das „höchste Gut“. 832 Das Eigene des Menschen ist sein Eigentum, „wenn und insoweit es als Recht durch den Staat geschützt wird“, K. A. Schachtschneider, Das Recht am und das Recht auf Eigentum, in: FS W. Leisner, S. 744. 833 So ist der Staat in besonderem Maße verpflichtet, Leben und Gesundheit der Staatsbürger zu schützen. Grundlegend dazu K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 821 ff.; i. d. S., wenn auch das Grundrecht auch als Abwehrrecht thematisierend, J. Isensee, Das Grundrecht als Abwehrrecht und als staatliche Schutzpflicht, in: HStR, Bd. V, § 111, Rn. 77 ff. Beachte außerdem die umfassende Rechtsprechung des BVerfG, BVerfGE 39, 1 (42); 46, 160 (164); 49, 89 (142); 53, 30 (57 f., 73 ff.); 56, 54 (73 ff.); 77, 176 (214 f.); 88, 203 (251 ff.); 89, 214 (231 f.) 834 Das Recht auf Recht zählt zu den in der Menschheit des Menschen begründeten Menschenrechten, steht konsequenterweise auch dem Staatsbürger in der freiheitlichen und gesetzlichen Republik zu. Dazu substanziiert K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 304 ff., 325 ff. (insb. S. 332 ff.), 494 ff., 545 ff. (insb. S. 551 ff.), 560 ff., 980 f.

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5. Teil: Eigentum in der Republik

leistet. All diese Rechte, wenigstens die, die um seiner Menschheit willen gewährt werden, sind rechtmäßig Eigenes jedes Menschen – Eigentum in einem weiteren Sinne. Schließlich dürfen Rechte wie Leben und Gesundheit, aber auch Glaube und Meinung, die in der Menschheit des Menschen, auch in seiner Bürgerschaft, begründet liegen, dem Menschen keinesfalls entzogen werden. Der Bürger hat ein unumstößliches Recht darauf, dass ihm diese (Rechts-)Güter nach rechtlichen Maßstäben zueigen sein können, aus diesem Blickwinkel eben ein Recht auf (solches) Eigentum835. 2. Eigentum(-srecht) im engeren Sinn als substantielles Recht des Menschen Die Gewährleistung des Eigentums ist ein Recht des Menschen, ein Menschenrecht836, das nur die Republik zu verwirklichen vermag837; dieses Recht am Eigentum erstreckt sich gleichermaßen auf das Eigentum im weiteren Sinne wie auch das Eigentum in einem engeren, landläufigen Verständnis. Immer dann, wenn originäres Menschenrecht und Eigentum nach einem weit gefassten Verständnis offensichtlich zur Deckung gelangen, lässt sich allein aus der Menschenrechtlichkeit ein Recht auf eben dieses jeweilige als Eigentum ableiten, ist ein Recht auf Eigentum wenigstens innerhalb dieser Begrifflichkeiten evident. Eigentum, das – oftmals ob seiner Gegenständlichkeit – nicht auf den ersten Blick Menschenrechtscharakter aufweist oder wenigstens andeutet, scheint sich hingegen diesem Begründungsansatz zu entziehen. So ließe sich aus der Menschenrechtsposition, die Leben und Gesundheit als unumstrittenes Recht des Menschen einfordert, noch ein Recht auf Nahrung ableiten; inwieweit mit diesem Postulat ein Recht auf Eigentum, möglicherweise auf eben diese erforderlichen (Grund-)Nahrungsmittel korrespondiert, bedürfte bereits einer ausführlicheren Erörterung838. Im Kontext eines Menschenrechts auf Leben und Gesundheit oder eines Grundrechtes auf Unverletzlichkeit der Wohnung beispielsweise ein Recht auf sichere, menschenwürdige Unterbringung oder gar ein Recht auf (Wohn-)Eigentum zu konstruieren, erscheint auf den ersten Blick abwegig.

835 Vgl. hierzu ausführlicher K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, 10. Kap., III.; ders., Das Recht am und das Recht auf Eigentum, in: FS W. Leisner, S. 755 ff. 836 Für ein Menschenrecht des Eigentums, wenn auch unter Bezug auf Eigentum in einem engeren Sinne, W. Leisner, Eigentum – Grundlage der Freiheit, in: Eigentum, S. 27 ff.; auch ders., Eigentum, in: HStR, Bd. VI, § 149, Rn. 18 ff.; so auch BVerfGE 50, 290 (344, „Eigentumsgarantie als Menschenrecht“). 837 So K. A. Schachtschneider, Das Recht am und das Recht auf Eigentum, in: FS W. Leisner, S. 764. 838 Auf diese Diskussion wird mit Blick auf den Untersuchungsgegenstand verzichtet.

2. Kap.: Recht auf Eigentum

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Etliche Güter, an denen Eigentum in einem engeren Sinne bestehen kann, werden gemeinhin als existentiell, wenigstens in der öffentlichen Wahrnehmung als lebensnotwendig eingestuft, ohne dass sofort ein Recht auf Eigentum (an eben diesen Gütern) als Apriori zu unterstellen wäre. Gleichwohl lässt die material-ökonomische Dimension vieler Erfordernisse der republikanischen Lebenswirklichkeit erahnen, dass allein die Möglichkeit eines wie auch immer zu begründenden Rechts auf Eigentum – und zwar Eigentum im engeren Sinne – nicht unhinterfragt aus einer Diskussion um Freiheit und Recht des Bürgers in der Republik verbannt werden kann. Dabei darf eine den Zielen der Republik angemessene Annäherung an ein mögliches Recht auf Eigentum nicht nur auf dem Weg der Menschenrechte erfolgen, sondern hat stets auch die in der freiheitlichen Republik verankerten Bürgerrechte zu berücksichtigen. II. Begründungsversuche eines Rechts auf Eigentum Während das Recht am rechtmäßigen Eigenen, am Eigentum, zumindest im Grundsatz unstrittig ist839, bedarf die Frage nach einem etwaigen Recht auf Eigentum einer näheren Betrachtung, weichen in dieser Angelegenheit doch die Meinungen teilweise deutlich voneinander ab840. Eigentliche Sinnstiftung erfährt die Republik als Gemeinwesen von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit durch die Verwirklichung des (Staats-)Ziels des guten Lebens aller in gemeinsamer Freiheit841. Nachdem in der Lebenswirklichkeit der Republik das gute 839 Dass die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG das Eigentum gewährleistet und somit jedenfalls das Recht am (rechtmäßig erworbenen) Eigentum sichert, bedarf an dieser Stelle keiner näheren Erörterung. Zum Recht am Eigentum im Detail oben. 840 Symptomatisch für die Komplexität dieser Fragestellung, die natürlich auch vor dem Hintergrund einer verfassungsgeschichtlichen Entwicklungslinie zu sehen ist, dürfte die Tatsache sein, dass sogar ein und derselbe Autor deutlich abweichende Positionen im Zeitverlauf vertritt; so votiert W. Leisner, Eigentum, in: HStR, Bd. VI, § 149, Rn. 6, gegen ein Recht auf Eigentum („Das Grundgesetz schützt das ,Recht am Eigentum‘, nicht ein ,Recht auf Eigentum‘.“), während ders., Eigentum – Grundlage der Freiheit, in: Eigentum, S. 50, ein Recht auf Eigentum mit dem Recht aus Eigentum verknüpft, in jedem Fall eine reelle Chance auf Eigentum konzidiert; gegen ein „Recht auf Eigentum“ auch P. Badura, Eigentum, in: HVerfR, S. 342; auch H.-J. Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 14, Rn. 7, 128 f., 133; E. Stein, Staatsrecht, 15. Aufl. 1995, S. 342, 346; vgl. BVerfGE 40, 65 (82 ff.); H. Rittstieg, Eigentum als Verfassungsproblem, S. 386 f., postuliert einen „rechtlichen geordneten Zugang zu den Grundlagen der Subsistenz und der personalen Entfaltung für die Masse der Bevölkerung“, der – nicht überraschend – in der Forderung nach einer Umgestaltung der aktuellen Eigentumsordnung gipfelt (S. 403); vgl. K. A Schachtschneider, Res publica res populi, S. 1026; zum Eigentumsschutz „sozialversicherungsrechtlicher Positionen“, der von dieser Diskussion ebenfalls tangiert ist, BVerfGE 4, 219 (240 f.); 40, 65 (82 ff.); 53, 257 (289 ff.); 64, 272 (300 ff.); 72, 175 (193 ff.); zu den Grenzen dieses Schutzbereiches A. Leisner, Die Leistungsfähigkeit des Staates. Verfassungsrechtliche Grenze der Staatsleistungen?, 1998, S. 146 ff. 841 So identifiziert bereits Aristoteles, Politik, S. 230, 1328 a 36 den Staat als „Gemeinschaft . . . zum Zweck eines möglichst guten Lebens“; i. d. S. auch ders., Nikoma-

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5. Teil: Eigentum in der Republik

Leben aller in gemeinsamer Freiheit, geschweige denn Wohlfahrt und Wohlstand, ohne (wenigstens ein Mindestmaß an) Eigentum nicht mehr vorstell- oder realisierbar ist842, drängt sich die Überlegung auf, ob und wieweit die Verwirklichung der republikanischen Grundprinzipien die Möglichkeit eines Rechts auf Eigentum eröffnet, vielleicht gar die Notwendigkeit eines solchen Rechtes zur Folge hat. Aufsetzend auf dem republikanischen Dreiklang von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit zeichnen sich einige, im Folgenden zu vertiefende Überlegungen ab, deren argumentative Kraft im Einklang mit der Lehre und der Wirklichkeit der Republik843 wohl das Bild eines möglichen Rechts auf Eigentum in der Republik schärfen kann. 1. Eigentum als Notwendigkeit bürgerlicher Selbständigkeit Bürgerliche Freiheit im Sinne einer Unabhängigkeit von eines anderen nötigender Willkür erfordert bürgerliche Selbständigkeit844; denn frei kann der Mensch nur sein, wenn er selbständig ist845. Nicht zuletzt die bereits diskutierten material-ökonomischen Erfordernisse bürgerlicher Selbständigkeit, ohne die eine vorrangig privatheitliche Lebensführung als zentrales Gebot bürgerlicher Sittlichkeit überhaupt nicht möglich ist, belegen die Notwendigkeit des Eigentums, will – und soll – der Bürger frei und eigenständig, damit auch eigenverantwortlich mit allen Chancen und Risiken leben: „Der in den Staat eingegliederte Einzelne bedarf, um unter seinesgleichen als Person, d. h. frei und selbstverantwortlich leben zu können und um nicht zum bloßen Objekt einer übermächtigen Staatsgewalt zu werden, also um seiner Freiheit und Würde willen einer rechtlich streng gesicherten Sphäre des Eigentums.“ [BHGZ GSZ 6, 270 (276)] chische Ethik, S. 55 ff., insbes. S. 58 (1095 a 13, 17 ff.), S. 64 ff.; dazu auch I. Kant, Zum ewigen Frieden, S. 158 f.; vgl. außerdem K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 350 ff. 842 Dogmatisch wie auch in der Realität der modernen Republik ist das Eigentum substantielle Voraussetzung der Freiheit. So z. B. K. A. Schachtschneider, Das Recht am und das Recht auf Eigentum, in: FS W. Leisner, S. 743 ff., insb. S. 769 („denn Eigentum ist zwar nicht die formale Freiheit, aber doch materielle Voraussetzung des Handelns in Freiheit“); ders., Frei – sozial – fortschrittlich, in: Symposium zu Ehren von Werner Thieme, S. 11 ff.; auch O. Kimminich, in: BK, GG, Art. 14, Rn. 18 ff.; ebenso R. Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 80 ff., 82 ff. 843 Zur republikanischen Lehre sei grundlegend und wegweisend auf K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, verwiesen; ebenso umfassend ders., Freiheit in der Republik. 844 Vgl. dazu umfassend 2. Teil. 845 Eindeutig bereits I. Kant, Metaphysik der Sitten, S. 432 ff.; auch ders., Über den Gemeinspruch, S. 150 ff.; W. Maihofer, Prinzipien der freiheitlichen Demokratie, in: HVerfR, S. 458 f.; K. A. Schachtschneider, Frei – sozial – fortschrittlich, in: Symposium zu Ehren von Werner Thieme, S. 12 ff.; ders., Res publica res populi, S. 234 ff.; H. F. Zacher, Das soziale Staatsziel, in: HStR, Bd. I, § 25, Rn. 48 ff.

2. Kap.: Recht auf Eigentum

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Die Selbständigkeit des Menschen, der erst durch eben diese Selbständigkeit zum Bürger befördert wird und nur im Falle bürgerlicher Selbständigkeit zur Willensautonomie gelangt846, gründet auf dem Eigentum847. Die Autonomie des Willens ist nichts anderes als die (äußere) Freiheit, die – auch wenn dies regelmäßig geschieht – mit dem Eigentum keinesfalls gleichgesetzt werden darf; denn Eigentum ist nicht Freiheit848. Nicht zuletzt um der sozialen Gleichheit, besser Homogenität849 willen aber wird Eigentum und Freiheit in aller Regel untrennbar verbunden, wobei meist Freiheit als Handlungsmöglichkeit und damit als Eigentum verstanden wird850. So thematisiert Walter Leisner als der „große“ „Lehrer des Eigentums“851 zunächst die „Eigentumsfreiheit“852, zeich846 I. Kant, Metaphysik der Sitten, S. 432; ders., Über den Gemeinspruch, S. 150 ff.; M. Kriele, Befreiung und politische Aufklärung. Plädoyer für die Würde des Menschen, 1980, S. 57 ff., 66; ders., Einführung in die Staatslehre, S. 229, 334 f.; H. Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 531 f., 810; W. Maihofer, Prinzipien der freiheitlichen Demokratie, in: HVerfR, S. 452 ff., insb. S. 458 f.; auch W. Leisner, Demokratie. Selbstzerstörung einer Staatsform, 1979, S. 43 ff.; K. A. Schachtschneider, Frei – sozial – fortschrittlich, in: Symposium zu Ehren von Werner Thieme, S. 12 ff.; ders., Res publica res populi, S. 234 ff. 847 So K. A. Schachtschneider, Das Recht am und das Recht auf Eigentum, S. 744, 766 ff.; i. d. S. W. Leisner, Privateigentum als Grundlage der Freiheit, 1977, in: J. Isensee (Hrsg.), Eigentum, Schriften zu Eigentumsgrundrecht und Wirtschaftsverfassung 1970–1996, 1996, S. 3 ff.; deutlicher ders., Freiheit und Eigentum – die selbständige Bedeutung des Eigentums gegenüber der Freiheit, ebenda, S. 12 ff.; sinngemäß auch P. Häberle, Grundrechte im Leistungsstaat, VVDStRL 30 (1972), S. 85 f., 100 ff., der das (Arbeits-)Eigentum als Grundlage bürgerlicher Selbständigkeit besonders hervorhebt. Vgl. auch den 3. und 4. Teil. 848 So der eindeutige Tenor bei K. A. Schachtschneider, Das Recht am und das Recht auf Eigentum, S. 769 sowie grundlegend und ausführlich zur Frage der Freiheit ders., Res publica res populi, S. 253 ff., 275 ff., 370 ff., 410 ff., 427 ff., 449 ff., ansonsten passim. 849 Zur sozialen Homogenität als Zielgröße des Sozialprinzips im 4. Teil, 2. Kap., VIII.; siehe auch K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 1177 ff. 850 Stv. für viele W. Leisner, Eigentum, in: HStR, Bd. VI, § 149, Rn. 20 ff.; auch D. Ehlers, Eigentumsschutz, Sozialbindung und Enteignung bei der Nutzung von Boden und Umwelt, VVDStRL 51 (1992), S. 213, 226 (Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG – ein „Freiheitsrecht“), S. 247 („ohne Eigentum keine Freiheit“); siehe auch BVerfGE 79, 292 (304): „Die grundrechtliche Eigentumsverbürgung enthält Elemente der allgemeinen Handlungsfreiheit sowie des allgemeinen Persönlichkeitsrechts.“ 851 Als diesen bezeichnet ihn K. A. Schachtschneider in seinem wegweisenden Beitrag zur Festschrift für Walter Leisner, Das Recht auf und das Recht am Eigentum, S. 743. 852 Sozialbindung des Eigentums, S. 11, 20; i. d. S. auch ders. Freiheit und Eigentum, – die selbständige Bedeutung des Eigentums gegenüber der Freiheit, in: Eigentum, S. 18 („Eigentum – eine Art von Freiheit“); ders., Eigentum – Grundlage der Freiheit, ebenda, S. 23; ders., Das Eigentum zwischen privatem Nutzen und sozialer Bindung, ebenda, S. 538 f. („Eigentum als Freiheit“); ders., Erbrecht, in: J. Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. VI, Freiheitsrechte, 1989, § 150, Rn. 1 ff.; i. d. S. auch P. Badura, Freiheit und Eigentum in der Demokratie, in: Eigentum und Eigentümer im Zeitalter globaler Märkte und Finanzströme, 36. Kolloquium der Walter-Raymond-Stiftung, 1998, S. 17 („Die Eigen-

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5. Teil: Eigentum in der Republik

net das Bild vom „Freiheitsraum des privaten Eigentums“853, tituliert 1972 „die Eigentumsgarantie“ als „die wertvollste Freiheit“854, setzt 1989 Eigentum und Freiheit unmittelbar gleich – „Eigentum ist Freiheit“855 –, erkennt 1994, dass „Bürgereigentum . . . nichts als Freiheit“856 ist und lässt noch 1995 verlauten: „Eigentum ist letztlich nur geronnene Freiheit, Freiheit vor allem Chance zum Eigentum.“857

Ähnlich interpretiert das Bundesverfassungsgericht das Eigentum, wenn es das Eigentum(-srecht) des Art. 14 Abs. 1 GG als „Freiheitsrecht“, als „Ausprägung“ der „allgemeinen Handlungsfreiheit“, als Recht zur „persönlichen“ Entfaltung „im vermögensrechtlichen . . . Bereich“ identifiziert858 und das Eigentum damit zur Freiheit hochstilisiert oder desavouiert – je nach Betrachtungsweise. Freiheit aber ist nicht Eigentum, sondern vielmehr die unantastbare Würde des Menschen (Art. 1 Abs. 1 S. 1 GG)859, die bereits mit diesem geboren wird. tumsgarantie ist jedoch im Ursprung ein Freiheitsrecht.“); O. Kimminich, in: BK, GG, Art. 14, Rn. 100 ff.; H.-J. Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 14, Rn. 10; R. Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 90, 96, 251, passim. 853 Eigentum – Grundlage der Freiheit, in: Eigentum, S. 42; ders., Freiheit und Eigentum – die selbständige Bedeutung des Eigentums gegenüber der Freiheit, ebenda, S. 17 ff.; ders., Privateigentum ohne privaten Markt. Gibt es eine verfassungsrechtliche Garantie „des Marktes“?, 1975, ebenda, S. 728. Dieses räumliche Freiheitsdenken („Freiheitsraum“) kritisiert K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 181, 466 ff., („. . . ein Beleg für eine dem monarchisch-liberalen Konstitutionalismus verhaftete Dogmatik . . .; S. 181, Fn. 121, auch m. w. H.); i. d. S. auch ders., Freiheit in der Republik, S. 127 f.; ähnlich wohl P. Badura, Eigentum, in: HVerfR, S. 347; zur räumlichen Freiheitskategorie auch J. Isensee, Staat und Verfassung, in: HStR, Bd. I, § 13, Rn. 15, 161 ff. u. ö.; außerdem BVerfG 82, 209 (223) u. ö., etwa BVerfGE 24, 367 (400); 46, 120 (137). 854 Sozialbindung des Eigentums, S. 239. 855 Eigentum, in: HStR, Bd. VI, § 149, Rn. 21, mit besonderem Hinweis auf Eigentum als „,geronnene Arbeit‘, damit geronnene Freiheit“; auch P. Häberle, Grundrechte im Leistungsstaat, VVDStRL 30 (1972), S. 85, identifiziert Eigentum als Freiheit; i. d. S. BVerfGE 79, 292 (304): „Freiheit, den Eigentumsgegenstand zu veräußern“, „selbst zu nutzen“, usw.; auch BVerfGE 97, 350 (371): „Eine wesentliche Freiheitsgarantie des Eigentums liegt gerade darin, Sachgüter und Geld austauschen zu können“; ebenso BVerfGE 52, 1 (31); 93, 121 (137). 856 Das Eigentum zwischen privatem Nutzen und sozialer Bindung, S. 539; i. d. S. auch D. Suhr, Eigentumsinstitut und Aktieneigentum, S. 20 („Parzelle gegenstandsbezogener Freiheit“); vgl. auch R. Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 81. 857 Das Eigentum Privater – Vertragsfreiheit und Sozialbindung, in: Eigentum, S. 190. 858 BVerfGE 87, 153 (169). Interessanterweise wird in dieser Entscheidung des Gerichts, die die Identität von Freiheit und Eigentum präjudiziert, die Eingriffswirkung von Steuern in das Eigentum im Sinne einer Einschränkung der allgemeinen Handlungsfreiheit, zumindest im vermögensrechtlichen, hier auch im beruflichen Bereich, thematisiert und aus diesem vermeintlich freiheitswidrigen Eingriff das Verbot einer „erdrosselnden“ Besteuerung abgeleitet. Die Frage der Eingriffshaftigkeit von Steuern wie auch das besondere Problem der Einkommensquellen, somit auch Eigentum vernichtenden „Erdrosselungsbesteuerung“ wird im 6. Teil näher erörtert.

2. Kap.: Recht auf Eigentum

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Sie mag verletzt werden, genommen werden kann sie dem Menschen nicht; das unterscheidet sie substantiell vom Eigentum. Eigentum ist ergo nicht formale Freiheit, sondern vielmehr materielle Voraussetzung des Handelns in Freiheit, also der freien Entfaltung der Persönlichkeit im Sinne des Art. 2 Abs. 1 GG860. Ohne das Eigentum als (materiale) Grundlage der Freiheit zu instrumentalisieren, verdeutlicht die Interpretation des Eigentums als „Element der Sicherung der persönlichen Freiheit des Einzelnen“, das daher „einen besonders ausgeprägten Schutz“861 genießt, die eigentliche Essenz in der Erörterung der Frage um die Bedeutung des Eigentums für die Freiheit des Einzelnen. Die Funktionalität, ja die eigentliche Aufgabe des Eigentums für die Realität der Freiheit erschließt wiederum Walter Leisner – neben anderen –, wenn er die „reale Freiheit“ durch das Eigentum proklamiert862. Mit diesem Zungenschlag präsentiert sich Eigentum nicht als Handlungsfreiheit, sondern als Möglichkeiten des freien, freiheitlichen Handelns mit dem Ziel bürgerlicher, somit auch brüderlicher Eigenständigkeit; die Möglichkeiten der freien Entfaltung der Persönlichkeit als mündiger Bürger, mit denen jeder seine individuellen Ziele zu verwirklichen und Wohlstand zu erreichen sucht, letztlich nach selbstverantwortlicher, bürgerlicher Eigenständigkeit strebt und wenigstens auf diesem Weg dem Gemeinwohl dient, aber bedürfen des rechtlich Eigenen, des Eigentums:

859 I. Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, S. 68; dazu W. Maihofer, Prinzipien der freiheitlichen Demokratie, in: HVerfR, S. 490 ff.; K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 253 ff., 275 ff.; ders., Freiheit in der Republik, S. 1 ff., 30 ff.; i. d. S. auch BVerfGE 65, 1 (41). Zum Schutz der Menschenwürde auch BVerfGE 5, 85 (204); W. Maihofer, Prinzipien der freiheitlichen Demokratie, in: HVerfR, S. 489 ff.; M. Kriele, Freiheit und Gleichheit, in: HVerfR, S. 129; K. A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 99 ff., 138 ff. (m.w. N.) sowie zur Menschenwürde und zum Menschenwürdeprinzip weiterführend K. Stern (unter Mitarbeit von M. Sachs), Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. III, Allgemeine Lehren der Grundrechte, 1. Halbband, 1988, S. 3 ff.; C. Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 1 Abs. 1, Rn. 1 ff.; außerdem P. Häberle, Die Menschenwürde als Grundlage der staatlichen Gemeinschaft, in: HStR, Bd. I, § 20, Rn. 5 ff., 67 ff.; G. Dürig, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 1 Abs. 1, Rn. 1 ff.; vgl. K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 7 f. (m. w. H.), 369, 504 ff. 860 So zutreffend K. A. Schachtschneider, Das Recht am und das Recht auf Eigentum, in: FS W. Leisner, S. 769; zur Freiheit des Art. 2 Abs. 1 GG als Grundrecht auf allgemeine Gesetzlichkeit vor allem ders., Res publica res populi, S. 494 ff. 861 So BVerfGE 14, 288 (293 f.); 42, 64 (77); 42, 263 (293 ff.); 50, 290 (340); 53, 257 (292); 70, 191 (201). 862 W. Leisner, Politischer Einfluß des Eigentums – verfassungswidrig?, 1975, in: J. Isensee (Hrsg.), Eigentum, Schriften zu Eigentumsgrundrecht und Wirtschaftsverfassung 1970–1996, 1996, S. 75; ders., Der Eigentümer als Organ der Wirtschaftsverfassung, DÖV 1975, S. 75; ders., Sozialbindung des Eigentums, in: Eigentum, S. 216 (Sicherung der „materiellen Grundlagen der Freiheit“); P. Häberle, Grundrechte im Leistungsstaat, VVDStRL 30 (1972), S. 96 („Optimum an realer Freiheit“); i. d. S. H. Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 423; M. Kriele, Einführung in die Staatslehre, S. 334; i. d. S. auch BVerfGE 97, 350 (370).

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5. Teil: Eigentum in der Republik

„Denn dies war noch immer das Wesen der [bürgerlichen; Erg. d. Verf.] Mündigkeit: In Freiheit besitzen.“ (Walter Leisner)863

Ausgehend von diesem Konnex von Eigentum und bürgerlicher Freiheit hat das Bundesverfassungsgericht, die material-ökonomische Dimension des Eigentums als wesentliche Substanz bürgerlicher Selbständigkeit, privatheitlicher Lebensführung und anderweitiger freiheitlicher Persönlichkeitsentwicklung aufgreifend, entwickelt, dass der „Eigentumsgarantie im Gesamtgefüge der Grundrechte die Aufgabe zukomme, dem Träger des Grundrechts einen Frei(heits)raum im vermögensrechtlichen Bereich zu sichern und ihm dadurch eine eigenverantwortliche Gestaltung seines Lebens zu ermöglichen.“864

Wenn nun aber – und dieser Position des Gerichts ist, wie oben mehrfach gezeigt, zuzustimmen – dem Eigentum die Funktion zukommt, dem Bürger persönliche Entfaltungsmöglichkeiten um seiner menschheitlichen Freiheit willen zu sichern, auf dass er die (materiellen) Grundlagen seiner bürgerlichen Eigenständigkeit, idealiter eigens begründeter Selbständigkeit, erwerben und besitzen könne, kann ein Recht des Bürgers auf Eigentum nur die logische Konsequenz sein. Schließlich hat der Mensch qua Menschheit, auch verfasst im Grundgesetz, ein unumstößliches Recht auf „freie Entfaltung seiner Persönlichkeit“ (Art. 2 Abs. 1 GG); wenn es dazu des Eigentums als materialer Grundvoraussetzung bedarf, muss dem Bürger ein grundsätzliches Recht auf Eigentum, wenn auch in den Grenzen allgemeiner Gesetze und des Sittengesetzes, zugestanden werden865. Dieser substantiellen Vorgabe in der Republik kann sich auch der Steuergesetzgeber nicht entziehen866. 2. Recht auf Eigentum und Pflicht zu bürgerlicher Selbständigkeit Bürgerliche Selbständigkeit in der Republik meint stets auch Selbstverantwortung867, ist Bürgerrecht und -pflicht zugleich.

863

Freiheit und Eigentum, S. 20. BVerfGE 97, 350 (370 f.); bereits dieser Linie folgend BVerfGE 24, 367 (389); 31, 229 (239); 40, 263 (293); 50, 290 (339); 53, 257 (290); 68, 193 (222); 69, 272 (300); 83, 201 (208 f.); i. d. S. auch O. Kimminich, in: BK, GG, Art. 14, Rn. 18; H.-J. Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 14, Rn. 1. 865 So K. A. Schachtschneider, Das Recht auf und das Recht am Eigentum, in: FS W. Leisner, S. 755 ff., 765 ff. 866 Dazu im Folgenden, 6. Teil, 2. Kap., V., 2., 3., 4., auch 5. 867 Siehe H. F. Zacher, Das soziale Staatsziel, in: HStR, Bd. I, § 25, Rn. 28 ff.; H. Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 813 ff., auch S. 430 ff. für das Unternehmenseigentum; ebenso K. A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 145 ff., 149; ders., Frei – sozial – fortschrittlich, in: Symposium zu Ehren von Werner Thieme, S. 16 ff.; grundlegend dazu ders., Freiheit in der Republik, 8. Kap., III. 864

2. Kap.: Recht auf Eigentum

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„Zu diesen (Bürger-; Anm. d. Verf.) Pflichten gehört es auch, dass der Bürger seinen Lebensunterhalt selbst erarbeitet, zumindest erwirtschaftet, damit er nicht der Gemeinschaft zur Last fällt und diese mehr als unerlässlich in Anspruch nimmt.“ (Karl Albrecht Schachtschneider)868

Die sittliche Pflicht, die von der Freiheit nicht getrennt werden kann, entspricht dem Sittengesetz, dem jegliches Handeln der Menschen verpflichtet ist869, nämlich dem kategorischen Imperativ870. Die aus der Pflicht des Bürgers zur Sittlichkeit erwachsene Pflicht zur (inneren) Selbständigkeit kann aber nur postuliert werden, wenn der Bürger äußerlich selbständig ist, somit also Eigentum hat und haben kann. Konsequenterweise muss sich aus der (inneren) Selbständigkeit in ihrer Pflichtigkeit ein Recht auf Eigentum ableiten; denn nur auf dem Eigentum – und den Gegenständen des Eigentums – kann der Bürger erfolgversprechende Bemühungen um eine seiner Bürgerlichkeit gemäße Selbständigkeit gründen. Dass die sittliche Pflicht des Strebens nach bürgerlicher Eigenständigkeit in ihrer material-ökonomische Dimension ein verpflichtendes Recht zum Eigentum, ja geradezu eine Pflicht impliziert, nach dem Eigenen auch in seiner materiellen Ausprägung zu streben, wird durch das Sozialprinzip – auch mit Blick auf die daraus erwachsenden sozialstaatlichen Aufgaben – nachhaltig gestützt. Fruchtet nämlich das Bemühen des Bürgers um Unabhängigkeit und Eigenständigkeit, idealerweise natürlich eigens begründete Selbständigkeit871, nicht, ist der brüderliche Staat gehalten, den Bürger auf seinem Weg zu bürgerlicher Selbständigkeit und Freiheit zu unterstützen. Hierzu bedarf es des Eigentums, ohne das dieser Zustand nicht zu erreichen ist, so dass Hilfe und Förderung des Bürgers in seinem Streben nach Eigentum zur Begründung und Sicherung seiner Existenz, zumindest die Gewährleistung der Chancen hierauf, zu den elementaren sozialstaatlichen Pflichten zählt. Mit Blick auf das Ideal des mündigen Bürgers genießt die Schaffung von Rahmenbedingungen, die das eigenständige Erwirtschaften von Eigentum ermöglichen und gegebenenfalls erleichtern, also die makrosoziale Förderung, den Vorzug vor einer mikrosozialen Einflussnahme im Sinne einer staatlichen Unterstützung des Individuums, die nur als ultima ratio angezeigt ist. Wenn aber sogar die Bestrebungen des Sozial868

Das Recht am und das Recht auf Eigentum, in: FS W. Leisner, S. 760. Im Kontext des Eigentums kommt die sittliche Verpflichtung des Bürgers in der Sozialpflichtigkeit des Eigentums zum Ausdruck, wie sie auch Art 14 Abs. 2 GG postuliert, der den freien Eigentumsgebrauch, damit die freie Willkür des Eigentümers, „zugleich“ dem „Wohl der Allgemeinheit“ verpflichtet. Dazu grundlegend K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 253 ff., 259 ff., 275 ff., 325 ff., 441 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 10. Kap., auch 2. Kap., VII., 4. Kap. 870 Hinführend K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 259 ff., 279 ff., 427 ff., 441 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 2. Kap., ausführlicher 4. Kap. 871 So bei H.-M. Hänsch, Gesamtwirtschaftliche Stabilität als Verfassungsprinzip, S. 99 ff., 104 ff. 869

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5. Teil: Eigentum in der Republik

staates darauf abzielen (sollen), den Bürger nicht zum unmündigen, also unfreien „Hilfsempfänger“ zu degradieren, sondern um seiner bürgerlichen Freiheit und Privatheit willen sein Bemühen um Eigenständigkeit und Unabhängigkeit zu ermöglichen, zu unterstützen, nötigenfalls auch zu fordern – was freilich des Eigentums bedarf –, muss eine solche Konzeption stets auch ein grundlegendes Recht auf Eigentum im Sinne einer rechtlich gegebenen Möglichkeit zum Eigentum beinhalten. Analog zum Recht auf Eigentum, das aus der freiheitlichen Bürgerlichkeit und Eigenständigkeit in ihrer jeweiligen Rechtlichkeit abgeleitet werden kann, zieht also die bürgerliche Eigenständigkeit in ihrer freiheitsverwirklichenden Pflichtigkeit ein Recht auf Eigentum, ja – auf die Spitze getrieben – gar eine Pflicht zum Eigentum nach sich. Allemal muss dem Bürger ein Recht auf Eigentum zugestanden werden, also die Möglichkeit, Eigentum zu erwirtschaften, innezuhaben und zu nutzen, wenn von ihm aufgrund seiner staatsbürgerlichen Pflicht zur Sittlichkeit erwartet wird, im Zuge seines Strebens nach materiellen Grundlagen seiner bürgerlichen Existenz, auch nach Eigentum, sein Leben im Grundsatz privatheitlich zu bewältigen872. Letztlich impliziert die sittliche Verpflichtung zum Leben in Eigenverantwortung, also zum steten Bemühen um bürgerliche Selbständigkeit, die Pflicht des Bürgers, nach Eigentum zu streben, um die materiellen Grundlagen für ein selbstverantwortliches Leben zu erwirtschaften; zumindest kommt in dieser „Pflicht zum Eigentum“ die pflichtige Seite eines offensichtlich existenten Rechts auf Eigentum zum Ausdruck. Nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht zum Eigentum in der Republik skizzieren also Grenzlinien für den Staat – auch für den Steuerstaat. 3. Begründung eines Rechts auf Eigentum durch eigene Leistung Selbst erwirtschaftetes Eigentum, das mit der Sittenpflicht des Bürgers zu eigens begründeter Selbständigkeit korrespondiert, genießt offensichtlich einen besonderen Stellenwert. Der Bürger hat es nicht nur „inne“, sondern auf dem Weg des Erwirtschaftens und Verdienens wird es material zum „Seinen“873 und erfährt damit scheinbar höhere Wertschätzung und gegebenenfalls ausgeprägteren Schutz874: 872 Fast wäre man versucht, die Tradition des römischen Rechts zu bemühen: ultra posse nemo obligatur, d.h. in diesem Kontext, niemand kann verpflichtet sein, nach bürgerlicher Eigenständigkeit zu streben, wenn es ihm de iure nicht einmal möglich ist, die dafür erforderlichen Grundlagen zu erwerben und zu besitzen. 873 Vgl. K. A. Schachtschneider, Das Recht auf und das Recht am Eigentum, in: FS W. Leisner, S. 775 ff. Zum „Seinen“ als „Eigenes des Menschen“ ebenda, S. 743 ff. (insb. S. 745). 874 Zu einem möglicherweise erhöhten Schutzniveau des selbst erwirtschafteten Eigentums, insb. in der praktischen Konsequenz, ausführlicher unten; für die Rechtsprechung BVerfGE 1, 264 (277 f.); 14, 288 (293 f.); 22, 241 (253); 24, 220 (226); 31,

2. Kap.: Recht auf Eigentum

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„Der Bürger muss nicht nur Eigentum haben, sondern das Eigentum muss auch material das Seine, d. h. nach Möglichkeit von ihm selbst erwirtschaftet sein.“ (Karl Albrecht Schachtschneider)875

Eine solche Bewertung spiegelt die sittliche Verpflichtung des Bürgers zu Anstrengungen um eigens begründete Selbständigkeit wider, die augenscheinlich eine – sofern es denn wie auch immer geartete Abstufungen des Eigentumsrechts gibt – überdurchschnittliche „Wertigkeit“, gegebenenfalls auch Schutzwürdigkeit von eigenständig und ohne staatliche Hilfe erwirtschaftetem Eigentum zur Folge hat. Im gleichen Atemzug deutet diese Hervorhebung des selbst erworbenen876 Eigentums die Bemühungen um differenzierte Rechtfertigungen des Eigentums an. Während die Freiheit nämlich für jeden die gleiche ist877, ist das Eigentum, wenigstens im engeren Sinne, unterschiedlich verteilt: „Das Eigentum aber bleibt stets das wesentlich Ungleiche.“ (Walter Leisner)878

Eigentum, auch gesetzlich gewährleistetes Eigentum, impliziert nicht etwa eine unterschiedslose Verteilung, sondern allenfalls ein brüderliches Teilen der Eigentumsgegenstände nach Maßgabe allgemeiner, praktisch vernünftiger Gesetze, die die verschiedenen Interessen aller zum Ausgleich bringen können, trotzdem jedem das Seine zuerkennen879. Unterschiede in dem individuellen Seinen des Menschen verstoßen im Grundsatz nicht gegen das allgemeine Ge-

229 (239 ff.); 50, 290 (340); 53, 257 (291 f.); 58, 81 (112 f.); 69, 272 (301); 72, 175 (193); 97, 350 (371). 875 Das Recht am und das Recht auf Eigentum, in: FS W. Leisner, S. 768; grundlegend I. Kant, Über den Gemeinspruch, S. 147 ff., 150 ff.; ders., Metaphysik der Sitten, S. 432 ff. 876 Erwerb muss nicht Kauf bedeuten. Vielmehr meint Erwerb das wie auch immer geartete Erwerben von Eigentum im Sinne eines Erhaltens als Gegenleistung für eine bestimmte Leistung; das mag im Zuge eines Kaufvorganges sein, aber auch im Rahmen eines Arbeits-, Dienst- oder Werkvertrages. 877 Zur allgemeinen Gleichheit in der Freiheit K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 5 f., 35 ff., 92 ff., 124 ff., 410 ff., 990 ff., 1027 ff.; ders., Freiheit in der Republik, passim, ganz so vor allem M. Kriele, Freiheit und Gleichheit, in: HVerfR, S. 143 u. ö.; auch W. Henke, Die Republik, in: HStR, Bd. I, § 21, Rn. 1 ff.; ders., Recht und Staat, S. 311 ff. 878 W. Leisner, Freiheit und Eigentum, in: Eigentum, S. 18. 879 Zu der Formel „Jedem das Seine“ vgl. die ausführlichen Hinweise bei K. A. Schachtschneider, Das Recht am und das Recht auf Eigentum, in: FS W. Leisner, S. 766; Aristoteles, Nikomachische Ethik, 1132 b 15 („Wenn aber weder mehr noch weniger eingenommen wird, sondern Gleiches um Gleiches, so sagt man, man erhalte das Seinige und habe weder Schaden noch Gewinn.“); I. Kant, Metaphysik der Sitten, S. 366, 412 f., 419, 423, 430 f., 464; ders., Über den Gemeinspruch, S. 144; auch J.-J. Rousseau, Vom Gesellschaftsvertrag, I, 9; E. Benda, Der soziale Rechtsstaat, in: E. Benda/W. Maihofer/H.-J. Vogel (Hrsg.), Handbuch des Verfassungsrechts, 1983, S. 786; F. A. v. Hayek, Recht, Gesetzgebung und Freiheit, Bd. 1, Regeln und Ordnung, 2. Aufl. 1986, S. 149.

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5. Teil: Eigentum in der Republik

setz, bedürfen aber, um vor dem allgemeinen Gesetz und damit letztlich auch dem sozialen Anspruch der Republik bestehen zu können, immer wieder der Rechtfertigung. Bei Begründungsversuchen wird regelmäßig die individuelle Leistung des Bürgers als „der jeweilige und unterschiedliche Beitrag des einzelnen Menschen zum gemeinen Wohl“880 herangezogen. Formal definiert sich Leistung als „Erfüllung der Pflichten gegenüber einer Gemeinschaft“881. Verpflichtungen des Menschen bestehen in aller Regel gegenüber unterschiedlichen Gemeinschaften, sei das nun eine Lebensgemeinschaft, die Familie oder eben die bürgerliche Gemeinschaft, der Staat eben. Ohne dass eine Bewertung in bessere oder schwächere Leistung vorgenommen wird, bedingt nach rein formalem Verständnis Pflichterfüllung gegenüber der (Bürger-)Gemeinschaft auch, dass der Bürger sich bemüht, die Gemeinschaft nicht zu belasten, sondern seinen Lebensunterhalt selbst zu erwirtschaften und idealerweise das Gemeinwesen sogar zu entlasten882. In der Praxis der modernen Republik können sich solche Leistungen, mit denen der Einzelne seine Existenz nach eigenen Maximen zu bestreiten sucht und im Zuge dessen auch Eigentum erwirbt, vornehmlich in Form von Arbeit oder Unternehmung äußern883. Dieses durch nichtselbständige oder unternehmerische Betätigung884 erwirtschaftete „Leistungseigentum“885 wird durch das Grundgesetz geschützt, typischerweise intensiver als Eigentum, das nicht auf eigener Leistung beruht886. Dass derjenige, der mehr leistet – und damit auch mehr zum Gemeinwohl beiträgt – mehr Eigentum haben darf und muss als derjenige, der 880 So, die Bedeutsamkeit individueller Leistung für das Gemeinwohl hervorhebend, K. A. Schachtschneider, Das Recht am und das Recht auf Eigentum, in: FS W. Leisner, S. 760. 881 K. A. Schachtschneider, ebenda. Dieser Tenor findet sich auch bei D. Suhr, Eigentumsinstitut und Aktieneigentum. S. 75 („Gerechtigkeitswert“: „Äquivalent“, „proportional“ der „Nützlichkeit“ der „Leistung für die Volkswirtschaft“). 882 I. d. S. K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 234 ff., insb. S. 238, 240 ff. 883 I. d. S. I. Kant, Metaphysik der Sitten, S. 432 f.; siehe hierzu K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 244 ff.; grundlegend ders., Freiheit in der Republik, 10. Kap., IV., V.; vgl. auch H. F. Zacher, Das soziale Staatsziel, in: HStR, Bd. I, § 25, Rn. 28; P. Häberle, Grundrechte im Leistungsstaat, VVDStRL 30 (1972), S. 85 f., 100 ff.; ders., Arbeit als Verfassungsproblem, JZ 1984, S. 354 f.; vgl. außerdem BVerfGE 31, 229 (239); 40, 65 (80); 53, 257 (291); 58, 81 (112 f.); 69, 272 (301); 72, 175 (193); 97, 350 (371). 884 Nichtselbständige und unternehmerische im Sinne von gewerblicher oder freiberuflicher, gegebenenfalls auch land- und forstwirtschaftlicher Betätigung darf hier nicht auf eine einkommen- oder umsatzsteuerrechtliche Dimension reduziert werden; Leistung kann selbstverständlich auch in anderer Form erbracht werden, auch im Bereich von Vermietung und Verpachtung, Vermögensverwaltung und ähnlichen Tätigkeiten. 885 W. Leisner, Eigentum, in: HStR, Bd. VI, § 149, Rn. 85.

2. Kap.: Recht auf Eigentum

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Leistung und Beitrag zum Wohl der Allgemeinheit verweigert, lässt sich nicht nur auf eine Frage der Rechtfertigung von Eigentum reduzieren, sondern muss schon allein um der Anreize willen gewährleistet sein; denn in letzter Konsequenz dient unter der Prämisse einer gesetzlichen, damit freiheitlichen Ordnung des Gemeinwesens jede Mühe, ergo jedwede Leistung dem Allgemeinwohl887. Wenn nun das auf Leistung basierende Eigentum in besonderem Maße geschützt wird und werden muss, gleichzeitig Leistung Pflichterfüllung gegenüber der Gemeinschaft ist und die Leistungen des Bürgers sowie deren Ergebnisse stets auch der Allgemeinheit zugute kommen, erschließt sich die Notwendigkeit eines Rechts auf Eigentum888. Nachdem Eigentum die materiale Grundlage bürgerlicher Selbständigkeit bietet und, ausgehend vom Grundsatz der privatheitlichen Lebensbewältigung, selbst erwirtschaftetes Eigentum dem Postulat der Selbstverantwortlichkeit bestmöglich entspricht, muss für den Bürger die Möglichkeit rechtlich verankert sein, mittels Leistung, also mittels Pflichterfüllung, Eigentum zu erwirtschaften und so eigenständig seine Existenz zu bestreiten889. Die grundsätzliche Privatheit wie auch die vorrangige Privatheitlichkeit der Lebensführung, auf die sich die Rechtsgemeinschaft im Kontext des Eigentums nicht nur wegen dessen Menschenrechtlichkeit geeinigt hat, erwartet nicht nur rechtlich verbürgte Möglichkeiten, im Grundsatz Eigentum erwerben und darüber privatheitlich, also auch im Sinne einer privatheitlichen Lebensbewältigung, zu verfügen, sondern auch die ebenfalls rechtlich gesicherte Perspektive, als Äquivalent privatheitlichen Mühens, privater Leistung eben, „angemessenes“ Eigentum erwirtschaften zu können, das die Privatheit des Strebens nach Bürgerlichkeit in ihrer jeweiligen Intensität als privatheitliche Erwerbs-, Nutzungs886 Zur intensiveren Schutzwürdigkeit des Eigentums, das der „eigenen Leistung“ entsprungen ist BVerfGE 1, 264 (277 f.); 14, 288 (293); 30, 292 (334); 58, 81 (112); 69, 272 (301); 72, 175 (193); 97, 350 (371), dazu W. Leisner, Eigentum, in: HStR, Bd. VI, § 149, Rn. 85 ff.; auch H. Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 424 ff.; K. A. Schachtschneider, Das Recht am und das Recht auf Eigentum, in: FS W. Leisner, S. 748, 760 f. („Leistung können insbesondere Arbeit und Unternehmung sein.“); hingegen kritisch zur besonderen Schutzwürdigkeit des durch „eigene Leistung“ erworbenen Eigentums, wenigstens im Bereich der öffentlich-rechtlichen vermögenswerte Rechte, H. Rittstieg, in: AK-GG, Art. 14/15, Rn. 114. 887 Vgl. grundlegend F. A. v. Hayek, Die Verfassung der Freiheit, S. 323 ff. u. ö.; für eine Gemeinwohlverwirklichung durch Eigentumsgebrauch K. A. Schachtschneider, Das Recht am und das Recht auf Eigentum, in: FS W. Leisner, S. 774 („vollzieht der Eigentümer . . . auch das gemeine Wohl“); ähnlich deutlich ders., Res publica res populi, S. 246. 888 Zur erforderlichen Gewährleistung des Eigentums in seiner Anreizfunktion für eigennütziges und gemeinwohldienliches Handeln näher K. A. Schachtschneider, Das Recht am und das Recht auf Eigentum, in: FS W. Leisner, S. 780 ff., insb. S. 782 f., 784 f.; für eine gesamtwirtschaftliche Wohlfahrtsfunktion des Eigentums, wenn auch über die Grenze der allgemeinen Gesetze hinweggehend P. Badura, Freiheit und Eigentum in der Demokratie, in: Eigentum und Eigentümer im Zeitalter globaler Märkte und Finanzströme, S. 29 f. 889 Vgl. dazu bereits 3. Teil, 2. Kap., III., V., 3. Kap., auch 4. Teil, 3. Kap., IV.

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5. Teil: Eigentum in der Republik

und Verfügungschance des rechtlich Eigenen zum Ausdruck bringt – quasi ein Recht auf „Leistungseigentum“890. Die gesicherte Möglichkeit zum Erwerb von Eigentum wie auch zu dessen Innehabung und Nutzung birgt, auch außerhalb bürgerlicher Pflichtigkeit, die Motivation zu individueller Leistung, die letztlich das allgemeine Wohl als zentrale Basis für Frieden und Freiheit in der Gesellschaft verwirklicht891. Auch aus diesem Grund muss die Chance zum Eigentum rechtlich gesichert sein; ist nämlich bereits die Aussicht des Erwerbens von Eigentum in den Gesetzen nicht vorgesehen, verliert der Bürger die Motivation des Strebens nach Eigenständigkeit, letztlich gar die Möglichkeit dazu892. Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass die mit dem Schutz des Leistungseigentums regelmäßig verbundene Frage der angemessenen Verteilung des Eigentums in der bürgerlichen Gemeinschaft keinesfalls mit der pauschalen Forderung einer nivellierenden Gleichverteilung beantwortet, ja fast negiert werden kann893. Vielmehr entspricht gerade die Wahrscheinlichkeit der Ungleichverteilung der Logik des privatheitlichen Eigentums und des marktlichen Wettbewerbs; denn die gesetzliche und somit sittliche, ungleichmäßige Verteilung des Eigentums eben zugunsten dessen, der mehr als ein anderer leistet, begründet den eigentlichen Leistungsanreiz. Zwar kann um der Brüderlichkeit und des sozialen Friedens willen weder derjenige, der sich der Leistung versagt – geschweige denn der, der zur Leistung nicht in der Lage ist – seines menschheitlichen Rechts auf Eigentum enthoben werden noch kann derjenige, der weit überdurchschnittlich leistet und somit überproportional große Beiträge für die Allgemeinheit liefert, ein uneingeschränktes Recht auf (sein freilich selbst erwirtschaftetes) Eigentum reklamieren. Gleichwohl kann die logische Konsequenz des leistungsgeborenen Eigentums, noch dazu angesichts des damit verknüpften Gemeinwohlbeitrages, nicht nur ein grundlegendes Recht auf Eigentum im Sinne einer Möglichkeit und eines Anspruches auf eine „Leistungsprämie“ sein, sondern muss auch als Apriori die Berücksichtigung von Leistungswillen, -bereitschaft- und -erfolgen im Eigentumsrecht, wohl im Sinne eines Versprechens der adäquaten Leistungswürdigung, einfordern. Gerade vor dem Hintergrund, dass individuelles Leisten stets auch der Gemeinschaft dient, sollte derjenige, der überdurchschnittlich leistet, dies von vornherein in der Gewissheit tun können, dass ihm grundsätzlich mehr Eigentum zusteht als einem, der signifikant weniger leistet. Nicht von der Be890

I. d. S. wohl W. Leisner, Eigentum, in: HStR, Bd. VI, § 149, Rn. 83 ff. Hierzu weiterführend K. A. Schachtschneider, Das Recht am und das Recht auf Eigentum, in: FS W. Leisner, S. 781 ff. 892 So K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 245 f. 893 Vgl. K. A. Schachtschneider, Das Recht am und das Recht auf Eigentum, in: FS W. Leisner, S. 781, 783. 891

2. Kap.: Recht auf Eigentum

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fürchtung, dass individuelle Leistung über das übliche Maß hinaus nicht honoriert wird und das Äquivalent dieser Leistung sich nicht oder zumindest nur weit unterproportional in Eigentum überführen lässt, sollte sich der Bürger in seinem Handeln leiten lassen können, sondern von dem Wissen, dass „MehrLeistung“ im Grunde ein Recht auf „Mehr-Eigentum“ in sich birgt. Denn ein so verstandenes Recht auf Eigentum im Sinne eines rechtlich und gesellschaftlich akzeptierten „Leistungsrewards“ dient nicht nur dem persönlichen Interesse des nach seinen individuellen Maximen handelnden Menschen – sei er nun homo noumenon oder homo oeconomicus894 –, sondern aufgrund der Teilhabe der Allgemeinheit an den individuellen Leistungsergebnissen im Besteuerungsfall immer auch dem Gemeinwohl. Wenn also eine freiheitlich-gesetzliche Ordnung Eigentum dergestalt vorsieht, dass es den grundsätzlich leistungsfähigen und -bereiten Bürger zum „Mehr-leisten“ motiviert, kann dies dem allgemeinen Wohl(-stand) nur förderlich sein, hilft es doch, das eigentliche Ziel der Republik, nämlich das gute Leben aller in gemeinsamer Freiheit, zu verwirklichen895. 4. Recht auf Eigentum aus dem Blickwinkel der Verteilungsfrage Der Gleichheit aller in allgemeiner Freiheit immanent ist das „Prinzip gleichheitlicher Güterverteilung“896. Gleichheit der Menschen in Freiheit bedingt immer Brüderlichkeit und fordert damit notwendigerweise das Sozialprinzip897 894 Während der homo noumenon seine Verpflichtungen erfüllt und darum frei ist, vermag der homo phaenomenon das Gesetz nicht zu achten und wird darum von Gesetzes wegen dazu gezwungen; denn der gesetzliche Zwang vollzieht den allgemeinen Willen, so K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 318 ff. Hierzu bereits substantiell I. Kant, Metaphysik der Sitten, S. 333; ebenso ders., Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, S. 41, 95. 895 I. d. S. für die Republik K. A. Schachtschneider, Das Recht auf und das Recht am Eigentum, in: FS W. Leisner, S. 782 ff.; umfassend ders., Freiheit in der Republik, 10. Kap. 896 So K. A. Schachtschneider, Das Recht am und das Recht auf Eigentum, S. 757; hierzu Aristoteles, Politik, 1295 1 b 1 ff., 40 ff., auch 1292 a 30 ff.; J. Locke, Über die Regierung, V, 25 ff.; J.-J. Rousseau, Vom Gesellschaftsvertrag, I, 9; W. Maihofer, Prinzipien der freiheitlichen Demokratie, in: HVerfR, S. 507 ff., insb. S. 516 f., 518 f., auch S. 519 ff.; i. d. S. auch F. Benda, Der soziale Rechtsstaat, in: HVerfR, S. 761 ff., 785 ff.; ebenso P. Badura, Freiheit und Eigentum in der Demokratie, in: Eigentum und Eigentümer im Zeitalter globaler Märkte und Finanzströme, S. 17 ff., 18 („Verteilungsgerechtigkeit“); H. F. Zacher, Das soziale Staatsziel, in: HStR, Bd. I, § 25, Rn. 32 ff. (zur sozialen Gleichheit); i. d. S. auch I. Kant, Über den Gemeinspruch, S. 147 f.; ebenso ders., Metaphysik der Sitten, S. 434; a. A. offensichtlich W. Leisner, Freiheit und Eigentum, in: Eigentum, S. 17 ff. 897 Das Sozialprinzip als Prinzip der Brüderlichkeit folgt aus der allgemeinen Freiheit. Dazu W. Leisner, Freiheit und Eigentum, in: Eigentum, S. 19; W. Maihofer, Prinzipien der freiheitlichen Demokratie, in: HVerfR, S. 519 ff.; P. Häberle, Grundrechte im Leistungsstaat, VVDStRL 30 (1972), S. 90 ff. (insb. S. 96 ff.); K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 234 ff. Zum Sozialprinzip auch ders., Das So-

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5. Teil: Eigentum in der Republik

und dessen Umsetzung im gemeinsamen Leben der Bürgergemeinschaft898. Das ist das Wesen der Demokratie, besser der Republik, die Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit auf ihre Fahnen geschrieben hat und somit auch für die materialökonomischen Notwendigkeiten des guten Lebens aller in allgemeiner Freiheit Sorge zu tragen hat und trägt: „Demokratie als Ordnung der Gleichheit in Freiheit und das Prinzip einer sozialen Demokratie: größtmögliche und gleichberechtigte Wohlfahrt des Einzelnen bei notwendiger Gerechtigkeit für Alle.“ (Werner Maihofer)899

Um die allgemeine Freiheit, letztlich also den Frieden im Staat900, zu sichern und zu erhalten, bedarf es einer immerwährenden Berücksichtigung des Sozialprinzips im Verfassungsgesetz901, das schlussendlich auf größtmögliche Gerechtigkeit abstellt902; zur Gerechtigkeit zählt auch die gerechte Verteilung der Güter in der Gemeinschaft903. Nicht ohne Grund wird die Republik nicht nur als Gemeinwesen in Freiheit und Gleichheit tituliert, sondern auch als Gemeinschaft der Brüderlichkeit904; Brüderlichkeit aber impliziert um der allgemeinen

zialprinzip, passim; ders., Grundgesetzliche Aspekte der freiberuflichen Selbstverwaltung, Die Verwaltung 31 (1998), S. 154 ff.; H. F. Zacher, Das soziale Staatsziel, in: HStR, Bd. I, 1987, § 25; umfassend im 4. Teil. 898 Grundlegend a. A. F. A. von Hayek, Recht, Gesetzgebung und Freiheit, Bd. 2, Die Illusion der sozialen Gerechtigkeit, 1981, insb. S. 93 ff., 123 ff.; gegen eine Verbindlichkeit des Sozialprinzips insb. E. Forsthoff, Begriff und Wesen des sozialen Rechtsstaates, VVDStRL 12 (1954), S. 8 ff., 19 ff.; ausgleichend W. Leisner, Grundrechte und Privatrecht, S. 167 ff.; im Sinne des Textes P. Häberle, Grundrechte im Leistungsstaat, VVDStRL 30 (1972), S. 90 ff., 94 ff., 103 ff.; H. F. Zacher, Das soziale Staatsziel, in: HStR, Bd. I, § 25, Rn. 166 ff.; K. A. Schachtschneider, Das Sozialprinzip, S. 38 ff., 72 ff., 75 ff., 82 ff.; ders., Res publica res populi, S. 237 ff., auch S. 247 f. („institutionelle Judiziabilität“). 899 Prinzipien der freiheitlichen Demokratie, in: HVerfR, S. 507 ff. 900 Zum allgemeinen Frieden als Ziel des Staates I. Kant, Zum ewigen Frieden, passim; ausführlicher auch C. Starck, Frieden als Staatsziel, in: FS K. Carstens, S. 867 ff.; außerdem H. Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 714 ff.; auch K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 9, 304. 901 BVerfGE 84, 90 (121); dazu K. A. Schachtschneider (unter Mitarbeit von O. Gast), Sozialistische Schulden nach der Revolution, S. 35 f.; i. d. S. auch P. Häberle, Die Menschenwürde als Grundlage der staatlichen Gemeinschaft, in: HStR, Bd. I, § 20, Rn. 1 ff., insb. Rn. 46 ff.; ebenfalls W. Maihofer, Prinzipien der freiheitlichen Demokratie, in: HVerfR, S. 432 ff., 513 ff., 536. 902 Die Gerechtigkeit des Interessenausgleichs wird von der Sittlichkeit des Gesetzgebers und damit von der Moralität der Volksvertreter bestimmt. Dazu K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 637 ff. sowie ergänzend zur Moralität oder eben Gewissensbindung der Abgeordneten als Bedingung der Richtigkeit gesetzgeberischer Erkenntnisse S. 530 ff., 536 ff., 584 ff., 662 ff., 670 ff., 728 ff., 799 ff., ebenso S. 211 ff., 275 ff., 325 ff., 819 ff., 858 ff., 963 ff., 978 ff.; zur Rechtsprechung außerdem S. 1027 ff., 1033 ff., auch S. 27, 64, 115; grundlegend dazu ders., Freiheit in der Republik, 2. Kap., VII., 4. Kap. 903 Das republikanische Eigentum trägt diesen Aspekt der gerechten, nicht aber unterschiedslosen Verteilung in sich.

2. Kap.: Recht auf Eigentum

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Freiheit willen stets auch eine gerechte Teilung der Güter905, eben „austeilende“ oder „distributive Gerechtigkeit“906. Vor diesem Hintergrund wird deutlich, warum das Eigentum, besser die Eigentumsordnung, als (gesetzliche) Regelung der rechtlichen, auch material-ökonomischen Bedeutsamkeiten des Zusammenlebens in der staatlichen Gemeinschaft stets eine „Ordnung der Distribution“907 beinhalten muss und wird908. Auch wenn sich das Eigentum des Bürgers in besonderem Maße über seine Arbeit und deren Ergebnisse erschließt909, muss gleichwohl jedem Menschen auch unabhängig von seiner Arbeit oder seiner sonstigen Leistung Eigenes als Recht zugestanden werden, das ihm die Möglichkeit der Willensautonomie eröffnet und deshalb seiner (Menschen-)Würde entspricht910; das ist der eigentliche Gegenstand der Verteilungsfrage. Hat nämlich der Bürger das erforderliche Eigentum nicht, so obliegt es dem sozialen Staat, diesen Zustand herzustellen und aus den vorhandenen Gütern der Gemeinschaft eine solche Verteilung vorzunehmen, dass sie dem Bürger wenigstens Grundlagen bürgerlicher Eigenständigkeit und -verantwortlichkeit verschafft; denn erst die allgemeine Bürgerlichkeit durch Selbständigkeit realisiert das republikanisch verstandene Sozialprinzip911. Das soziale Prinzip der brüderlichen Republik, das um der Brüder-

904 Vgl. G. Dürig, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 3 Abs. I, Rn. 156 ff.; W. Maihofer, Prinzipien der freiheitlichen Demokratie, in: HVerfR, S. 519 ff.; M. Kriele, Die demokratische Weltrevolution, S. 49 ff.; ders., Einführung in die Staatslehre, S. 229, 334; P. Häberle, Grundrechte im Leistungsstaat, VVDStRL 30 (1972), S. 90 ff., insb. 96 ff.; K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 8, 234 ff., 285 ff., 304. 905 So K. A. Schachtschneider, Das Recht am und das Recht auf Eigentum, S. 759 („Unter allen Bürgern müssen die Güter brüderlich geteilt werden.“), unter Hinweis (in Fn. 110) auf Ch. de Montesquieu, Vom Geist der Gesetze, V, 3 ff.; ders., Das Sozialprinzip, S. 40 ff., 48 ff.; vgl. auch I. Kant, Metaphysik der Sitten, S. 365 f., 366 ff., 432 ff.; ders., Über den Gemeinspruch, S. 150 f.; auch H. F. Zacher, Das soziale Staatsziel, in: HStR, Bd. I, § 25, Rn. 32 ff., 48 ff. 906 I. Kant, Metaphysik der Sitten, S. 423, der als Gegensatz den „Status naturalis“ als „nicht-rechtlichen Zustand“ in Stellung bringt, der keine „austeilende Gerechtigkeit“ kennt, während sich offensichtlich der rechtliche Zustand des Gemeinwesen durch eben diese distributive Komponente auszeichnet; dazu auch ebenda, S. 412, 419. 907 W. Leisner, Freiheit und Eigentum, in: Eigentum, S. 14 f., der zwar – da von einem liberalistischen Freiheits- und Eigentumsverständnis ausgehend – die „Freiheit“ als „eine Ordnung der Distribution“ identifiziert, aber letztlich auf das Eigentum und die dem Eigentum inhärenten, distributiven Aspekte abstellt. 908 Zur Verbindung von Brüderlichkeit und Eigentum(-sordnung) W. Leisner, ebenda, S. 19: „Doch hinter der Brüderlichkeit steht das Eigentum, Bruder kann im Entscheidenden nur sein, wer besitzt und teilhaben läßt“. 909 P. Häberle, Grundrechte im Leistungsstaat, VVDStRL 30 (1972), S. 85 f., 100 ff. 910 Vgl. K. A. Schachtschneider, Das Recht am und das Recht auf Eigentum, in: FS W. Leisner, S. 745 ff., 751 ff. 911 K. A. Schachtschneider, Frei – sozial – fortschrittlich, in: Symposium für Werner Thieme, S. 12 ff.; ders., Res publica res populi, S. 234 ff.

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5. Teil: Eigentum in der Republik

lichkeit und somit der allgemeinen Freiheit willen die Verteilung von grundsätzlich privatem Eigenen kennt, fordert ein Recht auf Eigentum, wenigstens ein Recht auf eine Eigentumsordnung, in der bürgerliche Selbständigkeit wachsen und gedeihen und das hierfür nötige Eigentum, wenn nicht selbstgeschaffen, so doch zumindest mit staatlicher Unterstützung, beigebracht und eingesetzt werden kann912. Wenn als Apriori schon Verteilung im Sinne eines Interessenausgleichs vorgesehen ist und sich die verfasste Bürgergemeinschaft auf eine solche „gerechte“ Verteilung verständigt hat – immer mit den Zielen, mindestens die Existenz der Bedürftigen zu sichern, im Sinne der Freiheitlichkeit der Republik auch und vor allem bürgerliche Selbständigkeit zu fördern, geeignete Rahmenbedingungen zu schaffen und gegebenenfalls entsprechende staatliche „Anschubunterstützungen“ auf dem Weg zur Eigenverantwortlichkeit zu leisten –, bedingt eine solche Verteilungsordnung, auch in ihrer praktischen Umsetzung, ein Recht auf Eigentum. All denjenigen, die an dem Verteilungssystem „teilnehmen“, muss ein grundlegendes Recht auf Eigentum zugebilligt werden, da ansonsten die eigentliche Idee der Verteilung als Materialisierung des sozialen Prinzips der Republik schlussendlich ad absurdum geführt wird. Sowohl diejenigen, die im Sinne der Verteilungsgerechtigkeit mit wie auch immer gearteten Hilfsleistungen bedacht werden, als auch all diejenigen, deren Beitrag zum verteilenden System eingefordert wird, können die Verteilungsmechanik nur in Gang setzen und in Bewegung halten, wenn sie grundsätzlich Eigentum besitzen oder erhalten können. Auch vor dem Hintergrund der material-ökonomischen Dimensionen bürgerlich-freiheitlicher Selbständigkeit erschließt sich die Notwendigkeit eines Rechts auf Eigentum aus der Einsicht heraus, dass die interessenausgleichende und friedenstiftende Verteilung neben einer formalen zwingend eine materiale Komponente haben muss, die auf die Gegenstände des rechtlich Eigenen, das Eigentum nämlich, Bezug nimmt. Nicht um der unterschiedslosen Güterverteilung selbst willen, sondern mit Blick auf den gemeinsamen Konsenses, den der allgemeine Frieden unstrittig erfordert, muss die Gemeinschaft jedem das Seine zuerkennen913, zugleich aber das vorhandene Eigentum brüderlich so (ver-)teilen, das jeder wenigstens das für die bürgerliche Eigenständigkeit Erforderliche sein Eigen nennen kann. Freilich impliziert beide Male eine notwendige (ökonomische) Materialität das Vorhandensein und die Verfügbarkeit von Eigentum, ja von Eigentumsgegenständen; ohne ein Recht auf eben dieses Eigentum, dessen vielschichtige Begründungslinien – sei es nun die Menschheit des Men912 I. d. S. K. A. Schachtschneider, Das Recht am und das Recht auf Eigentum, in: FS W. Leisner, S. 780 ff. 913 Vgl. K. A. Schachtschneider, Das Recht am und das Recht auf Eigentum, in: FS W. Leisner, S. 761, 766 (m. Hinw. in Fn. 158).

2. Kap.: Recht auf Eigentum

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schen, seine Privatheit und Bürgerlichkeit, auch seine Sittlichkeit und Leistung oder aber die freiheitliche Brüderlichkeit und das republikanische Sozialprinzip – im Postulat einer gerechten Verteilung münden, wäre die Verteilung, die letztlich dem allgemeinen Frieden und dem Wohle aller dient, sinn- und zweckentleert. III. Recht auf Eigentum und gerechte Eigentumsordnung Die bürgerliche Gemeinschaft hat sich in ihrer freiheitlichen Brüderschaft zu allgemeinen Gesetzen verpflichtet, die das gute Leben aller in gemeinsamer Freiheit verwirklichen (sollen). In der Logik der Materialität dieser allgemeinen Gesetzen liegt das Gelingen des Interessenausgleichs und damit die Gewährleistung von Frieden und allgemeiner Freiheit begründet914; diese allgemeinen Gesetze regeln folglich auch das Eigentum ebenso wie die anzulegenden Verteilungsmaßstäbe. Nur gesetzmäßig erworbenes Mein und Dein kann gerechtes Eigentum sein, kann ex definitione überhaupt Eigentum sein, das der Eigentumsgewährleistung des Art. 14 GG unterliegt915. Nachdem allgemeine Gesetze, denen jeder Bürger angesichts der Wahrung seiner eigenen Interessen zuzustimmen in der Lage ist916, die also den vereinten Willen aller in der Gemeinschaft zum Ausdruck bringen, das Eigentum ordnen, vermittelt bereits das formale Eigentum ob seiner „Zustimmungsbedürftigkeit“ durch die Rechtsgemeinschaft die Chance zum Ausgleich zwischen verschiedenen Interessenlagen917; denn eine Eigentumsordnung, infolge der Arm und Reich übermäßig auseinander klaffen, würde die republikanische Bürgerschaft niemals tragen918. Findet hingegen eine Ordnung 914 Vgl. i. d. S. I. Kant, Zum ewigen Frieden, S. 250 f.; auch ders., Kritik der praktischen Vernunft, S. 146; grundlegend und substantiell K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 617 ff. 915 Grundlegend dazu K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, 10. Kap., I., II., VII.; auch ders., Das Recht am und das Recht auf Eigentum, in: FS W. Leisner, S. 744 ff. u. ö. 916 Zur Gesetzgeberschaft der in Freiheit gleichen Bürger I. Kant, Über den Gemeinspruch, S. 150 f.; dazu K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 1 ff., 14 ff., 23 ff., 211 ff. 917 Der der Formalität der Republik immanente Prozeduralismus führt zu der bestmöglichen materialen Gerechtigkeit in der Lebenswirklichkeit der Republik; vgl. K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 560 ff., 584 ff. 918 Eine solche Eigentumsordnung wäre nicht zu rechtfertigen, wäre also willkürlich. Dazu näher K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 978 ff., 990 ff., auch S. 410 ff.; ders. (unter Mitarbeit von O. Gast), Sozialistische Schulden nach der Revolution, S. 94 ff.; kurz ders., Das Recht am und das Recht auf Eigentum, in: FS W. Leisner, S. 760 ff., 764 ff. Zum Willkürverbot etwa BVerfGE 3, 58 (135 f.); 4, 144 (155); 9, 124 (129 f.); 50, 177 (186); 51, 295 (300 f.); 55, 72 (90); 57, 107 (115); 60, 16 (42); 71, 202 (205); 76, 256 (329); 88, 87 (97); 91, 389 (401); st. Rspr.; dazu C. Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 3 Abs. 1, Rn. 10, 11, 12 ff.; grund-

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5. Teil: Eigentum in der Republik

des Eigentums die freilich sittlich zwingend erforderliche Zustimmung aller, sind die (Eigentums-)Gesetze die Gesetze aller, die volonté générale also, werden die Möglichkeiten des Lebens und des Handelns unter allen gerecht geteilt. Der gesetzlichen, folglich gerechten Eigentumsordnung ist also eine interessenausgleichende Verteilung immanent919, schon die „gesetzliche Sicherung des jeweiligen Besitzstandes wirkt verteilend, ja zuteilend“920. Die wesentliche Orientierung geben der verteilenden Eigentumsordnung das eigentumsgemäße Privatheitsprinzip und das freiheitliche Prinzip der Selbständigkeit, das auch im Sozialprinzip verankert ist; denn Bürgerlichkeit und Armut sind unvereinbar. Haben nun die allgemeinen Gesetze eine Verteilung der Güter in der Republik dahingehend organisiert, dass um der allgemeinen Freiheit willen jedem wenigstens das zugeteilt wird, was seine bürgerliche Existenz erfordert, macht das ein Recht jedes Bürgers, der an dieser Verteilungsordnung teilnimmt921, auf eben jenes Eigene unverzichtbar. Andernfalls wäre die Verteilung des Eigentums ungesetzlich, gegen das Recht und die Freiheit, und würde den empfangenden Bürger zum rechtlosen Bittsteller und Almosenempfänger degradieren, dem leistenden Bürger hingegen ungesetzlicherweise Eigentum entziehen, beide letztlich ihrer Bürgerlichkeit und Freiheit, zugleich ihres rechtmäßig, rechtlich Eigenen berauben. Die Materie des Rechts auf Eigentum ist Sache der Gesetze; auch Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG sieht dies so vor. „Inhalt und Schranken (des Eigentums; Anm. d. Verf.) werden durch die Gesetze bestimmt“, die sich an dem Prinzip der freiheitlichen Selbständigkeit der Bürger ebenso wie an dem sozialen Prinzip der Republik als Verteilungsgrund auszurichten haben. Konsequenterweise führt die notwendige Ausgestaltung des Rechts auf Eigentum, auch in dessen Menschenlegend R. Alexy, Theorie der Grundrechte, 1986, S. 357 ff., 364 ff.; G. Dürig, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 3 Abs. 1, Rn. 303 ff., insb. Rn. 333 ff.; P. Kirchhof, Der allgemeine Gleichheitssatz, in: HStR, Bd. V, § 124, Rn. 25, 86 ff., 236 ff. 919 Die Eigentumsordnung kann in ihrer Verteilungsfunktion durch flankierende Gesetze, sofern diese nicht ohnehin als Bestandteil einer umfassenderen Eigentumsordnung identifiziert worden sind, modifiziert oder gar grundlegend verändert werden. In besonderem Maße können Steuergesetze die Zuteilung des an sich rechtmäßigen Eigentums substantiell verschieben, kann doch der Steuerpflichtige durch gezielte Besteuerung i.V. m. hohen Steuersätzen „nicht selten . . . zur Aufgabe bestimmter Eigentumspositionen oder zur Vergesellschaftung von Eigentum“ (W. Leisner, Sozialbindung des Eigentums, S. 226) gezwungen werden. 920 Vgl. K. A. Schachtschneider, Das Recht am und das Recht auf Eigentum, in: FS W. Leisner, S. 765. 921 Gerecht ist eine Eigentumsordnung aber nur, wenn an ihrer Materialisierung alle teilhaben. Vgl. hierzu K. A. Schachtschneider, Das Recht am und das Recht auf Eigentum, S. 762; i. d. S. bereits I. Kant, Metaphysik der Sitten, S. 365 f., 366 ff., 412 f., 419, 423, 430 f., 464; dazu W. Kersting, Transzendentalphilosophische Eigentumsbegründung, S. 46 ff., 64 ff., 69 ff.; so auch P. Badura, Freiheit und Eigentum in der Demokratie, in: Eigentum und Eigentümer im Zeitalter globaler Märkte und Finanzströme, S. 18 f.

2. Kap.: Recht auf Eigentum

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rechtlichkeit, in allgemeinen Gesetzen dazu, dass der Bürger in der Rechtsgemeinschaft kein subjektives Recht auf Eigentum geltend machen kann: „Ein subjektives Recht auf die Zuteilung bestimmter Güter lässt sich dem Menschenrecht auf Eigentum nicht abgewinnen. Dieses Menschenrecht steuert objektivrechtlich die Eigentumspolitik der Republik, die freiheitlich, gleichheitlich und brüderlich, also praktisch vernünftig, sein soll. Auf die gesetzgeberische Verwirklichung einer solchen Politik einer Eigentumsordnung der praktischen Vernunft hat aber jeder Bürger ein verfassungsmäßiges Bürgerrecht.“ (Karl Albrecht Schachtschneider)922

Auf Verlangen des Bürgers, also aufgrund einer Klage, hat die Judikative, vornehmlich das Bundesverfassungsgericht, zu überprüfen, ob die bestehende Eigentumsordnung, ja die gesamte Eigentumspolitik der Legislative dem Recht des Bürgers auf Eigentum genügt; sollte dies nicht der Fall sein, ist die Legislative zu einer adäquaten Anpassung ihrer Eigentumspolitik mittels geeigneter Gesetze verpflichtet923. Hierbei sind aufgrund des Rechts auf Eigentum der Legislative ebenso Grenzen gesteckt wie dem Gericht, das in seiner Rechtsfindung924 die ausreichende Berücksichtigung der Sittlichkeit, also eben auch der Brüderlichkeit oder Sozialität der vorherrschenden Eigentumspolitik zu verantworten hat925. Der Bürger als Rechtssubjekt hat also kein unmittelbares, direktes Recht auf Eigentum, geschweige denn auf Zuteilung eines bestimmten Eigentumsgegenstandes, aber allemal Anspruch auf eine Eigentumsordnung, besser: auf eine das Eigentum in all seinen Facetten tangierende Rechtsordnung und somit auch auf eine steuergesetzliche Ordnung, die innerhalb der beiden Eckpunkte Privatheit und Sozialität Möglichkeiten zum wie auch immer gearteten Erwerb und Erhalt von Eigentum gewährleistet und den geeigneten, prak922

Das Recht am und das Recht auf Eigentum, in: FS W. Leisner, S. 773. Grundlegend zum subjektiven Recht auf Verwirklichung der objektiven Dimension eines Grundrechts BVerfGE 7, 128 (206 f.), auch BVerfGE 77, 170 (214); 79, 174 (201 f.); 81, 242 (253, 256); 84, 211 (223); K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 819 ff., insb. S. 828, auch S. 448 f.; eindeutig abweichend der Euro-Beschluss BVerfGE 97, 350 (376); beachte die zutreffende Kritik von K. A. Schachtschneider, Der Euro-Beschluß des Bundesverfassungsgerichts, IHI-Schriften, Heft 9, 1998, S. 22 ff., 31 ff., 50 ff.; i. d. S. auch W. Hankel/W. Nölling/ders./J. Starbatty, Die Euro-Klage, S. 284 ff., 287 ff. 924 Die Formalität des Freiheits- und Gleichheitsprinzips wie auch die Offenheit des Wesensgehalts der Grundrechte ermöglichen dem Gericht, mit seiner Rechtsprechung geradezu gesetzgeberische Wirkung zu entfalten, so K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 819 ff., auch S. 275 ff., 325 ff., 410 ff., 978 ff., 990 ff. Nicht zuletzt aus diesem Grund übt das Gericht regelmäßig Zurückhaltung (judical self-restraint) und belässt der Legislative beträchtliche, manchmal übermäßige Spielräume, so beispielsweise in BVerfGE 30, 250 (262 f.); 35, 256 (262); 36, 1 (14 f.); 37, 104 (118); 43, 291 (347); 45, 187 (237 f.); 53, 185 (196); 59, 360 (377); BVerfG NJW 1997, 1975 (1977 ff.). 925 Vgl. allgemein zur Judiziabilität der Sittlichkeit oder der praktischen Vernunft K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 978 ff., 990 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 2. Kap., VII., 4. Kap. 923

230

5. Teil: Eigentum in der Republik

tisch vernünftigen und damit gerechten Ausgleich divergierender Interessen zuwege bringt926. Ob nun Eigentum durch eigene Leistung begründet werden kann oder (zunächst) durch Leistungen des sozialen Staates geschaffen werden muss, beide Male steht das Ziel freiheitlicher Selbständigkeit des Bürgers im Vordergrund, mittels der der Bürger eine eigene Existenz gründen und sein Leben vorrangig privatheitlich in Selbstverantwortung bestreiten kann; die Möglichkeiten zu dem hierfür nötigen Eigentum hat die Eigentumsordnung – dazu zählen auch Steuergesetze – zu bewerkstelligen und sicherzustellen. Daher dürfen die Möglichkeiten, sich aus dem „passiven Zustand“ – „als bloßer Staatsgenosse ohne Eigentum“927 – in den „aktiven“ Zustand – also den des Staatsbürgers mit Eigentum – verändern, „empor arbeiten zu können“928, nicht erschwert oder gar blockiert werden, schon gar nicht durch irgendwelche Gesetze929. Ebenso wenig darf die Eigentumsordnung ausschließlich zugunsten der „beati possidentes“930 votieren. Vielmehr obliegt es den allgemeinen Gesetzen, ausreichendes Eigentum zu gewährleisten931 und allen Bürgern die Chance zu eröffnen, Selbständigkeit zu erlangen, folglich auch Selbständigkeit begründendes oder erhaltendes Eigentum zu erwerben, innezuhaben und zu nutzen932. Sollten Bürgern diese Möglichkeiten versagt sein, die Chancen also zu ungleich verteilt sein, ist der Staat verpflichtet – ganz im Sinne eines Rechts auf Eigentum –, nicht nur diese Möglichkeiten zum Eigentum(-serwerb) grundsätzlich zu gewährleisten, sondern auch mit Blick auf das republikanische Ziel von Frieden und allgemeiner Freiheit die republikanische Idee der Gleichheit in gleichheitliche Handlungsmöglichkeiten umzusetzen. Die Herstellung dieser 926 Zur Eigentumsordnung als eigentumsgewährleistende Ordnung des Mein und Dein BVerfGE 21, 73 (79, 82 f.); 42, 263 (292 ff.); 45, 272 (296); 50, 290 (339 ff.); 52, 1 (29 f.); 56, 249 (260); st. Rspr.; im Sinne eines Substanzschutzes des Eigentums BVerfGE 42, 263 (295); 45, 272 (296); 50, 290 (341); 52, 1 (30); 58, 300 (345); 70, 191 (199); 93, 121 (137); auch BVerfGE 45, 142 (173), Schutz des „Kerns“; die Eigentumsgewährleistung als Institutsgarantie differenzierend BVerfGE 24, 367 (389); 26, 215 (222); 31, 229 (240); 42, 263 (294); 58, 300 (339). 927 So die Ergänzung bei K. A. Schachtschneider, Das Recht auf und das Recht am Eigentum, in: FS W. Leisner, S. 769. 928 Pointiert K. A. Schachtschneider, ebenda. 929 Metaphysik der Sitten, S. 434; ebenso ders., Über den Gemeinspruch, S. 147 ff.; K. A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 144 f. 930 K. A. Schachtschneider, Das Recht am und das Recht auf Eigentum, in: FS W. Leisner, S. 772, auch S. 776, 779. 931 Nach D. Ehlers, Eigentumsschutz, Sozialbindung und Enteignung bei der Nutzung von Boden und Umwelt, VVDStRL 51 (1992), S. 216, zielt die Institutsgarantie des Eigentums „im Sinne eines Leitprinzips auf die Gewährleistung der Freiheit im vermögensrechtlichen Sinne ab, garantiert dem Bürger einen Mindeststandard privatnützig zugeordneter Vermögenswerte und wirkt insoweit als strikt zu beachtendes Untermaßverbot“. 932 Hierzu ausführlicher bereits 4. Teil, 3. Kap., IV.

2. Kap.: Recht auf Eigentum

231

Chancengleichheit933, die nicht mit egalitärer Umverteilung gleichgesetzt werden darf, zählt zu den substantiellen Elementen des Eigentumsrechts, auch des Rechts auf Eigentum. Diesen Facetten der Eigentumsgewährleistung kann und darf sich auch und insbesondere der Steuergesetzgeber nicht entziehen, der in all seinen Steuergesetzen nicht nur das Recht des Bürgers an dessen Eigentum berücksichtigen muss, sondern auch in der Steuerrechtsordnung sicherzustellen hat, dass die Auferlegung öffentlich-rechtlicher Geldleistungspflichten, vornehmlich Steuern, dem Recht aller Bürger auf bürgerliches Eigentum nicht zuwiderläuft. Rechtlichkeit und Pflichtigkeit des privaten Eigentums auf dem Weg zur Freiheit des Bürgers und zum allgemeinen Wohl skizzieren die grundlegenden Leitlinien für die Begehrlichkeiten des Steuerstaates.

933 Zur Chancengleichheit P. Häberle, Grundrechte im Leistungsstaat, VVDStRL (1972), S. 84, 92, 97; W. Maihofer, Prinzipien der freiheitlichen Demokratie, in: HVerfR, S. 512; P. Kirchhof, Der allgemeine Gleichheitssatz, in: HStR, Bd. V, § 124, Rn. 74 f., 107; H. F. Zacher, Das soziale Staatsziel, in: HStR, Bd. I, § 25, Rn. 39; K. A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 144 f., 344; kritisch W. Leisner, Der Gleichheitsstaat. Macht durch Nivellierung, 1980, insb. S. 143 ff.; ebenso ders., Chancengleichheit als Form der Nivellierung, 1980, in: J. Isensee (Hrsg.), Staat, Schriften zu Staatslehre und Staatsrecht, 1957–1991, 1994, S. 642 ff.

Sechster Teil

Teilung des Eigentums zwischen Steuerbürger und Steuerstaat 1. Kapitel

Steuerzugriff in der Republik I. Grundlagen Das Steuerverfassungsrecht934 als substantieller Bestandteil des Grundgesetzes bietet aufgrund seiner Offenheit dem Steuergesetzgeber vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten935. Solange der Staat Steuern vor seiner Verfassung, seinem Verfassungsgesetz, rechtfertigen kann936, scheint seinem Erfindungsreichtum bei der Erschließung von Steuerquellen kaum Einhalt zu gebieten sein. Landläufiger Meinungen und Parolen zum Trotz können Steuern nicht grund-, maß- und grenzenlos erhoben werden. Steuergesetze stehen nicht außerhalb der Verfassung; bereits in ihrer Eigenschaft als Eigentumsgesetze – denn Steuergesetze sind zwangsläufig Gesetze des Eigentums – haben sie die Prinzipien der Verfassung und des Verfassungstextes zu achten937. Erste Grenzen finden die

934 Die Finanzverfassung, zu der die Steuerverfassung zu zählen ist, ist nicht zuletzt angesichts des staatlichen Finanzbedarfs aus der Realität der modernen Republik nicht mehr wegzudenken. 935 Für die Steuergesetzgebung unter besonderer Berücksichtigung des Sachlichkeitsgebotes etwa BVerfGE 65, 325 (354); 84, 239 (271); 93, 121 (136); extrem und verfassungswidrig im Euro-Beschluss BVerfGE 97, 350 (370 ff.); dazu K. A. Schachtschneider, Der Euro-Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes, IHI-Schriften 9 (1998), S. 19 ff.; auch W. Hankel/W. Nölling/K. A. Schachtschneider/J. Starbatty, Die Euro-Illusion, S. 274 ff. 936 Zur Rechtfertigung von Steuern grundlegend z. B. K. Vogel, Rechtfertigung der Steuern: eine vergessene Vorfrage. Zugleich zur „heimlichen Steuerrevolte“ und zum Dreieck Staat/Wirtschaft/Gesellschaft, Der Staat 25 (1986), S. 481 ff.; P. Kirchhof, Die verfassungsrechtliche Rechtfertigung der Steuern, in: Steuern im Verfassungsstaat, Symposion zu Ehren von Klaus Vogel, S. 27 ff.; umfassend M. Rodi, Die Rechtfertigung von Steuern als Verfassungsproblem, passim; mit weiteren Aspekten z. B. M. Jachmann, Steuerrechtfertigung aus der Gemeinwohlverantwortung, DStZ 2001, S. 225 ff.; siehe auch 2. Teil, 3. Kap., II., 4., III. 937 Aktuell etwa BVerfGE 102, 1 (17), für die Gesetze des Eigentums.

1. Kap.: Steuerzugriff in der Republik

233

Begehrlichkeiten des Steuerstaates in dem rechtsstaatlichen Willkürverbot938, das jedoch nicht als einzige Hürde dem fiskalischen Zugriff entgegensteht: „Die allgemeinen Prinzipien des Rechtsstaates, die durch die Grundrechte und durch das Sozialprinzip geschützten Prinzipien der Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit, ziehen auch dem Steuerstaat verfassungsrechtliche Grenzen.“ (Karl Albrecht Schachtschneider)939

Welche Grenzen die Verfassung der Republik dem steuerlichen Gesetzgeber in seinem fiskalischen Appetit grundsätzlich zu ziehen vermag, deutet Schachtschneider an, wenn er die grundgesetzlichen Berührungs- und Verletzungspotentiale steuergesetzlicher Regelungen ausbreitet940: „Verletzungen der Steuerverfassung sind immer zugleich Verletzungen von Grundrechten, sei es die Verletzung der Eigentumsgewährleistung des Art. 14 Abs. 1 GG, wenn die Steuergesetze an dem Eigentumsgrundrecht gemessen werden, sei es die Verletzung der Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG, wenn die Berufsfreiheit durch ein Steuergesetz verletzt ist, sei es die allgemeine Freiheit des Art. 2 Abs. 1 GG, wenn die besonderen Grundrechte keinen Schutz geben, weil jedes Steuergesetz zumindest die allgemeine Freiheit beeinträchtigt, und, wenn es Verfassungsprinzipien missachtet, mit dem Freiheitsgrundrecht unvereinbar ist, zumindest soweit das Steuergesetz Pflichten auferlegt. In Betracht kommt immer auch die Verletzung des rechtsstaatlichen Willkürverbots, in der Praxis die eigentliche verfassungsrechtliche Grenze der Steuerpolitik.“

Nicht zuletzt mit Blick auf die Steuerlast, die oftmals als allzu hoch, ja gar als übermäßig empfunden wird, sollen im Folgenden die Grenzen, die die Verfassung der Republik dem Zugriff des Fiskus setzt941, näher beleuchtet werden. Ohne das Gesamtgefüge möglicher Grenzlinien des Steuerstaates aus dem Blick 938 Etwa BVerfGE 13, 181 (202 f.); 21, 375 (386); 29, 327 (335); 31, 8 (25); 31, 119 (130); 50, 290 (338); 59, 236 (263); 65, 325 (354); 74, 182 (200); 82, 60 (80); 84, 239 (271); 93, 165 (178); dazu (zustimmend) P. Selmer, Finanzordnung und Grundgesetz. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in Finanz- und Steuersachen, AöR 101 (1976), S. 445 ff. 939 K. A. Schachtschneider, Umsatzbesteuerung der Mineralölsteuer, S. 4. Zu den republikanischen Grundprinzipien Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit ders., Res publica res populi, S. 1 ff., 234 ff., 275 ff., passim; ebenso umfassend ders., Freiheit in der Republik, 1. Kap., passim; ders., Prinzipien des Rechtsstaates, S. 5 ff., 16 ff., 43 ff., 84 ff., 93 ff., passim. 940 Die Umsatzbesteuerung der Mineralölsteuer, S. 10. A. A. offensichtlich F. Klein, in: B. Schmidt-Bleibtreu/F. Klein (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, 8. Aufl., 1989, Art. 105, Rn. 6. („Art. 105 GG und die Nennung der einzelnen Steuern in Art. 106 GG beinhaltet auch eine Ermächtigung an den Gesetzgeber, die Steuern im herkömmlichen Sinne zu gestalten. Die Grundrechte werden durch die Steuererhebung als solche nicht berührt.“) 941 Für einen ersten Überblick statt vieler P. Kirchhof, Der Grundrechtsschutz des Steuerpflichtigen. Zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts im vergangenen Jahrzehnt, AöR 128 (2003), S. 1 ff.; eine Übersicht auf europäischer Ebene gibt z. B. M. Lehner, Begrenzung der nationalen Besteuerungsgewalt durch die Grundfreiheiten und Diskriminierungsverbote des EG-Vertrages, DStJG 23, 2000, S. 263 ff.

234

6. Teil: Teilung des Eigentums zwischen Steuerbürger und -staat

zu verlieren, richtet sich das Hauptaugenmerk auf das Verhältnis der Besteuerung zu der in Art. 14 GG verfassten Eigentumsgewährleistung942. Schließlich scheint die Pflicht zur Steuerzahlung das Eigentum des Bürgers offensichtlich und merklich, oftmals gar schmerzhaft zu beeinträchtigen, gegebenenfalls auch zu verletzen. Naheliegenderweise orientiert sich die Diskussion um etwaige Grenzen der steuerlichen Belastung des Bürgers primär an der mit dem Fiskalzweck der Besteuerung korrespondierenden Belastungswirkung der Steuer943. Immerhin ist die Frage, in welchem Maß der Private sein Eigentum mit dem besteuernden Staat zu teilen hat, in erster Linie die Frage nach den verfassungsseitig vorgegebenen Belastungsgrenzen des Steuerzugriffs, regelmäßig also nach dem verfassungsrechtlich zulässigen Höchstmaß der Besteuerung. Daraus lässt sich nicht etwa ableiten, dass Steuernormen mit Gestaltungswirkung, so genannte Lenkungssteuern, keine verfassungsrechtlichen Grenzen kennen, geschweige denn keiner Rechtfertigung bedürfen; allerdings variiert der anzulegende verfassungsrechtliche Maßstab in Abhängigkeit vom Zweck der Steuer944. Nachdem mit Lenkungsnormen gerade nicht auf eine gerechte Verteilung steuerlicher Lasten abgezielt wird, sondern auf die Umsetzung bestimmter, politisch gewollter Gestaltungen945, ist das Abweichen von der Besteuerungsgleichheit im Sinne einer Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit ebenso zu begründen wie der grundsätzliche Steuerzugriff mit Lenkungsintention946. Nimmt der Staat mit einer steuergesetzlichen Regelung staatliche Aufgaben jenseits der originären Finanzierungsfunktion der Steuer wahr, erfordert dies regelmäßig eine selbständige, verfassungsrechtliche Rechtfertigung947, die typischerweise an der Gemeinwohlverantwortung des Staates festgemacht wird948. 942

Dazu unten ausführlich. So z. B. M. Jachmann, Steuergesetzgebung zwischen Gleichheit und wirtschaftlicher Freiheit, S. 31, im Zuge der Erörterung verfassungsrechtlicher Grenzen der Besteuerung. Fiskalzwecknormen dienen in ihrer Primärfunktion dazu, den notwendigen Finanzbedarf der öffentlichen Haushalte zu decken; zur systematischen Einordnung steuergesetzlicher Normprinzipien J. Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 4, Rn. 19 ff. 944 Vgl. K. Vogel/C. Waldhoff, in: BK, Vorbem. z. Art. 104a–115, Rn. 497. 945 Dazu D. Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 71 f.; J. Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 4, Rn. 21 f. 946 Siehe D. Birk, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, § 3, Rn. 46; M. Jachmann, Steuergesetzgebung zwischen Gleichheit und wirtschaftlicher Freiheit, S. 31; dies., Verfassungsrechtliche Grenzen der Besteuerung, S. 16 f.; O. Geißler, Der Unternehmer im Dienste des Steuerstaats, 2001, S. 106. 947 Einen Überblick über die Rechtfertigung von Sozialzwecknormen im Steuerrecht gibt z. B. J. Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 4, Rn. 124 ff. 948 Zur Gemeinwohlverantwortung als Generalprinzip der Rechtfertigung von Steuernormen ausführlich M. Jachmann, Steuerrechtfertigung aus der Gemeinwohlverantwortung, DStZ 2001, S. 225 (m.w. N.). Auch in seiner Entscheidung zur Halbteilung, BVerfGE 93, 121 (148), konstatiert das oberste Gericht, dass lenkende Steuerentlastungen, also Subventionen, „gemeinwohlbezogen [zu; Erg. d. Verf.] rechtfertigen“ sind. 943

1. Kap.: Steuerzugriff in der Republik

235

Zweifelsohne beeinflussen Lenkungssteuern den steuerpflichtigen Bürger in seinen wirtschaftlichen Entscheidungen; in praxi geschieht diese teilweise derart massiv – Bauherrenmodelle, Investitionsruinen in den neuen Ländern und zahllose Schiffsbeteiligungen sprechen eine mehr als deutliche Sprache –, dass sich die Frage nach den verfassungsrechtlichen Grenzen solch lenkender Steuern nahezu aufdrängt949. Da dieser Beitrag das Verhältnis zwischen privatem Eigentum und staatlichem Steuerzugriff vornehmlich in seiner Maßstäblichkeit erörtert, soll in den folgenden Ausführungen die Diskussion über verfassungsrechtliche Implikationen lenkender Steuern zugunsten der Erörterung von Verfassungsnormen zurücktreten, an denen der steuerliche Zugriff des Staates in seiner originären, dem Bürger fiskalische Lasten aufbürdenden Wirkung gemessen werden kann. II. Art. 2 Abs. 1 GG als Grenze der Besteuerung 1. Grundlagen Art. 2 Abs. 1 GG definiert die allgemeine Handlungsfreiheit: „Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.“

In der Republik findet die allgemeine Freiheit950 ihre Wirklichkeit in allgemeinen Gesetzen951, auch im Verfassungsgesetz, ebenso im Sittengesetz als Pflicht des Einzelnen und der bürgerlichen Gemeinschaft zur Sittlichkeit952;

Das Gemeinwohl als Steuerrechtfertigung relativiert J. Lang, Verwirklichung von Umweltschutzzwecken im Steuerrecht, DStJG 15 (1993), S. 157 f., dahingehend, dass auch eine steuerliche Sozialzwecknorm nicht zu einer individuellen Existenzgefährdung führen darf. Zur Gemeinwohlverpflichtung in der Republik allgemein K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 241 ff., 370 ff., 576 ff. u. ö. 949 Weitere Ausführungen hierzu finden sich bei D. Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 202 f.; M. Jachmann, Verfassungsrechtliche Grenzen der Besteuerung, S. 21 f.; M. Rodi, Rechtfertigung von Steuern als Verfassungsproblem, 1994, S. 100. Grundlegend u. stv. für viele P. Kirchhof, Der sanfte Verlust der Freiheit. Für ein neues Steuerrecht – klar, verständlich, gerecht, 2004, S. XI ff. (Vorwort), 5 f., 8 ff. u. ö. 950 Umfassend zur Freiheit als politische Leitentscheidung der Republik K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, passim; ders., Res publica res populi, S. 4 (m. zahlr. Hinw. in Fn. 18), 35 ff., 253 ff., 275 ff., 325 ff., ergänzend auch S. 441 ff. 951 Die allgemeine Gesetzlichkeit als Fundament republikanischer Freiheit erläutert K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 303 ff., 525 ff., 536 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 1. Kap., 2. Kap., 5. Kap. u. ö. 952 Zum kategorischen Imperativ Kants als Sittengesetz vgl. K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 253 ff., passim; ders., Freiheit in der Republik, 2. Kap., II., VII., 4. Kap. u. ö.; ders., Republikanische Freiheit, in: FS M. Kriele, S. 829 ff.

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6. Teil: Teilung des Eigentums zwischen Steuerbürger und -staat

obiger Wortlaut des Art. 2 Abs. 1 GG stützt dies übrigens953. Der Freiheitsbegriff der Republik ist ein formaler, der der Verwirklichung durch die Gesetze bedarf954; denn nur durch allgemeine Gesetzlichkeit wird die Freiheit verwirklicht955. Demgegenüber thematisiert das Bundesverfassungsgericht in seinem materialen Freiheitsverständnis die allgemeine Freiheit des Art. 2 Abs. 1 GG als allgemeine Handlungsfreiheit956, nach deren Logik es regelmäßig judiziert957. Die Freiheit in seinem Handeln schützt den Bürger vor ungesetzlichen Verpflichtungen durch den Staat, also vor staatlichen Pflichten, die nicht einem allgemeinen Gesetz entsprechen, da nicht jeder Bürger diesem allgemeinen Gesetz zuzustimmen in der Lage und bereit war958. Bereits aus diesem Grunde sind Steuer- und Abgabengesetze, mit denen dem Bürger öffentlich-rechtliche Geldleistungspflichten, insbesondere Steuern, auferlegt werden, an dem Maßstab des 953 Art. 2 Abs. 1 GG verankert das Sittengesetz als den „Schlüsselbegriff“ der republikanischen Ethik der Freiheit. Vgl. K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 7; umfassend ders., Freiheit in der Republik, 4. Kap.; dazu stv. für viele F. A. v. Hayek, Die Verfassung der Freiheit, S. 225 f.; K. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. I, S. 571 f., 788 ff.; W. Maihofer, Prinzipien der freiheitlichen Demokratie, in: HVerfR, S. 427 ff. 954 Ausführlicher hierzu K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 275 ff. (insb. S. 289 ff., 301 ff., 318 ff.), 325 ff. (insb. S. 356 ff.), 410 ff., 437, 494 f., 956 ff., 978 ff., 990 ff., ergänzend S. 332 ff., 431 ff., 509 ff.; auch ders., Freiheit in der Republik, 5. Kap., II. u. ö. 955 Etwa BVerfGE 20, 150 (157 f.); 33, 125 (158 f.); 33, 303 (337); 34, 165 (192 f.); 49, 89 (126); 58, 257 (274); 85, 386 (403 f.); 98, 218 (252); K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 279 ff., 303 ff., 332 ff., 494 ff., 519 ff., 637 ff.; ders., Freiheit in der Republik, S. 29 ff., 43 ff., 94 ff., 116 ff., 219 ff.; ders., Prinzipien des Rechtsstaates, S. 113 ff. Zur Relativierung des Gesetzesvorbehalts durch die Wesentlichkeitslehre BVerfGE 33, 1 (10 f.); 33, 303 (337); 34, 165 (192 f.); 40, 237 (248 f.); 41, 251 (259 f.); 45, 400 (417); 47, 46 (78 f.); 48, 210 (291); 49, 89 (126 f.); 58, 257 (268 ff.); 89, 155 (191 f.); 98, 218 (251 f.); auch BVerwGE 47, 194 (197 ff.); dazu substantiell vor allem K. A. Schachtschneider, Prinzipien des Rechtsstaates, S. 120 f. 956 Für eine liberale Freiheitsdogmatik vgl. grundlegend C. Schmitt, Grundrechte und Grundpflichten, S. 207 ff.; ders., Freiheitsrechte und institutionelle Garantien, S. 140 ff.; ders., Verfassungslehre, S. 157 ff.; dazu z. B. K. Hesse, Grundrechte – Bestand und Bedeutung, in: HVerfR, S. 24, 81, 92 ff. Siehe auch den Überblick bei K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 441 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 3. Kap., 6. Kap. 957 Vgl. etwa BVerfGE 6, 32 (36 ff.); 54, 154 (146); 55, 159 (165 ff.); 59, 275 (278); 74, 129 (151); 75, 108 (154 f.); 80, 137 (152 ff.); 95, 267 (303); 97, 350 (377); st. Rspr.; hierzu z. B. H.-U. Erichsen, Allgemeine Handlungsfreiheit, in: HStR, Bd. VI, § 152, Rn. 1 ff., 13 ff. (m.w. N.); klar für die republikanische Position K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 441 ff., insb. S. 478 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 5. Kap., II., 3. u. ö. 958 Zur freiheitsverwirklichenden Funktion der allgemeinen Gesetzlichkeit vor allem K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 494 ff., auch S. 253 ff. (insb. S. 303 ff.), 519 ff. (insb. S. 525 ff.).

1. Kap.: Steuerzugriff in der Republik

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Art. 2 Abs. 1 GG zu messen959. Das erste Maß praktisch vernünftiger, sittlicher, somit gerechter Gesetze findet sich in der Rechtspraxis im Prinzip der Sachlichkeit, regelmäßig judiziert als Willkürverbot und Verhältnismäßigkeitsprinzip960; diesem Gradmesser unterliegen auch Steuer- und Abgabengesetze961. Das Verfassungsgericht, dessen steuerverfassungsrechtlich relevante Rechtsprechung zu Art. 2 Abs. 1 GG angesichts seiner aktuelleren Bedeutung im Folgenden näher beleuchtet werden soll962, unterwirft die Fiskalverpflichtungen des Bürgers ebenfalls dem freiheitsrechtlichen Gesetzlichkeitsprinzip963. 959 So im Ergebnis K. A. Schachtschneider, Umsatzbesteuerung der Mineralölsteuer, S. 61 f.; dazu auch H.-J. Papier, Grundgesetz und Wirtschaftsordnung, in: HVerfR, S. 845. Beachtlich in diesem Kontext auch die folgenden Ausführungen des obersten Gerichts zu Art. 2 Abs. 1 GG in BVerfGE 19, 206 (215 f.), auch wenn das Gericht nach seiner Dogmatik damit lediglich einen Nebenaspekt der allgemeinen Freiheit streift: „Insbesondere gehört zur Handlungsfreiheit auch das Grundrecht des Bürgers, nur aufgrund solcher Rechtsvorschriften zu Steuern herangezogen zu werden, die formell und materiell der Verfassung gemäß sind und deshalb zur verfassungsmäßigen Ordnung gehören.“; so auch mit explizitem Steuerbezug BVerfGE 18, 320; 19, 257; 21, 1 (3); 25, 223; 26, 1 (7 ff.); 27, 375 (384 f.); 28, 66 (76); 31, 145 (173); allgemein auch BVerfGE 19, 290 (292, 295 ff.); 21, 54 (59 ff.); 21, 209 (214 ff.); 23, 288 (305, 313); 24, 112 (116 f.); 25, 309 (314); 29, 402 (408 ff.); 35, 14 (19 ff.); 39, 56 (60); st. Rspr. Für eine solche Nebenfunktion des Art. 2 Abs. 1 GG bei steuerlichen Lasten plädieren z. B. auch K. Vogel/C. Waldhoff, in: BK, Vorbem. z. Art. 104a–115, Rn. 567, die damit allerdings die republikanische Konzeption verkennen. 960 Vgl. BVerfGE 7, 377 (405 f.); 17, 306 (313); 19, 342 (348 f.); 21, 1 (8); 27, 344 (350 f.); 38, 281 (298); 69, 315 (354); 91, 389 (401); st. Rspr.; dazu K. A. Schachtschneider, Prinzipien des Rechtsstaates, S. 49; ausführlicher hierzu ebenda, S. 365 ff., 380 ff.; auch ders., Res publica res populi, S. 362 f., 978 ff., 987 u. ö.; zum Thema auch P. Lerche, Übermaß und Verfassungsrecht, S. 134 ff. u. ö.; ders., Grundrechtsschranken, in: HStR, Bd. V, § 122, Rn. 16 f.; P. Kirchhof, Der allgemeine Gleichheitssatz, in: HStR, Bd. V, § 124, Rn. 161 ff., 235 ff., 250 ff.; C. Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. I, Art. 2 Abs. 1, Rn. 19; K. Stern (unter Mitarbeit von M. Sachs), Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. III, 2. Halbband, S. 762 ff.; grundlegend auch A. Emmerich-Fritsche, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, passim. 961 Vgl. K. A. Schachtschneider, Umsatzbesteuerung der Mineralölsteuer, S. 11 ff.; ebenso ders., Steuerverfassungsrechtliche Probleme der Betriebsaufspaltung und der verdeckten Gewinnausschüttung, S. 66 ff.; zurückhaltender K. Vogel/C. Waldhoff, in: BK, Vorbem. z. Art. 104a–115, Rn. 569, die dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit „gerade bei der Abgabenerhebung nur begrenzte Bedeutung“ beimessen; i. d. S. auch P. Selmer, Finanzordnung und Grundgesetz, AöR 101 (1976), S. 420 f. 962 Immerhin prüfte das Bundesverfassungsgericht in seinem wegweisenden Urteil zum Halbteilungsgrundsatz, BVerfGE 93, 121, die Zulässigkeit des Steuerzugriffs nicht nur an Art. 2 Abs. 1 GG, sondern aktivierte auf diesem Wege auch den umfassenderen Schutzbereich des Art. 14 GG. Dazu ausführlicher im Folgenden. 963 Vgl. etwa 9, 3 (11); 19, 206 (215 ff.); 19, 226 (241 f.); 19, 243 (247); 19, 248 (251); 19, 268 (273); 21, 1 (3); 26, 1 (7); 87, 153 (16); 95, 267 (303); 99, 216 (243); dazu P. Selmer, Finanzordnung und Grundgesetz, AöR 101 (1976), S. 419 ff.; siehe auch H.-J. Papier, Die finanzrechtlichen Verfassungsvorbehalte und das grundgesetzliche Demokratieprinzip. Zugleich ein Beitrag zur Lehre von den Rechtsformen der Grundrechtseingriffe, 1973, S. 46 ff., 153 ff.; P. Kirchhof, Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), S. 219 ff.; K. Vogel, Grundzüge des Finanzrechts des Grundge-

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6. Teil: Teilung des Eigentums zwischen Steuerbürger und -staat

2. Steuern als Beschränkung der allgemeinen Handlungsfreiheit in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Soweit das Bundesverfassungsgericht bei seinen verfassungsrechtlichen Bewertungen des fiskalischen Zugriffs spezielle Freiheitsgrundrechte964 nicht verletzt oder gar nicht beeinträchtigt sieht965, kann zumindest eine Prüfung des Art. 2 Abs. 1 GG angezeigt sein966, nachdem das Gericht diese Norm als umfassende Gewährleistung der allgemeinen Handlungsfreiheit versteht967 – durchaus auch im Sinne einer Wirtschafts- und Unternehmensfreiheit968, deren Maßstäblichkeit für Steuerpflichten evident sein dürfte. Zugleich will das Gericht diese Norm als subjektives Auffanggrundrecht für den Schutz des Bürgers vor etwaigen Verletzungen seiner individuellen Handlungsfreiheit verstanden wissen, die durch speziellere Grundrechte, quasi im Sinne von leges speciales, nicht abgedeckt sind969. Da auch durch die Auferlegung öffentlich-rechtlicher setzes, in: HStR, Bd. IV, § 87, Rn. 67 ff.; K. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. I, S. 150 ff.; J. Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 4, Rn. 150 ff.; allgemein zum Gesetzesvorbehalt K. A. Schachtschneider, Prinzipien des Rechtsstaates, S. 113 ff. (m.w. N.). 964 Kritisch zum Begriff der Freiheitsgrundrechte, der zumindest in einem liberalistischen Sinne eine klare Trennung von Staat und Gesellschaft impliziert, K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 159 ff., insb. S. 184 ff., auch S. 441 ff., 454 ff. A. A., durchaus mit Bezug zu Steuer- und Abgabegesetzen, z. B. J. Isensee, Staat und Verfassung, in: HStR, Bd. I, § 13, Rn. 161 ff.; ders., Gemeinwohl und Staatsaufgaben im Verfassungsstaat, in: HStR, Bd. III, § 57, Rn. 81 ff. 965 Typischerweise werden Steuergesetze an der Berufsfreiheit des Art. 12 GG und der Eigentumsgewährleistung des Art. 14 GG gemessen; vgl. dazu unten. 966 So R. Scholz, Das Grundrecht der freien Entfaltung der Persönlichkeit, AöR 100 (1975), S. 102; weniger klar z. B. C. Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. I, Art. 2 Abs. 1, Rn. 59 f.; inzwischen aber ders., Urteilsanmerkung, JZ 1993, S. 311. 967 Ausführlicher z. B. B. Pieroth, Der Wert der Auffangfunktion des Art. 2 Abs. 1 GG. Zu einem bundesverfassungsgerichtsinternen Streit um die allgemeine Handlungsfreiheit, AöR 115 (1990), S. 33 ff. 968 Vgl. BVerfGE 73, 261 (270) m.w. N.; auch BVerfGE 78, 232 (244). 969 Zu Art. 2 Abs. 1 als Auffanggrundrecht vgl. in jüngerer Zeit z. B. BVerfGE 89, 48 (61). Hierzu auch z. B. H. Dreier, in: H. Dreier (Hrsg.), Grundgesetz. Kommentar, 1996, Art. 2 Abs. 1, Rn. 15 ff., 22; B. Pieroth/B. Schlink, Grundrechte. Staatsrecht II, 13. Aufl. 1997, Rn. 402 ff. A. A. K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 331 ff. („Das durch dieses Grundrecht geschützte Recht der Freiheit ist nicht als ,Auffanggrundrecht‘ der generelle, subsidiäre Grundrechtstatbestand gegenüber den so genannten Spezialgrundrechten.“, Zitat S. 331); sinngemäß auch E. Grabitz, Freiheit und Verfassungsrecht, S. 113 ff., 209 ff.; ablehnend wohl auch K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, S. 164 ff., Rn. 425 ff. Zur Diskussion z. B. auch H.-U. Erichsen, Allgemeine Handlungsfreiheit, in: HStR, Bd. VI, § 152, Rn. 1 ff.; C. Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 2 Abs. 1, Rn. 34 ff.; I. v. Münch, in: I. v. Münch (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, 3. Aufl., 1985, Art. 2, Rn. 3; W. Schmidt, Die Freiheit vor dem Gesetz. Zur Auslegung des Art. 2 Abs. 1 des Grundgesetzes, AöR 91 (1966), S. 42 ff., 73 ff.; R. Scholz, Das Grundrecht der freien Entfaltung der Persönlichkeit in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, AöR 100 (1975), S. 112 ff.

1. Kap.: Steuerzugriff in der Republik

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Geldleistungspflichten, insbesondere durch Steuern und Abgaben, der Bürger in seiner allgemeinen Handlungsfreiheit beeinträchtigt sein könnte, spezielle Grundrechte aber – zumindest in den Augen des Bundesverfassungsgerichts – offensichtlich nicht immer als einschlägig herangezogen werden oder worden sind, wird das Verhältnis fiskalischer Verpflichtungen zur Grundrechtsnorm des Art. 2 Abs. 1 GG Gegenstand der Judikatur des obersten Gerichts970. Grundlegend zum Verhältnis von allgemeiner Handlungsfreiheit und öffentlich-rechtlichen Geldleistungspflichten äußerte sich das Bundesverfassungsgericht erstmalig in seiner Entscheidung zur Investitionshilfe vom 20. Juli 1954971: „Sieht man in Art. 2 Abs. 1 GG nur den Schutz eines Mindestmaßes menschlicher Handlungsfreiheit, ohne das der Mensch seine Wesensanlage als geistig-sittliche Person überhaupt nicht entfalten kann, so ragt das Investitionshilfegesetz in diesen Bereich nicht hinein, denn die eigenverantwortliche freie Unternehmerpersönlichkeit wird . . . nicht berührt. Erblickt man weitergehend in diesem Grundrecht eine umfassende Gewährleistung der Handlungsfreiheit, so besteht diese von vornherein nur, soweit sie nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. . . . der Einzelne muss sich diejenigen Schranken seiner Handlungsfreiheit gefallen lassen, die der Gesetzgeber zur Pflege und Förderung des sozialen Zusammenlebens in den Grenzen des bei dem gegebenen Sachverhalt allgemein Zumutbaren zieht, vorausgesetzt, dass dabei die Eigenständigkeit der Person gewahrt bleibt. In diesem Rahmen hält sich das Investitionshilfegesetz. Kein Aufbringungsschuldner ist an der so verstandenen Entfaltung seiner Persönlichkeit gehindert, wenn das Gesetz zeitweilig seine Dispositionsbefugnis über Betriebsmittel beschränkt und durch hoheitlichen Zwang Rechtsbeziehungen zwischen ihm und den begünstigten Unternehmen herbeiführt. Trotz dieser Beschränkung bleibt noch den Betroffenen weiter Spielraum, um sich als verantwortlicher Unternehmer wirtschaftlich frei zu entfalten. Verfassungsrechtlich unbedenklich ist das Investitionshilfegesetz erst recht, wenn man in Art. 2 Abs. 1 GG zwar eine umfassende Gewährleistung der Handlungsfreiheit erblickt, dann aber zur verfassungsmäßigen Ordnung, die die Handlungsfreiheit einschränkt, alle formell und materiell verfassungsmäßigen Rechtsnormen rechnet. Vom Standpunkt dieser Auffassung genügt der in diesem Urteil geführte Nachweis, dass das Investitionshilfegesetz mit den sonstigen Bestimmungen des Grundgesetzes im Einklang steht.“

Gemäß seiner Dogmatik erkannte das Verfassungsgericht regelmäßig, dass die Auferlegung öffentlich-rechtlicher Geldleistungspflichten einen Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit, auch und insbesondere in einer wirtschaftlichen Dimension, zur Folge hat. Unter Heranziehung der so genannten Schran970

Sinngemäß K. Vogel/C. Waldhoff, in: BK, Vorbem. z. Art. 104a–115, Rn. 569 f. BVerfGE 4, 7 (15 f.). Sodann st. Rspr., z. B. BVerfGE 12, 341 (347 f.); 78, 232 (244 f.). 971

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kentrias des Art. 2 Abs. 1 2. Halbsatz GG, der zufolge wirtschaftliche Betätigungen insbesondere im Rahmen der verfassungsmäßige Ordnung zu erfolgen haben972, lehnte das Gericht jedoch eine Grundrechtsverletzung regelmäßig ab, da die verfassungsmäßige Ordnung alle Rechtsvorschriften beinhaltet, die formell und materiell dem Grundgesetz entsprechen, eben auch Gesetze zur Auferlegung von Geldleistungspflichten. Der Gesetzgeber kann nach diesem Verständnis also mit Steuer- und Abgabengesetzen der allgemeinen Handlungsfreiheit begegnen, ohne diese zu verletzen973; in diesem Sinne stellte der 2. Senat mit Urteil vom 8. April 1987974 fest: „Als Ausfluss der allgemeinen Handlungsfreiheit schützt Art. 2 Abs. 1 GG auch die Freiheit im wirtschaftlichen Verkehr . . . Allerdings ist auch die Handlungsfreiheit auf wirtschaftlichem Gebiet nur in den Schranken des zweiten Halbsatzes des Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistet, vor allem denen der verfassungsmäßigen Ordnung. Der Gesetzgeber ist befugt, ordnend und klärend in das Wirtschaftsleben einzugreifen, und kann in diesem Zusammenhang auch Geldleistungen auferlegen. Die Pflicht zur Zahlung einer Abgabe berührt zwar die wirtschaftliche Freiheit des Einzelnen, sie verletzt aber nicht den durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützten Bereich, wenn dem Betroffenen angemessener Spielraum verbleibt, sich als verantwortlicher Unternehmer wirtschaftlich frei zu entfalten. Dieser Spielraum ist gegeben, soweit die Abgabenbelastung verhältnismäßig ist.“

Solange also dem pflichtigen Bürger angemessene Möglichkeiten verbleiben, um sich als individuelle Persönlichkeit, auch als Unternehmer, frei zu entfalten975, vermag eine Steuer oder Abgabe die allgemeine Handlungsfreiheit im Sinne des Art. 2 Abs. 1 GG nicht zu verletzen. Betrachtet man insbesondere die unternehmerische Handlungsfreiheit, so ist „angemessener Spielraum zur Entfaltung der Unternehmerinitiative“ „unantastbar“976 und „Kern der wirtschaftlichen Handlungsfreiheit“977; diese „Unternehmerperspektive“, zumindest eine wirtschaftliche Perspektive, scheint mit Blick auf die verfassungsrechtliche Diskussion um hoheitliche Geldleistungspflichten geboten zu sein, tangieren doch Steuer- und Abgabenpflichten alle diejenigen, die in irgendeiner Form wirtschaftlich am Markte tätig sind. Der angemessene Spielraum zu wirtschaftlich relevanter Betätigung, der dem Bürger auch nach dem fiskalischen Zugriff verbleiben muss, damit eine staatliche Geldleistungspflicht nicht gegen Art. 2 Abs. 1 GG verstößt, ist nach Meinung des Gerichts jedoch immer dann gegeben, wenn eine Abgabe im Rahmen der Verhältnismäßigkeit erhoben wird978,

972

Vgl. grundlegend BVerfGE 50, 290 (366). Vgl. BVerfGE 18, 315 (329); 75, 108 (154); 78, 232 (244). 974 BVerfGE 75, 108 (154 f.), u. a. unter Hinweis auf BVerfGE 48, 102 (115 f.). 975 Vgl. BVerfGE 4, 7 (16); 12, 341 (347 f.); 78, 232 (244 f.). 976 BVerfGE 29, 260 (S. 267, m.w. N.); auch BVerfGE 50, 290 (S. 366, m.w. N.); 65, 196 (210). 977 BVerfGE 78, 232 (246). 973

1. Kap.: Steuerzugriff in der Republik

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also dem Verhältnismäßigkeitsprinzip Genüge getan ist979. Die Prüfung der Verhältnismäßigkeit erschöpft sich hierbei in aller Regel mit dem lakonischen Hinweis, dass die Geeignetheit einer fiskalischen Geldleistungspflicht keiner weiteren Diskussion bedürfe und auch ein weniger belastendes Mittel zur Zielerreichung nicht bekannt sei980. Im Übrigen verfüge der Unternehmer, in letzter Konsequenz jeder Bürger, trotz des Steuer- und Abgabenzugriffs des Staates noch über ausreichende Handlungsspielräume und sei somit durch eine Steuer oder Abgabe nicht allzu schwer belastet981. Nahtlos fügt sich in dieses verfassungsrechtliche Verhältnismäßigkeitsgefüge die Diskussion um die Erdrosselungssteuer982, die das Verfassungsgericht regelmäßig auch im Umfeld der verfassungswidrigen, da übermäßigen Handlungsbeschränkung qua Steuerzugriff, also in seiner Judikatur zu Art. 2 Abs. 1 GG, ansiedelt983. Nicht nur weiter präzisiert, sondern auch ergänzt und modifiziert wird die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur allgemeinen Handlungsfreiheit in der Entscheidung zur Steuerfreiheit des Existenzminimums984: „Steuergesetze sind in ihrer freiheitsbeschränkenden Wirkung jedenfalls an Art. 2 Abs. 1 GG zu messen. Dabei ist indes zu berücksichtigen, dass Steuergesetze in die allgemeine Handlungsfreiheit gerade in deren Ausprägung als persönliche Entfaltung im vermögensrechtlichen und im beruflichen Bereich (Art. 14 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 GG) eingreifen.“

In Fortsetzung seiner oben skizzierten Linie bringt das Bundesverfassungsgericht im Kontext der allgemeinen Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG weitere, speziellere – so seine Diktion – Grundrechte gegen den Zugriff des Fiskus in Stellung985. Nach Auffassung des Verfassungsgerichts können staatliche

978 Hierzu bereits BVerfGE 48, 102 (115 f.); vgl. vor allem BVerfGE 75, 108 (155); 78, 232 (245). 979 Üblicherweise ist diese Bedingung erfüllt, wie etwa P. Selmer, Finanzordnung und Grundgesetz, AöR 101 (1976), S. 420 f., andeutet. 980 I. d. S. etwa K. Vogel/C. Waldhoff, in: BK, Art. 104a–115, Rn. 569. 981 Vgl. im Ergebnis z. B. H. Butzer, Freiheitsrechtliche Grenzen der Steuer- und Sozialabgabenlast, S. 42 ff. 982 Dazu später nochmals ausführlicher 2. Kap., I., III. 983 So bereits BVerfGE 14, 221 (241); auch BVerfGE 19, 119 (129); 82, 159 (190); st. Rspr. 984 BVerfGE 87, 153 (169). 985 Allerdings verschwimmt in der Jurisdiktion des Bundesverfassungsgerichts die Trennlinie zwischen dem nach Ansicht des obersten Gerichts allgemeinen Grundrecht des Art. 2 Abs. 1 GG und den Grundrechten der Art. 12 Abs. 1 GG und 14 Abs. 1 GG zusehends, wie K. Vogel/C. Waldhoff, in: BK, Vorbem. z. Art. 104a–115, Rn. 570, auch Rn. 538 f., zutreffend konstatieren, so dass das Verhältnis dieser Grundrechte untereinander bei der verfassungsrechtlichen Beurteilung von Steuergesetzen zumindest in Karlsruhe nicht endgültig geklärt scheint. Vgl. auch die kritischen Äußerungen von J. Wieland, in: H. Dreier (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, Bd. I, 1996, Art 14, Rn. 46. Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund soll nochmals deutlich betont werden,

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Geldleistungspflichten grundsätzlich neben der Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG insbesondere die Eigentumsgewährleistung des Art. 14 Abs. 1 GG, durchaus im Sinne einer Handlungsfreiheit, nämlich als „Entfaltung im vermögensrechtlichen Bereich“, tangieren und gegebenenfalls einschränken. Im Zuge seines wegweisenden Urteils986 zur Vermögensteuer formuliert das Gericht987: „Sie [die Steuer; Anm. d. Verf.] greift in die in der Verfügungsgewalt und Nutzungsbefugnis über ein Vermögen angelegte allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) gerade in deren Ausprägung als persönliche Entfaltung im vermögensrechtlichen Bereich ein (Art. 14 GG). Das bedeutet, dass das geschützte Freiheitsrecht nur so weit beschränkt werden darf, dass dem Steuerpflichtigen ein Kernbestand des Erfolges eigener Betätigung im wirtschaftlichen Bereich als Ausdruck der grundsätzlichen Privatnützigkeit des Erworbenen und der grundsätzlichen Verfügungsbefugnis über die geschaffenen vermögenswerten Rechtspositionen erhalten wird.“

Insoweit wird seitens des Bundesverfassungsgerichts nicht nur der grundsätzliche Geltungsbereich des Art. 2 Abs. 1 GG eröffnet, sondern die allgemeine Handlungsfreiheit auch als – wie auch immer – quantifizierbare Grenze des Steuerzugriffs errichtet und bestätigt. Für weitergehende Materialisierungen dieser Grenzlinien der Besteuerung verweist das Gericht jedoch in konsistenter Judikatur seines material geprägten Freiheitsverständnisses auf das nach seiner Sicht speziellere Eigentumsgrundrecht des Art. 14 GG988, insbesondere unter Berücksichtigung eigentumsgrundrechtlicher Nutzungs- und Verfügungsbefugnisse als Ausdruck grundrechtlich gesicherter Handlungsspielräume989. 3. Mäßigung der Steuerlast durch die allgemeine Handlungsfreiheit Die Grenze, die nach gängiger Rechtsprechung die allgemeine Handlungsfreiheit dem Steuer- und Abgabengesetzgeber zieht, dürfte hiermit skizziert sein. Auch wenn die allgemeine Freiheit – in der Formulierung des Bundesverfassungsgerichtes: die allgemeine Handlungsfreiheit – über die „schwächste Schutzintensität“ im Grundrechtskanon verfügt, ist der durch sie gewährte, freidass für die Erörterung des Verhältnisses von Eigentum und Steuern, wie es dieser Beitrag zum Gegenstand hat, zweifelsfrei das Eigentumsrecht des Art. 14 GG im Mittelpunkt zu stehen hat, während die Einlassungen zu Art. 2 Abs. 1 GG tatsächlich dem ergänzenden Verständnis dienen sollen. 986 Siehe dazu ausführlich im Folgenden, insb. 2. Kap., III. 987 BVerfGE 93, 121 (137). 988 Hier sei auf die weiteren Ausführungen zum steuerverfassungsrechtlichen Verhältnis von Eigentum und Besteuerung im 2. Kap. verwiesen. 989 Der Begriff der Handlungsfreiheiten soll hier bewusst vermieden werden, verengt er doch die Diskussion auf einen rein materialen Freiheitsbegriff. Kritisch zum Begriff der Handlungsfreiheiten und der zugrunde liegenden Dogmatik K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 331 f., 343 f., 441 ff., 478 ff., 978 ff. u. ö.; dazu auch ders., Freiheit in der Republik, 3. Kap., 5. Kap.

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heitsrechtliche Grundrechtsschutz unstrittig990. Allemal müssen Gesetze, die mit dem Freiheitsgrundrecht vereinbar sein wollen, sämtliche Prinzipien der Verfassung und des Verfassungsgesetzes respektieren991. Für die individuelle Bewertung verfassungsrechtlicher Spielräume steuer-, aber auch abgabengesetzlicher Regelungen in der finanzstaatlichen Republik kommen ergo das Prinzip der Sachlichkeit, das Willkürverbot992 und das Verhältnismäßigkeitsprinzip993, letztlich das Prinzip des rechten Maßes in Betracht. Wenigstens auf den ersten Blick lassen sich hiermit keine substantiellen Antworten auf die Frage, ob und inwieweit eine steuerliche Belastung, gegebenenfalls sogar eine steuerliche Gesamtlast mit der allgemeinen Freiheit des handelnden Bürgers noch vereinbar ist. Sollte Art. 2 Abs. 1 GG tatsächlich Ansatzpunkte für eine Deckelung der Steuer- und Abgabenlast liefern können, werden diese primär an der Messlatte verfassungsrechtlicher Verhältnismäßigkeit auszurichten sein. Lediglich die unverhältnismäßige Besteuerung und die unverhältnismäßige Abgabenerhebung verletzen also das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit. Auf dieses Ausmaß verfassungsrechtlicher Grenzziehungen des fiskalischen Zugriffs auf Eigentum und Vermögen des pflichtigen Bürgers deutet die Forderung des Verfassungsgerichts hin, dass dem Bürger nach dem Zugriff des Fiskus zumindest ein „Kernbestand des Erfolges eigener Betätigung im wirtschaftlichen Bereich“994 verbleiben müsse. Auch wenn sich eine genauere Quantifizierung dieser steuerstaatlichen Verfassungshürde sehr schwierig gestaltet, steht doch angesichts dieser Formulierung zu vermuten, dass sie eher in Richtung einer konfiskatorischen, den handelnden Bürger substantiell belastenden Steuergröße auszulegen ist, sich jedenfalls nicht auch nur ansatzweise in der Nähe einer hälftigen Teilung zwischen Eigentümer und Staat bewegen kann.

990 Vgl. K. A. Schachtschneider, Umsatzbesteuerung der Mineralölsteuer, S. 62 (Zitat ebenda). 991 BVerfGE 19, 290 (292, 295 ff.); 21, 1 (3 ff.); 21, 54 (59 ff.); 21, 209 (224); 23, 288 (305, 313); 24, 112 (116 f.); 25, 309 (314); 26, 1 (7 ff.); 27, 375 (384); 28, 66 (87); 29, 402 (408 ff.); 35, 14 (19 ff.); 39, 56 (60); vgl. auch etwa BVerfGE 20, 150 (157 f.); 33, 125 (158 f.); 33, 303 (337); 34, 165 (192 f.); 49, 89 (126); 58, 257 (274); 85, 386 (403 f.); 98, 218 (252); K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 279 ff., 303 ff., 332 ff., 494 ff., 519 ff., 637 ff.; ders., Freiheit in der Republik, S. 29 ff., 43 ff., 94 ff., 116 ff., 219 ff.; ders., Prinzipien des Rechtsstaates, S. 113 ff.; zur Relativierung des Gesetzesvorbehalts durch die Wesentlichkeitslehre BVerfGE 33, 1 (10 f.); 33, 303 (337); 34, 165 (192 f.); 40, 237 (248 f.); 41, 251 (259 f.); 45, 400 (417); 47, 46 (78 f.); 48, 210 (291); 49, 89 (126 f.); 58, 257 (268 ff.); 89, 155 (191 f.); 98, 218 (251 f.); auch BVerwGE 47, 194 (197 ff.); dazu K. A. Schachtschneider, Prinzipien des Rechtsstaates, S. 120 f. 992 Dazu näher K. A. Schachtschneider, Prinzipien des Rechtsstaates, S. 365 ff. (m.w. N.). 993 Vgl. ausführlicher K. A. Schachtschneider, Prinzipien des Rechtsstaates, S. 380 ff. (m.w. N.). 994 BVerfGE 93, 121 (137).

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6. Teil: Teilung des Eigentums zwischen Steuerbürger und -staat

III. Art. 12 Abs. 1 GG als Grenze der Besteuerung 1. Grundlagen Zu den Grundrechten, die von der Auferlegung von Geldleistungspflichten, insbesondere im Rahmen der Besteuerung, tangiert werden könnten, zählt auch das Grundrecht der Berufsfreiheit995. Das nach der Rechtsprechung einheitlich judizierte Grundrecht der Berufsfreiheit996 teilt sich nach dem Text des Art. 12 Abs. 1 GG in die Berufswahlfreiheit des Satzes 1 und die Berufsausübungsfreiheit des Satzes 2997. Generell zielt es „in einem für die moderne arbeitsteilige Gesellschaft besonders wichtigen Bereich“ darauf ab, dem einzelnen Bürger die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit insbesondere zur materiellen Sicherung seiner individuellen Lebensgestaltung zu ermöglichen998. Dabei beschränkt sich die weit gefasste Berufsfreiheit des Grundgesetzes nicht auf gewerbliche Tätigkeiten, sondern öffnet ihren Schutzbereich auch für die freien Berufe und an995 St. für viele H.-J. Papier, Die Beeinträchtigungen der Eigentums- und Berufsfreiheit durch Steuern vom Einkommen und Vermögen, Der Staat 11 (1972), S. 493 ff.; ders., in: Maunz/Dürig, GG, Art. 14, Rn. 169; R. Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art 12, Rn. 415 f.; H. Weber/G. Crezelius, Die Rechtsprechung des BVerfG zum Verhältnis von Art. 12 GG und Besteuerung, in: D. Wilke/H. Weber (Hrsg.), Gedächtnisschrift für Friedrich Klein, 1977, S. 547 ff.; auch K. H. Friauf, Verfassungsrechtliche Anforderungen an die Gesetzgebung über die Steuern von Einkommen und Ertrag, DStJG 12 (1989), S. 25 f. A. A. dogmatisch offensichtlich P. Kirchhof, VVDStRL 39 (1981), 213 (226): „Thema eines Grundrechtsschutzes für den Steuerpflichtigen ist die Eigentümersteuer. Das Steuerrecht zieht nur den Eigentümer, nicht jeden erwerbsfähigen Bürger zur Finanzierung der Staatsaufgaben heran.“ 996 So BVerfGE 7, 377 (400 ff.); st. Rspr., BVerfGE 11, 30 (42 f.); 33, 303 (329 f.); 46, 120 (138 ff.); 50, 290 (362 ff.); 54, 237 (245 f.); 80, 269 (278 f.); 82, 209 (228 f.); zur offensichtlich abweichenden Position des EuGH A. Emmerich-Fritsche, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 399 ff.; zur Einheitlichkeit der Berufsfreiheit statt vieler P. Tettinger, in: M. Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, 1996, Art. 12, Rn. 27 ff. 997 Vgl. für einen Überblick etwa K. A. Schachtschneider, Fallstudie Produktwarnung der Bundesregierung (Glykol-Skandal), in: K. A. Schachtschneider (Hrsg.), Fallstudien zum Öffentlichen Wirtschaftsrecht, Manuskript des Lehrstuhls für Öffentliches Recht, Wirtschaft- und Sozialwissenschaftliche Fakultät der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, 3. Aufl., 2003, S. 1S. 115 ff. 998 Vgl. BVerfGE 7, 377 (397, „Art. 12 Abs. 1 schützt die Freiheit des Bürgers in einem für die moderne arbeitsteilige Gesellschaft besonders wichtigen Bereich: er gewährleistet dem Einzelnen das Recht, jede Tätigkeit, für die er sich geeignet glaubt, als ,Beruf‘ zu ergreifen, d. h. zur Grundlage seiner Lebensführung zu machen.“); 54, 301 (313); 75, 284 (292); 97, 12 (25); ergänzend z. B. H.-J. Papier, Art. 12 GG – Freiheit des Berufs und Grundrecht der Arbeit, DVBl. 1984, S. 806; R. Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 12, Rn. 17 ff.; dazu auch K. A. Schachtschneider (unter Mitarbeit von P. Wollenschläger), Fallstudie Umweltschutz (FCKW-Verbot), S. 336 ff.; ders./A. Emmerich-Fritsche, Fallstudie zur Gewerbeuntersagung, in: K. A. Schachtschneider (Hrsg.), Fallstudien zum Öffentlichen Wirtschaftsrecht, Manuskript des Lehrstuhls für Öffentliches Recht, Wirtschaft- und Sozialwissenschaftliche Fakultät der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, 3. Aufl., 2003, S. 1S. 16 ff.

1. Kap.: Steuerzugriff in der Republik

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dere selbständige oder nichtselbständige Erwerbstätigkeiten999. In praxi können sich Unternehmer, die regelmäßig einen Beruf ausüben, ebenso wie Unternehmen, nach Art. 19 Abs. 3 GG selbst juristische Personen, wie Aktiengesellschaften und Gesellschaften mit beschränkter Haftung, die Unternehmen betreiben, auf die Berufsfreiheit stützen1000. Auch der Steuergesetzgeber muss sich am Grundrecht der Berufsfreiheit messen lassen1001. Steuern können, wenigstens aus einer materialen Perspektive1002, den Bürger in seinem Beruf belasten, sich auf einen Betrieb auswirken, möglicherweise in dessen Substanz eingreifen, – wenigstens faktisch – berufsregelnde

999 Vgl. etwa R. Breuer, Die staatliche Berufsregelung und Wirtschaftslenkung, in: J. Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. VI, Freiheitsrechte, 1989, § 148, Rn. 9; G. Manssen, in: H. v. Mangoldt/ F. Klein/C. Starck (Hrsg.), Das Bonner Grundgesetz, Kommentar, Bd. I, 4. Aufl., 1999, Art 12, Rn. 33; ausführlicher zu dieser Thematik z. B. auch F. Hufen, Berufsfreiheit – Erinnerung an ein Grundrecht, NJW 1994, S. 2914. 1000 Dazu BVerfGE 21, 261 (266); 22, 380 (383); 30, 292 (312); 50, 290 (362 ff.); 53, 280 (363); 65, 196 (209 ff.); 74, 129 (148 f.); auch BVerfGE 97, 228 (252 f.); vgl. i. d. S. auch BVerfGE 32, 311 (317); 46, 120 (137 f.); ganz so BVerwGE 71, 183 (189); 87, 37 (39); dem folgend P. Badura, Wirtschaftsverwaltungsrecht, in: I. v. Münch (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, 8. Aufl., 1988, S. 351; H.-J. Papier, Grundgesetz und Wirtschaftsordnung, in: HVerfR, S. 814 ff., 832 ff.; ders., Unternehmen und Unternehmensfreiheit in der verfassungsrechtlichen Ordnung der Wirtschaft, VVDStRL 35 (1977), S. 29 ff.; R. Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 12, Rn. 6, 115, 130, 135 ff., 255; R. Breuer, Freiheit des Berufs, in: J. Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. VI, Freiheitsrechte, 1989, § 147, Rn. 61; ähnlich auch K. A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 353 ff.; später wohl a. A. ders., Der Rechtsbegriff „Stand von Wissenschaft und Technik“, im Atom- und Immissionsschutzrecht, in: W. Thieme (Hrsg.), Umweltschutz im Recht, 1988, S. 130 (Fn. 178); ders. (unter Mitarbeit von P. Wollenschläger), Fallstudie Umweltschutz (FCKW-Verbot), S. 336 ff.; für die steuerverfassungsrechtliche Diskussion das Problem ausblendend ders., Die Umsatzbesteuerung der Mineralölsteuer, S. 60 f. 1001 Ganz so z. B. grundlegend H.-J. Papier, Die Beeinträchtigungen der Eigentumsund Berufsfreiheit durch Steuern vom Einkommen und Vermögen, Der Staat 11 (1972), S. 493 ff.; R. Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 12, Rn. 415 f.; auch R. Breuer, Die staatliche Berufsregelung und Wirtschaftslenkung, in: HStR, Bd. VI, § 148, Rn. 31; K. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. I, S. 440; K. Vogel/C. Waldhoff, in: BK, Vorbem. z. Art. 104a–115 GG, Rn. 556 ff.; G. Manssen, in: v. Mangoldt/ Klein/Starck, GG, Bd. I, Art. 12, Rn. 70 ff., 74; auch K. A. Schachtschneider, Umsatzbesteuerung der Mineralölsteuer, S. 59 f.; weiterführend etwa K. H. Friauf, Verfassungsrechtliche Anforderungen an die Gesetzgebung über die Steuern von Einkommen und Ertrag, DStJG 12 (1989), S. 25 f.; M. Jachmann, Sozialstaatliche Steuergesetzgebung im Spannungsfeld zwischen Gleichheit und Freiheit – Belastungsgrenzen im Steuersystem, StuW 1996, S. 101; R. Seer, Der sog. Halbteilungsgrundsatz als verfassungsrechtliche Belastungsobergrenze der Besteuerung, FR 1999, S. 1281 f. 1002 Zu dieser Dimension der materiellen Betroffenheit grundsätzlich R. Eckhoff, Der Grundrechtseingriff, 1992, S. 228 ff., 236 ff.; K. Stern (unter Mitarbeit von M. Sachs), Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. III, 2. Halbband, S. 128 ff.; H. Bethge, Der Grundrechtseingriff, VVDStRL 57 (1998), S. 20 ff., 40 ff.

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Tendenzen entfalten oder anderweitig die Berufsfreiheit und damit auch die Berufsausübungsfreiheit beeinträchtigen oder verletzen1003. Nachdem grundsätzlich alle Steuerarten, die an das Merkmal Beruf i. S. d. Art. 12 Abs. 1 GG anknüpfen, in ihrer Belastungswirkung die beruflichen Freiheiten des Bürgers beeinträchtigen können1004, sollten all diese Steuerarten unter verfassungsrechtlichen Aspekten auch zur Diskussion stehen. So unterwirft das geltende Einkommensteuerrecht Einkünfte aus einer beruflichen Tätigkeit – und zwar durchaus im Sinne des Berufsverständnisses des Art. 12 GG – der Besteuerung: Einkünfte aus gewerblicher Tätigkeit i. S. d. §§ 2 Abs. 1 Nr. 2, 15 EStG unterliegen z. B. ebenso der Steuerpflicht wie Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit i. S. d. §§ 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, 18 EStG oder Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit i. S. d. §§ 2 Abs. 1 Nr. 4, 19 EStG1005. Die Gewerbesteuer fragt in ihrer Pflichtigkeit nach dem Vorliegen eines Gewerbes (§§ 2 Abs. 1 S. 1, 35 GewStG), also nach einer bestimmten gewerblichen Tätigkeit1006. Diese, aber auch andere 1003 Zumindest wenn die steuerlichen Pflichten die Berufstätigkeit erdrosseln, ist von einer Verletzung des Art. 12 GG auszugehen; so BVerfGE 13, 181 (186 f.); 14, 76 (100 f.); 16, 147 (161); 17, 135 (137); 29, 327 (333 f.); 41, 1 (21); 52, 374 (384 f.); 75, 108 (154 f.); 81, 108 (121 f.); dazu H. H. v. Arnim, Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), S. 311 ff.; P. Kirchhof, ebenda, S. 240 ff. (270 ff.); K. A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 355; dazu ausführlicher unten. 1004 So H.-W. Arndt/A. Schumacher, Einkommensbesteuerung und Grundrechte. Zum Einfluss grundrechtlicher Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts auf die Entwicklung der Einkommensbesteuerung in der Bundesrepublik Deutschland, AöR 118 (1993), S. 582; dies., Die verfassungsrechtlich zulässige Höhe der Steuerlast – Fingerzeig des BVerfG an den Gesetzgeber?, NJW 1995, S. 2605; D. Birk, in: W. Hübschmann/E. Hepp/A. Spitaler (Hrsg.), Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, Kommentar, 1999, § 4, Rn. 553; K. H. Friauf, Verfassungsrechtliche Anforderungen an die Gesetzgebung über die Steuern von Einkommen und Ertrag, DStJG 12 (1989), S. 25; H.-J. Papier, Die Beeinträchtigungen der Eigentums- und Berufsfreiheit durch Steuern vom Einkommen und Vermögen, Der Staat 11 (1972), S. 496; H. Weber/G. Crezelius, Die Rechtsprechung des BVerfG zum Verhältnis von Art. 12 GG und Besteuerung, in: GS F. Klein, S. 548. 1005 Für das zugrunde liegende Berufsverständnis vgl. BVerfGE 7, 377 (397); 19, 330 (336 f.); 30, 292 (334); 50, 290 (362); 54, 301 (313); 59, 302 (315); 68, 272 (281); 75, 284 (292); 82, 209 (223); 97, 228 (252 f.); BVerwGE 87, 37 (39); a. A. z. B. K. A. Schachtschneider, Fallstudie Produktwarnung der Bundesregierung (Glykol-Skandal), S. 115, der unternehmerische wie gewerbliche Tätigkeiten nicht zwingend Art. 12 GG zugeordnet sehen will. Ob infolgedessen einzelne Einkunftsarten aus dem Geltungsbereich des Art. 12 GG herausfallen könnten, wird an dieser Stelle nicht diskutiert; vielmehr soll, nicht zuletzt in Einklang mit der herrschenden Meinung, Art. 12 GG als einschlägig für die genannten Einkunftsarten gelten. 1006 Ausführlicher etwa H. Hohmann, Berufsfreiheit (Art. 12 GG) und Besteuerung, DÖV 2000, S. 409 ff. Ob die Gewerbefreiheit als solche oder sogar eine „Unternehmensfreiheit“ dem Schutzbereich des Art. 12 GG unterliegen, soll an dieser Stelle nicht weiter problematisiert werden; zu dieser Diskussion R. Breuer, Freiheit des Berufs, in: HStR, Bd. VI, § 147, Rn. 61; H.-J. Papier, Grundgesetz und Wirtschaftsordnung, in: HVerfR, S. 799 ff., 814, 832 ff.; R. Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 12, Rn. 115, 130, 135, 255; a. A. K. A. Schachtschneider (unter Mitarbeit von P. Wollen-

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steuerliche und außersteuerliche Lasten tangieren den Bürger, der einen Beruf ausübt oder ausüben will, und können somit nicht a priori von der Berufsfreiheit des Art 12 Abs. 1 GG entkoppelt werden1007. In ihrer Grundintention als Teilhabe am wirtschaftlichen Erfolg unternehmerischen Handelns können Steuern als Beeinträchtigung des Unternehmens, auch bei Heranziehung eines weiteren Eigentumsbegriffes – Eigentum als Summe aller rechtlichen Möglichkeiten1008 – und der damit verknüpften Beschränkung beruflicher Möglichkeiten, gewertet werden, so dass sich Überschneidungen in den Grundrechten der Art. 12 GG und Art. 14 GG ergeben können1009. Die Geltungsbereiche der beiden Grundrechte differieren, schützt doch nach herrschender Meinung Art. 12 Abs. 1 GG „den Erwerb, die Betätigung selbst“, während sich Art. 14 Abs. 1 GG auf „das Erworbene, das Ergebnis der Betätigung“ erstreckt1010. Wenn der fiskalische Zugriff die individuelle Erwerbs- und auch Leistungsfähigkeit in ihrer Freiheitlichkeit tangiert, kann eher eine Verletzung der Berufsfreiheit des Grundgesetzes in Betracht kommen, während eine Begrenzung der Innehabung und Nutzung von Vermögensgegenständen durch steuerliche Lasten auf eine Beeinträchtigung der Eigentumsgarantie hindeu-

schläger), Fallstudie Umweltschutz, S. 336 ff.; auch ders., Fallstudie Produktwarnung der Bundesregierung (Glykol-Skandal), S. 119. Für den weiteren Fortgang sei außerdem auf die untenstehenden Ausführungen zu möglichen Überschneidungen von Art. 12 GG und Art. 14 GG verwiesen. 1007 Stv. für viele R. Seer, Der sog. Halbteilungsgrundsatz als verfassungsrechtliche Belastungsobergrenze der Besteuerung, S. 1281; für die Position der Republik K. A. Schachtschneider, Umsatzbesteuerung der Mineralölsteuer, S. 59 f., sowie im Folgenden. 1008 Für ein solches Eigentumsverständnis K. A. Schachtschneider, Das Recht am und das Recht auf Eigentum, in: FS W. Leisner, S. 744 ff. u. ö.; grundlegend dazu ders., Freiheit in der Republik, 10. Kap. 1009 Vgl. für einen Überblick etwa K. A. Schachtschneider (unter Mitarbeit von P. Wollenschläger), Fallstudie Umweltschutz (FCKW-Verbot), S. 336 ff. (insb. S. 341), 344 ff. (insb. S. 346 f.). Nach diesem Verständnis wird die unternehmerische Betätigung im Sinne eines Eigentumsgebrauches dem Gewährleistungsbereich des Art. 14 zugeordnet, nutzt doch der Unternehmer für seine unternehmerischen Aktivitäten typischerweise sein Eigentum; „der eigentumsgrundrechtlich geschützte Unternehmer ist somit in seiner unternehmerischen Tätigkeit als seinem Eigentumsgebrauch durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützt“ (Zitat S. 346). 1010 So die Formel von P. Wittig, Bundesverfassungsgericht und Grundrechtssystematik, in: T. Ritterspach/W. Geiger (Hrsg.), Festschrift für Gebhard Müller. Zum 70. Geburtstag des Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts, 1970, S. 575 (590, Fn. 67); vgl. BVerfGE 28, 119 (142); 30, 292 (335); 45, 142 (173); 45, 272 (296); 51, 193 (222); 65, 196 (209); 68, 193 (222 f.); 74, 129 (148); 81, 208 (227 f.); 82, 70 (96); auch BGH, JZ 1996, 1122 (1123); i. d. S. auch H.-J. Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 14, Rn. 220; anders wohl ders., ebenda, Rn. 95; durchaus kritisch R. Breuer, Freiheit des Berufs, in: HStR, Bd. VI, § 147, Rn. 100; eindeutig ablehnend K. A. Schachtschneider (unter Mitarbeit von P. Wollenschläger), Fallstudie Umweltschutz (FCKWVerbot), S. 346.

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tet1011. Insofern können bei der Verfassungserörterung steuerlicher Verpflichtungen die Grundrechte der Art. 12 GG und Art. 14 GG wenigstens im Grundsatz einhellig nebeneinander und ohne Überschneidungen bestehen1012. Die strikte, dogmatisch nachvollziehbare Trennung wird jedoch aufgeweicht, konstatiert das Verfassungsgericht doch zu dem Konkurrenzverhältnis von Berufs- und Eigentumsgrundrecht, dass Beschränkungen des Eigentums, insbesondere der Eigentumsnutzung zugleich beschränkende Wirkung für berufliche Tätigkeiten, ja bereits für deren Aufnahme entfalten können1013. Einen derartigen, funktionalen Zusammenhang von Tätigkeit und Unternehmen hat Rupert Scholz deutlich bejaht1014, der Berufsfreiheit und Eigentumsgewährleistung gar zu einer allgemeinen Verfassungsgewährleistung der Wirtschaftsfreiheit zusammenführen möchte1015. Obgleich von wissenschaftlichem Interesse soll diese Differenzierungsfrage nicht in extenso diskutiert werden, da einerseits die Untersuchung ihren Fokus auf das Verhältnis von Eigentum und Besteuerung richtet, andererseits – nicht zuletzt mit Blick auf die langjährige Rechtsprechung des Verfassungsgerichts – eher die Frage in den Vordergrund tritt, ob und inwieweit Steuergesetze überhaupt an Art. 12 Abs. 1 GG zu messen sind.

1011 Vgl. BVerfGE 30, 292 (335); ähnlich BVerfGE 65, 237 (248); 85, 360 (383); 88, 366 (377); dazu z. B. H. Jarass, in: H. Jarass/B. Pieroth (Hrsg.), Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Kommentar, 5. Aufl., 2000, Art. 12, Rn. 3. 1012 I. d. S. H. Butzer, Freiheitsrechtliche Grenzen der Steuer- und Sozialabgabenlast, S. 39. Im Ergebnis kann dem nur zugestimmt werden. Je nach dogmatischem Verständnis könnte beispielsweise die einkommensteuerliche Belastung eines Unternehmers an Art. 12 GG oder an Art. 14 GG, gegebenenfalls auch an beiden Grundrechten, zu prüfen sein. Für die folgenden Ausführungen steht die Sensibilisierung für die grundsätzliche Möglichkeit einer Verletzung dieser Grundrechte durch die Auferlegung hoheitlicher Geldleistungspflichten, insbesondere Steuern, im Vordergrund; dass der Betrachtungsschwerpunk auf der Eigentumsgewährleistung des Art. 14 GG liegt, die im Übrigen auch unternehmerische Tätigkeiten erfassen kann, bedarf wohl angesichts des Untersuchungsgegenstandes keiner weiteren Erklärung. 1013 Sinngemäß etwa BVerfGE 8, 71 (79); 21, 150 (154 f.); 50, 290 (361 f.). 1014 Vgl. dieser, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 12, Rn. 141; den funktionalen Zusammenhang von Erwerb und Erworbenem betonen auch M. Gubelt, in: I. von Münch/P. Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, 4. Aufl., Bd. 1, 1992, Rn. 98, und F. Ossenbühl, Die Freiheiten des Unternehmers nach dem Grundgesetz, AöR 115 (1990), S. 25. 1015 Zur Bedeutung der Berufsfreiheit als einem zentralen Grundrecht für Arbeitsund Wirtschaftsleben vor allem F. Ossenbühl, Die Freiheiten des Unternehmers nach dem Grundgesetz, AöR 115 (1990), S. 6; vgl. auch H.-J. Papier, Art. 12 GG – Freiheit des Berufs und Grundrecht der Arbeit, DVBl. 1984, S. 801; R. Seer, Verfassungsrechtliche Grenzen der Gesamtbelastung von Unternehmen, DStJG 23 (2000), S. 92; H. Sodan, Vorrang der Privatheit als Prinzip der Wirtschaftsverfassung, DÖV 2000, S. 363; grundlegend K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, 8. Kap., VI.

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2. Steuern als Verletzung der Berufsfreiheit in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Die Trennung zwischen Berufs- und Eigentumsgrundrecht verliert deutlich an praktischer Relevanz, wenn man sich vor Augen führt, dass das Verfassungsgericht – wenigstens bis zu seiner Vermögensteuer-Entscheidung – in der Bewertung dieser Grundrechte als Belastungsgrenzen ohnehin eine zurückhaltende Position eingenommen hat1016. Art. 12 Abs. 1 GG kann nach Meinung des Gerichts nur dann als Maßstab für Steuergesetze herangezogen werden, „wenn sie in einem engen Zusammenhang zur Ausübung des Berufes stehen und objektiv eine berufsregelnde Tendenz erkennen lassen“1017; dabei sei es nicht einmal vonnöten, dass unmittelbar auf eine Berufsausübungsregelung abgezielt werde1018. Vornehmlich hinsichtlich der freien Wahl eines Berufes beurteilte das Verfassungsgericht eine fiskalische Belastung, die dazu führt, „dass die betroffenen Berufsangehörigen in aller Regel und nicht nur in Ausnahmefällen wirtschaftlich nicht mehr in der Lage sind, den gewählten Beruf ganz oder teilweise zur Grundlage ihrer Lebensführung oder – bei juristischen Personen – zur Grundlage ihrer unternehmerischen Erwerbstätigkeit zu machen“1019, als Eingriff in die Berufsfreiheit. Noch enger steckte das Gericht den Zielkorridor für einen Eingriff in die Berufsfreiheit, wenn es forderte, dass eine bestimmte hoheitliche Abgabenbelastung eine Aktivität typischerweise „wirtschaftlich unmöglich“1020 machen, „erdrosseln“1021, müsse, damit von einer grundrechtsrele1016 So in der Sache z. B. K. Vogel/C. Waldhoff, in: BK, Vorbem. z. Art. 104a–115 GG, Rn. 562. 1017 BVerfGE 47, 1 (21, m.w. N.); 81, 108 (121); auch BVerfGE 13, 181 (186); 14, 7 (100); 16, 147 (162); 26, 1 (12); 37, 1 (17 f.); 38, 61 (79); 42, 374 (384 f.); 46, 120 (137); 47, 1 (21 f.); 70, 191 (214); 82, 209 (223 f.); 89, 48 (61); 95, 267 (302); 96, 375 (397); 98, 106 (117); dazu grundsätzlich P. Selmer, Finanzordnung und Grundgesetz, AöR 101 (1976), S. 423 ff. Einen Überblick mit stärkerem Fokus auf die Besteuerung gibt K. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. I, S. 436 ff. (m.w. N. auf S. 436 oben). 1018 Vgl. etwa BVerfGE 13, 181 (185 f.). In der Vergangenheit hatte das Gericht noch darauf abgestellt, dass die Belastung des Bürgers vom Gesetzgeber gewollt ist und mit eben dieser Zielsetzung durchgeführt wird, so BVerfGE 14, 76 (100 f.). 1019 BVerfGE 38, 61 (85 f.); siehe auch BVerfGE 8, 222 (228); 11, 30 (42 f.); 14, 76 (101); 17, 135 (137). 1020 BVerfGE 17, 135 (137); 29, 327 (332); zum Verbot steuergesetzlicher Regelungen, die bereits die Berufszulassung als Anfang der Berufsausübung mit wirtschaftlichen Nachteilen verbinden auch BVerfGE 42, 374 (384 f.); 47, 1 (21); 81, 108 (121). 1021 Vgl. hierzu BVerfGE 13, 181 (186 f.); 14, 76 (100 f.); 16, 147 (161); 17, 135 (137); 29, 327 (333 f.); 41, 1 (21); 52, 374 (384 f.); 75, 108 (154 f.); 81, 108 (121 f.). Der Terminus der „Erdrosselungssteuer“ findet typischerweise im Kontext der eigentumsgrundrechtlichen Diskussion der Steuerbelastung Verwendung. Für das Verbot der „erdrosselnden“ Besteuerung durch die Garantie der Berufsfreiheit, stv. für die republikanische Dogmatik, K. A. Schachtschneider, Die Umsatzbesteuerung der Mineralölsteuer, S. 59 f., richtigerweise den im Kontext des Eigentumsgrundrechtes gebräuchlichen Terminus der „Erdrosselungsbesteuerung“ auch auf die Berufsfreiheit anwendend.

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6. Teil: Teilung des Eigentums zwischen Steuerbürger und -staat

vanten Berufsregelung, einem Eingriff in die Berufsfreiheit, ausgegangen werden könne. Erst mit der Entscheidung zu § 32a Abs. 1 Nr. 1 EStG aus dem Jahre 19921022 aktivierte das Bundesverfassungsgericht überhaupt Art. 12 Abs. 1 GG über den Bereich der berufsregelnden Normen hinaus1023 und signalisierte, dass dem steuerpflichtigen Bürger – ganz im Sinne des in diesem Urteil gegenständlichen Existenzminimums – nach dem Steuerzugriff ein „Kernbestand des Erfolges eigener Betätigung im wirtschaftlichen Bereich in Gestalt der grundsätzlichen Privatnützigkeit des Erworbenen und der grundsätzlichen Verfügungsbefugnis über die geschaffenen vermögenswerten Rechtspositionen erhalten“ bleiben muss1024. Daraus folgerte das Gericht, „dass dem der Einkommensteuer unterworfenen Steuerpflichtigen nach Erfüllung seiner Einkommensteuerschuld von seinem Erworbenen soviel verbleiben muss, als er zur Bestreitung seines notwendigen Lebensunterhalts und – unter Berücksichtigung von Art. 6 Abs. 1 GG – desjenigen seiner Familie bedarf (,Existenzminimum‘)“1025. Dass zumindest in der Auffassung des Gerichtes ein Abgaben- oder Steuergesetz den grundrechtlichen Bereich der Berufsfreiheit damit „nur unter besonderen Umständen“1026, also ausnahmsweise1027, tangieren kann, ist logische Konsequenz dieser Linie1028. So kann zwar unter gewissen Voraussetzungen an interventionistische Normen der Maßstab des Art. 12 GG angelegt werden1029, doch Abgabepflichten, die an Kriterien wie Einkommen, Betrieb eines Unter1022

Vgl. BVerfG v. 25.09.1992 – 2 BvL 5, 8, 14/91, BVerfGE 87, 153. Vgl. z. B. J. Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 4, Rn. 213. Eine Übersicht über die Rechtsprechung zur Relation von Besteuerung und Berufsfreiheit bis zu diesem Zeitpunkt gibt z. B. K. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. I, S. 436 ff. 1024 Offensichtlich stellt das Gericht hier die „Erdrosselungsbesteuerung“ auf eine Stufe mit der Besteuerung des Existenzminimums, geht also von einem konfiskatorischen Steuerzugriff aus, wenn das Existenzminimum der Besteuerung unterworfen wird. Im Sinne einer Gleichsetzung z. B. J. Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 4, Rn. 213 (m.w. N.); a. A. z. B. H. Butzer, Freiheitsrechtliche Grenzen der Steuer- und Sozialabgabenlast, S. 57 f. der zwischen dem Verbot einer erdrosselnden Besteuerung und einer Steuerfreistellung des Existenzminimums unterscheidet. 1025 BVerfGE 87, 153 (169). 1026 BVerfGE 13, 181 (186 f.); 26, 1 (12). 1027 Wirtschaftslenkende Steuernormen zählen zu den wenigen Ausnahmen, die nach der Auffassung des Gerichts schon immer an Art. 12 GG zu messen waren; so etwa BVerfGE 13, 181 (186); 14, 76 (100); 16, 147 (162); 29, 327 (333); 37, 1 (17 f.); 38, 61 (79). I. d. S. P. Selmer, Steuerinterventionismus und Verfassungsrecht, 1972, S. 255 f., ähnlich auch J. Wieland, in: H. Dreier (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, Bd. I, 1996, Art. 12, Rn. 79. 1028 Zur Kritik an dieser Position im Folgenden. 1029 Dazu näher R. Breuer, Freiheit des Berufs, in: HStR, VI, § 147, Rn. 30; D. Birk, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, § 4, Rn. 555; auch z. B. R. Seer, Der sog. Halbteilungsgrundsatz als verfassungsrechtliche Belastungsobergrenze der Besteuerung, FR 1999, S. 1281. 1023

1. Kap.: Steuerzugriff in der Republik

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nehmens oder Erzielung von Umsatz anknüpfen und dem Steuerpflichtigen mehr als das existentiell Notwendige belassen, berühren nach Meinung des obersten Gerichts den Schutzbereich der Berufsfreiheit grundsätzlich nicht – von der Möglichkeit einer Verletzung dieses Grundrechts, außer im Fall der Erdrosselungsbesteuerung1030, ganz zu schweigen1031. 3. Berufsfreiheit als Maßstab für steuerliche Belastungen des Bürgers Die „verwirrenden, rational kaum nachvollziehbaren unterschiedlichen Ergebnisse (der höchstrichterlichen Rechtsprechung [Erg. d. Verf.])“1032 führen zu berechtigten Zweifeln an der Eignung der vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Methodik zur Beurteilung der Frage, ob und wann die Auferlegung von Geldleistungspflichten gegen die grundgesetzliche Norm des Art. 12 GG verstößt1033. Die Einschränkung der bloßen Möglichkeit einer Grundrechtsverletzung bei interventionistischen Steuernormen vermag ebenso wenig zu überzeugen wie das häufige Abstellen des Gerichts auf die gezielte und gewollte Eingriffswirkung eines Abgabengesetzes1034.

1030 Die dogmatische Konstruktion der grundsätzlichen Nichtrelevanz des Steuerzugriffs, abgesehen von einer erdrosselnden, konfiskatorischen Steuer, verfolgt das Gericht, vielleicht noch ausgeprägter, auch für das Eigentumsgrundrecht des Art. 14 GG; dazu ausführlicher 2. Kap., I. 1031 Sinngemäß BVerfGE 47, 1 (21); 75, 108 (153 f.); 81, 108 (121); so auch BFH, BStBl. II, 1990, S. 1083; zustimmend z. B. K. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. I, S. 437. 1032 Stv. für viele R. Seer, Der sog. Halbteilungsgrundsatz als verfassungsrechtliche Belastungsobergrenze der Besteuerung, FR 1999, S. 1281. 1033 Ausführlicher O. Geißler, Der Unternehmer im Dienste des Steuerstaats, S. 122 f. (Zitat S. 122), der auch die „verwirrende Judikatur“ des Gerichts näher darlegt. 1034 Kritische Auseinandersetzungen mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung finden sich z. B. R. Breuer, Freiheit des Berufs, in: HStR, Bd. VI, § 147, Rn. 30; K. Vogel/C. Waldhoff, in: BK, Vorbem. z. Art. 104a–115, Rn. 561; G. Manssen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG I, Art. 12, Rn. 71, 73; K. H. Friauf, Steuervereinfachung vs. Lenkungsnormen, DStJG 12 (1989), S. 26; H. Hohmann, Berufsfreiheit (Art. 12 GG) und Besteuerung, S. 408, 410 (Fn. 25); H.-J. Papier, Steuern und Abgaben – Die offene Flanke des Rechtsstaats, KritV 1987, S. 143; ders., Art. 12 GG – Freiheit des Berufs und Grundrecht der Arbeit, DVBl. 1984, S. 805; ders., Die Beeinträchtigungen der Eigentums- und Berufsfreiheit durch Steuern vom Einkommen und Vermögen, Der Staat 11 (1972), S. 494 f.; R. Seer, Der sog. Halbteilungsgrundsatz als verfassungsrechtliche Belastungsobergrenze der Besteuerung, FR 1999, S. 1281; ders., Verfassungsrechtliche Grenzen der Gesamtbelastung von Unternehmen, DStJG 23 (2000), S. 94; H. Sodan, Gesundheitsbehördliche Informationstätigkeit und Grundrechtsschutz, DÖV 1987, S. 864; K. Vogel, Die Abschichtung von Rechtsfolgen im Steuerrecht – Lastenausteilungs-, Lenkungs- und Vereinfachungsnormen und die ihnen zuzurechnenden Steuerfolgen. Ein Beitrag zur Methodenlehre des Steuerrechts, StuW 1977, S. 97; H. Weber/G. Crezelius, Die Rechtsprechung des BVerfG zum Verhältnis von Art. 12 GG und Besteuerung, in: GS F. Klein, S. 546 ff.

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6. Teil: Teilung des Eigentums zwischen Steuerbürger und -staat

Für die Bestimmung eines etwaigen Eingriffs in die Berufsfreiheit durch Auferlegung von Geldleistungspflichten, insbesondere Steuern, kann nur maßgeblich sein, ob der gesetzliche, vornehmlich steuerrechtliche Tatbestand an eine nach Art. 12 GG geschützte Tätigkeit anknüpft1035. So wird beispielsweise der Selbständige gerade deshalb mit Einkommensteuer belastet, weil er in Ausübung der grundrechtlich geschützten Berufsfreiheit den Steuertatbestand nach §§ 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, 18 EStG erfüllt1036, weil er – in diesem Fall als Selbständiger – beruflich tätig ist. Durch Einsatz seiner Arbeitskraft erzielt er privatnützige Einkünfte, auf die der Fiskus steuertatbestandlich zugreift. Diese Erträge aber sind unmittelbarer Bestandteil beruflicher oder auch gewerblicher Betätigung, die dem Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG unterfallen. Greift der Steuergesetzgeber auf dem Weg der Besteuerung auf das wirtschaftliche Ergebnis einer nach Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Tätigkeit zu, beeinflusst und beeinträchtigt der steuerstaatliche Zugriff diese berufliche Betätigung1037; das

1035 So deutlich H.-G. Dederer, Halbteilungsgrundsatz – woher, wohin? Zum Urteil des BFH vom 11.8.1999, StuW 2000, S. 95; M. Jachmann, Steuergesetzgebung zwischen Gleichheit und wirtschaftlicher Freiheit, S. 39 f.; O. Geißler, Der Unternehmer im Dienste des Steuerstaats, S. 123; G. Manssen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. I, Art. 12, Rn. 74; K. Vogel/C. Waldhoff, in: BK, Vorbem. z. Art. 104a–115, Rn. 563; i. d. S. auch R. Breuer, Die staatliche Berufsregelung und Wirtschaftslenkung, in: HStR, Bd. VI, § 148, Rn. 30; K. H. Friauf, Verfassungsrechtliche Anforderungen an die Gesetzgebung über die Steuern von Einkommen und Ertrag, DStJG 12 (1989), S. 26; H. Hohmann, Berufsfreiheit (Art. 12 GG) und Besteuerung, S. 412; H.-J. Papier, Die Beeinträchtigungen der Eigentums- und Berufsfreiheit durch Steuern vom Einkommen und Vermögen, Der Staat 11 (1972), S. 494 f.; H. Weber/G. Crezelius, Die Rechtsprechung des BVerfG zum Verhältnis von Art. 12 GG und Besteuerung, in: GS F. Klein, S. 546 ff.; ebenso im Ergebnis, wenn auch nur für einkommensteuerrechtliche Regelungen R. Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art 12, Rn. 415; a. A. deutlich P. Selmer, Steuerinterventionismus und Verfassungsrecht, S. 244, der ein Anlegen der Maßstäbe des Art. 12 GG auf die Fälle begrenzen will, in denen eine Steuernorm direkt und unmissverständlich auf eine berufliche Tätigkeit Bezug nimmt. Grundlegend zu dieser Thematik auch H.-J. Papier, Steuern und Abgaben – Die offene Flanke des Rechtsstaats, KritV 1978, S. 143; D. Birk, Die finanzverfassungsrechtlichen Vorgaben und Begrenzungen der Staatsverschuldung, DVBl. 1984, S. 805; R. Seer, Verfassungsrechtliche Grenzen der Gesamtbelastung von Unternehmen, DStJG 23 (2000), S. 94; H. Sodan, Gesundheitsbehördliche Informationstätigkeit und Grundrechtsschutz, DÖV 1987, S. 864; K. Vogel, Die Abschichtung von Rechtsfolgen im Steuerrecht – Lastenausteilungs-, Lenkungs- und Vereinfachungsnormen und die ihnen zuzurechnenden Steuerfolgen, StuW 1977, S. 97 ff. 1036 So die zutreffende Begründung bei H.-G. Dederer, Halbteilungsgrundsatz – woher, wohin? Zum Urteil des BFH vom 11.8.1999, StuW 2000, S. 95. 1037 Vgl. etwa K.-H. Friauf, Verfassungsrechtliche Anforderungen an die Gesetzgebung über die Steuern von Einkommen und Ertrag, DStJG 12 (1989), S. 26; O. Geißler, Der Unternehmer im Dienste des Steuerstaats, S. 124; bereits 1988 P. Kirchhof, Empfiehlt es sich, das Einkommensteuerrecht zur Beseitigung von Ungleichbehandlungen und zur Vereinfachung neu zu ordnen?, Gutachten für den 57. DJT, 1988, S. F 16; R. Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 12, Rn. 415; R. Seer, Der sog. Halbteilungsgrundsatz als verfassungsrechtliche Belastungsobergrenze der Besteuerung, FR 1999,

1. Kap.: Steuerzugriff in der Republik

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Steuergesetz in seiner belastenden Auswirkung ist an der Vorschrift des Art. 12 GG zu messen1038. Die umfassende Relevanz des Grundrechts der Berufsfreiheit im Kontext des fiskalischen Zugriffs, somit zumindest die grundsätzliche Möglichkeit einer Begrenzung von staatlichen Geldleistungspflichten, mit denen sich der Bürger konfrontiert sieht, fasst Karl Albrecht Schachtschneider1039 für die republikanische Konzeption zusammen: „Jede Besteuerung, wie auch andere Abgaben, die der Staat abverlangt, bestimmen und belasten die berufliche Tätigkeit; denn von den finanziellen Verpflichtungen gegenüber dem Staat hängen das Nettoeinkommen, der Nettogewinn usw. ab.“

Dass angesichts dieser Ausgangslage steuergesetzliche, etwaigenfalls auch andere abgabengesetzliche Regelungen nicht außerhalb des Schutzbereichs des Art. 12 Abs. 1 GG stehen können, sollte sich nicht zuletzt mit einem Blick auf die substantielle Bedeutung des Berufs und der damit erzielten Einkommen für den Bürger und dessen privatheitliche Lebensbewältigung erschließen1040. Dabei kann sich die Eingriffshaftigkeit der Besteuerung notwendigerweise nicht mit der konfiskatorischen oder erdrosselnden Wirkung einer Steuernorm erschöpfen, sondern muss sich – eben auch für das Grundrecht der Berufsfreiheit – auf jeden einzelnen tatbestandlichen Steuerzugriff erstrecken1041 Die gesetzlich fundierte, steuerliche Verpflichtung, die unmittelbar oder mittelbar an beruflich oder betrieblich relevanten Sachverhalten, letztlich an berufsgrundrechtsrelevanten Tatbeständen, anknüpft, kann sich also nicht außerhalb des Rechts, damit auch außerhalb der verfassungsrechtlichen Kontrolle, bewegen, sondern unterliegt den Maßstäben der durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Berufsfreiheit. Dies trifft eben auch für Steuerlasten diesseits der Erdrosselungsbesteuerung1042 zu, so dass auch Art. 12 Abs. 1 GG dem fiskalischen Zugriff Grenzen S. 1282; ders., Verfassungsrechtliche Grenzen der Gesamtbelastung von Unternehmen, DStJG 23 (2000), S. 95. 1038 So stv. für viele, auf Verfassungsebene fordernd, R. Mellinghoff, Die Verantwortung des Gesetzgebers für ein verfassungsmäßiges Steuerrecht, DStR 2003, Beihefter 3, S. 11 f. 1039 Die Umsatzbesteuerung der Mineralölsteuer, S. 59 f., dort dogmatisch für die republikanische Lehre. 1040 Vgl. hierzu die bereits oben erwähnte BVerfGE 7, 377 (397, „. . . für die moderne arbeitsteilige Gesellschaft besonders wichtiger Bereich . . .: Grundlage seiner Lebensführung . . .“); sinngemäß auch BVerfGE 54, 301 (313); 75, 284 (292); 97, 12 (25). 1041 So expressis verbis z. B. O. Geißler, Der Unternehmer im Dienste des Steuerstaates, S. 124; sinngemäß auch K. A. Schachtschneider, Die Umsatzbesteuerung der Mineralölsteuer, S. 59 ff.; ähnlich ders., Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 355. 1042 Eine wie auch immer geartete Quantifizierung der verfassungsrechtlichen Steuergrenze dürfte allerdings im unmittelbaren Kontext der Berufsfreiheit schwerlich vorzunehmen sein; ausführlicher zur Frage der Quantifizierung mit Blick auf das Verhältnis von Steuerzugriff und Eigentumsschutz im 2. Kap., IV., 3.

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6. Teil: Teilung des Eigentums zwischen Steuerbürger und -staat

– auch unterhalb einer konfiskatorischen, erdrosselnden Besteuerung – ziehen kann1043. Steuerliche Pflichten sind also nicht nur grundsätzlich an der Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG zu messen, sondern stellen typischerweise einen relevanten Eingriff in dieses Grundrecht dar. Ist eine steuergesetzliche Last – wenigstens in ihrer Höhe1044 – nicht zu rechtfertigen, verletzt sie die Freiheit der Berufsausübung wie auch die der Berufswahl1045, so dass sie auf ein entsprechendes Maß zu begrenzen ist1046. Mit Art. 12 Abs. 1 GG zu konfrontieren ist die Besteuerung als Eingriff in das Berufsgrundrecht allemal1047, muss sich 1043 Bemerkenswert das Sondervotum von H. Simon, BVerfGE 47, 1 (38 f.): „Nach meiner Auffassung wird der spezifische Freiheitsraum, den Art. 12 Abs. 1 GG schützt, nicht nur in dem besonders gravierenden Fall erdrosselnd wirkender Steuern berührt. Neben dem Schutz vor grundlosen oder unverhältnismäßigen Reglementierungen der Berufstätigkeit . . . umfasst dieses Grundrecht auch den Schutz wirtschaftlich sinnvoller Arbeit als Grundlage der Existenzsicherung . . . Es gebietet damit dem Gesetzgeber, bei der an sich zulässigen Besteuerung des Arbeitsertrages so viel übrig zu lassen, dass der Steuerpflichtige davon nach Abzugs berufsbedingter Kosten angemessen leben kann.“ 1044 Insbesondere mit Blick auf Steuern, die sich als Belastungen der laufenden Berufsausübung erweisen, mag zu diskutieren sein, ob eine Besteuerung, die die Früchte der beruflichen Betätigung nicht mehrheitlich in der Hand des Tätigen belässt, bereits eine Verletzung des Art. 12 Abs. 1 GG impliziert. Allerdings weist diese Überlegung große Nähe zu dem Kriterium der Privatnützigkeit auf, das im Kontext der grundrechtlichen Eigentumsgewährleistung, 5. Teil, 2. Kap., auch 1. Kap., III., ausführlicher erörtert wird; insoweit beinhaltet das Berufsgrundrecht des Grundgesetzes keine weitergehende verfassungsrechtliche Belastungsobergrenze. 1045 Dafür, dass die Differenzierung zwischen Berufswahl und Berufsausübung jedenfalls für Zwecke der Steuerverfassungsdiskussion des Art. 12 Abs. 1 GG aufgegeben werden sollte, C. Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. I, Art. 2 Abs. 1, Rn. 56. 1046 So z. B. mit Schwerpunkt auf die republikanische Position K. A. Schachtschneider, Die Umsatzbesteuerung der Mineralölsteuer, S. 61, der dies für die Problematik der auf der Mineralölsteuer lastenden Umsatzsteuer exemplifiziert. 1047 Dass die Maßstäbe des in Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Berufsgrundrechts nicht nur auf die Auferlegung von Steuerlasten, sondern auch von anderen Geldleistungsverpflichtungen anzulegen sind, deuten obige Ausführungen in ihrer Konsistenz bereits an, sind doch auch außersteuerliche Abgabegesetze geeignet, die Ausübungen beruflicher Tätigkeiten, gegebenenfalls bereits deren Aufnahme substantiell zu beschränken. Selbst das Bundesverfassungsgericht macht deutlich, dass die diskutierten Vorgaben z. B. auch für Sozialversicherungsabgaben Gültigkeit besitzen sollen, Sozialversicherungsabgaben also in den Kreis der am Grundrecht des Art. 12 GG zu messenden Pflichten des Bürgers einzubeziehen sind. So zieht das Gericht im Künstlersozialversicherungs-Urteil [BVerfGE 75, 108 (153 f.)] Art. 12 Abs. 1 GG als Prüfungsmaßstab heran, verwirft dessen Einschlägigkeit allerdings mangels berufsregelnder Tendenz. Auch wenn sich über die Auswirkungen von Sozialababgaben auf Berufswahl und Berufsausübung, damit also auf die Relevanz der Berufsfreiheit des Art. 12 GG, trefflich streiten ließe, kristallisiert sich heraus, dass die Abgabenbelastung insbesondere durch Sozialversicherungsabgaben allemal dann an Art. 12 Abs. 1 GG zu messen wäre, wenn sie „eine ,Erdrosselungswirkung‘ besessen hätte und aus diesem Grunde ein bestimmter Beruf mangels Verdienstchancen gar nicht erst hätte ergriffen werden können.“ Vgl. hierzu H. Butzer, Verfassungsrechtliche Grenzen der Besteuerung, S. 41 f. (Zitat S. 42). Im Übrigen wird an dieser Stelle auf die nähere Erörte-

2. Kap.: Eigentum und Steuern in der Republik

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eine steuerliche Regelung doch „nur überhaupt irgendwie auf eine berufliche Betätigung beziehen“, um den Maßstab des Art. 12 Abs. 1 GG zu aktivieren. Allemal müssen dem Steuerbürger auch nach dem fiskalischen Zugriff ausreichend Mittel verbleiben, um seine berufliche Betätigung dauerhaft ausüben und angemessen leben können1048. Damit setzt Art. 12 Abs. 1 GG dem Steuerzugriff des Fiskus über die Steuerfreistellung des Existenzminimums hinaus, das nicht nur um der Würde des Menschen willen, sondern auch als Basis privatheitlicher Lebensbewältigung zu schützen ist, eine erste grundlegende Grenze. Weitergehende Rückschlüsse auf eine mögliche verfassungsrechtliche Grenzlinie des Besteuerungszugriffs, die bei einer hälftigen Teilung der wirtschaftlichen Ergebnisse beruflichen Handelns zwischen Bürger und Staat oder zumindest in der Nähe einer solchen Halbteilung zu ziehen sein könnte, erlaubt obige Deutung des Berufsgrundrechts des Art. 12 Abs. 1 GG allerdings nicht1049. 2. Kapitel

Eigentum und Steuern in der Republik I. Entwicklung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Verhältnis von Eigentum und Steuern Die Diskussion um das Verhältnis von privatem Eigentum und Steuern in der Republik erschließt sich in letzter Konsequenz erst nach einer intensiveren Betrachtung der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, die über die Jahrzehnte nicht nur eine Unzahl einfachsteuergesetzlicher Normen zum Gegenstand hatte, sondern immer wieder auch die großen, grundsätzlichen Linien der Steuergesetzgebung an den Buchstaben und dem Willen der Verfassung gemessen hat1050. rung außersteuerlicher Geldleistungspflichten, analog zu der der steuerlichen Pflichten, verzichtet und auf die grundlegenden Ausführungen zu den steuerlichen und nichtsteuerlichen Pflichten des Bürgers im Licht der Eigentumsgewährleistung des Art. 14 Abs. 1 GG im Folgenden, insb. 3. Kap., V., verwiesen. 1048 So etwa M. Lehner, Einkommensteuerrecht und Sozialhilferecht, 1993, S. 314 f.; dazu etwa BVerfGE 47, 1 (38 f.). 1049 So wird zwar bei zahlreichen Schriften über den steuerverfassungsrechtlichen Halbteilungssatz die Verfassungsvorgabe des Art. 12 Abs. 1 GG als verfassungsrechtliche Belastungsobergrenze thematisiert, ein eigenständiger Begründungsgehalt für den Halbteilungsgrundsatz wird ihr jedoch nicht zugebilligt. Vgl. hierzu etwa R. Seer, Der sog. Halbteilungsgrundsatz als verfassungsrechtliche Belastungsobergrenze der Besteuerung, FR 1999, S. 1281 f.; sinngemäß auch K. Vogel/C. Waldhoff, in: BK, Vorbem. z. Art. 104a–115, Rn. 564. 1050 Im Folgenden werden Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts sowie im Anschluss daran Positionen der Staatsrechtslehre zum Verhältnis von Eigentum und Besteuerung referiert, die in ihren zugrunde liegenden Einsichten über das Eigentum nicht zwingend mit der in dieser Schrift vertretenen republikanischen Eigentumskon-

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6. Teil: Teilung des Eigentums zwischen Steuerbürger und -staat

1. Leerlauf der Eigentumsgewährleistung gegenüber dem Fiskalzugriff Lange Zeit gingen Rechtsprechung und Staatsrechtslehre1051 gleichermaßen von einer „weitgehenden Bedeutungslosigkeit“1052 des Art. 14 GG gegenüber der Finanzgewalt des Staates aus, vermochte die Eigentumsgewährleistung des Art. 14 GG dem Appetit des Fiskus keinen Einhalt zu gebieten. Nahezu hilflos gelang es der Staatsrechtswissenschaft nicht, den nachgerade bedauernswerten Zustand des Steuerverfassungsrechts „gegenüber einer fast schon nach finanzund sozialpolitischem Belieben den Bürger belastenden Hoheitsgewalt“1053 zu beenden und der Steuerobrigkeit auch das Eigentumsgrundrecht des Art. 14 GG entgegenzusetzen. Paul Kirchhof, einer der großen Steuerverfassungsrechtsdogmatiker, skizziert mehrere Jahrzehnte Verfassungsrechtsprechung zum Eigentumsrecht des Art. 14 GG im Kontext der Steuererhebung sehr zutreffend, wenn er formuliert: „Die grundrechtliche Schutzglocke gegen staatliche Gewalt scheint für den Steuerzugriff durch ein „Ozonloch“ durchbrochen, das die Steuergegenstände und die Steuerschuldner der sengenden Kraft der Steuerlast schutzlos preisgibt und dadurch zu zerstören droht.“1054

Diese Aussage verwundert nicht, vertrat doch das Bundesverfassungsgericht über Jahre hinweg die Auffassung, der staatliche Zugriff mittels öffentlichrechtlicher Geldleistungen auf das Vermögen des Bürgers tangiere das Grundrecht des Art. 14 überhaupt nicht, denn das Vermögen als solches sei durch das Eigentumsgrundrecht nicht geschützt1055, weshalb das Eigentum durch Steuern – oder auch andere Abgaben – überhaupt nicht verletzt sein könne1056. In diezeption übereinstimmen. Nachfolgend kann daher auch der Terminus der grundgesetzlichen „Eigentumsgarantie“ Verwendung finden, obgleich Art. 14 GG im Sinne der Republik treffender als „Eigentumsgewährleistung“ bezeichnet werden muss. 1051 Dazu ausführlicher unter II. 1052 H.-J. Papier, Steuerreform als Verfassungsproblem, Stbg 1999, S. 51. 1053 So die deutliche Kritik des großen Lehrers vom Eigentum W. Leisner, Steuerund Eigentumswende – die Einheitswert-Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts, S. 860. 1054 Staatliche Einnahmen, in: HStR, Bd. IV, § 88, Rn. 85 (unter Hinweis auf K. Vogel, Grundzüge des Finanzrechts des Grundgesetzes, in: HStR, Bd. IV, § 87, Rn. 88); informativ zu der Diskussion um das Verhältnis von Eigentum und Steuern bereits in den frühen Jahren der Bundesrepublik H. R. Dißmann, Die durch Art. 14 GG gebotene Grenze der Erhebung öffentlicher Abgaben, 1964. 1055 Gegen die grundrechtliche Erfassung der Gesamtheit aller Vermögensrechte als Rechtsinstitut bereits C. Schmitt, Freiheitsrechte und institutionelle Garantie der Reichsverfassung, in: Rechtswissenschaftliche Beiträge zum 25-jährigen Bestehen der Handelshochschule in Berlin, 1931, S. 23 ff.; sinngemäß auch H. Lecheler, „Funktion“ als Rechtsbegriff?, NJW 1979, S. 2275; vgl. hierzu H.-J. Papier, Eigentumsgarantie und Geldentwertung, AöR 98 (1973), S. 532 ff., 556 ff. 1056 Hierzu ausführlicher im Folgenden.

2. Kap.: Eigentum und Steuern in der Republik

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ser ersten Phase1057 der höchstrichterlichen Rechtsprechung zum Verhältnis von Eigentum und Besteuerung wurde auch das Kriterium der Enteignung als Beurteilungsmaßstab des abgabenrechtlichen Zugriffs herangezogen. Dieser Linie folgend grenzte das Bundesverfassungsgericht zunächst Abgabenerhebung, also auch Besteuerung, von der Enteignung ab1058: „Der Wirtschaftsrat war hiernach an die Grundrechte des Grundgesetzes gebunden und daher durch Art. 14 an einer entschädigungslosen Enteignung gehindert. Die Belastung mit Umstellungsgrundschulden durch das Änderungsgesetz vom 10. August 1949 ist jedoch keine Enteignung. Das Grundeigentum, das in Höhe des Abwertungsbetrages von dinglichen Lasten frei geworden war, wurde durch die Umstellungsgrundschulden, die mit Inkrafttreten des Änderungsgesetzes neu entstanden, belastet und somit beschränkt; denn zugunsten des Gläubigers war eine bestimmte Geldsumme aus dem Grundstück zu zahlen (§ 1191 BGB). Es braucht nicht geprüft zu werden, ob angesichts dieser Sondervorschriften noch von echten Grundschulden gesprochen werden kann . . . Denn es steht außer Frage, dass durch die Umstellungsgrundschulden das Grundeigentum belastet, insbesondere der Eigentümer in der freien wirtschaftlichen Verwertung des Grundstücks beschränkt wurde. Gleichwohl liegt eine Enteignung nicht vor.“

Nur wenig später legte das Bundesverfassungsgericht in seiner (ersten) Investitionshilfeentscheidung nach, dass staatliche Geldleistungspflichten die Eigentumsgarantie (tatbestandlich1059) überhaupt nicht berührten: „Wenngleich der Umfang der durch Art. 14 GG geschützten Objekte in Schrifttum und Rechtsprechung umstritten ist, besteht doch Einmütigkeit darüber, dass Art. 14 GG nicht das Vermögen gegen Eingriffe durch Auferlegung von Geldleistungspflichten schützt. . . . Geldleistungspflichten . . . berühren nicht die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes. Daran kann auch die Überlegung nichts ändern, dass durch die Erfüllung einer Zahlungspflicht die Liquidität des Betriebsvermögens vermindert wird. Das gehört zum Wesen jeder Geldleistungspflicht. Die Liquidität eines Betriebes ist zwar eine ,wirtschaftliche Position‘, aber kein selbständiges Recht; die Frage der Eigentumsgarantie kann daher überhaupt nicht aufgeworfen werden.“1060

Die These, dass Geldleistungspflichten, die der Staat dem Bürger aufbürdet, die Eigentumsgewährleistung des Art. 14 GG nicht berührten, wurde im Verlauf 1057 K. Vogel/C. Waldhoff, in: BK, Vorbem. z. Art. 104a–115, Rn. 532, teilen die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Verhältnis von Eigentumsgrundrecht und Auferlegung öffentlich-rechtlicher Geldleistungspflichten, ähnlich der Rechtssprechungsentwicklung des Gerichts zum allgemeinen Gleichheitssatz, in drei Phasen. Dazu aufschlussreich, wenn auch nicht unter Berücksichtigung des aktuellen Standes, K. H. Friauf, Eigentumsgarantie und Steuerrecht – zum zweiten Thema der Staatsrechtslehrertagung 1980, S. 480 ff. Weniger scharf zwischen diesen Phasen trennen z. B. W. Leisner, Eigentum, in: HStR, Bd. VI, § 149, Rn. 124 ff.; H.-J. Papier, Steuerreform als Verfassungsproblem, Stbg 1999, S. 51 f. 1058 Beschluss des Ersten Senats vom 24. April 1953, BVerfGE 2, 237 (258 f.). 1059 So der erklärende Hinweis bei K. Vogel/C. Waldhoff, in: BK, Vorbem. z. Art. 104a–115, Rn. 534. 1060 BVerfGE 4, 7 (17).

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6. Teil: Teilung des Eigentums zwischen Steuerbürger und -staat

der Rechtsprechung immer wieder um- und ausformuliert1061 – so hieß es teilweise, die Auferlegung von Geldleistungspflichten verletze das Eigentumsgrundrecht nicht1062; teilweise war davon die Rede, dass die Zulässigkeit von Abgaben durch die Eigentumsgewährleistung unberührt bleibe1063 oder die Eigentumgewährleistung durch die Erhebung von Abgaben nicht berührt werde1064, oder dass Art. 14 GG nicht vor der Auferlegung von Geldleistungen schütze1065 –, doch im Ergebnis wurde die Steuerhoheit stets deutlich gegenüber dem Eigentumsgrundrecht abgeschirmt1066. Diese apodiktische Position1067, die – ausgehend von der Begründungshypothese, der Steuerschuldner leiste Abgaben ja nicht aus dem steuertatbestandlichen Wirtschaftsgut, sondern aus seinem Vermögen – die Rechtsgegenständlichkeit und Eigentumshaftigkeit der Liquidität, der Zahlungsfähigkeit, letztlich der Geldmittel, ja des gesamten Vermögens an sich in Abrede stellte und damit, trotz der mit Geldleistungspflichten unbestritten verbundenen Mittelabflüsse, einen auch nur potentiellen Eingriff in das Eigentum ablehnte, wurde in ständiger Rechtsprechung1068 über viele Jahre aufrecht erhalten1069. 1061 Beachte hierzu den zutreffenden Hinweis von O. Geißler, Der Unternehmer im Dienste des Steuerstaats, S. 109 (Fn. 22), dass hier das Bundesverfassungsgericht zwar die einschlägigen Formulierungen immer wieder ausgetauscht hat, das Ergebnis aber – ein „Leerlaufen“ des Art. 14 GG gegenüber fiskalischen Lasten – lange Zeit unverändert geblieben ist. 1062 Z. B. BVerfGE 8, 274 (330); 10, 354 (371). 1063 So etwa BVerfGE 6, 290 (298). 1064 Vgl. z. B. BVerfGE 10, 89 (116). 1065 Siehe etwa BVerfGE 11, 105 (126). 1066 Auch von Seiten der Verfassungsrechtslehre wurde diese strikte Trennung eingefordert, ohne die – so die Befürchtung insb. von E. Forsthoff, Begriff und Wesen des sozialen Rechtsstaates, VVDStRL 12 (1953), S. 32 – dem Sozialstaat seine finanzverfassungsrechtlichen Grundlagen entzogen würden. Dazu auch ders., Eigentumsschutz öffentlich-rechtlicher Rechtsstellungen, NJW 1955, S. 1250; K. M. Hettlage, Die Finanzverfassung im Rahmen der Staatsverfassung, VVDStRL 14 (1956), S. 4 f. Zur Diskussion in der Verfassungsrechtslehre nochmals unten. 1067 So der Passus bei O. Geißler, Der Unternehmer im Dienste des Steuerstaats, S. 108: „. . . so hat das Gericht apodiktisch festgestellt, . . .“. W. Leisner, Steuer- und Eigentumswende – die Einheitswert-Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts, S. 860, tituliert diese Rechtsauffassung des Gerichts schlichtweg als „– unhaltbare – Behauptung“. 1068 Vgl. BVerfGE 6, 290 (298); 8, 274 (330); 10, 89 (116); 10, 354 (371); 11, 105 (126); 14, 221 (241); 19, 119 (128 f.); 19, 253 (267 f.); 23, 288 (314 f.); 26, 327 (338); 28, 119 (142); 29, 402, (413); 30, 250 (271); 38, 61 (102); auch 65, 196 (209); 70, 219 (230); 78, 214 (230); 81, 108 (122). Zu dieser Rechtsprechung des obersten Gerichts ausführlich z. B. P. Kirchhof, VVDStRL 39 (1980), 213 (227 ff.); auch G. F. Schuppert, Verfassungsrechtliche Prüfungsmaßstäbe bei der verfassungsrechtlichen Überprüfung von Steuergesetzen, in: W. Fürst (Hrsg.), Festschrift für Wolfgang Zeidler, Bd. 1, 1987, S. 693. Abweichend hiervon formulierte das Gericht lediglich in einem gem. § 93a BVerfGG ergangenen Beschluss vom 21.1.1969, HFR 1969, S. 347, dass die Auferlegung bestimmter Geldleistungspflichten Art. 14 GG „nicht verletzt,

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Einen verfassungsdogmatischen Hintergrund für diese judizierte Irrelevanz der Eigentumsgarantie im Falle der Auferlegung von Geldleistungspflichten lieferte wohl das Eigentumsverständnis1070, nach dem nicht das Vermögen als summierte wirtschaftliche Potenz des Bürgers Eigentum i. S. d. Art. 14 GG begründet, sondern nur das subjektive Vermögensrecht Eigentum1071. Wohl an die Zivilrechtsdogmatik angelehnt1072, wurde das Vermögen aus dem Eigentumsbegriff ausgegrenzt, ergo ein Schutz des Vermögens als solches durch das Eigentumsgrundrecht abgelehnt und nur ein möglicher Schutz konkreter vermögenswerter Rechtspositionen bejaht; daher konnte die Auferlegung von Geldleistungspflichten als Beeinträchtigungen des Vermögensbestandes auch nicht an Art. 14 GG gemessen werden. Nach dieser Argumentationslinie vermochte die Steuergewalt – bereits rein begrifflich – das Eigentum nicht zu verletzen, sei es nun unmittelbar oder „mittelbar“1073. Letztlich spiegelt diese Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die strikte Trennung von Staat und Gesellschaft wieder, wie sie sich in der Tradition des bürgerlichen Staates des Liberalismus seit dem 19. Jahrhundert sukzessive entwickelt hat und augenscheinlich bis heute fortdauert1074. Nach diesem Verständnis zählt die Finanzierung des Staates – und hierzu dient die Steuererhebung – zu den zentralen Angelegenheiten des Staates, die offensichtlich keine „Sache von Freiheit und Eigentum“ und somit auch keine „Sache der Bürgerschaft“ sind1075. Geht man von dieser Annahme aus, können Freiheit und Eigensolange die Substanz durch die Besteuerung unangetastet“ bleibe. Dies war jedoch nicht etwa, wie bereits 1972 H.-J. Papier, Die Beeinträchtigungen der Eigentums- und Berufsfreiheit durch Steuern vom Einkommen und Vermögen, Der Staat 11 (1972), S. 483, bemerkte, der Beginn einer umfassenden Neuorientierungen der Rechtsprechung; diese grundlegende Neuausrichtung setzte erst mehr als 20 Jahre danach ein. 1069 Kritisch, stv. für viele, P. Kirchhof, Staatliche Einnahmen, in: HStR, Bd. IV, § 88, Rn. 88 ff., der den diversen Begründungsversuchen des Bundesverfassungsgerichts argumentativ begegnet. Siehe hierzu die näheren Ausführungen unter II., 2., d). 1070 Zur verfassungsdogmatischen Verortung des Eigentums siehe ausführlicher im 5. Teil. 1071 Stv. für viele H.-J. Papier, Steuerreform als Verfassungsproblem, Stbg 1999, S. 52. 1072 Vgl. W. Leisner, Eigentum, in: HStR, Bd. VI, § 149, Rn. 124, unter Verweis auf BGHZ 6, 270 ff. (LS III 1) et al. 1073 BFHE 92, 495 (505), unter Rückgriff auf den „unmittelbaren Eingriff“ des BGH, so etwa in BGHZ 37, 44 (47). 1074 So der wichtige Hinweis bei K. A. Schachtschneider, Umsatzbesteuerung der Mineralölsteuer, S. 53; ausführlicher zum Thema H. H. v. Arnim, Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), S. 287 ff. 1075 K. A. Schachtschneider, Umsatzbesteuerung der Mineralölsteuer, S. 54, unter Hinweis auf den Preußischen Budgetkonflikt von 1862 bis 1866; grundlegend zu der so genannten Impermeabilitätsdoktrin H. Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 897; K. Vogel, Der Finanz- und Steuerstaat, in: HStR, Bd. I, § 27, Rn. 51 ff., 69 ff.; P. Kirchhof, Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), S. 215; ders., Staatliche Einnahmen, in: HStR, Bd. IV, § 88, Rn. 45 ff.; ergänzend E. R. Huber, Das Kaiserreich

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tum des Bürgers von staatlichen Maßnahmen des Steuerstaates nicht tangiert sein; dass der Steuerzugriff des Fiskus auf das bürgerliche Eigentum außerhalb des Geltungsbereiches der Verfassung gestellt wird, ist dann nur folgerichtig. Der Idee der freiheitlichen, gleichheitlichen und brüderlichen Republik entspricht dies allerdings nicht. 2. Ausnahmsweises Verbot einer übermäßigen Besteuerung Die absolute Position des Bundesverfassungsgerichts zum Verhältnis von Eigentumsgrundrecht und Fiskalzugriff wurde im Lauf der Jahre immer wieder relativiert. Noch mit Beschluss vom 12. November 19581076 zum Preisgesetz stellte der Zweite Senat zwar fest: „. . . die Auferlegung von Geldleistungspflichten, wie sie mit Preisausgleichsmaßnahmen verbunden sein können, verletzt die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG nicht.“

Eine erste Lockerung deutete sich wohl mit der Entscheidung „(Großer) Erftverband“ des Ersten Senats vom 29. Juli 19591077 an: „Geldleistungspflichten berühren grundsätzlich [Hervorh. d. Verf.] nicht die Eigentumsgarantie.“

Hier deutete sich mit dem Hinweis auf die „Grundsätzlichkeit“ der Ausklammerung von Geldleistungspflichten aus dem Schutzbereich der Eigentumsgarantie immerhin die Möglichkeit einer Ausnahme an. In der Entscheidung zum Familienlastenausgleich des Ersten Senats vom 10. Mai 19601078 findet sich eine solche Andeutung nicht1079; die Prüfung eines möglichen Verstoßes von dem Bürger auferlegten Geldleistungspflichten gegen die Garantie des Art. 14 GG ist dem obersten Gericht nur einen, fast schon lakonisch anmutenden Absatz am Ende seiner Urteilsbegründung wert: „Auch eine Verletzung von Art. 9 und 14 GG, die in Parallelverfahren gerügt worden ist, kommt nicht in Frage. . . . Art. 14 GG schützt nicht vor der Auferlegung von Geldleistungspflichten wie den hier statuierten.“

als Epoche verfassungsstaatlicher Entwicklung, in: J. Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. I, Grundlagen von Staat und Verfassung in der Bundesrepublik Deutschland, 1987, § 2, Rn. 16; H. H. Rupp, Die Unterscheidung von Staat und Gesellschaft, in: HStR, Bd. I, § 28, Rn. 6. 1076 BVerfGE 8, 274 (330). 1077 BVerfGE 10, 89 (116). 1078 BVerfGE 11, 105 (126). 1079 Hier zeichnen sich grundlegende Differenzen in den Rechtsauffassungen des Ersten und des Zweiten Senats zur Schutzwirkung des Art. 14 GG vor der Auferlegung von Geldleistungspflichten durch den Fiskus ab, die sich mit der Rechtsprechung zum Halbteilungssatz noch vertieft haben.

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Die Möglichkeit einer ausnahmsweisen Verletzung der Eigentumsgewährleistung des Art. 14 GG, die sich bereits 1959 angedeutet hatte, wurde erst mit Urteil des Zweiten Senats vom 24. Juli 19621080 präzisiert: „Die Auferlegung von Geldleistungspflichten lässt aber die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG grundsätzlich unberührt . . . In solchen Fällen könnte ein Verstoß gegen Art. 14 GG allenfalls dann in Betracht kommen, wenn die Geldleistungspflichten den Pflichtigen übermäßig belasten und seine Vermögensverhältnisse grundlegend beeinträchtigen würden.“

In dieser zweiten Phase seiner Eigentumsrechtsprechung in Steuersachen judizierte das Gericht also regelmäßig, dass Abgaben den Schutzbereich des Eigentumsrechts „grundsätzlich“ nicht antasten und eine Steuer oder andere Abgabe allenfalls „ausnahmsweise“ gegen Art. 14 GG verstoßen könne, wenn nämlich die Belastung des Steuerpflichtigen „übermäßig“1081 und seine Vermögensverhältnisse „grundlegend beeinträchtigt“ seien. Deutlich formuliert wurde diese Linie beispielsweise im Beschluss des Ersten Senats vom 24. September 19651082 zum Kuponsteuergesetz: „Auch Art. 14 Abs. 1 und 3 GG sind nicht verletzt. Der Einwand der Beschwerdeführer, das Kuponsteuergesetz habe den rechtlichen Charakter der Wertpapiere verändert und sie in ihrer Substanz erfasst, greift nicht durch. Eine Besteuerung der Erträge tastet das Wertpapier in seinem rechtlichen Bestand grundsätzlich nicht an. Das Kuponsteuergesetz ist allein unter dem Gesichtspunkt der Auferlegung von Geldleistungen an Art. 14 GG zu messen. Diese lassen nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die Eigentumsgarantie grundsätzlich unberührt . . . In solchen Fällen könnte ein Verstoß gegen Art. 14 GG allenfalls dann in Betracht kommen, wenn die Geldleistungspflichten den Betroffenen übermäßig belasten und seine Vermögensverhältnisse grundlegend beeinträchtigen.“

Grundlegendes führte das Verfassungsgericht1083 zu dieser Thematik aus, als es auf eine unzulässige Übermäßigkeit der Belastung Bezug nahm: „Art. 3 UVNG verletzt aber auch insoweit die Eigentumsgarantie nicht, als er die Mitglieder der gewerblichen Berufsgenossenschaft betrifft. Wie oben . . . ausgeführt, sind die ihnen auferlegten Lasten als Beiträge im Rahmen der Unfallversicherung anzusehen. Die Auferlegung solcher Zwangsbeiträge enthält aber keine Verletzung des Eigentums, es sei denn, dass die Beiträge jedes Maß übersteigen.“ 1080

BVerfGE 14, 221 (241). Inwieweit dieser Passus der „übermäßigen Belastung“, der in diesem Wortlaut in der Rechtsprechung lange Zeit fortgeführt wurde, auf das verfassungsrechtliche Übermaßverbot Bezug nimmt, wird an späterer Stelle näher erörtert. Zum Übermaßverbot im Kontext von Besteuerung und grundrechtlicher Eigentumsgewährleistung im Überblick K. A. Schachtschneider, Steuerverfassungsrechtliche Probleme der Betriebsaufspaltung und der verdeckten Gewinnausschüttung, S. 66 f.; ausführlich oben V., insb. 5. 1082 BVerfGE 19, 119 (128 f.). 1083 BVerfGE 23, 12 (30) unter Verweis auf BVerfGE 14, 221 (242); 10, 354 (371). 1081

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Offensichtlich können folglich Beiträge, konkludent auch Abgaben anderer Art, die „jedes Maß“1084 übersteigen, das Eigentum durchaus verletzen. Genauere Hinweise, wie der Terminus „jedes Maß“ in der Steuergesetzgebung mit Leben zu erfüllen sei, liefert – charakteristisch für diese Phase höchstrichterlicher Rechtsprechung – die Formel jedoch nicht1085. Etwas präziser füllte das Bundesverfassungsgericht1086 die Begriffe der „übermäßigen“ und „grundlegend beeinträchtigenden“ Geldleistungen aus, als es in die Diskussion um den grundrechtlichen Eigentumsschutz im Falle von Steuer- oder anderen Hoheitslasten den Topos der unzulässigen konfiskatorischen oder erdrosselnden1087 Besteuerung einführte1088: „Die Heranziehung der Beschwerdeführer zur Vermögensabgabe nach dem Lastenausgleichsgesetz steht zu Art. 14 GG offensichtlich nicht in Widerspruch. Mit der Vermögensabgabe wird eine Geldleistungspflicht in Form einer Steuer auferlegt. Solche Pflichten lassen die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG grundsätzlich unberührt. . . . Ein Verstoß gegen Art. 14 GG kann allenfalls dann in Betracht kommen, wenn die Geldleistungspflichten den Pflichtigen übermäßig belasten und seine Vermögensverhältnisse grundlegend beeinträchtigen würden . . ., also eine Konfiskation darstellen würden. Das ist bei der Vermögensabgabe nicht der Fall.“

Diese, eine Konfiskationsbesteuerung untersagende Rechtsprechung zur Eigentumsgarantie wurde auch im Beschluss des Zweiten Senats vom 9. März 19711089 zu Sonderumsatzsteuern auf Grund des Stabilitätsgesetzes bekräftigt: „Das Bundesverfassungsgericht geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass die Auferlegung von Geldleistungsverpflichtungen die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG grundsätzlich unberührt lasse. . . . Das gilt auch für Gesetze wirtschaftsund währungspolitischer Natur. Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn die Geldleistungspflichten den Betroffenen übermäßig belasten und seine Vermögensverhältnisse grundlegend beeinträchtigen (Erdrosselungswirkung) . . .“

1084 Auch mit diesem Verweis auf eine „jedes Maß“ übersteigende Steuerlast mag das Übermaßverbot in Stellung gebracht werden. Als Charakteristikum dieser Phase höchstrichterlicher Rechtsprechung entbehrt die Formel jedoch genauerer Hinweise, wie „jedes Maß“ in der Steuergesetzgebung mit Leben zu erfüllen sei. 1085 Völlig zu Recht konstatiert W. Leisner, Steuer- und Eigentumswende – Die Einheitswert-Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts, S. 860, eine rein „theoretische Schranke“, deren nähere Erörterung, geschweige denn Konkretisierung, das Gericht nicht einmal in Betracht gezogen habe. 1086 BVerfGE 23, 288 (314 f.). Gegenstand der damaligen Entscheidung war eine Vermögensabgabe, also eine Fiskallast, die ihre Bemessungsgrundlage im Vermögen eines Steuerpflichtigen fand, nicht in erzieltem Einkommen oder Einkünften. 1087 Dazu unten. 1088 Anders H. Butzer, Freiheitsrechtliche Grenzen der Steuer- und Sozialabgabenlast, S. 33, der bereits in BVerfGE 14, 221, das Verbot der Konfiskationsbesteuerung verankert sehen will. 1089 BVerfGE 30, 250 (271 f.); beachte auch den Hinweis auf BVerfGE 19, 119 (128 f.).

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Ausgehend von dieser Argumentationskette des Gerichts wurden die unterschiedlichsten Fragestellungen des Steuerrechts an Art. 14 GG gemessen – als ein Beispiel sei die Beurteilung der Verfassungswidrigkeit einer Einkommensbesteuerung von Kapitalzinsen trotz Inflation erwähnt1090. Fast formelhaft1091 bestätigte das Gericht seine Position mit steter Regelmäßigkeit, so beispielsweise auch wieder im Beschluss des Ersten Senats vom 28. November 19841092 zur Anhebung des Rechnungszinsfußes für Pensionsrückstellungen von 5,5 auf 6 vom Hundert durch § 6 a EStG i. d. F. des 2. Haushaltsstrukturgesetzes: „Die angegriffene Regelung verstößt schließlich nicht gegen Art. 14 Abs. 1 GG. Eine Verletzung dieses Grundrechts wäre allenfalls in Betracht zu ziehen, wenn die Geldleistungspflichten den Betroffenen übermäßig belasten und seine Vermögensverhältnisse grundlegend beeinträchtigen. Für eine derartige Wirkung der Anhebung des Rechnungszinsfußes für Pensionsrückstellungen von 5,5 auf 6 vom Hundert gibt es keinerlei Anhaltspunkte.“

Die Position des Bundesverfassungsgerichts übernahm übrigens auch der Bundesfinanzhof, zumindest der Sache nach1093, thematisierte er doch lediglich die Unzulässigkeit von Abgaben, die den „Steuerschuldner zur Verschleuderung von Vermögenswerten zwingen“1094, „nachträglich seine (Eigentums-)Position im ganzen entwerten“1095 oder „die Substanz des Vermögens vernichten“1096. In all diesen Entscheidungen klingt der, in der Rechtsprechung wiederholt bemühte Begründungsversuch des Gerichts an, mit dem es im Grundsatz die Möglichkeit einer Eigentumsverletzung durch steuerliche oder andere Lasten ablehnt. So wird argumentiert, dass eine Besteuerung von Erträgen einen Vermögensgegenstand in seinem (rechtlichen) Bestand, in seiner Substanz nicht berührt, mithin also eine rechtswerte Eigentumsposition schlichtweg nicht angetastet, geschweige denn verletzt wird1097. Eine dezidierte Stellungnahme zu einer 1090 BVerfGE 50, 57 (104); i. d. S. bereits schon BVerfGE 31, 8 (32); BVerfG, HFR 1969, S. 347; BVerfG, NJW 1976, S. 101 1091 W. Leisner, Eigentum, in: HStR, Bd. VI, § 149, Rn. 126, spricht ausdrücklich von der „Formel“ des Bundesverfassungsgerichts zur verfassungswidrigen Besteuerung. 1092 BVerfGE 68, 287 (310 f.); grundlegend zur übermäßigen Belastung durch Steuergesetze auch BVerfGE 63, 312 (327 m.w. N.). 1093 BFHE 83, 200 (205); 105, 269 (270); 105, 554 (560); 112, 567 (568); lange Zeit ständige Rechtsprechung des BFH, die selbst nach dem wegweisenden Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum „steuerlichen Halbteilungsgrundsatz“ nicht fallengelassen wurde. 1094 BFHE 77, 267 (269). 1095 BVerwGE 21, 98 (102), auf BVerfGE 14, 288, verweisend. 1096 BAGE 17, 211 (215). 1097 Schon frühzeitig (1972) gegen diese Position des Bundesverfassungsgerichts z. B. K. A. Schachtschneider, Das Sozialprinzip, S. 67; ausführlicher auch P. Häberle, Grundrechte im Leistungsstaat, VVDStRL 30 (1972), S. 124; bemerkenswert W. Weber, Die Finanzverfassung im Rahmen der Staatsverfassung, Aussprache, VVDStRL

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etwaigen Verletzung von Eigentumsrechten im Fall einer Besteuerung der eigentlichen Substanz, einer substanzverzehrenden Besteuerung, erfolgt nicht, die ertragsorientierte Besteuerung wird im Grundsatz als unproblematisch erachtet. Erst eine übermäßige Belastung des Steuerbürgers und eine grundlegende Beeinträchtigung seiner Vermögensverhältnisse, wohl also eine Beeinträchtigung, besser Schmälerung seiner Vermögenssubstanz wird als grundrechtsrelevant erachtet. (Quantitative) Hinweise, ab welcher Größenordnung eine Besteuerung als übermäßig oder grundlegend beeinträchtigend einzustufen ist, finden sich nicht. Einzig judiziabler Maßstab bliebe noch das Verbot einer Besteuerung, die Einkommensquellen des Steuerpflichtigen erdrosselt und Vermögen konfisziert, im Ergebnis also Eigentum entzieht oder vernichtet – doch auch diese „salvatorische Klausel“1098 für unverhältnismäßige Steuer- oder Abgabenzugriffe wird in praxi nie gegen ein Steuer- oder Abgabengesetz in Stellung gebracht1099. Die Gesamtschau zeigt deutlich, dass die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung auch in dieser zweiten Phase pekuniäre Lasten für den pflichtigen Bürger grundsätzlich außerhalb des Schutzbereiches des Art. 14 GG stellte; darüber hinausgehend wurde – wenn überhaupt – das Vermögen in seiner Substanzhaftigkeit nur als etwaiges, ausnahmehaftes Schutzobjekt thematisiert. Ein weiter gefasster Schutz des Vermögens oder der aus Vermögen erzielten Erträge wird aber ebenso wenig in Betracht gezogen wie eine eindeutig fassbare oder gar quantifizierende Begrenzung des Steuerzugriffs. Ebenso wie das Gericht näher konkretisierende Maßstäbe, ab wann eine fiskalische Last übermäßig ist, vermissen lässt, bleibt das Gericht eine schlüssige grundrechtsdogmatische Begründung des möglichen oder eben nicht möglichen Grundrechtseingriffs durch die Auferlegung von steuerlichen Lasten schuldig1100. Stellt nämlich eine erdrosselnde oder Konfiskationsbesteuerung einen 14 (1956), S. 81 ff. („Ich teile die Auffassung von Herrn Hettlage nicht, dass die Eigentumsgarantie mit der Finanzgewalt nichts zu tun hätte“; Zitat S. 81. „Im ganzen meine ich mit aller Entschiedenheit darauf hinweisen zu müssen, dass in der Eigentumsgarantie eine unübersteigbare Grenze auch für die Finanzgewalt liegt“; Zitat S. 83.); dazu nochmals im Folgenden. 1098 J. Wieland, Freiheitsrechtliche Vorgaben für die Besteuerung von Einkommen, DStJG 24 (2001), S. 31; ebenso wörtliches Zitat bei H. Butzer, Freiheitsrechtliche Grenzen der Steuer- und Sozialabgabenlast, S. 33. 1099 Selbst Kritiker einer verfassungsrechtlichen Begrenzung der Besteuerung diesseits der Erdrosselungssteuer bestätigen die praktische Bedeutungslosigkeit der Erdrosselung durch den Steuerzugriff, so zuletzt z. B. J. Wieland, Freiheitsrechtliche Vorgaben für die Besteuerung von Einkommen, DStJG 24 (2001), S. 39. 1100 So die treffende Kritik von O. Geißler, Der Unternehmer im Dienste des Steuerstaats, S. 110; ausführlicher dazu O. Depenhauer, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. I, Art. 14, Rn. 168; bereits 1980 kritisch R. Wendt, Besteuerung und Eigentum, NJW 1980, S. 2112; ebenso ders., in: M. Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, 1996, Art. 14, Rn. 39, auch z. B. G. Reiner, Die Inflationssteuer als Steuer im Rechtssinn, DStZ 1999, S. 820; H.-G. Dederer, Halbteilungsgrundsatz – woher, wohin? Zum Urteil des BFH vom 11.8.1999, S. 91; dogmatischer H.-J. Papier, Die Beeinträchti-

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Eingriff oder eine Verletzung der Eigentumsgewährleistung dar, so ist dies schlechterdings nur möglich, wenn die Auferlegung von Geldleistungspflichten, insbesondere Steuern, grundsätzlich an Art. 14 GG zu messen ist. Werden hingegen fiskalische Lasten dem Grundrechtsbereich des Art. 14 GG gänzlich entzogen, wie es das Bundesverfassungsgericht in jahrzehntelanger Judikatur stets getan hat1101, kann nicht plötzlich die gesteigerte Intensität oder das Übermaß einer staatlichen Maßnahme dazu führen, dass der ehedem nicht tangierte Grundrechtsbereich plötzlich Relevanz entfaltet1102. Mit seiner Rechtsprechung, die eine ausnahmsweise Verletzung von Art. 14 Abs. 1 GG durch staatliche auferlegte Geldleistungspflichten ab einer bestimmten Belastungsintensität anerkennt, mag das oberste Gericht zwar die Einschlägigkeit des Eigentumsgrundrechts als möglichen Gradmesser für einen übermäßigen Steuerzugriff auf einer verfassungsdogmatischen Ebene noch akzeptieren, eine schlüssige Begründungsleistung oder einen Maßstab, welche Besteuerung tatsächlich das Eigentumsgrundrecht des Art. 14 Abs. 1 GG berührt oder gar verletzt, liefert es nicht. Vielmehr hat das Bundesverfassungsgericht, zumindest im praktischen Ergebnis, das Eigentumsgrundrecht gegenüber dem Steuerzugriff des Staates auf einer grundsätzlichen Ebene über viele Jahre ins Leere laufen lassen1103. gungen der Eigentums- und Berufsfreiheit durch Steuern vom Einkommen und Vermögen, Der Staat 11 (1972), S. 485; ebenso F. Ossenbühl/U. Di Fabio, Verfassungsrechtliche Grenzen einer Erhöhung der Tabaksteuer, StuW 1988, S. 356. 1101 Siehe etwa BVerfGE 6, 290 (298); 8, 274 (330); 10, 89 (116); 10, 354 (371); 11, 105 (126); 19, 119 (128 f.); 23, 228 (314 f.); 26, 327 (338); 28, 119 (142); 38, 61 (102); 70, 219 (230). 1102 Vgl. etwa R. Herzog, Leitlinien und Entwicklungstendenzen der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in Steuerfragen, StbJb 1985/86, S. 31; ders., Steuerrecht und Verfassungsrecht, in: FS RFH – BFH, 1993, S. 110; auch H.-J. Papier, Die Beeinträchtigungen der Eigentums- und Berufsfreiheit durch Steuern vom Einkommen und Vermögen, Der Staat 11 (1972), S. 485; R. Seer, Der so genannte Halbteilungsgrundsatz als verfassungsrechtliche Belastungsobergrenze der Besteuerung, S. 1283; ders., Verfassungsrechtliche Grenzen der Gesamtbelastung von Unternehmen, DStJG 23 (2000), S. 98. Diese widersprüchliche Position des Bundesverfassungsgerichts versuchen einige Autoren dahingehend aufzulösen, dass sie die widerstreitenden Aussagen des Gerichts dogmatisch trennen. So bezieht P. Selmer, Steuerinterventionismus und Verfassungsrecht, S. 301 f., die grundsätzliche Irrelevanz von Art. 14 GG gegenüber der Auferlegung von Geldleistungspflichten auf die subjektive Grundrechtsebene, während er die Übermaßklausel auf die objektive Grundrechts Dimension beschränkt sehen will; ähnlich wohl auch D. Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 204. Für derartige Interpretationsansätze bietet die einschlägige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts jedoch keine Anhaltspunkte, wie K. H. Friauf, Verfassungsrechtliche Anforderungen an die Gesetzgebung über die Steuern von Einkommen und Ertrag, DStJG 12 (1989), S. 22 (Fn. 64), feststellt; hierzu bereits ders., Eigentumsgarantie und Steuerrecht – zum zweiten Thema der Staatsrechtslehrertagung 1980, S. 484 f. 1103 Auch wenn sich in der Vergangenheit zahlreiche obiter dicta fanden, die auf eine vorsichtige Lockerung der restriktiven Rechtsprechung des obersten Gerichts hindeuteten, so z. B. BVerfGE, HFR 1969 (Nr. 339), S. 347 – Beschluss vom 21.1.969; BVerfGE (VPr), NJW 1976, S. 101 – Beschluss vom 27.10. 1975; BVerfGE 45, 63 (77) – Beschluss vom 7.6.1977, oder BVerfGE 63, 343 (368) – Beschluss vom

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II. Verhältnis von Eigentum und Besteuerung aus Sicht der Staatsrechtslehre Die vom Bundesverfassungsgericht über viele Jahre judizierte, umfassende Herauslösung des fiskalischen Zugriffs1104 aus dem Wirkungsbereich des Art. 14 Abs. 1 GG und eine damit verbundene weitgehende Negierung einer etwaigen Schutzfunktion des Eigentumsgrundrechtes gegenüber wie auch immer gearteten Verpflichtungen durch den Fiskus war seit Anbeginn Gegenstand zahlreicher, auch kritischer Bemerkungen seitens der Staatsrechtslehre. Nicht nur die Bedeutsamkeit der fast schon als revolutionär zu bezeichnenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Halbteilungsgrundsatz1105, sondern auch das Verhältnis von Eigentum und Steuerzugriff in seiner Grundsätzlichkeit erschließt sich erst mit Kenntnis dieser Positionen. 1. Abgrenzung der Steuerhoheit gegenüber dem Eigentumsgrundrecht als notwendige Bedingung des Sozialstaates – die Position Ernst Forsthoffs Als einer der ersten und überzeugtesten Verfechter einer strikten Trennung von finanzstaatlicher Steuerhoheit und grundrechtlich gewährleistetem Eigentumsschutz formulierte Ernst Forsthoff anlässlich der Staatslehrertagung 19531106: 22.03.1983, hielt es doch an seiner defensiven Rechtsprechungslinie über viele Jahre fest. Zur Entwicklung der Rechtsprechung des Verfassungsgerichts siehe auch den Überblick bei K. H. Friauf, Eigentumsgarantie und Steuerrecht – Zum zweiten Thema der Staatsrechtslehrertagung 1980, DÖV 1980, S. 484 ff. 1104 H.-J. Papier, Die Beeinträchtigungen der Eigentums- und Berufsfreiheit durch Steuern vom Einkommen und Vermögen, Der Staat 11 (1972), S. 483 f., erkennt Bestrebungen des Gerichts, nicht nur die Besteuerungsgewalt, sondern jegliche staatliche Auferlegung finanzieller Lasten für den einzelnen Bürger aus dem Grundrechtsbereich des Art. 14 GG herauszulösen. Für eine Fokussierung der Diskussion auf Steuern in ihrer Finanzierungsfunktion plädieren z. B. bereits W. Rüfner, Die Eigentumsgarantie als Grenze der Besteuerung, in: U. Scheuner (Hrsg.), Die staatliche Einwirkung auf die Wirtschaft, 1971, S. 649 f.; F. Klein, Eigentumsgarantie und Besteuerung, StuW 1966, Sp. 435 ff., insb. 482. 1105 BVerfG v. 22.6.1995 – 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121. 1106 Begriff und Wesen des sozialen Rechtsstaates, VVDStRL 12 (1954), S. 31 f. Diese Position teilte auch K. M. Hettlage, Die Finanzverfassung im Rahmen der Staatsverfassung, VVDStRL 14 (1956), S. 4 f.; Zitat S. 8; s. a. S. 13, 33), der die Finanzverfassung für „weithin Ausnahmerecht von der allgemeinen Verfassungsregel“ ansieht. Zumindest für Steuern zur Deckung des staatlichen Finanzbedarfs stimmte dem ursprünglich auch K. H. Friauf, Verfassungsrechtliche Grenzen der Wirtschaftslenkung und Sozialgestaltung durch Steuergesetze, Recht und Staat, H. 325/326, 1966, S. 43 ff., zu. I. d. S. auch P. Selmer, Steuerinterventionismus und Verfassungsrecht, S. 306 ff., 336 ff., der allerdings Art. 14 GG unter anderen Gesichtspunkten gegen die staatliche Steuergewalt in Stellung brachte; ähnlich auch P. Badura, Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu den verfassungsrechtlichen Grenzen wirt-

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„Der moderne Rechtsstaat ist Sozialstaat wesentlich in seiner Funktion als Steuerstaat . . . Der Rechtsstaat als Steuerstaat beruht auf einer spezifischen, in der rechtsstaatlichen Verfassung enthaltenen Voraussetzung: der scharfen Abgrenzung der Steuerhoheit von dem in den Grundrechten gewährleisteten Schutz des Eigentums . . . Würde die(se) Unterscheidung von steuerlichen Eingriffen und Eingriff in das Eigentum fallen, so wäre dem heutigen Sozialstaat die verfassungsrechtliche Grundlage weiterhin entzogen. Der Vorgang wäre von kaum absehbarer Tragweite.“

Augenscheinlich soll mit der Forderung nach einer umfassenden Freistellung der Besteuerungs- oder Finanzgewalt des Staates von der Eigentumsgrundrechtsbindung die Steuerstaatlichkeit als finanzverfassungsrechtliche Basis des notwendigerweise mit entsprechenden Einnahmen zu versorgenden Sozialstaates gesichert werden. Dieses dogmatische Postulat basiert wohl auf der Annahme, dass ein Steuereingriff, falls er denn dem Schutzbereich des Art. 14 zugeordnet werden könnte, stets als grundrechtsrelevante, ergo auch grundrechtswidrige Enteignung zu bewerten wäre1107. Unter dieser Prämisse ist die These einer gänzlichen Lösung des Steuerzugriffs von dem Eigentumsgrundrecht tatsächlich nur folgerichtig, da ansonsten die für die Existenz des modernen Staates und seine Finanzierung unabdingbare Besteuerungsgewalt verfassungsrechtlich nicht mehr legitimiert werden könnte. Gleichwohl vermag diese Position auch bei näherer Hinterfragung nicht zu überzeugen, ist doch bereits die dogmatische Grundannahme – wie die nachfolgenden Ausführungen zeigen – in Frage zu stellen1108. 2. Kritische Auseinandersetzungen mit der judizierten Trennung von Eigentumsgrundrecht und Besteuerung In erster Linie wurde die klare Trennung von Eigentumsschutz und fiskalischer Zugriffsgesetzgebung in der Judikatur des Bundesverfassungsgerichts seitens der Staatsrechtslehrerschaft kritisch beurteilt. Selbst die Entwicklung des Verbots der Auferlegung von Geldleistungsverpflichtungen, die den Pflichtigen „übermäßig belasten und seine Vermögensverhältnisse grundlegend beeinträchtigen“, der Topos der verfassungswidrigen „Erdrosselungsbesteuerung“ also, vermochte die kritischen Stimmen nicht gänzlich zum Verstummen zu bringen. Immerhin sah sich die Rechtsprechungslinie des obersten Gerichts dem Vorwurf schaftspolitischer Gesetzgebung im sozialen Rechtsstaat, AöR 92 (1967), S. 407 (m.w. N. in Fn. 138). 1107 Für die grundsätzliche Enteignungswirkung einer Steuer z. B. auch F. Klein, Eigentumsgarantie und Besteuerung, StuW 1966, Sp. 479 ff. 1108 So im Ergebnis H.-J. Papier, Die Beeinträchtigungen der Eigentums- und Berufsfreiheit durch Steuern vom Einkommen und Vermögen, Der Staat 11 (1972), S. 487. Sinngemäß auch K. H. Friauf, Verfassungsrechtliche Grenzen der Wirtschaftslenkung und Sozialgestaltung durch Steuergesetze, Recht und Staat, H. 345/326, 1966, S. 44; ebenso ders., Steuergesetzgebung und Eigentumsgarantie, JA 1970, H. 4, S. 302 f.

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ausgesetzt, dass sie gerade dem nachhaltigsten und tiefgehendsten Eingriff in den Vermögensbereich des Bürgers, der Steuer nämlich1109, eine verfassungsrechtliche Überprüfung versage, noch dazu eine Überprüfung anhand des wohl einschlägigsten Grundrechts1110, des Eigentumsgrundrechts. Zumal durch das Gericht nie durchgängig begründet, ließ sich diese Rechtsposition in Inhalt und Tragweite nicht abschließend fassen und eröffnete entsprechende Auslegungsspielräume. Einerseits hätte sie dahingehend interpretiert werden können, dass in den Augen des Gerichts die gesetzliche Begründung von Geldleistungspflichten nicht dem Schutzbereich der Eigentumsgarantie unterfalle, Art. 14 GG also tatbestandlich gar nicht berührt wäre; eine deutliche Sprache sprach hier die immer wieder bemühte Formulierung, die Auferlegung einer Geldleistungspflicht lasse die Eigentumsgarantie „unberührt“1111. Darauf deutete auch die Tatsache hin, dass das Gericht mit steter Regelmäßigkeit zur Prüfung der Vereinbarkeit einer Steuernorm mit den Vorgaben der Verfassung nicht die Regelung des Art. 14 GG heranzog, sondern das Auffanggrundrecht des Art. 2 Abs. 1 GG; wäre in den Augen des Gerichts die Möglichkeit einer Verletzung, ja nur eine etwaigen „Berührung“ des Schutzbereiches des Art. 14 GG gegeben gewesen, hätte es eine strittige Steuernorm auch an Art. 14 GG messen können und müssen1112. Fast im gleichen Atemzug brachte das Gericht immer wieder in Stellung, Art. 14 GG schütze gegen die Auferlegung von Geldleistungspflichten, wenn diese „den Betroffenen übermäßig belasten und seine Vermögensverhältnisse grundlegend beeinträchtigen“. Eine solche Einschränkung lässt sich aber nur vertreten und auch verstehen, wenn die steuer- oder abgabengesetzliche Belastung an sich eine Eigentumsbeschränkung oder einen Eigentumseingriff darstellt. Würde nämlich die Erhebung von Steuern und hoheitlichen Abgaben Art. 14 Abs. 1 GG von vornherein nicht berühren, könnte sie auch nicht bei Überschreiten einer – wie auch immer zu bestimmenden – Extremschwelle das Eigentumsgrundrecht des Art. 14 GG verletzen1113; eben diesen Fall aber wollte das Gericht expressis verbis vermieden sehen1114. 1109 Stv. für viele K. Vogel/C. Walter, in: BK, Art. 105 GG, Rn. 39; auch W. Martens, Grundrechte im Leistungsstaat, VVDStRL 30 (1972), S. 15 f. 1110 H. Butzer, Freiheitsrechtliche Grenzen der Steuer- und Sozialabgabenlast, S. 34, beispielsweise bezeichnet Art. 14 Abs. 1 GG als „Hauptgrundrecht des Vermögensbereiches“. 1111 Vgl. bereits BVerfGE 6, 290 (298); mit etwas abweichender, aber sinngemäßer Formulierung z. B. BVerfGE 10, 89 (116); in der Sache identisch auch BVerfGE 8, 275 (330); 10, 354 (371); 11, 105 (126) u. ö.; siehe umfassend oben 2. Kap. 1112 So der kritische Einwand von H.-J. Papier, Die Beeinträchtigungen der Eigentums- und Berufsfreiheit durch Steuern vom Einkommen und Vermögen, Der Staat 11 (1972), S. 484. 1113 Siehe die zwingende Argumentation bei K. A. Schachtschneider, Steuerverfassungsrechtliche Probleme der Betriebsaufspaltung und der verdeckten Gewinnausschüttung, S. 57 f.; grundlegend ders. (unter Mitarbeit von O. Gast), Sozialistische

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Berechtigterweise wurden gerade diese Inkonsistenzen in der Rechtsposition des Bundesverfassungsgerichts immer wieder bemängelt: dem Grundsatz einer Nicht-Geltung des Art. 14 GG bei fiskalischem Zugriff stand die ausnahmshafte Geltung im Falle konfiskatorischer oder erdrosselnder Besteuerung entgegen. Diese, aber auch andere Einwendungen1115 gegen die doch absolut anmutende Rechtsprechungslinie des Gerichts veranlassten die Staatsrechtslehre zur Entwicklung diverser Gegenkonzeptionen, nicht zuletzt mit Blick auf die große dogmatische wie auch lebenswirkliche Bedeutsamkeit dieses Themenfeldes1116. a) Art. 14 GG als Gewährleistung des Eigentumswertes gegenüber dem Steuerzugriff – der Ansatz von Karl Heinrich Friauf Friauf knüpft in seinem Entwurf einer dogmatisch fundierten Aufarbeitung an einer Interpretation des Art. 14 GG als Eigentumswertgarantie1117 an, einer Schulden nach der Revolution, S. 177 ff.; ebenso H. Butzer, Freiheitsrechtliche Grenzen der Steuer- und Sozialabgabenlast, S. 34; i. d. S. z. B. auch H.-J. Papier, Die Beeinträchtigungen der Eigentums- und Berufsfreiheit durch Steuern vom Einkommen und Vermögen, Der Staat 11 (1972), S. 485. 1114 Die Rechtsauffassung des Bundesverfassungsgerichts hätte möglicherweise auch einen Steuerzugriff zugelassen, der die Eigentumsfreiheit tangiert, diese auch beeinträchtigt, das Grundrecht aber nicht verletzt, da er von einem Regelungsvorbehalt des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG gedeckt wäre und keine Enteignung stattfinden würde. Diese Ansicht teilte auch der BFH zunächst, siehe BStBl. 1952, 140 f.; StuW 1963 Nr. 103 = BStBl. 1963 III, S. 413 ff. = BFHE 77, 258 (261 f.); BStBl. 1963 III, S. 415 ff., ehe er dann die Formulierung des BVerfGE übernahm, wie z. B. in BVerfGE 83, 200 (205) = BStBl. 1965 III, S. 574 (576); BFHE 89, 422 (441); 92, 495 (505); ablehnend jedoch in NJW 1969, 388 (391). Dazu auch BVerwGE 6, 247 (266 ff.); 12, 140 (162). 1115 Schlaglichtartig lassen sie sich zu dem Passus von der „Offenen Flanke“ der Eigentumsordnung fassen; siehe hierzu H.-J. Papier, Steuern und Abgaben – Die offene Flanke des Rechtsstaats, KritV 1987, S. 140. 1116 Zu den verschiedenen Konzepten, die hier nur im Überblick vorgestellt werden können, ausführlicher O. Kimminich, in: BK, Art. 14, Rn. 50 ff., 55 ff.; M. Lehner, Einkommensteuerrecht und Sozialhilferecht, S. 374 ff.; M. Rodi, Die Rechtfertigung von Steuern als Verfassungsproblem, S. 88 ff.; K. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. I, S. 444 ff. (jew. m. zahlr. Hinw.). Einen hilfreichen Überblick liefert H. Butzer, Freiheitsrechtliche Grenzen der Steuer- und Sozialabgabenlast, S. 35 ff. Die Position von K. A. Schachtschneider, dessen Eigentumslehre sich ebenfalls mit der substantiellen Frage der Besteuerung vor dem Hintergrund der Eigentumsgewährleistung auseinandersetzt, hat diese Schrift wesentlich beeinflusst, so dass eine gesonderte Vorstellung an dieser Stelle nicht vonnöten ist; siehe dazu zunächst ders., Das Recht am und das Recht auf Eigentum, in: FS W. Leisner, S. 753 f.; ausführlich ders., Freiheit in der Republik, 10. Kap., insb. II.; ders., Umsatzbesteuerung der Mineralölsteuer, S. 46 ff.; aktuell ders., Steuerverfassungsrechtliche Probleme der Betriebsaufspaltung und der verdeckten Gewinnausschüttung, S. 57 ff. 1117 Die Gewährleistung eines bestimmten Marktpreises lehnt K. H. Friauf, Verfassungsrechtliche Anforderungen an die Gesetzgebung über die Steuern vom Einkommen und vom Ertrag, DStJG 12 (1989), S. 23, unter Hinweis auf BGH NJW 1983, S. 2, ab.

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Garantie des Wertes des Eigentums, deren Schutzbereich nicht auf den Gebrauchswert eines Vermögensgegenstandes beschränkt ist, sondern dessen Tauschwert ebenfalls dem Schutz des Art. 14 GG unterstellt1118. Diese „eigentumsrechtliche Brücke“1119 zwischen den einzelnen Vermögensgegenständen, den einzelnen Bestandteilen des privaten Vermögens – von denen jeder einzelne unstrittig unter dem Schutz des Art. 14 Abs. 1 GG steht – und der abstrakten Gesamtheit der Gegenstände, dem Vermögen eben, erweitert den vom Gericht und einigen Autoren eingeengten Geltungsbereich, die eine eigentumsrelevante Beeinträchtigung durch die Steuer ablehnen, da diese sich regelmäßig als gegenstandsungebundene Geldforderung präsentiere. Mit der Installation des Art. 14 Abs. 1 GG als Eigentumswertschutz, der die Funktion des Eigentums als Wertaufbewahrungsmittel akzeptiert, wird dieser Sicht eine klare Absage erteilt. Unter der Prämisse einer wertsichernden und -erhaltenden Funktion des Art. 14 Abs. 1 GG vermag die Besteuerung, die zwar keine konkreten Vermögensgegenstände erfasst, aber auf Werteinheiten zugreift und damit dem Pflichtigen ein den konkreten Bestand an werthaltigen Vermögensgegenständen schmälerndes Wertopfer1120 auferlegt, durchaus Grundrechtsrelevanz zu entfalten, die Eigentumsgewährleistung gegebenenfalls zu verletzen1121. Die Belastungsgrenze, bis zu der verfassungsrechtlichen Vorgaben gerade noch Genüge getan ist, orientiert sich in der Friauf’schen Konzeption an der grundlegenden Wertentscheidung der Verfassung für privates Eigentum und der systematisch damit implizierten Privatnützigkeit. Diese Privatnützigkeit ist nach Friaufs Verständnis nicht mehr gegeben und damit die zulässige Grenze fiskalischer Belastung überschritten, wenn die Steuer oder Abgabe eine „Nutzungsmöglichkeit im individuellen Interesse des Eigentümers ausschließt bzw. ihre

1118

Zur Diskussion um den Vermögensschutz bereits ausführlich 5. Teil, 1. Kap., III. K. H. Friauf, Verfassungsrechtliche Anforderungen an die Gesetzgebung über die Steuern vom Einkommen und vom Ertrag, DStJG 12 (1989), S. 22. 1120 K. H. Friauf, ebenda, führt völlig zutreffend an, dass die Steuer dem Pflichtigen wohl die Wahl überlässt, mit welchen konkreten Vermögensgegenständen er die Steuerschuld tilgen will, ihn aber dennoch zwingt, einen mehr oder minder großen Teil der als Eigentum geschützten Objekte aus seinem Bestand abzugeben, letztlich eben nicht nur das Abstraktum „Vermögen“, sondern auch den konkreten Bestand an werthaltigen Vermögensgegenständen vermindert. A. A. offensichtlich H.-J. Papier, Die Beeinträchtigungen der Eigentums- und Berufsfreiheit durch Steuern vom Einkommen und Vermögen, Der Staat 11 (1972), S. 488, der für die typische Steuerzahlung mittels Banküberweisung oder Lastschrift einwendet, dass in diesem Fall der Steuergläubiger kein bisher dem Steuerschuldner gehörendes Geld erhalte, mithin also der Steuerschuldner in seinem konkreten Bestand an werthaltigen Vermögensgegenständen eben nicht beeinträchtigt werde. Dagegen lässt sich argumentieren, dass die in Höhe der Überweisung oder Lastschrift erlöschende Forderung gegen das kontoführende Institut auf Auszahlung des Guthabens ebenfalls von Art. 14 Abs. 1 GG geschützt wird. 1121 K. H. Friauf, Verfassungsrechtliche Anforderungen an die Gesetzgebung über die Steuern vom Einkommen und vom Ertrag, DStJG 12 (1989), S. 23. 1119

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Erträge nachhaltig vollständig oder bis auf einen relativ bescheidenen Rest abschöpft“1122. Neben dem ohnehin als kritisch bewerteten Zugriff auf die Vermögenssubstanz werden sowohl die dogmatisch untermauerte Privatnützigkeit des Eigentums als auch die konkrete Nutzungsmöglichkeit des Eigentums und damit erzielte Erträge, wenn auch möglicherweise in anderer Qualität, in den Schutzbereich des Art. 14 GG gestellt. Friauf proklamiert also einen deutlich weiter reichenden Eigentumsschutz als dies das Bundesverfassungsgerichts zum damaligen Zeitpunkt getan hat, wenn er dem Fiskus versagt, Erträge „nachhaltig vollständig oder bis auf einen relativ bescheidenen Rest“1123 zu entziehen, und zu einem späteren Zeitpunkt sogar konstatiert, dass die eigentumsrechtlichen Schranken des Bundesverfassungsgerichts wie das Verbot der Erdrosselungsbesteuerung „zu weit zurückgenommen und zu einseitig auf Extremfälle bezogen“1124 sind. Eine genaue Festlegung der Belastungsgrenzen, insbesondere der Grenzen einer Belastung durch die gesamten Steuern, nimmt er nicht vor, betont aber gleichwohl die Notwendigkeit einer sukzessiven Quantifizierung1125 und sieht in einem Gefüge aus Eigentumsgarantie, grundsätzlicher Privatnützigkeit des Erworbenen und Sozialbindung des Eigentums deutliche Koordinaten einer konkretisierenden Beschränkung des Steuerzugriffs. Für die Steuer auf das Erworbene, namentlich die Einkommensteuer, steckt Friauf sogar einen Korridor des verfassungsrechtlich als kritisch zu beurteilenden Zugriffs ab, legt sich aber offensichtlich (noch) nicht fest, ab welcher Steuerlast der fiskalische Zugriff als verfassungswidrig zu beurteilen ist: „Für die Bemessung der Einkommensteuer beginnt die verfassungsrechtliche Problemzone spätestens dort, wo die 50%-Marke der Gesamtbelastung des erzielten Einkommens in Sicht kommt.“1126

Mit dieser Aussage, die immerhin einige Jahre vor der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Halbteilungsgrundsatz datiert1127, bringt Friauf 1122 So ders., Substanzeingriff durch Steuer-Kumulation und Eigentumsgarantie. Bemerkungen zum Beschluss des BVerfG vom 27.10.1975, StuW 1977, S. 63. 1123 Ders., ebenda. 1124 Ders., Verfassungsrechtliche Anforderungen an die Gesetzgebung über die Steuern vom Einkommen und vom Ertrag, DStJG 12 (1989), S. 25. 1125 Zur Quantifizierung der verfassungsrechtlichen Grenzen der Besteuerung vgl. näher 2. Kap., IV., 3. 1126 K. H. Friauf, Verfassungsrechtliche Anforderungen an die Gesetzgebung über die Steuern vom Einkommen und vom Ertrag, S. 8 f., unter Hinweis auf die damals von P. Kirchhof schon formulierte „verfassungsrechtlich zulässige Obergrenze der Gesamtbelastung des Einkommens ,in der Nähe einer hälftigen Teilung der individualnützigen Einnahmen zwischen privater und öffentlicher Hand‘“. 1127 Besagter Aufsatz von K. H. Friauf findet sich in DStJG 12 (1989), während die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Halbteilungssatz in 1995 ergangen ist.

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sehr pointiert das Substrat seiner dogmatischen Aufarbeitungen der Problematik zum Ausdruck. So akzentuiert er nicht nur die grundsätzliche, verfassungsrechtlich fundierte Beschränkung des Steuerzugriffs durch Art. 14 GG und die daraus notwendigerweise abzuleitende Quantifizierung der Verfassungsgrenzen, sondern signalisiert auch – mit deutlicher Nähe zur Kirchhof’schen Konzeption1128 – die mögliche Existenz einer verfassungsrechtlich gebotenen Höchstgrenze der (Einkommens-)Besteuerung, die sogar unterhalb von 50% anzusiedeln sein könnte. b) Schutz der „Eigentümerfreiheit“ gegen den Steuerzugriff durch Art. 14 GG – das Konzept von Hans-Jürgen Papier Auch Hans-Jürgen Papier beurteilt die weitgehende Exemtion des Steuerzugriffs aus dem Geltungsbereich des Art. 14 GG kritisch. Völlig zu Recht weist er darauf hin, dass bereits Art. 1 Abs. 3 GG alle hoheitliche Gewalt an das Grundgesetz bindet und keinerlei Hinweise auf eine mögliche Freistellung der Finanzgewalt von dieser Verfassungsverpflichtung liefert. Angesichts einer unstrittigen Bindung des Steuergesetzgebers an andere Grundrechte, so z. B. Art. 3 GG1129 oder auch Art. 6 GG1130, lässt sich kaum begründen, dass der fiskalische Gesetzgeber gänzlich aus dem Geltungsbereich des Art. 14 GG herausgelöst werden könne1131. Nach Ansicht von Papier sichert Art. 14 GG zunächst und vorrangig den Bestand des Eigentums in der Hand des Eigentümers1132; eine wertschützende Komponente ist dem Eigentumsgrundrecht erst im Falle einer, freilich zulässigen Enteignung zuzubilligen1133. Damit kann eine umfassende Vermögenswertgarantie, wie sie Friauf konzipiert hat, dogmatisch nicht hergeleitet werden. Nicht das Vermögen schlechthin im Sinne der gesamten wirtschaftlichen Potenz des Einzelnen1134, sondern das Vermögensrecht wird als Eigentum gegen Vermögensbelastungen durch den Steuerzugriff geschützt; denn: 1128

Dazu ausführlicher unten. Vgl. grundlegend BVerfGE 9, 3 (9 f.); 21, 1 (5); 23, 1 (1 ff.); 27, 58 (58 ff.). 1130 Vgl. vor allem BVerfGE 6, 55 (55 ff.); 18, 97 (97 ff.). 1131 I. d. S. auch W. Leisner, Verfassungsrechtliche Grenzen der Erbschaftsbesteuerung, 1970, S. 76 f.; bereits frühzeitig W. Weber, Die Finanzverfassung im Rahmen der Staatsverfassung, Aussprache, VVDStRL 14 (1958), S. 81 ff.; deutlich z. B. auch K. H. Friauf, Steuergesetzgebung und Eigentumsgarantie, JA 1970, H. 4, S. 310 ff.; allgemein ders., Öffentlicher Haushalt und Wirtschaft, VVDStRL 27, S. 4 ff. 1132 Siehe hierzu und zum folgenden H.-J. Papier, Die Beeinträchtigungen der Eigentums- und Berufsfreiheit durch Steuern vom Einkommen und Vermögen, Der Staat 11 (1972), S. 483 ff. 1133 I. d. S. übrigens auch BVerfGE 24, 367 (397, 400). 1134 So z. B. H.-J. Papier, Besteuerung und Eigentum, Aussprache, VVDStRL 39 (1981), S. 370 f. 1129

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„Nicht faktische, sich im gesetzesfreien Raum entwickelnde Vermögensvorteile oder wirtschaftliche Güter betrifft Art. 14 GG, sondern die durch Normensysteme konstituierten Rechtspositionen.“ (Hans-Jürgen Papier)1135

Die Auferlegung steuerlicher Lasten kann folglich nicht a priori die Verfassungswidrigkeit hoheitlich veranlasster Vermögensminderungen induzieren, führt aber zu mit dem Steuerzugriff gewollt oder ungewollt verbundenen Auswirkungen auf die Eigentumsgewährleistung des Art. 14 GG, die eine Innehabungs- wie auch eine Nutzungsgarantie umfasst1136. Werden also eigentumsgrundrechtliche Bestands- oder Nutzungsgarantie beschränkt, wird im Grundsatz auch das Eigentum in seiner Vermögenshaftigkeit verletzt, so dass die Eigentumsgewährleistung einen mittelbaren Vermögensschutz in sich birgt1137. Nachdem die Nutzungsgarantie ob der Sozialpflichtigkeit in der Eigentumsnutzung schwächer ausgeprägt ist1138, ist grundsätzlich zunächst der steuerliche Eingriff in den Eigentumsbestand, also in die Eigentumssubstanz, an Art. 14 GG zu messen. Dass steuerliche Belastungen des Eigentumsbestandes, die nicht aus einem tatsächlichen oder typischerweise zu erwartenden Ertrag bestritten werden können1139, in der Dogmatik Papiers eigentumsrechtlich besonders kritisch bewertet werden müssen, ist nur konsequent1140. Im Falle eines Zugriffs des Fiskus auf das Resultat der Eigentumsnutzung kommt eine grundrechtsverlet1135 H.-J. Papier, Die Beeinträchtigungen der Eigentums- und Berufsfreiheit durch Steuern vom Einkommen und Vermögen, Der Staat 11 (1972), S. 490. 1136 Immerhin steht es dem Eigentümer nach Art. 14 GG zu, sein Eigentum – auch gewinnbringend – zu nutzen, beispielsweise durch Veräußerung, Belastung, Vermietung oder Verpachtung. Siehe hierzu BVerfG, NJW 1971, S. 2163. 1137 Vgl. dazu die dogmatische Konzeption von H.-J. Papier, Besteuerung und Eigentum, DVBl. 1980, S. 789 f., 791 ff.; i. d. S. auch ders., in: Maunz/Dürig, GG, Art. 14, Rn. 160 ff. Einen ähnlichen Ansatz verfolgt auch J. Faehling, Die Eigentumsgewährleistung durch Art. 14 des Grundgesetzes als Schranke der Besteuerung, 1965, S. 49 ff., 94 ff. Parallelen zu Papiers Konzeption eines mittelbaren Vermögensschutzes, der letztlich dem fiskalischen Zugriff das Eigentumsrecht des Art. 14 GG entgegen zu setzen vermag, finden sich auch bei R. Wendt, Besteuerung und Eigentum, NJW 1980, S. 2113 f.; ders., Eigentum und Gesetzgebung, 1985, S. 36 ff.; ders., in: Sachs, GG, Art. 14, Rn. 38; ebenso bei W.-R. Schenke, Besteuerung und Eigentumsgarantie, in: F. Burkei (Hrsg.), Rechtsfragen im Spektrum des Öffentlichen, Mainzer Festschrift für Hubert Armbruster, 1976, S. 190 ff. Vgl. hierzu vor allem H. Butzer, Freiheitsrechtliche Grenzen der Steuer- und Sozialabgabenlast, S. 36, der unterschiedliche „Nuancierungen“ zwischen diesen Konzeptionen entdeckt. 1138 Vor dem Hintergrund des Art. 14 Abs. 2 S. GG interpretiert Papier die Sozialpflichtigkeit des Eigentums offensichtlich in erster Linie als Verfassungsgebot zum sozialen, dem Gemeinwohl verpflichteten Eigentumsgebrauch; vgl. zur Sozialpflichtigkeit des Eigentums weiterführend 5. Teil, 2. Kap. 1139 Man beachte die deutliche Nähe zum Konzept der Sollertragsbesteuerung, wie es auch das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung zum Halbteilungsgrundsatz, BVerfGE 93, 121 (138 f.) skizziert hat. 1140 Dazu weiterführend H.-J. Papier, Die Beeinträchtigungen der Eigentums- und Berufsfreiheit durch Steuern vom Einkommen und Vermögen, Der Staat 11 (1972), S. 498 ff., auch S. 508 ff.

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zende Besteuerung vor allem dann in Betracht, wenn dem Eigentümer die ertragsstiftende Nutzungsmöglichkeit, also die im Sinne der republikanischen Freiheit unabdingbare Privatheit des Eigentums1141, entzogen wird1142. Auch wenn die Privatnützigkeit des Eigentums nicht gänzlich ausgeschlossen wird, darf der Steuergesetzgeber im Licht der Eigentumsgewährleistung des Art. 14 GG nicht „die Rentabilität der Eigentumsnutzung auf ein derart unvertretbares Maß absenken . . ., dass der für den Bestand der unternehmerischen Wirtschaft notwendige Anreiz für private Initiativen und Energieentfaltung ausgeschaltet wird.“1143 Mit dieser, hier nur überblicksartig skizzierten Position führt Papier allemal Art. 14 GG als verfassungsrechtlichen Beurteilungsmaßstab für die staatliche Auferlegung von Geldleistungspflichten ein, siedelt aber die verfassungsrechtliche Grenze der Steuerbelastung zumindest in der Nähe eines Entzuges der Privatnützigkeit des Eigentums an. Mit dieser Aktivierung des Eigentumsschutzes gegenüber dem steuerstaatlichen Zugriff präsentiert er sich jedoch weniger als Verfechter einer dezidierten Steuerbegrenzung, möglicherweise gar im Sinne eines in Art. 14 GG zu verankernden Höchststeuersatzes von 50%, sondern eher als kritischer – im Übrigen einer maßvollen, sinnstiftenden und der Verfassungsidee entsprechenden Wahrung und Reform des Steuerrechts verpflichteter – Berichterstatter und Verfassungsdogmatiker1144. c) Schutz vor steuerlichen Lasten durch die Institutsgarantie des Art. 14 GG – Ausführungen von Wolfgang Rüfner und Peter Selmer Die nicht unumstrittene Institutsgarantie des Eigentums steht im Mittelpunkt einer weiteren Konzeption zur Errichtung grundgesetzlicher Barrieren gegen den grenzenlosen Steuer- und Abgabenzugriff des Staates1145. Um die Institu1141

Zum Grundsatz der Privatheit des Eigentums vgl. K. A. Schachtschneider, Das Recht am und das Recht auf Eigentum, S. 743 f. u. ö.; grundlegend auch ders., Res publica res populi, S. 370 ff. (m.w. N.); umfassend ders., Freiheit in der Republik, 8. Kap., III., 10. Kap.; vgl. ausführlich auch oben, 3. Teil, 2. Kap. sowie nachfolgend V., 3., auch 4. 1142 So im Ergebnis H.-J. Papier, Die Beeinträchtigungen der Eigentums- und Berufsfreiheit durch Steuern vom Einkommen und Vermögen, Der Staat 11 (1972), S. 501 ff.; auch ders., Besteuerung und Eigentum, DVBl. 1980, S. 791 ff.; ebenso ders., in: Maunz/Dürig, GG, Art. 14, Rn. 165 ff. Zum Überblick siehe vor allem H. Butzer, Freiheitsrechtliche Grenzen der Steuer- und Abgabenlast, S. 36 f. (m.w. N.). 1143 H.-J. Papier, Die Beeinträchtigungen der Eigentums- und Berufsfreiheit durch Steuern vom Einkommen und Vermögen, Der Staat 11 (1972), S. 514, detailliert S. 499 ff. 1144 Siehe ausführlich H.-J. Papier, Steuerreform als Verfassungsproblem, Stbg 1999, S. 49 ff. 1145 Siehe zum folgenden ausführlicher W. Rüfner, Die Eigentumsgarantie als Grenze der Besteuerung, DVBl. 1970, S. 882 f.; ders., Eigentumsgarantie und Be-

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tion Eigentum als wertentscheidende Grundsatznorm des Verfassungsgesetzes zu gewährleisten1146, müssen hinreichende Normensätze Erwerb, Nutzung und Transaktion vermögenswerter Eigentumsrechte ebenso sicherstellen wie das das Eigentum in seiner Institutionalität charakterisierende Privatnützigkeitsprinzip1147. Dem Charakter der Institutsgarantie entsprechend werden die gesetzlichen Regelungen als die institutionelle Eigentumsgewährleistung gefährdend, ja verletzend eingestuft, die das Eigentum als Institution in Frage stellen, es in seiner Funktionshaftigkeit aushöhlen oder die Institution Eigentum ad absurdum führen. Nachdem auch der Zugriff des Steuer- und Abgabengesetzgebers diese latente Gefahr birgt, kann diesem Ansatz zufolge zumindest das objektiv-rechtliche Prinzip der Privatnützigkeit als Kern der Institutsgarantie der Auferlegung öffentlich-rechtlicher Geldleistungspflichten entgegengehalten werden. Darüber hinausgehend will Rüfner1148 den Steuern und Abgaben gestaltenden Gesetzgeber auch auf die subjektiv-rechtliche Dimension der institutionellen Eigentumsgarantie verpflichten, mithin also die Belastung des Bürgers in seiner Eigentumsposition an Art. 14 GG messen1149. Ob eine dergestalte Fixierung grundrechtlicher, eigentumsgrundrechtlicher Schranken gegen die Aufbürdung fiskalischer Lasten an der Institutsgarantie des Art. 14 GG zu überzeugen vermag, sei an dieser Stelle dahingestellt. Als eigentumsrechtlich relevant präsentiert sich in dieser Konzeption zunächst der Steuerzugriff auf den Eigentumsbestand, der auf den ersten Blick bei entsprechender Höhe das Eigentum in seiner Institutshaftigkeit berührt und verletzt, indem er das Eigentum nicht nur seines Wertes, sondern bereits seiner grundsätzlichen Idee als Element der Privatheit beraubt. Erst die Einführung des steuerung, in: J. Listl/H. Schambeck (Hrsg.), Demokratie in Anfechtung und Bewährung, Festschrift für Johannes Broermann, 1982, S. 352 ff.; P. Selmer, Steuerinterventionismus und Verfassungsrecht, S. 313 ff. Ähnlichkeiten weisen auf W. Leisner, Verfassungsrechtliche Grenzen der Erbschaftsbesteuerung, 1970, S. 76 ff., 81, 84; P. Badura, Eigentum im Verfassungsrecht der Gegenwart, Gutachten für den 49. DJT, 1972, S. T5 (31, m. Anm. 118); auch H. Rittstieg, in: AK-GG, Art. 14/15, Rn. 248 ff. 1146 Vgl. näher zur Institutsgarantie des Art. 14 GG den 5. Teil, 1. Kap., II. 1147 Zur Privatnützigkeit als substantielles Charakteristikum des Eigentums grundlegend BVerfGE 24, 367 (390); 31, 229 (240); 37, 132 (140); 50, 290 (339); 52, 1 (30); 58, 300 (345); 70, 191 (200); 79, 174 (198); 79, 292 (303); 81, 208 (220); 87, 114 (138 f.); 91, 294 (308 f.); 93, 121 (137); 100, 226 (247); 100, 289 (303) u. ö.; zum Thema P. Badura, Eigentum, in: HVerfR, S. 330, 342; W. Leisner, Eigentum – Grundlage der Freiheit, S. 26, 44; ders., Eigentum, in: HStR, Bd. VI, § 149, Rn. 44, 74, 140; wesentlich kritischer noch ders., Sozialbindung des Eigentums, S. 171 ff.; K. A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 277 ff.; ders., Res publica res populi, S. 1004, 1023 ff.; ders., Das Recht am und das Recht auf Eigentum, in: FS W. Leisner, S. 754, 772; H.-J. Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 14, Rn. 366 ff. 1148 Eigentumsgarantie und Besteuerung, in: FS J. Broermann, S. 350, 356. 1149 So im Überblick z. B. H. Butzer, Freiheitsrechtliche Grenzen der Steuer- und Sozialabgabenlast, S. 37 (m.w. N.).

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Postulats der Privatnützigkeit des Eigentums, die die Eigentumsgarantie in logischer Konsequenz einfordern muss, um nicht das Institut Eigentum seiner Sinnhaftigkeit zu entleeren, ermöglicht eine verfassungsrechtliche Beurteilung des Steuerzugriffs auf die mittels des Eigentums erzielten Erträge. Allerdings vermag diese Dogmatik die Frage nach der verfassungsrechtlichen Grenze nicht zu beantworten, ab der staatlich auferlegte Geldleistungspflichten die Privatnützigkeit des Eigentums ausschließen und so zu einem Verstoß gegen das Eigentumsgrundrecht des Art. 14 GG führen1150. In jedem Fall ist einem solchen Ansatz, der den Schutz des Eigentums gegen den Fiskalzugriff dogmatisch an dem Privatnützigkeitsprinzip in seiner objektivrechtlichen Dimension als Nucleus der institutionellen Eigentumsgewährleistung ausrichtet, keine Begründungsleistung für eine grundgesetzlich gebotene Halbteilung des aus Eigentum Erwirtschafteten zwischen Bürger und Staat zu entnehmen. Nicht einmal ein Hinweis auf die etwaige Notwendigkeit einer wie auch immer gearteten Quantifizierung einer grundrechtlich vorgelegten Grenze steuerlicher Belastungen lässt sich ohne weiteres ableiten; denn die Frage, ab welcher Steuerlast das privatnützige Eigentum in seiner Institutshaftigkeit verletzt ist, lässt sich – abgesehen von Fällen konfiskatorischer oder erdrosselnder Besteuerung – wohl kaum zufriedenstellend beantworten. d) Schutz des Eigentümerhandelns vor dem Steuerzugriff durch die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG – die Dogmatik von Paul Kirchhof Wie kaum ein anderer hat Paul Kirchhof in der Vergangenheit Steuerverfassungslehre und Steuerverfassungsrechtsprechung geprägt, oft bemerkenswert in der „Kühnheit seiner Ideen und deren Außergewöhnlichkeit“1151. So verwundert es nicht, dass das Verhältnis von Steuer und Eigentum verfassungsdogmatisch wie auch rechtspraktisch über Jahrzehnte hinweg eine zentrale Position in der Vielzahl von ihm diskutierter Themata eingenommen hat. Seine dogmatische Konzeption eines verfassungsgegründeten Schutzes des privaten Eigentums vor dem steuerstaatlichen Zugriff, die er über viele Jahre fortentwickelt und ergänzt hat, findet sich in etlichen Facetten, zumindest aber in den maßgeblichen Argumentationslinien in der wegweisenden Entscheidung des Bundesverfassungsge-

1150 In letzter Konsequenz würde man bei dem Versuch einer dogmatischen Annäherung wohl wieder auf den Topos der konfiskatorischen Besteuerung, der Erdrosselungsbesteuerung zurückgeworfen werden; denn sobald eine Einkommensquelle erdrosselt, also vernichtet ist, ist das Eigentum nicht nur seiner Privatnützigkeit entledigt, sondern gänzlich obsolet, also in seinem Institutscharakter verletzt. Siehe dazu bereits 2. Kap., I, ergänzend auch 5. Teil, II., 2., 3. 1151 G. Felix, Steuerpraktische und steuertheoretische Aussagen von Bundesverfassungsrichter Paul Kirchhof, KÖSDI 1996, S. 10778.

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richts zum so genannten Halbteilungsgrundsatz1152 wieder1153. Nachdem mit dieser Entscheidung des Zweiten Senats, dem Paul Kirchhof zu diesem Zeitpunkt angehört hatte, die steuerverfassungsrechtliche Eigentumsrechtsprechung grundlegend verändert, ja revolutioniert wurde, und Kirchhof nicht ohne Grund als wesentlicher Wegbereiter, als „Vater des Halbteilungsgrundsatzes“1154 bezeichnet wurde, soll seine dogmatische Konzeption zur Abrundung der Bewertbarkeit dieser Verfassungsgerichtsentscheidung im Folgenden etwas ausführlicher dargelegt werden. Auch wenn Kirchhof die Steuerstaatlichkeit eingebunden in das Gesamtgefüge des Verfassungsrechts sieht, das in seiner Bedeutsamkeit für die Steuergesetze stetig wächst1155, billigt er der Eigentumsgarantie besondere Relevanz bei der Frage nach der Verortung des Verfassungsgesetzes im Fall der Auferlegung steuerstaatlicher Lasten für den Bürger zu. Er positioniert Art. 14 GG als die „magna charta des Steuerpflichtigen gegen ein Abgabenübermaß“1156, was die eigentumsrechtlichen Facetten zu dem Dreh- und Angelpunkt seiner Dogmatik macht. Seiner fortwährenden Entwicklung des Eigentumsgrundrechtes als steuerrechtsleitendes Prinzip legt er ein Eigentumsverständnis1157 zugrunde, demzufolge Art. 14 GG dem Bürger ein subjektives öffentliches Recht auf Beibehaltung eines zugeordneten Eigentums verleiht, das notwendigerweise eine rechtlich verbürgte Möglichkeit zum Besitz, zur Verwaltung, zur Verfügung und zur Nutzung dieses Eigentumsbestandes nach sich ziehen muss1158. Eigentum lässt sich in seiner Begrifflichkeit damit nicht auf einen Vermögensgegenstand oder auch ein Gesamtvermögen reduzieren, sondern erschließt angesichts Bestandsgarantie und „Eigentümerfreiheit“ – so die Diktion Kirchhofs – bei der Nutzung einen „durch das Vermögen vermittelten ökonomischen Handlungsspielraum des Eigentümers.“1159 Dieser Handlungsspielraum ist dogmatisch gekennzeich1152

BVerfG v. 22.6.1995 – 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121. Vgl. den Hinweis von E.-W. Böckenförde in seinem abweichenden Votum, BVerfGE 93, 121 (149, 154). I. d. S. z. B. auch J. Eschenbach, Steuerrecht und Eigentumsschutz – Grenzen verfassungsrechtlicher Kontrolle nach dem Beschluss des BVerfG vom 22. Juni 1995 zur Vermögensteuer, DStZ 12/1997, S. 413 (Fn. 4). 1154 G. Felix, Steuerpraktische und steuertheoretische Aussagen von Bundesverfassungsrichter Paul Kirchhof, KÖSDI 1996, S. 10778. 1155 So konstatiert P. Kirchhof, Steuergesetzgebung auf dem Prüfstand des BVerfG, Stbg 1993, S. 514, dass das Verfassungsrecht schon „zum alltäglichen Maßstab des Steuerrechts“ geworden ist. 1156 P. Kirchhof, Die Finanzierung des Leistungsstaats – Die verfassungsrechtlichen Grenzen staatlicher Abgabenhoheit, Jura 1983, S. 507. 1157 Ergänzend z. B. P. Kirchhof, Das Geldeigentum, in: FS W. Leisner, S. 635 ff. 1158 Siehe dazu, stv. f. viele etwa P. Kirchhof, Rechtsmaßstäbe finanzstaatlichen Handelns, JZ 1979, S. 155. 1159 So pointiert in seiner Darstellung der Konzeption Kirchhofs H. Butzer, Freiheitsrechtliche Grenzen der Steuer- und Sozialabgabenlast, S. 38. 1153

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net durch die grundsätzliche Privatnützigkeit des Eigentums, so dass in Kirchhofs Interpretation des Art. 14 GG die grundsätzliche Gewährleistung der Privatnützigkeit des Eigentümerhandelns fest verankert ist. Mit dem Steuerzugriff berührt der Staat das Eigentum des Bürgers nicht nur in seiner Bestandshaftigkeit, sondern auch als Ausdruck des individuellen Handlungsspielraumes; der grundsätzliche Eingriffscharakter kann angesichts dieser Dogmatik nicht zur Diskussion stehen: „Die Steuer greift in Privatvermögen ein, das durch Art. 14 Abs. 1 GG der Verfügungsgewalt und Nutzungsbefugnis des privaten Eigentümers unterworfen ist.“ (Paul Kirchhof )1160

Der Steuerstaat bestätigt mit der Finanzierung durch steuerliche Teilhabe am Erfolg des privaten Wirtschaftens die Eigentümerfreiheit in ihrer Grundsätzlichkeit, bedingt eine Staatsfinanzierung qua Steuern doch die grundsätzliche Existenz, ja Gewährleistung einer privatheitlichen Eigentumsordnung1161; die alternative Form der Staatsfinanzierung wäre schließlich staatliches Unternehmertum oder eben Staatswirtschaft1162. In diesem Kontext ist die Steuer als substantielles Element einer privatheitlichen Eigentumsordnung zu positionieren: „Der Steuerzugriff ist also Bedingung einer Garantie des privaten Eigentums, ebenso aber auch Grundrechtseingriff, der durch die Eigentumsgarantie in seiner Art und Intensität begrenzt wird.“ (Paul Kirchhof )1163

Zur Wahrung der Eigentumsgewährleistung des Art. 14 GG hat der Staat nun seine Nutzungsteilhabe so zu bemessen, dass die Privatnützigkeit des Eigentumsgebrauches in jedem Fall erhalten bleibt. Dass zumindest ein für den existentiellen Bedarf erforderliches Einkommen von dem Steuerzugriff verschont werden muss, idealiter aber auch erzielte Nutzungsergebnisse zur Finanzierung von privater Lebensführung und zur Erwerbssicherung von der Besteuerung freigestellt werden, ist nur folgerichtig1164. 1160 Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Vermögen- und Erbschaftsteuer, Stbg 1996, S. 2. 1161 Diese Dogmatik wird z. B. erläutert in P. Kirchhof, Staatliche Einnahmen, in: HStR, Bd. IV, § 88, Rn. 47 ff. (m.w. N.). 1162 Vgl. exemplarisch P. Kirchhof, Freiheit im ausgleichenden Finanzstaat, Verdienst und Bedarf in einer verteilenden, mechanisierten, geldwirtschaftlich gesteuerten Erwerbswirtschaft, in: Festgabe zum 10jährigen Bestehen der Gesellschaft für Rechtspolitik, 1984, S. 157 ff., insb. S. 170 ff. Kritisch zum Staat als Unternehmen z. B. K. A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, passim; ders., Eigentümer globaler Unternehmer, in: FS H. Steinmann, S. 418 ff. 1163 Der Auftrag des Grundgesetzes zur Erneuerung des Steuerrechts, Stbg 1998, S. 388. Ausführlicher zur Bedeutung der Steuerstaatlichkeit für die Eigentumsgarantie ders., ebenda, S 388 f.; bereits ders., Rechtsmaßstäbe finanzstaatlichen Handelns, JZ 1979, S. 154 f.; grundlegend vor allem ders., Staatliche Einnahmen, in: HStR, Bd. IV, § 88, Rn. 48.

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Die Intensität des Eigentums- oder Vermögensschutzes des Art. 14 GG gegenüber der Auferlegung staatlicher Geldleistungspflichten variiert hierbei in Abhängigkeit von der fiskalischen Zugriffsphase. Der Steuerstaat greift mit den Realsteuern, in der Vergangenheit auch mit der Vermögensteuer, auf den Vermögensbestand, mit der Besteuerung von Einkommen und Ertrag auf den privaten Vermögenserwerb und mit der Besteuerung von Umsatz, Verkehrs- und Verbrauchsvorgängen auf die private Vermögensverwendung zu1165. Während das Bestandsvermögen – ohne dessen Sozialpflichtigkeit (Art. 14 Abs. 2 S. 1 GG) grundsätzlich in Abrede zu stellen – ein durchgehend hohes Schutzniveau erfährt, ist in der Kirchhof’schen Dogmatik der Vermögensgebrauch gemäß Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG einer erhöhten Sozialpflichtigkeit unterworfen1166, was letztlich auf eine im Vergleich zur Substanzbesteuerung erleichterte Zugriffsmöglichkeit für den Fiskus hindeutet. Vor diesem Hintergrund ist als Besteuerungsgegenstand vorrangig das neuerworbene Eigentum, also das Einkommen, und der Eigentumsgebrauch, mithin die Vermögensverwendung, weniger der Eigentumsbestand zu verorten1167. Parallel zum Argument der Sozialpflichtigkeit des privaten Eigentums sei Kirchhofs Beweisführung auf Basis des grundrechtlich zu gewährenden, privatnützigen Handlungsfreiraumes bemüht. Vornehmlich dann, wenn der Bürger seine Arbeitskraft oder sein Kapital zur Erzielung von Einkommen einsetzt oder unter Nutzung seiner Kaufkraft Güter und Dienstleistungen erwirbt, letztlich also immer dann, wenn er Güter auf dem Markt austauscht und dabei das freiwillig aus der Zuordnung zum bisher Berechtigten gelöste Eigentum zur Disposition des Marktes stellt1168, handelt er bestmöglich privatheitlich und verwirklicht so seine individuelle Freiheit. Zugleich offeriert ihm die Marktteilnahme mit all ihren Chancen größtmögliche Handlungs- und Entscheidungsspielräume, so dass in dieser Konstellation die Besteuerung am wenigstens stark in das Eigentum des Steuerbürgers im Sinne seiner Handlungsmöglichkeiten eingreift; schließlich entfaltet die steuerbedingte Verteuerung eines Preises oder die Minderung eines Vermögenszuwachses eine geringere Belastung als 1164 So z. B. P. Kirchhof, Steuergesetzgebung auf dem Prüfstand des BVerfG, Stbg 1993, S. 509; zur verfassungsrechtlich gebotenen Freistellung der existenzsichernden und der erwerbsnötigen Aufwendungen ausführlicher 2. Kap., I., 2., III., auch 4. Teil, 3. Kap. 1165 Vgl. etwa P. Kirchhof, Staatliche Einnahmen, in: HStR, Bd. IV, § 88, Rn. 70 ff. m.w. N. Zu diesen Anknüpfungspunkten der Besteuerung als Ausfluss des Leistungsfähigkeitsprinzips z. B. J. Lang, in: Tipke/Lang, § 4, Rn. 92 ff.; vgl. bereits 2. Teil, 3. Kap. 1166 So stv. für etliche Schriften P. Kirchhof, Der verfassungsrechtliche Auftrag zur Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit, StuW 4/1985, S. 323. 1167 Vgl. z. B. aktuell P. Kirchhof, Der sanfte Verlust der Freiheit, S. 63 ff. 1168 Vgl. P. Kirchhof, Die Steuerrechtsordnung als Wertordnung, StuW 1996, S. 5, unter Hinweis auf die dogmatische Steuerrechtfertigung von Klaus Tipke.

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der Steuerzugriff auf ruhendes Vermögen, mit dem der Steuerpflichtige die Marktteilnahme nicht sucht. „Das freiwillig aus der individuellen Zuordnung gelöste Vermögen ist einer Besteuerung eher zugänglich als ein Vermögensbestand in seiner fortdauernden Zugehörigkeit zu einem Privateigentum.“ (Paul Kirchhof )1169

Erhebt der Fiskus eine Steuer auf das ruhende Vermögen, das zwar auch der Sozialpflichtigkeit der brüderlichen Republik unterworfen ist, trotzdem aber ein erhöhtes Schutzniveau im Vergleich zu dem im Gebrauch befindlichen Vermögen genießt, ist die Steuer so zu konzipieren, dass zumindest das Vermögen in seiner Substanz durch den Steuerzugriff nicht geschmälert wird. Insbesondere im Zusammenwirken mit anderen Steuerbelastungen müssen Steuern, deren Steuerobjekt eine wie auch immer geartete Vermögenssubstanz ist, so bemessen sein, dass sie aus üblicherweise zu erwartenden Erträgen, sogenannten Sollerträgen, eines – möglicherweise nur unterstellten – Gebrauchs des Vermögens beglichen werden können1170. Ansonsten berührt die Steuer den Vermögensstamm und führt im Ergebnis zu einer schrittweisen Konfiskation, die in letzter Konsequenz nicht nur das Eigentum des pflichtigen Bürgers übermäßig belastet, sondern auch den fiskalischen Interessen an der Erhaltung der Steuerquelle zuwiderläuft. Nicht zuletzt aus Praktikabilitätsgründen belastet die Sollertragsteuer nach Maßgabe typischerweise möglicher Erträge, besteuert also typisierend, so dass nicht zwingend stets realisierte Erträge zur Besteuerung herangezogen werden. Systematisch jedoch verschont diese Form der Substanzsteuer den Vermögensstamm und knüpft an Sollerträgen, letztlich also an Früchten eines (fiktiven) Eigentumsgebrauchs an. Eine so interpretierte Substanzbesteuerung kann sich in Kirchhofs Systematik, die den verfassungsrechtlichen Schutz eines privatnützigen Eigentümerhandelns in den Vordergrund stellt, nahtlos einfügen1171. Vor diesem Hintergrund unterschiedlicher Belastbarkeiten, wie sie Kirchhof skizziert hat, erschließen sich auch die teilweise höchst unterschiedlichen Steuersätze bei der Besteuerung von Eigentumsbestand, Eigentumsgebrauch und Eigentumsverwendung1172. 1169 P. Kirchhof, Der Auftrag des Grundgesetzes zur Erneuerung des Steuerrechts, Stbg 9/1998, S. 387. 1170 Das Verbot einer Besteuerung der Vermögenssubstanz über den Sollertrag hinaus stellt das Bundesverfassungsgericht in den Mittelpunkt seiner Judikatur zum so genannten Halbteilungsgrundsatz und zeigt so in seiner Gesamtkonzeption große Nähe zur Dogmatik Paul Kirchhofs. Dazu nochmals im Folgenden. 1171 Hierzu, erst nach Ergehen des Vermögensteuerbeschlusses des Verfassungsgerichts, P. Kirchhof, Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Vermögenund Erbschaftsteuer, Stbg 1996, S. 3 ff. 1172 Siehe dazu P. Kirchhof, Steuergerechtigkeit und sozialstaatliche Geldleistungen, JZ 1982, S. 308, der zum damaligen Zeitpunkt noch einen Einkommensteuersatzes von 56 Prozent, einen Vermögensteuersatz von 0,5 respektive 0,7 Prozent und einen Umsatzsteuersatz von 13 Prozent als grundsätzlich zulässig erachtet.

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Wie oben, wenn auch nur fragmentarisch, skizziert, entfaltet sich die steuerverfassungsrechtliche Dogmatik von Paul Kirchhof, in der Grundrechte und Finanzverfassung für das Steuerrecht einen verlässlichen verfassungsrechtlichen Rahmen definieren, der nicht nur die Besteuerung vorrangig auf das Ziel der Staatsfinanzierung verpflichtet und auf Basis des Gleichheitssatzes eine gleichheitliche, somit gerechte Lastenverteilung als Ausdruck der Steuergerechtigkeit skizziert, sondern vornehmlich mittels der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG einen übermäßigen Steuerzugriff begrenzt1173. Nach Kirchhofs Verständnis wehrt das Verfassungsrecht nicht die Steuer per se ab, sondern mäßigt und formt den staatlichen Steuerzugriff. Insoweit im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung legt er dar, dass die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG nicht grundsätzlich vor der Auferlegung von Geldleistungspflichten schützt, wohl aber eine Besteuerung verbietet, die „den Steuerpflichtigen übermäßig belasten und seine Vermögensverhältnisse grundlegend beeinträchtigen würde.“1174 Insbesondere hat der pflichtige Steuerbürger qua Eigentumsgarantie des Art. 14 GG einen Anspruch darauf, dass der Fiskus nicht nur die (faktische) Verfügungsbefugnis über geschaffene vermögenswerte Rechtspositionen, sondern auch die grundlegende Privatnützigkeit des Erworbenen achtet1175. Kirchhof beschränkt sich nicht auf eine, ohnehin deutlich über das Verbot der Erdrosselungsbesteuerung hinausgehende, grundsätzliche Aktivierung der grundgesetzlichen Eigentumsgarantie gegenüber dem steuerstaatlichen Zugriff, sondern akzeptiert auch die Erforderlichkeit einer Maßgröße eigentumsgrundrechtlicher Besteuerungsgrenzen, die er sukzessive entwickelt. Nicht zuletzt mit Blick auf die Dualität des pflichtigen Eigentumsgebrauches, der sowohl dem Gemeinwohl als auch dem Interesse des einzelnen Bürgers dienen kann und muss1176, werden der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG auch Anhaltspunkte auf dem Weg zur Quantifizierung verfassungsrechtlicher Besteuerungsgrenzen entnommen. Die Tatsache, dass einerseits der Vermögensertrag zur steuerlichen Gemeinlast heranzuziehen, andererseits der private Ertragsnutzen zu gewährleisten ist, deutet bereits einen grundlegenden Maßstab der Lastenteilung an:

1173 So P. Kirchhof, Der Auftrag des Grundgesetzes zu Erneuerung des Steuerrechts, Stbg 9/1998, S. 386, ausführlicher S. 389 f.; substantiell ders., Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), S. 213 ff.; auch ders., Empfiehlt es sich, das Einkommensteuerrecht zur Beseitigung von Ungleichbehandlungen und zur Vereinfachung neu zu ordnen?, Gutachten für den 57. DJT, S. F9 ff.; ergänzend z. B. auch ders., Grundlinien des Steuerverfassungsrecht in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, StbJb 1994/95, S. 5 ff. 1174 Exemplarisch für zahlreiche Fundstellen in seinem Werk P. Kirchhof, Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Vermögen- und Erbschaftsteuer, Stbg 1996, S. 3 unter Hinweis auf BVerfGE 63, 210 (208). 1175 I. d. S. z. B. P. Kirchhof, Der verfassungsrechtliche Auftrag zur Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit, S. 321 f. 1176 Dazu grundlegend und weiterführend 5. Teil, 1. Kap., 2 Kap.

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„Eine Besteuerung der Erträge aus einem Eigentumsgebrauch muss die Gleichwertigkeit von Privatnützigkeit und steuerliche Teilhabe bestätigen.“ (Paul Kirchhof )1177

Barg diese Aussage noch ausreichend Interpretationsspielraum, lehnte er nur kurze Zeit später unter Aktivierung des verfassungsmäßigen Übermaßverbots1178 eine Steuerschuld von 80% des jährlichen Arbeitseinkommens als klar verfassungswidrig ab und formulierte im Folgenden zu den Verfassungsgrenzen der Besteuerung noch prägnanter, ja fast unmissverständlich: „Die verfassungsrechtlich zulässige Steuerintensität steigt mit wachsendem Einkommen bis in die Nähe einer hälftigen Teilung zwischen dem Einkommensbezieher und dem Inhaber der Besteuerungsgewalt.“ (Paul Kirchhof )1179

Diese Aktivierung der Gleichwertigkeit von Allgemein- und Privatnützigkeit des Eigentumsgebrauchs zur Konzeption einer verfassungsrechtlich gebotenen Grenze der Besteuerung, auch unter Einschaltung der Vorschrift des Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG, setzte sich konsequent fort. Unter Rückgriff auf die bekannten Argumentationsfiguren wurden die aus der Verfassung, auch aus dem Eigentumsgrundrecht des Art. 14 GG abzuleitenden Besteuerungsgrenzen immer genauer skizziert: „Die verfassungsrechtlich zulässige Obergrenze einer Gesamtbelastung des Einkommens liegt in der Nähe einer hälftigen Teilung der individualnützlichen Einnahmen zwischen privater und öffentlicher Hand.“ (Paul Kirchhof )1180

Neben der hier wohl unstrittig eingeforderten Limitierung des Steuerzugriffs zumindest in der Nähe einer hälftigen Teilung kristallisiert sich die relevante Bezugsgröße deutlich heraus, die nach Kirchhofs Verständnis dem Verfassungsgebot der Steuerbegrenzung unterliegt. So proklamiert er eine verfassungsrechtliche Würdigung der steuerlichen Gesamtlast im Sinne der Gesamtbelastung des Einkommens, die seines Erachtens neben der Einkommensteuer insbesondere die Gewerbesteuer, die Vermögensteuer und die Grundsteuer umfasst1181. Vor dem Hintergrund der Kirchhof’schen Dogmatik erscheint diese Wertung nur 1177

Steuergerechtigkeit und sozialstaatliche Geldleistungen, JZ 1982, S. 309. Zum Übermaßverbot, das P. Kirchhof konsequent gegen den übermäßigen Zugriff des Fiskus in Stellung bringt, grundsätzlich etwa ders., Gleichmaß und Übermaß, in: P. Badura et al. (Hrsg.), Wege und Verfahren des Verfassungslebens, Festschrift für Peter Lerche zum 65. Geburtstag, 1993, S. 133 ff. Dazu oben I., 2., auch 3. Kap., V., 5. 1179 Die Finanzierung des Leistungsstaats – Die verfassungsrechtlichen Grenzen staatlicher Abgabenhoheit, Jura 1983, S. 510. 1180 Die Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit – ein verfassungsrechtliches Problem im Steueralltag, StbKRep. 1988, S. 46. 1181 So P. Kirchhof, Die Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit – ein verfassungsrechtliches Problem im Steueralltag, StbKRep. 1988, S. 46, deutlich vor der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Vermögensteuer im Jahre 1995. Kurze Zeit nach diesem Urteil des Bundesverfassungsgerichts bestätigte P. Kirchhof, Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Vermögen- und Erbschaftsteuer, Stbg 1996, S. 6, diese Position. 1178

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konsequent, belastet doch neben der Einkommensteuer die Gewerbeertragsteuer regelmäßig erwirtschaftetes Einkommen, also den Vermögenszugang. Die Vermögensteuer, die Gewerbekapitalsteuer1182 und die Grundsteuer besteuern systematisch das ruhende Vermögen, also den Eigentumsbestand, der nach obiger Konzeption ein noch höheres Schutzniveau genießt als der Eigentumsgebrauch. Unterwirft man bereits die Ergebnisse des Eigentumsgebrauchs in ihrer Privatnützigkeit einer verfassungsseitigen Besteuerungsgrenze muss folgerichtig der Eigentumsbestand erst recht von dieser Steuerlimitierung erfasst werden; somit referenziert Kirchhof das Gebot der annähernd hälftigen Teilung auf die Gesamtsteuerlast des pflichtigen Bürgers. Komplettiert wird Paul Kirchhofs immer wieder mahnend referiertes Gedankengebäude mit der gleichsam abschließenden Einführung des Terminus „zugleich“ in die Diskussion, mit dessen Hilfe er unmittelbar aus dem Verfassungstext des Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG die Gleichheitlichkeit von privater und allgemeiner Nützlichkeit des Eigentumsgebrauches ableitet1183. Das über die Jahre entwickelte und gereifte Konzept einer eigentumsgrundrechtlichen Steuerbegrenzung mit einer Belastungsobergrenze scheint seine Vollendung erreicht zu haben. Fast wie eine zusammenfassende Präsentation im Vorfeld des Vermögensteuerbeschlusses muten die folgenden Ausführungen an: „Wenn aber die Steuer das privatnützige Eigentum bestätigt, weil sie das Bewirtschaften ertragsfähiger Wirtschaftsgüter in privater Hand belässt, muss auch die Ausgestaltung der konkreten Steuer dieser Privatnützigkeit dienen und sie bewahren. Dazu gibt Art. 14 Abs. 2 GG eine Leitlinie, wonach Eigentum verpflichtet, sein Gebrauch aber zugleich dem Wohl der Allgemeinheit dienen soll. Dieses ,zugleich‘ ist kein Zeitbegriff, sondern ein Wertungsbegriff, der die Gleichwertigkeit von Gemeinwohldienlichkeit und Privatnützigkeit konstituiert. Nach dieser Maxime ergibt sich zwanglos die Obergrenze einer Belastung dieses Privatvermögens in der Nähe einer hälftigen Teilung. An dieser Vorgabe sind die Ausgestaltung der Bemessungsgrundlage, insbesondere auch die Abzugstatbestände und der Steuersatz auszurichten. Beobachtungsgegenstand ist nicht die Einzelsteuer, sondern die Gesamtsteuerbelastung.“ (Paul Kirchhof )1184

Noch kurz vor Fällung des Vermögensteuerbeschlusses des Bundesverfassungsgerichts am 25. Juni 1995 wurde diese Abfassung von Kirchhof nochmals im Wortlaut wiederholt1185. Vor allem die Darlegung vor dem Forum des 17. 1182 Zum damaligen Zeitpunkt galt noch die Gewerbekapitalsteuer, die zum 1.1.1998 abgeschafft wurde. Siehe Art. 4 des Gesetzes zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform, BGBl. I 1997, 2590. 1183 Der Begründungsgehalt des „zugleich“, das sich im Verfassungstext des Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG findet, wird unter V., 1. ausführlicher diskutiert. 1184 Grundlinien des Steuerverfassungsrechts in der Rechtsprechung des BVerfG, StbJb 1994/95, S. 8. 1185 P. Kirchhof, Der Einfluss des Verfassungsrechts auf die Entwicklung des Steuerrechts, Stbg 1995, S. 71.

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Deutschen Steuerberatertages in Dresden am 28. November 1994 aber scheint „Zeugnis von einer unverrückbaren richterlichen und wissenschaftlichen Überzeugung“1186 abzulegen. Führt man sich dieses Argumentationsgebäude einer verfassungsrechtlich insbesondere durch das Eigentumsgrundrecht des Art. 14 GG gebotenen Begrenzung der Besteuerung in der Nähe einer hälftigen Teilung zwischen Bürger und Staat nochmals vor Augen, sollte deutlich werden, in welchem Umfang Paul Kirchhof die steuerverfassungsrechtliche Eigentumsdogmatik geprägt hat und vor allem das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Halbteilungsgrundsatz in substantiellen Zügen seine Handschrift trägt. III. Halbteilungsgrundsatz des Bundesverfassungsgerichts als Wendepunkt im Verhältnis von Eigentum und Steuern 1. Grundsätzliche Aktivierung der Eigentumsgewährleistung bei einer Auferlegung staatlicher Geldleistungspflichten Nicht nur die Verfassungsrechtslehre, sondern auch die Verfassungsrechtsprechung hat das Verhältnis von Eigentumsgrundrecht und Steuerzugriff, das grundrissartig das vorherrschende Verständnis der Beziehung von Bürger und Staat wiedergibt, Schritt für Schritt weiterentwickelt. Eine erste, grundlegende Verschiebung erfährt die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Verhältnis von Steuer und Eigentum mit dem Beschluss des Zweiten Senats vom 25.9.19921187 zum einkommenssteuerlichen Grundfreibetrag. „Das vorliegende Verfahren gibt keinen Anlass zu entscheiden, aufgrund welcher Maßstäbe und wie im einzelnen die – je nach Steuerart und Steuergegenstand möglicherweise unterschiedlichen – verfassungsrechtlichen Grenzen der staatlichen Besteuerungsgewalt zu bestimmen sind. Steuergesetze sind in ihrer freiheitsbeschränkenden Wirkung jedenfalls an Art. 2 Abs. 1 GG zu messen. Dabei ist indes zu berücksichtigen, dass Steuergesetze in die allgemeine Handlungsfreiheit gerade in deren Ausprägung als persönliche Entfaltung im vermögensrechtlichen und im beruflichen Bereich (Art. 14 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 GG) eingreifen. Dies bedeutet, dass ein Steuergesetz keine ,erdrosselnde‘ Wirkung haben darf. Das geschützte Freiheitsrecht darf nur so weit beschränkt werden, dass dem Grundrechtsträger (Steuerpflichtigen) ein Kernbestand des Erfolges eigener Betätigung im wirtschaftlichen Bereich in Gestalt der grundsätzlichen Privatnützigkeit des Erworbenen und der grundsätzlichen Verfügungsbefugnis über die geschaffenen vermögenswerten Rechtspositionen erhalten bleibt.“

Expressis verbis weist das Gericht nicht nur auf die Existenz verfassungsrechtlicher Grenzen der staatlichen Besteuerungsgewalt1188 hin, sondern stellt in 1186 So das Fazit von G. Felix, Steuerpraktische und steuertheoretische Aussagen von Bundesverfassungsrichter Paul Kirchhof, KÖSDI 996, S. 10786, in seinen umfangreichen Ausführungen. 1187 BVerfGE 87, 153 (169).

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einem Atemzug klar, dass Steuergesetze grundsätzlich am Grundgesetz zu messen sind, die Verfassung ergo den Zugriff des Fiskus generell zu begrenzen vermag1189. Das Gericht legt zwar deutlich dar, dass es über die Maßstäbe der verfassungsrechtlichen Beschränkungen für den fiskalischen Zugriff an dieser Stelle nicht im Detail zu entscheiden gedenkt, billigt dem steuerpflichtigen Bürger mit dem „Kernbestand“ seiner wirtschaftlichen Betätigung aber zu, dass er nach Erfüllung seiner Einkommensteuerschuld immer noch über das wirtschaftliche Existenzminimum oder ein vergleichbares Einkommen verfügen können muss. Wenn auch noch unter Bezugnahme auf das Verbot der erdrosselnden Besteuerung – ein Steuerzugriff auf das Existenzminimum würde zweifelsohne den Tatbestand der Erdrosselung erfüllen1190 – wird Art. 14 GG im Belastungsfall für jeden Steuerpflichtigen „aktiviert“1191. Erstmalig wird ein quantifizierter minimaler Eigentumsschutz, wenn auch nur für „arme“1192 Steuerpflichtige, judiziert. Steuerpflichtigen Bürgern mit höheren Einkommen wird indes keine weiter gehende Begrenzung ihrer Steuerlast in Aussicht gestellt. Gestützt auf das 1188 Dieser Terminus des Zweiten Senates zeigt die große Nähe zu der liberalistischen Lehre, die, aufbauend auf den Antipoden Bürger und Staat, staatliche, mithin also gesetzliche Beeinträchtigungen des Bürgers, auch seines Eigentum, als Ausdruck staatlicher Gewalt interpretiert; Gewalt aber ist a priori freiheitswidrige Herrschaft. Zur Herrschaftsproblematik in der Lehre der Republik ausführlicher K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 71 ff. u. ö.; umfassend auch ders., Freiheit in der Republik, 3. Kap. 1189 Die möglichen Grenzlinien können überdies, so die Judikatur des obersten Gerichts, in Abhängigkeit von Steuerart und Steuergegenstand variieren, so dass offensichtlich eine Beurteilung, gegebenenfalls auch Begrenzung des fiskalischen Zugriffs nicht auf eine einzelne Steuerart oder ausgewählte Steuerobjekte beschränkt werden kann, sondern bei der Diskussion möglicher Grenzen der Besteuerung umfassender auf die steuerliche Gesamtsituation des Bürgers abzustellen ist. Dazu ausführlicher 3. Kap., I. 1190 Eine erdrosselnde Besteuerung ist nicht zwingend identisch mit dem Steuerzugriff auf das Existenzminimum; allerdings würde eine Besteuerung, die sogar das grundrechtlich gesicherte Minimum der menschlichen Existenz erfasst, den Steuerbürger zweifelsohne ,erdrosseln‘. An dieser Stelle soll lediglich die grundsätzliche Bereitschaft des Bundesverfassungsgerichts dokumentiert werden, steuerliche Lasten mit einem näher bestimmbaren Maßstab an der Eigentumsgewährleistung des Art. 14 GG zu messen. 1191 J. Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 4, Rn. 213. Zur Bedeutung dieser Entscheidung für die Effektivierung der Grundrechte im Steuerrecht, wenigstens im Ertragsteuerrecht, beispielhaft H.-W. Arndt/W. Schumacher, Unterhaltslast und Einkommensteuerrecht, Widersprüchliche Rechtsprechung der Senate des BVerfG?, NJW 1994, S. 962 f.: „Als unterstützenden Ausgangspunkt für seine Argumentation mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip verwendete das BVerfG erstmals den in Art. 1 I GG niedergelegten Schutz der Menschenwürde. Dieser gebiete in Verbindung mit dem Sozialstaatsgebot des Art. 20 I GG, dass dem Steuerpflichtigen von seinem erworbenen Einkommen mindestens soviel nach Abzug von Steuern belassen werden muss, als für seine existentiellen Bedürfnisse erforderlich ist.“ 1192 So der Hinweis von H.-W. Arndt/W. Schumacher, Die verfassungsrechtlich zulässige Höhe der Steuerlast – Fingerzeig des BVerfG an den Gesetzgeber?, NJW 1995, S. 2604.

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Leistungsfähigkeitsprinzip, insbesondere in Gestalt vertikaler Steuergerechtigkeit, werden leistungsfähigeren Steuerbürgern nach dem Steuerzugriff lediglich „angemessene Teile“ des Einkommens oberhalb des Existenzminimums zugestanden1193. Allerdings – und darin dürfte die große Bedeutung dieser Entscheidung zu sehen sein – verlässt das Gericht die Ausnahmehaftigkeit, die im Falle der unzulässigen Erdrosselungssteuer bis zu diesem Zeitpunkt vorherrschte1194, zugunsten einer grundsätzlich gebotenen Überprüfung von auferlegten Geldleistungspflichten an den Maßstäben des Art. 14 GG1195, was für das Verhältnis von Eigentum und Steuerzugriff im Lichte des Verfassungsrechts eine substantielle Verschiebung und Erweiterung der verfassungsgerichtlichen Betrachtungsperspektive zur Folge hat. 2. Neue Eigentumsgewährleistung gegen den Steuerzugriff im Vermögensteuerbeschluss vom 22. Juni 1995 Auch wenn das Eigentumsgrundrecht schon vor dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zur Vermögensteuer1196 aus seiner Bedeutungslosigkeit für den fiskalischen Zugriff herausgehoben wird1197, leitet diese Entscheidung des obersten Gerichts zusammen mit dem kurze Zeit später ergangenen Erbschaftsteuerbeschluss1198 eine neue Phase höchstrichterlicher Rechtsprechung zur Rolle des Verfassungsgesetzes, insbesondere des Art. 14 GG, im Verhältnis von Eigentum und Besteuerung ein1199. So stellt das Gericht nicht nur auf grundsätzlicher Ebene die Eingriffshaftigkeit der Steuer fest, sondern legt ausführlich dar, dass 1193

Vgl. hierzu BVerfGE 87, 153 (170). Siehe BVerfGE 14, 221 (241); sodann st. Rspr., etwa BVerfGE 23, 288 (315); auch noch BVerfGE 82, 159 (190). 1195 Vgl. etwa H. Butzer, Freiheitsrechtliche Grenzen der Steuer- und Sozialabgabenlast, S. 49 f., der eine endgültige „Effektuierung“ des Art. 14 GG zwar auch erst in dem Vermögensteuerbeschluss des Verfassungsgerichts entdecken will, allerdings deutlich auf die Grundsatzrelevanz der Entscheidung zum Existenzminimum in dieser Frage hinweist. 1196 BVerfGE 93, 121 ff. 1197 Siehe oben. 1198 BVerfGE 93, 165 ff. 1199 Die Literatur, die diesen grundsätzlichen Wandel in der Rechtsprechung des obersten Gerichts thematisiert, ist überaus umfangreich. Beispielhaft sei auf W. Leisner, Steuer- und Eigentumswende – die Einheitswert-Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts, NJW 1995, S. 2591 ff., hingewiesen, der diese Rechtsprechung des obersten Gerichts als besagte „Steuer- und Eigentumswende“ tituliert; K. Vogel sieht erstmals eine „wirksame Grenze“ gegen die „Unersättlichkeit des Leviathan“ (Anmerkung zu BVerfG, Beschlüsse v. 22.06.1995 – 2 BvL 37/91 und 2 BvR 552/91, JZ 1996, S. 33 ff.; JZ 1996, S. 44) und begrüßt diese Entscheidungen aus Karlsruhe als „Lichtblicke in dieser düsteren Landschaft [der Steuergesetzgebung; Erg. d. Verf.], weil sie auf Rechtsprinzipien dort beharren, wo sonst zu häufig nur noch politische 1194

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die Eigentumsgewährleistung des Art. 14 GG hoheitlichen Steuer- und Abgabenbelastungen Grenzen zu setzen vermag, spricht explizit von den „verfassungsrechtlichen Schranken der Besteuerung“1200. Unmittelbar für die Vermögensteuer, deren verfassungsrechtliche Überprüfung den eigentlichen Anlass zu dieser Entscheidung gegeben hatte, konstatiert das Verfassungsgericht, freilich unter ausdrücklichem Einschluss der Einkommensteuer1201: „Die Vermögensteuer ist als wiederkehrende Steuer auf das ruhende – in der Regel aus bereits versteuertem Einkommen gebildete – Vermögen ausgestaltet. Sie greift in die in der Verfügungsgewalt und Nutzungsbefugnis über ein Vermögen angelegte allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) gerade in deren Ausprägung als persönliche Entfaltung im vermögensrechtlichen Bereich ein (Art. 14 GG)1202. Das bedeutet, dass das geschützte Freiheitsrecht nur so weit beschränkt werden darf, dass dem Steuerpflichtigen ein Kernbestand des Erfolges eigener Betätigung im wirtschaftlichen Bereich als Ausdruck der grundsätzlichen Privatnützigkeit des Erworbenen und der grundsätzlichen Verfügungsbefugnis über die geschaffenen vermögenswerten Rechtspositionen erhalten wird. Die Zuordnung der vermögenswerten Rechtsposition zum Eigentümer und die Substanz des Eigentums müssen gewahrt bleiben.“

Offensichtlich bekräftigt das Gericht mit diesen Ausführungen den grundsätzlich eingriffsartigen Charakter einer Steuer – nicht nur der Vermögensteuer –, dem in seiner Verfassungsbeurteilung unstrittige Grundrechtsrelevanz zugestanden wird1203. Auch das Eigentumsgrundrecht des Art. 14 GG wird unzweifelhaft als einschlägig für den Fiskalzugriff in Stellung gebracht1204. Noch mit spürbarer Nähe zu dem über viele Jahre judizierten Verbot der Konfiskationssteuer1205 wird vordringlich einer bestandsgefährdenden Besteuerung eine klare Absage erteilt, indem der Schutz der Eigentumssubstanz, ja der Vermögenswer-

Opportunität regiert“ (Vom Eigentums- zum Vermögensschutz – eine Erwiderung, NJW 1996, S. 1259). 1200 BVerfGE 93, 121 (LS 2). 1201 BVerfGE 93, 121 (137). 1202 BVerfGE 93, 121 (137). 1203 Dem war nicht immer so, hat doch das Bundesverfassungsgericht zu Beginn seiner Rechtsprechung in Steuersachen judiziert, dass die Auferlegung von Geldleistungspflichten die Eigentumsgarantie gar nicht berühre, so erstmals BVerfGE 4, 7 (17); danach z. B. BVerfGE 8, 274 (330); 10, 354 (371). Siehe bereits unter I. 1204 Spätestens mit dieser Entscheidung dürfte die ursprüngliche These des Bundesverfassungsgerichts, dass öffentlich-rechtliche Geldleistungspflichten den Schutzbereich des Art. 14 GG gar nicht berührten, endgültig ad acta gelegt sein, wie W. Leisner, Steuer- und Eigentumswende – die Einheitswert-Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts, NJW 1995, S. 2592 f., stellv. für viele feststellt. Äußerst kritisch hingegen spricht z. B. H. P. Bull, Vom Eigentums- zum Vermögensschutz – ein Irrweg, NJW 1996, S. 282, von einer „anfechtbaren Einbeziehung des Schutzes vor Steuern in den Schutz des Eigentums durch Art. 14 GG“. 1205 So erstmals BVerfGE 14, 221 (241); danach st. Rspr., etwa auch noch BVerfGE 82, 159 (190).

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tigkeit des Eigentums1206, als substantielle Facette der Eigentumsgarantie hervorgehoben wird1207. Bei der Frage einer Verfassungsbegrenzung der Steuerlast greift das Gericht auf die durch Verfügung und Nutzung vermögenswerter Rechtspositionen erzielten oder erzielbaren Einnahmen zurück1208, bezieht sich also auf die konkreten, zur Besteuerung herangezogenen Vermögensbestandteile. Insoweit werden a priori nicht das Gesamtvermögen, sondern vermögenswerte Eigentumspositionen – so die Diktion des Verfassungsgerichts – unter den Schutzbereich des Art. 14 GG gestellt1209. In deutlicher Nähe zur Kirchhof’schen Konzeption wird seitens des Gerichts überdies ein Freiheitsrecht thematisiert, das in der Verfügungs- und Nutzungsmöglichkeit dieser eigentumsrechtlichen Positionen zu suchen ist, also eine Art grundgesetzlich verbürgten, eigentumsrechtlichen Handlungsspielraum eröffnet. In Ergänzung zu dem wohl unstrittigen Substanzschutz des Eigentums, demzufolge Art. 14 GG eine substanzorientierte Besteuerung in der Eigentumsbestandsphase grundsätzlich untersagt, hat auch der Steuerzugriff auf die Ergebnisse der Eigentumsnutzung maßvoll zu erfolgen, so dass dem pflichtigen Bürger zumindest ein Kernergebnis seiner wie auch immer gearteten wirtschaftlichen Betätigung verbleibt1210. Auch wenn dieser Kernbestand des wirtschaftlichen Erfolges nicht näher bestimmt wird, dürfte angesichts der oben kurz beleuchteten Ausführungen wohl nicht mehr in Frage zu stellen sein, dass der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts mit dieser Entscheidung zur Vermögensteuer dem Zugriff des Steuerstaates auf Vermögen wie auf erwirtschaftete Erträge die Eigentumsgewährleistung des Art. 14 GG jedenfalls auf einer grundsätzlichen Ebene entgegenhält. Dieser Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zur Aktivierung der Eigentumsgarantie des Grundgesetzes in Steuersachen, die steuerverfassungsrechtliche Eigentumswende1211, regte nicht nur in den Jahren nach 1995 zu intensiver, 1206 Von einem verfassungsgerichtlich judizierten Vermögensschutz, wie ihn viele Autoren aus diesem Beschluss des Gerichts ohne weiteres ableiten wollen, soll zumindest unhinterfragt nicht ausgegangen werden. Dazu näher im Folgenden. 1207 Vgl. auch den Hinweis des Verfassungsgericht in seiner Entscheidung 93, 121 (137) auf BVerfGE 42, 263 (295); 50, 290 (341). 1208 In diesem Zusammenhang klingt das Konzept der Sollertragsteuer an, das auf die mit der Nutzung eines Vermögens typischerweise zu erwirtschaftenden Ergebnisse rekurriert; ausführlicher hierzu im 3. Kap., I. 1209 Vgl. z. B. J. Eschenbach, Steuerrecht und Eigentumsschutz – Grenzen verfassungsrechtlicher Kontrolle nach dem Beschluss des BVerfG vom 22. Juni 1995 zur Vermögensteuer, DStZ 1997, S. 413 f. Hierzu ausführlicher im Folgenden; grundsätzlich zu dieser Problematik K. A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 353 ff.; ders., Das Recht auf und das Recht am Eigentum, in: FS W. Leisner, S. 749 f. 1210 Siehe BVerfGE 93, 121 (137). 1211 So W. Leisner, Steuer- und Eigentumswende – die Einheitswert-Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts, NJW 1995, S. 2591 ff.; ebenso ders., Personalzusatzkosten

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teilweise äußerst kontroverser Diskussion an, sondern beschäftigt Rechtswissenschaft wie -praxis bis heute1212. Dass der Erste Senat des Bundesverfassungsge– Belastungen der Betriebe ohne Grenzen?, GewArch 42 (1996), S. 131, wo er allerdings die Einheitswertbeschlüsse nur als „Eigentumswende“ bezeichnet; unmittelbar gegen die Leisner’sche „Eigentumswende“ z. B. H. P. Bull, Vom Eigentums- zum Vermögensschutz – ein Irrweg, NJW 1996, S. 281 ff. 1212 Ohne Anspruch auf Vollständigkeit seien in der Reihenfolge der Veröffentlichung genannt: W. Flume, Die Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts zu den Einheitswerten in Hinsicht auf Vermögen- und Erbschaftsteuer, DB 1995, S. 1779; C. Mayer, Der Umfang der Nachbesserungspflicht des Gesetzgebers bei der Vermögens-, Erbschafts- und Schenkungsbesteuerung – Konsequenzen aus den Beschlüssen des BVerfG v. 22.6.1995, DB 1995, S. 1831; H. Schaumburg, Verfassungswidrigkeit der Einheitswerte, Folgerungen für Gesetzgeber und Steuerpflichtige, GmbHR 1995, S. 613; D. Krüger/E. Kalbfleisch/S. Köhler, Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zu den Einheitswerten – Analyse und erste Beratungshinweise, DStR 1995, S. 1452; G. Rose, „In der Nähe einer hälftigen Teilung“ – Erste quantifizierende Überlegungen zur Vermögensteuer-Entscheidung des BVerfG v. 22.6.1995, DB 1995, S. 1879; W. Leisner, Steuer- und Eigentumswende – die Einheitswert-Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts, NJW 1995, S. 2591; H.-W Arndt/A. Schumacher, Die verfassungsrechtlich zulässige Höhe der Steuerlast – Fingerzeig des BVerfG an den Gesetzgeber?, NJW 1995, S. 2603; R. Wittmann, Die „Einheitswert“-Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts v. 22. 6. 1995. Erster Überblick über Inhalt und Konsequenzen, BB 1995, S. 1933; G. Felix, Konsequenzen aus den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zur Vermögens- und Erbschaftsbesteuerung, BB 1995, S. 2241; R. Halaczinsky, Die Vermögensteuer sowie die Erbschaft- und Schenkungsteuer nach den Beschlüssen des Bundesverfassungsgerichts, Stbg 1995, S. 504; G. Rose, Zum Anspruch auf Erlass von „Übermaß-Steuern“ und zu seiner Durchsetzung Weitere Auswertung des Vermögensteuer-Beschlusses des BVerfG v. 22.6.1995, DB 1995, S. 2387; P. Kirchhof, Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Vermögen- und Erbschaftsteuer, Stbg 1996, S. 1; K. Tipke, Über die Grenzen der Vermögensteuer. Zugleich Besprechung des BVerfG-Beschlusses v. 22.6.1995, GmbHR 1996, S. 8; R. Seer, Die Unvereinbarkeitserklärung des BVerfG am Beispiel seiner Rechtsprechung zum Abgabenrecht, NJW 1996, S. 285; H. P. Bull, Vom Eigentumszum Vermögensschutz – ein Irrweg. Zur Bewertung der Einheitswert-Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts, NJW 1996, S. 281; G. Felix, Zur steuerlich gemäßigten Belastungsobergrenze – Steine statt Brot vom BVerfG?, NJW 1996, S. 703; H. Flick/ S. Schauhoff, Einheitswert, Vermögen- und Erbschaftsteuer – Anforderungen an eine verfassungsgemäße Besteuerung, ZRP 1996, S. 101; F. W. Wagner/M. Hör, Das Verhältnis der gegenwärtigen effektiven Steuerbelastung zur Steuerbelastungsobergrenze des Bundesverfassungsgerichts, DB 1996, S. 585; M. Jachmann, Unmittelbare Konsequenzen aus dem „Vermögensteuerbeschluß“ des BVerfG v. 22.6.1995 vor einer gesetzlichen Neuregelung, DStR 1996, S. 574; H.-W. Arndt, Konsequenzen für den Gesetzgeber aus den Beschlüssen des Bundesverfassungsgerichts v. 22.6.1995 zur Vermögen- und Erbschaftsteuer, BB 1996, Beilage 7; K. Vogel, Vom Eigentums- zum Vermögensschutz – eine Erwiderung, NJW 1996, S. 1257; M. Jachmann, Sozialstaatliche Steuergesetzgebung im Spannungsverhältnis zwischen Gleichheit und Freiheit: Belastungsgrenzen im Steuersystem, StuW 1996, S. 97; P. Bareis, Probleme verfassungsgerichtlicher Vorgaben und ihrer Umsetzung am Beispiel der Vermögen- und Erbschaftsteuer, DB 1996, S. 1153; R. Märkle/R. Franz, Die Neuregelung der Erbschaft- und Vermögensteuer, Stbg 1996, S. 241; H. Weber-Grellet, Vermögensteuer, Plafondierung, Vereinfachung – Zu dem Vermögensteuer-Beschluss des BVerfG, BB 1996, S. 1415; M. Wosnitza, Konsequenzen der BVerfG-Beschlüsse v. 22.6.1995 für die Diskussion um die Reform der Gewerbeertragsteuer, BB 1996, S. 1465; A. Klein,

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richts entgegen der Entscheidung des Zweiten Senates nur kurze Zeit später eine grundsätzliche Eigentumsgewährleistung bei fiskalischen Zugriffen ablehnte und die Einschlägigkeit des Art. 14 GG wieder auf den Fall der unverhältnismäßigen Erdrosselungsteuer reduzierte, erschwert die sachgerechte DisDas neue Steuerverfassungsrecht – Eine Chance für den Steuerzahler?!, BB 1996, S. 1807; P. Kirchhof, Die Verschiedenheit der Menschen und die Gleichheit vor dem Gesetz, Carl Friedrich von Siemens-Stiftung, Themen Bd. 62, S. 1996; M. Jachmann, Verfassungsrechtliche Grenzen der Besteuerung, 1996; G. Felix, Zur Diskussion um die steuerlich gemäßigte Belastungsobergrenze, NJW 1997, S. 304; G. Rose, Der Steuer-Plafondierungsbefehl des BVerfG und seine Durchsetzung, DB 1997, S. 494; P. Kirchhof, Verfassungsrechtliche Maßstäbe für die Steuergesetzgebung, Stbg 1997, S. 193; H. P. Schneider, Der Halbteilungsgrundsatz – Folgerungen für die Praxis, Stbg 1997, S. 199; J. Eschenbach, Steuerrecht und Eigentumsschutz, DStZ 1997, S. 413; J. Eekhoff/A. Wehmeier, Neue verfassungsrechtliche Vorgaben für die Steuerpolitik – Ordnungspolitische Einordnung und wirtschaftspolitische Relevanz, Zeitschrift für Wirtschaftspolitik 1997, S. 125; C. Mayer, Die Folgen des Ausbleibens der vom Bundesverfassungsgericht geforderten Reform des Vermögensteuerrechts, DStR 1997, S. 1152; W. Bornheim, Der Vermögensteuerbeschluß des BVerfG v. 22.6.1995 – Offene Fragen zur Erhebung der Vermögensteuer und Ansätze für eine Lösung des Auslegungskonflikts, DB 1997, S. 1534; M. Hör, Bisher stattgefundene und noch notwendige Steuerentlastungen zur Erfüllung der Auflagen des BVerfG-Beschlusses zur Vermögensteuer, DStR 1997, S. 1862; V. Sarrazin, Änderungen bei den einheitswertabhängigen Steuern, in: F. Klein/H. P. Stihl/F. Wassermeyer (Hrsg.), Unternehmen Steuern, Festschrift für Hans Flick, 1997, S. 565; H. Feldmann, Konstitutionelle Begrenzung der Steuerbelastung, StuW 1998, S. 114; W. Bornheim, „Halbteilungsgrundsatz“ und Steuerhinterziehung. Die Auswirkungen der Vermögensteuerentscheidung v. 22.6.1995 auf das Steuerstrafrecht, StuW 1998, S. 146; G. Rose, Der Halbteilungsbegrenzungsgrundsatz – Kein Obiter Dictum, DB 1998, S. 1154; M. Fleischmann, Ist die derzeitige Steuerbelastung noch mit dem „Halbteilungsgrundsatz“ vereinbar?, DB 1998, S. 1484; P. Kirchhof, Verfassungsrechtlich Gebotenes, demokratisch Erwünschtes und politisch Erreichbares in der Steuerpolitik, IFSt-Schrift Nr. 362, 1998; M.-I. Thomas, Die Halbteilung und der Sturm im Wasserglas, DStR 1998, S. 1493; H.-J. Kanzler, Anmerkung zum BFH-Beschluss v. 17.7.1998 – VI B 81/97, FR 1998, S. 897; P. Kirchhof, Der Auftrag des Grundgesetzes zur Erneuerung des Steuerrechts, Stbg 1998, S. 385; G. Rose, Überlegungen zur Realisierung des Halbteilungsgrundsatzes, StuW 1999, S. 12; H. Butzer, Der Halbteilungsgrundsatz und seine Ableitung aus dem Grundgesetz, StuW 1999, S. 227; R. Seer, Der sog. Halbteilungsgrundsatz als verfassungsrechtliche Belastungsobergrenze der Besteuerung, FR 1999, S. 1280; direkt dazu P. Fischer, Der Halbteilungsgrundsatz in der Krise. Anmerkungen zum BFH-Urteil v. 11.9.1999 – XI R 77/97 und dem Beitrag von Seer, FR 1999, 1280, S. 1292; das Gespräch aufgreifend R. Seer, Replik zu Peter Fischer. „Im Stich gelassene Richter“, FR 1999, S. 1296; H.-G. Dederer, Halbteilungsgrundsatz – woher, wohin?. Zum Urteil des BFH vom 11.9.1999, StuW 2000, S. 91; J. Lang, Wider Halbteilungsgrundsatz und BVerfG. Der BFH bleibt an der Grenze konfiskatorischer Besteuerung, NJW 2000, S. 457; umfassend ders., Vom Verbot der Erdrosselungssteuer zum Halbteilungsgrundsatz, in: P. Kirchhof/M. Lehner/A. Raupach/M. Rodi (Hrsg.), Staaten und Steuern, Festschrift für Klaus Vogel zum 70. Geburtstag, 2000, S. 173 ff.; M. Möstl, Verfassungsrechtliche Grenzen der Besteuerung. Dargestellt am Beispiel der Vermögensteuer, Veräußerungsgewinnbesteuerung und Abgeltungssteuer, DStR 2003, S. 720; A. Nachreiner, Verfassungswidrigkeit des Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes wegen Verstoß gegen Art. 14 GG, ZER 2005, S. 1; G. Crezelius, Steuergesetzgebung im Steuerstaat, Stbg 2005, S. 102; R. Mellinghoff, Steuergesetzgebung im Verfassungsstaat, Stbg 2005, S. 1 (insb. S. 6 f.).

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kussion und Weiterentwicklung dieser Eigentumsdogmatik sicherlich zusätzlich1213. Insbesondere entzündete sich die Diskussion an der Frage, ob der Steuereingriff wie auch die Auferlegung sonstiger Geldleistungspflichten ohne weiteres als Eingriff in Art. 14 Abs. 1 GG qualifiziert und die Eigentumsgewährleistung vor diesem Hintergrund zu einer umfassenden Vermögensgarantie umgedeutet werden kann. Diese Kontroverse erschließt sich erst in voller Tiefe, wenn man sich vor Augen führt, dass – da nach häufig vertretener Auffassung Steuern aus dem Vermögen zu begleichen sind, der Steuerzugriff also das Gesamtvermögen des pflichtigen Bürgers belastet – ein umfassender Vermögensschutz nicht nur die Zugriffsmöglichkeiten des Fiskus wesentlich beschränken würde, sondern darüber hinaus auch jenseits eines steuerverfassungsrechtlichen Geltungsbereiches in Stellung gebracht werden könnte1214. Aus der oben referierten Position des Verfassungsgerichts jedoch völlig unterhinterfragt prima facie einen umfassenden, mehr oder minder abstrakten Vermögensschutz als Verfassungsbarriere gegenüber dem steuerstaatlichen Zugriff zu konstruieren1215, wie dies etliche Stimmen in der Literatur der Vermögensteuerentscheidung entnehmen wollen1216, hieße die Diskussion um die Wirk1213 Siehe insbesondere BVerfGE 95, 267 (300): „Art. 14 Abs. 1 GG schützt nicht vor der staatlichen Auferlegung von Geldleistungspflichten. Etwas anderes kommt nur dann in Betracht, wenn die Geldleistungspflichten den Betroffenen übermäßig belasten und seine Vermögensverhältnisse so grundlegend beeinträchtigen, dass sie eine erdrosselnde Wirkung haben. Davon geht auch die Vermögensteuerentscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus (vgl. BVerfGE 93, 121, insbesondere S. 137 m.w. N.).“ Daran anknüpfend etwa BFH, BStBl. II 1999, 771 (774); kommentierend P. Fischer, Der Halbteilungsgrundsatz in der Krise, FR 1999, S. 1293. 1214 Zu diesem Aspekt des Halbteilungsgrundsatzes weiterführend 3. Kap., V. 1215 Die vermeintliche Notwendigkeit eines Vermögensschutzes leitet sich aus einem Grundverständnis ab, nach dem der Besteuerungszugriff des Staates nicht vermögenswerte Rechte, sondern eben das Vermögen in seiner Gänze treffe; so im Ergebnis z. B. H. Butzer, Freiheitsrechtliche Grenzen der Steuer- und Sozialabgabenlast, S. 50. Insoweit könnte für die weitere Diskussion auf die verschiedenen, in der Staatsrechtslehre vertretenen Konzeptionen zur Instellungbringung der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG gegenüber der Auferlegung staatlicher Geldleistungspflichten verwiesen werden, mit deren Hilfe im Ergebnis stets Einkommen und Vermögen des pflichtigen Bürgers vor dem staatlichen Zugriff geschützt werden sollen. Dazu oben II. 1216 W. Leisner, Steuer- und Eigentumswende – die Einheitswert-Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts, NJW 1995, S. 2594, geht davon aus, dass „die unendliche Geschichte des Streits um den Schutz des Vermögens durch Art. 14 Abs. 1 GG“ damit beendet sei. E.-W. Böckenförde befürchtet in seinem abweichenden Votum in BVerfGE 93, 149 (153 f.) eine Interpretation der Entscheidung im Sinne eines umfassenden Vermögensschutzes, gegen den er strikt argumentiert. I. d. S. z. B. auch H. Flick/ S. Schauhoff, Einheitswert, Vermögen- und Erbschaftsteuer – Anforderungen an eine verfassungsgemäße Besteuerung, ZRP 1996, S. 102; H. Schaumburg, Verfassungswidrigkeit der Einheitswerte. Folgerung für Gesetzgeber und Steuerpflichtige, GmbHR 1995, S. 614; kritisch H. P. Bull, Vom Eigentums- zum Vermögensschutz – ein Irrweg. Zur Bewertung der Einheitswert-Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts, NJW 1996, S. 282, der dem Verfassungsgericht auf seinem „Irrweg“ ein „extensives Verständnis der Eigentumsgarantie“ attestiert und – offensichtlich aufgrund einer zu

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samkeit der Eigentumsgewährleistung im Falle öffentlich-rechtlicher Geldleistungspflichten zu verkürzen. Schließlich hat der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts keine explizite Feststellung zum Schutz des Vermögens durch Art. 14 Abs. 1 GG getroffen1217, sondern im Einklang mit dem Eigentumsgrundrecht des Art. 14 GG einen Argumentationsstrang über die allgemeine Handlungsfreiheit und deren Ausprägung im vermögensrechtlichen Bereich eröffnet. Ob damit Art. 14 GG als verbindlicher Maßstab für die Auferlegung hoheitlicher Geldleistungspflichten bereits erschöpfend aktiviert ist oder das Eigentumsgrundrecht des Art. 14 GG noch mit weiter gehenden Implikationen für die verfassungsrechtliche Bewertung der Besteuerung in der Republik aufwarten kann, wird im Folgenden zu diskutieren sein. In jedem Fall deutet das Verfassungsgericht nicht nur eine grundsätzliche Argumentationslinie an, die näher zu verfolgen sein wird, sondern signalisiert auch, dass die Frage nach der grundsätzlichen Relevanz der grundgesetzlichen Eigentumsgewährleistung im Fall der Auferlegung steuerstaatlicher Geldleistungspflichten für die moderne Republik zu beantworten ist, ehe geklärt werden kann, ab welcher Belastungsintensität, ab welchem Belastungsmaß, mit einem steuerlichen Zugriff eine mögliche Grenzlinie des Art. 14 GG überschritten sein könnte. IV. Hälftige Teilung des Eigentums zwischen Steuerbürger und Steuerstaat 1. Eigentumsgrundrecht im republikanischen Steuerstaat a) Handlungsmöglichkeiten als Eigentum des Steuerbürgers Die Aktivierung des Grundrechtsschutzes aus der Eigentumsgewährleistung gegen den Steuerzugriff wird vom Verständnis des in Art. 14 GG verankerten Eigentumsgrundrechts determiniert, das stets im Gesamtgefüge von Verfassung und Verfassungsgesetz zu verstehen ist. In der freiheitlichen, gleichheitlichen und brüderlichen Republik, die notwendigerweise auch Steuerstaat ist1218, greift erwartenden verfassungsseitigen Eindämmung der Steuereinnahmen – „Gefahren für die Entwicklung des sozialen Rechtsstaats“ entdecken will. 1217 I. d. S. z. B. im Nachgang zur Halbteilungsjudikatur H.-G. Dederer, Halbteilungsgrundsatz – woher, wohin? Zum Urteil des BFH vom 11.8.1999, StuW 2000, S. 93. 1218 Zur Steuerstaatlichkeit stv. für viele J. Isensee, Steuerstaat als Staatsform, in: FS H. P. Ipsen, S. 409 ff.; grundlegend außerdem E. R. Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, Bd. I, S. 9 ff., 317; M. Kriele, Einführung in die Staatslehre, S. 157 ff., 319 ff.; W. Leisner, Sozialbindung des Eigentums, S. 231, 226 ff.; H.-J. Papier, Grundgesetz und Wirtschaftsordnung, in: HVerfR, S. 842 ff.; H. H. Rupp, Grundfragen der heutigen Verwaltungsrechtslehre, 2. Aufl. 1991, S. 113 ff.; R. Scholz, Steuerstaat und Rechtsstaat, in: FS W. Leisner, S. 797 ff.; K. A. Schachtschneider, Republikanische Freiheit, in: FS M. Kriele, S. 835 f.

2. Kap.: Eigentum und Steuern in der Republik

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der Fiskus nicht auf bestimmte Vermögensgegenstände, also beispielsweise auf den Lohn, das Gehalt oder ein Grundstück, eines Bürgers zu und entzieht ihm diese teilweise, sondern verpflichtet den Bürger, Steuerschulden letztlich aus seinem Vermögen zu begleichen. So partizipiert der Steuerstaat sowohl an den wirtschaftlichen Ergebnissen der Eigentumsnutzung als auch an der Innehabung oder Verwendung von Eigentum1219, wenigstens in Anteilen. Rechtliche Grundlage ist regelmäßig die steuerliche Pflichtigkeit des Bürgers, wie sie die jeweiligen Steuergesetze vorsehen. Die Auferlegung von Geldleistungspflichten belastet, zumindest in ihren material-ökonomischen Ergebnissen, zunächst und vorrangig das Vermögen des pflichtigen Bürgers1220. Vor diesem Hintergrund scheint der Grundrechtsschutz des Steuerpflichtigen gegenüber fiskalischen Zugriffen auch einen Schutz des Vermögens als solches durch die Eigentumsgewährleistung des Art. 14 GG zu erfordern, was nicht zuletzt angesichts zahlreicher, teilweise höchst kontroverser Diskussionen – insbesondere ein im Zuge der Vermögensteuerentscheidung von dem Verfassungsgericht aus Art. 14 GG möglicherweise abgeleiteter Vermögensschutz war Gegenstand etlicher Auseinandersetzungen1221 – im Folgenden näher beleuchtet werden soll.

1219 Entsprechend dieser steuerdogmatischen Differenzierung greift der Fiskus in verschiedenen Phasen auf das Eigentum mit unterschiedlichen Steuerarten zu; dazu z. B. J. Lang, in: Tipke/Lang, § 8, Rn. 29 (mit Schaubild); für eine Übersicht statt vieler H. G. Ruppe, in: C. Herrmann/G. Heuer/A. Raupach (Hrsg.), Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, 2004, Einf. EStG, Rn. 60. Aber auch innerhalb einer Steuerart könnte der Belastungszugriff steuertechnisch an unterschiedlichen ,Eigentumszuständen‘ anknüpfen. So identifiziert H.-J. Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 14, Rn. 169 f., neben den Steuern auf nichtselbständige Tätigkeiten – auf die Abgrenzung zum Geltungsbereich des Art. 12 Abs. 1 GG wird hier verzichtet –, wo Steuerzahlungen aus erworbenem Einkommen und damit Eigentum zu bezahlen sind, auch Steuer- und sonstige Abgabepflichten, die „an die Innehabung und Nutzung von Eigentum i. S. d. Art. 14 anknüpfen und damit in diese grundrechtliche Rechtstellungsgarantie belastend einwirken“; hierfür nennt er Einkünfte aus Gewerbebetrieb i. S. d. §§ 2 Abs. 1 Nr. 2, 15 EStG, Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft i. S. d. §§ 2 Abs. 1 Nr. 1, 13 EStG, Einkünfte aus Kapitalvermögen i. S. d. §§ 2 Abs. 1 Nr. 5, 20 EStG sowie Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung i. S. d. §§ 2 Abs. 1 Nr. 6, 21 EStG. Bei aller steuertechnischen Unterscheidbarkeit bleibt schlussendlich die Belastungsrealität als gemeinsamer Nenner. 1220 Dabei soll das Vermögen jedoch nicht a priori mit der Vermögenssubstanz gleichgesetzt werden. Zum Zugriff der Steuer auf das Vermögen vor allem P. Kirchhof, Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), S. 234 ff.; W. Leisner, Eigentum, in: HStR, Bd. VI, § 149, Rn. 124 ff.; dazu H. H. v. Arnim, Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), S. 299 ff.; a. A. z. B. H.-J. Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 14, Rn. 160 ff.; für die republikanische Konzeption, die ebenfalls von einem Eingriff der Steuer in das Vermögen des Bürgers ausgeht, grundsätzlich K. A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 353 ff.; steuerspezifisch ders., Umsatzbesteuerung der Mineralölsteuer, S. 48. 1221 Symptomatisch z. B. H. P. Bull, Vom Eigentums- zum Vermögensschutz – ein Irrweg. Zur Bewertung der Einheitswert-Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts, NJW 1996, S. 281 ff.

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6. Teil: Teilung des Eigentums zwischen Steuerbürger und -staat

Art. 14 GG gewährleistet und schützt das Eigentum des Bürgers in der Republik1222. Eigentum definiert sich als das durch die Rechtsordnung geschützte Eigene des Menschen. Das Eigene des Menschen aber ist nichts anderes als seine Möglichkeiten, individuell wie gemeinschaftlich zu leben und zu handeln. Nicht zuletzt aufgrund der dem Eigentum immanenten Gemeinschaftsrelevanz bedarf es einer Begründung des Eigentums durch allgemeine Gesetze, da die allgemeine Gesetzlichkeit sicherstellt, dass jedes Leben und Handeln nicht die Freiheit des anderen, letztlich die allgemeine Freiheit, verletzt, und so den Interessenausgleich in der Gemeinschaft garantiert. Art. 14 Abs. 1 GG bestätigt diese Logik der Gesetzlichkeit, sieht er doch vor, dass „Inhalt und Schranken“ des Eigentums durch die Gesetze, eben auch durch die Steuergesetze, bestimmt werden. Gleichwohl darf das Eigentum nicht gänzlich zur Disposition des Gesetzgebers stehen, der in jedem Fall die Wertentscheidung für das Eigentum als objektive Leitentscheidung des Grundgesetzes achten muss. Auch in die verfassungsrechtliche Beurteilung des Steuerzugriffs hat diese Facette der verfassungsseitigen Eigentumsgewährleistung einzufließen, da mit dem Argument der Steuergesetzlichkeit das Eigentum ansonsten weitestgehend sinnentleert und ausgehöhlt werden könnte. Eigentumsschutz ist in letzter Konsequenz immer Rechtsschutz, der nur gewährt wird, wenn alle mit dem Eigenen des Menschen, also mit dessen Möglichkeiten zu handeln und zu leben, einverstanden sein können, weil allen eben grundsätzlich die gleichen Möglichkeiten offenstehen (sollen); denn das ist die eigentliche Idee der allgemeinen Gesetzlichkeit in der Republik. Eigentum skizziert also unterschiedliche Handlungsmöglichkeiten im Rahmen allgemeiner Gesetze, auch Steuergesetze, die zugleich Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit in der bürgerlichen Gemeinschaft verwirklichen. Durch die Mittel des Steuerstaates werden diese Möglichkeiten allemal eingeschränkt, erschöpft sich der Besteuerungszugriff gegenüber dem Steuerpflichtigen nicht in einem eigentumsrelevanten Entzug von Geldmitteln, sondern kann auch die grundrechtlich gewährleistete Innehabung und Nutzung des Eigentums behindern1223. Insoweit 1222 Umfassend zum Eigentum in der Republik im 5. Teil; grundlegend K. A. Schachtschneider, Das Recht am und das Recht auf Eigentum, in: FS W. Leisner, S. 743 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 10. Kap. 1223 So in jüngerer Zeit etwa O. Geißler, Der Unternehmer im Dienst des Steuerstaates, S. 116; dazu auch z. B. H.-G. Dederer, Halbteilungsgrundsatz – woher, wohin? Zum Urteil des BFH vom 11.8.1999, StuW 2000, S. 94; bereits R. Herzog, Leitlinien und Entwicklungstendenzen der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in Steuerfragen, StbJb 1985/86, S. 29; auch H. Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 14, Rn. 15; näher M. Jachmann, Steuergesetzgebung zwischen Gleichheit und wirtschaftlicher Freiheit, S. 33 ff.; dies., Verfassungsrechtliche Grenzen der Besteuerung, S. 39 ff.; dies., Sozialstaatliche Steuergesetzgebung im Spannungsverhältnis zwischen Gleichheit und Freiheit: Belastungsgrenzen im Steuersystem, StuW 1996, S. 100; H.-J. Papier, Die Beeinträchtigungen der Eigentums- und Berufsfreiheit durch Steuern vom Einkommen und Vermögen, Der Staat 11 (1972), S. 492 f.; sinngemäß ders., Be-

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lässt sich eine große Nähe zur Position des Verfassungsgerichts diagnostizieren, das mit dem Eigentum einen Handlungsspielraum in vermögensrechtlicher Hinsicht assoziiert, der durch die Intervention des Fiskalstaates berührt oder beeinträchtigt wird1224. b) Schutz des Vermögens aus der Eigentumsgewährleistung Alle seine Möglichkeiten, in der staatlichen Gemeinschaft zusammen mit anderen Bürgern nach seinen individuellen Vorstellungen zu leben und zu handeln, sind das eigentliche Vermögen des Menschen1225. Das Vermögen besteht wesentlich, jedoch nicht ausschließlich aus Rechten, die unter der Prämisse der Vermögenswertigkeit durch das Eigentumsgrundrecht geschützt werden1226. Dazu können sogar Rechte des öffentlichen Rechts zählen, insbesondere dann, wenn diese auf eigener Leistung des Bürgers beruhen1227. Durch den Fiskus auferlegte Geldleistungspflichten, in erster Linie Steuern, tangieren eben dieses Vermögen des verpflichteten Bürgers. Dass es dem Bürger frei steht, mittels welcher konkreten Vermögenspositionen er seine Steuerschuld begleicht, vermag die Tatsache, dass die Steuer das Vermögen an sich, eben in seiner Gesamtheit, belastet, nicht zu ändern1228. Umgekehrt darf der in der Belastung

steuerung und Eigentum, S. 790; auch ders., in: Maunz/Dürig, GG, Art. 14, Rn. 170; hierzu z. B. W.-R. Schenke, Besteuerung und Eigentumsgarantie, in: FS H. Armbruster, S. 190 ff.; nicht nur eigentumsspezifisch G. F. Schuppert, Verfassungsrechtliche Prüfungsmaßstäbe bei der verfassungsrechtlichen Überprüfung von Steuergesetzen, in: FS W. Zeidler, S. 698 f.; H. Söhn, Verfassungsrechtliche Aspekte der Besteuerung nach der subjektiven Leistungsfähigkeit im Einkommensteuerrecht: Zum persönlichen Existenzminimum, FinArch 46 (1988), S. 165. 1224 Vgl. vor allem die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Halbteilungsgrundsatz, BVerfGE 93, 121. 1225 Hierzu grundlegend K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, 10. Kap., I.; ders., Das Recht auf und das Recht am Eigentum, in: FS W. Leisner, S. 744 ff.; vgl. außerdem oben 5. Teil. 1226 Deutlich K. A. Schachtschneider, Umsatzbesteuerung der Mineralölsteuer, S. 52. I. d. S. etwa J. Eschenbach, Steuerrecht und Eigentumsschutz – Grenzen verfassungsrechtlicher Kontrolle nach dem Beschluss des BVerfG vom 22. Juni 1995 zur Vermögensteuer, DStZ 1997, S. 413 f. 1227 Vgl. dazu BVerfGE 2, 380 (399 ff.); 3, 58 (153); 14, 288 (294); 18, 392 (397); 45, 142 (170); 48, 403 (412 f.); 53, 257 (289 ff.); 58, 81 (109); 69, 272 (300 ff.); 72, 9 (18 f.); 74, 203 (213); weiterführend z. B. P. Badura, Eigentum, in: HVerfR, S. 349 ff.; D. Ehlers, Eigentumsschutz, Sozialbindung und Enteignung bei der Nutzung von Boden und Umwelt, VVDStRL 51 (1992), S. 216; H.-J. Papier, in: Maunz/ Dürig, GG, Art. 14, Rn. 136 ff. (m.w. N.); H. Rittstieg, in: AK-GG, Art. 14/15, Rn. 114; K. A. Schachtschneider, Das Recht am Eigentum und das Recht auf Eigentum, in: FS W. Leisner, S. 768. 1228 A. A. z. B. J. Eschenbach, Steuerrecht und Eigentumsschutz – Grenzen verfassungsrechtlicher Kontrolle nach dem Beschluss des BVerfG vom 22. Juni 1995 zur Vermögensteuer, DStZ 1997, S. 413 f.

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6. Teil: Teilung des Eigentums zwischen Steuerbürger und -staat

von Eigentumsinnehabung oder Eigentumsnutzung zu suchende Steuereingriff nicht allein anhand der Gesamtbelastung von Eigentumspositionen bewertet werden, da ansonsten ein übermäßiger Zugriff auf eine Eigentumsposition durch einen unwesentlichen Zugriff auf eine andere Eigentumsposition kompensiert werden könnte; neben der Frage nach der Vermögensrelevanz der Besteuerung ist stets jede einzelne steuertatbestandliche Anknüpfung auf ihre verfassungsrechtliche Zulässigkeit hin zu untersuchen1229. Im Ergebnis führt die Besteuerung immer dazu, dass der Steuerpflichtige „Lebensmöglichkeiten, die vor allem finanzielle Möglichkeiten sind, einschränken“1230 muss, um das Steuerbegehren des Staates erfüllen zu können. Der besteuernde Staat nimmt dem Bürger eben diese Lebensmöglichkeiten, die sich in seinem Vermögen addieren; diese Größe bewahrt das Grundrecht des Art. 14 GG. c) Eigentumsrelevanz des Steuerzugriffs in einer modernen Geldwirtschaft In der modernen Republik, die notwendigerweise auch arbeitsteilige Geldwirtschaft ist, lassen sich diese Möglichkeiten des Einzelnen, wie die Lebenspraxis zeigt, nicht mehr von monetären Dimensionen trennen. Schließlich ist Geld geeignet, eine Vielzahl von Lebensmöglichkeiten zu eröffnen, ja häufig sogar unerlässlich, um diese Möglichkeiten wahrnehmen zu können1231. Nicht nur in seiner Funktion als gesetzlich geschütztes Zahlungsmittel unterliegt Geld des Eigentumsgewährleistung des Grundgesetzes1232, so dass auch Geld zum geschützten Eigentum der Bürger zu rechnen ist. Mit der Besteuerung entzieht der Staat dem Bürger Geld(-vermögen), ergo Eigentum – fast wäre man angesichts der heutigen Lebenswirklichkeit versucht, von dem wesentlichsten Eigentum des Bürgers zu sprechen. Jedenfalls ist Karl Albrecht Schachtschneider1233 nur beizupflichten, wenn er konstatiert: „Es gibt keine substantiellere Beeinträchtigung der Eigentumsgewährleistung als die Auferlegung von Geldleistungspflichten.“

Diese Erkenntnis ist auch der These entgegenzuhalten, dass die Besteuerung grundsätzlich nicht als Eingriff in ein Sachgut Geld, erst recht also nicht als Eingriff in ein Geldvermögen, gewertet werden könne1234, da der Staat mit der

1229

Vgl. O. Geißler, Der Unternehmer im Dienste des Steuerstaats, S. 118. K. A. Schachtschneider, Umsatzbesteuerung der Mineralölsteuer, S. 53. 1231 K. A. Schachtschneider, ebenda, geht noch einen Schritt weiter, wenn er formuliert, dass „(fast) alles käuflich ist“. 1232 So auch die Position des Bundesverfassungsgerichts in der Vermögensteuerentscheidung, BVerfGE 97, 350 (371); dazu etwa W. Leisner, Eigentum, in: HStR, Bd. VI, § 149, Rn. 131; H.-J. Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 14, Rn. 183 ff. 1233 Umsatzbesteuerung der Mineralölsteuer, ebenda. 1230

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Auferlegung von Geldleistungspflichten nicht auf die Übertragung konkreten Geldes abziele, sondern vielmehr dem Steuerpflichtigen eine abstrakte Geldsummenverpflichtung aufbürde, die dieser schließlich mit den Mitteln seiner Wahl erfüllen könne. Selbst wenn man Geld „nur“ als eigentumsrechtlich geschütztes Sachgut zu betrachten hätte1235, würde eine Steuer, die einen erwirtschafteten Geldbetrag unmittelbar, quasi physisch vermindert, wie das z. B. in bestimmten Fällen bei der Einbehaltung der Lohnsteuer durch den Arbeitgeber der Fall sein könnte, das Geldeigentum des Bürgers schmälern. Jeder anderen Steuer, die aus dem Geldvermögen zu begleichen ist, vor diesem Hintergrund ihre Belastungswirkung und die damit verbundene, eigentumsgrundrechtliche Relevanz abzusprechen, hieße als ultima ratio nicht nur den Zugriff des fiskalischen Staates, sondern auch Geld in seiner Funktionshaftigkeit innerhalb eines Gemeinwesens aus dem Verfassungskontext herauszulösen. Eben einer solch grundsätzlichen Negierung der Grundrechtsrelevanz im Besteuerungsfall hat das Bundesverfassungsgericht spätestens mit seinem Beschluss von 19951236 eine klare Absage erteilt1237. d) Eigentumsgrundrechtliche Relevanz der Besteuerung in der Republik Die angesprochene Substantialität des Steuereingriffs für das Eigentumsgrundrecht, wie auch vom Verfassungsgericht in besagten Urteilen judiziert, wird noch untermauert, wenn man sich das Beziehungsgefüge von Steuergesetzen und Verfassungsgesetz, insbesondere unter Berücksichtigung des Eigentumsgrundrechts des Art. 14 GG, vor Augen führt. Nicht erst in jüngster Zeit haben Steuerlasten, denen sich Unternehmen und private Bürger ausgesetzt sehen, eine Höhe erreicht, dass eine spürbare material-ökonomische Belastungskonsequenz außer Frage stehen dürfte. Dass der Zugriff des Fiskus in seinen finanziellen Auswirkungen als einer der spürbarsten Friktionspunkte für das bürgerliche Eigentum erlebt wird – kaum eine andere Frage beschäftigt in der Realität der modernen Republik den Bürger mehr als die Frage nach seinem 1234 Dazu D. Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 181; M. Lehner, Einkommensteuerrecht und Sozialhilferecht, S. 366; vor allem H.-J. Papier, Die Beeinträchtigungen der Eigentums- und Berufsfreiheit durch Steuern vom Einkommen und Vermögen, Der Staat 11 (1972), S. 488; ergänzend z. B. G. Schuppert, Verfassungsrechtliche Prüfungsmaßstäbe bei der verfassungsrechtlichen Überprüfung von Steuergesetzen, in: FS W. Zeidler; Bd. I, S. 697; grundlegend R. Wendt, Besteuerung und Eigentum, NJW 1980, S. 2113. 1235 Immerhin judiziert das Verfassungsgericht Geld als zivilrechtliches Sacheigentum an beweglichen Sachen, dass dem Schutz von Art. 14 Abs. 1 GG zu unterstellen sei, so in BVerfGE 40, 65 (82); 45, 142 (179); 69, 272 (300); 70, 278 (285). 1236 Im Vordergrund steht hier zwar BVerfGE 93, 121, aber auch in BVerfGE 93, 165, nimmt das Gericht zu diesen Fragen nochmals Stellung. 1237 Vgl. BVerfGE 93, 121 (137 u. ö.).

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Geld1238 – lässt die Elementarität der Verfassungsfrage im Besteuerungsfall mehr als nur erahnen1239. Über diese Bewertung hinaus zeigen staatliche Geldleistungsverpflichten, allen voran natürlich Steuern, substantielle Auswirkungen auf das Eigentumsrecht in formaler Hinsicht1240. Auch wenn die Einschätzung des Verfassungsgerichts, dass Geld „geprägte Freiheit“ sei – und nach der Logik des Gerichts der Steuerzugriff damit unmittelbar Freiheit entziehen müsste –, nicht zu teilen ist, verweist das grundrechtliche Beeinträchtigungspotential der Steuer doch auf die formal zu verstehende Freiheitsrelevanz des Steuerzugriffs. Die Steuergleichheit als einer der steuerverfassungsrechtlichen Grundsätze erhebt die Besteuerung zu einer Angelegenheit der bürgerlichen Allgemeinheit1241, deren allgemeine Gesetze wesentlich durch die Prinzipien der Freiheit und des Eigentums geprägt werden1242. In den Grenzen der Verfassung verwirklichen allgemeine Gesetze die Freiheit, aber auch die Gleichheit und die Brüderlichkeit als republikanische Grundprinzipien. Wie alle Gesetze sind auch Steuergesetze, die die fiskalischen, also geldlichen Belastungen der Bürger regeln, der allgemeinen Gesetzgeberschaft der Bürgerschaft im republikanischen Gemeinwesen unterworfen, so dass Steuergesetze, denen die Bürger beizupflichten in der Lage sind, die bürgerliche Freiheitlichkeit im Staat befördern. Deutlich gibt sich damit die steuerverfassungsrechtliche Relevanz der Freiheit in deren republikanischem Grundverständnis zu erkennen. In der Republik präsentiert sich Freiheit stets als politische Freiheit, als allgemeine Freiheit, die zuvorderst der Sittlichkeit des staatlichen und des privaten Handels, letztlich der praktischen Vernunft verpflichtet ist. Dieser Maßstab ist an alle Gesetze, zwingend auch an Steuergesetze, anzulegen, deren republikanische Freiheitlichkeit mit allgemeiner Gesetzlichkeit und praktischer Vernünftigkeit steht und fällt. Nur unter diesen Prämissen kann der Staat besteuern, ohne die Freiheit und das Eigentum der Bürger zu verletzen; 1238 Prägnant K. A. Schachtschneider, Umsatzbesteuerung der Mineralölsteuer, S. 54; i. d. S. ders., Steuerverfassungsrechtliche Probleme der Betriebsaufspaltung und der verdeckten Gewinnausschüttung, S. 64. 1239 Dass die Verfassungsfrage für die Staatsfinanzierung keine Novität im Verhältnis von Bürger und Staat ist, beweist beispielsweise der preußische Budgetkonflikt von 1862 bis 1866, auf den K. A. Schachtschneider, ebenda, völlig zutreffend hinweist; ergänzend ders., Umsatzbesteuerung der Mineralölsteuer, S. 54; dazu näher E. R. Huber, Das Kaiserreich als Epoche verfassungsstaatlicher Entwicklung, in: HStR, Bd. I, § 2, Rn. 16; H. H. Rupp, Die Unterscheidung von Staat und Gesellschaft, in: HStR, Bd. I, § 28, Rn. 6. 1240 In diesem Sinne ist wohl auch das Verfassungsgericht zu verstehen, wenn es von einem „Eingriff in die Vermögens- und Rechtssphäre des Einzelnen“, BVerfGE 93, 121 (134), spricht. 1241 Auch und gerade aus der Lastengleichheit gewinnt der Steuereingriff seine Rechtfertigung; dazu statt vieler BVerfGE 84, 239 (268 f.). 1242 Siehe K. A. Schachtschneider, Umsatzbesteuerung der Mineralölsteuer, S. 54.

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andernfalls würde der fiskalische Staat die Steuer herrschaftlich-monarchisch erheben und wider die Grundprinzipien der Verfassung handeln. Einschlägig ist neben der republikanischen Grundidee der Freiheit insbesondere das eng in Freiheits- und Privatheitsprinzip verwurzelte Eigentumsgrundrecht: „Steuerfragen sind wesentliche Fragen von Freiheit und Eigentum.“ (Karl Albrecht Schachtschneider)1243

Mit seiner Judikatur zur Vermögensteuer stellt der Zweite Senat in diesem Sinne klar, dass der Steuerzugriff nicht aus dem Verfassungsbogen, insbesondere dem Freiheits- und dem Eigentumsrecht herausgelöst werden kann. Auch der Erste Senat, der die Einschlägigkeit der Eigentumsgarantie im Besteuerungsfall auf grundsätzlicher Ebene auch nach dem Vermögensteuerbeschluss ablehnt, akzeptiert die prinzipielle Verfassungsrelevanz im Falle des fiskalischen Zugriffs in Gestalt einer möglichen Verletzung der allgemeinen Handlungsfreiheit. Wenn auch unter Rückgriff auf einen materialen Freiheitsbegriff – republikanische Freiheit ist formal zu definieren, da Freiheit die Autonomie des Willens, nicht die Möglichkeit des Handelns ist – erkennt selbst der zurückhaltend judizierende Erste Senat die Freiheitsrelevanz des Steuerzugriffs in all ihrer Substantialität an und macht damit deutlich, dass auch seiner Auffassung nach die Auferlegung von Geldleistungspflichten grundsätzlich nicht außerhalb des Grundrechtsschutzes gestellt werden darf. Eine schlüssige Begründung, warum nun irgendein Element von Eigentum – noch dazu gerade eben das von der Steuer belastete – aus dem Rechtschutz grundsätzlich herausfallen könne, lässt der Erste Senat vermissen. In conclusione ist dem Zweiten Senat nur beizupflichten, wenn er in seinem Vermögensteuerbeschluss Art. 14 GG als die einschlägige Grundrechtsnorm identifiziert, die gegen Steuerpflichten gewendet werden kann, und – in völligem Einklang mit der republikanischen Konzeption – Einkommen und Vermögen, also Eigentum des Steuerpflichtigen der Eigentumsgewährleistung des Art. 14 Abs. 1 GG unterstellt1244. 2. Höchstens hälftige Teilung des Eigentums zwischen Bürger und Staat Eine Annäherung an das verfassungsrechtliche Verhältnis von Steuer und Eigentum, das die Auferlegung öffentlich-rechtlicher Geldleistungspflichten außerhalb der Verfassung der Republik nicht zulässt, kann auf der Stufe grundsätzlicher Einschlägigkeit des Eigentumsgrundrechts im Falle der Auferlegung öffentlich-rechtlicher Geldleistungspflichten schwerlich stehen bleiben. Wird die Geltung des Verfassungsgesetzes, insbesondere der bürgerlichen Grundrechte 1243

Vgl. K. A. Schachtschneider, Umsatzbesteuerung der Mineralölsteuer, S. 54. So auch für die republikanische Position im Ergebnis sehr deutlich K. A. Schachtschneider, ebenda, S. 56, sinngemäß auch S. 58. 1244

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und der allgemeinen Verfassungsprinzipien, auch und vornehmlich für die Gesetze des Steuerstaates eröffnet, gebietet notwendigerweise bereits das verfassungsrechtliche Sachlichkeitsgebot, regelmäßig als Verhältnismäßigkeitsprinzip oder auch Übermaßverbot judiziert, das Verbot einer unsachlichen, eben auch einer übermäßig belastenden Steuer. Übermäßig belastende Besteuerungszugriffe, die in ihrem material-ökonomischen Ergebnis Eigentum und Vermögen des Steuerbürgers grundlegend beeinträchtigen, zur Konfiskation führen oder gar den pflichtigen Bürger in seiner Existenz erdrosseln, können aber nur den äußersten Extrempunkt eines verfassungsrechtlich unangemessenen Steuereingriffs markieren1245. Weiterführend gilt es, einen verfassungsrechtlichen Maßstab zu finden oder zu entwickeln, der jenseits dieser Extremposition einer existenzvernichtenden Übermaßbesteuerung dem Steuerbürger grundgesetzlichen Schutz vor dem fiskalischen Zugriff vor allem mit Blick auf die Eigentumsgewährleistung des Art. 14 GG bietet. In jedem Fall postuliert die Eigentumsgewährleistung, dass dem steuerpflichtigen Bürger ein Kernbestand des Erworbenen und seiner vermögenswerten Rechtspositionen zu verbleiben hat1246. Konsequenterweise blockiert Art. 14 GG den Zugriff des Fiskus auf den Vermögensstamm in seiner Bestandshaftigkeit und begrenzt die zulässige Steuerbelastung des substantiellen Vermögens – unter der Prämisse der steuersystematisch angelegten Vorbelastung des Vermögens1247, also des versteuerten Einkommens – auf eine Besteuerung maximal in Höhe des (typischen) Soll-Ertrages1248. 1245 So zutreffend etwa K. H. Friauf, Verfassungsrechtliche Anforderungen an die Gesetzgebung über die Steuern vom Einkommen und vom Ertrag, DStJG 12 (1989), S. 25 f.; J. Lang, Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, S. 158 f.; i. d. S. auch D. Dziadkowski, Beachtung des Halbteilungsgrundsatzes führt nicht zur Gerechtigkeitslücke, FR 2000, S. 559; L. Schemmel, Zur Aufnahme des Leistungsfähigkeitsprinzips und anderer Grenzen für den Steuerstaat in das Grundgesetz, StuW 1995, S. 52. P. Kirchhof, Besteuerung im Verfassungsstaat, S. 54 ff., identifiziert stv. für viele das Verbot einer Besteuerung des Existenzminimums als Untergrenze der Gesamtsteuerlast; hierzu BVerfGE 87, 153 (169 f.) sowie näher auch V., 2. 1246 So BVerfGE 93, 121 (135); bereits BVerfGE 87, 153 (169). 1247 Die zum damaligen Zeitpunkt streitgegenständliche Vermögensteuer ist ihrer Konzeption nach aus bereits versteuertem Einkommen zu begleichen. Vgl. statt vieler W. Flume, Die Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts zu den Einheitswerten in Hinsicht auf die Vermögen- und Erbschaftsteuer, DB 1995, S. 1779 („Die VSt. von 1% muss aus versteuertem Einkommen bezahlt werden, beträgt also in Wirklichkeit für die relevanten Vermögen mehr als 2%. Rechnet man mit einer Vermögensrendite von 6%, so sind die verbleibenden knapp 4% wieder um 57% zu kürzen, es verbleit also von dem Vermögensertrag dem Stpfl. nach VSt. und ESt. weniger als ein Drittel des Vermögensertrages.“ Flume kritisiert weiterhin, dass bei einer üblichen jährlichen Inflationsrate von ca. 2% und einer geschätzten Vermögensrendite von ca. 6%, wenigstens für Geldvermögen, der Steuerpflichtige durch die Belastung mit Einkommenund Vermögensteuer „fortlaufend enteignet wird“; auf eine Fortführung dieser Diskussion wird hier verzichtet. 1248 Vgl. P. Kirchhof, Besteuerung im Verfassungsstaat, S. 57 ff.

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Eine weitergehende Grenzlinie für steuerstaatliche Begehrlichkeiten hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Vermögensteuerbeschluss mit dem so genannten Halbteilungsgrundsatz skizziert, der stärker noch als die grundsätzliche Aktivierung der Eigentumsgewährleistung des Art. 14 GG für den Besteuerungsfall in das Kreuzfeuer der Kritik geraten ist1249. Diese steuerliche Belastungsobergrenze präzisiert das Verfassungsgericht wie folgt1250: „Die Vermögensteuer darf deshalb zu den übrigen Steuern auf den Ertrag nur hinzutreten, soweit die steuerliche Gesamtbelastung des Sollertrages bei typisierender Betrachtung von Einnahmen, abziehbaren Aufwendungen und sonstigen Entlastungen in der Nähe einer hälftigen Teilung zwischen privater und öffentlicher Hand verbleibt . . .“

Mit dieser Formulierung, die eine hälftige Teilung zwischen privater und öffentlicher Hand vorgibt, hat das Verfassungsgericht die Grundlage des sogenannten Halbteilungsgrundsatzes, auch als Halbteilungssatz oder Hälftigkeitsprinzip bezeichnet, geschaffen und eine Obergrenze für die steuerliche Belastung privatwirtschaftlicher Ertragserzielung jenseits von Konfiskation und Erdrosselung gezogen1251. In seinen Begründungsbestrebungen einer verfassungsrechtlich gebotenen Steuerbeschränkung greift das Gericht in erster Linie auf Art. 14 Abs. 2 GG zurück und interpretiert Art. 14 Abs. 2 Satz 2 GG, demzufolge der durch den Gebrauch des Eigentums erzielbare Vermögensertrag „zugleich“ dem privaten Nutzen und dem Wohl der Allgemeinheit dienen soll, als substantielle eigentumsrechtliche Verfassungsgrenze für die Auferlegung öffentlich-rechtlicher Geldleistungspflichten. Über die Erkenntnis hinausgehend, dass jeder Vermögensertrag einerseits für steuerliche Gemeinlasten zugänglich sein müsse, andererseits aber dem Bürger stets ein ausreichender privater Ertragsnutzen jedweden wirtschaftlichen Handelns verbleiben müsse1252, dass also Gemeinwohldienlichkeit und Privatnützigkeit in der Besteuerung in Einklang gebracht werden müssen1253, wird das Wort „zugleich“ im Sinne eines quantifi1249

Einen umfassenden Überblick gibt z. B. G. Rose, Überlegungen zur Realisierung des Halbteilungsgrundsatzes, StuW 1999, S. 12. 1250 BVerfGE 93, 121 (138), zugleich LS 3 der Entscheidung. 1251 M. Jachmann, Verfassungsrechtliche Grenzen der Besteuerung, S. 58 ff. 1252 Diesen Grundgedanken der Argumentation greift P. Kirchhof, der nicht nur maßgeblich an der Judizierung des Halbteilungsgrundsatzes beteiligt war, sondern diese Verfasste Besteuerungsgrenze bereits lange vor dem Spruch des Bundesverfassungsgerichts in seinem Werk entwickelt hatte, auch nach der Entscheidung zur Vermögensteuer präzisierend auf, so z. B. ders., Besteuerung im Verfassungsstaat, S. 57. 1253 Vgl. BVerfGE 25, 112 (117 f.); 37, 132 (140); 52, 1 (29); 68, 361 (368); 79, 174 (198); 87, 114 (138), wo der Interessenausgleich zwischen Sozialbindung und Eigentumsfreiheit im Kontext der Inhalts- und Schrankenbestimmungen des Art. 14 GG näher erläutert wird; i. d. S. wohl auch H.-J. Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 14, Rn. 160. Zur Funktion der allgemeinen Gesetzlichkeit als einheitsstiftendes Prinzip der Republik ausführlicher K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 519 ff., 560 ff., 584 ff., 617 ff. u. ö.; ders., Freiheit in der Republik, 2. Kap., VI., 5. Kap., IV. u. ö.

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6. Teil: Teilung des Eigentums zwischen Steuerbürger und -staat

zierenden Begriffes verstanden, der eine Verteilung der Ergebnisse wirtschaftlichen Handelns zwischen Bürger und Staat „grundsätzlich zu gleichen Teilen“ postuliere1254. Schließlich mangelt es nach dem Verständnis des Gerichts an der Privatnützigkeit des Eigentums, wenn der Bürger oder Unternehmer mehr als die Hälfte des Erworbenen an den Staat abliefern muss1255, wenn also die steuerliche Belastung einen Satz von mehr als 50% überschreitet1256. Zweifelsohne ist das Bundesverfassungsgericht mit der Judizierung einer Besteuerungsgrenze in der Nähe einer hälftigen Teilung zwischen bürgerlichem Individuum und republikanischer Gemeinschaft einen großen Schritt hin zu einer umfassenden Effektuierung des grundgesetzlichen Schutzes gegenüber dem steuerstaatlichen Zugriff gegangen. Walter Leisner hat die bereits erwähnte „Steuer- und Eigentumswende“1257 ausgemacht. Die substantielle Bedeutung dieser Entscheidung lässt sich wohl erst ermessen, wenn man sich die Historie von Eigentumsgrundrecht und Steuerpflicht in der höchstrichterlichen Rechtsprechung, aber auch in der wissenschaftlichen Diskussion vor Augen führt. Gleichwohl verbleiben nach dem Vermögensteuerbeschluss des Bundesverfassungsgerichtes wie auch der kurze Zeit später ergangenen Entscheidung zur Erbschaftsteuer etliche Ungewissheiten. Bereits die Bestrebungen der obersten Richter, die insbesondere aus Art. 14 GG abgeleiteten Besteuerungsgrenzen nä-

1254 Diese Position unterstützt deutlich – übrigens bereits vor der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts – P. Kirchhof, Grundlinien des Steuerverfassungsrecht in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, StbJb 1994/95, S. 8; ders., Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Vermögen- und Erbschaftssteuer, Stbg 1996, S. 2; ders., Der Einfluss des Verfassungsrechts auf die Entwicklung des Steuerrechts, Stbg 1995, S. 71; grundlegend ders., Staatliche Einnahmen, in: HStR, Bd. IV, § 88, Rn. 78; im Ergebnis ebenso z. B. G. Felix, Zur Diskussion um die steuerlich gemäßigte Belastungsobergrenze, NJW 1997, S. 304; A. Klein, Das neue Steuerverfassungsrecht – Eine Chance für den Steuerzahler?!, BB 1996, S. 1810; eindeutig W. Leisner, Steuer- und Eigentumswende – die Einheitswert-Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts NJW 1995, S. 2594; ders., Eigentum, in: HStR, Bd. VI, § 149, Rn. 151; auch R. Seer, Der sog. Halbteilungsgrundsatz als verfassungsrechtliche Belastungsobergrenze der Besteuerung, FR 1999, S. 1286; ders., Verfassungsrechtliche Grenzen der Gesamtbelastung von Unternehmen, DStJG 23 (2000), S. 105. 1255 Sehr deutlich z. B. H. Butzer, Freiheitsrechtliche Grenzen der Steuer- und Sozialabgabenlast, S. 56. 1256 Ungeachtet dessen stammt das Hälftigkeitsprinzip im Sinne einer Begrenzung steuerlicher Lasten auf einen maximalen Steuersatz von ca. 50% originär nicht vom Bundesverfassungsgericht. Abgesehen von P. Kirchhof findet sich z. B. bei K. H. Friauf, Verfassungsrechtliche Anforderungen an die Gesetzgebung über die Steuern vom Einkommen und vom Ertrag, DStJG 12 (1989), S. 8 f., der Vorschlag für eine verfassungsgestützte Beschränkung des Steuerzugriffs auf einen Steuersatz von höchstens 50%. Eine 50-Prozent-Grenze des Steuerzugriffs thematisiert bereits L. Schemmel, Zur Aufnahme des Leistungsfähigkeitsprinzips und anderer Grenzen für den Steuerstaat in das Grundgesetz, StuW 1995, S. 55 f. 1257 Steuer- und Eigentumswende – die Einheitswert-Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts, NJW 1995, S. 2591.

2. Kap.: Eigentum und Steuern in der Republik

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her zu quantifizieren, stößt nicht auf einhellige Zustimmung. Vor allem aber die Begründungsleistung des Gerichtes, die vordergründig auf einer Auslegung des „zugleich“ in Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG im Wortlaut zu fußen scheint, wird immer wieder kritisch beurteilt1258. Selbst eine weitergehende Interpretation des Begründungsansatzes des Gerichtes, die das Argument der grundsätzlichen Privatnützigkeit eines Vermögensertrages einbezieht, vermag die Stimmen der Kritiker nicht zum Verstummen zu bringen. Obgleich im Urteilstext von einer Gesamtbelastung des (Soll-)Ertrages die Rede ist, hat sich bis dato außerdem nicht abschließend klären lassen, welche Steuern in die Bemessung der Halbteilung einzubeziehen sind. Noch schwieriger gestaltet sich die Frage, ob und inwieweit sonstige, insbesondere sozialversicherungsrechtliche Abgaben – immerhin wird die Eigentumsgewährleistung des Grundgesetzes gegen die Auferlegung öffentlich-rechtlicher Geldleistungspflichten, nicht nur gegen Steuerpflichten in Stellung gebracht – in ein verfassungsrechtlich gebotenes Höchstmaß einzuberechnen sind1259. Dass die Verbindlichkeit des Halbteilungsspruches einschließlich seiner freiheitsrechtlichen Fundierung von der Finanzgerichtsbarkeit nahezu durchgehend abgelehnt wird, dürfte die Sprengkraft dieser Entscheidung in der Rechtspraxis nur bestätigen. Bei aller Kontroversität lassen sich all diese Fragestellungen nicht aus dem Geltungsbereich der Verfassung ausblenden, entfalten sie doch mannigfaltige Berührungspunkte mit dem Eigentum des Steuerbürgers in formaler wie materialer Hinsicht, so dass sie im Folgenden näher beleuchtet werden sollen. 3. Grundsätzliche Notwendigkeit der Quantifizierung der Halbteilung Mit der Feststellung, wann eine Besteuerung den pflichtigen Bürger in seinem Eigentumsrecht über das verfassungsrechtlich gebotene Maß hinaus belastet – nämlich dann, wenn die steuerliche Gesamtbelastung nicht mehr „in der Nähe einer hälftigen Teilung“ verbleibt –, hat das Bundesverfassungsgericht zweifelsohne Neuland beschritten, zumal mit dieser Präzisierung erstmals eine Quantifizierung verfassungsrechtlicher Besteuerungsgrenzen vorgenommen wird1260. Gelegentlich wird ins Feld geführt, dass eine derartig grundlegende Jurisdiktion einer Quantifizierung überhaupt nicht zugänglich sei und, nicht zu1258 Stv. für einige H. P. Bull, Vom Eigentums- zum Vermögensschutz – ein Irrweg. Zur Bewertung der Einheitswert-Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts, NJW 1996, S. 281. („Die verfassungsrechtliche Ableitung dieses zentralen Satzes ist außerordentlich schwach. . . . beruht . . . auf einer bisher nicht vertretenen Auslegung des Wortes ,zugleich‘ in Art. 14 II 2 GG.“) 1259 So z. B. P. Kirchhof, Besteuerung im Verfassungsstaat, S. 58. 1260 Dazu K. Vogel, Vom Eigentums- zum Vermögensschutz – eine Erwiderung, NJW 1996, S. 1258. Die Erstmaligkeit der Quantifizierung durch das Gericht unterstreicht z. B. auch P. Kirchhof, Besteuerung im Verfassungsstaat, S. 58.

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6. Teil: Teilung des Eigentums zwischen Steuerbürger und -staat

letzt ob ihrer grundsätzlichen Bedeutung, nur als qualitative Aussage gewertet werden könne, mithin also eine etwaige Begrenzung der zu erhebenden Steuer und damit des Steuersatzes mangels Quantifizierungsmöglichkeit des Halbteilungsgrundsatzes nicht abzuleiten sei. Unbestritten sollte die Quantifizierbarkeit des Gebots der maximal hälftigen Teilung des privat Erworbenen mit der fiskalischen Hand, letztlich also die Quantifizierung der Begrenzung des steuerlichen Zugriffs auf Einkommen und Vermögen, nicht als völlig unhinterfragtes Apriori hingenommen werden. Die Frage, warum dem Steuerpflichtigen nun gerade die Hälfte seines Einkommens belassen werden soll und nicht etwa 2/3 oder 60 Prozent1261, also die Frage nach der Höhe der verfassungsmäßigen Steuergrenze, trifft aber nicht den eigentlichen Kern, sondern streift das fundamentalere Quantifizierungsproblem nur am Rande. So sehen sich nicht nur Überlegungen um eine mögliche zahlenmäßige Fixierung von verfassungsrechtlichen Besteuerungsgrenzen, sondern sämtliche quantitativen steuerverfassungsrechtlichen Vorgaben mit dem Vorwurf konfrontiert, eine solche Präzisierung oder sogar Quantifizierung würde den Rahmen dessen sprengen, was Verfassungsrechtsprechung zu leisten vermag1262. Wann immer – nicht nur in Steuersachen – das Bundesverfassungsgericht aus allgemeinen Verfassungsprinzipien oder ein anderes Gericht aus offenen Rechtsbegriffen konkretisierende Aussagen ableiten muss, kann diese nähere Bestimmung, diese Konkretisierung, bis zur Quantifizierung gehen1263. Wie anders lässt sich beispielsweise die Frage nach der Zulässigkeit einer prozentualen Sperrklausel beantworten als auf dem Wege einer quantifizierenden Betrachtung?1264 Ob eine solche Quantifizierung, die Recht erkennt, in praxi die Ge1261 Vgl. H. P. Bull, Vom Eigentums- zum Vermögensschutz – ein Irrweg. Zur Bewertung der Einheitswert-Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts, in: NJW 1996, 283. Sinngemäß auch H.-W. Arndt/A. Schumacher, Die verfassungsrechtlich zulässige Höhe der Steuerlast – Fingerzeig des BVerfG an den Gesetzgeber?, NJW 1995, S. 2604. 1262 Zu dieser Problematik, wenn auch im Kontext der Bemessung des einkommensteuerrechtlichen Kinderfreibetrags, H.-W. Arndt/A. Schumacher, Die Minimierung des Existenzminimums im Einkommensteuerrecht – Anmerkungen zum BVerfG-Beschluss vom 14.6.1994, 1 BvR 1022/88, DStR 1994, S. 1219 ff. Den Aufgabenumfang der Verfassungsrechtsprechung stellt z. B. K. A. Schachtschneider, Prinzipien des Rechtsstaates, S. 230 ff., 270 ff., vor; ergänzend ders., Res publica res populi, S. 870 ff. (872 f.), 885 ff., 1137 ff.; umfassend K. A. Bettermann, Die rechtsprechende Gewalt, in: J. Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. III, Das Handeln des Staates, 1988, § 73, passim, insb. Rn. 20 ff., 32 ff., 72 ff. 1263 Allgemein zur Bedeutung der Rechtserkenntnis des Verfassungsgerichts, die nur unter der Prämisse der Moralität der Verfassungsrichter zur Freiheitlichkeit der Lebensverhältnisse in der Republik führt, K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 560 ff., 584 ff., 637 ff. (insb. S. 707 ff.); auch ders., Prinzipien des Rechtsstaates, S. 9 ff. (m.w. N.). 1264 Siehe z. B. BVerfGE 1, 208 (256 ff.), wo eine 5%-Sperrklausel als verfassungsrechtlich zulässig beurteilt wird, eine 7,5%-Klausel hingegen das Maß des verfas-

2. Kap.: Eigentum und Steuern in der Republik

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fahr des Dezisionismus in sich bergen mag1265, sei einmal dahingestellt1266. Vielmehr zählt eine Quantifizierung, die um des Rechts willen geschieht, ja zu der Erkenntnis des Rechts erforderlich ist, zu den Aufgaben der Rechtsprechung in der Republik, die erst mittels notwendiger Bestimmtheit Bürger vor rechtswidrigen Gesetzen zu schützen und so die Freiheit aller zu verwirklichen vermag1267. Gerade bei Verfassungsfragen des Steuerzugriffs, der wie kaum eine andere Facette im Verhältnis von Bürger und Staat mit quantitativen Größenordnungen auf das Engste verbunden ist, auf eine Quantifizierung verfassungsrechtlicher Vorgaben zu verzichten, ja bereits den Versuch zu unterlassen, hieße nicht nur, die Augen vor der Lebenswirklichkeit im Staat zu verschließen, sondern auch die Idee der praktischen Vernunft als eines der Grundprinzipien der Republik in Frage zu stellen. Eine rein auf qualitative Größen gestützte Begrenzung der Steuererhebung nennt Walter Leisner ein Ausweichen vor der eigentlichen Problemstellung und spricht – wenn auch im konkreten Bezug nur zur Erbschaftsteuer, aber doch in der Sache für alle Steuerarten – von einer „quantitativen Wertfrage“1268; denn schlussendlich ist die zu stellende Frage keine andere als die nach dem, was dem Bürger nach dem Steuerzugriff des Fiskus verbleibt, also eine quantitativ höchst bedeutsame Frage. Völlig zutreffend hält Walter Leisner fest: „Eine Steuer, die herkömmlich nach prozentualer Quantität belastet, kann auch nur mit solchem Maßstab gemessen werden.“1269 sungsrechtlich Zulässigen in der Regel übersteigend eingestuft wird; siehe z. B. auch BVerfGE 4, 31 (39 ff.); 6, 84 (90 ff.); 51, 222 (237 ff.). Vgl. beispielhaft auch BVerfGE 85, 264 (324), wo judiziert wird, dass bei einer Parteispende von ehemals DM 20.000,– „von Verfassungs wegen der Name des Spenders . . . im Rechenschaftsbericht zu verzeichnen“ sei, während bei einer Spende von DM 19.900,– auf die Nennung des Namens des Spenders verzichtet werden könne; auch hier erscheint auf der Suche nach einer Erheblichkeitsgrenze eine wie auch immer geartete Quantifizierung seitens des Gerichts unumgänglich. Auch bei Entscheidungen in Zusammenhang mit den diversen Freibeträgen und -grenzen des Steuerrechts beispielsweise kann auf eine quantifizierende Beurteilung durch die Gerichte oftmals nicht verzichtet werden. 1265 So die Befürchtung von K. Vogel, Vom Eigentums- zum Vermögensschutz – eine Erwiderung, NJW 1996, S. 1258. 1266 Zur Gefahr der Herrschaft der Amtswalter bei zu großer Offenheit gesetzlicher Begriffe K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 819 ff., 831 ff. 1267 Erst hinreichend bestimmte Gesetze vermitteln qua Gesetzlichkeit der Republik ihre Freiheitlichkeit, Gleichheitlichkeit und Brüderlichkeit. Dazu ausführlicher K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 850 ff., 866 ff., 882 ff., 886 ff., 894 ff.; 1138; ders., Prinzipien des Rechtsstaates, S. 304 ff., auch S. 122 ff., 270 ff., 317 ff. (Notwendigkeit richterlicher Rechtssetzung); auch P. Kunig, Das Rechtsstaatsprinzip, S. 396 ff. 1268 Erbrecht, in: HStR, Bd. VI, § 150, Rn. 27. 1269 Erbrecht, in: HStR, Bd. VI, § 150, Rn. 27. Noch deutlich zurückhaltender, ebenfalls Bezug nehmend auf die Erbschaftsteuer, ders., Verfassungsrechtliche Grenzen der Erbschaftsbesteuerung, S. 83: „Quantitative Grenzen der Steuerhöhe lassen

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6. Teil: Teilung des Eigentums zwischen Steuerbürger und -staat

Auch wenn es der Jurisprudenz oftmals schwer fällt, grundsätzliche qualitative Aussagen über rechtliche Grenzen in exakte quantitative Maßstäbe zu transferieren, darf das Verfassungsrecht, dürfen Praxis und Lehre der Maßstabsfrage nicht ausweichen; denn eine Grenze, deren Verlauf sich im Falle des Konflikts nicht quantifizieren lässt, hat zwangsläufig einen recht „prekären Charakter“1270. Das Gericht hat der Legislative auferlegt, Gesetze zu geben, die eine annähernd hälftige Teilung zwischen dem privat Erwirtschafteten und dem staatlich Auferlegten sicherstellen sollen. Solche Gesetze vermag der Gesetzgeber unter Verzicht auf jeglichen in den Gesetzen festzulegenden Maßstab, auf eine Quantifizierung und damit Konkretisierung der Steuersätze nicht zu finden. Die Quantifizierung gehört in steuer(-verfassungs-)rechtlichen Fragen systembedingt zu den Unerlässlichkeiten; dies trifft in besonderem Maße für steuerrechtliche Grenzen zu, die nur unter der Prämisse hinreichender Quantifizierung ihre volle Wirkung entfalten können. Ein Verzicht auf eine zahlenmäßige Fixierung der Verfassungsgrenzen für den Fiskus wäre systemwidrig, unvernünftig und würde der Aufgabe des Gerichts, das Recht zu verwirklichen, nicht genügen. Wie der Richterspruch auch müssen Steuergesetze eine Messbarkeit der maximal hälftigen Teilung und eine Quantifizierbarkeit der Belastungsgrenzen mit den üblichen Maßgrößen des Steuerrechts erlauben, letztlich also auch mit der Verfassung zu vereinbarende Höchststeuersätze festlegen. Jede andere gesetzliche Regelung wäre praktisch unvernünftig, nicht sachlich, nicht hinreichend bestimmt, letztlich ungesetzlich und damit ein Verstoß gegen Gleichheit und Freiheit in der Republik. Derartige Regelungen kann das Bundesverfassungsgericht bei seinem Spruch zum Grundsatz der hälftigen Teilung keinesfalls vor Augen gehabt haben. V. Begründungsansätze der hälftigen Teilung zwischen Bürger und Staat 1. Auslegung nach dem Wortlaut Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG fordert, dass der Gebrauch des Eigentums zugleich dem Wohl der Allgemeinheit zu dienen habe. Gestützt auf eine enge Auslegung des Wortes „zugleich“ leitet das Bundesverfassungsgericht den Halbteilungsgrundsatz, mit dem der Steuerzugriff zumindest in der Nähe einer hälftigen Teisich also aus der Eigentumsgarantie nicht an sich, sondern nur in Verbindung mit dem Konfiskationsgedanken bestimmen.“ 1270 So bereits 1988, also lange vor der Rechtsprechung des Gerichts zur Halbteilung, aber die mit einer solchen Grenzziehung in praxi verbundenen Schwierigkeiten vielleicht schon vorausahnend, K. H. Friauf, Verfassungsrechtliche Anforderungen an die Gesetzgebung über die Steuern vom Einkommen und vom Ertrag, DStJG 12 (1989), S. 7.

2. Kap.: Eigentum und Steuern in der Republik

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lung zwischen Bürger und Staat limitiert werden soll, unmittelbar aus dem Wortlauf ab. Dabei interpretiert das Gericht das „zugleich“ des Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG nicht nur als Zeichen eines Nebeneinander von privatem Ertragsnutzen und Gemeinwohldienlichkeit, also im Sinne eines „gleichzeitig“ oder „sowohl als auch“, sondern entnimmt dem Wortlaut eine klare Wertaussage zur prinzipiellen Gleichwertigkeit von Privatnützigkeit und Allgemeinnutzen des Eigentumsgebrauches, ein deutliches „zu gleichen Teilen“1271. In konsequenter Weiterentwicklung wird dies als Votum des Bundesverfassungsgerichts für einen verfassungsrechtlich zulässigen Höchststeuersatz in der Nähe von 50% aufgefasst1272. Die Diskussion über eine Deutung des Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG in seinem Wortlaut als Wertmaßstab einer verfassungsrechtlichen Steuergrenze entzündet sich insbesondere an dem Wort „zugleich“1273. Wiederholt ist die Frage aufgeworfen worden, ob es sich bei dem Halbteilungsgrundsatz um eine etymologische Fragestellung handelt1274. In einem vieldiskutierten Urteil zur Verfassungsmäßigkeit der Belastung eines Steuerpflichtigen durch Einkommen- und Gewerbeertragsteuer, in der auf das Vermögensteuerurteil ausdrücklich Bezug genommen wird, vermag der Bundesfinanzhof die vom Bundesverfassungsgericht vorgenommene Auslegung des Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG nicht zu teilen; insbesondere kann er dem Wortsinn des „zugleich“ lediglich eine „finale“ Bedeutung, jedoch kein „arithmetisches Element“ im Sinne einer Zuordnung zu rechnerisch gleichen Teilen, also eine Größenordnung von 50% entnehmen1275. 1271 So insbesondere der spiritus rector des Halbteilungssatzes, P. Kirchhof, Staatliche Einnahmen, in: HStR, Bd. IV, § 88, Rn. 78; ebenso ders., Grundlinien des Steuerverfassungsrecht in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, StbJb 1994/ 95, S. 8; ders., die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Vermögen- und Erbschaftssteuer, Stbg 1996, S. 2; ders., Der Einfluss des Verfassungsrechts auf die Entwicklung des Steuerrechts, Stbg 1995, S. 71; sinngemäß z. B. auch G. Felix, Zur Diskussion um die steuerlich gemäßigte Belastungsobergrenze, NJW 1997, S. 304; A. Klein, Das neue Steuerverfassungsrecht – Eine Chance für den Steuerzahler?!, BB 1996, S. 1810; eindeutig W. Leisner, Steuer- und Eigentumswende – die EinheitswertBeschlüsse des Bundesverfassungsgerichts, NJW 1995 S. 2594; ders., Eigentum, in: HStR, Bd. VI, § 149, Rn. 151; auch R. Seer, Der sog. Halbteilungsgrundsatz als verfassungsrechtliche Belastungsobergrenze der Besteuerung, FR 1999, S. 1286; ders., Verfassungsrechtliche Grenzen der Gesamtbelastung von Unternehmen, DStJG 23 (2000), S. 105. 1272 So z. B. W. Leisner, Steuer- und Eigentumswende – die Einheitswert-Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts, NJW 1995, S. 2594. 1273 Dazu näher im Folgenden. 1274 So H. List, Der Halbteilungsgrundsatz – ein etymologisches Problem?, NJW 2000, S. 1840. Die Diskussion um den Wortsinn greift z. B. auch R. Seer, Der sog. Halbteilungsgrundsatz als verfassungsrechtliche Belastungsobergrenze der Besteuerung, FR 1999, S. 1286; ders., Verfassungsrechtliche Grenzen der Gesamtbelastung von Unternehmen, DStJG 23 (2000), S. 105 f., auf. 1275 Vgl. BFH v. 11.8.1999 – XI R 77/97, BStBl. II 1999, S. 771 = BB 1999, S. 2385 = DB 1999, S. 2241. Dazu umfassender H. List, Der Halbteilungsgrundsatz und der Bundesfinanzhof – ein Missverständnis?, BB 2000, S. 747 f.

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6. Teil: Teilung des Eigentums zwischen Steuerbürger und -staat

Ob dem Wort „zugleich“ tatsächlich die Formel „zu gleichen Teilen“ entnommen werden kann, ist auch in der wissenschaftlichen Diskussion umstritten und hat in der Vergangenheit für etliche, teilweise mit großem Eifer erarbeitete Traktate gesorgt1276. So hat z. B. Horst Sendler den „allgemeinen Sprachgebrauch“ bemüht, der „zugleich“ als „gleichzeitig“ und nicht als „zu gleichen Teilen“ versteht1277, um kurze Zeit später nach einer pointenreichen und wortgewandten Auseinandersetzung mit dem Thema noch kritischer festzuhalten: 1276 Exemplarisch sei auf die diskursive Auseinandersetzung von H. List, Der Halbteilungsgrundsatz – ein etymologisches Problem?, NJW 2000, S. 1840 ff., und H. Sendler, Streitigkeiten über den Streit um den Halbteilungsgrundsatz, NJW 2000, S. 483 ff.; fortgesetzt von ders., Der Halbteilungsgrundsatz und die Etymologie, NJW 2000, S. 2481 ff., hingewiesen, die im Folgenden nochmals aufgegriffen wird. Die Wortauslegung beleuchten aber z. B. auch H. Butzer, Freiheitsrechtliche Grenzen der Steuer- und Sozialabgabenlast, S. 55 f.; ders., Der Halbteilungsgrundsatz und seine Ableitung aus dem Grundgesetz, StuW 1999, S. 239; M. Jachmann, Verfassungsrechtliche Grenzen der Besteuerung, S. 60 f.; dies., Steuergesetzgebung zwischen Gleichheit und wirtschaftlicher Freiheit, S. 48 f.; G. Felix, Konsequenzen aus den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zur Vermögens- und Erbschaftsbesteuerung, BB 1995, S. 2241; ders., Zur steuerlich gemäßigten Belastungsobergrenze – Steine statt Brot vom BVerfG?, NJW 1996, S. 703; J. Lang, Vom Verbot der Erdrosselungssteuer zum Halbteilungsgrundsatz, in: P. Kirchhof et al. (Hrsg.), Staaten und Steuern, Festschrift für Klaus Vogel zum 70. Geburtstag, 2000, S. 173 ff.; ders., Wider Halbteilungsgrundsatz und BVerfG. Der BFH verbleibt an der Grenze konfiskatorischer Besteuerung, NJW 2000, S. 457; ders., in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 4, Rn. 223; R. Seer, Der sog. Halbteilungsgrundsatz als verfassungsrechtliche Belastungsobergrenze der Besteuerung, FR 1999, S. 1280; ders., DStJG 23 (2000), S. 106 ff.; K. Vogel, Eigentumsgarantie, Handlungsfreiheit und Steuerrecht, in: M.-E. Geis/D. Lorenz (Hrsg.), Staat, Kirche, Verwaltung. Festschrift für Hartmut Maurer zum 70. Geburtstag, 2001, S. 297 ff.; ders., Die Steuergewalt und ihre Grenzen, in: P. Badura/H. Dreier (Hrsg.), Festschrift 50 Jahre Bundesverfassungsgericht, 2001, S. 532 ff. Insgesamt deutlich ablehnend E.-W. Böckenförde, BVerfGE 93, 149 (157); auch z. B. J. Wieland, Der Vermögensteuerbeschluss – Wende in der Eigentumsrechtsprechung?, in: B. Guggenberger/T. Würtenberger (Hrsg.), Hüter der Verfassung oder Lenker der Politik?, Baden-Baden 1998, S. 173 f.; ders., Freiheitsrechtliche Vorgaben für die Besteuerung von Einkommen, DStJG 24 (2001), S. 35 ff.; sinngemäß auch H.-W. Arndt, Konsequenzen für den Gesetzgeber aus den Beschlüssen des Bundesverfassungsgerichts vom 22.6.1995 zur Vermögen- und Erbschaftsteuer, BB 1996, Beilage 7, S. 3 ff.; P. Fischer, Der Halbteilungsgrundsatz in der Krise, FR 1999, S. 1292; K. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. I, S. 449 ff.; ähnlich ders., Über die Grenzen der Vermögensteuer – Zugleich Besprechung des BVerfG-Beschlusses vom 22.6.1995, GmbHR 1996, S. 12 f.; deutlich H. Weber-Grellet, Steuern im modernen Verfassungsstaat, 2001, S. 65 ff.; wohl auch D. Birk, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, § 4, Rn. 627; H.-G. Dederer, Halbteilungsgrundsatz – woher, wohin? Zum Urteil des BFH vom 11.8.1999, StuW 2000, S. 91; M. I. Thomas, Die Halbteilung und der Sturm im Wasserglas, DStR 1998, S. 1493. 1277 Streitigkeiten über den Streit um den Halbteilungsgrundsatz, NJW 2000, S. 483, wo Sendler zu einem Beschluss des BFH v. 17.7.1998 in Sachen Geltung des Halbteilungsgrundsatzes über den Begründungsgehalt des „zugleich“ anmerkte, „ein aufmüpfigeres Gericht hätte vielleicht noch darauf hingewiesen, dass die rechtliche Begründung des Halbteilungssatzes, die sich auf das Wörtchen ,zugleich‘ . . . stützt, den im BVerfG [im Original kursiv] bestehenden Kenntnissen der deutschen Sprache kein gutes Zeugnis ausstelle . . .“ Für eine Interpretation des „zugleich“ als „gleichzeitig“ oder

2. Kap.: Eigentum und Steuern in der Republik

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„Noch immer nagen nämlich in mir Zweifel, ob nach heutigem Sprachgebrauch und -verständnis das Wörtchen „zugleich“ die Bedeutung der gleichen Teile einschließt.“1278

Jedenfalls der heutige Sprachgebrauch kennt das Wörtchen „zugleich“ nicht zwingend als Synonym für ein in Zahlendimensionen fassbares „zu gleichen Teilen“1279. Allerdings lässt sich diese Begriffsbedeutung offenbar bis in das Jahr 1665 zurückverfolgen1280, womit eine etymologische Verwertbarkeit dieses Terminus für Zwecke des Steuerverfassungsrechts zumindest nicht gänzlich abzulehnen wäre. In eine ähnliche Richtung zielt eine am Wortlaut orientierte Aufarbeitung der Thematik, die das Grimmsche Wörterbuch für eine Begriffsanalyse bemüht1281: „Wenn eheleut nicht zugleich [Hervorh. d. Verf.] ziehen, so bleibt der hauszwagen im koth stecken.“

Auch dieser vermeintlich auf die Möglichkeit einer quantifizierenden Auslegung deutende Beleg, der in diesem Fall eine Zuordnung „zu gleichen Teilen erahnen ließe, lässt sich trefflich in Frage stellen, wenn man bedenkt, dass Eheleute auch nicht zwingend „zu gleichen Teilen“ ziehen können, da sie oftmals über unterschiedliche Kräfte verfügen. Vielmehr weist dieses Zitat aus dem Grimmschen Wörterbuch den Pfad für ein immer noch zeitgemäßes Verständnis des Wortes „zugleich“: die Eheleute müssen – um dem Bild des Grimmschen Wörterbuches treu zu bleiben –, „wenn der Wagen nicht stecken bleiben soll, nach Maßgabe ihrer unterschiedlichen Kräfte „zugleich“, also gemeinsam [Hervorh. d. Verf.] und gleichzeitig [Hervorh. d. Verf.] zupacken.“1282 Mit dem Textauszug aus Grimms Wörterbuch lässt sich die These einer hälftigen Verteilung, noch dazu im Sinne einer genauen Quantifizierung, auf den ersten Blick nur bedingt stützen; stattdessen tritt der Aspekt der Gemeinsamkeit, der Gemeinschaftlichkeit, in den Vordergrund, den auch das Sozialprinzip1283 der „zur gleichen Zeit“ in der jüngeren Diskussion z. B. auch O. Geißler, Der Unternehmer im Dienste des Steuerstaats, S. 134. 1278 H. Sendler, Der Halbteilungsgrundsatz und die Etymologie, NJW 2000, S. 2481. 1279 Sinngemäß z. B. auch K. Tipke, Über die Grenzen der Vermögensteuer – Zugleich Besprechung des BVerfG-Beschlusses vom 22.6.1995, GmbHR 1996, S. 12. („. . . sicher keine zwingende Interpretation“); noch kritischer J. Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 4, Rdn. 223. („Der Halbteilungsgrundsatz wird m. E. zu positivistisch aus dem Wort „zugleich“ abgeleitet: Die Halbteilung kann schwerlich einem Wort des Art. 14 II 2 GG, dessen Wortlaut nicht auf Steuern hinweist, entnommen werden.“) 1280 Vgl. Trübners Deutsches Wörterbuch, 8. Bd., 1957, S. 649 f. Siehe auch die Hinweise bei P. Kirchhof, Besteuerung im Verfassungsstaat, S. 57 (Fn. 155); H. List, Der Halbteilungsgrundsatz – ein etymologisches Problem?, NJW 2000, S. 1840 ff. 1281 Ausführlicher H. Sendler, Der Halbteilungsgrundsatz und die Etymologie, NJW 2000, S. 2481 f. (Zitat S. 2481). 1282 M.E. treffend H. Sendler, Der Halbteilungsgrundsatz und die Etymologie, NJW 2000, S. 2481. 1283 Zum republikanischen Sozialprinzip ausführlich im 4. Teil (m. zahlr. Hinw.).

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6. Teil: Teilung des Eigentums zwischen Steuerbürger und -staat

Republik als elementare Prämisse bürgerlicher Gemeinschaft und Solidarität kennt1284. Manches deutet also darauf hin, dass sich das grundgesetzliche „zugleich“ nicht auf ein bloßes Nebeneinander von privatem und gesellschaftlichem Nutzen des Eigentumsgebrauches reduzieren lässt, sondern der Sinngehalt des Wortes – wie auch immer geartete – gemeinschaftliche, damit impliziert wenigstens im Grundsatz gleichberechtigte Nutzungsmöglichkeiten des privaten Eigentums stützt1285. Einerseits erscheint es fraglich, ob sich eine Herleitung des Hälftigkeitsprinzips in einer textlichen Auslegung des Wortes „zugleich“ in Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG abschließend erschöpfen kann und darf1286, bieten doch der Spruch des Verfassungsgerichts, vor allem aber die Lehre der Republik weitere Ansatzpunkte für eine konsistente Entwicklung des Halbteilungssatzes aus dem Eigentumsgrundrecht in der Gesamtschau der republikanischen Verfassung1287. Andererseits darf das „zugleich“ in seiner Bedeutsamkeit als „Schlüsselwort“1288 nicht geschmälert werden, welches das in Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG verankerte Halbteilungsgebot, auch in seiner quantitativen Dimension, aktiviert und mit der substantiellen Idee der Privatheit untrennbar verknüpft. Walter Leisner1289 ist in seiner Konklusion nur beizupflichten, wenn er formuliert: „,Zugleich – grundsätzlich zu gleichen Teilen‘ – gewiss eine konstruktive Auslegung; doch welche andere Interpretation kann diesem Schlüsselwort gerecht werden, über das mehr als vier Jahrzehnte einfach hinweggelesen wurde?“

1284 Vgl. umfassend etwa K. A. Schachtschneider, Das Sozialprinzip, passim; siehe auch den 4. Teil. 1285 Weitergehend H. List, Der Halbteilungsgrundsatz – ein etymologisches Problem?, NJW 2000, S. 1840; ergänzend z. B. auch R. Seer, Der sog. Halbteilungsgrundsatz als verfassungsrechtliche Belastungsobergrenze der Besteuerung, FR 1999, S. 1286; ders., Verfassungsrechtliche Grenzen der Gesamtbelastung von Unternehmen, DStJG 23 (2000), S. 105 f. Ähnlich auch die Argumentation von P. Kirchhof, in: HStR, Bd. IV, § 88, Rn. 78, wenn er die „Gleichwertigkeit“ von Privat- und Allgemeinnützigkeit thematisiert. 1286 Gegen diese Form der Herleitung z. B. H. Butzer, Freiheitsrechtliche Grenzen der Steuer- und Sozialabgabenlast, S. 76; auch ders., Der Halbteilungsgrundsatz und seine Ableitung aus dem Grundgesetz, StuW 1999, S. 239; substantiell M. Jachmann, Verfassungsrechtliche Grenzen der Besteuerung, S. 60; kritisch auch K. Tipke, Über die Grenzen der Vermögensteuer. Zugleich Besprechung des BVerfG-Beschlusses vom 22.6.1995, GmbHR 1996, S. 12. 1287 Ausführlicher unten. 1288 Mit überzeugender Erläuterung W. Leisner, Steuer- und Eigentumswende – die Einheitswert-Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts, NJW 1995, S. 2594. Gegen eine Auslegung eng am Text z. B. M. Jachmann, Steuergesetzgebung zwischen Gleichheit und wirtschaftlicher Freiheit, S. 48; ähnlich auch K. H. Friauf, Verfassungsrechtliche Anforderungen an die Gesetzgebung über die Steuern von Einkommen und Ertrag, DStJG 12 (1989), S. 8. 1289 Ebenda.

2. Kap.: Eigentum und Steuern in der Republik

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2. Besteuerungsgrenze „Privatnützigkeit des Eigentumsgebrauches“ a) Beschränkung des Steuerzugriffs durch das Postulat der Privatnützigkeit Auch wenn der Passus „zugleich“ in Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG das Verhältnis von Steuer und Eigentum nicht befriedigend, geschweige denn abschließend zu klären vermag, so dass sich die unmittelbare Herleitung einer Besteuerungsobergrenze allein aus dem Wortlaut schwierig gestaltet, wird der Halbteilungsgrundsatz in seiner Existenz nicht etwa hinfällig. Schließlich hat das Bundesverfassungsgericht Hand in Hand mit seiner Textauslegung einen Begründungsansatz entwickelt, bei dem es sich für die Ermittlung einer verfassungsrechtlichen Obergrenze der Steuerbelastung privatwirtschaftlichen Handelns am Verhältnis von Privatnützigkeit und Sozialpflichtigkeit orientiert, wie es Art. 14 Abs. 2 GG zeichnet. So leitet es, auch gestützt auf das vieldiskutierte Wörtchen „zugleich“, ausgehend von der Einheit des Privatnützigkeitsprinzips1290 und der Sozialpflichtigkeit des Eigentums („Wohl der Allgemeinheit“)1291 als ausgleichende Größe zwischen diesen beiden vermeintlichen Gegensätzen – privater Nutzen und Gemeinwohl – den Halbteilungsgrundsatz her1292. Die Sozialpflich1290 Vgl. in der Entscheidung zur Vermögensteuer BVerfGE 93, 121 (137); bereits auch BVerfGE 24, 367 (390); 31, 229 (240); 37, 132 (140); 50, 290 (339); 52, 1 (30); 58, 300 (345); 70, 191 (200); 79, 174 (198); 79, 292 (303); 81, 208 (220); 87, 114 (138 f.); 91, 294 (308 f.); auch später, etwa BVerfGE 100, 226 (247); 100, 289 (303) u. ö.; grundlegend R. Reinhardt, Wo liegen für den Gesetzgeber die Grenzen, gemäß Art. 14 des Bonner Grundgesetzes über Inhalt und Schranken des Eigentums zu bestimmen, in: ders./U. Scheuner, Verfassungsschutz des Eigentums, 1954, S. 10 ff., 33 ff.; W. Leisner, Sozialbindung des Eigentums, S. 171 ff. (kritisch); ders., Eigentum – Grundlage der Freiheit, S. 26, 44; ders., Eigentum, in: HStR, Bd. VI, § 149, Rn. 44, 74, 140; H.-J. Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 14, Rn. 366 ff.; P. Badura, Eigentum, in: HVerfR, S. 330, 342; für die Position der Republik vgl. K. A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 277 ff.; ders., Res publica res populi, S. 1004, 1023 ff.; ders., Das Recht am und das Recht auf Eigentum, in: FS W. Leisner, S. 754, 772; grundlegend auch ders., Freiheit in der Republik, 8. Kap., III., IV., 10. Kap., II., VII. Zur Einbindung in den Kontext der Besteuerung etwa M. Jachmann, Steuergesetzgebung zwischen Gleichheit und wirtschaftlicher Freiheit, S. 48 ff.; dies., Verfassungsrechtliche Grenzen der Besteuerung, S. 59 ff., auch S. 9 ff., 25 ff., jew. m.w. N. Vgl. auch die ergänzenden Ausführungen im 3. Teil, 2. Kap., III, IV., auch 3. Kap., 5. Teil, 1. Kap. 1291 Siehe dazu BVerfGE 8, 71 (80); 20, 351 (356); 25, 112 (117); 37, 132 (140 f.); 52, 1 (29); 81, 208 (222); 89, 1 (9); 100, 226 (240 f.); 102, 1 (17 f.); substantiell K. A. Schachtschneider, Das Recht am und das Recht auf Eigentum, in: FS W. Leisner, S. 755 ff., insb. S. 773 f.; ders., Freiheit in der Republik, 10. Kap., auch 8. Kap., III; ders., Grenzen der Kapitalverkehrsfreiheit, in: K. A. Schachtschneider (Hrsg.), Rechtsfragen der Weltwirtschaft, S. 266 ff.; auch ders., Fallstudie Atomrecht, S. 375 ff.; vgl. auch 5. Teil, 1. Kap., II. 1292 Vgl. BVerfGE 93, 121 (138); ablehnend in seinem Votum E.-W. Böckenförde, BVerfGE 93, 121 (157 ff.); relativierend der Erste Senat BVerfGE 95, 267 (300 f.); hierzu K. A. Schachtschneider, Umsatzbesteuerung der Mineralölsteuer, S. 45 f.

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6. Teil: Teilung des Eigentums zwischen Steuerbürger und -staat

tigkeit des Eigentums als substantielle Facette des Sozialprinzips rechtfertigt den Steuerzugriff auf das Eigentum, sei es nun auf die Eigentumssubstanz oder auf den Eigentumsgebrauch. Ebenso – fast wäre man versucht zu sagen: zugleich – schützt das Eigentumsgrundrecht nicht nur eine substanzsichernde Komponente, eine Innehabung des Eigentums, sondern gewährleistet auch die Nutzungs- und Verfügungsmöglichkeiten des Eigentums, garantiert letztlich eben die private Nutzbarmachung des Eigentums. Dieser Konstruktionslogik folgend zeichnet sich das Eigentum durch Privatnützigkeit, aber auch durch Sozialpflichtigkeit aus1293, so dass konsequenterweise die Besteuerung als Ausprägung sozialer Pflichtigkeit ihre Begrenzung in der grundsätzlichen Privatnützigkeit des Eigentums(gebrauches) erfahren muss1294. Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG untermauert dies, ist dem Text des Grundgesetzes doch zu entnehmen, dass der Gebrauch des Eigentums „zugleich dem Wohl der Allgemeinheit dienen soll.“ Allemal ist somit Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG ein Nebeneinander von Privatnützigkeit und Gemeinwohldienlichkeit im Sinne eines „sowohl als auch“ zu entnehmen; in dieser Auslegung liefert der Wortlaut des Grundgesetzes in Gestalt des Wörtchens „zugleich“ quasi den Minimalkonsens1295. Der Steuerzugriff auf das Eigentum, wenigstens in seiner Gebrauchshaftigkeit, hat in jedem Fall so zu erfolgen, dass diesen beiden Anforderungen Rechnung getragen wird, dass insbesondere bei aller Pflichtigkeit für die Bürgergemeinschaft die grundgesetzlich verankerte, private Nützigkeit des Eigentums für den einzelnen Bürger erhalten bleibt. Damit wird für das steuergebundene Privateigentum eine Grundsatzrelation von Privatnützigkeit und Sozialpflichtigkeit statuiert, die als grundgesetzlich verbürgte Grenzlinie gegen den Zugriff des Fiskus in Stellung gebracht werden kann – konkreter gefasst oder gar quantifiziert werden kann diese Besteuerungsgrenze damit noch nicht. Eine derart abstrakte Steuergrenze bedarf hinreichender Bestimmtheit, idealiter genauer Quantifizierung, um ihre Wirksamkeit nicht zu verfehlen1296. So ist zu fragen, ab welcher steuerlichen Gesamtbelastung die Grenze der Privatnützigkeit des Eigentumsgebrauches überschritten wird. Bei isolierter Betrachtung scheint verfassungsrechtlich jegliche Besteuerung noch gedeckt zu sein, die 1293

Siehe z. B. BVerfGE 37, 137 (140 f.); 100, 226 (240). Vgl. steuerspezifisch z. B. H. Butzer, Freiheitsrechtliche Grenzen der Steuerund Sozialabgabenlast, S. 82 u. ö.; grundlegend zur Privatnützigkeit außerdem z. B. O. Depenheuer, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. I, Art. 14, Rn. 207; W. Leisner, Eigentum, in: HStR, Bd. VI, § 149, Rn. 140. 1295 So übrigens lange vor dem Halbteilungsbeschluss auch P. Kirchhof, Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), S. 271 f., demzufolge „das ,Zugleich‘ von Allgemein- und Privatnützigkeit . . . staatliches und privates Ertragsbegehren nebeneinander zur Geltung“ bringt. Wie oben gezeigt, hat Kirchhof diese Basisposition in weitgreifenden Schritten bis zur Halbteilungsjudikatur fortentwickelt. 1296 Zur Notwendigkeit einer Quantifizierung steuerverfassungsrechtlicher Grenzen siehe oben. 1294

2. Kap.: Eigentum und Steuern in der Republik

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dem Bürger einen beliebig großen oder auch kleinen Anteil an den Früchten seiner Eigentumsnutzung belässt. Ein auch nur in Ansätzen ausgewogenes Verhältnis zwischen Privatnützigkeit und Sozialpflichtigkeit, wie es auch Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG postuliert, wird mit einem derartigen Steuerzugriff allerdings nicht erreicht. Selbst unstrittige Steuergrenzen der republikanischen Verfassung – man denke nur an das Verbot der Erdrosselungsbesteuerung – würden dem Steuerpflichtigen umfassenderen Schutz angedeihen lassen als ein so interpretiertes Privatnützigkeitsgebot. Diese verfassungsrechtliche Markierungslinie des Steuerstaates, die weiterer Entwicklung bedarf, gewinnt ihre Aussagekraft also erst im direkten Zusammenspiel von privater Nutzungs- und staatlicher Entzugsmöglichkeit. b) Quantifizierung von Steuergrenzen auf Basis vorrangiger Privatnützigkeit in der Jurisdiktion des Bundesverfassungsgerichts Mit deutlicher Nähe zu diesen Gedanken hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung zur Vermögensteuer, aber auch schon im Vorfeld, das Privatnützigkeitskriterium in Richtung einer quantifizierenden Auslegung interpretiert1297. Um die Privatnützigkeit des Eigentumsgebrauches auch nach dem Steuerzugriff sicherzustellen, darf der individuelle Handlungsspielraum des Eigentümers, also sein Recht zur Eigentumsnutzung, nicht derart beschränkt werden, dass selbst das existenznotwendige Einkommen weggesteuert wird1298. Schließlich würde sich – sofern überhaupt vorhanden – der private Nutzen der Eigentümerbemühungen in einer Grundsicherung der eigenen Existenz erschöpfen. Stellte man das privatnützige Ertragsergebnis auf eine Stufe mit dem disponiblen Einkommen1299, wäre selbst bei einer Steuerfreistellung des Existenzminimums der Idee grundsätzlicher Privatnützigkeit noch nicht Genüge getan1300. 1297 BVerfGE 87, 153 (171) fordert, dass dem Steuerpflichtigen von seinen Erwerbsbezügen zumindest das belassen werden müsse, was der Gesetzgeber typischerweise einem Bedürftigen zur Befriedigung seines existenznotwendigen Bedarfs aus öffentlichen Mitteln zur Verfügung stellt. 1298 Wie schon BVerfGE 87, 153 (169) verlangt BVerfGE 93, 165 (137), dass dem Steuerpflichtigen „ein Kernbestand des Erfolges eigener Betätigung im wirtschaftlichen Bereich“ zu verbleiben habe, der vom Gericht im Folgenden als freiheitsvermittelnder Ausdruck „grundsätzlicher Privatnützigkeit“ und „grundsätzlicher Verfügungsbefugnis über die geschaffenen vermögenswerten Rechtspositionen“ identifiziert wird. 1299 Vgl. grundlegend zu den Fragen des disponiblen Einkommens etwa J. Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, S. 549 ff.; zur Diskussion statt vieler H.-W. Arndt/A. Schumacher, Die Minimierung des Existenzminimums im Einkommensteuerrecht – Anmerkungen zum BVerfG-Beschluss vom 14.6.1994, 1 BvR 1022/ 88, DStR 1994, S. 1219. P. Bareis, Transparenz bei der Einkommensteuer – Zur systemgerechten Behandlung so genannter „notwendiger Privatausgaben“, StuW 1991, S. 39 ff., insb. S. 41; M. Lehner, Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Verfassungswidrigkeit des Grundfreibetrages in den Jahren 1978 bis 1984, 1986, 1988 und 1991, DStR 1992, S. 1641 ff.; C. Starck, Urteilsanmerkung, JZ 1993, S. 311.

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6. Teil: Teilung des Eigentums zwischen Steuerbürger und -staat

Weiterhin entnimmt das oberste Gericht der Besteuerungsgrenze der Privatnützigkeit die Vorgabe, dass dem Eigentümer ein Erfolg der Eigentumsnutzung zu belassen sei, der ihm jedenfalls eine Finanzierung seiner Lebensführung erlaube1301. Diese Freistellung vom Steuerzugriff basiert auf der Erkenntnis des Gerichts, dass das Eigentum in seiner Funktion als Element der Sicherung persönlicher Freiheit zu schützen sei1302. Bewusst eröffnet das Verfassungsgericht den Geltungsbereich des Art. 6 Abs. 1 GG und bezieht in diese Bezugsgröße die Familie des pflichtigen Bürgers ein1303. Das Besteuerungsmaß der Privatnüt1300 Sinngemäß K. H. Friauf, Verfassungsrechtliche Anforderungen an die Gesetzgebung über die Steuern von Einkommen und Ertrag, DStJG 12 (1989), S. 31 f.; P. Kirchhof, Steuergerechtigkeit und sozialstaatliche Geldleistungen, JZ 1982, S. 309; ders., Empfiehlt es sich, das Einkommensteuerrecht zur Beseitigung von Ungleichbehandlungen und zur Vereinfachung neu zu ordnen?, Gutachten für den 57. DJT, S. F 51; R. Wendt, Empfiehlt es sich, das Einkommensteuerrecht zur Beseitigung von Ungleichbehandlungen und zur Vereinfachung neu zu ordnen?, DÖV 1988, S. 720; ergänzend zu dieser Diskussion L. Schemmel, Das einkommensteuerliche Existenzminimum: Berücksichtigung der Menschenwürde im Steuerrecht oder politisch gestaltbare Vergünstigung?. Anmerkungen zum Beschluss des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 25.9.1992, StuW 1993, S. 70 ff. 1301 An dieser Stelle rekurriert BVerfGE 93, 121 (140 f.) zwar zunächst auf das der „persönlichen Lebensführung“ dienende Vermögen, schließt aber qua Sollertragsbesteuerung auch die Steuerbelastung von Erträgen explizit in diese Schutzzone ein („Er [der Steuergesetzgeber; Erg. d. Verf.] muss deshalb jedenfalls die wirtschaftliche Grundlage persönlicher Lebensführung gegen eine Sollertragsteuer abschirmen“, Zitat S. 141). 1302 Vgl. statt vieler BVerfGE 50, 290 (340 f.); 58, 81 (112); 79, 283 (289); auch BVerwG, NVwZ 1989, 1157 (1160). Hierzu z. B. K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rn. 448; steuerspezifisch K. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. I, S. 924. 1303 BVerfGE 93, 121 (LS 5, 141 f.); zu unterschiedlichen Facetten der steuerlichen Berücksichtigung der Familie, auch schon vor der Halbteilungsjudikatur, z. B. H.-W. Arndt/A. Schumacher, Einkommensbesteuerung und Grundrechte. Zum Einfluss grundrechtlicher Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts auf die Entwicklung der Einkommensbesteuerung in der Bundesrepublik Deutschland, AöR 118 (1993), S. 564 ff.; P. Badura, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 6, Rn. 82 ff.; D. Birk/R. Wernsmann, Der Schutz von Ehe und Familie im Einkommensteuerrecht, JZ 2001, S. 220 ff.; H. B. Brockmeyer, Verfassungsrechtliche Maßstäbe für eine gerechte Familienbesteuerung, DStZ 1999, S. 666 ff.; H.-J. Kanzler, Besteuerung von Ehe und Familie, DStJG 24 (2001), S. 417 ff.; P. Kirchhof, Der Schutz von Ehe und Familie, Essener Gespräche zum Thema Staat und Kirche, 1986, S. 7 ff.; ders., Ehe- und familiengerechte Gestaltung der Einkommensteuer, NJW 2000, S. 2792 ff.; F. Klein, Die unzureichende steuerliche Berücksichtigung der Minderung der Leistungsfähigkeit durch Kinder, DStR 1987, S. 779 ff.; J. Lang, Familienbesteuerung. Zur Tendenzwende der Verfassungsrechtsprechung durch das Urt. des Bundesverfassungsgerichts vom 3.11.1982 und zur Reform der Familienbesteuerung, StuW 1983, S. 103 ff.; ders., Verfassungsrechtliche Gewährleistung des Familienexistenzminimums im Steuer- und Kindergeldrecht, StuW 1990, S. 331 ff.; R. Mellinghoff, Verfassungsrechtliche Maßstäbe für die Besteuerung von Ehe und Familie, in: Internationale Juristen-Kommission (Hrsg.), Grundrechtsschutz im Steuerrecht, 2001, S. 39 ff.; H.-J. Pezzer, Verfassungsrechtliche Perspektiven der Familienbesteuerung, in: W. Fürst (Hrsg.), Festschrift für Wolfgang Zeidler, Bd. 1, 1987, S. 757 ff.; ders., Fami-

2. Kap.: Eigentum und Steuern in der Republik

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zigkeit für den Gebrauch des Eigentums zieht dem Steuergesetzgeber also dergestalt Grenzen, dass dem Steuerpflichtigen nach dem Fiskalzugriff ausreichende Mittel zur Lebensführung für sich und seine Familie zur Verfügung stehen müssen1304. Die Ressourcen der Lebensführung genießen einen besonders ausgeprägten Schutz1305, sichern sie doch „die persönliche Freiheit des Einzelnen in Ergänzung der im Wesentlichen durch Arbeitseinkommen und Sozialversicherungsanspruch sowie durch Gewerbe und andere selbständige Tätigkeit gewährten Sicherheit.“1306 Insbesondere weist das Bundesverfassungsgericht darauf hin, dass für die individuelle oder familiäre Lebensgestaltung das normale oder durchschnittliche „Gebrauchsvermögen“ (im Wert eines typischen Einfamilienhauses) keiner Besteuerung, auch keiner Sollertragsbesteuerung in Form von Vermögen- oder Erbschaftsteuer unterworfen werden dürfe1307. Daneben können aber auch z. B. Wohnungsausstattung1308 oder Auto1309 zu dem, wenigstens für Belange der Vermögensteuer, zu schonenden Gebrauchsvermögen zählen. Für alle weiteren Eigentumsbestandteile, die weder zum absoluten Existenzminimum des Steuerpflichtigen zu rechnen sind noch seiner persönlichen oder familiären Lebensführung dienen und deren Steuerbeitrag nicht aus der tatsächlichen oder fingierten Vermögenssubstanz erbracht werden muss, will das Bundesverfassungsgericht den Halbteilungsgrundsatz angewendet sehen: Jedenfalls die Hälfte privatwirtschaftlich erzielter oder erzielbarer Erträge müssen nach diesem Prinzip vom Zugriff des Fiskus verschont bleiben1310. lienbesteuerung und Grundgesetz, StuW 1989, S. 219 ff., insb. S. 223; K. Vogel, Zum Fortfall der Kinderfreibeträge bei der Einkommensteuer. Der neue „Familienlastenausgleich“ und seine Verfassungsmäßigkeit, NJW 1974, S. 2105 ff.; mit kritischen Zwischentönen ders., Berücksichtigung von Unterhaltspflichten im Einkommensteuerrecht – Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 23.11.1976 und die Zukunft der Familienbesteuerung, DStR 1977, S. 31 ff.; W. Zeidler, Verfassungsrechtliche Fragen zur Besteuerung von Familien- und Alterseinkommen StuW 1985, S. 1 ff. 1304 Siehe etwa M. Jachmann, Verfassungsrechtliche Grenzen der Besteuerung, S. 61 ff.; dies., Steuergesetzgebung zwischen Gleichheit und wirtschaftlicher Freiheit, S. 49 f. 1305 Vgl. BVerfGE 24, 367 (389) = NJW 1969, S. 39; BVerfGE 50, 290 (399 f.) = NJW 1979, S. 699; st. Rspr. 1306 BVerfGE 93, 121 (141). Der Topos des Subsidiaritätsprinzips, der eine vorrangige Bewältigung des Lebens durch den Bürger einfordert, klingt an dieser Stelle deutlich an, wird jedoch auf eine ökonomische Dimension reduziert. Wie im Folgenden zu zeigen sein wird, erschöpft sich das der Subsidiaritätsidee zugrunde liegende Privatheitsprinzip nicht in dieser Eindimensionalität; dazu näher im 3. Teil, 2. Kap., II., III. u. ö. 1307 Vgl. BVerfGE 93, 165 (175). 1308 Vgl. BVerfG, Pressemit. 33/95 v. 18.08.1995, BB 1995, 1780. 1309 Dazu G. Felix, Konsequenzen aus den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zur Vermögens- und Erbschaftsbesteuerung, BB 1995, S. 2244. 1310 So stv. für viele P. Kirchhof, Besteuerung im Verfassungsstaat, S. 57 ff. („Obergrenze“); aktuell ders., Der sanfte Verlust der Freiheit, S. 32 ff. („Der Steuerpflichtige darf mindestens die Hälfte behalten.“); auch z. B. H. Butzer, Freiheitsrechtli-

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6. Teil: Teilung des Eigentums zwischen Steuerbürger und -staat

c) Vorrangige Privatnützigkeit als Begründungsansatz für eine maximal hälftige Teilung Die Begründungsleistung des Gerichts zur nachhaltigen Verfestigung der hälftigen Teilung erschöpft sich nicht in einer sklavischen Wortauslegung des „zugleich“, sondern fußt auf einer Privatnützigkeitsdogmatik, der sich viele, vornehmlich liberal geprägte Stellungnahmen anschließen1311. Ausgehend von einer Wertung des Eigentums und der dadurch vermittelten Möglichkeiten als Freiheitsraum, den der Fiskus mit der Besteuerung grundrechtsrelevant beschneidet, wird dem Steuerpflichtigen im Zuge der verfassten Eigentumsgewährleistung die grundsätzliche Verfügungsbefugnis über sein Eigentum, ergo der grundsätzlich selbstbestimmte Eigentumsgebrauch, zugestanden; schließlich greift der Staat mit der Steuer – so die Diktion des obersten Gerichts – „in die in der Verfügungsgewalt und Nutzungsbefugnis über ein Vermögen angelegte allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) gerade in deren Ausprägung als persönliche Entfaltung im vermögensrechtlichen Bereich ein (Art. 14 GG).“1312 Damit der grundgesetzliche Schutz der Eigentumsnutzung nicht seiner Funktion beraubt wird, muss sichergestellt werden, dass der Bürger auch über die (wirtschaftlichen) Ergebnisse seines Eigentumsgebrauchs verfügen kann, in denen der private Nutzen des Eigentumsgebrauches zum Ausdruck kommt1313. Diese Privatnützigkeit, ohne die das Eigentum nahezu ad absurdum geführt wäre, untermauert Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG in seinem Wortlaut, demzufolge der Gebrauch des Eigentums „zugleich dem Wohle der Allgemeinheit“ dienen soll. Dass der Eigentumsgebrauch folglich nicht nur dem Gemeinwohl verpflichtet ist, sondern „zugleich“ dem individuellen Nutzenstreben des Bürgers entsprechen muss, lässt sich sowohl der Konstruktionslogik des privaten Eigentums als auch dem Text des Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG entnehmen1314. Darüber hinaus che Grenzen der Steuer- und Abgabenlast, S. 58; O. Geißler, Der Unternehmer im Dienste des Steuerstaats, S. 134 f. 1311 Stv. für etliche M. Jachmann, Verfassungsrechtliche Grenzen der Besteuerung, S. 60 ff.; dies., Steuergesetzgebung zwischen Gleichheit und wirtschaftlicher Freiheit, S. 42 ff., 49 ff.; O. Geißler, Der Unternehmer im Dienste des Steuerstaats, S. 134 ff. (jew. m.w. N.) 1312 BVerfGE 93, 121 (137). 1313 Stv. für viele hierzu W. Leisner, Eigentum, in: HStR, BD. VI, § 149, Rn. 44, der darauf hinweist, dass das Kriterium der Privatnützigkeit allgemein zu verstehen ist, also die private Nützigkeit des Eigentums grundsätzlich ohne Wertung der Nutzungszwecke gewährleistet wird; vgl. hierzu BVerfGE 31, 229 (240); 42, 263 (294); 58, 300 (345); st. Rspr. 1314 Zur Privatnützigkeit des Eigentums in der Republik K. A. Schachtschneider, Das Recht am und das Recht auf Eigentum, in: FS W. Leisner, S. 754, 772 u. ö.; ders., Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 277 ff.; ders., Res publica res populi, S. 1004, 1023 ff.; weiterführend ders., Freiheit in der Republik, 8. Kap., III., IV., 10.

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impliziert die Formulierung des Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG nicht nur ein Nebeneinander von Privatnützigkeit und Gemeinwohlpflichtigkeit, sondern deutet einen grundsätzlichen Vorrang, zumindest aber eine Gleichstellung von privatem und gemeinschaftlichem Nutzen des Eigentumsgebrauches an1315. Die Sinnhaftigkeit einer Formulierung, die die Verpflichtung des Eigentumsgebrauchs „zugleich“ für die Allgemeinheit einfordert, ohne die grundsätzliche Nützigkeit der Eigentumspositionen für die privaten, notwendigerweise auch wirtschaftlichen Belange des Bürgers gedanklich vorauszusetzen, ließe sich wohl kaum nachvollziehen. Die grundsätzliche Privatnützigkeit des Eigentums wie der mit dem Eigentumsgebrauch erzielten Ergebnisse ist nicht nur in der Eigentumsordnung als einer Ordnung der Privatheit angelegt1316, sondern wird durch die Institution Steuer als Form der Staatsfinanzierung in einer grundsätzlich privaten Wirtschafts- und Eigentumsordnung bestätigt: nicht umsonst definiert sich Besteuerung als Teilhabe am Erfolg privaten Wirtschaftens1317, setzt also zunächst einmal erfolgreiches Wirtschaften des privaten Bürgers voraus. Privatheitliches Wirtschaften, also privatheitlicher Eigentumsgebrauch, impliziert das Recht des Kap., II., VII.; ergänzend ders., Fallstudie Atomrecht, S. 375 ff.; auch ders. (unter Mitarbeit von P. Wollenschläger), Fallstudie Umweltschutz (FCKW-Verbot), S. 342 f. 1315 So bereits lange vor der Halbteilungsentscheidung des Bundesverfassungsgerichts, wenn auch damals explizit nur für Erträge aus dem Eigentumsgebrauch P. Kirchhof, Steuergerechtigkeit und sozialstaatliche Geldleistungen, JZ 1982, S. 309 („Gleichwertigkeit von Privatnützigkeit und steuerlicher Teilhabe“); später ders., Grundlinien des Steuerverfassungsrechts in der Rechtsprechung des BVerfG, StbJb. 1994/95, S. 8; ders., Staatliche Einnahmen, in: HStR, Bd. IV, § 88, Rn. 71; auch ders., Der Einfluss des Verfassungsrechts auf die Entwicklung des Steuerrechts, Stbg 1995, S. 71; ders., Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Vermögenund Erbschaftsteuer, Stbg 1996, S. 2; ganz i. d. S. auch W. Leisner, Eigentum, in: HStR, Bd. VI, § 149, Rn. 151; ders., Steuer- und Eigentumswende – die EinheitswertBeschlüsse des Bundesverfassungsgerichts, NJW 1995, S. 2594; ebenso z. B. G. Felix, Zur Diskussion um die steuerlich gemäßigte Belastungsobergrenze, NJW 1997, S. 304; A. Klein, Das neue Steuerverfassungsrecht – Eine Chance für den Steuerzahler?!, BB 1996, S. 1810; deutlich R. Seer, Der sog. Halbteilungsgrundsatz als verfassungsrechtliche Belastungsobergrenze der Besteuerung, FR 1999, S. 1286; pointiert in der öffentlichen Diskussion ders., Der Halbteilungsgrundsatz als Belastungsobergrenze macht Sinn, HB v. 3.11.1999, S. 58; grundlegender ders., Verfassungsrechtliche Grenzen der Gesamtbelastung von Unternehmen, DStJG 23 (2000), S. 105. 1316 Vgl. BVerfGE 24, 367 (390); 31, 229 (240); 37, 132 (140); 50, 290 (339); 52, 1 (30); 58, 300 (345); 79, 292 (303); 93, 121 (137) u. ö.; grundlegend, wenn auch noch etwas kritisch W. Leisner, Sozialbindung des Eigentums, S. 171 ff.; klarer für die Privatnützigkeit des Eigentums ders., Eigentum – Grundlage der Freiheit, S. 26, 44; ders., Eigentum, S. 101, 112, 143; auch P. Badura, Eigentum, in: HVerfR, S. 330, 342; H.-J. Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 14, Rn. 366 ff.; für die Position der Republik siehe K. A. Schachtschneider, Das Recht am und das Recht auf Eigentum, in: FS W. Leisner, S. 754; auch ders., Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 277 ff.; ders., Res publica res populi, S. 1004, 1023 ff. 1317 So stv. für viele P. Kirchhof, Staatliche Einnahmen, in: HStR, Bd. IV, § 88, Rn. 49, 58 u. ö.

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6. Teil: Teilung des Eigentums zwischen Steuerbürger und -staat

Bürgers, über die Früchte der wie auch immer gearteten Eigentumsnutzung, die letztlich auch rechtmäßig Eigenes des Eigentümers sind, grundsätzlich frei verfügen zu können; der republikanische Steuerstaat profitiert lediglich, indem er an den privaten Nutzungsergebnissen partizipiert. Darin liegt die Logik der steuerstaatlichen Republik, die das private Eigentum nicht zuletzt deshalb gewährleisten kann, weil sie an ihm und seinen Nutzungserfolgen auf dem Weg der Steuergesetzgebung teilzunehmen berechtigt ist. Angesichts dieser notwendigen Privatnützigkeit liefert das Instrument der Steuer selbst eine wesentliche, konstruktionsimmanente Besteuerungsgrenze1318. Im Kontext der Sozialpflichtigkeit des Eigentums, die sich auch in der Steuerpflicht des Eigentums und des Eigentümers widerspiegelt, wird für die Klärung des steuerbestimmenden Verhältnisses von privat- und allgemeinnütziger Einkommenserzielung regelmäßig die Grundbeziehung von Bürger und Staat herangezogen1319, die substantiell vom Prinzip der Subsidiarität geprägt ist1320. So soll der Staat nur diejenigen Aufgaben wahrnehmen, die der Bürger oder die Bürgerschaft nicht zu erfüllen in der Lage ist, die also die bürgerliche Leistungsfähigkeit übersteigen. Im Grundsatz hat der Steuerpflichtige das Recht, konsequenterweise auch die Pflicht, sich und seine Familie selbst zu unterhalten, ehe er staatliche Unterstützung beanspruchen kann oder auf diese verwiesen wird. Um dieser Erstverantwortung gerecht werden zu können, muss der einzelne Bürger primär eigennützig Erträge aus Eigentumsnutzung oder anderen Einkommensquellen erzielen können1321. Konsequenterweise darf in diesem Modell der staatliche Steuerzugriff erst nach dem privaten Ertragsnutzen einsetzen. Die Richterschaft des Verfassungsgerichts bekräftigt in Einklang mit der Verfassung der Republik insoweit diese Entscheidung zugunsten einer grundsätzlich selbstverantwortlichen Eigentümerbestimmung der Eigentumsnutzung1322 und des untrennbar verknüpften Vorrangs der Privatnützigkeit im Eigentumsgebrauch1323. Unter diesen Vorzeichen erschließt sich das Ordnungsverhältnis von Privatnützigkeit und Gemeinwohldienlichkeit, das das Bundesverfassungsgericht seiner Halbteilungsrechtsprechung zugrunde gelegt hat, mit der es eine annähernd 1318 Siehe hierzu die Ausführungen über die Republik als Steuerstaat im 2. Teil, 3. Kap.; ergänzend 3. Teil, 2. Kap., IV., 4. Teil, 3. Kap. 1319 Vgl. P. Kirchhof, Steuergleichheit, StuW 1984, S. 297. 1320 Vgl. bereits 3. Teil, 4. Teil. 1321 Sinngemäß etwa K.-G. Loritz, Der praktische Wert der verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie für die unternehmerische Betätigung, BB 1993, S. 229; ders., Verfassungsrechtlicher Rahmen für eine vernünftige Neubewertung des Grundbesitzes, DStR 1995, Beilage 1, S. 6. 1322 So etwa M. Jachmann, Verfassungsrechtliche Grenzen der Besteuerung, S. 64. 1323 Vgl. etwa O. Geißler, Der Unternehmer im Dienste des Steuerstaats, S. 137 ff., insb. S. 139; M. Jachmann, Steuergesetzgebung zwischen Gleichheit und wirtschaftlicher Freiheit, S. 50 f.

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hälftige Teilung der Früchte des Eigentumsgebrauches zwischen Steuerbürger und Steuerstaat fixiert1324. Dass ein Bürger mehr als die Hälfte des Erworbenen qua Steuer an den Staat abliefern muss, verträgt sich nicht mit der Grundsatzentscheidung für einen privatnützigen Eigentumsgebrauch, da der Steuerpflichtige in diesem Fall fremd- und nicht mehr primär eigennützig arbeiten würde1325. Nach diesem Begründungsansatz ist es nur konsequent, dass die steuerliche Gesamtbelastung des Sollertrages des Vermögens „in der Nähe einer hälftigen Teilung zwischen privater und öffentlicher Hand“1326 zu verbleiben hat1327. Akzeptiert man gar das Privatnützigkeitsprinzip der Eigentumsverwendung in seiner Vorrangstellung, kann man folgerichtig Kirchhof nur beipflichten1328, wenn er fordert, dass die hälftige Teilung „in der Regel zugunsten der Privatnützigkeit des Einkommens unterschritten werden“1329 müsse.

1324 Auf den ersten Blick scheinen Erträge aus der Arbeitskraft des Steuerpflichtigen von dieser Grenzziehung nicht erfasst zu werden, da der Tatbestand des Eigentumsgebrauches zunächst fraglich sein könnte. Allerdings weist M. Jachmann, Verfassungsrechtliche Grenzen der Besteuerung, S. 65 (m.w. N.), überzeugend nach, dass „der Vorrang der Privatnützigkeit privatwirtschaftlichen Handelns“ auch für die „erwerbende Berufsausübung“ gilt, insofern auch hier der Grundsatz der hälftigen Teilung Anwendung finden muss. Dazu weiterführend R. Wendt, Empfiehlt es sich, das Einkommensteuerrecht zur Beseitigung von Ungleichbehandlungen und zur Vereinfachung neu zu ordnen?, DÖV 1988, S. 716; auch P. Kirchhof, Empfiehlt es sich, das Einkommensteuerrecht zur Beseitigung von Ungleichbehandlungen und zur Vereinfachung neu zu ordnen?, Gutachten für den 57. DJT, S. F 20; R. Scholz, in: Maunz/ Dürig, GG, Art. 12, Rn. 415 f.; ergänzend dazu z. B. H.-W. Arndt/A. Schumacher, Die verfassungsrechtlich zulässige Höhe der Steuerlast – Fingerzeig des BVerfG an den Gesetzgeber?, NJW 1995, S. 2605, die in der Besteuerung des Arbeitseinkommens die Ausschöpfung der Steuerquelle „human capital“ sehen. Schließlich darf nicht übersehen werden, dass der Bürger mit seinem Erworbenem, mit seinen Einkünften, allemal Eigentum begründet – in aller Regel überdies Leistungseigentum, das möglicherweise sogar noch ausgeprägteren Schutz genießt als Eigentumspositionen, die sich aus einem Eigentumsgebrauch z. B. in Form von Vermietung und Verpachtung oder Kapitalüberlassung ergibt. 1325 Vgl. – interessanterweise bereits vor der Entscheidung zum Halbteilungsprinzip – K.-G. Loritz, Der praktische Wert der verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie für die unternehmerische Betätigung, BB 1993, S. 229; ebenso ders., Verfassungsrechtlicher Rahmen für eine vernünftige Neubewertung des Grundbesitzes, DStR 1995, Beilage 1, S. 6. 1326 BVerfGE 93, 121 (138). 1327 Stv. für viele G. Felix, Konsequenzen aus den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zur Vermögens- und Erbschaftsbesteuerung, BB 1995, S. 2243. A. A. z. B. H.-W. Arndt/A. Schumacher, Die verfassungsrechtlich zulässige Höhe der Steuerlast – Fingerzeig des BVerfG an den Gesetzgeber?, NJW 1995, S. 2604. 1328 Im Ergebnis z. B. K. H. Friauf, Verfassungsrechtliche Anforderungen an die Gesetzgebung über die Steuern von Einkommen und Ertrag, DStJG 12 (1989), S. 9. 1329 Empfiehlt es sich, das Einkommensteuerrecht zur Beseitigung von Ungleichbehandlungen und zur Vereinfachung neu zu ordnen?, Gutachten für den 57. DJT, S. F 82.

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6. Teil: Teilung des Eigentums zwischen Steuerbürger und -staat

d) Das Privatnützigkeitskriterium als wichtiger Hinweis auf ein steuerverfassungsrechtliches Grundprinzip der hälftigen Teilung Auch wenn dieser Argumentationsstrang, der am Primat der privaten Nützigkeit jedenfalls des Eigentumsgebrauches ankert, viele Fragen bezüglich einer Operationalisierung der hälftigen Teilung nicht beantwortet, geschweige denn einen Automatismus im Sinne einer unreflektierten Einführung eines Spitzensteuersatzes von 50% qua Verfassungsrecht in Gang setzt, liefert er substantielle Hinweise für eine umfassende steuerverfassungsrechtliche Entfaltung des Halbteilungsprinzips als Grenzziehung für den Steuerzugriff. So wird nicht nur das Eigentumsgrundrecht als grundsätzlich einschlägig für die Belastung des Bürgers durch Steuergesetze identifiziert, sondern es wird – übrigens in großer Nähe zur republikanischen Konzeption des Eigentums1330 – auf die beiden Seiten des Eigentumsrechtes, nämlich auf das Recht des Einzelnen und auf die Pflichtigkeit gegenüber der Gemeinschaft, abgestellt und der Ausgleich zwischen den beiden Interessenpolen in der Halbteilung gesucht. Gleichwohl vermag obige Erörterung, da aufgrund des Nützigkeitskriteriums stark material-ökonomisch geprägt, die Diskussion um die primär steuergetriebene Teilung des Eigentums zwischen Bürger und Allgemeinheit, die schlussendlich immer eine Frage des Verhältnisses von Bürger und Staat ist, nicht in ihrer ganzen Tiefe zu erfassen. Zweifelsohne präsentiert sich die Nutzbarkeit des rechtlich Eigenen, des Eigentums zum privaten Wohle aus einem materialökonomischen Blickwinkel heraus als lebenspraktisch wichtigstes Element bürgerlicher Privatheit1331 wie auch unter eben diesem Gesichtspunkt das Sozialprinzip seine material-ökonomische Ausprägung in der Idee der sozialen Pflichtigkeit des Bürgers und seines Eigentums für die Gemeinschaft findet. Letztinstanzlich aber wird die Fragestellung auf zwei substantielle Stelen der Republik zurückgeworfen, die durch die Diskussionsparameter Privatnützigkeit und Gemeinwohldienlichkeit nicht abschließend abgebildet werden: das Privatheitsprinzip und das Sozialprinzip.

1330 Hierzu ausführlich K. A. Schachtschneider, Das Recht am und das Recht auf Eigentum, in: FS W. Leisner, S. 743 ff., grundlegend ders., Freiheit in der Republik, 10. Kap.; vgl. außerdem den 5. Teil, insb. 2. Kap., II., III., auch 1. Kap., II., III. 1331 Vgl. etwa W. Leisner, Privateigentum als Grundlage der Freiheit, S. 3 ff.; ders., Freiheit und Eigentum – die selbständige Bedeutung des Eigentums gegenüber der Freiheit, S. 12 ff.; ergänzend z. B. P. Häberle, Grundrechte im Leistungsstaat, VVDStRL 30 (1972), S. 85 f., 100 ff.; i. d. S. K. A. Schachtschneider, Das Recht auf und das Recht am Eigentum, in: FS W. Leisner, S. 767 ff.; grundlegend ders., Freiheit in der Republik, 8. Kap., III., auch 10. Kap., insb. VII.; dazu auch ders., Res publica res populi, S. 234 ff., 466 ff., 859 f. (m.w. N. in Fn. 220), 1025 f.; ebenso ders., Der Anspruch auf materiale Privatisierung, S. 78 f. u. ö.

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3. Privatheitsprinzip und Sozialprinzip als republikanische Grundprinzipien der hälftigen Teilung a) Privatheitsprinzip als Grenzlinie des Steuerverfassungsrechts Die Besteuerung spiegelt mit ihrem Mechanismus des Teilens zwischen privater und öffentlicher Hand wie kaum ein anderes Element eines Staatswesens das grundsätzliche Verhältnis von Bürger und Staat wider1332, das in der Republik von den Grundprinzipien der Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit geprägt ist1333. Der fiskalische Staat nimmt auf dem Weg des steuergesetzlichen Zugriffs dem privaten Bürger wenigstens anteilig Einkommen und Vermögen1334, letztlich Eigentum als Element der Privatheit1335, um staatliche Aufgaben finanzieren, schlussendlich um Staatlichkeit ausüben zu können. In diesem Gefüge kommt mit dem Steuerzugriff, auch mit dessen Höhe, die Beziehung zwischen dem einzelnen Bürger und dem Staat in ihrer Maßstäblichkeit zum Ausdruck, wird doch der Bürger qua Steuerzugriff wenigstens im materialen Belastungsergebnis in dem Maß in seiner Privatheit tangiert, in dem ihm auf dem Weg der Besteuerung privates Eigenes zugunsten des Allgemeinwohls entzogen wird. Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass die Frage nach dem verfassungsseitig gebotenen Steuerzugriff, insbesondere nach der verfassungsrechtlichen Grenze der Besteuerung, als eine der elementarsten Fragen im Verhältnis von Bürger und Staat nur auf dieser grundlegender Ebene angemessen beantwortet werden kann. Die Freiheit als formales, in der Menschheit des Menschen begründetes Elementarprinzip1336 verleiht allen Menschen das Recht, selbst und selbständig1337 1332

So P. Kirchhof, Steuergleichheit, StuW 1984, S. 297. Siehe hierzu den 2. Teil. 1334 Mit dem Wegfall der Vermögensteuer und der Steuer auf das Gewerbekapital stellt sich die Frage nach der verfassungsrechtlichen Beurteilung des unmittelbaren Steuerzugriffs auf die Vermögenssubstanz vordergründig nicht mehr. Gleichwohl sieht das Steuersystem der Republik grundsätzlich auch einen steuerlichen Zugriff auf das Eigentum in der Phase seiner Innehabung vor, so dass diese Facette im Folgenden schon aus Gründen der Methodik nicht ausgeblendet werden soll; außerdem wird die Möglichkeit einer Wiedereinführung der Vermögensteuer in der politischen Diskussion immer wieder thematisiert. 1335 Vgl. ausführlicher 5. Teil, insb. 2. Kap., II., auch 3. Teil, 2. Kap., III., V., 3. Kap., III. 1336 Zum republikanischen Freiheitsbegriff K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, 8. Kap., II., auch 1. Kap., 2. Kap., 5. Kap. u. ö.; ders., Republikanische Freiheit, in: FS M. Kriele, S. 829 ff., dort zur Abgrenzung zum liberalistischen Freiheitsbegriff S. 834 ff.; ausführlich auch ders., Res publica res populi, S. 253 ff., 275 ff., 427 ff., zur Abgrenzung beider Anschauungen insb. S. 441 ff. sowie die materiale Komponente der Freiheit vor dem Hintergrund der sozialen Frage thematisierend S. 247 f.; ders., Vom liberalistischen zum republikanischen Freiheitsbegriff, in: FS der WiSo der FAU Erlangen-Nürnberg, S. 418 ff.; vgl. außerdem oben 2. Teil, 3. Teil. 1333

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nach ihrem Glück zu streben, mithin das Recht zur Privatheit1338. Privatheitlichkeit wird um der Würde und Persönlichkeit des Menschen, auch um seiner Bürgerlichkeit willen qua Grundgesetz oder allgemeinem Gesetz garantiert, um in subjektiven Rechten materialisiert zu werden. Diese Rechte der Privatheit – eines der substantiellen Privatheitsrechte ist das Eigentumsrecht1339 – dürfen nicht als Abwehrrechte des Einzelnen gegen den Staat missinterpretiert werden, sondern bedingen nach der Konzeption der Republik stets auch Pflichten der Privatheit1340. Im einenden Zusammenspiel bilden sie das Korrektiv für den Ausgleich zwischen Bürger und Staat, zwischen Privatheit und Staatlichkeit1341. Der funktionierende Ausgleichsmechanismus zwischen den Bürgern untereinander, zwischen dem einzelnen Bürger und der Gemeinschaft, fußt auf dem Prinzip allgemeiner Gesetzlichkeit, da jeder Bürger Gesetzen zuzustimmen verpflichtet ist, die den privaten Belangen jedes Einzelnen entsprechen und das Allgemeinwohl befördern; unter der Prämisse der Allgemeingesetzlichkeit verwirklichen also die Rechte der Privatheit das Wohl der Bürgergemeinschaft und jedes einzelnen Bürgers. Dieser prinzipienhaften Bedingung eines freiheitlichen, gleichheitlichen und brüderlichen Gemeinwesens kann kein Rechtsbereich entzogen werden, ohne die Bürgergemeinschaft, ja jeden einzelnen Bürger rechtlich zu lädieren. Auch Steuergesetze in ihrer allgemeinen Gesetzlichkeit müssen, angefangen von ihren Grundkonzeptionen bis hin zu steuertechnisch bedingten Detailregelungen, dem Privatheitsprinzip Rechnung tragen, so dass es keine Veranlassung gibt, gerade die so substantielle Frage der Steuerbelastungshöhe aus dem Wirkbereich des Privatheitsprinzip herauszulösen1342. Über die Grundrechte der bundesrepublika1337 Die selbständige Entscheidung über die individuellen Maximen des eigenen Handelns zählt ebenso wie die selbständige Bewältigung des eigenen Lebens – auch in materieller Hinsicht – zu den elementaren Erfordernissen der Freiheit jedes einzelnen Bürgers. Ausführlich zur republikanischen Selbständigkeit 3. Teil, 3. Kap., 4. Teil, 3. Kap., IV., auch 5. Teil, 2. Kap., II. 1338 Siehe dazu K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 224 f., 378 ff., 454 f., 459 f., 466 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 5. Kap., III., auch 8. Kap.; dazu BVerfGE 6, 389 (433 ff.); 27, 1 (7 f.); 27, 344 (351); 32, 373 (379); 33, 367 (376); 34, 238 (246); 35, 202 (220 f.); 51, 97 (107); grundlegend zum privatheitlichen Streben nach Glück D. Sternberger, Das Menschenrecht nach Glück zu streben, S. 131 ff.; vgl. ausführlicher auch 3. Teil, 1. Kap., II. 1339 Vgl. K. A. Schachtschneider, Das Recht am und das Recht auf Eigentum, in: FS W. Leisner, S. 767 ff.; ergänzend hierzu ders., Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 236 ff., 261 ff.; ders., Grundgesetzliche Aspekte der freiberuflichen Selbstverwaltung, Die Verwaltung 31 (1998), S. 140 f.; auch ders., Der Anspruch auf materiale Privatisierung, S. 61 ff.; grundlegend bereits ders., Das Sozialprinzip, S. 62 ff. 1340 Dazu grundlegend K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, 8. Kap., I., II., III.; ders., Res publica res populi, S. 370 ff., 374 ff. u. ö. 1341 So z. B. K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 371 (m.w. N.); weiterführend ders., Freiheit in der Republik, 8. Kap., I.; zusammenfassend ders., Der Anspruch auf materiale Privatisierung, S. 40 ff.

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nischen Verfassung, ja bereits über die Grundidee der Menschenwürde, woraus sich das Prinzip bürgerlicher Privatheit in direkter Linie ableiten lässt1343, findet es Eingang in die Steuerverfassung, die notwendig eine Verfassung der Privatheit sein muss. Steuergesetzliche Regelungen, auch und insbesondere Regelungen zum Ausmaß der Besteuerung, müssen das Privatheitspostulat angemessen berücksichtigen; ansonsten stehen diese außerhalb des (Steuer-)Verfassungsbogens. In erster Linie ist das republikanische Prinzip der Privatheit dem steuergesetzlichen Zugriff des Fiskus in seinem Funktionalausdruck praktizierter Staatlichkeit, wie auch die Lebenswirklichkeit bestätigt, als Besteuerungsgrenze entgegenzuhalten: „Dieses Privatheitsprinzip zieht auch der Steuergesetzgebung eine Grenze, weil die Besteuerung das Mittel der Verstaatlichung der Lebensverhältnisse ist.“ (Karl Albrecht Schachtschneider)1344

b) Eigentum und Besteuerung als material-ökonomische Realitäten der Privatheitlichkeit Nicht erst in der modernen Republik lässt sich das bürgerliche Leben nur mit entsprechenden (finanziellen) Mitteln bewältigen, so dass die Forderung nach vorrangig privatheitlicher Lebensbewältigung stets ausreichendes Einkommen oder Vermögen voraussetzt. Die materialen Erfordernisse privatheitlicher Lebensführung verdichten sich in dem notwendig privaten Eigentum1345, das allein schon um der bürgerlichen Freiheit der Menschen willen als wesentliches Element der Privatheit geschützt werden muss1346. Selbst wenn das Eigentum in seiner Rechtlichkeit nur eine Säule freiheitlicher Lebensbewältigung bildet, illustriert es geradezu exemplarisch die untrennbare Verbindung zwischen dem 1342 I. d. S. etwa K. A. Schachtschneider, Steuerverfassungsrechtliche Probleme der Betriebsaufspaltung und der verdeckten Gewinnausschüttung, S. 63. 1343 Zu diesem Zusammenhang ausführlich 3. Teil, I. 1344 Umsatzbesteuerung der Mineralölsteuer, S. 51 f.; i. d. S. auch ders., Steuerverfassungsrechtliche Probleme der Betriebsaufspaltung und der verdeckten Gewinnausschüttung, S. 62 f., 66 f. 1345 Vgl. etwa BVerfGE 97, 350 (370); weiterführend etwa E.-W. Böckenförde, Staat und Gesellschaft im Sozialstaat, S. 421 f.; P. Häberle, Grundrechte im Leistungsstaat, VVDStRL 30 (1972), S. 95; O. Kimminich, in: BK, Art. 14, Rn. 18 ff.; M. Kriele, Einführung in die Staatslehre, S. 219, 334; K. A. Schachtschneider, Frei – sozial – fortschrittlich, Symposium zu Ehren von Werner Thieme, Hamburg, 24. Juni 1988, S. 11 ff.; näher ders., Das Recht am und das Recht auf Eigentum, in: W. Leisner, S. 768 ff. 1346 Vgl. K. A. Schachtschneider, Das Recht am und das Recht auf Eigentum, in: FS W. Leisner, S. 744, 747, 755 ff. u. ö.; ders., Der Anspruch auf materiale Privatisierung, S. 78 f.; grundlegend ders., Freiheit in der Republik, 10. Kap., VII., auch 8. Kap., III.; dazu, die Beziehung von Freiheit und Privatheit erläuternd, auch ders., Res publica res populi, S. 370 ff. (insb. S. 373), 378 ff., auch S. 1023 ff. (eigentumsspezifisch).

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6. Teil: Teilung des Eigentums zwischen Steuerbürger und -staat

privatheitlichen Recht des Einzelnen und dessen sozialer Allgemeinverpflichtung, die regelmäßig in der Steuerstaatlichkeit ihre Umsetzung erfährt1347. Die grundgesetzliche Gewährleistung des privaten Eigentums zum Wohl des einzelnen Bürgers wird ergänzt um die Pflichtigkeit des Eigentums(-gebrauches) für das Gemeinwohl, wie nicht nur das Sozialprinzip der brüderlichen Republik einfordert1348, sondern Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG sogar ausdrücklich fixiert1349. Diese Nutzbarmachung des Eigentums und der erzielten Nutzungsergebnisse gleichermaßen für privates und allgemeines Wohl beweist nachdrücklich die grundsätzliche Einheit von Privatheit und Staatlichkeit in der Lebensbewältigung. Nicht nur die res privata Eigentum wird damit zugleich als res publica deklariert – es zeigt sich vielmehr, dass in der Gemeinschaft der Republik rei privatae stets auch zugleich rei publicae sind. Eben dieses Beziehungsgefüge aus Privatheit und Staatlichkeit findet sich in der Besteuerung wieder, in der der Staat an den Ergebnissen privaten Wirtschaftens, also am Eigentumsgebrauch des Privaten, letztlich auch am Eigentum selbst1350, partizipiert, um dann mit diesen Finanzmitteln Aufgaben für die Allgemeinheit erfüllen zu können. Mit dem Instrument der Steuer findet ergo nicht nur die Verteilung des Eigentums zwischen privater und öffentlicher Hand statt, sondern es manifestiert sich angesichts der substantiellen Rolle, die das Eigentum für die Privatheit des Bürger spielt, die grundsätzliche Teilung zwischen Privatheit und Staatlichkeit. Schließlich kann der Staat – so die material-ökonomische, darum verkürzte Argumentation – nur soviel Staatlichkeit ausüben, so viele staatliche Aufgaben wahrnehmen, wie ihm die verfügbaren Staatseinnahmen, die primär aus Steueraufkommen herrühren (sollten), erlauben. Als Abstraktum spiegelt die Steuer immer die Verantwortlichkeiten des Bürgers für die Allgemeinheit wider. Die Höhe der Steuerlast, die jeder Bürger zu tragen hat, bringt das Ausmaß der Verantwortung des einzelnen Bürgers für die Gemeinschaft zum Ausdruck, ist ergo Gradmesser der Aufteilung zwischen Privatheit und Staatlichkeit. Im Umkehrschluss müssen Steuerlasten so bemessen sein, 1347

Dazu nochmals im Folgenden. Zur Sozialpflichtigkeit des Eigentums vgl. BVerfGE 8, 71 (80); 20, 351 (356); 25, 112 (117); 37, 132 (140 f.); 52, 1 (29); 81, 208 (222); 89, 1 (9); 100, 226 (240 f.); 102, 1 (17 f.); i. d. S. K. A. Schachtschneider, Das Recht am und das Recht auf Eigentum, in: FS W. Leisner, S. 755 ff., insb. S. 773 f.; weiterführend ders., Freiheit in der Republik, 8. Kap., III., 10. Kap.; grundlegend zum Sozialprinzip der Republik ders., Das Sozialprinzip, passim; siehe außerdem bereits oben 4. Teil, 5. Teil. 1349 Vgl. BVerfGE 61, 82 (108 f.); hierzu, stv. für viele, W. Leisner, Eigentum, in: HStR, Bd. VI, § 149, Rn. 73; für die republikanische Konzeption K. A. Schachtschneider, Das Recht am und das Recht auf Eigentum, in: FS W. Leisner, S. 751 ff., auch S. 773 f., 790 ff., 794; umfassend ders., Freiheit in der Republik, 10. Kap., insb. II., auch ders., Res publica res populi, S. 1023 ff. 1350 Die Relevanz der grundrechtlichen Eigentumsgarantie für den Besteuerungsfall und die Eingriffshaftigkeit der Steuer in das Eigentumsrecht des Bürgers wurde bereits ausführlich dargelegt; vgl. hierzu oben I., II., III., auch 1. Kap. 1348

2. Kap.: Eigentum und Steuern in der Republik

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dass das verfassungsgewollte Gleichgewicht von Privatheit und Staatlichkeit austariert wird; in besonderem Maße trifft das für das bürgerliche Eigentum zu, an dem die Staatlichkeit vermittelnde Besteuerung anknüpft. c) Vorrangige Privatheit als steuerverfassungsrechtlicher Maßstab der Steuerbegrenzung Das Grundgesetz bringt nicht nur das Privatheitspostulat als eines der tragenden Fundamente der allgemeinen Freiheit zum Ausdruck1351, sondern bekräftigt dessen grundsätzlichen Vorrang vor aller Staatlichkeit in den elementaren Rechten der Privatheit1352. Ebenso proklamiert das Menschenwürdeprinzip1353, in dem das Privatheitsprinzip tief verwurzelt ist, allein schon um der Menschheit des Menschen willen nicht nur umfassende Privatheit, sondern auch den Vorrang des Privaten vor dem Staatlichen1354. Dass im Verhältnis von Privatheitlichkeit und Staatlichkeit der freiheitsverwirklichenden Privatheit des Bürgers Vorrang gewährt werden kann und muss, der Staat hingegen auf seine elementaren, unstrittigen Aufgaben1355, wie z. B. Gewährleistung von Rechtsschutz oder Daseinsvorsorge, zurückgeführt werden kann, wird durch den Mechanismus der allgemeinen Gesetzlichkeit, mit dessen Hilfe konvergierende Interessen zum 1351 Zur Bedeutsamkeit der besonderen Grundrechte für die Idee der Privatheit K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 387 („Eine Verfassung der Eigentumsgarantie, der Berufsfreiheit, der Vereinigungsfreiheit, usw., ist eine Verfassung der größtmöglichen Privatheit.“); grundlegend auch ders., Freiheit in der Republik, 8. Kap., III., VI.; ergänzend zur Vertragsfreiheit als Rechtsgrundlage der Privatheit ders., Der Anspruch auf materiale Privatisierung, S. 75 ff. 1352 Siehe dazu K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 386 ff.; ebenso ders., Freiheit in der Republik, 8. Kap., IV.; außerdem ders., Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 272 f.; auch ders., Grundgesetzliche Aspekte der freiberuflichen Selbstverwaltung, Die Verwaltung 31 (1998), S. 140 f.; ganz i. d. S. ders., Republikanische Freiheit, in: FS M. Kriele, S. 856 ff.; aktuell ders., Der Anspruch auf materiale Privatisierung, S. 70 ff., 75 ff.; wesentlich J. Isensee, Subsidiarität und Verfassungsrecht, S. 215 f., 313 ff.; auch ders., Gemeinwohl und Staatsaufgaben im Verfassungsstaat, in: HStR, Bd. III, § 57, Rn. 165 ff.; H. H. Rupp, Die Unterscheidung von Staat und Gesellschaft, in: HStR, Bd. I, § 28, Rn. 51 ff.; umfassend dazu bereits 2. Teil, 2. Kap., V. 1353 Grundlegend I. Kant, Metaphysik der Sitten, S. 345 u. ö.; hierzu etwa K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 275 ff., insb. S. 290 ff. (m.w. N. in Fn. 186), 332 ff., 494 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 2. Kap., VI.; ergänzend z. B. P. Häberle, Die Menschenwürde als Grundlage der staatlichen Gemeinschaft, in: HStR § 20, Rn. 1 ff. 1354 Vgl. K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, 8. Kap., I., II., zum Verständnis auch 2. Kap.; ders., Res publica, S. 370 ff., 374 ff., 378 ff.; i. d. S. auch ders., Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 173 ff., 254 ff.; für die Grundlagen I. Kant, Metaphysik der Sitten, S. 353 ff., 355, 357. 1355 Umfassender zu den substantiellen Aufgaben des Staates, stv. für viele, J. Isensee, Gemeinwohl und Staatsaufgaben im Verfassungsstaat, in: HStR, Bd. III, § 57, Rn. 1 ff. (m. zahlr. Hinw.).

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6. Teil: Teilung des Eigentums zwischen Steuerbürger und -staat

Ausgleich gebracht werden können, noch bestätigt1356; denn nicht der Staat ist der Interessenverwalter der Bürger, sondern die Privaten in ihrer bürgerlichen, durch das Recht geordneten Gemeinschaft1357. Innerhalb des großen Rahmens der allgemeinen Gesetze ist Privatheit in ihrer Vorrangigkeit nicht nur Möglichkeit, sondern zentrale Voraussetzung einer bestmöglichen Verwirklichung des Gemeinwohls, da sich unter dieser Prämisse individuelles Handeln zum Wohl des einzelnen Bürgers mit dem Wohl aller Bürger vereint1358. Solange also individuelles Handeln des Bürgers außerhalb des staatlichen Einflussbereiches erfolgen kann, hat der Staat weder Eingriffsrecht noch -pflicht1359. Spiegelbildlich zu dieser Nachrangigkeit des Staatlichen wird dem Bürger nicht nur die vorrangige Verwirklichung seiner Privatheitlichkeit, die Möglichkeit zur Führung seines Lebens unter dem Vorrang der Privatheit, gewährleistet. Die Dualität von Rechtlichkeit und Pflichtigkeit, die der Privatheit in deren Republikanität innewohnt1360, erfasst auch die bürgerliche Lebensbewältigung1361, 1356 Vgl. zur allgemeinen Gesetzlichkeit in der Republik K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 525 ff., 536 f., 560 ff. u. ö.; ders., Freiheit in der Republik, 2. Kap., IV., auch 7. Kap., I., II. 1357 Ein Staat, der angeblich die Interessen seiner Bürger wahrnimmt, ihnen tatsächlich aber ein (vermeintliches) Mehrheitsinteresse aufokrutiert, handelt herrschaftlich. Vgl. grundlegend I. Kant, Über den Gemeinspruch, S. 159 u. ö.; dazu K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, 3. Kap.; ebenso ders., Res publica res populi, S. 71 ff., 159 ff., 240 ff. u. ö.; siehe hierzu bereits 1. Teil, 1. Kap., I. 1358 Zur gemeinsamen Lebensbewältigung in Staatlichkeit und (vorrangiger) Privatheit insb. K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 466 ff. 1359 Das erklärt sich nicht nur aus der Idee der Freiheit in der Republik, sondern auch aus praktischen Gründen; hierzu näher K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 378 ff. („Die weitestmögliche Privatheit ist eine praktische Notwendigkeit des gemeinsamen Lebens.“; Zitat S. 384); umfassend ders., Freiheit in der Republik, 8. Kap., II., III., IV. 1360 Vgl. ergänzend K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, 8. Kap., I.; auch ders., Res publica res populi, S. 370 ff.; grundsätzlich zur Rechtlichkeit und Pflichtigkeit in der Republik ebenda, S. 253 ff., 259 ff.; ergänzend ders., Freiheit in der Republik, 1. Kap., 2. Kap. 1361 Grundlegend zur Privatheit der Lebensbewältigung bereits I. Kant, Metaphysik der Sitten, S. 434; später etwa R. Herzog, Subsidiaritätsprinzip und Staatsverfassung, Der Staat 2 (1963), S. 399 ff., 411 ff.; J. Isensee, Subsidiarität und Verfassungsrecht. S. 215 ff., 313 ff.; ders., Gemeinwohl und Staatsaufgaben im Verfassungsstaat, in: HStR, Bd. III, § 57, Rn. 165 ff.; H. Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 813 f.; D. Merten, Sozialrecht, Sozialpolitik, in: HVerfR, S. 999 f.; H. H. Rupp, Die Unterscheidung von Staat und Gesellschaft, in: HStR, Bd. I, § 28, Rn. 51 ff.; K. A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 189 f., 272 f.; ders., Res publica res populi, S. 386 ff., auch S. 234 ff. (insb. S. 244 f.); ders., Freiheit in der Republik, 8. Kap., insb. IV.; ders., Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 145 ff., 149 f.; auch ders., Das Sozialprinzip, S. 62 f.; ders., Frei – sozial – fortschrittlich, Symposium zu Ehren von Werner Thieme, Hamburg, 24. Juni 1988, S. 16 ff.; ebenso ders., Grundgesetzliche Aspekte der freiberuflichen Selbstverwaltung, Die Verwaltung 31 (1998), S. 140 f.; umfassend auch ders., Der Anspruch auf materiale Privatisierung, S. 75 ff.; deutlich auch H. F. Zacher, Das soziale Staatsziel, in: HStR, Bd. I, § 25, Rn. 28 ff.

2. Kap.: Eigentum und Steuern in der Republik

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so dass die Privatheitsidee dem Bürger nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht aufgibt, sein Leben möglichst eigenständig und selbstverantwortlich zu meistern1362. Erst dann, wenn ein Bürger allen Mühen zum Trotz nicht mehr in der Lage ist, sein Leben privatheitlich zu führen, greift der staatliche Unterstützungskanon, der basierend auf dem sozialen Prinzip der Brüderlichkeit mit staatlichen Mitteln eröffnet werden kann1363. Bis zu diesem Zeitpunkt aber liegen Handlungsrecht und Handlungspflicht im Bemühen um ein eigenverantwortliches, selbständiges Leben bei dem Privaten. Dem muss auch der Steuergesetzgeber Rechnung tragen. So wie vorrangige Privatheit, nicht nur im Sinne einer ökonomisch relevanten Lebensbewältigung, eine umfassende Vorrangstellung alles Privaten vor allem Staatlichen, den grundlegenden Vortritt des Bürgers vor dem Staat einfordert, bedingt sie einen grundsätzlichen Vorrang des Steuerbürgers vor dem Steuerstaat1364. Gemünzt auf die steuerstaatliche Teilhabe am privaten Wirtschaften, das sich regelmäßig in rechtsgeschütztem Eigentum des Bürgers niederschlägt, kann dies nur bedeuten, dass die vorrangige Privatheitlichkeit des Eigentums auch nach dem fiskalischen Zugriff, also nach Erfüllung der bürgerlichen Verpflichtung der Allgemeinheit gegenüber, gewahrt sein muss. Privatheitlichkeit des Eigentums impliziert auf dieser grundsätzlichen Ebene die Möglichkeit zur Innehabung, Verfügung und Nutzung des rechtmäßig Eigenen und seiner 1362 Spätestens an dieser Stelle werden die unterschiedlichen Facetten privatheitlicher Lebensbewältigung in der bürgerlichen Republik deutlich, die sicherlich auch, aber eben nicht ausschließlich, ökonomische Ausprägungen zeigen. So darf gerade in Zeiten nachlassender politischer Kultur und kontinuierlich rückläufiger Beteiligung der Bürgerschaft am politischen Geschehen nicht übersehen werden, dass auch aktive Mitwirkung am politischen Prozess, politische Meinungsbildung und -äußerung oder andere Formen des Bürgerseins den elementaren, immerhin grundrechtlich verankerten Privatheitspflichten zuzurechnen sind. Daher würde eine Eingrenzung der Privatheitsdiskussion auf das wohl primär ökonomisch ausgeformte Privatnützigkeitskriterium dem lebensweltlichen Erfahrungshorizont nicht hinreichend Genüge tun, wie auch K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 245 f., verdeutlicht, wenn er „materielle“ und „formelle“ Bürgerlichkeit vor dem Hintergrund der Privatheit erläutert. Allgemein zur Selbständigkeit in ihrer Pflichtigkeit 3. Teil, 2. Kap., III., IV., V., 3. Kap., ergänzend 4. Teil, 1. Kap., VI., 3. Kap., IV. 1363 I. d. S. K. A. Schachtschneider, Das Recht am und das Recht auf Eigentum, in: FS W. Leisner, S. 772 f.; ders., Res publica res populi, S. 244 ff.; H. F. Zacher, Das soziale Staatsziel, in: HStR, Bd. I, § 25, Rn. 28 ff.; für dieses Argumentum im Kontext des Halbteilungsprinzips deutlich K. Vogel, Vom Eigentums- zum Vermögensschutz – eine Erwiderung, NJW 1996, S. 1258; substantiell M. Lehner, Einkommensteuerrecht und Sozialhilferecht, passim. 1364 Ganz i. d. S. K. A. Schachtschneider, Umsatzbesteuerung der Mineralölsteuer, S. 51 f.; prägnant auch ders., Das Recht am Eigentum und das Recht auf Eigentum, in: FS W. Leisner, S. 794 („Eigentum ist wesensgemäß privatheitlich . . ., so dass Eigentum institutionell entststaatlicht“); sinngemäß z. B. K. Vogel, Der Finanz- und Steuerstaat, in: HStR, Bd. I, § 27, Rn. 51 ff.; P. Kirchhof, Staatliche Einnahmen, in: HStR, Bd. IV, § 88, Rn. 1, auch ders., Rechtsmaßstäbe finanzstaatlichen Handelns, JZ 1979, S. 153 ff.

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6. Teil: Teilung des Eigentums zwischen Steuerbürger und -staat

Früchte1365. Vorrangige Privatheitlichkeit, wie sie notwendigerweise auch die Steuerverfassung als substantielles Element einer Verfassung der Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit kennt, ist nur dann gegeben, wenn die Möglichkeiten der privaten Eigentumsinnehabung, -verfügung und -nutzung selbst nach der Auferlegung steuerlicher Geldleistungspflichten überwiegen1366. Nachdem gerade die Fragen der Steuerverfassung neben aller Formalität notwendigerweise einen material-ökonomischen Betrachtungswinkel implizieren, muss sich das Privatheitsprimat konsequenterweise nicht nur in einer formalen, sondern auch in einer materialen Größenordnung niederschlagen. Nachdrücklich unterstützt wird dies durch die Realitäten einer zunächst privatheitlichen Lebensbewältigung, die materielle Notwendigkeiten des täglichen Lebens nicht vernachlässigen darf1367. Vorrangige Privatheit bedingt vorrangig privatheitliches Eigentum als grundgesetzlich gewährleistetes Privatheitsrecht nicht nur in seiner formalen Dimension, sondern auch in aller materialen Konsequenz. In dieser Materialität muss das Eigentumsgrundrecht die verfassungsmäßige Garantie der Eigentumsgewährleistung mit allen Rechten der Innehabung, Verfügung und Nutzung, die Eigentumsgarantie in ihrer Institutionalität wie auch den grundgesetzlichen Schutz des Eigentums in seiner Werthaftigkeit umschließen1368. Der Vorrang der Privatheit des Eigentums kann ergo nur gewahrt sein, 1365 Vgl. BVerfGE 24, 367 (390); 31, 229 (240); 37, 132 (140); 50, 290 (339); 52, 1 (30); 58, 300 (345); 70, 191 (200); 79, 174 (198); 79, 292 (303); 81, 208 (220); 87, 114 (138 f.); 91, 294 (308 f.); 93, 121 (137); 100, 226 (247); 100, 289 (303) u. ö.; weiterführend P. Badura, Eigentum, in: HVerfR, S. 330, 342; H.-J. Papier, in: Maunz/ Dürig, GG, Art. 14, Rn. 366 ff.; W. Leisner, Eigentum, in: HStR, Bd. VI, § 149, Rn. 44, 74, 140; auch ders., Eigentum – Grundlage der Freiheit, S. 26, 44; K. A. Schachtschneider, Das Recht am und das Recht auf Eigentum, in: FS W. Leisner, S. 754, 772 u. ö.; ders., Res publica res populi, S. 1004, 1023 ff.; auch ders., Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 277 ff.; dazu ders., Freiheit in der Republik, 10. Kap., II. 1366 I. d. S. grundlegend W. Leisner, Eigentum, in: HStR, Bd. VI, § 149, Rn. 140; ähnlich O. Depenheuer, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. I, Art. 14, Rn. 207; steuerspezifischer z. B. K. H. Friauf, Verfassungsrechtliche Anforderungen an die Gesetzgebung über die Steuern von Einkommen und Ertrag, DStJG 12 (1989), S. 8; M. Jachmann, Steuergesetzgebung zwischen Gleichheit und wirtschaftlicher Freiheit, S. 48 ff. (jew. m. zahlr. Hinw.). 1367 Vgl. K. A. Schachtschneider, Das Recht am und das Recht auf Eigentum, in: FS W. Leisner, S. 761, 767 ff.; grundsätzlich ders., Freiheit in der Republik, 8. Kap., IV.; ders. Res publica res populi, S. 234 ff.; dazu umfassend 3. Teil, 2. Kap., V., 3. Kap., 5. Teil, 2. Kap., II., 1., ergänzend 4. Teil, 3. Kap., IV.; grundlegend zu diesem Aspekt bürgerlicher Selbständigkeit Aristoteles, Politik, S. 116 ff., 125 ff., 151 f., 166 ff.; auch I. Kant, Metaphysik der Sitten, S. 432 ff.; ders., Über den Gemeinspruch, S. 151 f.; hierzu z. B. E. Grabitz, Freiheit und Verfassungsrecht, S. 205 ff., 237; P. Häberle, Grundrechte im Leistungsstaat, VVDStRL 30 (1972), S. 90 ff.; P. Kirchhof, Die Identität der Verfassung in ihren unabänderlichen Inhalten, in: HStR, Bd. I, § 19, Rn. 83; M. Kriele, Freiheit und Gleichheit, in: HVerfR, S. 146; W. Maihofer, Prinzipien der freiheitlichen Demokratie, in: HVerfR, S. 445 f., 507 ff., 519 ff., 530 f.

2. Kap.: Eigentum und Steuern in der Republik

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wenn Steuergesetze dem Bürger auch nach der Auferlegung steuerlicher Geldleistungspflichten immer noch mehr als die Hälfte eines Besteuerungsgegenstandes belassen. So versagt die Eigentumsgewährleistung des Art. 14 GG einer Besteuerung, die dem Bürger mit dem fiskalischen Zugriff unmittelbar mehr als die Hälfte seines Eigentums entzieht, ebenso die verfassungsrechtliche Zustimmung wie einem Steuerzugriff, der mit einer Steuerlast von mehr als der Hälfte das Institut Eigentum gefährdet oder den Wert von Eigentumspositionen auf unter die Hälfte des ursprünglichen Wertes senkt. In erster Linie ist die Privatheitsgrenze auf die wirtschaftlichen Ergebnisse des Eigentumsgebrauches, der Eigentumsverwendung, anzuwenden oder auszudehnen, da der Bürger typischerweise auf diesem Wege sein Leben privatheitlich zu bewältigen sucht. Die Eigentumssubstanz darf, abgesehen von der steuerlichen Erfassung eines (fiktiven) Sollertrages, ohnehin nicht der Besteuerung unterworfen werden1369. Selbst wenn man die wirtschaftlichen Ergebnisse einer beruflicher Tätigkeit, sei sie selbständig, gewerblich oder abhängig ausgeübt, nicht als Eigentumspositionen betrachtet und somit nicht dem Geltungsbereich des Art. 14 GG zuordnet, sondern dem des Art. 12 GG1370, greift nach wie vor das Privatheitsprinzip; auch bei mangelnder Einschlägigkeit des Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG für obige Erwerbseinkünfte würden diese Einkunftsarten dennoch dem Primat der Privatheit unterliegen. Da sich im Eigentum des Bürgers, in seinem rechtlich Eigenen, die Summe seiner Möglichkeiten spiegelt1371, die der Fiskus mit seinem steuergesetzlichen Zugriff einschränkt, muss das Gebot vorrangiger Privatheit für all das Anwendung finden, was dem Bürger infolge privatheitlicher Betätigung rechtmäßig zueigen ist. Die auf dem Menschenwürdeprinzip und dem Grundgesetz basierende Privatheitlichkeit verpflichtet in ihrer Vorrangigkeit den Steuerstaat also dazu, trotz aller fiskalischen Lasten dem privaten Bürger von seinem Eigentum, auch und insbesondere von den Ergebnissen seiner privatheitsverwirklichenden Eigentumsnutzung, mindestens die Hälfte – ent1368 Vgl. auch BVerfGE 1, 264 (278); 58, 300 (335 f.); 70, 191 (199); 79, 174 (191); 95, 64 (82); 95, 267 (300); summarisch BVerfGE 83, 201 (201 ff.); stv. für viele H.-J. Papier, in Maunz/Dürig, GG, Art. 14, Rn. 55; für einen Überblick auch H. Jarass, in: H. Jarass/B. Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Kommentar, 5. Aufl., 2000, Art. 14, Rn. 6 f.; siehe auch umfassend den 5. Teil, insb. 1. Kap., II., III. 1369 I. d. S. BVerfGE 93, 121 (138 f.); zum Konstrukt der Besteuerung von Sollerträgen näher im 3. Kap., I., insb. 2., 3., d). 1370 Siehe 1. Kap., III. 1371 Vgl. K. Kühl, Eigentumsordnung als Freiheitsordnung, S. 271 ff., 277 ff.; dazu etwa W. Maihofer, Prinzipien der freiheitlichen Demokratie, in: HVerfR, S. 512; P. Häberle, Grundrechte im Leistungsstaat, VVDStRL (1972), S. 84, 92, 97; P. Kirchhof, Der allgemeine Gleichheitssatz, in: HStR, Bd. V, § 124, Rn. 74 f.; H. F. Zacher, Das soziale Staatsziel, in: HStR, Bd. I, § 25, Rn. 39; K. A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 144 f., 344; eher kritisch W. Leisner, Der Gleichheitsstaat. Macht durch Nivellierung, insb. S. 143 ff.; ders., Chancengleichheit als Form der Nivellierung, in: Staat, Schriften zu Staatslehre und Staatsrecht 1957–1991, S. 642 ff.

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6. Teil: Teilung des Eigentums zwischen Steuerbürger und -staat

sprechend dem Vorrangigkeitspostulat wohl sogar mehr als die Hälfte – zu belassen. Die in dem rechtlichen Eigenen begründeten Möglichkeiten korrespondieren mit der Pflicht des Bürgers zur vornehmlich privatheitlichen Lebensführung1372, wie sie ebenfalls das Privatheitsprinzip fordert. Gerade in ihrer Pflichtigkeit1373 vermittelt vorrangige Privatheitlichkeit dem Bürger ein Recht auf sein grundgesetzlich geschütztes Eigentum wie auch ein Recht an seinem rechtmäßig Erworbenen, dessen grundsätzliche Privatheitlichkeit auch nach dem Zugriff des Fiskus erhalten bleiben muss. Eine Besteuerung, die den Bürger der Mittel beraubt, der Pflicht zur Lebensbewältigung vorrangig mit seinen privaten Kräften nachkommen zu können, verstößt erst recht gegen das Privatheitsprinzip1374, letztlich gegen die Freiheit des Bürgers1375. Über die unmittelbare Einengung der privaten Lebensführung qua steuergesetzlicher Beschneidung von Eigentumspositionen hinaus ist eine Besteuerung, die dem Bürger eine Erfüllung dieser Pflichtigkeit als kaum erreichbar erscheinen lässt, kaum geeignet, das individuelle Streben nach privatheitlicher Meisterung der Lebensaufgaben zu befördern, und verletzt so ebenfalls das gemeinwohlverwirklichende Privatheitsprinzip. Auch unter diesem Aspekt sollte der Fiskus dem Bürger als verfassungsrechtlich gebotenes Minimum die Hälfte des erwirtschafteten Eigenen zugestehen. Das verfassungsrechtlich gebotene Maß der steuerlichen Lasten – der Natur der Sache nach wohl immer ein Höchstmaß –, also die verfassungsseitig mögliche Steuergesamtbelastung des Bürgers, kann sich summa summarum nur an der Relation von Privatheit und Staatlichkeit orientieren, wie sie die Verfassung der freiheitlichen, gleichheitlichen und brüderlichen Republik vorgibt. Ein Ne1372 Grundlegend zur pflichtigen Bürgerlichkeit I. Kant, Metaphysik der Sitten, S. 432 ff. (Zitat S. 433); ders., Über den Gemeinspruch, S. 150 ff.; H. H. Rupp, Die Unterscheidung von Staat und Gesellschaft, in: HStR, Bd. I, § 28, Rn. 18 ff.; K. A. Schachtschneider, Das Sozialprinzip, S. 40 ff.; ders., Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 143 f.; ders., Res publica res populi, S. 234 ff., insb. 241 ff., 438 ff.; vor allem ders., Das Sittengesetz und die guten Sitten, in: FS W. Thieme, S. 195 ff.; zum Verständnis auch ders., Freiheit in der Republik, 4. Kap.; i. d. S. auch H. F. Zacher, Das soziale Staatsziel, in: HStR, Bd. I, § 25, Rn. 48 ff. 1373 Vgl. zur Selbstverantwortung des pflichtigen Bürgers H. F. Zacher, Das soziale Staatsziel, in: HStR, Bd. I, § 25, Rn. 28 ff.; H. Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 813 ff., auch S. 430 ff.; ebenso K. A. Schachtschneider, Das Recht am und das Recht auf Eigentum, in: FS W. Leisner, S. 760 u. ö.; ders., Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 145 ff., 149; ders., Frei – sozial – fortschrittlich, in: Symposium zu Ehren von Werner Thieme, S. 16 ff.; grundlegend ders., Freiheit in der Republik, 8. Kap., III.; siehe außerdem 5. Teil, 2. Kap., II., 2. 1374 Sinngemäß K. Vogel, Vom Eigentums- zum Vermögensschutz – eine Erwiderung, NJW 1996, S. 1258; umfassend M. Lehner, Einkommensteuerrecht und Sozialhilferecht, passim. 1375 I. d. S. deutlich K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 234 f., der auch und vor allem ökonomische Selbständigkeit als unabdingbare Voraussetzung bürgerlicher Sittlichkeit postuliert.

2. Kap.: Eigentum und Steuern in der Republik

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beneinander von Privatheit und Staatlichkeit, wie man es dem Grundgesetz gelegentlich entnimmt, wird dabei der republikanischen Grundkonzeption nicht gerecht1376. Selbst in einer hälftigen Teilung zwischen privater und öffentlicher Hand, wie sie auch das Eigentumsgrundrecht des Art. 14 GG als eine der wichtigsten Normen des Steuerverfassungsrechts mit dem „zugleich“ in Absatz 2 Satz 2 signalisiert1377, ist das Primat der Privatheit nicht erschöpfend wiederzufinden. Um dem Prinzip vorrangiger Privatheitlichkeit zu genügen, muss dem pflichtigen Bürger vielmehr nach dem Besteuerungszugriff von seinem rechtmäßig Erworbenen, von seinem rechtlich Eigenen, mindestens die Hälfte, wenn nicht sogar mehr als die Hälfte verbleiben; das Eigentum der Privatheit ist zwischen Bürger und Staat zugunsten des Privaten höchstens hälftig zu teilen. In jedem Fall verbietet das Privatheitsprinzip eine Besteuerung des Eigentums des Steuerbürgers, die 50% übersteigt. d) Bestätigung der höchstens hälftigen Teilung durch das republikanische Sozialprinzip Neben dem Privatheitsprinzip beeinflusst das Sozialprinzip1378 als zweiter Grundpfeiler innerhalb des Gefüges von Privatheitlichkeit und Staatlichkeit im Steuerstaat wesentlich die Steuerverfassung. Als eine der substantiellen Fragestellungen des Steuerverfassungsrechts wird auch die Frage nach der verfassungsrechtlich zulässigen Besteuerung und deren Höhe durch das republikanische Sozialprinzip determiniert. Schließlich lässt sich das soziale Prinzip der brüderlichen Republik, das dem Staat die Erfüllung einer Vielzahl unmittelbar oder mittelbar sozialer Aufgaben überantwortet, nicht von der Steuerstaatlichkeit der Republik trennen, generiert der Staat durch die Auferlegung öffentlich-

1376 Deutlich für den Vorrang der Privatheit zur Verwirklichung der allgemeinen Freiheit K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 370 ff., auch S. 253 ff., 275 ff., 325 ff., 449 ff., 466 ff. u. ö.; ders., Freiheit in der Republik, 8. Kap.; für einen Überblick ders., Der Anspruch auf materiale Privatisierung, S. 67 ff. 1377 Für eine Interpretation des „zugleich“ als Nebeneinander z. B. M. Jachmann, Steuergesetzgebung zwischen Gleichheit und wirtschaftlicher Freiheit, S. 48 („Eindeutig . . . nur ein Nebeneinander“); i. d. S. z. B. P. Kirchhof, Grundlinien des Steuerverfassungsrechts in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, StbJb 1994/ 1995, S. 8 f.; wohl auch W. Leisner, Steuer- und Eigentumswende – die EinheitswertBeschlüsse des Bundesverfassungsgerichts, NJW 1995, S. 2594; grundsätzlicher ders., Eigentum, in: HStR, Bd. VI, § 149, Rn. 151; a. A. z. B. K. H. Friauf, Verfassungsrechtliche Anforderungen an die Gesetzgebung über die Steuern von Einkommen und Ertrag, DStJG 12 (1989), S. 8, der die Vorrangigkeit des Privaten im Falle einer exakt hälftigen Teilung noch nicht erfüllt sieht. 1378 Dazu umfassend K. A. Schachtschneider, Res publica, S. 234 ff. u. ö.; ders., Das Sozialprinzip, passim; auch ders., Grundgesetzliche Aspekte der freiberuflichen Selbstverwaltung, Die Verwaltung 31 (1998), S. 154 ff.; grundlegend auch H. F. Zacher, Das soziale Staatsziel, in: HStR, Bd. I, § 25; vgl. außerdem den 4. Teil (m. zahlr. Hinw.).

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6. Teil: Teilung des Eigentums zwischen Steuerbürger und -staat

rechtlicher Geldleistungspflichten doch die Staatseinnahmen, die er zur Bewältigung seiner vielschichtigen Aufgaben benötigt. Einnahmen erzielt das republikanische Gemeinwesen durch den steuerstaatlichen Zugriff auf das privatheitliche Eigentum des Bürgers, der – wie nicht zuletzt Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG beweist – der Gemeinschaft gegenüber unmittelbar verpflichtet ist, dessen Eigentum also sozialpflichtig ist1379. Nicht erst in der Republik der Moderne, zu deren funktionalem Herzstück in einer material-ökonomischen Dimensionalität sich das Instrumentum Geld entwickelt hat, präsentiert sich die Steuerpflicht des Bürgers als die elementare Bürgerpflicht um des brüderlichen, sozialen Prinzips willen1380, bei der der Bürger durch die Steuererhebung mit all ihren Gesetzlichkeits- und Gerechtigkeitsprinzipien1381 bestmöglich, effizient und lastengerecht zu seinem Beitrag für das Gemeinwesen herangezogen werden kann. Für die staatliche Gemeinschaft erschöpft sich das republikanische Sozialprinzip nicht in einer Verpflichtung, für jeden Bürger ein menschenwürdiges Existenzminimum zu gewährleisten1382; dies würden bereits die verfassungsmäßig garantierte Unantastbarkeit der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 S. 1 GG), das Recht auf Leben (Art. 2 Abs. 2 GG) oder auch das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2 Abs. 1 GG) leisten. Stattdessen sind gesellschaftlicher und ökonomischer Fortschritt, sozialer Ausgleich, Aspekte wirtschaftlicher Sicherheit wie Kranken- und Altersversorgung, die Verantwortlichkeit des Gemeinwesens für den Einzelnen wie des Einzelnen für das Gemeinwesen, also die Sozialpflichtigkeit auf Gegenseitigkeit, die zentralen Themata des sozialen Prinzips1383. In letzter Konsequenz zielt das Sozialprinzip bei aller materialen

1379 „Eigentum verpflichtet“ „zur Steuerzahlung (Art. 14 Abs. 2 S. 1 GG)“, wie P. Kirchhof, Steuergerechtigkeit und sozialstaatliche Geldleistungen, JZ 1982, S. 307, ergänzt, der Art. 14 Abs. 2 GG damit die „finanzstaatliche Pflicht zur Steuerzahlung“ entnimmt; grundsätzlich zur Sozialpflichtigkeit des Eigentums z. B. P. Badura, Eigentum, in: HVerfR, S. 359 ff.; W. Leisner, Sozialbindung des Eigentums, S. 43 ff., 63 ff., 185 ff.; H.-J. Papier, Eigentum, in: HStR, Bd. VI, § 149, Rn. 133 ff.; ders., in: Maunz/Dürig, GG, Art. 14, Rn. 298; K. A. Schachtschneider, Das Recht am und das Recht auf Eigentum, in: FS W. Leisner, S. 773 ff.; ders., Das Sozialprinzip, S. 32, ansonsten passim. 1380 So z. B. P. Kirchhof, Die Identität der Verfassung in ihren unabänderlichen Inhalten, in: HStR, Bd. I, § 19, Rn. 78; ders., Staatliche Einnahmen, in: HStR, Bd. IV, § 88, Rn. 46 ff.; K. Vogel, Der Finanz- und Steuerstaat, in: HStR, Bd. I, § 27, Rn. 71; H. F. Zacher, Das soziale Staatsziel, in: HStR, Bd. I, § 25, Rn. 20, 61 f.; umfassend J. Isensee, Steuerstaat als Staatsform, in: FS H. P. Ipsen, S. 415 ff. 1381 Vgl. z. B. den informativen Überblick von J. Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 4, Rn. 1 ff., insb. Rn. 11 ff. (Übersicht), Rn. 50 ff. (Formale und materiale Rechtsstaatlichkeit), Rn. 70 ff. (Systemtragende Prinzipien rechtsstaatlichen Steuerrechts). 1382 Vgl. K. A. Schachtschneider, Das Sozialprinzip, S. 36 f.; i. d. S. ders., Res publica res populi, S. 240 ff., 245 ff.; ausführlicher im 4. Teil. 1383 Siehe K. A. Schachtschneider, Das Sozialprinzip, S. 40 ff., 46 ff.; umfassend z. B. J. Isensee, Gemeinwohl und Staatsaufgaben im Verfassungsstaat in: HStR, Bd. III, § 57, Rn. 1 ff.

2. Kap.: Eigentum und Steuern in der Republik

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Offenheit immer auf die Verwirklichung des guten Lebens aller in gemeinsamer Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit1384. In diesem Kontext räumt das Sozialprinzip der Republik der bürgerlichen Selbständigkeit, mithin dem Privatheitsprinzip, eine zentrale Stellung in seinem Zielkanon ein, ist doch nur ein selbständiger, eigenverantwortlich handelnder Bürger überhaupt zur Freiheit fähig1385; denn Selbständigkeit meint letztlich nichts anderes als immateriale und materiale Unabhängigkeit von anderen. Nur wer „sein eigener Herr (sui iuris)“1386 ist, der ist eigenständig und kann aus dieser Situation eigenverantwortlich und zugleich brüderlich handeln1387. Schließlich entwickelt sich die Freiheit als Autonomie des Willens, also auch im Sinne allgemeiner Sittlichkeit, am besten in wirtschaftlicher Homogenität1388 von substantiell gleichen und selbständigen Bürgern1389. In den Mittelpunkt des Sozialprinzips, das den einzelne Bürger und die bürgerliche Gemeinschaft gleichermaßen auf eine konkrete Umsetzung der Grundidee der Brüderlichkeit verpflichtet, rückt damit eine Vorstellung, der zufolge 1384 Vgl. hierzu K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 573 u. ö.; näher dazu S. 299 ff., 350 ff., 625 ff.; grundlegend I. Kant, Über den Gemeinspruch, S. 154 f.; siehe außerdem 4. Teil, 1. Kap. 1385 Über die Selbständigkeit als wesentliche Voraussetzung bürgerlicher Freiheit bereits I. Kant, Über den Gemeinspruch, S. 145 ff.; dazu E. Grabitz, Freiheit und Verfassungsrecht, S. 205 ff., 237; P. Häberle, Grundrechte im Leistungsstaat, VVDStRL 30 (1972), S. 90 ff.; P. Kirchhof, Die Identität der Verfassung in ihren unabänderlichen Inhalten, in: HStR, Bd. I, § 19, Rn. 83; M. Kriele, Einführung in die Staatslehre, S. 219, 334; ders., Freiheit und Gleichheit, in: HVerfR, S. 146 ff.; auch C. Link, Staatszwecke im Verfassungsstaat nach 40 Jahren Grundgesetz, VVDStRL 48 (1990), S. 34 ff.; W. Maihofer, Prinzipien der freiheitlichen Demokratie, in: HVerfR, S. 445 f., 507 ff., 519 ff., 530 f.; G. Ress, Staatszwecke im Verfassungsstaat nach 40 Jahren Grundgesetz, VVDStRL 48 (1990), S. 101 ff.; H. H. Rupp, Die Unterscheidung von Staat und Gesellschaft, in: HStR, Bd. I, § 28, Rn. 18 ff.; K. A. Schachtschneider, Das Recht am und das Recht auf Eigentum, S. 767 ff.; ebenso ders., Res publica res populi, S. 234 ff.; ergänzend ders., Freiheit in der Republik, 8. Kap., III., IV.; 10. Kap., II.; bereits ders., Das Sozialprinzip, S. 40 ff.; ders., Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 143 f.; aktuell zum Thema auch ders., Der Anspruch auf materiale Privatisierung, S. 75 ff.; H. F. Zacher, Das soziale Staatsziel, in: HStR, Bd. I, 1987, § 25, Rn. 48 ff.; 1386 I. Kant, Über den Gemeinspruch, S. 149, 151; auch ders., ebenda, S. 153; ebenso ders., Metaphysik der Sitten, S. 345; dazu K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 241 ff. 1387 Vgl. K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 85, 153 ff., 160, 211 ff., 234 ff. 1388 Zum Begriff der Homogenität 4. Teil, 2. Kap., VI. 1389 Vgl. bereits BVerfGE 5, 85 (206); dazu P. Häberle, Grundrechte im Leistungsstaat, VVDStRL 30 (1972), S. 90 ff.; W. Maihofer, Prinzipien der freiheitlichen Demokratie, in: HVerfR, S. 427 ff.; grundlegend Aristoteles, Politik, S. 116 ff., 125 ff., 151 f., 166 ff.; ähnlich wohl auch M. Kriele, Freiheit und Gleichheit, in: HVerfR, S. 146; zur „bürgerlichen Selbständigkeit“ auch I. Kant, Metaphysik der Sitten, S. 432 ff.; ders., Über den Gemeinspruch, S. 151 f.

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6. Teil: Teilung des Eigentums zwischen Steuerbürger und -staat

der Bürger nach einer grundsätzlich eigenverantwortlichen und selbständigen Lebensführung in Privatheit zu streben hat1390. Getreu dem Prinzip vorrangiger Privatheitlichkeit ist der Staat, also die bürgerliche Gemeinschaft, erst dann zu Intervention und staatlicher Unterstützung angehalten, wenn der Bürger sein Leben eigenständig nicht mehr bewältigen kann1391. Das Sozialprinzip gibt dem Staat keinen Auftrag zur sozialen Gleichmacherei, wie sie der herrschaftliche Sozialismus betreibt1392, sondern stellt die Gewährleistung bestmöglicher Voraussetzungen zur privatheitlichen Lebensführung für jeden einzelnen Bürger in den Mittelpunkt allen staatlichen Handelns1393. Schließlich wäre jede Form des sozialstaatlichen Paternalismus herrschaftlich, despotisch, somit freiheitswidrig1394. Dass im gleichen Atemzug jeder Bürger in seiner brüderlichen Sittlichkeit aufgefordert ist, nach größtmöglicher Eigenverantwortlichkeit und Selbständigkeit bei der Meisterung seines Lebens zu streben, um nicht nur seine individuelle Freiheit, sondern auch das allgemeine Wohl zu verwirklichen, ist nur konsequent. Die eigentlichen Aufgaben des sozialen, brüderlichen Staates liegen also – über die unstrittige Notwendigkeit einer Sicherung des Existenzminimums aller Bürger und den substantiellen Aufgaben der Daseinsvorsorge für die bürgerliche Gemeinschaft hinaus – in der Schaffung eines Umfeldes, in dem jeder Bürger sein Leben bestmöglich in Privatheit führen kann, zumindest sich um diese Privatheitlichkeit bemühen kann1395. Bürgerliche Selbständigkeit als notwendige 1390 Vgl. K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 370 ff., insb. 386 ff.; auch ders., Freiheit in der Republik, 8. Kap., IV. u. ö.; ders., Vom liberalistischen zum republikanischen Freiheitsbegriff, in: FS WiSo der FAU Erlangen-Nürnberg, S. 418 ff. (S. 436); grundlegend J. Isensee, Subsidiarität und Verfassungsrecht, S. 215 ff., 313 ff. 1391 Vgl. insb. die Hinw. in Fn. 1361. 1392 Die Irrtümlichkeit materialer Gleichheit im Sozialismus erläutert K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 245 f.; bereits ders., Das Sozialprinzip, S. 24 ff., 40, 46 ff. 1393 Für die Aufgabe des sozialen Staates, die Selbständigkeit des Bürgers als Voraussetzung für dessen Sittlichkeit zu fördern BVerfGE 5, 84 (197 f.); i. d. S. E.-W. Böckenförde, Staat und Gesellschaft im Sozialstaat, S. 421 f.; ders., diese These in seinem abweichenden Votum zur Halbteilungsentscheidung relativierend, BVerfGE 91, 121 (150 ff.); P. Häberle, Die Wesensgehaltsgarantie des Art. 19 Abs. 2 GG, S. 121 f.; ders., Grundrechte im Leistungsstaat, VVDStRL 30 (1972), S. 90; R. Herzog, Ziele, Vorbehalte und Grenzen der Staatstätigkeit, in: HStR, Bd. III, § 58, Rn. 27, 75 ff.; K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 234 ff.; W. Maihofer, Prinzipien der freiheitlichen Demokratie, in: HVerfR, S. 516, 528 f.; H. F. Zacher, Das soziale Staatsziel, in: HStR, Bd. I, § 25, Rn. 48 ff.; J. Isensee, Gemeinwohl und Staatsaufgaben im Verfassungsstaat, in: HStR, Bd. III, § 57, Rn. 170. 1394 Grundlegend I. Kant, Über den Gemeinspruch, S. 159; deutlich i. d. S. W. Maihofer, Die Legitimation des Staates aus der Funktion des Rechts, ARSP 1981, Beiheft Nr. 15, S. 34; den Kontext herstellend K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 234 ff. (insb. S. 240 f.). 1395 Vgl. P. Häberle, Grundrechte im Leistungsstaat, VVDStRL 30 (1972), S. 95, i. d. S. auch E.-W. Böckenförde, Staat und Gesellschaft im Sozialstaat, S. 421 f.; M.

2. Kap.: Eigentum und Steuern in der Republik

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Grundbedingung der Gleichheit in Freiheit impliziert trotz aller Formalität der Gleichheitsidee material-ökonomische Erforderlichkeiten, setzt insbesondere ausreichendes Eigentum voraus1396. Auch wenn der fiskalische Zugriff auf das bürgerliche Eigentum zur Finanzierung sozialstaatlicher Aktivitäten seine letztinstanzliche Rechtfertigung in dem sozialen Prinzip der Republik findet, impliziert das Sozialprinzip zugleich eine grundsätzliche Steuerverschonung des privaten Eigentums – jedenfalls in dem Maße, in dem es der privatheitlichen Lebensbewältigung zu dienen geeignet ist. Dieser Bezugsrahmen verdeutlicht die steuerverfassungsrechtlichen Vorgaben, die sich aus dem Sozialprinzip der freiheitlichen, gleichheitlichen und brüderlichen Republik ableiten lassen. Mit der inzwischen unstrittigen Steuerfreistellung des Existenzminimums1397 ist den Zielen des Sozialprinzips nicht Genüge getan1398, erstreckt sich dieses Prinzip in seinem Anforderungsbogen doch deutlich weiter; die Exemtion der elementaren Lebensgrundlagen von der Besteuerung wäre bereits den oben erwähnten Grundprinzipen der Art. 1 GG und Art. 2 GG zu entnehmen. Auch eine Steuerbefreiung oder zumindest Steuervergünstigung des für die grundlegende Daseinsvorsorge benötigten Eigentums deckt sich nicht mit dem tatsächlichen steuerverfassungsrechtlichen Anspruchsprofil des Sozialprinzips. Der grundlegenden Intention des Sozialprinzips entsprechend muss das Steuersystem in seiner Gesamtheit so konzipiert sein, dass es eine Finanzierung der notwendigen staatlichen Aufgaben erlaubt, zugleich jedoch nach wie vor die vorrangige Privatheitlichkeit des Steuerbürgers anerkennt – auch im republikanischen Sozialprinzip findet sich die republikanische Dualität von Privatheit und Staatlichkeit1399. Selbst der Vorrangigkeit des Privatheitsprinzips, auf dem das Gebot der annähernd hälftigen Teilung des Eigentums und seiner Früchte zwischen Bürger und Kriele, Einführung in die Staatslehre, S. 219, 334. Für die materiellen Voraussetzungen der Freiheit BVerfGE 33, 303 (331); aktuell im Sinne einer Gleichschaltung von Freiheit und Geld BVerfGE 97, 350 (371); zu diesem Problemfeld z. B. K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 235 ff. 1396 Vgl. K. A. Schachtschneider, Das Recht am und das Recht auf Eigentum, in: FS W. Leisner, S. 767 ff. 1397 Vgl. BVerfGE 87, 153 (169); dazu, statt vieler, J. Lang, in: Tipke/Lang, § 4, Rn. 78, 195, 202, 245, 247; ausführlicher z. B. L. Schemmel, Das einkommensteuerliche Existenzminimum: Berücksichtigung der Menschenwürde im Steuerrecht oder politisch gestaltbare Vergünstigung?. Anmerkungen zum Beschluss des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 25.9.1992, StuW 1993, S. 70 ff. 1398 Deutlich etwa J. Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 1, Rn. 24 (Bei einer Besteuerung des Existenzminimums wird der Sozialstaat“ „auf den Kopf gestellt“). 1399 I. d. S. wohl auch W. Leisner, Der Eigentümer als Organ der Wirtschaftsverfassung, DÖV 1975, S. 75. („Das Privateigentum ist in dem Sinne von Anfang an sozialisiert, dass es zugleich private und öffentliche Kompetenz bedeutet. Das Grundgesetz sozialisiert das Eigentum in der Hand des Eigentümers. Es gibt ihm Autonomie und Ermessen – aber kein Belieben.“)

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6. Teil: Teilung des Eigentums zwischen Steuerbürger und -staat

Staat basiert, steht das Sozialprinzip als eines der Fundamentalprinzipien der freiheitlichen, gleichheitlichen und brüderlichen Republik keinesfalls entgegen. Ganz im Gegenteil kann das republikanische Sozialprinzip folgerichtig das grundsätzliche Primat der Privatheit, auch der privatheitlichen Lebensbewältigung, als eine der substantiellen Säulen republikanischer Brüderlichkeit für das Steuerverfassungsrecht thematisieren. Das Sozialprinzip gebietet eine Besteuerung, die dem pflichtigen Bürger zwar seinen finanziellen Beitrag für die Gemeinschaft abverlangt, dennoch aber die vorrangige Privatheit seines Eigentums bei Innehabung und Nutzung gewährleistet. Gemäß der oben skizzierten Gesamtkonzeption zwingt also auch das Sozialprinzip den Steuergesetzgeber dazu, dem Steuerbürger nach dem fiskalischen Zugriff mindestens die Hälfte seines Eigentums, genauer mindestens die Hälfte der wirtschaftlichen Ergebnisse seines Eigentumsgebrauches zu belassen; insofern bestätigt das Sozialprinzip in seiner Grundsätzlichkeit die verfassungsrechtliche Grenze einer maximal hälftigen Teilung zwischen Bürger und Staat, wie sie auch das Privatheitsprinzip fixiert. (Bekräftigt wird dies übrigens durch den Wortlaut wie auch die republikanische Interpretation des Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG, der Eigennutz und Allgemeinwohl unter dem Dach sozialer Pflichtigkeit im Interesse aller zu vereinen weiß1400.) Nachdem republikanische Brüderlichkeit nicht soziale Nivellierung zur Folge haben darf, sondern über eine staatliche Grundvor- und -fürsorge hinaus primär die Herstellung eines fruchtbaren Umfeldes bestmöglicher Privatheit einfordert, kann das Halbteilungsgebot außerdem nicht auf die steuerliche Erfassung des Eigentums beschränkt werden, das für die privatheitliche Lebensführung unabdingbar scheint. Rechtmäßiges Eigentum umfasst in den Grenzen allgemeiner Gesetze die Summe aller Möglichkeiten des privaten Bürgers – Möglichkeiten privatheitlicher Lebensführung, die durchaus unterschiedlich verteilt sein dürfen1401 –, so dass der unstrittigen Pflichtigkeit jeglichen Eigentums allemal Genüge getan ist, wenn der Bürger höchstens die Hälfte an den besteuernden Fiskus abführt. Einen weitergehenden Steuerzugriff würde aus obigen Gründen nicht nur das Privatheitsprinzip, sondern auch das Sozialprinzip als verfassungswidrig qualifizieren. Der steuerverfassungsrechtliche Halbteilungsgrundsatz, wie ihn das Privatheitsprinzip vorgibt, wird bei näherer Betrachtung durch die verschiedenen Facetten der praktischen Umsetzung des Sozialprinzips in der republikanischen Lebenswirklichkeit noch bekräftigt, das in seiner Zielsetzung schlussendlich auf die Förderung bürgerlicher Selbständigkeit abstellt1402. Soweit der Staat in sei1400 Vgl. K. A. Schachtschneider, Das Recht am und das Recht auf Eigentum, in: FS W. Leisner, S. 786 f. 1401 So K. A. Schachtschneider, Das Recht am und das Recht auf Eigentum, S. 757, auch S. 784 f. 1402 BVerfGE 5, 84 (197 f.); ebenso E.-W. Böckenförde, Staat und Gesellschaft im Sozialstaat, S. 421 f., der interessanterweise diesen Begründungsansatz in seinem ab-

2. Kap.: Eigentum und Steuern in der Republik

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ner sozialen Verantwortlichkeit für den einzelnen Bürger mit direkter Unterstützung die Voraussetzungen wirtschaftlicher Eigenständigkeit schaffen will1403, lässt sich wenigstens in der Unterstützungsphase eine verfassungsseitige Limitierung des Steuerzugriffs nicht herleiten. Unabhängig von der unstrittigen Möglichkeit zur allgemeinen Steuerfinanzierung einer „Anschubhilfe“, die dem unterstützungsbedürftigen Bürger unmittelbar zugute kommt, stehen Variationen der Steuerbegünstigung in der Anlaufphase einer wirtschaftlichen Betätigung zur Erlangung bürgerlicher Selbständigkeit als mögliche Förderoptionen an; eine verfassungsrechtliche Besteuerungsgrenze, geschweige denn in der Nähe einer hälftigen Teilung, steht auch hier nicht zur Diskussion. Spätestens nach erfolgter Etablierung jedoch verlangt nicht zuletzt das Gleichheitsprinzip, dass dieses privatheitliche Wirtschaften wie jede andere Teilnahme am wirtschaftlichen Verkehr auch nach steuerverfassungsrechtlichen Prinzipien, insbesondere nach Maßgabe individueller Leistungsfähigkeit, vom Fiskus erfasst wird1404. Wenn der Bürger Grundlagen privatheitlicher Lebensführung geschaffen und steuerlich fassbare Leistungsfähigkeit erlangt hat, ist er in der Lage und in seiner Bürgerlichkeit auch verpflichtet, einen finanziellen Beitrag für die Gemeinschaft zu leisten. Gleichwohl müssen Grundsatz und Vorrang der Privatheit des Bürgers auch in seinem Wirtschaften nach dem Steuerzugriff noch gewährleistet sein. Dies gilt um so mehr, wenn bürgerliche Eigenständigkeit, also die material-ökonomische Grundlage bürgerlicher Privatheit, erst mit Hilfe des Staates, auch des Steuerstaates, aufgebaut worden ist: eine Besteuerung der Ergebnisse privatheitlichen Wirtschaftens, die dem pflichtigen Bürger mehr als die Hälfte des Erwirtschafteten und im Grunde auf dem Weg der Eigentumsschmälerung seine soeben erst errungene Privatheit umgehend wieder entzieht, konterkariert jegliches Bemühen des Sozialstaates um möglichst weitgehende Eigenständig-

weichenden Votum zur Entscheidung über die Vermögensteuer, BVerfGE 91, 121 (149 ff.), weniger vehement verfolgt; i. d. S. außerdem P. Häberle, Die Wesensgehaltsgarantie des Art. 19 Abs. 2 GG, S. 121 f.; ders., Grundrechte im Leistungsstaat, VVDStRL 30 (1972), S. 90; M. Kriele, Freiheit und Gleichheit, in: HVerfR, S. 146; W. Maihofer, Prinzipien der freiheitlichen Demokratie, in: HVerfR, S. 427 ff.; R. Herzog, Ziele, Vorbehalte und Grenzen der Staatstätigkeit, in: HStR, Bd. III, § 58, Rn. 26 f., 79; bedeutsam H. F. Zacher, Das soziale Staatsziel, in: HStR, Bd. I, § 25, Rn. 48 ff.; J. Isensee, Gemeinwohl und Staatsaufgaben im Verfassungsstaat, in: HStR, Bd. III, § 57, Rn. 165 ff.; K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 234 ff.; i. d. S. auch ders., Frei – sozial – fortschrittlich, in: Symposium zu Ehren von Werner Thieme, S. 6 ff. 1403 Zu dem direkten mikrosozialen Ansatz vgl. 4. Teil, 3. Kap., IV. 1404 Vgl. grundlegend D. Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Maßstab der Steuernormen, passim; für einen Überblick J. Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 4, Rn. 81 ff.; umfassender z. B. H. W. Kruse, Die Einkommensteuer und die Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen, in: FS K. H. Friauf, S. 793 ff.; D. Pohmer/G. Juhrke, Zu Geschichte und Bedeutung des Leistungsfähigkeitsprinzips unter besonderer Berücksichtigung der Beiträge im Finanz Archiv und der Entwicklung der deutschen Einkommensbesteuerung, FinArch. 42 (1984), S. 445; näher auch 2. Teil, 3. Kap., IV.

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6. Teil: Teilung des Eigentums zwischen Steuerbürger und -staat

keit der Bürgerschaft in der Republik und lässt sich mit der Grundidee bürgerlicher Freiheit nicht vereinbaren. Das republikanische Sozialprinzip postuliert eine Verantwortung des einzelnen Bürgers für das Gemeinwesen, die sich von seiner Selbstverantwortlichkeit, seiner Pflicht zur Selbständigkeit bis zur Pflichtigkeit seines Eigentums, ausgedrückt auch in der Steuerpflicht, für das republikanische Gemeinwesen erstreckt1405. Auf diesem Weg gemeinschaftlicher Solidarität lässt sich unter Anerkennung vorrangiger Privatheitlichkeit soziale Gerechtigkeit im bürgerlichen Staat erreichen; ein höchstens hälftiges Teilen des privaten Eigentums mit dem Staat ist logische Konsequenz eines sozialen Grundverständnisses, das den einzelnen Bürger in den Vordergrund stellt. e) Auftrag zur makrosozialen Förderung in der sozialen Republik als weiteres Indiz einer steuerverfassungsrechtlichen Halbteilung Idealiter verwirklicht der soziale Staat den Auftrag des Sozialprinzips, indem er sich auf die Errichtung und dauerhafte Gewährleistung von Rahmenbedingungen konzentriert, in denen privatheitliche Lebensbewältigung und bürgerliche Selbständigkeit ohne weitere, fortdauernde Einwirkung des Staates bestmöglich gedeihen können1406, ist doch dieser Ansatz makrosozialer Förderung einer auf den einzelnen Bürger gerichteten, mikrosozialen Einflussnahme des Sozialstaates eindeutig vorzuziehen1407. Um seiner sozialen Verantwortung gerecht zu werden, muss der Staat mittels geeigneter Gesetze dem privaten Bürger ermöglichen, die (materialen) Grundlagen seiner Eigenständigkeit zu schaffen, diese innezuhaben und im Rahmen der allgemeinen Gesetze auch nach seinen individuellen Maximen zu nutzen1408; denn auf diesem Weg wird die 1405 So z. B. H. F. Zacher, Das soziale Staatsziel, in: HStR, Bd. I, § 25, Rn. 85: „Die soziale Republik“: „. . . im Sinne der Teilhabe möglichst vieler . . ., einer Identifikation des Bürgers mit dem Gemeinwesen . . .“, dies „unterstreicht Wesentliches, was der ,Sozialstaat‘ in der Sache meint: die Solidarität der Bürger mit den Bürgern – vermittelt durch das Gemeinwesen und zugleich gelebt in der Gesellschaft.“ 1406 In praxi wird der brüderliche Staat wohl immer mit der Sicherung des Existenzminimums einer Vielzahl bedürftiger Bürger und grundlegenden Aufgaben der Daseinsvorsorge für die Bürgerschaft befasst sein, wie dies das Sozialprinzip der Verfassung vorsieht. Gleichwohl ist der bürgerliche Zustand anzustreben, in der jeder ohne staatliche Hilfe zu leben in der Lage ist; schließlich wird nur dann die allgemeine Freiheit verwirklicht. Dazu K. A. Schachtschneider, Das Sozialprinzip, S. 40 ff.; ders., Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 143 f.; vor allem ders., Res publica res populi, S. 207 ff., 234 ff., 370 ff., 386 ff.; grundlegend bereits I. Kant, Metaphysik der Sitten, S. 432 ff.; ders., Über den Gemeinspruch, S. 150 ff.; wesentlich H. F. Zacher, Das soziale Staatsziel, in: HStR, Bd. I, § 25, Rn. 25 ff.; ergänzend M. Kriele, Die demokratische Weltrevolution, S. 50; ders., Einführung in die Staatslehre, S. 229, 334. 1407 Vgl. näher 4. Teil, 3. Kap., IV. 1408 Zu dieser Verpflichtung des Sozialstaates grundlegend BVerfGE 5, 84 (197 f.); dazu E.-W. Böckenförde, Staat und Gesellschaft im Sozialstaat, S. 421 f.; H. U. Erich-

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bürgerliche Freiheit jedes Einzelnen, also die allgemeine Freiheit, so gut als möglich verwirklicht1409. Ohne das private Eigentum als wesentliches Substrat republikanischer Bürgerlichkeit ist der Bürger zur Selbständigkeit, zur Privatheit nicht fähig. Makrosoziale, die bürgerliche Gemeinschaft umfassende Förderung privatheitlicher Lebensbewältigung stellt folglich als Mindestforderung eine Steuergesetzgebung in den Raum, bei der der Privatheitsvorrang der Eigentumsinnehabung und -nutzung für jeden Bürger auch nach dem Zugriff des Fiskus noch gewahrt ist1410. Bereits in dieser Minimalausprägung untermauert der makrosoziale Förderansatz des modernen Sozialstaates die unbedingte Geltungsnotwendigkeit des steuerlichen Halbteilungsprinzips. Das Bestreben, die Grundparameter für ein bürgerliches Leben in eigens begründeter Selbständigkeit optimal zu gestalten und diese Zielsetzung so nachdrücklich zu befördern, birgt auch steuerliche Implikationen. Ob nun umfassende steuerliche Vergünstigungen wenigstens für die Anlaufphase der Erlangung oder Steigerung selbständiger, eigenverantwortlicher Lebensbewältigung ein probates Mittel der Förderung sind, sei einmal dahingestellt. In jedem Fall verlangt eigens begründete Selbständigkeit als ,republikanischste Form‘1411 privatheitlicher Lebensführung geeignete rechtliche und wirtschaftliche Rahmenparameter, bei denen einem privatheitsfreundlichen Steuerumfeld angesichts seiner substantiellen Auswirkungen für das Leben des Bürgers zentrale Bedeutung zukommt1412. Privatheitliche Selbständigkeit – insbesondere eigens begründete Selbständigkeit – benötigt Steuergesetze, die eine vorrangig privatheitliche Lebensbewältigung nicht nur zulassen, sondern diese Grundkonzeption republikanischer Sozialstaatlichkeit ausdrücklich bestätigen, wenn nicht sogar den Bürger in seinem sittlichen Streben idealerweise positiv beeinflussen. Steuerliche Lasten, die das rechtlich Eigene des Bürgers zu mehr als 50% belasten und somit Eigentum wie auch Ergebnisse des Eigentumsgebrauchs wenigstens in der Außenwahrnehmung mehrheitlich von der privaten in die staatsen, Allgemeine Handlungsfreiheit, in: HStR, Bd. VI, § 152, Rn. 13 ff.; P. Häberle, Die Wesensgehaltsgarantie des Art. 19 Abs. 2 GG, S. 121 f.; ders., Grundrechte im Leistungsstaat, VVDStRL 30 (1972), S. 90; R. Herzog, Ziele, Vorbehalte und Grenzen der Staatstätigkeit, in: HStR, Bd. III, § 58, Rn. 26 f., 79; J. Isensee, Gemeinwohl und Staatsaufgaben im Verfassungsstaat, in: HStR, Bd. III, § 57, Rn. 165 ff.; W. Maihofer, Prinzipien der freiheitlichen Demokratie, in: HVerfR, S. 516, 528 ff.; K. A. Schachtschneider, Frei – sozial – fortschrittlich, in: Symposium zu Ehren von Werner Thieme, Hamburg, 24 Juni 1988, Hamburg, S. 6 ff.; ders., Res publica res populi, S. 234 ff.; substantiell auch H. F. Zacher, Das soziale Staatsziel, in: HStR, Bd. I, § 25, Rn. 48 ff. 1409 Vgl. K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 234 f., 241 f., grundlegend auch S. 1177 ff.; hierzu auch ders., Freiheit in der Republik, 8. Kap., II., III., IV. u. ö. 1410 Zum makrosozialen Förderansatz vgl. näher 4. Teil, 3. Kap., IV., 2. 1411 So auch die Quintessenz bei H.-M. Hänsch, Gesamtwirtschaftliche Stabilität als Verfassungsprinzip, S. 104 ff. 1412 Dazu nochmals im Folgenden.

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6. Teil: Teilung des Eigentums zwischen Steuerbürger und -staat

liche Hand transferieren, führen die Privatheitlichkeit einer eigenständigen und selbstverantwortlichen Lebensführung, ja bereits das Bemühen des Bürgers um eben diese Privatheit, ad absurdum und sind gerade nicht geeignet, in der Bürgerschaft größtmögliche Bemühungen zu fordern und zu fördern, ein selbstverantwortliches Leben in – nicht nur materieller – Eigenständigkeit zu erreichen. Nicht allein um der Signalwirkung der Besteuerung willen, sondern vornehmlich mit Blick auf die elementare Bedeutsamkeit privatheitlicher Lebensbewältigung für die bürgerlichen Grundrechte, ja für die Menschenwürde sollte die steuerliche Belastung des Bürger als Gradmesser des Verhältnisses von Privatheit und Staatlichkeit im Gemeinwesen sogar deutlich unter der Hälfte liegen. Dies gilt um so mehr, wenn man sich die sozialstaatliche Verpflichtung in der modernen Republik vor Augen führt, eigens begründete Selbständigkeit als freiheitlichste, gleichheitlichste und brüderlichste Form privaten Lebens in der bürgerlichen Gemeinschaft dauerhaft zu installieren und zu befördern1413. Die sozialprinzipielle Order zur makrosozialen Förderung, die bewusst staatliche Einflussnahme zurückdrängen und individuelle Initiative in privatheitlichem Freiraum forcieren will, bezieht sehr deutlich Stellung: statt einer „Verstaatlichung der Lebensverhältnisse“1414, wie sie die Institution Steuer zwangsweise mit sich bringt, sollen die Lebensverhältnisse soweit als möglich privatisiert und dies nötigenfalls sogar durch gemeinschaftliche Hilfe befördert werden. Dass das Eigentum als Summe der Möglichkeiten zu einem privatheitlichen Leben nicht nur mehrheitlich, also zu mehr als 50% in privater Hand belassen werden muss, sondern der Fiskus ein mehr als hälftiges Verbleiben in privater Hand sogar zu unterstützen hat, ist die einzig logische Konsequenz. Der Grundsatzauftrag zur makrosozialen Förderung unterstreicht also die Effektuierung von Privatheits- und Sozialprinzip als Verfassungsgrenzen gegenüber einer Steuerlast von 50% oder mehr nochmals deutlich.

1413 Vgl. BVerfGE 5, 84 (197 f.); dazu E.-W. Böckenförde, Staat und Gesellschaft im Sozialstaat, S. 421 f., P. Häberle, Die Wesensgehaltsgarantie des Art. 19 Abs. 2 GG, S. 121 f.; ders., Grundrechte im Leistungsstaat, VVDStRL 30 (1972), S. 90; R. Herzog, Ziele, Vorbehalte und Grenzen der Staatstätigkeit, in: HStR, Bd. III, § 58, Rn. 26 f.; J. Isensee, Gemeinwohl und Staatsaufgaben im Verfassungsstaat, in: HStR, Bd. III, § 57, Rn. 165 ff.; M. Kriele, Freiheit und Gleichheit, in: HVerfR, S. 146; W. Maihofer, Prinzipien der freiheitlichen Demokratie, in: HVerfR, S. 516, 528 f.; K. A. Schachtschneider, Frei – sozial – fortschrittlich, in: Symposium zu Ehren von Werner Thieme, S. 6 ff.; ders., Res publica res populi, S. 234 ff.; umfassender auch ders., Freiheit in der Republik, 8. Kap.; H. F. Zacher, Das soziale Staatsziel, in: HStR, Bd. I, § 25, Rn. 48 ff. 1414 K. A. Schachtschneider, Umsatzbesteuerung der Mineralölsteuer, S. 51 f. (Zitat S. 51).

2. Kap.: Eigentum und Steuern in der Republik

341

4. Wirtschaftsordnung der Republik als Votum für den Halbteilungsgrundsatz a) Vorrangige Privatheitlichkeit der sozialen Marktwirtschaft als Indiz einer maximal hälftigen Teilung zwischen Bürger und Staat Die erforderlichen Rahmengrößen eines Zustandes bestmöglicher bürgerlicher Privatheit, wie ihn die Republik in ihrer Sozialstaatlichkeit herzustellen und aufrecht zu erhalten verpflichtet ist1415, fügen sich zu einer gesamtheitlichen Ordnung, vornehmlich einer Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung der Privatheit und bürgerlichen Selbständigkeit, die gleichwohl das elementare Ziel der Brüderlichkeit nicht aus den Augen verliert1416. Damit alle Bürger ihr Leben in Eigenverantwortung, idealiter in eigens begründeter Selbständigkeit, nach individuellen Vorstellungen und dennoch zum Wohle aller meistern und die dafür nötigen, material-ökonomischen Voraussetzungen erwerben können, muss das gemeinsame Wirtschaften der Bürger so organisiert sein, dass jeder Bürger in den Grenzen allgemeiner Gesetze ohne nötigende Willkür eines anderen, also frei und selbständig, handeln, seinem Streben nach Wohlstand nachgehen und die Früchte seiner Arbeit ernten kann1417. Trotz der wirtschafts- und ordnungspolitischen Neutralität des Grundgesetzes1418 präsentiert sich die soziale Marktwirtschaft1419 als die freiheitliche, zugleich gleichheitliche und brüderliche Wirtschaftsordnung der republikanischen Verfassung, mit der das gute Leben aller in gemeinsamer Freiheit als erstes Ziel des Gemeinwesens1420 am besten

1415

Vgl. hierzu 4. Teil, 3. Kap. Zu dieser Konzeption der Wirtschaftsordnung ausführlicher im 2. Teil, 3. Kap., III., 2., 3. Teil, 2. Kap., IV., 4. Teil, 3. Kap., IV., 2. 1417 I. d. S. K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 200 ff. (insb. S. 203), 234 ff.; grundlegend dazu ders., Das Sozialprinzip, S. 40 ff.; ders., Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 143 f.; auch H. F Zacher, Das soziale Staatsziel, in: HStR, Bd. I, § 25, Rn. 1 ff. 1418 Vgl. BVerfGE 4, 7 (17 f.); 50, 290 (338); 7, 377 (400); 12, 341 (347); 14, 19 (23); 14, 263 (275); 21, 73 (78); 25, 1, (19 f.); 30, 292 (317 ff.); 50, 290 (336 f.). Dazu ausführlich M. Kläver, Die Verfassung des Marktes, S. 215 ff. (m.w. N.); grundsätzlich K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 395 f. 1419 Siehe bereits umfassender 2. Teil, 3. Kap., III., 2., 3. Teil, 2. Kap., IV., 4. Teil, 3. Kap., IV., 2., a); dazu, stv. für viele, R. Schmidt, Staatliche Verantwortung für die Wirtschaft, in: HStR, Bd. III, § 83 (m.w. N.); ergänzend auch z. B. K. A. Schachtschneider, Die existentielle Staatlichkeit der Völker Europas und die staatliche Integration der Europäischen Union, in: W. Blomeyer/K. A. Schachtschneider (Hrsg.), Die Europäische Union als Rechtsgemeinschaft, S. 75 ff. (S. 132, Fn. 274); M. Kläver, Die Verfassung des Marktes, S. 215 ff. 1420 Hierzu z. B. W. Henke, Die Republik, in: HStR, Bd. I, § 21, passim; P. Kirchhof, Die Identität der Verfassung in ihren unabänderlichen Inhalten, in: HStR, Bd. I, § 19, Rn. 76; K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 350 f., 574 ff., 996 f., auch S. 221 f., 286 ff., 402 ff., 656 ff., 668, 815. 1416

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6. Teil: Teilung des Eigentums zwischen Steuerbürger und -staat

verwirklicht werden kann1421; schließlich verankert diese Ordnungsform bestmögliche Privatheit der Bürger in ihrer Rechtlichkeit und Pflichtigkeit ebenso in der republikanischen Bürgergemeinschaft wie das soziale Prinzip der Brüderlichkeit: „Die Privatheit der unternehmerischen Wirtschaft in staatlicher Verantwortung ist ein bewährtes Erfolgsrezept der Volkswirtschaft, aber (bisher) keine grundrechtliche Leitentscheidung, folgt aber aus der heute verfassungskräftigen Entscheidung für die Marktlichkeit und damit Wettbewerblichkeit der unternehmerischen Wirtschaft, wie auch dem Grundsatz der Privatheit der Lebensbewältigung.“ (Karl Albrecht Schachtschneider)1422

Schon aufgrund der unermesslichen Vielfalt menschlicher Handlungsweisen, die es grundrechtlich stets zu schützen, zugleich immer wieder in Einklang zu bringen gilt, ist bekanntlich keine andere Form des bürgerlichen Miteinanders tragfähig außer eine grundsätzlich privatheitliche Lebensführung, der der Staat des Grundgesetzes lediglich einen Elementarrahmen verleiht1423. Die soziale Marktwirtschaft, auf deren Basis nicht nur im ökonomischen Sinne das Wohl aller Mitglieder der bürgerlichen Gemeinschaft besser als in irgendeiner anderen Ordnung verwirklicht werden kann1424, erfüllt die Anforderung des bestmöglichen Interessenausgleiches, wie nicht nur die Empirie, sondern bereits ihre Grundkonzeption beweist. So zeichnet sie sich im Vergleich zu ihrem planwirtschaftlichen Gegenüber nicht nur durch ein substantiell größeres Maß an Privatheit bei allen marktlichen Handlungsoptionen aus, sondern stellt dank ihrer republikanischen Orientierung deutlich höhere Ansprüche an die sittliche Pflichterfüllung des mündigen Bürgers. Der Bürger ist nicht nur befugt, die Freiheiten des Marktes zu seinen Gunsten zu nutzen, sondern ist auch gehalten, zur Verwirklichung des privaten und allgemeinen Wohles nach einem Leben in Eigenständigkeit zu streben; beides würde ihm eine Planwirtschaft a priori versagen. Besser als in einer sozialen Marktwirtschaft kann vorrangige Privatheitlichkeit lebenspraktisch wohl nicht umgesetzt werden – fast wäre man versucht zu sagen, die soziale Marktwirtschaft sei die Wirtschaftsform sozialpflichtiger Privatheit schlechthin1425. Allein die vorrangige Privatheit als Dreh- und Angel1421

I. d. S. K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 396 ff. Res publica res populi, S. 395; ergänzende Hinweise finden sich dort insbesondere auf S. 264 (Fn. 57); zur Privatheit der Wirtschaftsordnung auch ebenda, S. 388; ders., Der Anspruch auf materiale Privatisierung, S. 79 f., 148. 1423 So K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 386. 1424 Grundlegend hierzu J. Rawls, Eine Theorie der Gerechtigkeit, S. 22 ff., 233, 291 ff. (für die Grundsätzlichkeit der Marktwirtschaft insb. S. 298 ff.), 308 ff. (für die Zuteilung des Existenzminimums als sozialen Ausgleich insb. S. 311, 319 ff.). 1425 Vgl. K. A. Schachtschneider, Eigentümer globaler Unternehmer, in: FS H. Steinmann, S. 419 ff.; auch ders., Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 25 ff., 218 ff.; 1422

2. Kap.: Eigentum und Steuern in der Republik

343

punkt des marktwirtschaftlichen Gesamtkonstrukts einschließlich all seiner sozialen Pflichtigkeit, aber auch Rechtlichkeit plädiert aus den bekannten Gründen dafür, das Handeln am Markt – einschließlich der damit verbundenen Ergebnisse – vorrangig in den Händen der privaten Akteure zu belassen1426. Dass ausgerechnet das Steuerwesen, mit dessen Mitteln auf die Handlungsergebnisse zugegriffen wird1427, dieser elementaren Anforderung einer privatheitsbasierten Wirtschaftsordnung entzogen wird, lässt sich nicht schlüssig begründen. Das steuerverfassungsrechtliche Prinzip einer maximal hälftigen Teilung zwischen Bürger und Staat erfährt somit bereits in der grundsätzlichen Privatheitskonzeption der sozialen Marktwirtschaft seine Bestätigung. Dies wird um so deutlicher, wenn man sich vor Augen führt, dass die Marktteilnahme regelmäßig auf der Perspektive des einzelnen Bürgers basiert, durch marktliches Agieren im Wettbewerb mit Dritten Entgelte für angebotene Leistungen zu erzielen und Gewinne zu erwirtschaften1428. Auch losgelöst von Lenkungssteuern, mit denen der Fiskus bewusst und gezielt in das Marktgeschehen eingreift, sind steuerliche Belastungen geeignet, das Kalkül des Einzelnen zu beeinflussen und so den Markt in seiner Funktionsfähigkeit zu beeinträchtigen. Entzieht der Fiskus dem pflichtigen Bürger mit der Besteuerung wesentliche Teile seines Marktengeltes oder raubt ihm gar die Perspektive, angemessene, privat verfügbare Einkünfte aus einer wirtschaftlichen Betätigung erlangen

ebenso ders., Freiheit in der Republik, 8. Kap., VI.; i. d. S. auch ders., Der Anspruch auf materiale Privatisierung, S. 78 ff. 1426 Siehe P. Kirchhof, Finanzverwaltung und Grundgesetz, in: H. Vogelgesang (Hrsg.), Perspektiven der Finanzverwaltung, S. 1 f.; grundlegend ders., Standortbestimmung aus verfassungsrechtlicher Sicht, in: P. Kirchhof/M. J. M. Neumann (Hrsg.), Freiheit, Gleichheit, Effizienz. S. 13 ff.; dazu auch ders., Steuergleichheit, StuW 1984, S. 297 ff. 1427 Vgl. etwa P. Kirchhof, Staatliche Einnahmen, in: HStR, Bd. IV, § 88, Rn. 47 ff., ders., Standortbestimmung aus verfassungsrechtlicher Sicht, in: P. Kirchhof/M. J. M. Neumann (Hrsg.), Freiheit, Gleichheit, Effizienz, S. 13 ff.; grundsätzlich ders., Das Steuerrecht als Ausdruck einer Sozialen Marktwirtschaft, in: Ludwig-Erhard-Stiftung e. V. (Hrsg.), Ludwig-Erhard-Preis für Wirtschaftspublizistik 2000, S. 39 ff.; aktueller auch ders., Wirtschaftsfreiheit und Steuerstaat, Festvortrag zu Ehren des Vorsitzenden der Ludwig-Erhard-Stiftung Prof. Dr. Christian Otto Schlecht, in: B. Gemper (Hrsg.), Wirtschaftsfreiheit und Steuerstaat, 2001, S. 31 ff.; grundsätzlich dazu auch ders., Freiheit im ausgleichenden Finanzstaat. Verdienst und Bedarf in einer verteilenden, mechanisierten, geldwirtschaftlich gesteuerten Erwerbswirtschaft, in: Festgabe zum 10jährigen Bestehen der Gesellschaft für Rechtspolitik, S. 157 ff. 1428 So, auch im Sinne einer Perspektive für künftige Steuergesetze, P. Kirchhof, Demokratischer Rechtsstaat – Die Staatsform der Zugehörigen, in: J. Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. IX, Die Einheit Deutschlands – Festigung und Übergang, 1997, § 221, Rn. 188. („In dem gemeinsamen staatlichen und privaten Interesse am wirtschaftlichen Erfolg der Volkswirtschaft ist ein Steuersystem angelegt, das den Leistungsbereiten anspornt und den Tüchtigen anerkennt.“)

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6. Teil: Teilung des Eigentums zwischen Steuerbürger und -staat

zu können, schmälert der Fiskus die Motivation des Bürgers zur Teilnahme am marktlichen Wirtschaftsgeschehen oder verhindert diese gar1429; damit verstößt der Staat gleichermaßen gegen die grundgesetzlich geschützte Privatheitsdoktrin wie gegen seine sozialstaatliche Verantwortung. In Erfüllung seines makrosozialen Auftrages sollte der republikanische Staat bestrebt sein, die Funktionsfähigkeit des Marktes so gut als möglich zu gewährleisten, insbesondere die Machtfreiheit ökonomischer Tauschvorgänge als substantielle Bedingung der freiheitsverwirklichenden Funktion des Marktes sicherzustellen. Mit einer Besteuerung, die die Privatheitlichkeit des Marktes lädiert, zumindest diesen Anschein erweckt, stört der fiskalische Staat den Marktmechanismus selbst dann, wenn er alle Bürger gleichmäßig hoch belastet. Bereits in ihrer Grundsätzlichkeit stützt also, wie bereits angedeutet, die Konzeption der sozialen Marktwirtschaft nachdrücklich das Halbteilungsprinzip, das eine steuerliche Verschonung mindestens der Hälfte der Ergebnisse marktlicher Betätigung postuliert1430. b) Notwendigkeit der Halbteilung aufgrund der Privatheit des Eigentums in der sozialen Marktwirtschaft Gemeinsames, privatheitliches Wirtschaften, auch in einer sozialen Marktwirtschaft, benötigt privates Eigentum, zumindest die Chance auf privates Eigentum1431, und dessen grundgesetzlich garantierten Schutz1432. Markt und

1429 Für die Wohlstandsfunktion des Wettbewerbes in der Republik z. B. K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 394 f., 396 ff.; umfassend F. A. v. Hayek, Die Verfassung der Freiheit, passim, insb. S. 323 ff.; ebenso substantiell A. Smith, Der Wohlstand der Nationen, passim; dazu M. Kläver, Die Verfassung des Marktes, S. 215 ff. 1430 I. d. S. P. Kirchhof, Steuergesetzgebung auf dem Prüfstand des Bundesverfassungsgerichts, in: Steuerberaterverband Niedersachsen (Hrsg.), Harzburger Steuerprotokoll 1993, 32. Steuerfachtagung des Steuerberaterverbandes Niedersachsen e. V. in Bad Harzburg vom 22. bis 24. September 1993, S. 27. („Grundlinien einer Wirtschaftsverfassung deuten Obergrenzen der Gesamtsteuerbelastung an . . .“) 1431 Siehe grundlegend I. Kant, Über den Gemeinspruch, S. 146 ff.; dazu P. Häberle, Grundrechte im Leistungsstaat, VVDStRL (1972), S. 84, 92, 97; P. Kirchhof, Der allgemeine Gleichheitssatz, in: HStR, Bd. V, § 124, Rn. 74 f., 107; W. Maihofer, Prinzipien der freiheitlichen Demokratie, in: HVerfR, S. 512; K. A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 144 f., 344; H. F. Zacher, Das soziale Staatsziel, in: HStR, Bd. I, § 25, Rn. 39; beachte auch die umfassende Kritik von W. Leisner, Der Gleichheitsstaat. Macht durch Nivellierung, insb. S. 143 ff.; ders., Chancengleichheit als Form der Nivellierung, in: Staat, Schriften zu Staatslehre und Staatsrecht 1957– 1991, S. 642 ff. 1432 I. d. S. K. A. Schachtschneider, Das Recht am und das Recht auf Eigentum, in: FS W. Leisner, S. 769; ergänzend zur Eigentumsgewährleistung auch P. Badura, Eigentum, in: HVerfR, S. 341 ff.; O. Kimminich, in: GG, BK, Art. 14, Rn. 30 ff.; W. Leisner, Eigentum, in: HStR, Bd. VI, § 149, Rn. 5 ff.: H.-J. Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 14, Rn. 56 ff.; K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 1023 ff.; R. Wendt, in: Sachs, GG, Art. 14, Rn. 21 ff.

2. Kap.: Eigentum und Steuern in der Republik

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Wettbewerb funktionieren nur auf Basis eines Privatheitseigentums1433, das nach Maßgabe allgemeiner Gesetze privatheitlich angeboten, gehandelt und entlohnt werden kann1434. Auf dieser Perspektive des Bürgers, durch marktliches Agieren im Wettbewerb mit Dritten Entgelte für angebotene Leistungen zu erzielen und Gewinne zu erwirtschaften, schlussendlich Eigentum erwerben zu können, basiert nicht nur die Teilnahme am Marktgeschehen per se, sondern auch die Bereitschaft zu größtmöglicher Leistung. Schließlich vermag der Wettbewerb zu hervorragenden Leistungen zu motivieren, so dass er sich als „richtige Einrichtung für die Bewältigung des gemeinsamen Lebens“1435 präsentiert; zumindest in material-ökonomischer Hinsicht liegt die Motivation regelmäßig in der Erzielung von Eigentum, besser Eigentumserträgen1436. Wird nun das Eigentum oder die Ergebnisse seiner Nutzung mehrheitlich vom fiskalischen Staat verzehrt, ist diese Grundvoraussetzung einer funktionierenden sozialen Marktwirtschaft, die das Wohl der Allgemeinheit immer noch am besten verwirklicht, nicht mehr gegeben. Mit steuerlichen Belastungen von 50% oder mehr wird also nicht nur – wie bereits gezeigt1437 – die Privatnützigkeit des Eigentums beeinträchtigt, ja die Privatheitlichkeit des Eigentums per se in Frage gestellt, sondern das Privateigentum als unverzichtbares Element der sozialen Marktwirtschaft im Zeitverlauf schrittweise demontiert. Wer die soziale Marktwirtschaft als die Form des gemeinsamen Wirtschaftens akzeptiert, die die Ideale der Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit auch in der Realität der modernen Republik am ehesten zu verwirklichen vermag, muss in Einklang mit dem Privatheitsvorrang des Eigentums auch eine verfassungsseitige Steuerbegrenzung akzeptieren, die notwendigerweise dem Bürger sein Eigentum und dessen Früchte mehrheitlich, also mehr als hälftig zugesteht. Die steuerliche Halbteilung gerät auch aufgrund der Bedeutung des privaten Eigentums in der

1433 Dabei darf die Eigentumsgewährleistung des Art. 14 GG nicht etwa als grundgesetzliche Vorgabe einer „Wirtschaftsordnungsform“ interpretiert werden, wie W. Leisner, Eigentum, in: HStR, Bd. VI, § 149, Rn. 7, zutreffend bemerkt; die Gewährleistung des privaten Eigentums ist lediglich ein Baustein der Wirtschaftsordnung. 1434 Zum Privateigentum als Grundlage der Wirtschaftsordnung, stv. für viele, W. Leisner, Privateigentum ohne privaten Markt. Gibt es eine verfassungsrechtliche Garantie „des Marktes“?, in: Eigentum, Schriften zu Eigentumsgrundrecht und Wirtschaftsverfassung 1970–1996, S. 734 f.; ders., Marktoffenes Verfassungsrecht, 1996, in: Schriften zu Eigentumsgrundrecht und Wirtschaftsverfassung 1970–1996, S. 698; ders., Das Eigentum zwischen privatem Nutzen und sozialer Bindung, in: Eigentum, Schriften zu Eigentumsgrundrecht und Wirtschaftsverfassung 1970–1996, S. 540; grundsätzlich auch ders., Eigentum – Grundlage der Freiheit, in: Eigentum, Schriften zu Eigentumsgrundrecht und Wirtschaftsverfassung 1970–1996, S. 31. 1435 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 396. 1436 Sinngemäß etwa, wie viele andere auch, P. Badura, Eigentum, in: HVerfR, S. 386. („Das unternehmerisch genutzte Eigentum [im Original kursiv] ist die bewegende Kraft des privatwirtschaftlichen und marktwirtschaftlichen Prozesses.“) 1437 Siehe oben 2.

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6. Teil: Teilung des Eigentums zwischen Steuerbürger und -staat

Wirtschaftsordnung der Republik zu einem unverzichtbaren Bestandteil der sozialen Marktwirtschaft. c) Logik der Steuerstaatlichkeit in der sozialen Marktwirtschaft als weiteres Indiz der Halbteilung zwischen Bürger und Staat Damit der Staat seine verfassungsseitig vorgesehenen Aufgaben, darunter die Sicherung des Existenzminimums aller Bürger und eine substantiierte Daseinsvorsorge für die Bürgergemeinschaft, – kondensiert in der Sozialkomponente der Marktwirtschaft – zum Wohle der Allgemeinheit erfüllen kann, bedarf es adäquater finanzieller Mittel. In der Wirtschaftsgemeinschaft des Grundgesetzes finanziert sich der Staat primär fiskalisch, durch die Erhebung von Steuern1438. Dass „in der freiheitlichen Ordnung des Grundgesetzes . . . der Staat seinen Finanzbedarf grundsätzlich durch steuerliche Teilhabe am Erfolg privaten Wirtschaftens“1439 deckt, bestätigt das Bundesverfassungsgericht sogar in seiner Entscheidung zum Halbteilungsprinzip. Diese Form der Staatsfinanzierung korrespondiert mit der sozialen Marktwirtschaft in ihrer Konstruktionslogik in fast idealer Weise, so dass die Identifizierung der sozialen Marktwirtschaft als der Wirtschaftsordnung des Grundgesetzes noch bekräftigt zu werden scheint1440. Denn mit dem Instrument der Besteuerung kann der Staat an den Erfolgen privaten Wirtschaftens partizipieren, ohne den Marktmechanismus strukturell zu stören1441. Im Grunde bestätigt die Steuerstaatlichkeit die vorrangige Privatheit der Wirtschaftsordnung, nimmt der Staat doch lediglich an den Ergebnissen privatheitlicher Betätigung teil, gesteht aber dem privaten Bürger weiterhin die grundsätzliche Entscheidungsbefugnis für sein Handeln und damit für sein rechtlich Eigenes zu1442. Innerhalb der Grenzen seiner bürgerlichen Pflichtigkeit kann der Einzelne über die Form und Intensität seiner Teilnahme am Markt, die Ausübung einer beruflichen Tätigkeit – oder eben auch deren Nichtausübung1443 – entschei-

1438

Vgl. hierzu ausführlich 2. Teil, 3. Kap. BVerfGE 93, 121 (134). 1440 Für einen Überblick z. B. H.-J. Papier, Grundgesetz und Wirtschaftsordnung, in: HVerfR, S. 799 ff. (m.w. N.). 1441 So die idealtypische Vorstellung, derzufolge zumindest alle Markteilnehmer von dem Instrumentarium der Besteuerung in gleichem Maße betroffen sind. In praxi beeinflusst die Steuergesetzgebung, nicht nur mittels Lenkungssteuern, Entscheidungen der Marktakteure in erheblichem Umfang; dass aus unterschiedlichen Gründen die Besteuerungsgleichheit in der Realität der modernen Republik nicht immer gewahrt wird, verstärkt die marktbeeinflussenden Momente der Steuern noch. 1442 I. d. S. bereits E. Forsthoff, Begriff und Wesen des sozialen Rechtsstaates, VVDStRL 12 (1954), S. 32; aktuell z. B. P. Kirchhof, Finanzverwaltung und Grundgesetz, in: Perspektiven der Finanzverwaltung, S. 1 f.; weniger deutlich z. B. K. Vogel, Der Finanz- und Steuerstaat, in: HStR, Bd. I, § 27, Rn. 51 ff. 1439

2. Kap.: Eigentum und Steuern in der Republik

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den1444. In die Handlungsfreiheit, das Setzen der individuellen Handlungsmaxime des Bürgers, greift der Staat nicht ein, sondern beschränkt sich auf eine material-ökonomische Teilhabe an den Ergebnissen bürgerlichen Handelns. Aus diesem Grunde verstoßen übrigens lenkende Steuern, die über die bloße Finanzteilhabe hinaus das Verhalten des steuerpflichtigen Bürgers beeinflussen, gegen die soziale Marktwirtschaft wie auch gegen die Idee des a priori freiheitlichen Steuerstaates an sich1445. In einem planwirtschaftlich ausgerichteten Wirtschaftsmodell, das typischerweise die Handlungsoptionen der Bürger substantiell beschneidet, wäre für solche freiheitsaxiomatischen Handlungsoptionen ohnehin kein Platz. Republikanische Steuerstaatlichkeit, die ihre lebenswirkliche Ausprägung in der sozialen Marktwirtschaft erfährt, spiegelt in ihrer Grundanlage trotz aller materialen Belastungswirkungen die Idee der Republik wider: im Vordergrund steht die überwiegend privatheitliche Lebensbewältigung jedes Bürgers zur Verwirklichung seiner Freiheit – nach Erfüllung dieser Grundannahme hat er dann seine Pflichtigkeiten der Gemeinschaft gegenüber zu erfüllen. Die Steuerfinanzierung des Gemeinwesens steht nicht, wie vielleicht vermutet werden könnte, im Widerspruch zur vorrangigen Privatheit des Eigentums, das eine unverzichtbare Basis der Marktwirtschaft, auch der sozialen Marktwirtschaft, bildet1446. Vielmehr bekräftigt die Erhebung von Steuern, die das Grund1443 Vgl. P. Kirchhof, Steuergerechtigkeit und sozialstaatliche Geldleistungen, JZ 1982, S. 306 („Der Steuerstaat duldet es, dass ein Bürger sein Talent – auch sein durch staatliche Leistungen entfaltetes und gefördertes Talent – brach liegen lässt und seinen Beitrag zur Deckung des allgemeinen Finanzbedarfs verweigert.“); dass der Bürger mit dieser Verweigerungshaltung gegen seine Bürgerpflicht, gegen seine bürgerliche Sittlichkeit, verstößt, bedarf wohl keiner weiteren Erwähnung. 1444 Die Intensität der Marktteilnahme entscheidet auch über das Ausmaß der steuerlichen Lasten; vgl. dazu P. Kirchhof, Die Unternehmensbesteuerung im Karlsruher Entwurf zur Reform des Einkommensteuergesetzes, StbJb 2002/2003, S. 9. („Diese Rechtfertigung der Steuer aus der Begegnung des Einzelnen mit der Allgemeinheit des Marktes wird um so intensiver, je unmittelbarer und gegenwartsnäher der Steuerpflichtige den Markt genutzt hat.“) 1445 Zum besseren Verständnis der Freiheitlichkeit des Steuerstaates sollte auch der historische Kontext nicht übersehen werden, wurde doch mit der Begründung von steuerhoheitlichen Zahlungspflichten die „Personalherrschaft“ des Staates abgelöst. mussten in den herrschaftlichen „Feudalzeiten des Mittelalters“ die „Herrschaftsunterworfenen“ noch Hand- und Frondienste für „Könige und Fürsten“ zu leisten, wurde mit Beginn der bürgerlichen Verfassungen sukzessive Eigentum und Arbeitskraft des Bürgers in dessen freie Hände übergeben, so dass sich der Staat nur noch mittels Partizipation an den Erfolgen des Privaten finanzieren konnte, wie P. Kirchhof, Der sanfte Verlust der Freiheit, S. VIII (Vorwort), für den geschichtlichen Hintergrund des Steuerstaates betont. 1446 Siehe ergänzend hierzu K. A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 97 ff., 261 ff., 281 ff., 363 ff.; auch ders., Res publica res populi, S. 370 ff., 388 f., 386 ff., 449 ff., 466 ff., 499 f., 509 ff., 859 f., 1004, 1023 ff.; z. B. auch H.-J. Papier, Grundgesetz und Wirtschaftsordnung, in: HVerfR, S. 809 ff., auch S. 827 ff.; grundlegend auch W. Leisner, Das Eigentum Privater – Grundpfeiler der sozialen

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6. Teil: Teilung des Eigentums zwischen Steuerbürger und -staat

gesetz als erste Finanzquelle für das Gemeinwesen nennt1447, in ihrer Konstruktionslogik die eindeutige Entscheidung der Verfassung zugunsten eines privatheitlichen Eigentums und – über diesen Brückenschlag – zugunsten einer privatheitlichen Wirtschaftsordnung1448. „Die Steuer ist Bedingung und Folge, nicht Gegensatz der grundrechtlichen Garantie von Eigentum und Berufsfreiheit.“ (Paul Kirchhof )1449

Besteuerung lässt sich in ihrer Grundkonzeption mit der Einrichtung des privaten Eigentums trefflich vereinbaren, da sie systematisch zwar an dem Eigentum des Bürgers, zumindest an den Resultaten seiner Eigentumsdisposition, teilhaben will, die institutionelle Privatheit des Eigentums1450 jedoch nicht aufhebt. Mit jeder anderen Form der Finanzierung staatlicher Aufgaben würde der Staat stärker in den Bereich des rechtlich Eigenen der Bürger, also auch in deren Eigentum eingreifen. So wird die hohe Kongruenz von Steuerfinanzierung und marktwirtschaftlichem Modell durch das Privateigentum und seine Vorrangigkeit im Steuerstaat nochmals unterstrichen und die unlösbare Verbindung von Privatheit und Steuerstaatlichkeit der Republik zementiert. Wenn privatheitliches Eigentum und Steuerfinanzierung sich in der sozialen Marktwirtschaft gegenseitig bedingen, postuliert dies nicht nur die Sicherstellung der EigentumsMarktwirtschaft, in: Eigentum, Schriften zu Eigentumsgrundrecht und Wirtschaftsverfassung, S. 712 ff.; auch ders., Privateigentum ohne privaten Markt? Gibt es eine verfassungsrechtliche Garantie „des Marktes“?, in: Eigentum, Schriften zu Eigentumsgrundrecht und Wirtschaftsverfassung, S. 724 ff.; informativ auch ders., Der Eigentümer als Organ der Wirtschaftsverfassung, DÖV 1975, S. 73 ff.; zum Thema auch ders., Marktoffenes Verfassungsrecht, in: Eigentum, Schriften zu Eigentumsgrundrecht und Wirtschaftsverfassung, S. 697 ff. 1447 Vgl. grundlegend etwa P. Kirchhof, Staatliche Einnahmen, in: HStR, Bd. IV, § 88, Rn. 6, 45 f.; hierzu bereits 2. Teil, 3. Kap., III., 1. 1448 So P. Kirchhof, Standortbestimmung aus verfassungsrechtlicher Sicht, in: Freiheit, Gleichheit, Effizienz. Ökonomische und verfassungsrechtliche Grundlagen der Steuergesetzgebung, Tagungsband des Frankfurter Instituts – Stiftung Marktwirtschaft und Politik, S. 13 („Die Steuer ist verlässlicher Ausdruck einer freiheitlichen Wirtschafts- und Finanzordnung.“); wichtig auch ders., Staatliche Einnahmen, in: HStR, Bd. IV, § 88, Rn. 49 („Im Ergebnis stützt die Steuerfinanzierung des Staates eine Staatsverfassung, die eine staatliche Garantie privaten Wirtschaftens erlaubt, dem Staat aber zugleich [Hervorh. d. Verf.] eine Unabhängigkeit gegenüber der Finanzmacht privater Wirtschaftssubjekte sichert.“); sinngemäß etwa ders., Verfassungsrechtliche und steuersystematische Grundlagen der Einkommensteuer, DStJG 24 (2001), S. 12 f.; umfassend dazu auch ders., Wirtschaftsfreiheit und Steuerstaat, Festvortrag zu Ehren des Vorsitzenden der Ludwig-Erhard-Stiftung Prof. Dr. Christian Otto Schlecht, in: B. Gemper (Hrsg.), Wirtschaftsfreiheit und Steuerstaat, S. 31 ff.; interessant auch P. Badura, Eigentum, in: HVerfR, S. 352. („Die Deckung des öffentlichen Finanzbedarfs durch Besteuerung enthält die Grundsatzentscheidung für die Privatwirtschaft und zugleich [Hervorh. d. Verf.] die wesentliche Prämisse sozialstaatlicher Leistungen und Umverteilung.“) 1449 Standortbestimmung aus verfassungsrechtlicher Sicht, in: Freiheit, Gleichheit, Effizienz, S. 13. 1450 Siehe ausführlich bereits 5. Teil, 1. Kap., II. auch III.

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privatheit auch nach dem fiskalischen Zugriff. Zugleich verdeutlich der Partizipationsgedanke, den jede Steuer in sich trägt, dass eine Steuer in ihrer Grundidee stets auf eine Teilhabe an Eigentum und anderen Besteuerungsgrößen beschränkt sein muss, um ihren eigentlichen Charakter und ihre Funktionsweise im marktwirtschaftlichen System sicherzustellen. Damit wird klar signalisiert, dass alle Steuergegenstände, also auch die Ergebnisse privatheitlicher Eigentumsnutzung, nach der fiskalischen Teilhabe immer noch mehrheitlich in privater Hand zu belassen sind. Mit konsequenter Umsetzung und Weiterentwicklung der Steuerverfassungsprinzipien ermöglicht das steuerstaatliche Instrumentarium eine Finanzierung des Staates, die nicht nur das republikanische Freiheitsprinzip, sondern auch die Prinzipien der Gleichheit und Brüderlichkeit bestmöglich in die Lebenswirklichkeit transportiert. Bei entsprechender Gestaltung führen Steuergesetze zu Belastungskonsequenzen, in denen sich eben diese republikanischen Grundprinzipien wiederfinden. So belastet unter den öffentlich-rechtlichen Geldleistungspflichten insbesondere die Steuer alle Bürger nach Maßgabe ihrer individuellen Leistungsfähigkeit – das derzeit prominenteste Kriterium der Steuergerechtigkeit1451 – und erweist sich wohl als der konsequenteste Versuch zur Erzielung solidarisch und gerecht verteilter Pflichtigkeit für die Finanzausstattung des Gemeinwesens. Grundsätzlich wird derjenige, der am Markt bessere Chancen als andere hat oder seine Chancen besser nutzt und so überdurchschnittliche Ergebnisse erwirtschaftet, stärker als die schwächeren Marktteilnehmer besteuert; nachdem mit diesen Finanzmitteln staatliche Aufgaben bestritten werden (sollten), trägt dieser Weg des sozialen Ausgleichs zur Verbesserung gesellschaftlicher Homogenität und Gerechtigkeit bei. Dass das Nutzen zulässiger Handlungsoptionen in material-ökonomischer Hinsicht zu überdurchschnittlichen Ergebnisse führen und damit auch überdurchschnittliche Steuerbeiträge dieser handelnden Akteure zugunsten der Allgemeinheit nach sich ziehen kann, mag kein formales Argumentum sein, stützt aber die These einer bestmöglichen Eignung der Steuer als Finanzierungsinstrument für das republikanische Gemeinwesen. Besteuerung impliziert also nicht nur die mit finanziellen Belastungen verbundene Pflichtigkeit des Einzelnen per se – dass der leistungsstärkere Bürger, der gemeinhin über mehr Eigentum verfügen kann, in größerem Umfang Mittel zur Finanzierung des Gemeinwesens „beisteuern“1452 kann und dies auch 1451 Vgl. zum Leistungsfähigkeitsprinzip statt vieler J. Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 4, Rn. 81 ff.; grundlegend D. Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Maßstab der Steuernormen, passim; kritisch z. B. W. Leisner, Von der Leistung zur Leistungsfähigkeit – die soziale Nivellierung. Ein Beitrag wider das Leistungsfähigkeitsprinzip, StuW 1983, S. 97 ff.; siehe auch 2. Teil, 3. Kap., IV. 1452 Man beachte den eigentlichen Sinn des Wortes „beisteuern“, das regelmäßig auf einen Beitrag des Einzelnen für ein wie auch immer geartetes Gemeinschaftsvorhaben hindeutet und insofern die Steuerpflicht in ihrer eigentlichen Republikanität erschließt.

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6. Teil: Teilung des Eigentums zwischen Steuerbürger und -staat

zu tun hat, bringt noch deutlicher die Republikanität der brüderlichen Steuerpflicht in einer sozialen Marktwirtschaft zum Ausdruck. Insofern ist auch hier das „zugleich“ im Sinne einer ausgleichenden Größe zwischen bürgerlicher Privatheit und Steuerstaatlichkeit anzuwenden. „Die staatliche Balance zwischen individualnützigem Wirtschaften und sozialstaatlichem Ausgleich wird durch den Steuerzugriff ermöglicht, der staatliches Nehmen als Teilhabe am privatwirtschaftlichen Erfolg des einzelnen ausgestaltet, staatliches Geben sodann aber strikt von der vorherigen Nahme sondert.“ (Paul Kirchhof )1453

In letzter Konsequenz integriert das Prinzip Steuer als freiheitlichste Finanzierungsform für den Staat Privatheit und Staatlichkeit, private Nützigkeit und soziale Pflichtigkeit auf bestmögliche Weise in die Wirtschaftsordnung unseres Gemeinwesens und vereint diese vermeintlichen Antipoden. Das Instrumentum Steuer schafft den Ausgleich divergierender Interessen und führt in seinen steuergesetzlichen Ausgestaltungsoptionen mit der Steuer- und Lastengerechtigkeit ein wichtiges Moment zur Befriedung der Bürgergemeinschaft ein; denn: „Der Steuerstaat ist die einzige verfassungsentsprechende Organisationsform einer Güterordnung der egalitären Demokratie.“ (Walter Leisner)1454

Bei all diesen gemeinschaftsbefördernden Errungenschaften verliert die Steuer nie den grundsätzlichen Vorrang des Privaten, auch des privaten Eigentums aus dem Auge, verankert vielmehr aus ihrer Konstruktionslogik heraus die Unbedingtheit des Privatheitsprimats mit all seinen Konsequenzen in der republikanischen Verfassungswirklichkeit und präsentiert sich damit als die republikanische Finanzierungsvariante der sozialen Marktwirtschaft schlechthin. Aus der oben skizzierten, hohen Überdeckung der Steuerfinanzierung in ihrer Prinzipienhaftigkeit mit den Idealen der Republik lässt sich nicht nur die grundsätzliche Rechtfertigung der Steuer ableiten, sondern auch eine klare Aussage über das verfassungsrechtlich gewollte und zulässige Maß der Besteuerung. Dass eine Besteuerung des Existenzminimums, die dem Bürger sogar die essentiellen Grundlagen seiner Privatheit, ja seiner Bürgerlichkeit, entzieht, ihn möglicherweise sogar von der Teilnahme am Wirtschaftsleben ausschließt und ihn direkt in die Arme des Sozialstaates zu Lasten der Allgemeinheit treibt, nicht in der Intention einer sozial-marktwirtschaftlich ausgerichteten Gemeinschaft von Bürgern liegen kann, bedarf wohl keiner näheren Erörterung1455. Mit der auch

1453

Staatliche Einnahmen, in: HStR, Bd. IV, § 88, Rn. 49. Sozialbindung des Eigentums, S. 231, vgl. auch S. 226 ff. 1455 Dass es vielmehr die Aufgabe des sozialen, brüderlichen Staates ist, dem Bürger möglichst viel Selbständigkeit und Eigenverantwortung zuzugestehen und ihn in diesem Streben noch zu unterstützen, legt z. B. K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 234 ff., dar; i. d. S. auch ders., Freiheit in der Republik, 8. Kap., III., IV.; hierzu umfassend bereits 4. Teil, 3. Kap., IV., ergänzend auch 3. Teil, 2. Kap., 3. Kap. 1454

2. Kap.: Eigentum und Steuern in der Republik

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grundgesetzlich verfassten Steuerstaatlichkeit lassen sich überdies steuerliche Lasten, die Eigentum im Sinne von bürgerlichen Einkommensquellen schrittweise erschöpfen oder vernichten, nicht vereinbaren, da der Steuerstaat gegen seine ureigenen Gesetzmäßigkeiten verstoßen und sich seiner finanziellen Grundlagen berauben würde1456. Infolge dessen würden der Bürgerschaft finanzielle Mittel zur Erfüllung von Gemeinschaftsaufgaben fehlen, so dass jede konfiskatorische Steuer sowohl gegen die Privatheitsinteressen des Einzelnen als auch die Kollektivinteressen aller Bürger verstößt; das Verbot der Erdrosselungsbesteuerung lässt sich also im Kontext republikanischer Steuerstaatlichkeit trefflich aufgreifen1457. Republikanische Steuerstaatlichkeit als einzig mögliche Form der Finanzierung des sozial-marktwirtschaftlichen Gemeinwesens verbietet aber nicht nur jegliche konfiskatorische oder erdrosselnde Besteuerung, sondern postuliert aufgrund des systemimmanenten Primats der Privatheit auch im Steuerwesen eine deutlich weitergehende Verfassungsgrenze des steuergesetzlichen Zugriffs. Vorrangige Privatheit – und dieses Datum ist logische Konsequenz einer grundgesetzlich fixierten Steuerfinanzierung des republikanischen Staates im Rahmen der sozialen Marktwirtschaft – ist trotz aller Formalität der Begrifflichkeit im Ergebnis eben nur solange gewährleistet, als dem Bürger von seinem Eigentum und dessen Früchten nach der Bedienung öffentlich-rechtlicher Geldleistungspflichten, allen voran sicherlich die Steuer, mehr als die Hälfte verbleibt1458. Zwar erweist sich die Besteuerung im Ergebnis, in ihrer Wirkmethodik als das Mittel zur Verstaatlichung der Lebensverhältnisse1459. Das aber läuft ihrer eigenen Grundannahme, nämlich der unstrittigen Bejahung der Privatheit in der Le1456 So deutet z.B. J. Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 3, Rn. 10; auch ders., in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 8, Rn. 114, an, dass eine Steuer, die ihre eigenen Quellen vernichtet, dem Steuerkriterium „Einnahmenerzielung“ zuwiderläuft und somit ex definitione keine zulässige Steuer sein kann. 1457 Die vorherrschende Meinung beschränkt sich – wohl Zeichen eines liberalistischen Grundverständnisses – typischerweise darauf auszubreiten, warum eine erdrosselnde Besteuerung gegen die rechtlichen Interessen des Einzelnen verstößt, so etwa für einen Überblick J. Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 4, Rn. 66, 213; ders., in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 9, Rn. 72. Dass eine erdrosselnde Steuer, die Steuerquellen vernichtet, sich nicht nur selbst in Frage stellt, sondern auch dem Gemeinwohl schadet, wird gerne übersehen. 1458 I. d. S. z. B. P. Kirchhof, Empfiehlt es sich, das Einkommensteuerrecht zur Beseitigung von Ungleichbehandlungen und zur Vereinfachung neu zu ordnen?, Gutachten für den 57. DJT, S. F 82; sinngemäß z. B. auch K. H. Friauf, Verfassungsrechtliche Anforderungen an die Gesetzgebung über die Steuern von Einkommen und Ertrag, DStJG 12 (1989), S. 9; grundlegend K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 234 ff., 370 ff. u. ö.; ebenso ders., Freiheit in der Republik, 8. Kap., III., IV.; auch ders., Das Recht am und das Recht auf Eigentum, in: FS W. Leisner, S. 767 ff. u. ö.; steuerspezifisch ders., Steuerverfassungsrechtliche Probleme der Betriebsaufspaltung und der verdeckten Gewinnausschüttung, S. 51 f., ergänzend S. 57 ff. 1459 Vgl. K. A. Schachtschneider, Umsatzbesteuerung der Mineralölsteuer, S. 51.

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6. Teil: Teilung des Eigentums zwischen Steuerbürger und -staat

bensführung1460, bereits zuwider. Wenn im Verhältnis von Bürger und Staat nun das Maß an Staatlichkeit das an Privatheit übersteigt, verkehrt das jede Steuer als Instrument staatlicher Partizipation in eine Ausdrucksform tiefgreifender, staatlicher Herrschaft1461, wird doch plötzlich der Staat mit seinen Belangen über den Bürger gestellt, ja der Steuerpflichtige in seiner Rechtlichkeit wie auch in seiner Pflichtigkeit, letztlich in seiner freiheitlichen Bürgerlichkeit negiert. Jede Steuer trägt konstruktionslogisch ihre Begrenzung auf das verfassungsseitig gebotene Mindestmaß an Privatheitlichkeit auch im Belastungsergebnis in sich, so dass das Steuerprinzip – gerade im sozial-marktwirtschaftlichen Modell – steuerstaatliche Zurückhaltung in Form einer gesamten Steuerbelastung von weniger als 50% zwingend impliziert; schließlich würde jegliche höhere steuerliche Verpflichtung gegen die Grundidee republikanischer Steuerstaatlichkeit im Sinne staatlicher Partizipation an grundsätzlich privatheitlichem Handeln und dessen Ergebnissen substantiell verstoßen. 5. Prinzip des rechten Maßes als substantielle Determinante einer hälftigen Teilung Das Prinzip des rechten Maßes wurde bereits von Aristoteles1462 als eines der grundlegenden Prinzipien der politeßa entwickelt. „Unter dem Mittleren des Dinges verstehe ich das, was von den beiden Enden gleichen Abstand hat und für alle Menschen eines ist und dasselbe. Mittleres dagegen in Hinsicht auf uns ist das, was weder zu viel ist noch zu wenig: dies jedoch ist nicht eines und dasselbe für alle . . . So meidet also jeder Sachkundige das Übermaß und das Zuwenig und sucht nach dem Mittleren und dieses wählt er, allerdings nicht das rein quantitativ mittlere, sondern das Mittlere in der Beziehung auf uns . . . Sittliche Tüchtigkeit zielt Wesenhaft auf jenes Mittlere ab . . . So ist also sittliche Werthaftigkeit eine feste, auf Entscheidung hingeordnete Haltung; sie liegt in jener

1460

I. d. S. aktuell z. B. P. Kirchhof, Der sanfte Verlust der Freiheit, S. VII f. (Vor-

wort). 1461 Für eine Verkehrung der Steuer in ihr Gegenteil bei einer mehrheitlichen Partizipation des Staates, wenn auch unter Beschränkung, auf das Nützigkeitskriterium, deutlich z. B. H. Butzer, Freiheitsrechtliche Grenzen der Steuer- und Sozialabgabenlast, S. 82; ders., Der Halbteilungsgrundsatz und seine Ableitung aus dem Grundgesetz, StuW 1999, S. 241; M. Jachmann, Steuergesetzgebung zwischen Gleichheit und wirtschaftlicher Freiheit, S. 51; dies., Verfassungsrechtliche Grenzen der Besteuerung, S. 64; dies., Sozialstaatliche Steuergesetzgebung im Spannungsfeld zwischen Gleichheit und Freiheit – Belastungsgrenzen im Steuersystem, StuW 1996, S. 104; K.-G. Loritz, Der praktische Wert der verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie für die unternehmerische Betätigung, BB 1993, S. 229; ders., Verfassungsrechtlicher Rahmen für eine vernünftige Neubewertung des Grundbesitzes, DStR 1995, Beilage 1, S. 6; R. Seer, Der sog. Halbteilungsgrundsatz als verfassungsrechtliche Belastungsobergrenze der Besteuerung, FR 1999, S. 1286; substantieller i. d. S. W. Leisner, Eigentum, in: HStR, Bd. VI, § 149, Rn. 140 („verfassungsrechtliche Orientierungsmarke“). 1462 Nikomachische Ethik, 2. Buch 1106 a 14 ff.

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Mitte, die die Mitte in Bezug auf uns ist, jener Mitte, die durch den richtigen Plan festgelegt ist, d. h. durch jenen, mit dessen Hilfe der Einsichtige (die Mitte) festlegen würde. Sie ist Mitte zwischen den beiden falschen Weisen, die durch Übermaß und Unzulänglichkeit charakterisiert sind, . . . Wenn wir daher auf ihr immanentes Wesen und die begriffliche Darstellung dieses Wesens schauen, so ist die sittliche Vortrefflichkeit eine Mitte, fragen wir jedoch nach Wert und gültiger Leistung, so steht sie auf höchster Warte.“

Vom Bundesverfassungsgericht regelmäßig als Verhältnismäßigkeitsprinzip judiziert1463, unterscheidet sich das Prinzip des rechten Maßes in seiner Formalität nicht vom Willkürverbot1464, das rechtliche Ungleichheiten ohne sachlich treffende Begründung verbietet1465. Auch Steuergesetze, die Gleiches ungleich und Ungleiches gleich regeln, sind gleichheitswidrig und verstoßen gegen Art. 3 Abs. 1 GG1466. Ergo ist dem Gesetzgeber nach ständiger Rechtsprechung eine Steuerpolitik der Willkür verboten1467, die im Ergebnis die Steuergerechtigkeit verletzt; die Steuergerechtigkeit aber ist wesentlich Steuergleichheit, insbesondere Belastungsgleichheit1468. Wenn der Steuerstaat willkürlich belastet, verletzt er nicht nur die Besteuerungsgerechtigkeit, sondern auch das Gebot der prakti1463 Vgl. BVerfGE 7, 377 (405 f.); 17, 306 (313); 19, 342 (348 f.); 21, 1 (8); 27, 344 (350 f.); 38, 281 (298); 69, 315 (354); 91, 389 (401); st. Rspr.; dazu P. Kirchhof, Der allgemeine Gleichheitssatz, in: HStR, Bd. V, § 124, Rn. 161, 235 ff., 250 ff.; K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 362 f., 978 ff., 987 u. ö.; ders., Prinzipien des Rechtsstaates, S. 375 ff., 380 ff.; C. Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. I, Art. 2 Abs. 1, Rn. 19; K. Stern (unter Mitarbeit von M. Sachs), Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. III, 2. Halbband, S. 762 ff.; grundlegend P. Lerche, Übermaß und Verfassungsrecht, S. 134 ff. u. ö.; ders., Grundrechtsschranken, in: HStR, Bd. V, § 122, Rn. 16 f.; umfassend vor allem A. Emmerich-Fritsche, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, passim. 1464 Dazu ausführlicher K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 990 ff.; ders., Das Sozialprinzip, S. 64, 69; ders., Freiheit in der Republik, 1. Kap. u. ö.; ders., Prinzipien des Rechtsstaates, S. 375 ff., insb. S. 377; im Kontext der Besteuerung ders., Umsatzbesteuerung der Mineralölsteuer, S. 35 f.; ausführlich für die steuerverfassungsrechtliche Diskussion ders., Steuerverfassungsrechtliche Probleme der Betriebsaufspaltung und der verdeckten Gewinnausschüttung, S. 72 f., 77 ff. 1465 Vgl. BVerfGE 55, 72 (88), seither st. Rspr. des Ersten Senates, etwa BVerfGE 58, 369 (374); 60, 329 (346); 70, 230 (239 f.); 71, 146 (154 f.); 74, 9 (24); 75, 108 (157); 75, 284 (300); 75, 348 (357); 75, 382 (393); 78, 249 (287); 93, 165 (178); siehe aber auch die Position des Zweiten Senates, etwa BVerfGE 71, 39 (58 f.) m.w. N. 1466 So die st. Rspr., etwa BVerfGE 1, 14 (52); 9, 334 (337); 12, 341 (348); 27, 364 (371 f.); 55, 72 (90); 65, 141 (148); 74, 182 (200); 76, 256 (329); 80, 48 (51); dazu R. Alexy, Theorie der Grundrechte, 1975, S. 373 ff.; ergänzend etwa P. Kirchhof, Der allgemeine Gleichheitssatz, in: HStR, Bd. V, § 124, Rn. 23, 235; wesentlich für die Republik K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 990 ff.; steuerspezifischer J. Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 4, Rn. 73. 1467 Vgl. z. B. BVerfGE 65, 325 (354); J. Lang, in: K. Tipke/J. Lang, Steuerrecht, § 4, Rdn. 73 ff., S. 78 ff.; K. Vogel, Grundzüge des Finanzrechts des Grundgesetzes, in: HStR, Bd. IV, § 87, Rn. 93. 1468 Siehe hierzu 2. Teil, 3. Kap., III., 3.

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6. Teil: Teilung des Eigentums zwischen Steuerbürger und -staat

schen Vernunft1469, verstößt letztlich gegen die allgemeine Freiheit als Fundament der republikanischen Gemeinschaft. Die Logik des Steuerstaats verwirklicht in ihrer gerechten Lastenzuteilung das republikanische Sozialprinzip zum Wohl des Einzelnen und der Allgemeinheit. Die gerechte Besteuerung, mit der die Lasten angemessen zwischen dem Einzelnen und der bürgerlichen Gemeinschaft, damit letztlich zwischen dem Privaten und dem Staat verteilt werden, erweist sich als eine Frage des rechten Maßes. „Gleichmaß und Übermaß“ liegen nahe beieinander1470 – das rechte Maß bildet die zentrale Trennlinie, die über Gesetzlichkeit und Ungesetzlichkeit, Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit eines jedes Handelns, auch des Staates, selbst des Steuerstaates, entscheidet. All das sind Aspekte des aristotelischen Rechtsprinzips des rechten Maßes1471. Trotz der Formalität dieses Prinzips des rechten Maßes stellt sich die Frage nach seiner Materialisierung, seinen materialen Konsequenzen; dies um so mehr, als Steuergesetze und ähnliche hoheitliche Lastenzuteilungen für den republikanischen Bürger systemimmanent immer mit material-ökonomischen Konsequenzen verbunden sind1472. Allgemeine Freiheit aber impliziert stets ökonomische Notwendigkeiten; denn nur derjenige kann tatsächlich selbständig, also frei sein, der über entsprechende materielle Möglichkeiten verfügt1473. Das Prinzip des rechten Maßes definiert nun, wie die rechtlichen Möglichkeiten in der bürgerlichen Gemeinschaft zwischen allen zu verteilen sind, letztlich auch das Ausmaß dessen, was der einzelne mindestens benötigt, um selbstständig zu sein. Auf diesem Wege findet das Prinzip des rechten Maßes ebenso Eingang in die Eigentumsgesetzgebung wie in die Steuergesetzgebung, die konstruktionslo1469 Ganz i. d. S. P. Kirchhof, Der allgemeine Gleichheitssatz, in: HStR, Bd. V, § 124, Rn. 235, 246, u. ö.; K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 978 ff., 990 ff.; ders., Freiheit in der Republik, S. 200 ff., 213 ff., 221 ff.; ders., Prinzipien des Rechtsstaates, S. 370 ff., 375 ff.; substantiell zum Vernunftprinzip vor allem ders., Res publica res populi, S. 304, 413 ff., 600 ff., 656 ff., 898 ff.; grundlegend I. Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, S. 41, 81, passim; ders., Metaphysik der Sitten, S. 332 u. ö., vor allem ders., Kritik der praktischen Vernunft, S. 141. 1470 So der zwar nicht dezidiert auf Steuern gemünzte, allgemeingültige Hinweis von P. Kirchhof, Der allgemeine Gleichheitssatz, in: HStR, Bd. V, § 124, Rn. 161 ff., auch Rn 193, 250, 291. 1471 Aristoteles, Nikomachische Ethik, 2. Buch 1106 a 11; K. A. Schachtschneider, Prinzipien des Rechtsstaates, S. 377 f.; ders., Res publica res populi, S. 987; ders., Freiheit in der Republik, S. 213 ff.; A. Emmerich-Fritsche, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 50 ff. 1472 Siehe dazu bereits 1. Kap., 2. Kap., IV. 1473 Für die Notwendigkeit von materiellen und geistigen Gütern als Bedingung von Selbständigkeit und Freiheit bereits L. v. Stein, Geschichte der sozialen Bewegung in Frankreich von 1789 bis auf unsere Tage, Bd. 3, ed. Salomon, 1921, 1959, S. 104, auf den K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 242 (Fn. 181), hinweist. Umfassender dazu ebenda, S. 234 ff.; sinngemäß z. B. auch M. Kriele, Einführung in die Staatslehre, S. 219, 334; C. Link, Staatszwecke im Verfassungsstaat nach 40 Jahren Grundgesetz, VVDStRL 48 (1990), S. 34 ff.; G. Ress, Staatszwecke im Verfassungsstaat nach 40 Jahren Grundgesetz, VVDStRL 48 (1990), S. 101 ff.

2. Kap.: Eigentum und Steuern in der Republik

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gisch eng verknüpft sind; schließlich greift der fiskalische Staat regelmäßig auf das bürgerliche Eigentum zu, um so die Finanzierung staatlicher Aufgaben sicherzustellen. Der Eigentums- und Steuergesetzgeber hat bei der Verteilung steuerlicher und ähnlicher Lasten einerseits das Wohl des Einzelnen, andererseits das Wohl der Allgemeinheit zu wahren und in Einklang zu bringen1474. Das Wohl der Allgemeinheit, an dem sich der Gesetzgeber bei der rechtlichen Ausgestaltung des fiskalisch belasteten Eigentums zu orientieren hat, ist nicht nur Grund, „sondern auch Grenze für die Beschränkung des Eigentümers“1475, ergo auch Grenze für den hoheitlichen Eigentumszugriff, beispielsweise in Form von Steuern und Abgaben. Im Zielkanon des Steuerstaates findet sich auf grundlegender Ebene das Sozialprinzip als eines der substantiellen Prinzipien der freiheitlichen, gleichheitlichen und brüderlichen Republik1476. Dabei hat sich der lastenverteilende Staat nicht in einer nivellierenden Suche nach „sozialer Gerechtigkeit“ zu ergehen, sondern muss den „Ausgleich der sozialen Gegensätze“ durch Stützung der Schwächeren schaffen1477. Denn auch der Steuerstaat ist in seinem gesetzlichen Tun und Lassen stets dem vorrangigen Privatheitsprinzip verpflichtet, welches das Sozialprinzip zum Wohl des Einzelnen und der Gemeinschaft ergänzt1478. In dieser Gemengelage, in der es den Ausgleich von Privatheit und (sozialer) Staatlichkeit in der republikanischen Gemeinschaft auf dem Weg zum guten Leben aller in gemeinsamer Freiheit mit allen material-ökonomischen Implikationen zu leisten gilt, liefert das Prinzip des rechten Maßes, praktiziert als Verhältnismäßigkeitsprinzip1479, wichtige Orientierungspunkte1480. 1474 Diese konsensuale Vereinigung vermeintlich divergierender Interessen in allgemeinen Gesetzen ist eine der Grundideen der Republik; vertiefend hierzu vor allem K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 617 ff., auch S. 525 ff. (jew. m. zahlr. N.). 1475 BVerfGE 102, 1 (17); auch BVerfGE 25, 112 (118); 50, 290 (340); 100, 226 (241). 1476 Grundlegend zum Sozialprinzip der Republik im 4. Teil. 1477 W. Leisner, Die Steuer- und Eigentumswende – die Einheitswert-Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts, S. 2596. 1478 Zum Privatheitsprinzip K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 370 ff., insb. S. 386 ff., wo die ökonomische Dimension der Privatheit als privatheitliche Lebensbewältigung herausgestellt wird; i. d. S. auch ders., Freiheit in der Republik, 8. Kap., III., IV.; siehe auch die Ausführungen unter 3. sowie im 3. Teil, 2. Kap., III., V., auch 3. Kap. 1479 Hierzu z. B. K. A. Schachtschneider, Prinzipien des Rechtsstaates, S. 375 ff., 380 ff., 389 ff.; auch A. Emmerich-Fritsche, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 50 ff., 140 ff. 1480 Denn praktisch vernünftig kann nur das allgemeine Gesetz sein, dessen Allgemeinheit sich aus der Einigkeit vieler erschließt, dessen Gesetzgeber also alle Bürger sind; siehe dazu K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 524 f., 644 ff., 707 ff., auch S. 560 ff., 584 ff.; ergänzend z. B. P. Häberle, Wesensgehaltsgarantie, S. 146; H. Hofmann, Grundpflichten als verfassungsrechtliche Dimension, VVDStRL

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6. Teil: Teilung des Eigentums zwischen Steuerbürger und -staat

Dem Prinzip nach ist die Materialisierung des als Willkürverbot oder Verhältnismäßigkeitsprinzip judizierten Prinzips des rechten Maßes, letztlich der praktischen Vernunft1481 immer Sache des Gesetzgebers1482, eben auch des fiskalischen Gesetzgebers1483. Die gesetzlichen Ausprägungen des Steuerzugriffs, mit dem der Fiskus nicht nur grundsätzlich an den Erfolgen privaten Wirtschaftens teilnimmt, sondern auch die den Bürger und dessen Eigentum betreffenden Lasten praktisch vernünftig, also sachrichtig und gerecht verteilt, stehen hier im Mittelpunkt. Einerseits stellt sich die Frage nach der sachlich richtigen, also gerechten Lastenverteilung, angesichts der unbestritten material-ökonomischen Auswirkungen des Steuerzugriffs wie auch anderer Lastenpflichten notwendigerweise immer auch in einer materialen Dimension. Diese Materialisierung des Prinzips des rechten Maßes, bei der alle Prinzipien des Grundgesetzes zu beachten sind, vor allem das Sozialprinzip, leistet insbesondere das Leistungsfähigkeitsprinzip1484, das als eines der tragenden Prinzipien des Steuerrechts steuerliche Gerechtigkeit bestmöglich realisieren hilft. Andererseits – und diese Frage dürfte für den einzelnen Steuerbürger im Vordergrund stehen – ist die Frage nach dem sachlich richtigen, gerechten und praktisch vernünftigen Steuerzugriff auf Einkommen und Vermögen, letztlich auf das Eigentum des einzelnen Bürgers zu stellen. Es ist die Frage nach dem rechten Maß des Fiskalzugriffs. Dass dieses Maß der Sache nach immer ein Höchstmaß sein muss, bedarf wohl keiner gesonderten Erwähnung. Zugleich präsentiert sich die Frage des rechten Maßes als grundlegende Frage nach dem Verhältnis von Steuerbürger und Steuerstaat. Das Prinzip des rechten Maßes ist auch an dieser Stelle für eine Entscheidung über möglichst gerechte Lastenverteilung zu bemühen. Allerdings klärt es hier nicht die gerechte Verteilung gemeinschaftlicher, also staatlicher Lasten auf alle Mitglieder der Bürgerschaft, sondern beantwortet, welche Aufgaben der Bürger selbständig leisten kann und 41 (1983), S. 69 f.; W. Kersting, Wohlgeordnete Freiheit, S. 305 ff.; W. Maihofer, Die Legitimation des Staates aus der Funktion des Rechts, S. 15 ff., 22 ff. 1481 Zur praktischen Vernünftigkeit als Rechtsprinzip, als welche die formalen, also nicht unterschiedlichen Prinzipien des Willkürverbots und der Verhältnismäßigkeit praktiziert werden, K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 362, 557, 978 ff., 990 ff.; ders., Prinzipien des Rechtsstaates, S. 375 ff.; umfassender dazu ders., Freiheit in der Republik, 2. Kap., II., V., VI.; A. Emmerich-Fritsche, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 213, 248. 1482 Vgl. K. A. Schachtschneider, Prinzipien des Rechtsstaates, S. 375 ff., 382 ff. (jew. m.w. N.) 1483 Allgemein für die Verpflichtung des Steuergesetzgebers auf die Prinzipien der Verfassung BVerfGE 84, 239 (268, 271). 1484 Grundlegend D. Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 52 ff., 59 ff., passim; vgl. auch P. Kirchhof, Staatliche Einnahmen, in: HStR, Bd. IV, § 88, Rn. 114 ff.; J. Lang, in: K. Tipke/J. Lang, Steuerrecht, § 4, Rn. 81 ff., S. 82 ff.; K. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. I, S. 469 ff.; K. Vogel, Grundprinzipien des Finanzrechts des Grundgesetzes, in: HStR, Bd. IV, § 87, Rn. 90 ff.; siehe bereits 2. Teil, 3. Kap., IV., auch oben, 1. Kap.

2. Kap.: Eigentum und Steuern in der Republik

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muss und welche Aufgaben von Seiten der bürgerlichen Gemeinschaft, letztlich von dem republikanischen Staat zu erfüllen sind. Die Steuer dient der Finanzierung hoheitlicher Aufgaben; das Ausmaß ihres Zugriffs auf das grundgesetzlich gewährleistete Eigentum entspricht in ihrer Finanzierungsfunktion1485 nicht nur dem staatlichen Finanzbedarf, sondern spiegelt auch das Ausmaß der staatlichen Aufgaben in der Beziehung von Bürger und Staat wider. Das Prinzip des rechten Maßes als substantielle Beurteilungsgröße des Verhältnisses von Bürger und Staat in der Republik definiert also auch, wie viel Eigentum dem Bürger zu einem Leben in bürgerlicher Selbständigkeit nach dem hoheitlichen Fiskalzugriff zu verbleiben hat, und begrenzt nötigenfalls die Auferlegung hoheitlicher Lasten. Die materialen Erfordernisse bürgerlicher Selbständigkeit als elementare Voraussetzung individueller und allgemeiner Freiheit verkennt auch Aristoteles1486 als Schöpfer des Prinzips des rechten Maßes nicht, wenn er formuliert: „So ist es auch für den Staat das größte Glück, wenn die Bürger einen mittleren und ausreichenden Besitz haben.“ „Wenn einem das Maß und die Mitte anerkanntermaßen das Beste sind, so ist auch in Bezug auf die Glücksgüter der mittlere Besitz von allen der Beste. Denn in solchen Verhältnissen gehorcht man am leichtesten der Vernunft.“

Offensichtlich handelt der Bürger in der republikanischen Gemeinschaft unter diesen Bedingungen sittlich und praktisch vernünftig und verwirklicht so nicht nur seine persönliche, sondern die allgemeine Freiheit. Letztlich führt dies zum guten Leben aller in gemeinsamer Freiheit, also zu dem Zustand in der republikanischen Gemeinschaft, in dem der Ausgleich aller Interessen gelungen und so nicht nur Wohlstand für alle hergestellt, sondern auch der allgemeine Frieden gesichert ist1487. Als elementare Voraussetzung – nicht nur auf materialer Ebene 1485 Die Deckung des staatlichen Finanzbedarfs ist die eigentliche Funktion der Besteuerung. Vor diesem Hintergrund sind an dieser Stelle Lenkungssteuern zu vernachlässigen, auch wenn sie von Seiten des Bundesverfassungsgerichts grundsätzlich zugelassen werden. Siehe BVerfGE 16, 147 (161); 29, 327 (331); 30, 250 (264); 36, 66 (70 f.); 84, 239 (274); 93, 121 (147); 98, 106 (117); allgemein dazu z. B. J. Lang, in: K. Tipke/J. Lang, Steuerrecht, § 3, Rn. 11, 53 ff.; insbesondere für Umweltabgaben z. B. P. Kirchhof, Verfassungsrechtliche Grenzen durch Umweltabgaben, DStJG 15 (1993), S. 3 ff., 7; ders., Steuergleichheit, StuW 1989, S. 299 ff. 1486 Politik, 1295 b 40 f., 1295 b 1 ff., auch 1292 a 30 ff. sowie i. d. S. öfters. Siehe hierzu z. B. auch den Hinweis von R. Schüßler, Halbteilung und moralisches Gesetz – zu einem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts, ARSP 2002, S. 534 („Ohne materielle Mittel, das wusste schon Aristoteles, lassen sich selbst bescheidene Lebensprojekte nicht verfolgen.“), der den Halbteilungsgrundsatz vor dem Hintergrund der Moralität diskutiert; dazu nochmals im Folgenden. 1487 Grundlegend Aristoteles, Politik, S. 230, 1328 a 36; vgl. auch ders., Nikomachische Ethik, S. 55 f., insb. S. 58 (1095 a 13, 17 ff.); sinngemäß auch I. Kant, Zum ewigen Frieden, S. 158 f.; weiterführend K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 346 ff., 350 ff., 410 ff., 574 f., 657 ff., 978 ff., 990 ff.; ders., Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 236 ff., 242 ff., 247 ff.

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6. Teil: Teilung des Eigentums zwischen Steuerbürger und -staat

– hat Aristoteles in konsequenter Weiterentwicklung des Prinzips des rechten Maßes den mittleren Besitz identifiziert. Augenscheinlich benötigt jeder Bürger diesen mittleren Besitz, um sein Leben freiheitlich, privatheitlich und zum Wohl der Allgemeinheit meistern zu können. Ergo muss dieser mittlere Besitz dem Bürger auch nach dem lastenverteilenden Zugriff des Staates verbleiben. In Ergänzung des Privatheitsprinzips, das sich auch in der Institution des privaten Eigentums und dessen grundsätzlicher Privatnützigkeit findet1488, verankert das Prinzip des rechten Maßes also den mittleren Besitz als dasjenige Eigentum, bei dem jeder Bürger – und somit der Staat als Menge aller Bürger unter Rechtsgesetzen – private und gemeinschaftlichen Interessen in Einklang bringen und sowohl dem Gemeinwohl als auch seinen Individualinteressen bestmöglich dienen kann. Das Prinzip des rechten Maßes birgt als das Prinzip der Mitte eine Richtigkeitsvermutung für ein Teilen in der Mitte; solange es keine triftigen Gründe für ein Abweichen von dieser Mitte gibt, gleicht das mittlere Maß divergierende Interessenlagen bestmöglich untereinander aus1489. Bereits der Gedanke des Teilens per se impliziert – zumindest unter der Prämisse eines gerechten Teilens – eine Teilung nach dem Maß des Mittleren, eben ein Teilen in zwei gleiche Hälften1490. Der Weg des mittleren Maßes beim Teilen des Eigenen mit dem bedürftigen Nächsten als das rechte Maß der Brüderlichkeit klingt auch im Christentum an. Dessen große Schriften zeichnen die Position des Mittleren vielfach vor, die nicht nur in christlicher Tugendlehre und Moraltheologie immer wieder aufgegriffen wird1491. Geradezu bezeichnend für diesen Maßstab der Brüderlichkeit und Barmherzigkeit teilt beispielsweise der Heilige Martin seinen Mantel mit dem Bettler am Straßenrand – in zwei gleiche Hälften1492.

1488

Vgl. hierzu oben 2., 3. Zu der Bedeutung des Prinzips des rechten Maßes in der Diskussion um Eigentum und Steuern im republikanischen Gemeinwesen vgl. K. A. Schachtschneider, Steuerverfassungsrechtliche Probleme der Betriebsaufspaltung und der verdeckten Gewinnausschüttung, S. 66 f. 1490 Diesen Gedanken greift auch der Volksmund auf, wenn er die „goldene Mitte“ als das rechte Maß des Konsenses, des gerechten Ausgleichs bemüht. 1491 Auf einen Überblick der Literatur muss aufgrund der Fülle des Materials verzichtet werden. 1492 Dass es im System der sozialen Marktwirtschaft – auch und insbesondere in ihrer republikanischen Konzeption – für den Not leidenden Bettler langfristig hilfreicher und sozialer sein mag, als Helfender eine Mantelfabrik zu gründen, dem Bedürftigen dort einen Arbeitsplatz zu verschaffen und ihm so die Möglichkeit zu geben, seinen Lebensunterhalt selbst zu erwirtschaften, wie das Unternehmerinstitut der Arbeitsgemeinschaft Selbständiger Unternehmer (Hrsg.), Eigentum verpflichtet. Ende des Teilens – Stunde des Mehrens, 2004, S. 19 darlegt, sei einmal dahingestellt; an dieser Stelle interessiert lediglich der Maßstab des in der brüderlichen Gemeinschaft ebenfalls notwendigen Teilens. 1489

2. Kap.: Eigentum und Steuern in der Republik

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Bemerkenswerterweise gelangen auch Konzeptionen, die sich dem Halbteilungsgrundsatz in seiner Grundsätzlichkeit aus einem völlig anderen Blickwinkel nähern, zu ähnlichen Ergebnissen, was die Richtigkeit der Halbteilungsvermutung zweifelsohne weiter stützt. So versucht beispielsweise Rudolf Schüßler unter Zuhilfenahme von Grundannahmen der Theorien rationalen Handelns1493 und Elementen der Spieltheorie über den Weg einer moralischen Selbstgesetzgebung eine prinzipielle ethische Rechtfertigung für eine Begrenzung des staatlichen Zugriffs auf die Hälfte von Einkommen oder Eigentum zu entwickeln1494. Ohne hier seine Ausführungen im Detail wiedergeben zu können, greift er in seinem „modernisiert kantianischen Modell der Rechtfertigung einer konstitutionellen Besteuerungsbeschränkung“1495 den Topos materieller Notwendigkeiten zur Führung eines eigenständigen Lebens und zur Entfaltung persönlicher Interessen auf, um die Idee einer grundsätzlichen Begrenzung des steuerstaatlichen Zugriffs auf das private Eigentum mit Leben zu erfüllen. Um zu beantworten, welcher Prozentsatz des Einkommens oder Eigentums unter ethisch-moralischen Aspekten dem Bürger entzogen werden dürfte, fragt er nach einem moralischen Gesetz, das diesen Prozentsatz bestimmt, und bereichert den Prozess moralischer Selbstgesetzgebung um spieltheoretische Mechanismen1496. Überzeugend arbeitet er heraus, dass der ethisch-moralisch, also sittlich handelnde Bürger, der privates Interesse und Allgemeinwohl in einen konsensualen Ausgleich zu bringen bemüht ist, eine (maximal) hälftige Teilung des Eigentums, genauer seiner Nutzungsergebnisse, zwischen Bürger und Staat als naheliegendeste, damit a priori richtige, praktisch vernünftige und gerechte Lösung akzeptieren, ja sogar wählen würde1497. Diese „ökonomische Mitte des ,Sozialen‘“1498, wie sie der Halbteilungsgrundsatz wiedergibt, ist nicht nur ein gerechter1499, „salomonischer Ausgleich 1493 Mit dem Handeln des homo oeconomicus im Steuerstaat beschäftigt sich umfassend und wegweisend die Schrift von J. Buchanan/G. Brennan, Besteuerung und Staatsgewalt. Analytische Grundlagen einer Finanzverfassung, The Power to Tax, Deutsche Übersetzung, 1988. 1494 Halbteilung und moralisches Gesetz – zu einem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts, ARSP 2002, S. 531. 1495 Ebenda, S. 532. 1496 Ebenda, S. 536 ff. 1497 Ebenda, S. 545 ff., wo R. Schüßler den Halbteilungsgrundsatz als „Default-Lösung“ (Zitat S. 545) für das Verhältnis von belastetem Steuerbürger und belastendem Steuerstaat, damit auch in der Frage nach dem zulässigen (Höchst-)Maß der Besteuerung, darlegt. 1498 So noch heute H. F. Zacher, Das soziale Staatsziel, in: HStR, Bd. I, § 25, Rn. 68 f. 1499 Für den Gerechtigkeitsbeitrag des Mittleren in der Halbteilungsjudikatur sehr deutlich W. Leisner, Die Steuer- und Eigentumswende – die Einheitswert-Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts, S. 2596: „Das Urteil ist so deutlich ausgefallen, wie es nur möglich war, es darf nicht aus früherer Rechtsprechung relativiert werden, eben

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6. Teil: Teilung des Eigentums zwischen Steuerbürger und -staat

zwischen Privatnützigkeit und Allgemeinnützigkeit“1500, sondern bildet das Verhältnis von Bürger und Staat in der Republik ab und versöhnt Privatheitsprinzip und Sozialprinzip als eine der Elementarprinzipien des Staates. Dieses Maß des Mittleren bezieht sich nicht nur auf das Eigentumsgefüge in der Bürger- und Eigentümergemeinschaft, fordert also nicht nur ein mittleres, nicht übermäßiges Eigentum des Einzelnen in Relation zu allen übrigen Bürgern, sondern erfasst auch das Verhältnis von Bürger und Staat. Zuvorderst aber definiert das Prinzip des rechten Maßes einen deutlichen Rahmen für die größtmögliche Belastung des privatheitlichen Eigentums, wenn es vorgibt, dass dem Bürger auch nach Erledigung seines pflichtigen Beitrags für die Allgemeinheit ein mittleres Eigentum zu verbleiben hat. Ohne hier Mitte und Hälfte quasi im Sinne eines Automatismus gleichsetzen zu wollen, hat der Bürger doch nur dann ein mittleres Eigentum, wenn ihm der belastende Staat wenigstens die Hälfte seines Eigentums belässt1501. Dies wird umso deutlicher, wenn man sich vor Augen führt, dass das aristotelische Maß des Mittleren nicht isoliert zu interpretieren ist. Auch wenn das ebenfalls steuerbegrenzende Kriterium bürgerlicher Selbständigkeit, wie es schon Kant 1502 entwickelt hat, autonomiegemäßer, damit freiheitlicher einzustufen sein mag als das rechte Maß des Aristoteles oder auch die „ökonomische Mitte des Sozialen“ Hans Friedrich Zachers1503, lässt sich die gemeinsame Grundidee nur realisieren, wenn das privatheitliche Eigentum höchstens zu gleichen Teilen, also hälftig, eben mittig zwischen privater Nützigkeit und allgemeiner Pflichtigkeit, letztlich zwischen privatem Bürger und staatlicher Gemeinschaft aufgeteilt wird. Das aber impliziert einen höchstens hälftigen Zugriff des fiskalischen Staates auf das Einkommen des einzelnen Bürgers, dessen Eigentum so im rechten Maß verteilt werden kann. Die Zielvorgaben des mittleren Eigentums, abgeleitet aus dem aristotelischen, auch republikanischen Prinzip des rechten Maßes, plädieren also ebenfalls dafür, die Grenze steuerlicher – und möglicherweise auch anderer hoheitlicher Lasten1504 – in der Nähe einer höchstens hälftigen Teilung zwischen Bürger und Staat zu ziehen.

weil es eine Grundsatzentscheidung ist. Und ein gerechtes Urteil der Mitte, das zeigen schon jetzt die Klagen der einen, die Kritik der anderen.“ 1500 H. Butzer, Freiheitsrechtliche Grenzen der Steuer- und Sozialabgabenlast, S. 137. 1501 Akzeptiert man das Leistungsfähigkeitsprinzip als eines der Grundprinzipien gleichheitlicher, somit gerechter Besteuerung, wird deutlich, dass das Maß des Mittleren nur ein Höchstmaß für den Besteuerungszugriff vorgeben kann und nicht etwa eine grundsätzliche Steuerbelastung in Höhe von 50% zu fordern vermag; denn in diesem Fall wären alle Bürger ohne Unterschied, also losgelöst von ihren individuellen Möglichkeiten, und damit nicht mehr gleichheitlich und gerecht belastet. 1502 Über den Gemeinspruch, S. 145 ff.; ders., Metaphysik der Sitten, S. 432 ff. 1503 Siehe die Einordnung bei K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 242.

3. Kap.: Realitäten des Halbteilungsgrundsatzes

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3. Kapitel

Realitäten des Halbteilungsgrundsatzes Das steuerverfassungsrechtliche Halbteilungsprinzip statuiert in seiner Grundsätzlichkeit eine maximal hälftige Teilung des Steuergutes zwischen Bürger und Staat. Als „Obergrenze für die steuerliche Belastung“ des pflichtigen Steuerbürgers „jenseits von Konfiskation und Erdrosselung“1505 verpflichtet es den republikanischen Steuerstaat auf Steuergesetze, deren Belastungsergebnisse dem pflichtigen Steuerbürger mindestens die Hälfte dessen belassen, was er durch sein Eigentum, dessen wirtschaftliche Nutzung oder auch durch seine Arbeitskraft erwirtschaftet oder erwirtschaften kann. Wenn das Bundesverfassungsgericht in seinem Spruch zur hälftigen Teilung dem Steuerpflichtigen einen Kernbestand des Erfolges eigener Betätigung im wirtschaftlichen Bereich als Ausdruck der grundsätzlichen Privatnützigkeit des Erworbenen zugesteht und in enger Anlehnung an das „zugleich“ des Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG eine höchstens hälftige Teilung zwischen privater und öffentlicher Hand judiziert, deutet das ebenfalls auf steuerliche Lasten von höchstens 50% hin. Im Ergebnis mag das Prinzip hälftiger Teilung eine verfassungsseitig zulässige Steuerhöchstbelastung von 50%, vielleicht sogar unterhalb dieser Hälfte signalisieren; nach näherer Betrachtung lässt sich aus diesem Grundprinzip republikanischer Steuerstaatlichkeit vielleicht gar ein abstrakter Spitzensteuersatz von maximal 50% herauslesen. Das Halbteilungsprinzip ist damit jedoch nicht näher, praxisrelevant gefasst, die Operationalisierung der steuerverfassungsrechtlichen Halbteilung noch nicht gelungen1506. Die Erkenntnis, dass bürgerliches Eigentum und dessen Nutzungsfrüchte höchstens hälftig zwischen Steuerbürger und Steuerstaat aufzuteilen sind, beantwortet nicht die Frage nach der Bemessungsgrundlage der Halbteilung. Eine Beschränkung des Steuerzugriffs auf die (Soll-)Erträge des Vermögensbestandes – die Entscheidung zum Halbteilungsgrundsatz wurde ursprünglich durch eine verfassungsgerichtlich gebotene Überprüfung der Vermögensteuer ausgelöst – führt zu völlig anderen Belastungsergebnissen als ein maximal hälftiger Fiskalzugriff auf das Einkommen des Steuerpflichtigen, von den Konsequenzen einer Halbteilungsgrenze für alle Ertragsteuern oder gar für 1504

Dazu näher im 3. Kap., V. M. Jachmann, Verfassungsrechtliche Grenzen der Besteuerung, S. 58. 1506 W. Flume, Die Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts zu den Einheitswerten in Hinsicht auf die Vermögen- und Erbschaftsteuer, DB 1995, S. 1779, sieht bei einer näheren, insbesondere quantifizierenden Betrachtung der Auswirkungen des Halbteilungsgrundsatzes für den Steuergesetzgeber den „Teufel im Detail“. Einen Überblick über die Fülle der Detailfragen für eine rechtspraktische Umsetzung geben, stv. für viele, H.-W. Arndt/W. Schumacher, Die verfassungsrechtlich zulässige Höhe der Steuerlast – Fingerzeig des BVerfG an den Gesetzgeber?, NJW 1995, S. 2604. 1505

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6. Teil: Teilung des Eigentums zwischen Steuerbürger und -staat

sämtliche Steuerlasten des Bürgers ganz zu schweigen. Wirkt das Halbteilungsgebot über tatsächliche oder potentielle Vermögenserträge hinaus und erfasst Ertragsteuern oder gar noch weitere Steuerarten, gilt es zu klären, ob diese verfassungsrechtliche Steuergrenze getrennt nach einzelnen Steuerarten oder kumulativ über alle Steuern hinweg anzuwenden ist. Des Weiteren wird die steuerliche Belastung des pflichtigen Bürgers wesentlich durch die Zugriffsobjekte des Fiskus determiniert; so weicht das Belastungsergebnis bei Zugriff auf eine Bruttogröße deutlich von der Steuererhebung auf eine Nettogröße ab. Verdichtet man den steuerverfassungsrechtlichen Halbteilungsgrundsatz überdies von einer Grundsatzrelation im Verhältnis von Bürger und Staat zu einem verfassungsrechtlich zulässigen Maximalsteuersatz, impliziert dies erst recht hinlänglichen Klärungsbedarf. Über die Steuerpflicht hinaus können auch nichtsteuerliche Abgabepflichten den Bürger in seinem Eigentum und dessen privater Nützigkeit berühren. Setzt man voraus, dass der steuerverfassungsrechtliche Halbteilungsgrundsatz mit seinem privatheitsgestützten Postulat einer höchstens hälftigen Belastung bürgerlichen Eigentums vornehmlich auf die Begrenzung der Belastungskomponente des Steuerzugriffs abzielt, liegt es nahe, auch die Belastungsrealitäten nichtsteuerlicher Abgaben an diesem Maßstab zu messen. Dass die Steuerverfassung der Republik integraler Bestandteil der Finanzverfassung ist, untermauert noch die Diskussionsnotwendigkeit bezüglich eines etwaigen Transfers des steuerverfassungsrechtlichen Halbteilungsgrundsatzes auf andere Bereiche der Finanzverfassung. Im Übrigen verpflichtet der Staat den Steuer- und Abgabenbürger zu steuerlichen und außersteuerlichen Hilfsdiensten, die bei den Betroffenen zwar keine unmittelbaren Geldzahlungen an den Fiskus auslösen, aber regelmäßig mit – teilweise erheblichem – Kostenaufwand verbunden sind. Vor diesem Hintergrund wird zu erörtern sein, ob die Belastungsgrenze des Halbteilungsgrundsatzes auf steuerliche und außersteuerliche Pflichtdienste ausgedehnt werden kann, ja sogar ausgedehnt werden muss. I. Halbteilungsrelevante Steuern 1. Gesamtsteuerlast Zu den dringenden, trotz umfangreicher Erörterung im Schrifttum noch nicht erschöpfend geklärten1507, Streitpunkten des Halbteilungsgrundsatzes zählt die 1507 Beispielhaft sei auf H.-W. Arndt, Konsequenzen für den Gesetzgeber aus den Beschlüssen des Bundesverfassungsgerichts vom 22.6.1995 zur Vermögen- und Erbschaftsteuer, BB 1996, Beilage 7, S. 6 f.; H. Butzer, Freiheitsrechtliche Grenzen der Steuer- und Sozialabgabenlast, S. 91 ff.; G. Felix, Zur steuerlich gemäßigten Belastungsobergrenze – Steine statt Brot vom BVerfG?, NJW 1996, S. 703 ff.; M. Jachmann, Steuergesetzgebung zwischen Gleichheit und wirtschaftlicher Freiheit, S. 51 f., 155 ff. u. ö.; G. Rose, Überlegungen zur Realisierung des Halbteilungsgrundsatzes,

3. Kap.: Realitäten des Halbteilungsgrundsatzes

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Frage nach den Steuern, die dem Halbteilungsgrundsatz unterliegen und diesem Prinzip durch Rechtsprechung und Verwaltungspraxis unterworfen werden müssen. Erste wichtige Orientierungshilfen für eine Beantwortung der Frage nach den halbteilungsrelevanten Steuern gibt das Bundesverfassungsgericht, wenn es den Begriff der steuerlichen Gesamtbelastung1508 bemüht1509: „Die Gesamtbelastung durch eine Besteuerung des Vermögenserwerbs, des Vermögensbestandes und der Vermögensverwendung ist vom Gesetzgeber so aufeinander abzustimmen, dass das Belastungsgleichmaß gewahrt und eine übermäßige Last vermieden wird.“

Diese drei, der Steuersystematik der Republik entsprechenden Grundanknüpfungspunkte der Besteuerung1510, Eigentumserwerb, Eigentumsinnehabung und Eigentumsverwendung, fügen sich zu einer Gesamtsteuerbelastung, einem Belastungserfolg, der aus der Anwendung steuerlicher Gesetze bei dem Steuerpflichtigen resultiert1511. Mit der begrifflichen Verankerung der Gesamtsteuerlast umreißt das Gericht zunächst den grundsätzlichen Geltungsbereich für das Halbteilungspostulat, also diejenigen steuerlichen Belastungen, die in ihrer gesamtbelastenden Wirkung das Hälftigkeitsmaß nicht übersteigen dürfen1512. Dass die steuerliche Gesamtbelastung in der Nähe einer hälftigen Teilung des Einkommens zwischen privater und öffentlicher Hand zu verbleiben hat und sich hinter dem Terminus der Gesamtlast mehr verbergen muss als nur die Vermögensteuerlast des Steuerpflichtigen, ist auch in der Literatur weitgehend unStuW 1999, S. 14, 18 u. ö.; R. Seer, Der sog. Halbteilungsgrundsatz als verfassungsrechtliche Belastungsobergrenze der Besteuerung, FR 1999, S. 1287 u. ö.; ders., Verfassungsrechtliche Grenzen der Gesamtbelastung von Unternehmen, DStJG 23 (2000), S. 108 f.; K. Tipke, Über die Grenzen der Vermögensteuer. Zugleich Besprechung des BVerfG-Beschlusses vom 22.6.1995, GmbHR 1996, S. 13 u. ö., hingewiesen. 1508 Zur Gesamtsteuerlast bereits BVerfGE 40, 109 (118); 84, 239 (268); ausführlicher im Folgenden. 1509 BVerfGE 93, 121 (135 u. ö.). 1510 Grundlegend z. B. J. Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 4, Rn. 92 ff.; ders., in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 8, Rn. 29 ff. (jew. m.w. N.). Wichtig zur Systematik des deutschen Vielsteuersystems mit den Zugriffsphasen Vermögenszugang, Vermögensinnehabung und Vermögensgebrauch vor allem P. Kirchhof, Rechtsmaßstäbe finanzstaatlichen Handelns, JZ 1979, S. 156; später z. B. ders., Steuergerechtigkeit und sozialstaatliche Geldleistungen, JZ 1982, S. 305, 306 sowie in etlichen anderen Schriften, zuletzt ders., Der sanfte Verlust der Freiheit, S. 193 ff. 1511 Dazu z. B. G. Rose, Grundsatzüberlegungen zum Vermögensteuer-Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 22. Juni 1995 und zu seinen Auswirkungen aus Sicht der Steuerpflichtigen, Gutachten für die Arbeitsgemeinschaft Selbständiger Unternehmer e. V. (ASU), 1996, S. 9 f. 1512 P. Kirchhof, Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Vermögenund Erbschaftsteuer, Stbg 1996, S. 2. Die Bindungswirkung des Richterspruches und dessen Konsequenzen für den Terminus der Gesamtbelastung erläutert C. Mayer, Der Umfang der Nachbesserungspflicht des Gesetzgebers bei der Vermögens-, Erbschaftsund Schenkungsbesteuerung – Konsequenzen aus den Beschlüssen des Bundesverfassungsgerichts vom 22.6.1995, DB 1995, S. 1833.

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6. Teil: Teilung des Eigentums zwischen Steuerbürger und -staat

umstritten. Leisner1513 etwa erkennt in seiner Analyse des Urteils zum Halbteilungsgrundsatz die „Gesamtbelastung als allgemein-fundamentales Kriterium“, Krüger/Kalbfleisch/Köhler1514 attestieren dem Text deutliche Aussagen über eine „verfassungskonforme Gesamtbelastung“ sowie Vorgaben für eine „verfassungsrechtlich zulässige Gesamtbelastung“ und Wittmann1515 beispielsweise bezieht nach Analyse des Urteils die Belastungsobergrenze ebenfalls eindeutig auf die „Gesamtsteuerbelastung“. Insbesondere Kirchhof 1516, federführend in der Entwicklung des Halbteilungsprinzips, betont, dass die Einheitswert-Entscheidungen eine verfassungsrechtliche Würdigung der Gesamtsteuerlast fordern und in ihrer Aussagekraft jede Steuer betreffen (müssen). In seiner republikanischen Konzeption beschränkt sich die Begründungsleistung des Halbteilungsgrundsatz, wie gezeigt, nicht auf den Wortgehalt des „zugleich“ in Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG oder das Gebot vorrangiger Privatnützigkeit des Eigentums in seiner Gebrauchshaftigkeit, sondern präsentiert sich als Spiegelbild des Verhältnisses von Steuerbürger und Steuerstaat, das gleichermaßen durch Rechte und Pflichten definiert ist; dies spricht grundsätzlich für eine Erfassung aller steuerlichen Lasten, deren Bewältigung der Staat dem Bürger abverlangt. Die Gesamtlast des Steuerbürgers scheint bei dieser Vorgabe, Privatheit und Staatlichkeit in Einklang zu bringen, der einzig aussagekräftige Maßstab zu sein; einzelne Steuerarten aus dem Belastungskonzert ausschließen zu wollen, erscheint auf den ersten Blick wenig sinnvoll. Um das Verhältnis von Bürger und Staat, das auf seinem Fundament des republikanischen Privatheitsprinzips wesentlich durch den Halbteilungsgrundsatz geprägt wird, auch in seinen material-ökonomischen Implikationen für den republikanischen Bürger detaillierter beurteilen zu können, sollen im Folgenden die unterschiedlichen Steuerarten dahingehend beleuchtet werden, auf welche Weise und in welchem Umfang sie in die Bemessungsgrundlage der Halbteilung einfließen, für welche steuerliche Lastengesamtheit sich der republikanische Steuerstaat die Errichtung einer Verfassungsobergrenze gefallen lassen muss. 2. Vermögensteuer Dass die Vermögensteuer der Halbteilungsgrenze unterliegt, bedarf wohl keiner weiteren Erörterung, wurde die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts 1513 Steuer- und Eigentumswende – die Einheitswert-Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts, NJW 1995, S. 2593. 1514 Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zu den Einheitswerten – Analyse und erste Beratungshinweise, DStR 1995, S. 1452. 1515 Die „Einheitswert“-Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 22.6. 1995. Erster Überblick über Inhalte und Konsequenzen, BB 1995, S. 1933. 1516 Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Vermögen- und Erbschaftsteuer, Stbg 1996, S. 6.

3. Kap.: Realitäten des Halbteilungsgrundsatzes

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zum Hälftigkeitsgrundsatz doch originär durch die Frage ausgelöst, ob bei der Vermögensteuer als Steuer auf das ruhende Vermögen1517 die aus der damaligen Gesetzeslage folgende unterschiedliche steuerliche Belastung von Grundbesitz und sonstigem Vermögen mit dem Gleichheitssatz vereinbar sei. In diesem Kontext traf der Senat – so der 3. Leitsatz des Urteils – eine klare Aussage über die steuerbegrenzende Wirkung des Hälftigkeitsprinzips in Bezug auf die Vermögensteuer1518: „Die Vermögensteuer darf zu den übrigen Steuern auf den Ertrag nur hinzutreten, soweit die steuerliche Gesamtbelastung des Sollertrages bei typisierender Betrachtung von Einnahmen, abziehbaren Aufwendungen und sonstigen Entlastungen in der Nähe einer hälftigen Teilung zwischen privater und öffentlicher Hand verbleibt.“

Für vermögensteuerliche Belastungen sollte damit die hälftige Teilung als unübersehbare Schranke definiert sein. Ähnlich den voranstehenden Leitsätzen hat auch der abschließende Teil des Richterspruches unstrittig die Vermögensteuer zum Gegenstand, für die er zum damaligen Gesetzesstand eine „Unvereinbarkeitserklärung“1519 mit dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG ausstellt. Immerhin attestiert das Gericht der Vermögensteuer, dass sie nur so bemessen werden dürfe, „dass sie . . . aus den üblicherweise zu erwartenden, möglichen Erträgen (Sollerträge) bezahlt werden“1520 könne, und festigt somit eine verfassungsseitige Begrenzung der Vermögensteuer. Mit entsprechendem Interpretationswillen lässt sich daraus wie auch aus der Entscheidungsformel des Halbteilungsurteils eine konturenscharfe Hälftigkeitsgrenze für die Vermögensteuer als eigentlichem Entscheidungsgegenstand entnehmen1521. Eine Aussage, dass das Halbteilungsgebot damit allein auf die Vermögensteuer anzuwenden ist, lässt sich allerdings gerade nicht treffen1522. Da als Folge des Halbteilungsurteils die Vermögensteuer ausgesetzt wurde, ist diese Diskussion zum jetzigen Zeitpunkt ohnehin akademischer Natur; wenn eine Vermögensbesteuerung, wie immer

1517

Vgl. BVerfGE 93, 121 (134); dazu BVerfGE 13, 331 (348); 43, 1 (7). BVerfGE 93, 121 (LS 3). 1519 BVerfGE 93, 121 (148). 1520 BVerfGE 93, 121 (137). 1521 So die einhellige Meinung; vgl. exemplarisch H.-W. Arndt, Konsequenzen für den Gesetzgeber aus den Beschlüssen des Bundesverfassungsgerichts vom 22.6.1995 zur Vermögen- und Erbschaftsteuer, BB 1996, Beilage 7, S. 2, ausführlich S. 7 ff.; G. Felix, Konsequenzen aus den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zur Vermögens- und Erbschaftsbesteuerung, BB 1995, S. 2241; G. Rose, Grundsatzüberlegungen zum Vermögensteuer-Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 22. Juni 1995 und zu seinen Auswirkungen aus der Sicht des Steuerpflichtigen. Gutachten für die Arbeitsgemeinschaft Selbständiger Unternehmer e. V. (ASU), Juli 1996, S. 8; deutlich z. B. auch P. Kirchhof, Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Vermögen- und Erbschaftsteuer, Stbg 1996, S. 3 ff. („Folgerungen für die Vermögensteuer“). 1522 Dazu ausführlicher im Folgenden. 1518

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6. Teil: Teilung des Eigentums zwischen Steuerbürger und -staat

wieder diskutiert, erneut eingeführt wird, ist diese gleichwohl dem Postulat der hälftigen Teilung unterzuordnen. 3. Ertragsteuern a) Einkommensteuer Die Frage nach dem Geltungsbereich, in dem der Halbteilungssatz anwendbar ist, ja zur Anwendung kommen muss, lässt sich nicht ad hoc beantworten1523; denn schon bei näherer Betrachtung obiger Entscheidungspassagen führt das Bundesverfassungsgericht klar vor Augen, dass es seine Äußerungen gerade nicht auf die Vermögensteuer zu beschränken gedenkt1524. Stattdessen will es unter entsprechender Würdigung des Einflusses, den jegliche Besteuerung auf den Steuerpflichtigen und dessen Freiräume, also dessen Privatheit ausübt, die Steuerlasten in einer Gesamtschau des Steuersystems verfassungsrechtlich ausgebreitet wissen1525. Bereits im 2. Leitsatz des Beschlusses öffnet das Gericht den Urteilshorizont für „die verfassungsrechtlichen Schranken der Besteuerung des Vermögens durch Einkommen- und Vermögensteuer“1526. Expressis verbis werden „sonstige Steuerbelastungen“, denen sich ein pflichtiger Bürger typischerweise ausgesetzt sieht, in die Gesamtbeurteilung der streitgegenständlichen Vermögensteuer einbezogen, so dass die verfassungsrechtliche Steuerbegrenzung vor diesen Steuerzugriffen nicht halt machen darf1527: „Die Vermögensteuer darf nur so bemessen werden, dass sie in ihrem Zusammenwirken mit den sonstigen Steuerbelastungen die Substanz des Vermögens, den Vermögensstamm, unberührt lässt und aus den üblicherweise zu erwartenden, möglichen Erträgen (Sollerträge) bezahlt werden kann. Andernfalls führte eine Vermögensbesteuerung im Ergebnis zu einer schrittweisen Konfiskation, die den Steuerpflichtigen dadurch übermäßig belasten und seine Vermögensverhältnisse grundlegend beeinträchtigen würde.“ [vgl. BVerfGE 14, 221 (241); 82, 159 (190); st. Rspr.]

Bei der Vermögensteuer handelt es sich um den steuersystematischen Ergänzungsfall1528, während die steuerliche Teilhabe am Erfolg privaten Wirtschaf-

1523 I. d. S. z. B. P. Bareis, Probleme verfassungsrechtlicher Vorgaben und ihrer Umsetzung am Beispiel der Vermögen- und Erbschaftsteuer, DB 1996, S. 1153. 1524 So thematisiert das Gericht eine verfassungsrechtliche Bewertung des „Hinzutretens“ der Vermögensteuer zu weiteren Steuern, die an dem Maßstab der „Gesamtbelastung“ vorzunehmen ist. Dazu im Folgenden ausführlicher. 1525 Vgl. z. B. G. Rose, Grundsatzüberlegungen zum Vermögensteuer-Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 22. Juni 1995 und zu seinen Auswirkungen aus der Sicht des Steuerpflichtigen, Gutachten für die Arbeitsgemeinschaft Selbständiger Unternehmer e. V. (ASU), Juli 1996, S. 8. 1526 BVerfGE 93, 121 (121, näher 136). 1527 BVerfGE 93, 121 (137).

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tens, in dem „die Besteuerung von Einkommen und Ertrag den privaten Vermögenserwerb und . . . die Besteuerung von Umsatz, Verkehrs- und Verbrauchsvorgängen die private Verwendung von Vermögen“1529 belastet, sich als der verfassungsseitige Grundfall präsentiert. Warum die Verfassungsrichterschaft in ihrer wegweisenden Rechtsprechung Verfassungsschranken ausgerechnet nur für die ausnahmehafte Steuer errichten und die hauptsächlichen Steuerzugriffe von diesen Grenzziehungen exemtieren sollte, lässt sich wohl kaum darstellen. In die Ermittlung der steuerlichen Gesamtbelastung des erzielten und erzielbaren Ertrages, die das Gericht wenigstens „in der Nähe einer hälftigen Teilung zwischen privater und öffentlicher Hand“1530 angesiedelt wissen will, müssen also sämtliche Ertrag- und Sollertragsteuern einfließen1531. Mit Ertrag- oder Sollertragsteuern schöpft der Fiskus einen Teil eines tatsächlichen oder typischerweise zu erwartenden wirtschaftlichen Ergebnisses – Gewinn, Ertrag, Überschuss, Erfolg – ab, das aus einer grundrechtlich geschützten Ertragserzielung resultiert. An eben dieser Ertragserzielung, sei sie nun als berufliche Tätigkeit vom Geltungsbereich des Art. 12 Abs. 1 GG erfasst oder im Sinne einer Eigentumsnutzung durch Art. 14 GG gewährleistet, knüpft die Einkommensteuer als geradezu ,klassische‘ Ertragsteuer an. b) Körperschaftsteuer Während die Einkommensteuer unstrittig integraler Bestandteil der Gesamtsteuerbelastung einer natürlichen Person ist, kann die Körperschaftsteuer in die Steuerbelastung der Ertragserzielung einer Körperschaft oder auch deren Anteilseignern nicht mit der gleichen Selbstverständlichkeit einbezogen werden. Dabei scheitert die Möglichkeit, die Belastungsgrenze der Hälftelung auch bei Körperschaften in Stellung zu bringen, jedenfalls nicht an der Grundrechtsfähigkeit der juristischen Person1532, die Steuersubjekt der Körperschaftsteuer ist1533. 1528 BVerfGE 93, 121 (139 f.). Ergänzend für die Vermögensteuer wie auch die Realsteuern als Steueranknüpfungen an das ruhende Vermögen BVerfGE 13, 331 (348); 43, 1 (7); dazu bereits BVerfGE 7, 244 (252); 14, 76 (91); 16, 306 (317). 1529 BVerfGE 93, 121 (134). 1530 BVerfGE 93, 121 (LS 3). 1531 So deutlich z. B. R. Seer, Der sog. Halbteilungsgrundsatz als verfassungsrechtliche Belastungsobergrenze der Besteuerung, FR 1999, S. 1286 ff.; zwar weniger klar, dafür die Bedeutsamkeit des Halbteilungsgrundsatzes für die Ertragssteuern überzeugend herausarbeitend, vor allem M. Jachmann, Steuergesetzgebung zwischen Gleichheit und wirtschaftlicher Freiheit, S. 51 ff. 1532 Vgl. BVerfGE 61, 78 (108); 66, 116 (130); auch BVerfGE 21, 362 (369 ff.); 35, 263 (271); 39, 302 (314 f.); 45, 63 (78 f.); 61, 82 (110); 62, 354 (369); 68, 163 (206); 70, 1 (15 ff.); 75, 192 (196); 85, 360 (385); grundlegend etwa G. Dürig, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 3, Rn. 33 ff.; dazu K. A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 275 ff. Zur Grundrechtsfähigkeit der juristischen Person bei Art. 14 GG siehe z. B. auch B.-O. Bryde, in: I. von Münch/P. Kunig (Hrsg.),

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Ohne diese Diskussion zu vertiefen, sei doch deutlich darauf hingewiesen, dass gem. Art. 19 Abs. 3 GG Grundrechte auch für inländische juristische Personen grundsätzlich Geltung entfalten1534. Auch die Körperschaftsteuer als Einkommensteuer der grundrechtsfähigen juristischen Person besteuert nach Maßgabe eines Ertrages1535, erfüllt insoweit die Grundvoraussetzung eines ertragsbelastenden Steuerzugriffs in den Möglichkeitsraum privatheitlicher Betätigung. Sowohl das Grundrecht der Eigentumsgewährleistung wie auch das Grundrecht der Berufsfreiheit können durch die Auferlegung öffentlich-rechtlicher Geldleistungspflichten auch bei der juristischen Person tangiert sein; Art. 12 Abs. 1 GG, der auch der juristischen Person die Freiheit zur Ausübung einer Erwerbsbetätigung, eines Gewerbebetriebes einräumt, wird gar als Kernbereich des verfassungsrechtlichen Schutzes unternehmerischer Tätigkeit auch der juristischen Personen verstanden1536. Werden nun die Ergebnisse derart geschützter wirtschaftlicher Aktivitäten durch Fiskalgesetze belastet und so nicht nur die Privatnützigkeit des Eigentums eingeschränkt, sondern die Grundidee der Privatheit, deren Gültigkeit auch für die unternehmerische Wirtschaft insbesondere in der sozialen MarktGrundgesetzkommentar, 4. Aufl., Bd. 1, 1992, Art. 14, Rn. 6; K.-H. Ladeur, in: Reihe Alternativkommentare, Gesamtherausgeber Rudolf Wassermann, Kommentar zum Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Bd. 1, 2. Aufl., 1989, Art. 19 Abs. 3, Rn. 57. 1533 Vgl. hierzu z. B. H.-J. Pezzer, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 11, Rn. 7 ff. (m. zahlr. Hinw.). 1534 Zum Grundrechtsschutz der juristischen Personen aus Art. 14 Abs. 1 i.V. m. Art. 19 Abs. 3 GG vgl. auch BVerfGE 50, 290 (351 ff.); dazu z. B. W. Leisner, Eigentum, in: HStR, Bd. VI, § 149, Rn. 108 ff., 112 ff. 1535 Die Steuer bemisst sich gem. § 7 Abs. 3 KStG nach dem zu versteuernden Einkommen der steuerpflichtigen Körperschaft vor Ausschüttung an die Gesellschafter i. S. d. § 8 Abs. 3 KStG. Hierbei verweist das KStG gem. § 8 Abs. 1 KStG neben den Spezialvorschriften des KStG grundsätzlich auf die Vorschriften des EStG; das KStG folgt also im Grunde dem Einkommensbegriff des EStG, wie z. B. H.-J. Pezzer, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 11, Rn. 20 f., zutreffend bemerkt. 1536 Vgl. BVerfGE 97, 228 (253; „Grundrecht [des Art. 12; Erg. d. Verf.] gemäß Art. 19 Abs. 3 GG auch auf juristische Personen des Privatrechts anwendbar“); dazu auch BVerfGE 21, 261 (266); 22, 380 (383); 30, 292 (312); 32, 311 (317); 46, 120 (137 f.); 50, 290 (362 ff.); 53, 280 (363); 65, 196 (209 ff.); 74, 129 (148 f.); 95, 173 (181). So auch die herrschende Meinung, vgl. etwa R. Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 12, Rn. 6, 115, 130, 135 ff.; auch R. Breuer, Freiheit des Berufs, in: HStR, Bd. VI, § 147, Rn. 61; H.-J. Papier, Grundgesetz und Wirtschaftsordnung, in: HVerfR, S. 814 ff., 832 ff.; ders., Unternehmen und Unternehmensfreiheit in der verfassungsrechtlichen Ordnung der Wirtschaft, VVDStRL 35 (1977), S. 29 ff.; ähnlich wohl noch K. A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 353 ff.; kritischer ders., Fallstudie Produktwarnung der Bundesregierung (Glykol-Skandal), S. 115 ff., 120 ff.; deutlich ders. (unter Mitarbeit von P. Wollenschläger), Fallstudie Umweltschutz (FCKW-Verbot), S. 336 ff. („Nur ein Mensch kann einen Beruf haben, nicht eine juristische Person, . . .“; Zitat S. 336); gegen Art. 12 GG als „Unternehmensgrundrecht“ der juristischen Person auch ders./A. Emmerich-Fritsche, Fallstudie zur Gewerbeuntersagung, S. 17.

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wirtschaft reklamiert werden kann, nachdrücklich verletzt1537, müssen diese gesetzlichen Regelungen zur Besteuerung der Körperschaft ebenfalls dem Halbteilungsgebot genügen1538. Auch wenn das Körperschaftsteuerrecht de jure nur auf die juristische Rechtspersönlichkeit des Unternehmens abstellt, können von der Besteuerung einer Körperschaft nicht nur die Körperschaft selbst, sondern auch deren Anteilseigner betroffen sein; wird nämlich ein Gewinn zunächst bei der Körperschaft mit Körperschaftsteuer belastet und bei einem Anteilseigner im Zuge der Ausschüttung nochmals der Einkommensteuer unterworfen, hat dies eine steuerliche Doppelbelastung zur Folge. Bei der Ermittlung der gesamten Steuerlast für den Erträge erzielenden, halbteilungsberechtigten Steuerpflichtigen ist dem Rechnung zu tragen1539. In der Vergangenheit versuchte die Steuergesetzgebung dieser Problematik durch das sogenannte Anrechnungsverfahren zu begegnen. Bezüglich des ausgeschütteten Gewinns kam der Besteuerung nur vorläufiger Charakter zu, da nach dem damaligen Vollanrechnungsverfahren die von der Körperschaft gezahlte Körperschaftsteuer im Ausschüttungsfall auf die Einkommensteuer der Anteilseigner üblicherweise voll zur Anrechnung gelangte. Nach rechtlichem Verständnis handelte es sich um eine Steuer der Gesellschaft, wirtschaftlich wurde damit eine Vorauszahlung auf die Steuer des Gesellschafters geleistet. Damit wurden alle ausgeschütteten Ergebnisse bei dem Anteilseigner nach Maßgabe dessen individueller Einkommensteuer zur Besteuerung herangezogen, soweit dieser im Inland unbeschränkt steuerpflichtig war. Im Ergebnis unterlag der Körperschaftsteuer damit nur noch der nicht ausgeschüttete, thesaurierte Gewinn mit einem Steuersatz von zuletzt 40%1540; also führte lediglich die Körperschaftsteuer auf thesaurierte Gewinne zu einer echten steuerlichen Belastung der ertragserzielenden Körperschaft. Unterschied man für die Körperschaftsteuer zwischen einer 1537

Siehe umfassend 2. Kap., V., 2., 3. Deutlich für eine Anwendung des Halbteilungsprinzips für Körperschaften z. B. K. Tipke, Über die Grenzen der Vermögensteuer. Zugleich Besprechung des BVerfGBeschlusses vom 22.6.1995, GmbHR 1996, S. 13: „M. E. müsste das 50:50-Prinzip auch für Körperschaften gelten.“; ähnlich eindeutig wohl auch H.-W. Arndt, Konsequenzen für den Gesetzgeber aus den Beschlüssen des Bundesverfassungsgerichts vom 22.6.1995 zur Vermögen- und Erbschaftsteuer, BB 1996, Beilage 7, S. 6: „Ein Argument, welches gegen die Einbeziehung der Körperschaftsteuer spricht, ist nicht ersichtlich.“ Im Folgenden soll übrigens das Problem etwaiger überwälzter Steuern auf Ebene der Körperschaft vernachlässigt und die Diskussion auf die Körperschaftsteuer als Ertragsteuer der juristischen Person fokussiert werden. 1539 J. Pezzer, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 11, Rn. 6, will die „Belastungswirkung beim Anteilseigner“ ermittelt wissen. 1540 Der Körperschaftsteuersatz im Thesaurierungsfall entwickelte sich wie folgt: 1977 (Einführung des Anrechnungsverfahrens): 56 v. H.; ab 1990: 50 v. H.; ab 1994: 45 v. H.; 1999/2000: 40 v. H. Ab 2001 wurde das so genannte Halbeinkünfteverfahren eingeführt. 1538

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Steuerbelastung bei der Körperschaft und bei dem Anteilseigner, präsentierte sich der Körperschaftsteuerzugriff auf die einbehaltenen Unternehmensgewinne als Bestandteil einer steuerlichen Gesamtbelastung der Kapitalgesellschaft, während die steuerliche Belastung ausgeschütteter Erträge die Gesamtbelastung des Anteilseigners erhöhte; je nach Betrachtungsobjekt einer Halbteilungsuntersuchung waren die jeweiligen Steuerlasten zuzuordnen. Eine zwischen Kapitalgesellschaft und Gesellschafter differenzierende Betrachtungsweise erscheint erst recht nach Abschaffung des körperschaftsteuerlichen Anrechnungsverfahrens angezeigt1541, impliziert die strikte Trennung von Gesellschafts- und Gesellschafterebene doch grundsätzlich eine Doppelbesteuerung1542. Um Doppelbelastungen abzumildern wurde ab 2001 in Deutschland das sogenannte Halbeinkünfteverfahren eingeführt, bei dem der Gewinn von Körperschaften einheitlich, also unabhängig vom Ausschüttungs- oder Thesaurierungsfall, mit einem Körperschaftsteuersatz von 25 Prozent besteuert wird1543. Die hieraus resultierende Doppelbelastung für ausgeschüttete Gewinne wird im Einkommensteuerrecht pauschal berücksichtigt, indem der Ausschüttungsempfänger seine Gewinnanteile aus einer Beteiligung lediglich zur Hälfte als Einnahmen aus Kapitalvermögen anzusetzen hat1544. Ohne auf die Belastungsunterschiede zwischen Anrechnungsverfahren und Halbeinkünfteverfahren an dieser Stelle näher einzugehen, lässt sich als Tendenz doch festhalten, dass Ausschüttungen nach altem und neuem Recht insgesamt gleich hoch belastet sind, wenn der Grenzsteuersatz des Gesellschafters ca. 40% beträgt; Anteilseigner mit höheren Grenzsteuersätzen werden durch das Halbeinkünfteverfahren gegenüber dem alten Recht begünstigt, Anteilseigner mit niedrigeren Steuersätzen hingegen benachteiligt1545. Für die Überlegungen zum Geltungsbereich des Halbteilungsprinzips bedeutet das, dass in die ertragsteuerliche Belastung der juristischen Person in jedem Fall die Körperschaftsteuerlast in Höhe von 25% des steuerpflichtigen Ergebnisses einzufließen hat1546. Allerdings weist eine solche Ertragsteuerbelastung einen so 1541

Sinngemäß H.-J. Pezzer, in: Tipke/Lang, § 11, Rn. 4. Steuersystematisch etwa J. Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 8, Rn. 82 (m.w. N. in Fn. 68 f.). 1543 Für einen kurzen Überblick z. B. F. Roser, in: D. Gosch (Hrsg.), Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, 2005, § 23, Rn. 1 ff.; G. Frotscher, in: G. Frotscher/E. Maas (Hrsg.), Körperschaftsteuergesetz, Umwandlungssteuergesetz, Kommentar, 2004, § 23, Rn. 1 ff., 4 f. 1544 §§ 20, 3 Nr. 40 lit. d–i EStG; dazu z. B. H.-J. v. Beckerath, in: P. Kirchhof (Hrsg.), Einkommensteuergesetz, KompaktKommentar, 2. Aufl., 2002, § 3, Rn. 112 ff.; ders., in: Kirchhof, EStG, § 20, Rn. 41 ff.; auch A. Nacke/J. Intemann, in: C. Herrmann/G. Heuer/A. Raupach (Hrsg.), Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, 2004, § 3 Nr. 40, Rn. 1 ff. 1545 Vgl. etwa H.-J. Pezzer, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 11, Rn. 6; auch H.-J. v. Beckerath, in: Kirchhof, EStG, § 20, Rn. 41. 1542

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deutlichen Sicherheitsabstand zu einer auch nur näherungsweisen Hälftelung auf, dass – wenigstens bei isolierter Betrachtung – eine Verletzung des Halbteilungsgebotes auf Ebene der Körperschaft nicht zu befürchten steht. Die Steuerbelastung des Ertrages auf Gesellschafterebene, übrigens steuersystematisch äußerst kritisch zu beurteilen1547, tritt nach den Vorgaben des Halbeinkünfteverfahrens als einkommenssteuerliche Größe zutage, lässt sich insoweit nicht dem Betrachtungsobjekt Körperschaft zurechnen. Sofern eine Kapitalgesellschaft und deren Gesellschafter in einem engen Zusammenhang, quasi als wirtschaftliche Einheit, zu betrachten sind, mag eine Kumulation der Steuerbelastungen auf Gesellschafts- und Gesellschafterebene die Gesamtsteuerlast auf die Ertragserzielung dieser Unternehmenseinheit am ehesten widerspiegeln. Doch auch in diesem Fall wäre der wirtschaftliche Belastungseffekt der Ertragbesteuerung im Ergebnis wohl dem Gesellschafter zuzuordnen, so dass nicht die Körperschaftsteuer der juristischen Person, sondern üblicherweise die Einkommensteuer der natürlichen Person, also des Unternehmers, den Maßstäben des steuerverfassungsrechtlichen Halbteilungsprinzips zu genügen hätte; in diesem Fall ist allerdings zu diskutieren, ob nicht – mit besonderem Blick auf eine anzustrebende Rechtsformneutralität der Besteuerung1548 – die aus der Ausschüttung resultie1546 Zur Belastungswirkung der Körperschaftsteuer vgl. etwa G. Frotscher, in: Frotscher/Maas, KStG, § 23, Rn. 6 ff. 1547 Deutlich P. Bareis, Das Halbeinkünfteverfahren im Systemvergleich, StuW 2000, S. 135 f. („Systemfehler“); dazu, allerdings weniger kritisch z. B. D. Birk, Steuerrecht, 4. Aufl., 2001, § 7, Rn. 1110, 1113; für die verfassungsrechtliche Bedenklichkeit des Halbeinkünfteverfahrens z. B. J. Hey, Besteuerung von Unternehmensgewinnen und Rechtsformneutralität, DStJG 24 (2001), S. 197 f. 1548 Die Rechtsformneutralität der Besteuerung wird, wie J. Lang, in: Tipke/Lang, § 8, Rn. 82, zutreffend hinweist, „seit dem 33. Juristentag im Jahre 1924 ergebnislos diskutiert“; dazu direkt J. Hey, in: C. Herrmann/G. Heuer/A. Raupach (Hrsg.), Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, 2004, Einf. KStG, Rn. 183 ff. Exemplarisch sei auf folgende Beiträge (in der Reihenfolge der Veröffentlichung) verwiesen: J. Lang, Reform der Unternehmensbesteuerung auf dem Weg zum europäischen Binnenmarkt und zur deutschen Einheit, StuW 1990, S. 107 ff., insb. S. 115; W. Reiß, Rechtsformabhängigkeit der Unternehmensbesteuerung, DStJG 17 (1994), S. 3 ff.; J. Hey, Harmonisierung der Unternehmensbesteuerung in Europa, 1997, S. 126 ff.; W. Reiß, Kritische Anmerkungen zu den Brühler Empfehlungen zur Reform der Unternehmensbesteuerung, DStR 1999, S. 2012 f.; D. Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip in der Unternehmenssteuerreform, StuW 2000, S. 333; M. Jachmann, Besteuerung von Unternehmen als Gleichheitsproblem, DStJG 23 (2000), S. 41 ff.; dies., Steuergesetzgebung zwischen Gleichheit und wirtschaftlicher Freiheit, 2000, S. 60 ff.; J. Lang, Die Unternehmenssteuerreform – Eine Reform pro GmbH, GmbHR 2000, S. 459; J. Hey, Besteuerung von Unternehmensgewinnen und Rechtsformneutralität, DStJG 24 (2001), S. 155 ff. Steuersystematisch hat das Halbeinkünfteverfahren die Belastungskluft zwischen Kapital- und Personengesellschaften insbesondere im Thesaurierungs- oder Nichtentnahmefall noch vertieft, wie z. B. J. Lang, Prinzipien und Systeme der Besteuerung von Einkommen, DStJG 24 (2001), S. 101 ff.; J. Hey, Besteuerung von Unternehmensgewinnen und Rechtsformneutralität, DStJG 24 (2001), S. 181 ff., 187 ff.; H.-J. Pezzer, Kritik des Halbeinkünfteverfahrens, StuW 2000, S. 147 f.; oder W. Schön, Zum Entwurf eines Steuersenkungsgesetzes, StuW 2000,

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rende Einkommensteuerverpflichtung des Gesellschafters um die Körperschaftsteuerlast der Gesellschaft zu erhöhen wäre, um ein realistisches Belastungsbild als Basis einer Halbteilungsbeurteilung zu erhalten. c) Gewerbesteuer Aus der Diskussion um die halbteilungsrelevanten Steuern darf die Gewerbesteuer, deren grundsätzliche Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz immer wieder auf dem Prüfstand des Verfassungsgerichts stand1549, nicht ausgeblendet werden. Die Gewerbesteuer1550 ist als Objektsteuer1551 konzipiert, die die persönlichen Verhältnisse des Steuerpflichtigen, sei er natürliche oder juristische Person, vernachlässigt1552 und an das Besteuerungsobjekt Gewerbebetrieb anS. 152, darlegen. A. A. z. B. W. Reiß, Kritische Anmerkungen zu den Brühler Empfehlungen zur Reform der Unternehmensbesteuerung, DStR 1999, 2012 f.; ebenso D. Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip in der Unternehmenssteuerreform, StuW 2000, S. 333; systematisch zum Thema z. B. auch P. Bareis, Das Halbeinkünfteverfahren im Systemvergleich, StuW 2000, S. 133 ff. 1549 Vgl. z. B. BVerfGE 13, 331 (345); 13, 290 (297); 21, 54 (61 f.); siehe außerdem BVerfGE 42, 374 (384); 46, 224 ff. C. Flämig, Die Ausgestaltung der Gewerbesteuer als verfassungsrechtliches Problem, DStJG 12 (1989), S. 34, attestiert dem Bundesverfassungsgericht in dieser Frage eine „tibetanische Gebetsformel“, zu finden in dem Beschluss v. 13.5.1969, BStBl. 1969 II, S. 424 = StRK, GewStG, § 8, Ziff. 1, R. 62: „Das Bundesverfassungsgericht hat in ständiger Rechtsprechung die Verfassungsmäßigkeit der Gewerbesteuer als solche bejaht (BVerfGE 21, 54 I 63). Daran wird festgehalten“. Kritisch zur Verfassungsmäßigkeit der Gewerbesteuer, insb. im Hinblick auf ihre Entwicklung zu einer „Sonderertragsteuer für Gewerbebetriebe“ H. Montag, in: K. Tipke/J. Lang (Hrsg.), Steuerrecht, 17. Aufl., 2002, § 12, Rn. 1; z. B. auch M. Jachmann, Steuergesetzgebung zwischen Gleichheit und wirtschaftlicher Freiheit, S. 111 ff.; dies., Ansätze zu einer gleichheitsrechtlichen Ersetzung der Gewerbesteuer, BB 2000, S. 1432 ff., insb. S. 1434 („verfassungsrechtliche Rechtfertigung der Gewerbesteuer als zusätzlicher Ertragssteuer“); D. Gosch, Einige aktuelle und zugleich grundsätzliche Bemerkungen zur Gewerbesteuer, DStZ 1998, S. 327 ff.; R. Seer, Gewerbesteuer im Visier des Verfassungsrechts – Anmerkungen zu dem Vorlagebeschluß, FR 1998, S. 1022; R. Wendt, Zur Vereinbarkeit der Gewerbesteuer mit dem Gleichheitssatz und dem Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit, BB 1987, S. 1257 ff., insb. S. 1265. 1550 Einen umfassenden Überblick über die Gewerbesteuer bieten z. B. H. Montag, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 12, Rn. 1 ff.; G. Güroff, in: P. Glanegger/G. Güroff (Hrsg.), Gewerbesteuergesetz, Kommentar, 5. Aufl., 2002, § 1, Rn. 1 ff., 18 ff. (jew. m.w. N.); H.-W. Stäuber/V. Sarrazin, in: E. Lenski/W. Steinberg (Hrsg.), Gewerbesteuergesetz, Kommentar, 2004, Einleitung, S. 1 ff.; V. Sarrazin, in: E. Lenski/W. Steinberg (Hrsg.), Gewerbesteuergesetz, Kommentar, 2004, § 1, Rn. 1 ff. 1551 Allerdings muss das Objektsteuerprinzip nicht unbedingt durchgängig und uneingeschränkt realisiert werden; vgl. BVerfGE 13, 331 (345); 25, 28 (38); 26, 1(8); 46, 224 (237); dazu z. B. G. Güroff, in: Glanegger/Güroff, GewStG, § 1, Rn. 14 („Objektsteuercharakter“ verhindert „nicht eine Einbeziehung personaler Elemente“). 1552 So übrigens auch § 3 Abs. 2 AO. Konsequenterweise werden daher auch Rechtsbeziehungen zwischen Betrieb und beteiligten Personen im Grundsatz vernachlässigt. Vgl. z. B. BVerfGE 25, 28 (38); 46, 224 (237).

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knüpft1553. Ihrem Charakter als Objektsteuer entsprechend besteuert sie anhand objektiver Merkmale die objektive Wirtschaftskraft, die Ertragsfähigkeit eines Unternehmens1554. Steuersubjekt und Steuerschuldner der Gewerbesteuer ist allerdings der Unternehmer1555, also bei Einzelunternehmen die natürliche Person, bei Kapitalgesellschaften die juristische Person; im Falle gewerblich tätiger Personengesellschaften sind die Gesellschafter Unternehmer, nicht etwa die Gesellschaft1556. Ihre historische Rechtfertigung1557 hat die Gewerbesteuer durch das so genannte Äquivalenzprinzip erfahren1558, dem folgend sie den Gemeinden die durch Gewerbebetriebe unmittelbar oder mittelbar verursachten Lasten ausgleichen sollte1559. Ertrag, Kapital und Lohnsumme des Gewerbebetriebes wurden als der Besteuerung zugrunde zu legende Strukturdeterminanten konzipiert, um nicht nur mittels einer Erfassung der objektivierten Ertragskraft des Besteuerungsobjektes, also des Gewerbebetriebes, die Gleichmäßigkeit der Besteuerung zu erhöhen, sondern auch das Steueraufkommen weitest möglich von konjunkturellen Schwankungen zu lösen. In der Vergangenheit besteuerte die Gewerbesteuer nach zwei Bemessungsfaktoren: Gewerbeertrag und Gewerbekapital. Während mit dem Gewerbeertrag ein Ist-Ertrag der Besteuerung unterworfen wurde, handelte es sich bei der Steuer auf das Gewerbekapital konzeptionell um eine Soll-Ertragsteuer, der Sache nach um eine Steuer auf die Substanz eines Gewerbebetriebes1560. Mit der Einführung der Gewerbesteuerumlage1561, dem Wegfall der Lohnsumme als Be1553 Umfassend zum Gewerbebegriff, auch im Kontext der Gewerbesteuer, K. A. Schachtschneider, Steuerverfassungsrechtliche Probleme der Betriebsaufspaltung und der verdeckten Gewinnausschüttung, S. 31 ff. 1554 So z. B. P. Kirchhof, Staatliche Einnahmen, in: HStR, Bd. VI, Rn. 147. 1555 Vgl. § 5 Abs. 1 S.1, 2 GewStG. 1556 Dazu grundlegend BFH GrS, BStBl. 1993, 616. 1557 Zur Begründung der Gewerbesteuer siehe Begründung zum Gewerbesteuergesetz 1936, RStBl. 1937, 693 (696); BT-Drucks., IV/3418, 51; BVerfGE 19, 101 (112); 21, 54 (65 ff.); 26, 1 (11); 13, 331 (348); siehe auch K. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. II, § 17; H. Zitzelsberger, Grundlagen der Gewerbesteuer, 1990, S. 146 ff. Die Begründung der Gewerbesteuer aufgreifend und detailliert, auch kritisch beleuchtend C. Flämig, Die Ausgestaltung der Gewerbesteuer als verfassungsrechtliches Problem, DStJG 12 (1989), S. 33 ff. 1558 C. Flämig, Die Ausgestaltung der Gewerbesteuer als verfassungsrechtliches Problem, DStJG 12 (1989), weist auf S. 38 f. völlig zutreffend darauf hin, dass das gewerbesteuerliche Äquivalenzprinzip mit dem gebühren- und beitragsrechtlichen Äquivalenzprinzip nicht identisch ist. Zu den Konsequenzen für die hier verfolgte Argumentationslinie siehe ausführlicher im Folgenden. 1559 Gem. Art. 106 Abs. 6 GG steht das Aufkommen der Realsteuern, zu denen die Gewerbesteuer zählt, den Gemeinden zu. 1560 Dazu im Kontext der Halbteilungsdiskussion z. B. O. Geißler, Der Unternehmer im Dienste des Steuerstaats, S. 162; tiefergehend z. B. D. Gosch, Einige aktuelle und zugleich grundsätzliche Bemerkungen zur Gewerbesteuer, DStZ 1998, S. 327 1561 Hier wurden Bund und Länder am Gewerbesteueraufkommen beteiligt. Zur Einführung der Gewerbesteuerumlage vgl. Art. 106 Abs. 5, 6 GG i. d. F. 12.5.1969,

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steuerungsgrundlage1562 und der Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer1563 sowie der als Ausgleich für zu erwartende Steueraufkommensverluste eingeführten Beteiligung der Gemeinden am Umsatzsteueraufkommen1564 wurde die Gewerbesteuer schrittweise von ihrer dualen Äquivalenzbasis gelöst. Spätestens mit der Einführung zusätzlicher Freibeträge sowie des Staffeltarifs des § 11 GewStG dürfte die Gewerbesteuer – steuertechnisch immer noch eine Objektsteuer1565 – im Ergebnis zu einer reinen Ertragsteuer degeneriert sein1566. Die Gewerbeertragsteuer als verbleibende Komponente der Gewerbesteuer bemisst sich ausschließlich nach dem Gewerbeertrag, also nach dem marktabhängigen Vermögenszufluss im Sinne eines durch Hinzurechnungen1567 und Kürzungen1568 versuchsweise objektivierten Ist-Ertrages1569. Die heutige Ge-

BGBl. I 1969, 359, und das Gemeindefinanzreformgesetz v. 8.9.1969, BGBl. I 1969, 1587. Zur damit logisch erfolgten, weiteren Relativierung des Äquivalenzprinzips BVerfGE 46, 224 (236 f.). 1562 Vgl. Steueränderungsgesetz 1979, BGBl. I 1978, 1849. 1563 Vgl. Art. 4 des Gesetzes zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform v. 29.10.1997, BGBl. I 1997, 2590. 1564 Vgl. § 5, 5a–5b Gesetz zur Neuordnung der Gemeindefinanzen (Gemeindefinanzreformgesetz) i. d. F. v. 6.2.1995, BGBl. 1995 I, 189, zuletzt geändert durch das Steuersenkungsgesetz v. 23.10.2000, BGBl. 2000 I, 1433; Gesetz über den Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern (Finanzausgleichsgesetz – FAG) v. 23.6.1993, BGBl. 1993 I, 944, 977, zuletzt geändert durch das Gesetz zur Änderung des Gesetzes über den Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern v. 21.12.2000, BGBl. 2000 I, 1917. 1565 Für den Objektsteuercharakter der Gewerbesteuer trotz der Ertragsbesteuerung vgl. BVerfGE 21, 54 (64); ausführlicher dazu siehe unten. 1566 Vgl. z. B. D. Gosch, Aktuelle und zugleich grundsätzliche Bemerkungen zur Gewerbesteuer, DStZ 1998, S. 328; ders., Anmerkung zu BFH, Urteil vom 15.10.1997 I R 19/97, StBp 1998, 307; R. Seer, Der sog. Halbteilungsgrundsatz als verfassungsrechtliche Belastungsobergrenze der Besteuerung FR 1999, S. 1287; ders., Verfassungsrechtliche Grenzen der Gesamtbelastung von Unternehmen, DStJG 23 (2000), S. 111; grundlegend auch H. Montag, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 12, Rn. 1; den Ertragsteuercharakter der Gewerbesteuer in der Halbteilungsdiskussion aktuell hervorhebend O. Geißler, Der Unternehmer im Dienste des Steuerstaats, S. 162 f.; für die Gewerbesteuer neuerer Prägung als Ertragsteuer auch BVerfGE 40, 109 (118). 1567 Zu den Hinzurechnungen siehe die Vorschrift des § 8 GewStG sowie ausführlicher z. B. G. Güroff, in: Glanegger/Güroff, GewStG, § 8, Rn. 1 ff.; H.-W. Stäuber/V. Sarrazin, in: Lenski/Steinberg, GewStG, § 8, Rn. 1 ff. 1568 Zu den Kürzungen siehe die Vorschrift des § 9 GewStG sowie ausführlicher z. B. G. Güroff, in: Glanegger/Güroff, GewStG, § 9; H.-W. Stäuber/V. Sarrazin, in: Lenski/Steinberg, GewStG, § 9, Rn. 1 ff. 1569 Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer ist der Gewerbesteuermeßbetrag gem. § 14 GewStG, der sich durch Anwendung eines Hundertsatzes, der sog. Steuermeßzahl, auf den abgerundeten und um Freibeträge gekürzten, durch Hinzurechnungen und Kürzungen entsprechend modifizierten Gewerbeertrag ergibt, Besteuerungsgrundlage der Gewerbesteuer i. S. d. § 6 GewStG ist der periodisch ermittelte Gewerbeertrag. Die Festsetzung der Gewerbesteuer erfolgt durch die jeweilige Gemeinde, die mit dem Hebesatz, der sich an dem Steuerbedarf der Gemeinde orientiert, die tatsäch-

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werbesteuer setzt an einer direkt ertragsabbildenden Bemessungsgrundlage an und zählt damit zu den Steuern, die in der Phase des Einkommenserwerbs auf die sozialpflichtige Zahlungsfähigkeit des Einzelnen zugreifen1570. Mit ihrem Fiskalzugriff in dieser Phase des Einkommenserwerbs schmälert sie unmittelbar den Ertrag des Steuerpflichtigen, also in der Regel die Resultate seiner wirtschaftlichen Betätigung, seines Eigentumsgebrauches1571. Da sie in gleicher Weise wie die Einkommensteuer und die Körperschaftsteuer auf die Ergebnisse wirtschaftlicher Betätigung zugreift1572, in ihrer Belastungswirkung diese schmälert und insoweit das privatheitliche Wirtschaften einschränkt1573, besteht keine Veranlassung, die Gewerbesteuer – noch dazu in ihrer jetzigen Ausgestaltung – nicht in den Kreis der privatheitsbelastenden Steuern aufzunehmen1574, an die der Maßstab des Halbteilungsgebotes anzulegen ist1575. liche finanzerhebliche Gewerbesteuerlast des Steuerpflichtigen entscheidend beeinflusst. 1570 So die herrschende Meinung widerspiegelnd P. Kirchhof, Staatliche Einnahmen, in: HStR, Bd. IV, § 88, Rn. 144, 147. 1571 Ausführlicher zur Steuerbelastung der Ertragserzielung durch die Gewerbesteuer M. Jachmann, Ansätze zu einer gleichheitsrechtlichen Ersetzung der Gewerbesteuer, BB 2000, S. 1432 ff. 1572 Siehe O. Geißler, Der Unternehmer im Dienste des Steuerstaates, S. 162 f. 1573 Sinngemäß etwa auch D. Birk, Steuerrecht I, Allgemeines Steuerrecht, 1994, § 2, Rn. 83; P. Glanegger, in: Glanegger/Güroff, GewStG, § 5, Rn. 1. 1574 Immerhin thematisiert das Verfassungsgericht in BVerfGE 93, 121 (LS 3) eine Begrenzung der „übrigen Steuern“ auf den Ertrag – wie bereits gezeigt, muss die Gewerbesteuer nach heutigem Verständnis wenigstens faktisch als Ertragsteuer gewertet werden, so dass zwingend die für die Ertragsteuern zutreffenden Grenzlinien der hälftigen Teilung greifen müssen. 1575 Für eine Einbeziehung der Gewerbesteuer in den Kreis der Halbteilungssteuern deutlich z. B. W. Arndt, Konsequenzen für den Gesetzgeber aus den Beschlüssen des Bundesverfassungsgerichts vom 22.6.1995 zur Vermögen- und Erbschaftsteuer, BB 1996, Beilage 7, S. 6 („. . . unstrittig . . .“); W. Bornheim, „Halbteilungsgrundsatz“ und Steuerhinterziehung, StuW 1998, S. 148; G. Felix, Konsequenzen aus den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zur Vermögens- und Erbschaftsbesteuerung, BB 1995, 2244; ders., Zur steuerlich gemäßigten Belastungsobergrenze – Steine statt Brot vom BVerfG?, NJW 1996, S. 703; M. Fleischmann, Ist die derzeitige Steuerbelastung noch mit dem „Halbteilungsgrundsatz“ vereinbar?, DB 1998, S. 1485; D. Gosch, Anmerkung zu BFH, Urteil v. 15.10.1997 I R 19/97, StBp 1998, S. 305; M. Jachmann, Steuergesetzgebung zwischen Gleichheit und wirtschaftlicher Freiheit, S. 51; R. Seer, Der sog. Halbteilungsgrundsatz als verfassungsrechtliche Belastungsobergrenze der Besteuerung, FR 1999, S. 1287; ders., Verfassungsrechtliche Grenzen der Gesamtbelastung von Unternehmen, DStJG 23 (2000), S. 110; K. A. Schachtschneider, Steuerverfassungsrechtliche Probleme der Betriebsaufspaltung und der verdeckten Gewinnausschüttung, S. 51 ff., 57 ff.; H.-P. Schneider, Der Halbteilungsgrundsatz – Folgerungen für die Praxis, Stbg 1997, S. 199; K. Tipke, Über die Grenzen der Vermögensteuer. Zugleich Besprechung des BVerfG-Beschlusses vom 22.6.1995, GmbHR 1996, S. 13; F. Wagner/M. Hör, Das Verhältnis der gegenwärtigen effektiven Steuerbelastung zur Steuerbelastungsobergrenze des Bundesverfassungsgerichts, DB 1996, S. 587 f.; G. Rose, Der Steuer-Plafondierungsbefehl des Bundesverfassungsgerichts und seine Durchsetzung, DB 1997, S. 496; ders., Überlegungen zur Realisierung

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Der Belastungseffekt der Gewerbeertragsteuer lässt sich nicht mit dem Begründungsversuch eliminieren, die Gewerbesteuer fungiere als Äquivalent, als Ausgleich, für Lasten, die ein Gewerbebetrieb unmittelbar oder mittelbar in einer Gemeinde verursacht hat, und stelle damit nicht allein eine den Steuerpflichtigen belastende Steuer auf den Ertrag dar, sondern könne tatsächlich auch als Beitrag oder Abgabe für infrastrukturelle Leistungen einer Kommune gewertet werden1576. Schließlich ist das Rechtfertigungspotential des Äquivalenzprinzips für die Gewerbesteuer umstritten1577, zumal sich eine durchgängige Kausalbeziehung zwischen den von ansässigen Gewerbebetrieben hervorgerufenen Lasten und den von der jeweiligen Gemeinde hierfür zu reklamierenden Steuerleistungen nur schwierig und „diffus“1578 herstellen ließe1579, so dass eindeutig der belastende, nicht der abgeltende Charakter der Gewerbesteuer in den Vordergrund treten muss1580. Dass das Belastungsergebnis entscheidend durch den kommunalen Gewerbesteuerhebesatz determiniert wird1581 und das Steueraufkommen der Gewerbesteuer nicht dem Bund als oberste Einheit des Finanzstaates, sondern den Kommunen zufließt, ändert nichts an der Tatsache, dass der fiskalische Staat mit des Halbteilungsgrundsatzes, StuW 1999, S. 18; M. Wosnitza, Konsequenzen der BVerfG-Beschlüsse vom 22.6.1995 für die Diskussion um die Reform der Gewerbeertragsteuer, BB 1996, S. 1465. A. A. interessanterweise BFH, BStBl II 1991, S. 771 (772). 1576 So deutlich M. Jachmann, Steuergesetzgebung zwischen Gleichheit und wirtschaftlicher Freiheit, S. 114 ff., die eine äquivalenztheoretische Rechtfertigung der Gewerbesteuer nicht nur allgemein, sondern auch im Kontext der Halbteilungsdiskussion ablehnt. 1577 Stv. R. Wendt, Zur Vereinbarkeit der Gewerbesteuer mit dem Gleichheitssatz und dem Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit, BB 1987, S. 1262 (m. zahlr. Hinw.). 1578 C. Flämig, Die Ausgestaltung der Gewerbesteuer als verfassungsrechtliches Problem, DStJG 12 (1989), S. 38. 1579 BVerfG, DB 1978, 190. 1580 Für die These einer endgültigen, nicht durch unmittelbares Gegenleisten der öffentlichen Hand aufgewogenen Belastung spricht auch die Tatsache, dass der Steuergesetzgeber in der Gesamtschau der Steuerverpflichtungen den Steuerpflichtigen, die durch Gewerbesteuer „effektiv“ belastet sind, zur (Teil-)Kompensation der Mehrbelastungen einkommensteuerliche Vergünstigungen in Form von niedrigeren Steuersätzen gewährt; würde der Steuergesetzgeber keine (zusätzlichen) Steuerbelastungen von der Gewerbesteuer unterworfenen Steuerpflichtigen annehmen, hätte er sich nur einer derartigen steuergesetzlichen Regelung veranlasst gesehen. 1581 Bundesweit sind signifikante Unterschiede in den Hebesätzen festzustellen, die sich von 0 v. H. für die Gemeinde Norderfriedrichskoog in Schleswig-Holstein bis zu 500 v. H. für Frankfurt a. M. bewegen. Trotzdem erachtet das Bundesverfassungsgericht, offensichtlich in Anlehnung an die originäre Rechtfertigung der Gewerbesteuer mit dem Äquivalenzprinzip, eine Gleichmäßigkeit der Gewerbebesteuerung in unterschiedlichen Gemeinden nicht als verfassungsrechtlich zwingend erforderlich. So BVerfGE 21, 54 (68 f.); i. d. S. auch BVerfGE 10, 354 (371); 12, 139 (143); 12, 319 (324).

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dem Gewerbesteuerzugriff die Privatnützigkeit des Unternehmereigentums beschneidet und – ohne eine gegebenenfalls gesteigerte soziale Verantwortung des Unternehmers in Abrede stellen zu wollen1582 – in letzter Konsequenz die unternehmerische Privatheit nachdrücklich beeinträchtigt1583; für die Ermittlung des Bemessungsvolumens der Halbteilungsvorgabe muss die Steuer auf den Gewerbeertrag, nach heutigem Gesetzesstand eben die Gewerbesteuer, also zwingend berücksichtigt werden1584. Da das Halbteilungsprinzip auf die Gesamtsteuerbelastung des pflichtigen Unternehmerbürgers im Sinne einer kumulierten Steuerlast abstellt, muss bei deren Quantifizierung der inneren Verschränkung von Gewerbesteuer- und Einkommensteuerrecht Rechnung getragen werden. So sieht der Gesetzgeber in § 35 EStG eine pauschale Anrechnung der Gewerbesteuerbelastung auf die Einkommensteuer vor1585, um eine in puncto grundgesetzlicher Gleichheit zumindest fragwürdige Doppelbelastung des Steuerpflichtigen mit Einkommen- und Gewerbesteuer und eine eklatante Ungleichbehandlung von Kapital- und Personengesellschaften wenigstens partiell zu

1582 Zur sozialen Verantwortung des Unternehmers vgl. auch, übrigens mit deutlicher Nähe zur Lehre der Republik, den Überblick bei H. Steinmann/A. Löhr, Grundlagen der Unternehmensethik, 1994, S. 121 f. (Schaubild S. 122), ansonsten S. 94 ff., insb. S. 114 ff. 1583 Sinngemäß z. B. M. Jachmann, Steuergesetzgebung zwischen Gleichheit und wirtschaftlicher Freiheit, S. 51 f.; auch dies., Verfassungsrechtliche Grenzen der Besteuerung, S. 39 f.; ähnlich H.-J. Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 14, Rn. 169. 1584 Vgl. die Hinweise in Fn. 1575. 1585 Gem. § 35 Abs. 1 EStG ermäßigt sich die Einkommensteuer abzüglich der anderen Steuerermäßigungen mit Ausnahme der §§ 34f, 34g EStG um das 1,8-fache des Gewerbesteuermeßbetrages, was der typisierten Gewerbesteuerbelastung gewerblicher Einkünfte bei einem Hebesatz von 400 Prozent und Berücksichtigung der Gewerbesteuer als betrieblicher Aufwand entspricht. Kritisch zu dieser, gegebenenfalls als verfassungswidrig zu beurteilenden Regelung insb. J. Hey, Von der Verlegenheitslösung des § 35 EStG zur Reform der Gewerbesteuer?, Wie die Mängel der pauschalen Gewerbesteueranrechnung den Gesetzgeber zum Handeln zwingen, FR 2001, S. 875 ff.; auch z. B. W. Schön, Zum Entwurf eines Steuersenkungsgesetzes, StuW 2000, S. 155 ff.; P. Glanegger, Die Verhältnisrechnung und § 35 EStG, FR 2001, S. 949 f.; für den Hintergrund J. Thiel, Die Ermäßigung der Einkommensteuer für gewerbliche Einkünfte, Das Basismodell des StSenkG zur Entlastung der Personenunternehmen, StuW 2000, S. 413 ff.; dogmatisch weiterentwickelnd z. B. T. Siegel, Plädoyer für eine systemkonforme Reform der Gewerbesteueranrechnung nach § 35 EStG, BB 2001, S. 701 ff.: „Bekanntlich sind bislang alle Anläufe gescheitert, die Gewerbesteuer abzuschaffen. Immerhin brachte die Steuerreform des Jahres 2000 für Einzelunternehmer und Mitunternehmer von Personengesellschaften eine weitgehende Neutralisierung der Gewerbesteuer, was sich vielleicht in Zukunft als erster Schritt zur Beseitigung dieser – mangels zusätzlicher steuerlicher Leistungsfähigkeit von Gewerbetreibenden – als ungerechtfertigt anzusehenden Steuerart herausstellen kann.“ Deutlichst kritisieren ders./P. Bareis/N. Herzig/D. Schneider/F. Wagner/E. Wenger, Verteidigt das Anrechnungsverfahren gegen unbedachte Reformen!, BB 2000, S. 1269 f., (unter Zustimmung von 72 Fachkollegen) das neue Anrechnungsverfahren ob seiner Systemwidrigkeit, aber auch effektiven Belastungsfolgen für den Steuerpflichtigen.

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beseitigen1586 – bei der Ermittlung der halbteilungsrelevanten Gesamtlast des Steuerbürgers muss dieses Anrechnungsvolumen jedenfalls rechnerisch einfließen. d) Weitere Steuerbelastungen des (Soll-)Ertrages Neben der Einkommen- oder Körperschaftsteuer und der Gewerbesteuer sieht der Steuergesetzgeber weitere Belastungen für die Ergebnisse wirtschaftlicher Betätigungen vor. So greift der Fiskus mit dem Solidaritätszuschlag, der als Annexsteuer zur Einkommen- und Körperschaftsteuer erhoben wird1587, in identischer Weise auf die privatwirtschaftliche, privatheitliche Ertragserzielung zu1588. Der Einwand, bei diesem Zuschlag auf die Einkommen- und Körperschaftsteuer handele es sich um ein zeitlich befristetes Sonderopfer, das nicht in die Halbteilungssteuerlast einbezogen werden dürfe1589, vermag nicht zu über-

1586 Ausführlicher dazu z. B. U. Förster, Problembereiche der Anrechnung der Gewerbesteuer auf die Einkommensteuer gem. § 35 EStG 2001, FR 2000, S. 866 ff. (mit Berechnungsbeispielen zur Verlustanrechnung); N. Herzig/U. Lochmann, Das Grundmodell der Besteuerung von Personenunternehmen nach der Unternehmenssteuerreform – Die Steuerermäßigung für gewerbliche Einkünfte bei der Einkommensteuer, DB 2000, S. 540 ff.; dies., Die Steuerermäßigung für gewerbliche Einkünfte bei der Einkommensteuer nach dem Entwurf zum Steuersenkungsgesetz, DB 2000, S. 1192 ff. (unter Darstellung der Wirkung der Steuerermäßigung im Rahmen einer integrierten Belastungsrechnung, S. 1195 ff., sowie mit Entwicklung hebesatzorientierter Gestaltungen, S. 1198 ff.); J. W. Hidien, Steuerreform 2000 – Anmerkungen zum gewerbesteuerlichen Anrechnungsmodell, BB 2000, S. 485 ff.; M. Jachmann, Ansätze zu einer gleichheitsrechtlichen Ersetzung der Gewerbesteuer, BB 2000, S. 1432 ff.; M. Wendt, StSenkG: Pauschale Gewerbesteueranrechnung bei Einzelunternehmen, Mitunternehmerschaft und Organschaft, FR 2000, S. 1173 ff. Die gleichheitsproblematische Besteuerung gewerblicher Unternehmen existierte übrigens bereits vor der Regelung des § 35 EStG. In einer vorgehenden Lösung versuchte der Gesetzgeber in § 32c EStG mittels eines exklusiv für Gewerbetreibende geltenden Schedulentarifs in Verbindung mit einer Progressionskappung eine gewerbesteuerinduzierte Doppelbelastung abzufedern. Zu dieser unter Gleichheitsaspekten fragwürdigen Vorschrift M. Jachmann, Steuergesetzgebung zwischen Gleichheit und wirtschaftlicher Freiheit, S. 118 ff. 1587 Zunächst befristet für den Zeitraum 1.7.1991–30.6.1992, s. Solidaritätszuschlaggesetz v. 24.6.1991, BGBl. I, 1318; später unbefristet wieder eingeführt ab dem VZ 1995 durch Art. 31 des Gesetzes zur Umsetzung des Föderalen Konsolidierungsprogramms v. 23.6.1993, BGBl. I, 944. 1588 Näher hierzu etwa T. Rödder, Belastungs- und Gestaltungswirkungen des Solidaritätszuschlages, DB 1991, S. 921 ff. 1589 Zur Rechtfertigung des Solidaritätszuschlages auch bei Überschreitung der Halbteilungsgrenze aufgrund der Ausnahmehaftigkeit des Finanzbedarfs für die deutsche Wiedervereinigung K. Tipke, Über die Grenzen der Vermögensteuer. Zugleich Besprechung des BVerfG-Beschlusses vom 22.6.1995, GmbHR 1996, S. 13 („Auch der Solidaritätszuschlag darf m. E. nicht berücksichtigt werden; er ist eine aufgrund der besonderen Lasten der Wiedervereinigung erhobene Sozialzwecksteuer, vergleichbar dem Lastenausgleich.“); ebenso H.-J. Kanzler, Anmerkung zum BFH-Beschluss v. 17.7. 1998 – VI B 81/97, FR 1998, S. 898.

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zeugen1590. Unabhängig davon, dass der Solidaritätszuschlag keiner zeitlichen Befristung mehr unterliegt und allen Steuerpflichtigen auferlegt wird, mithin kein Sonderopfer einer ausgewählten Gruppe sein kann, wird er von Art. 106 Abs. 1 Nr. 5 GG als „Ergänzungsabgabe zur Einkommensteuer und zur Körperschaftsteuer“, folglich als Ertragsteuer definiert. Folglich darf der Solidaritätszuschlag bei der Berechnung der hälftigen Belastungsobergrenze ebenfalls nicht ausgeklammert werden1591. Weniger eindeutig präsentiert sich die Frage nach der Berücksichtigung der Kirchensteuer für die Halbteilungsgrenze. Als Zuschlagsteuer zur Einkommenoder Lohnsteuer belastet die Kirchensteuer ohne jede Frage die in der wie auch immer gearteten Marktteilnahme erzielten Erträge des privaten Bürgers, so dass sie durchaus als Ertragsteuer fungiert, zumindest für den Steuerpflichtigen zum gleichen Belastungsergebnis führt1592. Allerdings wird die Kirchensteuer nicht vom Staat erhoben, Steuergläubiger ist vielmehr die einzelne Kirchengemeinde oder die Diözese oder Landeskirche. Auch wenn die Kirchensteuermittel zu großen Teilen für allgemeindienliche Aufgaben eingesetzt werden, die sonst der Staat aus seinem Steueraufkommen finanzieren müsste, zählt die Kirchensteuer doch nicht den öffentlich-rechtlich auferlegten Geldleistungen, die sich der Fiskus als Finanzierungsmittel für die staatliche Allgemeinheit anrechnen lassen müsste1593. Überdies – und dieses Argument sollte nicht zuletzt ob seiner lebenswirklichen Bedeutung keinesfalls ausgeblendet werden – basiert die Kirchensteuerpflicht letztlich auf einer freiwilligen Entscheidung des steuerpflichti-

1590 Immerhin handelt es sich bei dem Solidaritätszuschlag um eine Annexsteuer zur Einkommen- und Körperschaftsteuer, die bereits rechtssystematisch deren Schicksal teilt; dazu J. Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 8, Rn. 36. Überdies bestünde die Gefahr, dass der fiskalische Gesetzgeber ständig neue Finanzbedarfe entdecken, mit deren Ausnahmehaftigkeit eine Sonderlast für die pflichtigen Bürger rechtfertigen und so die Vorgaben des Halbteilungsgrundsatzes aushöhlen würde. 1591 Vgl. H.-W. Arndt, Konsequenzen für den Gesetzgeber aus den Beschlüssen des Bundesverfassungsgerichts vom 22.6.1995 zur Vermögen- und Erbschaftsteuer, BB 1997, Beilage 7, S. 6 f.; ebenso deutlich W. Bornheim, „Halbteilungsgrundsatz“ und Steuerhinterziehung. Die Auswirkungen der Vermögensteuerentscheidung vom 22.6. 1995 auf das Steuerstrafrecht, StuW 1998, S. 148; zurückhaltender z. B. R. Seer, Der sog. Halbteilungsgrundsatz als verfassungsrechtliche Belastungsobergrenze der Besteuerung, FR 1999, S. 1287 f., der das Argument des Ausnahmecharakters des Solidaritätszuschlages aufgreift und diesen nur dann in die hälftig zu teilende Gesamtlast aufnehmen will, wenn er zum „Dauerzustand“ geworden ist – trotz einer Senkung von 7,5% auf 5,5,% mit Gesetz v. 21.11.1997, BGBl. I 1997, 2743, scheint spätestens mit Aufhebung der Befristung genau dieser Zustand eingetreten zu sein. 1592 Dass die Kirchensteuer in ihrer Belastungswirkung die Privatnützigkeit der Einkommensnutzung beschneidet, bestätigt z. B. M. Jachmann, Steuergesetzgebung zwischen Gleichheit und wirtschaftlicher Freiheit, S. 53. 1593 H. Butzer, Freiheitsrechtliche Grenzen der Steuer- und Sozialabgabenlast, S. 93 (Fn. 16) bezeichnet die Kirchensteuer im materiellen Sinne als „Mitgliedsbeitrag an die Kirche“.

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gen Bürgers, was sie deutlich von einer typischerweise durch ihren Zwangscharakter definierten Steuer abgrenzt1594. Die kirchensteuerlichen Zahlungsverpflichtungen sind also, auch wenn sie das Ertragsergebnis jedweder privatheitlichen Betätigung mit Steuerrelevanz zweifelsohne schmälern, in einer Belastungsermittlung für das Halbteilungsgebot zu vernachlässigen1595; schließlich hat die Halbteilungsjudikatur die Frage nach dem Teilen des Eigentums zwischen privater und staatlicher, nicht zwischen privater und kirchlicher Hand zum Gegenstand1596. Die Konzeption der Sollertragsteuern, die die aufgrund einer Eigentumsnutzung typischerweise zu erwartenden Sollerträge besteuern, erschöpft sich nicht in der bereits diskutierten Vermögensteuer, wenn diese freilich auch die Halbteilungsjudikatur des Bundesverfassungsgerichts angestoßen hat und insoweit in den Mittelpunkt der Sollertragsteuern getreten ist. An mit dem vorhandenen Unternehmenskapital üblicherweise erzielbare Sollerträge hat in der Vergangenheit auch die mittlerweile abgeschaffte Gewerbekapitalsteuer angeknüpft1597. Eben1594 I. d. S. G. Rose, Der Steuer-Planfondierungsbefehl des BVerfGE und seine Durchsetzung, DB 1997, S. 496. 1595 So etwa auch H.-W. Arndt, Konsequenzen für den Gesetzgeber aus den Beschlüssen des Bundesverfassungsgerichts vom 22.6.1995 zur Vermögen- und Erbschaftsteuer, BB 1997, Beilage 7, S. 6 f.; ebenso W. Bornheim, „Halbteilungsgrundsatz“ und Steuerhinterziehung, Die Auswirkungen der Vermögensteuerentscheidung vom 22.6.1995 auf das Steuerstrafrecht, StuW 1998, S. 148; H. Butzer, Freiheitsrechtliche Grenzen der Steuer- und Sozialabgabenlast, S. 93; G. Rose, Der Steuer-Plafondierungsbefehl des BVerfGE und seine Durchsetzung, DB 1997, S. 496; ders., Überlegungen zur Realisierung des Halbteilungsgrundsatzes, StuW 1999, S. 18; R. Seer, Der sog. Halbteilungsgrundsatz als verfassungsrechtliche Belastungsobergrenze der Besteuerung, FR 1999, S. 1288; ders., Verfassungsrechtliche Grenzen der Gesamtbelastung von Unternehmen, DStJG 23 (2000), S. 110 f.; K. Tipke, Über die Grenzen der Vermögensteuer. Zugleich Besprechung des BVerfG-Beschlusses vom 22.6.1995, GmbHR 1996, S. 13; ders., Über Vermögensteuer-Ungerechtigkeit, in: M. D. Kley et al. (Hrsg.), Festschrift für Wolfgang Ritter zum 70. Geburtstag, 1997, S. 601; sinngemäß wohl auch H.-G. Dederer, Halbteilungsgrundsatz – woher, wohin?, Zum Urteil des BFH vom 11.8.1999, StuW 2000, S. 97 (m.w. N. in Fn. 88); F. Wagner/M. Hör, Das Verhältnis der gegenwärtigen effektiven Steuerbelastung zur Steuerbelastungsobergrenze des Bundesverfassungsgerichts, DB 1996, S. 586. A. A. G. Felix, Konsequenzen aus den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zur Vermögens- und Erbschaftsbesteuerung, BB 1995, S. 2244; M. Fleischmann, Ist die derzeitige Steuerbelastung noch mit dem „Halbteilungsgrundsatz“ vereinbar?, DB 1998, S. 1485; klar ablehnend M. Jachmann, Steuergesetzgebung zwischen Gleichheit und wirtschaftlicher Freiheit, S. 52 f.; auch D. Krüger/E. Kalbfleisch/S. Köhler, Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zu den Einheitswerten – Analyse und erste Beratungshinweise, DStR 1995, S. 1454. 1596 Trotz aller Öffentlichkeit der Institution Kirche und deren wertvoller Mitwirkung für das Gemeinwohl in vielen Gesellschaftsbereichen spricht die unstrittige Trennung von Staat und Kirche eine deutliche Sprache zugunsten einer bewussten Herauslösung der Kirchen(-einkommen-)steuer aus dem Kanon der Halbteilungssteuern. 1597 Vgl. Art. 4 des Gesetzes zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform, BGBl. I 1997, 2590.

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falls zu den Sollertragsteuern ist die Grundsteuer1598 zu rechnen, die ebenso wie die Vermögensteuer nicht als Substanzsteuer konzipiert ist, sondern Erträge einer wie auch immer gearteten Nutzung der Vermögens- und Grundsubstanz als Steuerquelle erwartet1599. Wenn nun die Vermögensteuer, gerade in ihrer Konzeption als Sollertragsteuer, zwingender Gegenstand des Halbteilungsprinzips ist und – was ebenso unstrittig sein dürfte – zumindest alle Ist- und Sollertragsteuern als „übrige Steuern auf den Ertrag“ zu der Ermittlungsgrundlage der Belastungsobergrenze hinzutreten, muss konsequenterweise auch die Grundsteuer bei der Berechnung der Hälftigkeitsgrenze erfasst werden1600. Die Notwendigkeit einer Erfassung der Grundsteuer in der Halbteilungsrechnung wird noch untermauert, wenn man sich vor Augen führt, dass die Grundsteuer einen substantiellen, für die Menschenwürde unerlässlichen Bestandteil des an sich steuerfrei zu stellenden Existenzminimums, nämlich die Wohnung des steuerpflichtigen Bürgers, unmittelbar oder mittelbar in Anspruch nimmt1601. Selbst wenn der Staat etwas von dem, was er dem Grundeigentümer und damit (mittelbar) dem Mieter wegbesteuert hat1602, mittels Wohngeld oder Eigenheimförderung wieder zurückerstattet, ist eine solche Steuer unter dem Subsidiaritätsgedanken immer noch bedenklich1603, scheint bei näherer Betrachtung allemal geeignet, gegen das Prinzip vorrangiger Privatheit zu verstoßen. Ob eine Abschaffung der Grundsteuer aus dieser Argumentationslogik heraus geboten scheint, sei dahingestellt1604 – eine Ausklammerung der Grundsteuer aus der hälftigen Belastungsobergrenze jedenfalls schließt sich definitiv aus1605. 1598 Die Grundsteuer gilt als eine der ältesten Steuern, deren Ursprünge und Rechtfertigungen in den Zeiten zu sehen ist, in denen land- und forstwirtschaftlich genutzter Grundbesitz noch als Indikator steuerlicher Leistungsfähigkeit galt. Vgl. R. Seer, in: K. Tipke/J. Lang, Steuerrecht, 17. Aufl., 2002, § 13, Rn. 201 ff.; auch z. B. H. W. Kruse, Abschied von den Einheitswerten, BB 1996, S. 717 f. 1599 Für die Grundsteuer als Steuer auf einen an Einheitswerten orientierten Sollertrag deutlich K. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. II, S. 817, der in seine Argumentation für eine Ertragsorientierung der Grundsteuer auch § 33 GrStG einbezieht, der einen Steuererlass wegen wesentlicher Ertragsminderung vorsehe. 1600 So im Ergebnis etwa H.-W. Arndt, Konsequenzen für den Gesetzgeber aus den Beschlüssen des Bundesverfassungsgerichts vom 22.6.1995 zur Vermögen- und Erbschaftsteuer, S. 7; G. Rose, Zum Anspruch auf Erlass von „Übermaß-Steuern“ und zu seiner Durchsetzung, DB 1995, S. 2388. 1601 Näher K. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. II, S. 814 f. 1602 Zur Überwälzung der Grundsteuer auf den Mieter, selbst im sozialen Wohnungsbau, z. B. H. W. Kruse, Abschied von den Einheitswerten, BB 1996, S. 720. 1603 Vgl. R. Seer, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 13, Rn. 203. 1604 Ausführlicher zu dieser Diskussion etwa F. Neumark, Grundsätze gerechter und ökonomisch rationaler Steuerpolitik, 1970, S. 392; U. Strunk, Zur Neubelebung der Diskussion um die Einheitsbewertung des Grundbesitzes. Zugleich Anmerkungen zum Beitrag von J. Glier, Überlegungen zur neuen Einheitsbewertung, in: Die Information über Steuer und Wirtschaft 1979, S. 436–439, StuW 1980, S. 53; H. W. Kruse, Einheitsbewertung – quo vadis?, BB 1989, S. 1353; ders., Abschiede von den Einheitswerten, BB 1996, S. 720; auch W.-D. Drosdzol, Grundsteuer – Möglichkeiten einer

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4. Verbrauch-, Verkehr- und Aufwandsteuern a) Verbrauch-, Verkehr- und Aufwandsteuern als indirekte Steuern auf die Einkommensverwendung Die steuerliche Gesamtbelastung, auf die auch das Bundesverfassungsgericht in seiner Halbteilungsjudikatur abstellt, erschöpft sich nicht in den Soll- und IstErtragsteuern. Insbesondere ist das Vermögen oder der Vermögensgegenstand nicht nur durch Steuern auf Einkommen und Ertrag pflichtig erfasst, sondern – wie das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich hervorhebt – meist auch „durch indirekte Steuern vorbelastet“1606. Mit diesem „weiten Abgabenbegriff“1607 in Relation zum Einkommen stellt das Gericht in jedem Fall klar, dass indirekte Steuern nicht aus einer Halbteilungsbetrachtung herausgelöst werden dürfen1608. Was sich hinter den indirekten Steuern in der Halbteilungsdiskussion verbirgt, sei im Folgenden kurz erläutert. Steuersystematisch knüpft der fiskalische Gesetzgeber mit seinen Geldleistungspflichten neben der Eigentumsnutzung und der Eigentumsinnehabung auch Neuregelung, DStZ 1999, S. 831 ff.; unter besonderer Berücksichtigung der Verfassungsgerichtsbeschlüsse zur Vermögensteuer vor allem F. Stein, Die Einheitswert-Beschlüsse des BVerfG und ihre Bedeutung für die Grundsteuer, ZKF 1996, S. 26 ff. Bedenkenswert erscheinen überdies die Einlassungen von M. Jachmann, Steuergesetzgebung zwischen Gleichheit und wirtschaftlicher Freiheit, S. 42 ff. (insb. S. 46 f.), die die Möglichkeit eines konfiskatorischen Charakters der Grundsteuer herausarbeitet und aus diesem Grunde eine Verfassungswidrigkeit der Grundsteuer nicht ausschließen will. 1605 So etwa H.-W. Arndt, Konsequenzen für den Gesetzgeber aus den Beschlüssen des Bundesverfassungsgerichts vom 22.6.1995 zur Vermögen- und Erbschaftsteuer, BB 1997, Beilage 7, S. 7; M. Jachmann, Steuergesetzgebung zwischen Gleichheit und wirtschaftlicher Freiheit, S. 52; deutlich A. Klein, Das neue Steuerverfassungsrecht – Eine Chance für den Steuerzahler?!, BB 1996, S. 1810 (m.w. N. in Fn. 50), der in seinen Ausführungen auch eine Einbeziehung der Zweitwohnungssteuer in die Basissteuern des Halbteilungsgrundsatzes fordert. 1606 BVerfGE 93, 121 (137). 1607 Siehe auch den Hinweis bei D. Krüger/E. Kalbfleisch/S. Köhler, Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zu den Einheitswerten – Analyse und erste Beratungshinweise, DStR 1995, S. 1454. 1608 I. d. S. J. Eschenbach, Steuerrecht und Eigentumsschutz – Grenzen verfassungsrechtlichen Kontrolle nach dem Beschluss des BVerfG vom 22. Juni 1995 zur Vermögensteuer, DStZ 1997, S. 416; D. Krüger/E. Kalbfleisch/S. Köhler, Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zu den Einheitswerten – Analyse und erste Beratungshinweise, DStR 95, S. 1452, 1454; K. Tipke, Über die Grenzen der Vermögensteuer. Zugleich Besprechung des BVerfG-Beschlusses vom 22.6.1995, GmbHR 1996, S. 13; ablehnend z. B. F. Wagner/M. Hör, Das Verhältnis der gegenwärtigen effektiven Steuerbelastung zu Steuerbelastungsobergrenze des Bundesverfassungsgerichts, DB 1996, S. 586 f.; auch G. Rose, „In der Nähe einer hälftigen Teilung“ – Erste quantifizierende Überlegungen zur Vermögensteuer-Entscheidung des BVerfG vom 22.6.1995, DB 1995, S. 1879, wobei letzterer die Einbeziehung offensichtlich eher aus Gründen schwieriger Operationalisierbarkeit ablehnt.

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an der Eigentumsverwendung an1609. Der Besteuerungszugriff zielt bei diesen Steuerarten nicht auf die Ertragserzielung in Form der Eigentumsnutzung, auch nicht auf den Eigentums- oder Vermögensbestand, sondern auf die Einkommens- oder Vermögensverwendung, vornehmlich den privaten Verbrauch des Steuerbürgers in seiner Rolle als Konsument1610. Im Mittelpunkt dieser Steuerkategorie steht nicht nur mit Blick auf ihr Gesamtaufkommen, sondern auch angesichts ihrer unumgänglichen Belastungsrelevanz für das tägliche Leben die Umsatzsteuer1611 als „die allgemeine Verbrauchsteuer“1612. Steuertechnisch richtet sich das Umsatzsteuergesetz an den Unternehmer, der Lieferungen und Leistungen gegen Entgelt ausführt. Da dieser aber in seiner Unternehmereigenschaft nicht durch die Umsatzsteuer belastet werden soll, ist er berechtigt, die Umsatzsteuer zu überwälzen1613; weil er überdies die auf ihn überwälzte Umsatzsteuer im Zuge des Vorsteuerabzuges gem. § 15 UStG in Ansatz bringen kann1614, unterliegt nach dem Allphasen-NettoPrinzip nur der in einem Unternehmen geschaffene Mehrwert der – deswegen so genannten – Mehrwertsteuer1615. Auch wenn der Unternehmer als Steuer1609 Dazu steuersystematisch P. Kirchhof, Rechtsmaßstäbe finanzstaatlichen Handelns, JZ 1979, S. 156; ders., Steuergerechtigkeit und sozialstaatliche Geldleistungen, JZ 1982, S. 306 ff.; in jüngerer Zeit, bezugnehmend auf die Halbteilungsjudikatur, etwa ders., Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Vermögen- und Erbschaftsteuer, Stbg 1996, S. 1 f. 1610 Vgl. etwa P. Kirchhof, Staatliche Einnahmen, in: HStR, Bd. IV, § 88, Rn. 155; K. Tipke, Über Umsatzsteuer-Gerechtigkeit, StuW 1992, S. 107. 1611 Die folgenden Erörterungen für die Umsatzsteuer als allgemeine Verbrauchsteuer können grundsätzlich auf weitere indirekte Steuern, also in jedem Fall auf die speziellen Verbrauchsteuern, die Verkehrsteuern und die Aufwandsteuern übertragen werden, so z. B. O. Geißler, Der Unternehmer im Dienste des Steuerstaats, S. 167 ff. Für einen Überblick über diese Steuern vgl. z. B. W. Reiß, in: K. Tipke/J. Lang (Hrsg.), Steuerrecht, 17. Aufl., 2002, § 15, Rn. 1 ff., 44 ff., 47, 48 ff.; J. Lang, ebenda, § 16, Rn. 1 ff. 1612 W. Reiß, in: K. Tipke/J. Lang (Hrsg.), Steuerrecht, 17. Aufl., 2002, § 14, Rn. 1; ebenso ders., Der Belastungsgrund der Umsatzsteuer und seine Bedeutung für die Auslegung des Umsatzsteuergesetzes, DStJG 13 (1990), S. 3 ff.; P. Kirchhof, Staatliche Einnahmen, in: HStR, Bd. IV, § 88, Rn. 156. Gegen die Verbrauchsteuereigenschaft der Umsatzsteuer BFH BStBl II 1973, 94 (96); BStBl II 1988, 1017 (1019); BStBl II 1989, 518 (582); a. A. BFH BStBl II 1979, 513 (533); inzwischen deutlich für den Verbrauchsteuercharakter der Umsatzsteuer BFH v. 23.11.2000, UR 2001, 65. Auch der Europäische Gerichtshof ordnet die Umsatzsteuern gemäß den Umsatzsteuerharmonisierungsrichtlinien zu den Verbrauchsteuern (Art. 2 Abs. 1 der RL 67/227/EWG v. 11.4.1967, ABl. 1967 L 71, 1301/67); siehe EuGH – Rs. 93–94/88 (Wisselink), Slg. 1989, 2671, Rn. 18; vgl. dazu W. Reiß, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 14, Rn. 1 (m.w. N. in Fn. 3, 5). 1613 Nicht zuletzt aufgrund dieser Überwälzungsmöglichkeit gilt die Umsatzsteuer als indirekte Steuer. Vgl. W. Reiß, in: Tipke/Lang, § 14, Rn. 1; grundsätzlich J. Lang, in: Tipke/Lang, § 8, Rn. 20. 1614 Dazu W. Reiß, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 14, Rn. 1, 122 ff. 1615 Vgl. W. Reiß, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 14, Rn. 3; K. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. II, S. 893.

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schuldner oder Steuersubjekt verpflichtet ist, die Steuer an das Finanzamt abzuführen1616, erfasst die Umsatzsteuer als Steuergut die Aufwendungen oder Einkommensverwendungen der privaten Konsumenten und führt zu einer Steuerlast für den privaten Bürger, der ja auch Steuerdestinatar ist1617, in seiner Eigenschaft als Verbraucher1618. Nachdem die Umsatzsteuer ihren eigentlichen Belastungsgrund in der im Leistungstausch sichtbar werdenden Zahlungsfähigkeit des Konsumenten findet, sollte nicht zuletzt angesichts des umsatzsteuerlichen Überwälzungsmechanismus eine effektive Steuerbelastung des Endverbrauchers unstrittig sein1619. b) Einbeziehung der indirekten Steuern aufgrund ihrer Belastungsrealität Gleichwohl wird die Einbeziehung der indirekten Steuern, allen voran die Umsatzsteuer1620, in die Bemessungsbasis der Halbteilung äußerst kontrovers diskutiert1621; aus der Halbteilungsdiskussion seien, so das Argument, die indi1616

Dazu W. Reiß, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 14, Rn. 103 ff. Vgl. etwa W. Reiß, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 14, Rn. 1, 3, 112; ders., Belastungsgrund der Umsatzsteuer und seine Bedeutung für die Auslegung des Umsatzsteuergesetzes, DStJG 13 (1998), S. 18; J. Lang, in: K. Tipke/J. Lang, Steuerrecht, § 5, Rn. 9. 1618 Vgl. W. Reiß, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 14, Rn. 1, 112. 1619 So etwa J. Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 4, Rn. 111: „Sie [die indirekten Steuern; Anm. d. Verf.] belasten die in der Einkommensverwendung zum Ausdruck kommende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit. Indirekte Steuern auf den Konsum sind mit dem Nachteil behaftet, dass sie die persönlichen Verhältnisse des Konsumenten, auf den die Steuer überwälzt worden ist, nicht berücksichtigen können. Dieser Umstand verschlechtert die Gerechtigkeitsqualität der indirekten Steuern erheblich. Gleichwohl belastet die indirekte Steuer einen Indikator wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit; . . .“ Siehe ergänzend die relevanten Entscheidungen des obersten Gerichts, BVerfGE 14, 76 (96); 98, 106 (124). 1620 Neben der Umsatzsteuer sind vor allem als spezielle Verbrauchsteuern auf Bundesertragsebene Tabak-, Kaffee-, Branntwein-, Schaumwein-, Zwischenerzeugnis- und Mineralölsteuer, auf Landesertragsebene die Biersteuer und kommunaler Ertragsebene die örtlichen Verbrauchsteuern zu nennen. Verkehrsteuern sind Grunderwerbsteuer, Versicherungsteuer, Feuerschutzsteuer sowie Rennwett- und Lotteriesteuer. Zu den Aufwandsteuern zählen etwa die bundesgesetzlich geregelte Kraftfahrzeugsteuer, daneben vornehmlich Gemeindesteuern wie die Hundesteuer, Reitpferdsteuer oder Zweitwohnungsteuer. Ausführlicher hierzu z. B. J. Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 8, Rn. 46, 51, 52; P. Kirchhof, Staatliche Einnahmen, in: HStR, Bd. IV, § 88, Rn. 154, 157; G. Pieroth, in: H. Jarass/B. Pieroth (Hrsg.), Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Kommentar, 5. Aufl., 2000, Art. 105, Rn. 27; K. Tipke, Über ungleichmäßige Besteuerung durch kommunale Verbrauch- und Aufwandsteuern, DÖV 1995, S. 1032. 1621 Nahezu alle Autoren, die sich in ihren Schriften mit dem Halbteilungsgrundsatz unmittelbar oder mittelbar auseinandersetzen, greifen die indirekten Steuern als Diskussionsgegenstand auf. Gegen eine Einbeziehung z. B. H.-W. Arndt, Konsequenzen für den Gesetzgeber aus den Beschlüssen des Bundesverfassungsgerichts vom 1617

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rekten Steuern auszuklammern, da die Formel des Gerichts von der hälftigen Teilung ausdrücklich davon ausgehe, dass lediglich die Vermögensteuer plus die „übrigen Steuern auf den Ertrag“ die Belastungsobergrenze nicht überschreiten dürfen1622. Diese Einschätzung vermag bereits in ihrer engen Ausrichtung an dem Wortlaut des Urteils nicht zu überzeugen, hebt doch der Halbteilungsspruch des Verfassungsgerichts dezidiert auf die „Gesamtbelastung“1623 des Bürgers ab und will die indirekten Steuern, wie eingangs erwähnt, expressis verbis in das Gesamtgebäude der Halbteilungssteuern integrieren1624. Zwar tangiert die Umsatzsteuer auf den ersten Blick die eigentliche Ertragerzielung, also den erwerbsorientierten Gebrauch des Eigentums oder die entgeltliche Ausübung einer beruflichen Tätigkeit, nicht unmittelbar, sondern stellt auf die an eine Ertragserzielung anschließende, konsumtive Einkommens- oder Vermögensverwendung ab1625. Allerdings darf nicht übersehen werden, dass ein zu erwerbendes Eigentum oder ein zu erzielender Ertrag oftmals bereits mit Verkehr-, Aufwand- und Verbrauchsteuern – auch mit Umsatzsteuer – vorbelastet

22.6.1995 zur Vermögen- und Erbschaftsteuer, BB 1996, Beilage 7, S. 6 ff.; noch deutlicher, wenn auch freiheitsgrundrechtlich argumentierend M. Jachmann, Steuergesetzgebung zwischen Gleichheit und wirtschaftlicher Freiheit, S. 156 ff.; ähnlich auch F. Wagner/M. Hör, Das Verhältnis der gegenwärtigen effektiven Steuerbelastung zur Steuerbelastungsobergrenze des Bundesverfassungsgerichts, DB 1996, S. 586 f.; für eine Berücksichtigung von indirekten Steuern plädieren z. B. H.-W. Arndt/W. Schumacher, Die verfassungsrechtlich zulässige Höhe der Steuerlast – Fingerzeig des BVerfG an den Gesetzgeber?, NJW 1995, S. 2605; H. Butzer, Freiheitsrechtliche Grenzen der Steuer- und Abgabenlast, S. 93 ff.; M. Fleischmann, Ist die derzeitige Steuerbelastung noch mit dem „Halbteilungsgrundsatz“ vereinbar?, DB 1998, S. 1485; dogmatisch klar und bestechend P. Kirchhof; Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Vermögen- und Erbschaftsteuer, Stbg 1996, S. 2 („Aus der Besteuerung des Vermögenserwerbs, des Vermögensbestandes und der Vermögensverwendung ergibt sich eine Gesamtbelastung . . .“); pragmatisch D. Krüger/E. Kalbfleisch/S. Köhler, Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zu den Einheitswerten – Analyse und erste Beratungshinweise, DStR 1995, S. 1454; G. Rose, Zum Anspruch auf Erlass von „Übermaß-Steuern“ und zu seiner Durchsetzung – Weitere Auswertung des VermögensteuerBeschlusses des BVerfG vom 22.6.1995, DB 1995, S. 2388; ders., Überlegungen zur Realisierung des Halbteilungsgrundsatzes, StuW 1999, S. 17 f.; K. Tipke, Über die Grenzen der Vermögensteuer. Zugleich Besprechung des BVerfG-Beschlusses vom 22.6.1995, GmbHR 1996, S. 13; ders., Über Vermögensteuer-Ungerechtigkeit, in: FS Ritter, S. 601. 1622 Vgl. z. B. das Argumentum bei H.-W. Arndt, Konsequenzen für den Gesetzgeber aus den Beschlüssen des Bundesverfassungsgerichts vom 22.6.1995 zur Vermögenund Erbschaftsteuer, BB 1996, Beilage 7, S. 6. 1623 BVerfGE 93, 121 (LS 3). 1624 Siehe BVerfGE 93, 121 (137). 1625 Vgl. G. Rose, Überlegungen zur Realisierung des Halbteilungsgrundsatzes, StuW 1999, S. 16; zurückhaltender noch ders., Grundsatzüberlegungen zum Vermögensteuer-Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 22. Juni 1995 und seinen Auswirkungen aus der Sicht der Steuerpflichtigen, Gutachten für die Arbeitsgemeinschaft selbstständiger Unternehmer e. V. (ASU), 1996, S. 10 („. . . Grauzone . . .“); deutlich O. Geißler, Der Unternehmer im Dienste des Steuerstaats, S. 165.

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ist; jedenfalls in all den Fällen, in denen eine Steuerüberwälzung nicht möglich ist, verbleibt für den Steuerdestinatar damit eine tatsächliche Steuerbelastung, die in die höchstens hälftig zu teilende Gesamtsteuerlast einzufließen hat1626. Die Belastungstatsache der Umsatzsteuer, aber auch anderer indirekter Steuern, reduziert sich jedoch nicht auf den oben skizzierten Fall einer Vorbelastung in der Phase des Eigentumserwerbes. Vielmehr wird der der gesteigerten Sozialpflichtigkeit des Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG unterworfene Eigentumsgebrauch durch Verkehrsteuern, Verbrauchsteuern, Umsatzsteuern und Zölle, aber auch durch Aufwandsteuern grundsätzlich belastet1627, da der Fiskus im Zeitpunkt der Einkommens- oder Vermögensverwendung für konsumtive Zwecke – was auch unter den Begriff des Eigentumsgebrauches zu subsumieren ist – seinen Belastungszugriff platziert1628. Allemal schmälert der Steuerstaat mit dieser Form des Fiskalzugriffs das Eigentum des pflichtigen Bürgers im Sinne der Summe aller Handlungsmöglichkeiten1629, beschneidet die Umsatzsteuer mit ihrem Belastungsergebnis doch in jedem Fall den vermögensrechtlichen Freiraum1630, auch Einkommensverwendungsraum, des pflichtigen Bürgers und schließt diesen gegebenenfalls sogar gänzlich von bestimmten Optionen der Einkommensverwendung aus. Eine auch steuerverfassungsrechtlich relevante Begrenzung privatheitlicher Handlungsmöglichkeiten namentlich durch die Um1626 Vgl. J. Eschenbach, Steuerrecht und Eigentumsschutz, Grenzen verfassungsrechtlicher Kontrolle nach dem Beschluss des BVerfG vom 22. Juli 1995 zur Vermögensteuer, DStZ 1997, S. 416; D. Krüger/E. Kalbfleisch/S. Köhler, Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zu den Einheitswerten – Analyse und erste Beratungshinweise, DStR 1995, S. 1454; K. Tipke, Über die Grenzen der Vermögensteuer. Zugleich Besprechung des BVerfG-Beschlusses vom 22.6.1995, GmbHR 1996, S. 13; zweifelnd wohl G. Rose, „In der Nähe einer hälftigen Teilung“ – Erste quantifizierende Überlegungen zur Vermögensteuer-Entscheidung des BVerfG vom 22.6.1995, DB 1995, S. 1879; ebenso ders., Der Steuer-Plafondierungsbefehl des Bundesverfassungsgerichts und seine Durchsetzung, DB 1997, S. 496; klar ablehnend z. B. F. W. Wagner/M. Hör, Das Verhältnis der gegenwärtigen effektiven Steuerbelastung zur Steuerbelastungsobergrenze des Bundesverfassungsgerichts, DB 1996, S. 586. 1627 So bereits lange vor der Halbteilungsentscheidung sehr deutlich P. Kirchhof, Rechtsmaßstäbe finanzstaatlichen Handelns, JZ 1979, S. 156. 1628 Diese Belastungsrealität der Umsatzsteuer wird durch einen Spruch des BFH, BStBl. 1973, 94 (96), nachdrücklich untermauert: „Die meisten Verkehrsteuern einschließlich der Umsatzsteuer haben keinen tieferen Sinn als den, dem Staat Geld zu bringen.“ Wenn eine Steuer schon ihre tiefere Rechtfertigung darin erfährt, dem Steuerbürger Geldmittel zu entziehen, lässt sich ihre Belastungswirkung wohl nicht mehr ,wegdiskutieren‘. 1629 Dazu z. B. K. A. Schachtschneider, Das Recht am und das Recht auf Eigentum, S. 744 ff., ders., Freiheit in der Republik, 10. Kap., I.; siehe auch oben, 5. Teil, 1. Kap. 1630 Nach der Diktion des Bundesverfassungsgerichts ein „Frei(heits)raum im vermögensrechtlichen Bereich.“ Vgl. BVerfGE 97, 350 (370 f.); so schon BVerfGE 24, 367 (389); 31, 229 (239); 40, 263 (293); 50, 290 (339); 53, 257 (290); 68, 193 (222); 69, 272 (300); 83, 201 (208 f.); ganz i. d. S. O. Kimminich, in: BK, Art. 14, Rn. 18; H.-J. Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 14, Rn. 1.

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satzsteuer lässt sich somit nicht ablehnen1631. Da sich der private Konsument mangels Unternehmereigenschaft von dieser steuerlichen Bürde nicht entlasten kann, verbleibt eine effektive Umsatzsteuerlast, die zwingend in die Halbteilungsbemessung eingebunden werden muss. Konsequenterweise müssen auch Umsatzsteuerlasten im Unternehmensumfeld, die nicht weitergewälzt werden können, als tatsächliche Steuerbelastungen in den Kreis der halbteilungsrelevanten Steuern eingereiht werden1632. c) Privatnützigkeit als Grenze der Steuern auf Einkommensverwendung Die geforderte Privatnützigkeit des grundgesetzlich garantierten Eigentums, die auch für die Halbteilungsargumentation herangezogen wird, untermauert diese Sichtweise. Die private Nützigkeit des bürgerlichen Eigentums ist nur gegeben, wenn nicht nur die Eigentumsnutzung per se gewährleistet wird, sondern dem Eigentümer auch der ökonomische Nutzen des Eigentumsgebrauches erhalten bleibt und er die Früchte der Eigentumsnutzung grundsätzlich frei nach seinen individuellen Vorstellungen disponieren kann1633. Eine substantielle Dispositionsmöglichkeit des privaten Bürgers stellt neben Investieren und Sparen das Konsumieren dar1634. Dies gilt umso mehr, wenn der Bürger in seinem Streben nach bestmöglicher Privatheit sein Leben zu bewältigen sucht, wofür die Verwendung des Einkommens oder Vermögens unerlässlich ist1635. Das Rechtferti1631 A. A. z. B. M. Jachmann, Steuergesetzgebung zwischen Gleichheit und wirtschaftlicher Freiheit, S. 157, die die Einschlägigkeit des Eigentumsgrundrechts für Verbrauch- und Verkehrsteuern, insb. für die Umsatzsteuer, ablehnt. 1632 So M. Jachmann, Steuergesetzgebung zwischen Gleichheit und wirtschaftlicher Freiheit, S. 156; ebenso G. Rose, Überlegungen zur Realisierung des Halbteilungsgrundsatzes, StuW 1999, S. 16. 1633 Vgl. grundsätzlich bereits 2. Kap., V., 2.; a. A. etwa M. Jachmann, Steuergesetzgebung zwischen Gleichheit und wirtschaftlicher Freiheit, S. 157, die bei der „hoheitlichen Beschränkung der Kaufkraft“ nicht Art. 14 GG, sondern lediglich Art. 2 Abs. 1 GG im Sinne einer „allgemeinen wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit des Konsumenten“ aktiviert sieht und daher eine Einbeziehung der indirekten Steuern in die Halbteilungssteuern verneint. Dies vermag im Ergebnis nicht zu überzeugen, da M. Jachmann die Eingriffshaftigkeit der indirekten Steuern – allen voran die Umsatzsteuer – in das grundrechtlich geschützte Eigentum mit der Begründung ablehnt, diese Steuern würden allenfalls die Nutzung von Geld als Ergebnis privatheitlichen Wirtschaftens beschränken, dem wäre jedoch die Eigentumsgewährleistung des Art. 14 Abs. 1 GG zu versagen. Dass auch Geld nicht nur in seiner Innehabung, sondern auch und vor allem in seinen Nutzungsoptionen als Eigentum geschützt wird, wurde bereits im 5. Teil dargelegt. 1634 Auch der Unternehmer kann in seinem unternehmerischen Disponieren von erwirtschaftetem Eigentum Verbrauch-, Verkehr- oder Aufwandsteuerpflichten auslösen, deren Belastungsfolgen er nicht überwälzen kann. Das Moment der Privatnützigkeit zählt auch für den unternehmerischen Bürger; i. d. S. G. Rose, Überlegungen zur Realisierung des Halbteilungsgrundsatzes, StuW 1999, S. 17. 1635 Vgl. hierzu bereits 3. Teil, 2. Kap., V., 5., 3. Kap., 4. Teil, 3. Kap., IV., 1., 2., 5. Teil, 2. Kap., II.

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gungsdefizit1636 der Einkommensverwendungssteuern, insbesondere der Mehrwertsteuer, stärkt noch die Substantialität des Privatnützigkeitsarguments: wenn das Einkommen, welches im Verwendungsvorgang fiskalisch erfasst wird, wenigstens mittels der Einkommensteuer schon besteuert worden ist1637, wiegt der verwendungsbezogene Zugriff auf das Eigentum in seiner Privatnützigkeit möglicherweise noch schwerer als die Besteuerung durch Ist- und Soll-Ertragsteuern1638. d) Privatheit als Grenze der Steuern auf Einkommensverwendung Durch die Besteuerung der Eigentumsverwendung wird nicht nur das eigentumsrechtliche Privatnützigkeitsprinzip, sondern auch – und das dürfte die Einbeziehung indirekter Besteuerung in die Halbteilung am grundlegendsten rechtfertigen – das republikanische Grundprinzip bürgerlicher Privatheit tangiert. Das Halbteilungspostulat leistet nicht nur den Interessenausgleich zwischen Bürger und Staat, sondern gewährleistet in seiner steuerschützenden Wirkung auch bestmögliche Privatheit1639. Auch wenn das Instrument der Besteuerung in der Republik Privatheit und Staatlichkeit, bürgerliche Rechte und bürgerliche Pflichten grundsätzlich vereint und auf diesem Weg divergierende Interessen anzugleichen versteht, setzen Steuern dem Bürger allemal Grenzen1640. Das Grundgesetz, insbesondere die Eigentumsgewährleistung des Art. 14 GG sichert dem Bürger den besten Möglichkeitsrahmen als sein eigentliches Eigentum, sein Vermögen, auf dessen Grundlage er seine bürgerlichen Rechte, aber auch seine bürgerlichen Pflichten eben bestmöglich wahrnehmen kann1641. Da in der Lebenswirklichkeit der Republik dies entsprechende material-ökonomische, 1636 Zu dieser Diskussion BVerfGE 16, 64 (74); 49, 343 (354); 65, 325 (346 f.); P. Kirchhof, Besteuerung und Einkommen, VVDStRL 39 (1981), S. 242 ff.; ders., Staatliche Einnahmen, in: HStR, Bd. IV, § 88, Rn. 155 ff.; grundsätzliche Kritik von K. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. II, S. 528 ff. Zur „Rechtfertigungsschwäche“ siehe K. A. Schachtschneider, Umsatzbesteuerung der Mineralölsteuer, S. 44. 1637 So im Ergebnis K. A. Schachtschneider, Umsatzbesteuerung der Mineralölsteuer, S. 44. 1638 Dass die Problematik der steuerlichen Doppelbelastung in der Halbteilungsbeschränkung keinesfalls vernachlässigt werden darf, bringt das Bundesverfassungsgericht in seiner Urteilsbegründung der Vermögensteuer-Entscheidung zum Ausdruck; schließlich lässt das Gericht die steuerverfassungsrechtliche Bedenklichkeit einer Doppelbesteuerung von grundrechtsgeschütztem Eigentum durch Einkommen- und Vermögensteuer durchaus anklingen: „Unter Berücksichtigung der steuerlichen Vorbelastung [Hervorh. d. Verf.] des Vermögens muss der Steuergesetzgeber jedenfalls die wirtschaftliche Grundlage persönlicher Lebensführung gegen eine Sollertragsteuer abschirmen“, BVerfGE 93, 121 (LS 4). 1639 Vgl. ausführlicher zur Privatheit in der Republik 3. Teil, 2. Kap., 3. Kap.; zur Privatheitsdiskussion im Kontext der Besteuerung siehe oben 2. Kap., V., 3. 1640 Dogmatisch K. A. Schachtschneider, Umsatzbesteuerung der Mineralölsteuer, S. 3 f., 29 f. u. ö.

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finanzielle Implikationen birgt, beinträchtigen fiskalische Lasten mit ihren monetären Konsequenzen das gesamte Möglichkeitsspektrum bürgerlicher Privatheit1642. Gleichgültig, ob die Besteuerung in der Phase der Eigentumsgewinnung und Eigentumsinnehabung einsetzt oder erst im Zeitpunkt der Eigentumsverwendung, schränkt sie den republikanischen Bürger systematisch in seiner Privatheit immer ein1643. Schützenswerte bürgerliche Privatheit aber kann wohl kaum intensiver zum Ausdruck kommen als in der Entscheidung über die Verwendung des bereits Erwirtschafteten, zumal nach der republikanischen Konzeption die Eigentumsverwendung nicht etwa allein im Interesse des Bürger vonstatten geht, sondern der Bürger die Eigentumsdisposition, aber auch die Gestaltung anderer Handlungsalternativen im Einklang von bürgerlicher Rechtlichkeit und bürgerlicher Pflichtigkeit vornimmt. Unter der Prämisse, dass das Verhältnis von Bürger und Staat in seiner material-ökonomischen Dimensionalität in einer prozentualen Steuerbelastung kondensiert werden kann, formt das republikanische Privatheitsprinzip in seiner Vorrangigkeit die Steuerobergrenze dergestalt1644, dass dem Bürger von den Eigentumspositionen auch nach der Dispositionsentscheidung im Grundsatz mehr als die Hälfte, jedenfalls mindestens die Hälfte seines privaten Eigentums zu verbleiben hat1645. 5. Einbeziehung aller Steuern aufgrund der Schutzintention des privaten Bürgers im Steuerstaat Obige Begründungsversuche für eine Einbeziehung der Umsatzsteuer, aber auch anderer indirekter Steuern, in eine steuerverfassungsrechtliche Halbteilungsgrenze lassen sich mit dem grundsätzlichen Schutzgedanken komplettieren, den Verfassungsgeber und Verfassungsrichter mit der Eigentumsgewährleistung des Art. 14 GG wie auch mit dem republikanischen Grundprinzip bürgerlich-freier Privatheit, verfolgen. Akzeptiert man die Existenz einer steuerverfassungsrechtlichen Belastungsobergrenze, auch in ihrer Dimension der Hälftelung, wäre es äußerst inkonsequent, diese beispielsweise nur auf die Belastung des pflichtigen Bürgers mit Ertragsteuern zu beziehen. Eine Belastungslinie, die 1641 Zu diesem Vermögensverständnis K. A. Schachtschneider, Das Recht am und das Recht auf Eigentum, in: FS W. Leisner, S. 749 f.; vgl. z. B. auch P. Kirchhof, Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), S. 234 ff., insb. Fn. 67, S. 235. 1642 Dazu deutlich für alle steuerlichen Lasten, zugleich auf die material-ökonomischen Notwendigkeiten hinweisend, K. A. Schachtschneider, Umsatzbesteuerung der Mineralölsteuer, S. 53: „Der Staat nimmt . . . Lebensmöglichkeiten, indem er . . . besteuert.“ 1643 Vgl. hierzu 2. Kap., V., 3., auch 2. 1644 Siehe zu diesem Begründungsansatz ausführlich oben 2. Kap., V. 1645 Zur Umsetzung dieser Vorgabe in der Besteuerungspraxis vgl. im Folgenden, insb. III.

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auf direkte Steuern beschränkt wird, böte keinen verlässlichen Schutz für den steuerpflichtigen Bürger1646. Schließlich könnte der Steuergesetzgeber eine solche Steuerbegrenzung ohne weiteres umgehen, indem er z. B. eine verfassungsseitig gebotene Senkung der Einkommensteuer durch eine Erhöhung der Umsatzsteuer kompensiert oder sogar überkompensiert1647. Diese Ausweichstrategie könnte in nahezu grenzenloser Beliebigkeit seitens des Fiskus verfolgt werden, so dass bereits aus diesen Überlegungen heraus nur eine Verfassungsbeschränkung der kumulierten Gesamtsteuerlast zielführend erscheint. Immerhin definiert sich die steuerliche Belastung des Bürgers, sei es nun in seiner material-ökonomischen, in seiner psychologischen oder auch in seiner steuerrechtlichen Wahrnehmung, stets in einer ihm durch den Fiskus auferlegten Gesamtlast – warum ausgerechnet die Belastung durch indirekte Steuern, primär sicherlich die Umsatzsteuerlast als eine der Hauptlasten des steuerbürgerlichen Daseins, aus dem verfassungsrechtlich relevanten Halbteilungskanon ausgeblendet werden sollte, erschließt sich nicht. II. Summe aller Steuerlasten als sachgerechte Bemessungsgrundlage des verfassungsrechtlichen Halbteilungsprinzips Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass für die Ermittlung der Bemessungsgrundlage des Halbteilungsprinzips alle Steuern herangezogen werden müssen, mit denen der steuerstaatliche Gesetzgeber den republikanischen Steuerbürger unmittelbar, gegebenenfalls sogar mittelbar belastet. Nur so kann nicht nur dem Schutzgedanken der Privatnützigkeit des Eigentums Rechnung getragen werden, wie ihn offensichtlich das Bundesverfassungsgericht in seiner Halbteilungsjudikatur verfolgt hat, sondern vor allem das menschheitliche Privatheitsprinzip als elementare Facette republikanischer Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit in der Wirklichkeit des Steuerstaates umgesetzt werden. Sämtliche Steuern erweisen sich formal wie erst recht material-ökonomisch als Signalflaggen des Staates für den Bürger in den Gewässern der Privatheit. Folgerichtig ist z. B. Tipke1648 beizupflichten, wenn er formuliert: 1646 Vgl. H. List, Der Halbteilungsgrundsatz und der Bundesfinanzhof – ein Missverständnis?, BB 2000, S. 748; allgemein auch K. Tipke, Über die Grenzen der Vermögensteuer. Zugleich Besprechung des BVerfG-Beschlusses vom 22.6.1995, GmbHR 1996, S. 13. 1647 I. d. S. z. B. H.-W. Arndt/A. Schumacher, Die verfassungsrechtlich zulässige Höhe der Steuerlast – Fingerzeig des BVerfG an den Gesetzgeber?, NJW 1995, S. 2605; dogmatisch auch K. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. II, S. 530; a. A. M. Jachmann, Steuergesetzgebung zwischen Gleichheit und wirtschaftlicher Freiheit, S. 157, die eine solche Gefahr der faktischen Aushebelung des Halbteilungsgrundsatzes offensichtlich nicht sieht. 1648 Über die Grenzen der Vermögensteuer. Zugleich Besprechung des BVerfG-Beschlusses vom 22.6.1995, GmbHR 1996, S. 13.

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„Meines Erachtens wäre jede Beschränkung der Belastungsgrenze auf bestimmte Steuern inkonsequent. Zum Belastungsexzess tragen alle Steuern bei.“

Noch ausführlicher für eine Erfassung aller Steuern – seien es direkte oder indirekte Steuern, Steuern auf die Einkommenserzielung, auf das Vermögen oder die Einkommensverwendung – in den Geltungsbereich des Halbteilungsprinzips votiert Arndt 1649: „Schließlich resultiert die Belastung des Steuerpflichtigen durch die Besteuerung nur aus einer Addition sämtlicher Steuerarten, insbesondere auch der indirekten Steuern. . . . Für den Bürger ist ausschlaggebend, welche Güter und Dienstleistungen er durch Verwendung seines Nettoeinkommens erwerben kann und nicht, auf welche Steuerarten die Gesamtsteuerlast, die diese Verwendungsmöglichkeiten einschränkt, im einzelnen verteilt ist.“

Letztlich kann eine steuerverfassungsrechtliche Belastungsobergrenze in ihrer Konstruktionslogik nur auf eine solche Größe Bezug nehmen, die in ihrer Gesamtheit den steuerpflichtigen Bürger belastet. Folglich erschließt sich die privatheitsgefährdende Steuerbelastung jedes Bürgers nur in der Gesamtheit aller Lasten, die ihm der Steuergesetzgeber auf welchen Wegen auch immer auferlegt. Geht man von der Intention des Halbteilungsprinzips aus, das in seinem Begründungsumfang noch über den Halbteilungsspruch des Verfassungsgerichts hinausgehen mag, kann nur eine umfassende Berücksichtigung aller steuerlichen Geldleistungspflichten die Gesamtlast des Bürgers quantifizieren1650, an die dann die Maßstäbe des Halbteilungssatzes anzulegen sind. Steuersystematisch ist mit der Besteuerung des Eigentumserwerbs, des Eigentumsbestandes und der Eigentumsverwendung der gesamte Besteuerungskanon erschöpft1651. Steuertechnisch findet sich dieser Lastenumfang in den Steuern auf das Einkommen und das Vermögen sowie die Verbrauch-, Verkehr- und Aufwandsteuern wieder1652. Da all diese Steuern den zur Steuerzahlung Verpflichteten in seinem Einkommen oder seinem Vermögen, letztlich in seinem Eigentum belasten1653, müssen notwendigerweise alle Steuerarten, auch die indirekten Steuern mit ihren tatsächlichen Belastungsergebnissen, zu einer Gesamtlast kumuliert werden1654, die als Referenzgröße für das Halbteilungspostulat fungiert. Dass die 1649 Konsequenzen für den Gesetzgeber aus den Beschlüssen des Bundesverfassungsgerichts vom 22.6.1995 zur Vermögen- und Erbschaftsteuer, BB 1996, Beilage 7, S. 6. 1650 Vgl. oben. 1651 Stv. für etliche P. Kirchhof, Staatliche Einnahmen, in: HStR, Bd. IV, § 88, Rn. 70. 1652 Ebenda, Rn. 71. 1653 Dazu dogmatisch K. A. Schachtschneider, Umsatzbesteuerung der Mineralölsteuer, S. 52 f. 1654 R. Seer, Der Halbteilungsgrundsatz als Belastungsobergrenze macht Sinn, HB v. 3.11.1999, S. 58, stellt für die Belastungsobergrenze auf die „effektive Gesamtsteuerlast“ des Bürgers ab.

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verfassungsseitig verankerte Gesamtbelastung als Basis der Halbteilungsgrenze nur in einer Kumulation – Leisner1655 thematisiert ein „Summationsdenken“ für die kumulierten Belastungen – der Belastungsergebnisse aller Steuerarten hinreichend zum Ausdruck gebracht werden kann1656, bedarf damit wohl keiner weiteren Erwähnung. III. Maßgebliche Parameter der steuerlichen Halbteilung 1. Nettoertragsgröße als steuerverfassungsrechtliche Bemessungsgrundlage des Halbteilungsgrundsatzes Die Steuergrenze des Halbteilungsgrundsatzes als Abbild des Verhältnisses von Bürger und Staat liefert einen wichtigen Beitrag zur grundsätzlichen Klärung der Lastenverteilung in der Republik1657; insbesondere gilt es, die verfassungsrechtliche Beschränkung für den lastenzuteilenden Fiskus detailliert klarzulegen. In seiner Halbteilungsjudikatur will das Bundesverfassungsgericht neben einer Verortung der Besteuerungssituation für Vermögenseinheiten durch die nicht mehr geltende Vermögensteuer vornehmlich den Steuerzugriff auf das ertragsfähige Vermögen und dessen Ist- oder Soll-Erträge, letztlich auf das Eigentum des Steuerbürgers, in der Nähe einer hälftigen Teilung zwischen privater und öffentlicher Hand begrenzen1658. Um diese steuerverfassungsrechtliche Obergrenze quantitativ fassen zu können, muss bekannt sein, auf Basis welcher Bemessungsgrößen nur maximal hälftig besteuert werden darf. Nicht nur aufgrund des Halbteilungsspruches, in dem die Verfassungsdiskussion über die Fixierung des maximalen Steuerzugriffs auf Ertragsgrößen, allen voran das Einkommen, geführt wird, sondern auch mit Blick auf die zentrale Stellung der Ertragsbesteuerung im deutschen Steuersystem1659, soll den ertragsabbildenden Besteuerungsgrößen – auch exemplarisch für die anderen Steuerarten – beson1655

Steuer- und Eigentumswende – die Einheitswert-Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts, NJW 1995, S. 2593. 1656 Eine Sonderrolle im Konzert der zu kumulierenden Steuerarten muss die Erbschaft- und Schenkungsteuer einnehmen. Dazu mehr im Folgenden. 1657 Für diesen Zusammenhang P. Kirchhof, Steuergleichheit, StuW 1984, S. 297. 1658 Siehe BVerfGE 93, 121 (LS 3). 1659 Nicht nur in ihrer rechtssystematischen Positionierung, sondern auch in ihrem Finanzierungsbeitrag für die öffentlichen Haushalte steht die Einkommensteuer an der Spitze; überdies dürfte die Einkommensteuer diejenige Steuer sein, die den steuerpflichtigen Bürger typischerweise am stärksten und am unmittelbarsten (be-)trifft. So verteilte sich in 2003 das Steueraufkommen (ausgewählte Steuern in Mio A; Quelle: BMF) wie folgt: Einkommensteuer (Lohnsteuer, veranlagte Einkommensteuer, nicht veranlagte Steuern vom Ertrag, Zinsabschlag): 162.232; Umsatzsteuer (einschl. Einfuhrumsatzsteuer): 138.195; Mineralölsteuer: 42.192; Gemeindesteuern (Gewerbesteuer, Grundsteuer, sonst. Gemeindesteuern): 33.447; Tabaksteuer: 13.778; Versicherungssteuer: 8.326; Kraftfahrzeugsteuer: 7.591; Stromsteuer: 5.096; Grunderwerbsteuer: 4.837,70; Erbschaft- und Schenkungsteuer: 3.020; Körperschaftsteuer (nach

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dere Aufmerksamkeit gewidmet werden. Zudem erlaubt zumindest im Korsett des derzeitigen Steuerrechts die fiskalische Anknüpfung an Einkommens- oder Ertragsgrößen, wie sie im Einkommen-, Gewerbe- oder auch Körperschaftsteuerrecht vonstatten geht, größtmögliche Belastungsvariationen seitens des Steuerstaates und offeriert mit den Parametern Bemessungsgrundlage und Steuersatz zwei zentrale Stellschrauben der Besteuerung1660. Die maßgebenden Bezugsgrößen des Halbteilungssatzes müssen offensichtlich Einkommens- oder Ertragsgrößen sein, ohne auf dem Weg zur Ermittlung der individuellen Gesamtbelastungsgröße andere Belastungstypen auszublenden1661. Eine Orientierung an Roherträgen oder Bruttoeinnahmen ist a priori auszuschließen, da sie weder die steuerstaatliche Wirklichkeit der Republik wiedergibt noch den Ansprüchen des Steuerverfassungsrechts genügt1662. Eine solche Bruttobetrachtung wäre mit einem der großen Grundprinzipien des Steuerverfassungsrechts, dem Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit, nicht zu vereinbaren1663. Wenn bei der Ertragsbesteuerung in der Bemessungsgrundlage Abzug der Erstattungen des Bundesamtes für Finanzen): 2.864; Branntweinsteuer: 2.149. 1660 Vor allem die Einkommensteuer ist nicht nur die ergiebigste Steuer, sondern auch zusammen mit der Körperschaftsteuer die Steuer mit der höchsten „automatischen Anpassungsfähigkeit an die jeweilige wirtschaftliche Lage“; so J. Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 9, Rn. 3; grundlegend dazu F. Neumark, Grundsätze gerechter und ökonomisch rationaler Steuerpolitik, 1970, S. 283 ff. (Grundsatz der aktiven Flexibilität), S. 295 ff. (Grundsatz der passiven Flexibilität); zu diesem Aspekt der Einkommensteuer z. B. auch J. Stiglitz/B. Schönfelder, Finanzwissenschaft, 1989 (Nachdruck 1996), S. 413 ff. 1661 Technisch zur Ermittlung der individuellen Gesamtsteuerlast z. B. G. Rose, „In der Nähe einer hälftigen Teilung“ – Erste quantifizierende Überlegungen zur Vermögensteuer-Entscheidung des BVerfG vom 22.6.1995, DB 1995, S. 1879 f., der in den von ihm eingesetzten Methoden der Belastungsfeststellung – traditionelle Veranlagungssimulation vs. Teilsteuerrechnung – auch die Belastungskomponenten Gewerbesteuer und (damals noch gültige) Vermögensteuer berücksichtigt. 1662 Vgl. etwa H.-W. Arndt, Konsequenzen für den Gesetzgeber aus den Beschlüssen des Bundesverfassungsgerichts vom 22.6.1995 zur Vermögen- und Erbschaftsteuer, BB 1996, Beilage 7, S. 3; G. Felix, Zur steuerlich gemäßigten Belastungsobergrenze – Steine statt Brot vom BVerfG ?, NJW 1996, S. 703; O. Geißler, Der Unternehmer im Dienste des Steuerstaats, S. 173; M. Fleischmann, Ist die derzeitige Steuerbelastung noch mit dem „Halbteilungsgrundsatz“ vereinbar?, DB 1998, S. 1486 f.; G. Rose, Zum Anspruch auf Erlass von „Übermaß-Steuern“ und zu seiner Durchsetzung, DB 1995, S. 2387; ders., Der Steuer-Plafondierungsbefehl des Bundesverfassungsgerichts und seine Durchsetzung, DB 1997, S. 497 f.; ders., Überlegungen zur Realisierung des Halbteilungsgrundsatzes, StuW 1999, S. 15; R. Seer, Der sog. Halbteilungsgrundsatz als verfassungsrechtliche Belastungsobergrenze der Besteuerung, FR 1999, S. 1289; ders., Verfassungsrechtliche Grenzen der Gesamtbelastung von Unternehmen, DStJG 23 (2000), S. 121; K. Tipke, Über die Grenzen der Vermögensteuer. Zugleich Besprechung des BVerfG-Beschlusses vom 22.6.1995, GmbHR 1996, S. 13; ders., Über Vermögensteuer-Ungerechtigkeit, in: FS Ritter, S. 600. 1663 Vgl. D. Birk, Gleichheit und Gesetzmäßigkeit der Besteuerung. Zum Stellenwert zweier Grundprinzipien in der Steuerreform, StuW 1989, S. 216; umfassend

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die Aufwendungen des pflichtigen Bürgers für die Ergebniserzielung nicht berücksichtigt werden, würde in letzter Konsequenz bei gleich hohen Einnahmen derjenige Steuerpflichtige schlechter gestellt, dessen Erträge nur mit größerem Aufwand zu erzielen sind1664. Um eine realitätsgerechte Aussage über das Besteuerungsobjekt liefern zu können, müssen ertrags- oder auch substanzmindernde Parameter, die die zu versteuernde Größe schmälern, zwingend einbezogen werden1665. Der Einkommensteuergesetzgeber definiert in § 4 Abs. 4 EStG mit den Betriebsausgaben die durch den Betrieb veranlassten Erwerbsaufwendungen, während er in § 9 Abs. 1 EStG Werbungskosten als ergebnismindernde Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung von Einnahmen nennt1666. Im Grundsatz verders., Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Maßstab der Steuernormen. Ein Beitrag zu den Grundfragen des Verhältnisses Steuerrecht und Verfassungsrecht, Köln 1983, passim; K. Tipke, Über „richtiges Steuerrecht“, StuW 1988, S. 274; R. Wendt, Empfiehlt es sich, das Einkommensteuerrecht zur Beseitigung von Ungleichbehandlungen und zur Vereinfachung neu zu ordnen?, DÖV 1988, S. 719; grundlegend P. Kirchhof, Staatliche Einnahmen, in: HStR, Bd. IV, § 88, Rn. 117. Vgl. auch zum Leistungsfähigkeitsprinzip 2. Teil, 3. Kap., IV. 1664 So zutreffend O. Geißler, Der Unternehmer im Dienste des Steuerstaats, S. 173 f. 1665 Grundlegend zum objektiven Nettoprinzip der Einkommensteuer H. WeberGrellet, Die Bedeutung der Rechtsnatur des Steuerrechts für dessen Anwendung und Auslegung, StuW 1993, S. 97 ff.; H. Söhn, Betriebsausgaben, Privatausgaben, gemischte Aufwendungen. Entwicklung einer einkommensteuerrechtlichen Kausaltheorie am Beispiel umstrittener Abgrenzungsfälle, wie PKW-Unfallkosten, Aufwendungen für Telefon, Reisen, Fachtagungen, Arbeitszimmer, DStJG 3 (1980), S. 18; H. G. Ruppe, Die Abgrenzung der Betriebsausgaben/Werbungskosten von den Privatausgaben, DStJG 3 (1980), S. 103, 105 ff., 144 ff.; J. Lang, Verfassungsmäßigkeit der rückwirkenden Steuerabzugsverbote für Geldstrafen und Geldbußen. Ein Beitrag zur Anwendung des Gleichheitssatzes und der Rückwirkungsverbote nach Art. 20 III, 103 II GG auf Vorschriften, die das Leistungsfähigkeitsprinzip durchbrechen, StuW 1985, S. 16; ders., Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, S. 60 ff., 183 ff.; O. Zugmaier (in Fortführung der Kommentierung von A. Raupach/M. Schenking), in: C. Herrmann/ G. Heuer/A. Raupach (Hrsg.), Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, 2004, § 2, Rn. 503; G. Söffing, Verletzung des Nettoprinzips, StbJb 1988/89, S. 121; H.-W. Arndt/A. Schumacher, Einkommensbesteuerung und Grundrechte, AÖR 118 (1993), S. 520 ff.; K. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. II, S. 591 ff.; F. Klein, Zur Frage der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit von Einschränkungen des objektiven Nettoprinzips, dargestellt an § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 1 EStG, DStZ 1995, S. 630; steuertechnisch z. B. K. Tipke, Bezüge und Abzüge im Einkommensteuerrecht, StuW 1980, S. 1 ff. 1666 Vgl. z. B. BFH, BStBl. II 1979, 550 (551); 1980, 75 (76); 1981, 368 (369); 1981, 510 (513). Von den erwerbssichernden Aufwendungen sind die existenzsichernden Aufwendungen zu unterscheiden. Auch wenn die existenzsichernden Aufwendungen steuerlich nicht belastet werden dürfen, vermindern sie nicht die steuermaßgebliche Ertragsgröße. Auch aufgrund der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts – in jüngerer Zeit z. B. BVerfGE 99, 246 (258) – ist das Existenzminimum von der Besteuerung freizustellen; der unmittelbare Bezug zum ertragsverbundenen Aufwand lässt sich jedoch nicht herstellen, so dass die Bemessungsbasis der Halbteilungsvorgabe um diese Posten nicht reduziert werden darf. So schlüssig O. Geißler, Der Unter-

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mindern alle im Zusammenhang mit steuerbaren Einnahmen stehenden Aufwendungen die Bemessungsgrundlage in voller Höhe1667. Die Abzugsgrößen für die Ermittlung der Halbteilungsbemessung und die vom Gesetzgeber vorgesehenen einkommen- oder auch gewerbe- und körperschaftsteuerlichen Abzugsbeträge müssen nicht identisch sein. So sieht auch das steuerverfassungsrechtliche Nettoprinzip nicht zwingend den Abzug aller unmittelbar oder mittelbar mit der Einnahmenerzielung verknüpften Aufwendungen vor, sondern postuliert im Einklang mit dem steuerlichen Leistungsfähigkeitsprinzip die Abzugsmöglichkeit aller notwendigen und angemessenen Erwerbsaufwendungen. In der Steuerpraxis dürfte dies regelmäßig mit den vom Steuergesetzgeber vorgesehenen, von der Steuerverwaltung anerkannten oder von der Steuerrichterschaft bestätigten Möglichkeiten zur Minderung der Bemessungsgröße Ertrag übereinstimmen1668. Insbesondere für die in den Steuergesetzen verankerten Abzugsoptionen ist nach der republikanischen Gesetzlichkeitsvermutung zu erwarten, dass sie dem allgemeinen Gesetz entsprechen, also praktisch vernünftig, richtig und gerecht

nehmer im Dienste des Steuerstaats, S. 176; i. d. S. auch M. Jachmann, Steuergesetzgebung zwischen Gleichheit und wirtschaftlicher Freiheit, S. 55; R. Seer, Der sog. Halbteilungsgrundsatz als verfassungsrechtliche Belastungsobergrenze der Besteuerung, FR 1999, S. 1290; ders., Verfassungsrechtliche Grenzen der Gesamtbelastung von Unternehmen, DStJG 23 (2000), S. 123; a. A. H.-W. Arndt, Konsequenzen für den Gesetzgeber aus den Beschlüssen des Bundesverfassungsgerichts vom 22.6.1995 zur Vermögen- und Erbschaftsteuer, S. 4; H. Butzer, Freiheitsrechtliche Grenzen der Steuer- und Sozialabgabenlast, S. 93; H. Feldmann, Konstitutionelle Begrenzung der Steuerbelastung, StuW 1998, S. 118; M. Fleischmann, Ist die derzeitige Steuerbelastung noch mit dem „Halbteilungsgrundsatz“ vereinbar?, DB 1998, S. 1486; L. Schemmel, Zur Aufnahme des Leistungsfähigkeitsprinzips und anderer Grenzen für den Steuerstaat in das Grundgesetz, StuW 1995, S. 55; K. Tipke, Über die Grenzen der Vermögensteuer. Zugleich Besprechung des BVerfG-Beschlusses vom 22.6.1995, GmbHR 1996 S. 13; auch ders., Über Vermögensteuer-Ungerechtigkeit, in: FS Ritter, S. 600. Für eine solche Trennung von existenz- und erwerbssichernden Aufwendungen spricht auch die Systematik des Einkommensteuerrechts, das die erwerbssichernden Aufwendungen als Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben von einer Bruttoertragsgröße abzieht, während existenznotwendige Aufwendungen lediglich als Sonderausgaben und außergewöhnliche Belastungen die Bemessungsgrundlage für das zu versteuernde Einkommen mindern. 1667 A. A. z. B. P. Kirchhof, Empfiehlt es sich, das Einkommensteuerrecht zur Beseitigung von Ungleichbehandlungen und zur Vereinfachung neu zu ordnen?, Gutachten für den 57. DJT, S. F 43; R. Wendt, Empfiehlt es sich, das Einkommensteuerrecht zur Beseitigung von Ungleichbehandlungen und zur Vereinfachung neu zu ordnen?, DÖV 1988, S. 720, die Aufwendungen für Erwerb, Erhaltung und Verbesserung einer Erwerbsgrundlage nicht der ertragsorientierten Nutzung von Eigentum oder Arbeitskraft zuordnen und insoweit die Abzugsfähigkeit dieser Aufwendungen in Frage stellen. 1668 Vgl. z. B. T. Stapperfend, in: C. Herrmann/G. Heuer/A. Raupach (Hrsg.), Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, 2004, § 4, Rn. 703, 753 ff. u. ö.; V. Kreft, in: C. Herrmann/G. Heuer/A. Raupach (Hrsg.), Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, 2004, § 9, Rn. 1 ff., 6 ff.; U. Prinz, in: C. Herrmann/G. Heuer/A. Raupach (Hrsg.), Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, 2004, § 9, Rn. 60 ff., 115 ff.

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sind1669, so dass das Ertragspotential des steuerpflichtigen Bürgers als Ausgangsgröße um diese Aufwandsgrößen zu vermindern ist, um eine sachgerechte Anknüpfungsbasis für das steuerverfassungsrechtliche Halbteilungspostulat bilden zu können1670. 2. Lastenminderung durch staatliche Unterstützungsleistungen Das Verhältnis von Bürger und Staat in der steuerstaatlichen Republik ist geprägt von stetigem Geben und Nehmen1671. Einerseits schöpft der Fiskus mit dem Steuerzugriff bei jedem Steuerpflichtigen ab, andererseits lässt er so manchem Bürger in der republikanischen Gemeinschaft diverse Leistungen und Wohltaten zukommen. Die Halbteilungslast lässt sich korrekt nur ermitteln, wenn neben den ergebnismindernden Aufwendungen und ähnlichen Größen, die ohne Zweifel die Bemessungsbasis schmälern und somit das Belastungsergebnis verringern, auch diejenigen Parameter berücksichtigt werden, die in ihrem Unterstützungseffekt zu einer Entlastung des pflichtigen Bürgers führen, in einer summarischen Betrachtung also Belastungswirkungen umkehren oder teilweise, möglicherweise sogar vollständig kompensieren1672. Neben der Schaffung und Bereitstellung öffentlicher Infrastrukturen, der Gewährleistung öffentlicher Ordnung und Sicherheit, der Daseinsvorsorge im engeren Sinne und ähnlichen öffentlichen Aufgaben unterstützt der Staat in seiner sozialprinzipiellen Verantwortung Bürger, aber auch Unternehmen im republikanischen Gemeinwesen durch konkrete Leistungen1673. Fraglich ist nun, ob und inwieweit Transferzahlungen, wie sie typischerweise private Bürger erhalten, 1669 Zur Bedeutung der allgemeinen Gesetzlichkeit für die Richtigkeitsvermutung eines Gesetzes vgl. K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 560 ff., 584 ff., 936 ff. u. ö.; auch ders., Freiheit in der Republik, 11. Kap. 1670 Deutlich hierfür z. B. G. Felix, Zur steuerlich gemäßigten Belastungsobergrenze – Steine statt Brot vom BVerfG?, NJW 1996, S. 703 f.: „Wenn brutto statt netto judiziert worden ist, hat der Steuerbürger Steine statt Brot erhalten“. Überdies kann mit der konsequenten Orientierung am Nettoprinzip etwaigen Bestrebungen des Fiskus begegnet werden, eine verbindliche Halbteilungsgrenze in Form eines Höchststeuersatzes durch eine Verbreiterung der Bemessungsgrundlage zu kompensieren. 1671 Diese Dualität entspricht der Wirklichkeit des modernen Finanzstaates, aber auch dem republikanischen Sozialprinzip in seiner Grundanlage, das dem Bürger gleichermaßen Rechte und Pflichten sich selbst und der Allgemeinheit gegenüber zuweist. Vgl. hierzu grundlegend K. A. Schachtschneider, Das Sozialprinzip, passim; grundsätzlich auch ders., Res publica res populi, S. 1 ff., 253 ff. (insb. S. 259 ff.) u. ö.; zum Verständnis auch ders., Freiheit in der Republik, 4. Kap.; ausführlicher bereits oben, 4. Teil. 1672 Kompetent und umfassend zu diesem Themenkomplex O. Geißler, Der Unternehmer im Dienste des Steuerstaats, S. 176 ff. 1673 Näher etwa J. Isensee, Gemeinwohl und Staatsaufgaben im Verfassungsstaat, in: HStR, Bd. III, § 57, Rn. 29 ff., 90 ff., 132 ff., 165 ff.; H. F. Zacher, Das soziale Staatsziel, in: HStR, Bd. I, § 25, Rn. 27 ff., 32 ff., 40 ff., 48 ff.

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oder Subventionen, die üblicherweise Unternehmen gewährt werden, die Ertragsbasis, also die halbteilungsrelevante Bemessungsgrundlage der jeweiligen Leistungsempfänger, erhöhen. Grundsätzlich setzt dies eine direkte Zurechenbarkeit der Leistungen bei dem jeweiligen Empfänger voraus, öffentliche Leistungen für die Allgemeinheit sind also zu vernachlässigen. Individuelle Leistungen des Staates für den Steuerpflichtigen, mit denen seine nichtselbständige Arbeit, eine unternehmerische Teilnahme am Marktgeschehen oder andere ertragsgerichtete, wirtschaftliche Tätigkeiten unterstützt werden, erhöhen dessen Eigentum im Sinne der Summe seiner Möglichkeiten1674 und steigern sein Ertragspotential, sind also der zu teilenden Bemessungsbasis hinzuzurechnen. Die lastenmindernde Berücksichtigung von Subventionen, wie z. B. der Investitionszulage und ähnlichen Hilfsangeboten des Staates, bei der Fixierung des Halbteilungsvolumens erschließt sich über die innere Verbindung, den Konnex mit der Ertragsquelle, über die (künftige) Einnahmen zu erzielen sind1675. Da der Fiskus auf diese Einnahmen zugreift oder zugreifen wird und somit die Halbteilungsgrenze zum Schutz des Steuerpflichtigen in Stellung gebracht werden kann, ist es nur konsequent, dass Leistungen des Staates an den steuerpflichtigen Bürger in ihrer summarischen Aufrechnung die Gesamtlast des Bürgers entsprechend mindern1676. Daher erhöhen reine Sozialleistungen, wie etwa Wohngeld, Kindergeld oder Erziehungsgeld das zwischen Bürger und Staat hälftig zu Teilende nicht. Der republikanische Steuerstaat fördert aus wirtschafts-, sozial- oder gesellschaftspolitischen Erwägungen seine Steuerbürger, seien es private Haushalte oder Unternehmen, auch durch indirekte Steuersubventionen, im Ergebnis also durch Steuervergünstigungen1677. Oftmals unter Durchbrechung des Leistungsfähigkeitsprinzips werden Steuerpflichtige bevorzugt und können beispielsweise durch von der Norm abweichende Bewertungs- und Abschreibungsregelungen

1674 Zu diesem Eigentumsverständnis K. A. Schachtschneider, Das Recht am und das Recht auf Eigentum, in: FS W. Leisner, S. 744 ff., ohne dass die Summe aller Möglichkeiten des Bürgers mit dessen Handlungsmöglichkeiten gleichzusetzen wäre; grundlegend dazu ders., Freiheit in der Republik, 10. Kap.; siehe auch oben, 5. Teil, I., auch II. 1675 So M. Jachmann, Steuergesetzgebung zwischen Gleichheit und wirtschaftlicher Freiheit, S. 55. 1676 Sinngemäß z. B. H.-W. Arndt/W. Schumacher, Die verfassungsrechtlich zulässige Höhe der Steuerlast – Fingerzeig des BVerfG an den Gesetzgeber?, NJW 1995, S. 2605, wenn sie das tatsächliche „Nettoeinkommen“ des Steuerbürgers thematisieren; ähnlich, aber noch deutlicher z. B. K. Tipke, Über die Grenzen der Vermögensteuer. Zugleich Besprechung des BVerfG-Beschlusses vom 22.6.1995, GmbHR 1996, S. 13. 1677 Vgl. den Überblick bei J. Lang, in: K. Tipke/J. Lang (Hrsg.), Steuerrecht, 17. Aufl., 2002, § 19, auch § 20; grundlegend zur Steuervergünstigung in seiner Vorteilhaftigkeit z. B. M. Schaden, Die Steuervergünstigung als staatliche Leistung. Finanzverfassung und Gleichheitssatz, 1998, passim.

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die individuelle Bemessungsgrundlage der sie belastenden Besteuerung mindern1678. Selbst wenn der Steuerzugriff nicht dauerhaft ausgesetzt, sondern nur zeitlich verschoben wird, kann es nicht zuletzt aufgrund von Zins- und Progressionseffekten zu wirtschaftlichen Vorteilen für den Steuerpflichtigen kommen; derartige Steuervergünstigungen sind in ihren Auswirkungen grundsätzlich auf die maßgeblichen Anknüpfungsgrößen für die hälftige Teilung anzurechnen1679. In einigen Fällen erklärt der Steuergesetzgeber an sich steuerbare Einnahmen für steuerfrei1680 und verzichtet auf deren Besteuerung1681. Trotz der objektiven 1678 Zur Rechtfertigung von Steuervergünstigungen als „Sozialzwecknormen“ des Steuerrechts stv. für viele J. Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 4, Rn. 124 ff.; näher z. B. M. Jachmann, Steuerrechtfertigung aus der Gemeinwohlverantwortung, DStZ 2001, S. 225 ff. (m. zahlr. Hinw.); zur verfassungsrechtlichen Diskussion grundlegend etwa K. H. Friauf, Verfassungsrechtliche Grenzen der Wirtschaftslenkung und Sozialgestaltung, 1966; ders., Steuervereinfachung vs. Lenkungsnormen, DStJG 21 (1998), S. 85 ff.; P. Selmer, Steuerinterventionismus und Verfassungsrecht, 1972; wesentlich auch K. Vogel, Begrenzung von Subventionen durch in ihren Zweck, in: R. Stödter/W. Thieme (Hrsg.), Hamburg – Deutschland – Europa, Festschrift für Hans Peter Ipsen zum 70. Geburtstag, 1977, S. 539 ff.; zum Thema z. B. auch J. Hey, Abbau von Direktinvestitionen und Steuervergünstigungen – verfassungsrechtliche terra incognita, StuW 1998, S. 298 ff.; systematisch R. Wernsmann, Verfassungsrechtliche Anforderungen an die Einführung und Ausgestaltung von Steuervergünstigungen, NJW 2000, S. 2078 ff. 1679 I. d. S. G. Rose, Überlegungen zur Realisierung des Halbteilungsgrundsatzes, StuW 1999, S. 15; E. Schmidt, Nicht nur Definitionsprobleme beim Halbteilungsgrundsatz, FR 1998, S. 944; H.-P. Schneider, Der Halbteilungsgrundsatz – Folgerungen für die Praxis, Stbg 1997, S. 200; R. Seer, Der sog. Halbteilungsgrundsatz als verfassungsrechtliche Belastungsobergrenze der Besteuerung, FR 1999, S. 1290; ders., Verfassungsrechtliche Grenzen der Gesamtbelastung von Unternehmen, DStJG 23 (2000), S. 122; sinngemäß wohl auch K. Tipke, Über Vermögensteuer-Ungerechtigkeit, in: FS Ritter, S. 601. Die These einer Einbeziehung von Steuervergünstigungen in die Bemessungsgröße der Halbteilung wird noch untermauert, wenn man sich vor Augen führt, dass Steuervergünstigungen nicht beliebig gewährt werden können, selbst in ihrer Vorteilswirkung also den Grenzen der Verfassung unterliegen; allgemein dazu K. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. I, S. 861 ff. (m.w. N.), der zumindest das Übermaßverbot aktiviert sieht; dazu z. B. K. H. Friauf, Verfassungsrechtliche Grenzen der Wirtschaftslenkung und Sozialgestaltung durch Steuergesetze, 1966, S. 33 ff.; wichtig etwa K. Vogel, Begrenzung von Subventionen durch ihren Zweck, in: FS Ipsen, S. 548, 553. 1680 § 3 EStG nennt rund 60 steuerfreie Einnahmepositionen. Grundlegend zu den steuerfreien Einkünften z. B. J. Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 9, Rn. 130 ff.; auch H.-J. v. Beckerath, in: Kirchhof, EStG, § 3, Rn. 1 ff.; P. Handzik, in: E. Littmann/H. Bitz/H. Pust (Hrsg.), Einkommensteuergesetz, Kommentar, 15. Aufl., 2004, Rn. 30 ff.; durchaus kritisch zu § 3 als „konzeptionslose und daher auch unsystematische Sammlung steuerfreier Leistung“, die „in wirrer Folge ohne jeden Ordnungsfaktor eine Reihe von . . . Einnahmen, Einkünften . . . und Vermögensmehrungen . . . von der Besteuerung“ freistellt, W. Bergkemper, in: C. Herrmann/G. Heuer/A. Raupach (Hrsg.), Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, 2004, § 3 Allg., Rn. 2 f. (Zitat Rn. 2). 1681 Zur Gleichheitswidrigkeit der Steuerbefreiung von Einkünften grundlegend z. B. P. Kirchhof/K. Althoefer/H.-W. Arndt/P. Bareis et al., Karlsruher Entwurf zur Reform des Einkommensteuergesetzes, 2001, S. 19 ff., 59 f.

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Steuerbefreiungen für etliche Einnahmepositionen1682 entspringen diese Erträge einer privatheitlichen Teilnahme des Bürgers am marktlichen Wirtschaftsgeschehen und sind auf dieser Grundlage prinzipiell hälftig zwischen privater und öffentlicher Hand zu teilen. Die Früchte des Eigentumsgebrauches oder andere privatwirtschaftlich erzielte Erträge, für die der pflichtige Bürger letztlich sein privates Eigentum in welcher Form auch immer ertragbringend genutzt hat, sind also trotz einer Steuerbefreiung durch den Fiskus als Einnahmen in die Bemessungsbasis der steuerverfassungsrechtlichen Halbteilung einzubeziehen1683. 3. Halbteilungsmaßgeblicher Steuersatz Der steuerverfassungsrechtliche Halbteilungsgrundsatz gewährt dem Steuerstaat eine maximal hälftige Partizipationsmöglichkeit an Einkommen und Vermögenserträgen des Bürgers, letztlich an dessen Eigentum. Für die steuerpraktische Umsetzung resultiert aus dieser Vorgabe eine maximale Belastungsquote, nach der die Addition der Belastungszugriffe auf die Soll- und Ist-Erträge einer Betrachtungsperiode – sie spiegeln steuertechnisch das ertragsfähige und ertragbringende Eigentum des Bürgers wider – 50% nicht übersteigen darf, gegebenenfalls sogar unter 50% liegen muss. Angesichts der notwendigen Lastenkumulation über verschiedene Steuerarten hinweg lässt sich das Halbteilungspostulat nicht unhinterfragt in einen Steuersatz von 50%, bezogen auf eine definierte Bemessungsgrundlage, kondensieren1684. Der Halbteilungsgrundsatz, wie ihn bereits Kirchhof 1685 in zahlreichen Schriften sukzessive entwickelt und das Verfassungsgericht in seiner Vermögensteuer-Entscheidung erstmals judi1682 Allein der Terminus Steuerbefreiung spricht dafür, dass solche steuerbefreiten Einnahmen im Grundsatz sehr wohl steuerpflichtig sind und ihre Steuerfreistellung Ausnahmecharakter hat. 1683 Deutlich G. Rose, Überlegungen zur Realisierung des Halbteilungsgrundsatzes, StuW 1999, S. 15; R. Seer, Der sog. Halbteilungsgrundsatz als verfassungsrechtliche Belastungsobergrenze der Besteuerung, FR 1999, S. 1299; ders., Verfassungsrechtliche Grenzen der Gesamtbelastung von Unternehmen, DStJG 23 (2000), S. 124; E. Schmidt, Nicht nur Definitionsprobleme beim Halbteilungsgrundsatz, FR 1998, S. 944; dazu auch O. Geißler, Der Unternehmer im Dienste des Steuerstaats, S. 179 f. 1684 Zu dieser Diskussion z. B. M. Jachmann, Steuergesetzgebung zwischen Gleichheit und wirtschaftlicher Freiheit, S. 77 ff. (m. zahlr. Hinw.). 1685 Dazu z. B. (bereits 1982) Verfassungsrecht und öffentliches Einnahmesystem, in: K.-H. Hansmeyer (Hrsg.), Staatsfinanzierung im Wandel, 1982, S. 43; ders., Die Finanzierung des Leistungsstaats – Die verfassungsrechtlichen Grenzen staatlicher Abgabenhoheit, Jura 1983, S. 510; ders., Die Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit – ein verfassungsrechtliches Problem im Steueralltag, StbKRep 1988, S. 46; ders., Grundlinien des Steuerverfassungsrechts in der Rechtsprechung des BVerfG, StbJb. 1994/95, S. 8 f.; ders., Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Vermögen- und Erbschaftsteuer, Stbg 1996, S. 2; ders., Der Auftrag des Grundgesetzes zur Erneuerung des Steuerrechts, Stbg 1998, S. 389.

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ziert hat, darf nicht als Aufforderung an den Steuergesetzgeber zur Festlegung eines Spitzensteuersatzes der Einkommensteuer von höchstens 50% missverstanden werden1686, auch wenn die Anpassung der Einkommensteuersätze im Falle einer halbteilungswidrigen Überbesteuerung wohl einer der rechtspraktisch gangbarsten Lösungswege wäre. Gleichwohl kommt dem Steuersatz eine substantielle Bedeutung bei der Berechnung der Belastungsobergrenze zu1687, definiert er doch im Zusammenspiel mit der Steuerbemessungsgrundlage den Steuerbetrag, im Ergebnis die Steuerlast, des pflichtigen Bürgers1688. Für die Halbteilungsbetrachtung kann nur auf die durchschnittliche Belastung des gesamten Steuerobjektes, also die kumulierten Ist- und Soll-Erträge, abzustellen sein, nicht jedoch auf die Spitzenbelastung, die die Gesamtsteuerlast als Referenzgröße des Halbteilungspostulats nicht wiedergeben kann1689. Schließlich fragt die Halbteilungsgrenze nach der gesamten steuerlichen Belastung des pflichtigen Bürgers in seinem Einkommen und Vermögen – summarische Größen, deren Belastungsintensität sich nur in einer Durchschnittsbetrachtung erschließt. Somit kann für die Berechnung der Belastungsgrenze im Bereich der Einkommensteuer nicht der Grenz- oder Spitzensteuersatz, sondern nur der sich aus einem progressiven Steuertarif und der Abschnittsbesteuerung ergebende Durchschnittssteuersatz maßgeblich sein1690. Darüber hinaus gibt der Halbteilungssatz nicht nur eine Belastungsquote für die steuerliche Gesamtbelastung vor, sondern begrenzt auch den Fiskalzugriff für jede einzelne privatheitliche Betätigung, die in ihrem wirtschaftlichen Ergebnis der Besteuerung unterworfen ist, auf eine maximal hälftige Teilung1691. 1686 So aber sinngemäß wohl K.-G. Loritz, Der praktische Wert der verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie für die unternehmerische Betätigung, BB 1993, S. 229 f. Gegen den direkten Verstoß eines Spitzensteuersatzes von 53% gegen das Halbteilungsprinzip deutlichst P. Kirchhof in einem öffentlichen Vortrag am 19.9.1995, Zentralverband Haus & Grund (Veranstalter), Vortragsprotokoll, S. 6. („So ist diese Entscheidung selbstverständlich nicht gemeint.“) 1687 Vgl. z. B. D. Dziadkowski, Beachtung des Halbteilungsgrundsatzes führt nicht zur Gerechtigkeitslücke, FR 2000, S. 558. 1688 Zum Steuersatz grundlegend J. Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 7, Rn. 31 ff. 1689 Vgl. K. Tipke, Über die Grenzen der Vermögensteuer. Zugleich Besprechung des BVerfG-Beschlusses vom 22.6.1995, GmbHR 1996, S. 13. 1690 Vgl. O. Geißler, Der Unternehmer im Dienste des Steuerstaats, S. 180; M. Jachmann, Steuergesetzgebung zwischen Gleichheit und wirtschaftlicher Freiheit, S. 53. R. Seer, Der sog. Halbteilungsgrundsatz als verfassungsrechtliche Belastungsobergrenze der Besteuerung, FR 1999, S. 1291; a. A. M. Fleischmann, Ist die derzeitige Steuerbelastung noch mit dem „Halbteilungsgrundsatz“ vereinbar?, DB 1998, S. 1486; wohl auch K.-G. Loritz, Der praktische Wert der verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie für die unternehmerische Betätigung, BB 1993, S. 229. 1691 So deutlich O. Geißler, Der Unternehmer im Dienste des Steuerstaats, S. 181; ebenso bereits M. Jachmann, Steuergesetzgebung zwischen Gleichheit und wirtschaftlicher Freiheit, S. 53. Dass K.-G. Loritz, Der praktische Wert der verfassungsrechtlichen

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Wird beispielsweise ein Veräußerungsvorgang mit einer Steuerbelastung von 50% oder mehr des Nettoergebnisses, also nach Abzug notwendiger und angemessener Aufwendungen, belegt, verstößt dies auch in der isolierten Betrachtung gegen das Halbteilungsprinzip. Der Bürger handelt nicht mehr vorrangig privatnützig1692, er wird seiner grundsätzlichen Privatheit nicht nur in ihrer Ergebnisdimension beraubt1693. Allerdings muss die steuerliche Belastung dieses Vorgangs insgesamt 50% erreichen oder übersteigen; auch bei der steuerverfassungsrechtlichen Prüfung der einzelnen wirtschaftlichen Betätigung auf ihre Vereinbarkeit mit dem Halbteilungspostulat ist ein Durchschnittssteuersatz heranzuziehen. 4. Problem der exakten Quantifizierung der Ertragsteuerlast Auch unter der Prämisse, dass sich die Halbteilungsverpflichtung für den Steuerstaat auf Netto-Ertragsgrößen zu stützen hat, gestaltet sich bereits die exakte Ermittlung der gesamten Ertragssteuerlast eines Steuerbürgers schwierig – und sei es nur in einer typisierenden Herangehensweise. Nicht zuletzt durch wirtschafts- und sozialpolitisch motivierte Lenkungssteuern hat der Staat in der Vergangenheit etliche Möglichkeiten geschaffen, wie Steuerpflichtige dank Sonderausgaben, Sonderabschreibungen und ähnlicher Mechanismen ihr zu versteuerndes Einkommen senken können1694, ohne dass diesen Abzugsmöglichkeiten eine steuersystematische Berechtigung zur Minderung von Bruttoerträgen zuzubilligen wäre. Insbesondere die Bezieher hoher Einkommen profitieren dank des Progressionseffektes außerordentlich stark von solchen Minderungen der Bemessungsgrundlagen und den daraus resultierenden Steuerentlastungen. In jedem Fall führen diese Regelungen des geltenden Steuerrechts wie andere Faktoren auch – man denke nur an etliche Steuerfreistellungen, Steuerfreibeträge und -grenzen – dazu, dass zwar die Belastung des Steuerpflichtigen, beispielsweise auf dem Weg der Veranlagungssimulation berechnet werden kann, die Lastengröße jedoch nicht der steuersystematisch vorgesehenen und angemessenen Belastung des pflichtigen Bürgers entspricht. Auf Ebene des einzelnen Steuerbürgers erweist sich dies auf den ersten Blick als wenig problematisch, da Steuerpflichtige typischerweise dazu neigen, sich ,ärmer zu rechnen‘ als sie in realiter sind, ergo durch den Fiskus geringer belastet werden. Eine GrundsatzbetrachEigentumsgarantie für die unternehmerische Betätigung, BB 1993, S. 229, diese Hälftigkeitgrenze für die einzelne ertragserzielende Tätigkeit bereits vor der Halbteilungsjudikatur des Bundesverfassungsgerichts installieren wollte, erscheint bemerkenswert. 1692 Vgl. ausführlich zu diesem Argument 2. Kap., V., 2. Die Argumentation nimmt z. B. O. Geißler, Der Unternehmer im Dienste des Steuerstaats, S. 181 (m.w. N.), auf. 1693 Für die Privatheitsdiskussion im Kontext des Halbteilungsgrundsatzes sei ausführlicher auf 2. Kap., V., 3., verwiesen. 1694 Siehe den Überblick bei J. Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 19, Rn. 7 f., 16 ff.

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tung allerdings wird durch diese steuertechnischen Gestaltungsoptionen, von der Steuerhinterziehung einmal ganz zu schweigen, deutlich erschwert, verschwimmen doch die Konturen der dem Steuerbürger rechtsgrundsätzlich auferlegten Lasten. Im Ergebnis mag die verfassungsrechtlich relevante Steuerbelastungsgröße von der veranlagten Steuerzahllast abweichen; es steht jedoch jedem Steuerpflichtigen frei, den Nachweis anzutreten, dass er in seinem Einkommen und Vermögen mehr als hälftig belastet wird. Eine genaue Quantifizierung der steuerlichen Belastung unternehmerischer Gewinne gestaltet sich noch schwieriger, obgleich die Halbteilungsanalyse ebenfalls an Nettoergebnissen ansetzen muss, die nach steuerrechtlichen Vorschriften zu ermitteln sind1695. So können beispielsweise relativ hohe tarifliche Grenzsteuersätze durch vergleichsweise günstige Abschreibungsmöglichkeiten für Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens teilweise kompensiert werden. Auch umfangreiche Möglichkeiten zur Bildung erfolgsmindernder Rückstellungen und andere steuerrechtlich zulässige Gestaltungsoptionen führen typischerweise zu einer vergleichsweise günstigen Gewinnermittlung in Deutschland, auf deren Grundlage die außerordentlich hohe Grenzsteuerbelastung merklich abgemildert werden kann1696. Damit seien nur zwei Beispiele für die Schwierigkeiten genannt, die es bei der Ermittlung der wirtschaftlich zutreffenden Gesamtsteuerlast eines Unternehmens zu überwinden gilt. Grundsätzlich will man auf der Suche nach durchschnittlichen Steuerbelastungskonstellationen diesen und ähnlichen Problemstellungen mit verschiedenen, wissenschaftlich durchaus fundierten Modellrechnungen begegnen1697. Allerdings präsentiert sich bereits im nationalen Kontext die richtige Ermittlung der typischen Steuerbelastung eines Unternehmens als diffiziles Unterfangen. Um die Steuerbelastung eines Unternehmens am Standort Deutschland im internationalen Wettbewerb erfassen und vergleichen zu können, bedarf es komplexer internationaler Belastungsvergleiche, die sich in puncto Handhabung und Aussagekraft als noch weniger greifbar erweisen1698. 1695 Dazu z. B. methodisch, wenn auch nicht mehr mit aktuellstem Zahlenmaterial C. Spengel, Die Belastung von Unternehmen mit Steuern und Sozialabgaben in Deutschland, Frankreich und Großbritannien. Eine quantitative Analyse, StuW 1997, S. 217 ff. 1696 Vgl. H. Butzer, Freiheitsrechtliche Grenzen der Steuer- und Sozialabgabenlast, S. 95 f. 1697 Man beachte im Kontext des Halbteilungsgrundsatzes z. B. G. Rose, „In der Nähe einer hälftigen Teilung“ – Erste quantifizierende Überlegungen zur Vermögensteuer-Entscheidung des BVerfG vom 22.6.1995, DB 1995, S. 1879 f., der die Methode der Teilsteuerrechnung im direkten Vergleich zu traditionellen Methoden der Steuerbelastungsfeststellung anbietet. Grundsätzlich zum Thema G. Rose, Die Steuerbelastung der Unternehmung. Grundzüge der Teilsteuerrechnung, 1973. 1698 Auf eine Darstellung und Erörterung der umfassenden Materie nationaler und internationaler Belastungsvergleiche muss aus naheliegenden Gründen verzichtet werden. Wichtig ist an dieser Stelle nur der Hinweis, dass auch Modellrechnungen, Belas-

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5. Keine Berücksichtigung von inflationsbedingten Scheingewinnen Zu den grundlegenden Prinzipien des Steuerrechts zählt das Nominalwertprinzip1699, das die nominale Erfassung von allen Geldgrößen für Zwecke der Besteuerung verankert1700. Es gilt der Grundsatz „Mark = Mark“, in konsequenter Weiterentwicklung angesichts der Währungssituation „Euro = Euro“. Die Nominalwertbesteuerung führt im Fall der Inflation1701 zu einer Besteuerung nomineller Scheingewinne, liegen doch beispielsweise nominale Zinseinkünfte, an denen die Ertragsbesteuerung anknüpft, regelmäßig über deren realem Wert1702. Dieses Problem einer sachgerechten Berücksichtigung der Geldentwertung, beispielsweise in Form einer Bereinigung der Steuerlast in Höhe der volkswirtschaftlichen Inflationsrate, stellt sich beim privaten Steuerpflichtigen, z. B. bei der Besteuerung von Kapitaleinkünften, wie auch im betrieblichen Umfeld1703. tungsvergleiche und ähnliche Instrumente Möglichkeiten sind, sich einer Halbteilungsvorgabe quantitativ zu nähern. 1699 Für das Nominalwertprinzip als Grundprinzip der Republik bereits BVerfGE 13, 331 (340). Statt vieler hierzu H.-J. Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 14, Rn. 184 ff.; zum Nominalwertprinzip, zur Gewinnermittlung nach Maßgabe dieses Prinzips und zum Problem der Besteuerung so genannter „Scheingewinne“ ders., ebenda, Rn. 191 ff.; ausführlicher z. B. K. H. Friauf, Eigentumsgarantie, Geldentwertung und Steuerrecht, StbJb 1971/72, S. 425 ff.; F. Wagner, Kapitalerhaltung, Geldentwertung und Gewinnbesteuerung, 1978; auch P. Gurtner, Inflation, Nominalwertprinzip und Einkommensteuerrecht, 1980; C. Esser, Ertragsbesteuerung und Geldentwertung – das Problem des „Scheingewinns“, IFSt-Schrift Nr. 374, 1999; ergänzend z. B. G. Seicht, Geldentwertung, Gewinnermittlung und Einkommensbesteuerung, in: H.-J. Kleineidam (Hrsg.), Unternehmenspolitik und internationale Besteuerung, Festschrift für Lutz Fischer zum 60. Geburtstag, 1999, passim, insb. S. 207; N. Läufer/G. Reiner, Inflationssteuer, DStZ 1999, S. 764 ff., 810 ff. 1700 Das Bundesverfassungsgericht begründet die Ermittlung der Einkünfte nach dem Nominalwertprinzip mit steuertechnischen und währungspolitischen Erfordernissen. Hierzu z. B. H.-W. Arndt/A. Schumacher, Einkommensbesteuerung und Grundrechte. Zum Einfluss grundrechtlicher Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts auf die Entwicklung der Einkommensbesteuerung in der Bundesrepublik Deutschland, AÖR 118 (1993), S. 542 ff.; J. Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, S. 177 f.; K. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. I, S. 459 f. (m.w. N.). 1701 Die grundsätzliche Frage nach dem Verhältnis von Eigentumsgewährleistung und Geldentwertung, also einem Verlust des Eigentumswertes, wird an dieser Stelle nicht näher erörtert. Dazu näher z. B. K. A. Bettermann, Die Geldentwertung als Rechtsproblem, ZRP 1974, S. 13 ff.; H.-J. Papier, Eigentumsgarantie und Geldentwertung, AöR 98 (1973), S. 528 ff.; zur Diskussion um die Geldwertstabilität, nicht nur mit Blick auf die Eigentumsgewährleistung des Art. 14 GG, W. Hankel/W. Nölling/ K. A. Schachtschneider/J. Starbatty, Die Euro-Klage, passim. 1702 Vgl. zur Besteuerung von Zinseinnahmen etwa BVerfGE 50, 57 (106 f.). Zu diesem Problemfeld im Kontext der verfassungsrechtlichen Eigentumsgewährleistung ausführlicher z. B. M. Jachmann, Steuergesetzgebung zwischen Gleichheit und wirtschaftlicher Freiheit, S. 148 ff. 1703 Die Bemessung der AfA auf Basis von ursprünglichen Anschaffungskosten etwa führt trotz signifikant gestiegener Wiederbeschaffungskosten zu einem steuerrelevanten Substanzverzehr, letztlich zur Besteuerung von Scheingewinnen. Zu dieser

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Die Besteuerung von Scheingewinnen, die steuerliche Belastung des Vermögens, dem gemeinhin fiktive Soll-Erträge zugeschrieben werden1704, ja letztlich jeder Besteuerungsvorgang auf Basis von nominalen Größen widerspricht dem steuerlichen Leistungsfähigkeitsprinzip als Realwertprinzip1705, da sich die individuelle Leistungsfähigkeit nur aus Realeinkünften und Realvermögen des Steuerpflichtigen ableiten lässt1706. Schließlich würde die tatsächliche Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen wenigstens um den Faktor der Inflationsrate geringer ausfallen als die steuerlich erfasste, nominale Leistungsfähigkeitsgröße. Im Zeitverlauf bleibt bei gleichbleibendem Nominaleinkommen und gleichbleibendem Steuersatz zwar die nominale Steuerlast identisch, doch die Kaufkraft oder ähnliche Maßgrößen steuerlicher Leistungsfähigkeit des nach dem Steuerzugriff verbleibenden Einkommens nimmt von Jahr zu Jahr ab. Unabhängig davon, dass das Phänomen der Inflation und eine damit verbundene, grundsätzliche Beeinträchtigung des bürgerlichen Eigentums zu den großen Diskussionsfeldern der grundrechtlichen Eigentumsdogmatik zählt1707, verlangt die eigentumsrechtliche Dimension der Besteuerung in Zeiten von Inflation besondere Aufmerksamkeit. Konsequenterweise müsste sich bei inflationärer konjunktureller Lage jeder Steuerzugriff aus einem erweiterten Blickwinkel an der Eigentumsgewährleistung des Art. 14 GG messen lassen. So tangiert jede steuerliche Lastenzuteilung des republikanischen Steuerstaats ohnehin das Eigentum des zur Steuerzahlung verpflichteten Bürgers. Die effektive Belastungswirkung erhöht sich aber noch um die Inflationsrate, werden doch die monetär bedingten Möglichkeiten des Bürgers als eine wichtige Ausprägung des grundrechtlich zu schützenden Eigentums nicht nur in Höhe der Nominalsteuerlast begrenzt, sondern dieses Ergebnis Problematik z. B. K. H. Friauf, Eigentumsgarantie, Geldentwertung und Steuerrecht, StbJb 1971/72, S. 437; H.-J. Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 14, Rn. 191; R. Wendt, Empfiehlt es sich, das Einkommensteuerrecht zur Beseitigung von Ungleichbehandlungen und zur Vereinfachung neu zu ordnen?, DÖV 1988, S. 716. 1704 Da auch hier eine Nominalgröße zur Steuerbemessung herangezogen wird, werden ebenfalls scheinbare Gewinne erfasst. Dass bei der Soll-Ertragsteuer fingierte, potentiell erzielbare Gewinne, nicht aber tatsächlich realisierte Ergebnisse der Besteuerung unterliegen, erhöht die verfassungsrechtliche Bedenklichkeit einer substanzbasierten Scheingewinnbesteuerung noch. 1705 Vgl. ausführlich K. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. I, S. 512 ff. 1706 Vgl. etwa. J. Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 9, Rn. 56. Zur Verfälschung der Maßgrößen steuerlicher Leistungsfähigkeit durch Geldentwertung näher P. Kirchhof, Empfiehlt es sich, das Einkommensteuerrecht zur Beseitigung von Ungleichbehandlungen und zur Vereinfachung neu zu ordnen?, Gutachten für den 57. DJT, S. F 37 f.; z. B. auch P. Gurtner, Inflation, Nominalwertprinzip und Einkommensteuerrecht, 1980, passim; ergänzend z. B. K. A. Läufer/G. Reiner, Inflationssteuer, DStZ 1999, S. 764 ff., 810 ff. 1707 Umfassender z. B. K. A. Bettermann, Die Geldentwertung als Rechtsproblem, ZRP 1974, S. 13 ff.; J. Kaiser, Mark ist nicht mehr gleich Mark. Der Schutz des Eigentums in der Inflation, in: E. Forsthoff/W. Weber/F. Wieacker (Hrsg.), Festschrift für Ernst Rudolf Huber zum 70. Geburtstag am 8. Juni 1973, 1973, S. 237 ff.; H.-J. Papier, Eigentumsgarantie und Geldentwertung, AöR 98 (1973), S. 528 ff.

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durch den inflationsgetriebenen Wertverlust1708 noch verstärkt1709. Unter der Prämisse, dass Einkommen und Vermögen des pflichtigen Bürgers als Eigentum auch in seiner Wertkomponente vom Verfassungsgesetz gewährleistet werden1710, führt also der Steuerzugriff quasi erhöht um die Inflationsrate zu einer Beeinträchtigung der Eigentumsgewährleistung des Art. 14 GG1711. Nachdem das Eigentumsgrundrecht auf das Engste mit dem republikanischen Halbteilungsprinzip verbunden ist, stellt sich die Frage, ob fiskalische Leistungspflichten in ihrem Zusammenwirken mit einer eigentumsgefährdenden Inflation dem Halbteilungspostulat unterliegen. Ist das Eigentum des Bürgers maximal hälftig zwischen Bürger und Staat zu teilen, um die Privatnützigkeit bürgerlichen Wirtschaftens, ja die grundlegende Privatheit bürgerlichen Handelns zu wahren, müsste in letzter Konsequenz auf eine Realgröße abzustellen sein1712; denn nur reale Werte können die Leistungsfähigkeit eines pflichtigen Bürgers, letztlich die materialen Grundlagen seiner Möglichkeiten abbilden1713. Eine wertverzehrende Besteuerung, wie sie im Inflationsfall erfolgt, müsste also bei der Berechnung der maximal hälftig zu teilenden Ertrags- oder Substanzgrößen berücksichtigt werden. So wäre vor der grundsätzlich hälftigen Teilung der Ist- respektive Soll-Ertrag um die Inflationsrate zu kürzen1714. 1708 Dafür, dass das Ertragspotential des Eigentums durch die Geldentwertung gesenkt wird, z. B. W. Leisner, Steuer- und Eigentumswende – die Einheitswert-Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts, NJW 1995, S. 2594; ähnlich, wenn auch mit anderer Begründung, H.-J. Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 14, Rn. 192 f.; siehe auch die Argumentation von K. A. Läufer/G. Reiner, Inflationssteuer, DStZ 1999, S. 764 ff., 810 ff. 1709 Dogmatisch könnte noch differenziert werden, ob der Steuerzugriff in Zeiten der Inflation lediglich die realen Erträge aus dem Eigentumsgebrauch schmälert oder die Eigentumssubstanz angreift; zu einer möglichen Differenzierung, die hier nicht vertieft werden soll, aber z. B. P. Kirchhof, Besteuerungsgewalt und Grundgesetz, 1973, S. 32 ff.; H.-J. Papier, in. Maunz/Dürig, GG, Art. 14, Rn. 192; ders., Eigentumsgarantie und Geldentwertung, AöR 98 (1973), S. 564. Da nach der hier vertretenen, republikanischen Position die Besteuerung der Substanz, und die steuerliche Erfassung von Nutzungsergebnissen dem Gewährleistungsbereich des Art. 14 GG unterliegen, ist in jedem Fall von einer eigentumsrelevanten Steuerbelastung auszugehen. 1710 Mit der Negierung dieser Gewährleistungskomponente des Art. 14 GG wurde bekanntlich der Schutz des Steuerbürgers gegen hoheitlich auferlegte Geldleistungspflichten, vornehmlich Steuern, abgelehnt; siehe hierzu ausführlicher oben I., II., auch III. 1711 So im Ergebnis z. B. K. H. Friauf, Eigentumsgarantie, Geldentwertung und Steuerrecht, StbJb 1971/72, S. 448. 1712 So ist wohl auch das Bundesverfassungsgericht zu verstehen, wenn es in seiner Halbteilungsjudikatur realitätsnahe, realistische Bemessungsgrundlagen einfordert; vgl. BVerfGE 93, 121 (136). Siehe dazu bereits BVerfGE 23, 242 (257); 25, 216 (226); 30, 129 (143 f.); 41, 269 (280, 282 f.); auch BVerfGE 61, 319 (364); 66, 214 (232); 67, 290 (297); 82, 60 (88). 1713 I. d. S. z. B. BVerfGE 84, 239 (268, 271). 1714 Deutlich M. Jachmann, Steuergesetzgebung zwischen Gleichheit und wirtschaftlicher Freiheit, S. 149; sinngemäß auch W. Leisner, Steuer- und Eigentums-

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Unabhängig von den steuertechnischen Schwierigkeiten, mit denen das Bundesverfassungsgericht eine Inflationsbereinigung für den Steuerfall ablehnt1715, ist es allerdings aus währungspolitischen Gründen grundsätzlich kritisch zu bewerten, der Inflation im Besteuerungsfall Rechnung zu tragen1716. Da sich eine typisierende, an Inflationsraten oder ähnlichen Indizes ausgerichtete Wertbereinigung für steuerliche Zwecke im Grundsatz ohnehin als schwierig, komplex und kaum durchführbar erweist1717 und in letzter Konsequenz eine grundlegende Veränderung des derzeitigen Steuersystems nach sich zöge1718, erscheint eine Inflationsbereinigung der Bemessungsgrundlage mit Blick auf den Halbteiwende – die Einheitswert-Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts, NJW 1995, S. 2593 f. 1715 Vgl. BVerfGE 50, 57. Dazu H.-W. Arndt/A. Schumacher, Einkommensbesteuerung und Grundrechte, AÖR 118 (1993), S. 542 ff.; J. Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, S. 177 f.; K. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. II, S. 459 f. (jew. m.w. N.). 1716 Siehe etwa den Hinweis bei J. Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 9, Rn. 57. 1717 Dazu z. B. K. A. Läufer/G. Reiner, Inflationssteuer, DStZ 1999, S. 764 ff., 810 ff. Zu den grundlegenden Problemen siehe auch die Ausführungen von C. Esser, Ertragsbesteuerung und Geldentwertung – das Problem des „Scheingewinns“, Inst. IFSt-Schrift Nr. 374, Bonn, 1999; P. Gurtner, Inflation, Nominalwertprinzip und Einkommensteuerrecht, 1980; G. Seicht, Geldentwertung, Gewinnermittlung u. Einkommensbesteuerung, in: FS L. Fischer, S. 207 ff.; F. Wagner, Kapitalerhaltung, Geldentwertung und Gewinnbesteuerung, passim. 1718 Zur Zinsbereinigung des Einkommensteuersystems ausführlicher z. B. O. H. Jakobs, Ist die zinskorrigierte Besteuerung ein Ansatz zur Harmonisierung der Unternehmensbesteuerung in Europa, in: G. Burmester/D. Endres (Hrsg.), Außensteuerrecht, Doppelbesteuerungsabkommen und EU-Recht im Spannungsverhältnis, Festschrift für Helmut Debatin zum 70. Geburtstag, 1997, S. 207 ff.; L. Lammersen, Die zinsbereinigte Einkommen- und Körperschaftsteuer. Ökonomische Analyse eines aktuellen Reformvorschlages, 1999, passim; E. Wenger, Gleichmäßigkeit der Besteuerung von Arbeits- und Vermögenseinkünften, FinArch 41 (1983), S. 207 ff.; ablehnend z. B. S. Homburg, Soll die klassische Einkommensteuer wiederbelebt werden?, in: M. Rose (Hrsg.), Standpunkte zur aktuellen Steuerreform, 1997, S. 107, 111 ff.; D. Schneider, Mängel in der ökonomischen Begründung einer Steuerfreiheit für Kapitaleinkünfte, StuW 2000, S. 421 ff. Alternativ wird eine konsumorientierte Besteuerung diskutiert; dazu z. B. M. Kaiser, Konsumorientierte Reform der Unternehmensbesteuerung, 1992, passim; federführend sicherlich M. Rose (Hrsg.), Konsumorientierte Neuordnung des Steuersystems, 1991, passim; mit deutlichem Bezug zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Zinsbesteuerung („die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zur Zinsbesteuerung rücken immer wieder eine Reform der Kapitaleinkommensbesteuerung in den Mittelpunkt des Interesses“) ders., Reform der Besteuerung des Sparens und der Kapitaleinkommen. Zur Neuregelung der Zinsbesteuerung aus der Sicht einer konsum- und damit marktorientierten Neuordnung des Gesamtsteuersystems, BB 1992, Beilage 5, passim (Zitat S. 1); ebenso ders., Konsumorientierung des Steuersystems – theoretische Konzepte im Lichte empirischer Erfahrungen, in: G. Krause-Junk (Hrsg.), Steuersysteme der Zukunft, 1998, S. 247 ff.; hinzuweisen ist auch auf ders., Schutz des Kapitalexistenzminimums, BB 1996, S. 1085 ff. (Zitat S. 1085), wo Rose das Kriterium des zu schützenden „Kapitalexistenzminimums“ einführt und mit der Halbteilungsrechtsprechung eine Verpflichtung des Gesetzgebers zur Absenkung der Belastung von Kapitalerträgen begründet sieht: „Hierbei orientieren sich die Verfassungsrichter erstmals an einem Prinzip der Belastungsgrenze für den

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lungsgrundsatz wenig praktikabel1719. Da eine allgemeingesetzliche, gleichheitliche und damit gerechte Erfassung der Inflationswirkung bei allen steuerpflichtigen Bürger im derzeitigen Steuersystem kaum realisiert werden kann, mithin nicht praktisch vernünftig wäre, der inflationäre Belastungseffekt im marktlichen Eigentümerhandeln hingegen alle Bürger gleichermaßen betrifft, lässt sich ein Verzicht auf eine Einbeziehung der Inflationsrate oder ähnlicher Operanden in die Halbteilungsbemessung wohl rechtfertigen. 6. Quantifizierung der Belastung durch Umsatzsteuern Auch die Quantifizierung der effektiven Umsatzsteuer- und ähnlicher Lasten stellt Steuergesetzgeber und Steuerrichterschaft bei der Operationalisierung und rechtspraktischen Umsetzung des Halbteilungsgrundsatzes vor größere Herausforderungen. Wenn eine durch den Halbteilungsgrundsatz vor Überbesteuerung geschützte (natürliche oder juristische) Person mit Umsatzsteuern oder umsatzsteuerähnlichen Abgaben belastet wird, die nicht überwälzt oder im Zuge des Vorsteuerabzug neutralisiert werden können, wird man diese Belastungsgrößen individuell aus den Konsumsparametern des betroffenen Bürgers ermitteln müssen1720. Im Einzelfall mag dies möglich sein, in der Praxis jedoch präsentiert sich eine genauere Quantifizierung der tatsächlichen Umsatzsteuerlast, die insbesondere der Endverbraucher zu tragen hat, als äußerst schwierig, da die Umsatzsteuer aufgrund ihrer Konzeption Einkommen und Vermögen des Steuerträgers ohnehin nicht zur Kenntnis nimmt und diesen in der Anonymität des Marktes belässt1721. Da der Verbraucher in aller Regel nicht über Aufzeichnungen oder ähnliche Unterlagen verfügen dürfte, wird sich ein Einzelnachweis in der Regel problematisch gestalten1722. Um die Belastung des privaten SteuerVermögensertrag. Diese soll bei 50% der normalen Rendite einer Kapitalanlage liegen.“ 1719 Die Dimension der praktischen Schwierigkeiten im Fall einer grundsätzlichen Erfassung der Inflation im gesamten Steuerwesen – und nur dieser Weg wäre konsequent – fasst H. Rasch, Geldentwertung und langfristige Verträge, BB 1971, S. 754, sehr treffend zusammen: „Das gesamte Handels- und Steuerbilanzrecht, ja das ganze private und öffentliche Rechnungswesen überhaupt wären aus den Angeln gehoben.“ Siehe dazu auch die Rechtsprechung zum damaligen Zeitpunkt, als eine steigende Inflationsrate diese Thematik augenscheinlich stärker in den Blickpunkt des Interesses rücken ließ, z. B. BFH v. 27.7.1967, BStBl. III, 690; BFH v. 10.11.1967, BStBl. 1968 II, 143; BFH v. 12.6.1968, BStBl. II, 653. 1720 So deutlich G. Rose, Zum Anspruch auf Erlass von „Übermaß-Steuern“ und zu seiner Durchsetzung – weitere Auswertung des Vermögensteuer-Beschlusses des BVerfG vom 22.6.1995, DB 1995, S. 2388. 1721 Vgl. P. Kirchhof, Die Steuerrechtsordnung als Wertordnung, StuW 1996, S. 8; ausführlicher auch ders., Der Auftrag des Grundgesetzes zur Erneuerung des Steuerrechts, Stbg 1998, S. 391. 1722 So K. Tipke, Über die Grenzen der Vermögensteuer. Zugleich Besprechung des BVerfG-Beschlusses vom 22.6.1995, GmbHR 1996, S. 13.

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bürgers durch die Umsatzsteuer erfassen zu können, die aus dem Kreis der Halbteilungssteuern nicht ausgeschlossen werden darf, verbleibt also nur eine Belastungsschätzung, die von „einer im Konsumgut typisierten und anonym angelegten Belastbarkeitsvermutung“1723 ausgeht. Da das Bundesverfassungsgericht die Halbteilungsgrenze für den Steuerstaat ohnehin in einer „typisierenden Betrachtung“1724 zieht, erscheint eine solche Schätzung auch unter rechtlichen Aspekten unproblematisch. Erste Annäherungen an die typische Umsatzsteuerbelastung1725 eines Steuerpflichtigen in der Republik versprechen die kumulierten Umsatzsteuern auf die Güter und Dienstleistungen, die das existentielle Minimum verlangt. Darin kann sich eine typisierte Umsatzsteuerlast jedoch nicht erschöpfen, würde es dem Steuerbürger doch nur eine privatheitliche Einkommens- oder Eigentumsverwendung auf Höhe des Existenzminimums zugestehen. Überdies werden etliche Güter und Leistungen des lebensnotwendigen, täglichen Bedarfs von der Umsatzsteuer befreit oder mit einem ermäßigten Steuersatz besteuert1726. Über den existenzminimalen Bedarf hinaus müssen auch andere Verbrauchsoptionen geschützt werden, was nicht nur einer geforderten Privatnützigkeit – und damit auch Privatverwendbarkeit – des Eigentums entspricht1727, sondern auch die 1723 P. Kirchhof, Der Auftrag des Grundgesetzes zur Erneuerung des Steuerrechts, Stbg 1998, S. 391. Für eine solche Typisierung spricht sich unter Hinweis auf das oberste Gericht z. B. auch A. Klein, Das neue Steuerverfassungsrecht – Eine Chance für den Steuerzahler?!, BB 1996, S. 1810, aus. 1724 Beachte BVerfGE 93, 121 (LS 3, 138, 140 f.). 1725 Die Umsatzsteuer per se erweist sich als typisierende Steuer, orientiert sie sich doch nicht an der individuellen, sondern an der typisiert vermuteten Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen. Dazu P. Kirchhof, Die Steuerrechtsordnung als Wertordnung, StuW 1996, S. 8. Kritisch zur Vereinbarkeit der Umsatzsteuer mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip auch K. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. II, S. 887 f., zusammenfassend S. 930, 1543, auch S. 116 f., 908, 922 f., 1021 ff. 1726 So werden z. B. Umsätze von Ärzten, Zahnärzten und ähnlichen Heilberufen gem. § 4 Nr. 14 UStG generell von der Umsatzsteuer befreit. Die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 12a UStG sollte ursprünglich einer Verteuerung von Wohnraum entgegenwirken. Im Katalog des § 4 UStG finden sich weitere Befreiungen vorwiegend aus sozial-, kultur- oder wirtschaftspolitischen Gründen. Zu beachten ist überdies, dass für viele lebensnotwendige Güter keine grundsätzliche Steuerbefreiung besteht; folglich werden auch Steuerpflichtige mit einem Einkommen unterhalb des Existenzminimums durch Verbrauchsteuern, in praxi insbesondere durch die Umsatzsteuer, belastet. Ausführlich, durchaus kritisch zu dieser Thematik W. Reiß, Der Belastungsgrund der Umsatzsteuer und seine Bedeutung für die Auslegung des Umsatzsteuergesetzes, DStJG 13 (1990), S. 6; auch J. Lang, Reform der Unternehmensbesteuerung auf dem Weg zum europäischen Binnenmarkt und zur deutschen Einheit, StuW 1990, S. 126; ergänzend K. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. II, S. 922; systemkritisch z. B. H. Söhn, Die Harmonisierung der Umsatzsteuern in der Europäischen Gemeinschaft – Eine steuersystematische Bestandsaufnahme, StuW 1976, S. 17 ff. 1727 Für das Eigentum als Möglichkeiten des Bürgers deutlich K. A. Schachtschneider, Das Recht am und das Recht auf Eigentum, in: FS W. Leisner, S. 744 ff. Ähnlich, wenn auch nicht so weit gehend wie die republikanische Konzeption, der Halb-

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grundlegende Privatheit zum Ausdruck bringt, die sich eben auch in der Eigentumsverwendung, sei es nun zu investiven oder zu konsumtiven Zwecken, widerspiegeln muss1728. Für den Versuch einer Typisierung könnte beispielsweise der Warenkorb, den das statistische Bundesamt als repräsentative Durchschnittsgröße regelmäßig zusammenstellt, Ansatzpunkte liefern1729. So entsprechen die Umsatzsteuern auf die Waren und Dienstleistungen dieses Warenkorbes in ihrer Kumulation der Umsatzsteuerbelastung, die auf der durchschnittlichen Einkommens- und Vermögensverwendung eines Bürgers in der Republik lastet. Diese Annäherung sieht sich sicherlich dem üblichen Mangelvorwurf einer Durchschnittsbetrachtung ausgesetzt, mit der der Individualität des freiheitlichen und gleichheitlichen Bürgers nur bedingt Rechnung getragen werden kann. Gleichwohl erscheint diese näherungsweise Ermittlung der typischen Umsatzsteuerlast für die Halbteilungsdiskussion geeignet, da sie den Idealvorstellungen des steuerverfassungsrechtlichen Halbteilungsgrundsatzes wenigstens in ihrer Struktur Ausdruck verleiht. So kann grundsätzlich die Umsatzsteuerlast berücksichtigt werden, die durch eine privatheitliche Eigentumsverwendung ausgelöst wird. Gleichzeitig findet auch der soziale Gedanke der Republik Eingang in die Betrachtung, da bei einer solchen Warenkorbanalyse beispielsweise Umsatzsteuerlasten auf Luxusgüter oder ähnliches aus der Bemessung für die Halbteilungsgrenze herausfallen würde – eine daraus resultierende, im kumulierten Ergebnis die Halbteilungsgrenze übersteigende, zumindest streifende Steuerbelastung wäre möglicherweise noch zu rechtfertigen, lässt doch die Nachfrage nach Luxusgütern eine zusätzliche, erhöhte Leistungsfähigkeit des Bürgers vermuten1730. Unabhängig von derartigen Detailüberlegungen ist die grundsätzliche Möglichkeit teilungsspruch des Verfassungsgericht, BVerfGE 93, 121 (137), der wohl nur in diesem Verständnis interpretiert werden kann: „. . . persönliche Entfaltung im vermögensrechtlichen Bereich . . .“ 1728 Siehe hierzu bereits 2. Kap., V., 2., 3., auch 4. 1729 In der Öffentlichkeit wird der Begriff des Warenkorbes häufig als Synonym für den Verbraucherpreisindex verwandt; neben dem Warenkorb bedarf es eines Wägungsschemas, um eine aussagekräftige Verbraucherpreisstatistik ermitteln zu können. Der Verbraucherpreisindex für Deutschland soll ein umfassendes Bild der Preisentwicklung vermitteln, mit der sich die privaten Haushalte konfrontiert sehen. Dafür werden aus der Fülle der angebotenen Güter einige hundert ausgewählt, die stellvertretend sowohl den gesamten Verbrauch als auch die Preisentwicklung der von den Haushalten nachgefragten Güter mit hinreichender Genauigkeit repräsentieren; die Gesamtheit der ausgewählten Güter heißt Warenkorb. Zur Zeit umfasst der Warenkorb für die Preisindizes in der Bundesrepublik Deutschland ca. 750 Waren und Dienstleistungen. Mittels des so genannten Wägungsschemas wird quantifiziert, mit welcher Gewichtung die einzelnen Preisrepräsentanten in die Gesamtheit einfließen, welchen Anteil also z. B. die Mietausgaben oder andere Ausgabepositionen an den gesamten Verbrauchsausgaben der privaten Haushalte haben, um so realistische Aussagen über die finanziellen Belastungen der privaten Haushalte treffen zu können. 1730 Vgl. P. Kirchhof, Der sanfte Verlust der Freiheit, S. 196.

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entscheidend, sich mit einer solchen typisierenden Vorgehensweise an die Lastensituation des Steuerbürgers herantasten zu können, um die Privatheitsidee qua Halbteilungsvorgabe in allen Bereichen des Steuerrechts – auch im Bereich der umsatzsteuerbedingten Steuerbelastungen – verankern und praktisch umsetzen zu können. IV. Sonderproblem der Schenkung- und Erbschaftsteuer In das Gesamtergebnis der summierten Steuerlasten, auf die das Halbteilungsprinzip anzuwenden ist, kann die Erbschaft- und Schenkungsteuer (im Folgenden kurz: Erbschaftsteuer1731) aus rechtstheoretischen wie aus praktischen Überlegungen nicht ad hoc einbezogen werden. Bereits systematisch nimmt der Zugriff des Fiskus auf die aufgrund eines Erbes oder einer Geldzuwendung im Sinne eines Mittelerwerbes eingetretenen Steigerung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Empfängers eine Sonderstellung ein1732. Auch wenn die Erbschaftsteuer in ihrer formalen Gestalt als Verkehrsteuer eingeordnet werden kann1733, knüpft sie ihre Steuerfolgen an einen Eigentumszugang im Sinne eines Vermögenszuganges1734; im weitesten Sinne ist sie also eine Einkommensteuer, besteuert zumindest wie eine Einkommensteuer1735. Besteuert wird schließlich nicht das vom Erblasser hinterlassene Vermögen, sondern vielmehr 1731 Ob die Halbteilungsdoktrin auch für die Schenkungsteuer angewandt werden kann, ist immer wieder Gegenstand von Diskussionen, so z. B. bei G. Felix, Konsequenzen aus den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zur Vermögens- und Erbschaftsbesteuerung, BB 1995, S. 2242, der die Einschlägigkeit der Halbteilungsjudikatur für die Schenkungsteuer aus verfassungsprozessualen Gründen anlehnt. A. A. wohl z. B. H.-W. Arndt, Konsequenzen für den Gesetzgeber aus den Beschlüssen des Bundesverfassungsgerichts vom 22.06.1995 zur Vermögen- und Erbschaftsteuer, BB 1995, Beilage 7, S. 21 („. . . rechtsdogmatisch zwingend . . .“); i. d. S. auch H. Schaumburg, Verfassungswidrigkeit der Einheitswerte. Folgerung für Gesetzgeber und Steuerpflichtige, GmbHR 1995, S. 615. 1732 Vgl. ausführlicher z. B. D. Schneider, Zur Rechtfertigung von Erbschaft- und Vermögensteuer, StuW 1979, S. 39 f., 41 f.; K. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. II, S. 746 (m.w. N.). 1733 So etwa BFH, BStBl. 1983, 179 (180). 1734 Die Erbschaftsteuerpflicht stellt nicht auf durch marktliches Handeln erwirtschaftete Ergebnisse, also auf Markteinkommen ab, sondern auf das Vermögen, das qua Erbgang vom Erblasser auf den Erben transferiert wird. Dazu systematisch J. Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 8, Rn. 38 f. 1735 Vgl. hierzu D. Schneider, Zur Rechtfertigung von Erbschaft- und Vermögensteuer, StuW 1979, S. 40; J. P Meincke, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Kommentar, 14., neubearb. Aufl., 2004, Einf., Rn. 2; ausführlicher zu dieser steuerdogmatischen Diskussion W. Ritter, Gedanken zur Erbschaftsteuer, BB 1994, S. 2265 ff.; auch G. Crezelius, Erbschaftsteuerrecht und Erbschaftsteuerpolitik, in: J. Lang (Hrsg.), Die Steuerrechtsordnung in der Diskussion, Festschrift für Klaus Tipke zum 70. Geburtstag, 1995, S. 403 ff.; J. P. Meincke, Zur Abstimmung von Einkommensteuer und Erbschaftsteuer, in: J. Lang (Hrsg.), Die Steuerrechtsordnung in der Diskussion, Festschrift für Klaus Tipke zum 70. Geburtstag, 1995, S. 391 ff.

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die beim Erben durch das erworbene Vermögen ausgelöste Bereicherung1736. Wirtschaftlich allerdings kann die Erbschaftsteuer zu einer Besteuerung der Vermögenssubstanz führen1737, da die Steuerzahlung oftmals aus der Substanz des Erbes bestritten werden muss. Als Steuerbemessungsgrundlage der Erbschaftsteuer dient gemäß dem Bereicherungsprinzip1738 der Wert des zugegangenen Vermögens1739, anhand der in Zusammenwirken mit dem Erbschaftsteuertarif1740 die Erbschaftsteuerschuld, letztlich die Steuerlast zu ermitteln ist. Unabhängig von ihrer steuerdogmatischen Qualifikation – selbst bei einer Einordnung als Soll-Ertragsteuer1741 – belastet die Erbschaftsteuer letztlich immer privates Eigentum, hat sie doch stets eine Einschränkung der rechtlichen Möglichkeiten des Bürgers, seines rechtlich Eigenen zur Folge1742. Auf dem Weg der grundgesetzlichen Eigentums- und Erbrechtsgewährleistung1743 wird der verfassungsseitige Schutz gegenüber fiskalischen Lasten grundsätzlich eröffnet1744. Die eigentliche Frage ist, wie weit die Steuerbelastung gehen darf, wel1736

So z. B. R. Seer, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 13, Rn. 102. Für die Substanzsteuerhaftigkeit der Erbschaftsteuer spricht, dass sie typischerweise aus der Vermögenssubstanz getragen werden muss. Siehe dazu, insb. aus betriebswirtschaftlicher Sicht, G. Rose, Die Substanzsteuern, 1997, S. 19 ff., 97 ff. 1738 Umfassend z. B. H. Klarner, Das Bereicherungsprinzip im Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht, 1995. 1739 Der Wert bestimmt sich im Einzelnen nach § 12 ErbStG und den dort genannten Vorschriften des Bewertungsgesetzes. 1740 Das Erbschaftsteuerrecht sieht einen dreistufigen Steuertarif vor, dessen Belastungsergebnis wesentlich durch die verwandtschaftliche oder eheliche Beziehung zwischen Erwerber und Erblasser oder Schenker determiniert wird. Vgl. ausführlicher R. Seer, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 13, Rn. 170 ff. (m.w. N.); kritisch zum Stufentarif z. B. G. Felix, Steuersätze der Erbschaftsteuer und Gleichheitsgebot, DStR 1996, S. 889 ff., insb. S. 896. („Steuertarif-Buckel“). 1741 Ablehnend R. Seer, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 13, Rn. 104; dazu z. B. G. Rose, Die Substanzsteuern, 1997, S. 17 ff., 97 ff., dazu auch A. Nachreiner, Verfassungswidrigkeit des Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes wegen Verstoß gegen Art. 14 GG, ZEV 2005, S. 5. 1742 I. d. S. wohl J. Lang, in: Tipke/Lang, § 4, Rn. 96. 1743 Art. 14. Abs. 1 S. 1 GG: „Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet.“ Allg. dazu W. Leisner, Erbrecht, in: J. Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. VI, Freiheitsrechte, 1989, § 150, Rn. 5 ff. 1744 So deutlich z. B. W. Leisner, Erbrecht, in: HStR, Bd. VI, § 150, Rn. 26 („. . . dass Art. 14 GG auch in diesem Sinn Schranke ist, wird von keiner Seite bestritten.“), der unter Rn. 28 richtigerweise darauf hinweist, dass der Gesetzgeber, der zivilrechtlich das Erbrecht mit seinen darauf aufsetzenden Rechtsgestaltungen garantiert, sich nicht für steuerrechtliche Belange plötzlich von dieser Gewährleistung lösen kann. Überdies ließe sich nicht verargumentieren, dass die Erbschaft- und Schenkungsteuer als einzige Steuer außerhalb des Verfassungsbogens gestellt werden könnte, der erbschaft- oder schenkungsteuerliche Zugriff sich also an den Grenzen des Verfassungsrechts überhaupt nicht messen lassen müsste; grundlegend und weiterführend hierzu R. Seer, Die neue Erbschaft- und Schenkungsteuer auf dem verfassungsrechtlichen Prüfstand, StuW 1997, S. 283 ff. 1737

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che Erbschaftsteuersätze verfassungsrechtlich (noch) zulässig sind1745. Nach seiner Konstruktionslogik, die auf einem grundsätzlichen Vorrang bürgerlicher Privatheit vor aller Staatlichkeit wie auch einer Besteuerung des Bürgers und seines bürgerlichen Privateigentums nach Maßgabe des rechten Maßes basiert, postuliert das Halbteilungsprinzip eine höchstens hälftige Teilung des Eigentums zwischen Bürger und Staat; dies muss auch dann gelten, wenn das Eigentum gemäß der grundgesetzlich geschützten Privaterbfolge auf den Rechtsnachfolger übergeleitet wird1746. In diesem Fall darf der Fiskus den privatheitlichen Möglichkeitsraum, der mit dem pflichtigen Eigentum untrennbar verbunden ist, gemäß dem Halbteilungsprinzip ebenfalls höchstens hälftig einschränken. Auch wenn im Gegensatz zum Vermögensteuerbeschluss das Bundesverfassungsgericht in seinem Erbschaftsteuer-Beschluss auf die Nennung einer Belastungsobergrenze verzichtet hat1747, muss das Halbteilungspostulat in jedem Fall für die Erbschafts- und Schenkungsbesteuerung zur Anwendung gelangen1748. Fraglich bleibt nun, wie sich die Umsetzung des steuerverfassungsrechtlichen Postulats einer maximal hälftigen Teilung des Besteuerungsobjektes in praxi gestaltet. So können die Belastungsergebnisse des Fiskalzugriffs im Erb- oder Schenkungsfall nicht unhinterfragt mit den übrigen, bereits bekannten Belastungsgrößen zu einer Gesamtbemessungsgröße für die Halbteilungsschranke kumuliert werden1749, auch wenn die Erbschaftsteuer zu den anderen Steuern 1745

Vgl. W. Leisner, Erbrecht, in: HStR, Bd. VI, § 150, Rn. 26. So etwa G. Felix, Konsequenzen aus den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zur Vermögens- und Erbschaftsbesteuerung, BB 1995, S. 2242. Dogmatisch interessant M. Jachmann, Steuergesetzgebung zwischen Gleichheit und wirtschaftlicher Freiheit, S. 58 f., die zwischen der Freiheit des Erben und der Freiheit des Erblassers differenziert („Die Erbschaftsteuer greift nicht nur in die Freiheit des Erben zur Erlangung des Nachlasses im Wege des Vermögenstransfers, sondern auch in die Freiheit des Erblassers zur Eigentumsnutzung in Gestalt der Übertragung ein.“) und die Übertragbarkeit des Halbteilungsgrundsatzes für den Erben ablehnt, für den Erblasser hingegen aktiviert, folglich die Halbteilungsvorgabe für das übertragene Vermögen bestätigt. 1747 So der Hinweis bei O. Geißler, Der Unternehmer im Dienste des Steuerstaats, S. 172 f. (Fn. 477). 1748 Interessanterweise wurde bereits lange vor der Halbteilungsjudikatur zur Vermögen- und Erbschaftsteuer eine verfassungsrechtliche Beschränkung des erbschaftsteuerlichen Substanzeingriffs diskutiert. So sieht W. Leisner, Verfassungsrechtliche Grenzen der Erbschaftsbesteuerung, S. 32 f., 57 f., bereits 1970 vor dem Hintergrund des grundgesetzlich gewährleisteten Eigentums und Erbrechts die Möglichkeit einer für die Erbschaftsteuer bedeutsamen Grenze von 50%. Dazu ergänzend K. Tipke, Erbschaftsteuerreform und Grundgesetz, ZRP 1971, S. 158 ff. Zur Anwendung des Halbteilungsgrundsatzes für die Erbschaft- und Schenkungsteuer aktuell und umfassend A. Nachreiner, Verfassungswidrigkeit des Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes wegen Verstoß gegen Art. 14 GG, ZEV 2005, S. 4 ff. 1749 Gegen eine Belastungskumulation K. Tipke, Über die Grenzen der Vermögensteuer. Zugleich Besprechung des BVerfG-Beschlusses vom 22.6.1995, GmbHR 1996, S. 13, der – wenn überhaupt – für eine Verteilung der Erbschaftsteuer „auf einen längeren Zeitraum“ plädiert. 1746

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hinzutritt, als zusätzliche Steuer in aller Regel sogar Eigentum belastet, das aus bereits versteuertem Einkommen gebildet worden ist. Steuersystematisch konkurriert die Erbschaftsteuer mit der Einkommensteuer als wichtigster Belastungsdeterminante des steuerpflichtigen Bürgers und präsentiert sich als Belastungsalternative für den Erb- oder Schenkungsfall. Erbschaftsteuer und Einkommensteuer sind dergestalt aufeinander abzustimmen, dass möglichst keine Überschneidungen entstehen1750, steuersystematisch greifen diese Steuern in unterschiedlichen Belastungssituationen. Insoweit erscheint eine Summation der steuerlichen Lasten für eine verfassungsrechtliche Halbteilungsdiskussion wenig zielführend. Steuerpraktisch überzeugt eine Addition der unterschiedlichen Lasten ebenso wenig, da insbesondere die Einkommensteuer, wohl aber auch die weiteren Substanz-, Aufwand-, Verbrauch- und Verkehrsteuern auf eine wiederkehrende, in jährliche Turni gegliederte Belastungssituation treffen und insofern mit systematischer Berechtigung aufsummiert werden können, während der Erbschaftsteuerzugriff als außerordentliche Belastungssituation aus diesem Turnus herausfällt. Folglich bedarf die Erbschaftsteuer einer gesonderten Betrachtung, um die für sie zutreffende Hälftigkeitsschwelle auszuloten zu können. Die durch die Erbschaftsteuer verursachten Steuerlasten dürfen nicht zu der Gesamtsteuerbelastung addiert werden, die durch die regulären Steuern auf Eigentumserwerb, -innehabung und -nutzung ausgelöst wird. Auch für erbschaftsteuerliche Belange gibt der Halbteilungsgrundsatz eine Belastungsobergrenze von 50% vor1751. Daraus unhinterfragt einen maximal zulässigen Erbschaftsteuersatz von 50% entnehmen zu wollen, hieße allerdings, den Halbteilungsgrundsatz in der Reichweite seiner Bedeutsamkeit unzulässig zu verkürzen. Aus Sicht des Erblassers ließe sich die Installierung einer solchen 50%-Grenze nachvollziehen, wäre ihm doch nicht zu vermitteln, warum eine zu Lebzeiten gültige, höchstens hälftige Teilung zwischen Bürger und Staat im Todes- wie im auch im Schenkungsfall dahingehend aufgeweicht werden könnte, dass das Steuerverfassungsrecht im Extremfall einen fiskalischen Zugriff auf das privatheitliche Eigentum in Höhe von über 75% billigen würde. Das Halbteilungsprinzip schützt den Steuerbürger vor einer übermäßigen, mehr als hälftigen Gesamtsteuerbelastung auf Vermögenserwerb, -bestand und -verwendung, 1750 Vgl. R. Seer, Das Betriebsvermögen im Erbschaftsteuerrecht, DStJG 22 (1999), S. 199; ders., Die neue Erbschaft- und Schenkungsteuer auf dem verfassungsrechtlichen Prüfstand, StuW 1997, S. 293; K. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. II, S. 748. 1751 Vgl. H. W. Arndt, Konsequenzen für den Gesetzgeber aus den Beschlüssen des Bundesverfassungsgerichts vom 22.6.1995 zur Vermögen- und Erbschaftsteuer, BB 1996, Beilage 7, S. 20; G. Felix, Konsequenzen aus den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zur Vermögens- und Erbschaftsbesteuerung, BB 1995, S. 2242; R. Seer, Die neue Erbschaft- und Schenkungsteuer auf dem verfassungsrechtlichen Prüfstand, StuW 1997, S. 296; ders., Der sog. Halbteilungsgrundsatz als verfassungsrechtliche Belastungsobergrenze der Besteuerung, FR 1999, S. 1288; ders., Verfassungsrechtliche Grenzen der Gesamtbelastung von Unternehmen, DStJG 23 (2000), S. 114 f.; auch ders., in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 13, Rn. 173.

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so dass eine Differenzierung zwischen Bestands-, Verwendungs- und Erwerbsphase vor der steuerverfassungsrechtlich relevanten Eigentumsgarantie, wie oben ausführlich dargelegt, nicht zu rechtfertigen ist. Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund lässt sich aus verfassungsrechtlicher Sicht eine logische Verbindung zwischen Erblasser oder Schenkendem einerseits und Erben oder Beschenktem andererseits über den Todes- bzw. Schenkungsfall hinaus nicht negieren1752. Bei solch einem übergreifenden Verständnis des Halbteilungsprinzips präsentiert sich die steuerliche Maximalbelastung von Eigentum und Erbrecht wie folgt: so dürften von dem mit maximal 50% steuerlichem Zugriff vorbelasteten Vermögen des Erblassers im Schenkungs- oder Erbfall höchstens 50% weggesteuert werden1753, dem Erben verblieben gerade noch 25% des Ausgangsvermögens. Das Maß der hälftigen Teilung wäre weit überschritten. Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund ist der halbteilungsrechtlichen Zugriffsgrenze in Höhe von 50% für den Erb- und Schenkungsfall also unbedingt Rechnung zu tragen1754. Die Belastungsobergrenze von maximal 50% bringt weitreichende Implikationen für das Tarifgefüge der Erbschaftsteuer mit sich, zumal die Vorgaben der Halbteilungsjudikatur für die Erbschaftsteuer damit nicht erschöpft sind. So hat das Bundesverfassungsgericht1755 aus dem grundgesetzlichen Schutz von Ehe und Familie in Art. 6 Abs. 1 GG ein erbschaftsteuerliches Familienprinzip entwickelt, demzufolge die Erbschaftsbesteuerung bei Kindern und Ehegatten besonders moderat ausfallen solle: „Der erbschaftsteuerliche Zugriff bei Familienangehörigen i. S. d. Steuerklasse I (§ 15 Abs. 1 ErbStG) ist derart zu mäßigen, dass jedem dieser Steuerpflichtigen der jeweilig auf den überkommenen Nachlass – je nach dessen Größe – zumindest zum deutlich überwiegenden Teil oder, bei kleineren Vermögen, völlig steuerfrei zugute kommt.“

Der für die Steuerpflichtigen der Steuerklasse III1756 vom Halbteilungsgrundsatz eingeforderte Steuersatz von 50% muss folglich noch unterschritten werden. Einige Stimmen wollen der vermögen- und erbschaftsteuerlichen Halbtei1752 Auch das Erbschaftsteuergesetz weist auf eine solche Verbindung dieser Steuersubjekte hin, wenn es gem. § 20 Abs. 1 ErbStG den Erwerber und den Schenker für steuerpflichtig erklärt. Sinngemäß für eine logische Verknüpfung der Steuersubjekte und des Steuerobjekts im Erb- oder Schenkungsfall auch A. Nachreiner, Verfassungswidrigkeit des Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes wegen Verstoß gegen Art. 14 GG, ZEV 2005, S. 6 f. 1753 In der Vergangenheit war in Steuerklasse IV ein Steuerzugriff von 70% möglich, so dass unter der Prämisse einer Vorbelastung von 50% von dem Eigentum des Erblassers nur noch 15% in privater Hand verblieben, 85% (50% + 70% von 50%) hingegen dem Fiskus zufielen. 1754 So z. B. H. Butzer, Freiheitsrechtliche Grenzen der Steuer- und Sozialabgabenlast, S. 87 f. 1755 BVerfGE 93, 165 (174 f.).

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lungsjudikatur in diesem Licht einen verfassungsrichterlich verankerten Höchststeuersatz von 25% entnehmen1757, der Steuergesetzgeber zieht mit § 19 Abs. 1 ErbStG 1996 die Belastungsobergrenze im Familienverbund bei 30% (Steuerklasse I)1758. Korrespondierend mit der Rechtsprechung des Verfassungsgerichts wird überdies das sogenannte persönliche und familiäre Gebrauchsvermögen1759, das in seinem Wert selbstredend über das existentielle Minimum hinausgeht1760, aber existenzsichernde und eigenverantwortungsdienliche, letztlich privatheitsgarantierende Wirkung entfaltet1761, steuerfrei gestellt1762. Wertmaßstab für diese Steuerbefreiung ist der Wert eines durchschnittlichen Einfamilienhauses1763, der sich in einem Freibetrag für den pflichtigen Bürger niederschlägt1764. Überdies lässt sich so sicherstellen, dass eine Erbschaft für den Ehegatten auch nach dem Steuerzugriff noch Ergebnis der ehelichen Erwerbsgemeinschaft bleibt und eine im Erbrecht angelegte Mitberechtigung der Kinder am Familiengut nicht verloren geht1765. Auch an dieser Stelle sieht sich das Gericht offenbar dem Privatnützigkeitsgedanken, ja dem Privatheitsprinzip, wie es dem Halbteilungssatz zugrunde liegt, sowohl für die Person des pflichtigen Bürgers als auch für seine engeren Familienmitglieder verpflichtet.

1756 In der Steuerklasse III werden die nichtverwandten Erwerber, juristische Personen sowie Empfänger von Zweckzuwendungen zusammengefasst. Dies dürfte den Steuerklassen III und IV nach altem Erbschaftsteuerrecht entsprechen. 1757 H. W. Arndt, Konsequenzen für den Gesetzgeber aus den Beschlüssen des Bundesverfassungsgerichts vom 22.6.1995 zur Vermögen- und Erbschaftsteuer, BB 1996, Beilage 7, S. 22, argumentiert, dass die in der Vergangenheit in Steuersätzen ausgedrückte Abstufung bei Familienangehörigen, Kindern und anderen Erben in eine neue Tarifstruktur zu übertragen wäre, insofern der Erbschaftsteuersatz für die Steuerklasse I maximal 25% betragen könne. G. Felix, Konsequenzen aus den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zur Vermögens- und Erbschaftsbesteuerung, BB 1995, S. 2242, interpretiert den Ruf des Gerichts nach einem „deutlich überwiegenden Teil“ in privater Erbenhand im Familienkreis als Votum für eine „halbierte Halbierung“, ergo für eine Maximalbesteuerung unter nahen Angehörigen von 25% in der Spitze. 1758 Aus der richterlichen Vorgabe, dass unter nahen Familienangehörigen der nachfolgenden Generation deutlich mehr als die Hälfte zu verbleiben habe, wird hier ein sog. „2/3 Grundsatz“ abgeleitet. Dazu näher R. Seer, Die neue Erbschaft- und Schenkungsteuer auf dem verfassungsrechtlichen Prüfstand, StuW 1997, S. 297; auch ders., in: Tipke/Lang, Steuerecht, § 13, Rn. 173 (Fn. 128). 1759 Vgl. BVerfGE 93, 165 (174 f.); 93, 121 (138, 140). 1760 Vgl. auch BVerfGE 93, 121 (138). 1761 Vgl. auch BVerfGE 93, 121 (140 f.). 1762 Siehe § 16 Abs. 1 Nr. 1–5 ErbStG. 1763 Vgl. BVerfGE 93, 121 (141). 1764 Vgl. hierzu etwa M. Jachmann, Sozialstaatliche Steuergesetzgebung im Spannungsfeld zwischen Gleichheit und Freiheit – Belastungsgrenzen im Steuersystem, StuW 1996, S. 103. 1765 Vgl. BVerfGE 93, 165 (175); ausführlich hierzu H. Flick/S. Schauhoff, Einheitswert, Vermögen- und Erbschaftsteuer – Anforderungen an eine verfassungsgemäße Besteuerung, ZRP 1996, S. 101 f.

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6. Teil: Teilung des Eigentums zwischen Steuerbürger und -staat

Nicht nur mit Blick auf die elementare Funktion des Erbrechts, den Fortbestand des Privateigentums im Wege der Rechtsnachfolge zu sichern1766, sondern auch unter Berücksichtigung des teilweise existentiellen Gefährdungspotentials, das die Erbschaftsbesteuerung im Falle des Generationenwechsels vor allem in mittelständischen Unternehmen in sich birgt1767, proklamiert das Gericht im Rahmen seiner Halbteilungsjudikatur außerdem eine besonders schonende Behandlung des Unternehmensvermögens im steuerlichen Erbfall1768: „Zudem hat der Gesetzgeber bei der Gestaltung der Steuerlast zu berücksichtigen, dass die Existenz von bestimmten Betrieben – namentlich von mittelständischen Unternehmen – durch zusätzliche finanzielle Belastungen, wie sie durch die Erbschaftsteuer auftreten, gefährdet werden kann. Derartige Betriebe . . . sind in besonderer Weise gemeinwohlgebunden und gemeinwohlverpflichtet: sie unterliegen als Garant von Produktivität und Arbeitsplätzen . . . einer gesteigerten rechtlichen Bindung. Sie hat zur Folge, dass die durch die Erbschaftsteuer erfasste finanzielle Leistungsfähigkeit des Erben nicht seinem durch den Erbfall erworbenen Vermögenszuwachs voll entspricht. Die Verfügbarkeit über den Betrieb und einzelne dem Betrieb zugehörige Wirtschaftsgüter ist beschränkter als bei betrieblich ungebundenem Vermögen. Der Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) fordert, diese verminderte Leistungsfähigkeit bei den Erben zu berücksichtigen, die einen solchen Betrieb weiterführen, . . . ihn vielmehr in seiner Sozialgebundenheit aufrechterhalten, ohne dass Vermögen und Ertragskraft des Betriebes durch den Erbfall vermehrt würden. Die Erbschaftsteuerlast muss hier so bemessen werden, dass die Fortführung des Betriebes steuerlich nicht gefährdet wird. Diese Verpflichtung, eine verminderte finanzielle Leistungsfähigkeitserbschaft steuerlich zu berücksichtigen, ist unabhängig von der verwandtschaftlichen Nähe zwischen Erblasser und Erben.“

Vor diesem Hintergrund sieht das Erbschaftsteuerrecht im Sinne einer sachlichen Steuerbefreiung für den Übergang von Betrieben, Teilbetrieben, Mitunternehmeranteilen1769 sowie Anteilen an Kapitalgesellschaften, die eine Beteiligungsquote von 25% übersteigen1770, einen sachlichen Freibetrag in Höhe von 256.000 EUR1771 und darüber hinaus einen quotalen Bewertungsabschlag in 1766 So etwa O. Depenheuer, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. I, Art. 14, Rn. 516; R. Wendt, in: Sachs, GG, Art. 14, Rn. 197. 1767 Die Stellungnahmen zu diesem Themenfeld sind Legion. Einen Überblick geben z. B. H. W. Arndt, Konsequenzen für den Gesetzgeber aus den Beschlüssen des Bundesverfassungsgerichts vom 22.6.1995 zur Vermögen- und Erbschaftsteuer, BB 1996, Beilage 7, S. 25 f.; W. Ritter, Gedanken zur Erbschaftsteuer. Reinhold Kreile zum 65. Geburtstag, BB 1994, S. 2287; J. Ziegler, Reform der Erbschaftsteuer. Freistellung von Unternehmensvermögen?, BB 1996, S. 454 ff. 1768 Vgl. BVerfGE 93, 165 (175). 1769 Vgl. hierzu § 16 Abs. 1 EStG; statt vieler dazu W. Reiß, in: P. Kirchhof (Hrsg.), Einkommensteuergesetz, KompaktKommentar, 2. Aufl., 2002, § 16, Rn. 200 ff. 1770 Siehe § 13a Abs. 4 ErbStG. 1771 Vgl. § 13a Abs. 1 ErbStG.

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Höhe von 40%1772 vor1773. In praxi wird in vielen Fällen inländisches Betriebsvermögen überhaupt nicht mehr oder nur noch zu etwa 60 Prozent des in der Steuerbilanz ausgewiesenen Eigenkapitals zur Erbschaftsteuer herangezogen1774. Überdies sieht § 19a ErbStG im Einklang mit der Halbteilungsrechtsprechung des obersten Gerichts im Fall des Erwerbs von nach § 13a ErbStG begünstigtem Betriebsvermögen eine Tarifbegrenzung vor, so dass der Übergang begünstigtem Betriebsvermögens unabhängig von der verwandtschaftlichen Nähe zwischen Erblasser und Erben dem Tarif der Steuerklasse I unterliegt1775. Ohne an dieser Stelle die Zugeständnisse des Steuergesetzgebers für Betriebsvermögen im Erbschafts- oder Schenkungsfall bewerten zu wollen, sei doch festgehalten, dass die Vorgaben des Halbteilungsprinzips, abgerundet mit den steuerverfassungsrechtlichen Implikationen des grundgesetzlich gewährleisteten Eigentums und Erbrechts wie auch der unstrittigen Sozialbindung des unternehmerischen Eigentums, mit diesen Regelungen erfüllt sind. Letztlich führen die oben skizzierten Regelungen sogar dazu, dass der Übergang betrieblichen Vermögens mit einem Steuerzugriff von deutlich weniger als 50% erfasst wird1776. Nicht nur für das Betriebsvermögen, sondern für jegliches Vermögen, das im Zuge von Erbe oder Schenkung übergeht, entsprechen die heutigen Regelungen des Erbschaftsteuerrechts offensichtlich dem Halbteilungsprinzip1777, greift doch 1772

Vgl. § 13a Abs. 2 ErbStG. Dazu ausführlicher z. B. H. Butzer, Freiheitsrechtliche Grenzen der Steuer- und Sozialabgabenlast, S. 87 f.; D. J. Piltz, Die neue Erbschaftsbesteuerung des unternehmerischen Vermögens, ZEV 1997, S. 61; D. Schulze zur Wiesche, Ansatz von Betriebsvermögen und sonstigem Produktivvermögen im neuen Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht (§ 13a ErbStG), UVR 1997, S. 158; D. Gebel, Die neue Freibetragsregelung in § 13a ErbStG 1996 beim Erwerb von Betriebsvermögen im Erbfall, BB 1997, S. 811; T. Stobbe/D. Brüninghaus, Begünstigtes Betriebsvermögen im Erbschaftsteuerrecht, BB 1998, S. 1611. 1774 So R. Seer, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 13, Rn. 15 f., der übrigens die weitreichende Steuerbefreiung unter steuerverfassungsrechtlichen Aspekten zumindest als bedenklich erachtet; i. d. S. auch ders., Die neue Erbschaft- und Schenkungsteuer auf dem verfassungsrechtlichen Prüfstand, StuW 1997, S. 294 f.; ders., Das Betriebsvermögen im Erbschaftsteuerrecht, DStJG 22 (1999), S. 210 ff.; weniger kritisch z. B. W. Flume, Die Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts zu den Einheitswerten in Hinsicht auf die Vermögen- und Erbschaftsteuer, DB 1995, S. 1779 f. Eine erbschaftsteuerliche Privilegierung des Betriebsvermögens kritisiert z. B. auch P. Bareis, Probleme verfassungsgerichtlicher Vorgaben und ihrer Umsetzung am Beispiel der Vermögenund Erbschaftsteuer, DB 1996, S. 1157 f., der sogar mittels eines Rechenbeispiels die Fehlleitung einer solchen Steuerbegünstigung nachzuweisen versucht. 1775 Angemerkt sei nur, dass diese Tarifbegrenzung des § 19a ErbStG nur für natürliche Personen anwendbar ist, während juristische Personen nach der ungünstigeren Steuerklasse III besteuert werden. 1776 Im Ergebnis bewegt sich die steuerliche Belastung im Erbfall sogar in der Nähe der diskutierten „hälftigen Halbierung“, also einer effektiven Steuerlast von ca. 25% des unternehmerischen Eigentums. 1777 A. A. A. Nachreiner, Verfassungswidrigkeit des Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes wegen Verstoß gegen Art. 14 GG, ZEV 2005, S. 6 ff., der in einer „über1773

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6. Teil: Teilung des Eigentums zwischen Steuerbürger und -staat

der Fiskus maximal zur Hälfte auf das Besteuerungsobjekt zu und belässt so wenigstens die Hälfte des Erbes nach dem Erbgang in privater Hand. So bleibt die vorrangige Nützigkeit des Eigentums beim Übergang auf Ehepartner, Kinder oder andere, nichtverwandte Erben erhalten, der Vorrang der Privatheit – einer der elementaren Bausteine des Halbteilungsprinzips – ist gewahrt. Dass neben der Familienbegünstigung, die dem Zusammenwirken von Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 14 GG zu entnehmen ist, das Gebrauchsvermögen des pflichtigen Bürgers steuerlich verschont wird, entspricht einem auch erbschaftsteuerlich interpretierten Halbteilungsprinzip in seiner Republikanität. Immerhin stellt der Steuergesetzgeber das Gebrauchsvermögen des Bürgers von der Besteuerung im Erb- oder Schenkungsfall frei, das Gebrauchsvermögen aber soll über die Gewährleistung des Existenzminimums hinaus einen „Freiheitsraum für die eigenverantwortliche Gestaltung des persönlichen Lebensbereiches“1778 sichern. Der erbschaftsteuerliche Zugriff in seiner heutigen Struktur behindert also den Bürger in seinem Streben nach einem vorrangig privatheitlichen Leben in Eigenverantwortung nicht, sondern bestärkt und unterstützt ihn vielmehr, wie das der republikanisch interpretierte Halbteilungsgrundsatz einfordert1779. Dass das oberste Gericht aus der erhöhten Sozialbindung des unternehmerischen Eigentums in letzter Konsequenz keine erhöhte Steuerzahlpflicht, sondern ein Gebot zur steuerlichen Verschonung, zumindest Begünstigung dieses Vermögens ableitet1780, sei zwar nur am Rande angemerkt, liefert aber doch wichtige Denkanstöße bei der Diskussion um die Pflichtigkeit des Eigentums und deren Umsetzung in praxi. Jedenfalls unterliegen die steuerlichen Lasten im Fall des Eigentumsüberganges – sei es auf dem Weg der Schenkung oder im Todesfall – dem Halbteilungsprinzip, dürfen aber nicht zu einer Gesamtlast mit anderen Geldleistungen im Rahmen der laufenden Besteuerung addiert werden, sondern sind isoliert zu betrachten. V. Ausweitung des Halbteilungsgrundsatzes für nichtsteuerliche Abgaben Neben den Steuern sieht der moderne Finanzstaat für den Bürger weitere öffentliche Geldleistungspflichten vor1781. Grundsätzlich kennt das deutsche Abgabenrecht neben den Steuern auch Gebühren und Beiträge1782. In der Belasschlägigen wirtschaftlichen Berechnung“ (S. 6) über einen längeren Zeitraum hinweg die dem Erb- oder Schenkungsfall nachfolgenden Belastungen durch die Einkommensteuer typisierend einbezieht und die Verfassungsmäßigkeit der Erbschaft- und Schenkungsteuer in ihrer derzeitigen Form in Frage stellt. 1778 BVerfGE 93, 121 (140 f.). 1779 Siehe oben 2. Kap., V., 3. 1780 So BVerfGE 93, 165 (175 f.). 1781 Vgl. die Übersicht bei K. Vogel/C. Waldhoff, in: BK, Vorbem. zu Art. 104a– 115, Rn. 345 ff. (Schaubild S. 297).

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tungsrealität der modernen Republik stehen bei den nichtsteuerlichen Abgaben neben Sonderabgaben und ähnlichen Leistungspflichten des Bürgers vor allem Sozialversicherungsbeiträge1783 im Vordergrund1784. Grundsätzlich tangieren auch nichtsteuerliche Abgabenpflichten das Eigentum des Bürgers und dessen private Nützigkeit1785, beschneiden die bürgerliche Privatheit und substituieren diese, wenigstens im Umfang der tatsächlichen Lasten, durch republikanische Staatlichkeit1786. In besonderem Maße mag das für Sozialversicherungsbeiträge gelten, wo systematisch privatheitliche Vorsorgemöglichkeiten durch staatliche Vorsorgepflichten ausgetauscht werden. In ihrer Wirkung unterscheiden sich die nichtsteuerlichen Abgabenlasten auf den ersten Blick nicht von den zahlreichen 1782 Gebühren und Beiträge leiten sich aus einem staatlichen Aufwand ab. Während bei der Gebühr der Bürger eine Leistung begleicht, die ihm nur aufgrund seines Entgelts zuteil wird, trägt er mit dem Beitrag zur Finanzierung einer Einrichtung bei, die er individualisierbar nutzen kann; so z. B. P. Kirchhof, Staatliche Einnahmen, in: HStR, Bd. IV, § 88, Rn. 181; näher z. B. K. Vogel, Grundzüge des Finanzrechts der Grundgesetzes, in: HStR, Bd. IV, § 87, Rn. 46 ff., 97 ff. 1783 Sozialversicherungsbeiträge können nicht eindeutig als Beiträge im herkömmlichen Sinne klassifiziert werden, da die Leistungen der Versicherungsträger nicht immer in einem entsprechenden Verhältnis zu den Leistungen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer stehen. Vielmehr erfolgt die Beitragserhebung für den Risikoausgleich unter den Versicherten und als Ausdruck der allgemeinen Fürsorge der Arbeitgeber für die Arbeitnehmer. Für den Solidarcharakter vgl. BVerfGE 11, 105 (117; „. . . Grundsatz sozialen Ausgleichs, nicht . . . Abgeltung eines individuellen Vorteils.“); i. d. S. z. B. BVerfGE 14, 312 (318); 48, 227 (235 f.); 51, 115 (124); 53, 313 (328); dazu z. B. P. Kirchhof, Staatliche Einnahmen, in: HStR, Bd. IV, § 88, Rn. 271, der den „sog. ,Sozialversicherungsbeitrag‘“ als „sozialversicherungsrechtliche Solidarabgabe“ bezeichnet. Im Folgenden findet, nicht zuletzt aufgrund des Sprachgebrauches, der Begriff des Sozialversicherungsbeitrages Verwendung. 1784 Vgl. etwa L. Schemmel, Zur Aufnahme des Leistungsfähigkeitsprinzips und anderer Grenzen für den Steuerstaat in das Grundgesetz, StuW 1995, S. 54; dazu auch K. Vogel/C. Waldhoff, in: BK, Vorbem. z. Art. 104a–115, Rn. 453. Nicht nur aufgrund der heutigen Belastungsrealität, sondern auch mit Blick auf die Grundsätzlichkeit, aufgrund deren hoffentlich gewonnene Erkenntnisse auf andere, weniger regelmäßig anzutreffende, nichtsteuerliche Abgabentypi übertragen werden können, soll im Folgenden vorrangig die Bedeutsamkeit des Halbteilungsgrundsatzes für Sozialversicherungsbeiträge erörtert werden. 1785 Würde man die verfassungsrechtliche Eingriffshaftigkeit von nichtsteuerlichen Abgabenpflichten a priori ablehnen – eine solche Position erinnert an die frühe Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Relevanz von Art. 14 GG im Falle von öffentlich-rechtlichen Geldleistungspflichten –, könnte der Staat nahezu beliebig „Sozialversicherungsbeiträge statt Steuern“ auferlegen, wie W. Leisner, Personalzusatzkosten – Belastungen der Betriebe ohne Grenzen?, GewArch 42 (1996), S. 133, zutreffend anmerkt. Vgl. zu der verfassungsrechtlichen Problematik der Gemeinlastfinanzierung durch Abgaben übrigens BVerfGE 91, 186 (201); grundsätzlich zu Fragen des Art. 14 GG bei Abgabenpflichten etwa B. Schmidt-Bleibtreu, in: B. Schmidt-Bleibtreu/ F. Klein (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, 8. Aufl., 1995, § 14, Rn. 4a f. 1786 Die republikanische Bürgergemeinschaft übt insoweit Staatlichkeit aus, als sie nicht nur im Rahmen der allgemeinen Gesetze Dispositionsentscheidungen für die qua Abgabenerhebung erzielten Finanzmittel trifft, sondern diese auch nach Maßgabe der jeweiligen Gesetze distribuiert.

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Steuerzahlungen1787, die das Vielsteuersystem der Bundesrepublik dem pflichtigen Bürger abfordert, so dass die Gültigkeit des Halbteilungsgrundsatzes nicht nur für die Erhebung von Steuern, sondern auch für die Auferlegung von Abgabenverpflichtungen zur Diskussion gestellt werden kann1788. Schließlich differenziert der pflichtige Bürger in seiner Lastenwahrnehmung nicht, ob die von ihm geleisteten Zahlungen dem allgemeinen Staatshaushalt oder den Parafisci, den Haushalten der Sozialversicherungsträger, zufließen1789. Auch wenn im Vermögensteuer-Beschluss des Bundesverfassungsgerichts als Bemessungsbasis der Halbteilungsgrenze expressis verbis nur die Steuerlasten genannt werden, deutet die Entscheidung zur Erbschaftsteuer – diese Entscheidungen stehen in engem Zusammenhang – an, dass in die Grenze der maximal hälftigen Teilung gleichermaßen Steuern und nichtsteuerliche Sozialkosten, vornehmlich also Sozialversicherungsbeiträge, einzubeziehen sind1790. Das Bundesverfassungsgericht berücksichtigt bei einer Prüfung etwaiger Verletzungen des Art. 14 GG im Kontext des Halbteilungspostulats prinzipiell alle hoheitlichen Lasten – gleichgültig, ob steuerlicher oder nichtsteuerlicher Art1791. Ob und inwieweit der zunächst steuerverfassungsrechtliche Halbteilungsgrundsatz auf 1787 Für eine Abgrenzung von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen vgl. z. B. K. Vogel/C. Waldhoff, in: BK, Vorbem. z. Art. 104a–115, Rn. 459 f. 1788 Eine mögliche verfassungsrechtliche Gleichschaltung von Steuern und Abgaben ließ das Bundesverfassungsgericht schon lange vor seiner Halbteilungsjudikatur – zumindest im Bereich der Sonderabgaben – anklingen: „. . . darüber hinaus ist von vornherein den Erfordernissen des Individualschutzes der Abgabepflichtigen Rechnung zu tragen, die sowohl durch Steuern als auch durch Sonderabgaben in Pflicht genommen werden.“; BVerfGE 55, 274 (300). 1789 Vgl. H. Butzer, Freiheitsrechtliche Grenzen der Steuer- und Sozialabgabenlast, S. 90. Dass die Grenzen zwischen Steuern und Abgaben nicht nur in der Wahrnehmung der Bürger, sondern auch hinsichtlich der Verwendung erzielter Einnahmen immer mehr verschwimmen, trägt hierzu sicherlich bei; dazu grundlegend H. Reiter, Soziallast als Steuerlast, in: P. Kirchhof/K. Offerhaus/H. Schöberle (Hrsg.), Steuerrecht, Verfassungsrecht, Finanzpolitik, Festschrift für Franz Klein, 1994, S. 1101 ff. 1790 Siehe dazu BVerfGE 93, 165 (175 f.), wenigstens für die Sozialkosten des Arbeitgebers („Verpflichtungen gegenüber den Arbeitnehmern“). Gemeint sind Sozialversicherungsbeiträge, aber auch Belastungen z. B. durch Ausfallzeiten aufgrund von Bildungsurlaub oder durch Engeltfortzahlungen im Krankheitsfall; für die weiteren Überlegungen werden Belastungen durch Ausfallzeiten oder Entgeltfortzahlungen ausgeblendet, da aufgrund der ausgeprägten Einzelfallabhängigkeit eine typisierende Betrachtung kaum sinnvoll erscheint, die Gültigkeit des Halbteilungsgrundsatzes aber auf einer grundlegenden Ebene erörtert werden soll. 1791 So ist wohl auch der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts, der sich gemeinhin gegen die grundsätzliche Aktivierung des Art. 14 GG bei öffentlich-rechtlichen Geldleistungspflichten ausgesprochen hat, in seinen Beschlüssen vom 20.8.1997 (1 BvR 1300/89, HFR 1997, S. 937 und 1 BvR 1523/88, HFR 1998, S. 397) zu verstehen, wenn er formuliert, „eine Überschreitung der verfassungsrechtlichen Besteuerungsschranken käme nur in Betracht, wenn die Beiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung und die steuerliche Belastung zusammengenommen ein solches Ausmaß erreichen, dass nicht mehr davon ausgegangen werden könnte, dem Steuerpflichtigen verbliebe ein Kernbestand des Erfolgs eigener Betätigung im wirtschaftlichen Be-

3. Kap.: Realitäten des Halbteilungsgrundsatzes

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nichtsteuerliche Abgabenpflichten ausgedehnt werden kann, ja ausgedehnt werden muss, soll im Folgenden exemplarisch für Sozialversicherungsbeiträge sowie für Sonderabgaben kurz erörtert werden. Betrachtet man Sozialversicherungsbeiträge unter dem Aspekt der Privatnützigkeit, so hängt ihre Belastungsrelevanz für den pflichtigen Bürger wesentlich davon ab, ob er mit dem Leisten der Beiträge einen Anspruch auf Gegenleistungen erwirbt und im Zeitverlauf Gegenleistungen erhält. In diesem Fall handelt es sich um eigennützige Abgaben, die nicht in die Gesamtbelastung des Bürgers einzubeziehen sind, sondern vielmehr als eigennützige Abgaben seinem Realeinkommen zugeschlagen werden müssen. Letztlich tauscht der Bürger Eigentum gegen Eigentum, erfüllen doch auch Renten- und ähnliche, öffentlich-rechtliche Ansprüche des privaten Bürgers gegen die staatliche Solidargemeinschaft die Eigentumsvoraussetzungen des Art. 14 GG1792. Fremdnützige Sozialversicherungsbeiträge hingegen, mit denen der Bürger einen Solidarbeitrag leistet1793, führen zu einer Belastung des pflichtigen Bürgers, erhöhen folglich seine Gesamtbelastung1794. Um Sozialversicherungsbeiträge in der Gesamtbelastungsrechnung quantifizieren und typisierend erfassen zu können, muss also über deren Eigen- oder Fremdnützigkeit entschieden werden, diese gegebenenfalls sogar in einen eigenreich.“ Für eine solche Gesamtbetrachtung aller Abgabenlasten deutlich H. Butzer, Freiheitsrechtliche Grenzen der Steuer- und Sozialabgabenlast, S. 88 f. 1792 Vgl. deutlich und wegweisend BVerfGE 53, 257 (289 ff.), wo die „persönliche Arbeitsleistung des Versicherten“, auch als Indiz des Eigennützigkeitskriteriums, hervorgehoben wird, sowie 58, 81 (109); zu der Diskussion bereits BVerfGE 2, 380 (399 ff.); 3, 58 (153); 14, 288 (294); 18, 392 (397); 45, 142 (170); 48, 403 (412 f.); siehe auch BVerfGE 69, 272 (300 ff.); 72, 9 (18 f.); 74, 203 (213); für die Eigentumseigenschaft sozialversicherungsrechtlicher und ähnlicher Positionen z. B. P. Badura, Eigentum, in: HVerfR, S. 349 ff.; D. Ehlers, Eigentumsschutz, Sozialbindung und Enteignung bei der Nutzung von Boden und Umwelt, VVDStRL 51 (1992), S. 216; K. A. Schachtschneider, Das Recht am Eigentum und das Recht auf Eigentum, in: FS W. Leisner, S. 768; ergänzend z. B. H.-J. Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 14, Rn. 136 ff. (m.w. N.); auch ders., Die Differenziertheit sozialrechtlicher Positionen und der Anspruch der Eigentumsgarantie, in: Deutscher Sozialrechtsverband (Hrsg.), Verfassungsrechtlicher Eigentumsschutz sozialer Rechtspositionen, 2. Sozialrechtslehrertagung, 1982, S. 193 ff., 198; kritischer etwa H. Rittstieg, in: AK-GG, Art. 14/15, Rn. 114; W. Däubler, Eigentum und Recht in der BRD, in: W. Däubler/U. SielingWendeling/H. Welkoborsky (Hrsg.), Eigentum und Recht. Die Entwicklung des Eigentumsbegriffs im Kapitalismus, S. 201. 1793 Zum Solidaraspekt der Sozialversicherung, insbesondere der Rentenversicherung, statt vieler O. Depenheuer, Wie sicher ist verfassungsrechtlich die Rente? – Vom liberalen zum solidarischen Eigentumsbegriff, AöR 120 (1995), S. 417 ff.; siehe auch die Hinweise in Fn. 1738. Grundsätzlich zum Gedanken der Solidarität in der Republik vgl. bereits 4. Teil, auch 3. Teil, 2. Kap. 1794 Vgl. zu dieser Argumentation ausführlicher H. Butzer, Freiheitsrechtliche Grenzen der Steuer- und Sozialabgabenlast, S. 99 ff. (insb. S. 100). Für eine Belastung des pflichtigen Bürgers durch Sozialversicherungsbeiträge, zumindest in Teilen, spricht der Solidarcharakter der Beiträge; dazu nochmals im Folgenden.

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nützigen und einen fremdnützigen Beitragsbestandteil aufgespalten werden1795. In der Praxis der gesetzlichen Sozialversicherung wird sich eine solche rechnerische Zuordnung, insbesondere für sowohl fremd- als auch eigennützige Beitragsleistungen als äußerst schwierig erweisen1796. In der privaten Versicherungswirtschaft lässt sich aufgrund des Kapitaldeckungsverfahrens eine direkte Beitragsäquivalenz zwischen Beitragsleistungen und Versicherungsleistungen herstellen. Die gesetzlichen Sicherungssysteme hingegen basieren auf dem Umlageverfahren, also auf dem Prinzip der Kostendeckung, wonach individuelle Beiträge so zu bemessen sind, dass sie einen vermutlich eintretenden Gesamtbedarf, einen notwendigen Verwaltungsaufwand und gegebenenfalls Rücklagen für künftige Versicherungsleistungen abdecken1797. Die Beitragszahlungen ziehen zwar einen sozialversicherungsrechtlichen Anspruch nach sich, eine unmittelbare Teilhabe am Kapitalstock gibt es in umlagefinanzierten Versicherungssystemen hingegen nicht; direkte Zuordnungen von Beitragszahlungen und Versicherungsleistungen sind also nicht möglich. Eine Relation zwischen Beitrag und Leistung, mit deren Hilfe ein eigennütziger Beitragsanteil zumindest grob quantifiziert werden könnte, lässt sich am ehesten noch bei Rentenzahlungen ermitteln. Ausgeprägter ist der Solidaraspekt bei Leistungen der Arbeitslosenversicherung, wo eine auch nur näherungsweise Schätzung der Äquivalenzrelation nicht möglich ist. Am klarsten fehlt eine rechnerisch fassbare Relation zwischen eigenem Beitrag und zu erwartenden Versicherungsleistungen bei der Kranken- und Pflegeversicherung. Letztlich wird das Verhältnis des eigennützigen zum fremdnützigen Anteils von Sozialversicherungsbeiträgen aufgrund des für die Sozialversicherung typischen Umlageverfahrens immer nur ex post zu ermitteln sein, also nach dem Ausscheiden des Versicherten aus dem Versiche1795 I. d. S., zumindest für den Bereich der Rentenversicherung, H.-J. Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 14, Rn. 138. Dafür spricht auch BVerfGE 51, 115 (124), demnach das Äquivalenzprinzip nicht vollständig durchzuhalten sei, das Sozialversicherungsrecht vielmehr gerade hinsichtlich der Beitragsgestaltung vom Gedanken des sozialen Ausgleichs geprägt sei und folglich – so die logische Konsequenz – neben eigennützige auch Leistungen treten würden. Mit dieser Trennung in eigen- und fremdnützige Beitragsteile soll übrigens nicht der Solidaraspekt der sozialen Sicherungssysteme in Frage gestellt, sondern das Bewusstsein dafür geschärft werden, dass der pflichtige Bürger zumindest einen Teil seiner Beiträge wenn nicht für das Gemeinwohl, so doch für die Versichertengemeinschaft leistet und damit, vergleichbar anderen hoheitlichen Lasten, wenigstens im materiell-ökonomischen Ergebnis durch diese Zahlungspflichten belastet wird. 1796 Eine genaue Zuordnung von eigen- und fremdnützigen Beitragsanteilen wird noch dadurch erschwert, dass aus den Einnahmen der sozialen Sicherungssysteme regelmäßig versicherungsfremde Leistungen, etwa Transferzahlungen in die neuen Länder, erbracht werden. Auf eine weitere Diskussion dieser Problematik wird aus systematischen Gründen verzichtet, da der fremdnützige, folglich belastende Effekt dieser Beitragsanteile unstrittig sein dürfte; grundlegend zu dieser Problematik H. Reiter, Soziallast als Steuerlast, in: FS F. Klein, S. 1101 ff. 1797 Grundlegend hierzu etwa P. Kirchhof, Staatliche Einnahmen, in HStR, Bd. IV, § 88, Rn. 273 ff. (insb. Rn. 276), auch Rn. 200.

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rungssystem oder nach seinem Tod1798, so dass auf Durchschnittswerte, statistische Daten und ähnliche Größen zurückgegriffen werden müsste. Auch wenn sich eine genauere Quantifizierung damit als äußerst schwierig, wenn nicht als unpraktikabel präsentiert, ermöglicht doch insbesondere die Einordnung in eigen- und fremdnützige Sozialversicherungsbeiträge zumindest Tendenzaussagen, wenn es um die Erstellung einer Gesamtbelastungsrechnung für die Halbteilungsdiskussion geht1799. Eigennützige Sozialversicherungsbeiträge leisten all diejenigen Mitglieder der Versichertengemeinschaft, deren eigener Beitrag geringer als die Summe der zu ihren Gunsten erbrachten Versicherungsleistungen ist, die also im Lauf ihres Versichertenlebens im Saldo von den Beitragsleistungen anderer profitieren. Die hoheitliche Belastung durch Sozialversicherungsbeiträge wird in dieser Konstellation durch den Vorteil der erhaltenen Versicherungsleistungen kompensiert. Die Beitragsverpflichtung darf hier in ihrer finanziellen Dimension nicht als Abgabe und damit als Teil der Gesamtbelastung des Bürgers erfasst werden. Der Fall exakt leistungäquivalenter Beitragsleistungen dürfte in der sozialversicherungsrechtlichen Praxis aber derart selten sein, dass hier auf eine nähere Betrachtung wohl verzichtet werden kann. Falls jedoch die geleisteten Zahlungen und die empfangenen Vorteile tatsächlich per Saldo ausgeglichen sind, entsteht für den Bürger keine Belastung, die in eine halbteilungsrelevante Gesamtbelastungsrechnung einzubeziehen wäre. Fremdnützige Beiträge oder Beitragsanteile, die das private Eigentum des pflichtigen Bürger schmälern und ihn so effektiv belasten, sind in einer Gesamtbelastungsrechnung in Ansatz zu bringen. Erschwert wird die genaue Hinzurechnung dadurch, dass die Arbeitnehmeranteile der Sozialversicherung bei der Einkommen- und Lohnsteuer des Steuerpflichtigen im Rahmen des Sonderausgabenabzugs von Vorsorgeaufwendungen zumindest bis zu einem bestimmten Höchstbetrag abgezogen werden können1800; die Belastungsgröße wäre um diese Entlastungskomponenten zu reduzieren. Nur bei ausschließlich fremdnützigen Sozialversicherungsbeiträgen wäre eine eindeutige Zuordnung möglich. In der Praxis dürfte dieser Fall allerdings eher selten auftreten; die typisierende Aufteilung in eigen- und fremdnützige Beitragsteile dürfte der Regelfall sein.

1798 Zu diesem Themenkomplex sehr umfassend H. Butzer, Freiheitsrechtliche Grenzen der Steuer- und Sozialabgabenlast, S. 99 ff., insb. S. 103 f. 1799 Grundlegend H. Butzer, Freiheitsrechtliche Grenzen der Steuer- und Sozialabgabenlast, S. 45, 47. 1800 Siehe §§ 10 Abs. 1 Nr. 2, 10a Abs. 1 EStG; hierzu z. B. P. Fischer, in: P. Kirchhof (Hrsg.), Einkommensteuergesetz, KompaktKommentar, 2. Aufl., 2002, § 10, Rn. 1 ff., 11 ff.; ders., in: P. Kirchhof (Hrsg.), Einkommensteuergesetz, KompaktKommentar, 2. Aufl., 2002, § 10a, Rn. 1 ff., 8 ff.

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6. Teil: Teilung des Eigentums zwischen Steuerbürger und -staat

Komplett fremdnützig erscheint auf den ersten Blick der hälftige Arbeitgeberanteil zum Sozialversicherungsbeitrag, da hier der leistungsverpflichtete Unternehmer ausschließlich zu fremden Gunsten belastet wird. Schließlich leistet der Unternehmer Beiträge für seinen Arbeitnehmer, zugleich auch für die Versichertengemeinschaft. Unabhängig davon, dass diese Verpflichtungen des Arbeitgebers zu steuerlich abzugsfähigen Betriebsausgaben führen und somit die effektive Belastung reduzieren, können diese Anteile sowie weitere, den Gesetzen zu entnehmende Sozialkosten möglicherweise auf die Abnehmer oder Lieferanten abgewälzt werden. In diesen Fällen ist das leistende Unternehmen zumindest wirtschaftlich nicht belastet, so dass die Arbeitgeberanteile an den Sozialversicherungsbeiträgen nicht in die Gesamtabgabenbelastung einzubeziehen wären, an die der Maßstab des Halbteilungsprinzips anzulegen ist. Außerdem wäre zu diskutieren, ob der Arbeitgeberanteil zum Sozialversicherungsbeitrag des Arbeitnehmers nicht faktisch als Lohn- oder Gehaltsbestandteil zu werten und insoweit dessen Fremdnützigkeit erst auf Ebene des Arbeitnehmers zu untersuchen wäre. Im Gegensatz zum Arbeitnehmeranteil, den der Arbeitgeber als Teil des Lohnes für den Arbeitnehmer an die Sozialversicherungsträger abführt, leistet der Arbeitgeber seinen Anteil an den Sozialversicherungsbeiträgen zusätzlich zu dem Bruttoarbeitslohn, was auf eine additive Belastung des Arbeitgebers hindeutet. Allenfalls könnte bei dem Teil des Arbeitgeberanteils, der dem Arbeitnehmer fiktiv als für ihn eigennützige Größe zukommt, noch eine zusätzliche „Lohnkomponente“ unterstellt und die Fremdnützigkeit auf Ebene des Arbeitgebers in Frage gestellt werden. Zumindest der Teil des Arbeitgeberanteils, der als Beitrag an die Solidargemeinschaft fließt, wird wohl dem fremdnützigen Beitragsanteil zuzurechnen sein, der den Unternehmer halbteilungsrelevant belastet1801. Allein unter dem Aspekt der Privatnützigkeit wären also Abgaben, allen voran die Sozialversicherungsbeiträge, methodisch in einen eigennützigen und einen fremdnützigen Teil aufzuspalten, um anschließend den fremdnützigen Anteil als tatsächliche Last dem Gesamtbelastungskonto des pflichtigen Bürgers zurechnen zu können. Auf diesem Wege würde zumindest der fremdnützige Beitrag in die Halbteilungsbemessung einfließen. Allerdings kann das Halbteilungsprinzip, das auf dem grundsätzlichen Vorrang der Privatheit vor aller Staatlichkeit basiert, nicht auf eine rein materiell-ökonomische Dimension reduziert werden1802. Immerhin gibt das Privatheitsprinzip als eines der grundlegenden Prinzipien der freiheitlichen Republik dem Bürger das Recht, aber auch die 1801 Hier soll nicht etwa der Arbeitgeberanteil an den Sozialversicherungsbeiträgen in seiner Eigenschaft als Beitrag für die Solidargemeinschaft in Frage gestellt werden, sondern vielmehr das Bewusstsein dafür geschärft werden, dass auch derartige finanzielle Lasten den pflichtigen Bürger, sei er nun Unternehmer oder nicht, grundsätzlich in seinem Eigentum berühren und beeinträchtigen können. 1802 So bereits im 2. Kap., V., 3.

3. Kap.: Realitäten des Halbteilungsgrundsatzes

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Pflicht, sich um ein Leben in Eigenverantwortung und Selbständigkeit im Rahmen allgemeiner Gesetze bestmöglich zu bemühen1803. Ein Staat, der die Vorsorgebemühungen des Bürgers vorrangig in seine Hände nimmt, konterkariert das Privatheitsprinzip1804. Insoweit wäre nicht nur der fremdnützige, sondern auch der eigennützige Anteil der Sozialversicherungsbeiträge als eine Belastung bürgerlicher Privatheit zu werten, da die Möglichkeit des Bürgers zu einem eigenständigen Leben formal wie materiell beschnitten und die private Vorsorgeentscheidung stattdessen bereits in ihrer Grundsätzlichkeit in staatliche Hände gelegt wird. Die Auferlegung von sowohl fremdnützigen als auch eigennützigen Abgabepflichten berührt nicht nur das Privatheitsprinzip, sondern auch das Sozialprinzip1805. So sieht das republikanische Sozialprinzip, dem Gedanken der Subsidiarität entsprechend, von Seiten des Staates zwar Unterstützung vor, wenn es sich um die Sicherung der bürgerlichen Existenz sowie staatliche Aufgaben der Daseinsvorsorge handelt. Darüber hinaus ist der soziale Staat vor allem verpflichtet, den Bürger in seinem Bestreben um ein eigenständiges Leben in Selbstverantwortung bestmöglich zu unterstützen1806. Auch unter diesem Aspekt ist ein soziales Sicherungssystem kritisch zu beurteilen, dass dem Bürger zumindest in Höhe des eigennützigen Beitragsanteils Verpflichtungen auferlegt, die im Gegenzug zwar Anrechte auf staatliche Leistungen entstehen lassen, ansonsten jedoch die Möglichkeiten der privaten Vorsorge einschränken1807. Wenigstens in 1803 Grundlegend zu dieser Idee der Privatheit K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 234 ff., 370 ff., 386 ff., 466 ff.; umfassend ders., Freiheit in der Republik, 8. Kap., III., IV.; auch ders., Vom liberalistischen zum republikanischen Freiheitsbegriff, in: FS der WiSo der FAU Erlangen-Nürnberg, S. 441 f.; ergänzend auch ders., Recht auf Arbeit – Pflicht zur Arbeit, in: GS J. G. Helm, S. 827 ff.; aktuell ders., Der Staat als Wirtschaftssubjekt und Auftraggeber, Aussprache, VVDStRL 60 (2001), S. 615 f.; für einen Überblick auch ders., Der Anspruch auf materiale Privatisierung, S. 67 ff., 100 ff.; sinngemäß z. B. auch W. Löwer, Der Staat als Wirtschaftssubjekt und Auftraggeber, VVDStRL 60 (2001), S. 4167 ff. 1804 Ganz i. d. S. K. A. Schachtschneider, Republikanische Freiheit, in: FS M. Kriele, S. 856 ff.; nahe am Thema, explizit zwar nur für die Krankenversicherung, aber dogmatisch auf die übrigen Sozialversicherungen übertragbar, ders./A. Emmerich-Fritsche, Rechtliche Begründung, in: Vertragsärztliche Bundesvereinigung (Hrsg.), Revolution der Krankenversicherung. Prinzipien, Thesen und Gesetz, 2002, S. 63 f. 1805 Grundlegend zum Sozialprinzip K. A. Schachtschneider, Res publica, S. 234 ff. u. ö.; insb. ders., Das Sozialprinzip, passim; auch ders., Grundgesetzliche Aspekte der freiberuflichen Selbstverwaltung, Die Verwaltung 31 (1998), S. 154 ff.; grundlegend auch H. F. Zacher, Das soziale Staatsziel, in: HStR, Bd. I, § 25; vgl. außerdem den 4. Teil (m. zahlr. Hinw.); wichtig zur Verortung des sozialen Grundprinzips im Kontext von Abgabenpflichten K. A. Schachtschneider/A. Emmerich-Fritsche, Rechtliche Begründung, in: Vertragsärztliche Bundesvereinigung (Hrsg.), Revolution der Krankenversicherung. Prinzipien, Thesen und Gesetz, S. 19 ff. 1806 So etwa K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 234, ausführlicher S. 234 ff.; vgl. auch 4. Teil, 3. Kap., insb. IV. 1807 Sinngemäß wohl K. A. Schachtschneider, Res publica Res populi, S. 244 ff.

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6. Teil: Teilung des Eigentums zwischen Steuerbürger und -staat

dem Augenblick, in dem die kumulierten Lasten die Grenze des Halbteilungsprinzips überschreiten, staatliches Handeln also vor privates Handeln tritt, lässt sich die eigennützige Beitragslast nicht mehr mit den Vorgabe des Halbteilungsgrundsatzes vereinbaren. Der fremdnützige Teil der Abgabeverpflichtungen ist ebenfalls am Maßstab des Sozialprinzips zu messen. Unbestritten verpflichtet das soziale Prinzip der Republik den privaten Bürger ebenso wie den Unternehmer – diesen vielleicht noch mehr – in formaler wie in materieller Hinsicht zu seinem Beitrag für die bürgerliche Gemeinschaft. Dieser besteht eben nicht nur in seinem bestmöglichen Streben nach einem eigenständigen Leben, um so letztlich die Gemeinschaft entlasten zu können, sondern auch in einem finanziellen Beitrag, einer Abgabe an die Solidargemeinschaft1808. Insoweit rechtfertigt das Sozialprinzip in der freiheitlich-bürgerlichen Republik nicht nur die Erhebung von Steuern, sondern auch die Auferlegung von geldlichen Abgabepflichten; dazu zählen auch die Sozialversicherungsbeiträge. Gleichwohl führen diese wenigstens in Höhe ihrer Fremdnützigkeit zu einer tatsächlichen Belastung des Verpflichteten in seinem Eigentum und den damit verbundenen Möglichkeiten. Das Halbteilungsprinzip untersagt bekanntlich nicht etwa die grundsätzliche Auferlegung von hoheitlichen Geldleistungspflichten, eben auch von Abgaben und Beiträgen, sondern zieht diesen lediglich eine verfassungsrechtliche Grenze, beschränkt das Belastungsmaß1809. Damit müssen sich auch die fremdnützigen Abgabenanteile an dem finanzverfassungsrechtlichen Postulat des Halbteilungsgrundsatzes messen lassen. In letzter Konsequenz ist damit an eigen- und fremdnützige Abgaben – an vorderster Front hier sicherlich die Sozialversicherungsbeiträge – der Halbteilungsmaßstab anzulegen, so dass diese Belastungsgrößen ebenfalls in die halbteilungsrechtlich zu begrenzende Gesamtbelastung des verfassungsseitig geschützten Bürgers einfließen müssen1810. Auch Sonderabgaben1811 belasten den Bürger, sei er nun Privatperson oder Unternehmen, in finanzieller Hinsicht, berühren dessen Eigentumsrecht1812. Im 1808 Ergänzend zu dieser Pflichtigkeit etwa P. Kirchhof, Die Identität der Verfassung in ihren unabänderlichen Inhalten, in: HStR, Bd. I, § 19, Rn. 78; ders., Staatliche Einnahmen, in: HStR, Bd. IV, § 88, Rn. 46 ff.; K. Vogel, Der Finanz- und Steuerstaat, in: HStR, Bd. I, § 27, Rn. 71; H. F. Zacher, Das soziale Staatsziel, in: HStR, Bd. I, § 25, Rn. 20, 61 f.; grundlegend J. Isensee, Steuerstaat als Staatsform, in: FS H. P. Ipsen, S. 415 ff. 1809 So die Logik des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts in seiner Halbteilungsjudikatur, BVerfGE 93, 121 (LS 2; 136 ff.); ausführlicher hierzu 2. Kap., V. 1810 So, das Halbteilungsprinzips konsequent weiterentwickelnd, W. Leisner, Personalzusatzkosten – Belastungen der Betriebe ohne Grenzen?, GewArch 42 (1996), S. 131 f. 1811 Vgl. zu den Sonderabgaben etwa K. Vogel/C. Waldhoff, in: BK, Vorbem. z. Art. 104a–115, Rn. 436 ff. (Grundlagen), 446 ff. (Diskussion in der Literatur), 459 f. (Abgrenzung zu den Sozialversicherungsbeiträgen); weiterführend z. B. P. Kirchhof, Die Sonderabgaben, in: FS K. H. Friauf, S. 669 ff.; auch W. Jakob, Sonderabgaben –

3. Kap.: Realitäten des Halbteilungsgrundsatzes

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Gegensatz zu den Steuern fließt das Aufkommen von Sonderabgaben nicht in den allgemeinen Staatshaushalt. Die Sonderabgaben orientieren sich nicht an der individuellen Leistungsfähigkeit, sondern belasten eine ausgewählte Gruppe von Bürgern aufgrund deren eindeutig zuordenbarer Verantwortlichkeit für eine bestimmte Aufgabe oder Maßnahme des Staates. In diese Abgabenkategorie fallen zum Beispiel die Schwerbehindertenabgabe, die Abwasserabgabe, die Altölabgabe, die Abgabe zur Finanzierung der Erdölbevorratung oder die Milchabgabe, früher auch der Kohlepfennig. Wenn Sonderabgaben fremdnützig sind, also nicht dem pflichtigen Bürger, sondern lediglich anderen Bürgern der belasteten Gruppe zugute kommen, können sie im Rahmen der Gesamtbelastungsrechnung ebenfalls zur Diskussion stehen1813. Soweit Unternehmen in der Lage sind, Sonderabgaben auf Abnehmer oder Lieferanten zu überwälzen, belasten diese Abgaben das Unternehmen zumindest wirtschaftlich nicht, dürfen also nicht der Belastungsseite zugeschlagen werden. Entsprechend der bereits für die Steuerlasten ausgeführten, zwingend erforderlichen Nettobetrachtung müssen im Einzelfall wirtschaftliche Vorteile, die einem abgabepflichtigen Bürger oder Unternehmen aus einer Maßnahme, für die Sonderabgaben erhoben worden sind, wieder zugute kommen, konsequenterweise bei der Berechnung der Gesamtbelastung wieder addiert werden. Soweit sie zu einer effektiven Belastung des Eigentums führen, sind auch Sonderabgaben bei der Ermittlung der halbteilungsrelevanten Gesamtlast grundsätzlich einzubeziehen1814. Fremdkörper im Steuerstaat?, in: FS F. Klein, S. 663 ff.; M. Jachmann, Sonderabgaben als staatliche Einnahmequellen im Steuerstaat, StuW 1997, S. 299. 1812 Für eine grundsätzliche Belastung des Bürgers durch eine Sonderabgabe, stv. für viele, P. Kirchhof, Staatliche Einnahmen, in: HStR, Bd. IV, § 88, Rn. 221. Auf eine nähere Diskussion um die Rechtfertigung von Sonderabgaben, auch in Abhängigkeit von ihren Gründen, wird hier verzichtet; siehe hierzu z. B. K. Vogel/C. Waldhoff, in: BK, Vorbem. z. Art. 104a–115, Rn. 446 ff. (m.w. N.). 1813 Nicht zuletzt aufgrund der zahlreichen und vielschichtigen Fragestellungen, die Sonderabgaben auch in verfassungsrechtlicher Hinsicht aufwerfen, ist hier nur eine Tendenzaussage über die grundsätzliche Einordnung von Sonderabgaben in die halbteilungsrelevanten Belastungen des Bürgers möglich. Vgl. grundsätzlich BVerfGE 18, 315 (327); 37, 1 (16 f.); 55, 274 (300 ff.); 67, 256 (274 ff.); 78, 249 (266 f.); zur (verfassungsrechtlichen) Diskussion um die Sonderabgaben etwa K. H. Friauf, Zur Zulässigkeit von außersteuerlichen Sonderabgaben, in: FS W. Haubrichs, S. 103 ff.; M. Jachmann, Sonderabgaben als staatliche Einnahmequellen im Steuerstaat, StuW 1997, S. 299 ff.; P. Kirchhof, Staatliche Einnahmen, in: HStR, Bd. IV, § 88, Rn. 223 ff.; ausführlicher ders., Die Sonderabgaben, in: FS K. H. Friauf, S. 669 ff.; auch F. Klein, Zur Verfassungsmäßigkeit von Sonderabgaben und ihre Abgrenzung zu den Steuern, DStR 1981, S. 275 ff.; K. Vogel, Die Grundzüge des Finanzrechts des Grundgesetzes, in: HStR, Bd. IV, § 87, Rn. 47; vgl. auch 2. Teil, 3. Kap. 1814 Für eine derartige Einbeziehung von Sonderabgaben H. Butzer, Freiheitsrechtliche Grenzen der Steuer- und Sozialabgabenlast, S. 89 f., ausführlicher S. 107 f.; auch W. Leisner, Die verfassungsrechtliche Belastungsgrenze der Unternehmen. Dargestellt am Beispiel der Personalzusatzkosten, 1996, S. 33 ff.; ders., Personalzusatzkosten – Belastungen der Betriebe ohne Grenzen?, GewArch 42 (1996), S. 130; ders., Verfassungsschranken der Unternehmensbelastungen, Personalzusatzkosten und „finanzielle

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6. Teil: Teilung des Eigentums zwischen Steuerbürger und -staat

Um seiner Grundidee, Logik und Intention zu genügen, dem Bürger in der freiheitlichen, gleichheitlichen und brüderlichen Republik sowohl in einer formalen Dimension als auch in deren material-ökonomischen Konsequenzen grundsätzlich Vorrang vor allem Staatlichen zu gewähren, muss der steuerverfassungsrechtliche Halbteilungsgrundsatz für steuerliche und nichtsteuerliche Zahlungspflichten Anwendung finden; als relevante Betrachtungsgrundlage der verfassungsrechtlich gebotenen Halbteilung können konsequenterweise nur die kumulierten Gesamtlasten des jeweiligen pflichtigen Bürgers in Frage kommen1815. Walter Leisner ist nur beizupflichten, wenn er ganz im Sinne des oben Gesagten formuliert1816: „Dem Fiskus gebührt nicht wesentlich mehr als die Hälfte der Erträge. Dabei sind auch die Sozialabgaben zu berücksichtigen; erforderlichenfalls sind sie durch Steuerverschonung zu kompensieren.“

VI. Steuerliche und außersteuerliche Pflichtdienste des Bürgers im Licht des republikanischen Halbteilungspostulats 1. Steuerliche Mitwirkungspflichten des Bürgers Neben der Pflicht zur Steuerzahlung sieht der Steuerstaat für private Steuerbürger wie für Unternehmer im Rahmen des Besteuerungsverfahrens, aber auch darüber hinaus, vielfältige steuergesetzlich begründete Verpflichtungen vor. Wenigstens im materiellen, ökonomisch relevanten Ergebnis tangieren diese Gesetzesvorgaben den Steuerpflichtigen – man denke nicht nur an die Mühen, die die Fertigung des Lohnsteuerjahresausgleichs oder der Einkommensteuererklärung unzähligen Bürgern der Republik jedes Jahr wieder bereitet, sondern auch den beträchtlichen Bürokratieaufwand, den das Steuerverfahren für zahllose Unter-

Leistungsfähigkeit“ (BVerfG), NJW 1996, S. 1514 f.; R. Mußgnug, Verfassungsrechtlicher und gesetzlicher Schutz vor konfiskatorischen Steuern, JZ 1991, S. 998. 1815 Vgl. zu dieser Lastenaggregation BVerfG v. 20.8.1997, 1 BvR 1300/89, HFR 1997, S. 937; 1 BvR 1523/88, HFR 1998, S. 397 („. . . Beiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung und die steuerliche Belastung zusammengenommen . . .“); i. d. S. auch W. Leisner, Personalzusatzkosten – Belastungen der Betriebe ohne Grenzen?, GewArch 42 (1996), S. 131 f.; grundsätzlich zur Kumulation von eigentumsrelevanten Lasten im Kontext des Halbteilungsgrundsatzes ders., Steuer- und Eigentumswende – die Einheitswert-Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts, NJW 1995, S. 2593; ähnlich wohl auch H.-W. Arndt, Konsequenzen für den Gesetzgeber aus den Beschlüssen des Bundesverfassungsgerichts vom 22.6.1995 zur Vermögen- und Erbschaftsteuer, BB 1996, Beilage 7, S. 6; K. Tipke, Über die Grenzen der Vermögensteuer – zugleich Besprechung des BVerfG-Beschlusses vom 2.20.6.1995, GmbHR 1996, S. 13; ausführlicher auch oben II. 1816 Personalzusatzkosten – Belastungen der Betriebe ohne Grenzen?, GewArch 42 (1996), S. 131; umfassender ders., Die verfassungsrechtliche Belastungsgrenze der Unternehmen. Dargestellt am Beispiel der Personalzusatzkosten, passim.

3. Kap.: Realitäten des Halbteilungsgrundsatzes

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nehmen jeglicher Größe Jahr für Jahr verursacht1817. Folgerichtig wird diskutiert, ob auch nicht unmittelbar pekuniäre Leistungen, die der Steuer- und Abgabengesetzgeber den Pflichtigen abverlangt, an dem Halbteilungsgrundsatz zu messen sind1818. Grundsätzlich ist das Besteuerungsverhältnis zwischen Steuerstaat und Steuerbürger im Sinne einer kooperativen Arbeitsteilung zwischen Finanzbehörden und Steuerpflichtigen organisiert1819. Parallel zum Untersuchungsgrundsatz, demzufolge die Finanzbehörden Sachverhalte von Amts wegen zu ermitteln haben1820, weist das Steuerrecht als Ausdruck der Kooperationsmaxime den Steuerpflichtigen zahlreiche Mitwirkungspflichten1821 zu. In deutlicher Nähe zur republikanischen Grundkonzeption geht diese Pflichtigkeit Hand in Hand mit einem Mitwirkungsrecht des Steuerpflichtigen. Dies eröffnet dem Steuerbürger in praxi nicht nur etliche Gestaltungsmöglichkeiten, sondern sichert mit der grundsätzlichen Möglichkeit des Bürgers zur aktiven Verfahrensteilhabe vor allem das Prinzip der privatheitsschonenden Besteuerung auf verfahrensrechtlicher

1817 Das komplexe Steuerrecht der Bundesrepublik trägt dazu wesentlich bei, wie zahllose Autoren unisono festhalten. Exemplarisch sei auf P. Kirchhof, Der sanfte Verlust der Freiheit, S. VII (Vorwort) u. ö., hingewiesen. 1818 Erhellend die Schrift von O. Geißler, Der Unternehmer im Dienste des Steuerstaats, passim, insb. S. 206 ff. 1819 Grundlegend zu diesem Verhältnis von Steuerbürger und Steuerstaat z. B. R. Eckhoff, Vom konfrontativen zum kooperativen Steuerstaat, StuW 1996, S. 107. 1820 Dazu K. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. III, 1993, § 27; H. Söhn, in: W. Hübschmann/E. Hepp/A. Spitaler (Hrsg.), Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, Kommentar, 2003, § 88, Rn. 2 ff.; auch K. Tipke, in: K. Tipke/H. W. Kruse (Hrsg.), Abgabenordnung, Kommentar, 2002, § 88, Rn. 1; ebenfalls D. Birk, Gleichheit und Gesetzmäßigkeit der Besteuerung. Zum Stellenwert zweier Grundprinzipien in der Steuerreform, StuW 1989, S. 212 ff.; weiterführend z. B. ders., Sachverhaltsermittlung und Kontrollbefugnisse der Verwaltung im Besteuerungsverfahren, StVj 1991, S. 310 ff.; auch C. Lambrecht, Normative Bindung und des Sachverhaltserfassung, DStJG 12 (1989), S. 79 ff.; R. Mußgnug, Sachverhaltsaufklärung und Beweiserhebung im Besteuerungsverfahren, JuS 1993, S. 48 ff.; dogmatisch z. B. T. Puhl, Besteuerungsverfahren und Verfassung (Teil I), DStR 1991, S. 1141 f.; ders., Besteuerungsverfahren und Verfassung (Teil II), DStR 1991, S. 1173 f. 1821 Die Generalklausel des § 90 Abs. 1 AO verpflichtet die Beteiligten zur Mitwirkung bei der Ermittlung des Sachverhalts und gibt ihnen insbesondere auf, die steuererheblichen Tatsachen vollständig und wahrheitsgemäß offenzulegen sowie die dem Pflichtigen bekannten Beweismitteln vorzulegen. Die Mitwirkungspflichten des Steuerbürgers erschöpfen sich nicht in einer reinen Sachverhaltsaufklärung, sondern umschließen auch, wie beispielsweise die Buchführungs- und Steuererklärungspflichten zeigen, die Rechtsanwendung. Ergänzend zu der Mitverantwortung des pflichtigen Bürgers für die Sachaufklärung z. B. R. Eckhoff, Rechtsanwendungsgleichheit im Steuerrecht, 1999, S. 450 ff.; weiterführend z. B. R. Seer, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 21, Rn. 172 ff., 215 ff.; umfassend S. Weber, Die Mitwirkungspflichten nach der Abgabenordnung und die Verantwortung des Steuerpflichtigen für die Sachaufklärung, 1992, passim.

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6. Teil: Teilung des Eigentums zwischen Steuerbürger und -staat

Ebene1822, begrenzt also steuerstaatliche Pflichtigkeit und gewährleistet die individuelle Privatheitssphäre des Einzelnen1823. Im Mittelpunkt der hoheitlichen Pflichten, die der Steuerstaat den Bürgern auferlegt, steht sicherlich die grundsätzliche Verpflichtung zur Abgabe von Steuererklärungen1824, für deren Erstellung gegebenenfalls die Hilfe befähigter Dritter in Anspruch genommen werden kann. Beträchtlichen Aufwand für zahlreiche Unternehmen verursacht außerdem die Buchführungspflicht, der zufolge Gewerbetreibende, aber auch Land- und Forstwirte sowie Selbstständige unter bestimmten Voraussetzungen Bücher und Aufzeichnungen zu führen haben1825. Darüber hinausgehend sehen die §§ 93 ff. AO spezielle Mitwirkungspflichten für den beteiligten Steuerbürger oder auch andere Personen vor1826. Überdies werden betriebliche Abläufe bei steuerpflichtigen Unternehmen regelmäßig durch die besonderen Verfahren der Sachaufklärung – allen voran die Außenprüfung – beeinflusst und nach betriebswirtschaftlichem Verständnis in ihrer betriebsdienlichen Produktivität und Effizienz belastet1827. 1822 Vgl. P. Kirchhof, Allgemeines Verwaltungsrecht, in: Deutscher Sozialgerichtsverband (Hrsg.), Soziale Rechtsprechung. Verantwortung für den sozialen Rechtsstaat, Festschrift zum 25jährigen Bestehen des Bundessozialgerichts, 1979, S. 559; grundlegend zum Prinzip der freiheitsschonenden – der Terminus ,eigentumsschonend‘ ist aus republikanischer Sicht vorzuziehen – Besteuerung ders., Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), S. 281 f. 1823 Sobald der Pflichtige und dessen Einkommen und Vermögen allerdings den unmittelbaren Einflussbereich des nationalen Fiskus verlassen, weiten sich die Mitwirkungspflichten zu Beweismittelbeschaffungs- und Beweisvorsorgepflichten; dazu weiterführend z. B. H. Söhn, in: W. Hübschmann/E. Hepp/A. Spitaler (Hrsg.), Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, Kommentar, 2003, § 90, Rn. 72 ff., 115, 135 ff.; R. Seer, in: K. Tipke/H. W. Kruse (Hrsg.), Abgabenordnung, Kommentar, 2004, § 90, Rn. 11 ff. 1824 Siehe §§ 149 AO ff.; dazu grundlegend z. B. W. Schick, Die Steuererklärung, StuW 1988, S. 301 ff.; praxisrelevant z. B. D. Carl/J. Klos, Die Steuererklärung, JuS 1996, S. 402 ff. 1825 Vgl. §§ 140, 141 AO; grundlegend z. B. H. W. Kruse/K.-D. Drüen, in: K. Tipke/H. W. Kruse (Hrsg.), Abgabenordnung, Kommentar, 2004, § 140, Rn. 12 ff. 1826 So können die Finanzbehörden beispielsweise jederzeit schriftliche oder mündliche Auskünfte einholen (§ 93 AO), Sachverständige hinzuziehen (§ 96 AO), sich Urkunden von Beteiligten oder auch von Dritten vorlegen lassen (§ 97 AO), Räume und Grundstücke zu einer Augenscheinnahme betreten (§§ 98, 99 AO) oder auch die Vorlage von Wertsachen u. ä. zur Begutachtung anordnen (§ 100 AO). 1827 Hierzu z. B. K. Tipke, in: Tipke/Kruse, AO, §§ 193 ff., ausführlich R. Eckhoff, in: W. Hübschmann/E. Hepp/A. Spitaler (Hrsg.), Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, Kommentar, 2003, §§ 193 ff.; M. Streck, Die Außenprüfung, 2. Aufl., 1993, passim; dogmatischer z. B. H. Phillips, Die Außenprüfung von Unternehmen im Spannungsfeld zwischen Steuergerechtigkeit und fiskalischen Interessen, in: T. Birtel/G. Bourgon/U. Merbecks (Hrsg.), Wirtschafts- und Steuerordnung auf dem Prüfstand. Aktuelle Probleme aus Theorie und Praxis, Festschrift für Professor Dr. Hermann-Wilfried Bayer zum 65. Geburtstag, 1998, S. 249 ff.; interessant auch auf europäischer Ebene W. Neddermeyer, Zur Verfassungsmäßigkeit der Außenprüfung vor dem Hintergrund der Steuerharmonisierung in der EU, BB 1994, Beil. 10, passim.

3. Kap.: Realitäten des Halbteilungsgrundsatzes

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Grundsätzlich ist für die Beteiligten des Besteuerungsverfahrens weder ein Auskunftsverweigerungsrecht noch ein weitergehendes Mitwirkungsverweigerungsrecht vorgesehen1828. Gleichwohl zieht das Verfassungsrecht dem Auskunfts- und Mitwirkungsverlangen des Fiskus immer noch verfassungsseitige Grenzen, um die Privatheitsrechte des Bürgers zu schützen. So wird zumindest sichergestellt, dass sich die den Bürger belastenden Verpflichtungen des besteuernden Staates auch jenseits des eigentlichen fiskalischen Zugriffs im Rahmen des Verfassungsgesetzes bewegen1829. Zweifelsohne tangieren diese steuerbedingten Pflichtdienste den privaten Bürger wie auch den Unternehmer in ihrer Steuersubjekthaftigkeit, verursachen sie doch Aufwand, den der steuerpflichtige Bürger sowie hilfeleistende Dritte, wie zum Beispiel der Steuerberater, nicht nur für die Steuergestaltung und etwaige Steuervermeidung betreiben, sondern bereits für die eigentliche Steuerdeklaration zu leisten haben. 2. Weitere steuerstaatliche Lasten durch steuerliche Hilfsdienste Über die skizzierten Buchführungs- und Erklärungspflichten hinaus sehen sich insbesondere Unternehmer mit einer Vielzahl von steuerrechtsbedingten Abführung-, Anmeldungs-, Anzeige-, Aufzeichnungs-, Berechnungs-, Erklärungs-, Vermittlungs- und Nachweispflichten konfrontiert, die einen beträchtlichen Verwaltungsaufwand mit sich bringen1830. Typischerweise werden auf Grund dieser Verpflichtungen in allen Betrieben Personal und Produktionsmittel gebunden, was entsprechende finanzielle Lasten für jedes Unternehmen nach sich zieht1831. Aus Sicht der Privatwirtschaft verursachen Lohn- und Umsatzsteuer den höchsten Verwaltungsaufwand und präsentieren sich als die kostenintensivsten Steuerarten. In beiden Fällen hat der Steuergesetzgeber dem Unternehmer umfangreiche Mitwirkungspflichten auferlegt. Oftmals sind diese Hilfsdienste des Unternehmers nicht auf dessen eigene Steuerschuld zurückzuführen, 1828 Einem Mitwirkungsrecht bzgl. Auskunft, Gutachtenerstattung, Urkundenvorlage etc. können nur bestimmte Nichtbeteiligte, beispielsweise mit Blick auf eine mögliche Verletzung von Berufsgeheimnissen oder angesichts des Risikos der Strafverfolgung für die eigene Person oder Angehörige, widersprechen; dazu grundlegend W. Reiß, Besteuerungsverfahren und Strafverfahren, 1987, S. 51 ff. 1829 Dazu z. B. F. v. Hammerstein, Der verfassungsrechtliche Schutz der Privatsphäre im Steuerrecht, 1993, passim, insb. S. 147 ff.; M. Leist, Die verfassungsrechtlichen Schranken des steuerlichen Auskunfts- und Informationsverkehrs, 2000, passim, insb. S. 62, 121 ff. 1830 Siehe die plakative Zusammenstellung von O. Geißler, Der Unternehmer im Dienste des Steuerstaats, S. 25. 1831 Zu den Bürokratiekosten etwa Institut für Mittelstandsforschung (Hrsg.), Bürokratiekosten kleiner und mittlerer Unternehmen. Gutachten im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit, 2004 (zugleich: Zentrale Ergebnisse der Studie „Bürokratiekosten kleiner und mittlerer Unternehmen“, Schriften zur Mittelstandsforschung Nr. 105, 2004).

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6. Teil: Teilung des Eigentums zwischen Steuerbürger und -staat

so dass dieser letztlich zum Nutzen fremder Dritter handeln muss; er fungiert als Erfüllungsgehilfe und Abgabenkollektor für den Fiskus1832. Bei der Lohnsteuer1833, die keine selbstständige Steuerart, sondern eine besondere Erhebungsform der Einkommensteuer ist1834, verpflichtet der Gesetzgeber den Unternehmer nicht nur zur Ermittlung und Einbehaltung1835, sondern auch zur Abführung der Lohnsteuer1836, was mit beträchtlichem Verwaltungsaufwand verbunden ist1837. Den bereits diskutierten Aufzeichnungs-, Aufbewahrungs- und Mitwirkungspflichten hat der Unternehmer ohnehin nachzukommen. Daneben birgt das Lohnsteuerabzugsverfahren weitreichende Verpflichtungen für den Arbeitgeber bezüglich der Annexsteuern1838. Zu diesen Steuern, die sich nach der Einkommensteuer- respektive Körperschaftsteuerschuld bemessen, zählen beispielsweise der Solidaritätszuschlag1839 oder die Kirchensteuern1840. Auch hier obliegt dem Unternehmer die Ermittlung, Einbehaltung, Anmeldung und Abführung der Steuer nebst den üblichen Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten1841. Über die bloßen Vollzugskosten hinaus impliziert das Lohnsteuerabzugsverfahren das Risiko weiterer finanzieller Lasten für den Arbeitgeber, da dieser für die Steuerschulden des Arbeitnehmers weitgehend haf1832 Vgl. O. Geißler, Der Unternehmer im Dienste des Steuerstaat, S. 26 ff.; J. Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 9, Rn. 766, spricht vom arbeitgebenden Unternehmer als „Organ der Finanzverwaltung“. 1833 Umfassend z. B. W. Schick, Grundfragen des Lohnsteuerverfahrens, 1983, passim; G. Winter, Der Arbeitgeber im Lohnsteuerrecht, 1998; überblicksartig z. B. J. Ramb, Überblick über die Grundzüge des Lohnsteuerrechts, SteuerStud 2002, S. 72 ff. 1834 Vgl. auch BVerfG, BStBl. II 1977, 297 (299). 1835 Ausführlicher O. Geißler, Der Unternehmer im Dienste des Steuerstaats, S. 27 ff. 1836 Vgl. zunächst § 41a Abs. 1 Nr. 1 und 2 EStG; vgl. dazu z. B. T. Eisgruber, in: P. Kirchhof (Hrsg.), Einkommensteuergesetz, KompaktKommentar, 2. Aufl., 2002, § 41a, Rn. 2 ff., 8 ff. (jew. m.w. N.). 1837 Einen detaillierten Überblick über die zahlreichen Pflichten des Unternehmers im Rahmen des Lohnsteuerverfahrens gibt z.B. B. Heuermann, Systematik und Struktur der Leistungspflichten im Lohnsteuerabzugsverfahren, 1998, passim; zusammenfassend ders., Leistungspflichten im Lohnsteuerverfahren, StuW 1998, S. 219 ff.; weiterführend z. B. auch H. Hendel, Die Belastung der Arbeitgeber durch Lohnsteuer, IFStSchrift Nr. 359, 1997. 1838 Zum Begriff der Annexsteuer J. Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 8, Rn. 36. 1839 Solidaritätszuschlaggesetz v. 24.6.1991, BGBl. I 1991, 1318; gem. BFH, BStBl. 1992, 702, nicht verfassungswidrig. Ausführlicher dazu H.-W. Arndt, Die Rückwirkungsproblematik im Entwurf zum Solidaritätsgesetz, BB 1991, S. 877; H. Nieland, Möglichkeiten einer wirtschaftlichen Überbelastung durch den Solidaritätszuschlag, DStZ 1992, S. 193 ff.; zu den Belastungswirkungen z. B. M. Reinhardt/H. Sievers, Die Belastungswirkungen des Solidaritätszuschlages, DStR 1991, S. 887 ff. 1840 Siehe z. B. J. Jurina/J. Lang, in: K. Tipke/J. Lang, Steuerrecht, 17. Aufl., 2002, § 10, Rn. 11 f. (m.w. N.); J. Giloy, Neukonzeption einer Kirchensteuer vom Einkommen, DStZ 1999, S. 472 f. 1841 Vgl. näher M. Gehm, Das Kirchensteuersystem in der Bundesrepublik Deutschland, StuW 1999, S. 243 ff.

3. Kap.: Realitäten des Halbteilungsgrundsatzes

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tet1842 und beispielsweise bei etwaigen Lohnsteuernachforderungen von den Finanzbehörden in Anspruch genommen werden kann1843. Die administrative Abwicklung all dieser Anforderungen, deren Umfang seit Einführung des Lohnsteuerabzugsverfahrens im Jahr 1920 um ein Vielfaches gestiegen ist1844 und so das gesamte Lohnsteuerverfahren immer aufwendiger gestaltet hat1845, verursachen in den Unternehmen erhebliche Kosten1846. Die weitreichenden administrativen Aufgaben, die das Umsatzsteuerrecht für den Unternehmer mit sich bringt, machen die Umsatzsteuer neben der Lohnsteuer zu der verwaltungsaufwendigsten und somit kostenintensivsten Steuerart1847. Jeder Unternehmer muss die Umsatzsteuer für die von ihm erbrachten Lieferungen und sonstigen Leistungen an das Finanzamt abführen; der Unternehmer ist auch Steuerschuldner1848. Da nach der Grundkonzeption der Umsatz-

1842 Dazu ausführlicher z. B. B. Heuermann, Systematik und Struktur der Leistungspflichten im Lohnsteuerabzugsverfahren, 1998, S. 273 ff. Technisch zur Bestimmung der Haftungssumme M.-I. Thomas, Die Ermittlung der Haftungsschuld bei unterbliebenem Lohnsteuerabzug, DStR 1995, S. 273. 1843 Dabei können die Finanzbehörden nicht nur nach Maßgabe des Einkommensteuergesetzes haftungsrechtlich gegen den Unternehmer vorgehen, sondern auch auf Basis der Abgabenordnung. Folglich muss sich der Unternehmer des Einsatzes von Zwangsmitteln der Steuerbehörden zur Steuerdurchsetzung ebenso gewahr sein wie der Auferlegung von Säumnis- oder Verspätungszuschlägen; in letzter Konsequenz kann sich ein Arbeitgeber sogar der Steuerhinterziehung schuldig machen, wenn er die einbehaltene Lohnsteuer beispielsweise nicht fristgerecht anmeldet, zu niedrige Beträge anmeldet oder eine Anmeldung gänzlich unterlässt. Siehe dazu die informative Darstellung bei O. Geißler, Der Unternehmer im Dienste des Steuerstaats, S. 41 ff. 1844 Zur Geschichte der Lohnsteuer etwa B. Heuermann, Leistungspflichten im Lohnsteuerabzugsverfahren, 1998, S. 6 ff. 1845 Als entscheidender Kostentreiber wird die stetig zunehmende Komplexität des Verfahrens identifiziert; nicht zuletzt der Umfang der Lohnsteuer-Richtlinien spricht hier, wie O. Geißler, Der Unternehmer im Dienste des Steuerstaats, S. 44, zutreffend feststellt, eine deutliche Sprache. Weiterführend zu diesem Themenkreis z. B. W. Schick, Grundfragen des Lohnsteuerverfahrens, S. 19, 41; auch W. Gail, Die zunehmende Verfremdung der Lohnsteuer zu einer neuen Unternehmenssteuer, StbJb 1980/ 81, S. 306; C. Trzaskalik, Die Steuererhebungspflichten Privater, DStJG 12 (1989), S. 164. 1846 Vgl. etwa O. Geißler, Der Unternehmer im Dienste des Steuerstaats, S. 46, der im Rahmen seiner umfassenderen Darstellungen vor allem Personalkosten sowie Sachkosten, beispielsweise IT-Kosten, Materialkosten oder Portokosten, nennt. Falls ein Unternehmer für die diversen Verpflichtungen externe Dienstleister in Anspruch nimmt, was angesichts der Komplexität in praxi immer mehr zum Regelfall wird, schlagen deren Dienste kostenseitig ebenfalls entsprechend zu Buche. 1847 Vgl. D. Birk, Steuerrecht, § 1, Rn. 41; O. Geißler, Der Unternehmer im Dienste des Steuerstaats, S. 50; S. Halldorn, Der Unternehmer als Erfüllungsgehilfe des Staates. Einsparpotentiale im internationalen Vergleich, 1997, S. 81; den Umfang der administrativen Aufgaben kritisch erläuternd z. B. W. Widmann, Das Umsatzsteuer-Voranmeldungsverfahren lässt sich vereinfachen, UR 1994, S. 68 ff. 1848 Siehe hierzu W. Reiß, in: Tipke/Lang, § 14, Rn. 124 ff. (m.w. N.); K. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. II, S. 918.

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6. Teil: Teilung des Eigentums zwischen Steuerbürger und -staat

steuer der Endverbraucher die Steuerlast tragen soll1849, können unternehmerische Leistungsempfänger auf dem Weg des Vorsteuerabzugs die gezahlte Umsatzsteuer geltend machen und so eine unmittelbare finanzielle Belastung durch die Umsatzsteuer grundsätzlich vermeiden. Allerdings bringt dieses komplexe Verfahren eine Vielzahl von Verpflichtungen mit sich, die in den Unternehmen regelmäßig erheblichen Verwaltungsaufwand und beträchtliche Kosten verursachen. Bereits das Ausstellen einer Rechnung gestaltet sich auf Grund zahlreicher gesetzlicher Anforderungen oftmals schwierig und hat einigen verwaltungstechnischen Aufwand zur Folge1850. Des Weiteren muss ein Unternehmen sowohl nach Ablauf von der einzelnen Voranmeldungszeiträume mit einer Umsatzsteuervoranmeldung sowie nach Ablauf des Kalenderjahres mit einer Umsatzsteuerjahreserklärung gezahlte und empfangene Umsatzsteuer deklarieren, was ebenfalls beträchtlichen Verwaltungsaufwand generiert. Schließlich erfolgt bei der Umsatzsteuer die Veranlagung auf Grund der Technik der Steuervoranmeldung in erster Linie mit Hilfe des Steuerpflichtigen und erst in zweiter Linie durch das Finanzamt1851. Auch die Berechnung der Umsatzsteuer gem. § 16 UStG bindet einige Ressourcen. Im Falle des innergemeinschaftlichen Handelns müssen darüber hinaus zusammenfassende Meldungen für das Bundesamt für Finanzen erstellt werden, in denen sich diverse Angaben über innergemeinschaftlichen Lieferungen und Warenbewegungen finden müssen. Parallel dazu hat der Unternehmer innergemeinschaftliche Lieferungen gesondert zu erklären; falls ein leistendes Unternehmer im Ausland loziert, hat auch der leistungsempfangende Unternehmer zusätzliche Nachweispflichten wahrzunehmen. Dass der Unternehmer für Zwecke der Umsatzbesteuerung also umfangreiche Aufzeichnungen zu führen hat, bedarf wohl keiner weiteren Erwähnung1852. Neben den generellen Mitwirkungspflichten bei der Besteuerung zählt im Übrigen die Verpflichtung zur Mitwirkung bei Umsatzsteuer-Sonderprüfungen zu den Aufgabenfeldern, die oftmals beträchtlichen Aufwand verursachen1853.

1849 Zur Grundkonzeption der Umsatzsteuer siehe z. B. G. Crezelius, Steuerrecht, Bd. II, Die einzelnen Steuerarten, 2. Aufl., 1994, § 2, Rn. 4; W. Jakob, Umsatzsteuer, 2. Aufl., 1998, § 1, Rn. 7; P. Kirchhof, Staatliche Einnahmen, in: HStR, Bd. IV, § 88, Rn. 156; man beachte auch die ausführlichere Erörterung bei W. Reiß, Der Belastungsgrund der Umsatzsteuer und seine Bedeutung für die Auslegung des Umsatzsteuergesetzes, DStJG 13 (1990), S. 3 ff. 1850 Ausführlicher dazu W. Widmann, Fallstricke der Rechnungslegung, UStKRep 1997/98, S. 85 ff. 1851 So z. B. W. Jakob, Umsatzsteuer, § 13, Rn. 15. 1852 Siehe dazu etwa O. Geißler, Der Unternehmer im Dienste des Steuerstaat, S. 60 f.; weiterführend hierzu z. B. W. Wagner, in: O. Sölch/K. Ringleb (Hrsg.), Umsatzsteuergesetz, Kommentar, 2004, § 22, Rn. 4. 1853 Die umsatzsteuerlichen Hilfsdienste des Unternehmers und deren Lastenkonsequenzen stellt O. Geißler, Der Unternehmer im Dienste des Steuerstaats, S. 50 ff., 64 ff. (jew. m.w. N.), anschaulich zusammen.

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In ihrer heutigen Konzeption bedarf das Verfahren der Umsatzsteuer sowohl in technischer als auch in ökonomischer Hinsicht einer umfassenden Mitwirkung des pflichtigen Unternehmers1854. Der Unternehmer wird, wie oben kurz skizziert, aufgrund seiner Mitwirkungspflichten mit einem beträchtlichen Anteil der Steuerverwaltungsaufgaben belastet, die direkt oder indirekt mit der Umsatzsteuer zusammenhängen. Bereits Mitte der 80er Jahre ging man davon aus, dass die Verwaltungskosten der Unternehmen mit rund 2,5 Prozent des Umsatzsteueraufkommens zu quantifizieren waren1855. Angesichts stark erweiterter Aufzeichnungs- und Deklarationspflichten im Zuge der umsatzsteuerlichen Realisierung des europäischen Binnenmarktes dürften die Lasten für die Unternehmen seitdem deutlich gestiegen sein. Im Mittelpunkt der administrativen Belastungen stehen dabei die weitreichenden Deklarationspflichten, mit denen sich Unternehmer meist im monatlichen Turnus konfrontiert sehen1856. Vor allem die Neuregelung des deutschen Umsatzsteuerrechts in Zusammenhang mit der Schaffung des europäischen Binnenmarktes hat die umsatzsteuerlichen Pflichten spürbar gesteigert und dürfte heute einer der entscheidenden Belastungsschwerpunkte sein1857. Selbst wenn aufgrund des Wegfalls der Grenzabfertigung etliche Nachteile für die Unternehmen, wie etwa lange Wartezeiten, Grenzgebühren oder umfangreiche Begleitdokumente, verschwunden sind, fand nicht etwa die erwartete Arbeitserleichterung statt1858. Vielmehr kamen etliche zusätzliche Belastungen auf die Unternehmen zu, da die Nachweis-, Erklärungs- und Kontrollmechanismen der Zollverwaltung nun in die Sphäre der Unternehmer verlagert wurden1859. 1854

Vgl. S. Halldorn, Der Unternehmer als Erfüllungsgehilfe des Staates, S. 92. Siehe die Nachweise bei O. Geißler, Der Unternehmer im Dienste des Steuerstaats, S. 65. 1856 Weiterführend z. B. H. Langel, Erfahrungen mit dem Umsatzsteuer-Binnenmarktgesetz, StbJb 1993/94, S. 63 f. 1857 So die einhellige Meinung; stv. für viele W. Reiß, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 14, Rn. 17. 1858 Dazu detaillierter z. B. A. Hemmelrath/B. Busch, Bringt das Umsatzsteuerbinnenmarktgesetz für die Unternehmen die erhofften Erleichterungen?, BB 1992, S. 2190 ff.; sehr deutlich W. Ritter, Notwendigkeit und Ziele einer Reform unseres Steuersystems, in: S. Baron/K. Handschuh (Hrsg.), Wege aus dem Steuerchaos. Aktueller Stand der steuerpolitischen Diskussion in Deutschland, 1996, S. 109 f. („Neben den Vorschriften für inländische Lieferungen, Importe und Exporte mit Drittländern müssen die Unternehmen nun noch die ganz anders gearteten Regeln für innergemeinschaftliche Lieferungen und Erwerbe kaufmännisch umsetzen. Das ist mit einschneidenden Änderungen in Organisation, Arbeitsabläufen und Verantwortlichkeiten verbunden. Stellen, die sonst nichts mit Steuern zu tun haben, müssen sich – bei hohem Abstimmungs- und Kontrollbedarf – jetzt ständig mit dem umsatzsteuerlichen Anforderungen befassen: Einkauf und Verkauf, Versand, Lagerung und Fakturierung, Rechnungslegung und Statistik bis hin zur Mitwirkung europäischer Beteiligungsgesellschaften als Fiskalvertreter. Die Kosten dafür sind hoch . . .“ 1859 Vgl. A. Hagen/W. Reiß, Die Zukunft der Umsatzsteuer als EG-Steuer?, UR 2000, S. 108; S. Halldorn, Der Unternehmer als Erfüllungsgehilfe des Staates, S. 84; 1855

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Auch wenn all diese Lasten in ihrer Gesamtheit kaum quantifizierbar sind – auf Ebene des einzelnen Unternehmens mag dies noch gelingen1860 –, stellen die zahlreichen Verpflichtungen, die die Umsatzsteuer insbesondere auf Ebene des europäischen Binnenmarktes den Unternehmen auferlegt, einen Belastungsschwerpunkt des Unternehmers im Konzert der steuerlichen Pflichtdienste dar. Zwischenzeitlich hat sich die Umsatzsteuer von ihrer Grundkonzeption einer leicht verständlichen und einfach zu erhebenden Endverbrauchersteuer weit entfernt, so dass der Unternehmer nicht nur ihre materielle Kompliziertheit bewältigen muss1861, sondern ebenso kostenintensiv auch den mit der Umsatzbesteuerung verbundenen Verwaltungsaufwand. Dieser Situation sehen sich bereits Unternehmer ausgesetzt, die ausschließlich im Inland ihren geschäftlichen Aktivitäten nachgehen. Sobald ein Unternehmer – und in einer globalisierten Wirtschaft wird dies nahezu unerlässlich – auch grenzüberschreitend tätig wird, erhöht sich dieser Aufwand nochmals, oft sogar überproportional1862. Dies führt nicht nur zu beträchtlichen Kosten, die das Unternehmen zu tragen hat, sondern hält insbesondere kleinere und mittlere Unternehmen oftmals von der eigentlich unverzichtbaren Teilnahme am innergemeinschaftlichen, vielleicht sogar außereuropäischen Geschäftsverkehr ab1863. Dass unternehmerische Möglichkeiten letztlich im Dickicht des europäischen Umsatzsteuerrechts ersticken1864, mag in seiner verfassungsrechtlichen Beurteilung zwar umstritten sein1865, belastet aber den Unternehmer in seinem privatheitliW. Reiß, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 14, Rn. 17; auch O. Geißler, Der Unternehmer im Dienste des Steuerstaates, S. 71. 1860 Sollten die durch steuerliche Hilfsdienste ausgelösten Kosten in die halbteilungsrelevante Gesamtlast eines Unternehmers einfließen, wird eine genauere Quantifizierung zumindest auf Ebene des einzelnen Unternehmens unverzichtbar. Dazu nochmals unten. 1861 W. Reiß, in Tipke/Lang, § 14, Rn. 38, spricht von einer „kaum zu überbietenden technischen Kompliziertheit“; ähnlich deutlich z. B. J. Isensee, Vom Beruf unserer Zeit für Steuervereinfachung, StuW 1994, S. 6: „Die europäische Steuerharmonisierung hat nur die Kompliziertheit des nationalen Rechts erweitert um die Dimension der supranationalen Kompliziertheit.“ 1862 Für die Bedeutung der Belastung durch umsatzsteuerliche Pflichten bei grenzüberschreitender Unternehmenstätigkeit vor allem im europäischen Binnenmarkt deutlich z. B. W. Jakob, Umsatzsteuer, § 6, Rn. 21. 1863 Zutreffend z. B. A. Hagen/W. Reiß, Die Zukunft der Umsatzsteuer als EGSteuer?, UR 2000, S. 108. 1864 Pointiert P. Kirchhof, Der Einfluss des Verfassungsrechts auf die Entwicklung des Steuerrechts, Stbg 1995, S. 68. 1865 So wird z. B. kontrovers diskutiert, ob Art. 12 Abs. 1 GG oder Art. 14 GG die unternehmerische Betätigung dem Schutz des Verfassungsrechts unterstellt. Zur „Gewerbe- und Unternehmerfreiheit“ vgl. grundsätzlich BVerfGE 50, 290 (362 ff.), auch BVerfGE 41, 205 (228); i. d. S. H.-J. Papier, Grundgesetz und Wirtschaftsordnung, in: HVerfR, S. 799 ff., 814, 832 ff.; R. Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 12, Rn. 115, 130, 135, 255; R. Breuer, Freiheit des Berufs, in: HStR, Bd. VI, § 147, Rn. 61; ergänzend dazu z. B. K. A. Schachtschneider, Fallstudie Produktwarnung der Bundesregie-

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chen Handeln, seinen unternehmerischen Rechten, aber auch seinem Eigentum mindestens ebenso sehr wie die unmittelbaren und mittelbaren Kosten der Umsatzsteueradministration im Unternehmen1866. Diese umsatzsteuerbedingte Belastungssituation wiegt dadurch noch schwerer, dass nach der Grundkonzeption des Umsatzsteuersystems der Endverbraucher die Steuerlast tragen soll, während der Unternehmer eigentlich durch die Anrechnungssystematik von der Umsatzsteuer entlastet werden soll1867; im Ergebnis jedoch wird jeder umsatzsteuerpflichtige Unternehmer durch die umsatzsteuerlichen Hilfspflichten, die er als Erfüllungsgehilfe der Finanzverwaltung und als Steuerkollektor erfüllen muss1868, spürbar belastet1869.

rung (Glykol-Skandal), S. 114 ff.; ders. (unter Mitarbeit von P. Wollenschläger), Fallstudie Umweltschutz (FCKW-Verbot), S. 334 ff.; ders./A. Emmerich-Fritsche, Fallstudie zur Gewerbeuntersagung, S. 16 ff., 19 ff. (jew. m.w. N.); zur Eigentumsgewährleistung des Unternehmens BVerfGE 1, 264 (277 f.), 22, 380 (386); 50, 290 (340); 51, 123 (221 f.); 66, 116 (144); 68, 193 (222 f.); 77, 84, (232); weitergehender BVerfGE 22, 380 (383); ähnlich deutlich BVerwGE 62, 224 (226); i. d. S. z. B. W. Leisner, Eigentum, in: HStR, Bd. VI, § 149, Rn. 108 ff.; noch umfassender H.-J. Papier, in: Maunz/ Dürig, GG, Art. 14, Rn. 95, 98; kritischer K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 394 ff.; hierzu auch ders. (unter Mitarbeit von P. Wollenschläger), Fallstudie Umweltschutz (FCKW-Verbot), S. 342 ff.; ders., Fallstudie Produktwarnung der Bundesregierung (Glykol-Skandal), S. 187 ff.; grundlegend zu der Thematik auch ders., Das Recht am und das Recht auf Eigentum, in: FS W. Leisner, S. 775 ff.; ergänzend auch ders./A. Emmerich-Fritsche, Fallstudie zur Gewerbeuntersagung, S. 19 ff. (jew. m.w. N.). 1866 So wohl auch das Fazit von O. Geißler, Der Unternehmer im Dienste des Steuerstaats, S. 72 f., der auf den vorhergehenden Seiten die den steuerpflichtigen Unternehmer belastenden Pflichtdienste vorstellt. 1867 Einen profunden Überblick vermittelt z. B. W. Reiß, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 14, Rn. 1 ff. (m.w. N.). 1868 I. d. S. C. Trzaskalik, Die Steuererhebungspflichten Privater, DStJG 12 (1989), S. 158; K. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. II, S. 929; umfassender S. Halldorn, Der Unternehmer als Erfüllungsgehilfe des Staates, passim; grundlegend z. B. F. Ossenbühl, Die Erfüllung von Verwaltungsaufgaben durch Private, VVDStRL 29 (1971), S. 137 ff. Mit der Erhebung und Verwaltung der Umsatzsteuer wird der Unternehmer nicht nur in wesentlichem Umfang wirtschaftlich belastet, sondern er wird auch zur privatheitlichen Erfüllung einer an sich öffentlichen Aufgabe verpflichtet; es stellt sich die Frage nach dem so genannten „beliehenen“ Unternehmer. Vgl. etwa BVerfGE 73, 301 (315 ff.); hierzu U. Steiner, Der beliehene Unternehmer, JuS 1969, S. 69 ff.; ausführlicher ders., Öffentliche Verwaltung durch Private. Allgemeine Lehren, 1975, S. 56 ff.; zu dieser Diskussion K. A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, passim; auch ders., Der Anspruch auf materiale Privatisierung, S. 45 ff., 183 ff., 238 ff. (m.w. N.). Diese Problematik stellt sich ebenfalls, wenn der Unternehmer außerhalb steuergesetzlicher Pflichtdienste Verpflichtungen wahrnehmen muss, die offensichtlich dem Aufgabenbereich des Staates zuzurechnen sind; dazu näher im Folgenden. 1869 Falls der Unternehmer die Umsatzsteuer auf den Endverbraucher nicht überwälzen kann, wird er hierdurch zusätzlich wirtschaftlich belastet. Vgl. hierzu W. Reiß, Der Belastungsgrund der Umsatzsteuer und seine Bedeutung für die Auslegung des Umsatzsteuergesetzes, DStJG 13 (1990), S. 22; ebenso auch D. Dziadkowski, Die Er-

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3. Weitere Belastungen der Unternehmer durch außersteuerliche Pflichtdienste Dem Unternehmer werden nicht nur steuerstaatliche Pflichtdienste auferlegt. Vielmehr belasten zahlreiche sozialrechtliche Vorschriften mit ihren administrativen Anforderungen den Unternehmer. So hat der Arbeitgeber beispielsweise die Sozialversicherungsbeiträge der Arbeitnehmer zur Renten-, Kranken-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung im Quellenabzugsverfahren zu berechnen, einzubehalten und abzuführen. Auch aufgrund diverser sozialrechtlicher Schutzvorschriften, die beispielsweise Ausbildung, Mutterschaft oder Schwerbehinderung regeln, wird der Unternehmer immer wieder als administrativer Dienstleister des Staates in Anspruch genommen. Ähnlich den Pflichtdiensten im Rahmen des Lohnsteuerabzugsverfahrens oder der Umsatzbesteuerung fungiert der Unternehmer hier ebenfalls als Abgabenkollektor des Staates. Auch die Anstellung von geringfügig Beschäftigten verursacht beträchtlichen Verwaltungsaufwand, der sich von Beitrags- und Meldepflichten über steuerrechtliche Sonderregelungen bis hin zu gesetzlichen Nachweispflichten erstreckt. Nicht zuletzt am Exemplum des geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses zeigt sich, „dass die Belastung der Unternehmer durch staatliche auferlegte Pflichtdienste gerade deshalb sehr häufig besondere Auswüchse annimmt, da steuerrechtliche und sozialrechtliche Pflichten kumulativ auftreten“1870. Ohne die finanziellen Lasten der sozialversicherungsrechtlichen Pflichtdienste oder der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse mit ihren vielfältigen Administrationsaufgaben im Detail zu erörtern, lässt sich doch festhalten, dass der Unternehmer mit zahlreichen Hilfspflichten belastet wird, die beträchtliches Personal und Produktionsmittel binden, gegebenenfalls auch Kosten durch externe Dienstleister verursachen1871. Bereits das aufwendige Sammeln, Festhalten, Dokumentieren und Aufbewahren von personenbezogenen Daten, wie es die Auskunfts-, Melde- und Bescheinigungspflichten des Sozialversicherungsrechts erfordern, bringt beträchtlichen Aufwand der Unternehmen nach sich. Immerhin geht man davon aus, dass auf die sozialrechtsbedingten Pflichtdienste ca. ein Drittel der Gesamtbelastung der Unternehmen aus allen staatlichen Pflichtdiensten entfällt1872. Insbesondere seit der gesetzlichen Neuregelung1873 höhung des Umsatzsteuersatzes – ein untaugliches Mittel am untauglichen Objekt, UR 1998, S. 183; D. Krüger, Umsatzsteuerlegenden und ihre Folgen, UR 1998, S. 65 f. 1870 Hierzu im Einzelnen die umfassende Darstellung bei O. Geißler, Der Unternehmer im Dienste des Steuerstaat, S. 86 ff. (Zitat S. 87). 1871 Siehe hierzu ausführlich z. B. O. Geißler, Der Unternehmer im Dienste des Steuerstaats, S. 92 ff. (m.w. N.). 1872 Vgl. S. Halldorn, Der Unternehmer als Erfüllungsgehilfe des Staates, S. 150. 1873 Die Ausführungen zu diesem Themenfeld sind zahlreich. Exemplarisch sei nur auf J. Bloehs, Das Gesetz zur Neuregelung der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse, DStR 1999, S. 635 ff.; H. D. Eich, Die Neuregelung der geringfügigen Beschäf-

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geringfügiger Beschäftigungsverhältnisse tragen deren sozialversicherungsrechtliche, arbeitsrechtliche und steuerrechtliche Implikationen zu den Bürokratiekosten der Unternehmen in erheblichem Umfang bei1874. Mit der Neufassung der geringfügigen Beschäftigungen zielte der Staat zwar darauf ab, die Anzahl der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse deutlich zu steigern und so dem Phänomen der Arbeitslosigkeit zumindest in Teilbereichen Herr zu werden; ob aber die aktuellen bürokratischen Belastungen durch die diversen Hilfsdienste viele Unternehmer zu Neueinstellungen selbst im Bereich der geringfügigen Beschäftigung motivieren, sei einmal dahingestellt. Immerhin sollte nicht übersehen werden, dass der Arbeitgeber „bei der Anstellung eines geringfügig Beschäftigten gegenüber der alten Rechtslage [sogar; Erg. d. Verf.] deutlich erweiterte Pflichtdienste für den Sozialstaat und den Steuerstaat erbringen muss“1875. 4. Mitwirkungspflichten und steuerliche sowie außersteuerliche Pflichtdienste vor dem Hintergrund des Halbteilungsprinzips Die diversen steuerlichen Mitwirkungspflichten berühren ebenso wie originäre steuerliche Lasten zumindest in ihren materiell-ökonomischen Ergebnissen den grundrechtlich gewährleisteten Möglichkeitsraum des Steuerpflichtigen1876, insbesondere natürlich das private und unternehmerische Eigentum, auch als Summe aller aggregierten, rechtmäßigen Handlungsoptionen1877. Die Existenz dieser Belastungswirkungen bestätigt der Steuergesetzgeber, wenn er im Zuge der Einkommensbesteuerung für den privaten Steuerbürger Aufwendungen zur Erfüllung der Mitwirkungspflichten, Steuerberatungskosten und ähnliches als

tigungsverhältnisse, KÖSDI 1999, S. 11989 ff. A. Kruhl, „630-DM-Jobs“ ab 1. April 1999 neu geregelt, BB 1999, S. 817 ff.; M. Löwisch, Die Neuregelung der 630-MarkVerträge, Gesetzesinhalt und Handlungsalternativen, BB 1999, S. 739; H. Sodan, Der „Beitrag“ des Arbeitgebers zur Sozialversicherung für geringfügige Beschäftigungsverhältnisse, NZS 1999, S. 105 ff.; hingewiesen. 1874 So der einhellige Tenor bei J. Bloehs, Das Gesetz zur Neuregelung der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse, DStR 1999, S. 641; H. D. Eich, Die Neuregelung der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse, KÖSDI 1999, S. 11989; A. Kruhl, „630DM-Jobs“ ab 1. April 1999 neu geregelt, BB 1999, S. 817; M. Löwisch, Die Neuregelung der 630-Mark-Verträge, Gesetzesinhalt und Handlungsalternativen, BB 1999, S. 742. 1875 O. Geißler, Der Unternehmer im Dienste des Steuerstaats, S. 104. 1876 Sinngemäß K. A. Schachtschneider, Das Recht am und das Recht auf Eigentum, in: FS W. Leisner, S. 744 ff., 792 (für eine Begrenzung der Möglichkeiten des Handelns durch Steuern). 1877 Vgl. näher zum Eigentumsbegriff und den daraus abzuleitenden Eigentumsbeeinträchtigungen 5. Teil, auch oben 1. Kap., I. Bei unternehmerisch handelnden Steuerpflichtigen könnte überdies Art. 12 Abs. 1 GG berührt und bei entsprechendem Eingriffsumfang verletzt sein; statt vieler M. Jachmann, Steuergesetzgebung zwischen Gleichheit und wirtschaftlicher Freiheit, S. 163 (m.w. N.); zu dieser Diskussion ausführlicher oben 1. Kap., II.

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6. Teil: Teilung des Eigentums zwischen Steuerbürger und -staat

Werbungskosten anerkennt1878, vor allem aber, wenn er steuerpflichtigen Unternehmern die Abzugsfähigkeit von Aufwendungen, die im Zuge der Mitwirkung bei der Besteuerung entstehen, als Betriebsausgaben grundsätzlich zugesteht. Zugleich wird durch diese Abzugsmöglichkeit der material-ökonomische Belastungseffekt der steuerlichen Pflichtdienste abgemildert, da sich die Bemessungsgrundlage der Besteuerung um diese Aufwandsgrößen vermindert. Formal gesehen mögen die Mitwirkungspflichten den Grundrechtsbereich des privaten und des unternehmerischen Steuerbürgers berühren. Unter der Prämisse der Einhaltung verfassungsrechtlicher Vorgaben lassen sie sich allemal rechtfertigen, da sie der Gesetzmäßigkeit und der Gleichmäßigkeit der Besteuerung dienen1879. Schließlich kann der Einzelne seine eigenen steuerbürgerlichen Pflichten, aber auch Rechte in der bürgerlichen Gemeinschaft nur in diesem grundgesetzlich zugelassen Kooperationsverhältnis mit den steuerstaatlichen Institutionen erfüllen. Steuerliche Pflichtdienste, die der Gesetzgeber dem Steuerpflichtigen im Rahmen dessen eigener Besteuerung auferlegt1880, sind als Bestandteil des eigentlichen Pflichtigkeitsverhältnisses zwischen Steuerbürger und Steuerstaat zu werten1881. Solange sie das Maß des Zumutbaren nicht deutlich überschreiten1882, das Prinzip des rechten Maßes also nicht verletzen1883, kön1878 Steuerberatungskosten werden gem. § 10 Abs. 1 Nr. 6 EStG als Sonderausgaben anerkannt, soweit sie nicht Werbungskosten oder Betriebsausgaben sind. 1879 Statt vieler D. Birk, Gleichheit und Gesetzmäßigkeit der Besteuerung. Zum Stellenwert zweier Grundprinzipien in der Steuerreform, StuW 1989, S. 212 ff. 1880 M. Jachmann, Steuergesetzgebung zwischen Gleichheit und wirtschaftlicher Freiheit, S. 163, differenziert zwischen eigennützigen und fremdnützigen Hilfspflichten des Steuerbürgers, wobei sie für eine Verletzung des Halbteilungsprinzips lediglich die fremdnützigen Pflichten in Betracht zieht, die typischerweise Unternehmern abverlangt werden. Dazu im Folgenden mehr. 1881 Dazu z. B. J. Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 4, Rn. 50 ff. (m. zahlr. Hinw.); i. d. S. auch O. Geißler, Der Unternehmer im Dienste des Steuerstaats, S. 214 („. . . unselbständige Bestandteile ihrer Geldleistungspflicht . . .“). 1882 Zum Übermaßverbot in diesem Zusammenhang siehe R. Seer, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 21, Rn. 8 (m.w. N.); auch K. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. I, S. 205 ff.; grundlegender z. B. P. Lerche, Übermaß und Verfassungsrecht, Köln u. a. 1961, passim; K. A. Schachtschneider, Umsatzbesteuerung der Mineralölsteuer, S. 35 ff. (m. zahlr. Hinw.). Siehe außerdem 1. Kap., I., II., 2. Kap., I., 2., auch V., 5. 1883 Substantiell zum Prinzip des rechten Maßes in der Republik bereits Aristoteles, Nikomachische Ethik, 2. Buch 1106 a 11; K. A. Schachtschneider, Prinzipien des Rechtsstaates, S. 377 f.; ders., Res publica res populi, S. 987 (m. zahlr. Hinw.); ergänzend ders., Freiheit in der Republik, 1. Kap. u. ö.; ausführlich A. Emmerich-Fritsche, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 50 ff.; weiterführend zum Prinzip des rechten Maßes, das vom Bundesverfassungsgericht regelmäßig als Verhältnismäßigkeitsprinzip praktiziert wird, etwa BVerfGE 7, 377 (405 f.); 17, 306 (313); 19, 342 (348 f.); 21, 1 (8); 27, 344 (350 f.); 38, 281 (298); 69, 315 (354); 91, 389 (401); st. Rspr. sowie auch P. Kirchhof, Der allgemeine Gleichheitssatz, HStR, Bd. V, § 124, Rn. 235 ff., 253 f.; P. Lerche, Übermaß und Verfassungsrecht, 1961, S. 134 ff. u. ö.; ders., Grundrechtsschranken, in: HStR, Bd. V, § 122, Rn. 16 f.; C. Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Bd. I, GG, Art. 2 Abs. 1, Rn. 19; K. A. Schachtschneider,

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nen diese Lasten des Steuerbürgers, sei er nun Privatperson oder Unternehmer, für die verfassungsrechtliche Diskussion auch und insbesondere mit Blick auf den Halbteilungsgrundsatz vernachlässigt werden1884. Ob der Staat für die diversen steuerlichen und außersteuerlichen Hilfsdienste den privaten Bürger oder den privaten Unternehmer überhaupt mit entsprechender verfassungsrechtlicher Deckung in Anspruch nehmen darf, ist bis heute wohl nicht abschließend geklärt1885. Primär aber ist im Folgenden von Interesse, ob diese Lasten für den Pflichtigen – sei er privater Bürger oder Unternehmer – verfassungsrechtliche Relevanz vergleichbar den Lasten durch Steuern und Abgaben entfalten. Augenscheinlich führen diese Pflichtdienste des Privaten zu finanziellen Belastungen, die sein Eigentum, sein Unternehmen oder andere Grundrechtsbereiche beeinträchtigen können1886. Folglich gilt es zu klären, ob und inwieweit derartige Pflichtdienste in ihren materialen wie formalen Belastungskonsequenzen dem Halbteilungsgrundsatz unterliegen könnten, der staatlichen Lastenauferlegung also eine verfassungsrechtliche Grenze in der Nähe einer hälftigen Teilung zwischen Bürger und Staat auch für derartige Handlungspflichten zu ziehen wäre. Das Halbteilungsprinzip will den Steuerbürger auch jenseits eines allgemeinen Übermaßverbots vor einer Gesamtbe-

Res publica res populi, S. 362 f., 978 ff.; ders., Prinzipien des Rechtsstaates, S. 380 ff.; K. Stern (unter Mitarbeit von M. Sachs), Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. III, 2. Halbband, S. 762 ff. 1884 So deutlich M. Jachmann, Steuergesetzgebung zwischen Gleichheit und wirtschaftlicher Freiheit, S. 162 f.; sinngemäß wohl auch O. Geißler, Der Unternehmer im Dienste des Steuerstaats, S. 220 f. Falls die steuerlichen Pflichtdienste allerdings zu übermäßigen Lasten führen, könnten sie – insbesondere dann, wenn sie die steuerliche Bemessungsgrundlage nicht mindern – im ausnahmehaften Einzelfall bei einer Quantifizierung der Hälftigkeitsvolumina zu berücksichtigen sein. Die genaue rechnerische Ermittlung gestaltet sich allerdings äußerst schwierig. Im Übrigen steht eine übermäßige Belastung des Steuerpflichtigen vor allem dann zu befürchten, wenn im Einzelfall noch verhältnismäßige Handlungspflichten sich im Ergebnis mit anderen Verpflichtungen kumulieren und in ihrer Summe das Maß des verfassungsrechtlich Zulässigen überschreiten; in diesem Fall erweist sich der quantitative Nachweis als nahezu unmöglich. 1885 Ausführlicher hierzu z. B. K. H. Friauf, Öffentliche Sonderlasten und Gleichheit der Steuerbürger, in: Institut für Völkerrecht und Ausländisches Öffentliches Recht der Universität zu Köln (Hrsg.), Festschrift für Hermann Jahrreiß zum 80. Geburtstag, 1974, S. 45 ff.; H. P. Ipsen, Gesetzliche Bevorratungspflicht Privater, AöR 90 (1965), S. 393 ff.; zum Verständnis auch F. Ossenbühl, Die Erfüllung von Verwaltungsaufgaben durch Private, VVDStRL 29 (1971), S. 137 ff.; siehe ergänzend auch die Position von K. A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, passim; ebenso ders., Der Anspruch auf materiale Privatisierung, S. 45 ff., 183 ff., 238 ff. (zur Möglichkeit einer Verlagerung staatlicher Aufgaben, auch Verwaltungsaufgaben, auf Private). 1886 So hinführend zum Thema z. B. W. Leisner, Die verfassungsrechtliche Belastungsgrenze der Unternehmen. Dargestellt am Beispiel der Personalzusatzkosten, S. 73 f.; auch H. Sodan, Vorrang der Privatheit als Prinzip der Wirtschaftsverfassung, DÖV 2000, S. 363.

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lastung seines Eigentums durch hoheitliche Lasten bewahren1887, die sich zu mehr als der Hälfte des Grundrechtsobjektes summieren. Um die Privatnützigkeit des Eigentums, auch des unternehmerischen Eigentums, zu gewährleisten, müssen das Eigentum und die Früchte seiner Nutzung auch nach der Auferlegung hoheitlicher Lasten mindestens hälftig in privater Hand verbleiben. Vor diesem Hintergrund wird diskutiert, ob auch steuerliche und außersteuerliche Hilfsdienste dem Postulat des Halbteilungsgrundsatzes unterliegen und in die Bemessungsbasis der Vorgabe einer höchstens hälftigen Teilung zwischen Bürger und Staat einfließen müssen1888. Besteuerungszugriffe auf das Einkommen wie auch auf das Vermögen und die Auferlegung von Aufgaben der Steuerverwaltung weisen in ihren wirtschaftlichen Konsequenzen deutliche Ähnlichkeiten auf1889. So zieht beispielsweise die Verpflichtung des Arbeitgebers zum Lohnsteuerabzug zwar keine unmittelbaren Geldleistungspflichten, aber allemal eine Verpflichtung zur Erbringung geldwerter Leistungen für den Staat nach sich. Wirtschaftlich wirken viele Bürokratiekosten, die den Unternehmen durch diverse Pflichtdienste entstehen, auf den ersten Blick wie eine zusätzliche Unternehmenssteuer1890. Rechtsdogmatisch sind Leistungspflichten, die der Staat dem Einzelnen jenseits der Gemeinlast Steuer auferlegt – ebenso wie Beeinträchtigungen seines Eigentums zugunsten der Allgemeinheit, ohne dass der Gesetzgeber hierfür einen Ausgleich anbieten würde – regelmäßig als Sonderlast zu beurteilen1891. Sonderlasten beschränken sich nicht auf unmittelbare Geldleistungspflichten, also auf Sonderabgaben, sondern resultieren auch aus der Inanspruchnahme des Eigentums oder der Dienste des pflichtigen Bürgers1892. Mit der aktiven Einbindung in das Verfahren des Lohnsteuerabzugs und der Umsatzsteuererhebung sowie in die so1887 O. Geißler, Der Unternehmer im Dienste des Steuerstaats, S. 221 f., hingegen will den Schutz vor hoheitlich auferlegten Handlungspflichten auf ein bloßes Übermaßverbot beschränkt sehen. 1888 Hierzu erstmals systematisch O. Geißler, ebenda, passim, insb. S. 210 ff. 1889 Dazu W. Schick, Grundfragen des Lohnsteuerverfahrens, 1983, S. 48; auch K. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. II, S. 1057. O. Geißler, Der Unternehmer im Dienste des Steuerstaats, S. 210, weist sehr treffend darauf hin, dass diese Hilfsdienste „insoweit steuerähnlich“ sind, „als sie aus staatlicher Sicht nicht der Erzielung von Einnahmen, wohl aber der Ersparung von Ausgaben dienen“. 1890 Vgl. W. Kitterer, Die Belastung der Privatwirtschaft durch unbezahlte Hilfsarbeiten für den Fiskus, Stbg 1990, S. 178; auch K. Tipke, Steuerrechtsordnung, Bd. III, S. 1057. 1891 So O. Geißler, Der Unternehmer im Dienste des Steuerstaats, S. 213, unter Hinweis auf K. H. Friauf, Öffentliche Sonderlasten und Gleichheit der Steuerbürger, in: FS Jahrreiß, S. 56. Dazu auch O. Depenheuer, Arbeitgeber als Zahlstelle des Sozialstaates, BB 1996, S. 1220 f. 1892 Vgl. etwa J. Isensee, Gemeinwohl und Staatsaufgaben im Verfassungsstaat, in: HStR, Bd. III, § 57, Rn. 175. Eine Abgrenzung von Sonderlasten respektive Sonderabgaben und Steuern findet sich z. B. bei M. Jachmann, Sonderabgaben als staatliche Einnahmequelle im Steuerstaat, StuW 1997, S. 299.

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zialversicherungsrechtliche Beitragserhebung werden dem Unternehmer Sonderlasten aufgebürdet, die nicht nur beträchtliche finanzielle Belastungen nach sich ziehen, sondern ihn darüber hinausgehend in seinem unternehmerischen Handelns beeinträchtigen. Nicht nur wirtschaftlich betrachtet schränken besondere Lasten, so eben auch die steuerlichen und nichtsteuerlichen Hilfsdienste des Unternehmers, die private Nützigkeit als elementaren Bestandteil des privaten Eigentums ein1893. Zusätzlich zu den steuerlichen und nichtsteuerlichen Belastungen, die in ihrer Summe allein schon die Halbteilungsgrenze erreichen können, sehen sich die Unternehmer also mit beträchtlichen Bürokratiekosten konfrontiert, bei denen es sich nicht nur um unselbständige Bestandteile ihrer eigenen Geldleistungspflichten1894, sondern vor allem um fremdnützigen Verwaltungsaufwand handelt1895; das aber läuft dem Gedanken grundsätzlicher Privatnützigkeit als substantiellem Element des Halbteilungsprinzips zuwider. Die zu administrierenden Fremdlasten konterkarieren das Privatheitsprinzip1896, zumal der private Unternehmer noch nicht einmal Aufgaben im Rahmen seiner eigenen unstrittigen Pflichtigkeit für die Allgemeinheit wahrzunehmen hat, sondern Aufgaben, die der republikanische Staat nach der geltenden Verfassungsordnung zunächst für sich selbst proklamiert1897. Wenn das Privatheitsprinzip schon der Steuer eine Grenze 1893 So etwa O. Geißler, Der Unternehmer im Dienste des Steuerstaats, S. 210 ff., insb. S. 220 ff.; dazu auch M. Jachmann, Steuergesetzgebung zwischen Gleichheit und wirtschaftlicher Freiheit, S. 162 f., die eine Einschränkung der Privatnützigkeit zwar grundsätzlich anerkennt, derartige Lasten allerdings aufgrund ihres Status als Sonderlasten aus der Halbteilungsmasse ausblenden will. 1894 Vgl. J. Hey, Steuern verwalten durch Banken, FR 1998, S. 503; grundlegend bereits P. Dagtoglou, Die Beteiligung Privater an Verwaltungsaufgaben, DÖV 1970, S. 536. 1895 Vgl. ergänzend z. B. K. H. Friauf, Öffentliche Sonderlasten und Gleichheit der Steuerbürger, in: FS H. Jahrreiß, S. 65; T. Puhl, Besteuerungsverfahren und Verfassung (Teil II), DStR 1991, S. 1175; L. Schemmel, Zur Aufnahme des Leistungsfähigkeitsprinzips und anderer Grenzen für den Steuerstaat in das Grundgesetz, StuW 1995, S. 43; C. Trzaskalik, Die Steuererhebungspflichten Privater, DStJG 12 (1989), S. 161. 1896 Vgl. umfassend zu dem Privatheitsaxiom in der Wirtschaftsverfassung der Republik K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 386 ff. (insb. S. 388; „Grundsatz der Privatheit unternehmerischer Wirtschaft“), auch S. 370 ff., 378 ff.; ders., Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 283 ff.; ders., Der Anspruch auf materiale Privatisierung, S. 78 ff., 148; deutlich ders., Der Staat als Wirtschaftssubjekt und Auftraggeber, Aussprache, VVDStRL 60 (2001), S. 615 f.; allgemein auch ders., Republikanische Freiheit, in: FS M. Kriele, S. 856 ff.; ähnlich z. B. H. Sodan, Vorrang der Privatheit als Prinzip der Wirtschaftsverfassung, DÖV 2000, S. 361 ff.; i. d. S. auch W. Löwer, Der Staat als Wirtschaftssubjekt und Auftraggeber, VVDStRL 60 (2001), S. 418 ff. 1897 I. d. S. T. Puhl, Besteuerungsverfahren und Verfassung (Teil II), DStR 1991, S. 1175; dazu substantiell F. Ossenbühl, Die Erfüllung von Verwaltungsaufgaben durch Private, VVDStRL 29 (1971), S. 156 f.; zu dieser Diskussion siehe auch U. Steiner, Der beliehene Unternehmer, JuS 1969, S. 69 ff.; ders., Öffentliche Verwaltung durch Private. Allgemeine Lehren, 1975, S. 56 ff.; kritisch zur Möglichkeit einer Ver-

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zieht, weil diese die Lebensverhältnisse verstaatlicht, tut es das bei steuergleichen und -ähnlichen Pflichtdiensten ebenfalls1898. Selbst wenn es sich bei vielen dieser Pflichtdienste des privaten Unternehmer um sozialstaatliche Verwaltungsaufgaben handelt1899 – ob sich der Staat dieser Aufgaben überhaupt ohne weiteres entledigen kann, soll an dieser Stelle nicht thematisiert werden1900 –, kann das zulässige Maß höchstens hälftiger Pflichtigkeit des Privaten für die bürgerliche Gemeinschaft, letztlich für den Staat, überschritten werden1901. Auch steuerliche und nichtsteuerliche Pflichtdienste, die den Unternehmer in seinem Eigentum berühren, könnten an dem Maßstab des Halbteilungsgrundsatzes zu messen sein1902. Allerdings lassen sich die Belastungsresultate steuerlicher und außersteuerlicher Hilfsdienste des Bürgers für den Staat nicht ohne weiteres mit den Belastungsergebnissen des Steuer- und Abgabenzugriffs zu einer Gesamtlast kumulieren. Grundsätzlich zeichnet sich das Eigentum in der Republik, sei es nun unternehmerisches oder privat-bürgerliches Eigentum, durch eine Verpflichtung für das Gemeinwohl aus, wie sie auch in Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG zum Ausdruck kommt. Im Steuerstaat schlägt sich die Pflichtigkeit des Einzelnen für die Gemeinschaft vorrangig in der Steuerpflicht des Bürgers nieder1903. Von den Bürgern Naturalleistungen, also Dienst- oder Sachleistungen, bei der Bewältigung lagerung staatlicher Aufgaben auf Private K. A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, passim; ebenso kritisch ders., Der Anspruch auf materiale Privatisierung, S. 45 ff., 183 ff., 238 ff. 1898 Sinngemäß K. A. Schachtschneider, Umsatzbesteuerung der Mineralölsteuer, S. 51 f.; ähnlich auch ders., Republikanische Freiheit, in: FS M. Kriele, S. 857; zu dieser Bedeutung des Privatheitsprinzip auch ders., Das Recht am und das Recht auf Eigentum, in: FS W. Leisner, S. 744, 765 f., 780 ff.; umfassender ders., Der Anspruch auf materiale Privatisierung, S. 67 ff., 100 ff. u. ö. (m. zahlr. Hinw.); i. d. S. auch ders., Res publica res populi, S. 219 ff., 370 ff., 378 ff. (insb. S. 386 ff., 392 f., 394 f., 396 ff.); zu den Grundlagen außerdem ders., Freiheit in der Republik, 8. Kap., III., IV. 1899 Siehe z. B. R. Breuer, Freiheit des Berufs, in: HStR, Bd. VI, § 147, Rn. 28; auch F. Ossenbühl, Die Erfüllung von Verwaltungsaufgaben durch Private, VVDStRL 29 (1971), S. 148. 1900 Zur Übertragung von Staatlichkeit auf Private grundsätzlich K. A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, öfters; z. B. auch ders., Eigentümer globaler Unternehmer, in: FS H. Steinmann, S. 418 ff. 1901 Insoweit kann das Halbteilungsprinzip direkt übertragen werden, das eine grundsätzliche Sozialpflichtigkeit des Bürgers in seinem Eigentum nicht nur anerkennt, sondern sogar einfordert, diese Pflichtigkeit aber trotzdem zumindest in der Nähe der bekannten hälftigen Teilung begrenzt. 1902 So grundsätzlich FG Rheinland-Pfalz, FR 1997, S. 105; dezidiert für eine Erfassung staatlich auferlegter Handlungspflichten O. Depenheuer, in: v. Mangoldt/ Klein/Starck, GG, Bd. I, Art. 14, Rn. 364; ders., Arbeitgeber als Zahlstelle des Sozialstaates, BB 1996, S. 1220 f.; W. Leisner, Die verfassungsrechtliche Belastungsgrenze der Unternehmen. Dargestellt am Beispiel der Personalzusatzkosten S. 73; dazu auch J. Lücke, Die (Un-)Zumutbarkeit als allgemeine Grenze öffentlich-rechtlicher Pflichten des Bürgers, passim.

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der vielfältigen Aufgaben des Gemeinwesens einzufordern, entspricht zunächst nicht dem Wesen der Republik1904. Der Steuerstaat bedient sich eines allgemeinen Verteilungsmechanismus, während der Pflichtdienste zuteilende Staat ausgewählte Lastenträger herausgreift. Bereits die systematische Einordnung spricht gegen eine gemeinsame Betrachtung oder gar kumulative Erfassung von Steuerund Abgabenlasten einerseits und finanziellen Konsequenzen steuerlicher oder außersteuerlicher Pflichtleistungen andererseits. Dem republikanischen Sozialprinzip entsprechend, erschöpft sich die Pflichtigkeit des Bürgers nicht notwendigerweise in dem Leisten geldlicher Beiträge, sondern kann darüber hinaus aktive Mitwirkung des Einzelnen für das Wohl der Allgemeinheit erwarten. Nicht zuletzt aufgrund der Organisation des modernen Gemeinwesens bedarf es der Mithilfe der Bürger, insbesondere der Unternehmer, um das Funktionieren der Solidargemeinschaft zu gewährleisten. Die Auferlegung von steuerlichen und außersteuerlichen Pflichtdiensten lässt sich grundsätzlich rechtfertigen; die Möglichkeit einer Verletzung des Halbteilungsgrundsatzes scheint prima facie nicht gegeben. Gleichwohl wird allerdings deutlich, dass der Brückenschlag zwischen privater Nützigkeit und sozialer Pflichtigkeit auch dann gelingen kann und muss, wenn privatheitliches Eigentum für die Erfüllung staatlicher, ergo gemeinschaftlicher Aufgaben zum Einsatz kommt. Der Ruf nach einer Grenzziehung zwischen privater und gemeinschaftlicher Nützigkeit ist auch an dieser Stelle nachvollziehbar, lässt sich aber auf die Fälle reduzieren, in denen privatheitliches Eigentum oder dessen Früchte mehr als hälftig für steuer- und abgabenstaatliche Hilfsarbeiten zur Verwendung gelangen. Außerdem – und diesem Aspekt ist angesichts der unstrittigen Notwendigkeit einer Nettobetrachtung bei der Bewertung von halbteilungsrelevanten Lasten unbedingt Rechnung zu tragen1905 –, werden steuerliche und außersteuerliche Pflichten und deren finanzielle Konsequenzen bei der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen berücksichtigt. So mindern grundsätzlich Aufwendungen, die die Erfüllung steuerlicher oder außersteuerlicher Pflichtdienste erfordert, als steuerlich anerkannte Betriebsausgaben das Jahresergebnis eines Unternehmens, gleichgültig, ob es sich um Personalkosten, Kosten für Telekommunikation, Büromaterial, notwendige Informationen aller Art oder auch Kosten für externe Dienstleister handelt. Auch der private Steuerbürger, der ohnehin nur einen Bruchteil der steuerlichen Pflichtdienste und keine nennenswerten außersteuerlichen Pflichtaufgaben zu erfüllen hat, kann im Zuge der Erledigung dieser Ver1903 Vgl. grundsätzlich, stv. für viele, J. Isensee, Steuerstaat als Staatsform, in: FS H. P. Ipsen, S. 415 u. ö. 1904 Ebenda, S. 422; so auch P. Kirchhof, Staatliche Einnahmen, in: HStR, Bd. IV, § 88, Rn. 5. 1905 Siehe oben III., 1., 2. (analog).

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pflichtungen entstandene Aufwendungen im Rahmen seiner Werbungskosten geltend machen; bedient er sich eines steuerlichen Beraters oder eines vergleichbaren Dienstleister, kann er dessen Gebühren ebenfalls in Abzug bringen. Soweit also steuerliche oder außersteuerliche Verpflichtungen, die der Staat den Bürgern aufbürdet, überhaupt an dem Halbteilungsgrundsatz gemessen werden können, gilt dies nur für den Nettoanteil, also die nach dem Steuerentlastungseffekt verbleibende, effektive Belastungsgröße. Aus diesem Grund dürfte eine tatsächliche Verletzung des Grundsatzes einer höchstens hälftigen Teilung weitgehend auszuschließen sein, zumal mit steigenden Lasten für den Bürger progressionsbedingt dessen steuerliche Entlastung immer weiter ansteigt; sollte sich tatsächlich eine Lastenfülle für den Bürger ergeben, die in die Nähe einer hälftigen Teilung tendieren könnte, würde der in diesen Regionen anzuwendende Steuertarif dazu führen, dass annähernd 50% der Gesamtbelastung als Steuerentlastung dem Pflichtigen zugute kämen, die Grenze der hälftigen Belastung also typischerweise nicht erreicht werden könnte. Selbst bei einer typisierenden Betrachtung wird sich eine nähere Quantifizierung dieser gesamten Lastenkategorie als äußerst schwierig erweisen1906; im Zweifelsfall bliebe dem verpflichteten Bürger nur der Nachweis seiner individuellen Belastungssituation1907. Als noch komplexer würde sich eine Kumulation der Belastungen, die der Unternehmer im Rahmen dieser Pflichtdienste zu bewältigen hat, mit den steuerlichen und nichtsteuerlichen Gemeinlasten erweisen1908. Selbst wenn im Ergebnis Belastungswirkungen durch Besteuerungszugriffe, durch die Einforderung von Abgaben und durch die Auferlegung von Handlungspflichten in irgendeiner Form zusammengefasst werden müssten1909, erschiene eine Summation dieser Lasten kaum vertretbar1910. Vielmehr sind die 1906 Eine verallgemeinernde Berücksichtigung der Auswirkungen von Pflichtdiensten auf das Gesamtlastenkontigent eines Unternehmens, die sich in der Unternehmensrentabilität oder ähnlichen Maßgrößen niederschlagen könnte, wird gerade durch die hier kritisierte Komplexität und Vielschichtigkeit der zahlreichen steuerrechtlichen, abgabenrechtlichen und sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften außerordentlich erschwert. 1907 Ausführlicher zu dieser Problematik W. Leisner, Die verfassungsrechtliche Belastungsgrenze der Unternehmen. Dargestellt am Beispiel der Personalzusatzkosten, S. 42, der den Durchschnitt der betroffenen Wirtschaftssubjekte als verfassungsrechtlich relevante Betrachtungsgröße installiert; ebenso ders., Verfassungsschranken der Unternehmensbelastungen, Personalzusatzkosten und „finanzielle Leistungsfähigkeit“ (BVerfG), NJW 1996, S. 1514. Siehe dazu auch BVerfGE 68, 193 (219); 70, 1 (30). 1908 Ganz i. d. S. O. Geißler, Der Unternehmer im Dienste des Steuerstaates, S. 220. 1909 Dafür deutlich W. Leisner, Die verfassungsrechtliche Belastungsgrenze der Unternehmen. Dargestellt am Beispiel der Personalzusatzkosten, S. 73; ebenso O. Depenheuer, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. I, Art. 14, Rn. 364; ders., Arbeitgeber als Zahlstelle des Sozialstaates, BB 1996, S. 1220. 1910 Gegen eine direkte Aufsummierung dieser unterschiedlichen Belastungen der Grundrechtssubjekte argumentiert M. Jachmann, Steuergesetzgebung zwischen Gleichheit und wirtschaftlicher Freiheit, S. 162 f., die ihre These allerdings weniger auf tech-

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Maßstäbe des Halbteilungsgrundsatzes lediglich in den Fällen anzulegen, in denen bereits die Gesamtheit der Belastungen durch steuerliche oder außersteuerliche Pflichtdienste die Hälftigkeitsgrenze übersteigen würde; in diesem Fall freilich ist eine Kumulation der verschiedenen Belastungen durch steuerliche und außersteuerliche Pflichtaufgaben zulässig und sinnvoll. Eine direkte Addition der verschiedenen Lastenkategorien – Steuern, Abgaben sowie steuerliche und außersteuerliche Pflichtdienste – zu einer gesamtheitlichen Halbteilungsgröße ist weder möglich noch in irgendeiner Form gefordert. Soweit der zunächst steuerverfassungsrechtliche Halbteilungsgrundsatz für steuerliche und außersteuerliche Hilfsdienste vornehmlich des Unternehmers für den Staat in Stellung gebracht werden kann, beschränkt sich dies grundsätzlich auf eine isolierte Betrachtung dieser Belastungskonsequenzen. Ein Halbteilungsgebot für ein umfassendes Lastenkonglomerat aus Steuern, Abgaben und finanziell belastenden Pflichtaufgaben lässt sich nicht herleiten, geschweige denn eine unmittelbare Verpflichtung für den Steuerstaat zu einer angemessenen Steuersenkung, wenn die Gesamtbelastung das Maß der hälftigen Teilung wesentlich übersteigt. Unstrittig werden die Steuer- und Abgabenlasten eines Unternehmens durch derartige hoheitliche Pflichtdienste weiter erhöht. Bewegen sich die kumulierten Lasten bereits in der Nähe einer hälftigen Teilung zwischen privater und öffentlicher Hand, kann die Vielzahl administrativer Verpflichtungen dazu führen, dass die Vorgabe vorrangiger Privatnützigkeit von Eigentum und Eigentumsgebrauch nicht mehr erfüllt wird1911. Selbst wenn der Halbteilungsgrundsatz nicht als unmittelbare Grenze für den lastenauferlegenden Gesetzgeber installiert und insbesondere keine Reduktion des bestehenden Steuer- und Abgabenzugriffs abgeleitet werden kann, gibt das Privatheitsprinzip nicht nur als Grundrechtsideal, sondern auch als Ordnungs- und Wohlfahrtsmechanismus eine wichtige Grenzlinie für das Ausmaß an Staatlichkeit in einer grundsätzlich privatheitlichen Gemeinschaft vor. Spätestens im Prinzip des rechten Maßes, das auch ein Prinzip des Mittleren ist, finden sich Orientierungspunkte für eine maßvolle Zuteilung von Lasten aller Art durch den Staat1912. Um die hoheitlich veranlassten Genische Schwierigkeiten als auf eine Nichtanwendung des Privatnützigkeitskriteriums bei Sonderlasten stützt. 1911 I. d. S. sehr deutlich O. Geißler, Der Unternehmer im Dienste des Steuerstaats, S. 221 ff., der die Summe der fremdnützigen steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Hilfsdienste als Ergänzung zu ohnehin bestehenden Steuer- und Abgabenlasten als übermäßige, insofern die Halbteilungsgrenze übersteigende Belastung der Unternehmen kritisiert: „Unter Berücksichtigung bereits bestehender steuer- und sozialversicherungsrechtlicher Verpflichtungen, ist davon auszugehen, dass [insbesondere; Erg. d. Verf.] bei kleinen und mittelständischen Unternehmen die Grenze der Zumutbarkeit der Inanspruchnahme erreicht ist“ (Zitat S. 224). 1912 Dazu grundsätzlich z. B. J. Lücke, Die (Un-)Zumutbarkeit als allgemeine Grenze öffentlich-rechtlicher Pflichten des Bürgers, 1973.

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samtlasten für den pflichtigen Bürger in die Nähe einer hälftigen Teilung zwischen Privatem und Staatlichem abzusenken und so dem Privatheitsprinzip als einem der Grundprinzipien der freiheitlichen, gleichheitlichen und brüderlichen Republik Rechnung zu tragen, kann es für den Staat in unserem heutigen Gemeinwesen angezeigt sein, wenn nicht Steuern und Abgaben, dann doch Bürokratiepflichten für die Unternehmer in ihrer Gesamtheit spürbar zu vermindern1913. Ohne die finanziellen Lasten, die der Privatwirtschaft allein durch die lohnsteuerbedingten Gesetzesvollzugskosten sowie durch etwaige Lohnsteuernachforderungen entstehen, exakt quantifizieren zu können, ist davon auszugehen, dass sich bereits für die Lohnsteuerbürokratie die gesamten Belastungen der Unternehmen auf über 5 Mrd. EUR pro Jahr summieren1914. Bereits in den neunziger Jahren verursachte jede einzelne Gehaltsabrechnung für den Arbeitgeber Kosten zwischen fünf und 25 EUR1915. Dadurch, dass die deutsche Wirtschaft unentgeltlich Lohnsteuer, Kirchenlohnsteuer und Solidaritätszuschlag von ihren Arbeitnehmern einbehält und abführt, wird sie mit Lohnsteuererhebungskosten in Milliardenhöhe belastet1916. Diese und viele andere Bürokratiekosten, von denen vor allem kleine und mittlere Unternehmen überdurchschnittlich stark betroffen sind, tragen neben den Lohn- und den Lohnnebenkosten substantiell zu einer Verteuerung des Faktors Arbeit bei1917. In den Geltungsbereich des (steuerrechtlichen) Halbteilungsgrundsatzes lassen sich die Aufwendungen für steuerliche und außersteuerliche Hilfspflichten, wie viele andere Kosten bundesdeutscher Bürokratie, nicht unmittelbar einordnen. Die Frage, ob diese umfangreichen Belastungen eines Unternehmers allerdings noch praktisch vernünftig sind, sich also noch rechtfertigen lassen oder ob sie den Boden des rechten Maßes bereits verlassen haben, bleibt offen1918. In jedem Fall sollten

1913 So sinngemäß W. Leisner, Personalzusatzkosten – Belastungen der Betriebe ohne Grenzen?, GewArch 42 (1996), S. 131 ff. 1914 So bereits 1996 die Zahlen bei H. Hendel, Die Belastung der Arbeitgeber durch die Lohnsteuer, S. 52. Für das Jahr 2004 schätzt man ca. 36 Millionen Lohnsteuerkarten und Lohnsteuerbescheinigungen sowie etwa 19 Millionen Lohnsteuer-Anmeldungen, was einer Steigerung von ca. 10% gegenüber 1996 entspricht; vgl. dazu Bundesministerium des Inneren (Hrsg.), Initiative Bürokratieabbau, Zwischenbericht, März 2004, S. 14. 1915 Vgl. H. Hendel, Die Belastung der Arbeitgeber durch die Lohnsteuer, 1997, S. 52. 1916 Im Zuge des Steueränderungsgesetzes 2003 wurde § 41b EStG grundlegend neu gefasst und das elektronische Lohnsteuerverfahren verstärkt in den Vordergrund gerückt; hiervon verspricht man sich signifikante Einsparungen auf Seiten der Finanzverwaltung wie auf Seiten der Wirtschaft (vgl. BTDrucks. 15/1562, S. 31). Siehe dazu z. B. W. Starke, in: C. Herrmann/G. Heuer/A. Raupach (Hrsg.), Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, 2004, § 41b, Rn. J 03-2 ff. 1917 Vgl. etwa S. Halldorn, Der Unternehmer als Erfüllungsgehilfe des Staates, S. 53 f.

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bei Diskussionen über die Vorgaben des Halbteilungsgrundsatzes für das Steuerund auch Abgabenrecht der freiheitlichen, gleichheitlichen und brüderlichen Republik derartige (zusätzliche) Belastungen des Bürgers, spätestens dann, wenn sie das Maß des praktisch Vernünftigen übersteigen, nicht aus den Augen verloren werden.

1918 Vor allem eine Vielzahl kleinerer und mittlerer Unternehmen fühlt sich bürokratiebedingt stark belastet; außerdem stellen viele Unternehmen eine deutliche Zunahme bürokratischer Lasten innerhalb der vergangenen zehn Jahre fest. Als besonders aufwendig erweisen sich regelmäßig die bürokratischen Anforderungen im Bereich der Sozialversicherung, für geringfügig Beschäftigte, im Kontext arbeitsrechtlicher Regelungen sowie für das Ermitteln und Abführen von Steuern. In Abhängigkeit von der Unternehmensgröße ist der finanzielle Aufwand zur Erfüllung bürokratischer Vorgaben des Staates fast dramatisch gestiegen. Vor allem größere Vertreter der mittelständischen Wirtschaft haben für diese Kosten im Verlauf der letzten zehn Jahre ein Wachstum von weit mehr als 100% zu verzeichnen. In der Summe über sämtliche kleinen und mittleren Betriebe sind die Bürokratiekosten zwischen 1994 und 2003 real um ca. 25% gestiegen. Vgl. ausführlich hierzu Institut für Mittelstandsforschung (Hrsg.), Bürokratiekosten kleiner und mittlerer Unternehmen. Gutachten im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit, 2004 (zugleich: Zentrale Ergebnisse der Studie „Bürokratiekosten kleiner und mittlerer Unternehmen, Schriften zur Mittelstandsforschung Nr. 105, 2004). Auch Existenzgründer sehen sich mit einer Vielzahl bürokratischer Hemmnisse konfrontiert: abgesehen von überdurchschnittlich hohen Gründungskosten im europäischen Vergleich, dauert es durchschnittlich 1,5 Monate und bedarf der Zustimmung von neun verschiedenen Stellen, ehe ein deutscher Existenzgründer seinen Betrieb eröffnen kann, während beispielsweise in den Niederlanden elf Tage und sieben Genehmigungen oder in Dänemark gerade vier Tage und vier Genehmigungen für eine Unternehmensgründung ausreichen, wie die Weltbank in einer aktuellen Studie veröffentlich hat (vgl. Institut der deutschen Wirtschaft (Hrsg.), iwd – Informationsdienst des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln, Nr. 34, 19.8. 2004).

7. Teil

Ausblicke Der Halbteilungsgrundsatz, der Wissenschaft und Praxis seit seiner höchstrichterlichen Formulierung im Jahr 1995 immer wieder neu beschäftigt – und in so mancher Facette bereits vorher beschäftigt hat –, wirft viele Fragen auf und wird dies auch weiterhin tun. Das gilt gleichermaßen für die großen dogmatischen Fragen wie auch für die zahlreichen rechtstechnischen Details der praktischen Umsetzung. In welcher Weise sich der Halbteilungsgrundsatz künftig in den Steuer- und Abgabengesetzen niederschlägt, bleibt abzuwarten1919. Diese Schrift beansprucht keinesfalls die abschließende Beantwortung all dieser, oftmals diffizilen, gelegentlich sehr grundlegenden Fragestellungen, sondern will den Halbteilungsgrundsatz in seiner Republikanität als Verfassungsgrenze des fiskalischen Zugriffs verstehen, die Grundidee der höchstens hälftigen Teilung in dem Gemeinwesen der modernen Republik entwickeln, praktische Facetten dieses Grundsatzes aufzeigen und nicht zuletzt einen Ausblick auf die weiteren Perspektiven einer Verfassungsvorgabe höchstens hälftiger Teilung des privaten Eigentums zwischen Bürger und Staat wagen. So mag zu überlegen sein, ob der Halbteilungsgrundsatz nicht nur die Steuerlast des einzelnen Bürgers qua Verfassungsrecht auf maximal die Hälfte des Einkommens und Vermögens begrenzt, sondern auch die volkswirtschaftliche Gesamtbelastung aller Steuerbürger mäßigt, also eine Verfassungsgrenze für die Steuerquote1920 in der Republik einführt1921. Seine (steuer-)verfassungsrechtliche Geltung kann dem Grundsatz hälftiger Teilung nicht abgesprochen werden. Allerdings entfaltet die Eigentumsgewährleistung des Art. 14 Abs. 1 GG wie die anderen Grundrechte auch Wirkung für den einzelnen Bürger und begrenzt 1919 Weiteren Aufschluss werden wohl künftige Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zum Halbteilungsgrundsatz bringen. So ist derzeit bei dem obersten Gericht in Karlsruhe die Verfassungsbeschwerde 2 BvR 2194/99 (Vorinstanzen: FG Düsseldorf, Urteil v. 5.11.1997 – 8 K 4409/97 E, EFG 1998, 378; BFH-Urteil v. 11.8. 1999 – XI R 77/97, BStBl. II 1999, 771) anhängig. 1920 Die Steuerquote kennzeichnet den Anteil der gezahlten Steuern gemessen am Bruttoinlandsprodukt. Neben dem Steuersatz beeinflusst das Vorhandensein von Steuerbefreiungen und Steuerschlupflöchern, aber auch Schwarzarbeit die Steuerquote; letztere Aspekte werden im Folgenden allerdings vernachlässigt. 1921 Zur Frage, ob der Halbteilungsgrundsatz auch die gesamtwirtschaftlichen Steuerlast beschränkt, etwa L. Schemmel, Zur Aufnahme des Leistungsfähigkeitsprinzips und anderer Grenzen für den Steuerstaat in das Grundgesetz, StuW 1995, S. 53 f.

7. Teil: Ausblicke

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insoweit zunächst die steuerliche Individuallast1922. Mit dem Prinzip der maximal hälftigen Teilung und der daraus abzuleitenden Begrenzung der kumulierten Steuerlast auf höchstens 50% des privaten Eigentums kann sich also jeder steuerpflichtige Bürger gegen den fiskalischen Zugriff zur Wehr setzen. Individuelle Rechte, auch und insbesondere Rechte der Privatheit, können nicht mit einem Federstrich für alle Bürger des Gemeinwesens kumuliert, quasi „vergesellschaftet“ werden. Angesichts des rechtsdogmatisch überzeugenden Arguments, dass Grundrechte stets Rechte des einzelnen Staatsbürgers sind, lässt sich der Halbteilungsgrundsatz prima facie nicht zu einer Beschränkung der steuerlichen Gesamtbelastung der bürgerlichen Gemeinschaft ausweiten. Gleichwohl markiert das Prinzip der hälftigen Teilung, wie es das Privatheitsprinzip als substantielles Prinzip der Republik vorgibt, eine deutliche Grenzlinie für den Fiskus. Auch wenn sich ein direkter Transfer dieses Grundsatzes auf eine gesamtwirtschaftliche Ebene insbesondere in seiner Quantifizierbarkeit schwierig gestaltet, verpflichtet das Privatheitsprinzip den Staat dazu, die grundsätzliche Idee der Privatheit zu wahren und im Rahmen des Vernünftigen all seinen Gesetzen zugrunde zu legen; dies trifft auch auf den Steuerstaat zu. Mit den Steuern finanziert der Staat nicht nur das Gemeinwesen, sondern setzt auch grundlegende Zeichen zum Verhältnis von Privatheit und Staatlichkeit. Schließlich erhebt der Staat Steuern nicht um seiner selbst willen, sondern um die verschiedenen staatlichen Aufgaben zu erfüllen, letztlich um Staatlichkeit ausüben zu können. Die Steuerquote eines Staates bringt das Maß an Staatlichkeit des Gemeinwesens zum Ausdruck. Insofern lässt sich der steuerverfassungsrechtliche Halbteilungsgrundsatz wohl auch zu einem Höchstmaß der gesamtwirtschaftlichen Steuerquote von höchstens 50% entwickeln1923. Dies wird umso deutlicher, wenn man sich vor Augen führt, dass sich auf die Verfassungsgrenze eines höchstens hälftigen Zugriffs auf Einkommen und Vermögen jeder Steuerbürger berufen kann; folglich können alle Bürger in ihrem Eigentum höchstens zur Hälfte belastet werden. Wenigstens in einer Volkswirtschaft ohne eine Vielzahl von Steuerausländern impliziert dies notwendigerweise eine Steuerquote von weniger als 50%.

1922 I. d. S. z. B. P. Kirchhof, Steuergesetzgebung auf dem Prüfstand des Bundesverfassungsgerichts, in: Steuerberaterverband Niedersachsen (Hrsg.), Harzburger Steuerprotokoll 1993, S. 27 f. 1923 Mögliche Verfassungsgrenzen der Gesamtsteuerbelastung werden auch vor dem Hintergrund der §§ 104a–115 GG diskutiert. So will § 106 Abs. 3 S. 4 Nr. 2 GG eine Überbelastung der Steuerpflichtigen vermeiden; da dieser Vorschrift allerdings eine Begrenzung der Steuerquote im Sinne einer höchstens hälftigen Teilung zwischen Bürger und Staat wohl nicht zu entnommen werden kann, wird hier auf eine Darstellung verzichtet. Vgl. zum Thema K. Vogel/C. Waldhoff, in: BK, Vorbem. z. Art. 104a–115, Rn. 577 ff., insb. Rn. 582 f. Zu dieser Diskussion z. B. auch H. Feldmann, Konstitutionelle Begrenzung der Steuerbelastung, StuW 1998, S. 118, der die „Obergrenze von rund 50% für eine freiheitliche Gesellschaft“ als „zu hoch“ bewertet.

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In praxi mögen es andere Motive sein, die den Staat veranlassen, vielleicht sogar zwingen, die Steuerlasten der Bürger deutlich unter die 50%-Marke zu senken. So wird wohl in Zukunft der Wettbewerb der Steuersysteme insbesondere auf internationaler Ebene für Steuerbelastungen weit unterhalb der Halbteilungsgrenze sorgen1924. Immerhin zählt die Belastung durch Steuern und Abgaben in einer globalisierten Wirtschaft zu den bedeutsamen Standortfaktoren, die oftmals anderen Entscheidungsparametern, wie z. B. Infrastruktur, gesellschaftliche und politische Stabilität, Marktgröße und Absatzperspektiven, Qualität von Arbeitskräften oder Bildungsniveau, den Rang abzulaufen drohen – dies gilt um so mehr in Staaten mit tatsächlich oder vermeintlich hohen Steuer- und Abgabenlasten. Dennoch darf sich der Steuer- und Abgabengesetzgeber mit dieser Argumentation nicht einer näheren Auseinandersetzung mit den vielfältigen Implikationen des Halbteilungsgrundsatzes entziehen. Die Probleme des Standorts Deutschland beschränken sich nicht auf die Steuerbelastung der privaten Bürger und Unternehmer, also auf die Steuerquote, die freilich im internationalen Vergleich immer noch im oberen Bereich rangiert, sondern sind ebenso in der Staatsquote zu suchen. Diese hat sich in den letzten Jahrzehnten sprunghaft erhöht und scheint sich nun in der Nähe von 50% einzupendeln1925; ein weiterer Anstieg ist nicht auszuschließen. Der Status Quo der sozialen Sicherungssysteme, deren Überfrachtung mit versicherungsfremden Leistungen, die demographische Entwicklung und viele andere Faktoren haben dazu wesentlich beigetragen und drohen die Staatsquote weiter steigen zu lassen1926. Das Ausmaß der Staatstätigkeit und der hierfür benötigten Geldmittel strapaziert die öffentlichen Kassen und belastet nicht nur die einzelnen Bürger, die teilweise ohnehin schon fast überfordert zu sein scheinen, sondern auch das gesamte Steuer- und Abgabensystem der Republik1927. Spätestens dann, wenn mehr als 50% der Wirtschaftsleistung durch die Hände des Staates gehen, sind große Ineffizienzen und Verzerrungen in der Wirtschaft zu befürchten1928. Sowohl für die Binnenwirtschaft als auch im internationalen Wettbewerb kann dies negative, wirtschaftliche Konsequenzen nach sich ziehen, die zu einer Abschwächung des Wirtschaftswachstums, einem Anstieg der Arbeitslosenzahl, einer sinkenden Attraktivität des Standortes für internationale Investitionen oder 1924

So die These von J. Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 4, Rn. 223. Die Staatsquote der Bundesrepublik Deutschland betrug im Jahr 2001 48,3%, in 2002 48,5% und in 2003 48,9%; vgl. Statistisches Bundesamt, 2004. 1926 Vgl. J. Lang, Vom Steuerchaos zu einem Steuersystem rechtlicher und wirtschaftlicher Vernunft, in: S. Baron/K. Handschuch (Hrsg.), Wege aus dem Steuerchaos, 1996, S. 127. 1927 So bereits 1996 stv. für viele W. Ritter, Notwendigkeit und Ziele einer Reform unseres Steuersystems, in: S. Baron/K. Handschuh (Hrsg.), Wege aus dem Steuerchaos, S. 109. 1928 Siehe dazu etwa P. Samuelson, „Wir sollten das Tempo der Globalisierung drosseln“, Interview mit T. Riecke, HB v. 20.09.2004, S. 4. 1925

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einer Verschlechterung anderer volkswirtschaftlicher Rahmendaten führen, letztlich stets zu Lasten des Wohlstandes der Bürgergemeinschaft gehen. Das wirft die Frage auf, ob der Verfassung der Republik eine Begrenzung der Staatsquote zu entnehmen ist, also ein „Prozentsatz . . ., über den die Staatsquote nicht hinausgehen dürfte“1929. Auf den ersten Blick scheint das Grundgesetz keine unmittelbaren „verfassungsrechtlichen Aussagen über die zulässige Höhe der Staatquote“1930 zu treffen. Wie ausgeführt, zieht der Halbteilungsgrundsatz allen (finanziellen) Lasten des Bürgers eine Grenze zumindest in der Nähe einer hälftigen Teilung, begrenzt mithin den Fiskus bei der gesetzlichen Auferlegung von Steuern und Abgaben1931. Die Gesamtbelastung des einzelnen Bürgers durch Steuern und Abgaben – das gilt zumindest für den fremdnützigen Teil – darf die Hälfte seines Eigentums nicht übersteigen. Folglich kann, wie oben bereits skizziert, auch die Gesamtbelastung aller Bürger durch Steuern und (fremdnützige) Abgaben im Grundsatz nicht wesentlich über das Maß einer hälftigen Teilung zwischen Bürger und Staat hinausgehen. Schließlich darf das Halbteilungspostulat in diesem Kontext nicht nur auf eine Addition der verfassungsseitig gebotenen Höchstlasten aller Individuen in der Bürgergemeinschaft reduziert werden, sondern sollte stets auch als Leitlinie für das Verhältnis von Bürger und Staat verstanden werden. Spätestens vor diesem Hintergrund wird eine – wenn vielleicht auch nicht unmittelbar verfassungsrechtlich judizierbare, aber doch in der Sache der Republik sehr bedeutsame – Vorgabe deutlich, Steuern und Abgaben auch in einer gesamtwirtschaftlichen Dimension auf eine Maßgröße in der Nähe der Hälfte, wohl sogar merklich darunter auszurichten. Für eine Einbeziehung von Abgaben- wie Staatsquote in die Halbteilungsdiskussion spricht die eigentliche Intention des Grundsatzes der hälftigen Teilung, der den pflichtigen Bürger vor finanziellen Belastungen jenseits der Halbteilungsgrenze schützen will. Dieser Zielsetzung würde es widersprechen, wenn sich der Fiskus durch eine Erhöhung von Abgaben zumindest in ihrer Fremdnützigkeit einer Verfassungsgrenze der Besteuerung entziehen könnte. Der Halbteilungsgrundsatz fordert mehr als nur „ein Nullsummenspiel, bei dem die Senkung der einen durch die Anhebung einer anderen Belastung ausgeglichen wird und alles in allem die Gesamtbelastung doch oberhalb der 50-Prozent-Grenze verbleibt.“1932 Vielmehr erfasst der Grundsatz hälftiger Teilung „die gesamte (fremdnützige) Abgabenbelastung aus Steuern, Sozialversicherungsabgaben und Sonderabgaben und verlangt, dass auch die Summe dieser Belastungen bei kei-

1929

R. Herzog, Das Sozialprodukt und das Grundgesetz, StuW 1993, S. 323. Ebenda, S. 325. 1931 Wie bereits erläutert, sollen darunter auch die Beiträge zu den Sozialversicherungssystemen zu verstehen sein; vgl. dazu 6. Teil, 3. Kap., V. 1932 H. Butzer, Freiheitsrechtliche Grenzen der Steuer- und Sozialabgabenlast, S. 130. 1930

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nem Abgabepflichtigen . . . mehr als die Hälfte . . . ausmacht“1933; dieser Grundgedanke beschränkt sich nicht auf den einzelnen pflichtigen Bürger, sondern lässt sich bei konsequenter Betrachtung auch auf die Gesamtheit aller pflichtigen Bürger übertragen. Wenn der Halbteilungsgrundsatz dem Steuer- und Abgabengesetzgeber eine verfassungsrechtliche Grenzlinie zieht, hat dies auch eine Begrenzung der Einnahmen des Staates aus diesen Quellen zur Folge. Steuern sind nicht zuletzt aus rechtlichen Gründen die einzig bedeutsame Quelle staatlicher Leistungsfähigkeit, auf die der Staat bei der Erfüllung seiner Aufgabenpflichten zurückgreifen kann1934. Mangelnde Möglichkeiten zur Erhöhung von Steuern und Abgaben aus normativen Gründen beschränken ebenso wie politisch gewollte Entlastungen des Bürgers von Steuer- und Abgabepflichten oder Formen des faktischen Steuerwiderstandes1935 die verfügbaren Finanzmittel des Staates, die Staatsausgaben. Da der republikanische Steuerstaat grundsätzlich den Bürgern nur das zukommen lassen kann, was er ihnen vorher qua Steuern und Abgaben abverlangt hat, stellt die verfassungsseitige Beschränkung des Steuer- und Abgabenzugriffs auf das bürgerliche Eigentum – erst recht unter dem Verdikt dringend gebotener Entlastungen von Unternehmern, Arbeitnehmern und anderen Bürgern in der Republik – die Frage nach dem Umfang der finanzerheblichen Staatsaufgaben1936. Dieser Zusammenhang erscheint umso bedeutsamer, als Steuern meist den Ausgaben der öffentlichen Hand angepasst werden. Eine disziplinierende Wirkung, die die verfassungsrechtliche Begrenzung staatlicher Einnahmen aus Steuern und Abgaben auf die Ausgabenpolitik des Staates haben könnte, wird gemeinhin begrüßt; allemal vermag es rechtlich und politisch mehr zu überzeugen, Staatsausgaben auf ihre Notwendigkeit hin zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen als die Steuerpflichtigen mit Steuer- oder auch Abgabenlasten jenseits verfassungsrechtlicher Grenzen zu überfordern1937. In diesem Kontext wäre die staatliche Verwendung der Steuereinnahmen, also die Finanzierung der Staatsaufgaben und damit auch die Staatsaufgaben an sich, an dem Gemeinwohlpostulat des Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG zu messen. Unabhängig davon, dass die Gemeinwohlverpflichtung von Staat und Bürger den Grundprin1933

Ebenda. Vgl. umfassend A. Leisner, Die Leistungsfähigkeit des Staates. Verfassungsrechtliche Grenze der Staatsleistungen?, S. 80 ff., insb. S. 84 ff. 1935 Das Phänomen des faktischen Steuerwiderstandes, bei dem Steuern und Abgaben aus politischen Gründen nicht erhoben oder durchgesetzt werden können, erläutert A. Leisner, ebenda, S. 86 ff. 1936 P. Kirchhof, Der Auftrag des Grundgesetzes zur Erneuerung des Steuerrechts, Stbg 1998, S. 385. 1937 K. Tipke, Über die Grenzen der Vermögensteuer – zugleich Besprechung des BVerfG-Beschlusses vom 22.6.1995, S. 13 f. 1934

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zipien der Republik, ja der republikanischen Grundkonzeption zu entnehmen ist, bringt diese Norm das Wohl der Allgemeinheit im Sinne einer Direktive für Staat und Bürger sehr unmittelbar zum Ausdruck. Ebenso wie der steuerzahlende Bürger in seinem Eigentumsgebrauch ist der steuereinnehmende Staat in seiner Mittelverwendung, damit letztlich in der Bestimmung und Erfüllung seiner staatlichen Aufgaben, dem Gemeinwohlprinzip verpflichtet. Ehe der Staat in seiner Fiskalität auf das Eigentum des ohnehin gemeinwohlpflichtigen Bürgers zugreift, hat er die Verwendung der Mittel im Sinne einer strengen Gemeinwohlverpflichtung zu überprüfen1938, agiert er doch quasi als „Erfüllungsgehilfe“ des pflichtigen Bürgers, der aus seinem privaten Eigentum seinem Beitrag für das Allgemeinwohl leistet. Faktisch werden Staatsausgaben und damit Staatsaufgaben allemal durch den Umfang höchstens erzielbarer Staatseinnahmen – das Diktat leerer Kassen ist hinlänglich bekannt – begrenzt und im Zuge eines „stillschweigenden Haushaltsvorbehaltes“ öffentliche Aufgaben in der Praxis längst so zugeschnitten, dass sie mit den vorhandenen Mitteln erfüllt werden können1939. Der Grundsatz der hälftigen Teilung, wie ihn auch Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG skizziert, verankert nicht nur das private Eigentum in seiner Rechtlichkeit und Pflichtigkeit als Dreh- und Angelpunkt im Verhältnis von Bürger und Staat, sondern verdeutlicht auch, dass der austeilende Staat stets nur Interessenwalter der Bürgergemeinschaft, ja jedes einzelnen Bürgers sein kann. Da der Halbteilungsgrundsatz in seiner republikanischen Interpretation auch und insbesondere das private Eigentum auf das Gemeinwohl verpflichtet, bedarf es zunächst der Prüfung, ob und inwieweit der Bürger mittels seines privaten Eigentums und dessen Gebrauch dem Gemeinwohl dient. Solange gemeinwohldienliche Aufgaben seitens des privaten Bürgers oder auch durch den Unternehmer wahrgenommen werden, gibt es für den fiskalische Staat zunächst keine Veranlassung, Teile deren Eigentums – möglicherweise sogar über die Halbteilungsgrenze hinaus – einzuziehen und anschließend wieder zu verteilen. Insoweit ist dem Halbteilungsgrundsatz wenigstens im Regelfall auch ein Auftrag zur Überprüfung und gegebenenfalls Beschränkung staatlicher Aufgaben zu entnehmen, wenn deren Finanzierung die Erhebung von Steuern und Abgaben in einem solchen Umfang erfordern würde, dass das Halbteilungsmaß auch auf Ebene des einzelnen Steuerbürgers überschritten wäre. Selbst wenn individuelle Steuerbelastung wie Gesamtsteuerlast, das Gesamtaufkommen aus Abgaben oder auch Steuer- und Staatsquote in der Verfassung der Republik keine exakt definierte Grenze finden sollten, stützt der Halbteilungsgrundsatz die Grundlinien einer Wirtschaftsordnung der sozialen Markt1938 Ganz i. d. S. A. Klein, Das neue Steuerverfassungsrecht – Eine Chance für den Steuerzahler?, BB 1996, S. 1810. 1939 Vgl. A. Leisner, Die Leistungsfähigkeit des Staates. Verfassungsrechtliche Grenze der Staatsleistungen?, S. 142 ff.

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wirtschaft, die mit der grundsätzlichen Privatheit von Eigentum und beruflicher Erwerbstätigkeit sowie der Verpflichtung des Staates auf das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht das Wirtschaften prinzipiell in private Hand gibt, die öffentliche Hand hingegen auf eine Steuerung der Wirtschaft und auf eine sozialstaatliche Mäßigung der Ergebnisse eines wirtschaftlichen Wettbewerbs beschränkt1940. Privates Wirtschaften genießt Vorrang vor der Staatswirtschaft, auch vor einer staatlichen Lenkung der Wirtschaft über die Grenze des Erforderlichen hinaus. Der Grundsatz einer höchstens hälftigen Teilung der Ergebnisse privaten Wirtschaftens mit der öffentlichen Hand, also mit der Bürgergemeinschaft, stützt die Prinzipien des Marktes und des Wettbewerbes, bejaht er doch nicht nur die Privatheit des Eigentums als substantieller Voraussetzung von Markt und Wettbewerb, sondern untermauert auch die grundsätzliche Privatnützigkeit des Eigentums. Schließlich fördert es den Wettbewerb, wenn die Ergebnisse des privaten Wirtschaftens, allen voran das Leistungseigentum, als wichtigster Stimulus für eine erfolgsorientierte Teilnahme am Wettbewerb vorrangig in Händen des privaten Akteurs verbleiben, jedem Marktteilnehmer also die grundsätzliche Möglichkeit zur Erzielung vorrangig privatheitlicher Gewinne zugestanden wird. Mit seinem deutlichen Signal für eine soziale Marktwirtschaft – oder auch marktliche Sozialwirtschaft – trägt der Halbteilungsgrundsatz zur Verwirklichung des Gemeinwohls in der modernen Republik bei, sind doch Markt und Wettbewerb – freilich in den Grenzen allgemeiner Gesetze – bestmögliche Mechanismen zur Steigerung des Wohlstandes aller, auch sozial Schwächerer1941. Mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu den Einheitswerten ist mit dem Halbteilungsgrundsatz nicht nur erstmalig eine Verfassungsgrenze des fiskalischen Zugriffs hinreichend genau skizziert und quantifiziert worden. Zu den großen Verdiensten der Halbteilungsjudikatur gehört es, dass auch in Steuer- und Abgabedingen erhöhte Aufmerksamkeit auf das Verhältnis von Bürger und Staat gelenkt worden ist. Lange Zeit beschäftigte das Steuerverfassungsrecht lediglich die Frage nach der Gleichheit zwischen den Steuerbürgern. Je intensiver dieser Aspekt diskutiert wurde, umso mehr geriet die Beziehung zwischen Bürger und Staat – insbesondere zwischen Steuerbürger und Steuerstaat – in Vergessenheit1942. Der im Zuge der Vermögensteuerentschei1940 So z. B. P. Kirchhof, Steuergesetzgebung auf dem Prüfstand des Bundesverfassungsgerichts, S. 27. 1941 Zu den Bedingungen, unter denen der Wettbewerb, auch auf internationaler Ebene, in seiner republikanischen Konzeption das Gemeinwohl verwirklichen kann, z. B. K. A. Schachtschneider, Republikanismus versus Globalismus, exemplifiziert an der Kapitalverkehrsfreiheit, ZfSÖ 2000, S. 9 ff. (m.w. N.). 1942 So die Kritik von W. Leisner, Der Steuerstaat – Wege der Gleichheit zur Macht, S. 313: „Ihm [dem Steuerstaat; Anm. d. Verf.], der modernen Herrschaft, ist es gelungen, die Gleichheit ganz allein „horizontal zu wenden“, den Steuerblick, das Steuermißtrauen der Bürger ganz wesentlich auf andere Bürger zu lenken, im Namen

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dung des Bundesverfassungsgerichts erstmals judizierte Halbteilungsgrundsatz nimmt diese Diskussion sowohl in ihrer Grundsätzlichkeit als auch in ihrer Maßstäblichkeit auf und bereichert sie in ihrer weiteren Entwicklung. Das Gebot einer höchstens hälftigen Teilung des Eigentums zwischen Bürger und Staat leistet wesentlich mehr als nur den Schutz des Bürgers vor hoheitlich auferlegten Geldleistungspflichten, durch die er gezwungen wird, die Hälfte oder mehr seines Eigentums in staatliche Hände zu übergeben. Das Maß der Hälfte stützt das private Eigentum als Konsequenz des Privatheitsprinzips und liefert wichtige Orientierungspunkte in der Bestimmung des Verhältnisses von Bürger und Staat in der freiheitlichen, gleichheitliche und brüderlichen Bürgergemeinschaft der Republik. In Einklang mit den republikanischen Idealen begrenzt das Halbteilungsgebot den Staat nicht nur als Akteur im Wirtschaftssystem, sondern vermittelt einen grundsätzlichen Vorrang von allen Privaten vor allem Staatlichen. Dies gelingt insbesondere, weil in der Konzeption der Republik Privatheit stets nicht nur Rechtlichkeit, sondern auch Pflichtigkeit impliziert. Unter der Prämisse allgemeiner Gesetzlichkeit können nicht nur private Interessen und Allgemeininteresse in Einklang gebracht werden, sondern auch den privaten Bürgern die Möglichkeiten einer grundsätzlich vorrangigen Lebensführung in Privatheit zugestanden werden, ohne dass dies die Interessen der Allgemeinheit gefährden könnte. Insoweit vermag der Halbteilungsgrundsatz wichtige Anstöße zu liefern, um den Staat, insbesondere den Wohlfahrtsstaat, in seiner Aufgabenfülle zu beschränken und stattdessen die Möglichkeiten, aber auch Pflichten des Handelns wieder stärker in die Hand des privaten Bürgers zu legen. Mit dem Halbteilungsgrundsatz in seiner republikanischen Interpretation soll nun aber nicht einem nachhaltigen Abschmelzen der sozialen Republik das Wort geredet werden. Privates Eigentum in der Republik impliziert wie republikanisches Bürgersein an sich ein „zugleich“ von Rechten der Privatheit und Pflichten für die Gemeinschaft. Der Halbteilungsgrundsatz will dazu anregen, das soziale Element im republikanischen Gemeinwesen stärker von der staatlichen in die private Hand zu verlagern. Dabei stehen nicht die vielfältigen Aufgaben zur Disposition, aus denen sich der soziale Staat nicht zurückziehen kann, ja nicht zurückziehen darf. Seine Entfaltungsmöglichkeiten findet der Grundsatz einer höchstens hälftigen Teilung zwischen Bürger und Staat in all den Bereichen, die sich der Staat – auch in seiner Rolle als Wohlfahrtsstaat – in den letzten Jahrzehnten zueigen gemacht hat, ohne dass diese zumindest in der praktizierten Intensität zu den Aufgaben des republikanischen Staates zu zählen wären. Der republikanischen Konzeption der Halbteilungsidee entsprechend der Gleichheit. Die eigentlich ganz große Gleichheitsdimension, die Einebnung der vertikalen Ungleichheiten zwischen Staat und Bürger, mit der einmal die Freiheit so mächtig begonnen hat, sie geht hier nahezu völlig verloren.“

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sollte der Staat stärker auf die Aufgabebereiche fokussiert werden, die um der Freiheitlichkeit, Gleichheitlichkeit und Brüderlichkeit des Gemeinwesens erforderlich sind, um dort seine Aktivitäten künftig sogar intensivieren zu können, und zugleich mehr Freiraum für Sittlichkeit der Bürger im Sinne einer freiwilligen Selbstverpflichtung zu gemeinwohldienlichem Handeln geschaffen werden. Dieses brüderliche Handeln des Einzelnen darf sich nicht etwa auf sein pflichtiges Streben um ein Leben in bürgerlicher Selbständigkeit als wichtigem Beitrag zum Gemeinwohl beschränken, sondern umfasst wie auch immer geartetes Engagement für den bedürftigen – Bedürftigkeit muss nicht immer material-ökonomischer Natur sein – Mitbürger in der Staatsgemeinschaft. Bei den Bürgern die Einsicht zu fördern, dass eine verfassungsrechtliche Beschränkung des Zugriffs des Steuer- und Abgabenstaates auf Einkommen und Vermögen nicht nur eine Stärkung der Rechte des Bürgers, sondern auch eine Ausweitung der Pflichten des Bürgers mit sich bringt, dass aber gerade das Funktionieren dieses Miteinanders von Bürger und Staat zur langfristigen Sicherung von Freiheit und Wohlstand in unserer Gesellschaft unabdingbar ist, zählt sicher zu den großen Aufgaben heutiger Politik. Im Ergebnis begrenzt der Halbteilungsgrundsatz in dem freiheitlichen, gleichheitlichen und brüderlichen Gemeinwesen unserer Republik nicht nur die Belastungen des Bürgers durch staatliche Geldleistungspflichten, vornehmlich Steuern und Abgaben, auf höchstens 50% des bürgerlichen Eigentums, sondern plädiert – zugleich – für einen schlankeren Staat, für mehr Rechte und Pflichten der Eigenverantwortlichkeit des einzelnen Bürgers, mithin auch für mehr Solidarität zwischen den Bürgern, letztlich für mehr Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit im Interesse jedes einzelnen Bürgers und der Allgemeinheit.

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Sachwortverzeichnis Abgabegesetze 154 Abgaben – Beiträge 63 – eigennützige ~ 421 – fremdnützige ~ 421 – Gebühren 62 – Halbteilungsgrenze für steuerliche und nichtsteuerliche ~ 428 – Halbteilungsgrundsatz und nichtsteuerliche ~ 418 – nichtsteuerliche ~ 419 – unterschiedliche Formen von ~ 62 – zur Erzielung von Staatseinnahmen 61 Aktivierung des Art. 14 GG im Besteuerungsfall 285 Allgemeinheit – der Lastenverteilung 72 – der Steuer 74 Anrechnungsverfahren – Körperschaftsteuer 369 Äquivalenzprinzip – Rechtfertigung der Gewerbesteuer 373 Arbeit 176 Arbeitgeberanteil 424 Arbeitseinkommen 315 Arbeitskraft 279 Arbeitslosenversicherung 422 Art. 14 Abs. 2 Satz 2 GG – Begründungsansatz verfassungsrechtlicher Steuerbegrenzung 301 Auffanggrundrecht – allgemeine Handlungsfreiheit als ~ 238 Aufklärung 26, 41, 93, 137 Ausgleich, sozialer 144 Barmherzigkeit – Halbteilungsgrundsatz und christliche ~ 358 Beitragsäquivalenz 422

Belastung des Unternehmers durch außersteuerliche Pflichtdienste 438 Belastungen des Steuerbürgers durch steuerliche Hilfsdienste 431 Belastungseffekt steuerlicher und außersteuerlicher Pflichtdienste 440 Belastungsgleichheit, relative 74 Belastungskonsequenz – material-ökonomische ~ von Steuern 297 Belastungsobergrenze – Halbteilungsgrundsatz als steuerliche ~ 301 – steuerverfassungsrechtliche ~ 391 Belastungsquote – Vorgabe durch den Halbteilungsgrundsatz 400 Belastungswirkung, effektive 404 Bemessungsgrundlage – Betriebsausgaben 394 – Frage nach der ~ der Halbteilung 361 – keine Inflationsbereinigung der ~ 406 – Nettoertrag als ~ des Halbteilungsgebotes 392 – Sozialleistungen 397 – Steuerbefreiung 399 – Steuersatz 399 – Steuersubventionen 397 – Steuervergünstigungen 397 – Subventionen 397 – Summe aller Steuerlasten als ~ der Halbteilung 390 – Transferzahlungen 396 – Werbungskosten 394 Berufsfreiheit 244 – Abgrenzung zu Eigentumsgrundrecht 247 – Beeinträchtigung durch Steuerzugriff 246

Sachwortverzeichnis – – – –

Berufsausübungsfreiheit 244 Berufswahlfreiheit 244 Grenze der Besteuerung 242 Konkurrenzverhältnis zu Eigentumsgrundrecht 248 – Steuern und ~ in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts 249 – Steuerverschonung der Basis privatheitlicher Lebensbewältigung 255 – verfassungsrechtlicher Maßstab für steuerliche Belastungen 251 Besitz – mittlerer ~ und Prinzip des rechten Maßes 358 Bestandsgarantie des Eigentums 273 Bestandsvermögen – hohes Schutzniveau 279 Besteuerung – als Mittel zur Verstaatlichung der Lebensverhältnisse 323 – Eigentum und ~ aus Sicht der Staatsrechtslehre 266 – Einschränkung von Lebensmöglichkeiten 296 – Gemeinwohldienlichkeit und Privatnützigkeit 301 – herrschaftlich-monarchische ~ 299 – Idee der - nach wirtschaflticher Leistungsfähgikeit 75 – kein Eingriff in das Eigentum 258 – kein Eingriff in ein Geldvermögen 296 – konfiskatorische ~ 262 – Objekte der ~ 80 – Signalwirkung 340 – steuertatbestandliche Anknüpfung 296 – Störung der Marktmechanismen 344 – Subjekte der ~ 85 – substanzverzehrende ~ 264 – Teilhabe am Erfolg privaten Wirtschaftens 317 – Verhältnis von Privatheit und Staatlichkeit 324 – Vermögensrelevanz 296 – versus Enteignung 257

499

Besteuerungsgewalt – Notwendigkeit des modernen Staates 267 Besteuerungsgrenze – Frage nach dem Verhältnis von Bürger und Staat 321 – Gemeinwohl 355 – Gleichwertigkeit von Allgemein- und Privatnützigkeit als ~ 282 – konstruktionsimmanente ~ im republikanischen Steuerstaat 318 – Privatnützigkeit des Eigentumsgebrauches 311 – rechtes Maß als ~ 360 – republikanisches Privatheitsprinzip 321, 323 Besteuerungsgrenzen – modernisiert kantianisches Modell 359 Besteuerungsgrundlagen – Berücksichtigung steuerlicher und außersteuerlicher Pflichtdienste 445 Besteuerungsverfahren – Mitwirkung im Zuge des ~ 428 Betriebsausgaben – Abzug bei der Bemessung der Halbteilung 394 Bevormundung, staatliche 165 Brüderlichkeit 23, 28, 29, 30, 31, 35, 37, 38, 39, 40, 69, 79, 92, 93, 96, 115, 119, 123, 126, 131, 132, 134, 138, 139, 151, 160, 161, 165 – als elementares Erfordernis der allgemeinen Freiheit 38 – als innere Freiheit 38 – als ökonomische Dimension der ~ 38 – als Pflicht zur Sittlichkeit 38 – Freiheit und Gleichheit als Voraussetzung der ~ 138 – Grundidee der ~ 38, 168 – hälftige Teilung als Maßstab der ~ 358 – im Verhältnis zu Steuern und Abgaben 141 – Leitmotiv republikanischer 37 – Pflicht zur ~ 140 – und Halbteilung 358 Bruttoinlandsprodukt 61

500

Sachwortverzeichnis

Buchgeld 57 Bürgerpflicht – Steuerpflicht in der Republik 332 Bürokratieaufwand 428 Bürokratiekosten 442 – Belastung des Eigentums 443 Bürokratiepflichten – Verminderung von ~ 448 Daseinsvorsorge – Auftrag zur ~ 164 – staatliche 164 Demokratie 135 Demokratieprinzip 34 Dezisionismus, sozialstaatlicher 179 Dichotomie von Staat und Gesellschaft 31 Diskontpolitik 58 Doppelbelastung – Gewerbesteuer 377 – Körperschaftsteuer 369 Dualität – des Eigentumsgebrauches 281 – des individuellen Handelns 140 – Rechtlichkeit und Pflichtigkeit 192 Durchschnittssteuersatz – Halbteilungsgrundsatz 400 Eigenes – durch pflichtgemäßes Handeln 187 – Eigentum als rechtlich ~ 188 – freiheitliches und gesetzliches ~ 187 – gerechtes ~ 188 – Individualität in der Gemeinschaft 185 – Möglichkeiten als ~ 183 – und Eigentum 182 – Verbindungen als ~ 185 – Verhältnisse zu anderen als ~ 184 Eigenständigkeit – Rahmenparameter (materialer) 172 – und Eigentum 175

– Verbesserung der Möglichkeiten der ~ 168 Eigentum – als Element der Wirtschaftsordnung 176 – als Menschenrecht 208 – als Notwendigkeit bürgerlicher Selbständigkeit 212 – als rechtlich Eigenes 188 – als Stimulus im Streben um Selbständigkeit und Eigenverantwortung 176 – als „vermögenswertes“ Recht 203 – des Einzelnen 208 – als wesentliches Ungleiches 219 – Begründung durch allgemeine Gesetze 189 – Begründungsversuche eines Rechts auf ~ 211 – Belastung des ~ durch administrative Aufgaben im Zuge der Umsatzsteuer 437 – Belastung durch Sonderabgaben 427 – Bestätigung durch die Logik der Steuer 348 – das Essentielle des ~ 195 – Definition des ~ im weiteren Sinne 203 – Einheit des ~ 206 – Einschränkung durch steuerliche und außersteuerliche Pflichtdienste 443 – Element zur Sicherung persönlicher Freiheit 314 – existenzsicherndes 162 – Frei(heits)raum im vermögensrechtlichen Bereich 216 – (Geld-)Vermögen 296 – Gesetzlichkeit des ~ 188 – Gewährleistung des ~ 190 – Gewährleistung und Pflichtigkeit 324 – Gewährleistung und Schutz im Steuerstaat der Republik 294 – Handlungsmöglichkeiten des Steuerbürgers 292

Sachwortverzeichnis – Handlungsmöglichkeiten im Rahmen allgemeiner (Steuer-)Gesetze 294 – Handlungsspielraum in vermögensrechtlicher Hinsicht 295 – Idee des ~ 192 – im engeren Sinne 205 – immaterielles 195 – Inhalt und Schranken 192 – inhaltliche Ausgestaltung 192 – Inhalts- und Schrankenbestimmung 198 – Institutsgarantie 198 – Interessenausgleich bei Verteilung der Handlungsmöglichkeiten 201 – Kampf ums ~ 182 – Leistungsanreiz 222 – leistungsgeborenes ~ 222 – Menge der Rechte auch am Vermögen 205 – mittleres ~ als Steuergrenze 360 – Motiv für die Marktteilnahme 345 – Motivation für Leistung 345 – Motivation zu individueller Leistung 222 – objektive Leitentscheidung 294 – peremtorisches ~ 189 – Privatheitsvorrang in der sozialen Marktwirtschaft als Steuergrenze 345 – provisorisches ~ 189 – reale Freiheit 215 – Recht auf ~ 208 – Recht auf ~ an lebensnotwendigen Gütern 211 – Recht auf ~ und Pflicht zu bürgerlicher Selbständigkeit 216 – res privata und res publica 324 – Sachenrecht 204 – Schöpfung der Rechtsordnung 189 – Schranken 194 – Schutzwürdigkeit von selbst erwirtschaftetem ~ 219 – selbst erwirtschaftetes ~ 218 – Sozialpflichtigkeit des ~ 190 – Sozialprinzip 217

– – – –

501

staatliche Teilhabe mittels Steuern 349 substantielles Recht des Menschen 210 und Arbeitsergebnisse 177 und Besteuerung aus Sicht der Staatsrechtslehre 266 – und Freiheit 182 – und Steuern 255 – und Vermögen 207 – vermögenswertes Recht 204 – Voraussetzung der sozialen Marktwirtschaft 344 – vorrangige Privatheitlichkeit auch nach dem Steuerzugriff 327 – Werte der Existenzsicherung 204 – Wertentscheidung des Grundgesetzes 198, 294 – zur Sicherung bürgerlicher Eigenständigkeit 176 Eigentümerfreiheit – Schutz der ~ gegen den Steuerzugriff 272 Eigentümerhandeln – Schutz des ~ gegenüber dem Steuerzugriff 276 Eigentumsbestand – Belastung des ~ 283 – Schutz des ~ 272 – Steuersatzdifferenz 280 – Steuerzugriff auf den ~ 275 Eigentumsdogmatik – steuerverfassungsrechtliche ~ von Paul Kirchhof 284 Eigentumsfreiheit – Walter Leisner 213 Eigentumsgarantie – Bedeutungslosigkeit der ~ gegenüber dem Steuerzugriff 256 – grundsätzlich keine Relevanz des Steuerzugriffs 260 – keine Verletzung durch staatliche Geldleistungspflichten 257 – Kern der ~ 196 Eigentumsgebrauch – Grundsatzentscheidung für privatnützigen ~ 319 – grundsätzlich selbstbestimmter ~ 316 – Steuersatzdifferenz 280

502

Sachwortverzeichnis

– Verfügung über (wirtschaftliche) Ergebnisse des ~ 316 Eigentumsgewährleistung – Beeinträchtigung durch Geldleistungspflichten 296 – Grenze der Besteuerung 242 – grundsätzliche Aktivierung im Steuerstaat 284 – grundsätzliche Relevanz im Steuerstaat 292 – im Vermögensteuerbeschluss 286 – Schutz des Vermögens 295 – Schutz eines Kernbestandes aus wirtschaftlicher Betätigung 300 Eigentumsgrundrecht – allgemeine Handlungsfreiheit im vermögensrechtlichen Bereich 292 – Einschlägigkeit des ~ im Besteuerungsfall 265 – formale Beeinträchtigung durch Besteuerung 298 – im republikanischen Steuerstaat 292 – kein Schutz des Vermögens 256, 259 – Leerlauf gegenüber dem Steuerzugriff 265 – ,Magna Charta‘ des Steuerbürgers 277 – Negierung gegenüber dem fiskalischen Zugriff 266 – Relevanz bei Fiskalzugriff 287 – Schutz von Lebensmöglichkeiten im Steuerstaat 296 – Trennung von ~ und Besteuerung 267 Eigentumsnutzung – maßvolle Besteuerung der Ergebnisse der ~ 288 Eigentumsordnung 200, 227 – gerechte ~ 227 – zur privatheitlichen Lebensbewältigung 176 Eigentumspositionen – Schutz vermögenswerter ~ 288 Eigentumsrecht 204 – einschlägige Grundrechtsnorm bei Steuerpflichten 299

Eigentumsrechtsprechung – Revolution in der verfassungsrechtlichen ~ 277 Eigentumsrelevanz – Besteuerung in der Geldwirtschaft 296 Eigentumsverwendung – Steuersatzdifferenz 280 Eigentumswende 302 – steuerverfassungsrechtliche ~ 288 Eigentumswert – Gewährleistung des ~ 269 – Schutz im Steuerzugriff 328 Eigentumswertgarantie 269 Eigentumswertschutz 270 Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse 157 Einkommen – Voraussetzung vorrangig privatheitlicher Lebensbewältigung 323 Einkommensteuer 283 – und Halbteilungsgrundsatz 366 Einkommensteuererklärung – Mitwirkung des Steuerbürgers 428 Einkommensverwendung – Besteuerung der ~ 382 Einnahme – Möglichkeiten zur Erzielung staatlicher ~ 53 Entwertung des Eigentums 263 Erbe – Steuerzugriff auf ein ~ 410 Erbrechtsgewährleistung 411 Erbschaftsteuer – Belastungsgrenze im Halbteilungsfall 413 – Besteuerung der Vermögenssubstanz 411 – Einschränkung rechtlicher Möglichkeiten 411 – Familienprinzip 414 – Freistellung des Gebrauchsvermögens 315 – Halbteilungsgrundsatz 410 – Tarifgefüge im Kontext der Halbteilungsgrenze 414 Erbschaftsteuersatz – Begrenzung des ~ 413

Sachwortverzeichnis – verfassungsrechtlich zulässiger ~ 412 Erbschaft- und Schenkungsteuer – Unternehmensvermögen 416 Erdrosselungsbesteuerung 262 – Extrempunkt des Steuereingriffs 300 – im Kontext der Berufsfreiheit 249 Erdrosselungssteuer 241 Erdrosselungswirkung der Besteuerung 262 Erstverantwortung, bürgerliche 318 Ertragsbesteuerung eines Vermögensgegenstandes 263 Ertragsteuerlast – Problem der exakten Quantifizierung 401 Ertragsteuern und Halbteilungsgrundsatz 366 Ethik – ethisch-moralische Begründung der Halbteilung 359 Europäische Währungsunion 57 Europäische Wirtschafts- und Währungsunion 58 Europäische Zentralbank 57 Existenzminimum – Sicherung des ~ 163 – Sicherung des ~ als Teilaufgabe der sozialen Republik 332 – Steuerfreiheit 241 – Steuerfreistellung im Kontext der Berufsfreiheit 250 Existenzsicherung 144 – durch mikrosoziale Unterstützung 170 – staatlicher Auftrag zur ~ 161 Familie – Grundrechtsschutz im Steuerrecht 314 Familienprinzip, erbschaftsteuerliches 414 Finanzbedarf 45, 62, 64, 90, 143, 234, 346, 357 – Begründung des staatlichen ~ 45 Finanzen 44 – als Grundvoraussetzung des modernen Staates 44 Finanzstaat 44

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– Steuerfinanzierung des ~ 67 Fiskalzugriff – rechtes Maß 356 Förderung – der Selbständigkeit des Bürgers 166 – makrosoziale ~ mittels Steuergesetzgebung 339 Förderung bürgerlicher Selbständigkeit, unmittelbare 169 Französische Revolution 26 fraternité 138 Freiheit 23, 24, 26, 28, 30, 31, 32, 33, 34, 35, 36, 37, 38, 39, 40, 41, 42, 43, 46, 47, 49, 50, 52, 55, 64, 69, 70, 71, 72, 73, 75, 76, 78, 79, 80, 81, 84, 88, 91, 92, 93, 94, 95, 96, 97, 98, 99, 100, 101, 102, 103, 104, 105, 106, 107, 108, 109, 110, 111, 112, 113, 116, 117, 118, 119, 120, 121, 122, 123, 124, 125, 126, 127, 128, 129, 130, 131, 132, 133, 135, 137, 138, 139, 140, 142, 145, 151, 152, 153, 155, 156, 158, 159, 160, 161, 163, 164, 165, 166, 233, 234, 235, 236, 237, 238, 240, 242, 243, 244, 245, 246, 247, 248, 250, 251, 252, 254, 259, 269, 274, 275, 278, 279, 285, 289, 292, 294, 295, 298, 299, 301, 305, 306, 308, 310, 311, 314, 315, 316, 317, 318, 320, 321, 322, 323, 324, 325, 326, 328, 330, 331, 333, 334, 335, 337, 338, 339, 340, 341, 343, 344, 345, 347, 348, 350, 351, 352, 353, 354, 355, 356, 357, 362, 363, 367, 368, 371, 372, 375, 376, 377, 378, 379, 380, 382, 385, 386, 387, 390, 395, 396, 397, 399, 400, 403, 405, 409, 412, 415, 425, 429, 436, 439, 440, 441, 443, 444, 446 – innere 132 – Maßstab für Steuergesetze in der Republik 298 – Recht zur Entfaltung der eigenen Möglichkeiten 184 – Recht zur Privatheit 321 – Teilhabe aller an der allgemeinen Freiheit 37

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Sachwortverzeichnis

– und Gleichheit 138 – Verwirklichung der allgemeinen Freiheit 37 Freiheitsbegriff – des Grundgesetzes 131 – formaler ~ der Republik 236 – materialer ~ des Bundesverfassungsgerichts 236 Gebrauchsvermögen – Steuerfreistellung des ~ 415 – Steuerfreistellung des individuellen oder familiären ~ 315 Geld 43, 46, 47, 48, 49, 50, 51, 57, 154, 270, 296, 297, 298, 332, 335, 386, 387 – als Bezugsmaß der Finanzverfassung 46 – als freiheitsverwirklichendes Element des Staatswesens 49 – als Fundamentalelement des Staates 46 – als Klammer zwischen Staat und Bürger 51 – als Nominalwert des 48 – als Substrat der Finanzverfassung 51 – als Voraussetzung des Steuerstaates 51 – als Wertspeicher 47 – Funktionshaftigkeit im Gemeinwesen 297 – „geprägte Freiheit“ 298 – Realwert des ~ 48 – Tauschfunktion 50 Geldeigentum – Beeinträchtigung durch den Fiskalzugriff 297 Geldentwertung 403 Geldleistungspflichten – substantiellste Beeinträchtigung des Eigentums 296 Geldordnung 47 Geldpolitik, inflationäre 58 Geldschöpfung 56 – als Einnahmequelle 58 – auf europäischer Ebene 58 Geldvermögen – Beeinträchtigung durch den Fiskalzugriff 297

– kein Eingriff durch Besteuerung 296 Geldwertstabilität 56 – als Element des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts 56 Geldwirtschaft – Eigentumsrelevanz des Steuerzugriffs 296 Geldzuwendung – Steuerzugriff im Fall einer ~ 410 Gemeinlastprinzip 72 Gemeinwohl 133 – bestmögliche Verwirklichung durch Vorrang der Privatheit 326 – Grund und Grenze der Besteuerung 355 – Verwirklichung 36, 72, 75, 109, 114, 151, 153 Gemeinwohldienlichkeit – Gleichklang von ~ und Privatnützigkeit in der Besteuerung 301 Gerechtigkeit 28, 29, 38, 39, 41, 42, 73, 74, 79, 144, 154, 158, 160, 162, 164, 338, 342, 349, 354, 355, 356, 383 – als Rechtssicherheit 42 – Auftrag zur Herstellung sozialer ~ 162 – materiale 42 – soziale 144, 159 – unter der Bedingung von Rechtichkeit und Gesetzlichkeit 41 Gesamtbelastung – 50%-Marke 271 – Berücksichtigung von Sonderabgaben 427 – Quantifizierung der zutreffenden ~ 402 – steuerliche ~ als Bezugsgröße des Halbteilungsgrundsatzes 363 – von Unternehmen durch staatliche Pflichtdienste 438 Gesamtbelastungsrechnung – Sozialversicherungsbeiträge 421 Gesamtbemessungsgröße der Halbteilungsgrenze 412 Gesamtlast – Problem der Ermittlung 444 Gesamtlasten, kumulierte 428

Sachwortverzeichnis Gesamtsteuerbelastung – Ertrags- und Sollertragssteuern 367 – indirekte Steuern 382 – Komponenten der ~ 363 – Kumulation über alle Steuerarten 391 – Maßstab des Halbteilungsgebotes 364 – maximale Belastungsquote 400 – Minderung durch staatliche Unterstützungsleistungen 396 – Quantifizierung 391 Gesamtsteuerlast – Bezugsgrößen der Halbteilung 362 – Definition der ~ 363 – Kumulation über alle Steuerarten 391 – Maßstab des Halbteilungsgebotes 390 – maximale Belastungsquote 400 – Minderung durch staatliche Unterstützungsleistungen 396 – Quantifizierung 391 – Quantifizierung der zutreffenden ~ 402 – verfassungsrechtliche Würdigung und Halbteilungsgrundsatz 364 Gesamtverschuldung, öffentlich 61 gesamtwirtschaftliches Gleichgewicht 68 – Störung 60 Gesetze 28, 36, 41, 42, 48, 72, 84, 91, 94, 96, 98, 99, 104, 106, 112, 114, 116, 119, 120, 121, 124, 125, 129, 134, 135, 141, 153, 232, 236, 237, 240, 243, 262, 300, 305, 306, 326, 336, 338, 341, 345, 363, 419, 425 – allgemeine 23, 40, 71, 97, 100, 105, 117, 152, 294, 298 Gesetzgebung, allgemeine 134 Gesetzlichkeit – allgemeine ~ als Ausgleichsmechanismus 322 – allgemeine ~ von Steuergesetzen 322 – des Eigentums 190 Gewerbeertragsteuer 283 Gewerbekapitalsteuer 283 Gewerbesteuer – Doppelbelastung 377 – Objektsteuer 372

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– Rechtfertigung durch das Äquivalenzprinzip 373 – Relevanz des Halbteilungsgrundsatzes 375 – und Halbteilungsgrundsatz 372 Gewinne – Motiv für die Marktteilnahme 345 Gewinnerzielung – Motivation für Leistung 345 Gleichartigkeit – Prinzip der ~ 156 Gleichheit 24, 26, 28, 29, 30, 31, 34, 35, 36, 37, 38, 39, 40, 50, 64, 69, 70, 71, 73, 74, 75, 77, 78, 79, 80, 84, 92, 93, 96, 116, 123, 127, 128, 131, 133, 135, 136, 137, 138, 145, 152, 156, 157, 159, 162, 164, 166 – allgemein 136 – als Notwendigkeit der Freiheit 136 – der Lastenverteilung 72 – der Steuerbelastung 74 – formale Dimension der ~ 136 – in der Lastenzuteilung als Rechtfertigung der Steuer 74 – materiell-ökonomische Dimension der ~ 71 – Ordnung der ~ 135 – republikanische ~ 137 – trotz materialer Diskrepanzen 137 Gleichheitlichkeit von privater und allgemeiner Nützlichkeit des Eigentums 283 Gleichwertigkeit – von Allgemein- und Privatnützigkeit 282 – von Privatnützigkeit und steuerlicher Teilhabe 282 Glückseligkeit als Ziel der Republik 134 Grenzsteuersatz – Halbteilungsgrundsatz 400 Grundeigentum 195 Grundrechte, soziale 148 Grundrechtseingriff – mangelnde dogmatische Begründung 264

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Sachwortverzeichnis

Grundrechtsverletzung bei Schmälerung der Vermögenssubstanz 264 Grundsteuer 283 – und Halbteilungsgrundsatz 381 Grundvorsorge 144 Güterverteilung – Prinzip gleichheitlicher ~ 223 Halbeinkünfteverfahren – Körperschaftsteuer 370 Halbteilung – Ausgleich zwischen Privatnützigkeit und Gemeinwohldienlichkeit 320 – Begrenzung des Steuerzugriffs auch für einzelne Wirtschaftsvorfälle 400 – Begründung mittels vorrangiger Privatnützigkeit 316 – Berücksichtigung der Inflation 405 – christliche Barmherzigkeit als Maßstab 358 – ethisch-moralischer Begründungsansatz 359 – Frage nach der Bemessungsgrundlage 361 – Maßstab christlicher Brüderlichkeit 358 – Nachweis durch das soziale Prinzip der Republik 331 – Notwendigkeit aufgrund der Privatheit des Eigentums 344 – Parameter der steuerlichen ~ 392 – rechtes Maß und mittleres Eigentum 360 – soziale Marktwirtschaft als Indiz 341 – und Brüderlichkeit 358 – und Sittlichkeit 359 – unverzichtbarer Bestandteil der sozialen Marktwirtschaft 345 Halbteilungsgrundsatz – Begründung nach dem Wortlaut 306 – Bestätigung durch das Sozialprinzip 331, 336 – Durchschnittssteuersatz 400 – effektive Belastungswirkung 404

– Einbeziehung aller Steuern 389 – Einbeziehung der indirekten Steuern aufgrund ihrer Belastungsrealität 384 – Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts 266 – Erbschaftsteuer 410 – erbschaftsteuerliche Belastungsgrenze 413 – Erbschaft- und Schenkungsteuer 412, 417 – etymologische Fragestellung 307 – Geltungsbereich bei der Körperschaftsteuer 370 – Gesamtbemessungsgröße 412 – Grenzlinie steuerstaatlicher Begehrlichkeiten 301 – Grenzsteuersatz 400 – Herleitung aus dem Wortlaut 310 – indirekte Steuern 382 – keine Berücksichtigung von Scheingewinnen 403 – keine Inflationsbereinigung der Bemessungsgrundlage 407 – Maßstab für steuerliche und außersteuerliche Pflichtdienste 444 – Mitwirkungspflichten, steuerliche und außersteuerliche Pflichtdienste 439 – Nettoertragsgröße als Bemessungsgrundlage 392 – nichtsteuerliche Abgaben 418 – Nominalsteuerlast 404 – Notwendigkeit der Quantifizierung 303 – Obergrenze für die steuerliche Belastung 361 – Operationalisierung 361 – Realitäten 361 – rechtes Maß und mittleres Eigentum 360 – relevante Steuern 363 – salomonischer Ausgleich zwischen Privatnützigkeit und Allgemeinnützigkeit 360

Sachwortverzeichnis – – – – – –

Schenkungsteuer 410 Sonderabgaben 427 Sozialversicherungsbeiträge 426 Spitzensteuersatz 400 Steuerhöchstbelastung von 50 % 361 steuerliche und außersteuerliche Pflichtdienste 428, 446 – steuerliche und nichtsteuerliche Zahlungspflichten 428 – Steuersatz 399 – Steuerstaatlichkeit als Indiz 346 – Übermaßverbot für Belastungen durch administrative Pflichten des Steuerbürgers 441 – Umsatzsteuer 407 – und Einkommensteuer 366 – und Ertragsteuern 366 – und Gewerbesteuer 372 – und Grundsteuer 381 – und Körperschaftsteuer 367 – und Solidaritätszuschlag 378 – und Umsatzsteuer 383 – und Vermögensteuer 364 – Vater des ~ 277 – Verbrauch-, Verkehr- und Aufwandsteuern 382 – Verfassungsgrenze bei nichtsteuerlichen Abgaben 426 – Vernachlässigung der Kirchensteuer 379 – Vorgabe einer Belastungsquote 400 – Wendepunkt im Verhältnis von Eigentum und Steuern 284 – Wirtschaftsordnung der Republik als Votum 341 Halbteilungsprinzip – Begründung im Steuerprinzip der Republik 352 – Begründung in der republikanischen Steuerstaatlichkeit 351 – Bestätigung durch den makrosozialen Förderauftrag 339

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– Bestätigung durch die Konzeption der sozialen Marktwirtschaft 344 – Einbeziehung der Steuer auf den Gewerbeertrag 375 – Hinweise durch das Privatnützigkeitskriterium 320 – isolierte Betrachtung einzelner Wirtschaftsvorfälle 401 – Operationalisierung 361 – Realitäten 361 – Summe aller Steuerlasten als Bemessungsgrundlage 390 Halbteilungssatz 301 Halbteilungsspruch – Verbindlichkeit 303 Hälfte – Prinzip des rechten Maßes 358 hälftige Teilung – Privatheitsprinzip und Sozialprinzip in der Republik 321 Hälftigkeitsprinzip 301 – Herleitung aus dem Wortlaut 310 Handeln in eigener Verantwortlichkeit 169 Handlungsfreiheit – allgemeine ~ als Grenze der Besteuerung 235 – allgemeine ~ und öffentlich-rechtliche Geldleistungspflichten 239 – Beschränkung der allgemeinen ~ durch Steuern 238 – Besteuerung als Eingriff in die allgemeine ~ 239 – Mäßigung der Steuerlast durch die allgemeine ~ 242 – unternehmerische ~ 240 – Wirtschafts- und Unternehmensfreiheit 238 Handlungsmöglichkeiten 45, 50, 59, 108, 117, 279, 294, 386, 397 – Eigentum des Steuerbürgers 292 – Einschränkung der ~ durch steuerliche Mitwirkungspflichten 439 – Einschränkung durch den Steuerstaat 294

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Sachwortverzeichnis

– Einschränkung von ~ durch administrative Aufgaben der Umsatzbesteuerung 437 – Entzug von ~ durch Steuern und Abgaben 45 Handlungsspielraum – des Eigentümers 277 – eigentumsrechtlicher ~ 288 – Verletzung des ~ des Eigentümers 278 Haushaltsdefizit 61 Herrschaft 155 – Steuer als Form staatlicher ~ 352 Heterogenität 155 Hilfsdienste – Quantifizierung steuerlicher und außersteuerlicher ~ 444 – steuerliche ~ 431 – steuerliche und außersteuerliche ~ im Kontext des Halbteilungsgrundsatzes 442 Hilfspflichten, umsatzsteuerliche 437 Höchstgrenze – verfassungsrechtliche ~ der Besteuerung 272 Homogenität 132 – bürgerlich 39 – in der bürgerlichen Gemeinschaft 139 – soziale 155 – und Menschenwürde 155 – wirtschaftliche ~ 333 Homogenitätsklausel 144 Homogenitätsprinzip 155 Ich-AG als typische mikrosoziale Unterstützung 168 Imperativ – kategorischer ~ Kants 136 Inflation 403 – Berücksichtigung der ~ für die Halbteilungsgrenze 405 Inflationsbereinigung – keine ~ der Bemessungsgrundlage 406 Inflationsrate 403 Inhalt und Schranken des Eigentums 192 Innehabungsgarantie des Eigentums 273

Institutsgarantie – des Eigentums im Steuerzugriff 328 – Schutz vor steuerlichen Lasten 274 Interessenausgleich 201 – bestmöglicher ~ durch die soziale Marktwirtschaft 342 – durch allgemeine Gesetze 42 – durch Steuer- und Abgabengesetze 43 – mittleres Maß 358 Intervention – staatliche ~ bei Versagen der Marktmechanismen 174 Kapitaldeckungsverfahren 422 Kapitaleinkünfte – Besteuerung von ~ 403 Kapitalzinsen – Besteuerung von ~ 263 Kaufkraft 404 Kernbestand – Schutz eines ~ an Ergebnissen wirtschaftlicher Betätigung 300 – wirtschaftlicher Betätigung als Schutzobjekt 285 Kirchensteuer – Vernachlässigung für die Halbteilungsgrenze 379 Konfiskation 262 – Extrempunkt des Steuereingriffs 300 Konfiskationsbesteuerung 262 Konfiskationssteuer – Verstoß gegen die Idee des Steuerstaates 351 Konsensprinzip 157 Körperschaftsteuer – Anrechnungsverfahren 369 – Doppelbelastung 369 – Geltungsbereich des Halbteilungsgrundsatzes 370 – Halbeinkünfteverfahren 370 – und Halbteilungsgrundsatz 367 Krankenversicherung 422 Kreditaufnahme 59 – Begrenzung staatlicher Einnahmen aus ~ 60 Kredite 59 – Finanzierung der Staatsausgaben durch ~ 59

Sachwortverzeichnis Lastengleichheit 72 Lastenkategorien – Addition verschiedener ~ 447 Lastenteilung – grundlegender Maßstab 281 Lebensbewältigung – Einkommen oder Vermögen als Voraussetzung 323 – Verstaatlichung der ~ 165 Lebensmöglichkeiten – Verlust von ~ durch die Besteuerung 296 Lebensverhältnisse – einheitliche 157 – Verstaatlichung durch mehr als hälftigen Steuerzugriff 340 Leistung 221 Leistungseigentum 206, 220, 222 Leistungsfähigkeit – des Steuerpflichtigen 77 – Indikatoren wirtschaftlicher ~ 82 – Prinzip der wirtschaftlichen ~ 76 Leistungsfähigkeitsprinzip 76 – absolute Dimension des ~ 80 – als Ausfluss des Gleichsatzes 78 – als Fundamentalprinzip 77 – als Grenze der Besteuerung 80 – als Maßstab für eine gerechte Besteuerung 77 – Materialisierung des Prinzips des rechten Maßes 356 – Realwertprinzip 404 – relative Dimension des ~ 80 – und Nettoprinzip 395 Leistungsstaat 44 Lenkungssteuern 234, 347 Liberalismus 259 Lohnsteuer 432 Lohnsteuerabzugsverfahren 432 Lohnsteuerbürokratie – Kosten der ~ 448 Lohnsteuerjahresausgleich – Mitwirkung des Steuerbürgers 428 Lombardpolitik 58

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magna carta libertatum 26 makrosozial – Bewertung ~ Unterstützung durch den sozialen Staat 179 – Modell staatlicher Förderung 178 Markt – Versagen des ~ 174 Marktmechanismus – Störung durch Fiskalzugriff 344 Marktteilnahme – geringster Eigentumseingriff in der Phase der ~ 279 Marktwirtschaft – bestmöglicher Interessenausgleich durch die soziale ~ 342 – Funktionshaftigkeit der sozialen ~ für makrosoziale Förderung 180 – Gemeinwohl in der sozialen ~ 342 – Grundsatz einer offenen ~ mit freiem Wettbewerb 58 – Halbteilung als notwendiger Bestandteil der sozialen ~ 346 – Konzeption der sozialen ~ als Hinweis auf das Halbteilungsprinzip 344 – Notwendigkeit des privaten Eigentums 344 – soziale 68, 174, 175 – soziale ~ als Indiz der Halbteilung 341 – soziale ~ als Wirtschaftsform sozialpflichtiger Privatheit 342 – Steuerfinanzierung als konstruktionslogische Notwendigkeit der sozialen ~ 346 Maß – aristotelisches Rechtsprinzip des rechten ~ 354 – des Mittleren und Verhältnis von Bürger und Staat 360 – mittleres ~ und hälftige Teilung 358 – mittleres ~ und Interessenausgleich 358 – Prinzip des rechten ~ 352 – Prinzip des rechten ~ als Maßstab der Besteuerung 357

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Sachwortverzeichnis

– Prinzip des rechten ~ und bürgerliche Selbständigkeit 357 – Prinzip des rechten ~ und mittlerer Besitz 358 – rechtes ~ als Besteuerungsgrenze 360 – rechtes ~ als Trennlinie zwischen Gleichmaß und Übermaß 354 – rechtes ~ des Fiskalzugriffs 356 – rechtes ~ in Eigentums- und Steuergesetzen 354 – rechtes ~ und mittlerer Besitz 358 – rechtes ~ und Steuergerechtigkeit 354 Mäßigung der Steuerlast durch die allgemeine Handlungsfreiheit 242 Mein und Dein 183 – als Apriori des Menschen 184 – Menschheit des Menschen 184 Menschenrecht – Eigentum als ~ 208 Menschenwürde 163 Menschenwürdeprinzip 325 Mindestreservepolitik 57 Mitnahmeeffekte – sozialstaatliche Förderung 180 Mitte – mittlerer Besitz 358 – ökonomische ~ des Sozialen 360 – ökonomische ~ des sozialen Prinzips 359 – rechtes Maß als Prinzip der ~ 358 Mitwirkungspflichten – des Steuerbürgers 429 – Einschränkung der Möglichkeiten des Steuerpflichtigen 439 – steuerliche ~ des Bürgers 428 – vor dem Hintergrund des Halbteilungsgrundsatzes 439 Modellrechnung zur Darstellung durchschnittlicher Steuerbelastungen 402 Moral – ethisch-moralische Begründung der Halbteilung 359 Moralität 186 – als Pflicht zur Sittlichkeit 132 Münzgeld 57

Nettoertragsgröße – Bemessungsgrundlage des Halbteilungsgrundsatzes 392 Nettoprinzip und Leistungsfähigkeitsprinzip 395 Nivellierung – des Sozialstaates 145 – paternalistische ~ 145 Nominalsteuerlast 404 Nominalwertbesteuerung 403 Nominalwertprinzip 403 Notengeld 57 Nutzungsgarantie des Eigentums 273 Obergrenze einer Gesamtbelastung des Einkommens 282 Objektsteuer – Gewerbesteuer 372 Parteienstaat – sozialstaatliche Leistungen im ~ 171 Paternalismus, sozialstaatlicher 334 Pflegeversicherung 422 Pflicht 140 – zum Streben zum Streben nach Selbständigkeit 169 – zur Selbständigkeit 159 Pflichtdienste – außersteuerliche ~ 438 – des Unternehmers durch sozialrechtliche Pflichtdienste 438 – Halbteilungsgrundsatz als Maßstab für steuerliche und außersteuerliche ~ 444 – Maßstab der praktischen Vernunft bei steuerlichen und außersteuerlichen ~ 448 – sozialrechtsbedingte ~ 438 – steuerliche und außersteuerliche ~ 428 – steuerliche und außersteuerliche ~ als Sonderlasten 442 – steuerliche und außersteuerliche ~ vor dem Hintergrund des Halbteilungsgrundsatz 439

Sachwortverzeichnis Pflichtigkeit privater Lebensbewältigung als Hinweis auf das Halbteilungsgegebot 330 politeßa – rechtes Maß als grundlegendes Prinzip 352 Politische Testamente Friedrichs des Großen 21 Preisniveaustabilität 58 Prinzip der sozialen Republik 140 Privateigentum – Basis für Markt und Wettbewerb 345 – Bestätigung durch das Steuerwesen 348 – Grundsatzrelation von Privatnützigkeit und Sozialpflichtigkeit 312 – Verlust des ~ durch mehr als hälftige Besteuerung 345 – Voraussetzung gemeinsamen Wirtschaftens 344 Privatheit – bestmögliche Verwirklichung des Gemeinwohls 326 – Eigentum und Besteuerung als material-ökonomische Realität 323 – Erbschaft- und Schenkungsteuer 415 – Freiheit als Recht zur ~ 322 – im Kontext indirekter Steuern 388 – materiale Dimension vorrangiger ~ 328 – nichtsteuerliche Abgaben 425 – Pflicht zur grundsätzlich eigenverantwortlichen und selbständigen Lebensführung 334 – Primat der ~ als Maßstab der Besteuerungsgrenze 331 – Sozialversicherungsbeiträge 425 – und administrative Fremdlasten 443 – und Umsatzsteuer 388 – Vorrang des Steuerbürgers vor dem Steuerstaat 327 – vorrangige ~ als Maßstab der Steuerbegrenzung 325 – Wirtschaftsordnung der ~ 341 Privatheitlichkeit – Recht auf rechtmäßig Erworbenes nach dem fiskalischen Zugriff 330

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– Verletzung der ~ des Eigentums durch mehr als hälftige Besteuerung 345 – Vorrang auch nach dem Steuerzugriff 327 – vorrangige ~ des Eigentums im Steuerstaat 328 Privatheitsgrenze für Ergebnisse des Eigentumsgebrauches 329 Privatheitsidee – Recht und Pflicht zur eigenständigen Lebensbewältigung 327 Privatheitspostulat des Grundgesetzes 325 Privatheitsprinzip – Besteuerungsgrenze in der Republik 323 – Dualität von Rechtlichkeit und Pflichtigkeit 326 – Grenzlinie des Steuerverfassungsrechts 321 – Grenzlinie für das Ausmaß an Staatlichkeit 447 – Prinzip der Menschenwürde 325 – und Sozialprinzip als Prinzipien der Halbteilung 321 – Verbot einer Steuerbelastung von über 50 % 331 – Verfassungsgrenze der Besteuerung 340 – Verstoß gegen ~ durch Besteuerung jenseits der Halbteilung 330 Privatheitsvorrang des Eigentums als Besteuerungsgrenze 345 Privatnützigkeit – als Kern der Institutsgarantie 275 – Beschränkung des Steuerzugriffs 311 – Bestätigung durch die Logik der Steuerfinanzierung 317 – der Wirtschaftsordnung als Hinweis auf Steuerfinanzierung 70 – des Eigentums(-gebrauches) als Grenze der Besteuerung 312 – des Eigentumsgebrauches als Besteuerungsgrenze 311

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Sachwortverzeichnis

– Einschränkung durch steuerliche und außersteuerliche Pflichtdienste 443 – Entzug der ~ als Besteuerungsgrenze 274 – Erbschaft- und Schenkungsteuer 415 – Finanzierung der Lebensführung 314 – Gleichklang von Gemeinwohldienlichkeit und ~ in der Besteuerung 301 – grundsätzlicher Vorrang 317 – im Kontext der Umsatzsteuer 387 – im Kontext indirekter Steuern 387 – Konstruktionslogik der Eigentumsordnung 317 – quantifizierende Auslegung 313 – Schutz der ~ des Eigentumsgebrauches 278 – Schutz der ~ im Besteuerungsfalls 270 – Sozialversicherungsbeiträge 421 – Verletzung der ~ durch mehr als hälftige Besteuerung 345 – Verlust der ~ bei einer Steuerlast von mehr als 50 % 302 – Vorrang der ~ aus dem Subsidiaritätsprinzip 318 – vorrangige ~ als Begründung der Halbteilung 316 Privatnützigkeitsdogmatik des Bundesverfassungsgerichts 316 Privatnützigkeitskriterium – Hinweis auf das Halbteilungsprinzip 320 Privatnützigkeitsprinzip – Vorrangstellung des ~ der Eigentumsverwendung 319 Privatvermögen – steuerstaatlicher Eingriff 278 Quantifizierung – Belastung durch Umsatzsteuer 407 – der administrativen Belastung im Zuge der Umsatzsteuer 436 – der Belastungsresultate steuerlicher und außersteuerlicher Hilfsdienste 444 – der Gesamtsteuerbelastung 391

– der steuerlichen Belastung unternehmerischer Gewinne 402 – der zutreffenden Gesamtsteuerbelastung 402 – erstmalige ~ verfassungsrechtlicher Steuergrenzen 303 – Konkretisierung offener Rechtsbegriffe 304 – Notwendigkeit der ~ 271 – Notwendigkeit einer ~ der Halbteilung 303 – praktische Vernünftigkeit 305 – Problem der exakten ~ der Ertragssteuerlast 401 – quantitative Wertfrage 305 – schwierige ~ von steuerlichen und außersteuerlichen Pflichtdiensten 446 – Unerlässlichkeit 306 – von Steuergrenzen im Kontext vorrangiger Privatnützigkeit 313 Quellenabzugsverfahren 438 Rahmenbedingungen – Vorrang der sozialstaatlichen Schaffung von ~ 178 Rahmenordnung – bürgerlicher Selbständigkeit 173 – Schaffung einer ~ als geringstmöglicher Eingriff in die Privatheit 179 – zur makrosozialen Unterstützung 177 Realeinkünfte 404 Realvermögen 404 Realwertprinzip – Leistungsfähigkeitsprinzip 404 Recht 22, 27, 29, 32, 33, 34, 38, 39, 40, 41, 48, 49, 51, 55, 58, 64, 69, 84, 92, 93, 97, 99, 100, 101, 102, 103, 104, 105, 106, 108, 109, 111, 112, 116, 120, 121, 124, 125, 126, 127, 129, 130, 132, 135, 137, 138, 139, 141, 148, 151, 153, 163, 164, 235, 238, 244, 245, 247, 257, 262, 266, 267, 269, 272, 274, 275, 277, 288, 294, 295, 304, 306, 311, 313, 316, 317, 318, 320, 321, 322, 323, 324, 326, 327, 328, 330, 332, 333, 335, 336,

Sachwortverzeichnis 344, 351, 370, 386, 389, 397, 406, 408, 421, 424, 425, 437, 439, 441, 444 – auf Eigentum 208 Rechtfertigung – ethische ~ des Halbteilungssatzes 359 – von Lenkungssteuern 234 Rechtlichkeit 28, 29, 39, 40, 41, 42, 114, 157, 323, 326, 342, 343, 352, 389 – als Primat 40 – als Zweck des Staates 40 – der Gesetze 41 Rechtsstaat 40, 44, 52, 60, 106, 142, 144, 146, 147, 148, 159, 267, 292, 343, 430 Rechtsstaatsprinzip 40, 156, 305 Rechtsstaatsprinzipien – Grenzen der Besteuerung 233 Rentenzahlungen 422 Republik 31 – als bestmögliche Form des Miteinanders von Menschen 39 – als das Projekt der Moderne 23 – als Finanzstaat 43 – als Wirklichkeit der modernen 24 – der Steuerstaatlichkeit 52 – die soziale Idee der ~ 158 – freiheitlich verfasstes Gemeinwesen freier Menschen 32 – Homogenität von Menschen in der ~ 157 – Idee 31 – Logik der steuerstaatlichen ~ 318 – Pflichten des Steuerbürgers 445 – Reziprozität der finanz- und steuerstaatlichen ~ 154 – soziale Gestaltung in der ~ 149 – soziales Handeln 143 – Steuerstaatlichkeit 351 – Steuerzugriff 232 Republikanische Grundprinzipien 31 Sachlichkeit – Prinzip der ~ als Grenze der Besteuerung 237 Scheingewinne 403

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Schenkungsteuer – Halbteilungsgrundsatz 410 Schranken der Besteuerung, verfassungsrechtliche 287 Schrankentrias 240 Schuldenstaat 60 Selbständigkeit – Anreize zum Streben nach ~ 173 – Bereitstellung (materieller) Grundlagen bürgerlicher ~ 167 – bürgerliche ~ und das Prinzip des rechten Maßes 357 – bürgerliche ~ und Privatheit 333 – eigens begründete ~ 170, 172 – Eigentum 216 – Förderung bürgerlicher ~ durch soziale Steuergesetze 336 – immateriale und materiale Unabhängigkeit 333 – in Selbstverantwortung 170 – Pflicht zum Streben nach ~ 169 – Rahmenbedingungen bürgerlicher ~ 172 – ,republikanischste Form‘ privatheitlicher Lebensführung 339 – Sicherung und Verbesserung allgemeiner ~ 158 – sittliche Pflicht zur (inneren) ~ 217 – staatlicher Auftrag zur Förderung bürgerlicher ~ 166 – Wirtschaftsordnung bürgerlicher ~ 341 Selbstverantwortlichkeit 142, 159 Selbstverantwortung – Eigentum 216 Senat – Erster ~ 289, 299 – Zweiter ~ 287 Sicherheit, staatlich gewährte 171 Sittengesetz 41, 97, 107, 108, 131, 235, 236, 239, 330 – als ethisches Prinzip des Rechts 41 Sittlichkeit 35, 38, 39, 41, 79, 96, 97, 106, 125, 126, 127, 128, 131, 132, 134, 140, 141, 151, 161, 166 – als allgemeine Gesetzlichkeit 132

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Sachwortverzeichnis

– als Pflicht zur allgemeinen Gesetzgebung 135 – freiheitliche und soziale Brüderlichkeit 134 – gemeinwohlorientiertes Handeln aus ~ 133 – Maßstab für Steuergesetze in der Republik 298 – Pflicht zur ~ als Bemühen um Eigenständigkeit 163 – und Halbteilung 359 Solidarbeitrag – Sozialversicherungsbeitrag 421 Solidargemeinschaft 168 Solidarität, gemeinschaftliche 159 Solidaritätszuschlag und Halbteilungsgrundsatz 378 Soll-Ertrag – Grenze der Substanzbesteuerung 300 (Soll-)Ertrag – Steuerbelastungen des ~ 378 Sollertragsteuer 280 Sonderabgaben 63, 419 – ausgewählte ~ 427 – Halbteilungsgrundsatz 426, 427 Sonderlast 442 Sonderumsatzsteuern 262 Sozialhilfe 162 – Nachrangigkeit gesetzlicher ~ 169 – versus Streben nach Eigenständigkeit 171 Sozialinterventionismus 163 Sozialismus 159, 165 – soziale ,Gleichmacherei‘ 334 Sozialismusprinzip – Sozialprinzip versus ~ 165 Sozialität – Pflicht zur ~ 153 Sozialkosten, nichtsteuerliche 420 Sozialleistungen – keine Einbeziehung in die Bemessungsgrundlage 397 Sozialpflichtigkeit – des Eigentums 190 – gegenseitige 158 Sozialpolitik, konventionelle 170

Sozialprinzip 142, 160 – als Bestätigung des Leistungsfähigkeitsprinzips 79 – als eines der tragenden Prinzipien der Republik 144 – Bestätigung des Halbteilungsgrundsatzes 331, 336 – bürgerliche Selbständigkeit 333 – Dualität von Privatheit und Staatlichkeit 335 – Entwicklungsprozess des ~ 148 – Existenzsicherung als Mindestanforderung des ~ 161 – Facetten des ~ in der modernen Republik 332 – Förderung bürgerlicher Selbständigkeit im Steuerkontext 336 – Förderung der bürgerlichen Selbständigkeit als Auftrag des ~ 166 – Generalinhalt des ~ 146 – Grundintention des ~ 145 – Inhaltsbestimmung 146 – kein Auftrag zur sozialen ,Gleichmacherei‘ 334 – makrosoziale Förderung 338 – materiale Offenheit des ~ 149 – materiale Offenheit des ~ als Chance und Gestaltungsauftrag 151 – nichtsteuerliche Abgaben 425 – Offenheit des ~ 147 – Primat der Privatheit 336 – Reduktion des ~ auf Sicherung des Existenzminimums 163 – republikanische Steuerstaatlichkeit 331 – Sicherung des Existenzminimums 332 – steuerliche und außersteuerliche Pflichtdienste 445 – Steuerpflicht 332, 338 – Steuerverschonung des privaten Eigentums 335 – Streben nach grundsätzlich eigenverantwortlicher und selbständiger Lebensführung 333

Sachwortverzeichnis – und Privatheitsprinzip als Prinzipien der Halbteilung 321 – und Sozialismusprinzip 165 – Verfassungsgrenze der Besteuerung 340 – Verpflichtung zu ökonomischem und gesellschaftlichem Fortschritt durch das ~ 151 – Verwirklichung des ~ in allgemeinen Gesetzen 152 – Verwirklichung des ~ in Steuergesetzen 153 – Verwirklichung des ~ in Steuer- und Abgabegesetzen 153 – Verwirklichung des guten Lebens aller in gemeinsamer Freiheit 332 Sozialrecht 153 Sozialstaat 44, 139, 142, 162, 166 – aktivierender ~ 168 – Anpassung von Rahmenparametern zur Eigenverantwortlichkeit durch den ~ 178 – Aufgaben des ~ 142, 174, 334 – Finanzierungsnotwendigkeit im ~ 160 – makrosoziale Förderung 338 – Paternalismus 334 – Pflicht des brüderlichen ~ 166 – Steuerhoheit als Notwendigkeit des ~ 266 – steuerliche Förderung bürgerlicher Selbständigkeit 337 – und Steuerstaat 154 Sozialstaatlichkeit – Grenzen der ~ 150 Sozialstaatsauftrag als Blankovollmacht 150 Sozialstaatsgebot – Inhaltslosigkeit des ~ 146 Sozialstaatsklausel 139 Sozialversicherung 154 Sozialversicherungsanspruch 315 Sozialversicherungsbeiträge 419 – Arbeitgeberanteil 424 – Belastung des Unternehmers durch administrative Pflichten 438

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– eigennützige ~ 423 – fremdnützige ~ 421, 423 – Gesamtbelastungsrechnung 421 – Halbteilungsmaßstab 426 – Privatnützigkeit 421 – Solidarbeitrag 421 Sozialwirtschaft, marktliche 68 Spieltheorie – Begründungsansatz der Halbteilungsvermutung 359 Spitzensteuersatz – Halbteilungsgrundsatz 400 Staat – als Wettbewerber 55 – Aufgaben des ~ 160 – des 19. Jahrhunderts 26 – Zweck 24, 36, 38, 40, 54, 98, 104, 109, 110, 119, 234, 398 Staatsaufgaben 45, 325 – Gesetz wachsender ~ 45 Staatsausgaben – Finanzierung von ~ durch Geldschöpfung 58 – Gesetz wachsender ~ 25, 58, 59, 60 Staatsbürger 155 Staatseinnahmen – Aufgaben des sozialen Staates 332 – aus der Teilhabe an den Ergebnissen privaten Wirtschaftens 69 – aus unternehmerischer Tätigkeit 54, 56 Staatsfinanzierung – durch Kreditaufnahme 59 – Steuerfinanzierung als Notwendigkeit der sozialen Marktwirtschaft 346 Staatsmodell 157 Staatsrechtslehre – Kritik an der Trennung von Eigentumsgrundrecht und Besteuerung 267 – Verhältnis von Eigentum und Besteuerung 266 Staatsunternehmen 54 – Kritik an ~ 54 Stabilität, wirtschaftliche 177

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Sachwortverzeichnis

Stabilitätsgesetz 262 Stabilitäts- und Wachstumspakt, europäischer 60 Steuer 21, 23, 25, 26, 28, 29, 42, 43, 52, 53, 60, 62, 64, 65, 66, 68, 70, 73, 74, 77, 78, 81, 82, 84, 86, 88, 103, 108, 153, 154, 234, 236, 238, 240, 241, 242, 243, 248, 250, 251, 256, 258, 261, 262, 264, 267, 268, 269, 270, 271, 273, 274, 275, 276, 277, 280, 281, 283, 284, 286, 287, 288, 289, 291, 293, 295, 297, 298, 299, 302, 304, 305, 307, 308, 310, 311, 312, 314, 316, 317, 319, 321, 323, 324, 331, 340, 347, 348, 349, 350, 351, 352, 355, 357, 359, 360, 362, 364, 365, 367, 368, 369, 373, 375, 376, 377, 379, 380, 381, 383, 384, 385, 386, 392, 393, 395, 402, 405, 408, 411, 413, 414, 417, 420, 421, 423, 427, 428, 429, 432, 435, 436, 442, 443, 445, 447, 449 – Abbild bürgerlicher Verantwortung für die Allgemeinheit 324 – als Einnahmequelle der modernen Republik 64 – als einzige Gemeinlast 73 – Begriff der ~ 65 – Eingriff in Privatvermögen 278 – Idee des Rechts 26 – Instrument der Herrschaft 352 – konstruktionsimmanente Besteuerungsgrenze 318 – Rechtfertigung der Steuer durch Gleichverteilung der Lasten 74 – substantielles Element einer privatheitlichen Eigentumsordnung 278 – Teilhabe am Eigentum 349 Steuerbefreiung – Einbeziehung in die Bemessungsgrundlage 399 Steuerbegrenzung – eigentumsgrundrechtliche ~ 283 – Grundsatzrelation von Privatnützigkeit und Sozialpflichtigkeit 312 – Vorrangige Privatheit als Maßstab 325

Steuerbegriff 65 – der Abgabenordnung 66 Steuerbegünstigung – Förderung bürgerlicher Selbständigkeit 337 Steuerbelastung – des (Soll-)Ertrages 378 – Quantifizierung der ~ durch Umsatzsteuern 407 Steuerbelastungsgröße, Steuerzahllast 402 Steuerbemessungsgrundlage 88 – Verbreiterung der ~ 89 Steuerbetrag 88 Steuerbürger – steuerliche und außersteuerliche Pflichtdienste 428 – Vorrang vor dem Steuerstaat 327 Steuerchaos 24, 435 Steuerdickicht 24 Steuerdschungel 24 Steuerfinanzierung – freiheitlichste Form der Staatsfinanzierung 350 – Legitimation der ~ durch Belastungsgleichheit 75 – Logik der grundsätzlichen Privatnützigkeit 317 – Nachweis für die grundsätzliche Privatheit des Eigentums 347 – Notwendigkeit der sozialen Marktwirtschaft 346 – praktische Vernünftigkeit der ~ 76 – Rechtfertigung der ~ durch Lastengleichheit 75 – textlicher Hinweis für einen Vorrang der ~ 67 – Vorrang der ~ im Grundgesetz 68 Steuerfreiheit – Existenzminimum 241 Steuergerechtigkeit 349 – Frage des rechten Maßes 354 – Gebot der ~ 74 – Steuergleichheit 353 Steuergesetze – allgemeine Freiheit als Maßstab 298

Sachwortverzeichnis – allgemeine Gesetzlichkeit 322 – Maßstab der Sittlichkeit staatlichen und privaten Handelns 298 – Rahmenordnung vorrangig eigenverantwortlicher Lebensbewältigung 181 – Unterstützung vorrangig privatheitlicher Lebensbewältigung 339 – Verwirklichung des Sozialen Prinzips 154 Steuergesetzgeber – Inhalt und Schranken des Eigentums 199 Steuergleichheit 73 – Steuergerechtigkeit 353 Steuergrenze – Verhältnis von Privatnützigkeit und Sozialpflichtigkeit 311 Steuerhoheit als Notwendigkeit des Sozialstaats 266 Steuerlast – Verfassungsbegrenzung der ~ 288 Steuerlasten – material-ökonomische Relevanz 297 Steuern – als Instrument des Sozialstaates 154 – Eigentum und ~ 255 – indirekte ~ 382 – indirekte ~ und Privatheit 388 – indirekte ~ und Privatnützigkeit 387 – Störung der Marktmechanismen 344 Steuern und Abgaben als Grundvoraussetzung und Ergebnis der Brüderlichkeit 141 Steuerordnung, privatheitsfreundliche 339 Steuerpflicht – als Grundpflicht des Steuerstaates 73 – Bürgerpflicht um des sozialen Prinzips willen 332 – Republikanität der ~ in der sozialen Marktwirtschaft 350 Steuerprinzip als Begründung des Halbteilungssatzes 352 Steuerrechtsfähigkeit 85 Steuerrechtsordnung 231 Steuersatz 88

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– als entscheidende Determinante von Belastungswirkung und -intensität 90 – Bemessungsgrundlage 399 – Halbteilungsgrundsatz 399 Steuersätze – historische Entwicklung der ~ 24 Steuerschulden – Begleichung aus dem Vermögen 293 Steuerstaat 44 – begriffliche Basis des ~ 67 – Eigentumsgrundrecht im republikanischen ~ 292 – Einschränkung von Handlungsmöglichkeiten 294 – Gleichheit im ~ 73 – grundsätzlicher Vorrang des Privateigentums 350 – im makrosozialen Modell 181 – Logik des republikanischen ~ 318 – Partizipation an den Erfolgen privaten Wirtschaftens als Zeichen des ~ 70 – Partizipation an Eigentumsnutzung und -bestand 293 – steuerliche und außersteuerliche Pflichtdienste 445 – und Marktwirtschaft 69 – Vorrang des Steuerbürgers 327 Steuerstaatlichkeit – Bestätigung der vorrangigen Privatheit der Wirtschaftsordnung 346 – gesetzliche 73 – Indiz für Halbteilungsgrundsatz 346 – republikanische ~ 347, 351 – Sozialprinzip 331 – und (Steuer-)Gleichheit 75 – verfassungsrechtlich gewolltes Maß der Besteuerung 350 Steuersubjekte 84 – juristische Personen als ~ 85 Steuersubventionen – Einbeziehung in die Bemessungsgrundlage 397 Steuersystem 24, 245, 289, 294, 321, 335, 343, 352, 392, 407, 415 Steuertarif 89

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Sachwortverzeichnis

Steuer- und Abgabenlasten – Erhöhung durch steuerliche und außersteuerliche Pflichtdienste 447 Steuer- und Eigentumswende 302 Steuerverfassungsrecht 232 Steuervergünstigungen – Einbeziehung in die Bemessungsgrundlage 397 Steuerverwaltungsaufgaben – Mitwirkungspflichten des Steuerbürgers 435 Steuerwesen – elementarer Bestandteil der Wirtschaftsordnung 343 Steuerzahllast – Steuerbelastungsgröße 402 Steuerzugriff – außerhalb des Geltungsbereiches der Verfassung 260 – grundsätzlich außerhalb des Schutzbereiches des Art. 14 GG 264 – in der Republik 232 – Verlust von Lebensmöglichkeiten 296 Subsidiaritätsprinzip 163 – sozialstaatliches ~ 327 – Vorrang der Privatnützigkeit des Eigentums 318 Substanzbesteuerung – Soll-Ertrag als Grenze 300 Substanzvernichtung durch Besteuerung 263 Subventionen – Bemessungsgrundlage der Halbteilung 397 Teilung – Gebot der annähernd hälftigen ~ 283 – hälftige ~ zwischen privater und öffentlicher Hand 301 – höchstens hälftige ~ des Eigentums zwischen Bürger und Staat 299 Transferzahlungen – Bemessungsgrundlage der Halbteilung 396 Trennung von Staat und Gesellschaft 259 Übermaßbesteuerung – ausnahmsweises Verbot einer ~ 260

Übermäßigkeit der Steuerbelastung 261 Übermaßverbot – Grenze der Besteuerung 300 Umlageverfahren 422 Umsatzsteuer – administrative Aufgaben 433 – Beschränkung bürgerlicher Handlungsmöglichkeiten 386 – effektive Steuerbelastung des Endverbrauchers 384 – individuelle Ermittlung der Steuerlast 407 – Privatnützigkeit im Kontext der ~ 387 – Quantifizierung der Steuerbelastung 407 – Steuerfreistellung des existenzminimalen Bedarfs 408 – tatsächliche Steuerbelastung 386 – typisierte Steuerlast anhand des Warenkorbes 409 – Typisierung der Belastungswirkung 408 – und Halbteilungsgrundsatz 383 – und Privatheit 388 Umsatzsteueradministration – Belastung von Unternehmen 437 Umsatzsteuerbelastung, typisierte 408 Umsatzsteuerlast – näherungsweise Ermittlung der typisierten ~ 409 – Typisierung anhand des Warenkorbes 409 Unabhängigkeit, immateriale und materiale 333 Unternehmensvermögen – Erbschaft- und Schenkungsteuer 416 Unternehmerstaat 55 Unterschiedlichkeit 145 Unterstützung – makrosoziale ~ 177 – mikrosoziale ~ 168 – mikrosoziale ~ sozial Schwächerer 169 – Wirksamkeit mikrosozialer ~ 170

Sachwortverzeichnis Unterstützungsleistungen – Minderung der Gesamtsteuerlast durch ~ 396 Verantwortung des Einzelnen für das Gemeinwesen 159 Verfassungsgrenzen – Existenz von ~ bei der Besteuerung 284 Verfassungsrechtsprechung – Entwicklung des Eigentumsgrundrechts im Steuerstaat 284 Verhältnismäßigkeit – Steuerzugriff 241 Verhältnismäßigkeitsprinzip 197 – Grenze der Besteuerung 237, 300 – Prinzip des rechten Maßes 353 Verletzung der Eigentumsgarantie durch den Steuerzugriff in Ausnahmefällen 261 Vermögen – ausnahmehafter Schutz des ~ 264 – Besteuerung des ruhenden ~ 280 – geldwertes ~ 207 – Möglichkeiten des Menschen 295 – Steuerbelastung durch indirekte Steuern 382 – steuersystematische Vorbelastung 300 – Summe von Rechten 295 – summierte wirtschaftliche Potenz 259 – Voraussetzung vorrangig privatheitlicher Lebensbewältigung 323 Vermögensabgabe 262 Vermögensbelastungen – Schutz gegen ~ 272 Vermögensgebrauch – erhöhte Sozialpflichtigkeit 279 Vermögenshaftigkeit – Verletzung des Eigentums in seiner ~ 273 Vermögensrecht Schutz des Eigentums als ~ 272 Vermögensschutz gegenüber fiskalischem Zugriff 291 Vermögenssubstanz – Besteuerung durch Erbschaftsteuer 411

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Vermögensteuer 242, 283 – Freistellung des Gebrauchsvermögens 315 – und Halbteilungsgrundsatz 364 – verfassungsrechtliche Überprüfung 287 Vermögensteuerbeschluss 283, 286 – Grenzlinie steuerstaatlicher Begehrlichkeiten 301 Vermögenswert einer Eigentumsposition 206 Vermögenswertgarantie – Ablehnung einer ~ 272 Vermögenszugang – Belastung des ~ 283 Vernunft – Materialisierung der praktischen ~ in (Steuer-)Gesetzen 356 – praktische ~ als Maßstab für steuerliche und außersteuerliche Pflichtdienste 449 – praktische ~ im Steuerstaat 354 Verschuldung – öffentliche ~ in den Mitgliedsstaaten 61 Verstaatlichung – der Lebensbewältigung 165 – der Lebensverhältnisse im Steuerstaat 340 Verteilungsordnung 226 Verwaltungsaufwand – durch steuerliche Hilfsdienste 431 – Umsatzsteuer 436 Verwaltungskosten durch steuerliche Mitwirkungspflichten 435 Vorbelastung – steuersystematische ~ des Vermögens 300 Vorrang der Privatnützigkeit 317 Währungsstabilität 61 Warenkorb – Berechnungshinweise für die Umsatzsteuerlast 409 Werbungskosten – Abzug bei der Bemessung der Halbteilung 394

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Sachwortverzeichnis

Wertentscheidung der Verfassung für privates Eigentum 270 Wettbewerb – Funktionsfähigkeit des ~ im makrosozialen Modell 178 – Motiv für Leistung 345 Willkürverbot – Grenze der Besteuerung 233 – im Steuerrecht 353 – Prinzip des rechten Maßes 353 Wirtschaft, privatrechtliche 69 Wirtschaftsform sozialpflichtiger Privatheit 342 Wirtschaftsfreiheit 248 Wirtschaftsordnung – Bestätigung des Vorrangs der Privatheit durch die Steuer 346 – bürgerlicher Eigenständigkeit 173 – der Privatheit 175

– – – –

der Privatheit und Selbständigkeit 341 Eigentum als Element der ~ 176 Steuer als Bestandteil der ~ 343 Votum für den Halbteilungsgrundsatz 341 – zur privatheitlichen Lebensbewältigung 175 Wirtschaftsverfassung 68 – der Republik 68 – marktorientierte 69 Wohlstand – Pflicht des sozialen Staates zur Bereitstellung von Grundlagen des ~ 167 Wohltaten – soziale ~ im Parteienstaat 180 Zinseinkünfte 403 Zugriffsphasen des Steuerstaates 279