Small Claims und effektiver Rechtsschutz: Eine rechtshistorische und rechtsvergleichende Untersuchung zur zivilgerichtlichen Behandlung von Bagatellstreitigkeiten in Deutschland und Südafrika von 1500 bis 2000 [1 ed.] 9783428511877, 9783428111879

Der Autor geht anlässlich der jüngsten Reformen zur Entlastung der Ziviljustiz der Frage nach, ob in Bagatellstreitigkei

150 49 23MB

German Pages 246 [247] Year 2003

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD FILE

Polecaj historie

Small Claims und effektiver Rechtsschutz: Eine rechtshistorische und rechtsvergleichende Untersuchung zur zivilgerichtlichen Behandlung von Bagatellstreitigkeiten in Deutschland und Südafrika von 1500 bis 2000 [1 ed.]
 9783428511877, 9783428111879

Citation preview

ENNO ENGBERS

Small Claims und effektiver Rechtsschutz

Schriften zur Rechtsgeschichte Heft 104

Small Claims und effektiver Rechtsschutz Eine rechtshistorische und rechtsvergleichende Untersuchung zur zivilgerichtlichen Behandlung von Bagatellstreitigkeiten in Deutschland und Südafrika von 1500 bis 2000

Von

Enno Engbers

Duncker & Humblot · Berlin

Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität Leipzig hat diese Arbeit im Jahre 2003 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten © 2003 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Druck: WB-Druck GmbH & Co., Rieden im Allgäu Printed in Germany ISSN 0720-7379 ISBN 3-428-11187-7 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 θ

Meinen Eltern

Vorwort Die Anregung zu der vorliegenden Arbeit erhielt ich bereits im Februar 1997 anlässlich eines Aufenthaltes in Pretoria im Rahmen meines Referendariats, als mich ein südafrikanischer Rechtsanwalt spontan einlud, am gleichen Abend an einer von ihm geleiteten Sitzung des Small Claims Court von Pretoria teilzunehmen. Dieser Verhandlungsabend, an dem nach meiner Erinnerung in knappen zwei Stunden sechs Bagatellstreitigkeiten unbürokratisch und kostengünstig erledigt wurden, zählt zu den spannendsten Erlebnissen meiner Südafrikareise. Dass es nicht bei diesem einen Kontakt mit dem südafrikanischen Rechtssystem geblieben ist, sondern noch zwei weitere hochinteressante und bereichernde Studienaufenthalte an der Universität von Stellenbosch folgten, verdanke ich Prof. Dr. Gero Dolezalek, der sich freundlicherweise bereit erklärte, mich als Doktorand anzunehmen und mich während meiner Arbeit vorbildlich betreut hat. Durch seine wertvollen Anregungen hat er wesentlich zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen. Für die Erstellung des Zweitgutachtens danke ich sehr herzlich Prof. Dr. Thomas Rauscher (Universität Leipzig) und für die Erstellung des Drittgutachtens Prof. Dr. Daniel Visser (University of Cape Town). Dank schulde ich daneben meinem Freund und Kollegen Frieder Scheuffele für die mühevolle Arbeit des Korrekturlesens und die konstruktive Kritik sowie meiner südafrikanischen Freundin Catherine Du Toit, die nicht nur mein Interesse für Südafrika geweckt hat, sondern mir sowohl in Pretoria als auch in Stellenbosch u. a. durch die Vermittlung zahlreicher wertvoller Kontakte zu südafrikanischen Juristen hilfreich zur Seite stand. Meiner zukünftigen Frau Anja danke ich für ihre Geduld. Ganz besonders hervorheben möchte ich schließlich die Hilfe meiner Eltern, die mich die gesamte Studien-, Referendars- und Doktorandenzeit hindurch in jeder Hinsicht unterstützt haben. Ihnen widme ich diese Arbeit. München, im März 2003

Enno Engbers

Inhaltsverzeichnis Einleitung

19

Α. Der Begriff der zivilrechtlichen Bagatellsache

23

B. Der Zielkonflikt

25

I. Das Entlastungsinteresse

25

II. Das Interesse an der Effektivität des Rechtsschutzes III. Verfolgter Ansatz

26 27

C. Der Gang der Untersuchung

28

1. Kapitel Die Entwicklung des Bagatellprozesses in Deutschland und Südafrika A. Deutschland

30 30

I. Der Beginn der Rezeption des römisch-kanonischen Verfahrens: Die Unterscheidung zwischen ordentlichem und summarischem Prozeß

31

II. Die Entwicklung im 16. und 17. Jhr.: Der Ausschluß des ordentlichen Prozesses in Bagatellsachen

34

1. Das Verfahren vor dem Reichskammergericht

35

2. Das Verfahren in den Territorien

36

a) Kursachsen

37

b) Brandenburg-Preußen

39

c) Bayern

41

3. Zusammenfassung

43

III. Die Entwicklung im 18. Jhr.: Die Ausgestaltung des Bagatellprozesses als mündliches Verfahren

44

1. Das sog. „unbestimmt summarische Verfahren" in der Lehre des gemeinen Prozesses

45

nsverzeichnis

10

2. Die Kodifizierung des Bagatellprozesses in den Territorien

46

a) Kursachsen

48

b) Preußen

49

c) Bayern

55

3. Zusammenfassung IV. Die Entwicklung im 19. Jhr.: Die Formalisierung des Bagatellprozesses und seine Abschaffung 1. Der Bagatellprozeß in den Partikularstaaten bis zur Reichsgründung

56 56 57

a) Sachsen

57

b) Preußen

59

aa) Die Kerngebiete Preußens (ohne Rheinlande)

59

bb) Die preußischen Rheinlande

61

c) Bayern 2. Der Bagatellprozeß seit der Reichsgründung a) Baden

63 63 65

b) Württemberg

66

3. Zusammenfassung

68

V. Die Entwicklung im 20. Jhr.: Die Wiederbelebung und Entformalisierung des Bagatellprozesses

68

1. Die Entwicklung des Bagatellverfahrens auf Reichs- bzw. Bundesebene ...

69

2. Die Abschaffung der Bagatellgerichte auf Länderebene

72

3. Zusammenfassung

76

B. Südafrika

77

I. Die Entwicklung des Bagatellprozesses in der Provinz Holland im 16. und 17. Jhr

77

1. Das Verfahren in Bagatellsachen vor den holländischen Obergerichten

79

2. Das Bagatellverfahren vor den holländischen Untergerichten 3. Das Verfahren vor den „Commissarissen van kleyne saken" der Stadt Amsterdam

80 81

4. Zusammenfassung

82

II. Die Entwicklung im 17. und 18. Jhr.: Die Übernahme des holländischen Bagatellprozesses am Kap

83

1. Das Verfahren des „Raad van Justitie"

84

2. Das „Collegie van Commissarissen van de Cleijne Saaken" in Kapstadt

85

3. Die „Collegie van Landdrost en Heemraden" in den Außenbezirken

86

4. Zusammenfassung

89

nsverzeichnis

11

III. Die Entwicklung im 19. Jhr.: Die Formalisierung des Bagatellprozesses durch die Briten

89

1. Kapkolonie

90

a) Erste britische Besetzung und holländisches Interregnum

91

b) Die Umgestaltung des Rechtsschutzsystems durch die Briten

92

c) Die Ausweitung der Kapkolonie nach Osten

96

aa) Das Rechtssystem der Bantuvölker

96

bb) Die Kolonisierung durch die Briten

99

2. Natal

100

3. Oranje-Freistaat

103

4. Transvaal

105

5. Zusammenfassung

109

IV. Die Entwicklung im 20. Jhr.: Die Abschaffung und Wiederbelebung des Bagatellprozesses 109 1. Die Vereinheitlichung des Zivilprozesses und die Abschaffung besonderer Bagatellverfahren und -gerichte

110

2. Der Ausschluß der schwarzen Bevölkerung vom ordentlichen Gerichtssystem

113

a) Die Gerichte der Häuptlinge und Eingeborenenkommissare

113

b) Die Gerichte in den Homelands

116

c) Die Gerichte in den Townships

117

3. Die Wiederbelebung der Bagatellgerichte

119

4. Zusammenfassung

120

C. Vergleich

120

2. Kapitel Die Effektivität des Zivilrechtsschutzes in Bagatellsachen in Deutschland und Südafrika

122

A. Die Anforderungen an den Rechtsschutz in zivilrechtlichen Bagatellsachen —

123

I. Die Zugangsbarrieren in Bagatellsachen und rechtshistorische Lösungsansätze

123

1. Die Prozeßökonomie

124

2. Die Waffen-und Chancengleichheit

125

II. Die verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Ausgestaltung des Rechtsschutzes in Bagatellsachen 1. Die Prozeßgrundrechte im deutschen Grundgesetz a) Das Recht auf gerichtlichen Rechtsschutz

126 128 128

12

nsverzeichnis b) Das Recht auf den gesetzlichen Richter

130

c) Das Recht auf rechtliches Gehör

132

d) Das Recht auf Waffengleichheit

133

2. Die Prozeßgrundrechte in der südafrikanischen Verfassung a) Das Recht auf „Access to courts"

133 134

aa) Das Recht auf Zugang zu den Gerichten im engeren Sinne

134

bb) Das Recht auf ein faires Verfahren

136

(1) Das Recht auf rechtliches Gehör

137

(2) Das Recht auf rechtliche Vertretung

137

(3) Das Recht auf eine Begründung des Urteils

138

(4) Das Recht auf Berufung

138

b) Das Recht auf „equality" 3. Vergleich B. Der Rechtsschutz in zivilrechtlichen Bagatellsachen I. Deutschland

139 140 141 141

1. Die sozio-ökonomische Ausgangssituation

141

2. Zivilgerichtlicher Rechtsschutz in Bagatellsachen

142

a) Der Gerichtsaufbau

143

b) Bagatellsachen vor den Amtsgerichten

144

aa) Das Mahn verfahren

145

bb) Das Urteilsverfahren

146

(1) Klageerhebung

149

(2) Vorverfahren

149

(3) Haupttermin

151

(4) Schriftliches Verfahren gem. § 128 Abs. 3 ZPO

153

cc) Das vereinfachte Verfahren gem. § 495a ZPO c) Bagatellsachen vor den Arbeitsgerichten

153 156

3. Alternativen zum gerichtlichen Rechtsschutz

157

a) Streitbeilegung durch die Anwaltschaft

158

b) Güteverfahren in Bagatellsachen

158

aa) Das freiwillige Güteverfahren vor einer Schlichtungsstelle bb) Das obligatorische Güteverfahren vor einer anerkannten Gütestelle c) Mediation in Bagatellsachen 4. Ergebnis

159 160 162 163

nsverzeichnis II. Südafrika

13 164

1. Die sozio-ökonomische Ausgangssituation

164

2. Zivilgerichtlicher Rechtsschutz in Bagatellsachen

167

a) Der Gerichtsaufbau

168

b) Bagatellsachen vor den Magistrates'Courts

169

aa) Das „Summons Procedure" (1) Pleading stage

172 173

(2) Pre-trial stage

173

(3) Trial Stage

174

(4) Urteil und Berufung

176

bb) Besondere Verfahrensarten

177

(1) Provisional Sentence Procedure

177

(2) Recovery of Debt-Verfahren

178

c) Bagatellsachen vor den Small Claims Courts

179

d) Bagatellsachen vor den Short Process Courts

185

e) Arbeitsrechtliche Bagatellstreitigkeiten

186

f) Bagatellsachen vor den Courts of Chiefs and Headmen

186

3. Alternativen zum gerichtlichen Rechtsschutz a) Schiedsgerichtsverfahren b) Community Courts in den Townships 4. Ergebnis III. Vergleich

190 190 191 192 193

C. Reformbestrebungen mit Auswirkung auf die Behandlung von zivilrechtlichen Bagatellsachen 195 I. Deutschland 1. Die Neufassung der BagatellVorschriften

195 196

2. Die obligatorische Güteverhandlung

197

3. Das neue Abhilfe verfahren

198

4. Die Erweiterung der Berufungsmöglichkeit in Bagatellsachen

199

II. Südafrika

199

1. Die Förderung der Alternative Dispute Resolution (ADR)

200

2. Der Ausbau der Bagatellgerichte

201

3. Die Verbesserung der Zugänglichkeit der Magistrates' Courts

203

III. Vergleich

203

D. Gesamtvergleich

204

nsverzeichnis

14

3. Kapitel Die Verbesserung des gerichtlichen Rechtsschutzes in Bagatellsachen in Deutschland A. Die Verbesserung der Prozeßökonomie I. Die Senkung der Verfahrenskosten in Bagatellstreitigkeiten 1. Herabsetzung der Gerichts- und Anwaltsgebühren

205 205 205 205

2. Der Ausschluß anwaltlicher Vertretung

206

3. Der Ausschluß der Anwaltskostenerstattung

207

II. Die Prozeßbeschleunigung in Bagatellstreitigkeiten

208

1. Die Konzentration auf eine mündliche Verhandlung

209

2. Die Entformalisierung des Verfahrens

209

3. Die vorgeschaltete außergerichtliche Güte Verhandlung

210

B. Die Verbesserung der Waffen-und Chancengleichheit I. Der Ausschluß juristischer Personen auf der Klägerseite

211 211

II. Der Ausschluß anwaltlicher Vertretung

212

III. Die Gewährung von Prozeßkostenhilfe

214

C. Verbesserungsvorschläge

214

Literaturverzeichnis

216

Quellenverzeichnis

229

Sachwortverzeichnis

245

Abkürzungsverzeichnis I. Deutsche Abkürzungen aA

abweichende Ansicht

A.B.

Acta Borussica

ABl.

Amtsblatt

Abs.

Absatz

AcP

Archiv für civilistische Praxis

AGO

Allgemeine Gerichtsordnung für die Preußischen Staaten

ALR

Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten

AnwBl.

Anwaltsblatt

ArbGG

Arbeitsgerichtsgesetz

Art.

Artikel

Aufl.

Auflage

BaySchlG

Bayerisches Schlichtungsgesetz

BbgGüteStG

Brandenburgisches Gütestellengesetz

BbgSchG

Brandenburgisches Schiedsstellengesetz

BbgSchlG

Brandenburgisches Schlichtungsgesetz

Bd.

Band

BGB

Bürgerliches Gesetzbuch

BGBl.

Bundesgesetzblatt

BRAGO

Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung

BRAK-Mitt.

Mitteilungen der Bundesrechtsanwaltskammer

Β RAO

Bundesrechtsanwaltsordnung

BR-Drucks.

Bundesrats-Drucksache

BT-Drucks.

Bundestags-Drucksache

BVerfGE

Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts

BWSchlG

Baden-Württembergisches Schlichtungsgesetz

CA

Codex Augusteus

CCM

Corpus Constitutionum Marchicarum

CJF

Corpus Juris Fridericianum

Const.

Kursächsische Konstitutionen

DJZ

Deutsche Juristen Zeitung

DRiG

Deutsches Richtergesetz

DRiZ

Deutsche Richterzeitung

EGZPO

Einführungsgesetz zur Zivilprozeßordnung

EMRK

Europäische Menschenrechtskonvention

16 FamRZ

Abkürzungsverzeichnis Familienrechtszeitung

FAZ

Frankfurter Allgemeine Zeitung

fi.

Gulden

FN

Fußnote

GBl.

Gesetzblatt

GG

Grundgesetz

GKG

Gerichtskostengesetz

GKPS

Gesetz-Sammlung für die Königlich Preußischen Staaten

GVB1.

Gesetz- und Verordnungsblatt

GVG

Gerichtsverfassungsgesetz

HandwO

Handwerksordnung

HRG

Handbuch der Rechtsgeschichte

Hrsg.

Herausgeber

Jhr.

Jahrhundert

JRA

Jüngster Reichsabschied

JW

Juristische Wochenschrift

Lfg.

Lieferung

MK-ZPO

Münchner Kommentar zur Zivilprozeßordnung

mwN

mit weiteren Nachweisen

NJW

Neue Juristische Wochenschrift

NWGüSchlG

Nordrhein-Westfälisches Gütestellen- und Schlichtungsgese

NWSchAG

Nordrhein-Westfälisches Schiedsamtsgesetz

NZA

Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht

PKH

Prozesskostenhilfe

RBerG

Rechtsberatungsgesetz

Reg.Bl.

Regierungsblatt

RGBl.

Reichsgesetzblatt

RKGO

Reichskammergerichtsordnung

RN

Randnummer

RPflG

Rechtspflegergesetz

SJZ

Süddeutsche Juristenzeitung

sog.

Sogenannt

Sp.

Spalte

StPO

Strafprozessordnung

SWG

Sammlung der württembergischen Gesetze

SZ Germ.

Zeitschrift der Savigny-Stiftung, Germanistische Abteilung

VO

Verordnung

ZfRV

Zeitschrift für Rechtsvergleichung

ZPO

Zivilprozessordnung

ZPO η.F.

ZPO neue Fassung

ZZP

Zeitschrift für Zivilprozeß

Abkürzungsverzeichnis

II. Südafrikanische Abkürzungen ALS

Association of Law Societies

BCLR

Butterworth's Constitutional Law Report

CCMA

Commission for Conciliation, Mediation and Arbitration

CDR

Community Dispute Resolution

CILSA

Comparative and International Law Journal of Southern Africa

CSS

Central Statistical Service

GG

Government Gazette

GN

Government Notice

GPB

Groot Placaet-Boek

KPB

Kaapse Plakkaatboek

MCA

Magistrates' Courts Act

MCR

Magistrates' Courts Rules

NIP

Nederlandsch-Indisch Plakaatboek

OB

Ordonnantie-Boek

O.V.S.

Oranje-Vrij staat

R

Rand

Rds.

Ryksdaalers / Rixdollars

RG

Regulation Gazette

SA

South African Law Reports

SALJ

South African Law Journal

Sec.

Section

SSA

Statistics South Africa

Stell LR

Stellenbosch Law Review

THRHR

Tydskrif vir Hedendaagse Romeins-Hollandse Reg

TRW

Tydskrif vir Regswetenskap

TSAR

Tydskrif vir Suid-Afrikaanse Reg

V.R.R.

Volksraadresolution

Z.A.R.

Zuid Afrikaansche Republiek

2 Engbers

17

Einleitung Von der Öffentlichkeit fast unbemerkt ist im Oktober 1999 vom Bundestag ein Gesetz verabschiedet worden, welches es den Ländern ermöglicht, die Zulässigkeit der Klageerhebung vor den Zivilgerichten in Bagatellstreitigkeiten unter einem Streitwert von DM 1500 (Euro 766,94)1 vom Nachweis eines vorhergehenden Versuchs der außergerichtlichen Streitschlichtung abhängig zu machen2. Bereits 1991 waren mit dem sog. vereinfachten Verfahren in geringwertigen Streitigkeiten beträchtliche Erleichterungen für den Richter bei der Urteilsabfassung in den deutschen Zivilprozeß eingeführt worden 3. Die jüngste Zivilprozeßnovelle 4 sieht eine Beibehaltung des vereinfachten Verfahrens und der außergerichtlichen obligatorischen Streitschlichtung in Bagatellsachen vor. Das gesetzgeberische Interesse an den kleinen Streitsachen kommt nicht von ungefähr: Diese stellen in Deutschland immerhin ca. 40% aller im Urteilsverfahren erledigten Zivilrechtsstreitigkeiten dar 5; sogar kleine Veränderungen in diesem Bereich können somit erhebliche Auswirkungen auf die gesamte Zivilrechtspflege haben. Anläßlich der jüngsten, einzig vom Entlastungsinteresse geprägten Reformen im Bagatellbereich stellt sich in Deutschland die Frage, ob dem Verfassungsgebot nach einem effektiven Rechtsschutz in geringwertigen Streitigkeiten genüge geleistet wird. Die Frage soll mittels einer rechtshistorisch-rechtsvergleichenden Analyse beantwortet werden. Die rechtsvergleichende Methode wird gewählt, weil sie am besten geeignet ist, die Schranken, die sich bei der objektiven Evaluierung der Lösungsansätze eines Rechtssystems aus der Rechtstradition des Betrachters ergeben, zu überwinden6. Die Rechtsgeschichte wird miteinbezogen, da die heute existierenden Regelungen im Bereich des Bagatellprozesses nur den vorläufigen Endpunkt einer jahrhundertelangen Entwicklung bilden und somit nicht aus sich selbst

1

Aufgrund der Einführung des Euro zum 1.1. 2002 werden alle DM-Beträge in dieser Arbeit - außer im rechtshistorischen Teil - auch in Euro genannt. 2 Durch das sog. „Gesetz zur Förderung der außergerichtlichen Streitbeilegung". 3 Durch das sog. „Rechtspflegevereinfachungsgesetz". 4 Gesetz zur Reform des Zivilprozesses vom 27. 7. 2001. Das Gesetz wird am 1. 1. 2002 in Kraft treten. In der vorliegenden Arbeit, die den Stichtag 1. 9. 2001 hat, wurde sowohl die alte als auch die neue Rechtslage berücksichtigt. 5 BT-Ducks. 13/6398, S. 19 für 1991; Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministerium der Justiz vom 31.7. 1996, in: Bayerisches Ministerialblatt 1996, S. 93 (95). 6 Cappelletti , in: 109 (1992) 22 (27). Nach Cappelletti spielt die Rechtsvergleichung in den Sozialwissenschaften dieselbe Rolle wie das Laborexperiment in den Naturwissenschaften. 2*

20

Einleitung

heraus, sondern nur aus der Kenntnis der historischen Bedingungen und Zielsetzungen, die zu ihrer Entstehung geführt haben, zu verstehen sind7. Für den Vergleich ausgewählt wurde die Republik Südafrika. Das Recht der Republik Südafrika verdient gerade das Interesse des deutschen Rechtshistorikers und -vergleichers, weil es durch die Übernahme des sog. römisch-holländischen Rechts und später die Beeinflussung durch das englische Common Law historisch sowohl Verbindungen zum germanischen als auch zum angelsächsischen Rechtskreis aufweist8. Im Bereich des Prozeßrechts dominiert dabei seit ca. 170 Jahren die englische Rechtstradition. Wie in den anderen Ländern des angelsächsischen Rechtskreises fanden die Forderungen der sogenannten ,Access-to-Justice"-Bewegung9 nach einer Verbesserung des Rechtsschutzes für den Bürger in Südafrika starke Beachtung10. Im Jahre 1984 wurden sie mit dem Erlaß des Small Claims Courts Act 1 1 in geltendes Recht umgesetzt. Die Erfahrungen der USA, Australiens und Englands mit dort bereits seit längerer Zeit 1 2 bestehenden Small Claims Courts wurden dabei berücksichtigt 13. Einen neuen Schub erhielt die Forderung nach einem effektiven Zugang zu den Gerichten in Südafrika dadurch, daß sie als Grundrecht auf „Access to Courts" in die nach dem Ende der Apartheid erarbeitete neue Verfassung des Landes aufgenommen wurde 14 . Eine weitere interessante Eigenheit des südafrikanischen Gerichtssystems stellt die Tatsache dar, daß neben dem staatlichen Gerichtssystem die althergebrachten Streitentscheidungsinstanzen der traditionellen Stammesgemeinschaften, die Häuptlingsgerichte (sog. „Courts of Chiefs and Headmen"), weiterbestehen. In den Townships haben sich nach ihrem Vorbild Gemeindegerichte (sog. „Community 7 Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung (3. Aufl., 1996), S. 8, die die Rechtsgeschichte und die Rechtsvergleichung daher als „Zwillingsschwestern" bezeichnen. 8 Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung (3. Aufl., 1996), S. 227. Zur Zuordnung der nationalen Rechtsordnungen zu bestimmten Rechtskreisen ebenda, S. 62 ff. 9 Diese von Cappelletti in den 1970er Jahren initiierte Strömung machte die zu Lasten des Verbrauchers bestehenden ökonomischen, organisatorischen und verfahrensrechtlichen Zugangsbarrieren zur Ziviljustiz zum Gegenstand einer international geführten Diskussion. Vgl. dazu unten Ziffer B. II. der Einleitung. 10 Vgl. z. B. Hoexter Commission (Hrsg.), Fourth Interim Report (1982), S. 14; Cappelletti, in: 109 (1992) SALJ 22.

" Act No. 61 of 1984. •2 Der erste Small Claims Court wurde 1913 in Cleveland (USA) eingerichtet, vgl. Purdum, in: 65 (1981) Journal of the American Judicature Society 31; Whelan, in: Small Claims Courts (1990), S. 207 (208). «3 Vgl. z. B. Hoexter Commission (Hrsg.), Fourth Interim Report (1982), Kapitel 6-11. Mit der Untersuchung der Hoexter Commission wurde die Einführung der südafrikanischen Small Claims Courts vorbereitet. Vgl. See. 22 der vorläufigen Verfassung von 1993 (Act No. 200 of 1993) und Sec. 34 der endgültigen Verfassung von 1996 (Act No. 108 of 1996). Die vorläufige Verfassung von 1993 enthielt erstmals einen Grundrechtskatalog, siehe dazu näher die Ausführungen im zweiten Kapitel.

Einleitung

Courts") gebildet. Vor den beiden letztgenannten Gerichten werden hauptsächlich Bagatellstreitigkeiten verhandelt und nach einem informellen Verfahren auf der Grundlage des Gewohnheitsrechts der beteiligten Personenkreise entschieden. Trotz des Fehlens jeglicher rechtshistorischer Verbindung zu diesen Gerichten und der sozialen Unterschiede zwischen den westlichen Gesellschaften und afrikanischen Stammesgemeinschaften läßt die Universalität des oben beschriebenen Problems eine Miteinbeziehung dieser Gerichte und ihrer Verfahren in den Rechtsvergleich als sinnvoll erscheinen. Es ist zu konstatieren, daß eine umfassende Untersuchung der Effektivität des Rechtsschutzes in Bagatellsachen sowohl für Deutschland als auch für Südafrika bislang fehlt. Die deutsche Literatur beschränkt sich im wesentlichen auf die Kommentierungen 15 und Monographien 16 zum vereinfachten Verfahren in geringwertigen Streitigkeiten (§ 495a ZPO). Diese beschäftigen sich allerdings nur mit den Fragen des Entlastungspotentials des vereinfachten Verfahrens für die Gerichte 17, seiner Verfassungsmäßigkeit 18, seiner Umsetzung in der Praxis 19 sowie seines Umfangs und seiner Grenzen 20. Da die überwiegende Mehrheit der Bagatellstreitigkeiten jedoch nicht im vereinfachten Verfahren, sondern im Mahn- und Urteilsverfahren erledigt werden, greifen die obengenannten Arbeiten in einem entscheidenden Punkt zu kurz. Die südafrikanische Literatur zum Thema ist noch dürftiger. Neben dem Untersuchungsbericht, welcher der Einführung der Small Claims Courts vorausging21, existieren zwei Praxisanleitungen für die Small Claims Courts 22 ; sie sind für Laien geschrieben und erheben keinen wissenschaftlichen Anspruch. Die Aufsatzliteratur zum Small Claims Courts - Verfahren beschränkt sich auf die Erörterung von Detailproblemen 23. Repräsentative statistische Untersuchungen zur praktischen Umsetzung des Small Claims Courts - Verfahrens existieren nicht, so daß Zahlenmaterial erst durch meine eigene Auswertung der Gerichtsakten des Jahres 1998 des Small Claims Court Stellenbosch gewonnen werden mußte. Zur Behandlung von Bagatellstreitigkeiten vor den Magistrates' Courts fehlt jegliche

15 Ζ. B. in Baumbach u. a./Hartmann, ZPO (58. Aufl. 2000) und MK-ZPO/Deubner, Bd. 2 (2. Aufl. 2000), um nur die wichtigsten zu nennen. 16 Wollschläger, in: Methoden (1991), S. 13 ff.; Kunze, Bagatellverfahren (1995); Rottleuthner, Entformalisierung (1997); Fricker, Umfang und Grenzen (1999). 17 So die Arbeit von Wollschläger, in: Methoden (1991), S. 13 ff. 18 Vgl. Kunze, Bagatellverfahren (1995). 19 Vgl. Rottleuthner, Entformalisierung (1997). 20 Vgl. Fricker, Umfang und Grenzen (1999). 21 Hoexter Commission (Hrsg.), Fourth Interim Report (1982). 22 Strauss, You in the Small Claims Court (1985; 2. Aufl. 1990) und Bredenkamp, The Small Claims Court (1986). 23 Vgl. etwa Taitz, in: 23 (1990) De Jure 135 zu den Voraussetzungen der Berufung („review") gegen die Urteile der Small Claims Courts oder Van der Merwe, in: 1985 De Rebus 445 zur Stellung und zu den Pflichten des Small Claims Court-Richters im Verfahren.

22

Einleitung

Literatur; das Verfahren vor den Häuptlings- und Gemeindegerichten war bislang vor allem Gegenstand rechtssoziologischer und ethnologischer Untersuchungen24. Eingehende rechtstatsächliche Untersuchungen zur Funktionsweise des südafrikanischen Gerichtssystems fehlen überhaupt. Ergiebiger als die nationale Literatur zu den jeweiligen Bagatellverfahren sind die drei im Rahmen der „Access-to-Justice"-Bewegung durchgeführten rechtsvergleichenden Studien. Die erste dieser Untersuchungen wurde Ende der 1970er Jahre von Cappelletti initiiert. Sie umfaßt 23 Länderberichte über die bestehenden Rechtsschutzmöglichkeiten in Zivilsachen (wobei jeweils auch auf die Effektivität des Rechtsschutzes in geringwertigen Streitigkeiten eingegangen wird 2 5 ) sowie eine Darstellung dreier vielversprechender Bagatellverfahren 26. Eine weitere, umfassendere rechtsvergleichende Untersuchung zum Bagatellprozeß wurde anläßlich des ersten internationalen Kongresses für Zivilprozeßrecht in Gent erstellt 27 . Die bislang jüngste rechtsvergleichende Arbeit zum Thema ist die von Whelan 2S. Der in der „International Encyclopedia of Comparative Law" geplante Teilband zu den besonderen Verfahrensarten (inkl. Bagatellprozeß) ist leider noch nicht erschienen 29. Keine der drei genannten rechtsvergleichenden Untersuchungen enthält einen Länderbericht zur Behandlung von Bagatellstreitigkeiten in Südafrika. Deutschland wird zwar in allen drei Studien berücksichtigt, jedoch sind die Ergebnisse heute veraltet, da sich die deutsche Rechtslage zum Bagatellverfahren seit der letzten Untersuchung von 1990 grundlegend geändert hat. So wurden mit dem vereinfachten Verfahren des § 495a ZPO im Jahre 1991 und dem obligatorischen Güte24 Vgl. die Darstellung des Verfahrens der Häuptlingsgerichte von Schapera, in: The Bantu-speaking Tribes of South Africa (1937; 5. Nachdruck 1956), S. 197 ff. und HammondTooke, in: The Bantu-Speaking Peoples of Southern Africa (2. Aufl. 1974), S. 344 ff.; zu den Township-Gerichten vor allem Hund, in: Law and Justice in South Africa (1988), S. 203 ff. und Van Niekerlc, in: 27 (1994) De Jure 19 ff. 25 Vgl. die 23 Länderberichte in Cappelletti (Hrsg.), Access to Justice, Bd. 1 / 1 und 1 / 2 (jeweils 1978). Der deutsche Länderbericht stammt von Bender/Strecker, Access to Justice in the Federal Republic of Germany, in: Cappelletti (Hrsg.), Access to Justice, Bd. 1/2 (1978), S. 527 ff. 26 Hierbei handelte es sich um die Bagatellverfahren in Schweden, Australien sowie in England und Wales, vgl. Cappelletti (Hrsg.), Access to Justice, Bd. 2 / 2 (1978), S. 489 ff. 27 Fasching, in: Justice (1978), S. 345. Der Aufsatz von Fasching faßt die Ergebnisse von 17 Länderberichten (Schweden, Großbritannien, Spanien, Norwegen, Polen, DDR, Griechenland, USA, Japan, Türkei, Finnland, Bundesrepublik Deutschland, Dänemark, Italien, Australien, Schweiz, Mexiko) zum gerichtlichen Rechtsschutz in Bagatellsachen zusammen. Der deutsche Länderbericht stammt von Leipold, in: Humane Justiz (1977), S. 91 ff. 2

® Whelan (Hrsg.), Small Claims Courts (1990). Diese Arbeit enthält 8 Länderberichte (USA, Kanada, Australien, Neuseeland, England und Wales, Nordirland, Bundesrepublik Deutschland, Japan). Der deutsche Beitrag stammt von Röhl, Small Claims in Civil Court Proceedings in the Federal Republic of Germany, S. 167 ff. 29 Vgl. Cappelletti (Hrsg.), International Encyclopedia of Comparative law, Bd. 16 (Civil Procedure). Der erste Teilband von Band 16 ist im Jahre 1972 erschienen.

Α. Der Begriff der zivilrechtlichen Bagatellsache

23

verfahren nach § 15a EGZPO im Jahre 1999 wichtige BagatellVorschriften eingeführt, die in keiner der drei Untersuchungen berücksichtigt werden konnten.

A. Der Begriff der zivilrechtlichen Bagatellsache Gegenstand der Arbeit ist der gerichtliche Rechtsschutz in zivilrechtlichen Bagatellstreitigkeiten. Diese nehmen im Zivilprozeßrecht eine Sonderstellung ein, da sie seit jeher (in Deutschland ζ. B. seit dem Beginn der Rezeption des schwerfälligen römisch-kanonischen Prozesses) in einem speziellen Verfahren erledigt werden. In der Vergangenheit wurde dieses Verfahren meist als „summarisch" bezeichnet, wobei man unter diesem Begriff keinen konkreten Rechtsgang, sondern eine Vielzahl ganz unterschiedlicher Verfahrensgestaltungen verstand, die jeweils zum Zwecke der Verfahrensvereinfachung und -beschleunigung vom ordentlichen Prozeß abwichen. Den vielleicht wichtigsten Anwendungsbereich des „summarischen" Verfahrens bildeten die Bagatellstreitigkeiten, die in der Vergangenheit auch als „geringe Rechtssachen"30, „Bagatellen" 31 , „geringschätzige" 32 oder „geringfügige Sachen"33 bezeichnet wurden. Der Umfang der Befreiung von den Vorschriften des Regelverfahrens und damit der Grad der Formalisierung des Bagatellprozesses schwankte im Laufe der Zeit erheblich. Schwierigkeiten bereitet die Abgrenzung der Bagatell- von den Nicht-Bagatellstreitigkeiten. Offensichtlich sind mit Bagatellstreitigkeiten bzw. Bagatellsachen solche mit geringer Bedeutung, also geringfügige Streitigkeiten gemeint34. Wo genau liegt jedoch die Grenze der Geringfügigkeit? Einen objektiven Maßstab hierfür gibt es nicht. Die Bestimmung der Bagatellgrenze hängt ganz vom Standpunkt des Betrachters ab, ist also relativ: Der Maus, der man das Fell über die Ohren zieht, tut es genauso weh wie dem Ochsen, auch wenn das Fell der Maus noch so klein sein mag 35 . Naheliegend wäre es mithin, den Begriff der „Bagatellstreitigkeit" von Fall zu Fall ζ. B. nach dem Verhältnis der Höhe des Anspruchs zum Einkommen der Parteien zu bestimmen. Diese Methode ist allerdings wenig praxistauglich, da die Bestimmung des Einkommens der Parteien häufig schwierig ist und umfangreiche Ermittlungen erfordert, die dem Vereinfachungsziel zuwiderlaufen. Allgemein durchgesetzt hat sich 30

Vgl. die Brandenburgische Kammergerichtsordnung von 1516. Vgl. das preußische „Edict, das bey allen Ober- und Untergerichten diejenige Sachen, welche Bagatellen concernieren ... auf einmal abgethan (werden) sollen" von 1739. 31

32

Vgl. ζ. B. die Bayerischen Gerichtsordnungen von 1520 und 1616. Vgl. das sächsische „Mandat die Abstellung prozessualischer Weitläufigkeiten in geringfügigen Rechtssachen betreffend" von 1753. 34 Zur Begriffsbestimmung ausführlich Kunze, Bagatellverfahren (1995), S. 6 ff.; Fasching, in: Justice (1978), S. 345 (349 ff.); Leipold, in: Humane Justiz, S. 91 (92 ff.) 3 5 Vgl. Kreittmayr, Anmerkungen (1842), S. 153. 33

24

Einleitung

daher sowohl in Deutschland als auch im Ausland die Bestimmung des Begriffs anhand eines objektivierten Maßstabs, nämlich in erster Linie anhand einer festgelegten Streitwertgrenze für den geltend gemachten Anspruch 36. In der gerichtlichen Praxis werden unter geringfügigen Streitigkeiten daher grundsätzlich nur solche Ansprüche verstanden, die die vom Gesetzgeber für das jeweilige Bagatellverfahren gezogene Streitwertgrenze nicht übersteigen. Da sich aus den zahlreichen untersuchten Verfahrensgesetzen jedoch keine gemeinsame Bagatellstreitwertgrenze ermitteln läßt 37 , wird in dieser Arbeit als Maßstab für die Geringfügigkeit der im jeweiligen Prozeßgesetz angegebene Streitwert zugrunde gelegt. Neben der Streitwertgrenze wurde bzw. wird häufig auch der Streitgegenstand zur Definition des Anwendungsbereichs herangezogen. In einigen, vor allem historischen Bagatellprozeßgesetzen wurden ganz unabhängig vom Streitwert u. a. Beleidigungsklagen, Nachbarschafts- und familiäre Streitigkeiten zu den geringfügigen Rechtssachen gezählt38. Sehr viel häufiger ist allerdings der Ausschluß ganzer Rechtsgebiete vom Anwendungsbereich des jeweiligen Bagatellverfahrens 39. Dies gilt seit dem 20. Jahrhundert ζ. B. für das Familien- und Arbeitsrecht - zwei Rechtsgebiete, die ganze Lebensbereiche gestalten und aufgrund ihrer finanziellen und psychologischen Bedeutung für die Parteien auch bei einem geringen Streitwert der Sache nicht für eine Erledigung in einem vereinfachten Verfahren geeignet sind 40 . Für sie bestehen spezielle Rechtswege bzw. Verfahren, auf welche die BagatellVorschriften keine Anwendung finden 41. Ohne daß dies positiv bestimmt würde, gehören somit hauptsächlich Streitigkeiten zwischen Dienstleistern und Verbrauchern, ζ. B. aus Kauf- oder Werkvertrag, also sog. „Konsumentenstreitigkeiten" zum Anwendungsbereich der Bagatellvorschriften 42. 36 Röhl, in: Small Claims Courts (1990), S. 167 (170); Fasching, in: Justice (1978), S. 345 (350). 37 Da die Streitwertgrenzen der einzelnen Bagatellgesetze in unterschiedlichen Währungen festgelegt wurden, deren genaue Kaufkraft sich heute teilweise nicht mehr bestimmen läßt, kommt die Festsetzung einer abstrakten Bagatellgrenze nicht in Betracht. Für den Zweck der Untersuchung, die Ermittlung der Effektivität des Rechtsschutzes in geringwertigen Streitigkeiten, ist eine solche abstrakte Definition aber auch nicht erforderlich. 38 Vgl. ζ. B. die Sächsische Prozeß- und Gerichtsordnung von 1622 und die Bagatellprozeßordnung der Stadt Amsterdam aus dem Jahre 1632, die alle Streitigkeiten zwischen Herrschaft und Gesinde, Meister und Knecht bzw. zwischen Gildebrüdern zu den „kleynen Saken" zählte. 39 Fasching, in: Justice (1978), S. 345 (350).

40 Ebenso Kunze, Bagatellverfahren (1995), S. 132 f.; Leipold, in: Humane Justiz (1977), S. 91 (93). 41 Vgl. ζ. B. den Ausschluß in § 15a EGZPO. Das obligatorische Güteverfahren ist nur in vermögensrechtlichen Streitigkeiten vor den Amtsgerichten bis zu DM 1500, nicht aber in Familiensachen durchzuführen. Auf das Verfahren vor den Arbeitsgerichten ist es gleichfalls nicht anwendbar (dieses sieht allerdings selbst ein obligatorisches Güteverfahren vor). Gem. § 46 Abs. 2 Satz 2 ArbGG findet auch das vereinfachte Bagatellverfahren gem. § 495a ZPO vor den Arbeitsgerichten keine Anwendung. Dasselbe gilt gem. §§ 608, 621a, 621b ZPO für das Verfahren der Amtsgerichte in Familiensachen.

Β. Der Zielkonflikt

25

Β. Der Zielkonflikt In der gerichtlichen Praxis stellt sich in geringwertigen Streitigkeiten das Problem der Verfahrenseffizienz bzw. Prozeßökonomie. Der geringe zu erwartende Ertrag rechtfertigt zur Erledigung des Streits sowohl von seiten der Parteien als auch des Gerichts nur einen minimalen Aufwand an Zeit, Geld und Arbeitskraft. Dieses Problem bei der gerichtlichen Erledigung von Bagatellstreitigkeiten ist - wie die rechtsvergleichenden Arbeiten zum Thema gezeigt haben43 - universell und existiert weltweit. Die Ansätze, die in den verschiedenen Ländern - ζ. B. in Deutschland und Südafrika - zur Lösung des Problems entwickelt wurden, unterscheiden sich jedoch teilweise beträchtlich. Dies findet seine Ursache zum einen in Unterschieden in der rechtshistorischen Entwicklung und zum anderen darin, daß die Ausgestaltung eines Bagatellverfahrens von den ihr jeweils zugrundeliegenden Zielvorstellungen abhängt44. Hierbei lassen sich hinsichtlich des Problems der Prozeßökonomie zwei entgegengesetzte Herangehensweisen unterscheiden: auf der einen Seite steht das Interesse des Staates an der Entlastung der Gerichte, und auf der anderen das Interesse des Bürgers an der Effektivität des Rechtsschutzes.

I. Das Entlastungsinteresse Das Problem der Überlastung der staatlichen Gerichte ist nicht neu. Vor allem in Krisenzeiten wie ζ. B. im ersten Weltkrieg oder zu Zeiten der Hyperinflation in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts machten die Personal- und Finanzknappheit in Deutschland Einschnitte in das Rechtsschutzsystem notwendig. Da geringwertige Streitigkeiten wie oben bereits angedeutet einen großen Teil der Zivilstreitigkeiten ausmachen, gleichzeitig aber vermeintlich unbedeutend sind, schienen sie für Vereinfachungsmaßnahmen zum Zweck der Justizentlastung - wie ζ. B. dem Ausschluß von Rechtsmitteln - schon früher gut geeignet45. Einen neuen Schub erhielt die Idee der Entlastung der Gerichte von Bagatellsachen erst in jüngerer Zeit: Durch die Umwandlung der industrialisierten Gesellschaft in eine moderne Dienstleistungsgesellschaft ist die Zahl der gerichtlichen Streitigkeiten zwischen Dienstleistern und Verbrauchern (sog. Konsumentenstreitigkeiten) sprunghaft angestiegen 46 . Der personelle Ausbau des Gerichtssystems hat mit diesem Anstieg aus finanziellen Gründen nicht Schritt halten können. Auf der Suche nach Möglichkei42 Fasching, in: Justice (1978), S. 345 (351); Wollschläger, 43

in: Methoden (1991), S. 13 (58).

Fasching, in: Justice (1978), S. 345; Whelan, in: Small Claims Courts (1990), S. 207. 44 Whelan, in: Small Claims Courts (1990), S. 207. 45 Vgl. ζ. B. die Bekanntmachung zur Entlastung der Gerichte aus dem Jahre 1915. 46 Zwischen 1965 und 1985 ist die Zahl der vor den deutschen Amtsgerichten anhängig gemachten Klagen um 50%, bei den Landgerichten sogar um 83% gestiegen, Röhl, in: Small Claims Courts (1990), S. 167 (170).

26

Einleitung

ten zur wirksamen Entlastung der Gerichte von der „Prozeßflut" wandte sich das Interesse des Gesetzgebers erneut den geringwertigen Streitigkeiten zu 4 7 . Der vorläufige Endpunkt dieser Entwicklung sind in Deutschland das vereinfachte Verfahren gem. § 495a ZPO (seit 1991) und die Einführung des obligatorischen außergerichtlichen Güteverfahrens (1999).

II. Das Interesse an der Effektivität des Rechtsschutzes Dem Ziel, die staatlichen Gerichte von kaum lohnender Arbeit zu entlasten, steht die Forderung gegenüber, den Rechtsschutz des Bürgers in Zivilrechtsstreitigkeiten zu verbessern. Erste gezielte Ansätze in diese Richtung finden sich in Deutschland bereits zur Zeit der Aufklärung. Das Bestreben der aufgeklärten Fürsten war auf Humanisierung des Rechts und eine Verbesserung des Schicksals der „armen Leute" gerichtet, die damals die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung darstellten 48. Unter der Prämisse, daß arme Leute vor allem in geringwertigen Streitigkeiten mit den Gerichten in Berührung kommen, wurden besondere Maßnahmen im Bereich der Bagatellstreitigkeiten getroffen, um die Zugänglichkeit der Gerichte für gerade diese Bevölkerungsgruppe zu erhöhen 49. Im Zuge des Abbaus der Ständegesellschaft und der Einführung eines einheitlichen Prozesses für alle Bürger wurden die speziellen Bagatellverfahren gegen Ende des 19. Jahrhunderts in Deutschland aber weitestgehend abgeschafft. Einen Aufschwung erlebte der Gedanke der Effektuierung des zivilgerichtlichen Rechtsschutzes in den USA seit den 1960er 50 und weltweit im Rahmen der bereits oben erwähnten „Access to Justice"-Bewegung seit den 1970er Jahren. Letztere arbeitete interdisziplinär 51 und ging vom Gedanken der Durchsetzung des „sozialen Rechtsstaats" aus 52 . Eines der Hauptanliegen der Bewegung war die Verbesserung 47 Nach Ansicht von Wollschläger, in: Methoden (1991), S. 13 (86) ist es „nach dem Rationalprinzip" gerechtfertigt, bei der Verteilung der „knappen Ressource Recht" auf höherwertige Streitigkeiten mehr Richterarbeit zu verwenden als auf geringwertige. Er hält sogar die Forderung, kleinste Forderungen generell unklagbar zu stellen, nicht für abwegig. 48 Döhring, Deutsche Rechtspflege (1953), S. 321. 49

Vgl. nur das preußische „Edict, das bey allen Ober- und Untergerichten diejenige Sachen, welche Bagatellen concernieren ... auf einmahl abgethan (werden) sollen" von 1739 und das sächsische „Mandat, die Abstellung prozessualischer Weitläufigkeiten in geringfügigen Rechtssachen betreffend" von 1753. 50 In den USA hatte sich bereits in den 1960er Jahren eine sog. „Consumer Justice"-Bewegung formiert, die den Mißbrauch einiger Small Claims Courts als Schuldbeitreibungsinstrumente durch Unternehmen und Geschäftsleute kritisierte, vgl. Weller/Ruhnka/Martin, in: Small Claims Courts (1990), S. 5; Yngvesson/Hennesey, 9 (1975) Law & Society Review 219, geben eine Übersicht über die US-Literatur zu den Small Claims Courts bis 1974. 51 Nach Ansicht von ihrem Mitbegründer Cappelletti, in: 109 (1992) SALJ 22 (25) ist jedes Rechtssystem nur ein Bestandteil eines komplexen Gesellschaftssystems und kann nicht losgelöst von dessen wirtschaftlichen, ethischen und politischen Grundlagen betrachtet werden. 52 Cappelletti, in: 109 (1992) SALJ 22 (27).

Β. Der Zielkonflikt

27

des Zivilrechtsschutzes in Bagatellsachen (sog. „Small Claims") 53 . Zu diesem Zweck sollten - so die Forderung seiner Vertreter - in Bagatellsachen die Verfahrenskosten gesenkt54, die Verfahrensdauer verkürzt 55 und die Waffen- und Chancengleichheit des meist auf der Beklagtenseite stehenden Verbrauchers gegenüber dem klagenden Unternehmen bzw. Geschäftsmann erhöht werden 56. Die Forderungen der Access-to-Justice-Bewegung fanden vor allem in den Ländern, die vom anglo-amerikanischen Zivilprozeß geprägt sind - und damit auch in Südafrika - , Eingang in die Literatur und Praxis 57. In Deutschland wurde hingegen zwar den Zugangshindernissen zum Gericht allgemein 58 , nicht aber der Behandlung von sog. Bagatellsachen" besondere Aufmerksamkeit geschenkt59. Hierin spiegelt sich die hierzulande weitverbreitete Vorstellung wieder, daß in Deutschland kein Problem der Effektivität des Rechtsschutzes in Bagatellsachen existiert 60 , sondern lediglich das Problem einer „Prozeßflut", welchem man am besten durch die Entlastung der Gerichte von geringfügigen Streitigkeiten beikommen könne 61 .

IQ. Verfolgter Ansatz Die Lösung des Effektivitätsproblems genießt meines Erachtens Vorrang vor Bestrebungen, die allein auf eine Arbeitsentlastung der Richter und damit auf eine Kostenersparnis des Staates abzielen. Dies gilt um so mehr, als der gegenwärtige Gerichtsaufbau, der hinsichtlich der Zuständigkeit des Eingangsgerichts und der Zulässigkeit eines Rechtsmittels nach dem Streitwert differenziert, den 53 Cappelletti /Garth, in: Access to Justice, Bd. 1 / 1 (1978), S. 3 (69 ff.). 54 Cappelletti /Garth, in: Access to Justice, Bd. 1/1 (1978), S. 3 (13); Fasching, in: Justice (1978), S. 345 (353). 55 Leipold, in: Humane Justiz (1977), S. 91 (101). 56 Wollschläger, in: Methoden (1991), S. 13 (57) fand in einer Untersuchung der Verfahren der hessischen Amtsgerichte heraus, daß die Zahl der Prozesse von „Nichtprivat gegen Privat" in Bagatellstreitigkeiten bis zu DM 1000 überdurchschnittlich hoch ist (bis zu 63%); ebenso Leipold, in: Humane Justiz (1977), S. 91 (95). 57 Cappelletti, in: 22 (109) SALJ 22 mwN in FN 1. Vgl. nur für die USA: Ruhnka/Weller, Small Claims Courts: A National Examination (1978) sowie für England und Wales: Applebey, Small Claims in England and Wales (1978), Baldwin, Small Claims in the County Courts in England and Wales (1997). 58 Vgl. nur Bender/Schumacher, Erfolgsbarrieren (1980). 59 Vgl. Röhl, in: Small Claims Courts (1990), S. 167 (168); Leipold, in: Humane Justiz (1977), S. 91; Wollschläger, in: Methoden (1991), S. 13 (16). 60 So z. B. Röhl, in: Small Claims Courts (1990), S. 167 (180), der allerdings einräumt, daß der deutsche gerichtliche Rechtsschutz in Bagatellsachen durchaus noch verbesserungsfähig ist. Insbesondere nennt er hier die extensive Schriftlichkeit und die hohen Kosten des Verfahrens. 61 Wollschläger,

in: Methoden (1991), S. 13 (36).

28

Einleitung

höherwertigen Streitigkeiten bereits mehr Richterarbeitszeit als den Bagatellsachen zuweist62. Nur dort, wo die Justiz für jedermann mit möglichst geringem Aufwand ein Maximum an Rechtsschutz und Gerechtigkeit zu bieten vermag, kann sie in der Bevölkerung Vertrauen in ihre Funktionsfähigkeit und die Effektivität des Rechts hervorrufen. Dieser Ansatz ist im modernen Rechtsstaat auch von Verfassungs wegen geboten: Es gehört zu den genuinen Aufgaben des Staates, dem steuerzahlenden Bürger, der dem Staat das Gewaltmonopol übertragen hat, eine funktionierende Rechtspflege zur Verfügung zu stellen. Dabei erfüllen die Gerichte und das Prozeßrecht dienende Funktion. Im Vordergrund steht das Interesse des Bürgers, der um sein Recht kämpft, und nicht das Interesse des Staates an der Bewährung der objektiven Rechtsordnung 63. Aus dieser dienenden, nutzerorientierten Funktion des Prozeßrechts folgt, daß es den Aufgaben, die es zu bewältigen hat, angepaßt sein muß. Für geringwertige Streitigkeiten bedeutet dies, daß im Interesse des Rechtsschutzsuchenden spezielle Gerichtsverfahren existieren müssen, die sowohl dem Problem der Prozeßökonomie als auch dem der Waffen- und Chancengleichheit Rechnung tragen 64.

C. Der Gang der Untersuchung Die Idee, den Rechtsgang in geringwertigen Streitigkeiten durch ein gegenüber dem ordentlichen Rechtsgang vereinfachtes Verfahren kostengünstiger und kürzer zu gestalten, ist keineswegs neu. Wie oben erwähnt, erfordert die Rechtsvergleichung auch die Berücksichtigung der historischen Genese der heute existierenden Regeln. Die Untersuchung beginnt daher mit einer Darstellung der Entwicklung des Bagatellprozesses in beiden Ländern (1. Kapitel). Im Anschluß daran werden in einer Bestandsaufnahme die gegenwärtig in Deutschland und Südafrika existierenden Rechtsschutzmöglichkeiten in Bagatellsachen auf ihre Effektivität untersucht (2. Kapitel). Dabei ist der besonderen Abhängigkeit des Prozeßrechts von den verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Ausgestaltung des Verfahrens Rechnung zu tragen. In einem ersten Schritt werden daher aus den Prozeßgrundrechten beider Länder allgemeine Anforderungen an die Ausgestaltung des gerichtlichen Rechtsschutzes in Bagatellsachen gewonnen. In einem zweiten Schritt werden dann die Rechtsschutzmöglichkeiten in Bagatellsachen in Deutschland und Südafrika unter Berücksichtigung ihrer Effektivität dargestellt. Naturgemäß kann eine 62

Vgl. Begründung des Regierungsentwurfs zur ZPO-Reform vom 6. 9. 2000, in: NJW 2000/Beilage zu Heft 40, S. 16. Die Entwurfsbegründung rügt, daß die Verteilung der richterlichen Art>eitskraft auf die erste und zweite Instanz derzeit nicht optimal sei. Der starke personelle Ausbau der Kontrollinstanz sei gerade im Hinblick auf die relativ geringe Quote der Einlegung und des Erfolgs von Berufungen nicht geboten. 63 Vgl. etwa BVerfGE 52, 131 (153). w Cappelletti /Garth, in: Access to Justice, Bd. 1 / 1 (1978), S. 3 (72).

C. Der Gang der Untersuchung

29

solche Untersuchung sich nicht auf eine Darstellung der theoretisch bestehenden Rechtsschutzmöglichkeiten beschränken, sondern muß diese in ihrer praktischen Umsetzung schildern. Die sozio-ökonomischen Grundlagen beider Länder werden daher in den Vergleich miteinbezogen. In einem dritten Schritt wird gezeigt, ob und wenn ja, welche - Konsequenzen der deutsche und südafrikanische Gesetzgeber aus den etwaigen Rechtsschutzdefiziten für zukünftige Reformen angekündigt hat. Zuletzt werden aus den so gewonnenen Erkenntnissen eigene Schlußfolgerungen für die Verbesserung des deutschen Bagatellprozesses gezogen (3. Kapitel).

1. Kapitel

Die Entwicklung des Bagatellprozesses in Deutschland und Südafrika In einer historischen Bestandsaufnahme werden an dieser Stelle die wichtigsten in Deutschland und Südafrika seit der Rezeption des römischen Rechts entwickelten Bagatellverfahren und -gerichte unter Berücksichtigung ihrer praktischen Umsetzung dargestellt. Als Ausgangspunkt bietet sich aus zwei Gründen der Beginn der Rezeption des gemeinen römisch-kanonischen Rechts an. Zum einen erfolgte erst mit dem Eindringen des römisch-kanonischen Prozesses eine deutliche Scheidung von Zivilprozeß und Strafprozeß 1. Zum anderen gab erst die Übernahme des schwerfälligen ordentlichen Verfahrens den Anstoß zur Entwicklung eines vereinfachten Bagatellverfahrens als eigenständige Prozeßart.

A. Deutschland Die Geschichte des Bagatellprozesses beginnt in Deutschland mit der Rezeption des römisch-kanonischen Prozesses. In demselben Maße, wie sich dessen schwerfälliges schriftliches Verfahren vor den deutschen Gerichten durchsetzte, wuchs die Notwendigkeit, Bestimmungen für ein vereinfachtes Verfahren in geringfügigen Rechtssachen zu schaffen. Zunächst waren allerdings weder der Begriff der Geringfügigkeit noch das in geringfügigen Rechtssachen zu beobachtende Verfahren konkret bestimmt. Es war lediglich angeordnet, daß kein ordentlicher, schriftlicher Prozeß durchzuführen sei. Offensichtlich sollte in Bagatellsachen weiterhin das althergebrachte mündliche Verfahren gelten. Erst allmählich schälte sich der Bagatellprozeß als eigene Prozeßart heraus. In einem kurzen Überblick wird zunächst das Verfahren vor den deutschen Gerichten zu Beginn der Rezeption (also um die Mitte des 15. Jahrhunderts) geschildert (I.). Anschließend wird die Entwicklung des Bagatellprozesses seit der Rezeption bis heute anhand von repräsentativen Beispielen dargestellt (Π. - IV.). Dabei ergibt sich das Problem, daß die Fülle der verschiedenen Gerichte und Verfahren in den Territorien unüberschaubar groß ist 2 . Das liegt zum einen an • Buchda, HRG, Bd. 1 (1971), Sp. 1551; Volbert, in: Handbuch der bayerischen Geschichte, 2. Bd. (1988), S. 605/606. 2 Gehrke, in: Handbuch der Quellen, Bd. 2 / 2 (1976), S. 310; Kleinfellner, in: Planck-Festschrift (1887), S. 273 (279).

Α. Deutschland

31

der großen Zahl der bis zur Reichseinheit im Jahre 1871 eigenständigen Territorien und zum anderen an der Tatsache, daß die Konzentration der Gerichtsgewalt beim Staat eine vergleichsweise neue Erscheinung darstellt. Das ganze Mittelalter und die frühe Neuzeit hindurch gehörte Gerichtsbarkeit in nicht-staatlichen Händen zu den Alltäglichkeiten der Justiz. Erst mit der Ausprägung des modernen Staates in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden die Gerichtsgewalt vom Staat monopolisiert 3. Die Untersuchung darf sich auch nicht auf das Verfahren der Untergerichte beschränken: Da sich die Zuständigkeit der Gerichte bis in das 19. Jahrhundert hinein nicht wie heute nach der Höhe des Streitwerts, sondern nach der Standeszugehörigkeit richtete, wurden Bagatellstreitigkeiten sowohl durch die niederen als auch durch die höheren Gerichte entschieden4. Angesichts dieser Stoffülle muß sowohl hinsichtlich des Kreises der behandelten Territorien als auch in Bezug auf die herausgegriffenen Gesetze für den Zeitraum vom 16. bis 19. Jahrhundert (bis zur Reichseinheit) eine Auswahl getroffen werden. Die Entwicklung in den Territorien wird insoweit anhand der Bagatellverfahren Brandenburg-Preußens, Bayerns und Kursachsens dargestellt. Durch diese Auswahl wird zum einen eine vergleichsweise große Fläche und Bevölkerungszahl abgedeckt, zum anderen sind die Entwicklungen dieser Länder in ihrem unterschiedlich starken Rückgriff auf das herkömmliche und das gemeine Prozeßrecht für die gesamte Rechtsentwicklung in Deutschland repräsentativ. Wahrend sich der ordentliche gemeine Zivilprozeß in Bayern in der Ausprägung, die er durch das Verfahren des Reichskammergerichts gefunden hatte, durchsetzte, war er in Sachsen stark vom herkömmlichen germanischen Rechtsbrauch beeinflußt. Brandenburg-Preußen ist für die Prozeßrechtsentwicklung von großer Bedeutung, weil es bei der Reform des Zivilprozesses im 18. und 19. Jahrhundert ganz eigene Wege beschritt.

I. Der Beginn der Rezeption des römisch-kanonischen Verfahrens: Die Unterscheidung zwischen ordentlichem und summarischem Prozeß Seit dem 12. Jahrhundert nahm das römische Recht Einfluß auf die Rechtsentwicklung Deutschlands. Von einer Rezeption auch bei nicht-kirchlichen Gerichten kann man allerdings erst seit dem 15. Jahrhundert sprechen5. Das rezipierte Prozeßrecht war nicht das antike römische, sondern das mittelalterliche römisch-kanonische Recht. Dieses hatte sich aus dem römischen Recht der Zeit Kaiser Justinians und aus den Traditionen der christlichen Kirche heraus entwickelt6. Vor den geist3 Vgl. Werthmann, Patrimonialgerichtsbarkeit (1995), S. 1. 4 Döhring, Deutsche Rechtspflege (1953), S. 12. 5 Conrad, Deutsche Rechtsgeschichte, Bd. 1 (1962), S. 347; Zweigert/Kötz, gleichung (3. Aufl., 1996), S. 131.

Rechtsver-

32

1. Kapitel: Die Entwicklung des Bagatellprozesses

liehen Gerichten, die in Zivilsachen auch für Streitigkeiten zwischen Laien über sog. „causae mixtifori" zuständig waren 7, galt der römisch-kanonische Prozeß bereits seit dem 12. Jhr., also schon bevor er sich auch vor den weltlichen Gerichten durchsetzte8. Vor letzteren fand noch lange der althergebrachte mündliche Rechtsgang9 Anwendung, der im späten Mittelalter nur spärlich kodifiziert und im überwiegenden Maße durch Rechtsbücher wie den Sachsen- und Schwabenspiegel sowie durch die gerichtliche Übung bestimmt war 10 . Für die Entwicklung des späteren Bagatellprozesses war von Bedeutung, daß bereits das gemeine römisch-kanonische Prozeßrecht zwischen einem sog. ordentlichen Verfahren („solennis ordo iudiciorum") und einem vereinfachten beschleunigten Rechtsgang unterschied. Vor den weltlichen Gerichten fand hingegen eine Differenzierung des Gerichtsverfahrens - abgesehen von der Unterteilung in Klagen um Schuld (Geldschuld), um Gut (bewegliches Gut) sowie um Eigen und Erbe (Liegenschaften) 11 - nicht statt. Insbesondere war die römischrechtliche Unterscheidung zwischen ordentlichem und summarischem Prozeß noch unbekannt12. Zu den Hauptmerkmalen des ordentlichen Prozesses13 gehörte ein kräftiger Ansatz zur Schriftlichkeit, die den gesamten Prozeß beherrschte und ihm die Öffentlichkeit nahm. Den Parteien gewährte er viel Spielraum (Verhandlungsmaxime). Gleichzeitig war er aber darauf ausgerichtet, daß alles in der logischen Reihenfolge ablaufe. Ein System fester Termine für die einzelnen Prozeßhandlungen sollte dies gewährleisten 14. Im 13. Jahrhundert waren 12-15 Termine vorgesehen; die Zahl konnte aber auf über 20 steigen15. Neben dem ordentlichen Rechtsgang hatte sich

6 Kern, Gerichtsverfassungsrecht (1954), S. 18; Schmidt, Lehrbuch (2. Aufl. 1906); S. 72. Es wird daher im folgenden vom „römisch-kanonischen" und nicht vom „römischen" Recht gesprochen. 7 Kern, Gerichtsverfassungsrecht (1954), S. 21. Zu diesen gehörten Ehesachen, Testamentsstreitigkeiten, Wucher u. a. » Sellen, HRG, Bd. 4 (1990), Sp. 29 (30). 9 Ausführlich zum spätmittelalterlichen Zivilprozeß Conrad, Deutsche Rechtsgeschichte, Bd. 1 (1962), S. 385 f. und (nach bayerischen Quellen) Schlosser, Spätmittelalterlicher Zivilprozeß (1971), S. 221 ff. sowie für die Mark Brandenburg Kuhns, Geschichte, Bd. 2 (1867), S. 337 ff. 10 Kleinfellner, in: Planck-Festschrift (1887), S. 273 (281).

n Dazu Conrad, Deutsche Rechtsgeschichte, Bd. 1 (1962), S. 388. 12 Vgl. Buchda, HRG, Bd. 1 (1971), Sp. 1554, welcher als besondere Verfahrensarten im germanisch-deutschen Recht lediglich die Spurfolge, den Anefang, das Handhaftverfahren, die Klage gegen den toten Mann und ein Rügeverfahren nennt; Mittermaier, in: AcP 7 (1824), S. 369 (377). ι 3 Eine übersichtliche Darstellung des Prozeßgangs findet sich bei Buchda, HRG, Bd. 1 (1971), Sp. 1555. 14 Buchda, HRG, Bd. 1 (1971), Sp. 1555. 15 Wesener, HRG, Bd. 3 (1984), Sp. 68.

Α. Deutschland

33

schon f r ü h 1 6 ein beschleunigtes Verfahren 17 herausgebildet. Dieses war als Verfahren „de p i a n o " 1 8 bekannt und wurde als solches i m Jahre 1306 in der Clementina Saepe vom Papst gebilligt und geordnet 1 9 . Die Bestimmung der Fälle, in welchen dieses Verfahren zur Anwendung kommen sollte, enthielt die i m Jahre 1311 ergangene Clementina „Dispendiosam" 20. Danach sollte das summarische Verfahren in Prozessen über Kirchenpfründen oder den Zehnten, nicht aber in Ehesachen Anwendung finden. Geringwertige Streitigkeiten wurden in der Clementina Dispendiosam als solche nicht erwähnt. Das Dekret bestimmte, daß die i m Einzelfall an den Richter ergehende päpstliche Anweisung, „simpliciter et de piano " und „ sine strepitu et figura " zu verfahren, dahingehend zu verstehen sei, daß dieser eine förmliche Klageschrift und eine förmliche Litiskontestation 2 1 nicht fordern durfte und ermächtigt sei, auch in den Gerichtsferien zu verhandeln. Zudem müsse der Richter jede Verzögerung verhindern 2 2 und den Prozeß so viel als möglich abkürzen durch Zurückweisung aller prozeßverschleppenden Einreden 2 3 und Appellationen, die Schlichtung der Streitigkeiten zwischen den Parteien, den Advokaten und Prokuratoren sowie die Verhinderung einer überflüssigen Menge an Zeugen. Das Positionalverfahren des ordentlichen Rechtsgangs wurde beibehalten 24 . Jedoch sollte die Einbringung der 16 Dazu Briegleb, Einleitung (1859), S. 20-23 führt sieben päpstliche Instruktionen an, die seit 1160 eine Abweichung vom ordentlichen Rechtsgang vorschrieben. Auf S. 29-32 benennt Briegleb Beispiele für ganz ähnliche Regelungen in zahlreichen italienischen Stadtrechten. 17

Briegleb, Einleitung (1859), S. 80 lehnt die gebräuchliche Bezeichnung als summarisches Verfahren ab, da das Verfahren „de piano" zwar gegenüber dem ordentlichen Verfahren formell vereinfacht gewesen, das Erkenntnis materiell aber nach den auch dort geltenden Grundsätzen erfolgt sei. 18 Dieser Begriff findet sich schon in römischen Rechtsquellen und bezog sich ursprünglich auf den Ort der Gerichtsverhandlung, vgl. Mittermaier, in: AcP 7 (1824), S. 369 (373). Dekretale Papst Clemens V. vom 19. November 1306 (Clem. 5.11.2). Abgedruckt auch bei Briegleb, Einleitung (1859), S. 27 f. 20 Dekretale Papst Clemens V. aus dem Jahre 1311 (Clem. 2.1.2); auch abgedruckt bei Briegleb, Einleitung (1859), S. 29. 21 Dazu ausführlich Briegleb, Einleitung (1859), S. 35-51. Die Litiskontestation war die Einlassung des Beklagten auf den Rechtsstreit. Fehlte die förmliche Litiskontestation, war ein trotzdem ergangenes Urteil nichtig. Durch Verweigerung der Zustimmung zum Rechtsstreit und das Vorbringen dilatorischer Einreden konnte der Beklagte den Verfahrensbeginn damit erheblich hinauszögern, wenn nicht ganz verhindern. 22 Dies beinhaltete auch die Befugnis des Richters, die Zahl der im ordentlichen Rechtsgang vorgeschriebenen Termine zu reduzieren, Briegleb, Einleitung (1859), S. 53. 23 Nach Ansicht von Briegleb, Einleitung (1859), S. 45, wurde der Beklagte damit gezwungen, zur Vermeidung der Präklusion alle dilatorischen und peremtorischen Einreden bereits im ersten zur Verteidigung gegen die Klage angesetzten Termin geltend zu machen. 24 Nach dem reinen Artikelprozeß konnte der Beklagte nach vollzogener Litiskontestation auf den von dem Kläger in einzelne Positionen (Artikel) aufgegliederten Prozeßstoff erwidern (responsiones). Aus den Positionen und Responsionen wurden die Beweisartikel (Probatorialartikel) zusammengefaßt. Über diese wurde dann Beweis erhoben. Beweismaterial 3 Engbers

34

1. Kapitel: Die Entwicklung des Bagatellprozesses

Positionen und aller Beweismittel möglichst in einem Termin erfolgen. Zudem wurde der Richter ermächtigt, die Parteien auf deren Antrag oder von Amts wegen zu befragen und das Urteil zu erlassen, sobald ihm das zweckmäßig erschien, also ohne Rücksicht darauf, ob die Parteien den Prozeß noch länger fortzusetzen wünschten. Dies stand im Widerspruch zum ordentlichen Rechtsgang, bei dem es nach der Dispositionsmaxime Sache der Parteien war, zu bestimmen, ob und wann die Sache geschlossen werden konnte 25 . Im Verfahren „de piano" wurden die Parteirechte also eingeschränkt und die Prozeßleitungsbefugnisse des Richters gegenüber dem ordentlichen Verfahren gestärkt. Jedoch wurde die Verhandlungsmaxime im Grundsatz beibehalten26.

II. Die Entwicklung im 16. und 17. Jhr.: Der Ausschluß des ordentlichen Prozesses in Bagatellsachen Entscheidend für die Rezeption des römisch-kanonischen Prozesses war neben der Anwendung des fremden Rechts durch die geistlichen Gerichte das im Jahre 1495 errichtete Reichskammergericht, dem das fremde Recht als Richtschnur dienen sollte. Ebenfalls trug dazu bei, daß sowohl das Reichskammergericht als auch überhaupt alle höheren Gerichte mit im römisch-kanonischen Recht ausgebildeten Juristen besetzt wurden 27 . Der schwerfällige römisch-kanonische Rechtsgang setzte sich nach dem Vorbild der RKGO allmählich auch in den Territorien durch. Allerdings verlief die Rezeption weder in allen deutschen Territorien noch innerhalb derselben vor allen Gerichten 28 einheitlich. Insbesondere in den Ländern des sächsischen Rechts und vor den unteren Gerichten konnte sich der heimische Rechtsbrauch und die ihm eigene Mündlichkeit des Verfahrens lange be-

waren Zeugen, Parteieid und Urkunden. Die Zeugen wurden unter Eid in Abwesenheit der Parteien über die sog. Beweisartikel vernommen. Das Ergebnis der Beweisaufnahme erhielt der Beklagte zur Kenntnis. Jetzt erst hatte er Gelegenheit, seine ebenfalls in Positionen gegliederten Einwände zu erheben. Die von dem Kläger bestrittenen Positionen hatte wiederum der Beklagte zu beweisen. 25 Briegleb, Einleitung ( 1859), S. 62. 26 Briegleb, Einleitung ( 1859), S. 71. 27 Bomsdorf, Prozeßmaximen (1971), S. 24; Conrad, Deutsche Rechtsgeschiche, Bd. 2 (1966), S. 456. 28 Zu Beginn der Neuzeit gab es in den deutschen Territori al Staaten untere Gerichte, Gerichte der Mittelinstanz und obere Gerichte. Untere Gerichte waren die Dorf- und Patrimonialgerichte der Gutsherren sowie die niederen Stadtgerichte. Der Instanzenzug richtete sich nach dem Stand: Für den Bauern und Bürger begann der Rechtszug beim Dorfgericht, gutsherrlichen Gericht oder Stadtgericht und endete beim nächsten Mittelgericht. Für den Adel war in erster Instanz das Mittelgericht und in zweiter Instanz das territoriale Oberappellationsgericht zuständig. In den Ländern ohne „Privilegium de non appellando" stand darüber noch das Reichskammergericht, vgl. Döhring, Deutsche Rechtspflege (1953), S. 11; Conrad, Deutsche Rechtsgeschichte, Bd. 2 (1966), S. 287.

Α. Deutschland

35

haupten29. Im folgenden wird zunächst das Verfahren vor dem Reichskammergericht kurz dargestellt (1.). Daran anschließend werden die Bagatellvorschriften in den Territorialstaaten untersucht (2.). Wie oben dargelegt, beschränkt sich die Untersuchung dabei auf Kursachsen (a), Brandenburg-Preußen (b) und Bayern (c).

1. Das Verfahren

vordem Reichskammergericht

Das Prozeßrecht des Reichskammergerichts entwickelte sich in anderthalb Jahrhunderten in zahlreichen Reichsabschieden (sog. älterer Kameralprozeß 30). Es beruhte zum einen auf den diversen Reichskammergerichtsordnungen, zum andern aber auch auf dem gewohnheitsrechtlich anerkannten Konzept der RKGO von 1613, auf einer Fülle von Reichsdeputations- und Visitationsabschieden sowie auf den sog. Gemeinen Bescheiden des Reichskammergerichts, in denen das Gericht bis zur Entscheidung des nächsten Reichstags streitige Verfahrensfragen vorläufig regelte 31. Grundlage des Kameralprozesses waren die Maximen des oben beschriebenen römisch-kanonischen Gerichtsverfahrens 32. Dazu gehörten die heute sog. Verhandlungsmaxime, die den Parteien die Herrschaft über den Prozeßstoff verlieh, die Dispositionsmaxime, nach der die Parteien über den Beginn, den Fortgang und das Ende des Verfahrens bestimmen konnten, die Litiskontestation, die Schriftlichkeit des Verfahrens, der Artikelprozeß (Positionalverfahren) und das Eventualprinzip, welches die Parteien zum Zwecke der Prozeßbeschleunigung zur Vermeidung der Präklusion dazu zwang, auf alle Tatsachen und Einreden, die der Gegner vorgebracht hatte, noch in derselben Verfahrensstufe 33 zu reagieren, auch wenn sie in einem Eventualverhältnis zueinander standen und deswegen unter Umständen gar nicht relevant werden konnten34. Neben dem ordentlichen Rechtsgang kannte der Kameralprozeß wie der römisch-kanonische Prozeß verschiedene summarische Verfahrensarten wie ζ. B. 29

Vgl. ζ. B. den Untergerichtsprozeß in „ringschätzigen Sachen" nach der bayerischen Gerichtsordnung von 1616; auf weitere mündliche Verfahren verweist Mittermaien in: AcP 7 (1824), S. 369 (380). 30 Vgl. hierzu Sellert, HRG, Bd. 4 (1990), Sp. 29-36; Buchda, HRG, Bd. 1 (1971), Sp. 1557; Conrad, Deutsche Rechtsgeschichte, Bd. 2 (1966), S. 456/7; Schwartz , Civilproceß-Gesetzgebung (1898), S. 65-126; Döhring, Deutsche Rechtspflege (1953), S. 19-22. 31 Sellen, HRG, Bd. 4 (1990), Sp. 30. 32 Zu den Maximen des Kameralprozesses Conrad, Deutsche Rechtsgeschiche, Bd. 2 (1966), S. 457; Sellert, HRG, Bd. 4 (1990), Sp. 29 (31). 33 Also auf in der Klage vorgebrachte Tatsachen in der Klageerwiderung und auf solche, die in der Replik enthalten waren, in der Duplik. 34 Das Eventualprinzip setzte einen weitgehend schriftlichen Prozeß voraus, der den Parteien genügend Zeit ließ, das gegen sie Vorgebrachte auf einmal erschöpfend zu beantworten. Insgesamt hat das Eventualprinzip nur wenig zur Prozeßbeschleunigung beigetragen. Dazu ausführlich Schubert, in: SZ Germ. 85 (1968), S. 127 (128 ff.). 3'

36

1. Kapitel: Die Entwicklung des Bagatellprozesses

den Mandats-, Exekutions- oder den Arrestprozeß. In welchen Fällen letztere zur Anwendung kommen und wie dann zu verfahren sein sollte, war ausführlich bestimmt. Zudem enthielten die Reichskammergerichtsordnungen einen Katalog von Streitigkeiten, in denen nicht der ordentliche, sondern ein summarischer Rechtsgang statthaben sollte. Die RKGO von 1555 ζ. B. zählte 30 Anwendungsfälle für einen außerordentlichen Prozeß auf. Allerdings waren dort weder Bagatellsachen erwähnt noch wurde bestimmt, welche Abweichungen vom ordentlichen Rechtsgang erlaubt waren. Offensichtlich sollte im großen und ganzen auch in den summarischen Rechtssachen das ordentliche Verfahren gelten, das aber durch verkürzte Fristen etwas gestrafft war 35 . Eine grundlegende Reform des Kammergerichtsprozesses erfolgte durch den Jüngsten Reichsabschied von 1654. Nach dem Dreißigjährigen Krieg lag das Reich am Boden. Nicht nur materielle Güter, auch das geistige Leben und damit Rechtswissenschaft und Rechtspflege hatten schwer gelitten. Unter diesen Umständen konnte man sich nicht darauf beschränken, auf Altes zurückzugreifen, sondern mußte gerade auch den Kammergerichtsprozeß von Grund auf erneuern. Der Jüngste Reichsabschied brachte die Übernahme sächsischer Rechtsgedanken für den Kameralprozeß 36. Er übernahm aus dem sächsischen Prozeß die Form der summarischen Klage 37 und beseitigte im Interesse einer Verkürzung des Verfahrens den „modus articulandi" für die Klage und deren Beantwortung 38. Das Artikulieren war nur noch für das Beweisverfahren von Bedeutung39. Damit bleibt festzuhalten, daß der Kameralprozeß zwar ein summarisches Verfahren kannte und auch seinen Anwendungsbereich regelte. Die konkrete Ausgestaltung des summarischen Verfahrens blieb aber insgesamt unklar. Die Abweichungen gegenüber dem ordentlichen Prozeß waren, zumal nach dessen Reform im Jahre 1654, gering. Der Begriff der geringfügigen Rechtssache war dem Reichskammergericht noch fremd.

2. Das Verfahren

in den Territorien

Im Zusammenhang mit der Rezeption des römisch-kanonischen Prozesses in Deutschland wurde das bislang im wesentlichen durch den Gerichtsgebrauch bestimmte Prozeßrecht umgestaltet und kodifiziert. Im 16. Jahrhundert galten die territorialen Prozeßordnungen zumeist nur für die Obergerichte. Erst seit dem 17. 35 Dick, Kameralprozeß (1981), S. 85. 36 Bomsdorf, Prozeßmaximen (1971), S. 26; Buchda, HRG, Bd. 1 (1971), Sp. 1558. 37 Diese ermöglichte die Darstellung des Sachverhalts in einer zusammenhängenden Schilderung anstatt in einzelnen Positionen. 38 § 34 JRA: „Soll der bisher in mehreren Wegen mißbrauchte modus zu artikulieren und ad articulos zu respondieren ... hierfür gänzlich kassiert und aufgehoben sein." 39 Vgl. § 49 JRA.

Α. Deutschland

37

Jahrhundert wurden sie auch auf die Untergerichte, in denen sich der althergebrachte mündliche Rechtsgang behauptet hatte, erstreckt. Die Kodifikationen in den Territorien folgten - mit mehr oder minder starken Abweichungen - dem Vorbild der RKGO und damit dem des ordentlichen römisch-kanonischen Prozesses. Anders als die RKGO enthielten die Verfahrensgesetze der Territorien aber spezielle Regeln für Bagatellsachen.

a) Kursachsen Im 16. Jahrhundert beschränkte sich die sächsische Prozeßgesetzgebung auf die landesherrlichen Obergerichte. Zunächst ergingen relativ rudimentäre Gerichtsordnungen für das Hofgericht in Wittenberg 40 und das Oberhofgericht in Leipzig 41 ; durch die kursächsischen Konstitutionen des Jahres 157242 wurde der auf Grundlage der Hofgerichtsordnungen und der Hofgerichtspraxis entstandene sächsische Prozeß schließlich fixiert 43. Weder die Hofgerichtsordnungen noch die kursächsischen Konstitutionen enthielten Bestimmungen zum Bagatell- bzw. summarischen Prozeß. Sie bestimmten lediglich, daß der Richter vor der Eröffnung des ordentlichen Prozesses einen Güteversuch zu unternehmen hatte. Erst im 17. Jahrhundert wurden in Sachsen spezielle Bestimmungen für geringwertige Streitigkeiten erlassen. Seine Ursache hatte dies darin, daß sich auch der ordentliche sächsische Prozeß - trotz seiner Abweichungen vom Kameralprozeß 44 - in Bagatellsachen als zu aufwendig erwies. So bestimmte eine Resolution des Jahres 1612 45 , daß „ geringe und schlechte Sachen " nicht zum Prozeß gewiesen, sondern ihnen möglichst „amicabili Compositione, oder durch gebührende Wei40 Hofgerichtsordnungen aus dem Jahre 1529 und 1550. Die erste der beiden Hofgerichtsordnungen enthielt nur Bestimmungen zur Gerichtsorganisation. Die zweite erweiterte den Text um verfahrensrechtliche Regelungen, die denen der Leipziger Oberhofgerichtsordnung von 1548 entsprachen. 41

Oberhofgerichtsordnung von 1548. „Churfürst Augusti Verordnungen und Constitutiones", vgl. dazu Buchda, HRG, Bd. 2 (1978), Sp. 1304 ff. 43 Schwartz, Civilproceß-Gesetzgebung (1898), S. 137. 44 Der sächsische Prozeß wies gegenüber dem Kameralprozeß (bis zu dessen Reform auf sächsischer Grundlage durch den JRA von 1654) folgende Besonderheiten auf: Die grundsätzliche Beibehaltung des Mündlichkeitsprinzips „vom Mund in die Feder", die strenge Beachtung des sog. Contumazialprinzips (Versäumnisurteil bzw. Klageabweisung bei Säumnis), die deutliche Trennung von Behauptungs- und Beweisverfahren durch ein Beweisurteil (Beweisinterlokut), das Verbot des artikulierten Verfahrens, die Reduzierung der Litiskontestation auf eine reine Beantwortung der Klage sowie die Anerkennung nur einer Instanz für das Vorbringen von Tatsachen und Beweisen, vgl. dazu Sellert, HRG, Bd. 4 (1990), Sp. 3 6 39; Buchda, HRG, Bd. 1 (1971), Sp. 1552 (1557/8); Schwartz, Civilproceß-Gesetzgebung (1898), S. 129. 42

45 Vgl. „Seiner Churfürstlichen Durchlaucht zu Sachsen Herrn Christiani II. Resolution und Erledigung derer Gebrechen" vom 23. April 1612, Ziffer 21.

38

1. Kapitel: Die Entwicklung des Bagatellprozesses

sung, abgeholfen" werden sollte 46 . Die Resolution enthielt damit eine Ermächtigung des Gerichts zur Entscheidung nach Billigkeit; der ordentliche Prozeß war ausgeschlossen. Die Prozeß- und Gerichtsordnung von 162247 formulierte diesen Gedanken weiter aus 48 . Sie ordnete in Titel 1 § 2 an, daß insbesondere „Sachen von keiner sonderlichen Wichtigkeit", z. B. „Injurien-Sachenaber u. a. auch Streitigkeiten zwischen armen Personen, zwischen Obrigkeit und Untertanen und zwischen nahen Verwandten nicht „leichtlich und ohne Unterscheid ... in weitläufftigen rechtlichen Prozeß gewiesensondern zuvor die Herbeiführung eines gütlichen Vergleichs zwischen den Parteien versucht werden sollte. Gelang dies nicht, sollte „zum wenigsten der Proceß mit ihrer bey der Bewilligung per modum compromissi oder sonsten, eingezogen" werden, damit „vergebliche Zeit und Geldspildung ersparet, und also ieder zu seiner Befugnis unb so viel desto schleuniger gelangen möge ". Der Sache nach wurde damit neben dem bereits bestehenden obligatorischen Güteverfahren ein anschließendes vereinfachtes Verfahren in Bagatellsachen eingeführt, dessen Umfang und Grenzen aber unbestimmt blieben. Es konnte zudem nur bei Einverständnis beider Parteien durchgeführt werden; ansonsten blieb es auch in Bagatellsachen beim ordentlichen Prozeß. Die soziale Intention der Prozeßordnung, den Zugang zum Gericht auch für arme Parteien sicherzustellen, kam in Titel 1, § 3 deutlich zum Ausdruck. Dort war vorgesehen, daß die Richter die Rechte der Armen „in gebührende schuldige Obacht nehmen sollen, damit Armuths wegen niemands in seinem Rechte verkürtzet werde". Offensichtlich wurde das Beschleunigungsziel der Prozeßordnung nicht erreicht. Dies kam auf verschiedenen Landtagen zur Sprache 49. Den dort erwähnten Übelständen sollte im Jahre 1661 mit Bescheid der Regierung zur „ Erledigung der Lande sgebrechen" 50 durch eine Ergänzung der Vorschriften zur Güteverhandlung abgeholfen werden. In der Praxis häuften sich aber weiterhin die Prozeßverschlep-

46 Im Zweifelsfall war jedoch ein ausführlicher Bericht einzuschicken und ein Bescheid über die zu fällende Entscheidung einzuholen. 47 „Proceß- und Gerichtsordnung Churfürst Georgens des I., darnach man sich in dero Landen bey Ober- und Untergerichten gleichförmig zu achten" vom 28. Juli 1622. Darstellung ihres Verfahrens bei Schwartz, Civilproceß-Gesetzgebung (1898), S. 146 ff.; Sellert, HRG, Bd. 4 (1990), Sp. 36 (37); zur Entstehungsgeschichte Schleuer, Geschichte (1843), S. 11 ff. 4 8 Die Prozeß- und Gerichtsordnung von 1622 stellte die erste umfassende und detaillierte Regelung des sächsischen Zivilprozeßrechts dar. Zudem war sie die erste Gerichtsordnung, die auch den Prozeß vor den sächsischen Untergerichten regelte, Schwartz, CivilproceßGesetzgebung (1898), S. 153. 49 Vgl. die Landtagspropositionen von 1628, 1653 und 1657. Dazu Schleuer, Geschichte (1843), S. 16 ff. 50 „Erledigung Derer in Anno 1653 und 1657 bey gehaltenen Landes-Zusammenkünfften ... übergebenen Gebrechen, wie auch Decisiones zweifelhafter Rechtsfälle".

Α. Deutschland

39

pungen: So wurde in der Präambel eines Mandats von 166351 erneut die Tatsache beklagt, daß zahlreiche Prozesse über zwei Jahre dauerten und daher neben anderen Beschleunigungsmaßnahmen die Anordnung der Prozeß- und Gerichtsordnung wiederholt, „ in geringen Sachen, sonderlich unter Unvermögenden, und gemeinen Leuthen, nicht alsobalden muthwillige Processe (zu) verstatten, als dadurch dieselben in Versäumnis ihrer Nahrung und grosse Armuth gerathen, sondern solchen durch gütliche Unterhandlung und Vergleich müglichst ab(zu)heljfen". Für die sächsische Prozeßgesetzgebung des 16. und 17. Jahrhunderts läßt sich damit als Ergebnis festhalten, daß diese zwar zwischen „wichtigen" und „geringen" Rechtsstreitigkeiten unterschied und in letzteren keinen ordentlichen Prozeß gestattete, daß sie aber weder bestimmte, welche Rechtssachen „geringfügig" waren, noch welches Verfahren in diesen zu beobachten war 52 . Der Richter sollte hier möglichst eine gütliche Einigung herbeiführen oder den Rechtsstreit durch sofortige „Weisung" schnell entscheiden.

b) Brandenburg-Preußen Der vom römisch-kanonischen Recht geprägte Prozeß des Reichskammergerichts konnte sich, mit einigen Abweichungen, die meist auf sächsischen Einfluß zurückgingen 53, allmählich auch in der Mark Brandenburg durchsetzen und fand Eingang in zahlreiche Kammer-, Hof-, Land- und Quartalsgerichtsordnungen. Vor den Untergerichten, deren Prozeß nicht kodifiziert war, hielt sich hingegen noch lange der traditionelle mündliche Verfahrensgang. Eine Vereinheitlichung des Verfahrensrechts der Ober- bzw. Untergerichte erfolgte in Brandenburg-Preußen erst im 18. Jahrhundert. Schon die brandenburgische Kammergerichtsordnung von 1516 54 enthielt Ausnahmeregelungen für Bagatellsachen. Der Prozeß vor dem brandenburgischen Kammergericht begann mit einem mündlichen Verhör unter Anwesenheit beider Parteien 55. Hatte der Kläger selbst oder durch seinen Prokurator seine Klage vorge51

„Mandat Churfürst Georgens des II. zu Sachsen, von Abfolgung derer Gerichts-Acten in Privat-Häuser, item Zuordnung geübter Schreiber, item vom Septiduo zum Rechtlichen Verfahren, und wie in Concursibus Creditorum zu versetzen; item von des Leuteraten Contumacia, auch Verhütung der gerichtlichen Processe in geringen Sachen" vom 23. Juni 1663. 52 Haubold, Anleitung (1807), S. 8. 53 Grahl, Advokatur (1994), S. 13; Abegg, Geschichte (1848), S. 24., Schwartz , Civilproceß-Gesetzgebung (1898), S. 442,446. 54 „Ordnung des Churfürstl. Cammer-Gerichts in der Marek Brandenburg und andern zugehörenden Herrschaften und Landen" von 1516. Die Ordnung ist im wesentlichen den Leipziger Hofgerichtsordnungen von 1493 und 1488 nachgebildet, Schwartz, CivilproceßGesetzgebung (1898), S. 435. 55 Hieraus geht deutlich hervor, daß man zu ihrer Zeit noch ein, vom gemeinen Recht weitgehend unberührtes, mündliches Verfahren kannte, ebenso Trendelenburg, Justizreform (1863), S. 25.

40

1. Kapitel: Die Entwicklung des Bagatellprozesses

tragen, hielt der Beklagte - meistens ebenfalls durch einen Redner - seine Schutzrede. Jede Partei durfte aber nur einen Prokurator oder Advokaten haben. Nach sächsischem Vorbild wurde das Verfahren „vom Munde in die Feder" protokolliert. Nach Beendigung der Partei vorträge mußten die Richter und Beisitzer „guten Fleiß ankeren, die Partheyen in der Güte zu entscheiden ". Erst wenn der Güteversuch fehlgeschlagen war, durften die Parteien schriftliche Rechtsausführungen machen. Allerdings war angeordnet, „ daß Unser Cammer Richter so viel möglich, unnothdürfftige gesetze und fürbringen, sonderlich in geringen und kleinen Sachen ab(ge)schneide und den Parthen Unkosten verhüte Damit waren Bagatellsachen vom ordentlichen schriftlichen Prozeß ausgeschlossen, ohne daß eine Bestimmung darüber getroffen worden wäre, wie in solchen Fällen verfahren werden sollte. Es ist davon auszugehen, daß der Richter den Rechtsstreit nach Anhörung beider Parteien sofort und nach Billigkeit zu entscheiden hatte. Darauf deuten zumindestens die „Neumärkische Cammer und HoffGerichts Ordnung " von 1561 und deren Revision von 164656 hin. Diese sahen ebenfalls vor, daß das Verfahren mit einer mündlichen Güteverhandlung zu beginnen hatte. Erst wenn diese fehlgeschlagen war, kam es zum ordentlichen Prozeß. Wie in der Kammergerichtsordnung von 1516 wurde hiervon aber eine Ausnahme gemacht: In Fällen, die „ojfenbahres unzweiffelhaftigen Rechtens, oder aber die auf den Landes gebrauch gegründet ... wehrensollten die Räte „keinem Theil muthwilligen Rechtens gestatten, sondern macht haben, dieselben abzuweisen undt gebuehrlichen Bescheidt dem obigen gemeß darin zu geben In einfachen Sachen war der Richter also ermächtigt, den Rechtsstreit nach der Güteverhandlung ohne die Beachtung weiterer Verfahrens Vorschriften zu erledigen 57. Die später ergangenen Gerichtsordnungen für das Berliner Kammergericht ( 1562)58, die Quartalsgerichte 59 in Prentzlow in der Uckermark ( 1585) 60 sowie Stendal in der Altmark (1602 61 und 162162), das Land- und Hofgericht in Tangermünde (1602) 63 und das sog. „Bodding und Lodding" in Wischen in der Altmark (1621) 64 brachten nichts Neues, sondern enthielten inhaltlich gleichlautende Vorschriften. Eine weitergehende Systematisierung des Bagatellprozesses und seines Anwendungsbereichs erfolgte in Brandenburg-Preußen bis zum 18. Jahrhundert nicht. 56 57 58

„Neu Märckische Cammer Gerichts Ordnung 4'von 1646. Ebenso offensichtlich Schwartz , Civilproceß-Gesetzgebung (1898), S. 440. „Churfürstens Joachimi II. Ordnunge der Rethe des Cammer-Gerichts zu Berlin" von

1562. 59 Die Quartalsgerichte wurden zur Entlastung des Berliner Kammergerichts geschaffen und fungierten als Vorschaltinstanz. Anfänglich saßen sie einmal im Quartal. 60 „Uckermarckische Quartal Gerichts Ordnung" von 1585. 61 „Quartal-Gerichts-Ordnung in der Altenmarck" von 1602. 62 „Quartal-Gerichts-Ordnung in der Altenmarck" von 1621. 63 „Hoff- und Land-Gerichts-Ordnung in der Alt-Marck" von 1602. 64

„Hoff- und Land-Gerichts-Ordnung in der Altenmarck" von 1621.

Α. Deutschland

41

c) Bayern Auch in Bayern fand der römisch-kanonische Prozeß gegen Ende des 15. Jahrhunderts Eingang65. Wie in Kursachsen und Brandenburg-Preußen wurde der ordentliche Prozeß in Bagatellsachen ausgeschlossen. In Bayern ergibt sich allerdings insoweit eine Besonderheit, als hier die geringwertigen von den höherwertigen Streitigkeiten bereits sehr früh durch eine konkrete Streitwertgrenze abgegrenzt wurden. Bereits die Erklärung der Landesfreiheit von 1508 66 sah für Bagatellsachen unter einem Wert von zwei Gulden vor, daß man „darum nicht rechten lassen, sondern nach Billigkeit darin handeln und schaffen " solle. Dasselbe galt nach der Landrechtsreformation von 1518 67 . Das in ihr geregelte Verfahren war bereits überwiegend gemeinrechtlich 68 und galt für sämtliche Gerichte Oberbayerns 69. In Bagatellsachen sollte es aber keine Anwendung finden: Art. 6 des 7. Titels sah wie die Erklärung von 1508 vor, daß bei bestrittenen Ansprüchen auf Geldzahlung oder Handlung, die zwei Gulden oder zwei Pfund Münchner Währung nicht überstiegen, „der Richter die partheyen darumb nit Rechten lassen" (soll), „Sonder sich unttersteen f die Sachen zwischen inen in der guetigkait nach seinen trewen zuenntschaiden. " Die Regelung enthielt damit - wohl nach vorangegangenem Güteversuch die Ermächtigung zu einer Streitentscheidung nach Billigkeit 70 . Die Gerichtsordnung von 1520 71 war noch stärker als die Landrechtsreformation vom romanischen Prozeßrecht geprägt 72. Wie diese und die Erklärung von 1508 65

Im Gegensatz zu den meisten anderen deutschen Territorien begann die Romanisierung allerdings nicht bei den Hofgerichten, sondern - zumindest theoretisch - gleichzeitig in allen Instanzen. Sowohl die Landrechtsreformation von 1518 als auch die Gerichtsordnung von 1520 richteten sich auch an die Untergerichte. Wie in Sachsen und Brandenburg-Preußen ist allerdings fraglich, inwieweit das neue, an den reichskammergerichtlichen Prozeß angelehnte Verfahren auch vor den unteren Gerichten Anwendung fand, vgl. Schwartz , CivilproceßGesetzgebung (1898), S. 221, 239; Volkert, in: Handbuch der bayerischen Geschichte, Bd. 2 (2. Aufl. 1988), § 84, S. 592 (597); Wesener, in: Schmelzeisen-Festschrift (1980), S. 360 (382). 66 Diese enthielt neben den Privilegien der Stände auch vereinzelte Verfahrensvorschriften, wie ζ. B. landesherrliche Vorgaben für das Verfahren vor den patrimonialen Hofmarkgerichten. 67 „Reformacion der bayerischen Lanndrecht ... im 1518. Jar aufgericht". Sie war die Neufassung des Landrechtsbuchs von 1346. 68 Wesener, in: Schmelzeisen-Festschrift (1980), S. 360 (361); Schöll, Codex (1965), S. 7. 69 In Niederbayern wurde sie allerdings als Hilfsmittel herangezogen, Wesener, in: Schmelzeisen-Festschrift (1980), S. 360 (362). Nach Schwartz, Civilproceß-Gesetzgebung (1898), S. 228, richtete sich die Landrechtsreformation von 1518 nur an die Untergerichte. Diese Ansicht wird allerdings durch die Vorrede zur Landrechtsreformation widerlegt, in der die Anwendung derselben nicht nur den landesherrlichen und patrimonialen Unterrichtern, sondern auch den Hofrichtern zur Pflicht gemacht wird. 70 So Schwartz, Civilproceß-Gesetzgebung (1898), S. 244. 71 „Gerichtzordnung Im fürstenthumb Obern und Nidern Bayrn Anno 1520 aufgericht" (München 1520). Sie galt für alle Gerichte Ober- und Niederbayerns. In Oberbayern fand sie aber neben der Landrechtsreformation nur subsidiäre Anwendung Wesener, in: SchmelzeisenFestschrift (1980), S. 360 (362).

42

1. Kapitel: Die Entwicklung des Bagatellprozesses

Schloß sie aber in Titel 5, 5. Gesatz den ordentlichen Prozeß bei Ansprüchen unter zwei Gulden bzw. zwei Pfund Pfennig Münchner Währung aus und ordnete eine Entscheidung nach Billigkeit an. Neu war die in Titel 5, 6. Gesatz der Gerichtsordnung von 1520 enthaltene Bestimmung, derzufolge auch in „klainen Ringschätzigen" Streitsachen im Werte zwischen zwei und zehn Pfund Pfennig (Gulden) „sumarie und aufs förderliche st in recht (zu) verfarn" war und der Richter so bald wie möglich eine Verfügung erlassen sollte, „damit in denselben klainen unnd Ringschätzigen sachen nit lanng aufschub noch verzüg gehalltenn, sonnder die aujfs pelldest mit wenigistem cossten außgericht und zu ennd gepracht werden. " Damit war erstmals eine weitere Stufe vor dem ordentlichen Prozeß eingerichtet worden. Unklar blieb, wie das neue summarische Verfahren ausgestaltet sein sollte. Im Gegensatz zu den Bagatellsachen unter zwei Gulden Streitwert war offensichtlich nicht sofort nach Billigkeit zu entscheiden, sondern grundsätzlich nach den Vorschriften der Gerichtsordnung vorzugehen, deren Anwendung im Einzelfall aber in das Ermessen des Richters gestellt war 73 . Die in der Gesetzessammlung von 161674 enthaltene Gerichtsordnung brachte im Bereich des Bagatellverfahrens keine großen Veränderungen. Sie war im wesentlichen eine bloße Neuauflage der Gerichtsordnung von 152075 und bestimmte, daß Streitigkeiten unter zwei Gulden oder zwei Pfund Pfennig sowohl vor den Ober- als auch vor den Untergerichten vom Richter gem. Titel 5, 6. Gesatz der Gerichtsordnung wie gehabt gar nicht zum Prozeß zuzulassen, sondern sofort „ in der Gütigkeit oder wie er billig zu sein befindet nach seinen trewen " zu entscheiden waren. Darüber hinaus blieb vor den Untergerichten auch in höherwertigen Streitigkeiten der traditionelle mündliche Rechtsgang aufrecht erhalten. Hier durfte gem. Titel 4, 1. Art. der Gerichtsordnung zur Vermeidung von Unkosten „ in gemainen schlechten Stritt und Irrungen, die sich mehrers thails auf dem Landt zynische den schlechten Bawrsleuten und in Statt und Märckten zwischen den gemainen Burgern und Handtwerckern erheben, nur Mündtlich geklagt, geantwortet, repliciert und dupliciert" werden. Gem. Titel 4, Art. 2 Gerichtsordnung mußte der Parteivortrag vor den Untergerichten durch einen Prokurator erfolgen und vom Gerichtsschreiber protokolliert werden 76. Lediglich dann, wenn „nit gemaine ringschätzige, sonder solche sachen vor Gericht fürkommen und geklagt, in welchen die notturfft erforderte beweisungen mit Brieflichen urkunden " oder sonst eine etwas schwierigere Beweisaufnahme notwendig war, konnte gem. Titel 4, 4. Art. Ge72 Wesener, in: Schmelzeisen-Festschrift (1980), S. 360 (362; 381). 73

Schwartz, Civilproceß-Gesetzgebung (1898), S. 242, ordnet es daher nachträglich bei den später sog. „unbestimmt-summarischen Verfahren" des gemeinen Prozesses ein. 74 „Landrecht, Policey-, Gerichts-, Malefitz- und andere Ordnung für Obern- und Nidern Bayrn". Zur Enstehungsgeschichte ausführlich Günter, Bayerisches Landrecht (1969), S. 129 ff. 7 5 Schwartz , Civilproceß-Gesetzgebung (1898), S. 240. 76

Schwartz, Civilproceß-Gesetzgebung (1898), S. 246, weist darauf hin, daß im ordentlichen Verfahren nach der Gerichtsordnung hingegen kein Anwaltszwang bestand.

Α. Deutschland

43

richtsordnung ein schriftliches Verfahren auf Antrag zugelassen bzw. von Amts wegen angeordnet werden. Gem. Titel 4, Art. 3 war das Urteil noch im gleichen Termin, in unklaren Sachen am nächstfolgenden Gerichtstag zu verkünden. Aber auch vor den Obergerichten war in allen Bagatellsachen zwischen zwei und zwanzig Pfund Pfennig (Gulden) nicht der ordentliche, sondern ein sog. summarischer Prozeß durchzuführen 77. Dieser hatte sich auf der Grundlage der Gerichtsordnung von 1520 in der gerichtlichen Praxis herausgebildet78 und wurde 1616 erstmals in einer eigenen Prozeßordnung gesetzlich geregelt 79. Letztlich lehnte sich der summarische Prozeß jedoch stark an den ordentlichen Prozeß der Gerichtsordnung an und stellte nur eine etwas vereinfachte Form des aufwendigen schriftlichen ordentlichen Prozesses dar 80 .

3. Zusammenfassung Die Entwicklung des Bagatellprozesses als eigenständige Verfahrensart ging von den Territorien aus. Der Reichskammergerichtsprozeß kannte zwar wie der römisch-kanonische Prozeß spezielle summarische Verfahrensarten, differenzierte aber nicht nach der Höhe des Streitwerts, so daß auch in zahlreichen geringwertigen Streitigkeiten der komplizierte ordentliche Rechtsgang angewendet werden mußte. In den untersuchten Territorien hingegen wurde der Einfluß des ordentlichen Verfahrens des Reichskammergerichts von vornherein auf wichtigere Rechtssachen beschränkt. In „geringen", „schlechten„kleinen" bzw. „gemeinen" Streitigkeiten sollte der Richter nach der Durchführung eines Güteversuchs zumeist in einem formlosen, nicht näher bestimmten Verfahren sofort und nach Billigkeit durch „gebührlichen Bescheid" oder „gebührende Weisung" entscheiden. Nur in Bayern war der Maßstab der Geringfügigkeit in Geld bestimmt, in Kursachsen und Brandenburg-Preußen bestand insoweit ein Ermessensspielraum. Bayern formulierte auch als erster Territorialstaat eine Verfahrensordnung für den sog. 77

Vgl. die Gerichtsordnung, die in Titel 5, 7. Gesatz bestimmte, daß in diesen Sachen summarisch verfahren werden und das so gefundene Urteil endgültig sein sollte. Gem. Titel 1, Art. 3 der Prozeßordnung konnte der Kläger auch in Streitigkeiten über 20 Gulden Streitwert zwischen ordentlichem und summarischem Prozeß wählen. Da dies meist geschah, wurde der summarische Prozeß faktisch zum Regelverfahren, Schwartz, Civilproceß-Gesetzgebung (1898), S. 253. 7 « Schwartz, Civilproceß-Gesetzgebung (1898), S. 242; Schöll, Codex (1965), S. 10. 79 Nach Schwartz, Civilproceß-Gesetzgebung (1898), S. 253, wurde der summarische Prozeß aufgewertet, weil er aufgrund eines dem Fürstentum Bayern erteilten, jedoch auf den summarischen Prozeß beschränkten Privilegium de non appellando nicht dem Instanzenzug an das Reichskammergericht unterlag. Erst 1620 wurde das Privilegium de non appellando unbeschränkt erteilt. Ebenso Schöll, Codex (1965), S. 11. so Mittermaier, in: AcP 7 (1824), S. 369 (380, FN 44); ebenso Schwartz, CivilproceßGesetzgebung (1898), S. 253. Eine ausführliche Darstellung des bayerischen summarischen Prozesses findet sich ebenda, S. 244 ff.

44

1. Kapitel: Die Entwicklung des Bagatellprozesses

summarischen Prozeß, der allerdings kein spezielles Bagatellverfahren darstellte, sondern als Regelverfahren in Bayern allmählich an die Stelle des ordentlichen Prozesses trat.

ΠΙ. Die Entwicklung im 18. Jhr.: Die Ausgestaltung des Bagatellprozesses als mündliches Verfahren Im 18. Jahrhundert wurde der Bagatellprozeß in der Lehre (1.) und in der Gesetzgebung der Partikularstaaten (2.) weiterentwickelt. Auf der Grundlage des Jüngsten Reichsabschied von 1654 bildeten Praxis und Wissenschaft vor allem im 18. und 19. Jahrhundert den sog. „Gemeinen Zivilprozeß" 81 aus, der das deutsche Zivilprozeßrecht bis ins 19. Jahrhundert beherrschte 82. Da dieses Gebilde sich bald zu einer in ganz Deutschland subsidiären Rechtsquelle entwickelte, kam es zu seiner Bezeichnung als „gemeines Prozeßrecht", im Gegensatz zu dem besonderen des Reiches oder der Länder 83 . Allerdings darf man sich das gemeine Prozeßrecht nicht als fest bestimmte, einheitliche Prozeßordnung vorstellen. Es stellte vielmehr nur einen Rahmen dar, welcher durch Gesetzgeber, Rechtsprechung und Lehre verschiedenartig ausgefüllt wurde 84 . Die Prozeßgesetzgebung in den Partikularstaaten war dabei von dem Bemühen geprägt, die Mißstände, die im Bereich der Rechtspflege allerorts herrschten, zu beseitigen. Besonderes Augenmerk wurde seitens der aufgeklärten Fürsten der Verbesserung der Lebensverhältnisse des „kleinen Mannes" und damit im Bereich der Rechtspflege den Bagatellstreitigkeiten geschenkt. In allen drei untersuchten Territorien kam es daher im 18. Jhr. mit dem Ziel einer Verfahrensbeschleunigung und -verbilligung zu einer Kodifikation des Bagatellverfahrens. Von der Lehre des gemeinen Prozesses, die zwischen dem ordentlichen Prozeß und den summarischen Verfahrensarten unterschied, wurde dieses bei letzteren eingeordnet.

81 Vgl. zum Lehrgebäude des Gemeinen Prozesses allgemein Conrad, Deutsche Rechtsgeschiche, Bd. 2 (1966), S. 459-462. S2 Conrad, Deutsche Rechtsgeschiche, Bd. 2 (1966), S. 456. 83 Grund für diese Entwicklung war die Tatsache, daß die Prozeßgesetze der Territorien allerorten mehr oder weniger lückenhaft waren, der Reichskammergerichtsprozeß aber nur unzureichende, auf das Reichskammergericht zugeschnittene Rahmenvorschriften vorgab. Die Wissenschaft kam dem Bedürfnis der Praxis nach umfassenden Erkenntnisquellen entgegen, indem sie eine eigenständige Prozeßlehre schuf, in der die Bestimmungen der Gesetze mit den Anforderungen der Praxis „zu einem wirksamen Miteinander" verbunden wurden, Börnsdorf, Prozeßmaximen (1971), S. 27. 84

Somsdorf, Prozeßmaximen (1971), S. 27/8.

Α. Deutschland

45

1. Das sog. „unbestimmt summarische Verfahren " in der Lehre des gemeinen Prozesses In der Lehre vom gemeinen Prozeß wurde von einem „summarischen Verfahren" immer dann gesprochen, wenn eine Beschleunigung oder Vereinfachung der Formen gegenüber dem ordentlichen Rechtsgang möglich war 85 . Durch die Gerichtspraxis, Gesetzgebung und Lehre hatte sich bald ein ganzer Katalog von Sachen herausgebildet, in denen summarisch verfahren werden sollte 86 . Obwohl die Quellen des gemeinen Prozesses keine Bestimmungen über die prozessuale Behandlung von Bagatellsachen enthielten87, bestand Einigkeit darüber, daß auch diese in einem summarischen Verfahren zu erledigen seien88. Ziemlich willkürlich wurden die zahlreichen summarischen Sonderverfahren in das sog. regulär-unbestimmte und das irregulär-bestimmte summarische Verfahren unterteilt 89. Ersteres blieb den Grundsätzen des ordentlichen Verfahrens unterworfen und war damit weiterhin „regulär"; es unterlag aber in den Beschleunigungsmaßnahmen richterlichem Ermessen und war deshalb in der summarischen Prozedur „unbestimmt". Letzteres gründete sich gegenüber dem gewöhnlichen Verfahren auf eigenständige Normen und war deswegen „irregulär"; es erwies sich aber gerade wegen dieser feststehenden Verfahrensregeln für die Beteiligten als „bestimmt" 90 . Zu den irregulär-bestimmten Verfahren wurden allgemein der Mandats-, Arrest- und Exekutivprozeß gezählt91. Anwendungsfälle des regulär-unbestimmten Verfahrens waren u. a. Besitzstreitigkeiten (insbes. das sog. „possessorium summariissimum"), der Provokations- und Rechnungslegungsprozeß sowie Baustreitigkeiten 92. Der Bagatellprozeß wurde überwiegend bei den regulär-unbestimmten summarischen Verfahrensarten eingeordnet 93. Allerdings rechneten ihn vor allem nach dem Erlaß spezieller Bagatellgesetze seit dem 18. Jahrhundert einzelne Partikularstaaten und Autoren auch zu den irregulär-bestimmten summarischen Prozessen94.

85 Blomeyer, Zivilprozessrecht (1963), S. 644. Nachweise der gemeinrechtlichen Literatur zu den summarischen Verfahren bei Hejfter, System (2. Aufl., 1843), S. 482; Endemann, Zivilprozessrecht (1869), S. 1024 und ebenda FN 2 sowie Sedatis, HRG, Bd. 5 (1998), Sp. 80. 86 Mittermaier, in: AcP 7 (1824), S. 369 (377) mwN. 87 Dazu ausführlich Haubold, Anleitung (1807), S. 3 ff.; Claproth, Einleitung (3. Aufl. 1793), S. 22; Bayer, Theorie (7. Aufl. 1859), S. 6. 88 Claproth, Einleitung (3. Aufl. 1793), S. 24; Bayer, Theorie (7. Aufl. 1859), S. 6; Danz, Grundsätze (3. Aufl., 1806), S. 10. 89 Blomeyer, Zivilprozessrecht (1963), S. 644. 90 Sedatis, HRG, Bd. 5 (1998), Sp. 79 mwN.

91 Aus dem Mandatsprozeß entwickelten sich später das Mahn verfahren und das Verfahren zum Erlaß einer einstweiligen Verfügung, Hinz, in: HRG, Bd. 3 (1984), Sp. 232 (239). 92 Sedatis, HRG, Bd. 5 (1998), Sp. 80; Blomeyer, Zivilprozessrecht (1963), S. 644 f. 93 So ζ. B. Bayer, Theorie (7. Aufl. 1859), S. 119; Endemann, Zivilprozessrecht (1869), S. 1094; Haubold, Anleitung (1807), S. 49; Danz, Grundsätze (3. Aufl., 1806), S. 10.

46

1. Kapitel: Die Entwicklung des Bagatellprozesses

Hergeleitet wurde das regulär-unbestimmte summarische Verfahren aus dem oben dargestellten, als Clementina Saepe bekannten Dekretale Clemens V. aus dem Jahre 130695. Dementsprechend mußten die meisten Erfordernisse des ordentlichen Verfahrens auch im regulär-unbestimmten Prozeß beachtet werden. Der Richter war grundsätzlich nur zu wenigen prozeßbeschleunigenden Verfügungen ermächtigt - wie ζ. B. Fristabkürzungen, erweitertes Zulassen mündlichen Vorbringens oder Reduzierung der Termine 96 - , die allerdings allesamt bereits Bestandteil des ordentlichen Verfahrens geworden waren 97. Für den Bagatellprozeß erlangte die Lehre vom regulär-unbestimmten summarischen Verfahren ohnehin keine große praktische Bedeutung, da die Prozeßgesetze der meisten Partikularstaaten über die Minimalermächtigungen der Clementina Saepe weit hinausgingen98. Nur dort, wo spezielle Bagatellgesetze fehlten oder Lücken enthielten, die sich nicht durch Rückgriff auf die für das ordentliche Verfahren des Staates geltenden Vorschriften schließen ließen, fand die gemeinrechtliche Lehre Anwendung 99.

2. Die Kodifizierung

des Bagatellprozesses in den Territorien

Um den Zustand der Rechtspflege in den deutschen Territorialstaaten war es zu Beginn des 18. Jahrhunderts nicht gut bestellt 100 . Die Verfahren waren schleppend und kostspielig 101 . Dieser Mißstand hatte mehrere Ursachen: Vor den höheren Gerichten, die bereits mit gelehrten Richtern besetzt waren, hatte sich der schriftliche, gemeinrechtliche Rechtsgang durchgesetzt 102 und wurde, da bequemer und einträglicher, offensichtlich trotz entgegenlautender Anordnungen in den Prozeßgeset94 So ζ. B. Osterloh, Processe (3. Aufl. 1857), S. 11; 222. Heimbach, Lehrbuch, Bd. 2 (1853) enthält auf S. 13 ff. eine Darstellung der Gesetzgebung der sächsischen Länder über den regulär-unbestimmten und auf S. 207 ff. über den irregulär-bestimmten summarischen Prozeß. Dabei wird eine Zweiteilung deutlich: während in Sachsen-Gotha, in SachsenAltenburg und in den Reußischen Ländern der jüngeren Linie die Bagatellsachen zum regulär-unbestimmten Verfahren gerechnet wurden, waren sie in den übrigen Ländern sächsischen Rechts in den Verfahrensgesetzen über den irregulär-bestimmt summarischen Prozeß enthalten. 95 So z. B. Bayer, Theorie (7. Aufl. 1859); S. 120 f.; Heffter, System (2. Aufl. 1843), S. 487. 96 Aufzählung der Abweichungen bei Bayer, Theorie (7. Aufl. 1859); S. 121 f.; Arning, Bagatellverfahren (1994), S. 11. 97 Briegleb, Einleitung (1859), S. 106. Er zog daraus - wohl zu Recht - den Schluß, daß kein vom ordentlichen Verfahren abweichender regulär-unbestimmt summarischer Prozeß existiere und es sich vielmehr um ein reines „Doctrinal- Phantom" handele. 98 Ebenso wohl Arning, Bagatellverfahren (1994), S. 13. 99 Heimbach, Lehrbuch, Bd. 2 (1853), S. 12. 100 Springer, Justizreform, S. 6, beschreibt eindringlich die Mißstände, die in Preußen zur Reform der Gerichtsverfassung und des Zivilprozesses durch Großkanzler Cocceji führten. ιοί Für Preußen: Hintze, in: Recht und Wirtschaft 1912, 129 (131). 102 Für Preußen: Trendelenburg, Justizreform (1863), S. 26.

Α. Deutschland

47

zen und Instruktionen auch bei geringwertigen Streitigkeiten angewandt. Zur Prozeßverschleppung und Kostensteigerung trugen auch die Advokaten und Prokuratoren 103 bei, die an einem kurzen und billigen Prozeß ebensowenig wie der Richter interessiert waren 104 . Dies lag vor allem daran, daß sich das Honorar des Advokaten nach der Bogenzahl der gefertigten Schriftsätze und bei den Prokuratoren nach der Zahl der wahrgenommenen Termine berechnete 105. Die Untergerichte, die zu Beginn des Jahrhunderts zumeist noch nicht der landesherrlichen Kontrolle unterlagen 106 , waren sowohl finanziell 107 als auch personell 108 sehr schlecht ausgestattet. Die Unterrichter, die häufig nur geringe juristische Kenntnisse besaßen109, verfuhren im Gerichtssaal nur allzuoft nach Gutdünken 110 . Diesen Übeln versuchten die Landesherren durch die Reform der Gerichtsverfassung und des Verfahrensrechts zu begegnen. Motiv für die Justizreformen war zum einen die Staatsräson, die es gebot, den Bürger und Bauern von kostspieligen Prozessen zu entlasten, um so seine Steuerzahlungsfähigkeit zu erhalten bzw. zu erhöhen 111, zum anderen aber auch die Forderung der Aufklärung nach einer Humanisierung des Rechts 112 . Gerade im Bereich der Bagatellstreitigkeiten, in denen das Mißverhältnis zwischen Aufwand und Ertrag besonders deutlich war, bot sich ein guter Ansatzpunkt für die Verwirklichung dieser Ziele.

103 Zu den Aufgaben der Advokaten und Prokuratoren ausführlich Döhring, Deutsche Rechtspflege (1953), S. 119 ff. Die Advokaten waren vor allem für das Fertigen der juristisch wertenden Schriftsätze, die Prokuratoren für das Auftreten vor Gericht und für Schriftsätze mit Tatsachenvortrag zuständig. 104 Zu den verschiedenen Prozeßverschleppungstaktiken Döhring, Deutsche Rechtspflege (1953), S. 136. >05 Döhring, Deutsche Rechtspflege (1953), S. 149.

>06 Hahn, in: Justizforschung, Bd. 2 (1993), S. 213 (235). 107 Die unteren Gerichte mußten sich finanziell selbst tragen, da die Gutsbesitzer bzw. Domänenpächter entweder nur an den Einnahmen aus ihrer Gerichtsgewalt interessiert waren oder sich die Besoldung eines Juristen nicht leisten konnten, vgl. Döhring, Deutsche Rechtspflege (1953), S. 54 und 75 ff. Auch in den Stadtgerichten wurden die Richter nicht besoldet und waren auf die Sportein angewiesen, vgl. für Preußen: Springer, Justizreform (1914), S. 7. 108 Vor allem auf den kleineren Rittergütern bestand kein Bedarf für einen eigenen Richter. Das Richteramt wurde dort als Nebenamt ausgeübt, vgl. Döhring, Deutsche Rechtspflege (1953), S. 37, 80. 109 Döhring, Deutsche Rechtspflege (1953), S. 37. »o Döhring, Deutsche Rechtspflege (1953), S. 236; auf S. 229/230 gibt Döhring einige überlieferte Beispiele für den rüden Umgangston wieder, der damals vor den Untergerichten herrschte. m Springer, Justizreform (1914), S. 75. Nach Einschätzung von Hintze, in: Recht und Wirtschaft 1912, 129 (130) war das volkswirtschaftliche und das hinter diesem stehende militärisch-politische Interesse Hauptmotiv für die friderizianischen Justizreformen; ebenso ders., in: A.B., Bd. 6,1 (1901), S. 1 (16). i>2 Döhring, Deutsche Rechtspflege (1953), S. 321.

48

1. Kapitel: Die Entwicklung des Bagatellprozesses

a) Kursachsen Im Jahre 1724 erschien eine revidierte Fassung der Prozeß- und Gerichtsordnung von 1622 113 . Letztere wurde in ihren Grundlagen beibehalten, aber ergänzt durch dem Originaltext hinzugefügte „Erläuterungen", die auf eine Beschleunigung des Prozesses hin ausgerichtet waren 114 . Das Güteverfahren wurde beibehalten 1 1 5 . Gegenüber der Prozeß- und Gerichtsordnung von 1622 wurde der Anwendungsbereich des Bagatellprozesses wesentlich detaillierter geregelt. Erstmals wurde eine Bagatellgrenze bestimmt: Der ordentliche Prozeß war in allen Sachen mit einem Streitwert unter 50 fl. (Gulden) sowie in allen „Commerden-, Policey-, Handwercks-, Bau-, Rechnungs-, Gesinde- und Dienst-Bothen-Sachen" n6 ausgeschlossen. In diesen hatte der Richter auch bei einem Fehlschlagen des Güteversuchs „so gleich summarie zu decretiren" und „die Partheyen alsofort ex bono & aequo, jedoch denen Rechten, und seinem besten Wissen und Gewissen nach, ... zu entscheiden, oder ein Decisum darüber bey Unsern Rechts-Collegiis, welche in solchem Fall gleichergestalt alsofort definitive zu erkennen haben, einzuhohlen u. Wie gehabt war der Rechtsstreit nach der Güteverhandlung auf der Grundlage der in dieser gewonnenen Erkenntnisse nach Billigkeit zu entscheiden. Dem Richter war somit weiterhin ein sehr weitgehendes Ermessen bei der Entscheidung eingeräumt. Einwendungen bzw. Appellation konnte zur Landesregierung, dem obersten Justizkollegium, erhoben werden, jedoch war dessen Resolution endgültig. Wie sich aus einem Reskript aus dem Jahre 1738 117 und aus der Präambel für das „Mandat, die Abstellung prozessualischer Weitläufigkeiten in geringfügigen Rechtssachen betreffend" aus dem Jahre 1753 118 ergibt, hatten die Bagatellvor1,3 „Erläuterung und Verbesserung der bißherigen Process- und Gerichts-Ordnung" vom 10. Januar 1724; kommentiert bei Kori, Theorie (1823), S. 10 ff.; Überblick bei Schwartz , Civilprozeß-Gesetzgebung (1898), S. 164 ff. 114 Schwartz, Civilprozeß-Gesetzgebung (1898), S. 165.

h 5 Gem. § 2 der Erläuterung zum 1. Titel der Gerichtsordnung von 1622 mußte der Richter „ wenn er zuvorhero selbst in der Sache sich gnüglich informiret, die Partheyen, und zwar nach Befinden, iede absonderlich, auch wohl, und fürnehmlich in geringen Sachen, ohne Advocaten vor(zu)fordern" und versuchen, entweder einen Vergleich herbeizuführen oder zumindest den Rechtsstreit „vermittelst eines Compromissi u abzukürzen. Die Güteverhandlung war in den ordentlichen Prozeß überzuleiten, wenn ein Vergleich oder zumindest ein abgekürztes Verfahren zwischen den Parteien nicht herbeizuführen war. h 6 In § 2 des Anhangs zur Erläuterten Gerichtsordnung von 1724 wurde klargestellt, daß diese nicht von der dort in § 1 angeordneten Abschaffung des summarischen Prozesses betroffen seien und in ihnen grundsätzlich „de simplici & piano" verfahren werden sollte. 117

„Rescript, Daß in geringfügigen Streit-Sachen keine weitschweifige Rechtfertigungen gestattet werden sollen" vom 10. Dezember 1738. Ein weiteres, die Richter zur zügigen Entscheidung einer Bagatellsache aufforderndes Reskript aus dem Jahre 1725 ist als Beilage IV abgedruckt bei Haubold, Anleitung (1807), S. 159 f. '18 Kommentiert bei Kranichfeld, Civilproceßgesetze (1876), S. 3 ff.; Haubold, Anleitung (1807), S. 18 ff.; Kon, Theorie (1823), S. 31 ff.; Volkmann, System, Bd. 3 (1845), S. 92 ff.;

Α. Deutschland

49

Schriften von 1724 offensichtlich aber nicht den gewünschten Erfolg, weil die Richter das ihnen eingeräumte Ermessen nicht nutzten 119 . Durch das Mandat von 1753 wurde der sächsische Prozeß in geringfügigen Rechtssachen („causis minutis") daher ausführlich geregelt. Das Mandat baute auf den in § 6 zum ersten Titel der Erläuterten Prozeß- und Gerichtsordnung von 1724 getroffenen Anordnungen auf, ging aber weit über diese hinaus. Der Anwendungsbereich des Bagatellverfahrens wurde in § 1 präzisiert und ausgeweitet120. Das Verfahren wurde erstmals ausführlich geregelt. Gegenüber dem ordentlichen Prozeß war es verbilligt 121 und verkürzt: Gem. § 3 mußte auch eine nur mündlich zu Protokoll erhobene Klage - sofern schlüssig - angenommen werden. Die Vorladung hatte daraufhin zwar schriftlich zu erfolgen, die Einlassungsfrist war aber abgekürzt 122. Gegen den trotz ordnungsgemäßer Ladung ausgebliebenen Teil konnte gleich im ersten Termin Versäumnisurteil erlassen werden. Waren die Parteien erschienen, hatte der Richter gem. § 4 wie gehabt unter den Parteien, wo geboten auch ohne Beisein der Advokaten, den Versuch zu unternehmen, eine gütliche Einigung herbeizuführen, „in deren Enstehung aber, sie alsofort ex aequo ά bono ...zu entscheiden. " In Ermangelung spezieller Vorschriften fanden hinsichtlich Parteivernehmung und Beweisaufnahme die Bestimmungen des ordentlichen Prozesses mit ihren Fristen Anwendung 123 . Hinsichtlich der Appellation blieb es bei der Anordnung der Erläuterten Prozeß- und Gerichtsordnung von 1724.

b) Preußen Auch in Preußen gaben zu Beginn des 18. Jhr. insbesondere die Kostspieligkeit und die Langwierigkeit der Prozesse zu Klagen der Untertanen und scharfen VerfüSchwartz, Civilprozeß-Gesetzgebung (1898), S. 174; Schott, Grundlinien (1799), S. 14 ff. mit Anwendungsbeispielen auf S. 73 ff. 119 So monierte Friedrich August, daß entgegen den Anordnungen in der Erläuterten Prozeß- und Gerichtsordnung auch in Bagatellsachen „von denen Unter-Richtern weitläufftige Processe verhangen, auch öffters von denen Advocatis und Partheyen die Unkosten dergestalt gehäuffet worden, daß solche nicht allein das objectum litis gänzlich absorbiret, sondern auch jezuweilen gar überstiegen haben", vgl. die Präambel für das Bagatellmandat von 1753. 120 Der Bagatellprozeß sollte Anwendung finden bei wiederkehrenden Leistungen („jura, Servitutes, praestationes annuae, onera realia"), die jährlich nicht über ein bis zwei Taler betrugen, bei bis zu einer Höhe von maximal 50 Meißner Gulden strittigen Ansprüchen (bei Klagehäufung max. 100 Meißner Gulden, wenn keine der Forderungen 50 Meißner Gulden überstieg) sowie bei Streitigkeiten über Grundstücke, wenn das Grundstück beim letzten Verkauf nicht mehr als 50 Gulden wert gewesen war. Unabhängig von der Höhe des Streitwerts war das Verfahren in allen Bau-, Gesinde-, Dienstboten-, Kommerzien-, Polizei- und Handwerkssachen durchzuführen. 121 In § 10 waren die „Sportein" (Gebühren) der Richter und Advokaten bestimmt. Sie betrugen weniger als im ordentlichen Rechtsgang. 122 Sie betrug max. drei Wochen. >23 Kranichfeld, Civilproceßgesetze (1876), S. 7. 4 Engters

1. Kapitel: Die Entwicklung des Bagatellprozesses

50

gungen des Landesherrn 1 2 4 unaufhörlich A n l a ß 1 2 5 . Die Rechtslage hinsichtlich des Bagatellverfahrens stellte sich noch wie in den vorhergehenden zwei Jahrhunderten d a r 1 2 6 : Der Prozeß begann mit einer Güte Verhandlung. Schlug der Vergleichsversuch fehl, wurden einfache und unbedeutende Sachen nach einem mündlichen Verhör sofort entschieden 1 2 7 . Der ordentliche Prozeß sollte nur in wichtigen Sachen durchgeführt werden 1 2 8 . Verfahrensvorschriften für den Bagatellprozeß fehlten. Die Brandenburgische Kammergerichtsordnung von 1 7 0 9 1 2 9 brachte keine einschneidende Verbesserung. Zwar ordnete sie in Titel X X I I I § 1 bereits die mündliche Verhandlung als die Regel an und stellte damit den Ausgangspunkt für die späteren Justizreformen d a r 1 3 0 . Wie sich aus den späteren Verordnungen 1 3 1 und den Präambeln der Reformgesetze ergibt, wurde diese Anordnung der Brandenburgischen Kammergerichtsordnung aber nicht befolgt und zunehmend schriftlich verfahren. U m den Beschwerden über Prozeßverschleppungen abzuhelfen, erging am 24. Februar 1739 ein weitreichendes Bagatelledikt 1 3 2 . Es Schloß in § 1 den ordentlichen Prozeß in allen Streitigkeiten unter 50 T a l e r n 1 3 3 aus und bestimmte, daß in 124 Bereits Friedrich Wilhelm I. hatte versucht, das Justizwesen zu reformieren und zu diesem Zweck unzählige Verordnungen erlassen. Die bedeutsamste unter ihnen im Bereich des Zivilprozesses war das Bagatelledikt vom 24. Februar 1739. Letztlich blieb die Justizreform in der Regierungszeit von Friedrich Wilhelm I. aber Stückwerk, vgl. Schmidt, Rechtsentwicklung (1929), S. 25; Conrad, Deutsche Rechtsgeschichte, Bd. 2 (1966), S. 466. 125 Hintze, in: A.B., Bd. 6,1 (1901), S. 1 (85). 126

Vgl. die „Neumärckische verbesserte Cammer-Gerichts-Ordnung" von 1700. Die Richter mußten gem. der Neumärkischen Kammergerichtsordnung von 1700 nach dem Vergleichsversuch „bey einem Summarischen Verhör, nachdem die Parthen mit ihrer Nothdurfft zu Gnüge vernommen, was sie recht und billig befinden werden, verabscheiden, oder dofern die Sachen von der Wichtigkeit und darzu erhebliche Ursachen vorhanden, ... die Partheyen ... entweder zur schriftlichen deduction oder... zu Verschickung des Protocolli judicialis ... einzuholen veranlassen." 127

128 Caput 13 wiederholte aber insoweit die Anordnung der Neumärkischen Kammergerichtsordnungen von 1561 und 1646. Danach war der ordentliche Prozeß auch „in Sachen die offenbahres unzweiffelhaftigen Rechtens, oder aber die auff dem Landes-Gebrauche gegründet, oder da klare und untadelhafftige Brieffe und Siegel oder Fürstliche Verträge oder Judicata vorhanden seyn" nicht zu gestatten und die Richter sollten „Macht haben, dieselben davon abzuweisen, und gebührlichen Bescheid dem obigen gemäß darinnen zu geben". 129 „Neu-verfaßte Cammer-Gerichts-Ordnung, in der Chur- und Marek Brandenburg" von 1709; das Verfahren ist beschrieben bei Ahegg, Geschichte (1848), S. 37 ff. »30 Ahegg, Geschichte (1848), S. 30.

131 Vgl. nur die „Allgemeine Ordnung, die Verbesserung des Justizwesens betreffend" von 1713, die die Richter in Ziffer XXIX erneut ermahnte, insbesondere „in geringen, leichten und klaren Sachen " keinen Prozeß anzusetzen, sondern nach vorhergehendem Vergleichsversuch sofort eine Weisung zu erteilen. ι 3 2 „Edict, das bey allen Ober- und Untergerichten diejenige Sachen, welche Bagatellen concernieren ... niemahls zum ordentlichen Process verwiesen, sondern bey mündlichem Verhör... auf einmahl abgethan (werden) sollen", vgl. dazu auch Bomsdorf, Prozeßmaximen (1971), S. 69 ff.; Schwartz, Civilprozeß-Gesetzgebung (1898), S. 476 ff.

Α. Deutschland

51

diesen Sachen ein vom Richter „ex officio" instruiertes mündliches Verhör ohne Advokaten stattzufinden habe und die Streitigkeit ohne die geringste Weitläufigkeit und ohne Kosten 134 „auf einmahl abzuthun" sei. Die Instruktion des Verfahrens durch den Richter brach mit der dem ordentlichen Prozeß eigenen Verhandlungsmaxime. Ziel des Edikts war es, den gesamten Prozeß auf eine mündliche Verhandlung zu konzentrieren und die Schriftlichkeit möglichst vollständig zurückzudrängen 135. Die der Prozeßbeschleunigung dienende Eventualmaxime des ordentlichen Prozesses wurde dadurch überflüssig. Auch das Einreichen anwaltlicher Schriftsätze (sog. „Memorialien") war verboten. Auf die mündliche oder schriftliche Klageerhebung mußte sofort „Terminus Eventualis 136 zum Verhör anberaumet werden Zu diesem Termin hatten die Parteien persönlich zu erscheinen 1 3 7 . Gegen das Urteil konnte gem. § 2 ein Rechtsmittel nur in Streitigkeiten über 20 Taler eingelegt werden. Hierfür war ein vereinfachtes Verfahren vorgesehen 138 . Gegen die Entscheidung der zweiten Instanz war kein weiteres Rechtsmittel mehr statthaft. Das Bagatelledikt stieß sofort auf den lebhaften Widerspruch der Untergerichte139. Sein Inhalt war unsystematisch abgefaßt und blieb den zeitgenössischen Praktikern unklar, was die zahlreichen Nachfragen 140 zu seiner Auslegung beweisen. Aufgrund des weiten Anwendungsbereichs von 50 Talern 141 hätte die Umset133 Gem. § 3 zählten auch das Onus, die Servitut, das Regale und die streitige Gerechtigkeit, die sich „zu Capital geschlagen" auf weniger als 50 Taler beliefen, zu den Bagatellsachen. War die Höhe des Streitwerts zweifelhaft, stand die Wahl des Verfahrens im Ermessen des Richters. Interessanterweise sollte es gem. § 6 sowohl vor den Ober- als auch Untergerichten auch in Streitigkeiten über 50 Taler Streitwert gelten, wenn eine der Parteien ohne Advokaten erschien. 134 Auf Anfrage der Magdeburgischen Regierung vom 1. April 1739 präzisierte der Verfasser des Edikts, Staatsrat Cocceji, dies dahingehend, daß „alles gratis sein solle bis auf das bloße Remissoriale und die Exekutionsankündigung bzw. Exekution selbst". ]3 * Hierin kam deutlich das Bestreben des Bagatelledikts zum Ausdruck, den gerichtlichen Rechtsschutz für den Bürger zu verbessern, ebenso Schwartz, Civilprozeß-Gesetzgebung (1898), S. All. 136 D.h. zur Güte oder zur mündlichen Verhandlung, vgl. Schwartz, Civilprozeß-Gesetzgebung (1898), S. 489. 137 Gem. Erlaß vom 2. April 1739 wurden Advokaten zwar als Vertreter einer Partei zugelassen, durften aber nicht „rezessieren"; der Richter mußte die Sache vielmehr selbst untersuchen und die mitgebrachten Dokumente überprüfen. 138 Der durch das Urteil Beschwerte („Gravatus") konnte seine spezifisch aufgeführten „Gravamina " binnen zehn Tagen beim Untergericht einreichen, welches diese binnen weiterer acht Tage an das Obergericht weiterzuleiten hatte. Wenn das Obergericht die „Gravamina" nach kursorischer Prüfung für begründet hielt, sollte es diese der Gegenseite mitteilen und einen Termin anberaumen, in dem wie in der ersten Instanz verfahren wurde. 139 A.B., Bd. 5,2 (1912), S. 699. 140 Vgl. A.B., Bd. 5,2 (1912), S. 698/699. 141 Als Anhaltspunkt für den damaligen Geldwert kann das Jahresgehalt eines preußischen Hofgerichtsrats dienen, das ausweislich einer Gehaltsübersicht aus dem Jahre 1737 (A.B.,

4*

52

1. Kapitel: Die Entwicklung des Bagatellprozesses

zung des Edikts darüber hinaus zur Folge gehabt, daß die Einnahmen der Richter und Advokaten vor den Untergerichten, bei denen die Masse der Verfahren unter dem Bagatellstreitwert lagen 142 , gänzlich fortgefallen wären. Vor den Obergerichten wäre zumindest eine Einkunftsschmälerung hinzunehmen gewesen. Mit der „Declaration des Edicts von Bagatellsachen " vom 12. 11. 1740 wurde daher der Anwendungsbereich des Bagatelledikts auf „geringfügige Sachen, welche nicht über die Summe von 10 Reichstalern sich erstrecken " beschränkt und der Ausschluß von Advokaten vom mündlichen Verhör in Rechtshändeln über 10 bis 50 Reichstalern aufgehoben, vor den Obergerichten sogar wieder die Anwaltspflicht eingeführt. Ein neuer Anlauf zur Reform des Bagatellprozesses wurde aber bereits wenige Jahre später unternommen. Im Rahmen der von Friedrich II. zwischen 1746 und 1751 betriebenen Neuordnung der Justiz 143 wurde am 3. April 1748 das Project des Codicis Fridericiani Marchici 144 veröffentlicht 145 . Teil IV, Titel 2 regelte das Verfahren des Bagatelledikts von 1739 auf dessen Grundlage neu und weitete den Anwendungsbereich des Bagatellverfahrens wieder auf Streitigkeiten bis zu 50 Taler aus. Ziel des Verfahrens war nach wie vor die Konzentration auf eine mündliche Verhandlung. Die Gesetzestechnik wurde dabei gegenüber dem Edikt von 1739 verbessert: So waren die Vorschriften chronologisch nach dem Gang des Verfahrens geordnet und enthielten wesentlich präzisere Angaben zu den Voraussetzungen der Klageschrift 146 , der Ladung, der Zustellung usw. Nach einem VerBd. 5,2 (1912), S. 340-350) in der Regel 500 Taler betrug. Ein Tribunalsrat bekam nur 300-325 Taler jährlich, hatte aber daneben noch Sporteleinkünfte, die freilich in der Höhe stark schwankten und bestenfalls die Hälfte des fixen Jahresgehalts betrugen. 142 So die Einschätzung des Geheimen Staatsrats, dem auch Cocceji angehörte, in einer Eingabe an den König vom 26. April 1739, A.B., Bd. 5,2 (1912), S. 768 (770). Die Eingabe hatte den Zweck, Friedrich Wilhelm I. von dem Plan abzubringen, eine nochmals gekürzte Sportelordnung für die Untergerichte zu erlassen. Ebenso Springer, Justizreform (1914), S. 67. Nach Einschätzung von Schwartz, Civilprozeß-Gesetzgebung (1898), S. 477, umfaßte der Streitwert von 50 Talern weit mehr als die Hälfte aller Prozesse. 143 Zum Gang der Reform Springer, Justizreform (1914), S. 310 ff.; Schwartz, Civilprozeß-Gesetzgebung (1898), S. 478 ff. 144 „Project des Codicis Fridericiani Marchici, oder eine nach Sr. Königl. Majestät von Preußen Selbst vorgeschriebenen Plane entworfene Cammergerichts Ordnung von 1748" (Berlin 1748). ' 4 5 Der Codex baute weiterhin auf dem gemeinen Prozeß auf, systematisierte aber den bisher in unzähligen Einzeledikten geregelten Stoff und wich zum Zwecke der Prozeßbeschleunigung in einigen Punkten vom gemeinen Prozeß ab. Die lehrbuchhaft breit angelegte Kompilation war eigentlich nur als Vorstufe zu einer Generalrevision des diffusen Prozeßrechts der Mark gedacht, wurde aber für die Zwischenzeit mit Gesetzeskraft erlassen Dahlmanns, Handbuch der Quellen, Bd. 3,2 (1982), S. 2615 (2646); Springer, Justizreform (1914), S. 371 ff.; Abegg, Geschichte (1848), S. 62 ff.; Börnsdorf, Prozeßmaximen (1971), S. 73 ff.; Schwartz, Civilprozeß-Gesetzgebung (1898), S. 479 ff. 146 Gem. § 2 hatte die Klageerhebung grundsätzlich schriftlich und unter Beachtung der formellen Voraussetzungen zu erfolgen. Allerdings bestimmte § 3, daß die Klage eines „Bauern, oder eines anderen gemeinen Mannes, der niemanden findet, der ihm eine Klage in

Α. Deutschland

53

gleichsversuch mußte der Richter die Sache, ohne A d v o k a t e n 1 4 7 , ex officio instruieren und nach „Recht und Billigkeitalso ohne Beachtung der strengen Beweisregeln des gemeinen Prozesses, entscheiden. Die Rechtsmittel in Bagatellsachen wurden gegenüber dem ordentlichen Prozeß ebenfalls beschränkt 1 4 8 . Wie nach dem Edikt von 1739 war das Verfahren für die Parteien sehr kostengünstig, wenn sie keine Advokaten beauftragt hatten: Die Richter und Commissarii durften in Bagatellsachen außer den Kopierkosten grundsätzlich keine Gebühren verlangen 1 4 9 . I m Ergebnis wich das Verfahren in Bagatellsachen damit erheblich vom ordentlichen Prozeß ab. Eine Vereinheitlichung des Prozesses erfolgte mit Erlaß des Corpus Juris Fridericianum (kurz: CJF) von 1781 1 5 0 , welches 1793 mit einigen Änderungen von der Allgemeinen Gerichtsordnung für die Preußischen Staaten 151 (kurz: AGO) abgelöst w u r d e 1 5 2 . Bereits das CJF enthielt in seinem 1. Buch, 2. Teil, 2. Titel besondere Vorschriften für das Verfahren in Bagatellsachen vor den Ober- und Untergerichten. Diese wurden - von einigen regelungstechnischen Verbesserungen abgesehen - nahezu unverändert als 26. Titel in den 1. Teil der AGO153 übernommen. Ausgangspunkt der Reform war die völlige Verbannung der für die Prozeßverschleppungen verantwortlich gemachten Advokaten aus den Gerichtssälen 1 5 4 . Wie Kleinigkeiten aufsetzen will", nicht abgewiesen werden durfte, sondern zu Protokoll genommen werden mußte. 147 Dies sollte offenbar nur für den Fall gelten, daß beide Parteien persönlich erschienen waren. Wie sich bereits aus dem nächsten Satz ergibt, war es den Parteien aber gestattet, nicht persönlich, sondern durch einen Advokaten zu erscheinen. So enthält auch Coccejis „Memoriale für die Advokaten" vom 16. Juni 1748 die ausdrückliche Mahnung, daß sich diese vor Prozessen in Bagatell- und anderen summarischen Sachen mit dem 4. Teil des Codex Fridericianus vertraut machen sollten. 148 In Sachen unter 10 Talern war jedes Rechtsmittel („ remedium") ausgeschlossen, in Sachen zwischen 10 und 20 Talern konnte in einem vereinfachten Verfahren und zwischen 20 und 50 Talern im normalerweise dafür vorgesehenen Verfahren Rechtsmittel gegen die Entscheidung eingelegt werden. Eine dritte Instanz war aber in Bagatellsachen ausgeschlossen. 149 Nach dem „Reskript, wegen der Landreuter-Gebühren für Exekutiones in Bagatellsachen" vom 29. September 1750 durfte neben den Meilengeldern auch nur die Hälfte der üblichen Vollstreckungsgebühren erhoben werden. Ausnahmsweise konnte die unterliegende Partei aber zur Zahlung von 2 Reichstalern verurteilt werden, wenn sie das Gerichtsverfahren ohne berechtigten Grund notwendig gemacht hatte. 150 „Corpus Juris Fridericianum, Erstes Buch von der Prozeß-Ordnung" (Berlin 1781). Überblick über das Verfahren bei Schwartz , Civilprozeß-Gesetzgebung (1898), S. 495 ff. 151 „Allgemeine Gerichtsordnung für die Preußischen Staaten, 1. Theil: Prozeßordnung" (Berlin 1795). 152 Die beiden Gesetze brachten auch in höherwertigen Streitigkeiten in vielen Punkten eine Abkehr von den Prinzipien des gemeinen Prozesses, vgl. Schubert, in: SZ Germ. 85 (1968), S. 127 (145). 153 Benutzte Ausgabe von 1855 (unveränderter Nachdruck der Ausgabe von 1816). 154 Dies hatte Konsequenzen für nahezu alle Teile des Verfahrens. Statt durch Advokaten konnten sich die Parteien durch sog. Justizkommissare vertreten lassen, die verbeamtet waren und damit der strengen Aufsicht des Justizministeriums unterlagen.

54

1. Kapitel: Die Entwicklung des Bagatellprozesses

bereits im Jahre 1739 für das Bagatellverfahren angeordnet, wurde die Verhandlungsmaxime nun für alle Streitigkeiten durch die Instruktionsmaxime 155 ersetzt. Das CJF und die AGO unterschieden hinsichtlich des Bagatellverfahrens zwischen den Obergerichten sowie den Untergerichten erster und zweiter Klasse 156 . Die inhaltlichen Abweichungen waren aber gering 157 . Das neue Bagatellverfahren war wesentlich aufwendiger und formalisierter als das von 1739 bzw. 1748; es war zweigeteilt: Zunächst hatte ein Untersuchungsrichter („Instruent") 158 gem. § 21 CJF (§ 16 AGO) die sich meldenden Kläger mündlich zu Protokoll zu vernehmen und den Beklagten unter Aushändigung einer Abschrift des Klageprotokolls zum nächsten Gerichtstag mündlich vorfordern zu lassen. Bei Ausbleiben des Beklagten mußte gegen diesen Versäumnisurteil („Kontumacialbescheid") erlassen werden. Erschien er, war er zu der Klageschrift zu vernehmen. Danach mußte der Instruent die von den Parteien mitgebrachten oder mündlich durch den Gerichtsboten vorgeladenen Zeugen hören. Aufgrund des Fehlens von peremptorischen Terminen und Präklusivfristen war es den Parteien möglich, in jeder Lage des Verfahrens neue Tatsachen, Einreden und Beweismittel vorzubringen 159 . Nach der Beweisaufnahme war ein Vergleichsversuch zu unternehmen. Scheiterte dieser, trug der Instruent den Fall dem Gericht 160 vor, welches dann entschied161. Entschieden wurde unter Zugrundelegung der strengen Beweisregeln des ordentlichen Prozesses und nicht mehr formlos nach Recht und Billigkeit. Damit wurde das Prinzip der Verfahrensstrenge erstmals auch in Bagatellsa-

155 Nach Schubert, in: SZ Germ. 85 (1968), S. 127 (145) umfaßte diese sowohl die heute sog. Untersuchungs- als auch Elemente der sog. Offizialmaxime. 156 Die Klasse der Untergerichte hing davon ab, ob bei ihnen wegen ihres weitläufigen Gerichtsbezirks und wegen der darin vorkommenden größeren Anzahl von wichtigen Rechtssachen ordentliche Gerichtsassistenten oder Beisitzer angestellt wurden oder nicht, vgl. von Eggers, Lehrbuch, Bd. 3 (1797), S. 51, 113/114. 157 So konnte die Ladung des Beklagten zum Termin vor den Untergerichten mündlich durch den Gerichtsboten und ohne die sonst erforderliche Empfangsquittung bzw. ein Zustellungsprotokoll erfolgen (§ 21 CJF/§ 16 AGO). Gegen den säumigen Beklagten konnte der (deputierte) Richter selbst ein Versäumnisurteil (Contumacialresolution) erlassen, ohne die Sache vorher dem Kollegium vorlegen zu müssen (§ 21 CJF/§ 16 AGO). Bei der Vernehmung des Beklagten mußten nicht die Vorschriften des 1. Teils, Titel 7 beachtet werden ( § 21 CJF/§ 16 AGO) usw. Das Verfahren ist kommentiert bei Stelzer, Grundsätze, Bd. 2 (1805), S. 16 ff. 158 Kennzeichnend für den neuen Instruktionsprozeß war ein vom erkennenden Gericht ernannter und von diesem verschiedener Instruent, der den Sach- und Streitstand festzustellen und die notwendigen Beweise aufzunehmen hatte. Erst danach kam die Sache zur Entscheidung an das erkennende Gericht. 159 Schubert, in: SZGerm. 85 (1968), S. 127 (155). 160 In den Untergerichten zweiter Klasse fand gem. § 28 CJF (§ 23 AGO) dasselbe Verfahren statt, allerdings fielen hier die Aufgaben des Instruenten und die des Richterkollegiums in einer Person zusammen, da diese Gerichte nur mit einem Richter ausgestattet waren. 161 Die Entscheidung sollte den Parteien gem. § 22 CJF (§ 17 AGO) durch den Instruenten bereits am nächsten Gerichtstag mitgeteilt werden.

Α. Deutschland

55

chen durchgeführt 162. Die Trennung von untersuchendem und erkennendem Richter führte zudem dazu, daß jede Prozeßhandlung sorgfältig protokolliert werden mußte, da die Entscheidung allein auf Grundlage der Akten gefällt wurde. Die Annäherung des Bagatellprozesses an den ordentlichen Prozeß führte damit zu einer Verlangsamung und Verteuerung. c) Bayern Anders als in Kursachsen und Brandenburg-Preußen wurde das Bagatellverfahren in Bayern nicht näher ausgestaltet. Dies mag damit zusammenhängen, daß der summarische Prozeß von 1616, welcher das ordentliche Verfahren als Regel verfahren abgelöst hatte, dafür sorgte, daß das Reformbedürfnis in Bayern im 18. Jahrhundert geringer war als in den beiden anderen untersuchten Staaten. Im Jahre 1753 wurde der überwiegend gemeinrechtliche bayerische Zivilprozeß ohne große inhaltliche Änderungen im Codex Juris Bavarici Judiciarii 163 zusammengefaßt. Im Codex waren drei Verfahrensarten geregelt: der nur noch wenig praktizierte, weil schwerfällige Ordinarprozeß, der eigentliche summarische Prozeß 164 von 1616 als Regelverfahren sowie das u. a. in Bagatellsachen anwendbare Verfahren „in causis summariissimis". Gem. § 2 des dritten Kapitels war das ordentliche Summarverfahren in Streitigkeiten unter 50 Gulden 165 ausgeschlossen. Stattdessen sah der Codex in Kap. 3 § 3 vor, daß man u. a . 1 6 6 bei „ Kleinigkeiten, welche nicht 50 fi. in Capitali betragen, gar keinen, oder wenigist keinen schriftlichen Process , minder weitläujfige Proben gestatten, sondern dieselbe gleich durch mündliche Verhör, oder Commission in Güte zu heben, oder der Billichkeit nacht sonderbar da es unvermögliche Partheyen betrift, zu entscheiden trachten" sollte. In Bayern >62 Wollschläger,

in: Methoden (1991), S. 13 (18).

163

„Codex Juris Bavarici Judiciarii, oder: Neu verbesserte Chur-Bayerische Gerichtsordnung" von 1753; kommentiert von seinem Verfasser von Kreitmayr, in: „Anmerkungen über den Codex juris bavarici judiciarii worin derselbe sowohl mit dem gemeinen, als den ehemaligen statutarischen Gerichts-Ordnungen und Rechten genau verglichen ist" (benutzte Ausgabe: München 1842). Zur Enstehungsgeschichte Schöll, Codex (1965), S. 21 ff. Die Absicht des Codex war nicht, wie wenig später in Preußen, eine Neuschöpfung des Prozesses auf anderer Grundlage, sondern die Stärkung der Rechtssicherheit durch eindeutige Fassung der Bestimmungen des gemeinen Rechts und Zusammenfassen der Materie, Schwartz, Civilprozeß-Gesetzgebung (1898), S. 265. 164 Der Rechtsgang des ordentlichen Summarverfahrens war gekennzeichnet durch das gemeinrechtlich-schriftliche Verfahren mit seiner Gliederung in die voneinander getrennten Stadien von Behauptung und Beweis, vgl. dazu Schwartz, Civilprozeß-Gesetzgebung (1898), S. 256 ff. 165 Im Entwurf des Codex war die Streitwertgrenze wie 1616 noch mit 20 Pfund Pfennig (= 23 Gulden) angegeben, vgl. Schöll, Codex (1965), S. 61. •66 Summariissime waren außerdem zu verhandeln: Streitigkeiten zwischen ehelichen Kindern und Eltern, Polizeisachen, Sachen, die das gemeine Wesen betrafen, Vormundschaftssachen, Unterhaltssachen und andere derartige Gegenstände, die nicht aufgeschoben werden konnten.

56

1. Kapitel: Die Entwicklung des Bagatellprozesses

blieb es damit - entgegen der Kodifikationstendenz in den übrigen Staaten - bei dem seit der Erklärung der Landesfreiheit von 1508 bestehenden umfassenden richterlichen Ermessen bei der Verfahrensgestaltung in Bagatellsachen.

3. Zusammenfassung Anders als der ordentliche Prozeß des römisch-kanonischen Rechts, der über das Reichskammergericht Einfluß auf die Gerichte der Territorien gewann, hat sich der Bagatellprozeß in den Territorien entwickelt. Da sich das ordentliche, schriftliche Verfahren weitgehend durchgesetzt hatte, entstand das Bedürfnis nach einem vereinfachten Rechtsgang u. a. in Bagatellsachen. Diesem Bedürfnis wurde seitens der Landesherren durch den Erlaß spezieller Bagatellgesetze Rechnung getragen. In das Lehrgebäude des gemeinen Prozesses wurden die Bagatellverfahren überwiegend als regulär-unbestimmte summarische Verfahren eingeordnet. Tatsächlich waren die territorialen Bagatellverfahren im Vergleich zum ordentlichen Rechtsgang zwar „summarisch", d. h. vereinfacht, aber dabei alles andere als unbestimmt. Die eingehende Systematisierung durch die Lehre änderte nichts an der Tatsache, daß die Vorschriften des Bagatellprozesses in den einzelnen deutschen Staaten nach wie vor erheblich voneinander abwichen. Im Unterschied zu den Regelungen des 16. und 17. Jahrhunderts enthielten die neuen Bagatellgesetze genaue Bestimmungen über die Streitwertgrenze und das zu beobachtende Verfahren. Dabei wurden - im Gegensatz zum ordentlichen Rechtsgang, der in Bagatellsachen ausgeschlossen blieb - grundsätzlich die Prinzipien der Mündlichkeit und Unmittelbarkeit betont. Einen Sonderweg beschritt allerdings Preußen mit der AGO von 1794. Dem dort geregelten Bagatellverfahren lagen diesselben Grundsätze zugrunde wie dem - allerdings reformierten - Regelverfahren: Auch für den Bagatellprozeß galt somit die Trennung von untersuchendem und erkennendem Richter und die Formenstrenge des Verfahrens. Das andere Extrem bildete Bayern, wo es zu keiner spezifischen Ausgestaltung des Bagatellprozesses kam und die Ermächtigung des Richters zur Entscheidung nach Billigkeit in Bagatellsachen erhalten blieb.

IV. Die Entwicklung im 19. Jhr.: Die Formalisierung des Bagatellprozesses und seine Abschaffung Im 19. Jahrhundert setzte sich das Streben der Territorialfürsten nach einer Modernisierung, Vereinheitlichung und Verstaatlichung der Rechtspflege fort. Dabei modernisierten die Partikularstaaten sowohl das Verfahrensrecht als auch die Gerichtsverfassung: Die Gerichtsorganisation wurde gestrafft und der Gerichtspluralismus abgebaut. Die letzten Patrimonialgerichte wurden als unzeitgemäße Überbleibsel der überkommenen Ständegesellschaft ebenso abgeschafft wie die privile-

Α. Deutschland

57

gierten Gerichtsstände des Adels 167 . Zudem setzte sich nach französischem Vorbild die Trennung von Verwaltung und Justiz durch. Bis zur Reichsgründung wurden die Bagatellverfahren in den Partikularstaaten weiter formalisiert und ihr Anwendungsbereich immer wieder ausgedehnt (1.). Ein Bruch mit der partikularen Rechtsentwicklung erfolgte durch die Reichsgründung im Jahre 1871. Die CPO von 1879 vereinheitlichte das Verfahrensrecht der zuvor unabhängigen Teilstaaten. Ein spezielles Bagatellverfahren war in ihr nicht mehr vorgesehen. Einzig in Baden und in Württemberg bestanden aufgrund einer reichsrechtlichen Ermächtigung für geringwertige Streitigkeiten zwischen Gemeindeangehörigen die dortigen Gemeindegerichte der Gemeinderäte bzw. Bürgermeister fort (2.).

1. Der Bagatellprozeß in den Partikularstaaten bis zur Reichsgründung Die Prozeßrechtsentwicklung in den Partikularstaaten brachte im 19. Jahrhundert im Bereich des Bagatellverfahrens keine grundlegenden Neuerungen hervor. Die bereits bestehenden Verfahren wurden weiter formalisiert und unter dem Gesichtspunkt der Prozeßbeschleunigung näher ausgestaltet. Durch eine Ausdehnung ihres Anwendungsbereichs traten sie für einen Großteil der Prozesse an die Stelle des ordentlichen Verfahrens. Eine Sonderrolle spielten bei der Erledigung von Bagatellsachen die sog. Friedensgerichte in den preußischen Rheinlanden, die auf französische Vorbilder zurückgingen und eine Sondergerichtsbarkeit in geringwertigen Streitigkeiten begründeten.

a) Sachsen Die sächsische Zivilprozeßgesetzgebung setzte im 19. Jahrhundert ihr Bestreben nach weiterer Beschleunigung des Rechtsgangs in Bagatellsachen kontinuierlich fort. Durch § 43 des „ Gesetzes über das Verfahren über ganz geringe Civilansprüche( t aus dem Jahre 1839 168 wurde der Anwendungsbereich des Mandats von 1753, mit dem man offensichtlich gute Erfahrungen gemacht hatte, von 50 bzw. (bei Klagehäufung) 100 Gulden auf 50 bzw. 100 Taler und damit auf einen Großteil der Zivilrechtsstreitigkeiten ausgedehnt169. Gleichzeitig wurde ein neues Bagatellverfahren für Streitigkeiten im Wert von bis zu 20 Talern 170 eingeführt. Im Unterschied zu den geringfügigen Sachen bis zu 167 In Preußen etwa durch die Verordnung vom 2. Januar 1849 über die Aufhebung der Privatgerichtsbarkeit etc., vgl. Erler, HRG, Bd. 3 (1984), Sp. 1547 (1548). 168 Dargestellt und kommentiert bei Volkmann, System, Bd. 3 (1845), S. 114 ff.; Osterloh, Processe (3. Aufl. 1857), S. 222 ff.; Kranichfeld, Civilproceßgesetze (1876), S. 12 ff. 169 1 Taler entsprach seit dem Dresdner Münzvertrag von 1838 1,75 Gulden: Baltzarek, HRG, Bd. 3 (1984), Sp. 765 (769).

58

1. Kapitel: Die Entwicklung des Bagatellprozesses

einem Wert von 50 bzw. 100 Talern („causae minutae") wurden diese als ganz geringe Sachen („causae minimae") bezeichnet. Die Bestimmungen für das neue Bagatellverfahren umfaßten sämtliche Verfahrensstufen, so daß - anders als bei den geringfügigen Rechtssachen - ein Rückgriff auf die Vorschriften für den ordentlichen Prozeß nicht mehr notwendig war. Der beherrschende Gedanke war weiterhin die Konzentration des Prozesses auf eine mündliche Verhandlung. Zu diesem Zweck wurde deren Vorbereitung verbessert: Die Vorladung der Parteien mußte innerhalb achttägiger Frist durch einen sog. „Bestellzettel" erfolgen, der auch die Aufforderung an die Parteien enthalten mußte, zum Termin alle vorhandenen Beweismittel mitzubringen, damit die Sache gleich entschieden werden konnte. Wurde ein erneuter Termin nur deswegen erforderlich, weil eine Partei Beweisurkunden nicht zum ersten Termin mitgebracht hatte, mußte sie die dadurch entstandenen Kosten tragen. Im Termin hatte der Richter zunächst einen Vergleichsversuch zu unternehmen. Mißlang dieser, mußte der Beklagte seine Einreden gegen das klägerische Vorbringen geltend machen und seine Beweismittel benennen. Entsprechend der Regelung im heutigen § 139 ZPO hatte der Richter die Parteien beim Vorbringen ihrer Anträge und Erklärungen „durch geeignete Fragen zu unterstützenIn der Beweiswürdigung war das Gericht ziemlich frei, insbesondere durfte es die Verurteilung entgegen den Beweisregeln für den ordentlichen Prozeß auch auf die Aussage eines einzigen glaubwürdigen Zeugen stützen. Die Entscheidung konnte auch von der Ableistung eines Bestärkungseids durch die Parteien abhängig gemacht werden. Gegen die Entscheidung war als einziges Rechtsmittel die Appellation zugelassen. Die Gerichtsgebühren waren sehr niedrig 171 . Der Senkung der Verfahrenskosten diente die Vorschrift, daß die Parteivertretung zwar zulässig war, doch die vertretene Partei hierfür auch bei Obsiegen genausowenig wie für eingereichte Schriftsätze Auslagenersatz verlangen konnte 172 . Offensichtlich bewährten sich die oben dargestellten Vorschriften: Mit der Civilprozeßnovelle von 1861 173 wurde der Anwendungsbereich des ΒagatellVerfahrens von 1839 auf Streitwerte bis zu 50 Taler und auf Mietsachen, der des ursprünglichen BagatellVerfahrens von 1753 auf durchgehend 100 Taler erweitert. Daneben 170

Ausgenommen waren hiervon gem. § 2 jedoch alle Ansprüche, die mit Grundstückseigentum, -besitz und den Berechtigungen sowie Verpflichtungen daraus zusammenhingen. Gem. § 45 konnte das Bagatellverfahren aber auch in höherwertigen Streitigkeiten zur Anwendung kommen, wenn sich die Parteien unter Zustimmung des Gerichts darauf einigten. 171 Vgl. § 40: Für die gerichtliche Verhandlung der Sache wurden je nach Streitwert nur 6 - 1 6 Groschen als Gerichtsgebühren verlangt. Für die Parteivertreter wurden ebenfalls 16 Groschen als Obergrenze festgelegt. 172 Die Versagung des Auslagenersatzes für Prozeß Vertreter und deren Schriftsätze wurde allerdings durch Gesetz vom 30. Dezember 1861 wieder aufgehoben. Stattdessen legte man sehr niedrige Obergrenzen für die Anwaltsgebühren in ganz geringen Sachen fest. 173 „Gesetz, die Abkürzung und Vereinfachung des bürgerlichen Proceßverfahrens betreffend" vom 30. Dezember 1861.

Α. Deutschland

59

wurde für Geldforderungen bis zu 50 Talern - wie in Preußen - ein Mahnverfahren eingeführt 174 . Um die Vergleichsbereitschaft zu fördern und damit die Gerichte zu entlasten, verzichtete der Staat bei Vergleichen im ersten Termin in ganz geringen Sachen auf die Erhebung von Gerichtsgebühren.

b) Preußen Bei der Betrachtung der Entwicklung des preußischen Bagatellverfahrens im 19. Jahrhundert ist zwischen Rheinpreußen und dem übrigen Preußen zu unterscheiden. Die im Bereich der Gerichtsverfassung und des Prozeßrechts in Preußen durchgeführten Reformen galten nämlich nicht für die in der napoleonischen Ära von Frankreich annektierten Rheinlande, in denen bis zum Erlaß der Reichsjustizgesetze von 1877-1879 die bewährte französische Gerichtsorganisation und mit ihr das französische Verfahrensrecht erhalten blieben 175 . Dadurch existierten in den Kerngebieten Preußens (aa) und in den preußischen Rheinlanden (bb) im Rahmen zweier ganz unterschiedlicher Justizsysteme auch zwei unterschiedliche Bagatellverfahren. aa) Die Kerngebiete Preußens (ohne Rheinlande) In den Kerngebieten Preußens wurde der Zivilprozeß seit 1793 durch das in der AGO geregelte Verfahren bestimmt. Dieses war dem zu Beginn des 19. Jahrhunderts zu beobachtenden Anstieg der Rechtsstreitigkeiten aber nicht mehr gewachsen und hatte zu einer als unerträglich empfundenen sehr langen Prozeßdauer geführt 176 . Insbesondere die Trennung zwischem untersuchenden und erkennenden Richter hatte sich als unpraktikabel erwiesen. Mit der „ Verordnung über den Mandats-, den summarischen und den Bagatellprozeß" von 1833 177 wurde daher gegenüber dem Verfahren der AGO eine Konzentration des Prozesses für die in ihrem Titel genannten Verfahrensarten angestrebt 178 und die volle Mündlichkeit und Unmittelbarkeit des Verfahrens wiederhergestellt.

174 Vgl. §§ 28 ff. Das sächsische Mahn verfahren ähnelte bereits sehr dem heute gem. §§ 688 ff. ZPO gültigen. Anders als das in Preußen mit VO von 1833 eingeführte (siehe unten) war es jedoch auch in Bagatellsachen nicht obligatorisch. 175 Dasselbe galt für Rheinhessen und Rheinpfalz, Andreae, Friedensgericht (1986), S. 194. i™ Schubert, in: SZ Germ. 85 (1968), S. 127 (155); Schering, Bagatell-Prozeß (1843), S. 5. 177 Zu der Verordnung erging noch im selben Jahr eine Instruktion für die Gerichte. Zur Entstehungsgeschichte der Verordnung vgl. Schering, Bagatell-Prozeß (1843), S. 4 ff., 418 ff. w Schwartz, Civilproceß-Gesetzgebung (1898), S. 577. Gem. § 74 der Verordnung sollten allerdings die Vorschriften der AGO weiterhin zur Anwendung kommen, soweit die Verordnung nicht abweichende Bestimmungen enthielt.

60

1. Kapitel: Die Entwicklung des Bagatellprozesses

Der Bagatellprozeß 179 war im dritten Titel der VO geregelt, welcher in § 66 auf die Vorschriften des summarischen Prozesses (zweiter Titel der VO) verwies 180 . Wie in Sachsen war das Verfahren auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung ausgerichtet. Die Verhandlung und Entscheidung einer Bagatellsache erfolgte wieder durch denselben Richter. Bei Kollegialgerichten wurden dafür spezielle Bagatellkommissare ernannt. Die Klage und alle anderen Parteianträge konnten weiterhin mündlich zu Protokoll erhoben werden. Sie waren nur dann schriftlich zu erheben, wenn die Partei einen Justizkommissar als Bevollmächtigten bestellt hatte. Auf die Klage wurde ein Klagebeantwortungstermin anberaumt, der nach Möglichkeit auch gleich zur Beweiserhebung genutzt werden sollte. Waren die Beweismittel nicht gegenwärtig, fand ein gesonderter Beweistermin statt. Allerdings wurde zur Verfahrensbeschleunigung die durch CJF und AGO abgeschaffte Eventualmaxime wieder eingeführt: Hatte sich der Beklagte im Klagebeantwortungstermin nicht über alle vom Kläger vorgebrachten Tatsachen erklärt, war er damit im Beweistermin ausgeschlossen181. Über das Ergebnis einer jeden mündlichen Verhandlung wurde ein Protokoll erstellt, unter das je nach Verfahrensstadium der Beweisbeschluß bzw. das Urteil gesetzt wurde. Gegen das Urteil war gem. Art. 1 Nr. 2 der Deklaration vom 6. April 1839 182 , abgesehen vom Rechtsmittel der Restitution gegen Versäumnisurteile, nur der Rekurs 183 an die höhere Instanz zulässig, Appellation und Nichtigkeitsbeschwerde waren in Bagatellsachen ausgeschlossen. Die wichtigste Neuerung hinsichtlich des Bagatellprozesses stellte jedoch die Einführung eines obligatorischen Mahnverfahrens dar. Dieses wurde zwingend bei allen Bagatellklagen auf Zahlung einer Geldsumme oder anderer vertretbarer Sachen durchgeführt 184. Gegen den Beklagten wurde zunächst ein sog. „Mandat" mit Zahlungsbefehl erlassen, gegen das dieser innerhalb einer zweiwöchigen, gegebenenfalls auch kürzeren Frist, Widerspruch einlegen konnte. Versäumte er die Frist, erlangte das Mandat die Wirkung eines Versäumnisurteils, konnte also unmittelbar vollstreckt werden. Legte der Beklagte fristgerecht Widerspruch ein, waren beide Parteien zur mündlichen Verhandlung zu laden. 179 Gem. § 53 der Instruktion für die Gerichte von 1833 waren Bagatellsachen „diejenigen Sachen, deren Gegenstand nach Gelde zu schätzen ist und den Werth von 50 Thalern nicht übersteigt." 180 Durch die „Verordnung über das Verfahren in Civilprozessen" von 1846 wurde der Bagatellprozeß von 1833 in einigen Punkten modifiziert, hatte aber ansonsten bis zum Inkrafttreten der CPO im Jahre 1879 Gültigkeit. 181 Insoweit war der preußische Bagatellprozeß also strenger als der sächsische, der das Nachschieben von Tatsachen erlaubte und als Sanktion nur die Auferlegung der Verzögerungskosten kannte (siehe oben Α. IV. la). 182 „Declaration zur Verordnung über das Rechtsmittel der Revision und Nichtigkeitsbeschwerde" vom 14. Dezember 1833. 183 Zu den engen Voraussetzungen des Rekurses Schering, Bagatell-Prozeß (1843), S. 441 ff. 184 Bei anderen Bagatellklagen fanden die §§ 61 ff. der VO von 1833 Anwendung, d. h. es war sofort zur mündlichen Verhandlung zu laden.

Α. Deutschland

61

bb) Die preußischen Rheinlande In den linksrheinischen Gebieten, die 1795 von Frankreich besetzt und später im Frieden von Luné ville an Frankreich abgetreten worden waren 185 , wurde im Jahre 1798 neben dem französischen Prozeßrecht auch die französische Gerichtsorganisation eingeführt 186 . Dasselbe galt für das rechtsrheinische Großherzogtum Berg 187 . Auf diese Weise fanden die durch das Justizorganisationsdekret von 1790 188 in Frankreich flächendeckend eingerichteten Friedensgerichte („juges de paix") in das deutsche Gerichtssystem Eingang 189 . Die Übernahme der französischen Gerichtsorgansiation bedeutete gleichzeitig das Ende der Patrimonialgerichtsbarkeit und der priviligierten Gerichtsstände des Adels, der Beamten etc. 190 . Auf dem Wiener Kongreß erhielt Preußen vier der ehemals sieben rheinischen Départements und faßte sie in seiner Rheinprovinz zusammen191. Nach Prüfung des in den neu erworbenen Gebieten bestehenden Gerichtssystems durch eine sog. „Immediat-Justiz-Kommission" 192 wurde dieses - und damit auch das System der Friedensgerichte - für gut befunden und beibehalten193. Die Kompetenzen der Friedensgerichte, die aus einem Richter und einem Gerichtsschreiber bestanden, wurden in der preußischen Zeit durch zwei Verordnungen aus dem Jahre 1821 194 und dem Jahre 1843 195 auf der Grundlage des französischen Justizorganisationsdekrets von 1790 neu bestimmt. Danach waren die preußischen Friedensgerichte in streitigen Zivilsachen zuständig für alle Klagen bis zu einem Streitwert von 20 Talern - und zwar ohne die Möglichkeit der Berufung 185 Nach der Abtretung wurde das Gebiet in die sog. Roer-, Rhein- und Mosel-, Saar- und Donnersberg-Départements eingeteilt. 186 „Règlement sur l'ordre judiciaire" vom 23. Januar 1798. 187 Starke, Gerichtsverfassung, Bd. 1 (1839), S. 202. Dieses war unterteilt in das sog. Rhein-, Ruhr- und Sieg-Département. 188 „Décret contenant règlement sur la procédure en la justice de paix" vom 18./26. Oktober 1790. Darstellung des französischen Friedensgerichtsverfahrens bei Erkens, Friedensgerichtsbarkeit (1994), S. 87 ff. 189 Die Friedensgerichte waren in Frankreich eingeführt worden, um die durch die Abschaffung der Patrimonialgerichte entstandene Lücke zu schließen. Ausführlich zur Entstehung der Friedensgerichtsbarkeit in Frankreich und ihre Entwicklung in den vier linksrheinischen Départements Erkens, Friedensgerichtsbarkeit (1994), S. 5 ff., 159 ff., Niessen, Friedensgerichte (1991), S. 15 ff.; Andreae, Friedensgericht (1986), S. 4 ff. 190 Starke, Gerichtsverfassung, Bd. 1 (1839), S. 201. 191 Es handelte sich im wesentlichen um die drei nördlichen linksrheinischen Départements (Roer-, Rhein- und Mosel- sowie Saar-Département) sowie das Ruhr- und das RheinDépartement des Großherzogtums Berg, Erkens, Friedensgerichtsbarkeit (1994), S. 250. 192 Diese wurde durch „Kabinetts-Ordre" vom 20. Juni 1816 eingesetzt. 193 „Kabinetts-Ordre" vom 19. November 1818 und Verordnung zur Organisation der Friedensgerichte vom 25. Juli 1821 mit einem Anhang, in dem sämtliche Friedensgerichtsbezirke aufgezählt sind. 194 Durch Verordnung zur Kompetenz der Friedensgerichte vom 7. Juni 1821. 195 „Verordnung - die Kompetenz der Friedensgerichte betreffend" von 1843.

62

1. Kapitel: Die Entwicklung des Bagatellprozesses

sowie für Klagen aus schuldrechtlichen Ansprüchen (sog. persönliche Klagen) sowie aus dinglichen Ansprüchen auf bewegliches Gut (sog. Mobiliarklagen) bis zu einem Streitwert von 100 Talern - mit Berufungsmöglichkeit zu den Landgerichten. Daneben war der Friedensrichter auch für die Durchführung des - vor Klageerhebung bei den Landgerichten obligatorischen - Sühneversuchs, für Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit sowie für die Verfolgung und Ahndung kleinerer Delikte zuständig 196 . Das Verfahren der Friedensgerichte blieb unverändert 197. Damit galt das in 1Qfi

1QÛ

Art. 1 - 4 7 des Code de procédure civile geregelte summarische Verfahren : Der Sache nach wich es kaum von dem in den preußischen Kerngebieten in Bagatellsachen seit dem Erlaß der obengenannten VO von 1833 durchgeführten Prozeß ab. Der wesentliche Unterschied bestand darin, daß vor den Friedensgerichten ein Mahnverfahren nicht obligatorisch war. Im übrigen hatte der Friedensrichter mindestens zwei Audienztage in der Woche abzuhalten. Zu diesen erschienen die Parteien entweder freiwillig vor ihm oder wurden nach Klageerhebung dazu vorgeladen. Die Vertretung durch Bevollmächtigte war zugelassen. Nach der Parteieinvernahme hatte die Entscheidung möglichst noch im selben Termin oder spätestens in der nächsten Audienz zu erfolgen 200 . War die Vernehmung von Zeugen oder Sachverständigen erforderlich, konnte der Friedensrichter dies durch ein sog. „interlokutorisches Urteil" anordnen 201 und der beweispflichtigen Partei einen Vorladungszettel für den Zeugen bzw. Sachverständigen aushändigen. Die Vorladung erfolgte dann kostensparend im Parteibetrieb. Zum Zwecke der Prozeßbeschleunigung hatte das Endurteil binnen von vier Monaten nach Erlaß des Interlokuts zu ergehen 202. Die Zeugenvernehmung wurde in Gegenwart der Parteien in einem eigens dafür anberaumten Termin durchgeführt 203. Wenn möglich erging noch im selben Termin das Endurteil, welches gleich auf das Audienzprotokoll gesetzt und sowohl vom Richter als auch vom Gerichtsschreiber unterzeichnet wurde. Insgesamt war das Verfahren vor den Friedensgerichten somit mündlich und weitestgehend formfrei sowie auf Schnelligkeit und Kostenersparnis für die Parteien bedacht. 196 Darstellung der Zuständigkeit bei Starke, Gerichtsverfassung, Bd. 1 (1839), S. 206 ff. 197 Dazu Evelt, Gerichtsverfassung (1852), S. 19 f. 198 Dieser war am 1. Januar 1807 in Kraft getreten. Benutzte Ausgabe mit deutscher Übersetzung 1807 in Köln herausgegeben von Daniels. 199 Dieses griff größtenteils auf die Regelungen des französischen Justizorganisationsdekrets von 1790 zurück. 200

Erforderliche Aktenstücke konnte sich der Richter vor der Entscheidung zustellen lassen. °i Gegen ein solches interlokutorisches Urteil war die selbständige Appellation zugelassen. 202 Später erlassene Endurteile waren auf die Appellation einer der Parteien für nichtig zu erklären. Der Richter machte sich schadensersatzpflichtig, wenn er die Verzögerung verschuldet hatte. 203 Die Parteien durften die Zeugen nicht unterbrechen, aber nach der Aussage über den Richter Fragen an sie richten. 2

Α. Deutschland

63

c) Bayern Die bayerische Prozeßgesetzgebung des 19. Jahrhunderts führte im Bereich des Bagatellprozesses zu keinen wesentlich neuen Entwicklungen. Durch das Prozeßgesetz vom 17.11.1837 204 wurde das mündliche Verfahren des Codex „ in causis summariissimis" zum ersten Mal näher ausgestaltet. Danach mußten u. a. „Klagen, welche in der Hauptsache an Geld oder Geldeswerth nicht über 100 fl., ohne Errechnung der Zinsen, Kosten, Schäden und Nutzungen betreffen " zum mündlichen Verfahren gebracht werden 205 . Die Klageerhebung erfolgte mündlich zu Protokoll oder schriftlich; die Vertretung durch Bevollmächtigte war zugelassen. In der Verhandlung trugen die Parteien ihren Fall jeweils mündlich vor und wurden dabei wie in Sachsen vom Richter durch geeignete Fragen unterstützt. Danach wurde durch den Richter eine gütliche Beilegung des Streits versucht. Kam ein Vergleich nicht zustande, wurde bei Entscheidungsreife sogleich ein Urteil erlassen, ansonsten erging ein sog. ,3eweiserkenntnis". Ziel war in Bagatellsachen die möglichst schnelle Herbeiführung einer Entscheidung: Hatten die Parteien ihre Beweismittel mitgebracht, erfolgte die Beweisaufnahme noch im selben, ansonsten in einem gesonderten Beweistermin, der innerhalb von acht Tagen stattfinden mußte. Nach der Beweisaufnahme hatte der Richter einen erneuten Vergleichsversuch zu unternehmen. Schlug dieser fehl, erließ er ein Urteil. Hinsichtlich der Beweiswürdigung galten die strengen Beweisregeln des gemeinen Prozesses. Eine Sonderregelung galt allerdings für Bagatellsachen unter einem Streitwert von 50 fl.: In diesen konnten auch Aussagen von unvereidigten Zeugen und Sachverständige verwertet und der Aussage eines einzigen vereidigten Zeugen volle Beweiskraft beigemessen werden.

2. Der Bagatellprozeß seit der Reichsgründung Nach der Reichsgründung erlitt die Entwicklung des Bagatellverfahrens einen Rückschlag. Mit Inkrafttreten der „Civilproceßordnung" (CPO) 206 im Jahre 1879 wurden grundsätzlich sämtliche in den Partikularstaaten für Bagatellsachen bestehenden besonderen Verfahrensarten und Sonderinstitutionen - wie ζ. B. die preußischen Friedensgerichte 207 - abgeschafft und ein formstrenges Einheitsver204 „Gesetz, einige Verbesserungen der Gerichtsordnung in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten betreffend", kommentiert u. a. durch Hellmuth, Lauf des Civil-Processes (1842). 2 °5 Daneben fand dieses bei Streitigkeiten zwischen Eheleuten (ausgenommen Scheidung und Vermögensrechte über 100 fl.), Familienmitgliedern, Hausgenossen, Handwerksmeistern und Gesellen, Dienstherren und Dienstboten, Vermietern und Mietern, Reisenden und Wirten etc. Anwendung. Durch Partei Vereinbarung konnten aber auch höherwertige Streitigkeiten über 100 Gulden mündlich verhandelt werden. 206

Civilproceßordnung vom 30. Januar 1877. Durch das preußische Ausführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz vom 24. April 1878. Die Kompetenzen der Friedensgerichte wurden durch die Amtsgerichte übernommen. Zur Durchführung des Güteversuchs wurde das in anderen preußischen Provinzen bereits seit 207

64

1. Kapitel: Die Entwicklung des Bagatellprozesses

fahren eingeführt, das vor den Landgerichten und Amtsgerichten gleichermaßen galt 2 0 8 . Eine Differenzierung des Verfahrens nach der Höhe des Streitwerts fand nicht mehr statt. Sogar die Berufung war unabhängig vom Wert der Beschwer zulässig. Als vereinfachte Verfahren waren nur Urkunden- und Wechselprozeß, Mahnverfahren sowie Arrest und einstweilige Verfügung vorgesehen. Justizpolitisch bedeutete das formstrenge Einheitsverfahren zum einen eine bewußte Absage an die ständestaatliche Trennung von „höherer" und „niederer" Ziviljustiz 209 . Zum anderen erschien das unbestimmt-summarische Verfahren als besondere Verfahrensart überflüssig, da der ordentliche Rechtsgang - aufgrund der Übernahme zahlreicher Elemente des Bagatellprozesses - nach Ansicht des Gesetzgebers genügend elastisch war 2 1 0 . Von großen Teilen der rheinischen Bevölkerung wurde die Abschaffung der Friedensgerichte hingegen mit Bedauern aufgenommen, da sich die Institution im Laufe der Jahre bewährt hatte 211 . Die Friedensgerichte arbeiteten aufgrund der relativ kleinen Gerichtsbezirke bürgernah, kostengünstig und trotz ihrer großen Arbeitslast rasch. Zudem genossen die Friedensrichter bei der Bevölkerung in ihrem Bezirk in der Regel hohes Ansehen 212 . Dabei erwies es sich gegenüber den französischen Friedensgerichten als Vorteil, daß die preußischen Friedensrichter über eine juristische Ausbildung 213 und insgesamt über erheblich mehr Kompetenzen verfügten 214 . Die Abschaffung der Friedensgerichte beruhte daher weniger auf Mängeln der Institution selbst als vielmehr auf übergeordneten politischen Zielen. Eine Ausnahme von der allgemeinen Verfahrensvereinheitlichung wurde hinsichtlich des Bagatellprozesses nur in zwei Fällen gemacht. In den beiden südwestdeutschen Staaten Baden und Württemberg wurden Bagatellstreitigkeiten zwischen Gemeindeangehörigen traditionell nicht von den ordentlichen Gerichten, sondern durch den Gemeinderat (in Württemberg) und den Orts vorgesetzten bzw. Bürgermeister (in Baden) erledigt 215 . Aufgrund der auf Wunsch der beiden Staaten einge1827 bestehende Schiedsmannwesen durch die sog. Schiedsmann-Verordnung vom 29. 3. 1879 ausgebaut. Zur Geschichte der preußischen Schiedsmänner Starke, Gerichtsverfassung, Bd. 1 (1839), S. 412. 208 Bereits die Hannoversche Bürgerliche Prozeßordnung von 1850, die der CPO als Grundlage diente, hatte ein Einheitsverfahren vorgesehen. Zum amtsgerichtlichen Verfahren gem. § 375 ff. der Hannoverschen Prozeßordnung von 1850 Arning, Bagatellverfahren (1994), S. 24 f. 209 Wollschläger in: Methoden (1991), S. 13 (18). 210 Blomeyer, Zivilprozessrecht (1963), S. 647. 211 Nießen, Friedensgerichte (1991), S. 161; Andreae, Friedensgericht (1986), S. 196. 212 Andreae, Friedensgericht (1986), S. 198. 213 Zur Ausbildung der preußischen Friedensrichter ausführlich Andreae, Friedensgericht (1986), S. 104 ff. 214 Andreae, Friedensgericht (1986), S. 197. 215 Zur Geschichte der Gemeindegerichtsbarkeit Mainhard, in: XXIX. Deutscher Juristentag (1908), S. 23 ff.; Hahn, Laiengerichtsbarkeit (1974), S. 19 ff.; nur für Württemberg Theilacker, Friedensgerichtsbarkeit (1963), S. 8 ff.

Α. Deutschland

65

fügten Ermächtigungsnorm in § 14 Nr. 3 G V G 2 1 6 konnte die Gemeindegerichtsbarkeit auch nach der Einführung einer reichseinheitlichen Gerichtsorganisation durch das Gerichtsverfassungsgesetz von 1877 aufrechterhalten werden 2 1 7 .

a) Baden M i t den §§ 1 1 5 - 1 2 3 des „Gesetzes die Einführung der Reichs-Justizgesetze im Großherzogthum Baden betreffend" vom 3. März 1 8 7 9 2 1 8 machte Baden von der Möglichkeit Gebrauch, die Gemeindegerichte neben den vom G V G vorgesehenen Gerichten fortzuführen 2 1 9 . Es berief die Bürgermeister bzw. deren gesetzliche Stellvertreter zur Entscheidung über vermögensrechtliche Ansprüche, deren Gegenstand den Streitwert von 10 Mark bzw. in Städten mit mehr als 3000 Einwohnern von 30 M a r k 2 2 0 nicht überstieg 2 2 1 . Des weiteren war das Gemeindegericht auch für die Durchführung des Mahnverfahrens der CPO in diesen Sachen zuständig. Damit hatten die Gemeindegerichte einen Anteil von 2 5 - 3 0 % an den erstinstanzlichen streitigen Rechtssachen und zwischen 40 und 50% an den Mahnsachen 2 2 2 . 216 Nach § 14 Nr. 3 GVG wurden als besondere Gerichte zugelassen: „Gemeindegerichte, insoweit denselben die Entscheidung über vermögensrechtliche Ansprüche obliegt, deren Gegenstand in Geld oder Geldeswert die Summe von 60 Mark nicht übersteigt, jedoch mit der Maßgabe, daß gegen die Entscheidung der Gemeindegerichte innerhalb einer gesetzlich zu bestimmenden Frist sowohl dem Kläger wie dem Beklagten die Berufung auf den ordentlichen Rechtsweg zusteht, und daß der Gerichtsbarkeit des Gemeindegerichts, als Kläger oder Beklagter, nur Personen unterworfen werden dürfen, welche in der Gemeinde den Wohnsitz, eine Niederlassung oder im Sinne der §§ 16, 20 der Zivilprozeßordnung den Aufenthalt haben." 217 Zu den Schwierigkeiten, die die Ermächtigungsnorm im Reichstag zu überwinden hatte Mainhard, in: XXIX. Deutscher Juristentag (1908), S. 23 ff. (34 ff.): Motive für die Erhaltung der Gemeindegerichte waren die Entlastung der ordentlichen Gerichte von der Masse der Bagatellsachen und die leichte Erreichbarkeit für die Parteien; Theilacker, Friedensgerichtsbarkeit (1963), S. 8 ff.; Wittmaack, in: AcP 90 (1900), S. 1 ff. (34). 218 Dargestellt und kommentiert bei Mainhard, in: XXIX. Deutscher Juristentag (1908), S. 23 ff.; Hegler, in: AcP 106 (1910), S. 52 ff. 219 Bis dahin bildete das „Gesetz betreffend die Gerichtsbarkeit und die Rechtspflege der Bürgermeister in bürgerlichen Rechtssachen" von 1856 die Grundlage der badischen Gemeindegerichtsbarkeit. Bereits das Zweite Konstitutionsedikt von 1807 hatte aber die Ortsvorgesetzten zur Entscheidung von Bagatellstreitigkeiten zwischen Ortsangehörigen ermächtigt. 220 Dies entsprach der seit 1856 bestehenden Zuständigkeitsgrenze von 5 bzw. 15 Gulden. Mit Gesetz vom 16. April 1886 wurde die Streitwertgrenze auf einheitlich 60 Mark erhöht. Gleichzeitig wurde die Zuständigkeit der Bürgermeister um den Erlaß von Arresten und einstweiligen Verfügungen im Rahmen der ihnen verliehenen Kompetenz sowie um die Durchführung von Sühneverhandlungen bei Streitwerten bis zu 300 Mark erweitert. 221 Die Kompetenz der Gemeindegerichte für Bagatellstreitigkeiten war aber keine ausschließliche: Die Parteien konnten den Rechtsstreit darüber ein vernehmlich auch vor dem Amtsgericht austragen. Bei einer ungebührlichen Verzögerung des Rechtsstreits war das Amtsgericht berechtigt, dem Kläger Dispens vom Erfordernis der vorherigen Klage beim Gemeindegericht zu erteilen. 5 Engbers

1. Kapitel: Die Entwicklung des Bagatellprozesses

66

Das Verfahren war überwiegend mündlich: Der Gemeinderichter hatte die Parteien zu hören und das Streitverhältnis zu ermitteln. Die Parteien durften sich durch Bevollmächtigte vertreten lassen. Allerdings wurden seit 1886 die Kosten für die Bevollmächtigten auch im Falle des Obsiegens nicht ersetzt, so daß sich die Parteien nur sehr selten von Anwälten vertreten ließen 223 . Im übrigen lag die Verfahrensgestaltung grundsätzlich im freien Ermessen des Richters. Tatsächlich war dieses Ermessen durch den Erlaß einer detaillierten Dienstanweisung im Jahre 1886 224 aber erheblich eingeschränkt. Die Entscheidung erging schriftlich (Eröffnung zu Protokoll oder Zustellung einer Ausfertigung). Innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen konnte gegen den Schiedsspruch Berufung eingelegt werden, und zwar im Wege der Klageerhebung beim Amtsgericht des Bezirks. Trotz einiger berechtigter Kritik 2 2 5 wurde die Tätigkeit der badischen Gemeindegerichte insgesamt als erfolgreich bewertet. Als vorteilhaft wurden insbesondere der große Entlastungseffekt für die ordentlichen Gerichte und die Kosten 226 - und Zeitersparnis für die Bevölkerung angesehen227. Die Akzeptanz der Entscheidungen der Gemeinderichter war hoch: nur in etwa V 8 der entschiedenen Fälle wurde Berufung eingelegt. Davon waren aber nur etwa V 4 erfolgreich 228 .

b) Württemberg In Württemberg erhielt die Gerichtsbarkeit des Gemeinderats 229 durch die Art. 3 - 1 4 des Gesetzes zur Ausführung der Reichs-Civilprozeßordnung vom 18. 8. 222 Die Zahlen beziehen sich auf die Jahre 1894- 1906, für die sich bei Mainhard, in: XXIX. Deutscher Juristentag (1908), S. 23 ff. (54 f.) eine Statistik findet. 223 Vor allem auf dem Lande traten kaum Anwälte für die Parteien auf, Mainhard, in: XXIX. Deutscher Juristentag (1908), S. 23 ff. (54). 224 Vom Umfang her (96 Paragraphen) handelte es sich um eine kleine CPO, deren korrekte Anwendung die Laienrichter aber vor große Schwierigkeiten gestellt haben dürfte, Mainhard, in: XXIX. Deutscher Juristentag (1908), S. 23 ff. (52). Die Dienstanweisung enthielt detaillierte Bestimmungen zur Zuständigkeit, zum ordentlichen Verfahren, zum Mahnverfahren, zum Arrest und einstweiligen Verfügungen, zur Zwangsvollstreckung, zur Zustellung, zu den Kosten und zur Tabellenführung. 22 5 Vgl. Mainhard, in: XXIX. Deutscher Juristentag (1908), S. 23 ff. (45 ff.). Die Kritik bezog sich vor allem auf zahlreiche Unklarheiten des Gesetzes hinsichtlich der Klagebefugnis, der Zuständigkeit etc. 226 Gem. § 78 der Dienstanweisung waren für die Verhandlung und Erledigung eines Rechtsstreits bis zu einem Streitwert von 20 Mark eine Mark und über 20 Mark zwei Mark Gerichtsgebühr zu erheben. Im Mahnverfahren betrugen die Gebühren weniger als ein Drittel davon. 227 Mainhard, in: XXIX. Deutscher Juristentag (1908), S. 23 ff. (53 f.); Schmidt, in: Staatsrechtliche Abhandlungen, Bd. 2 (1908), S. 337 (345). 22

» Mainhard, in: XXIX. Deutscher Juristentag (1908), S. 23 ff. (55 f.). Grundsätzlich bildete der vollbesetzte Gemeinderat das Gemeindegericht. Allerdings konnte er auch durch eine dreiköpfige Abteilung des Gemeinderats vertreten werden (vgl. § 4 229

Α. Deutschland

67

1879 230 eine neue, der Ermächtigung des GVG entsprechende Grundlage 231 . Hinsichtlich der Zuständigkeit wurde wie in Baden nach der Klasse der Gemeinde differenziert, der Kompetenzbereich war nur geringfügig weiter: In Gemeinden der 3. Klasse war das Gemeindegericht für vermögensrechtliche Streitigkeiten bis zu einem Streitwert in Höhe von 30 Mark, in denen der 2. Klasse bis zu 40 Mark und in denen der 1. Klasse bis zu 50 Mark zuständig. Ausgenommen waren u. a. dingliche Klagen, die gemeindeauswärtige Immobilien betrafen. Im Rahmen seiner Zuständigkeit konnte das Gemeindegericht Arreste, einstweilige Verfügungen und Mahnbescheide erlassen. Hinsichtlich des Verfahrens ergaben sich der Sache nach kaum Abweichungen zu den badischen Gemeindegerichten: Wie in Baden war eine Vertretung durch Bevollmächtige zugelassen, die Anwaltskosten waren jedoch nicht ersatzfähig 232. Die Verfahrensgestaltung und Beweiswürdigung lagen grundsätzlich im billigen Ermessen des Gerichts, welches aber durch Dienstvorschriften eingeschränkt wurde 233 . Die Verfahrensdauer vor den württembergischen Gemeindegerichten war in der Regel äußerst kurz 2 3 4 , die Kosten sehr niedrig 235 . Von der württembergischen Bevölkerung wurde das Gemeindegerichtsverfahren daher gut angenommen, worauf auch der stetige Anstieg der zu bearbeitenden Fälle 2 3 6 und die geringe Zahl an Berufungen 237 hindeuten.

AG CPO). Deren Vorsitzender konnte ein Gemeindebeamter sein, der - vor allem in den größeren Städten - häufig die Befähigung zum Richteramte besaß, vgl. Dollinger, in: DJZ 1907, Sp. 103 ff. (104). 230 Dargestellt und kommentiert bei Dollinger, in: DJZ 1907, Sp. 103 ff., der dabei auf die Praxis des Gemeindegerichts Stuttgart und Statistiken von 1900-1906 zurückgreift sowie Hegler, in: AcP 106 (1910), S. 52 ff. (86 ff.). 231 Zuvor hatte sie sich aus Art. 877-898 der württembergischen CPO von 1868 ergeben. Erstmals geregelt worden war sie aber bereits mit königlichen Reskript vom 26. 8. 1811 sowie der „Instruktion für die untern Civil-Gerichts-Stellen" vom 19. 10. 1811. 232 Die Vertretung durch Anwälte war daher sehr selten; sie kam in höchstens 3 - 5 % der Fälle vor, Dollinger, in: DJZ 1907, Sp. 103 ff. (104). 233 in Württemberg ergingen im Gegensatz zu Baden jedoch erst im Jahre 1902 ausführliche Dienstvorschriften. Dazu ausführlich Hegler, in: AcP 106 (1910), S. 52 ff. (86 ff.). 234 Nach Dollinger, in: DJZ 1907, Sp. 103 ff. (106) benötigten 33% der Verfahren insgesamt bis zu einer Woche, 48% bis zu zwei Wochen, 17% bis zu drei Wochen und nur 2% länger als drei Wochen. 235 Die Gerichtsgebühr betrug bei einem Streitwert bis zu 30 Mark 1 Mark, darüber 2 Mark. Bei einem Vergleich wurden nur die halben Gerichtsgebühren erhoben. Die sonstigen Kosten einschließlich der Zustellung schwankten zwischen 40 Pf. und 2 Mark, vgl. § 1 der Gebührenordnung für die württembergischen Gemeindegerichte von 1902 und Dollinger, in: DJZ 1907, Sp. 103 ff. (105). 236 Vgl. die Zahlen bei Dollinger, in: DJZ 1907, Sp. 103 ff. (105). Danach wurden im Jahr 1900 1822, 1901 2124, 1902 2111, 1903 2253, 1904 2505, 1905 2811 und 1906 3242 Fälle erledigt. 237 Nach Dollinger, in: DJZ 1907, Sp. 103 ff. (106) wurden ζ. B. im Jahre 1900 167 Berufungen eingelegt, wovon aber nur 57 tatsächlich an das Amtsgericht gebracht wurden. Die Zahlen für die Jahre 1901 -1906 ergeben ein ähnliches Bild. 5*

68

1. Kapitel: Die Entwicklung des Bagatellprozesses

3. Zusammenfassung Im 19. Jahrhundert wurde der Bagatellprozeß zunächst in den Partikularstaaten weiter formalisiert, blieb aber im Vergleich zum ordentlichen Prozeß mündlich und verhältnismäßig formfrei. Dabei ist eine Annäherung der einzelnen Verfahren zu beobachten. Allen untersuchten Bagatellprozessen ist die Konzentration auf möglichst nur eine mündliche Verhandlung, die Betonung des Güteversuchs, eine starke Stellung des Richters bei der Verhandlungsleitung sowie eine freie Beweiswürdigung gemein. Die Befugnis des Richters zu einer Entscheidung nach Billigkeit wurde zurückgedrängt. Durch verschiedene Anordnungen sollte der Prozeß beschleunigt werden. In Sachsen versuchte man dies dadurch zu erreichen, daß man demjenigen, der den Beweistermin schuldhaft herbeigeführt hatte, die Verfahrenskosten auferlegte. In Preußen ging der Verhandlung ein obligatorisches Mahnverfahren voraus; für verspätetes Vorbringen war die Präklusion angeordnet. In Bayern sollte der Beweistermin innerhalb von acht Tagen nach der ersten Verhandlung stattfinden. Vor den preußischen Friedensgerichten galt die Regel, daß das Urteil innerhalb von vier Monaten nach dem Erlaß des Beweisinterlokuts ergangen sein mußte, ansonsten war es nichtig. Hatte der Richter die Verzögerung verschuldet, machte er sich schadensersatzpflichtig. Zum Zwecke der Verbilligung des Prozesses für die Parteien wurden die Anwaltskosten zumeist nicht erstattet, die Gerichtsgebühren waren gegenüber dem ordentlichen Verfahren häufig ermäßigt. Die Reichsjustizgesetze schließlich brachen in bürgerlich-liberaler Haltung mit der Tradition des mündlichen und formfreien Bagatellverfahrens. Die staatliche Justiz sollte unabhängig vom Streitwert in allen Zivilsachen nach gleichem strengen Recht verfahren. Den Vorschlag, die Friedens- und Gemeindegerichte als reichseinheitliche Institution einzurichten, ließ man fallen. Ausnahmen wurden lediglich auf partikularer Ebene zugelassen. § 14 Nr. 3 GVG gestattete den Bundesstaaten, Gemeindegerichte für Streitigkeiten zwischen Gemeindeangehörigen einzurichten. Baden und Württemberg machten von dieser Möglichkeit Gebrauch. Das mündliche und formfreie Verfahren blieb so lebendig.

V. Die Entwicklung im 20. Jhr.: Die Wiederbelebung und Entformalisierung des Bagatellprozesses Auf Reichs- bzw. Bundesebene (1.) machten Krisenzeiten bald Entlastungsmaßnahmen erforderlich. Der Gedanke, die Gemeindegerichtsbarkeit auf das gesamte Reich auszudehnen, wurde zu Beginn des Jahrhunderts erneut diskutiert, aber verworfen 238 . Stattdessen wurden die vor der Reichsgründung bestehenden Bagatell238 Für die Ausdehnung sprach sich ζ. B. Mainhard, in: XXIX. Deutscher Juristentag (1908), S. 23 ff. (61) aus; unter bestimmten Bedingungen Schmidt, in: Staatsrechtliche

Α. Deutschland

69

Vorschriften teilweise wiederbelebt. Eine Entlastung der Richter und eine Beschleunigung des Verfahrens wurde vor allem durch eine Entformalisierung des Prozesses in Bagatellsachen erstrebt. Auf Länderebene (2.) wurden die bestehenden Sondergerichte für Bagatellsachen zunächst beibehalten. Allerdings geriet die Gerichtsbarkeit in den Händen von Laienrichtern - genauso wie eine „Justiz zweiter Klasse" überhaupt - in den 1970er Jahren politisch in Mißkredit und wurde daher zum 1.1. 1972 abgeschafft. Wenig später beseitigte der Gesetzgeber auch die vor den Amtsgerichten noch bestehenden Vereinfachungsvorschriften für geringwertige Streitigkeiten. Durch die Ermächtigung der Länder zur Einrichtung obligatorischer außergerichtlicher Güteverfahren wurde 1999 die Idee der vorgeschalteten Laiengerichtsbarkeit in geringwertigen Streitigkeiten reaktiviert. 1. Die Entwicklung des Bagatellverfahrens Reichs- bzw. Bundesebene

auf

Bereits durch die EntlastungsVO von 19 1 5 2 3 9 waren außerhalb der CPO 2 4 0 zahlreiche Vereinfachungsmaßnahmen getroffen worden. Neben einem obligatorischen Sühneversuch wurde zur Entlastung der zweiten Instanz gem. § 20 EntlastungsVO eine Berufungssumme von 50 RM eingeführt und damit für geringwertige Streitigkeiten jedes Rechtsmittel ausgeschlossen241. Zudem schränkte § 19 Nr. 1 EntlastungsVO in Bagatellsachen unter 50 RM die Erstattungsfähigkeit von Rechtsanwaltskosten ein: Die Erstattung von Rechtsanwaltsauslagen und -gebühren wurde in das Ermessen des Gerichts gestellt und sollte nur noch erfolgen, wenn diese zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig gewesen waren 242 . Aufgrund heftiger Proteste aus der Anwaltschaft, die gerade in der Krisenzeit um ihre Einkünfte fürchtete, wurde die Beschränkung aber bereits im Jahre 1916 wieder zurückgenommen 243. Abhandlungen, Bd. 2 (1908), S. 337 (346); ablehnend hingegen Schultzky, in: DJZ 1907, Sp. 1124 ff. (1126), der stattdessen die Übertragung von Bagatellstreitigkeiten auf den Gerichtsschreiber vorschlug. 239 Bekanntmachung zur Entlastung der Gerichte vom 9. 9. 1915. Zum Inhalt und den Auswirkungen ausführlich Köster, Beschleunigung, Bd. 1 (1995), S. 153 ff.; umfangreiche Übersicht über Materialien und Literatur, Bd. 2 (1995), S. 988-993. 240 Die EntlastungsVO änderte die CPO nicht förmlich, weil sie nur einen vorübergehenden Zweck erfüllen sollte. Sie blieb indes nach dem ersten Weltkrieg in Kraft, wurde mehrfach geändert und erst im Jahre 1950 durch das Rechtseinheitsgesetz abgeschafft. Bis zu diesem Zeitpunkt ergaben sich die für den Zivilprozeß maßgebenden Verfahrensvorschriften aus der CPO und daneben aus der EntlastungsVO. 241 Im Jahre 1913 lagen ca. 45% der Amtsgerichtsprozesse unter der Streitwertgrenze von 50 Reichsmark, Wollschläger, in: Methoden (1991), S. 13 ff. (20). 242 Motiv für die Erstattungsbeschränkung war die Absicht, das Scheitern von Vergleichen an den bereits erwachsenen hohen Anwaltskosten zu verhindern, Köster, Beschleunigung, Bd. 1 (1995), S. 158; Leipold, in: Humane Justiz (1977), S. 91 ff. (108). 243 Durch Art. 1 Abs. 3 der „Bekanntmachung über Änderungen der Verordnung zur Entlastung der Gerichte vom 9. 9. 1915" vom 18. 5. 1916. Zum Ganzen Köster, Beschleunigung,

70

1. Kapitel: Die Entwicklung des Bagatellprozesses

Mit der BeschleunigungsVO von 1923 244 führte der Gesetzgeber in Ergänzung der EntlastungsVO von 1915 ein sog. Schiedsurteilsverfahren ein 2 4 5 . Vor den Amtsgerichten war dieses in vermögensrechtliche Streitigkeiten bis zu 50 Goldmark 2 4 6 obligatorisch, im übrigen fakultativ, d. h. nur auf Antrag beider Parteien durchzuführen. Die Gestaltung des Schiedsurteilsverfahrens lag im freien Ermessen des Richters, auch eine Entscheidung ohne vorausgegangene mündliche Verhandlung war möglich 247 . Von einer schriftlichen Urteilsbegründung konnte mit Einverständnis der Parteien abgesehen werden. Im Gegenzug wurde der Anwendungsbereich der Nichtigkeitsklage gem. § 579 ZPO auch auf den Fall ausgedehnt, daß einer Partei im Verfahren das rechtliche Gehör nicht gewährt oder das Urteil ohne Einverständnis der Parteien nicht mit Gründen versehen worden war. Die Gerichtsgebühren waren mit Ausnahme der Prozeßgebühr auf die Hälfte ermäßigt. Die mit dem sog. obligatorischen Schiedsurteilsverfahren vor den Amtsgerichten gemachten Erfahrungen waren überwiegend negativ 248 . Einer der Hauptmängel war offensichtlich, daß viele Amtsrichter von dem ihnen eingeräumten Ermessen bei der Verfahrensgestaltung keinen Gebrauch machten und nach der ZPO verfuhren 2 4 9 . Nur dort, wo den Richtern - wie beim Amtsgericht Erfurt 250 - Vorgaben zur Ausübung ihres Ermessens gemacht wurden, hatte es nach Ansicht einiger Autoren Erfolg 251 . Im Jahre 1944 wurde das obligatorische Schiedsurteilsverfahren Bd. 1 (1995), S. 176 f. Als besonders diskriminierend wurde empfunden, daß der Gerichtsschreiber im Kostenfestsetzungsverfahren über die Notwendigkeit der Anwaltsvertretung zu befinden hatte, Leipold, in: Humane Justiz (1977), S. 91 ff. (108). 244 „Verordnung zur Beschleunigung des Verfahrens in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten" vom 22. 12. 1923. Dazu Köster, Beschleunigung, Bd. 1 (1995), S. 215 ff., umfangreiche Übersicht über die Materialien und die Literatur, Bd. 2 (1995), S. 996 f.; Wollschläger, in: Methoden (1991), S. 13 ff. (23 f.). Eine eingehende Darstellung des Verfahrens findet sich bei Rosenberg, Lehrbuch (4. Aufl. 1949), S. 476 ff. 245 Dahinter stand die Absicht, durch Rationalisierung die inflationsbedingte Abwanderung der Prozesse an die effizienteren privaten Schiedsgerichte zu stoppen, gleichzeitig aber auch die staatlichen Gerichte zu entlasten, Volkmar, in: JW 1924, S. 17 ff. 246 Im Jahre 1931 wurde dieser Betrag zusammen mit der Berufungssumme auf 100 RM angehoben, Teil V I Kap. II § 10 Abs. 1 und 2 der „Dritten Verordnung des Reichspräsidenten zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen und zur Bekämpfung politischer Ausschreitungen" vom 6. 10. 1931. 247 Gerade für die Großstadtgerichte erhoffte man sich durch die Schriftlichkeit eine Beschleunigung und Entlastung, Volkmar, in: JW 1924, S. 17. 24 « Schuster, in: Alternativen (1982); S. 189 (191) mwN; Stadler, in: NJW 1998, S. 2479 (2480). 249 Köster, Beschleunigung, Bd. 1 (1995), S. 226; Meyer, in: JW 1930, S. 3291. 250 Beim Amtsgericht Erfurt wurde eine eigene Bagatellabteilung eingerichtet. Eine Darstellung des sog. Erfurter Bagatellverfahrens findet sich bei Meyer, in: JW 1930, S. 3291 ff. Dieses stellte eine Kombination des Mahn- mit dem Säumnisverfahren dar und war darauf ausgerichtet, eine mündliche Verhandlung zu vermeiden. 251 Meyer, in: JW 1930, S. 3291 ff. (3292); Buhe, in: JW 1931, S. 2452 f. Kritisch Culemann, in: JW 1931, S. 2010 f., der rechtliche Bedenken äußerte und im Erfurter Modell eine Beschleunigung zulasten schriftungewandter Schuldner sah, die sich gerade in Bagatell-

Α. Deutschland

71

abgeschafft 252. Das fakultative Schiedsurteilsverfahren wurde hingegen beibehalten und im Jahre 1950 als § 510c in die ZPO eingegliedert 253. Bagatellstreitwert und Berufungssumme wurden auf 50 DM festgesetzt. Dies begründete man, obwohl das fakultative Schiedsurteilsverfahren in der Praxis selten Anwendung gefunden hatte 254 , damit, daß sich das Bagatellverfahren im allgemeinen bewährt habe, da „ es den Amtsgerichten die Möglichkeit gebe, kleine Streitigkeiten des täglichen Lebens besonders schleunig und zweckmäßig zu erledigen" 255. Trotzdem nahm der Bagatellstreitwert an den späteren Erhöhungen der Berufungssumme nicht mehr teil, so daß das Schiedsurteilsverfahren nach § 510c ZPO aufgrund der Geldentwertung bis zu seiner Abschaffung 1976 256 immer mehr an Bedeutung verlor 2 5 7 . Seine Abschaffung wurde schließlich damit begründet, daß das Schiedsurteilsverfahren meist doch in den Formen des allgemeinen Verfahrens abgewickelt werde, so daß für eine Sonderregelung kein echtes Bedürfnis bestehe258. Im Jahre 1991 wurde zur Entlastung der Justiz der alte § 510c ZPO in leicht abgewandelter Form als § 495a ZPO mit der Begründung wiedereingeführt 259, daß in Bagatellverfahren häufig ein Aufwand entstehe, der außer Verhältnis zur Bedeutung der Streitsache stehe, insbesondere bei einer etwa notwendigen Beweisaufnahme und bei der Abfassung des Urteils 260 . Im Unterschied zur früheren Rechtslage können die Vereinfachungsmöglichkeiten des § 495a ZPO durch den Richter auch gegen den Wunsch der Parteien genutzt werden. Allerdings hat auf Antrag einer Partei eine mündliche Verhandlung stattzufinden. Die Streitwertgrenze betrug zunächst 1.000 DM, wurde aber unter der Begründung, das Verfahren habe verfahren häufig fanden; Jonas, in: JW 1931, S. 2011 f., der auch den prozeßökonomischen Erfolg des Verfahrens bezweifelte. 252 § 5 der „Verordnung über außerordentliche Maßnahmen auf dem Gebiete des bürgerlichen Rechts, der bürgerlichen Rechtspflege und des Kostenrechts aus Anlaß des totalen Krieges" (Zweite KriegsmaßnahmenVO) vom 27.9. 1944. 253 Durch Art. II Nr. 70, 98 des „Gesetzes zur Wiederherstellung der Rechtseinheit" vom 12. 9. 1950. Dazu Köster, Beschleunigung, Bd. 1 (1995), S. 397 ff., Übersicht über die Materialien und Literatur, Bd. 2 (1995), S. 1016 f.; Wollschläger, in: Methoden (1991), S. 13 ff. (26 f.). 2 54 Rosenberg, Lehrbuch (4. Aufl. 1949), S. 476; Köster, Beschleunigung, Bd. 1 (1995), S. 225; Wollschläger, in: Methoden (1991), S. 13 ff. (24). 2 55 Entwurfsbegr. (BT-Drucks. 1/530), S. 20 f. zu Art. 2 Nr. 63. 2 56 Durch Art. 1 Nr. 54 des „Gesetzes zur Vereinfachung und Beschleunigung gerichtlicher Verfahren" vom 3. 12. 1976. Als Ersatz wurden die Regelungen der §§ 128 III und 313a neu in die ZPO aufgenommen. 257

Im Jahre 1969 betrug der Anteil der Bagatellverfahren an allen amtsgerichtlichen Verfahren noch 5,7%, im Jahre 1976 sogar nur noch 2,3%, vgl. Wollschläger, in: Methoden (1991), S. 13 ff. (26). 2 58 Entwurfsbegr. (BT-Drucks. 7/2729), S. 85 f. zu Art. 1 Nr. 54 unter e. 259

Durch Art. 1 Nr. 35 des „Rechtspflegevereinfachungsgesetzes" vom 17. 12. 1990. Dazu ausführlich Kapitel 2 dieser Arbeit und Köster, Beschleunigung, Bd. 1 (1995), S. 567 ff., Übersicht über die Materialien und Literatur, Bd. 2 (1995), S. 1029 ff. 2 Entwurfsbegr. (BT-Drucks. 11/3621), S. 10 unter II zu Art. 1 Nr. 8.

72

1. Kapitel: Die Entwicklung des Bagatellprozesses

sich bewährt 261 , bereits 1993 auf 1.200 DM erhöht 262 . Da der durch das Bagatellverfahren erwartete Entlastungseffekt nicht im gewünschten Maße eintrat, wurden die Länder im Jahre 1999 durch den neueingefügten § 15a EGZPO 263 ermächtigt, die Zulässigkeit von Klagen in vermögensrechtlichen Streitigkeiten vor den Amtsgerichten bis zu einem Streitwert von 1500 DM, in Nachbarschaftsstreitigkeiten sowie in Streitigkeiten wegen Ehrverletzungen von einem vorherigen außergerichtlichen Schlichtungsversuch bei einer staatlich anerkannten Gütestelle abhängig zu machen 264 .

2. Die Abschaffung der Bagatellgerichte auf Länderebene Die Gemeindegerichte waren in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts sowohl in Baden als auch in Württemberg nahezu unverändert fortgeführt worden 265 und hatten auch den zweiten Weltkrieg überdauert 266. Ihre praktische Bedeutung war aber fortlaufend zurückgegangen, da sich durch die permanente Geldentwertung der Anteil der Streitigkeiten mit einem Streitwert unter 100 DM erheblich verringert hatte. Zudem entfiel durch die Einrichtung von Arbeitsgerichten auch die Zuständigkeit für kleinere Lohnstreitigkeiten. Aus diesem Grund waren sie in den meisten Gemeinden jahrelang nicht mehr aktiv 2 6 7 . Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die Gemeindegerichte im zur amerikanischen Besatzungszone gehörenden Württemberg-Baden anders als im französisch besetzten südlichen Baden und Württemberg nicht wiedereröffnet. Stattdessen 261 Bericht des Rechtsausschusses (BT-Drucks. 12/3832), S. 39 zu Art. 1 Nr. 8 a. 262 Durch Art. 1 Nr. 6 des „Gesetzes zur Entlastung der Rechtspflege" vom 11.1. 1993. 263 Eingefügt durch Art. 1 des „Gesetzes zur Förderung der außergerichtlichen Streitbeilegung" vom 15. 12. 1999. 264 Von dieser Ermächtigung haben bislang der Freistaat Bayern, Baden-Württemberg, Brandenburg, Nordrhein-Westfalen, Hessen, Sachsen-Anhalt und das Saarland Gebrauch gemacht. 265 im Jahre 1930 wurde die Wertgrenze in § 14 Nr. 3 GVG von 60 auf 100 RM erhöht (durch „Verordnung des Reichspräsidenten zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen"). Rechtsgrundlage der Gemeindegerichtsbarkeit waren in Württemberg Art. 256-260 des „Ausführungsgesetzes zum BGB" vom 29. 12. 1931 sowie die „Verordnung" des Justizministeriums „über das Verfahren und die Kosten vor den Gemeindegerichten" vom 9. 3. 1932 und in Baden die §§ 23-40 des „Ausführungsgesetzes zu den Reichsjustizgesetzen" in der Fassung vom 22. 11. 1933 sowie die „Dienstanweisung für die Gemeindegerichte" in der Fassung vom 16. 1. 1934. 266 in der nationalsozialistischen Zeit waren allerdings auch die württembergischen Gemeindegerichte monokratisch organisiert worden, vgl. Theilacker, Friedensgerichtsbarkeit (1963), S. 11. 267 Theilacker, Friedensgerichtsbarkeit (1963), S. 12, 93. Zwar bestanden nach einer Zählung des baden-württembergischen Justizministeriums im Jahre 1955 de jure 1792 Gemeindegerichte, allerdings waren von den 975 südbadischen Gemeindegerichten 740 und von den 817 südwürttembergischen 728 überhaupt nicht mehr tätig.

Α. Deutschland

73

machte man dort von einer i m Jahre 1948 in § 13a G V G 2 6 8 eingefügten Ermächtigung Gebrauch und übertrug die Erledigung zivilrechtlicher Bagatellstreitigkeiten auf sog. Friedensgerichte 269 . Anders als der Name vermuten ließe, knüpften diese allerdings nicht an die i m 19. Jahrhundert in der preußischen Rheinprovinz bestehende Tradition der Friedensgerichte, sondern an die der südwestdeutschen Gemeindegerichte an. In jeder württemberg-badischen Gemeinde bestand ein Gemeindefriedensgericht 270 . Nach Wahl der Gemeinde war es mit einem Einzelrichter oder einem dreiköpfigen Kollegium besetzt . Der Tätigkeitsschwerpunkt der Gemeindefriedensgerichte lag i m strafrechtlichen Bereich 2 7 4 . I n Zivilsachen waren sie für fakultative Schlichtungsversuche und für die Entscheidung über alle vermögensrechtlichen Streitigkeiten gemeindeansässiger Parteien mit einem Streitwert bis zu 150 D M zuständig 2 7 5 . I m Rahmen dieser Zuständigkeit konnten die Gemeindefriedensrichter wie zuletzt die Gemeindegerichte auch einstweilige Verfügungen, Arreste und Mahnbescheide erlassen. Gegen jede Entscheidung eines Friedensgerichts konnte Berufung bzw. Beschwerde zum nächsten Friedensobergericht eingelegt werden 2 7 6 . Dessen Entscheidung war aber in jedem Fall endgültig.

268 Dieser lautete: „Die Verhandlung und Entscheidung von bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, deren Streitwert 150 DM nicht übersteigt, und von Strafsachen einschließlich Privat-, klagesachen kann, soweit die Sachen zur Zuständigkeit der Amtsgerichte gehören, durch die Landesgesetzgebung auf Friedensrichter oder Friedensgerichte übertragen werden." 269 Durch „Gesetz über die Friedensgerichtsbarkeit" vom 29. 3. 1949. 270 Daneben bestand bei jedem Amtsgericht ein staatliches Friedensgericht. Als Richter fungierte beim amtsgerichtlichen Friedensgericht ein Rechtspfleger. Die Zuständigkeit des staatlichen Friedensgerichts war etwas weiter als die des Gemeindefriedensgerichts: im Unterschied zu letzteren waren sie innerhalb der Bagatellgrenze auch für Ansprüche aus Wechseln und Schecks, für arbeitsgerichtliche oder Mietstreitigkeiten zuständig. 271 Der Einzelrichter war ein Gemeindebeamter mit Befähigung zum oder Erfahrung im zumindest gehobenen Justiz- oder Verwaltungsdienst. 272 Dem Kollegialgericht gehörten der Bürgermeister als Vorsitzender sowie zwei vom Gemeinderat gewählte Beisitzer an, die in der Regel selbst Gemeinderatsmitglieder waren. 273 Von den insgesamt 1472 Gemeindefriedensgerichten waren im Jahr 1957 192 mit Einzelrichtern und der Rest mit Kollegien besetzt. Vor allem in den kleineren Dörfern fanden sich fast ausnahmslos Kollegialgerichte. In den Städten waren regelmäßig Einzelfriedensrichter tätig, nur in den größeren Städten nahmen sie diese Aufgabe allerdings hauptamtlich wahr, Theilacker, Friedensgerichtsbarkeit (1963), S. 17. 274 In Strafsachen oblag ihnen die Ahndung aller im Gemeindegebiet begangener Bagatelldelikte, ζ. B. Verkehrsübertretungen. Sie konnten auf Freiheitsstrafe bis zu 6 Wochen oder Geldstrafe bis zu 150 DM erkennen. 275 Die Vereinbarung eines anderen Gerichtsstandes war für die Gemeindefriedensgerichte nicht bindend. Jedoch konnten Urteile der ordentlichen Gerichte nicht mit der Begründung angefochten werden, das Friedensgericht sei zur Entscheidung berufen gewesen. 276 Bei jedem Amtsgericht war als Rechtsmittelinstanz für die Friedensgerichte ein sog. Friedensobergericht eingerichtet. Diese waren mit Amtsrichtern besetzt; für ihr Verfahren galt die ZPO bzw. die StPO sinngemäß.

74

1. Kapitel: Die Entwicklung des Bagatellprozesses

Das Verfahren der Friedensgerichte war in einer V O aus dem Jahre 1949 gereg e l t 2 7 7 . Obwohl die überwiegende Mehrheit der Gemeindefriedensrichter keine juristische Ausbildung besaß 2 7 8 , lehnten sich diese auch in der Sprache stark an die ZPO an und waren entsprechend förmlich. Die Friedensgerichte durften auch nicht nach Billigkeit entscheiden, sondern hatten das allgemein geltende materielle Recht anzuwenden 2 7 9 . Zwar konnten sich die Friedensrichter i m Zweifelsfall von den Juristen bei den Friedensobergerichten beraten lassen bzw. um Übernahme der Sache ersuchen, insgesamt waren die Laienrichter der Gemeindefriedensgerichte280 jedoch mit der formgerechten Erledigung der Streitsachen heillos überford e r t 2 8 1 . Sowohl bei der Anwendung des Verfahrensrechts als auch des materiellen Rechts unterliefen ihnen haarsträubende Fehler 2 8 2 . Die Verfahren dauerten oft sogar länger als vor den Amtsgerichten 2 8 3 . Von Beginn an war zudem die Verfassungsmäßigkeit der Friedensgerichte umstritten 2 8 4 . Durch Beschluß vom 17. 11. 1 9 5 9 2 8 5 hob das Bundesverfassungsgericht mehrere der angegriffenen Entscheidungen auf und erklärte das Gesetz über die Friedensgerichtsbarkeit wegen Verstoßes gegen das Recht auf den gesetzlichen Richter gem. Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG und den Grundsatz der Gewaltenteilung 2 8 6 für n i c h t i g 2 8 7 . 277 Vgl. die „Vorläufige Verordnung des Justizministeriums über das Verfahren vor den Friedensgerichten" vom 8. 6. 1949. 278 Nach einer Zusammenstellung des baden-württembergischen Justizministeriums waren im Jahre 1958 unter den 192 Einzelrichtern und den 1280 Vorsitzenden der Kollegialgerichte 15 Volljuristen, 337 Beamte des gehobenen Verwaltungsdienstes und 1 Beamter des gehobenen Justizdienstes. Den Rest stellten fachlich nicht vorgebildete Kräfte: Theilacker, Friedensgerichtsbarkeit (1963), S. 17.

219 BVerfGE 10, S. 200 (209). 280 Die Tätigkeit der mit Rechtspflegern besetzten staatlichen Friedensobergerichte bei den Amtsgerichten wurde hingegen überwiegend positiv beurteilt: Theilacker, Friedensgerichtsbarkeit (1963), S. 60. 28 ' Theilacker, Friedensgerichtsbarkeit (1963), S. 48; Fischinger, in: DRZ 1960, S. 112; Weiß, in: NJW 1951, S. 698, der als Friedensoberrichter über seine Erfahrungen mit den Friedensgerichten in seinem Bezirk berichtete und zu dem Schluß gelangte, daß man von Laienrichtern die richtige Anwendung der Gesetze nicht verlangen könne. Er schlug daher vor, die Friedensrichter nach Billigkeit, ohne Beweisaufnahme und ohne schriftlichen Begründungszwang entscheiden zu lassen. 282 So wurde ζ. B. die Bindung an die Parteianträge häufig nicht beachtet, auf etwas rechtlich Unmögliches erkannt, zuviele Beweise erhoben oder Arrest und einstweilige Verfügung ohne Glaubhaftmachung erlassen: Theilacker, Friedensgerichtsbarkeit (1963), S. 49. 28 3 Theilacker, Friedensgerichtsbarkeit (1963), S. 49; Weiß, in: NJW 1951, S. 698 (699). 284 Seit 1950 waren beim Bundesverfassungsgericht eine Reihe von Verfassungsbeschwerden gegen Entscheidungen der Friedens- bzw. Friedensobergerichte mit der Begründung anhängig, die Friedensgerichtsbarkeit sei mit dem Grundgesetz unvereinbar: Theilacker, Friedensgerichtsbarkeit (1963), S. 28. 28 5 BVerfGE 10, S. 200 ff., in: NJW 1960, S. 187 ff. 28 6 BVerfGE 10, S. 200 (216). Gerügt wurde insbesondere, daß das Friedensrichteramt vom Bürgermeister oder einem Gemeindebeamten ausgeübt wurde, der gleichzeitig auch Verwaltungsaufgaben wahrnahm. Hierdurch komme es, ζ. B. im Bereich der Ahndung von Ord-

Α. Deutschland

75

Durch das „Gesetz über die Gemeindegerichtsbarkeit" von I 9 6 0 2 8 8 wurde die Gemeindegerichtsbarkeit für ganz Baden-Württemberg einheitlich geregelt 2 8 9 . Dem Gemeindegericht stand ein vom Gemeinderat gewählter Einzelrichter vor, der über ausreichende Kenntnisse i m Justiz- oder Verwaltungsdienst verfügen, aber kein Volljurist sein mußte. Der Bürgermeister konnte in jedem Fall zum Gemeinderichter gewählt werden 2 9 0 . Hinsichtlich des Verfahrens enthielt das Gesetz keine neuen Regelungen. Die Gerichtsgebühren waren i m Vergleich mit den Gebühren der Amtsgerichte sehr n i e d r i g 2 9 1 . Obwohl der Geschäftsanfall vor den Gemeindegerichten bereits vor dem Zweiten Weltkrieg deutlich nachgelassen hatte, wurde der Zuständigkeitsstreitwert nicht erhöht 2 9 2 . Stattdessen schränkte man die Kompetenzen der Gemeindegerichte e i n 2 9 3 . Von den besonderen Verfahrensarten kannte das Gemeindegerichtsgesetz nur noch das Mahnverfahren; Anträge auf einstweiligen Rechtschutz waren vor den Gemeindegerichten ausgeschlossen 294 . Aufgrund des geringen Zuständigkeitsbereichs war der Wiederbelebungsversuch von 1960 von Anfang an zum Scheitern verurteilt 2 9 5 . Die Gemeindegerichte wurden nur sehr selten in einer Zivilsache in Anspruch genommen. In den Jahren 1966 bis 1969 wurnungswidrigkeiten, zu erheblichen Pflichtenkollisionen, da Anordnungen der Ortspolizei durch das u.U. personenidentisch besetzte Friedensgericht überprüft werden müßten. 287 BVerfGE 10, S. 200 (212 f.). Die Frage, ob die Anknüpfung der Zuständigkeit an die Gemeindezugehörigkeit beider Parteien gegen den Gleichheitssatz verstieß, wurde erwogen, aber wegen der bereits festgestellten Verfassungswidrigkeit nicht entschieden. Durch § 82 des baden-württembergischen „Gesetzes über die Gemeindegerichtsbarkeit" von 1960 wurde die Friedensgerichtsbarkeit schließlich aufgehoben. Zum Ganzen auch The Hacker, Friedensgerichtsbarkeit (1963), S. 28 ff. 288 Textausgabe mit Erläuterungen hrsg. von Machleid/Hoegen, Die Gemeindegerichtsbarkeit in Baden-Württemberg (Stuttgart 1960). 289 Das Bundesverfassungsgericht hat das Gesetz mit Beschluß vom 9. 5. 1962 (BVerfGE 14, 56 ff.) für mit dem Grundgesetz vereinbar erklärt. Dazu ausführlich Feucht, Vorschaltung (1965), S. 15 ff. Geprüft hat das BVerfG die Vereinbarkeit mit Art. 20, 92, 97 Abs. 1 und 2, 101 Abs. 1 Satz 2 sowie 3 GG. 290 Diese Ausnahme war notwendig, damit in kleineren Gemeinden überhaupt ein Gemeinderichter gefunden werden konnte, Theilacker, Friedensgerichtsbarkeit (1963), S. 66. 291 Sie betrugen bei einem Streitwert bis zu 50 DM 3 DM, darüber 4 DM. Daneben wurden noch geringfügige Schreibgebühren und sonstige Auslagen erhoben. 292 Die Zuständigkeit des Gemeindegerichts erstreckte sich in Zivilsachen auf alle bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten vermögensrechtlicher Art zwischen gemeindeangehörigen natürlichen Personen, deren Streitwert 100 DM nicht überstieg. 293 Ausgeschlossen war die Zuständigkeit der Gemeindegerichte ζ. B. in arbeits- und mietrechtlichen Streitigkeiten, bei Ansprüchen aus Schecks-, Wechseln und Wertpapieren sowie aus Eigentum. 294 Die Erfahrungen mit den bisherigen Gemeindegerichten hatten gezeigt, daß die Anträge im einstweiligen Rechtsschutz von Laienrichtern nicht bewältigt werden konnten, Theilacker, Friedensgerichtsbarkeit (1963), S. 69. 295 Dies hatte Theilacker, Friedensgerichtsbarkeit (1963), S. 93, bereits im Jahre 1963, kurze Zeit nach Erlaß des Gesetzes, vorhergesagt.

76

1. Kapitel: Die Entwicklung des Bagatellprozesses

den drei Viertel der Gemeindegerichte überhaupt nicht mit einer Zivilsache angegangen 296 . Vor allem in den ländlichen Gebieten bestand dazu trotz der Ortsnähe wenig Neigung 297 . Die Gemeindegerichtsbarkeit wurde schließlich zum 1.1. 1972 aufgehoben 298. Ihre Zuständigkeit ging auf die Amtsgerichte über. Durch Bundesgesetz wurde 1974 auch die Ermächtigung des Landesgesetzgebers beseitigt 299 .

3. Zusammenfassung Im ersten Weltkrieg und später in der Weimarer Republik erfolgten - durch Krieg und Wirtschaftskrise bedingt - im Verordnungswege erste Vereinfachungen des Amtsgerichtsverfahrens in geringwertigen Streitigkeiten. Dabei wurde auf bereits früher bestehende BagatellVorschriften, ζ. B. über Ausschluß von Rechtsmitteln und Anwaltskostenerstattung zurückgegriffen. Die Einführung des sog. „fakultativen Schiedsurteilsverfahrens", welches dem Richter auf Antrag beider Parteien ein weitgehendes Ermessen bei der Verfahrensgestaltung einräumte und zur Zeitersparnis auch den Verzicht auf eine mündliche Verhandlung ermöglichte, erwies sich als wenig erfolgreich. Trotzdem wurde dieses zunächst 1950 und nach seiner vorübergehenden Abschaffung nochmals 1991 in die ZPO übernommen. Die Gemeinde- bzw. Friedensgerichte, die in Südwestdeutschland bis 1972 tätig waren, haben sich in Konkurrenz zu den staatlichen Amtsgerichten nicht durchsetzen können. Dies lag nur zum Teil am inflationsbedingten Bedeutungsverlust ihrer Zuständigkeit. Offensichtlich fehlte es ihnen gegen Ende ihrer Tätigkeit auch an der Akzeptanz durch die Bevölkerung. Hauptgrund dafür dürfte die mangelhafte Rechtskenntnis der Gemeinderichter und ihre zu enge Bindung an die Verwaltung des Ortes gewesen sein. Insgesamt ging die deutsche Prozeßentwicklung im 20. Jahrhundert in Richtung auf eine allgemeine Vereinfachung, Verbilligung und Beschleunigung des gesamten Zivilprozesses. Spezielle Vorschriften in Bagatellsachen wurden daher in zunehmendem Maße überflüssig 300.

296 Leipold, in: Humane Justiz (1977), S. 91 ff. (102). 297 Leipold, in: Humane Justiz (1977), S. 91 ff. (102). 298 Durch § 1 des „Gesetzes zur Aufhebung der Gemeindegerichtsbarkeit und zur Regelung des Sühneversuchs in Privatklagesachen" vom 19. Oktober 1971. Begründet wurde die Abschaffung mit der geringen Inanspruchnahme der Gemeindegerichte, die man auf das gesunkene Vertrauen der Bevölkerung in die Unparteilichkeit der Gemeinderichter und deren häufig unzureichende Rechtskenntnis zurückführte, Leipold, in: Humane Justiz (1977), S. 91 ff. (102). 299 Durch Art. 1 des „Gesetzes zur Änderung des Gerichtsverfassungsgesetzes" vom 25. 3. 1974. 300 Fasching, in: Justice (1978), S. 345 (355).

Β. Südafrika

77

Β. Südafrika Ausgangspunkt dieses rechtsgeschichtlichen Überblicks ist das Rechtsschutzsystem der Provinz Holland, wie es sich nach der Rezeption des Gemeinen Rechts und am Vorabend der Kolonisierung Südafrikas darstellte (I.). Das römisch-holländische Recht 301 wurde von den ersten weißen Siedlern nach Südafrika mitgebracht und entwickelte sich dort im 16. und 17. Jahrhundert eigenständig weiter (II.). Es bildet noch heute die Grundlage des südafrikanischen Rechts 302 . Mit der Inbesitznahme des Kaps durch die Engländer im 19. Jahrhundert (III.) begann - u. a. auf dem Gebiet des Zivilprozeßrechts 303 - eine Überlagerung und Verdrängung des römisch-holländischen Rechts durch das englische Common Law 3 0 4 . Mit der Ausdehnung der vier Kolonien bzw. Republiken (Kapkolonie, Natal, Oranje-Vrij Staat und Transvaal) auf die schwarzen Siedlungsgebiete im Norden und Osten Südafrikas stellte sich erstmals das Problem der Einbindung der schwarzen Rechtskultur. Die Rechtsentwicklung im 20. Jahrhundert (IV.) ist von der Vereinheitlichung und Formalisierung des in den vier obengenannten Gebieten bestehenden Rechts geprägt.

I. Die Entwicklung des Bagatellprozesses in der Provinz Holland im 16. und 17. Jhr. Im Jahre 1579 hatten sich die sieben nördlichen niederländischen Provinzen zur Union von Utrecht zusammengeschlossen und 1581, nach vorangegangenem Aufstand, vom spanischen Thron losgesagt305. Wie im Heiligen Römischen Reich 301 Die Bezeichnung „römisch-holländisches Recht" hat sich eingebürgert und wird hier weiterhin gebraucht, obwohl eigentlich vom „gemeinen römisch-holländischen Recht" gesprochen werden müßte. 302 im holländischen Mutterland hingegen wurde das römisch-holländische Recht 1809 durch den Code civil und 1838 durch das - auf gleicher Grundlage beruhende - Bürgerlijk Wetboek ersetzt: Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung (3. Aufl. 1996), S. 228. 303 Vgl. Erasmus, in: 108 (1991) SALJ 265; Hahlo/Kahn, South African Legal System (3. Aufl. 1979), S. 519; Van Caenegem, in: International Encyclopedia of Comparative Law, Bd. 16, Kap. 2 (1973), S. 69, der in FN 143 auf die wenigen Werke verweist, die sich - meist nur in der Nebensache - mit der Geschichte des südafrikanischen Prozeßrechts beschäftigen. 304 Auch das englische Recht hat allerdings römisch-kanonische Wurzeln. Hahlo/Kahn, South African Legal System (3. Aufl. 1979), S. 519 weisen daraufhin, daß das englische Prozeßrecht stark von Durantis Speculum Judiciale (1271) beeinflußt wurde, welches auf dem kanonischen Verfahren beruhte. 305 Die sieben Provinzen der „Vereinigten Niederlande", wie sie sich von 1581 bis zu ihrem Untergang 1795 nannten, hießen: Geldern, Holland, Zeeland, Friesland, Overijssel, Utrecht und Groningen. Später kam noch die Provinz Drenthe hinzu, die im Rahmen des „Staten Generaal" jedoch nicht stimmberechtigt war. Zur Verfassung der Vereinigten Niederlande Hahlo/Kahn, South African Legal System (3. Aufl. 1979), S. 529 ff.; Pohlmann, in: Handbuch der Quellen, Bd. 2 / 2 (1976), S. 468 ff. Einen guten Überblick über die Geschichte der Niederlande gibt Cremen HRG, Bd. 3 (1984), Sp. 991 ff.

78

1. Kapitel: Die Entwicklung des Bagatellprozesses

Deutscher Nation war auch in den niederländischen Provinzen das gemeine Recht in der Form, die ihm Glossatoren und Kommentatoren gegeben hatten, rezipiert und von den holländischen Rechtsgelehrten des 17. und 18. Jahrhunderts 306 unter Berücksichtigung des altniederländischen Gewohnheitsrechts an die Bedürfnisse der damaligen Zeit angepaßt w o r d e n 3 0 7 . Der Umfang der Rezeption war von Provinz zu Provinz unterschiedlich 3 0 8 . Während das gemeine Recht in Friesland „ i n complexu" rezipiert wurde, war sein Einfluß auf die Provinzen Groningen, Geldern, Overijssel und Drente weniger stark. Die Rezeption in Holland lag zwischen diesen beiden P o l e n 3 0 9 . Die Gerichtsverfassung i m Holland des 16. und 17. Jahrhunderts war recht unübersichtlich 3 1 0 . Die beiden kollegialen Obergerichte (1.), der „Hof van Holland, Zeeland en West-Vriesland" 3U und der „Hooge Raad van Holland en Zeeland" waren mit juristisch ausgebildeten Richtern besetzt. Der H o f van Holland, Zeeland en West-Vriesland war in erster Linie Rechtsmittelgericht für Berufung („Appel") und „ R e f o r m a t i e " 3 1 2 gegen die Urteile der Untergerichte. Der Hooge Raad war zuständig für Berufung und „Reformatie" gegen Urteile des H o f van Holland und des Hof van Zeeland 3 1 3 . Daneben gab es in den Städten und auf dem Land zahlreiche, sehr unterschiedlich bezeichnete und besetzte Untergerichte ( 2 . ) 3 1 4 , die in der Regel aus 306 Zu nennen sind hier u. a. Hugo Grotius (1583- 1645), Arnoldus Vinnius (1588-1657), Johannes Voet (1647-1713), Cornells van Bynkershoek (1673- 1743) sowie Dionysius van der Keessel (1738- 1816). Das bedeutendste Werk zum römisch-holländischen Zivilprozeßrecht der damaligen Zeit stammte von Paulus Merula (1558-1607) und erschien unter dem Titel „Manier van Procederen in Civiele Zaken" (Leiden 1592). 307 Hahlo/Kahn, South African Legal System (3. Aufl. 1979), S. 515; Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung (3. Aufl. 1996), S. 227; Dolezalek, in: Römisch-Holländisches Recht (1992), S. 59 (60). Das gelehrte Prozeßrecht des ius commune war in den Niederlanden bereits seit dem 12. Jahrhundert angewandt worden, jedoch anfangs nur in den kirchlichen Gerichten. Über Flandern, das dem Vorbild der Obergerichte in Frankreich folgte, verbreitete sich das gelehrte Prozeßrecht noch vorder Mitte des 16. Jahrhunderts in den gesamten Niederlanden. 308 Hahlo/Kahn, South African Legal System (3. Aufl. 1979), S. 515; Zimmermann, Römisch-Holländisches Recht (1983), S. 5. 309 Hahlo/Kahn, South African Legal System (3. Aufl. 1979), S. 515. 310 Zur Verwaltungsorganisation und Gerichtsverfassung De Monté Verloren/ Spruit, Hoofdlijnen (6. Aufl. 1982), S. 146 ff.; Hahlo/Kahn, South African Legal System (3. Aufl. 1979), S. 533 ff., 541 ff.; Gerbenzon/Hempenius-van Dijk, HRG, Bd. 3 (Berlin 1984), Sp. 998 (1000 ff.). 311 Die Zuständigkeit des Gerichtshofs für die Provinz Seeland endete 1669. Ab diesem Zeitpunkt existierte für diese ein gesonderter „Hof van Zeeland": Hahlo/Kahn, South African Legal System (3. Aufl. 1979), S. 542. 312 im Gegensatz zur Berufung („Appel") hatte die Reformatie keine aufschiebende Wirkung. Das Urteil war also - eventuell gegen Sicherheitsleistung - sofort vollstreckbar, vgl. La Bree, Rechterlijke Organisatie (1951), S. 80; Dolezalek, in: Römisch-Holländisches Recht (1992), S. 59 (90). 313 Dolezalek, in: Römisch-Holländisches Recht (1992), S. 59 (71). 314 Die Vielfalt in der Bezeichnung, Organisation und Besetzung hing damit zusammen, daß die Provinz Holland wie die anderen niederländischen Provinzen nicht einheitlich struk-

Β. Südafrika

79

einem Schultheiß („Schout" oder „Hoogschout") und einer schwankenden Anzahl von Schöffen („Schepenen") bestanden 3 1 5 . In den großen Städten wie Amsterdam existierten außerdem für Bagatellstreitigkeiten 3 1 6 spezielle Bagatellgerichte (3.)

1. Das Verfahren in Bagatellsachen vorden holländischen Obergerichten Der H o f van Holland mit Sitz in Den Haag verfuhr gemäß der auf dem „ius commune" beruhenden Instruktion Kaiser Karls V. aus dem Jahre 1 5 3 1 3 1 7 und ergänzenden Gesetzen 3 1 8 . Diese Instruktion diente als Modell für die Prozeßordnung für den „Hohen Rat" aus dem Jahre 1 5 8 2 3 1 9 , so daß beide Obergerichte i m wesentlichen gleiches Prozeßrecht anwandten 3 2 0 . Insgesamt war der Prozeßablauf, wie er i m Regelverfahren vor dem H o f van Holland gehandhabt wurde, überwiegend schriftlich, dadurch bedingt umständlich und bot den Parteien viel Raum, den Rechtsstreit zu verzögern 3 2 1 . Zwar enthielt die Ordnung von 1531 in den Art. 5 9 - 6 1 einige Sonderregeln, die in sog. „kleinen Sachen" mit einem Streitwert bis zu 50 Gulden Anwendung finden sollten, doch waren die darin angeordneten Abweichungen vom Regelverfahren m i n i m a l 3 2 2 . turiert war, sondern aus einem losen Bund von verschieden organisierten, weitgehend selbständigen Gemeinwesen, nämlich Städten, Dörfern, Poldern, Herrschaften etc. bestand, Dolezalek, in: Römisch-Holländisches Recht (1992), S. 59 (63). 315 In den Dörfern wurde die Gerichtsbarkeit teilweise auch von einem einzelnen Dorfrichter ausgeübt. Einige Dörfer unterstanden einem höheren ländlichen Gericht von „Bailjuw ende Mannen" oder „Drost ende MannenVon diesen Gerichten konnte entweder zur Hauptschöffenbank der zugehörigen Stadt appelliert werden oder im Wege der Sprungberufung gleich an den Hof van Holland, Dolezalek, in: Römisch-Holländisches Recht (1992), S. 59 (68). 3,6 Diese hießen „kleyne saken". Die Richter vor diesen Gerichten wurden „Vredemakers", „Schepenen extraordinaris" oder „Commissarissen van kleyne saken" genannt. Gegen ihre Entscheidung konnte man Berufung zur Hauptschöffenbank der Stadt einlegen, Dolezalek, in: Römisch-Holländisches Recht (1992), S. 59 (67 ff.). 317 „Instructie vanden Hove van Hollandt, Zeelandt ende Vrieslandt" vom 20. 8. 1531. 318 Vgl. ζ. B. die „Nieuwe Ordonnantie oft Ampliatie vande Instructie vanden Hove van Hollandt" vom 21. 12. 1579. 319 „Ordonnantie ende Instructie, vanden Hoogen Raedt van Appel in Hollandt" aus dem Jahre 1582. 520 Dolezalek, in: Römisch-Holländisches Recht (1992), S. 59 (66). 321

Eine ausführliche Darstellung des Regelverfahrens vor dem Hof van Holland im 18. Jahrhundert findet sich bei Dolezalek, in: Römisch-Holländisches Recht (1992), S. 59 (77 ff.). Mit wenigen Einschränkungen ist diese Darstellung auch für das 16. und 17. Jahrhundert gültig. 32 2 So verkürzte Art. 59 die Fristen für die Parteischriftsätze auf jeweils acht Tage (bzw. bei größerer Entfernung zum Gericht zwei Wochen) und bestimmte Art. 61, daß der Kläger bereits in seinem ersten klagebegründenden Schriftsatz ( "Venuencourt") den Umfang der Sache und den Wert der streitgegenständlichen Güter sowie die Adressen der beiden Parteien anzugeben hatte.

80

1. Kapitel: Die Entwicklung des Bagatellprozesses

Die Überlastung des Gerichts und der Mißbrauch der Verfahrensvorschriften vor allem in Bagatellsachen machten eine Reform notwendig: Diese erfolgte mit der Prozeßordnung vom 21. 12. 1579 323 . Der Entlastung des Hof van Holland diente die Abschaffung des Gerichtsstandsprivilegs der „personae miserabiles" hinsichtlich Forderungen, die diese durch Abtretung erworben hatten 324 , sowie der Ausschluß der Prorogation an den Hof bei Bagatellforderungen unter einem Streitwert von 100 Gulden (in den Städten) bzw. 50 Gulden (auf dem Lande), wenn beide Parteien im selben Gerichtsbezirk wohnten 325 . Im übrigen fand nach der Ordnung von 1579 in Bagatellsachen ein spezielles Verfahren vor zwei zu diesem Zweck abgestellten Gerichtsräten („Commissarissen van kleyne zaken") Anwendung. Gegenüber dem ordentlichen Rechtsgang enthielt das Bagatellverfahren jedoch nur wenige Vereinfachungen; ansonsten verwies es auf diesen. Neben der Verkürzung der Fristen, die bereits die Ordnung von 1531 vorsah, beschränkten sich die Abweichungen vom ordentlichen Verfahren im wesentlichen auf die verkleinerte Besetzung des Gerichts 326 , die Zulassung nur entweder eines „Advocaaten" oder eines procureurs" pro Partei 327 , die Herabsetzung der Gerichts- und Anwaltskosten 328 sowie die Beschränkung der Rechtsmittel gegen Urteile der Bagatellkommissare auf die „Reformatie" an das gesamte Kollegium.

2. Das Bagatellverfahren

vor den holländischen Untergerichten

Im Jahre 1580 wurde vom holländischen Provinzparlament („Staten van Holland") eine gemeinsame Verfahrensordnung erlassen, die für alle Untergerichte in den Städten und auf dem „platten Land" gelten sollte 329 . Ziel der Verfahrensord323 „Ordonnantie ende Instructie, Gemaeckt op de vordernisse van de Justitie, voor den Hove van Hollandt, in kleyne saecken". 324 Durch das Gerichtsstandsprivileg für Witwen, Waisen und andere bemitleidenswerte Personen sollte verhindert werden, daß die Untergerichte solche Prozesse ohne die erforderliche Unvoreingenommenheit entschieden und auch gar nicht erst der Anschein der Ungerechtigkeit aufkam, Dolezalek, in: Römisch-Holländisches Recht (1992), S. 59 (72). 325 In einem solchen Fall war auch das Privileg der „personae miserabiles" nicht anwendbar (Art. 2). 326 Zur Urteilsfindung wurde den beiden Bagatellgerichtsräten nach Abschluß der Verhandlung noch ein weiterer hinzugefügt (Art. 20). 327 Vgl. Art. 23. Die Maßnahme diente der Kostenersparnis. Im Regelverfahren teilten sich hingegen die Advocaaten und die Procureurs die Arbeit: Der Procureur kümmerte sich um die Beibringung der Fakten und Beweise und vertrat den Mandanten vor Gericht. Der Advocaat fertigte die juristisch wertenden Schriftsätze. Dazu Dolezalek, in: Römisch-Holländisches Recht (1992), S. 59 ff. (74 f.). 328 Zu den Kosten Dolezalek, in: Römisch-Holländisches Recht (1992), S. 59 ff. (75 f.). Die Gebühren der Advocaaten und Procureurs wurden nach festgelegten Sätzen berechnet. Hauptkriterium war, wieviele Seiten sie geschrieben bzw. wieviele Termine sie wahrgenommen hatten. 329 „Ordonnantie van de Justitie, binnen den Steden, ende ten platten Lande van Hollandt". Die Ordnung von 1580 galt jedoch nur in denjenigen Gerichtsbezirken, in denen sie publi-

Β. Südafrika

81

nung war es, die große Rechtsunsicherheit, die in Holland dadurch herrschte, daß jedes Gericht nach seinen eigenen Regeln und Gebräuchen verfuhr, zu beseitigen 330 . Das darin vorgesehene Verfahren entsprach weitgehend demjenigen des Hof van Holland. Lediglich in Bagatellsachen331 fand vor den holländischen Untergerichten ein vereinfachtes, schnelles und rein mündliches Verfahren statt, in denen viele altüberlieferte Regeln aus der Zeit vor der Rezeption des ius commune weiterlebten 332. Entgegen der Anordnungen für das Regelverfahren mußten die Parteien im Termin persönlich anwesend sein, damit nicht wertvolle Zeit durch Rückfragen verloren ging 3 3 3 . Auf das mündliche Vorbringen des Klägers („Eysscher") mußte der Beklagte („Gedaeghde") sofort mündlich („by monde") antworten, wenn ihm das irgend zumutbar war. Im Anschluß daran konnte der Kläger sofort replizieren, dann nötigenfalls der Beklagte duplizieren. Das Einreichen von Schriftsätzen („geschrifte") war nur erlaubt, wenn das Gericht dies „nae de exigentie vande saecke" für notwendig erachtete. Die Beweisaufnahme erfolgte wenn möglich noch im selben Termin, und danach entschied das Gericht. Dieses Verfahren setzte die alte Tradition der mittelalterlichen Schöffengerichte fort.

3. Das Verfahren

vor den „ Commissarissen van kleyne saken " der Stadt Amsterdam

In der Stadt Amsterdam, der einflußreichsten der holländischen Gemeinden, galt - wie in anderen Städten - eine eigene Gerichtsordnung 334. Auch diese beruhte auf dem „ius commune", enthielt aber gegenüber dem Rechtsgang vor dem Hof van Holland bzw. dem der Ordnung von 1580 einige Abweichungen 335 . In Cap. I, Ziff. V der Amsterdamer Gerichtsordnung war vorgesehen, daß alle Streitigkeiten in kleinen Sachen, die nicht einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen waren, vor die jährlich vom Stadtrat gewählten sog. „Commissarissen van kleyne saken" ziert worden war, also ζ. B. nicht im Distrikt von Voorne und im Nordquartier Hollands. Zudem behielten viele Städte ihre bereits selbstgegebenen Gerichtsordnungen neben der Ordnung von 1580 bei, Dolezalek, in: Römisch-Holländisches Recht (1992), S. 59 (67). 330 Vgl. die Vorbemerkung zur Verfahrensordnung: „ . . . doen te weten . . . , dat nademael in alle Steden voor Vyerscharen van Bailliu ende Mannen, Gerechten van Schout, Schepenen ende Geswoorens vande platte Landen vanden voorsz Lande ende Graefschappe van Hollands seer groote confusie ende verscheydenheyt van Rechten, so overmits haerluyder bysondere Costuymen, inde rechtvorderinge, procederen, in't sententieren, als ook in't executeren vande Sententien bevonden wordt:.. 331 Es fand Anwendung in den Stadtgerichten bei Streitwerten bis zu 100 Gulden und bei den Gerichten der „Bailliu ende Mannen" sowie den Dorfgerichten bei Streitwerten unter 50 Gulden. 33 2 Dolezjalek, in: Römisch-Holländisches Recht (1992), S. 59 (60). 333

Dolezalek, in: Römisch-Holländisches Recht (1992), S. 59 (78). „Ordonnantie ende Maniere van Procederen voor den Gerechte der Stadt Amsterdam" (benutzte Ausgabe Amsterdam 1656). 33 5 Dolezalek, in: Römisch-Holländisches Recht (1992), S. 59 (67). 334

6 Engbers

82

1. Kapitel: Die Entwicklung des Bagatellprozesses

gehörten. „Kleyne Saken" waren mit Ausnahme der Arrest-, Interdikt- und possessorischen Sachen solche mit einem Streitwert bis 40 Gulden 336 sowie unabhängig vom Streitwert alle Beleidigungsklagen und Klagen wegen Meinungsverschiedenheiten zwischen Herrschaft und Gesinde, Meister und Knecht bzw. zwischen Gildebrüdern 337. Der Rechtsgang vor den Bagatellkommissaren wurde durch eine besondere Instruktion 338 geregelt. Danach sollten diese wenigstens zu zweit jeden Mittwochund Samstag vormittag im Rathaus zu Gericht sitzen. Die Ladung des Beklagten erfolgte mindestens 12 Stunden vor dem Gerichtstag auf Veranlassung des Klägers durch den Gerichtsboten. Beide Parteien mußten persönlich erscheinen. Die Vertretung durch einen Advokaten oder Procureur war grundsätzlich ausgeschlossen339. Im Fall der Säumnis des Beklagten trotz ordnungsgemäßer Ladung, konnte ein gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbarer Pfandungsbeschluß („Provisie van namptissement") ergehen. Erschien der Beklagte auch auf die zweite 340 Ladung nicht, wurde der vorläufige Pfändungsbeschluß in ein endgültiges Urteil umgewandelt. Im übrigen stand die Prozeßgestaltung offensichtlich weitestgehend im Ermessen der Richter: sie konnten, wenn tunlich, ζ. B. bei Beleidigungsklagen, die Herbeiführung einer gütlichen Einigung unter den Parteien versuchen oder die Sache an ein höheres Gericht verweisen. Da die Parteien persönlich erscheinen mußten und Anwälte nicht zugelassen waren, ist davon auszugehen, daß die Bagatellkommissare wie die anderen Unterrichter mündlich und ohne die Förmlichkeiten des ordentlichen Prozesses verfuhren.

4. Zusammenfassung In Holland fand bereits im 16. Jahrhundert nicht nur vor den Ober-, sondern grundsätzlich auch vor den Untergerichten der umständliche gemeine Prozeß Anwendung. Für konkret bestimmte sog. „kleynen saaken" hatten sich deswegen früher als in Deutschland besondere Verfahrensvorschriften und Gerichte für geringwertige Streitigkeiten entwickelt. Vor den Obergerichten gestatteten die Bagatellvorschriften allerdings nur vergleichsweise wenige Abweichungen vom ordentlichen Rechtsgang; im wesentlichen blieb es beim umständlichen schriftlichen Pro336 Diese Zuständigkeit wurde später auf alle Streitigkeiten mit einem Streitwert bis zu 60, dann 100, schließlich 600 Gulden erhöht, vgl. Rooseboom, Recueil (1655), S. 301. 337 Die letzgenannte Zuständigkeit außerhalb des Bagatellstreitwerts wurde später wegen Überlastung der Bagatellkommissare zunächst an die Kommissare für Seesachen, anschließend an die Kommissare für Ehesachen übertragen, Rooseboom, Recueil (1655), S. 302 f. 338 „Instructie voor de Commissarissen van kleyne saken" vom 26. 2. 1632. 339 Nur Frauen durften sich durch einen Vogt, Kranke oder Verreiste durch einen Bevollmächtigten, der aber nicht Advokat oder Procureur sein durfte, vertreten lassen. 340 Dies wurde später dahingehend geändert, daß erst auf die dritte vergebliche Ladung endgültiges Urteil ergehen konnte, Rooseboom, Recueil (1655), S. 303.

Β. Südafrika

83

zeß. Vor den Untergerichten und den Bagatellkommissaren in den großen Städten gab es hingegen in geringwertigen Streitigkeiten die Möglichkeit, nach dem althergebrachten mündlichen Verfahren vorzugehen. Der ordentliche Rechtsgang war wie vor den deutschen Untergerichten ausgeschlossen.

II. Die Entwicklung im 17. und 18. Jhr.: Die Übernahme des holländischen Bagatellprozesses am Kap Als Jan van Riebeeck am 6. April 1652 an der Tafelbucht landete, um für die „Vereenigde Oost-Indische Compagnie" (VOC) 3 4 1 eine Vorratsstation einzurichten, brachte er neben den ersten Siedlern in Diensten der VOC auch das römisch-holländische Recht in das südliche Afrika. Die Kontrolle über die niederländischen überseeischen Besitzungen wurde vom „Staten Generaal", dem obersten gemeinschaftlichen Organ des niederländischen Staatenbundes, ausgeübt 3 4 2 . Dieser hatte deren Verwaltung allerdings in die Hände der Westindischen und der Ostindischen Compagnie gelegt. Die Verwaltung des Kaps oblag der VOC 3 4 3 , die sie durch einen Generalgouverneur ausüben ließ, der in Batavia (Jakarta) residierte 344 und seinerseits für die Verwaltung des Kaps einen Gouverneur eingesetzt hatte 345 . Auf Anweisung des Direktoriums der VOC fand in den ostindischen Besitzungen und damit auch am Kap das Recht der Provinz Holland Anwendung 346 . Anwendbar waren damit das gemeine römisch-holländische Recht und die in Holland

341 Die VOC war durch den Zusammenschluß zahlreicher kleinerer Handelsgesellschaften im Jahre 1601 entstanden und bestand bis zu ihrer Liquidation im Jahre 1795; vgl. zur Geschichte der VOC Hahlo/Kahn, South African Legal System (3. Aufl. 1979), S. 534 ff. 342 Batavia stand seit 1619 unter der Souveränität des Staten-Generaal, De Wet, in: 21 (1958) THRHR 84 (87). 343 Die VOC hatte in ihrer ersten Charter von 1602 eigentlich nur das Handelsmonopol mit den Ländern östlich des Kaps der Guten Hoffnung und westlich der Magellanstraße erhalten. Da das Kap aber ursprünglich nur eine Vorratsstation auf dem Seeweg zu den Besitzungen der VOC in Südostasien darstellte, wurde ihr auch die Verwaltung des Kaps der Guten Hoffnung übertragen, Visagie, Regspleging (1969), S. 41; Zimmermann, Römisch-Holländisches Recht (1983), S. 2; De Wet, in: 21 (1958) THRHR 84 (85). 344 Das Kapgebiet wurde rechtlich als Außenposten des Hauptkontors in Batavia geführt, Zimmermann, Römisch-Holländisches Recht (1983), S. 3; Watermeyer, in: Cambridge History, Bd. 8 (1963); S. 858 (860). 345 Der erste dieser Gouverneure war Jan van Riebeeck. 346 Durch Brief an den Generalgouverneur vom 4. 3. 1621, Nachweise bei Hahlo/Kahn, South African Legal System (3. Aufl. 1979), S. 572, FN 32. Die Wahl gerade dieser Rechtsordnung ergab sich aus dem dominierenden Einfluß Hollands, der reichsten und mächtigsten der sieben Provinzen, auf die VOC und die Rechtskultur der Vereinigten Niederlande generell, dazu Zimmermann, Römisch-Holländisches Recht (1983), S. 5; De Wet, in: 21 (1958) THRHR 84 (88). 6*

84

1. Kapitel: Die Entwicklung des Bagatellprozesses

bestehenden Gesetze 3 4 7 . Daneben galten aber auch die vom Direktorium der VOC, vom batavischen Generalgouverneur, vom Gouverneur des Kapgebietes bzw. dessen „Raad" und die vom „Staten Generaal" für das Kap erlassenen Rechtsvorschriften 3 4 8 . Je stärker die Niederlassung wuchs, desto wichtiger wurden auch Streitschlichtung und Rechtspflege. Zunächst war für alle administrativen Angelegenheiten einschließlich Rechtsstreitigkeiten der sog. „Raad" zuständig 3 4 9 . Nach und nach bildete sich die Unterscheidung zwischen dem „Politieke Raad" und dem „Raad van Justitie" heraus 3 5 0 . Letzterer entschied in veränderter Besetzung über Rechtsstreitigkeiten 3 5 1 (1.). Als für kleinere Streitigkeiten zuständige Untergerichte wurden in Kapstadt das sog. „Collegie van Commissarissen van Cleijne Saaken" (2.) und in den Außenbezirken die sog. „Collégien van Landdrost en Heemraden" (3.) eingerichtet.

7. Das Verfahren

des „Raad van Justitie "

Obwohl der Raad van Justitie das höchste Gericht des Kaps darstellte, erging für ihn zu Zeiten der V O C keine sein Verfahren regelnde Instruktion 3 5 2 . Die Richter am Kap orientierten sich daher an batavischen und holländischen Verfahrensordnungen, wie ζ. B. der holländischen Untergerichtsordnung aus dem Jahre 1 5 8 0 3 5 3

347 Zimmermann, Römisch-Holländisches Recht (1983), S. 5. Für nach dem 7. 4. 1652 in Holland erlassene Gesetze wurde von den südafrikanischen Gerichten der Grundsatz entwikkelt, daß sie nur dann auch am Kap galten, wenn ihr Inhalt in das gemeine Recht inkorporiert worden war, Nachweise bei Zimmermann, Römisch-Holländisches Recht (1983), S. 6, FN 40. 348 Dazu Watermeyer, in: Cambridge History, Bd. 8 (1963); S. 858 (859 ff.); Zimmermann, Römisch-Holländisches Recht (1983), S. 3 f. Da der VOC in ihrer Charter keine Gesetzgebungshoheit übertragen worden war, fehlte es eigentlich an einer wirksamen Ermächtigung für die Gesetzgebungstätigkeit der Organe der VOC. Es besteht aber kein Zweifel, daß auch deren Vorschriften am Kap angewandt wurden.

349 Dieser bestand zunächst nach dem Vorbild eines Schiffsrats aus Van Riebeeck selbst und ein bis drei weiteren Offizieren; er tagte alle 14 Tage immer samstags, Visagie, Regspleging (1969), S. 42. 350 in der Resolution des Politieke Raad vom 31. 8. 1682 ist erstmals von einem „Raadt van Justitie" die Rede. 351 Hahlo/Kahn, in: British Commonwealth, Bd. 5 (1960), S. 200; Visagie, Regspleging (1969), S. 42. Der Raad van Justitie bestand aus dem Gouverneur und neun Beisitzern. Diese Besetzung wurde bis zum Ende des 18. Jahrhunderts beibehalten. Gegen Urteile des Raad konnte - unter großem Kosten- und Zeitaufwand - an den Raad van Justitie in Batavia appelliert werden. 352 Visagie, Regspleging (1969), S. 45. 353 „Ordonnantie van de Justitie, binnen den Steden, ende ten platten Lande van Hollandt"; die Anwendung der Untergerichtsordnung von 1580 ist aus den erhaltenen Verfahrensakten ersichtlich, Hahlo/Kahn, in: British Commonwealth, Bd. 5 (1960), S. 202; Watermeyer, in: Cambridge History, Bd. 8 (1963); S. 858 (862); Visagie, Regspleging (1969), S. 46.

Β. Südafrika

85

und den „Statuten van Batavia" von 1642 354 . Zudem berief man sich auf die Rechtsprechung des Hof van Holland und die in Holland gebräuchliche Rechtsliteratur 3 5 5 . Geringwertige Streitigkeiten wurden vermutlich wie beim Hof van Holland und beim Raad van Justitie in Batavia 356 von abgeordneten Bagatellkommissaren in einem besonderen Verfahren erledigt 357 . Seit 1682 waren erstinstanzlich ausschließlich die neugeschaffenen Untergerichte für die Erledigung von Bagatellstreitigkeiten zuständig.

2. Das „ Collegie van Commissarissen van de Cleijne Saaken " in Kapstadt Zur Entlastung des Raad van Justitie richtete Gouverneur Van der Stel in Kapstadt durch Resolution vom 31. 8. 1682 358 für Streitigkeiten bis zu einem Betrag von 300 Gulden das „Collegie van Commissarissen van de Cleijne Saaken" ein 3 5 9 . Welches Verfahren diese befolgen sollten, wurde in der Resolution nicht bestimmt. Höchstwahrscheinlich nahmen sich die Kapstädter Bagatellkommissare die Instruktion ihrer Amsterdamer Kollegen zum Vorbild. Dafür spricht auch die Tatsache, daß diese im Jahre 1656 auch in Batavia eingeführt worden war 3 6 0 . Die batavische Bagatellprozeßordnung entsprach dabei weitestgehend der Verfahrensordnung der Amsterdamer Bagatellrichter. Geringfügige Abweichungen ergaben sich

354 Diese Sammlung von materiell-rechtlichen und prozessualen Vorschriften wurde auch als „Van Diemen's Code" bekannt. Die darin enthaltenen Verfahrensvorschriften für die batavischen Gerichte sind teilweise wörtlich der Verfahrensordnung von 1531 für den Hof van Holland sowie der Untergerichtsordnung von 1580 entnommen. 355 Visagie, Regspleging (1969), S. 97. 356 Vgl. La Bree, Rechterlijke Organisatie (1951), S. 83 f. Im Jahre 1669 erging für die Tätigkeit der Bagatellkommissare beim batavischen Raad van Justitie eine spezielle Instruktion. Danach wurden diese in allen Streitigkeiten unter einem Streitwert von 50 Rds. („in gelt ofte in goederen") sowie - unabhängig vom Streitwert - in allen Klagen, die auf Beleidigungen und handgreiflichen Streitigkeiten beruhten, tätig. Unzuständig waren sie aber in „saecken van arrest, interdictie, possessie en diergelycke". Die Instruktion weist insgesamt große Ähnlichkeiten mit der Instruktion der Amsterdamer Bagatellkommissare von 1632 auf.

357 Da die Richter am Kap anders als die am Hof van Holland nicht rechtsgelehrt waren, bevorzugten sie wahrscheinlich das formfreie mündliche Bagatellverfahren des batavischen Rats. 358 Am selben Tag wurde auch das Collegie van Landdrost en Heemraden in Stellenbosch gegründet. 359 Besetzt war es zunächst mit zwei Angestellten der ostindischen Kompanie, zwei Bürgern und einem Sekretär; es tagte einmal in der Woche. 360 Die batavischen Bagatellkommissare bestanden zur Entlastung des dortigen Schöffengerichts („Collegie van Schepenen") seit 1656 und hatten eine eigene „Instructie voor Commissarissen van kleine zaken" bekommen. Vgl. dazu auch La Bree, Rechterlijke Organisatie (1951), S. 134.

86

1. Kapitel: Die Entwicklung des Bagatellprozesses

nur hinsichtlich der Besetzung361 und der Zuständigkeit 362 des batavischen Bagatellgerichts. Die Parteien mußten persönlich erscheinen und durften sich nicht durch Anwälte vertreten lassen. Verhandelt wurde mündlich und formfrei. Im Jahre 1711 wurde das Kollegium mit dem sog. „Huwelikshof" (Ehegericht) zusammengelegt und hieß fortan „Collegie van Commissarissen van Kleine Civiele en Huwelyks Zaken" 363 .

3. Die „ Collegie van Landdrost en Heemraden " in den Außenbezirken Gleichzeitig mit der Einrichtung des Kapstädter Bagatellgerichts erfolgte die Gründung eines sog. „ Collegie van Heemraden " in der Ortschaft Stellenbosch364. Auch bei diesem orientierte man sich an der batavischen Gerichtsorganisation: Ein gleichnamiges Kollegium war bereits 1664 in Batavia eingerichtet worden 365 und hatte 1680 eine Instruktion erhalten 366 . Die Wahl der Bezeichnung „Heemrade" statt des sonst für die Schöffen üblichen Begriffs „Schepenen" ist darauf zurückzuführen, daß die batavischen Schöffenkollegien auch als Deichgerichte fungierten. Die Beisitzer der holländischen Deichgerichte wurden aber allgemein „Heemrade" genannt. Neben Aufgaben der örtlichen Selbstverwaltung war dem Kollegium auch die Erledigung von geringwertigen Streitigkeiten zugewiesen. Das Kollegium bestand aus vier angesehenen ortsansässigen Bürgern. Diese sollten die Streitigkeiten, die unter den Einwohnern Stellenboschs ζ. B. in Grenzfragen entstanden waren, gütlich beilegen 367 . Verfahrensvorschriften waren ebensowenig wie für den Raad van Justitie oder das Kapstädter Kollegium vorgesehen. Über die Verhandlungen wurde offenbar nicht Protokoll geführt. Zumindest sind keine Aufzeichnungen aus dieser Zeit erhalten geblieben 368 . Die Streitigkeiten über Grenz- oder Wasserfragen wur361 Nach der batavischen Instruktion von 1656 sollten vom Schöffengericht drei Bagatellkommissare gewählt werden, und zwar zwei davon aus seiner Mitte und einer aus den „Commissarissen van de huwelykcke saeken" (Kommissar in Ehesachen). 362 Zuständig waren die batavischen Bagatellkommissare für dieselben Streitigkeiten wie das Schöffengericht, aber nur bis zu einem Betrag von 100 Real („Realen van achten"). Wie bei den Amsterdamer Bagatellrichtem waren Arreste, Interdikte und possessorische Ansprüche von der Zuständigkeit ausgenommen. 3 65 Botha, in: 38 (1921) S A U 406 (421); De Wet, in: 21 (1958) THRHR 162 (166). Auch diesbezüglich sind das Amsterdamer und das batavische Vorbild unverkennbar: Sowohl in Amsterdam als auch in Batavia waren die Kollegien der Heirats- und Bagatellkommissare zu einem Gericht zusammengefaßt worden. 364 Durch Resolution des Politieke Raad vom 31. 8. 1682. 365 Vgl. die „Instelling van een Collegie van Heemraden te Batavia" aus dem Jahre 1664. 366 Vgl. das „Reglement voor het Collegie van Heemraden" aus dem Jahre 1680.

367 Vgl. die Resolution des Politieke Raad vom 31.8. 1682. 368 Venter, Landdros (1940), S. 52, führt dies darauf zurück, daß die damaligen Heemraden zumeist schreibungewandt bzw. schreibunkundig waren.

Β. Südafrika

87

den meist in einem Ortstermin, in dem den Parteien Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben wurde, entschieden369. Seit 1685 ein Beamter der VOC mit der Bezeichnung Landdrost 370 den Vorsitz des Stellenboscher Kollegiums übernahm, hieß das Gericht „Collegie van Landdrost en Heemraden" 371. Die Aufgaben und Verfahrens Vorschriften für das Gericht waren in einer Instruktion für den Landdrost geregelt 372 . Neben Aufgaben der örtlichen Verwaltung und Polizei besaß das Kollegium die erstinstanzliche Zuständigkeit für die Schlichtung oder Entscheidung von Streitigkeiten, welche „over landscheijdinge, weegen, uijt ende over paden, alsmede alle soort van huislijcke, ende, der landerijen servituijten souden mögen rijsen en ontstaan" sowie „over schulden ende verdere soorten van questieuse moeijlikheden" bis zu einem Streitwert von 50 Rds. 373 . Entschieden werden sollte „de piano en buijten figuer van procès also wie vor den holländischen Untergerichten und den Kapstädter Bagatellkommissaren in einem mündlichen, formfreien Verfahren. Der ordentliche Prozeß war vor dem Collegie van Landdrost en Heemraden ausgeschlossen. Das Urteil wurde gleich im Anschluß an die Verhandlung gefällt 374 und den Parteien vorgelesen 375. Gegen die Entscheidungen des Gerichts konnte Berufung zum Raad van Justitie erhoben werden. Dies galt allerdings nicht für Entscheidungen in ganz geringwertigen Sachen mit einem Streitwert bis zu 25 Gulden, in denen der Landdrost einen sofort vollstreckbaren „Arrest" erlassen konnte 376 . Durch die Beschränkung des Streitwerts und die Formfreiheit des Verfahrens wurde sichergestellt, daß die Laienrichter von ihren Aufgaben nicht überfordert wurden 377 . Einhergehend mit der zunehmenden Ausdehnung der Kolonie wurden weitere „Collegie van Landdrost en Heemraden" in Swellendam (1743) 378 und Graaff-Rei369

Ein Gerichtshaus existierte anfänglich nicht. Nötigenfalls kam das Gericht in einem der Wohnhäuser der Heemraden zusammen, Venter, Landdros (1940), S. 52. 370 In Holland trug der „Bailliu" in einigen Gegenden die Bezeichnung „Landdrost", vgl. Botha, in: 38 (1921) SALJ 406 (407); Venter, Landdros (1940), S. 4. 371 Das Gericht trat alle 14 Tage immer montags zusammen, um die Gerichtsverfahren und die übrigen ihm übertragenen Angelegenheiten zu erledigen, Venter, Landdros (1940), S. 52. Eine anschauliche Beschreibung eines typischen Gerichtstags findet sich ebenda, S. 54 f. 372

Resolution des Politieke Raad vom 16. 7. 1685. Die dort aufgeführten Vorschriften wurden 1689 in einer Instruktion des Gouverneurs van der Stel wiederholt. Sie beruhten auf einer entsprechenden batavischen Instruktion, Venter, Landdros (1940), S. 10. 373 1 Reichstaler („Ryksdaaler") entsprach zu dieser Zeit etwa 2 Gulden; die Streitwertgrenze lag somit bei ca. 100 Gulden. 374 Die Beratschlagung des Gerichts fand unter Ausschluß der Parteien hinter geschlossenen Türen statt, Venter, Landdros (1940), S. 54. 37 5 Venter, Landdros (1940), S. 53. 376 Anders als die „Provisie van namptissement" setzte dieser „Arrest" keine Säumnis des Beklagten voraus. Es handelte sich vielmehr um eine sofortige Entscheidung nach Billigkeit auf eine kurze vorangegangene Verhandlung. 3 7 7 Venter, Landdros, (1940), S. 61.

88

1. Kapitel: Die Entwicklung des Bagatellprozesses

net (1786) eingerichtet. Für letzteres erging eine vergleichsweise ausführliche Instruktion 379 , die den Prozeß - unter Zugrundelegung der mittlerweile über lOOjährigen Praxis des Stellenboscher Kollegiums - etwas detaillierter regelte, am Grundsatz der formfreien, mündlichen Verhandlung („de piano en buijten flguer van procès ") aber nichts änderte. Das Einreichen von Schriftsätzen war verboten 3 8 0 . Aufgrund der großen Entfernung nach Kapstadt (über eine Monatsreise) wurde die erstinstanzliche Zuständigkeit in Zivilsachen auf alle Streitigkeiten zwischen Einwohnern in seinem Distrikt bis zu 1000 Gulden Streitwert ausgedehnt381. Das Kollegium in Graaff-Reinet war somit kein ausschließliches Bagatellgericht. Es sollte innerhalb von zwei Monaten nach dem ersten Termin entschieden werden, es sei denn, es war eine Beweisaufnahme auf einer entlegenen Farm notwendig. Die Parteien mußten persönlich erscheinen, Vertretung war nur bei Krankheit einer Partei gestattet. Wie auch in Holland üblich, konnte Versäumnisurteil erst nach der dritten Säumnis auf Grundlage der bereits erhobenen Beweise ergehen 382. Die Berufung an den Raad van Justitie war erst ab 50 Rds. Streitwert statthaft 383 . Nach dem Vorbild der neuen Instruktion für Graaff-Reinet von 1786 wurden auch für die Kollegien von Swellendam (1790) 384 und Stellenbosch (1793) 385 etwas ausführlichere Verfahrensordnungen erlassen. Diese änderten jedoch nichts daran, daß der Zustand der Rechtspflege am Kap gegen Ende des 18. Jahrhunderts allseits beklagt wurde 386 . Die großen Entfernungen bereiteten Schwierigkeiten bei 378

Das Collegie van Landdrost en Heemraden in Swellendam war zunächst dem Stellenboschs unterstellt, weswegen auch dessen Instruktion Anwendung fand. Vollständige Unabhängigkeit erlangte es aber bereits 1745. Im Jahre 1779 wurde die Kompetenz des Gerichts für endgültige Arreste von 25 Gulden auf 25 Rds. (50 Gulden) erhöht, um seine Unabhängigkeit und sein Ansehen bei der Bevölkerung zu stärken. Zum Ganzen Venter, Landdros (1940), S. 20 ff. 379 Diese ist wiedergegeben bei Leibbrandt, Précis, Bd. 2 (1906), S. 488 ff. 380

Die Instruktion schrieb vor, daß „voor landdrost en heemraaden parthijen zelve hare zaken niet in geschrifte zullen mögen defendeeren". Dieser Wortlaut ähnelt der 208 Jahre älteren holländischen Untergerichtsordnung von 1580. Dort hieß es: „ . . . sonder dat parthyen ... haer dingtalen by geschrifte sallen mögen over leveren". 38 > Zum Ganzen Venter, Landdros, (1940), S. 24 ff. 382 Davor war jeweils nur ein Ordnungsgeld zugunsten der Distriktskasse in Höhe von 5 Rds. (erste Säumnis) bzw. 10 Rds. (zweite Säumnis) zu verhängen. 383 Bei Berufungseinlegung waren 20 Rds. als Sicherheit zu hinterlegen, die der Distriktskasse zufielen, wenn die Berufung als querulatorisch zurückgewiesen wurde. 384 Durch die Instruktion von 1790 erhöhte sich die erstinstanzliche Zuständigkeit des Swellendamer Gerichts auf 100 Rds. Sie hatte - abgesehen von der geringeren Zuständigkeit - den gleichen Wortlaut wie die Instruktion für das Kollegium in Graaff-Reinet von 1786, Venter, Landdros (1940), S. 28. 385 Wie in Swellendam wurde die Zuständigkeit auf 100 Rds. erhöht. Ansonsten hatte auch diese Instruktion denselben Wortlaut wie die von Graaff-Reinet, Venter, Landdros (1940), S. 28. 386 Vgl. die §§87 und 88 des Memorandums des holländischen Kommissars De Mist (hrsg. von Jeffreys, Memorandum (1920), S. 7 ff. (Holländisch) und S. 165 ff. (Englisch)). Dieser hatte 1802 im Auftrag des holländischen Rats für asiatische Angelegenheiten und

Β. Südafrika

89

der Durchsetzung der Gerichtsgewalt: Ladungen und Urteile wurden vor allem von den in entlegenen Gebieten siedelnden Buren häufig mißachtet 387 . Auch das Verfahren vor den Schöffenkollegien ließ offenbar häufig zu wünschen übrig. Hauptursache hierfür war die Tatsache, daß keine detaillierten Verfahrensvorschriften existierten und die Gerichte aufgrund fehlender Rechtskenntnis auch materiell mehr oder minder nach Gutdünken urteilten. Ein weiteres Problem stellte die oft unzureichende Unparteilichkeit der Richter dar 3 8 8 . Die NichtÖffentlichkeit des Verfahrens und die fehlende Verpflichtung, die Urteile zu begründen, wirkten ebenfalls nicht gerade vertrauensfördernd 389.

4. Zusammenfassung Die Verfahrensgesetzgebung für die Kapkolonie blieb in der gesamten holländischen Ära oberflächlich und bruchstückhaft. Die südafrikanischen Gerichte orientierten sich daher an den für die holländischen und batavischen Gerichte erlassenen Verfahrensordnungen, die auch am Kap galten. Für die Entscheidung von Bagatellsachen waren in Kapstadt die Bagatellkommissare und in den Außenbezirken die Schöffenkollegien der Landdrost en Heemraden zuständig. Entschieden wurde wie vor den holländischen Untergerichten in einem mündlichen und formfreien Verfahren. Der schriftliche ordentliche Prozeß war in Bagatellsachen ausgeschlossen. Erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts wurde das Verfahren der südafrikanischen Gerichte etwas näher ausgestaltet; im übrigen wurde das Rechtspflegesystem in der gesamten 150jährigen holländischen Ära am Kap kaum verändert und war gegen Ende des 18. Jahrhunderts den gestiegenen Anforderungen nicht mehr gewachsen.

III. Die Entwicklung im 19. Jhr.: Die Formalisierung des Bagatellprozesses durch die Briten Die südafrikanische Rechtsentwicklung des 19. Jahrhunderts ist von der Übernahme der Kolonie durch die Briten geprägt. Letztere forcierten die Besiedlung des Landes mit englischen Einwanderern und gestalteten die Verwaltungs- und Gerichtsorganisation nach ihren Vorstellungen um. Die wachsende Anglisierung Besitzungen („Raad van Aziatische Zaken en Bezittingen") eine Untersuchung der Verhältnisse am Kap durchgeführt und festgestellt, daß von den Bürgern besonders das Fehlen einer Gesetzessammlung und die dadurch bestehende Rechtsunsicherheit bemängelt wurde. 387 Siehe ζ. B. das bei Leibbrandt, Précis, Bd. 2 (1906), S. 560 wiedergegebene Memorial des Gerichts in Graaff-Reinet; Venter, Landdros (1940), S. 22 f. 388

Daß es hier zu zahlreichen Mißbräuchen gekommen war, beweisen die ausführlichen Verhaltensmaßregeln zur Sicherstellung der richterlichen Unparteilichkeit in der Instruktion für die Kollegien von Landdrost en Heemraden von 1805. 389 Hahlo/Kahn, in: British Commonwealth, Bd. 5 (1960), S. 205.

90

1. Kapitel: Die Entwicklung des Bagatellprozesses

führte in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu einem Konflikt mit Teilen der alteingesessenen holländischen Bevölkerung der Kapkolonie, welcher in deren Auswanderung und in der Gründung unabhängiger sog. „Burenrepubliken" im Osten (Natal), Zentrum (Oranje-Vrij Staat) und Norden (Transvaal) Südafrikas führte. Mit der Ausdehnung des weißen Siedlungsgebiets auf den von den Bantuvölkern 390 besiedelten Osten und Nordosten des südlichen Afrika gerieten zudem die europäische und die afrikanische Kultur erstmals in intensiveren Kontakt. Im Gegensatz zu den im Westkap anzutreffenden Khoisan, die - klein an Zahl - ihre soziale und politische Struktur schnell verloren, verfügten die Bantu-sprechenden Stämme über ein gut organisiertes eigenes Rechtssystem, dessen Einbindung in das von den europäischen Siedlern mitgebrachte Rechtssystem in den verschiedenen Teilen Südafrikas auf unterschiedliche Art und Weise erfolgte. Zudem wurden die neuen territorialen Gebilde in unterschiedlichem Maße vom römisch-holländischen und angelsächsischen Prozeßrecht beeinflußt. Bei der Darstellung der südafrikanischen Bagatellprozeßentwicklung im 19. Jahrhundert ist somit zwischen der Kapkolonie (1.), Natal (2.), dem Oranje-Vrij Staat (3.) sowie dem Transvaal (4.) zu differenzieren. /. Kapkolonie Bereits im Jahre 1795 war das Kap von den Engländern in Besitz genommen worden 391 . Es wurde der Batavischen Republik, wie die Vereinigten Niederlande nun hießen, jedoch 1803 wieder zurückgegeben 392. Auf dem Gebiet der Rechtspflege blieb dieser erste Machtwechsel praktisch ohne Folgen 393 (1.). Erst mit der zweiten, diesmal endgültigen, britischen Besetzung im Jahre 1806 wurde die Rechtsentwicklung am Kap von der des Mutterlandes abgekoppelt. Es begann eine Phase der Umgestaltung der althergebrachten holländischen Prozeßtraditionen nach englischem Vorbild (2.). Durch die Ausdehnung der Kapkolonie nach Osten, die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erfolgte, stellte sich das Problem der Kolonisierung der dort lebenden Eingeborenenstämme und der Einbindung ihrer Rechtssysteme in die europäischen Strukturen (3.). 390

Im südlichen Afrika lebten bei der Ankunft der ersten weißen Siedler zum einen ein Volk von nomadisierenden Hirten (Khoikhoi) und Jägern (San), zum anderen aus Zentralafrika eingewanderte Bantuvölker, die üblicherweise in folgende Gruppen eingeteilt werden: die Nguni (hierzu gehören u. a. die Zulus, die Xhosas, die Mpondos, die Thembus und die Swazis), die Sotho-Tswana, die Tsonga und die Venda, vgl. Bekker, Customary Law (5. Aufl. 1989), S. XXXV ff.; ausführlich Van Warmelo, in: Bantu-Speaking Peoples (2. Aufl. 1974), S. 56 ff. 391 Dazu Theal, South Africa (5. Aufl. 1900), S. 105 ff. Kurz zuvor war die Batavische Republik eine enge Allianz mit Napoléons Frankreich eingegangen. 392

Dies war eine Folge des Friedensvertrags von Amiens vom 27. 3. 1802 zwischen Frankreich, Großbritannien und der Batavischen Republik, vgl. Theal, South Africa (5. Aufl. 1900), S. 128. 393 Visagie, Regspleging (1969), S. 91.

Β. Südafrika

91

a) Erste britische Besetzung und holländisches Interregnum Die Briten beließen zunächst alles beim Alten. Sowohl der Raad van Justitie 394 als auch die Gerichte von Landdrost en Heemraden 395 und das Collegie van Commissarissen van Kleine Civiele en Huwelyks Zaken 396 wurden von den neuen Machthabern in ihrer Existenz bestätigt. Auch das Verfahrensrecht blieb dasselbe. Durch eine „Proclamation" aus dem Jahre 1797 397 wurde die Zuständigkeit der Kollegien von Landdrost en Heemraden in Stellenbosch und Swellendam von 100 auf 150 Rds. sowie die des Collegie van Commissarissen van Kleine Civiele en Huwelyks Zaken in Kapstadt von 150 Rds. auf 200 Rds. erhöht. Erst während des kurzen holländischen Interregnums von März 1803 - Januar 1806 kam es zu einschneidenderen Reformen. Für den Raad van Justitie erging endlich eine vorläufige Instruktion 398 . Mit Uitenhage und Tulbagh wurden 1804 zwei neue Verwaltungsbezirke 399 geschaffen, die jeweils ein eigenes Collegie van Landdrost en Heemraden erhielten. Im Jahre 1805 wurde für die fünf Außenbezirke schließlich eine ausführliche Verwaltungsinstruktion erlassen 400, die in den Art. 99-150 auch eine Instruktion für die Schöffenkollegien beinhaltete401. In den meisten Punkten stimmte diese mit den Vorschriften, die in den Jahren 1786, 1790 und 1793 für Graaff-Reinet, Swellendam und Stellenbosch ergangen waren, überein 402 . Die Zuständigkeitsgrenze für alle zivilrechtlichen Ansprüche dinglicher oder schuldrechtlicher Art wurde verdoppelt und nunmehr einheitlich auf 300 Rds. festgelegt. Zum Termin mußten die Parteien wie gehabt persönlich erscheinen, „hunne zaak zelve, en by monde, voor te dragen en te defenderen wenn die Umstände nicht ausnahmsweise eine Vertretung bzw. schriftlichen Prozeß notwendig machten 403 . Eine Neuerung stellte es dar, daß die Instruktion ausdrücklich anordnete, daß das Verfahren mit einem obligatorischen Schlichtungsversuch zu beginnen hatte. Schlug der Schlichtungsversuch fehl, waren die Rich394 Durch Proclamation General Clarkes u. a. vom 11. 10. 1795. 395 Durch Proclamation General Clarkes u. a. vom 15. 10. 1795. 396 Durch Proclamation vom 19. 5. 1796. 397 Proclamation Gouverneur Macartneys vom 24. 7. 1797. 398 Dazu ausführlich Visagie, Regspleging (1969), S. 100 ff. mit Nachweisen. 399 Eine Karte der sechs Distrikte Kapstadt, Stellenbosch, Swellendam, Graaff-Reinet, Uitenhage und Tulbagh, die den enormen Umfang vor allem der letzten vier im Jahre 1805 verdeutlicht, findet sich bei Theal, History, Bd. 1 (1927), nach S. 154. 400 Vgl. die „Ordonnantie raakende het bestier der buiten-districten" vom 23. 10. 1805. 401 Ausführliche Darstellung bei Botha, in: 38 (1921) S A U 406 (412 ff.). 402 Eybers, in: Bepalingen (1922), S. 49 ff. (57); Wypkema, Invloed (1939), S. 64. 403 Diese Vorschrift ist fast wortwörtlich aus Art. 11 der holländischen Verfahrensordnung für die Untergerichte aus dem Jahre 1580 übernommen. In der Praxis wurde dieses Vertretungsverbot jedoch häufig dadurch umgangen, daß die Gläubiger ihre Forderungen an professionelle Schuldeintreiber abtraten. Diese Praxis wurde vom Raad van Justitie ausdrücklich gebilligt, allerdings vom Nachweis einer Gegenleistung für die Abtretung abhängig gemacht, vgl. die Nachweise bei Venter, Landdros (1940), S. 60 f.

92

1. Kapitel: Die Entwicklung des Bagatellprozesses

ter wie gehabt gehalten, „de piano en zonder figuur van schriftelyk procès regt te doen, en alle zaken, uiterlyk binnen den tyd van zes weken 404 na de eerste comparatie, te beslissen

b) Die Umgestaltung des Rechtsschutzsystems durch die Briten Mit der zweiten, endgültigen britischen Besetzung begann der langsame Umbau der Gesellschaft und damit einhergehend der althergebrachten holländischen Institutionen nach englischem Vorbild. Zur Stabilisierung ihrer Herrschaft wurde von den Briten die Einwanderung englischer Siedler gefördert 405. Mit dem Zuwachs an Bevölkerung nahmen auch Handel und Wirtschaft einen steten Aufschwung, was wiederum ein Ansteigen der Prozesse zur Folge hatte. Der zunehmenden Belastung des Raad van Justitie und dem großen Reiseaufwand der Parteien versuchten die Briten zunächst durch die Neugründung von Gerichten und einer Vergrößerung der Zuständigkeit der Untergerichte zu begegnen: Im Jahre 1809 wurde ein neues Collegie van Landdrost en Heemraden in Kapstadt eingerichtet, welches das Kollegium für Bagatell- und Ehesachen ersetzte 406. Zudem wurden 1811 sog. „Circuit Courts" eingeführt, die die Außenbezirke regelmäßig bereisten und in Sachen, die die Zuständigkeit der Collegie van Landdrost en Heemraden überstiegen, Recht sprachen. 407 Die Zuständigkeit der Kollegien in den Außenbezirken wurde über den zivilrechtlichen Bagatellbereich hinaus erweitert: Im Jahre 1817 wurden sie zur Verhandlung und Entscheidung von kleineren Straftaten, die maximal einen Monat Gefängnisstrafe erwarten ließen, ermächtigt 408 , seit 1822 waren sie - unabhängig vom Streitwert - auch für alle Lohnklagen zuständig 409 . Da sich vor allem die Kollegien in den Außenbezirken aufgrund der großen Entfernung zum Regierungssitz zu autonomen, selbstverwalteten Machtzentren entwickelt hatten, die sich den von Kapstadt bzw. London verordneten Veränderungen 404 Die Instruktion von Graaff-Reinet hatte 1786 hingegen noch vorgesehen, daß grundsätzlich innerhalb von zwei Monaten nach dem ersten Termin entschieden werden sollte (s. o.). 405 Dazu Zimmermann, Römisch-Holländisches Recht (1983), S. 8. 406 Durch Government Advertisement vom 31.3. 1809. Die Instruktion für das Kapstädter Kollegium war mit der Verfahrensordnung von 1805 nahezu identisch, Botha, in: 38 (1921) SALJ 406 (422); Wypkema, Invloed (1939), S. 65. Die Zuständigkeit des Kapstädter Gerichts war wegen der Nähe zum Raad van Justitie mit einer Streitwertgrenze von 200 Rds. anfangs geringer als in den Außenbezirken, wurde aber 1816 auf 300 Rds. erhöht (durch Proclamation vom 5. 4. 1816). 407 Durch Proclamation vom 16. 5. 1811. Der Circuit Court bestand in Zivilsachen aus einem Einzelrichter, der die Distrikte bereiste und jeweils zweimal im Jahr in jeder Distriktshauptstadt zu Gericht saß. Gegen seine Urteile konnte an den Supreme Court appelliert werden, wenn der Wert der Beschwer 100 Pfund erreichte, Theal, History, Bd. 1 (1927), S. 490. 408 Durch Proclamation vom 18.7. 1817. 409 Venter, Landdros (1940), S. 33.

Β. Südafrika

93

heftig widersetzten 4 1 0 , standen sie dem Bestreben der Kolonialregierung nach Zentralisierung und Anglisierung des Landes entgegen. Hinzu kam, daß die Laienrichter den gestiegenen Anforderungen kaum noch gerecht wurden. Die Gerichtsorganisation wurde daher von den Briten seit 1827 völlig umgestaltet 4 1 1 . A n die Stelle des Raad van Justitie trat zum 1 . 1 . 1828 ein neugeschaffener Supreme C o u r t 4 1 2 ; die Gerichte der Landdrost en Heemraden wurden abgeschafft. Stattdessen wurden in den neugegründeten D i s t r i k t e n 4 1 3 sog. Resident Magistrates eingesetzt 4 1 4 . Sie übten nur noch richterliche Funktionen aus, da die Verwaltungsaufgaben der Collegie van Landdrost en Heemraden dem sog. C i v i l Commisioner 4 1 5 übertragen wurden. Aber auch die richterliche Machtfülle der Resident Magistrates war gegenüber der der Collegie van Landdrost en Heemraden wesentlich geringer. Vor sie kamen nur Klagen bis zu einem Streitwert von 10 P f u n d 4 1 6 , die nicht das Eigentum an Grundstücken oder zukünftige Ansprüche betrafen. Die Gerichte der Resident Magistrates waren also zunächst reine Bagatellgerichte 4 1 7 . Die Gerichtssprache war Englisch, die Verhandlungen fanden öffentlich statt und wurden protokolliert. 410 So wurde ζ. B. die Abschaffung der Prügelstrafe für Hottentottinnen und Sklavinnen von den Collegie van Landdrost en Heemraden lange Zeit mißachtet, Venter, Landdros (1940), S. 220. 411 Einen Überblick über die Änderungen gibt Watermeyer, in: Cambridge History, Bd. 8 (1963), S. 858 (864 f.). 412 In Zivilsachen bestand er aus einem Chief Justice und zwei Puisne Judges. Diese mußten jeweils in England oder Schottland seit mindestens drei Jahren als Barrister bzw. Advocates zugelassen sein und wurden von der Krone ernannt, vgl. die „Royal Charter of Justice" vom 4. 5. 1832. 413 Die Kolonie wurde von den Engländern eingeteilt in die sog. „Western province", bestehend aus den Distrikten Cape, Simonstown, Stellenbosch, Swellendam und Worcester (anstelle von Tulbagh) sowie in die sog. „Eastern province", bestehend aus den Distrikten Beaufort, Graaff-Reinet, Somerset, Albany, Uitenhage und George, vgl. Theal, History, Bd. 1 (1927), S. 492. 414 Durch Ordinance vom 19. 12. 1827. Auch die Resident Magistrates mußten keinerlei juristische Ausbildung haben. Der Gouverneur konnte nach der Ordinance alle Personen ernennen, die er für die Aufgabe geeignet hielt („as in his discretion he may think fit"). Erst Act No. 32 of 1895 machte eine bestimmte Ausbildung und Berufserfahrung zur Einstellungsvoraussetzung. Wegen des geringen Jahresgehalts von 300 bis 500 Pfund (vgl. Theal, History, Bd. 1 (1927), S. 493) fanden sich jedoch nur selten Advocates oder Attorneys, die bereit waren, eine Stellung als Resident Magistrate anzunehmen, vgl. Hahlo/Kahn, in: British Commonwealth, Bd. 5 (1960), S. 217. 41 5 Die Aufgaben und Pflichten der Civil Commissioner wurden in der Ordinance No. 77 von 1830 geregelt. 416 Seit dem 1.1. 1826 wurden alle öffentlichen Rechnungsbücher in englischer Währung geführt. Dabei entsprachen 1 Schilling 6 Pence einem Rds., Theal, History, Bd. 1 (1927), S. 401. Da ein Pfund aus 20 Schilling bzw. 240 Pence bestand, waren 10 Pfund 134 Rds. wert. Die Zuständigkeit der Resident Magistrates betrug damit gegenüber der der Kollegien von Landdrost en Heemraden weniger als die Hälfte des Streitwerts. 417 Durch Ordinance No. 14 von 1847 und Acts No.20 von 1856, No.9 von 1876 sowie No.43 von 1885 wurde der Zuständigkeitsstreitwert der Resident Magistrates im Laufe der Zeit aber beträchtlich erhöht. Zuletzt betrug er 100 Pfund sowie 250 Pfund bei Ansprüchen aus Schuldurkunde („liquid document").

94

1. Kapitel: Die Entwicklung des Bagatellprozesses

Das Verfahren vor den Resident Magistrates wurde hauptsächlich durch die sog. „Rules of C o u r t " 4 1 8 bestimmt, denen - mit einigen Unterschieden in der Terminologie und i m Detail - das englische Prozeßrecht zugrundelag 4 1 9 . Gegenüber den kurzen holländischen Instruktionen enthielten die Rules wesentlich ausführlichere Bestimmungen. Das Verfahren begann mit einer mündlich oder schriftlich vorgebrachten Klage. In der Praxis war es üblich, daß der „ A g e n t " 4 2 0 oder » A t t o r n e y " 4 2 1 des Klägers die Klage vorbereitete und zusammen mit den sie unterstützenden Schriftstücken, ζ. B. Schuldurkunden, beim Clerk einreichte 4 2 2 . Danach setzte der Clerk einen Verhandlungstermin an und lud den Beklagten unter Übersendung von Kopien der Klageschrift und der beigelegten Schriftstücke 4 2 3 . In vielen Fällen erschienen der Beklagte oder sein Bevollmächtigter nicht zum T e r m i n 4 2 4 . Es kam dann ein spezielles, aus der holländischen Prozeßtradition übernommenes 4 2 5 Säumnisverfahren („Provisional Sentence Procedure") zur Anwendung: Der Resident Magistrate erließ gegen den säumigen Beklagten auf der Grundlage des Parteivorbringens des Klägers ein vorläufiges Urteil („provisional judgment"), aus welchem gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckt werden 418 Rules, orders and regulations for procedure before the Courts of Resident Magistrate vom 22. 3. 1828, ersetzt durch die Rules in Schedule Β des Act No. 20 of 1856. 4 »9 Zimmermann, Römisch-Holländisches Recht (1983), S. 12; Erasmus, in: 108 (1991) SALJ 265 (266). Mit Ordinance No. 72 of 1830 wurde auch das englische Beweisrecht eingeführt. Die exzessive Formalität des englischen Klageverfahrens, welche ihre Ursache im englischen materiellen Recht hatte, wurde in Südafrika, wo materiell weiterhin das römisch-holländische Recht galt, jedoch nicht übernommen, Erasmus, in: 108 (1991) 265 (271). 420 Act No. 20 of 1856 sah vor, daß die Resident Magistrates soviele „Agents" an ihrem Gericht zulassen durften, wie sie für angemessen hielten. Diese mußten lediglich volljährig und gut beleumundet sein; eine juristische Qualifikation war nicht erforderlich. Seit Erlaß des Act No. 43 of 1885 durften sie nur noch an Gerichten zugelassen werden, in deren Bezirk sich weniger als zwei Attorneys niedergelassen hatten. Dadurch verschwanden sie mit der Zeit ganz. 421 Im Gegensatz zu den „Agents" waren die Attorneys auch ohne gesonderte Zulassung beim Gericht berechtigt, dort aufzutreten, Buckland/Wilmot, Compendium (1868), S. 81. Von 1829-1877 war die Ableistung eines fünfjährigen Vorbereitungsdienstes („articles") Berufsvoraussetzung. Später wurde dieses Erfordernis durch das eines Universitätsstudiums ersetzt, Hahlo/Kahn, in: British Commonwealth, Bd. 5 (1960), S. 219. 422

Buckland /Wilmot, Compendium (1868), S. 83. Der Clerk trug die Klage in einer je nach Klagegrund unterschiedlichen, standardisierten Kurzfassung zusammen mit den Namen und Anschriften der Parteien in das „civil record book" ein. 423 Bei der Ladung waren bestimmte Fristen zu beachten, die sich nach der Entfernung des Beklagten vom Gerichtsort richteten: Bei bis zu 10 Meilen Entfernung war er mindestens 3 Tage vor dem Termin zu laden, bei 20 Meilen vier Tage vorher usw. 424 Erschienen der Kläger oder sein Bevollmächtigter nicht zum Termin, wurde die Klage kostenpflichtig abgewiesen („absolved"), konnte aber nach Zahlung der Prozeßkosten für die erste Klage wieder erhoben werden. 425 Die „Provisional Sentence Procedure" stellte als abgewandelte Form des „Nantissements" bzw. „Handvulling" eines der wenigen Überbleibsel aus dem römisch-holländischen Verfahren dar, Erasmus, in: 108 (1991) 265 (276); Kelbrick, in: International Encyclopedia of Laws, Bd. 2 (1996), S. 81.

Β. Südafrika

95

konnte. Wurde gegen die Vollstreckung nicht binnen eines Monats Beschwerde 426 eingelegt, wurde das vorläufige Urteil endgültig („final judgment"). Auf diese Art und Weise konnte somit gerade für unbestrittene Bagatellforderungen relativ schnell und günstig ein Titel erlangt werden. Waren hingegen beide Parteien erschienen, fand eine in allen Einzelheiten regulierte, zeitaufwendige und für Bagatellforderungen ineffiziente mündliche Verhandlung statt. Diese begann damit, daß der Clerk die Klageschrift verlas. Erkannte der Beklagte den Anspruch daraufhin nicht sofort an, fand die Beweisaufnahme statt. Nicht anwesende Zeugen wurden unter Androhung eines Ordnungsgeldes auf den nächsten Termin geladen („subpoenaed"). Die Befragung der Zeugen und überhaupt die Bestimmung des Umfangs der Beweisaufnahme erfolgte durch die Parteien bzw. ihre Vertreter, was letzteren die Möglichkeit zur Prozeßverschleppung bot. War keine Zeugenvernehmung notwendig, befragte der Richter die Parteien unter Eid. Nach Schluß der Beweisaufnahme erging das Urteil 4 2 7 - und zwar in öffentlicher Verhandlung. Wurde das Urteil rechtskräftig, konnte die obsiegende Partei innerhalb von 12 Monaten 428 beim „Clerk" einen „writ of execution" beantragen 429. Die Gebühren des Clerk, des Gerichtsboten sowie der Attorneys und Agents waren in einem Anhang festgelegt und waren vergleichsweise maßvoll 430 . Die schriftliche Vereinbarung höherer Gebühren war gestattet; diese mußten von der Gegenseite jedoch auch im Falle des Obsiegens nicht erstattet werden. Die Beschränkung der Zuständigkeit der Laienrichter und die Trennung von Justiz und Verwaltung erwiesen sich gegenüber dem alten System als vorteilhaft 431 . Allerdings wurde die schlechte juristische Qualifikation der Resident Magistrates 426 Konnte der Beklagte nachweisen, daß er nicht ordnungsgemäß zum Termin geladen worden oder aus wichtigem Grund am Erscheinen im Termin gehindert war, wurde das vorläufige Urteil aufgehoben und ein neuer Verhandlungstermin anberaumt. 427 Das Urteil wurde in das „civil record book" eingetragen. Gegen die Urteile des Resident Magistrate in Zivilsachen war die Berufung an den Supreme Court oder an den nächsten Circuit Court statthaft. 428 Nach einem Jahr verlor das Urteil seine Vollstreckungsfahigkeit, es war „superannuated". Die Vollstreckungsfähigkeit konnte auf Antrag des Klägers aber wieder hergestellt werden. 429 Aus diesem war die Vollstreckung in das bewegliche Vermögen des Schuldners zulässig. Scheiterte die Vollstreckung, konnte der Kläger den Beklagten auf seine Kosten für maximal drei Monate in Schuldhaft („Civil Imprisonment") nehmen lassen. Es stand aber im Ermessen des Resident Magistrate, den Schuldner stattdessen zur Zahlung der Schuld in bestimmten Raten zu verurteilen. 43 0 Act No. 20 of 1856 sah vor, daß die Gebühren der Agents und Attorneys grundsätzlich 10 Shilling und 6 Pence bzw. bei Ansprüchen aus Schuldurkunde 7 Shilling und 6 Pence nicht übersteigen durften. Wurde der Rechtsstreit außergerichtlich erledigt, bekamen die Agents bzw. Attorneys üblicherweise 2,5-5% der eingetriebenen Summe als Honorar, Buckland/ Wilmot, Compendium (1868), S. 102. Venter, Landdros (1940), S. .

96

1. Kapitel: Die Entwicklung des Bagatellprozesses

kritisiert 432 . Zudem führte die Beseitigung der weitgehenden Selbstverwaltung der Distrikte durch die - insgesamt bei der Bevölkerung beliebten 433 - Kollegien von Landdrost en Heemraden und die Anglisierung des öffentlichen Lebens zu einer nachhaltigen Störung des Verhältnisses zu den alteingesessenen Buren, die schließlich in der Auswanderung vieler Buren und der Gründung zweier unabhängiger Burenrepubliken gipfelte 434 .

c) Die Ausweitung der Kapkolonie nach Osten Am Vorabend der Kolonisierung durch die weißen Siedler waren der Osten der Kapregion, die gesamte Ostküste und der Nordosten Südafrikas von verschiedenen bantusprachigen Völkern besiedelt. Diese waren im Gegensatz zu den nomadisierenden Khoisan seßhaft und lebten überwiegend vom Getreideanbau sowie der Viehzucht, die sie in der Form der Subsistenzwirtschaft, also allein am eigenen Bedarf orientiert, betrieben. Obwohl sich die verschiedenen Bantuvölker hinsichtlich Sprache und Kultur in vielerlei Hinsicht unterschieden, verfügten sie über ein in den Grundzügen übereinstimmendes Rechtssystem (aa) 435 . Durch die weiße Kolonisierung blieb dieses Rechtssystems in der Praxis unangetastet. Allerdings erfolgte eine Einbindung der traditionellen Herrscher und ihrer Gerichte in die europäische Verwaltungs- und Gerichtsorganisation (bb). aa) Das Rechtssystem der Bantuvölker Die kleinste, aber wichtigste soziale Einheit in allen bantusprechenden Stämmen war die Familie, bestehend aus dem Familienoberhaupt („Familyhead" oder „Kraalhead" 436 ), dessen Frau bzw. Frauen und Kindern 437 . Die einzelnen Familien lebten teilweise gemeinsam in einem Dorf 4 3 8 . teilweise aber auch voneinander getrennt in umfriedeten Haushalten (sog. „Kraals" oder „Family Homes") 439 . Hatte ein Familienoberhaupt mehrere Frauen, bildeten diese mit ihren Kindern jeweils ein sog. „Haus". Das Haus, welches das Familienoberhaupt mit seiner Hauptfrau bewohnte, wurde „großes Haus" genannt. Streitigkeiten zwischen den Familienmitgliedern schlichtete das Familienoberhaupt. Neue Familien entstanden durch «2 Hahlo/Kahn, in: British Commonwealth, Bd. 5 (1960), S. 216. 433 Theal History, Bd. 1 (1927), S. 495. 434 Venter, Landdros (1940), S. 231. 435 Hahlo/Kahn, in: British Commonwealth, Bd. 5 (1960), S. 317. 436 Die kolonialen Sammelbegriffe gaben die unterschiedlichen hierarchischen Strukturen der verschiedenen Stämme nur unvollständig wieder, haben sich aber eingebürgert und werden daher im folgenden beibehalten, vgl. Bennett, Human Rights (1995), S. 66. 437 Bekker, Customary Law (5. Aufl. 1989), S. 69. 438 So ζ. B. die Sotho-Tswana. 439 So ζ. B. die Nguni-Völker.

Β. Südafrika

97

die Heirat eines Sohnes oder durch den Tod eines Familienoberhauptes. Alle Familien, die sich auf einen gemeinsamen Ahnen zurückführten und einen gemeinsamen Namen („seboko" bei den Sotho-Tswana bzw. „sibongo" bei den Nguni-Völkern) trugen, formten zusammen einen Clan 4 4 0 . Stammes-Oberhaupt war jeweils ein König („King" oder „Paramount Chief') bzw. Häuptling („Chief 4 ). Er war der „Vater" seines Volkes, dessen Mitglieder ihm „gehörten" und unter seinem Schutz standen441. Ihm untergeben waren die Clan-Hauptleute („Headmen" oder „Wardheads"), denen wiederum die Familienoberhäupter unterstanden. Die Autorität des Häuptlings war allumfassend, wurde allerdings immer wieder durch Rivalen herausgefordert. Häufig kam es auch zur Abspaltung ganzer Stammesteile und Bildung neuer Stämme. Dadurch wurde ein gewisser Schutz gegen den Aufbau einer Tyrannei gewährleistet 442. Bei der Führung der Geschäfte des Stammes wurde der Häuptling von seinen Beratern, meist den Stammesältesten und den Clan-Hauptleuten unterstützt. Ohne sie konnte er keine wichtige Entscheidung treffen 443 . Auch dies erschwerte eine Unrechtsherrschaft. Besonders ausgeprägt war das Rechtssystem der Bantu-Völker im Bereich des Familien- und Erbrechts 444. Jedes Familienoberhaupt besaß die uneingeschränkte Autorität über die unter seiner Tutel stehenden und ihm „gehörenden" Familienmitglieder. Mit wenigen Ausnahmen konnten nur Familienoberhäupter Eigentum besitzen, die übrigen Kraalbewohner waren vermögensunfähig, so daß auch ihre Einkünfte dem Familienoberhaupt gehörten 445. Frauen standen unter permanenter Tutel. Gleichzeitig war das Familienoberhaupt allerdings auch für die von ihm abhängigen Familienmitglieder verantwortlich, konnte also vom Familieneigentum keinen freien Gebrauch machen. Zu seinen Verpflichtungen gehörte zunächst die Pflicht, die Familienmitglieder zu unterhalten, aber auch die Verpflichtung, jedem Sohn den Brautpreis („lobolo") 4 4 6 für dessen erste Frau zu zahlen oder für Verfehlungen der bei ihm wohnenden Familienmitglieder zu haften 447 . Verschleuderte das Familienoberhaupt das Familieneigentum und gefährdete dadurch den Familienunterhalt bzw. die Heiratschancen seiner Söhne, konnten seine Ehefrauen bzw. 440 Bekker, Customary Law (5. Aufl. 1989), S. 69. 441 Bekker, Customary Law (5. Aufl. 1989), S. 12. 442 Bennett, Human Rights (1995), S. 67. 443 Bennett, Human Rights (1995), S. 67; Rakate, in: 30 (1997) CILSA 175 (180). 444 Hahlo/Kahn, in: British Commonwealth, Bd. 5 (1960), S. 318. 445 Bekker, Customary Law (5. Aufl. 1989), S. 13. 446 Der Brautpreis war bei jeder Eheschließung an die Familie der Braut üblicherweise in Vieh zu entrichten. Verließ eine Ehefrau ihren Mann ohne Grund, war das lobolo an den Ehemann zurückzuzahlen. Hatte ihr Ehemann die Trennung dadurch verschuldet, daß er seine Frau mißhandelt oder wegen einer anderen verlassen hatte, verlor er allerdings seinen Rückzahlungsanspruch. Der Brautpreis funktionierte damit auch als Schutzmechanismus für die Braut, Bekker, Customary Law (5. Aufl. 1989), S. 150 ff. 447 Bekker, Customary Law (5. Aufl. 1989), S. 75. 7 Engbers

98

1. Kapitel: Die Entwicklung des Bagatellprozesses

volljährigen Söhne sich an die Familienältesten oder den Häuptling wenden, um ihn zur Vernunft zu bringen 448 . Das Gewohnheitsrecht kannte keine Abgrenzung zwischen Zivil- und Strafrecht im europäischen Sinne 449 . Es wurde allerdings zwischen solchen Verletzungen unterschieden, die nur das Individuum betrafen und solchen, die gegen den gesamten Stamm gerichtet waren. Zu den gegen den Häuptling und damit gegen den gesamten Stamm gerichteten Delikten gehörten Gewaltdelikte wie Häuptlingsmord, Totschlag, Körperverletzung und Vergewaltigung, aber auch Hexerei 450 . Zu den Verletzungen eines Individuums gehörten hingegen alle Fälle des Vertragsbruchs, Diebstahl, die Verletzung von Familienrechten wie ζ. B. Verführung einer unverheirateten Frau 451 oder Ehebruch, die Verletzung von Eigentumsrechten wie ζ. B. unerlaubtes Betreten eines Grundstücks sowie Ehrverletzungen wie ζ. B. Verleumdung 452 . Das Urteil lautete im Falle des Vertragsbruchs auf Erfüllung des Vertrages, ansonsten auf Entschädigung, die meist in Form von Vieh zu erbringen war. Daneben konnten Leibesstrafen bis hin zur Verstümmelung verhängt werden 453 . Als oberste Autorität des Stammes war der Häuptling auch für die Entscheidung aller Streitigkeiten zwischen den Stammesangehörigen zuständig. Die Anrufung des Häuptlingsgerichts stellte allerdings den letzten Ausweg dar. In der überwiegenden Mehrzahl der Fälle wurden Konflikte im Kompromißwege gelöst 454 . Dazu diente etwa das sog. „hlamba"-Ritual der Nguni-Völker, bei dem ein Vermittler oder der Familienrat die beiden Parteien aussöhnte und die Versöhnung üblicherweise mit dem Schlachten einer Ziege besiegelt wurde 455 . Gegen die Mißachtung der traditionellen Sitten gab es zudem zahlreiche außergerichtliche Möglichkeiten der sozialen Kontrolle, wie etwa die Ächtung durch die übrigen Stammesangehörigen 4 5 6 . Selbsthilfe oder Rache war allerdings im Regelfall verboten 457 . Für die Schlichtung und Entscheidung von Streitigkeiten war - unabhängig vom Streitwert - das Häuptlingsgericht zuständig. Das Verfahren vor den Häuptlingsgerich448 Bekker, Customary Law (5. Aufl. 1989), S. 76. 449 Rakate, in: 30 (1997) CILSA 175 (180). 450 Bekker, Customary Law (5. Aufl. 1989), S. 13. 451 Die „Entjungferung" einer unverheirateten Frau beeinträchtigte die erzielbare Höhe des Brautpreises („lobolo") und stellte damit eine Vermögensminderung ihres Familienoberhauptes dar. 452 Schapera, in: Bantu-speaking Tribes (1937), S. 197 (204). 453 Schapera, in: Bantu-speaking Tribes (1937), S. 197 (200). 454 Dies entspricht der Rechtskultur der Bantuvölker, die vom Prinzip der gegenseitigen Solidarität und der kollektiven Verantwortung für das Wohl der Gemeinschaft beherrscht wird, Rakate, in: 30 (1997) CILSA 175 (180). 455 Rakate, in: 30 (1997) CILSA 175 (181); Hammond-Tooke, in: Bantu-speaking peoples (2. Aufl. 1974), S. 344 (362). 456 Schapera, in: Bantu-speaking Tribes (1937), S. 197 (198). 457 Schapera, in: Bantu-speaking Tribes (1937), S. 197 (200). Eine Ausnahme galt für die Bestrafung eines Ehebrechers, Mörders oder auf frischer Tat ertappten Diebes.

Β. Südafrika

99

ten folgte keinen festen Regeln. Die Streitsache wurde in Gegenwart der männlichen Stammesangehörigen diskutiert. Dies konnte mehrere Tage in Anspruch nehmen. Ließ sich kein gütlicher Ausgleich zwischen den Parteien herbeiführen, fällte der Häuptling, nachdem er Rücksprache mit den Stammesältesten gehalten hatte, sein Urteil auf der Grundlage des mündlich überlieferten Gewohnheitsrechts des Stammes458. bb) Die Kolonisierung durch die Briten Mit dem Vordringen der weißen Siedler in die östliche Kapregion begann die langsame Unterwerfung der eingeborenen Völker unter das europäische Verständnis von Zivilisation und Christentum. Zunächst wurde das Gebiet der Ciskei von der britischen Krone annektiert und zur neuen Kolonie British Kaffraria erklärt. Die Häuptlinge wurden seit 1855 teilweise durch weiße Magistrates ersetzt, teilweise aber auch als Regierungsbeamte eingestellt und somit von der Regierung und deren Politik abhängig 459 . Zwar existierten die Häuptlingsgerichte vielfach weiter, da die wenigen Magistrates mit ihren Hilfsbeamten häufig gar nicht in der Lage waren, das europäische Recht überall durchzusetzen. Ihr Einfluß schwand aber mit der zunehmenden Kolonialisierung immer mehr 460 . Auch auf Streitigkeiten zwischen Schwarzafrikanern fand vor den Magistrates zunächst dasselbe Recht Anwendung wie für die weißen Siedler 461 . Da dieses von den Parteien aber oft nicht verstanden wurde und zu einem erheblichen Chaos im Gesellschafts- und Eigentumssystem der einheimischen Bevölkerung zu führen drohte, erkannte die britische Obrigkeit durch den Native Succession Act No. 18 of 1864 462 immerhin das gewohnheitsrechtliche System der Erbfolge an 4 6 3 . Zudem entwickelten die Magistrates auf der Grundlage von Macleans , , A Compendium of Kaffir Laws and Customs" von 1858 eine Gerichtspraxis, die einer Konfrontation mit der schwarzen Bevölkerung weitgehend aus dem Weg ging 4 6 4 . Im Jahre 1865 wurde British Kaffraria der Kapkolonie einverleibt 465 . In den Jahren zwischen 1877 und 1894 466 folgte die Eroberung und Eingliederung der Transkei. 458

Zum Verfahren der Häuptlingsgerichte siehe 2. Kapitel sowie eingehend Bekker, Customary Law (5. Aufl. 1989), S. 28 ff.; Myburgh, in: Bantu-Speaking Peoples (2. Aufl. 1974), S. 284 ff. 459 Bennett, Application (1985), S. 41. 460 Burman, in: Democracy (1989), S. 151 (152). 461 Bekker, Customary Law (5. Aufl. 1989), S. 1. 462 Dieser blieb bis zum Erlaß des Black Administration Act No. 38 of 1927 in Kraft. 463 Bekker, Customary Law (5. Aufl. 1989), S. 3. 464 Bennett, Application (1985), S. 41; Hahlo/Kahn, in: British Commonwealth, Bd. 5 (1960), S. 319. 465 Durch Act No. 3 of 1865. 466 Die Annektion begann mit dem Annexation of Transkeian Territories Act No. 38 of 1877 und endete mit dem Annexation of Pondoland Act No. 5 of 1894. 7*

100

1. Kapitel: Die Entwicklung des Bagatellprozesses

Auch dort wurde den Häuptlingen ihre Jurisdiktion entzogen und weißen Magistrates übertragen, die gehalten waren, europäisches Recht anzuwenden. Da die Transkei ganz überwiegend von Schwarzen bewohnt war 4 6 7 , wurden die Magistrates aber ermächtigt, in Fällen, in denen beide Parteien Schwarze waren, deren Gewohnheitsrecht anzuwenden, soweit es den europäischen Vorstellungen von natürlicher Gerechtigkeit („Natural Justice") nicht widersprach 468. Die Berufungen gegen die Urteile der Magistrates gingen zunächst an den Supreme Court in Kapstadt, welcher bei der Überprüfung der Urteile der Magistrates ebenfalls Gewohnheitsrecht zugrundelegen konnte. Im Jahre 1894 wurde für Berufungen in Stammesangelegenheiten zusätzlich ein Native Territories Appeal Court geschaffen, der ebenfalls Stammesrecht anwandte469.

2. Natal Im Jahre 1845 wurde die - aufgrund ihrer Entdeckung am Weihnachtstag von den Portugiesen „Natal" genannte - Süd-Ostküste Südafrikas durch die Briten besetzt 470 . Der Einfachheit halber übernahm man für die neue Kolonie die am Kap geltenden Gesetze471. Der Gouverneur errichtete in Pietermaritzburg einen District Court 472 , der dieselbe Zuständigkeit wie der Supreme Court in Kapstadt besaß, gegen dessen Urteile aber die Berufung zu demselben statthaft war, sowie mehrere Courts of Resident Magistrates 473. Auch in Natal waren die Resident Magistrates Laienrichter. Teilweise war ihr Amt an das des Bürgermeisters geknüpft 474 . Die Rules of Court 475 - und damit das Verfahren - entsprachen denen in der Kapkolo467 Bennett, Application (1985), S. 42. 468 Vgl. Act No. 38 of 1877, Act No. 35 of 1884; Act No. 3 of 1885; Act No. 37 of 1886; Act No. 45 of 1887; Act No. 5 of 1894. Galt für die Parteien nicht dasselbe Gewohnheitsrecht, fand das des Beklagten Anwendung, Hahlo/Kahn, in: British Commonwealth, Bd. 5 (1960), S. 320. 469 Bekker, Customary Law (5. Aufl. 1989), S. 4. 470 Zuvor (1838) hatten dort die sog. Trekburen die Republik Natalia gegründet, waren aber nach der britischen Besetzung ins Landesinnere weitergezogen. Zur Geschichte Natals von 1835-1910 vgl. Eybers, Documents (1918), S. XLIV ff. 471 Zimmermann, Römisch-Holländisches Recht (1983), S. 20. Ein Beispiel ist die Ordinance No. 72 of 1830, mit der das englische Beweisrecht am Kap eingeführt wurde. Als Ordinance No. 19 of 1845 wurde sie nahezu unverändert in Natal übernommen. 472 Durch Ordinance No. 14 vom 16. 10. 1845. 473 Durch Ordinance No. 16 vom 24.4. 1846. 474 Durch Law No. 21 of 1861 wurden die Bürgermeister in Natal ermächtigt, in einem sog. „Borough Court" die Gerichtsbarkeit des Resident Magistrate auszuüben. Die Zuständigkeit des Bürgermeisters war nur insoweit eingeschränkt, als sie sich nicht auf Gesetze erstreckte, die den Handel mit Waffen und anderen Kriegsgütern regelten. 475 Diese wurden durch den Lieutenant Governor von Natal für die Resident Magistrates gem. der Ermächtigung in See. 22 der Ordinance 16 of 1846 erlassen und traten am 1.9. 1846 in Kraft.

Β. Südafrika

101

nie. Wie am Kap waren die Gerichte der Resident Magistrates mit einer Zuständigkeit bis zu einem Streitwert von 15 Pfund zunächst reine Bagatellgerichte 476. In der Folgezeit wurde die Zuständigkeit der Resident Magistrates aber immer weiter ausgedehnt. Im Jahre 1850 wies man ihnen beispielsweise die Entscheidung aller Streitigkeiten zwischen Dienstherren und ihren Dienern bzw. Lehrlingen bis zu einem Streitwert von 20 Pfund zu 4 7 7 . Der Resident Magistrate der aufblühenden Hafenstadt D'Urban (Durban) wurde 1852 sogar zur Entscheidung von Zivilstreitigkeiten bis zu einem Streitwert von 100 Pfund ermächtigt 478 . Allerdings entschied bei Streitwerten über 15 Pfund - wie im District und Circuit Court - eine Jury aus sieben Schöffen 479. Im Jahre 1868 erfolgte eine Erhöhung des Streitwerts 480 , desgleichen im Jahre 1889 481 : beruhte der geltend gemachte Anspruch auf einer Schuldurkunde („liquid document of debt"), betrug die Zuständigkeitsgrenze zuletzt 100 Pfund, ansonsten 50 Pfund. Von einem reinen Bagatellgericht konnte daher nicht mehr die Rede sein. Um die Vollstreckung von Bagatellforderungen zu erleichtern, ermächtigte das „Petty Debts Recovery Law" von 1867 482 die Resident Magistrates dazu, den Schuldner zur Rückzahlung des geschuldeten Betrags in Raten und bei fehlender Mitwirkung an der Offenlegung seiner Vermögensverhältnisse oder in Betrugsfällen zu einer Gefängnisstrafe von bis zu 40 Tagen zu verurteilen. Das Gesetz enthielt keine Definition des Begriffs „Petty Debt" bzw. „Small Debt and Demand"; es war daher in allen Zivilstreitigkeiten vor dem Resident Magistrate anwendbar. Mit der Zeit wurde die Rechtslage aufgrund der vielen Sonderregelungen unübersichtlich. Im Jahre 1889 hob man diese daher größtenteils auf und faßte die Bestimmungen für die Resident Magistrates in einem einheitlichen Gesetz 483 zusammen.

476 Dies kam auch darin zum Ausdruck, daß sie die Sache an den District Court verweisen konnten, wenn diese trotz des geringen Streitwertes als bedeutend angesehen wurde. An diesen gingen auch die Berufungen gegen seine Urteile. 477 Durch Ordinance No. 2 of 1850. 478 Durch Ordinance No. 8 of 1852. Die Parteien konnten durch Gerichtsstandvereinbarungen auch höherwertige Streitigkeiten vor den Resident Magistrate von Durban bringen. Für Grundstücksstreitigkeiten war dieser aber insgesamt unzuständig. 479 Durch Ordinance No. 7 of 1852. Auch unter einem Streitwert von 15 Pfund konnte unter Übernahme der Kosten die Entscheidung durch eine Jury beantragt werden. Die Entscheidung durch Jury war aber ausgeschlossen, wenn der Kläger ein sog. „provisional judgment" aus schriftlichem Schuldanerkenntnis beantragt hatte oder die Existenz einer öffentlichen Urkunde („matter of record, as a judgment, or the like") streitig war. 1896 wurde die Entscheidung durch Jury bei Streitwerten unter 50 Pfund von einer Erlaubnis des Gerichts abhängig gemacht, vgl. Hahlo/Kahn, in: British Commonwealth, Bd. 5 (1960), S. 221 FN 80. 4 »o Vgl. Law No. 10 of 1868. 48

» Vgl. Law No. 22 of 1887. Law No. 14 of 1867. Das Gesetz wurde durch Law No. 6 of 1868 und Law No. 9 of 1869 geändert und durch Law No. 22 of 1889 aufgehoben. 482

483 Law No. 22 vom 14. 8. 1889. Dieses Gesetz wurde nochmals geändert durch Law No. 22 of 1896.

102

1. Kapitel: Die Entwicklung des Bagatellprozesses

Wie die östliche Kapregion war auch Natal alles andere als unbesiedelt, als die britische Besetzung erfolgte. Das Koloniegebiet war von hunderttausenden Flüchtlingen bevölkert, welche durch die Ausdehnung des Zulureiches und die Ankunft der Buren aus ihrer Heimat vertrieben worden waren. Zur besseren Kontrolle dieser Bevölkerung setzten die Briten dort, wo keine Führer mehr existierten, Häuptlinge ein und bestätigten die noch vorhandenen 484. Die Häuptlinge blieben in ihrer Rechtsprechungsgewalt unbeschränkt. Allerdings erfolgte eine Kontrolle ihrer gerichtlichen Tätigkeit durch ihnen übergeordnete sog. „Administrators of Native Law" 4 8 5 . Gegen die Urteile der Häuptlingsgerichte bzw. Administrators of Native Law konnte Berufung zum Lieutenant-Governor, eingelegt werden 486 . Im Jahre 1875 wurde die Macht der Häuptlinge noch weiter eingeschränkt 487. In Strafsachen, die nun mit wenigen Ausnahmen 488 nach europäischem Recht behandelt wurden, entzog man ihnen die Rechtsprechungsgewalt vollständig, in Zivilsachen blieben sie nur noch für Eigentums- und Erbrechtsfragen zuständig. Alle anderen Streitigkeiten kamen vor die Gerichte der Administrators of Native L a w 4 8 9 bzw. in bestimmten Sachen vor einen neugeschaffenen Native High Court 490 , der in zweiter Instanz auch für Berufungen gegen die Urteile der Administrators of Native Law zuständig war 4 9 1 . Bei der Anwendung des schwarzen Gewohnheitsrechts durch die europäischen Richter erwies es sich als hinderlich, daß dieses bis dahin nur in mündlich überlieferter Form existierte. Nach langjähriger Vorbereitungszeit wurde daher im Jahre 1891 für die gesamte Kolonie Natal der „Natal Code of Native Law" erlassen 492, der sich vornehmlich mit Fragen des Familien- und Erbrechts befaßte, aber auch prozeßrechtliche Bestimmungen enthielt 493 . In der Pra484 Bennett, Application (1985), S. 43. 485 Ordinance No. 3 vom 23. 6. 1849. 486 Letzterer wurde von den Briten zum Oberhäuptling („Paramount chief) ernannt und ersetzte damit den Zulu-König, Bennett, Application (1985), S. 44. Bei der Kontrolle der Entscheidungen der Häuptlingsgerichte hatte aber auch er das Gewohnheitsrecht der schwarzen Bevölkerung anzuwenden „except so far as the same may be repugnant to the general principles of humanity recognized throughout the whole Civilized World", vgl. die Ordinance No. 3 vom 23. 6. 1849. Diese Bestimmung war u. a. gegen die Hexenverfolgung und die milde Bestrafung von Morden gerichtet, vgl. Hahlo/Kahn, in: British Commonwealth, Bd. 5 (1960), S. 322. 487 Durch Act No. 26 of 1875. 488 Hierzu zählten ζ. B. politische Straftaten, Kämpfe innerhalb des Stammes und einige spezielle Straftaten. 489 Durch Courts Act No. 49 of 1898 wurden diese durch Magistrates ersetzt. 490 Dieser wurde später in Black High Court umbenannt. 491 Gegen die erstinstanzlichen Urteile des Native High Court war die Berufung zum Native Court of Appeal statthaft. Dieser wurde 1894 durch Native Law No. 2 of 1894 abgeschafft. Seine Aufgaben übernahm der Supreme Court. 492 Durch Law No. 19 of 1891. Seitdem wurde der Code mehrfach verändert. Trotzdem konnte er bis heute das ungeschriebene Gewohnheitsrecht als Rechtsquelle nicht ersetzen, Van Niekerk, in: 27 (1994) De Jure 19 (21 FN 6). 493 Der Code bestimmte ζ. B. in See. 50, daß die Chiefs alle Klagen, die vor sie gebracht wurden, ohne unnötige Verzögerung zu hören hatten.

Β. Südafrika

103

xis wurde er jedoch häufig ignoriert 494 . Dies lag vor allem daran, daß er keinen abschließenden Charakter hatte. Daneben bestehendes, ungeschriebenes Gewohnheitsrecht blieb subsidiär weiterhin anwendbar 495. Teilweise waren die Regeln des Code auch nicht verbindlich 496 . In einigen Fällen widersprach er sogar dem schwarzen Gewohnheitsrecht, bzw. änderte dieses 497 .

3. Oranje-Freistaat Über das Land zwischen Oranje und Vaal, welches von der Kapkolonie, später auch von Natal aus besiedelt worden war, hatte die britische Krone zunächst im Jahre 1848 ihre Souveränität ausgerufen 498. Durch Proklamation vom 14. 3. 1849 wurde die Verwaltungs- und Gerichtsorganisation der sog. „Orange River Sovereignty" festgelegt. Danach war diese in vier Magistrats-Distrikte 499 eingeteilt, denen jeweils ein Magistrate vorstand 500 . Hinsichtlich des Verfahrens hatten sich die Magistrates nach den für die Resident Magistrates am Kap erlassenen Rules of Court zu richten. Daran änderte sich auch nach der Gründung des Oranje-Vrijstaats (O.V.S.) nichts 501 . Zwar wurden die Resident Magistrates abgeschafft und die niedere Gerichtsbarkeit zweigeteilt: Für zivilrechtliche Streitigkeiten bis zu einem Streitwert von 37 Pfund 10 Sh. bzw. aus Schuldurkunden („alle zaken van liquiden aard") von 50 Pfund waren die Gerichte der Landdroste, für Streitigkeiten bis zu einem Streitwert von 75 Pfund bzw. 100 Pfund die Gerichte der Landdrost en Heemraden zuständig 502 . Die für die Untergerichte im Jahre 1856 erlassenen sog. „Regula494 Hahlo/Kahn, in: British Commonwealth, Bd. 5 (1960), S. 323 FN 30. 495 Bekker, Customary Law (5. Aufl. 1989), S. 12. 496 Bekker, Customary Law (5. Aufl. 1989), S. 12. 497 ζ . B. wurde der Brautpreis (lobolo) deutlich unter das Maß des üblichen herabgesetzt und die Gültigkeit der Eheschließung vom Einverständnis der Braut abhängig gemacht, Bennett, Application (1985), S. 44. 498 Durch Proclamation des High Commissioners Henry George Smith vom 3. 2. 1848. In der Proklamation von 1848 wurde das Recht der Kapkolonie auf das neue Territorium erstreckt, die Autorität der Häuptlinge über ihre Stämme und deren traditionelles Recht aber nicht angetastet. 499 Dies waren die Distrikte Griqua Land, Winburg, Vaal River und Caledon River. 500 Die Magistrates hatten neben einer begrenzten strafgerichtlichen Kompetenz jeweils eine Zuständigkeit zur Entscheidung von Zivilsachen, deren Streitwert 500 Rds. nicht überstieg. Für Eingeborene galt diese jedoch nur, wenn für die Entscheidung über die streitgegenständliche Sache oder Handlung nicht ein Häuptlingsgericht zuständig war. Bei der Entscheidung sollten die Magistrates das Römisch-Holländische Recht in der Form anwenden, die es durch die Praxis der Gerichte der Kapkolonie gefunden hatte. soi Nach Abschluß der Konvention von Bloemfontein am 23. 2. 1854 wurde das Gebiet in die Unabhängigkeit entlassen und von den burischen Siedlern der Oranje-Freistaat gegründet.

502 Vgl. Ord. No. 1 van 1856 sowie Ord. No. 5 van 1885, die die Gesetzgebung zu den niederen Gerichten in übersichtlicher Form zusammenfaßte.

104

1. Kapitel: Die Entwicklung des Bagatellprozesses

tien" 5 0 3 stellten jedoch im wesentlichen eine bloße Übersetzung der für die Resident Magistrates am Kap erlassenen Verfahrensvorschriften dar 5 0 4 . Damit entschied man sich bewußt gegen eine Wiederanknüpfung an das römisch-holländische Prozeßrecht 505. Nur noch die Namen erinnerten an die in der holländischen Ära existierenden Gerichte. Der Landdrost tagte im Hauptort seines Bezirks, aber viermal im Jahr auch in den umliegenden Dörfern. Teilweise wurde für diese auch ein „Assistent-Landdrost" ernannt. In Dörfern, in denen kein Landdrost oder Assistent-Landdrost existierte, waren seit 1870 Friedensrichter („Vrederegter"), die vor allem als Ortspolizei fungierten, zur Entscheidung von kleineren Streitigkeiten zuständig 506 . Die Ord. No. 2 van 1870 enthielt keine Verfahrensvorschriften. Wahrscheinlich erledigten die Friedensrichter die vor sie gebrachten Streitigkeiten angesichts ihrere fehlenden Rechtskenntnisse ziemlich formfrei. Gegen ihre Urteile konnte auf dieselbe Weise wie von den Landdrostgerichten und den Gerichten der Landdrost en Heemraden Berufung zum an verschiedenen Orten periodisch tagenden Obergericht („Rondgaande Geregtshof") eingelegt werden. Schon bald erwies sich das bestehende Gerichtssystem als unbefriedigend. Als Mangel wurde vor allem die große Machtfülle der Landdrosten im Bereich der Rechtsprechung empfunden 507. Hinzu kam, daß die Qualität der Rechtsprechung unter den fehlenden Rechtskenntnissen des Gerichtspersonals litt. Sowohl die Landdroste als auch die Heemraden waren Laien, was vor allem daran lag, daß die bezahlten Gehälter für studierte Juristen zu unattraktiv waren 508 . Eine nennenswerte Eingeborenen-Gesetzgebung gab es im O.V.S. nicht. Für eine solche bestand auch keine praktische Notwendigkeit, da angesichts der geringen Bevölkerungszahl sowohl der schwarzafrikanischen als auch der weißen Bevölkerung eine Koexistenz ohne intensiven Kontakt möglich war 5 0 9 .

503

„Regulatien betrekkelijk de Manier van Procederen in Civiele en Crimineele Zaken voor de Geregtshoven van enkele Landdrosten en van Landdrost en Heemraden" vom 11. 10. 1856. 504 Konsequenterweise wurde auch die Ordinance No. 72 von 1830 des Kaps, und damit das englische Beweisrecht, durch Ord. No. 6 van 1856 fast wortwörtlich übernommen. 505 Hahlo/Kahn, in: British Commonwealth, Bd. 5 (1960), S. 244. 506 Vgl. Ord. No. 2 van 1870. Ihre Zuständigkeit war genau halb so hoch wie die der Landdrostgerichte, betrug also 18 Pfund 15 Sh. bzw. 25 Pfund bei Ansprüchen aus Schuldurkunden. 507 Hahlo/Kahn, in: British Commonwealth, Bd. 5 (1960), S. 242. 508 Hahlo/Kahn, in: British Commonwealth, Bd. 5 (1960), S. 241. 509 Bennett, Application (1985), S. 45; Hahlo/Kahn, in: British Commonwealth, Bd. 5 (1960), S. 327; Schmidt-Jortzig, Traditional Leaders (1998), S. 44.

Β. Südafrika

105

4. Transvaal Der 1836 begonnene „Große Trek" hatte die aus der Kapkolonie ausgewanderten Buren auch in das Gebiet jenseits des Vaal im Nordosten Südafrikas geführt. Nachbarschaftsstreitigkeiten zwischen den Siedlern wurden entweder durch den Feldkornett („Veldkornett") gütlich beigelegt 510 oder, falls dies mißlang durch den Landdrost 511 bzw. in wichtigeren Sachen vom Gericht der Landdrost en Heemraden entschieden. Das Niveau dieser Laiengerichtsbarkeit, welche zumeist von schreibunkundigen Farmern ausgeübt wurde, war sehr niedrig 512 . Durch die Sand River Convention von 1852 wurde die Unabhängigkeit des Transvaal von den Briten anerkannt und die „Zuid-Afrikaansche Republiek" (Z.A.R.) gegründet. Nach zähen Vorbereitungsarbeiten gab sich die junge Republik schließlich 1858 eine Verfassung („Grondwet") 513 , die die Gewaltenteilung festschrieb und in den Art. 127 ff. erstmals auch die Gerichtsorganisation schriftlich festlegte. Die Streitschlichtungsaufgabe der Feldkornetten wurde darin bestätigt und bestimmt, daß jedermann berechtigt sei, einen anderen zu einem Streitschlichtungsversuch vor den Feldkornett zu laden 514 . Ein Streitschlichtungsversuch war allerdings nicht obligatorisch. Die Gerichtsorganisation ähnelte der im O.V.S.: In jedem Distrikt wurden durch das Grondwet ein „Hof van den Landdrost" 515 , ein „Hof van den Landdrost en Heemraden" 516 und ein „Hoog-geregtshof 517 eingerichtet. In Zivilsachen 518 hatte der Landdrost zunächst eine Zuständigkeit für Streitigkeiten bis zu einem 510 Der Feldkornett war eine Art Dorfpolizist. Seine Aufgaben und Befugnisse wurden durch das Parlament der Siedler, den Volksraad, 1844 in einer Instruktion bestimmt (Instructie voor de Veldcornetten vom 9. 4. 1844). 511 Erst durch V.R.R. vom 19. 9. 1849 wurden Verfahrensvorschriften für die Landdroste erlassen, die fast wörtlich der Instruktion für die Collegie van Landdrost en Heemraden am Kap von 1805 entsprachen. Sie wurden durch das Grondwet von 1858 und dessen Beilagen ersetzt. 512 Hahlo/Kahn, in: British Commonwealth, Bd. 5 (1960), S. 227; Kahn, in: 75 (1958) SALJ 294 (300), der ein Scheidungsurteil wiedergibt, demzufolge der geschiedenen Ehefrau verboten wird, wieder zu heiraten. Das Urteil wurde später - allerdings nicht aus Rechtsgründen - vom Volksraad aufgehoben. 513

Grondwet van de Zuid-Afrikaansche Republiek. Im selben Jahr ergingen durch V.R.R. vom 17. 9. 1858 auch Instruktionen für die Feldkornette. 515 Gegen Ende der Südafrikanischen Republik gab es 32 Landdroste, Kahn, in: 76 (1959) S A U 46 (51). 514

5,6 Die Gerichte der Landdroste en Heemraden wurden durch Wet No. 3 van 1881 abgeschafft. Ihre Aufgaben übernahmen die Gerichte der Landdroste und ein neu eingerichteter „Rondgaande GeregtshofAn letzteren gingen auch die Berufungen gegen die Entscheidungen der Landdroste. 517 Dieses Gericht bestand aus drei Landdrosten sowie 12 „Gezworenen" und tagte als Reisegericht in jedem Distrikt zweimal im Jahr. 5,8 Der Landdrost war - wie seit langem üblich - nicht nur für Zivilsachen, sondern auch für die Erledigung kleinerer Strafsachen zuständig.

106

1. Kapitel: Die Entwicklung des Bagatellprozesses

Streitwert von 37 Pfund 10 Sh. bzw. 375 Pfund, wenn es sich um eine Forderung aus Schuldurkunde handelte („vorderingen uit schuldbewijzen of acceptatien"), später wurde diese Zuständigkeit sogar noch erhöht 519 . Er war damit kein reiner Bagatellrichter 520. Trotz der großen Machtfülle war die Ausbildung der Landdroste sehr schlecht 521 . Viele Landdroste konnten weder lesen noch schreiben 522. Das römisch-holländische Recht 523 hatte kein Landdrost studiert 524 . Die Willkür bei der Rechtsanwendung war daher groß 525 . Verfahrensvorschriften ergingen - allerdings in sehr oberflächlicher Form - zunächst nur für das Berufungsverfahren vor dem Hoog-geregtshof 526. Unklar ist, welches Verfahren die Untergerichte befolgten 527 . Offensichtlich war es aber unzeitgemäß - wie aus der Einleitung der neuen Prozeßordnung für die Untergerichte von 1874 hervorgeht 528. Die neuen Verfahrens Vorschriften waren mit den im Jahre 1856 im O.V.S. erlassenen „Regulatien" im Wortlaut identisch. Damit wurde auch in der Z.A.R. das gegenüber dem althergebrachten Rechtsgang modernere englische Verfahrensrecht eingeführt. Die erhoffte Verbesserung der Qualität der Rechtspflege wurde dadurch jedoch nicht erzielt, da das Gerichtspersonal dasselbe blieb und das formale englische Verfahrensrecht nicht umsetzen konnte 529 .

519 Durch Wet No. 6 von 1885 wurde die Gerichtsbarkeit der Gerichte der Landdroste auf 100 bzw. 500 Pfund (bei Klagen aus Schuldurkunden) erweitert. Innerhalb dieser Streitwertgrenzen waren sie sogar zum Erlaß von Arresten und Interdikten berechtigt. 520 Die Jahresgehälter der Landdrosten betrugen zum Vergleich zwischen 550 und 850 Pfund, Kahn, in: 76 (1959) SALJ 46 (51). 521 Voraussetzung für die Ernennung zum Landdrost war nach dem Grondwet nur die Vorstrafenlosigkeit, die Mitgliedschaft in der Holländisch-Reformierten (seit 1889 in irgendeiner protestantischen) Kirche, ein Alter von mindestens 30 Jahren sowie Grundbesitz und Wahlrecht in der Republik. 522 Kahn, in: 75 (1958) SALJ 294 (309); Kotzé, in: 36 (1919) SALJ 128 (134). 523 Nach Beilage I der Verfassung (V.R.R. vom 19. 9. 1859) waren Van der Lindens „Koopmans Handboek", Simon Van Leeuwens „Roomsch Hollandsch Recht" und Hugo de Gwots „Inleiding" bindende Rechtsquellen. In der Rechtsprechung wurde dies aber kaum beachtet, vgl. Kahn, in: 75 (1958) SALJ 294 (309 f.). 524 Nachweis bei Kahn, in: 75 (1958) S A U 294 (309). 525 Kahn, in: 75 (1958) SALJ 294 (310); Zimmermann, Römisch-Holländisches Recht (1983), S. 21. 526 Vgl. Beilage No. 3 zur Verfassung (V.R.R. vom 20. 9. 1859). 527 i m Jahr 1859 hatte der Staatsprokureur Proes einen Entwurf erstellt, der offenbar auf der Instruktion von De Mist aus dem Jahr 1803 beruhte. Aus unbekannten Gründen wurde der Entwurf jedoch nicht als Gesetz erlassen, vgl. Wypkema, Invloed (1939), S. 348 und ders., Regswese (1934), S. 199. 528 Wet No. 1 van 1874. Durch Wet No. 11 van 1892 bekamen die Gerichte der Landdroste abermals neue Verfahrensvorschriften, die aber am 1874 eingeführten Verfahren im wesentlichen nichts änderten. Die neuen Vorschriften präzisierten lediglich das Wet No. 1 van 1874 insbesondere hinsichtlich der Ladung, der Beweisregeln und der Vollstreckung. 529 Hahlo/Kahn, British Commonwealth, Bd. 5 (1960), S. 232.

Β. Südafrika

107

Fast zeitgleich mit der entsprechenden Gesetzgebung des Oranje-Vrijstaats wurden auch in der Südafrikanischen Republik Friedensrichter („Resident Vrederechter") eingeführt 530 . Ihnen wurden zahlreiche Funktionen übertragen, die vorher vom Feldkornett ausgeübt worden waren, wie ζ. B. die Aufgaben der Ortspolizei. Hinzu kam in Orten, in denen kein Landdrost residierte, die Zuständigkeit für die Ahndung von kleineren Delikten 531 sowie die Entscheidung von zivilrechtlichen Bagatellstreitigkeiten bis zu einem Streitwert von 15 Pfund bzw. 37 Pfund, 10 Sh., wenn der Klage eine Schuldurkunde zugrundelag („in liquide zaken") 532. Gegen die Entscheidung des Friedensrichters war die Berufung zum Landdrost statthaft, der die Städte seines Bezirks mindestens alle drei Monate zu besuchen hatte 533 . Als Friedensrichter wurden zumeist die örtlichen Feldkornette ernannt 534 , ab 1885 nahmen sie das Amt des Friedensrichters sogar „ex officio" wahr 535 . Das Verfahren war theoretisch dasselbe, welches auch vor den Gerichten des Landdrost Anwendung fand. In der Praxis wurde jedoch vermutlich wie im O.V.S., wo keine Verfahrensvorschriften für die Friedensrichter galten, recht formlos verfahren. Die wohl interessante Entwicklung auf dem Gebiet der zivilrechtlichen Bagatellsachen erfolgte erst kurz vor dem Untergang der Südafrikanischen Republik: Im Jahre 1897 wurde für die Gerichte der Landdroste ein Mahnverfahren in Bagatellsachen eingeführt 536 . Danach konnte der Gläubiger einer Bagatellforderung bis zu 15 Pfund beim Gerichtsschreiber („Griffier") oder einem anderen gerichtlichen Amtsträger am Gericht des Landdrost gegen Zahlung von 10 Shilling den Erlaß eines „Mandats" gegen den Beklagten beantragen. Das Mandat wurde dem Beklagten durch den Gerichtsboten zugestellt. Sofern der Beklagte nicht innerhalb von drei Tagen die im Mandat genannte Summe leistete oder seine Einwendungen mündlich oder schriftlich vorbrachte, erließ der Gerichtsbeamte gegen ihn ein Urteil („finaal vonnis") sowie einen Vollstreckungsbefehl („lastbrief ter executie"). Im Unterschied zum „provisioneel vonnis" bzw. „namptissement" war dieses ohne Sicherheitsleistung sofort vollstreckbar. Dasselbe geschah, wenn der Beamte der Ansicht war, daß die Einwendungen unbegründet waren. Waren sie begründet, mußte er vor der Entscheidung die Parteien und ihre Zeugen vernehmen. Wenn 530 Durch Wet vom 22. 7. 1870, No. 14 van 1870. Die entsprechende Ordonnantie No. 2 van 1870 des Oranje-Vrijstaats datiert vom 6. 6. 1870. Im Wortlaut finden sich viele Übereinstimmungen. Das Wet No. 14 basierte eindeutig auf der Vorlage aus dem O.V.S., war aber insgesamt wesentlich kürzer gehalten. 531

Dazu war er ermächtigt, bis zu drei Monate Gefängnisstrafe mit oder ohne Zwangsarbeit, bis zu 25 Stockschläge und Geldbußen bis zu 7 Pfund 10 Shilling zu verhängen. 532 In 1894 wurde die Zuständigkeit der Friedensrichter durch Wet No. 7 von 1894 auf 35 bzw. 100 Pfund erhöht. 533 Wet vom 22. 7. 1870, No. 14 van 1870. 534 Kahn, in: 75 (1958) SALJ 294 (312). 535 Instruktionen für die Feldkornette (Wet No. 2 van 1885, Art. 2). Im Jahre 1899 gab es 14 Friedensrichter im Transvaal mit Jahresgehältern zwischen 250 und 350 Pfund, Kahn, in: 76(1959) S A U 46 (52). 536 Durch Wet No. 10 von 1897.

108

1. Kapitel: Die Entwicklung des Bagatellprozesses

sich der Schuldner der Vollstreckung eines solchermaßen gegen ihn ergangenen Urteils durch vorgetäuschte Insolvenz entzog, konnte gegen ihn eine Geldstrafe von bis zu 50 Pfund und bei Nichtbezahlung Gefängnisstrafe bis zu 6 Monaten mit oder ohne Zwangsarbeit verhängt werden. Die Autorität der Häuptlinge und das Gewohnheitsrecht der eingeborenen Bevölkerung wurden im Transvaal zunächst nicht anerkannt 537. Die schwarze Bevölkerung war daher genauso dem europäischen Recht unterworfen wie die weißen Siedler. Seit 1866 waren für die Entscheidung von Zivilrechtsstreitigkeiten zwischen Eingeborenen („Kaffers" oder „Naturellen") aber nicht mehr die Landdroste, sondern die Feldkornette zuständig 538 . Die Entscheidung sollte nicht auf Grundlage des Gewohnheitsrechts der Eingeborenen, sondern „ volgens 's lands wetten " ergehen und der Berufung unterliegen 539. In der Praxis ließ sich diese Bestimmung nur schwer verwirklichen. Im Jahre 1885 wurde die Entscheidung von Eingeborenenstreitigkeiten daher den sog. „Hoven van Naturellen Commissarissen" übertragen 5 4 0 . In diesen saßen Eingeborenenkommissare („Commissarissen van Naturellen") 5 4 1 bzw. Eingeborenenunterkommissare („Onder-Commissarissen van Naturellen") 542 zu Gericht. Der Eingeborenenkommissar entschied über Zivilstreitigkeiten zwischen in seinem Distrikt lebenden Schwarzen. Dabei mußte er schwarzes Gewohnheitsrecht anwenden, soweit es nicht zu offensichtlicher Ungerechtigkeit führte bzw. im Widerspruch zu den Grundsätzen natürlicher Gerechtigkeit („beginselen van natuurlijke billijkheid") stand. Im Gegensatz zu den Gerichten in Natal wurde diese Formel im Transvaal sehr restriktiv ausgelegt543. Die Be537 Eine solche Anerkennung verbot sich schon aufgrund der eklatanten Widersprüche zur christlichen Moral der kalvinistischen Buren. Die Praxis der Zahlung eines Brautpreises („lobolo") sowie die weitverbreitete Polygamie wurden sogar ausdrücklich verboten, vgl. Art. 24 des Wet No. 3 von 1876. 538 Vgl. Art. 20 Wet No. 9 van 1870, der Art. 20 des „Wet ter voorkoming van landlooperij etc." von 1866 ersetzte. Die Zuständigkeit der Veldcornetten für die Entscheidung von Eingeborenenstreitigkeiten wurde durch Wet No. 11 van 1881 ergänzt. 539 Das Gesetz bestimmte zwar nicht, wer für die Berufung zuständig sein sollte. Vermutlich ging diese jedoch an die Landdroste. 540 Durch Wet No. 4 van 1885. Das Gesetz von 1885 ging auf eine Gesetzesinitiative aus der kurzen Zeit britischer Regierung (die Z.A.R. war von 1877 bis 1881 britisch annektiert gewesen) zurück und wies unübersehbare Parallelen zur entsprechenden Gesetzgebung in Natal auf. 541 In Gebieten mit starker schwarzafrikanischer Bevölkerung wurden diese extra ernannt, in den übrigen Gebieten übernahmen die Landdroste ex officio diese Funktion. Theoretisch konnten auch Häuptlinge („Inboorlinghoofden") zu Eingeborenenkommissaren ernannt werden, praktisch umgesetzt wurde diese Vorschrift jedoch nicht, Schmidt-Jortzig, Traditional Leaders (1998), S. 42. 542 Dies waren ex officio die Feldkornette des Bezirks. 543 So weigerten sich die dortigen Gerichte, Stammesheiraten und Übereinkünfte über das „lobolo" anzuerkennen, mit der Folge, daß schwarze Väter von Rechts wegen kein Sorgerecht über ihre somit als unehelich betrachteten Kinder besaßen und letztere ihre Väter nicht beerben konnten, Bennett, Application (1985), S. 45; Hahlo/Kahn, in: British Commonwealth, Bd. 5 (1960), S. 326 mit Nachweis der Rechtsprechung.

Β. Südafrika

109

rufung gegen die Urteile der Eingeborenenkommissare gingen an den Superintendent für Eingeborenenfragen („Superintendent van Naturellenzaken") 544.

5. Zusammenfassung Im 19. Jahrhundert wurde das vor den Untergerichten weitestgehend formfreie Verfahrensrecht der holländischen Ära durch das stärker formalisierte englische ersetzt. Dieses galt nicht nur in den beiden britischen Kolonien am Kap und in Natal, sondern auch im Oranje-VrijStaat und in der Südafrikanischen Republik, die insoweit nicht auf die althergebrachte Prozeßtradition zurückgriffen. Große Probleme ergaben sich in der Praxis daraus, daß die Ausbildung der Laienrichter mit der Formalisierung des Rechtsgangs und den gestiegenen Anforderungen an die Kenntnis des materiellen Rechts nicht Schritt hielt. Die Zuständigkeit der Laienrichter überstieg bei weitem den Bagatellbereich. Eine Ausnahme vom formstrengen ordentlichen Rechtsgang machte nur das summarische Mandatsverfahren in der Südafrikanischen Republik, welches aber erst kurz vor deren Untergang eingeführt wurde. Die Gerichtsbarkeit über Zivilstreitigkeiten zwischen Eingeborenen wurde am Kap, in Natal und in der Z.A.R. speziellen Eingeborenenkommissaren zugewiesen, die dabei zwar das Gewohnheitsrecht der Eingeborenen anwenden sollten, an dieser Aufgabe aber zumeist aufgrund fehlender Kenntnis desselben scheitern mußten.

IV. Die Entwicklung im 20. Jhr.: Die Abschaffung und Wiederbelebung des Bagatellprozesses Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wiesen die Rechtsordnungen der - nach der Annektion der unabhängigen Burenrepubliken - in britischer Hand vereinigten vier Kolonien merkliche Unterschiede auf 5 4 5 . Mit dem Erlaß des South Africa Act im September 1909, durch den die vier Kolonien zu einer Union zusammengeschlossen wurden, begann eine Periode der Rechtsvereinheitlichung und Kodifizierung, die dazu führte, daß heute Gerichtsorganisation und -verfahren national und für alle Provinzen weitgehend einheitlich geregelt sind 546 . Parallel zur Vereinheitlichung der Rechtsschutzsysteme der vier Provinzen wurden die bestehenden Sondergerichte und -verfahren für Bagatellsachen abgeschafft (1.).

544 Im Jahre 1907 wurden die Superintendenten in Eingeborenenfragen durch Act No. 29 of 1907 abgeschafft. Die Berufung gegen die Zivilurteile der Eingeborenenkommissare ging ab diesem Zeitpunkt an den Supreme Court. 54 5 Zimmermann, Römisch-Holländisches Recht (1983), S. 23. 546 Seit Erlaß des Justice Laws Rationalisation Act, No. 18 of 1996 gilt dies auch für die ehemaligen, zumindest formell unabhängigen, Homelands.

110

1. Kapitel: Die Entwicklung des Bagatellprozesses

Eine Besonderheit der südafrikanischen Prozeßrechtsgeschichte des 20. Jahrhunderts stellt es dar, daß die Rechtskulturen der Weißen und Schwarzen keine Verbindung eingingen, sondern sich in jeweils eigenständigen Institutionen getrennt („apart") voneinander entwickelten. Diese Trennung der beiden Kulturen unter Bewahrung der weißen Vorherrschaft wurde von der südafrikanischen Regierung bis in die Mitte der 1980er Jahre verfolgt (2.). Zwar wurde der schwarzen Bevölkerung der Zugang zu den ordentlichen Gerichten seitdem wieder eröffnet. Aufgrund der zu den ordentlichen Gerichten bestehenden hohen Zugangsbarrieren konnte und kann der gerichtliche Rechtsweg allerdings von der Mehrheit der schwarzen Bevölkerung nicht in Anspruch genommen werden. Um diesem Rechtsschutzdefizit abzuhelfen, hat der südafrikanische Gesetzgeber seit 1984 begonnen, wieder ein Bagatellgerichtssystem aufzubauen (3.).

7. Die Vereinheitlichung des Zivilprozesses und die Abschaffung besonderer Bagatellverfahren und -gerichte Bereits 1902, also kurz nach Kriegsende, wurden sowohl in der nun so bezeichneten Orange River Colony als auch im Transvaal die Gerichte der Landdroste sowie der Landdrost en Heemraden durch Resident Magistrates und High Courts ersetzt 547 . Damit waren in ganz Südafrika die Resident Magistrates für die Entscheidung von Bagatellstreitigkeiten zuständig. Da die vier Kolonien jeweils eigene Parlamente besaßen, entwickelte sich das Prozeßrecht - u. a. auch im Bereich des Bagatellprozesses - jedoch zunächst eigenständig weiter. So wurde ζ. B. in der in Kapkolonie im Jahre 1905 548 und in der Orange River Colony im Jahre 1906 Bagatellsachen ein Mahnverfahren eingeführt, welches einige Ähnlichkeiten mit dem der Z.A.R. von 1897 aufwies. Der Vorteil des Verfahrens bestand darin, daß keine Klageschrift erstellt werden mußte und daher auch auf die Inanspruchnahme eines Attorneys ohne weiteres verzichtet werden konnte. Das Verfahren bot daher für unbestrittene Bagatellforderungen einen günstige und schnelle Möglichkeit, einen Titel zu bekommen. Bei Schuldforderungen bis zu einer Höhe von 20 Pfund 550 konnte der Gläubiger unter Vorlage einer schriftlichen, trotz angemessener Frist unbeantwortet gebliebenen Mahnung des Schuldners beim Resident Magistrate oder dessen Clerk den Erlaß einer Vorladung („summons") beantra-

547 Vgl. Wet No. 7 von 1902 (Orange River Colony) sowie Proclamation No. 14 und 21 von 1902 und Ordinance No. 10 of 1903 (Transvaal). 548 Durch Act No. 15 of 1905 to Facilitate the Recovery of Certain Small Debts.

549 Durch Ord. No. 2 of 1906 to Facilitate the Recovery of Certain Petty Debts. Der Wortlaut war im wesentlichen mit dem des am Kap geltenden Gesetzes identisch. Die Streitwertgrenze lag aber anstelle von 20 Pfund bei nur 10 Pfund. Außerdem waren Anwaltskosten von der Kostenerstattungspflicht ausdrücklich ausgenommen. 550 im Jahre 1909 wurde dieser Betrag am Kap sogar von 20 auf 50 Pfund erhöht, vgl. Act. No. 34 of 1909.

Β. Südafrika

111

g e n 5 5 1 . Wenn der Schuldner auf die Ladung nicht reagierte, wurde die Sache dem Richter am nächsten Gerichtstag zur Entscheidung vorgelegt. Der Richter erließ dann ohne weitere Beweisaufnahme das beantragte Urteil mit Verurteilung in die K o s t e n 5 5 2 . Dieses war ohne Sicherheitsleistung sofort vollstreckbar. Dies galt aber abweichend von dem Mahnverfahren der Z.A.R. nur, wenn die Ladung des Schuldners persönlich erfolgt war. Hatte nur eine Ersatzzustellung stattgefunden, konnte lediglich ein vorläufiges Urteil („provisional judgment") erlassen werden 5 5 3 . Seit dem Zusammenschluß der vier Kolonien zu einer Union i m Jahre 1910 wurden die in den vier Provinzen bestehenden Regelungen nach und nach aufgehoben und durch einheitliche Gesetze ersetzt 5 5 4 . Hinsichtlich des Verfahrens der Resident Magistrates erfolgte die Vereinheitlichung 1917 durch den Erlaß des Magistrates Court A c t 5 5 5 . Die Magistrates waren weiterhin überwiegend Laienrichter 5 5 6 . Für die besser qualifizierten Attorneys 5 5 7 und Advocates 5 5 8 war die Anstellung als Ma551 Hierfür existierte ein Formblatt, welches im Anhang des Gesetzes abgedruckt war. Die Ladungsfristen waren von der Entfernung des Wohnorts des Schuldners vom Gerichtsort abhängig. 552 Für die Erstellung der Ladung war ein Schilling zu zahlen, für die zuzustellende Kopie 6 Pence, für die Stellung der Sicherheit zur Vollstreckung 1 Schilling, für den Wiedereröffnungsantrag 6 Pence und für den Vollstreckungsbefehl ebenfalls 6 Pence, vgl. Anhang Β zum Act No. 15 of 1905. 553 Wie bei diesem auch sonst üblich, konnte dann nur gegen Sicherheitsleistung vollstreckt und vom Schuldner innerhalb eines Monats nach der Vollstreckung Wiedereröffnung des Verfahrens beantragt werden - mit der Begründung, daß er die Ladung unverschuldet nicht erhalten habe. 554 Eine vereinheitlichende Rolle spielte auch die Rechtsprechung des durch den South Africa Act geschaffenen Supreme Court of South Africa. Der South Africa Act unterstellte die jeweiligen Supreme Courts am Kap, in Natal, im Transvaal und den High Court der Orange River Colony als sog. ,»Provincial Divisions" dem Supreme Court of South Africa. Die High Courts von Griqualand und Witwatersrand und die Circuit Courts wurden zu sog. „Local Divisions". Zum höchsten Rechtsmittelgericht wurde die sog. „Appellate Division" des Supreme Court of South Africa mit Sitz in Bloemfontein bestimmt, Zimmermann, Römisch-Holländisches Recht (1983), S. 24. 555 Act No. 32 of 1917. 556 Zum Resident Magistrate konnte nach dem Gesetz ernannt werden, wer die „Public Service Law Examination" bestanden hatte. Da fast alle Magistrates aus dem öffentlichen Dienst kamen, brachten sie lediglich Verwaltungserfahrung mit. Die für die Public Service Law Examination erforderlichen Jurakenntnisse hatten sie meist nicht an der Universität, sondern durch aufwendiges Selbststudium erworben. Im Jahre 1947 besaßen nur 29 Magistrates einen L.L.B.- Abschluß („Bachelor of Law"), Hahlo/Kahn, in: British Commonwealth, Bd. 5 (1960), S. 274. 557 Die Zulassung als Attorney setzte ein mindestens dreijähriges Universitätsstudium (nicht notwendigerweise Jura) und die Ableistung eines je nach Art des Abschlusses 2 - 5 jährigen Vorbereitungsdienstes voraus, Hahlo/Kahn, in: British Commonwealth, Bd. 5 (1960), S. 284. 558 Advocates mußten mindestens einen L.L.B.-Abschluß einer südafrikanischen, englischen, schottischen, irischen oder holländischen Universität nachweisen, vgl. Hahlo/Kahn, in: British Commonwealth, Bd. 5 (1960), S. 284.

112

1. Kapitel: Die Entwicklung des Bagatellprozesses

gistrate finanziell unattraktiv und auch gesellschaftlich wenig prestigeträchtig 559. Das Gesetz von 1917 enthielt zwar gegenüber dem in der ehemaligen Kapkolonie geltenden Verfahren grundsätzlich keine großen Veränderungen 560, dies galt aber nicht hinsichtlich der Bagatellstreitwerte: Sowohl die Provisional Sentence Procedure, welche die schnelle und kostengünstige Erlangung eines Titels für unbestrittene Forderungen ermöglicht hatte, als auch das Mahnverfahren in Bagatellsachen wurden abgeschafft 561. Spezielle Regelungen für ein Verfahren in Bagatellsachen waren in dem Gesetz von 1917 nicht mehr vorgesehen. Das Magistrates' Courts Verfahren war daher für geringwertige Streitigkeiten zu aufwendig und teuer. Erst der Magistrates' Courts Act von 1944 562 führte wieder ein Mahnverfahren für geringwertige Streitigkeiten ein (sog. „Recovery of Small Debts"-Verfahren) 563. Dieses war allerdings von Anfang an eine Totgeburt und wurde seit seinem Inkrafttreten am 2. 7. 1945 kaum angewandt564. Dies lag zum einen an der zu niedrigen Streitwertgrenze, zum anderen aber auch an dem geringen Bekanntheitsgrad des Verfahrens und der Sorge, ohne anwaltliche Vertretung prozessieren zu müssen565. Mit Magistrates' Courts Amendment Act von 1976 566 , inkraftgetreten am 1. 1. 1979, wurde das Mahn verfahren in Bagatellsachen daher aufgehoben. Der Rechtsgang der Friedensrichter wurde im Jahre 1918 durch den Special Justices of the Peace A c t 5 6 7 vereinheitlicht. Die unter der früheren Gesetzgebung für zumeist entlegene Gebiete ernannten Friedensrichter wurden übernommen. Neue Friedensrichter konnten unter denselben Voraussetzungen wie Magistrates angestellt werden. Zuständig waren sie für die Ahndung kleinerer Straftaten 568 sowie für die Entscheidung über Zivilklagen bis zu einem Streitwert von 25 Pfund, wenn der nächste Magistrates Court über 25 Meilen entfernt lag. Betrug der Streitwert über 5 Pfund, mußte das Verfahren auf Antrag des Beklagten aber an den nächstgelegenen Magistrates' Court abgegeben werden. Hinsichtlich des Verfahrens und der Gebühren fanden der Magistrates' Courts Act von 1917 sowie die für diesen

559 Hahlo/Kahn, in: British Commonwealth, Bd. 5 (1960), S. 274. 560 Hahlo/Kahn, in: British Commonwealth, Bd. 5 (1960), S. 285. 561 Vgl. See. 44 (2)(e) Act No. 32 of 1917. 562 Act No. 32 of 1944. 563 Dieses entsprach weitestgehend dem der Orange River Colony von 1906. Es wich nur insofern davon ab, als das Urteil auf die vergebliche Ladung durch den Clerk und nicht durch den Magistrate erlassen wurde. 564 Report des Conradie-Committee von 1975, zitiert in: Hoexter Commission, Fourth Interim Report (1982), S. 25; Hahlo/Kahn, in: British Commonwealth, Bd. 5 (1960), S. 286. 565 Report des Conradie-Committee von 1975, zitiert in: Hoexter Commission, Fourth Interim Report (1982), S. 25. 566 Act No. 63 of 1976. 567 Act No. 2 of 1918. Durch Act No. 19 of 1957 wurde das Gesetz mit wenigen Änderungen neu erlassen. 568 Dabei durften sie Geldstrafen bis zu 10 Pfund und Freiheitsstrafen bis zu einem Monat verhängen.

Β. Südafrika

113

erlassenen Rules of Court Anwendung. Die Berufungen gegen Urteile der Friedensrichter gingen an die Magistrates* Courts. Aufgrund der Vereinheitlichungsbestrebungen der Regierung wurden im Laufe der Zeit immer weniger neue Friedensrichter ernannt 569 und diese schließlich ganz durch zum nächstgelegenen Magistrate Court gehörende Assistant Magistrates ersetzt. Im Jahre 1968 wurde der Special Justices of the Peace Act und damit die letzte Sondergerichtsbarkeit für zivilrechtliche Bagatellsachen aufgehoben 570.

2. Der Ausschluß der schwarzen Bevölkerung vom ordentlichen Gerichtssystem Am Anfang des 20. Jahrhunderts hatte die zunehmende Industrialisierung zu einem großen Bedarf an billigen Arbeitskräften und damit zur Bildung eines schwarzafrikanischen städtischen Proletariats geführt, welches sich auch politisch zu organisieren begann 571 . Der dadurch entstandenen Bedrohung der weißen Vorherrschaft versuchte die Regierung der neu gegründeten Union durch eine Trennung der schwarzen Mehrheitsbevölkerung von den Weißen zu begegnen. Zu diesem Zweck wurde der schwarzafrikanischen Bevölkerung der Landerwerb außerhalb speziell ausgeschriebener Gebiete verboten 572 , ein gesondertes Gerichtssystem für Schwarze geschaffen 573, die schwarze Bevölkerung von den allgemeinen Wahl-Stimmlisten ausgeschlossen574 und die Einreise Schwarzer in die weißen Gebiete kontrolliert 575 . Diese Gesetze bildeten später die Grundlage für die Politik der Apartheid, welche die bestehenden Strukturen ausformte und weiter perfektionierte.

a) Die Gerichte der Häuptlinge und Eingeborenenkommissare Durch den Native Administration A c t 5 7 6 erkannte der Gesetzgeber die traditionellen Häuptlingsgerichte erstmals offiziell an und bettete sie in ein neugeschaffenes, besonderes Gerichtssystem für Schwarze ein, welches sich an den in Natal 569 Im Jahre 1956 gab es nur noch zwei Vollzeit- und 10 Teilzeit-Friedensrichter und im Jahre 1958 landesweit nur noch 11 Friedensgerichte, Hahlo/Kahn, in: British Commonwealth, Bd. 5 (1960), S. 275 FN 93. 570 Durch Act No. 70 of 1968.

571 Bennett , Application (1985), S. 46. Im Jahre 1912 wurde ζ. Β. der African National Congress gegründet. 572 Durch Native Land Act No. of 1913. 573 574 575 576

Durch Native Administration Act No. 38 of 1927. Durch Representation of Natives Act No. 12 of 1936. Durch Native Population Consolidation Act No. 25 of 1945. Act No. 38 of 1927. Dieser wurde später in Black Administration Act umbenannt.

8 Engbers

114

1. Kapitel: Die Entwicklung des Bagatellprozesses

und im Transvaal erprobten Vorbildern orientierte. Alle bis dahin in den Provinzen bestehenden Sondergerichtsbarkeiten für Schwarze wurden abgeschafft. Der Minister für Eingeborenenfragen („Minister of Native Affairs") 577 konnte nach dem Gesetz Häuptlinge („Chiefs" bzw. „Headmen") ernennen, aber auch jederzeit ihres Amtes entheben und durch systemtreue Nachfolger ersetzen 578. Neben administrativen Aufgaben wurden einigen Häuptlingen auch Rechtsprechungsaufgaben zugewiesen579, die sie in den Häuptlingsgerichten („Courts of Chiefs and Headmen") wahrnahmen. Die Häuptlingsgerichte waren mit Ausnahme von Ehescheidungssachen für alle Zivilrechtsstreitigkeiten zwischen Schwarzen zuständig, von denen zumindest einer seinen Wohnsitz im Rechtsprechungsbezirk des Häuptlings haben mußte. Über Ansprüche, die sich einzig aus dem Common Law der Weißen ergaben, durften die Häuptlingsgerichte nicht entscheiden. Das Verfahren vor den Häuptlingsgerichten blieb größtenteils unverändert 580. Die staatlichen Rules of Court 581 für das Zivilverfahren vor den Häuptlingsgerichten beließen es weitgehend bei dem gewohnheitsrechtlich anerkannten Prozeß 582 . Den Entscheidungen war das Gewohnheitsrecht des jeweiligen Stammes zugrunde zu legen. Da die Häuptlingsgerichte somit in den Kontext der traditionellen Stammesgemeinschaften eingebunden blieben, erfreuten sie sich der Anerkennung der schwarzen, ländlichen Bevölkerung 583 . Neben den Häuptlingsgerichten bestanden in Gebieten mit starker schwarzer Bevölkerung wie in der Transkei und im Zululand („KwaZulu") Gerichte der Einge577 Später wurde die offizielle Amtsbezeichnung in „Minister of Cooperation and Plural Development" umgewandelt. Die durch den Native Administration Act geschaffenen Gerichte unterstanden damit - anders als die ordentlichen Gerichte - nicht der Aufsicht des Justizministeriums, sondern des Ministeriums für Eingeborenenfragen. 578 Vor allem nach dem Sieg der National Party im Jahre 1948 wurde von diesem Recht reichlich Gebrauch gemacht. Der Tribal Authorities Act No. 68 of 1951 ermächtigte den Staatspräsidenten zudem, die Befugnisse und Pflichten der Häuptlinge frei zu bestimmen und zu regulieren. Teilweise wurde dabei erheblich in das gewachsene System der Vererblichkeit der Führungsposition eingegriffen, Schmidt-Jortzig, Traditional Leaders (1998), S. 49; Bennett, Human Rights (1995), S. 69. 579

Natürlich übten auch die nicht staatlich anerkannten Stammesführer weiterhin ihre traditionelle Streitschlichtungsfunktion aus, doch waren ihre Entscheidungen für die Parteien nicht bindend. War eine Partei mit dem Urteil nicht einverstanden, konnte sie also jederzeit vor einem anerkannten Häuptlingsgericht erneut Klage erheben. Akzeptierten die Parteien allerdings das Urteil und vollzogen es anschließend, war die Klage an ein offizielles Häuptlingsgericht unzulässig, Bekker, Customary Law (5. Aufl. 1989), S. 26. 580 Dazu Olivier, in: Law of South Africa, Bd. 32 (1994), S. 186 (192 f.). 581 Die Rules wurden durch GN R2083 erlassen (in GG 1929) und durch GN R2083 vom 29. 12. 1967 (in GG 1930) ersetzt. Ihre derzeit gültige Fassung erhielten sie durch Proclamation RI 10 vom 15. 11. 1991 (in GG 13622). 582 Bekker, Customary Law (5. Aufl. 1989), S. 16; Bennett, Human Rights (1995), S. 78 FN 104; vgl. auch Rule l :„The procedure in connection with the trial of civil claims between Bantu . . . , shall be in accordance with the recognised customs and laws of the tribe 583 Bennett, Human Rights (1995), S. 70.

Β. Südafrika

115

borenenkommissare („Native Commissioners' Courts" 584 ). Diese waren für Streitigkeiten zwischen Schwarzafrikanern ausschließlich zuständig; ihr Recht, einen Magistrates' Court anzurufen, wurde insoweit ausgeschlossen. Die Native Commissioners besaßen in erster Instanz für Zivilstreitigkeiten 585 zwischen Eingeborenen ungefähr denselben Kompetenzbereich wie die Häuptlingsgerichte 586. Zusätzlich waren sie in zweiter Instanz für Berufungen gegen die Urteile der Häuptlinge zuständig 587 . Es stand im Ermessen des Kommissars, bei der Entscheidung schwarzes Gewohnheitsrecht anzuwenden. Die Gerichtsgebühren des Native Commissioner waren wesentlich niedriger als die des Magistrates* Court bzw. Supreme Court. Die Hoffnung auf ein kostengünstiges Verfahren für Schwarzafrikaner erfüllte sich dennoch nicht: Dies hatte seine Ursache darin, daß das Verfahren vor den Native Commissioners zwar einfacher war, als das vor den Magistrates' Courts, für Laien war es aber trotzdem unverständlich 588 . Deswegen wurden von den Parteien in der Regel teure Attorneys und teilweise zusätzlich auch Advocates hinzugezogen589. Auch die Erwartung, daß der Native Commissioner als Spezialist weniger Schwierigkeiten bei der Anwendung schwarzen Gewohnheitsrechts haben würde als ein Magistrate, der normalerweise nur mit dem common law zu tun hatte, erfüllte sich in der Praxis nicht. Sehr häufig wurden dieselben Personen in ihrem Bezirk zugleich als Magistrate und als Native Commissioner tätig 5 9 0 , aber auch da, wo die Ämter auf zwei verschiedene Personen verteilt waren, hatten die Native Commissioners als einfache Verwal584 Durch See. 17 des Act No. 102 of 1978 wurde die Bezeichnung in „Commissioners' Courts" umgewandelt. Zu den Commissioners' Courts Olivier, in: Law of South Africa, Bd. 32(1994), S. 186 (193 f.). 585 Im Jahre 1957 erhielten diese durch Native Laws Further Amendment Act No. 79 of 1957 zusätzlich die Strafgerichtsbarkeit über die schwarze Bevölkerung, was u. a. die Zuständigkeit für die Bestrafung von Verstößen gegen die Paßgesetze beinhaltete, Bennett, Application (1985), S. 47. 586 Damit war letzterer weiter als der der Magistrates' Courts und umfaßte auch Gegenstände, die sonst zur Zuständigkeit des Supreme Court gehörten. Letzterer blieb daneben zwar zuständig, doch wurde die Klagemöglichkeit zum Supreme Court dadurch beschränkt, daß er in der Regel nur den nach der Gebührenordnung der Native Commissioners üblichen Kostenersatz zusprach, vgl. Hahlo/Kahn, in: British Commonwealth, Bd. 5 (1960), S. 333. 587 Gem. Rule 9 der Rules of Court of Chiefs and Headmen konnte gegen die Urteile des Häuptlings innerhalb von zwei Monaten Berufung zum Gericht des Native Affairs Commissioner bzw. dort, wo ein solcher nicht existierte, zum Magistrates' Court eingelegt werden. Erst dann mußte der Häuptling zum Zwecke des Berufungsverfahrens seine Entscheidung begründen. 588 Hahlo/Kahn, in: British Commonwealth, Bd. 5 (1960), S. 334 mit weiteren Nachweisen. 589 Zwar existierten Gebührensätze für die Attorneys und Advocates, doch war die Vereinbarung höherer Gebühren für die außergerichtlichen Parteikosten („Party-and-Party-Costs") zulässig. In der Praxis konnten schwarze Parteien daher nicht billiger als weiße Parteien prozessieren, Hahlo/Kahn, in: British Commonwealth, Bd. 5 (1960), S. 332 f. 590 im Jahre 1960 war etwa die Hälfte der Native Commissioners gleichzeitig auch Magistrates, Hahlo/Kahn, in: British Commonwealth, Bd. 5 (1960), S. 331. *

116

1. Kapitel: Die Entwicklung des Bagatellprozesses

tungsbeamte keine bessere, geschweige denn speziellere Ausbildung als die Magistrates und scheiterten an der schwierigen Aufgabe, das jeweilige Gewohnheitsrecht festzustellen 591 und unter Ausschaltung der Rechtsvorstellungen der eigenen Kultur anzuwenden592. Die Gerichte der Eingeborenenkommissare wurden auf Empfehlung der Hoexter Commission 593 im Jahre 1986 abgeschafft 594 und stattdessen die Magistrates* Courts ermächtigt, bei Streitigkeiten zwischen Schwarzen deren Gewohnheitsrecht anwenden595.

b) Die Gerichte in den Homelands Die Apartheidpolitik gipfelte in den 1970er Jahren in der Schaffung eigener Staaten für die schwarze Bevölkerung 596 . Letztere wurde der südafrikanischen Staatsangehörigkeit beraubt und - nach ihrer ethnischen Herkunft klassifiziert einem Homeland zugewiesen. Die größten dieser Homelands waren die Transkei, Bophuthatswana, Venda sowie die Ciskei und wurden nach ihren Anfangsbuchstaben „TBVC-Staaten" genannt 597 . Die Homelands übernahmen das bereits bestehende, hauptsächlich durch den Magistrates' Courts Act von 1917 und durch den Native Administration Act von 1927 installierte Gerichtssystem 598. Die als rassistisch empfundenen Gerichte der Eingeborenenkommissare wurden jedoch abgeschafft. Ihre Gerichtsbarkeit wurde stattdessen den Magistrates' Courts zugewie591 Das Bestehen eines Rechtsbrauchs konnte erst dann angenommen werden, wenn dieser (a) in seinem Anwendungsbereich gesichert und definiert, (b) vernünftig, (c) in Übereinstimmung mit der natürlichen Gerechtigkeit und öffentlicher Politik und (d) glaubwürdig bewiesen war (vgl. Ciliza v. Ciliza 1956 NAC (N-E) 127; Ndaleni v. Nsimbi 1979 AC (N-E) 203). 592 Hund/Kotu-Rammopo, in: 16 (1983) CILSA 179 (182 f.); Bennett, Application (1985), S. 47; ders., Sourcebook (1991), S. 58; Hoexter-Commission (Hrsg.), Fifth and Final Report (1983), S. 29. 593 in: Fifth and Final Report (1983), S. 47. 594 Durch Special Courts for Blacks Abolition Act No. 34 of 1986. Motiv für die Abschaffung war neben der Kostspieligkeit zweier Gerichtszüge die Unbeliebtheit der Gerichte der Native Commissioners bei der schwarzen Bevölkerung, die diese vor allem aufgrund ihrer strafrechtlichen Kompetenzen als Instrument zur Durchsetzung der Rassengesetze und damit der Unterdrückung kennengelernt hatte, Grant /Schwikkard, in: 7 (1991) SAJHR 304 (306); Hund/Kotu-Rammopo, in: 16 (1983) CILSA 179 (182). 595 Vgl. Sec. 54A MCA. Seit 1988 sind sämtliche südafrikanischen Gerichte ermächtigt, schwarzes Gewohnheitsrecht in Streitigkeiten zwischen Schwarzen anzuwenden, vgl. Law of Evidence Amendment Act No. 45 of 1988. 596 Vgl. den National States and Self-governing territories Constitution Act No. 21 of 1971. 597 Da sie finanziell und politisch vollständig von der Republik Südafrika abhängig waren, wurden sie international allgemein nicht als unabhängige Staaten anerkannt. Neben den TBVC-Staaten existierten sechs sog. „self-governing territories" namens Gazankulu, KaNgwane, KwaNdebele, KwaZulu, Lebowa und QwaQwa, vgl. den National States and SelfGoverning Territories Constitution Act No. 21 of 1971. 598 Vgl. Sec. 14 (1) Act No. 21 of 1971.

Β. Südafrika

117

sen 599 . Zusätzlich erließen einige Homelands eigene Gesetzgebung zur Regelung der Häuptlingsgerichte, so etwa Bophuthatswana600, die Transkei 601 , die Ciskei 602 und KwaNdebele 603 . Diese folgte aber grundsätzlich denselben Prinzipien wie die südafrikanische Gesetzgebung604. Wie in Südafrika führte die Einbindung der Häuptlinge in das administrative System des Apartheid-Regimes zwar zu einem Ansehensverlust 605, änderte aber nichts an ihrer grundsätzlichen Anerkennung durch die ländliche Bevölkerung. Im Jahre 1994 wurden die Homelands aufgelöst und in die neugeschaffenen südafrikanischen Provinzen integriert 606 . Der Justice Laws Rationalisation A c t 6 0 7 hob die Justizgesetzgebung der Homelands weitestgehend auf und ersetzte sie durch die in Südafrika bestehende, so daß in diesen Gebieten nunmehr wieder derselbe Rechtszustand wie allgemein in Südafrika herrscht 608 .

c) Die Gerichte in den Townships Das oben beschriebene Gerichtssystem des Native Administration Act von 1927 war in erster Linie für die ländlichen Gebiete Südafrikas konzipiert worden, in denen die Autorität der traditionellen Führer über ihre Völker, Stämme und Clans noch weitgehend ungebrochen war. In den großen, für die schwarzen Arbeitskräfte eingerichteten Wohnsiedlungen in der Nähe der industriellen Zentren, den sog. Townships 609 , funktionierte dieses System allerdings nicht. Häuptlinge und Häuptlingsgerichte existierten in den Townships nicht 6 1 0 . Die Commissioners 599 Bennett, Sourcebook (1991), S. 60 mit Nachweisen. 600 Durch Bophuthatswana Traditional Courts Act No. 29 of 1979. 601 Durch den Transkei Regional Authority Courts Act No. 13 of 1982 und Transkei Chiefs' Courts Act No. 6 of 1983. 602 Durch Act No. 37 of 1984. 603

Durch KwaNdebele Traditional Hearings of Civil and Criminal Cases by Iingwenyama, Amakhosi, Amakhosana and linduna Act No. 3 of 1984. 604 Bennett, Human Rights (1995), S. 76 FN 92; ausführlich zu den Häuptlingsgerichten in den Homelands Bekker, Customary Law (5. Aufl. 1989), S. 18 ff. 605 Rakate, in: 30 (1997) CILSA 175 (184). 606 Durch See. 230 der vorläufigen Verfassung (Act No. 200 of 1993). 607 Act No. 18 of 1996. 608 Eine Ausnahme gilt jedoch für die traditionellen Häuptlingsgerichte, die ihre gesetzliche Grundlage weiterhin in der Homeland-Gesetzgebung finden. Die South African Law Commission hält diese Differenzierung für überflüssig und spricht sich für eine Vereinheitlichung aus, South African Law Commission (Hrsg.), Discussion Paper No. 82, Project 90, Traditional Courts (1999), S. 20. 609 Die erste Township entstand bereits 1901 in der Nähe von Kapstadt, Burman, in: Democracy (1989), S. 151 (153). 610 Durch die 1980 eingefügte See. 21A des Native Administration Act war der Minister of Cooperation and Plural Development zwar ermächtigt worden, in den Townships schwarze Richter mit den Rechtsprechungsbefugnissen eines Chief bzw. Headman einzusetzen. Von

118

1. Kapitel: Die Entwicklung des Bagatellprozesses

Courts wurden der Bestechlichkeit verdächtigt und waren wegen ihrer Rolle bei der Durchsetzung der Apartheid-Gesetze allgemein unbeliebt 611 . Die ganz überwiegende Mehrheit der Township-Bevölkerung weigerte sich daher, diese Gerichte in Zivilstreitigkeiten in Anspruch zu nehmen 612 . Der ordentliche Rechtsweg zu den Magistrates' Courts war den meisten Township-Bewohnern jedoch auch nach Abschaffung der Commissioners Courts schon aus finanziellen Gründen verschlossen 613. Das Fehlen leicht zugänglicher und von der Bevölkerung akzeptierter Gerichte führte daher seit den 1970er Jahren zum Entstehen inoffizieller Streitentscheidungs- und Streitschlichtungsinstanzen in den Townships. Bekannt wurden sie im Transvaal unter der Bezeichnung „Makgotla" (Singular: „Lekgotla") 614 . In den Townships um Kapstadt hießen sie „Street Committees" 615 . Später bürgerte sich allgemein der Begriff „People's Courts" ein 6 1 6 . Die erwähnten Begriffe bezeichneten zunächst allein traditionelle Streitschlichtungseinrichtungen 617, wurden aber auch - vor allem gegen Mitte der 1980er Jahre auf dem Höhepunkt des Kampfes gegen die Apartheid („struggle") - auf teilweise brutale Formen von Selbstjustiz durch Jugendorganisationen, Bürgerwehren, Gangs etc. ausgedehnt618. Während sich die radikalen People's Courts mit dem Ende der Apartheid auflösten, bestehen die traditionellen Makgotla bis heute unter der Bezeichnung „Community Courts" fort 6 1 9 . Ihre Hauptaufgabe bestand darin, außer Kontrolle geratene Jugendliche zu bestrafen sowie Nachbarschafts- und Ehekonflikte zu schlichten 620 . Wie vor den traditionellen Häuptlingsgerichten wurden dabei alle Seiten ausführlich und ohne Beschränkung auf die ,relevanten" Fakten angehört. Ziel der Entscheidung war dieser Ermächtigung machte er allerdings nie Gebrauch, Bekker, Customary Law (5. Aufl. 1989), S. 18; Van Niekerk, in: 27 (1994) De Jure 19 (22). 6n Hund/Kotu-Rammopo, in: 16 (1983) C1LSA 179 (182); Rakate, in: 30 (1997) CILS A 175 (187); Grant /Schwikkard, in: 7 (1991) SAJHR 304 (307). 612 Nach Schätzung eines Commissioner des Pretoria Commissioners' Court brachten von den ca. 250.000 Schwarzen in seinem Gerichtsbezirk weniger als 2% ihre Rechtsprobleme vor das Gericht, vgl. Hund/Kotu-Rammopo, in: 16 (1983) CILSA 179 (182). 613 Grant /Schwikkard, in: 7 (1991) SAJHR 304 (308). 614 Unter einem „Lekgotla" (Sotho) wurde traditionell die Versammlung aller Berater und Headmen verstanden, in der diese regelmäßig die Gemeinschaft betreffende Fragen erörterten, aber auch Rechtsstreitigkeiten entschieden, vgl. Hund/Kotu-Rammopo, in: 16 (1983) CILSA 179 (184) mit weiteren Nachweisen. 615 Burman, in: Democracy (1989), S. 151 (153). 616 Hund/Kotu-Rammopo, in: 16 (1983) CILSA 179 (180); Rakate, in: 30 (1997) CILSA 175 (187 FN 62). 617 Diese wurden etwa von Nachbarschaftsorganisationen oder den Repräsentanten der traditionellen Führer in den Townships betrieben, Hund/Kotu-Rammopo, in: 16 (1983) CILSA 179 (184 ff.). 618 Rakate, in: 30 (1997) CILSA 175 (187 FN 62). 619 Siehe dazu das zweite Kapitel. 620 Van Niekerk, in: 27 (1994) De Jure 19 (22).

Β. Südafrika

119

die Wiederherstellung des sozialen Gleichgewichts mittels eines Kompromisses zwischen den Parteien auf der Grundlage der traditionellen Werte 621 . Erkannten die Parteien das Urteil nicht an, bestanden allerdings kaum effektive Sanktionsmöglichkeiten, da die traditionellen körperlichen Züchtigungen verboten waren.

3. Die Wiederbelebung der Bagatellgerichte Nachdem eine Untersuchungskommission unter dem Vorsitz des Berufungsrichters Hoexter (sog. Hoexter Commission) die Struktur und Funktionsfähigkeit der Gerichte Anfang der 80er Jahre untersucht hatte und zu dem Schluß gelangt war, daß ein Großteil der südafrikanischen Bevölkerung aller Hautfarben vom staatlichen Rechtsschutzsystem ausgeschlossen sei 6 2 2 , wurde 1984 versucht, hiergegen durch den Erlaß des Small Claims Courts A c t 6 2 3 Abhilfe zu schaffen. Das Gesetz führte in Südafrika nach dem Vorbild vieler Länder des angelsächsischen Rechtskreises besondere Bagatellgerichte mit einem nahezu kostenlosen mündlichen und summarischen Verfahren ein 6 2 4 . Die Small Claims Courts waren nicht nur, aber auch für die schwarze Bevölkerung Südafrikas gedacht: See. 14 (3) des Gesetzes sah vor, daß die Small Claims Courts bei Klagen zwischen Schwarzen im Sinne von See. 10 Black Administration Act auch schwarzes Gewohnheitsrecht anwenden konnten 625 . Obwohl sich in der südafrikanischen Rechtsgeschichte - wie oben gezeigt - zahlreiche Beispiele für Bagatellgerichte finden lassen, haben in den Small Claims Court Act neben Regelungen aus dem Verfahren vor den Magistrates Courts vor allem Vorschriften aus amerikanischen, australischen und englischen Bagatellgerichts-Gesetzen Eingang gefunden. Ein Anknüpfen an die Tradition der Commissarissen van Cleijne Zaaken oder an die der Vrederegter bzw. Special Justices of the Peace wurde von der Hoexter-Kommission nicht erwogen; verwiesen wurde nur auf die oben beschriebenen Mahnverfahren in Bagatellsachen626. Der Weg der Ergänzung der allgemeinen Zivilprozeßnormen des Magistrates* Court Act durch Sondernormen für Bagatellsachen war in Südafrika aufgrund der dortigen Prozeßstruktur, die vornehmlich der Regelung des Parteikampfes dient, ausge621 Van Niekerk, in: 27 (1994) De Jure 19 (23); Hund/Kotu-Rammopo, in: 16 (1983) CILSA 179 (187); Burman, in: Democracy (1989), S. 151 (156). Eine maßgebliche Rolle spielte ζ. B. die Autorität des Familienoberhauptes über seine Frau und seine Kinder, die es im Konfliktfall wiederherzustellen galt. 622 Vgl. Hoexter-Commission (Hrsg.), Fourth Interim Report (1982), S. 14. 623 Act No. 61 of 1984. 624 Vgl. insoweit Kapitel 2. 625 Vgl. Kerr, in: 101 (1984) SALJ 726, der die Vorschrift als überflüssig kritisierte. Die Bestimmung wurde folgerichtig durch See. 23 des General Law Amendment Act No 139 of 1992 abgeschafft. Die Small Claims Courts dürfen weiterhin auf der Grundlage des Law of Evidence Amendment Act No. 45 of 1988 wie alle anderen südafrikanischen Gerichte schwarzes Gewohnheitsrecht anwenden. 626 Vgl. Hoexter-Commission (Hrsg.), Fourth Interim Report (1982), S. 21 ff.

120

1. Kapitel: Die Entwicklung des Bagatellprozesses

schlossen627. Südafrika mußte daher wie auch die anderen Länder der angelsächsischen Welt zu einer in sich geschlossenen Spezialeinrichtung kommen, ohne die Struktur des allgemeinen Zivilprozesses zu verändern. 4. Zusammenfassung Das 20. Jahrhundert brachte auf der einen Seite eine Vereinheitlichung der verschiedenen Gerichtssysteme und Verfahren der vier auf südafrikanischem Boden bestehenden Kolonien. Obwohl der Transvaal, die Kapkolonie und die Orange River Colony ein spezielles Mahnverfahren in Bagatellsachen gekannt hatten, wurde dieses bei der Vereinheitlichung zunächst nicht übernommen. Der Gesetzgeber führte es erst 1944 wieder ein. Es bewährte sich aber aufgrund der zu niedrig angesetzten Streitwertgrenze nicht und wurde später wieder abgeschafft. Auch die in einigen Gebieten noch bestehenden Bagatellrichter (Special Justices of the Peace) verloren mangels ausreichender Förderung bis zu ihrer endgültigen Abschaffung im Jahre 1968 immer mehr an Bedeutung. Zu Beginn der 1970er Jahre besaß Südafrika lediglich ein streng formalisiertes Verfahren vor den Magistrates' Courts ohne Vereinfachungsmöglichkeiten für geringwertige Streitigkeiten. Im Zuge der vorherrschenden Apartheid-Politik wurde auf der anderen Seite eine gesondertes Gerichtssystem geschaffen, welches für die schwarze Bevölkerung Südafrikas an die Stelle der Magistrates' Courts trat. Es bestand im wesentlichen aus den traditionellen Häuptlingsgerichten und den Gerichten der Eingeborenenkommissare. Erstere erfreuten sich der Anerkennung vor allem der ländlichen Bevölkerung, letztere blieben hingegen aufgrund ihrer fehlenden Verwurzelung in der Kultur ihrer Zielgruppe unbeliebt. Das Problem der unzureichenden Zugangsmöglichkeiten der schwarzen Bevölkerung zu den ordentlichen Gerichten wurde durch die Abschaffung der Eingeborenenkommissare nicht gelöst, sondern eher noch verschärft. In den Townships, in denen keine Häuptlingsgerichte existierten, bildeten sich informelle Streitschlichtungsstrukturen. Mit der Einführung von sog. Small Claims Courts wurde versucht, die Möglichkeiten staatlichen gerichtlichen Rechtsschutzes attraktiver zu gestalten und die Entstehung nicht-staatlicher Institutionen einzudämmen.

C. Vergleich Ein Vergleich der Entwicklungsgeschichte des Bagatellprozesses in beiden Ländern läßt einige Gemeinsamkeiten, aber auch deutliche Unterschiede erkennen: I. Der Bagatellprozeß wurde in der frühen Neuzeit weder in Deutschland noch in Holland / Südafrika nennenswert vom schriftlichen Verfahren des gemeinen Pro627

(360).

So insgesamt für den angelsächsischen Rechtskreis Fasching, in: Justice (1978), S. 345

C. Vergleich

121

zesses beeinflußt. In ihm lebte vielmehr der althergebrachte germanische Rechtsgang fort. Dieser war mündlich und formfrei. II. Während die Prozeßentwicklung in Deutschland weitestgehend kontinuierlich verlief, ist die Südafrikas aufgrund der im 19. Jahrhundert erfolgten Ersetzung des römisch-holländischen durch den angelsächsischen Prozeß von einem starken Bruch gekennzeichnet. Zudem trafen in Südafrika mit der europäischen und der afrikanischen zwei unterschiedliche Rechtskulturen aufeinander, was zur Ausbildung zweier verschiedener Rechtsschutzsysteme führte. ΙΠ. Sowohl in Deutschland als auch in Südafrika ist im 19. Jahrhundert eine Formatierung des Bagatellprozesses zu beobachten. Der Gang des Verfahrens und die dabei zu beachtenden Förmlichkeiten wurden den Richtern in detaillierten Prozeßgesetzen vorgeschrieben. Die Mündlichkeit des Verfahrens wurde dadurch eingeschränkt. IV. In Deutschland wurde die Laiengerichtsbarkeit seit dem 19. Jahrhundert zurückgedrängt, in Südafrika setzte man hingegen noch im 20. Jahrhundert hauptsächlich auf nichtjuristisch geschulte Richter. V. Gegen Ende des 19. Jhr. bzw. Beginn des 20. Jhr. wurde der Zivilprozeß in beiden Ländern vereinheitlicht. Dabei wurden die vor den ordentlichen Gerichten bestehenden Bagatellverfahren abgeschafft. Mit der Beseitigung der südafrikanischen Justices of the Peace (1968) und der baden-württembergischen Gemeindegerichte (1972) trennten sich die beiden Länder zudem fast gleichzeitig von ihren letzten bis dahin bestehenden Bagatellgerichten. Lediglich die traditionellen Häuptlingsgerichte der schwarzen Bevölkerung blieben in Südafrika erhalten. VI. Im 20. Jahrhundert erfolgte in Deutschland eine Rückbesinnung auf das formfreie Bagatellverfahren. Als Vereinfachungsmöglichkeit wurde aber auch die Schriftlichkeit erkannt. In Südafrika sind vereinfachte Verfahrensarten aufgrund der passiven Rolle des Richters nicht innerhalb des hergebrachten englischen Gerichtssystems durchführbar. Dort erfolgte die Rückbesinnung auf den Bagatellprozeß daher durch die Übernahme der anglo-amerikanischen Small Claims Courts.

2. Kapitel

Die Effektivität des Zivilrechtsschutzes in Bagatellsachen in Deutschland und Südafrika Unter Verfolgung des in der Einleitung formulierten, am Rechtsschutzinteresse des Bürgers orientierten Ansatzes soll im folgenden Kapitel die Effektivität des Rechtsschutzes in zivilrechtlichen Bagatellsachen in Deutschland und Südafrika untersucht werden. Zu diesem Zweck werden als Maßstab für die Effektivitätsprüfung zunächst Anforderungen an den Zivilrechtsschutz in Bagatellsachen aufgestellt (Α.). Diese werden aus den Zugangsbarrieren zu den Gerichten und den verfassungsrechtlichen Vorgaben beider Länder abgeleitet, die zu diesem Zweck miteinander verglichen werden1. In einem zweiten Schritt werden die konkreten Ausgestaltungen des Zivilrechtsschutzes in geringwertigen Streitigkeiten in beiden Ländern dargestellt, anhand des in (A.) gewonnenen Maßstabs auf ihre Effektivität untersucht und miteinander verglichen (B.). Wie bei der Privatrechtsvergleichung 2 wird dem Vergleich dabei auch bei der Prozeßrechtsvergleichung das Prinzip der Funktionalität 3 , welches die Systematik und die Begrifflichkeit der eigenen Rechtsordnung zur Vermeidung von Fehlinterpretationen der anderen Rechtsordnung in den Hintergrund drängt, zugrunde gelegt. Zudem muß bei der Untersuchung die ausgeprägte Abhängigkeit des Prozeßrechts von nicht spezifisch rechtlichen und damit besonders schwer zu erfassenden Faktoren gesellschaftlicher und kultureller Art mitberücksichtigt werden. Hierzu gehört vor allem das Problem, die Prozeßwirklichkeit richtig einzufangen 4. Um diesen Anforderungen gerecht zu werden und nicht letztlich ein verzerrtes Bild der jeweiligen Rechtsordnung zu liefern, muß die Betrachtung daher neben den rechtlichen auch die rechtshistorischen, sozioökonomischen und kulturellen Voraussetzungen der beiden Länder einbeziehen, 1 Damit wird auch der Besonderheit des Prozeßrechts Rechnung getragen, daß sich viele prozessuale Regelungen und Institutionen des Erkenntnis Verfahrens als Ausprägungen der prozessualen Grundrechte nur vor dem Hintergrund eines mehr oder weniger ausgeprägten hoheitlichen Charakters des Prozesses erklären lassen, Stürner/Stadler, in: Transnationales Prozeßrecht (1995), S. 263 (276). 2 Grundsätzlich ist bei der Prozeßrechtsvergleichung dieselbe methodische Vorgehensweise angezeigt wie in der Privatrechtsvergleichung, Stürner/Stadler, in: Transnationales Prozeßrecht (1995), S. 263 (275). 3 Dazu näher Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung (3. Aufl. 1996), S. 33. 4 Gilles, Prozeßrechtsvergleichung (1996), S. 39 unterscheidet anschaulich „letter-law" vom „living law".

Α. Anforderungen an den Rechtsschutz in Bagatellsachen

123

soweit sie für das tatsächliche Funktionieren des Rechtsschutzsystems von Bedeutung sind. Da die rechtshistorische Entwicklung des Bagatellrechtsschutzes bereits im ersten Kapitel eingehend dargestellt wurde, wird der historische Zusammenhang an dieser Stelle durch Bezugnahmen auf die im ersten Kapitel dargestellten Verfahren hergestellt. Die Analyse der Rechtsschutzsysteme in Bagatellsachen wäre nicht vollständig, wenn sie nicht auch einen Vergleich der derzeit in beiden Ländern diskutierten Reformvorschläge mit Auswirkungen auf den zukünftigen gerichtlichen Rechtsschutz in zivilrechtlichen Bagatellstreitigkeiten miteinschlösse (C.). Ein solcher Vergleich gewährt zudem einen interessanten Aufschluß darüber, welcher Stellenwert den Bagatellsachen in den beiden Ländern beigemessen wird. Das Ergebnis des Vergleichs der Anforderungen, der konkreten Ausgestaltung sowie der aktuellen Reformbestrebungen im Bereich des Bagatellrechtsschutzes wird schließlich unter Punkt (D.) in kurzen Thesen zusammengefaßt.

A. Die Anforderungen an den Rechtsschutz in zivilrechtlichen Bagatellsachen In der Praxis stehen der Geltendmachung von Bagatellforderungen seit jeher zahlreiche Hindernisse entgegen. Wie im ersten Kapitel gezeigt, wurden zum Zwecke des Abbaus dieser Zugangsbarrieren verschiedene Lösungsansätze und Verfahrensgestaltungen entwickelt, die bis heute dem Gesetzgeber als Vorbild dienen. Bei der Erarbeitung von Anforderungen an ein zivilrechtliches Bagatellverfahren ist aber zu berücksichtigen, daß im modernen Rechtsstaat nunmehr auch die Prozeßgrundrechte als Maßstab für die Ausgestaltung des Rechtsgangs beachtet werden müssen. Bei der Verfahrensgestaltung dürfen daher nicht nur Zweckmäßigkeitsgesichtspunkte eine Rolle spielen. Nach einer Darstellung der Zugangsbarrieren und den historischen Lösungsansätzen zu ihrer Behebung (I.) wird daher untersucht, welche Verfahrensgestaltungen in Bagatellsachen in den beiden Ländern von Verfassungs wegen verboten bzw. geboten sind (II.).

I. Die Zugangsbarrieren in Bagatellsachen und rechtshistorische Lösungsansätze Die Forderung nach einem effektiven Zugang zu den Gerichten gilt allgemein für jeden Zivilprozeß. In Bagatellstreitigkeiten erlangt sie aus zwei Gründen besondere Bedeutung: Zum einen wird die Verwirklichung der Forderung nach effektivem Rechtsschutz hier durch das leicht entstehende Mißverhältnis von Aufwand und Ertrag, also durch die schlechte Prozeßökonomie erschwert (1.). Zum anderen kommt ein großer Teil der Bevölkerung nur in geringwertigen Streitigkeiten poten-

124

2. Kapitel: Die Effektivität des Zivilrechtsschutzes in Bagatellsachen

tiell mit dem staatlichen Rechtsschutzsystem in Berührung. Dabei ist zu beobachten, daß häufig als Beklagte unbemittelte Parteien finanziell besser gestellten Geschäftsleuten bzw. Unternehmen in der Klägerrolle gegenüberstehen. Gerade in Bagatellstreitigkeiten muß der Staat folglich besondere Anstrengungen unternehmen, um die Waffen- und Chancengleichheit der Parteien zu fördern, damit die Erwartung des Bürgers an einen fairen Prozeß nicht frustriert wird (2.).

1. Die Prozeßökonomie Der geringe zu erwartende Ertrag rechtfertigt für den einzelnen in geringwertigen Streitigkeiten nur einen minimalen prozessualen Aufwand. Die Durchführung des Prozesses ist dort nicht mehr sinnvoll, wo die Verfahrenskosten den eingeklagten Anspruch übersteigen oder die lange Verfahrensdauer die Verfolgung des Anspruchs unwirtschaftlich erscheinen läßt. Zu hohen Verfahrenskosten tragen die Gerichtsgebühren und vor allem die Anwaltskosten bei. Ziel eines speziellen Verfahrens in Bagatellsachen muß es daher im Interesse der Prozeßökonomie sein, die Verfahrenskosten für den rechtsschutzsuchenden Bürger möglichst gering zu halten5. Zu diesem Zweck wurde, wie im 1. Kapitel erläutert, in der Vergangenheit teilweise die Vertretung der Parteien durch Rechtsanwälte in Bagatellsachen gänzlich ausgeschlossen, da letztere als Hauptverantwortliche für die hohen Verfahrenskosten angesehen wurden 6. Andere Bagatellverfahrensgesetze beschränkten zwar nicht die Vertretung durch Anwälte, erschwerten aber deren Inanspruchnahme, indem sie die Erstattung von Anwaltskosten auch im Falle des Obsiegens ausschlossen7. Die Zuweisung der Bagatellsachen an häufig mit unbezahlten Laienrichtern besetzte Streitschlichtungs- und entscheidungsinstanzen verfolgte ebenfalls das Ziel, die Kosten eines teuren Gerichtsprozesses zu vermeiden. In diesem Zusammenhang sind in Deutschland ζ. B. die Gemeinde- und Friedensgerichte sowie in Südafrika die sog. „Justices of the Peace" und die Häuptlingsgerichte zu nennen. Durch ihre Ortsnähe ersparten sie den Parteien neben Gerichtsgebühren auch Reisekosten. Ein weiteres Mißverhältnis zwischen Aufwand und Ertrag entsteht, wenn die Höhe des geltend gemachten Anspruchs und der für seine Verfolgung notwendige 5 Cappelletti /Garth, in: Access to Justice, Bd. 1 / 1 (1978), S. 3 (13); Fasching, in: Justice (1978), S. 345 (353); Leipold, in: Humane Justiz (1977), S. 91 (101). 6 Vgl. z. B. das Verfahren vor den „Commissarissen van kleyne saken" in Amsterdam von 1656, des „Collegie van Commissarissen van de Cleijne Zaaken" in Kapstadt von 1682, des preußischen Bagatelledikts von 1739 sowie in jüngerer Zeit den Ausschluß von Anwälten durch den südafrikanischen Small Claims Court Act von 1984. 7

Vgl. z. B. das sächsische „Gesetz über das Verfahren über ganz geringe Civilansprüche" von 1839, das badische „Gesetz die Einführung der Reichsjustizgesetze betreffend" von 1879 und das württembergische „Gesetz zur Ausführung der Reichs-Civilprozeßordnung" von 1879, welche die Anwaltskostenerstattung vor den Gemeindegerichten ausschlossen sowie die ReichsentlastungsVO von 1915.

Α. Anforderungen an den Rechtsschutz in Bagatellsachen

125

Zeitaufwand auseinanderfallen. Eine lange Verfahrensdauer ist bei finanziell bedeutenden Klagen eher gerechtfertigt als bei „Bagatellen", in denen die Parteien eine schnelle Klärung des Rechtsstreits erwarten 8. In der Rechtsgeschichte finden sich daher zahlreiche Regelungen, die eine Prozeßbeschleunigung in Bagatellstreitigkeiten zum Ziel hatten. So wurde u. a. versucht, deren Erledigung auf eine einzige mündliche Verhandlung zu konzentrieren 9. Der Verfahrenskonzentration dienten auch Präklusionsfristen 10 sowie der Ausschluß von Rechtsmitteln in Bagatellsachen11. 2. Die Waffen-

und Chancengleichheit

Nur wenn dem Bürger das Gefühl gegeben wird, ohne Rücksicht auf Vermögen und Bildung gleichberechtigt behandelt worden zu sein, wird er Vertrauen in die Funktionsfähigkeit der Rechtspflege fassen. Hier geht es um das Problem, daß sich im Prozeß häufig Parteien unterschiedlicher sozialer Stellung und dadurch bedingt unterschiedlicher „Kampfkraft" gegenüberstehen. Mitentscheidend für den Erfolg vor Gericht ist die prozessuale Gewandtheit der Parteien. Finanzstarke oder geschäftlich erfahrene Parteien sind hier gegenüber finanzschwachen und ungewandten Personen im Vorteil, da sie sich die Beauftragung eines Rechtsanwalts leisten können bzw. selbst über die für die Prozeßführung erforderliche Gewandtheit verfügen 12 . In Bagatellstreitigkeiten erlangt das Problem der Waffen- und Chancengleicheit deswegen besondere Bedeutung, weil in diesen besonders häufig weniger vermögende Parteien (sog. „kleine Leute") als Konsumenten beteiligt sind und sich als Beklagte einem klagenden Unternehmen bzw. Geschäftsmann gegenübersehen13. Für letztere fallen Anwalts- und sonstige Verfahrenskosten von maximal 8 Leipold, in: Humane Justiz (1977), S. 91 (101). Vgl. nur das preußische Bagatelledikt von 1739, das Bagatellverfahren des Codex Fridericiani Marchici, den Bagatellprozeß der preußischen VO von 1833 sowie das sächsische „Gesetz über das Verfahren über ganz geringe Civilansprüche" von 1839. 9

10

Vor den rheinländischen Friedensgerichten galt etwa die Regelung, daß die Parteien ihren Anspruch auf eine Entscheidung durch das Friedensgericht verloren, wenn sie nicht innerhalb von vier Monaten die Entscheidungsreife herbeiführten. Art. 59 der Instruktion des Hof van Holland von 1531 enthielt für Bagatellsachen verkürzte Fristen für das Einreichen der Parteischriftsätze. 11 Entsprechende Regelungen finden sich ζ. B. im preußischen Bagatelledikt von 1739 für Streitigkeiten mit einem Streitwert bis zu 20 Talern und im Corpus Juris Fridericianum vor den Obergerichten bis zu 30 und vor den Untergerichten bis zu 10 Talern. Im preußischen Bagatellmandat von 1833 wurde die Appellation für alle Streitigkeiten bis zu 50 Talern ausgeschlossen. Bei den südafrikanischen Kollegien von Landdrost en Heemraden betrug die Berufungssumme 25 Gulden bzw. ab 1786 50 Rds. >2 Baumgärtel, Gleicher Zugang (1976), S. 2; Leipold, in: Humane Justiz (1977), S. 91 (101); Röhl, in: Small Claims Courts (1990), S. 167. 13 Wollschläger, in: Methoden (1991), S. 13 (57) fand in einer Untersuchung der Verfahren der hessischen Amtsgerichte heraus, daß die Zahl der Prozesse von „Nichtprivat gegen Pri-

126

2. Kapitel: Die Effektivität des Zivilrechtsschutzes in Bagatellsachen

DM 1000 - 2000 (Euro 511,29-1022,58) kaum ins Gewicht. In der Regel besitzen sie zudem meist bereits Gerichtserfahrung. Der Konsument wird sich hingegen leichter von einem Prozeß bzw. von der Beauftragung eines Rechtsanwalts abschrecken lassen, da sein Einkommen durchschnittlich niedriger ist und er seltener mit den Gerichten zu tun hat 14 . Die Probleme der „kleinen Leute" finden nicht erst seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts Beachtung. Auch in rechtshistorischen Verfahren finden sich Vorschriften, die die Waffen- und Chancengleichheit armer Parteien erhöhen sollten. Häufig wurde der Richter angewiesen, die Rechte dieser Parteien besonders zu beachten15. Teilweise wurden die Anwälte aber auch ganz vom Prozeß ausgeschlossen und die Aufgabe der Sachverhaltsaufklärung - zumeist in einem mündlichen, entformalisierten Prozeß - allein dem Richter übertragen 16. Weniger radikal gingen andere Prozeßgesetze vor, die entweder armen Leuten Rechtsvertreter beiordneten, die ihre Tätigkeit kostenlos („pro deo") versahen17 oder ihnen durch die Gewährung von Prozeßkostenhilfe die Beauftragung eines Rechtsanwalts ermöglichten18.

II. Die verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Ausgestaltung des Rechtsschutzes in Bagatellsachen Die verfassungsrechtliche Anerkennung prozessualer Grundrechte ist in Deutschland und Südafrika zu unterschiedlichen Zeitpunkten erfolgt. Während in Deutschland bereits die Weimarer Reichs Verfassung von 1919 verfahrensrechtliche Verbürgungen für den einzelnen enthielt, folgte Südafrika bis 1994 dem britischen sog. „Westminster System" 19 , welches auf einen Grundrechtskatalog und ein Vervat" in Bagatellstreitigkeiten bis zu DM 1000 überdurchschnittlich hoch ist (bis zu 63%); ebenso Leipold, in: Humane Justiz (1977), S. 91 (95). 14 Wollschläger, in: Methoden (1991), S. 13 (59). 15

Vgl. ζ. B. Titel 1, § 3 der Sächsischen Prozeß- und Gerichtsordnung von 1622. Vgl. ζ. B. das Verfahren vor den „Commissarissen van kleyne saken" in Amsterdam von 1656, des „Collegie van Commissarissen van de Cleijne Zaaken" in Kapstadt von 1682, des preußischen Bagatelledikts von 1739 sowie in jüngerer Zeit des südafrikanischen Small Claims Court Act von 1984. 16

17 Das preußische Corpus Juris Fridericianum von 1781 sah eine Vertretung mittelloser Parteien durch verbeamtete Justizkommissare vor. Die Möglichkeit der Beiordnung eines Anwalts bestand nach deutschem „Armenrecht" bis zur Einführung der PKH im Jahre 1981.Vor den südafrikanischen Magistrates' Courts besteht sie noch heute (sog. „pro deo counsel").

»8 Vgl.§§ 114 ff. ZPO. 19 Das Hauptmerkmal des Westminster-Systems ist die uneingeschränkte Souveränität des Parlaments (sog. „parliamentary sovereignty"), die sich u. a. dadurch auszeichnet, daß die Minister gegenüber dem Parlament verantwortlich sind (sog. „ministerial responsibility") und Akte des Parlaments nur in formeller, nicht in materieller Hinsicht gerichtlich überprüft

. Anforderungen an den Rechtsschutz in Bagatellsachen

127

fassungsgericht verzichtet 2 0 . Zwar wurden einzelne prozessuale Gewährleistungen von den Gerichten und vom Gesetzgeber als existent vorausgesetzt 21 . Aber da sie keinen verfassungsrechtlichen Schutz genossen, waren sie jederzeit Einschränkungen durch den Gesetzgeber unterworfen 2 2 . Erst durch das Inkraftsetzen der vorläufigen Verfassung von 1993 2 3 am 27. 4. 1994 sowie der endgültigen Verfassung von 1996 2 4 am 4. 2. 1997 wurde mit dieser Verfassungstradition gebrochen 25 . Die Grundrechte sind seither auch in Südafrika in einer „ B i l l of Rights" verankert, deren Beachtung durch die drei Gewalten ein neugeschaffenes Verfassungsgericht überwacht 2 6 . Der neuen Verfassung gingen umfangreiche Vorarbeiten, insbesondere rechtsvergleichender Natur, voraus. Sie orientiert sich an nord-amerikanischen und kontinental-europäischen Vorbildern, namentlich auch am deutschen Grundgesetz 27 .

werden können, vgl. dazu ausführlich Carpenter, Introduction (1987), S. 75 ff. In der Verfassungswirklichkeit ergaben sich jedoch bedeutende Unterschiede zwischen dem britischen und dem südafrikanischen System: So war das südafrikanische Parlament der Apartheidzeit nur durch eine Bevölkerungsminderheit legitimiert und legte sich nicht dieselben Selbstbeschränkungen auf wie das britische Parlament, vgl. Grupp, Verfassung (1999), S. 29. 20

Südafrika besaß zwar im Unterschied zum Vereinigten Königreich seit dem 1961 erfolgten Austritt aus dem Commonwealth of Nations und der Gründung der Republik Südafrika eine geschriebene Verfassung (Act No. 32 of 1961), jedoch enthielt diese keinen Grundrechtskatalog. An dieser Situation änderte die Verfassung von 1983 (Act No. 110 of 1983) nichts, auch wenn in ihr - verteilt auf verschiedene Abschnitte - die entscheidenden Grundrechte erstmals formuliert wurden. 21

Zu den solchermaßen anerkannten verfahrensrechtlichen Gewährleistungen gehörten das Recht auf Zugang zu den Gerichten („toegang tot die howe,,/„access to courts") und das Recht auf ein faires Verfahren (,,'n billike verhoor„/„fair trial"). Letzteres wurde als umfassende prozessuale Gewährleistung für das gesamte Verfahren verstanden, unter die man u. a. das Recht, gehört zu werden („audi alteram partem"), das Recht auf einen unparteilichen Richter („nemo iudex in propria causa"), das Recht auf eine öffentliche Verhandlung („verhoor in openbaar plaas,, / „public trial"), das Recht auf eine Begründung des Urteils („redes vir die uitspraak,,/,»reasons for the judgment") und das Recht auf ein Rechtsmittel („reg van appèl,, / „right to appeal") subsumierte, vgl. dazu De Vos, in: 1982 TRW 121 (123 ff.). 22 Letzterer machte zur Umsetzung der Apartheid-Politik von diesem Recht reichlich Gebrauch, Rautenbach, in: Law of South Africa, Bd. 10/1 (1998), S. 379 (381). 23 Act No. 200 of 1993, Constitution of the Republic of South Africa (sog. „Interim Constitution"). 2 * Act No. 108 of 1996, Constitution of the Republic of South Africa. 25 Zur Entstehungsgeschichte der neuen südafrikanischen Verfassung Grupp, Verfassung (1999), S. 18 ff. 26 Dieses hat seinen Sitz in Johannesburg und besteht aus einem Präsidenten und zehn weiteren Richtern, von denen vier aus den Reihen der Supreme Court-Richter stammen und sechs auf Empfehlung der Judicial Service Commission für jeweils sieben Jahre ernannt werden, vgl. See. 167 Verfassung und Van Dijkhorst, in: Law of South Africa, Bd. 5 / 2 (1 st Reissue, 1994), S. 89 (91 f.). 27 Grupp, Verfassung (1999), S. 148. Art. 1 Abs. 3 GG ist ζ. B. in See. 8 (1) Verfassung in fast wörtlicher Übersetzung wiedergegeben.

128

2. Kapitel: Die Effektivität des Zivilrechtsschutzes in Bagatellsachen

1. Die Prozeßgrundrechte

im deutschen Grundgesetz

Hinsichtlich des zivilgerichtlichen Verfahrens ist die verfassungsrechtliche Ausgangssituation in Deutschland dadurch gekennzeichnet, daß das vorkonstitutionelle einfachgesetzliche Verfahrensrecht nachträglich an nur wenigen, eng gefaßten Verfassungsaussagen gemessen weren muß 28 . Es sind dies vor allem der allgemeine Justizgewährungsanspruch, das Recht auf Gehör in Art. 103 Abs. 1 GG, das Recht auf den gesetzlichen Richter in Art. 101 Abs. 1 GG sowie der Gleichheitssatz in Art. 3 Abs. 1 GG 2 9 . Die in Art. 6 Abs. 1 EMRK 3 0 enthaltenen zivilprozessualen Verfahrensgarantien, die in der Bundesrepublik gem. Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG dem Rang nach als einfaches Bundesgesetz gelten, entfalten im Bereich des Grundgesetzes keinerlei Wirkung, da ihr Aussagegehalt vollständig von den positiv normierten oder aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleiteten Verfahrensgewährleistungen des Grundgesetzes abgedeckt wird 3 1 .

a) Das Recht auf gerichtlichen Rechtsschutz Das wichtigste Verfahrensgrundrecht ist das Recht auf gerichtlichen Rechtsschutz, da es überhaupt erst das Recht auf ein gerichtliches Verfahren gewährleistet, ohne das alle weiteren Verfahrensgarantien wertlos wären 32. Für privatrechtliche Streitigkeiten folgt die Rechtsschutzgarantie aus dem vom Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung anerkannten allgemeinen Justizgewährungsanspruch, der mit der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG, die lediglich den Rechtsweg gegen Eingriffe der öffentlichen Gewalt garantiert, inhaltlich deckungs28 Degenhart, in: Handbuch des Staatsrechts, Bd. 3 (2. Aufl. 1996), S. 879 (883). 29

Daneben werden verfassungsrechtliche Direktiven für das gerichtliche Verfahren vom Bundesverfassungsgericht nicht nur aus den im Grundgesetz positivierten Prozeßgrundrechten abgeleitet, sondern auch aus weiteren, übergreifenden rechtsstaatlichen Verfahrenserfordernissen (ζ. B. dem der Verfahrensgerechtigkeit), sowie begrenzt auch aus materiellen Grundrechten in ihrer Ausstrahlung auf das Verfahrensrecht, Degenhart, in: Handbuch des Staatsrechts, Bd. 3 (2. Aufl. 1996), S. 879 (884); Schumann, in: ZZP 96 (1983), S. 137 (145). 30 Dieser lautet in seiner deutschen Fassung: „Jedermann hat Anspruch darauf, daß seine Sache in billiger Weise öffentlich und innerhalb angemessener Frist gehört wird, und zwar von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht, das über zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen oder über die Stichhaltigkeit der gegen ihn erhobenen strafrechtlichen Anklage zu entscheiden hat." 31 Degenhart, in: Handbuch des Staatsrechts, Bd. 3 (2. Aufl. 1996), S. 879 (917); Schumann, in: ZZP 96 (1983), S. 137 (169). 32 Grundlage des Rechtsschutzanspruchs ist das Gewaltmonopol des Staates. Da dem einzelnen im Rechtsstaat die Selbsthilfe grundsätzlich verboten ist, muß er zur Durchsetzung seiner Rechte auf staatliche Hilfe zurückgreifen. Die Rechtsschutzgarantie ist damit notwendiges Korrelat der rechtsstaatlichen Verpflichtung des Bürgers zum Rechtsgehorsam und Gewaltverzicht, Degenhart, in: Handbuch des Staatsrechts, Bd. 3 (2. Aufl. 1996), S. 859

(860).

Α. Anforderungen an den Rechtsschutz in Bagatellsachen

129

gleich ist 33 . Inhalt des Anspruchs ist in Verbindung mit Art. 3 GG ein Recht auf gleichen Zugang zum Gericht, ein Verfahren vor dem Gericht und eine Entscheidung durch das Gericht 34 . Bedenken hinsichtlich eines Verstoßes gegen das Recht auf gleichen Zugang zum Gericht ergaben sich bezüglich der Vorschriften, die den Rechtsweg zu den Friedens- bzw. Gemeindegerichten von der Gemeindeansässigkeit der Partei abhängig machten. Letztlich hing es damit lediglich vom Wohnort des Beklagten ab, ob ein Bagatellanspruch vor dem Friedens- oder Gemeindegericht eingeklagt werden konnte oder nicht. Das Bundesverfassungsgericht hat die Frage in seiner Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit der Friedensgerichte zunächst offengelassen35, später aber hinsichtlich der Gemeindegerichte ausgesprochen, daß eine Differenzierung nach der Ortsansässigkeit sachlich gerechtfertigt ist, zumal den Parteien der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten jederzeit offensteht 36. Die allgemeine Rechtsschutzgarantie ist eine Gerichtsschutzgarantie. Der Gesetzgeber kann den Rechtsschutzsuchenden daher in Bagatellsachen nicht ausschließlich auf außergerichtliche Instanzen verweisen, sondern allenfalls den gerichtlichen Rechtsschutz an die Voraussetzung der Durchführung eines außergerichtlichen Vorverfahrens binden. Verfassungsrechtlich unzulässig wäre es hingegen, geringwertige Streitigkeiten ganz vom Gerichtsschutz auszunehmen37. Da der Justizgewährungsanspruch Schutz nicht gegen, sondern durch den Richter gewährt, beinhaltet er hingegen kein Recht auf einen Instanzenzug38. Der Ausschluß von Rechtsmitteln in Bagatellstreitigkeiten ist damit zulässig39.

33

Die Beschränkung von Art. 19 Abs. 4 GG ist historisch begründet, da der gerichtliche Privatrechtsschutz bei Inkrafttreten des Grundgesetzes als gegeben unterstellt werden konnte, vgl. Benda/Weber, in: Effektivität (1983), S. 1 (9). 34 Ein Gericht in diesem Sinne ist nur ein staatliches Gericht, welches in seiner organisatorischen Stellung und Besetzung den Anforderungen der Art. 92 und 97 GG genügt, BVerfGE 11,232 (233); 49, 329 (340). 3 5 BVerfGE 10, 200 (219). 36 BVerfGE 14, 56 (74). Die Argumentation des Bundesverfassungsgerichts, die sachliche Rechtfertigung ergebe sich aus Volksnähe, Einfachheit und Billigkeit des Verfahrens, mag allerdings nicht recht zu überzeugen. Dieses Argument begründet eher die Differenzierung zwischen Bagatellsachen und Nicht-Bagatellsachen, nicht hingegen die Differenzierung nach der Ortsansässigkeit. Für letztere sprechen - zumindestens in Kleinstädten - die Orts- und SachVerbundenheit des Richters und die leichtere Erreichbarkeit des Gerichts für die Parteien. 3 ? Leipold, Small Claim Court, in: Gilles (Hrsg.), Humane Justiz (1977), S. 91 (100); Werner, Gewaltmonopol bei Bagatellforderungen, in: Martinek/Sellier (Hrsg.), Staudinger-Symposion 1998 (1999), S. 48 (56). 3 8 BVerfGE 11, 232 (233); 49, 329 (340). Stellt der Gesetzgeber nur eine Instanz zur Verfügung, verstärkt dies aber die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die gesetzliche Verfahrensausgestaltung im Blick auf die Wahrheitserforschung, vgl. BVerfGE 83, 24 (31). 39 Kunze, Bagatellverfahren (1995), S. 174. Eine Verletzung des Rechts auf rechtliches Gehör kann immer auf dem Wege einer Verfassungsbeschwerde gerügt werden.

9 Engbers

130

2. Kapitel: Die Effektivität des Zivilrechtsschutzes in Bagatellsachen

Bei der Rechtsweggarantie handelt es sich um ein Grundrecht mit normgeprägten Schutzbereich. Die Ausgestaltung des Rechtswegs steht im Ermessen des Gesetzgebers. Die Gewährleistung des Rechtswegs schließt somit nicht aus, daß seine Beschreitung in den Prozeßordnungen von der Erfüllung bestimmter formaler Voraussetzungen (etwa ordnungsgemäße Vertretung, Einhaltung von Fristen, Durchführung eines obligatorischen Vorverfahrens in Bagatellsachen u. a.) abhängig gemacht wird 40 . Zentraler Maßstab für die Ausgestaltung des gerichtlichen Rechtsschutzes ist in Deutschland das vom Bundesverfassungsgericht entwickelte Effektivitätsgebot 41 . Die Rechtsschutzgarantie ist danach verletzt, wenn der Zugang zu den Gerichten durch Verfahrensgestaltungen erschwert wird, die für den Rechtsschutzsuchenden unzumutbar und durch die Funktionsbedingungen der Rechtssicherheit und Rechtspflege nicht geboten sind. Benda/Weber halten daher z. B. das Recht des rechtsunkundigen Bürgers, sich vor Gericht von einem Rechtsanwalt vertreten lassen zu dürfen, für erforderlich 42. Auch dürfen die Bemessung der Verfahrenskosten43 und die Verfahrensdauer 44 die Anrufung des Gerichts nicht unzumutbar erschweren. Letzteres ist insbesondere bei Bagatellstreitwerten zu beachten, da bei diesen aufgrund des geringen Streitwerts erhöhte Anforderungen an die Effizienz des Verfahrens zu stellen sind. Eine Differenzierung des Verfahrens nach Gegenstand, Bedeutung und Wert der Streitigkeit ist daher nicht verfassungsrechtlich unzulässig, sondern kann u.U. sogar von Verfassungs wegen geboten sein 45 .

b) Das Recht auf den gesetzlichen Richter Bereits für die Gerichtsorganisation bestimmend ist das sich aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG ergebende Recht auf den gesetzlichen Richter 46 . Das Prozeßgrundrecht 40 BVerfGE 9, 194 (199); Benda/Weber,

in: Effektivität (1983), S. 1 (11).

Vgl. z. B. BVerfGE 49, 220. 42 Benda/Weber, in: Effektivität (1983), S. 1 (11); ebenso: Pieroth/Schlink, Grundrechte (7. Aufl. 1991), S. 283; aA z. B. Dreier, GG, Bd. 1 (1996), Art. 19 Abs. 4 RN 79, der die Normierung eines gesetzlichen Vertretungszwangs aus übergeordneten Gründen für zulässig hält. BVerfGE 9, 124 (132); 39, 156 (168) verneint eine Rechtsanwaltsgarantie unter Berufung auf die Enstehungsgeschichte des Art. 103 Abs. 1 GG. 43 BVerfGE 11, 139(143). 44 BVerfGE 55, 349 (369). In einer aktuellen Entscheidung des BVerfG vom 17. 11. 1999 hat dieses die Verfassungswidrigkeit der fast dreijährigen Untätigkeit des OLG Hamburg auf eine sofortige weitere Beschwerde auf Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) gestützt. 45 Wollschläger, in: Methoden (1991), S. 13 (47); Leipold, in: Humane Justiz (1977), S. 91 (100), der darauf hinweist, daß gerade eine schematische Gleichbehandlung aller Prozesse dazu führen kann, daß der Weg zu den Gerichten bei geringfügigen Streitsachen überproportional erschwert wird. 46 Es will der Gefahr vorbeugen, daß die Justiz durch eine Manipulation der rechtsprechenden Organe sachfremden Einflüssen ausgesetzt ist, Benda/Weber, in: Effektivität (1983), S. 1 (5).

Α. Anforderungen an den Rechtsschutz in Bagatellsachen

131

des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG wurde von der Verfassungsjudikatur in zwei Richtungen entwickelt: Zum einen beinhaltet es das Recht auf den gesetzlich bestimmten, zuständigen Richter 47 . Zum anderen gewährleistet Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG auch das Recht auf einen allen gesetzlichen Anforderungen, insbesondere den Anforderungen des Grundgesetzes hinsichtlich Unparteilichkeit 48 und Unabhängigkeit 4 9 genügenden Richter. Davon abgesehen ist eine besondere Qualifikation nicht Voraussetzung für das Richteramt. Damit ist auch die Tätigkeit von Laienrichtern ζ. B. in Bagatellsachen erlaubt 50. Zudem dürfen von vornherein nur solche Gerichte bestehen, die den Anforderungen des Grundgesetzes entsprechen51. Dies bedeutet, daß das in Art. 92 GG statuierte Rechtsprechungsmonopol des Staates und der Gewaltenteilungsgrundsatz des Art. 20 Abs. 2 GG beachtet werden müssen. Die bereits im ersten Kapitel erörterten württemberg-badischen Friedensgerichte verstießen zwar nicht gegen Art. 92 GG, da die Übertragung der Wahrnehmung der staatlichen Gerichtsgewalt an die Gemeinden vom Grundgesetz nicht verboten ist 52 , allerdings lag mit der engen Koppelung des Richteramtes an das Gemeindeamt ein Verstoß gegen den Gewaltenteilungsgrundsatz des Art. 20 Abs. 2 GG vor. Insbesondere im Bereich der Strafgerichtsgewalt bestand die Gefahr einer nicht aufzulösenden Pflichtenkollision 53. Da die baden-württembergischen Gemeindegerichte keine strafrechtliche Kompetenz besaßen und die Unabhängigkeit der Gemeinderichter durch das Gemeindegerichtsbarkeitsgesetz (GGG) ausreichend gesichert war, verstießen sie nicht gegen Art. 20 Abs. 2 GG sowie Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG 5 4 . Nichtig wegen Verstosses gegen Art. 97 Abs. 2 GG war aber § 11 Abs. 1 Satz 2 GGG, der das Ausscheiden aus dem Gemeindedienst mit dem Verlust des Richteramtes verband 55. 47 „Gesetzlicher Richter" bedeutet insoweit, daß sich im voraus möglichst eindeutig aus einer allgemeinen Norm ergibt, welcher Richter für eine bestimmte Sache zuständig ist. Wer im Einzelfall gesetzlicher Richter ist, muß sich abstrakt aus den gesetzlichen Bestimmungen über die Gerichtsverfassungen, den Prozeßordnungen und ergänzend aus den Geschäftsverteilungsplänen ergeben. Nur bei willkürlicher Verletzung der Vorschriften wird der gesetzliche Richter entzogen, Degenhart, in: Handbuch des Staatsrechts, Bd. 3 (2. Aufl. 1996), S. 859 (869) mwN. 48 Insoweit sind Regelungen gefordert, die den Ausschluß bzw. die Ausschließbarkeit eines Richters ermöglichen, der nicht die Gewähr für die gebotene Unparteilichkeit bietet, Degenhart, in: Handbuch des Staatsrechts, Bd. 3 (2. Aufl. 1996), S. 859 (869, 876). 49 Vgl. die Anforderungen des Art. 97 Abs. 2 GG. 50 BVerfGE 14, 56 (73); Benda/Weber, in: Effektivität (1983), S. 1 (4).

51 Degenhart, in: Handbuch des Staatsrechts, Bd. 3 (2. Aufl. 1996), S. 859 (876). 52 BVerfGE 10,200 (214). 53 BVerfGE 10, 200 (216). Es bestand etwa die Gefahr, daß über die Beschwerde über ein Bußgeld derselbe Beamte entschied, der dasselbe verhängt hatte. 54 BVerfGE 14, 56 (67). Bettermann, in: Handbuch des Staatsrechts, Bd. 3 (2. Aufl. 1996), S. 775 (808) hält Gemeindegerichte hingegen wegen Verstosses gegen Art. 92 HS. 2 GG für unzulässig. Die rechtsprechende Gewalt sei danach dem Staat, also Bund und Ländern vorbehalten und nicht auf die Gemeinden delegierbar. 55 BVerfGE 14,56 (72). 9*

132

2. Kapitel: Die Effektivität des Zivilrechtsschutzes in Bagatellsachen

c) Das Recht auf rechtliches Gehör Besondere Bedeutung für die Ausgestaltung des Bagatellverfahrens erlangt auch Art. 103 Abs. 1 GG. Dieser enthält als zentrale Verfassungsaussage zum gerichtlichen Verfahren das Gebot, daß jeder, der von einem gerichtlichen Verfahren betroffen ist, angehört werden muß 56 . Das Recht auf rechtliches Gehör ist von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts weiter konkretisiert worden 57 : Danach gibt es dem Beteiligten ein Recht darauf, daß er Gelegenheit erhält, sich zum streitgegenständlichen Sachverhalt vor Erlaß der Entscheidung zu äußern. Dies muß nicht in einer mündlichen Verhandlung geschehen, die Möglichkeit zu einer schriftlichen Äußerung genügt58. Dem Äußerungsrecht entspricht die Pflicht des Gerichts, die Ausführungen zur Kenntnis zu nehmen und bei der Entscheidungsfindung in Erwägung zu ziehen59. Letzteres hat es durch eine umfassende Begründung seiner Entscheidung zu dokumentieren 60. Wie bei der Rechtsschutzgarantie muß die nähere Ausgestaltung des rechtlichen Gehörs der Prozeßordnung überlassen bleiben 61 , allerdings ist Art. 103 Abs. 1 GG bei der Auslegung heranzuziehen 62 . Kollisionsmöglichkeiten zwischen dem Gebot der materiellen Gerechtigkeit und dem der Rechtssicherheit entstehen u. a. bei der Zurückweisung verspäteten Vorbringens. Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht Präklusionsvorschriften, die der Verfahrensbeschleunigung dienen, für mit Art. 103 Abs. 1 GG vereinbar erachtet, soweit sie ausreichend bemessen sind 63 . In einem formfreien Bagatellverfahren, wie dem nach § 495a ZPO, bestimmt die Garantie des rechtlichen Gehörs die Mindestanforderungen, die der Richter, der im übrigen bei der Verfahrensgestaltung weitestgehend frei ist, zu beachten hat 64 . So muß der Richter die Parteien über die Anwendung des § 495a ZPO informieren, ihnen die Möglichkeit zu einem Antrag auf mündliche Verhandlung gem. § 495a Abs. 1 Satz 2 ZPO gewähren 65, wenn es Streitstoff oder Schriftungewandt-

56 Das Recht auf Gehör konkretisiert die Menschenwürdegarantie des Art. 1 Abs. 1 GG, der es widerspräche, den einzelnen zum Objekt staatlichen Handelns zu machen und im Verfahren über seine Rechte zu befinden, ohne ihm vorher Gelegenheit zu geben, seine Sicht der Angelegenheit selbständig vorzubringen, Degenhart, in: Handbuch des Staatsrechts, Bd. 3 (2. Aufl. 1996), S. 879 (887). 57

Dazu ausführlich mit Nachweisen Degenhart, in: Handbuch des Staatsrechts, Bd. 3 (2. Aufl. 1996), S. 879 (893 f.). 58 BVerfGE 60, 175 (210); 42, 364 (370). 59 BVerfGE 42, 364 (367). 60 BVerfGE 86, 133(145). 61 BVerfGE 60, 305 (310). 62 BVerfGE 9, 89 (95, 98). 63 BVerfGE 36, 92 (97, 98); 55, 72 (94). 64 Eine ausführliche Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des amtsgerichtlichen Bagatellverfahrens gem. § 495a ZPO findet sich bei Kunze, Bagatellverfahren (1995), S. 163 ff. 65 BVerfG in: NJW-RR, 1994, S. 254 (255).

Α. Anforderungen an den Rechtsschutz in Bagatellsachen

133

heit einer Partei erfordern, von Amts wegen eine mündliche Verhandlung anberaumen, falls keine mündliche Verhandlung erfolgt, den Gegner jeweils über Mitteilungen der anderen Partei informieren, jeder Partei die Gelegenheit einräumen, sich zur Sache zu äußern, die gesetzlichen Notfristen beachten und schließlich sein Urteil begründen 66.

d) Das Recht auf Waffengleichheit Das Recht auf Waffengleichheit im Prozeß wird als Ausprägung des Prinzips des sozialen Rechtsstaats aus Art. 3 Abs. 1 GG abgeleitet67. Es enthält das Gebot, jedem Bürger gleiche Möglichkeiten zur Anrufung der Gerichte zu gewähren. Wie oben dargelegt, wird die Möglichkeit, die Gerichte anzurufen, für unbemittelte Parteien, die besonders häufig in Bagatellstreitigkeiten mit dem Gerichtssystem in Berührung kommen, vor allem durch die hohen Verfahrenskosten erschwert. Eine Möglichkeit zur Herstellung der Waffengleichheit besteht daher darin, der unbemittelten Partei Prozeßkostenhilfe zu gewähren. Allerdings läßt sich aus dem Grundgesetz kein Grundrecht auf Gewähr von Prozeßkostenhilfe ableiten. Das Sozialstaatsprinzip begründet zwar die Pflicht des Staates, für eine gerechte Sozialordnung zu sorgen, läßt aber dem Gesetzgeber bei der Erfüllung dieser Pflicht einen weiten Gestaltungsspielraum68. Die staatliche Leistungsgewährung steht einerseits unter dem „Vorbehalt des Möglichen" und, entsprechend dem Gewaltenteilungsgrundsatz, zur Disposition des Haushaltsgesetzgebers andererseits 69. Der Staat muß das verfassungsrechtliche Gebot der Waffen- und Chancengleichheit im Gericht daher nicht durch die Bereitstellung von Prozeßkostenhilfe erfüllen, solange er sie durch andere Maßnahmen sicherstellt.

2. Die Prozeßgrundrechte

in der südafrikanischen

Verfassung

Kapitel 2 der Verfassung von 1996 enthält eine umfangreiche „Bill of Rights". Gem. See. 8 Verfassung ist alle Staatsgewalt an die Grundrechte gebunden. Die Bindung erfaßt natürliche und juristische Personen, entfaltet also auch horizontale Drittwirkung zwischen Privaten 70. Während die Rechte des Angeklagten im Straf66 Der Umfang der Begründungspflicht ergibt sich im Bagatellverfahren aus § 495a Abs. 2 ZPO. An dessen Verfassungsmäßigkeit hat Kunze, Bagatellverfahren (1995), S. 229 allerdings berechtigte Zweifel. 67 Degenhart, in: Handbuch des Staatsrechts, Bd. 3 (2. Aufl. 1996), S. 879 (885); Tettingen Waffengleichheit (1984), S. 5.

68 Denninger, in: Handbuch des Staatsrechts, Bd. 5 (1992), S. 292 (316). 69 BVerfGE 33, 303 (333). 70 Zu deren Umfang Grupp, Verfassung (1999), S. 35 ff. In First National Bank of South Africa ltd. ν Land and Agricultural Bank of South Africa and Others, in: 2000 (8) BCLR 876 wurde ζ. Β. festgestellt, daß Allgemeine Geschäftsbedingungen einer Bank, die diese unter

134

2. Kapitel: Die Effektivität des Zivilrechtsschutzes in Bagatellsachen

prozeß in See. 35 Verfassung ausführlich geregelt sind, werden die Verfahrensgrundrechte im Zivilprozeß kaum erwähnt 71. Lediglich in See. 9(1) sowie See. 34 Verfassung finden sich Grundrechte, die auch Vorgaben für das Zivilverfahren enthalten. Die Reichweite dieser Vorschriften ist noch nicht vollständig geklärt. Soweit vorkonstitutionelles Verfahrensrecht 72 den Verfahrensgarantien widerspricht, ist es verfassungswidrig und damit unanwendbar 73.

a) Das Recht auf „Access to courts" Das Recht auf Zugang zu den Gerichten wurde erstmals in See. 22 der vorläufigen Verfassung von 1993 verfassungsrechtlich verankert. Seit dem 4. Februar 1997 ergibt sich das Recht auf „Access to courts" aus Sec. 34 7 4 der Verfassung von 1996. Im folgenden wird zwischen dem Inhalt des Grundrechts im engeren Sinn und den Verbürgungen unterschieden, die von der Rechtsliteratur aus dem in See. 34 enthaltenen „fair trial" - Grundsatz abgeleitet werden. aa) Das Recht auf Zugang zu den Gerichten im engeren Sinne Das Recht vermittelt zunächst eine umfassende Rechtsschutzgarantie in allen Streitigkeiten, also nicht nur gegen Eingriffe durch die öffentliche Gewalt. See. 34 Verfassung umfaßt nicht das Recht auf Rechtsschutz durch ein staatliches Gericht. Dies ergibt sich aus See. 165 ( l ) 7 5 Verfassung. Danach obliegt die rechtsprechende Gewalt zwar den Gerichten. Aus der Aufzählung in See. 166 Verfassung geht aber hervor, daß auch durch Parlamentsgesetz anerkannte Streitbeilegungseinrichtungen Gerichte darstellen. Dies kann ζ. B. in Bagatellstreitigkeiten auch ein gesetzlich anerkanntes nichtstaatliches Gericht wie ein Gemeinde- oder Häuptlingsgericht 76 sein.

bestimmten Voraussetzungen ohne Gerichtsbeschluß zur Pfändung und Versteigerung von Vermögenswerten des Vertragspartners ermächtigen, einen Verstoß gegen See. 34 Verfassung darstellen. De Vto, in: 1991 TS AR 353 (366). 72 Dieses muß gem. See. 171 Verfassung durch nationale Gesetzgebung bzw. aufgrund einer vom nationalen Gesetzgeber ausgesprochenen Ermächtigung erlassen worden sein. 73 Vgl. See. 2 (lb) des 6. Anhangs der Verfassung. 74 See. 34 lautet: „Everyone has the right to have any dispute that can be resolved by the application of law decided in a fair public hearing in a court or, where appropriate, another independent and impartial forum." 75 Dieser lautet: „The judicial authority of the Republic is vested in the courts." 76 Für diese Auslegung von Sec. 166 (e) Verfassung sprechen sich auch Rakate, in: 30 (1997) CILSA 175 (189) und die South African Law Commission (Hrsg.), Discussion Paper No. 82, Project 90, Traditional Courts (1999), S. 12 aus.

Α. Anforderungen an den Rechtsschutz in Bagatellsachen

135

See. 34 setzt aber voraus, daß das Gericht mit unabhängigen und unparteilichen Richtern besetzt ist 7 7 . Zudem muß zur Wahrung der richterlichen Unabhängigkeit der - auch der südafrikanischen Verfassung zugrundeliegende - Gewaltenteilungsgrundsatz beachtet werden: In der Person des Richters sind etwaige Pflichtenkollisionen, die durch die gleichzeitige Zuweisung von Exekutiv- und Judikativaufgaben an dieselbe Person auftreten können, auszuschließen78. Die Übertragung von sowohl exekutiven als auch judikativen Aufgaben an die traditionellen Häuptlinge ist somit eindeutig verfassungswidrig 79. Die richterliche Unabhängigkeit der Magistrates wurde hingegen durch den Magistrates Act No. 90 of 1993 hinreichend gesetzlich abgesichert 80. Davon abgesehen ist von Verfassungs wegen eine besondere Qualifikation nicht Voraussetzung für das Richteramt. Damit ist auch die Tätigkeit von Laienrichtern erlaubt. Die Ausgestaltung des Verfahrens der Gerichte und damit auch des Zugangs zu den Gerichten erfolgt in Südafrika gem. See. 171 Verfassung durch nationale Gesetzgebung. Durch die gesetzlichen Bestimmungen darf allerdings nicht in den Schutzbereich des Grundrechts eingegriffen werden, es sei denn der gesetzliche Eingriff ist nach Abwägung aller relevanten Umstände gem. See. 36 Verfassung gerechtfertigt 81. Als ungerechtfertigten Eingriff in den Schutzbereich von See. 34 Verfassung hat das Verfassungsgericht ζ. B. gesetzliche Bestimmungen angesehen, die einzelne, vorzugsweise die nationale Sicherheit oder die Rassengesetzgebung betreffende Exekutiventscheidungen der Nachprüfbarkeit durch die Gerichte völlig entzogen82. Aber auch unzumutbar kurze Präklusionsfristen für die Erhebung einer 77 Dies folgt auch aus See. 165 (2) Verfassung: „The courts are indépendant and subject only to the constitution and the law, which they must apply impartially and without fear, favour or prejudice." 78 Diese Vorschrift hat deswegen eine besondere Bedeutung, weil die Magistrates in Südafrika bis in die jüngste Zeit weisungsgebundene Staatsbeamte („public servants") mit sowohl exekutiven als auch judikativen Funktionen waren. Erst durch das Inkrafttreten des Magistrates Act No. 90 of 1993 am 11. 3. 1994 wurde der Status der Magistrates dem der Richter der höheren Gerichte angeglichen. 79 So auch South African Law Commission (Hrsg.), Discussion Paper No. 82, Project 90, Traditional Courts (1999), S. 14, die aber der Ansicht ist, daß dieser Verstoß gegen den Gewaltenteilungsgrundsatz hinnehmbar sei, solange die Häuptlinge nur für die Entscheidung von Bagatellstreitigkeiten zuständig seien. Das Verfassungsgericht hat einen Verstoß mit dem - allerdings fadenscheinigen - Argument verneint, der Begriff der richterlichen Unabhängigkeit sei dem afrikanischen Gewohnheitsrecht fremd, vgl. Bangindawo and Others ν Head of Nyanda Regional Authority and Another, in: 1998 (3) BCLR 314. so Laue, in: 1998 The Judicial Officer 89 (90). 81 Sec. 36 (1) Verfassung lautet: „The rights in the Bill of Rights may be limited only in terms of law of general application to the extent that the limitation is reasonable and justifiable in an open and democratic society based on human dignity, equality and freedom, taking into account all relevant factors including - (a) the nature of the right, (b) the importance of the purpose of the limitation, (c) the nature and extent of the limitation, (d) the relation between the limitation and its purpose, and (e) less restrictive means to achieve the purpose." 82 Dies geschah in der Apartheid-Ära vielfach durch sog. „ouster clauses", vgl. Devenish, in: Law of South Africa, Bd. 5/3 (1998), S. 13 (69). Durch den Abolition of the Restriction

136

2. Kapitel: Die Effektivität des Zivilrechtsschutzes in Bagatellsachen

Klage gegen eine Staatsbehörde stellen einen nicht gerechtfertigten Eingriff in das Recht auf Zugang zu den Gerichten dar 8 3 .

bb) Das Recht auf ein faires Verfahren Die südafrikanische Rechtsliteratur ist sich darin einig, daß sich der Aussagegehalt der See. 34 Verfassung nicht auf das Recht auf Zugang zu den Gerichten beschränkt. Vielmehr wird allgemein aus den Worten, „ right to have any dispute ... decided in a fair public hearing"* 4 das Recht auf ein faires Verfahren („fair trial,,/ ,,'n billike verhoor") herausgelesen 85 . Letzteres wird - wie schon vor der Kodifizierung der Grundrechte durch die neue Verfassung - sehr weit ausgelegt. Es soll, gleichsam als Auffanggrundrecht, sämtliche schon bisher anerkannten prozessualen Gewährleistungen umfassen, die nicht bereits durch das Recht auf Zugang zu den Gerichten i m engeren Sinn abgedeckt sind 8 6 . Gestützt wird diese weite Interpretation u. a. auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu Art. 6 Abs. 1 E M R K 8 7 , der See. 34 Verfassung erkennbar als Vorbild diente 8 8 .

on the Jurisdiction of the Courts Act No. 88 of 1996 wurden diese mittlerweile größtenteils abgeschafft. 83 In Mohlomi v. Minister of Defence 1996 12 BCLR 1559 (CC) erklärte das Verfassungsgericht See. 113 (1) Defence Act No. 44 of 1957, demzufolge eine durch einen Soldaten zugefügten Verletzung dem Verteidigungsministerium innerhalb von 5 Monaten angezeigt und innerhalb einer Ausschlußfrist von sechs Monaten Klage erhoben werden mußte, wegen Verstoßes gegen See. 22 der vorläufigen Verfassung für verfassungswidrig. 84 See. 22 der vorläufigen Verfassung enthielt noch keinen ausdrücklichen Hinweis auf das Recht auf ein faires Verfahren, sie lautete: „Every person shall have the right to have justiciable disputes settled by a court of law or, where appropiate, another indépendant and impartial forum." Deswegen war die Existenz eines Rechts auf ein faires Verfahren in der vorläufigen Verfassung umstritten, dazu Trengove, in: Constitutional Law of South Africa (2. Lfg. 1998), S. 26-7. 85 So ζ. B. von Devenish, in: Law of South Africa, Bd. 5/3 (1998), S. 13 (69); Rautenbach, in: Law of South Africa, Bd. 10/1 (1998), S. 379 (441); Trengove, in: Constitutional Law of South Africa (2. Lfg. 1998), S. 26-7; De Vos, in: 1997 TSAR 444 (454); Erasmus, in: 1996 Obiter 291. Kelbrick, in: International Encyclopedia of Laws, Bd. 2 (1996), S. 19 subsumiert - allerdings ohne Begründung - den Fair Trial - Grundsatz unter das Recht auf „Equality". 86 Erasmus, in: 1996 Obiter 291 (293). 87 Nachweise bei Villiger, EMRK - Handbuch (2. Aufl. 1999), S. 260 ff.; Miehsler/Vogler, in: EMRK-Kommentar, Ordner 1 (4. Lfg. 2000), S. 88 ff.; Harris/O'Boyle/Warbrick, Human Rights (1995), S. 163 ff. 88 Erasmus, in: 1996 Obiter 291; De Vos, in: 1997 TSAR 444 (451). Der Wortlaut der englischen Fassung von Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK ist dem von See. 34 Verfassung sehr ähnlich: „In the determination of his civil rights and obligations, or of any criminal charge against him, everyone is entitled to a fair and public hearing within a reasonable time by an independent and impartial tribunal established by law." Gem. Sec. 39 (2) Verfassung muß bei der Auslegung der Verfassung auch „international law" berücksichtigt werden.

Α. Anforderungen an den Rechtsschutz in Bagatellsachen

137

(1) Das Recht auf rechtliches Gehör Zu den wichtigsten vom fair trial-Grundsatz erfassten Garantien gehört das Recht, gehört zu werden 89. Letzteres ist als „audi alteram partem rule " auch im angelsächsischen Prozeß seit Jahrhunderten von den Gerichten anerkannt. Es umfaßt das Recht des Beklagten, von der Klage informiert zu werden, sowie das Recht der Parteien, zum Vorbringen der Gegenseite vor und im Prozeß Stellung nehmen sowie ihre Behauptungen unter Beweis stellen zu können90. Dabei wird das Recht auf Stellungnahme- und Beweismöglichkeit ganz im Sinne der englischen Verfahrenstradition als Recht auf mündliche Stellungnahme und Beweisaufnahme in einer öffentlichen Verhandlung 91 verstanden92. Im Gegenzug soll es sogar das Recht beinhalten, die Zeugen der Gegenseite in's Kreuzverhör („cross examination") nehmen zu dürfen 93. Dies wird damit begründet, daß im Prozeßsystem der common-law-Länder nur so effektiv die Glaubwürdigkeit der gegnerischen Zeugen überprüft werden könne 94 . Gleichzeitig wird aber anerkannt, daß das Prinzip der Mündlichkeit - und damit auch das Recht auf ein Kreuzverhör - zum Zwecke der Verfahrensbeschleunigung einiger Einschränkungen bedarf, die an See. 36 (1) Verfassung zu messen sind. Zu nennen ist hier ζ. B. die sog. „motion procedure", in der die Beweisaufnahme durch schriftliche Glaubhaftmachung im Wege der Abgabe von sog. „affidavits" erfolgt 95 . (2) Das Recht auf rechtliche Vertretung Da das Recht auf rechtliches Gehör aufgrund der Komplexität des Gerichtsverfahrens ohne das Recht auf rechtliche Vertretung wertlos wäre, sieht De Vos auch letzteres als Bestandteil des Rechts auf ein faires Verfahren an 96 . Die Frage, ob See. 7 (2) SCCA 97 sowie Rule 5 der Courts of Chiefs and Headmen, die eine rechtliche Vertretung der Parteien vor den Small Claims Courts bzw. Häuptlingsgerichten ausschließen, verfassungswidrig sind, ist bislang noch nicht erörtert worden. Meines Erachtens spricht aber alles dafür, daß die Grundrechtsbeschränkung ange89 De Vos, in: 1997 TSAR 444 (456). 90 Erasmus, in: 1996 Obiter 291 (293); De Vos, in: 1997 TSAR 444 (456). 91 Bereits seit 1813 finden in Südafrika Gerichtsverhandlungen in einer öffentlichen mündlichen Verhandlung statt. Dieses Prinzip, welches sowohl im Supreme Court Act als auch im Magistrates' Court Act seinen Niederschlag gefunden hat, ist nun ausdrücklich in See. 34 Verfassung verankert, die ein Recht auf „a fair public hearing " gewährt. 92 De Vos, in: 1997 TSAR 444 (459). 93 De Vos, in: 1997 TSAR 444 (457); wohl auch Devenish, in: Law of South Africa, Bd. 5 / 3 (1998), S. 13 (69); Rautenbach, in: Law of South Africa, Bd. 10/1 (1998), S. 379 (442). 94 De Vos, in: 1997 TSAR 444 (457). 95 De Vos, in: 1997 TSAR 444 (459). 96 De Vos, in: 1997 TSAR 444 (458). 97 Act No. 61 of 1984.

138

2. Kapitel: Die Effektivität des Zivilrechtsschutzes in Bagatellsachen

sichts ihres Ziels, den Zugang zu den Gerichten für mittellose und schriftungewandte Parteien zu verbessern (Small Claims Courts) bzw. für Schwarze ein Gerichtssystem aufrechtzuerhalten, welches ihren kulturellen Erwartungen entspricht (Häuptlingsgerichte) gem. See. 36 (1) Verfassung gerechtfertigt ist 98 . Für den Kläger ergibt sich ohnehin keine Beschränkung, da ihm alternativ zum Small Claims Court bzw. Häuptlingsgericht auch der Rechtsweg zum Magistrates' Courts offensteht. Auch der Beklagte vor den Häuptlingsgerichten ist nicht unangemessen beschränkt, da er im Falle des Unterliegens Berufung zum Magistrates' Court einlegen kann. Vor diesem wird der Rechtsstreit dann völlig neu verhandelt. Letztlich entfaltet das Vertretungsverbot nur für den Beklagten vor einem Small Claims Court einschränkende Wirkung, da er, wenn einmal vor dem Small Claims Court verklagt, den Rechtsstreit vor diesem ohne Möglichkeit der Berufung führen muß. Da die Rechte der Parteien vor dem Small Claims Courts von Amts wegen durch den Richter, dem ein umfassendes Frage- und Untersuchungsrecht obliegt, berücksichtigt werden müssen, ist ein Vertretungsverbot für beide Parteien vor allem im Hinblick auf die dadurch erzielte Kostenersparnis, zumutbar. (3) Das Recht auf eine Begründung des Urteils Nach Ansicht von De Vos ergibt sich aus dem Recht auf ein faires Verfahren auch ein Recht auf eine zumindest mündliche Begründung des Urteils". Das Recht ist in der gerichtlichen Praxis seit langem anerkannt und hat auch Niederschlag in den Rules of Court gefunden 100. Ein Recht auf eine schriftliche Begründung widerspricht der südafrikanischen Rechtstradition und wird in der Literatur und in der Rechtsprechung nicht erörtert. (4) Das Recht auf Berufung Teilweise wird auch das Recht auf Berufung an zumindest eine höhere Instanz als vom fair-trial-Grundsatz umfaßt angesehen101. Begründet wird dies mit der menschlichen Natur: solange Richter irren könnten, bedürfe es mindestens einer weiteren Kontrollinstanz 102 . Unterstellt man die Existenz dieses Rechts, wäre See. 45 SCCA verfassungswidrig, weil sie das Recht auf „appeal" gegen Entscheidun98 So auch South African Law Commission (Hrsg.), Discussion Paper No. 82, Project 90, Traditional Courts (1999), S. 38 für die Häuptlingsgerichte. 99 De Vos, in: 1997 TSAR 444 (460). 100 Vgl. Regel 39 (16) der Uniform Rules of Court (für die verschiedenen Divisions des Supreme Court) vom 15. 1. 1965 und Regel 30 (1) der Magistrates' Courts Rules of Court vom 21. 6. 1968. ιοί Devenish, in: Law of South Africa, Bd. 5/3 (1998), S. 13 (69); Rautenbach, in: Law of South Africa, Bd. 10/1 (1998), S. 379 (442); De Vos, in: 1997 TSAR 444 (461); aA: Kelbrick, in: International Encyclopedia of Laws, Bd. 2 (1996), S. 19. »02 De Vos, in: 1997 TSAR 444 (461).

Α. Anforderungen an den Rechtsschutz in Bagatellsachen

139

gen des Small Claims Court ausschließt. Das Verfassungsgericht mußte sich mit der Frage der Existenz eines Rechts auf Berufung noch nicht beschäftigen. Bislang hat es nur festgestellt, daß See. 20 (4)(b) Supreme Court Act No. 59 of 1959, der die Möglichkeit der Berufung an den Supreme Court von einer Zulassung durch das Berufungsgericht abhängig macht, keinen Verstoß gegen das Recht auf Zugang zu den Gerichten darstellt 103 . Da sich See. 34 Verfassung eng an Art. 6 (1) EMRK anlehnt und dieser wie auch der allgemeine Justizgewährungsanspruch des Grundgesetzes kein Recht auf einen Instanzenzug garantiert 104 , umfaßt meines Erachtens auch See. 34 Verfassung nicht das Recht auf eine Rechtsmittelinstanz. See. 45 SCCA wäre somit nicht verfassungswidrig. b) Das Recht auf „equality" Sec. 9(1) Verfassung enthält das Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz und gleichen Schutz und Nutzen durch das Gesetz 105 . Für den Prozeß beinhaltet See. 9 (1) Verfassung in Verbindung mit See. 34 Verfassung damit das Gebot prozessualer Waffengleichheit, welches wiederum Bestandteil des Rechts auf rechtliches Gehör und als solches des fair-trial-Grundsatzes ist. Insoweit ergibt sich eine Überschneidung der Schutzbereiche von See. 34 und See. 9(1) Verfassung 106. Versteht man das Recht auf gleiche Möglichkeiten zur Anrufung eines Gericht nicht lediglich formal, sondern im Hinblick auf seine effektive Durchsetzbarkeit, müßte es auch ein Recht auf Prozeßkostenhilfe beinhalten. Es handelte sich dann um ein sozioökonomisches Leistungsrecht bzw. ein sog. Grundrecht der zweiten Generation. In der südafrikanischen Rechtsliteratur besteht allerdings Einigkeit darüber, daß solche Rechte in finanzieller Hinsicht in Südafrika nur sehr eingeschränkt zu verwirklichen sind. Es ist daher - trotz der weiten Beachtung, die die Forderungen der Access-to Justice-Bewegung in Südafrika gefunden haben 107 - davon auszugehen, daß See. 9(1) Verfassung in seinem praktischen Nutzen nicht über die Staatszielbestimmungen anderer Länder hinausgehen w i l l 1 0 8 und kein erzwingbares Recht auf Prozeßkostenhilfe beinhaltet 109 . Ein weiteres - eher theoretisches - Problem stellt sich im Zusammenhang mit den Häuptlingsgerichten. Der Zugang zu diesen Gerichten steht nur Schwarzen >03 Vgl. Besserlik v. Minister of Trade, Industry & Tourism 1996 6 BCLR 745 (CC); 1996 4 SA 331 (CC). Das Urteil erging zu See. 22 der vorläufigen Verfassung, dürfte aber auch hinsichtlich See. 34 Verfassung Bestand haben. >04 Frowein/Peukert, EMRK (2. Aufl. 1996), Art. 6 RN 67 mwN. 105

See. 9 (1) Verfassung lautet: „Everyone is equal before the law and has the right to equal protection and benefit of the law." >06 De Vos , in: 1997 TSAR 444 (456). 107 Vgl. Milton u.a., in: Rights and Constitutionalism (1994), S. 401 (417). Vgl. auch Cappelletti, in: 109 (1992) SALJ 22. io» Grupp, Verfassung (1999), S. 155. 109 McQuoid-Mason, in: The Law of SA, Bd. 14 (1 st Re-issue 1999), S. 207 (213).

140

2. Kapitel: Die Effektivität des Zivilrechtsschutzes in Bagatellsachen

im Sinne von See. 35 des Black Administration Act offen. Man könnte also argumentieren, daß damit ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot der See. 9 (1) Verfassung vorliegt. Anders als Art. 3 Abs. 3 GG kennt die südafrikanische Verfassung aber kein absolutes Diskriminierungsverbot, eine Rechtfertigung der Diskriminierung nach See. 36 (1) Verfassung kommt daher in Betracht. Sie greift meines Erachtens auch ein, da See. 35 des Black Administration Act dazu dient, einer grundsätzlich benachteiligten Bevölkerungsgruppe, der der Zugang zu den ordentlichen Gerichten in der Praxis verschlossen ist, eine effektive Rechtsschutzmöglichkeit, die ihren kulturellen Erwartungen entspricht, zu verschaffen 110 . Da Schwarze nicht gezwungen sind, ihre Klagen vor einem Häuptlingsgericht zu erheben, liegt auch auf dieser Seite keine Diskriminierung vor. Allenfalls könnte man argumentieren, daß der Beklagte in einem Rechtsstreit vor dem Häuptlingsgericht gegenüber dem vor einem ordentlichen Gericht diskriminiert wird. Da aber gegen die Entscheidung eines Häuptlingsgerichts die Berufung an einen Magistrates' Court gegeben ist, der die Sache de novo verhandelt, greift dieser Einwand nicht. 3. Vergleich Der Vergleich zeigt, daß die verfassungsrechtlichen Grundlagen des Rechtsschutzes in Deutschland und Südafrika im wesentlichen identisch sind. Diese Übereinstimmung beruht auf der Tatsache, daß sich die Schöpfer der neuen südafrikanischen Verfassung bei deren Gestaltung auch am deutschen Grundgesetz orientierten. Nach beiden Verfassungen dürfen Bagatellsachen nicht vom gerichtlichen Rechtsschutz ausgeschlossen werden. Grundsätzlich hat der Bürger Anspruch auf eine Entscheidung durch ein staatliches Gericht. Allerdings ist sowohl in Deutschland als auch in Südafrika die Übertragung von Bagatellstreitigkeiten auf Gerichte der Gemeinden, der Häuptlinge oder sonstige nebenamtliche Richter erlaubt. Voraussetzung ist insoweit lediglich, daß der Rechtsschutzsuchende dadurch seinen Anspruch auf ein Verfahren vor einem staatlichen Gericht nicht verliert. Die Richter der Bagatellgerichte müssen nicht juristisch qualifiziert, ihre Unabhängigkeit und Unparteilichkeit aber sichergestellt sein. Auch der Gewaltenteilungsgrundsatz ist zu beachten: Aus diesem Grunde ist die Verknüpfung richterlicher und exekutiver Funktionen in einer Person verboten. Hinsichtlich der Ausgestaltung des Bagatellverfahrens verlangen beide Verfassungen, daß die Wahrnehmung des gerichtlichen Rechtsschutzes nicht durch die konkrete Ausgestaltung des Prozesses unzumutbar erschwert werden darf. Ob dies der Fall ist, kann nur unter Abwägung aller relevanten Umstände im Einzelfall bestimmt werden. Somit kann nicht generell gesagt werden, daß ζ. B. ein Vertretungsverbot oder der Ausschluß einer schriftlichen Begründung des Urteils ,,a priori" verfassungswidrig sind. Zumindest scheint aber eine Differenzierung des Verfahrens nach dem Streitwert von »o Ebenso Bennett, Human Rights (1995), S. 77; South African Law Commission (Hrsg.), Discussion Paper No. 82, Project 90, Traditional Courts (1999), S. 22.

Β. Der Rechtsschutz in zivilrechtlichen Bagatellsachen

141

Verfassungs wegen geboten zu sein. Daneben sehen sowohl die Verfassung Südafrikas als auch die Deutschlands ein Recht auf Waffen- und Chancengleichheit vor. Hieraus läßt sich allerdings kein Anspruch des einzelnen auf Gewährung staatlicher Prozeßkostenhilfe ableiten.

B. Der Rechtsschutz in zivilrechtlichen Bagatellsachen Nachdem die verfassungsrechtlichen Anforderungen an den gerichtlichen Rechtsschutz in Bagatellsachen formuliert wurden, erfolgt an dieser Stelle eine Darstellung und Untersuchung der konkreten Ausgestaltung des Bagatellrechtsschutzes in der Praxis. Bei der Darstellung der Rechtsschutzsysteme Deutschlands (I.) und Südafrikas (II.) sind die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Verhältnisse, auf denen sie beruhen, mitzuberücksichtigen. Daher beginnt die Untersuchung des Rechtsschutzsystems jeweils mit einer kurzen Einführung in die sozioökonomischen Ausgangssituation (1.). Daran anschließend werden die Ausgestaltung des gerichtlichen Rechtsschutzes (2.) sowie die Möglichkeiten der außergerichtlichen Verfolgung von Bagatellansprüchen (3.) geschildert. Abschließend wird die Effektivität des Rechtsschutzes beider Länder in Bagatellsachen vergleichend gewürdigt (ΠΙ.). I. Deutschland Bei der Gründung der Bundesrepublik wurde das überkommene Rechtsschutzsystem übernommen und in der Folgezeit in den Grundzügen unverändert beibehalten. Die Reformen im Bereich des Prozeßrechts konzentrierten sich auf das Regelverfahren. Im Bereich der geringwertigen Streitigkeiten verfolgten sie meist das Ziel der Entlastung der Gerichte. 1. Die sozio-ökonomische Ausgangssituation Deutschland ist gemessen an seinem Pro-Kopf-Bruttonationaleinkommen mit US-$ 25.850 pro Jahr eine der reichsten Nationen der Erde 111 . Seine Bevölkerung von ca. 82,16 Mio. Menschen 112 ist ethnisch vergleichsweise homogen 113 . 111 Zahl aus Statistisches Bundesamt (Hrsg.), Statistisches Jahrbuch für das Ausland 2000 (2000), Tab. 17.3. Die Tabelle ist dem World Bank Atlas 1999 entnommen. Π2 Statistisches Bundesamt (Hrsg.), Statistisches Jahrbuch 2000 (2000), Tab. 3.1 und 3.4. Die Zahlen beziehen sich auf den Stichtag 31. 12.1999. n 3 Der Anteil der Ausländer an der Gesamtbevölkerung beläuft sich auf ca. 9%, Statistisches Bundesamt (Hrsg.), Datenreport 1999 (2000), Tab. 13. Die Zahl bezieht sich auf den Stichtag 31.12.1997. Seitdem hat der Anteil der ausländischen Bevölkerung geringfügig abgenommen, vgl. Statistisches Bundesamt (Hrsg.), Statistisches Jahrbuch 2000 (2000), Tab. 3.21.

142

2. Kapitel: Die Effektivität des Zivilrechtsschutzes in Bagatellsachen

Das Niveau der schulischen114 und beruflichen 115 Bildung ist grundsätzlich hoch, die Arbeitslosenquote im internationalen Vergleich niedrig: im Jahre 1999 lag sie insgesamt bei 11,7% 116 . Auch wenn diese Zahlen insgesamt das Bild von einer wohlhabenden Gesellschaft zeichnen, dürfen sie nicht darüber hinwegtäuschen, daß soziale Ungleichheit und relative Armut auch in Deutschland existieren. Dies zeigen die sog. „Armutsquoten": Danach mußten 7,9% der deutschen Bevölkerung im Jahre 1997 mit nicht mehr als 40% des durchschnittlichen Monatseinkommens der Gesamtbevölkerung 117 (sog. „strenge Armut") auskommen, 13,6% mit nicht mehr als 50% (sog. „Armut") sowie 36,4% mit nicht mehr als 75% (sog. „prekärer Wohlstand") 118 . Auf die Haushalte bezogen, standen 18,4% der Haushalte ein monatliches Nettoeinkommen von weniger als DM 1800 (Euro 920,33) zur Verfügung 119. Auch die Zahl der Analphabeten ist in Deutschland nicht gering. Nach Schätzung des Bundesverbandes Alphabetisierung gab es 1995 ca. 4 Millionen primäre und sekundäre erwachsene Analphabeten120. Angesichts dieser Zahlen wird deutlich, daß auch in einer wohlhabenden Nation wie Deutschland ein Bedürfnis für Bagatellverfahren besteht, die für die Parteien leicht verständlich sind und mögliche soziale Unterschiede zwischen ihnen ausgleichen.

2. Zivilgerichtlicher

Rechtsschutz in Bagatellsachen

Für die konkrete Ausgestaltung eines Rechtsschutzsystems ist zunächst die Kenntnis des Gerichtsaufbaus (a) erforderlich. Danach werden die in geringwertigen Streitigkeiten von den Gerichten angewendeten Verfahren geschildert. Die ziU4 Von den im April 1998 über 15 Jahre alten Personen (ca. 69,28 Millionen) befanden sich 4,5% noch in schulischer Ausbildung, 48,7% hatten einen Hauptschulabschluß, 8,4% den Abschluß einer polytechnischen Oberschule, 17,3% einen Realschulabschluß, 18,1% die Fachhochschul- oder Hochschulreife. Die übrigen Befragten machten keine Angaben oder besaßen keinen Schulabschluß, Statistisches Bundesamt (Hrsg.), Datenreport 1999 (2000), S. 77, Tab. 17. 1,5 Hinsichtlich der beruflichen Qualifikation hatten von den im April 1998 über 15 Jahre alten Personen 52,7% eine Lehr- oder Anlernausbildung absolviert bzw. befanden sich in derselben, 6,1 % besaßen einen Fachschulabschluß, 1,6% einen Fachschulabschluß in der ehemaligen DDR, 4,1% einen Fachhochschulabschluß und 6,8% einen Hochschulabschluß. Die übrigen Befragten machten keine Angaben oder besaßen keinen beruflichen Abschluß, Statistisches Bundesamt (Hrsg.), Datenreport 1999 (2000), S. 78, Tab. 18. U6 Statistisches Bundesamt (Hrsg.), Statistisches Jahrbuch 2000 (2000), Tab. 6.13. 1,7 Das durchschnittliche monatliche Haushaltsnettoeinkommen lag 1997 bei DM 2001 (Euro 1023,10), Statistisches Bundesamt (Hrsg.), Datenreport 1999 (2000), S. 584, Tab. 2.

»8 Statistisches Bundesamt (Hrsg.), Datenreport 1999 (2000), S. 591, Tab. 8. Statistisches Bundesamt (Hrsg.), Datenreport 1999 (2000), S. 113, Tab. 1. 120 Rottleuthner, in: NJW 1996, 2473 (2475); Sojitrawalla, in: FAZ vom 17. 7. 1999, S. 10. Zu den primären gehören diejenigen Personen, die überhaupt nicht, zu den sekundären solche, die nicht ausreichend lesen und schreiben können.

Β. Der Rechtsschutz in zivilrechtlichen Bagatellsachen

143

vilgerichtliche Erledigung von Bagatellstreitigkeiten erfolgt in Deutschland vor allem durch die Amtsgerichte. Nach der hier vertretenen Auffassung vom Begriff der Bagatellsache, der sich an der Bedeutung der Streitigkeit für die Parteien orientiert, zählen auch geringwertige Lohnstreitigkeiten zu den Bagatellsachen, soweit nicht zugleich über den Bestand des Arbeitsverhältnisses gestritten wird. Neben den in geringwertigen Streitigkeiten vor den Amtsgerichten durchgeführten Verfahrensarten (b) werden somit auch die Verfahren, die vor den Arbeitsgerichten Anwendung finden, kurz dargestellt (c).

a) Der Gerichtsaufbau Der Instanzenzug in Zivilsachen ist grundsätzlich dreistufig. Eingangsgerichte sind die Amtsgerichte und die Landgerichte, Berufungsgerichte die Landgerichte und die Oberlandesgerichte, Revisionsinstanz die Oberlandesgerichte und der Bundesgerichtshof mit Sitz in Karlsruhe 121 . Für arbeitsrechtliche Streitigkeiten existiert ein gesonderter Rechtsweg. Eingangsinstanz sind hier die Arbeitsgerichte, Berufungsinstanz die 16 Landesarbeitsgerichte, Revisionsgericht ist das Bundesarbeitsgericht in Erfurt. Zwar gibt es im deutschen Prozeß keinen Rechtssatz, der es einem Richter zwingend vorschreibt, daß er an die Entscheidung eines obersten Gerichts gebunden sei. In der Praxis genießen höchstrichterliche Entscheidungen aber größten Respekt, und offene Abweichungen davon durch unterinstanzliche Gerichte sind sehr selten 122 . Im Rahmen der ordentlichen Gerichtsbarkeit werden Bagatellsachen nahezu ausschließlich durch ein dichtes Netz von bundesweit 706 Amtsgerichten 123 entschieden, da diese gem. § 23 Nr. 1 GVG für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten über Ansprüche mit einem Streitwert von bis zu 10.000 DM (Euro 5112,92) zuständig sind 124 , wenn sie nicht ohne Rücksicht auf den Streitwert dem Landgericht oblie-

121 Gem. Art. 92, 95 GG sind die Rechtsprechungsaufgaben zwischen dem Bund und den Ländern horizontal aufgeteilt. Die obersten Gerichtshöfe eines jeden Rechtszuges (ordentliche, Verwaltungs-, Finanz-, Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit) sind Bundesgerichte, die übrigen Gerichte sind Einrichtungen der Länder. 122 Zweigert / Kötz, Rechtsvergleichung (3. Aufl. 1996), S. 256 weist daraufhin, daß somit kein nennenswerter Unterschied zwischen der „Doctrine of stare decisis" des Common Law und der Praxis der kontinentalen Gerichte besteht. >23 Am Stichtag 31. 12. 1997, Statistisches Bundesamt (Hrsg.), Fachserie 10, Reihe 1, Jahrgang 1997 (1999), S. 7; BT-Drucks. 14/3750, S. 37. Bei einer Gesamtfläche der Bundesrepublik von 357.022,17 km 2 sind die Amtsgerichtsbezirke damit durchschnittlich ca. 505 km 2 groß. 124

Daneben ist das Amtsgericht ohne Rücksicht auf den Streitwert gem. § 23 Nr. 2 GVG u. a. für alle Ansprüche aus einem Mietverhältnis über Wohnraum oder über den Bestand dieses Mietverhältnisses und gem. § 23a GVG für Streitigkeiten in Familiensachen zuständig. Für letztere bestehen bei den Amtsgerichten gem. § 23b GVG gesonderte Abteilungen für Familiensachen (sog. Familiengerichte).

144

2. Kapitel: Die Effektivität des Zivilrechtsschutzes in Bagatellsachen

gen 1 2 5 . Da die Berufung gegen die Urteile der Amtsgerichte gem. § 511a Abs. 1 ZPO nur zulässig ist, wenn der Wert der Beschwer DM 1500 (Euro 766,94) übersteigt, bilden die Amtsgerichte in Bagatellsachen zugleich die einzige Instanz. Der Anteil der Bagatellsachen an allen Amtsgerichtsprozessen beträgt ca. 40% 1 2 6 . Dabei sind Streitigkeiten zwischen Nachbarn und Familienmitgliedern relativ selten 1 2 7 ; bei der überwiegenden Mehrheit der Fälle handelt es sich um Konflikte zwischen Dienstleistern und Verbrauchern (sog. Konsumentenstreitigkeiten) 128. Geringwertige Lohnklagen aus Arbeitsvertrag gelangen nicht vor die Amtsgerichte: Arbeitsrechtliche Streitigkeiten werden durch die bundesweit 123 Arbeitsgerichte 129 erledigt 130 .

b) Bagatellsachen vor den Amtsgerichten Die überwiegende Zahl von Bagatellforderungen wird im Mahnverfahren (aa) beigetrieben; für streitige Kleinansprüche steht das Urteilsverfahren (bb) zur Verfügung, an dessen Gesamtaufkommen die Bagatellsachen bis zu DM 1500 (Euro 766,94) immerhin einen Anteil von ca. 40% haben 131 . Von eher geringer praktischer Bedeutung ist das sog. vereinfachte Verfahren gem. § 495a ZPO (cc). Die Verfahren der Amtsgerichte (Familiengerichte) in Familiensachen132 und auf dem Gebiet der freiwilligen Gerichtsbarkeit 133 bleiben in dieser Arbeit außer Betracht. Die Familiensachen stellen nach der hier vertretenen Auffassung auch bei einem geringen Streitwert wegen ihrer Bedeutung für den Betroffenen keine Bagatellsa125 Gem. § 71 Abs. 2 GVG sind dies Ansprüche, die aufgrund der Beamtengesetze gegen den Fiskus erhoben werden und Ansprüche gegen Richter und Beamte wegen Überschreitung ihrer amtlichen Befugnisse oder wegen pflichtwidriger Unterlassung von Amtshandlungen. 126 BT-Ducks. 13/6398, S. 19 für 1991; Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministerium der Justiz vom 31. 7. 1996, in: Bayerisches Ministerialblatt 1996, S. 93 (95). 1 27 Ihr Anteil am Geschäftsanfall beträgt nur ca. 1%, vgl. Wollschläger, in: Methoden (1991), S. 13(90). i 2 » Röhl, in: Small Claims Courts (1990), S. 167 (178). ™ Am Stichtag 31. 12. 1997, Statistisches Bundesamt (Hrsg.), Fachserie 10, Reihe 1, Jahrgang 1997 (1999), S. 7. ,3 ° Die Arbeitsgerichte haben gem. §§ 2, 8 Abs. 1 ArbGG eine umfassende ausschließliche Zuständigkeit in allen erstinstanzlichen arbeitsrechtlichen Streitigkeiten. Der ganz überwiegende Teil ihrer Tätigkeit besteht in der Entscheidung von Arbeitnehmerklagen wegen Kündigung, auf Arbeitslohn etc. Im Jahre 1997 wurden 637.486 Klagen von Arbeitnehmern und 21.373 Klagen von Arbeitgebern anhängig gemacht, Statistisches Bundesamt (Hrsg.), Fachserie 10, Reihe 1, Jahrgang 1997 (1999), S. 11. 131 BT-Ducks. 13/6398, S. 19 für 1991; Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministerium der Justiz vom 31. 7. 1996, in: Bayerisches Ministerialblatt 1996, S. 93 (95). ,32 Eine übersichtliche Darstellung des Verfahrens in Familiensachen findet sich bei Schellhammer, Zivilprozeß (8. Aufl. 1999), S. 855 ff. 133 Hierher gehören ζ. B. die Nachlaß- und Wohnungseigentumssachen.

Β. Der Rechtsschutz in zivilrechtlichen Bagatellsachen

145

chen dar 1 3 4 , die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit sind zahlenmäßig zu vernachlässigen. In den beiden zuletzt genannten Bereichen finden sich zudem keine Sondervorschriften für die Behandlung geringwertiger Streitigkeiten. aa) Das Mahnverfahren Das Mahnverfahren ist kein Streitverfahren, sondern ein unstreitiges Verfahren, welches dem Geldgläubiger ohne mündliche Verhandlung und ohne Urteil schnell einen Vollstreckungstitel verschaffen soll. Während das Mahnverfahren, wie im ersten Kapitel gezeigt, früher teilweise auf Bagatellforderungen beschränkt war, gilt es heute aufgrund seiner Effizienz ohne Streitwertbegrenzung. Der Geldgläubiger kann zwischen Klage und Mahnantrag frei wählen 135 . Das Mahn verfahren wählt er dann, wenn der Schuldner sich gegen die Forderung voraussichtlich nicht wehren wird. Denn sobald der Schuldner Widerspruch gegen den Mahnbescheid oder Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid erhebt, geht das Mahnverfahren in das streitige Urteilsverfahren über und ist dann nur eine besondere Art des Prozeßbeginns 136 . In der Praxis finden wesentlich mehr Streitigkeiten durch das Mahn verfahren als durch das Urteilsverfahren Erledigung 137 . Bei den Bagatellstreitigkeiten ist der Anteil der Mahn verfahren besonders hoch 138 . Die Amtsgerichte werden so von einem großen Teil einfach zu erledigender bzw. geringfügiger Forderungen entlastet139. Das Mahnverfahren beginnt mit dem Mahnantrag gem. § 690 ZPO 1 4 0 . Begründen muß der Gläubiger seinen Anspruch nicht. Die Inanspruchnahme eines Anwalts ist somit selbst in schwierigen Fällen überflüssig. Das Verfahren ist aber aufgrund der geringeren Gerichtsgebühren selbst dann noch kostengünstiger, wenn der Gläubiger sich einen Anwalt nimmt 1 4 1 . Einfacher als das Urteilsverfahren ist >34 Leipold, in: Humane Justiz (1977), S. 91 (93). 135

Das Mahn verfahren steht nach § 688 Abs. 1 und 2 ZPO aber nur bei unbedingten, fälligen Geldforderungen in Euro oder DM offen, die nicht von einer Gegenforderung abhängen; ausgeschlossen sind Ansprüche aus hochverzinslichen Verbraucherkrediten. 136 Schellhammer, Zivilprozeß (8. Aufl. 1999), S. 802. 137

Vor den bayerischen Amtsgerichten wurden 1995 1.453.089 Mahnverfahren, aber lediglich 203.438 Urteil s verfahren durchgeführt, wobei den Urteilsverfahren in 45,1% der Fälle ein Mahn verfahren vorausgegangen war, vgl. Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministerium der Justiz vom 31.7. 1996, in: Bayerisches Ministerialblatt 1996, S. 93 (95 f.). Das Verhältnis der Mahnverfahren zu den Urteilsverfahren beträgt damit ca. 7:1. «38 Nach Angaben bei Leipold, in: Humane Justiz (1977), S. 91 (95) ging 1975 in ca. 70% aller Urteilsverfahren unter einem Streitwert von DM 500 ein Mahnverfahren voraus, in höherwertigen Streitigkeiten aber nur in 55,5% der Fälle. 139 Röhl, in: Small Claims Courts (1990), S. 167 (172), weist darauf hin, daß sich das Mahnverfahren in Deutschland allgemeiner Anerkennung erfreut. 140 Dieser besteht in einem amtlichen Vordruck, in dem der Gläubiger die Parteien und deren Vertreter, das Mahngericht, das zuständige Prozeßgericht und den Anspruch bezeichnen muß. 10 Engbers

146

2. Kapitel: Die Effektivität des Zivilrechtsschutzes in Bagatellsachen

das Mahnverfahren, weil der Gläubiger den Mahnantrag beim Amtsgericht seines allgemeinen Gerichtsstandes stellen darf, eine Klage müßte er hingegen zumeist am Gerichtsstand des Schuldners erheben 142. Ist der Mahnantrag richtig erhoben, also zulässig, erläßt der Rechtspfleger des Mahngerichts ohne vorherige Anhörung des Schuldners den beantragten Mahnbescheid (§§ 692 ZPO, 20 Nr. 1 RPflG) und stellt ihn dem Schuldner zu (§ 693 ZPO). Die Schlüssigkeit des Mahnantrags prüft er nicht 1 4 3 . Geht innerhalb von zwei Wochen ein Widerspruch gegen den Mahnbescheid ein, gibt er den Rechtsstreit auf Antrag 144 an das angegebene Prozeßgericht ab 1 4 5 . Legt der Schuldner hingegen nicht rechtzeitig Widerspruch ein, verfügt der Rechtspfleger auf Antrag des Gläubigers umgehend den Erlaß eines Vollstrekkungsbescheids nach Vordruck (§§ 699, 703c Abs. 2 ZPO). Dieser wird mit Ablauf der zweiwöchigen Einspruchsfrist rechtskräftig und steht einem Versäumnisurteil gleich (§ 700 Abs. 1 ZPO). Mit dem Mahnverfahren steht dem Gläubiger einer unbestrittenen Geldforderung somit eine schnelle und kostengünstige Möglichkeit zur Verfügung, einen rechtskräftigen, vollstreckbaren Titel zu erlangen. bb) Das Urteilsverfahren Das Urteilsverfahren findet Anwendung, wenn der Schuldner gegen den Mahn- oder Vollstreckunsbescheid Widerspruch bzw. Einspruch eingelegt hat, sowie dann, wenn der Gläubiger sofort Klage erhoben hat, weil er damit rechnet, daß die Forderung vom Schuldner bestritten wird. Da § 495 ZPO für den Amtsgerichtsprozeß pauschal auf die Vorschriften über den Landgerichtsprozeß verweist 146 , sind die rechtlichen Unterschiede zwischen dem Urteilsverfahren des 141

Das Mahnverfahren kostet nur eine halbe Gerichtsgebühr (Kostenverzeichnis Nr. 1100), das Klageverfahren hingegen drei Gerichtsgebühren (KostenVerzeichnis Nr. 1201). Für den Anwalt ist das Mahnverfahren attraktiv, da er hieran bei geringerem Arbeitsaufwand genauso viel verdient wie am unstreitigen Klageverfahren bis zum Versäumnisurteil: dort eine volle Gebühr für den Mahnantrag und eine halbe Gebühr für den Antrag auf Vollstreckungsbescheid (§ 43 Abs. 1 Nr. 1 und 3 BRAGO), hier eine volle Prozeß- und eine halbe Verhandlungsgebühr (§§ 31 Abs. 1 Nr. 1, 33 Abs. 1 Satz 1 BRAGO). 142 Legt der Schuldner Widerspruch gegen den Mahnbescheid oder Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid ein, gibt der Rechtspfleger des Mahngerichts das Verfahren freilich an das zuständige Prozeßgericht ab, Schellhammer, Zivilprozeß (8. Aufl. 1999), S. 803. 143 Da der Mahnantrag nicht begründet ist, wäre er hierzu auch gar nicht in der Lage. 144 Der Antrag auf Durchführung eines streitigen Verfahrens bei Widerspruch wird zumeist bereits im Mahnantrag gestellt (vgl. § 696 Abs. 1 Satz 2 ZPO). 145 Das Mahngericht ist das Amtsgericht, bei dem der Gläubiger seinen allgemeinen Gerichtsstand hat. Demgegenüber ist das für die Durchführung eines streitigen Prozesses zuständige Gericht (Prozeßgericht) in der Regel das, bei dem der Schuldner seinen allgemeinen Gerichtsstand hat, vgl. Schellhammer, Zivilprozeß (8. Aufl. 1999), S. 803. Vor dem Prozeßgericht wird dann das unten beschriebene Urteilsverfahren durchgeführt. 146 Entgegen der tatsächlichen Verhältnisse sieht die ZPO im Landgerichtsprozeß die Regel und im Amtsgerichtsprozeß die Ausnahme, denn sie regelt den Landgerichtsprozeß mit den §§ 253-484 ZPO in allen Einzelheiten, den Amtsgerichtsprozeß mit den §§ 495510b ZPO nur bruchstückhaft.

Β. Der Rechtsschutz in zivilrechtlichen Bagatellsachen

147

Amtsgerichts und dem des Landgerichts gering 147 . Der historische Prozeß der Verfahrensvereinheitlichung wirkt damit bis heute fort. Sieht man von den unten dargestellten Vereinfachungsmöglichkeiten der §§ 128 Abs. 3, 313a Abs. 1, 495a ZPO ab, wird im Amtsgerichtsprozeß nicht nach dem Streitwert der Sache differenziert. Somit findet das im folgenden beschriebene, stark formalisierte und überwiegend schriftlich geführte Urteilsverfahren in Streitigkeiten mit einem Streitwert in Höhe von DM 1000 (Euro 511,29) genauso Anwendung wie bei einem Streitwert von DM 10.000 (Euro 5112,92). Einer der Hauptunterschiede zwischen dem Landgerichts- und dem Amtsgerichtsprozeß besteht darin, daß man vor dem Amtsgericht grundsätzlich keinen Anwalt braucht 148 . In der Praxis lassen sich allerdings auch vor den Amtsgerichten die meisten Parteien anwaltlich vertreten 149 . Dies gilt trotz der schlechten Prozeßökonomie sogar in Bagatellsachen150. Die Verfahrenslänge vor den Amtsgerichten ist im internationalen Vergleich gering151; 77% der anhängigen Klagen werden innerhalb von sechs Monaten und 94% innerhalb eines Jahres erledigt 152 . Die durchschnittliche Verfahrensdauer beträgt 3,2 Monate bzw. bei Verfahren, die mit streitigem Urteil enden (ca. 30%), 5,1 Monate 153 . Im Einzelfall kann der Prozeß natürlich wesentlich länger dauern 154 . Die Verfahrenskosten richten sich in Deutschland nicht nach dem tatsächlichen Arbeitsaufwand, sondern nach dem Streitwert der Sache. Dies gilt sowohl für die Ge147 Röhl in: Small Claims Courts (1990), S. 167 (173). 148 Anwaltszwang herrscht nur in Ehesachen und einigen anderen Familiensachen (§ 78 Abs. 2 ZPO). 149 Vor den bayerischen Amtsgerichten waren 1995 in 45,1% der Fälle beide Parteien, in 46,4% der Fälle eine Partei und nur in 8,5% der Fälle keine Partei vertreten, vgl. Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministerium der Justiz vom 31.7. 1996, in: Bayerisches Ministerialblatt 1996, S. 93 (95). 150 Wollschlägen in: Methoden (1991), S. 13 (60); Rottleuthner, in: NJW 1996, 2473 (2475) stellte bei seiner Untersuchung der Anwendung des § 495a ZPO fest, daß in Bagatellverfahren unter einem Streitwert von DM 1.200 (Euro 613,55) in 50% der untersuchten Fälle beide Parteien, in 38% der Fälle zumindest eine Partei (zumeist der Kläger) und in nur 12% der Fälle keine Partei anwaltlich vertreten war. 151 Röhl, in: Small Claims Courts (1990), S. 167 (168). 152 Statistisches Bundesamt (Hrsg.), Fachserie 10, Reihe 1, Jahrgang 1997 (1999), S. 8. Die durchschnittliche Verfahrensdauer in erstinstanzlichen Zivilsachen ist seit 1991 angestiegen. Das Bundesjustizministerium führt dies auf den hohen Erledigungsdruck bei den Amtsgerichten zurück und plant eine personelle Stärkung der Amtsgerichte, vgl. BT-Drucks. 14/3750, S. 37. '53 Da die amtliche Statistik nicht nach Streitwerten untergliedert ist, sagt sie über die Verfahrenslänge in Bagatellsachen nichts aus. Nach den Zahlen bei Wollschlägen in: Methoden (1991), S. 13 (63) besteht zwar ein Zusammenhang zwischen Streitwerthöhe und Erledigungsdauer, allerdings werden Bagatellstreitigkeiten auch nach den dortigen Zahlen nur wenig schneller als höherwertige Streitigkeiten beendet. 154 y o r allem bei zahlreichen Großstadt-Amtsgerichten kann aufgrund der hohen Arbeitsbelastung nicht zeitnah terminiert werden. Für Prozeßverschleppungen sind aber oft auch die Parteivertreter verantwortlich, die durch Fristverlängerungsanträge und Terminsverschiebungen den Ausgang des Prozesses verzögern. 1*

148

2. Kapitel: Die Effektivität des Zivilrechtsschutzes in Bagatellsachen

richts- als auch für die Anwaltsgebühren, deren Höhe in GKG und BRAGO gesetzlich festgelegt ist 1 5 5 . Bei geringen Streitwerten sind die Verfahrenskosten zwar oft niedriger, als es der Arbeitsaufwand des Gerichts und der Rechtsanwälte rechtfertigen würde. Trotzdem ist das Urteilsverfahren der Amtsgerichte aus Kostengründen für die Erledigung von Bagatellsachen wenig geeignet 156 . Dies gilt zumindest, wenn auf beiden Seiten Anwälte beteiligt sind: Allein die Gerichts- und Anwaltsgebühren belaufen sich dann bei einem Streitwert von DM 500 (Euro 255,65) auf DM 578 (Euro 295,53) 157 . Bei einem Streitwert von DM 1000 (Euro 511,29) entstehen Kosten von DM 916,40 (Euro 468,55) 158 ; zuzüglich etwaiger Auslagen für Zeugen und/oder Sachverständige können diese Kosten also leicht die Höhe der im Streit stehenden Forderung übersteigen 159. In einem solchen Fall wird aber das Kostenargument - zumindest dann, wenn die Partei nicht rechtsschutzversichert ist - häufig dazu führen, daß sie auf die gerichtliche Geltendmachung ihrer Bagatellforderung verzichtet. Dem Recht auf Waffen- und Chancengleichheit wird seit dem 1. 1. 1981 dadurch Rechnung getragen, daß für bedürftige Parteien die Möglichkeit der Gewährung staatlicher Prozeßkostenhilfe (PKH) besteht 160 . Wird PKH gewährt 161 , ordnet das Gericht der bedürftigen Partei einen Anwalt ihrer Wahl bei, im Anwaltsprozeß stets, im Parteiprozeß meistens162. Die Gerichtskosten Vorschüsse und Anwaltshonorare werden ihr von der Staatskasse vorgestreckt, sind in der Regel aber zurückzuerstatten. In der Praxis spielt die PKH keine allzu große Rolle: Nur in ca. 5% der Amtsgerichts verfahren wird PKH bewilligt 163 . 155 Die deutschen Zivilgerichtsbarkeit trägt sich durch die Erhebung von Gerichtsgebühren zu ca. 50% selbst, Peters, in: AnwBl. 1997, S. 531. 156 BT-Drucks. 13/6398, S. 19; Röhl, in: Small Claims Courts (1990), S. 167 (177).

157 Gem. § 11 Abs. 2 GKG sind zunächst drei Gerichtsgebühren in Höhe von insgesamt DM 150 (Euro 76,69) anzusetzen. Die beiden Rechtsanwälte bekommen bei streitiger Verhandlung mit Beweisaufnahme gem. § 31 Abs. 1 BRAGO jeder drei Gebühren in Höhe von insgesamt ebenfalls DM 150 (Euro 76,69) jeweils zuzüglich DM 24 (Euro 12,27) Umsatzsteuer sowie einer Auslagenpauschale von DM 40 (Euro 20,45). 158 Der Betrag setzt sich zusammen aus drei Gerichtsgebühren in Höhe von insgesamt DM 210 (Euro 107,37) sowie zweimal drei Anwaltsgebühren (jeweils insgesamt DM 270 bzw. Euro 138,05, zusammen also DM 540 bzw. Euro 276,10) zuzüglich zweimal DM 43,20 (Euro 22,09) Umsatzsteuer und zwei Auslagenpauschalen à DM 40 (Euro 20,45). 159 Vgl. auch die Modell-Rechnung in BT-Drucks. 13/6398, S. 19. 160 Vor Inkrafttreten des Gesetzes über die PKH vom 13. 6. 1980 (in: BGBl. 1980 I, S. 677) konnten Unbemittelte nach den Vorschriften des sog. „Armenrechts" Kostenbefreiung erhalten. 161 Die Gewährung von PKH erfolgt auf Antrag beim Prozeßgericht gem. § 114 ZPO unter drei Voraussetzungen: Die Rechtsverfolgung bzw. -Verteidigung muß Erfolg versprechen, die Partei muß bedürftig sein und ihre Prozeßführung darf nicht mutwillig erscheinen. Die Frage der Bedürftigkeit wird gem. § 115 ZPO nach einer Tabelle berechnet. 162 Schellhammer, Zivilprozeß (8. Aufl. 1999), S. 775. 163 Vgl. für die bayerischen Amtsgerichte: Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministerium der Justiz vom 31.7. 1996, in: Bayerisches Ministerialblatt 1996, S. 93 (95). Die

Β. Der Rechtsschutz in zivilrechtlichen Bagatellsachen

149

(1) Klageerhebung Das ordentliche Verfahren beginnt mit einem Mahnantrag 164 oder der Klage. Die Klageschrift wird dem Beklagten wie alle sonstigen Schriftsätze und verfahrensleitenden Beschlüsse von Amts wegen durch die Geschäftsstelle des Gerichts zugestellt 165 . Wie auch in den meisten historischen Bagatellverfahren üblich kann die Klage zum Zwecke der Vereinfachung der Klageerhebung für unvertretene schriftungewandte Parteien vor dem Amtsgericht auch mündlich zu Protokoll der Geschäftsstelle angebracht werden (§§ 496, 498 ZPO); in der Praxis hat diese Vorschrift jedoch keinerlei Bedeutung mehr 166 . In einigen Bundesländern ist der Zugang zu den Amtsgerichten in Bagatellsachen neuerdings beschränkt: Eine Klage in vermögensrechtlichen Streitigkeiten über Ansprüche mit einem Streitwert von bis zu D M 1500 (Euro 766,94) 167 , über Ansprüche aus Nachbarrecht sowie aus nicht in Presse oder Rundfunk begangener Ehrverletzung vor den Amtsgerichten kann nur unter Vorlage der Bescheinigung einer Gütestelle über einen erfolglosen Einigungsversuch erhoben werden 168 . Damit wird in Anlehnung an frühere Bagatellverfahren der Gütegedanke in geringwertigen Streitigkeiten wieder stärker betont und eine Entlastung der Amtsgerichte von den vermeintlich unbedeutenden Bagatellsachen bezweckt. (2) Vorverfahren Der Rechtsstreit soll zur Verfahrensbeschleunigung gem. § 272 Abs. 1 ZPO in einem einzigen, umfassend vorbereiteten Termin zur mündlichen Verhandlung, dem sog. Haupttermin, erledigt werden 169 . Wie im ersten Kapitel dargelegt, veramtliche Statistik ist nicht nach Streitwerten untergliedert; es läßt sich daher nicht sagen, ob die Zahl der Bewilligungen von PKH in geringwertigen Streitigkeiten überdurchschnittlich hoch oder niedrig ist. 164 Bei den bayerischen Amtsgerichten ging 1995 45,1% der erledigten Verfahren ein Mahn verfahren voraus, vgl. Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministerium der Justiz vom 31.7. 1996, in: Bayerisches Ministerialblatt 1996, S. 93 (95). 165 Die Zustellung durch die Parteien ist heute nur noch zur Einleitung der Zwangsvollstrekkung (§ 750 Abs. 1 ZPO), zur Zustellung von Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen wegen Geldforderungen (§ 829 Abs. 2 Satz 1 ZPO) sowie auf Antrag bei Vollstreckungsbescheiden (§ 699 Abs. 4 Satz 1 ZPO) zulässig, vgl. Schwab, in: Humane Justiz (1977), S. 29 (37). 166 Nach Röhl, in: Small Claims Courts (1990), S. 167 (173) wird in ca. 1% der Fälle mündlich Klage erhoben. 167 In Nordrhein-Westfalen beträgt die Grenze entsprechend § 495a ZPO nur DM 1200 (Euro 613,55), vgl. § 10 Nr. 1 des nordrhein-westfälischen Gütestellen- und Schlichtungsgesetzes (NWGüSchlG). 168 Die ordnungsgemäße Durchführung des Güteverfahrens ist Prozeßvoraussetzung, Baumbach u. a. / Albers, ZPO (59. Aufl. 2000), Vor § 253 RN 49. Zu Einzelheiten siehe unten. 169 Das Vorverfahren ist insgesamt darauf angelegt, daß die Parteien den gesamten relevanten Prozeßstoff dem Gericht und dem Gegner rechtzeitig mitteilen: für ihr Vorbringen werden ihnen daher vom Gericht prozessuale Fristen gesetzt.

150

2. Kapitel: Die Effektivität des Zivilrechtsschutzes in Bagatellsachen

folgten bereits zahlreiche rechtshistorische Bagatellverfahren dieses Konzentrationsziel 170 . In der Praxis überwiegt vor den Amtsgerichten die Vorbereitung der Hauptverhandlung durch einen sog. „frühen ersten Termin zur mündlichen Verhandlung" 171 . Das rein schriftliche Vorverfahren kommt vor den Amtsgerichten hingegen nur selten zur Anwendung 172 . Vor allem, wenn - wie häufig in Bagatellsachen173 - eine der beiden Parteien nicht anwaltlich vertreten ist, bestimmt der Richter einen frühen ersten Termin, weil er in diesem seine Fürsorgepflicht gegenüber der nicht vertretenen Partei gem. § 139 ZPO besser als in einem schriftlichen Vorverfahren erfüllen kann 174 . Zur Vorbereitung des frühen ersten Termins fordert der Richter den Beklagten in den allermeisten Fällen auf, innerhalb bestimmter Frist auf die ihm zugestellte Klage schriftlich zu erwidern (§ 275 Abs. 1 Satz 1 ZPO) 1 7 5 . Damit überwiegt auch bei der Durchführung eines frühen ersten Termins die laienunfreundliche Schriftlichkeit des Verfahrens. Zwar kann gem. § 496 ZPO die Klageerwiderung vor den Amtsgerichten wie schon die Klage auch mündlich zu Protokoll der Geschäftsstelle angebracht werden 176 . In der Praxis geschieht dies jedoch sehr selten, da das deutsche Amtsgerichtsverfahren insgesamt - auch in Bagatellsachen - auf eine schriftliche Vorbereitung durch Rechtsanwälte ausgerichtet ist 1 7 7 . Insoweit ist also eine Abkehr von der jahrhundertelangen Tradition der mündlichen, formfreien Bagatellverfahren erfolgt. 170

Vgl. nur das preußische Bagatelledikt von 1739, das Bagatellverfahren des Codex Fridericiani Marchici, den Bagatellprozeß der preußischen VO von 1833 sowie das sächsische „Gesetz über das Verfahren über ganz geringe Civilansprüche" von 1839. 171

Manchmal werden in sog. „Sammelterminen" an einem einzigen Vormittag 20-30 Sachen verhandelt, die Prozeßerledigung aber von Termin zu Termin aufgeschoben, vgl. Schellhammer, Zivilprozeß (8. Aufl. 1999), S. 762. 172 Beim schriftlichen Vorverfahren wird dem Beklagten die Klageschrift unverzüglich mit der Aufforderung zugestellt, binnen zwei Wochen seine Verteidigungsbereitschaft, sofern vorhanden, anzuzeigen und - falls sie besteht - binnen mindestens weiterer zwei Wochen eine Klageerwiderung einzureichen (§ 276 Abs. 1 und 2 ZPO). Unterläßt der Beklagte die Anzeige seiner Verteidigungsbereitschaft, so entscheidet das Gericht auf Antrag des Klägers ohne mündliche Verhandlung allein aufgrund des Klagevorbringens (§ 331 Abs. 3 ZPO). Dadurch wird eine Verschleppung des Prozesses durch mangelnde Förderung des Prozesses durch die Parteien verhindert. Leistet der Gegner den Anordnungen des Gerichts hingegen Folge, so bestimmt der Richter nach hinreichender schriftlicher Vorbereitung den Haupttermin (§ 272 Abs. 3 ZPO). 173 In Bagatellstreitigkeiten unter einem Streitwert von DM 1200 (Euro 613,55) sind nur in 50% der Fälle beide Parteien anwaltlich vertreten, Rottleuthner, in: NJW 1996,2473 (2475). "4 Schellhammer, Zivilprozeß (8. Aufl. 1999), S. 762. 175

Der deutsche Zivilprozeß stellt damit in der praktischen Ausgestaltung ein Mischsystem dar, in dem die mündliche Hauptverhandlung sogar dann, wenn ein früher erster Termin zur mündlichen Verhandlung stattfindet, durch den Austausch von Schriftsätzen vorbereitet wird, Schwab, in: Humane Justiz (1977), S. 29 (31). «76 Für die Formulierung ihrer Anträge und Erklärungen können die Parteien die Hilfe eines jeden Amtsgerichts in Anspruch nehmen (§ 129a ZPO). 1 77 Röhl, in: Small Claims Courts (1990), S. 167 (173 f.).

Β. Der Rechtsschutz in zivilrechtlichen Bagatellsachen

151

Ist der Rechtsstreit bereits nach dem frühen ersten Termin zur Entscheidung reif, ζ. B. in einfach gelagerten Fällen aufgrund einer amtlichen Auskunft, die der Richter eingeholt hat, ergeht ein Endurteil (§ 300 Abs. 1 ZPO). In den meisten Fällen wird das Verfahren in diesem Stadium hingegen noch nicht beendet. Das Gericht hat dann alle notwendigen Vorbereitungen für den Haupttermin zu treffen, damit in diesem der Rechtsstreit erledigt werden kann (§ 275 Abs. 2 - 4 ZPO). (3) Haupttermin Das Kernstück des Zivilprozesses ist der umfassend vorbereitete Haupttermin. Erscheinen und verhandeln beide Parteien, so kommt es zur kontradiktorischen Verhandlung 178. Das Gericht schildert zunächst aus seiner Sicht den Sach- und Streitstand und hört hierzu die Parteien. Vor allem bei geringwertigen Streitigkeiten, aber nicht nur bei diesen, erkundet das Gericht danach, ob und wie der Rechtsstreit gütlich beendet werden kann 179 . Danach erörtert das Gericht mit den Parteien das Sach- und Streitverhältnis. Da dem Richter die Sach- und Rechtslage bereits aus den Akten bekannt ist, werden in der Regel nur noch die strittigen Punkte besprochen; es findet keine allumfassende Erörterung des Rechtsstreits mehr statt 180 . Vor allem nicht anwaltlich vertetene Parteien sind hier im Nachteil. Über die §§ 139,278 Abs. 3 ZPO wird ein Ausgleich dieses Nachteils versucht: Hinsichtlich der Sachverhaltserforschung obliegt es dem Richter durch die pflichtgemäße Ausübung des Fragerechts auf die Vollständigkeit und Klarheit des Vorbringens hinzuwirken 181 . Zwar wird damit - anders als etwa durch die preußische Bagatell Verordnung von 1739 - der Verhandlungs- und Beibringungsgrundsatz nicht aufgehoben, in der Praxis aber eingeschränkt 182. 178

Die Möglichkeiten der Prozeßbeendigung sind dieselben wie im frühen ersten Termin. Der Richter unterbreitet den Parteien dabei in der Regel einen Vergleichs Vorschlag und weist sie auf den ungewissen Prozeßausgang hin. Trotzdem kommt es nur in etwa 11 % der Fälle zu einem gerichtlichen Vergleich, vgl. Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministerium der Justiz vom 31.7. 1996, in: Bayerisches Ministerialblatt 1996, S. 93 (94). Da diese Zahl auch die Vergleichsschlüsse nach der Durchführung der Beweisaufnahme umfaßt, kommt es damit nur in ca. 5 - 1 0 % der Fälle in diesem Stadium zu einem Vergleichsschluß. Die geringe Vergleichsquote wird im Gesetzesentwurf zur derzeit diskutierten ZPO-Reform kritisiert und bildet den Anlaß für die geplante Einführung einer obligatorischen gerichtlichen Güteverhandlung, vgl. BT-Drucks. 14/3750, S. 35 und unten. 180 Die Parteien haben also - als Konsequenz aus der umfassenden schriftlichen Vorbereitung - in der Praxis nicht die Möglichkeit, ihren Fall dem Richter aus ihrer Sicht vorzutragen. Die mündlichen Anträge und Erläuterungen der Parteien erfolgen in der Regel durch Bezugnahme auf die vorbereitenden Schriftsätze (§§ 137 Abs. 3,297 ZPO). 179

181 Die Parteien dürfen im Urteil nicht mit rechtlichen Gesichtspunkten überrascht werden, von denen im Verfahren keine Rede war und zu denen sie sich deshalb auch nicht äußern konnten (vgl. § 278 Abs. 3 ZPO). Dem Aufklärungs- und Fragerecht des Richters kommt insbesondere dann besondere Bedeutung zu, wenn eine oder beide Parteien nicht anwaltlich vertreten ist bzw. sind, Röhl, in: Small Claims Courts (1990), S. 167 (174). 1S2 Vor allem, wenn eine der beiden Parteien nicht anwaltlich vertreten ist, bietet sich hier für den Richter die Möglichkeit durch entsprechende Hinweise die Waffen- und Chancen-

152

2. Kapitel: Die Effektivität des Zivilrechtsschutzes in Bagatellsachen

Ist der Rechtsstreit - gegebenenfalls nach der Durchführung einer Beweisaufnahme - entscheidungsreif, so ergeht - in der Regel nicht sofort im Haupt-, sondern in einem späteren Verkündungstermin - ein Endurteil (§ 300 Abs. 1 ZPO) 1 8 3 . Eine Entlastung des Richters wird dadurch bewirkt, daß das Urteil in Bagatellsachen bis zu einem Streitwert von DM 1500 (Euro 766,94) gem. § 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO keinen Tatbestand zu haben braucht, da die Berufungssumme gem. § 511a Abs. 1 ZPO nicht erreicht wird 1 8 4 . Dasselbe gilt gem. § 313a Abs. 1 Satz 2 ZPO für die Entscheidungsgründe, wenn die Parteien spätestens innerhalb von zwei Tagen nach dem Schluß der mündlichen Verhandlung auf sie verzichten 185 . Durch die Einführung des § 495a Abs. 2 ZPO hat § 313a ZPO den größten Teil seines Anwendungsbereichs verloren 186 . Ist der Rechtsstreit noch nicht entscheidungsreif, kommt es zu einem oder mehreren weiteren Terminen zur mündlichen Verhandlung (§ 278 Abs. 4 ZPO). Darin liegt die Gefahr der Prozeßverschleppung. Sie sucht das Gesetz zu bannen, indem es den Parteien schon vor dem Haupttermin strenge Fristen für ihren schriftlichen Vortrag setzt und späteres Vorbringen nur begrenzt zuläßt (vgl. § 296 ZPO). Straffe Reglementierung soll erreichen, daß der Haupttermin zum Höhe- und Endpunkt des Verfahrens wird und damit weitere Verhandlungstermine überflüssig sind 187 . In der Praxis wird dieses Ziel jedoch häufig verfehlt, so daß auch in geringwertigen Streitigkeiten oft mehrere Verhandlungstermine stattfinden und eine schnelle Erledigung des Rechtsstreits verhindert wird.

gleichheit der Parteien wieder herzustellen. Eine Grenze wird der Fürsorgepflicht des Gerichts allerdings durch seine Neutralitätspflicht gezogen. Der Richter darf einer Partei nicht bestimmte Einreden und Anträge in den Mund legen, sondern nur auf seine Bedenken hinsichtlich bestimmter Punkte aufmerksam machen. 183 Durch streitiges Endurteil werden insgesamt allerdings nur ca. 30% aller Fälle erledigt, in über 50% aller Streitigkeiten kommt es entweder im frühen ersten Termin oder später in der mündlichen Hauptverhandlung zu einer schnelleren Form der Erledigung, nämlich durch Versäumnisurteil , Anerkenntnis des Beklagten, Verzicht des Klägers (insgesamt ca. 24%) sowie Klagezurücknahme (ca. 16%) oder Prozeßvergleich (ca. 11%), vgl. Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministerium der Justiz vom 31. 7. 1996, in: Bayerisches Ministerialblatt 1996, S. 93 (94). 184

Gem. § 313a Abs. 2 ZPO gilt dies aber nicht in Ehe- und Kindschaftssachen, im Falle der Verurteilung zu künftig fällig werdenden wiederkehrenden Leistungen und wenn zu erwarten ist, daß das Urteil im Ausland geltend gemacht werden wird. 185 Da ein solcher Verzicht selten zu erreichen ist, wurde durch § 495a Abs. 2 Satz 2 ZPO die Möglichkeit geschaffen, auch ohne Verzicht der Parteien auf die Gründe zu verzichten, wenn ihr wesentlicher Inhalt in das Protokoll aufgenommen wurde, vgl. die amtl. Begr. des BR, BR-Drucks. 447/88, Ani. 1, S. 18. 186 Allerdings wird er in nach § 495a ZPO ergangenen Urteilen gerne mitzitiert, vgl. Rottleuthner, in: NJW 1996, 2473 (2477). 187 Jauernig, Zivilprozeßrecht (26. Aufl. 2000), S. 79.

Β. Der Rechtsschutz in zivilrechtlichen Bagatellsachen

153

(4) Schriftliches Verfahren gem. § 128 Abs. 3 ZPO Durch die Vereinfachungsnovelle von 1976 wurde das vereinfachte Verfahren in Bagatellsachen gem. dem früheren § 510c ZPO abgeschafft und durch § 128 Abs. 3 ZPO ersetzt. Bis zur Einführung des vereinfachten Verfahrens gem. § 495a ZPO im Jahre 1991 stellten die §§ 128 Abs. 3, 313a ZPO die einzigen Vereinfachungsmöglichkeiten für Bagatellsachen im ansonsten einheitlichen Zivilprozeß dar. Übersteigt der Streitwert bei Einreichung der Klage nicht DM 1500 (Euro 766,94) und ist das Erscheinen vor Gericht für eine Partei unzumutbar, so kann das Gericht gem. § 128 Abs. 3 ZPO von Amts wegen schriftliche Verhandlung anstelle des Haupttermins 188 anordnen und ein Urteil verkünden 189 . Wenn eine der Parteien es beantragt oder sich die Prozeßlage ändert, wird die Anordnung aufgehoben. Die Vorschrift hat keine praktische Bedeutung erlangt 190 . Aufgrund der weitergehenden Ermächtigungen des § 495a ZPO kann § 128 Abs. 3 ZPO heute ohnehin nur noch im Streitwertbereich zwischen D M 1.200 (Euro 613,55) und 1.500 (Euro 766,94) Wirkung entfalten 191 .

cc) Das vereinfachte

Verfahren

gem. § 495a ZPO

Eine Entlastung der Amtsgerichte in Bagatellsachen wird dadurch angestrebt, daß das Urteil in Streitigkeiten unter einem Streitwert von DM 1200 (Euro 613,55) keinen Tatbestand zu enthalten braucht und auch die Entscheidungsgründe nicht im Urteil wiedergegeben werden müssen, wenn ihr wesentlicher Inhalt ins Protokoll aufgenommen wurde (§ 495a Abs. 2 ZPO). Die wichtigste Abweichung vom Regelprozeß enthält allerdings § 495a Abs. 1 ZPO. Dem Richter ist hierin ein doppeltes Ermessen eingeräumt: er entscheidet, ob er überhaupt von § 495a ZPO Gebrauch macht und, wenn ja, wie er sein Verfahren im einzelnen gestaltet192. Dabei kann sich sein „billiges Ermessen" auf alle Verfahrensaspekte beziehen. Er kann ζ. B. auch ohne die Voraussetzungen von § 128 Abs. 2 188 Das Verfahren nach § 128 Abs. 3 ZPO ist daher nicht mit dem schriftlichen Vorverfahren zu verwechseln. Anders als bei diesem kann der Beklagte bei Nichtverhandeln im Verfahren nach § 128 Abs. 3 ZPO nicht zu einem Versäumnisurteil, sondern nur zu einem normalen Endurteil verurteilt werden, vgl. Jauernig, Zivilprozeßrecht (26. Aufl. 2000), S. 268, str. 189 Das Urteil ist grundsätzlich unanfechtbar, da die Berufungssumme von DM 1500 (§ 511a Abs. 1 ZPO) nicht erreicht wird. Es ist allerdings strittig, ob das Urteil bei einer Verletzung des rechtlichen Gehörs gem. § 513 Abs. 2 ZPO analog angefochten werden kann, vgl. Jauernig, Zivilprozeßrecht (26. Aufl. 2000), S. 268. 190

Vgl. die Zahlen bei Wollschläger, in: Methoden (1991), S. 13 (61); danach ergingen 1985 in der Bundesrepublik nur 2,6% aller streitigen Urteile (0,8% aller Erledigungen) auf dieser Grundlage; ebenso Röhl, in: Small Claims Courts (1990), S. 167 (172). 191

Kunze, Bagatellverfahren (1995), S. 95. Diese gesetzgeberische Differenzierung zwischen Streitigkeiten mit einem Streitwert von DM 1.200 (Euro 613,55) sowie DM 1.500 (Euro 766,94) ist willkürlich und läßt kein Konzept erkennen. 192 Die Regelung entspricht weitestgehend dem 1976 abgeschafften § 510c ZPO.

154

2. Kapitel: Die Effektivität des Zivilrechtsschutzes in Bagatellsachen

und 3 ZPO ein schriftliches Verfahren durchführen 193, in der mündlichen Verhandlung auf ein Protokoll verzichten, Präklusionsfristen verlängern oder abkürzen, bei Säumnis bzw. Nichtverhandeln nach Aktenlage durch Endurteil oder durch Versäumnisurteil entscheiden, Auskünfte im Freibeweisverfahren einholen (ζ. B. schriftlich oder telefonisch), ein Sachverständigengutachten durch eigene Sachkunde ersetzen etc. 194 . Das weite Ermessen des Richters bei der Gestaltung des Bagatellverfahrens ist rechtshistorisch betrachtet nichts Neues. Eine dem historischen Prozeß der Konstitutionalisierung des Verfahrensrechts zu dankende Entwicklung stellt es aber dar, daß das „billige Ermessen" des Richters bei der Verfahrensgestaltung heute durch die zwingend zu beachtenden Verfahrensgrundsätze begrenzt ist. Unabdingbar sind die Öffentlichkeit des Verfahrens, die Gewährung rechtlichen Gehörs, die Gleichbehandlung der Parteien, richterliche Neutralität und ein faires Verfahren 195. Um eine Verletzung des Grundrechts auf rechtliches Gehör zu vermeiden, ist darauf zu achten, daß die Parteien von Verfügungen des Gerichts nicht überrascht werden und rechtzeitig zu allen Verfügungen des Gerichts und jedem Vorbringen des Gegners Stellung nehmen können 196 . Dadurch wird das Ermessen des Amtsrichters allerdings so eingeengt, daß er in Wirklichkeit von den allgemeinen Vorschriften kaum abweichen darf, will er nicht das Risiko eingehen, gegen verfassungsrechtliche Verfahrensgrundsätze zu verstoßen 197. In dieser, dem einzelnen Richter aufgebürdeten Gratwanderung bei der verfassungskonformen Auslegung der Generalklausel des § 495a ZPO liegt wohl einer der Hauptgründe dafür, daß sich das vereinfachte Verfahren in der Praxis bislang nicht hat durchsetzen können 198 . Nur ca. 6,1% aller Amtsgerichtsverfahren (ohne Familiensachen) wurden im Jahre durch streitiges Urteil gem. § 495a ZPO erledigt 1 9 9 . Das Potential der für eine Entscheidung nach § 495a ZPO nach dem Streitwert in Frage kommenden AG-Verfahren (ca. 35%) wird damit nicht annähernd ausgeschöpft. Rechtstatsächliche Untersuchungen 200 haben zudem ergeben, daß in der Praxis selbst dann, wenn nach § 495a ZPO verfahren wird, die Vereinfachungsmöglichkeiten nicht konsequent genutzt werden. In den meisten Fällen reduziert sich die praktische Umsetzung auf die ohnehin bereits nach § 128 Abs. 3 sowie § 313a ZPO zur Verfügung stehenden Möglichkeiten: die Anordnung des schriftli193 Auf Antrag ist allerdings gem. § 495a Abs. 1 Satz 2 ZPO eine mündliche Verhandlung anzuberaumen. Hierdurch wird Art. 6 EMRK Rechnung getragen. >94 Vgl. ausführlich Fricker, Umfang und Grenzen (1999), S. 71 ff.; Rottleuthner, Entlastung (1997), S. 5 ff.; Baumbach u. a. /Hartmann, ZPO (58. Aufl. 2000), § 495a RN 34 ff.; Städing, in: NJW 1996, S. 691. «95 Jauernig, Zivilprozeßrecht (26. Aufl. 2000), S. 268. >96 Rottleuthner, Entlastung (1997), S. 7. 197 MK-ZPO/Deubner, Bd. 2 (2. Aufl. 2000), § 495a RN 2. 198 Ebenso Fricker, Umfang und Grenzen (1999), S. 38. 199 Statistisches Bundesamt (Hrsg.), Fachserie 10, Reihe 2, S. 20. 200 Vgl. Rottleuthner, Entlastung (1997) und Fricker, Umfang und Grenzen (1999).

Β. Der Rechtsschutz in zivilrechtlichen Bagatellsachen

155

chen Verfahrens 201 oder die Abfassung des Urteils ohne Tatbestand202. Andere Vereinfachungsmöglichkeiten wie die telefonische oder schriftliche Zeugenvernehmung, die Entscheidung nach Aktenlage, die Amtsermittlung sowie die analoge Heranziehung von Präklusionsnormen werden von den Amtsrichtern aus Zweckmäßigkeitsgründen kaum angewandt bzw. wegen verfassungsrechtlicher Bedenken abgelehnt203. Von der Anwendung des § 495a ZPO in Form vorformulierter Verfügungen, Beschlüsse oder Hinweisblätter wird in der Praxis ebenfalls wenig Gebrauch gemacht 204 . Der erhoffte Entlastungseffekt für die Amtsgerichte durch § 495a ZPO ist daher ausgeblieben205. In den vergleichsweise wenigen Fällen, in denen von den Vereinfachungsmöglichkeiten des § 495a ZPO Gebrauch gemacht wurde, sind erhebliche verfassungsrechtliche Probleme aufgetaucht 206. Bedenklich ist das vereinfachte Verfahren insbesondere im Hinblick auf mögliche Verstöße gegen das Recht auf rechtliches Gehör und den Ausschluß von Rechtsmitteln bei schweren Verfahrensverstößen. Ist die Entscheidung „greifbar gesetzeswidrig", ist allerdings nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine Berufung analog § 513 Abs. 2 Satz 1 ZPO 2 0 7 zuzulassen, wenn die Entscheidung in einem rein schriftlichen Verfahren getroffen worden ist 2 0 8 . Erst danach ist der Rechtsweg erschöpft und kommt eine Verfassungsbeschwerde in Betracht 209 . 201 In 72% der Fälle wird rein schriftlich verfahren, nur in 28% der Fälle findet im vereinfachten Verfahren ein mündlicher Termin statt, Rottleuthner, in: NJW 1996, 2473 (2475); Fricker, Umfang und Grenzen (1999), S. 30. 202 Bei 99% der Urteile wird auf den Tatbestand, bei 11 % auf die Begründung verzichtet. In ca. 27% der § 495a ZPO - Verfahren wird die Vorschrift nur bemüht, um das Urteil abzukürzen, Rottleuthner, in: NJW 1996,2473 (2475); Fricker, Umfang und Grenzen (1999), S. 31. 203 Vgl. die Ergebnisse der von Fricker, Umfang und Grenzen (1999), S. 32 ff. durchgeführten Richterbefragung. 2 Dazu ausführlich Bredenkamp, in: 1989 De Rebus 772 und Van der Merwe, in: 1985 De Rebus 445 (448). 391 Van Loggerenberg, in: 1987 De Rebus 343 (345) weist allerdings zu Recht daraufhin, daß der Begriff „inquisitorial" in See. 26 (3) SCCA nicht dahingehend verstanden werden dürfe, daß vor den Small Claims Courts der Grundsatz der Parteiherrschaft durch den Untersuchungsgrundsatz ersetzt sei. Inquisitorisch sei nur die Art der Beweiserhebung, zu beweisen seien nur die von den Parteien vorgetragenen Tatsachen. In der Literatur (vgl. ζ. B. Van der Merwe, in: 1985 De Rebus 445) und in der Praxis wird diese Differenzierung freilich zumeist mißachtet. 392 Da der Sachverhalt nicht bereits in vorbereitenden Schriftsätzen enthalten ist, kann der Kläger hier eine zusammenhängende Darstellung liefern. 393 In Durban wurden 1987 16,7% und 1988 17,1 %, in Stellenbosch 1998 9,46% der Fälle vertagt („adjourned"). 394 Gesetzlich vorgeschrieben wäre in diesem Fall zur Gewährleistung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes gem. See. 34 (c) SCCA eigentlich das Streichen der Klage von der Verfahrensliste („absolution from the instance"). Letztlich handelt es sich hier aber nur um eine sprachliche Differenzierung. Da ein Verhandlungsprotokoll nicht geführt wird, ist die Sache im zweiten Termin ohnehin nocheinmal neu von Anfang an („de novo") zu verhandeln.

184

2. Kapitel: Die Effektivität des Zivilrechtsschutzes in Bagatellsachen

Termin verkünden. Das Urteil wird - meist handschriftlich - auf den Aktendeckel notiert. Die Urteilsbegründung erfolgt zumeist nur mündlich. Kann der Unterlegene die Schuld nicht sofort im Gerichtssaal begleichen, erkundigt sich der Commissioner nach den finanziellen Verhältnissen der unterlegenen Partei und legt die Zahlungsweise fest. Kommt die unterlegene Partei ihren Verpflichtungen aus dem Urteil nicht nach, muß die Sache zur Vollstreckung an den nächsten Magistrates' Court überwiesen werden 395 . Der Anteil der Verfahren, die mit streitigem Urteil enden, ist recht hoch; er liegt bei ca. 50%. In zahlreichen Fällen ergeht Versäumnisurteil gegen den Beklagten, weil dieser im Termin nicht erschienen ist 3 9 6 ; noch häufiger wird die Klage aber von der Verfahrensliste gestrichen (sog. „absolution of the instance") 397 , ζ. Β. weil die Klage nicht zugestellt werden konnte, der Kläger zum Termin nicht erschienen ist (ζ. B. weil er sich vor dem Termin außergerichtlich mit dem Beklagten geeinigt hat) oder das vorliegende Beweismaterial für eine Entscheidung nicht ausreichte 398. Der Anteil der vor den Small Claims Courts geschlossenen Vergleiche ist hingegen sehr gering 399 . Dies könnte seine Ursache darin haben, daß bereits vor Erlaß des Urteils eine große Zahl der nicht bestrittenen Forderungen ausgeschieden wird. Zum anderen deutet die geringe Vergleichsquote aber auch darauf hin, daß die Möglichkeit, auf eine gütliche Einigung zwischen den Parteien hinzuwirken, von vielen Richtern noch nicht in ausreichendem Maße genutzt wird 4 0 0 . Eine Berufung gegen das Urteil ist nicht möglich. Zulässig ist allein eine Art Nichtigkeitbeschwerde an den örtlich zuständigen High Court („review") 401 . In der Praxis kommt diese aber kaum vor 4 0 2 , u. a. wohl deshalb, weil die fehlenden Protokolle und Urteilsbegründungen den Nachweis eines Verfahrensverstosses fast un395 in Stellenbosch wurden 1998 17,57% der Verfahren zur Vollstreckung an den örtlichen Magistrates' Court überwiesen, davon fast 10% nach vorangegangenem Versäumnisurteil gegen den Beklagten. 396 in Stellenbosch ergingen 1998 insgesamt 9 Versäumnisurteile für den Kläger (12,16%). In Durban waren es 1987 11% und 1988 13,3%, vgl. Gough, Small Claims Court (1991), S. 341. 397 in Durban wurden 1987 30,8% und 1988 27,8% der Klagen von der Verfahrensliste gestrichen, vgl. Gough, Small Claims Court (1991), S. 341. In Stellenbosch betrug der Anteil der gestrichenen Klagen 1998 27,03%. 398 Gough, Small Claims Court (1991), S. 362 f. 399 in Durban wurden 1987 4,8% und 1988 4,1% der Verfahren mit gerichtlichem Vergleich beendet, in Stellenbosch waren es 1998 sogar nur 1,35%. 400 Ebenso Gough, Small Claims Court (1991), S. 374. 401 Nichtigkeitsgründe sind nach See. 46 SCCA die Unzuständigkeit des Gerichts, die Befangenheit bzw. Rechtsbeugung durch den Richter sowie grobe Verfahrensfehler. 402 Bislang finden sich in den South African Law Reports erst sechs Fälle, in denen Review gegen das Urteil eines Small Claims Court eingelegt wurde. In zwei dieser Fälle wurde das Rechtsmittel als unzulässig abgewiesen, da es beim Magistrate bzw. Clerk nicht formgerecht eingelegt wurde. Die vier zulässigen Reviews waren allesamt begründet.

Β. Der Rechtsschutz in zivilrechtlichen Bagatellsachen

185

möglich machen 403 . Faktisch ist damit jedes Rechtsmittel gegen die Entscheidung des Commissioner ausgeschlossen. Da an der mündlichen Verhandlung auch keine Anwälte teilnehmen dürfen, fehlt somit jegliche juristische Kontrolle des Richters. Dies ist gerade im Hinblick auf die weitgehende Entformalisierung des Small Claims Court - Prozesses, die den Richter leicht zu Willkürakten verführen kann, sehr bedenklich. Den Richtern sollte zumindest eine summarische Protokollierung (ζ. B. mittels eines Diktiergeräts) und Urteilsbegründung zur Pflicht gemacht werden, um die Kontrolle des Verfahrens in einem späteren Review-Verfahren zu ermöglichen. d) Bagatellsachen vor den Short Process Courts Durch den Erlaß des „Short Process Courts and Mediation in Certain Civil Cases A c t " 4 0 4 (SPCA) wurde die Möglichkeit zur Errichtung von sog. „Short Process Courts" geschaffen 405. Ein erstes Pilotgericht wurde 1992 in Pretoria gegründet 406. Die Short Process Courts haben nach dem Gesetz in Zivilsachen dieselbe Zuständigkeit wie die Magistrates' Courts. Im Gegensatz zu diesen soll vor ihnen aber nicht deren aufwendiger Rechtsgang, sondern entweder ein Mediationsverfahren oder ein kostengünstiges und schnelles Streitverfahren nach dem Vorbild der Small Claims Courts stattfinden. Verfahrensregeln für die Short Process Courts wurden 1992 erlassen 407. Die Richter dieser Gerichte (sog. „Adjudicators") können nach ähnlichen Regeln ernannt werden wie die Commissioner der Small Claims Courts 408 . Die Verfahrensgestaltung steht nach dem Muster der Small Claims Courts weitestgehend in ihrem Ermessen 409. Die wichtigste Abweichung von deren Prozeß stellt die Zulassung der Prozeßvertretung durch Anwälte dar. In der Praxis ist das Gesetz nicht umgesetzt worden. Nach Auskunft des südafrikanischen Justizministeriums wurde lediglich ein einziges (!) Verfahren vor dem 403 Hinzu kommt, daß beim Antrag auf Review die Formerfordernisse von Rule 53 Uniform Rules of Court zu beachten sind, was dazu führt, daß für die meisten Parteien eine Antragstellung ohne Zuhilfenahme eines Anwalts nicht in Betracht kommt, vgl. Taitz, in: 107 (1990) SALJ 22 (23), der anregt, daß der Supreme Court (jetzt: High Court) Reviews unter Berufung auf seine Kompetenz kraft Natur der Sache („inherent jurisdiction") auch dann annehmen sollte, wenn diese nicht den Formerfordernissen der Rule 53 genügten. 404 Act No. 103 of 1991.

405 Eine ausführliche Besprechung des Gesetzes erfolgte durch Loots, in: 1991 Annual Survey of SA Law 493 und De Vos, in: 1992 TSAR 381. 406 Vgl. Redaktionsmitteilung in 1992 De Rebus 594. 407 Rules of Practice and Procedure, erlassen durch GN R2196, in: GG 14188 am 31. 7. 1992. Eine Übersicht findet sich bei Dendee/ Loots, in: 1992 Annual Survey of SA Law 558. 408 Kelbrick, in: International Encyclopedia of Laws, Bd. 2 (1996), S. 30. 409 wie vor den Small Claims Courts soll der Richter an die gesetzlichen Beweisregeln nicht gebunden sein; gegen sein Urteil ist keine Berufung („appeal"), sondern allenfalls Nichtigkeitsbeschwerde (,»review") statthaft.

186

2. Kapitel: Die Effektivität des Zivilrechtsschutzes in Bagatellsachen

Pilotgericht in Pretoria durchgeführt. Seitdem ist das Gesetz in Vergessenheit geraten, wurde aber bislang noch nicht aufgehoben 410. Das Scheitern des Pilotprojekts findet seine Ursache wohl darin, daß die Ersetzung der angelsächsischen „adversarial procedure" durch die kontinentaleuropäische „inquisitorial procedure" auch in höherwertigen Streitigkeiten einen radikalen Bruch mit der seit 1828 bestehenden Rechtstradition mit sich gebracht hätte. Auf einen solchen Bruch ist die südafrikanische Gerichtslandschaft aber nicht vorbereitet.

e) Arbeitsrechtliche Bagatellstreitigkeiten Ein Großteil der arbeitsrechtlichen Streitigkeiten wird in Südafrika von den ordentlichen Gerichten entschieden411. Insoweit kann auf das Verfahren vor den Magistrates' bzw. Small Claims Courts verwiesen werden. Die durch den Labour Relations A c t 4 1 2 (LRA) eingeführte „Commission for Conciliation, Mediation and Arbitration" 413 und die Gerichte für Arbeitsrechtsstreitigkeiten sind, soweit ihnen nicht andere Gesetze Zuständigkeiten zuweisen, auf die Schlichtung und Entscheidung von Klagen aus dem LRA beschränkt. Vor ihnen werden somit hauptsächlich Kündigungsschutzklagen verhandelt 414 , die aber aufgrund ihrer Bedeutung für den Einzelnen nicht zu den geringfügigen Streitigkeiten zu zählen sind 415 . Eine Darstellung des Schlichtungs- und Entscheidungsverfahrens der CCMA kann daher unterbleiben 416.

f) Bagatellsachen vor den Courts of Chiefs and Headmen Für zivilrechtliche Ansprüche Schwarzer aus indigenem Gewohnheitsrecht existiert neben der Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte in den traditionellen Stammesgebieten weiterhin die Möglichkeit, ein Häuptlingsgericht anzurufen. Die genaue Zahl dieser Häuptlingsgerichte ist unbekannt. Nach vorsichtiger Schätzung 410 Seit Inkrafttreten wurde das Gesetz sogar einmal (durch Justice Laws Rationalisation Act, No. 18 of 1996) geändert. Die Änderung beschränkte sich allerdings auf eine bloße durch die Einführung des Magistrates Act No. 90 of 1993 notwendig gewordene - Anpassung. 4,1 Flemming, Kündigungsschutzrecht (1998), S. 183. Sowohl der Magistrates' Court als auch der Small Claims Court sind ζ. B. für die Entscheidung von Lohnansprüchen zuständig. 4 »2 Act No. 66 of 1995. Das Gesetz trat am 11. 11. 1996 in Kraft. 4,3

Diese erledigt den Hauptteil der Streitigkeiten aus dem LRA. Die 111 vollzeit- und 256 teilzeitbeschäftigten CCMA-Kommissare („Commissioner") sind über das gesamte Land verteilt, vgl. CCMA (Hrsg.), Annual Report 1998 (1999), S. 10. 4 4 ^ Kündigungsschutzverfahren machen ca. 75% der Arbeitslast der CCMA aus, CCMA (Hrsg.), Annual Report 1998 (1999), S. 5. 4 ·5 Vgl. Einleitung. 4 >6 Zu Zuständigkeit und Verfahren der CCMA ausführlich: ZelewsJci, in: NZA 2001, S. 196 ff.; Flemming, Kündigungsschutzrecht (1998), S. 184 ff.

Β. Der Rechtsschutz in zivilrechtlichen Bagatellsachen

187

leben ca. 18 Millionen Südafrikaner unter der Gerichtsbarkeit von ca. 800 Häuptlingen, sog. „Chiefs" (auf Zulu: „Amakhosi") 417 . Damit besteht nahezu in jedem Dorf in den Stammesgebieten ein leicht erreichbares Häuptlingsgericht 418. Die Häuptlinge entscheiden über die Verteilung von Grund und Boden, üben Verwaltungsfunktionen aus und sprechen Recht. Zuständig sind sie unabhängig vom Streitwert für alle zivilrechtlichen Streitigkeiten, die dem Gewohnheitsrecht unterliegen 419 . Für Ansprüche, die einzig im Common Law of South Africa eine Grundlage haben, bleiben allein die ordentlichen Gerichte zuständig 420 . In der Regel haben die Streitigkeiten einen geringen Streitwert 421 . Die Häuptlingsgerichte fungieren damit im wesentlichen als Bagatellgerichte für die schwarze Bevölkerung. Das Verfahren der Häuptlingsgerichte ist bis heute nur in Ansätzen kodifiziert. Die staatlichen Rules of Court 4 2 2 für das Zivilverfahren vor den Häuptlingsgerichten belassen es weitgehend bei den gewohnheitsrechtlich anerkannten Prozeßformen 423 . Soweit die Rules of Court Vorschriften enthalten, die dem gewohnheitsrechtlichen Verfahren widersprechen, finden sie in der Praxis aus Bequemlichkeit oder Unkenntnis häufig ohnehin keine Beachtung 424 . Zwar wird zwischen Zivil- und Strafsachen differenziert, beide werden aber zusammen verhandelt, wenn sie auf demselben Ereignis beruhen 425 . Örtlich zuständig ist das Gericht im Bezirk des Beklagten 426 . Die Hauptmerkmale des Verfahrens sind die Mündlich417 Rakate, in: 30 (1997) CILSA 175 (188); Bennett, Sourcebook (1991), S. 63 geht von ca. 1500 Häuptlingsgerichten aus. Nach Angaben bei Singh, Indigenous Courts (1994), S. 16 leben nur noch 36% der Schwarzen, also ca. 11,2 Millionen unter der Hoheit eines Häuptlings. Allerdings muß bei diesen Angaben immer berücksichtigt werden, daß auch der schwarze Industriearbeiter, der nur besuchsweise aus der Stadt in sein Stammesgebiet zurückkehrt, dort wieder der Hoheit des Häuptlings unterliegt. 418 South African Law Commission (Hrsg.), Discussion Paper No. 82, Project 90, Traditional Courts (1999), S. 2. 419 Die Häuptlingsgerichte sind allerdings unzuständig für die Scheidung von standesamtlich geschlossenen Ehen und alle damit zusammenhängenden Fragen. Kompetent sind insoweit die Family Courts. Da die meisten Schwarzen nach Stammesrecht heiraten, hat dieser Ausschluß jedoch keine allzu weitreichenden Folgen. 4 20 Die Unterscheidung zwischen Common Law und Customary Law ist häufig schwierig, dazu Bennett, Sourcebook (1991), S. 65. 421 South African Law Commission (Hrsg.), Discussion Paper No. 82, Project 90, Traditional Courts (1999), S. 26. 422 In: GG 1929 GN R2083; Fassung vom 29. 12. 1967 abgedruckt bei Khumalo, Bantu Courts (2. Aufl. 1969), S. 4 ff.; Fassung vom 15. 11. 1991 durch Proclamation RI 10 in: GG 13622. 423 Vgl. Rule 1: „The procedure in connection with the trial of civil claims between Blacks . . . , shall be in accordance with the recognised customs and laws of the tribe... 424 South African Law Commission (Hrsg.), Discussion Paper No. 82, Project 90, Traditional Courts (1999), S. 34. Z. B. enthalten die Rules die Möglichkeit eines Default Judgment. Dem traditionellen Verfahren ist dies unbekannt, vgl. Singh, Indigenous Courts (1994), S. 4. 42 5 Van Niekerk, Traditional African Courts (1993), S. 10. 42 6 Van Niekerk, Traditional African Courts (1993), S. 9.

188

2. Kapitel: Die Effektivität des Zivilrechtsschutzes in Bagatellsachen

keit, die Formlosigkeit sowie die Betonung des gütlichen Ausgleichs zwischen den Parteien 427. Das Verfahren beginnt damit, daß der Kläger den Beklagten in Begleitung seiner Berater, Zeugen und Angehörigen in dessen Kraal aufsucht 428 . Sein Sprecher trägt dem Beklagten seinen Anspruch vor. Der Beklagte kann sich nun, wenn er die Sache für wichtig hält, darauf berufen, daß in seinem Haushalt gerade nur „Kinder" anwesend seien und mit dem Kläger die gemeinsame Erörterung des Falles zu einem späteren Zeitpunkt vereinbaren. Zum verabredeten Zeitpunkt wird die Sache am Wohnort des Beklagten dann in Gegenwart der Parteien, Berater, Zeugen und männlichen Angehörigen 429 besprochen und von allen Seiten beleuchtet. Das oben beschriebene Verfahren gilt bereits als Klageerhebung 430. Kommt es nach der gemeinsamen Erörterung der Sache nicht zu einem Anerkenntnis des Anspruchs durch den Beklagten, einer Klagerücknahme durch den Kläger oder zu einem Vergleich, ziehen sich der Kläger und sein Anhang zurück. Der Kläger kann nun beim Häuptling „Berufung" einlegen 431 . Nur in diesem Fall kommt es zu einer Gerichtsverhandlung. Diese beginnt damit, daß sich der Kläger und sein Anhang im großen Kraal des Häuptlings versammeln. Die Vertretung durch Rechtsanwälte ist ausgeschlossen. Die Parteien werden aber von ihren Angehörigen unterstützt 432. Nach einiger Zeit erscheinen der Häuptling und seine Berater und befragen den Anhang des Klägers. Dann wird nach dem Beklagten geschickt und die Sache noch einmal in großer Länge erörtert. Die Verhandlung wird nicht protokolliert, sondern nur eine kurze schriftliche Zusammenfassung angefertigt. Dabei werden üblicherweise erst die Parteien und ihre Zeugen angehört 433 . Da das Gericht die Beweise frei würdigt, wird 427 Die Rolle des Häuptlings ist sehr viel stärker als die westliche Rechtskultur auf einen gütlichen Ausgleich zwischen den Streitparteien bedacht. Die Wiederherstellung des Gleichgewichts in der Stammes-Gemeinschaft genießt Vorrang vor der Entscheidung zwischen Recht und Unrecht im westlichen Sinne, Rakate, Traditional Courts, in: 30 (1997) CILSA 175(181). 428

Bekker, Customary Law (5. Aufl. 1989), S. 28 ff. Frauen sind in der Regel nur als Parteien oder Zeugen zugelassen, Myburgh, in: BantuSpeaking Peoples (2. Aufl. 1974), S. 284 (297). 430 Der Zeitpunkt der Klageerhebung kann schwerwiegende Konsequenzen haben: Wird das Familienoberhaupt etwa wegen Verfehlungen oder Schulden eines Familienmitgliedes verklagt, erlischt der Anspruch, wenn das entsprechende Familienmitglied vor Klageerhebung verstirbt, Bekker, Customary Law (5. Aufl. 1989), S. 88. 431 In unbedeutenden Streitigkeiten kann er sich auch an den Headman des Beklagten wenden. Dieser ist allerdings lediglich Streitschlichter. Er kann weder die Anwesenheit des Beklagten bei seinen Verhandlungen noch den Vollzug seiner Urteile erzwingen. Auf Antrag einer der Parteien werden seine Urteile vom Häuptling ohne neue Verhandlung verworfen oder bestätigt. Erst damit werden sie für die Parteien bindend. Etwas anderes gilt nur in den Gebieten, für die kein Häuptling existiert. Dort hat der Headman dieselben Befugnisse wie ein Häuptling, Van Niekerk, Traditional African Courts (1993), S. 7 f. 429

432

Van Niekerk, Traditional African Courts (1993), S. 11.

Β. Der Rechtsschutz in zivilrechtlichen Bagatellsachen

189

jeder Beweis zugelassen434. Beweisregeln gibt es nicht 4 3 5 . Die Parteien und Zeugen werden nicht vereidigt 436 . Danach kann jeder der Anwesenden, der sich dazu bemüßigt fühlt, einen Redebeitrag leisten. Nur wenn er gar zu sehr vom Thema abschweift, wird er vom Häuptling unterbrochen. Im Anschluß können den Parteien oder Zeugen Fragen gestellt werden. Auch hierzu ist jedermann berechtigt. Ist die Anhörung abgeschlossen, fällt der Häuptling sein Urteil. Dabei läßt er sich von den Ratschlägen der Ältesten und der allgemeinen Meinung aller in der Versammlung Anwesenden leiten. Präzedenzfälle können, müssen aber nicht berücksichtigt werden 437 . Das Urteil beinhaltet häufig die Zahlung einer Entschädigung in Form von Vieh. Die unterlegene Partei muß dies zum Häuptling bringen, der zumeist einen Teil davon als „Geschenk" für sich behält, der Rest wird dem Obsiegenden übergeben 438. Weigert sich die unterlegene Partei, dem Urteil Folge zu leisten, wird das Vieh durch einen Boten beschlagnahmt439. Gegen Urteile der Häuptlingsgerichte kann Appeal zum Magistrates' Court eingelegt werden, wenn der Besch werde wert 10 Rand 440 übersteigt oder die Beschwerde wichtige Rechtsprinzipien betrifft. Vor dem Magistrates' Court wird die Sache neu verhandelt. Das Urteil der Magistrates' Courts ergeht auf Grundlage des jeweils anwendbaren schwarzen Gewohnheitsrechts. Teilweise werden die Häuptlinge heute als reformfeindliche, anti-demokratische Führer 441 kritisiert, die den Anforderungen der modernen Zeit nicht gewachsen seien 442 . In den ländlichen Stammesgebieten sind sie jedoch weiterhin anerkannte, fast unumstrittene Autoritäten 443 . Ihre Gerichtsbarkeit erfreut sich als Teil des kultu433

Die Möglichkeit eines Versäumnisurteils beim Ausbleiben einer Partei oder eines Zeugen ist unbekannt. Allerdings stellt die Mißachtung der Befehle des Häuptlings ein strafwürdiges Delikt dar, Myburgh, in: Bantu-Speaking Peoples (2. Aufl. 1974), S. 284 (298). 434 Lediglich Geisteskranke sind als Zeugen ausgeschlossen, Van Niekerk, Traditional African Courts (1993), S. 11. 43 5 Myburgh, in: Bantu-Speaking Peoples (2. Aufl. 1974), S. 284 (300). Falschaussagen sind durchaus erlaubt. Ihre Aufdeckung ist für die Sache der Partei, der sie dienen sollen, aber natürlich wenig hilfreich. 43

Van Niekerk, Traditional African Courts (1993), S. 11. Van Niekerk, Traditional African Courts (1993), S. 11.

437 438

South African Law Commission (Hrsg.), Discussion Paper No. 82, Project 90, Traditional Courts (1999), S. 19. 439 Van Niekerk, Traditional African Courts (1993), S. 12. Aufgrund der Mißachtung des Häuptlings wird die zu leistende Entschädigung meist erhöht. 440 Dieser Wert ist seit langer Zeit nicht mehr angepaßt worden. 441 Wiese, Südafrika (1999), S. 101; South African Law Commission (Hrsg.), Discussion Paper No. 82, Project 90, Traditional Courts (1999), S. 1. 442 Bennett, Human Rights (1995), S. 69. 443 Bennett, Human Rights (1995), S. 70. Eine 1994 durchgeführte repräsentative (also nicht auf die schwarze Bevölkerung beschränkte) Umfrage ergab, daß ca. 65% der südafrikanischen Bevölkerung eine Beibehaltung der Häuptlingsgerichte wünschen, Pillay /Prinsloo, in: 28 (1995) De Jure 383 (388).

190

2. Kapitel: Die Effektivität des Zivilrechtsschutzes in Bagatellsachen

rellen Erbes großer Beliebtheit 444 . Die Häuptlingsgerichte sind leicht erreichbar und billig; Anwaltskosten fallen nicht an und es werden nur minimale Gerichtsgebühren erhoben 445 . Das Verfahren erfolgt in der Stammessprache, die Urteile ergehen auf der Grundlage des Gewohnheitsrechts des Stammes, dem die Parteien angehören. Die Akzeptanz der Urteile ist folglich groß und die Zahl der Berufungen gering 446 . 3. Alternativen zum gerichtlichen Rechtsschutz Die Unzulänglichkeit des staatlichen Rechtsschutzsystems, welches für einen Großteil der Bevölkerung unerschwinglich ist, hat in Südafrika die Entstehung einer Reihe alternativer, nichtstaatlicher Streitschlichtungsinstitutionen begünstigt. Während dabei Schiedsgerichtsverfahren vor Anwälten und anderen Organisationen (a) in Bagatellsachen keine Rolle spielen, dienen die sog. Community Courts (b) in den Townships als billige und akzeptierte Streitschlichtungsforen vor allem in geringwertigen Streitigkeiten.

a) Schiedsgerichtsverfahren In Südafrika haben sich inzwischen zahlreiche Anwälte und Sachverständige auf die Durchführung von Schiedsgerichtsverfahren (Arbitration) spezialisiert. Für diese enthalten der Arbitration A c t 4 4 7 und das Common L a w 4 4 8 neben zahlreichen abdingbaren auch einige zwingende Vorschriften, die beachtet werden müssen, wenn das Schiedsurteil („award") durch Gerichtsbeschluß für vollstreckbar erklärt werden soll. Zwar bietet das Schiedsverfahren gegenüber dem Gerichtsverfahren grundsätzlich den Vorteil der Zeit- und Kostenersparnis. Bei geringwertigen Streitigkeiten kommen diese Vorteile aber nicht zum tragen, da die privaten Schiedspersonen sehr teuer sind und sich bei der Verfahrensgestaltung in der Praxis am Gerichtsprozeß orientieren 449 , so daß von einem formlosen, 444

South African Law Commission (Hrsg.), Discussion Paper No. 82, Project 90, Traditional Courts (1999), S. 1. 445 South African Law Commission (Hrsg.), Discussion Paper No. 82, Project 90, Traditional Courts (1999), S. 2, 19. 446 South African Law Commission (Hrsg.), Discussion Paper No. 82, Project 90, Traditional Courts (1999), S. 10. 447 Act No. 42 of 1965. Die Anwendbarkeit des Gesetzes setzt eine schriftliche Schiedsvereinbarung voraus, vgl. Sec. 1 (i). 448 Die Common Law-Regeln zum Schiedsgerichtsverfahren finden vor allem dann Anwendung, wenn dieses nicht aufgrund einer schriftlichen Schiedsvereinbarung durchgeführt wird und daher der Arbitration Act keine Anwendung findet. Schiedsvereinbarungen in Ehesachen sind jedoch auch nach Common Law ausgeschlossen, Smith, in: The Law of SA, Bd. 1 ( I s t Re-issue 1993), S. 267 (272). 449 In der Regel dienen die Supreme Court Rules als Grundlage, Butler/Finsen, tion (1993), S. 26.

Arbitra-

Β. Der Rechtsschutz in zivilrechtlichen Bagatellsachen

191

zeitsparenden Verfahren nicht die Rede sein kann 450 . Schiedsgerichtsverfahren eignen sich somit für Streitigkeiten mit sehr hohen Streitwerten, etwa bei Konflikten zwischen Unternehmen, nicht aber für Bagatellstreitigkeiten. Da sie den Einigungswillen beider Parteien voraussetzen, kommen sie ohnehin nicht in allen Fällen in Betracht.

b) Community Courts in den Townships Für die traditionellen People's Courts, die mittlerweile in fast allen Townships und illegalen Ansiedlungen („Squatter Camps") bestehen451, hat sich zur Abgrenzung von den in den 1980er Jahren berüchtigten Gang-Gerichten heute allgemein die Bezeichnung „Community Courts" durchgesetzt 452. Die Community Courts sind eng mit den Häuptlingsgerichten in den Stammesgebieten verwandt und können als moderne Nachfolger der in den 1970er Jahren entstandenen „makgotla", „linkundla", „ibunga" und „imbizo" gelten 453 . Da staatliche Bemühungen, die Community Courts in das formelle Gerichtssystem einzubinden bzw. unter die Aufsicht staatlicher Institutionen zu stellen, bislang erfolglos geblieben sind, herrscht hinsichtlich Organisation, Zuständigkeit und Verfahren derselben erheblicher Wildwuchs 454 , was eine verallgemeinernde Darstellung erschwert. Betrieben werden die meisten Community Courts von Nachbarschaftsorganisationen, Beerdigungs- und Sparvereinen, aber auch von wohltätigen Stiftungen wie dem „Community Dispute Resolution Trust" und der „Community Peace Foundation" 4 5 5 . Als Richter bzw. Schlichter fungieren ehrenamtlich zumeist angesehene, ältere Gemeindemitglieder 456. Gebühren werden nicht erhoben 457 . Der Zuständigkeitsbereich der Community Courts läßt sich schwer fassen. Zwischen Zivil- und Strafrecht wird nicht deutlich unterschieden, gleichwohl werden schwerere Delikte den staatlichen Gerichten überlassen, da sich die meisten Community Courts bei den Strafen auf leichtere Körperstrafen wie Stockschläge beschränken 458. Ein 450 Butler/Finsen,

Arbitration (1993), S. 26.

451

South African Law Commission (Hrsg.), Discussion Paper No. 87, Project 94, CDR Structures (1999), Par. 1.2.4. Dem Paper liegen die Berichte der beteiligten Organisationen auf den 1998 in jeder Provinz durchgeführten Workshops zugrunde. «2 Van Niekerk, in: 27 (1994) De Jure 19 (27). 453

Siehe dazu das erste Kapitel. South African Law Commission (Hrsg.), Discussion Paper No. 87, Project 94, CDR Structures (1999), Par. 3. 3.45. 455 South African Law Commission (Hrsg.), Discussion Paper No. 87, Project 94, CDR Structures (1999), Par. 1.2.7; Van Niekerk, in: 27 (1994) De Jure 19 (28). 456 Frauen werden nur selten als Richterinnen akzeptiert, Burman, in: Democracy (1989), S. 151 (157); Van Niekerk, in: 27 (1994) De Jure 19 (27). 454

457 Schärf, in: Democracy (1989), S. 167 (169). 458 Burman, in: Democracy (1989), S. 151 (155). Die Praxis der Verhängung leichter Körperstrafen ist verfassungswidrig, wird aber derzeit in Südafrika kaum verfolgt.

192

2. Kapitel: Die Effektivität des Zivilrechtsschutzes in Bagatellsachen

Großteil der verhandelten Fälle betrifft familiäre Konflikte, aber auch Nachbarschafts- und andere geringfügige Zivilstreitigkeiten 459 . Die Verhandlungen finden häufig abends oder am Wochenende statt 460 . Die Teilnahme und die Befolgung der Entscheidungen geschieht zumeist freiwillig bzw. allein aufgrund sozialen Drucks 461 . Allerdings scheinen einige Community Courts die Teilnahme widerwilliger Parteien auch zu erzwingen 462 . Insoweit sind die Community Courts also durchaus nicht immer rein freiwillige Schiedsgerichte, sondern treten an die Stelle der ordentlichen Gerichte. Die Parteien dürfen sich nicht durch Anwälte vertreten lassen. Die Begleitung und Unterstützung durch Freunde wird aber zugelassen. Das Verfahren ähnelt stark dem Verfahren vor den Häuptlingsgerichten. Insoweit wird nach oben verwiesen. Im Gegensatz zu den Richtern in den staatlichen Gerichten sehen die Richter der Community Courts ihre Hauptaufgabe nicht darin, den Sachverhalt vollständig zu ermitteln, die Rechtslage zu klären und auf den Sachverhalt anzuwenden, sondern darin, widerfahrenes Unrecht zu beseitigen und dadurch den Rechtsfrieden in der Gemeinschaft wiederherzustellen 463 . Wie die Entscheidungen der Häuptlingsgerichte basieren die Urteile der Community Courts damit auf dem traditionellen Wertesystem der schwarzen Bevölkerung und erfreuen sich deswegen deren Anerkennung.

4. Ergebnis Die Größe der Magistratsdistrikte und die geringe Zahl der Magistrates läßt deutlich werden, daß Südafrika nur ein sehr weitmaschiges Rechtsschutznetz unterhält. Als weitere Zugangsbarriere kommt hinzu, daß das Klageverfahren vor den Magistrates' Courts gerade für die Erledigung von Bagatellsachen zu schwerfällig und aufwendig ist. Nur wenn aufgrund fehlender Verteidigungsbereitschaft des Beklagten ein Versäumnisurteil ergehen kann, gelangt der Kläger ohne großen finanziellen und zeitlichen Aufwand zu einem Vollstreckungstitel. Wird ein Pre-trial bzw. Trial erforderlich, macht die Komplexität der Verfahrensvorschriften eine anwaltliche Vertretung notwendig. Die dadurch bedingten hohen Verfahrenskosten führen zur UnWirtschaftlichkeit der Prozeßführung in Bagatellsachen. Ein Großteil der südafrikanischen Bevölkerung kann sich die Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts ohnehin nicht leisten. In zivilrechtlichen Bagatellsachen existiert in Süd459

South African Law Commission (Hrsg.), Discussion Paper No. 87, Project 94, CDR Structures (1999), Par. 3.3. 2. 30; Gough, Small Claims Court (1991), S. 371 FN 34; Burman, in: Democracy (1989), S. 151 (155). 460 South African Law Commission (Hrsg.), Discussion Paper No. 87, Project 94, CDR Structures (1999), Par. 3. 3. 43; Van Niekerk , in: 27 (1994) De Jure 19 (27). 461 South African Law Commission (Hrsg.), Discussion Paper No. 87, Project 94, CDR Structures (1999), Par. 1.2.4. Burman, in: Democracy (1989), S. 151 (156). Van Niekerk, in: 27 (1994) De Jure 19 (28).

Β. Der Rechtsschutz in zivilrechtlichen Bagatellsachen

193

afrika keine Prozeßkostenhilfe. Neben der finanziellen Zugangsschranke ergibt sich für die schwarze Bevölkerung auch daraus ein Hindernis, daß die Verhandlung in den Magistrates' Courts auf Englisch oder Afrikaans geführt wird und ihr auch das angewendete Verfahrens- und materielle Recht kulturell fremd ist. Das Bagatellgerichtssytem der Small Claims Courts befindet sich seit über 15 Jahren im Aufbau, hat aber bislang nur zu einer eher bescheidenen Verbesserung des Rechtsschutzes in Bagatellsachen geführt. Die Zahl der vor ihnen behandelten Bagatellstreitigkeiten ist vergleichsweise gering. Die Small Claims Courts arbeiten zwar erfolgreich, werden aber vom Staat finanziell zuwenig gefördert und haben daher noch keine flächendeckende Verbreitung gefunden. Aufgrund des Mangels an ehrenamtlichen Richtern müssen die Parteien teilweise sehr lange auf einen Gerichtstermin warten. Im Gegensatz zum Verfahren der Magistrates' Courts ist der Rechtsgang vor den Small Claims Courts sehr kostengünstig und für die Parteien leicht verständlich. Um der Forderung nach Waffen- und Chancengleichheit Rechnung zu tragen, liegt die Hauptverantwortung für die Sachverhaltsermittlung nicht bei den Parteien, sondern beim Richter, dessen Stellung insoweit seinem deutschen Amtskollegen entspricht. Da die Verhandlungen nicht protokolliert und die Entscheidungen nicht schriftlich begründet werden, besteht die gesetzlich vorgesehene Review-Möglichkeit tatsächlich nur auf dem Papier. Insoweit sind der richterlichen Willkür Tor und Tür geöffnet. In den Stammesgebieten sorgen die neben der normalen staatlichen Gerichtsstruktur bestehenden Häuptlingsgerichte, in den Townships die sog. „Community Courts" dafür, daß der große Teil der mittellosen, schwarzen Bevölkerung nicht völlig von jedem Rechtsschutz ausgeschlossen ist. Da die Richter dieser Gerichte denselben kulturellen Hintergrund wie die Parteien haben, von denen sie angerufen werden, bieten sie schwarzen Parteien ein Verfahren, welches ihren kulturellen Erwartungen besser entspricht als das für sie fremde und unverständliche westliche Gerichtsverfahren. Trotzdem ist davon auszugehen, daß eine große Zahl von Bagatellansprüchen gerade dieser Bevölkerungsgruppe keine zufriedenstellende Befriedigung erfährt, weil keine geeigneten staatlichen Rechtsschutzmöglichkeiten bestehen.

ΠΙ. Vergleich Unterschiede zwischen dem deutschen und dem südafrikanischen Rechtsschutzsystem ergeben sich schon hinsichtlich der Gerichtsstruktur. Während in zivilrechtlichen Bagatellstreitigkeiten in Deutschland wie auch in höherwertigen Streitigkeiten der Rechtsweg zu den Amts- bzw. Arbeitsgerichten eröffnet ist, kann der Gläubiger einer Bagatellforderung in Südafrika häufig wählen, ob er diese vor einem Magistrates' Court oder einem Small Claims Court geltend machen will. Die Gerichtsbezirke der Magistrates' Courts sind im Vergleich zu den deutschen Amtsge13 Engbers

194

2. Kapitel: Die Effektivität des Zivilrechtsschutzes in Bagatellsachen

richtsbezirken riesig. Der Zugang zu den Gerichten ist somit in Deutschland bereits in geographischer Hinsicht leichter. Sowohl in Deutschland als auch in Südafrika ist der Prozeß vor den Amtsgerichten bzw. Magistrates' Courts als formalisierter, überwiegend schriftlicher Anwaltsprozeß ausgestaltet. Daraus erwachsen vor allem finanzschwachen bzw. unvertretenen Parteien Nachteile. In Deutschland werden diese teilweise durch die Gewährung von Prozeßkostenhilfe und eine aktive Rolle des Richters im Prozeß ausgeglichen. Durch die Fürsorgepflicht des Richters wird dem Gebot der Waffen- und Chancengleichheit Rechnung getragen. Entsprechende Elemente fehlen im Magistrates' Court-Prozeß. In diesem geht vor allem das Festhalten am Parteibetrieb (adversary model) zu Lasten der Effizienz des Verfahrens. Letzteres ist für die Entscheidung von Bagatellstreitigkeiten noch weniger als sein deutsches Pendant geeignet. Zudem stellt sich das Problem der fehlenden Waffen- und Chancengleichheit in Südafrika in viel größerem Maße: Weil Arbeitslosigkeit und Armut in Südafrika anders als in Deutschland ein Massenphänomen darstellen, ist der Staat außer Stande, in Bagatellstreitigkeiten Prozeßkostenhilfe zu gewähren. Besonders die schwarze Bevölkerungsmehrheit ist hiervon betroffen. Für sie ist der Zugang zu den Magistrates' Courts damit nicht nur aufgrund der Fremdheit der Sprache und Rechtskultur, sondern auch aufgrund der fehlenden finanziellen Mittel fast unmöglich. Die Einführung der Small Claims Courts in Südafrika beruhte daher auf völlig anderen Voraussetzungen als die Verfahrensvereinfachungen in Deutschland. Während hierzulande vor der Wiedereinführung des vereinfachten Verfahrens ein halbwegs effektiver Rechtsschutz auch in Bagatellsachen vor den Amtsgerichten bestand, war in Südafrika die gerichtliche Geltendmachung von kleinen, aber auch von großen Streitigkeiten für den Großteil der Bevölkerung ausgeschlossen. Das südafrikanische Bagatellverfahren ist daher in erster Linie auf die Verbesserung des Rechtsschutzes für den mittellosen Bürger ausgerichtet. Dieses Bestreben kommt u. a. darin zum Ausdruck, daß juristische Personen nicht vor den Small Claims Courts klagen dürfen. Der bislang fehlenden Waffen- und Chancengleichheit wird zudem dadurch Rechnung getragen, daß die Sachverhaltsermittlung nicht, wie sonst üblich, den Parteien, sondern dem Richter obliegt, der zu diesem Zweck die Parteien und ihre Zeugen einer mündlichen und formfreien Befragung unterzieht. Durch die Mündlichkeit wird damit gleichzeitig die Verständlichkeit des Verfahrens für die Parteien, die sich nicht anwaltlich vertreten lassen dürfen, erhöht. In Deutschland sind die Reformen demgegenüber hauptsächlich auf die Entlastung der Gerichte ausgerichtet. Das vereinfachte Verfahren gem. § -495a ZPO, welches vor allem Vereinfachungen für den Richter (Verzicht auf Beachtung von Formvorschriften, Tatbestand und Entscheidungsgründe) vorsieht, hat demzufolge in der Praxis keine Rechtsschutzverbesserung erbracht. Im Hinblick auf die Anforderungen an den Bagatellprozeß, Kostengünstigkeit, leichte Verständlichkeit und Waffen- und Chancengleichheit ist die durch die Einführung der südafrikanischen Small Claims Courts bewirkte Reform konsequenter. Hinsichtlich der Verfahrens-

C. Reformbestrebungen

195

dauer ergeben sich in Südafrika allerdings Probleme aufgrund der teilweise mangelhaften personellen Ausstattung der Small Claims Courts.

C. Reformbestrebungen mit Auswirkung auf die Behandlung von zivilrechtlichen Bagatellsachen Im folgenden werden die aktuellen rechtspolitischen Entwicklungen in Deutschland und Südafrika dargestellt, insoweit sie Auswirkungen auf den Rechtsschutz in zivilrechtlichen Bagatellstreitigkeiten haben. Erst die Betrachtung auch der jeweiligen Reformbestrebungen vervollständigt den Vergleich der Rechtsschutzsysteme und der ihnen zugrundeliegenden gesetzgeberischen Motive.

I. Deutschland In Deutschland wird vor dem Hintergrund leerer Kassen hauptsächlich eine Verschlankung und Effizienzsteigerung des Staatsapparates angestrebt. Sowohl die Wiedereinführung des vereinfachten Verfahrens gem. § 495a ZPO als auch die Ermächtigung der Länder, Bagatellklagen vom vorherigen Versuch einer außergerichtlichen Streitschlichtung abhängig zu machen, verfolgten wie oben gezeigt das Ziel, die Gerichte von der steigenden Zahl der Prozesse zu entlasten464. Die beschlossene grundlegende Reform der ZPO verfolgt das Ziel der Effizienzsteigerung des Verfahrens weiter, enthält aber hinsichtlich der Erweiterung der Berufungsmöglichkeit in Bagatellsachen auch eine Rechtsschutzverbesserung zugunsten des Bürgers 465 . Die Zivilprozeßnovelle wird am 1. 1. 2002 in Kraft treten 466 . Von seiten der Richter- und Anwaltschaft wird sie überwiegend abgelehnt467. Vor 464 Vgl. auch BT-Drucks. 14/3750, S. 42: „Die Neukonzeption der Berufung erlaubt es, nach den diversen, stets mit Einschränkungen der Rechtsschutzmöglichkeiten des Bürgers verbundenen Entlastungsgesetzen der letzten Jahrzehnte die Rechtsschutzmöglichkeiten für den Bürger wieder auf das angemessene Maß zu erweitern." 465 Begründet wird die Reform damit, daß die Verfahrensregelungen, die Funktion der Rechtsmittelzüge und der Gerichtsaufbau den berechtigten Ansprüchen der Bürger und der Wirtschaft nicht mehr genügen. Die Reform müsse die strukturellen Rahmenbedingungen dafür verbessern, daß die Prozeßparteien schnell zu ihrem Recht kommen und eine Entscheidung erhalten, die sie verstehen und akzeptieren, BT-Drucks. 14/3750, S. 35. 466 Das Gesetz zur Änderung der ZPO wurde am 17. 5. 2001 vom Bundestag in abschließender Lesung verabschiedet und hat am 22. 6. 2001 den Bundesrat passiert. Es beruht auf zwei Gesetzesentwürfen der Koalitionsfraktionen (in BT-Drucks. 14/3750) und der Bundesregierung (abgedruckt in der Beilage zu NJW 2000/Heft 40), die in den wesentlichen Punkten miteinander übereinstimmten. 467 Eine Übersicht über die kritischen Beiträge aus Richter- und Anwaltschaft findet sich bei Musielak, in: NJW 2000, S. 2769 f. 13*

196

2. Kapitel: Die Effektivität des Zivilrechtsschutzes in Bagatellsachen

allem wird das Bedürfnis für eine Reform bestritten, da die Qualität und Effizienz der deutschen Zivilgerichte im internationalen Vergleich sehr gut sei 4 6 8 . Wo trotz allem Mängel aufträten, liege dies nicht an den Verfahrensvorschriften oder der Struktur der Gerichte, sondern an fehlender sachlicher oder personeller Ausstattung, mangelnder Kompetenz des Personals oder schlechter Organisation 469. Einen Schwerpunkt des Reformvorhabens bildet die Neuregelung des Verfahrens erster Instanz. Für das Amtsgerichtsverfahren in Bagatellsachen von Bedeutung sind vor allem die geplante Neufassung der Bagatellvorschriften (1.), die Einführung einer obligatorischen Güteverhandlung in § 278 ZPO (2.) sowie die Einführung eines Abhilfeverfahrens in Bagatellsachen (3.). Der Verbesserung des Rechtsschutzes in Bagatellsachen dient die Erweiterung der Berufungsmöglichkeiten des Bürgers gegen die Urteile des Amtsrichters (4.).

1. Die Neufassung der Bagatellvorschriften Wie bereits oben angedeutet, kommt § 128 Abs. 3 ZPO aufgrund der Regelung in § 495a ZPO kaum noch eine eigenständige Bedeutung zu. Es ist daher konsequent, daß die Reform eine Aufhebung von § 128 Abs. 3 ZPO vorsieht 470 . Auch § 313a ZPO wird durch die Reform neu gefaßt. Nach der Neuregelung in Abs. 1 sind in einem nicht rechtsmittelfähigen Urteil 4 7 1 schriftliche Entscheidungsgründe nicht nur bei einem Verzicht der Parteien, sondern auch dann entbehrlich, wenn ihr wesentlicher Inhalt bereits in das Verhandlungsprotokoll aufgenommen wurde. Die Regelung in Abs. 2 eröffnet dem Gericht sogar generell (also nicht nur in Bagatellsachen) die Möglichkeit, bei der Urteilsabfassung auf die Darstellung der Entscheidungsgründe zu verzichten, wenn das Urteil als sog. Stuhlurteil im Anschluß an die mündliche Verhandlung ergangen ist und eine Anfechtung des Urteils aufgrund Rechtsmittelverzichts der Parteien nicht möglich ist 4 7 2 . Die beschlossene Neufassung des § 495a ZPO sieht eine Streichung von § 495a Abs. 2 ZPO vor. Dies ist konsequent, da die Voraussetzungen für einen Verzicht auf Tatbestand und Entscheidungsgründe wie oben geschildert in § 313a ZPO n.F. einheitlich geregelt sind und sein Inhalt in § 313a Abs. 1 ZPO n.F. aufgenommen 468 Dury, in: FAZ vom 3. 2. 2001, S. 8. 469 Dury, in: FAZ vom 3. 2. 2001, S. 8. 470 Vgl. § 128 Abs. 3 und 4 ZPO n.F.. Die beiden Absätze erlauben den Verzicht auf eine mündliche Verhandlung, wenn nur noch über die Kosten zu entscheiden ist bzw. es sich um Entscheidungen des Gerichts handelt, die nicht Urteile sind. 471 Unter die Regelung fallen alle erstinstanzlichen Urteile der Amts- und Landgerichte, bei denen keine Partei die notwendige Beschwer von 600 Euro erreicht und die Berufung vom erstinstanzlichen Gericht nicht zugelassen wurde (§511 Abs. 2 Nr. 1 und 2 ZPO n.F.). 472 Die Frist für die Erklärung des Begründungs- bzw. Rechtsmittelverzichts wird in Abs. 3 auf eine Woche (vorher: 2 Tage) verlängert, um die Abstimmung zwischen Rechtsanwalt und Partei zu erleichtern.

C. Reformbestrebungen

197

worden ist. Hinsichtlich des Umfangs des Urteils in Bagatellsachen ergeben sich somit keine Abweichungen zur bisherigen Rechtslage. Der Bagatellstreitwert in § 495a Abs. 1 ZPO n.F. verbleibt mit 600 Euro (vorher: DM 1200) auf dem Niveau der letzten Anpassung aus dem Jahre 1993, so daß ein schleichender Bedeutungsverlust zu erwarten ist. Zu bedauern ist ferner, daß § 495a Abs. 1 ZPO n.F. unverändert bleibt und dem Amtsrichter auch weiterhin keine Leitlinien für die Art der Ermessensausübung zur Hand gibt. An der unzureichenden Umsetzung der Vorschrift wird sich daher wohl auch in Zukunft nichts ändern.

2. Die obligatorische Güteverhandlung Die ZPO-Novelle sieht nach dem Vorbild des arbeitsgerichtlichen Verfahrens in § 278 ZPO n.F. die Einführung einer obligatorischen Güteverhandlung vor, die dem Haupttermin vorauszugehen hat. Ist bereits vor einer außergerichtlichen Einigungsstelle ein Einigungsversuch erfolgt oder ist die Güteverhandlung sonst erkennbar aussichtslos, wird sie aber nur auf Antrag stattfinden. In Bagatellsachen ist der Anwendungsbereich der Vorschrift somit in den Bundesländern, die ein obligatorisches außergerichtliches Güteverfahren gem. § 15a EGZPO eingeführt haben, hauptsächlich auf die Fälle beschränkt, in denen das außergerichtliche Güteverfahren durch das Mahnverfahren umgangen wurde. In der Güteverhandlung hat das Gericht den Sach- und Streitstand mit den Parteien unter freier Würdigung aller Umstände zu erörtern und, soweit erforderlich, Fragen zu stellen. Das persönliche Erscheinen der Parteien ist zu diesem Zweck anzuordnen. Die Güteverhandlung kann auch vor einem beauftragten oder ersuchten Richter bzw. in geeigneten Fällen vor einer außergerichtlichen Gütestelle stattfinden. Erscheinen beide Parteien nicht zur Güteverhandlung, wird das Ruhen des Verfahrens angeordnet. Ob die erhoffte Erhöhung der Vergleichsquote im Amtsgerichtsverfahren durch eine obligatorische Güteverhandlung erreicht werden kann, muß aber bezweifelt werden 473 . Bereits nach geltendem Recht (§ 279 ZPO) ist es dem Richter aufgegeben, in jeder Lage des Verfahrens auf eine gütliche Beilegung des Rechtsstreits hinzuwirken. Zu diesem Zweck kann er bereits heute das persönliche Erscheinen der Parteien anordnen. Zudem ist nicht das Ob, sondern das Wie einer Güteverhandlung entscheidend. Das Androhen des Erlasses einer bestimmten Entscheidung für den Fall der Nichtannahme eines Vergleichsvorschlags ist zwar oft wirkungsvoll, erzeugt bei den Parteien aber Unzufriedenheit und schadet dem Ansehen der Justiz 474 . Wichtiger als die Einführung einer obligatorischen Güteverhand473 Ebenso Musielak, in: NJW 2000, S. 2769 (2771); Renk, in: DRiZ 2000, S. 171 (173). 474 Henkel, in: ZZP 10 (1997), S. 91 (105) hält auch die häufig anzutreffenden undurchdachten Halbe-Halbe-Vergleichsvorschläge für einen „kommunikations-psychologischen Mißgriff erster Güte". Das Gericht habe vielmehr die Pflicht, im Kontakt zu den Parteien einen Vergleichsvorschlag zu entwickeln, der der im Termin vorgefundenen Sach- und Rechtslage Rechnung trägt.

198

2. Kapitel: Die Effektivität des Zivilrechtsschutzes in Bagatellsachen

lung scheint für die Förderung der Streitschlichtung daher eine entsprechende Ausbildung der Richter 475 . Hinzu kommt, daß die Erfahrungen mit dem arbeitsgerichtlichen Güteverfahren nur bedingt auf den Zivilprozeß übertragbar sind, da in letzterem die größten Schwierigkeiten oft in der Feststellung des richtigen Sachverhalts liegen, während in Arbeitsgerichtsprozessen häufig nur um die Höhe der Abfindung gestritten wird 4 7 6 . Im Ergebnis ist die Einführung einer obligatorischen Güteverhandlung daher als überflüssige Formalität abzulehnen.

3. Das neue Abhilfeverfahren Eine gänzlich neue Bestimmung enthält § 321a ZPO n.F.. Er eröffnet dem erstinstanzlichen Gericht im Falle der gerügten Verletzung rechtlichen Gehörs erstmals die Möglichkeit der Selbstkorrektur bei unanfechtbaren Urteilen. Die Rüge ist innerhalb einer zweiwöchigen Notfrist nach Zustellung des Urteils zu erheben 477. Bei begründeter Rüge wird der Prozeß entsprechend dem Rechtsgedanken in § 342 ZPO in die Lage zurückversetzt, in der er sich vor dem Schluß der mündlichen Verhandlung befand. Nach geltendem Recht kann der Betroffene in den Fällen, in denen die Berufungssumme nicht erreicht wird, nur noch Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht einlegen 478 . Das Bundesverfassungsgericht wird daher gerade aufgrund der oben erwähnten Verfahrensfehleranfälligkeit des § 495a ZPO mit einer Vielzahl von Bagatellverfahren belastet 479 . Mit der Einführung des Abhilfeverfahrens wird somit zum einen das Bundesverfassungsgericht entlastet und zum anderen die in der Literatur vielfach vorgebrachte Forderung 480 nach einer Verfahrenskontrolle im Hinblick auf Verstöße gegen Art. 103 Abs. 1 GG erfüllt. Unbeabsichtigte Verletzungen des Gehörsanspruchs können nun auf einfache Art und Weise durch das erstinstanzliche Gericht behoben werden. Die Einführung eines Abhilfeverfahrens ist damit zu begrüßen.

475 Musielak, in: NJW 2000, S. 2769 (2771). 476 Dury, in: FAZ vom 3. 2. 2001, S. 8. 477 im Zusammenhang mit der Regelung des § 321a ZPO n.F. wird § 705 ZPO dahingehend abgeändert, daß die Rechtskraft des Urteils nicht vor Ablauf der Rügefrist eintritt. 478 BVerfG, in: NJW 1997, S. 1301. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist jedoch zumindest in den Fällen, in denen gem. § 495a Abs. 1 ZPO keine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, vor der Einlegung einer Verfassungsbeschwerde gem. § 513 Abs. 2 ZPO analog die Berufung zum Landgericht zu erheben. 479 Kunze, in: NJW 1997, S. 2154 mit Nachweisen einiger veröffentlichter BVerfG-Entscheidungen in FN 4. 480 Vgl. ζ. B. Kunze, in: NJW 1997, S. 2154 (2155); Rottleuthner, in: NJW 1996, S. 2473 (2477); Hennrichs, in: NJW 1991, S. 2815.

C. Reformbestrebungen

199

4. Die Erweiterung der Berufungsmöglichkeit in Bagatellsachen In § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO n.F., der dem bisherigen § 511a Abs. 1 Satz 1 ZPO entspricht, wird die Berufungssumme von DM 1500 auf 600 Euro (1173,50 DM) herabgesetzt und damit die für die Zulässigkeit der Berufung notwendige Beschwer mit der Bagatellgrenze für das vereinfachte Verfahren gem. § 495a Abs. 1 ZPO vereinheitlicht. In Bagatellsachen zwischen einem Streitwert von DM 1200 und 1500 wird damit die Berufung uneingeschränkt zulässig und der Anteil der unanfechtbaren Entscheidungen an allen Amtsgerichtsurteilen reduziert. Diese Rechtsschutzverbesserung ist positiv zu bewerten. Daneben führt § 511 Abs. 2 Nr. 2 ZPO n.F. als Ausnahme von Nr. 1 eine Zulassungsberufung für Bagatellsachen ein 4 8 1 . Auch unter einem Wert der Beschwer von DM 1200 (Euro 613,55) ist die Berufung dann zulässig, wenn das erstinstanzliche Gericht die Berufung aufgrund der grundsätzlichen, also über den Einzelfall hinausreichenden Bedeutung der Rechtssache482 zugelassen hat 4 8 3 . Entsprechend der Regelung in § 64 Abs. 2 ArbGG hat das Gericht die Berufung bei Vorliegen der Zulassungsvoraussetzungen von Amts wegen zuzulassen. Der angekündigte Abbau der streitwertabhängigen Zugangsbarrieren zum Rechtsmittel dürfte durch diese Maßnahme allerdings kaum erreicht werden, da die meisten Rechtssachen - und da bilden die Bagatellsachen gewiß keine Ausnahme keine grundsätzliche Bedeutung haben und auch weiterhin von der zweiten Instanz ausgeschlossen bleiben.

II. Südafrika Die Gesetzgebungstätigkeit auf dem Gebiet der südafrikanischen Rechtspflege verfolgt seit einigen Jahren vor allem das Ziel, die sich aus der neuen Verfassung ergebenden Anforderungen umzusetzen, die ehemaligen TBVC-Staaten wieder in 481 Begründet wird die Erweiterung der Berufungsmöglichkeit damit, daß dem rechtssuchenden Bürger nicht überzeugend vermittelbar sei, daß bei kleineren Streitwerten ein Rechtsmittel selbst bei offensichtlicher Unrichtigkeit des angefochtenen Urteils ausgeschlossen sein soll, obwohl eine ungünstige Entscheidung in einer kleinen Streitsache für ihn weitaus schwerwiegender sein kann als ein verlorener Millionenprozeß für ein großes Wirtschaftsunternehmen. Das geltende Rechtsmittelrecht müsse sich daher den Vorwurf „sozialer Schieflage" gefallen lassen, vgl. die Begründung des Regierungsentwurfs, in: NJW 2000/ Beilage zu Heft 40, S. 16 sowie die Begründung des Entwurfs der Koalitionsfraktionen, in: BT-Drucks. 14/3750, S. 36. 482 Nach dem Regierungsentwurf ist die Berufung in Bagatellsachen auch dann zuzulassen, wenn die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordern. 483 Unter denselben Voraussetzungen ist sogar nach § 543 Abs. 2 ZPO n.F. gegen das Berufungsurteil auch in Bagatellsachen die Revision zum BGH möglich.

200

2. Kapitel: Die Effektivität des Zivilrechtsschutzes in Bagatellsachen

das südafrikanische Gerichtssystem zu integrieren und die stark angestiegene Kriminalität in den Griff zu bekommen. Daneben gilt es aber auch, das schwerwiegende Rechtsschutzdefizit zu mildern, welches in der Vergangenheit zur Bildung nichtstaatlicher Strukturen geführt hat. Derzeit wird - vor allem von der South African Law Commission 484 - untersucht, wie diese Ziele am besten verwirklicht werden können. Schwerpunkte der Reformbestrebungen sind die Verbesserung des Verfahrens vor den Magistrates' Courts und die Förderung der außergerichtlichen Streitschlichtung. Um den Zugang zum Gerichtssystems in Bagatellsachen zu verbessern, ist auch an einen Ausbau des Small Claims Court - Systems gedacht. Gefördert werden sollen zudem die Häuptlingsgerichte („Traditional Courts"). Bislang hat jedoch noch keines der Reformvorhaben Eingang in konkrete Gesetzesvorhaben gefunden.

7. Die Förderung der Alternative Dispute Resolution (ADR) Die Förderung alternativer Streitschlichtungsmethoden zur Entlastung der staatlichen Gerichte und zur Verbesserung des Zugangs zur Rechtspflege wird derzeit unter verschiedenen Gesichtspunkten diskutiert. Der vielleicht interessanteste davon ist der Plan, die Community Courts als informelle Streitschlichtungsinstanzen in das staatliche Gerichtssytem einzubinden und in den Gebieten, in denen noch keine Community Courts existieren, solche einzurichten 485 . Die ebenfalls angedachte Umwandlung der in das staatliche Gerichtssystem integrierten Häuptlingsgerichte von Streitentscheidungs- zu bloßen Streitschlichtungsinstanzen hätte allerdings einen Prestigeverlust der Häuptlinge zur Folge und würde deswegen auf deren heftigen Widerstand stoßen. Die South African Law Commission hält diesen Vorschlag daher für wenig praktikabel 486 . Stattdessen wird von ihr die Idee bevorzugt, für die bereits heute als informelle Streitschlichtungseinrichtungen arbeitenden Community Courts einige wenige, verfassungsrechtlich gebotene Mindeststandards gesetzlich festzuschreiben und diese auf regionaler oder Provinzebene der Aufsicht durch speziell ausgebildete „Ombudsmen for Community Forums and Peace Associations" zu unterstellen 487.

484

Diese unterstützt den Gesetzgeber seit ihrer Gründung im Jahre 1973 bei der Vorbereitung von Gesetzes vorhaben. 48 5 Ministry of Justice (Hrsg.), Justice Vision 2000 (1997), S. 32; South African Law Commission (Hrsg.), Discussion Paper No. 82, Project 90, Traditional Courts (1999), S. 18. 486 South African Law Commission (Hrsg.), Discussion Paper No. 82, Project 90, Traditional Courts (1999), S. 19. 487 Vgl. dazu South African Law Commission (Hrsg.), Discussion Paper No. 87, Project 94, CDR Structures (1999), Memorandum in Annexure A. Van Niekerk in: 27 (1994) De Jure 19 (30) scheint sich hingegen zwar für ein Rahmengesetz, aber gegen eine Kontrolle der Community Courts auszusprechen.

C. Reformbestrebungen

201

Dem Gesetzgeber wird insoweit vorgeschlagen, in einem flexiblen Rahmengesetz Mindestanforderungen für sog. „Peace Committees" und sog. „Community Forums" vorzusehen 488. Der Unterschied zwischen den beiden Einrichtungen würde zum einen im Kreis der Schlichter bestehen489. Zum anderen sollen die Entscheidungen der „Community Forums" durch die Magistrates' Courts durchgesetzt werden können 490 . Aufgrund der fehlenden Rechtskraftwirkung der Urteile sei eine Berufungsmöglichkeit aber nicht notwendig, da es den Parteien ohnehin jederzeit frei stünde, die Magistrates' Courts anzurufen 491. In schwierigen oder schwerwiegenderen Fällen müßten die Schlichter die Parteien an die Magistrates' Courts 492

verweisen . Aufgrund der mit den Community Courts gemachten Erfahrungen fordert die Kommission, die Ausübung physischen Zwangs zur Durchsetzung der Teilnahme an den Verhandlungen der Schlichtungsforen zu untersagen; diese müsse völlig freiwillig erfolgen. Im übrigen beläßt es die Kommission aber beim traditionellen Prozeßgang der Community Courts: Das Verfahren soll wie bisher informell und schnell sein. Die Teilnahme von Attorneys als Parteivertreter bleibt ausgeschlossen. Hinsichtlich des Zuständigkeitsbereichs macht die Kommission keine konkreten Vorschläge. Offensichtlich ist sie aber der Ansicht, daß die damit verbundenen zahlreichen verfassungsrechtlichen Probleme eine strafrechtliche Zuständigkeit ausschließen493. 2. Der Ausbau der Bagatellgerichte Als eine weitere Möglichkeit zur Förderung des Zugangs zu den Gerichten wird in Südafrika der Ausbau des Systems von Bagatellgerichten angesehen. Zu diesem Zweck plant das Justizministerium die Errichtung von weiteren Small Claims 488 Die Bezeichnungen werden von der Kommission als bloße Arbeitstitel verstanden. Der Begriff „Court" sollte ihrer Ansicht nach jedoch vermieden werden, um nicht den falschen Eindruck zu erwecken, es handele sich bei den beiden Einrichtungen um Gerichte. 489 Hinsichtlich der „Peace Committees" werden dafür die angestammten Autoritäten wie Eltern, Schuldirektoren, Kirchenälteste etc. vorgeschlagen. In den „Community Forums" sollen hingegen Sozialarbeiter mit Rechtskenntnissen (sog. „Para-legals") und Referendare mit dem entsprechenden gesellschaftlichen Hintergrund tätig werden. 490 Dies steht in einem gewissen Widerspruch zu der Empfehlung der Kommission, den Entscheidungen beider Schlichtungsforen keine Rechtskraftwirkung beizumessen. Wie die Entscheidungen der „Community Forums" dann von den Magistrates' Courts vollstreckt werden können sollen, wird von der Kommission nicht dargelegt. 4 91 Memorandum, Par. 4.3. Da das Verfahren der Schichter nicht protokolliert wird, müßte vor den Magistrates' Courts ohnehin eine neue Verhandlung stattfinden. 49 2 Umgekehrt soll eine Verweisung aber nur mit Zustimmung beider Parteien zulässig sein. 493 Vgl. dazu South African Law Commission (Hrsg.), Discussion Paper No. 87, Project 94, CDR Structures (1999), Par. 2.25; auch Van Niekerk, in: 27 (1994) De Jure 19 (30) weist auf die Gefahr des Mißbrauchs hin.

202

2. Kapitel: Die Effektivität des Zivilrechtsschutzes in Bagatellsachen

Courts vor allem in den ehemaligen Homelands und sonst von der Apartheid-Regierung benachteiligten Gebieten 494 . Da allerdings weiterhin nicht an eine Bezahlung der Commissioner gedacht wird, ist nicht davon auszugehen, daß sich die eher langsame Ausbreitung dieser Gerichte beschleunigen wird. Die South African Law Commission spricht sich zudem für die Beibehaltung der allgemein anerkannten, traditionellen Häuptlingsgerichte aus 495 . Um deren demokratische Legitimation zu stärken, empfiehlt sie aber, diese zu Kollegialgerichten auszubauen, in denen der Häuptling und seine demokratisch gewählten Berater („Councillors") in gleicher Weise stimmberechtigt sind 496 . Die strafrechtliche Zuständigkeit der Häuptlingsgerichte sollte nach Ansicht der Kommission angesichts der zahlreichen verfassungsrechtlichen Probleme (richterliche Unabhängigkeit, Unschuldsvermutung 497, Vertretungsverbot etc.) beschränkt werden 4 9 8 . In Zivilsachen empfiehlt die Kommission eine Beschränkung des Zuständigkeitsstreitwerts auf Bagatellsachen499 und den Entzug von Sorgerechts- und Vormundschaftssachen. Speziell ausgebildete sog. „Para-Legals" 500 könnten als Clerks bei der Gerichtsorganisation und der Protokollierung der Verhandlungen helfen. Das traditionelle Frage- und Rederecht eines jeden Erwachsenen in der Verhandlung sollte beibehalten werden 501 , desgleichen das Verbot der Vertretung durch Prozeßbevollmächtigte 502. Auf Verfahrensvorschriften und Beweisregeln 494

Department of Justice (Hrsg.), Annual Report 1998/1999 (2000), S. 24. Das vom Ministry of Justice (Hrsg.), Justice Vision 2000 (1997), S. 31, propagierte Ziel, bis Mitte 1999 mindestens die Hälfte aller Magistratsbezirke mit Small Claims Courts auszustatten, ist nicht erreicht worden. 495 South African Law Commission (Hrsg.), Discussion Paper No. 82, Project 90, Traditional Courts (1999), S. VII. Ebenso Singh, Indigenous Courts (1994), S. 17. 496 South African Law Commission (Hrsg.), Discussion Paper No. 82, Project 90, Traditional Courts (1999), S. 17. Nach Ansicht der Kommission sollten entgegen der Tradition auch Frauen in das Beratergremium gewählt werden können. 497 Nach schwarzem Gewohnheitsrecht muß der Angeklagte seine Unschuld beweisen, Van Niekerk, Traditional African Courts (1993), S. 10. 498

Die Kommission schlägt insoweit eine Zuständigkeit für die Verhängung von Geldstrafen bis zu 500 Rand bzw. 5 Rindern vor. Die teilweise noch verhängten Körperstrafen seien verfassungswidrig und müßten aus den Häuptlingsgerichten verschwinden, South African Law Commission (Hrsg.), Discussion Paper No. 82, Project 90, Traditional Courts ( 1999), S. 31. 499 South African Law Commission (Hrsg.), Discussion Paper No. 82, Project 90, Traditional Courts (1999), S. 26. Ihr Vorschlag lautet, den Zuständigkeitsstreitwert der Small Claims Courts auf die Häuptlingsgerichte zu übertragen. 500 Unter dieser Bezeichnung werden u. a. Sozialarbeiter mit Rechtskenntnissen verstanden, vgl. dazu ausführlich Fine, in: Para-Legals (1990). 501 In vielen Häuptlingsgerichten beschränkt sich das Frage- und Rederecht auf Männer. Da dies einen Verstoß gegen See. 9 Verfassung darstellt, empfiehlt die Kommission eine Ausdehnung auf Frauen, South African Law Commission (Hrsg.), Discussion Paper No. 82, Project 90, Traditional Courts (1999), S. 18. 502

South African Law Commission (Hrsg.), Discussion Paper No. 82, Project 90, Traditional Courts (1999), S. 37. Begründet wird dies mit den hohen Anwaltskosten, der verwirrenden Rhetorik und Prozeßverschleppungstendenz der Anwälte, dem Argument der Chancen-

C. Reformbestrebungen

203

könne verzichtet werden, da das gewohnheitsrechtliche Verfahren billig und angemessen sei. 3. Die Verbesserung der Zugänglichkeit der Magistrates* Courts Zu den bislang noch nicht verwirklichten Projekten gehört die Neubestimmung und bessere Verteilung der Magistratsbezirke 503. Die Gerichtsorganisation soll mit dem Ziel der Verfahrensbeschleunigung verbessert werden 504 . Dazu wurde 1997 das sog. „Cluster-System" eingeführt 505 . Die Magistratsbezirke wurden in 14 „Cluster" eingeteilt, denen jeweils ein Chief Magistrate vorsteht. Dieser ist für die Zuteilung der Ressourcen, die Ausbildung des Gerichtspersonals und die Organisation der Magistrates' Courts zuständig. Gleichzeitig wird an einer Verbesserung der gerichtlichen Infrastruktur (Neubau von Gerichtsgebäuden, Modernisierung der Telekommunikation, Computerisierung etc.) gearbeitet. Die Vereinfachung des Verfahrens vor den Magistrates' Courts wird zwar von Praktikern vehement gefordert, gehört aber derzeit nicht zu den in Vorbereitung befindlichen Reformvorhaben 506.

ΠΙ. Vergleich Wie in Deutschland und anderen Ländern werden in Südafrika derzeit Möglichkeiten untersucht, wie durch eine Förderung alternativer Streitschlichtungsmethoden die staatlichen Gerichte entlastet und der Zugang zu den Gerichten verbessert werden kann. Eine Eigenart Südafrikas, die in Deutschland keine Entsprechung hat, sind die traditionellen Häuptlingsgerichte und die informellen sog. Community Courts. Die Häuptlingsgerichte sind seit jeher in das staatliche Gerichtssystem integriert. Der Trend geht nun dahin, auch die Community Courts in das staatliche Gerichtssystem einzubinden und für eine Gewährleistung der verfassungsrechtlichen Verfahrensgebote auch vor den Häuptlingsgerichten und Community Courts zu sorgen. Eine Abschaffung der Häuptlingsgerichte und Community Courts kommt in Südafrika mangels geeigneter Rechtsschutzalternativen für die schwarze gleichheit sowie der Einfachheit der vor den Häuptlingsgerichten verhandelten Fälle. Zudem sprächen die wenigsten Anwälte die Stammessprache, so daß das Verfahren auf Englisch oder Afrikaans geführt werden müßte und damit einer der Hauptvorteile des Häuptlingsgerichts verloren ginge. 503 Ministry of Justice (Hrsg.), Justice Vision 2000 (1997), S. 28; Department of Justice (Hrsg.), Annual Report 1998/1999 (2000), S. 22. 504 Ministry of Justice (Hrsg.), Justice Vision 2000 (1997), S. 28. 505 Das englische Wort „Cluster" bedeutet zu deutsch „Haufen". Letztlich geht es also um eine Bündelung der Verwaltungsorganisation bei wenigen zentralen Einheiten. 506 Vgl. das Programm der South African Law Commission in deren Annual Report 1999 (2000), Annexure C, S. 67.

204

2. Kapitel: Die Effektivität des Zivilrechtsschutzes in Bagatellsachen

Bevölkerung derzeit nicht in Betracht. Insgesamt ist eine langsame Annäherung der Rechtsschutzsysteme beider Länder zu beobachten. Einen Schritt in die Richtung der kontinental-europäischen Verfahrenstradition stellt das Small-ClaimsCourt-Verfahren dar. Es bleibt abzuwarten, ob von ihm Impulse für die dringend notwendige Reform des Magistrates-Court-Verfahrens ausgehen werden.

D. Gesamtvergleich Der Vergleich der beiden Länder hinsichtlich der prozessualen Ausgestaltung der Rechtsschutzsysteme sowie hinsichtlich der sozialen Rahmenbedingungen, der Effektivität des zivilgerichtlichen Verfahrens in Bagatellsachen und rechtspolitischen Tendenzen ergibt zahlreiche Abweichungen, aber auch einige Übereinstimmungen: I. Die verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Ausgestaltung des Zivilprozesses in Bagatellsachen sind in Deutschland und Südafrika im wesentlichen dieselben. II. Die tatsächliche Ausgestaltung des Rechtsschutzsystems in Bagatellsachen ist in Deutschland und Südafrika hingegen sehr unterschiedlich. Dies hat vor allem rechtshistorische und sozio-ökonomische Ursachen: 1. Die angelsächsische Prozeßstruktur, die dem Richter in der Verhandlung eine passive Rolle zuweist und das Betreiben des Verfahrens den Parteien überläßt, ist für die schnelle und kostengünstige Entscheidung von Bagatellstreitigkeiten grundsätzlich ungeeignet. In Deutschland ist das Regelverfahren zwar effizienter ausgestaltet, jedoch ergeben sich auch hierzulande in Bagatellsachen Zugangsprobleme aus den hohen Verfahrenskosten und der überwiegenden Schriftlichkeit des Verfahrens. 2. Die sozio-ökonomischen Rahmenbedingungen Südafrikas verlangen - dringender als die in Deutschland - eine Verbesserung des Zugangs zu den Gerichten für arme und schlecht ausgebildete Parteien. Anders als in Deutschland kann zur Prozeßbeschleunigung nicht auf eine Stärkung der Schriftlichkeit zurückgegriffen werden, da die Zahl der Analphabeten in Südafrika sehr hoch ist. Die Small Claims Courts sind vom Ansatz her geeignet, die Zugangsbarrieren für arme und ungebildete Parteien abzubauen. ΠΙ. Schwerpunkt der Reformen in Deutschland ist die Effizienzsteigerung der Justiz und damit die Entlastung der öffentlichen Haushalte. Hauptmotiv der südafrikanischen Prozeßrechtsreformen ist hingegen eine Rechtsschutzverbesserung vor allem für die schwarze Bevölkerung. Diese verfolgen daher das Ziel des Ausbaus des Small Claims Court-Systems sowie das der Einbindung der informellen Streitentscheidungs- und Streitschlichtungsinstitutionen in die staatliche Gerichtsstruktur.

3. Kapitel

Die Verbesserung des gerichtlichen Rechtsschutzes in Bagatellsachen in Deutschland Die Analyse der Effektivität der bestehenden Rechtsschutzsysteme in Deutschland und Südafrika im 2. Kapitel hat ergeben, daß der gerichtliche Rechtsschutz in Bagatellsachen nicht nur in Südafrika, sondern auch in Deutschland verbesserungswürdig ist. Im folgenden werden daher unter Rückgriff auf die im 1. und 2. Kapitel beschriebenen Verfahren Möglichkeiten zur Verbesserung der Prozeßökonomie (A.) und der Waffen- und Chancengleichheit der Parteien (B.) untersucht.

A. Die Verbesserung der Prozeßökonomie Die Untersuchung im 2. Kapitel hat gezeigt, daß die hohen Verfahrenskosten in Bagatellsachen das schwerwiegendste Zugangsproblem zu den Gerichten darstellen. Jede Reform des Rechtsschutzsystems in Bagatellsachen muß daher zuerst an diesem Punkt ansetzen (I.). Eine weitere Prozeßbeschleunigung erscheint demgegenüber weniger dringlich. In diesem Zusammenhang ist zu klären, ob ein vorgeschaltetes obligatorisches Güteverfahren zu einer schnelleren Erledigung von Bagatellstreitigkeiten beitragen kann (II.).

I. Die Senkung der Verfahrenskosten in Bagatellstreitigkeiten In der Vergangenheit versuchte man eine Senkung der Verfahrenskosten in Bagatellstreitigkeiten auf verschiedenen Wegen zu erreichen. Die Maßnahmen waren unterschiedlich radikal und reichten von einer Herabsetzung der Gerichts- und Anwaltsgebühren (1.) über das völlige Verbot anwaltlicher Vertretung (2.) bis hin zu einem Ausschluß der Anwaltskostenerstattung (3.).

1. Herabsetzung der Gerichts- und Anwaltsgebühren Bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts hinein mußten sich nicht nur die Anwälte, sondern auch die Gerichte durch die Erhebung von Gerichtsgebühren (sog. „Sporteln") selbst tragen. Um der dadurch bedingten Tendenz zur Gebührenübererhe-

206

. Kapitel: Die e

des echtsschutzes in Bagatellsachen

bung (sog. „Sportulieren") entgegenzuwirken, legten die Fürsten der Territorialstaaten bestimmte Gebührenobergrenzen sowohl für die Gerichts- als auch die Anwaltsgebühren fest. In Bagatellsachen wurden diese zur Verbesserung der Prozeßökonomie gegenüber dem ordentlichen Prozeß herabgesetzt. Nach dem sächsische „Gesetz, die Abkürzung und Vereinfachung des bürgerlichen Proceßverfahrens betreffend" von 1861 verzichtete der Staat bei einem Vergleichsschluß im ersten Termin völlig auf die Erhebung von Gerichtsgebühren. Gesenkte Gerichtsgebühren enthielten ζ. B. die Bagatellprozeßordnung des Hof van Holland aus dem Jahre 1579, das Schiedsurteilsverfahren von 1923 sowie der Small Claims Courts Act von 1984. In Deutschland kommt eine weitere Senkung der Gerichtsgebühren in geringwertigen Streitigkeiten, wie sie ζ. B. Leipold vorschlägt 1, allerdings heute nicht mehr Betracht 2. Gerade in Bagatellsachen wird die Rechtspflege als staatliche Dienstleistung ohnehin nur gegen symbolische Entgelte erbracht; die Richterkosten überwiegen die anfallenden Gerichtsgebühren bei weitem. Dies findet seine Ursache darin, daß die Höhe der Gerichtsgebühren sich nicht nach dem tatsächlichen Arbeitsaufwand, sondern nach der Höhe des Streitwerts richtet und für geringwertige Streitigkeiten eine Quersubventionierung stattfindet. Häufig findet sich in rechtshistorischen Verfahren auch die Kürzung der Sportein der Advokaten in geringwertigen Streitigkeiten. Beispiele hierfür sind das sächsische Bagatellmandat von 1753 und die sächsische Civilprozeßnovelie von 1861. Auch die BRAGO erhält an der Höhe des Streitwerts orientierte Gebührensätze. In Bagatellstreitigkeiten sind diese jedoch so niedrig, daß sich für den Anwalt bereits heute ein krasses Mißverhältnis von Aufwand und Ertrag ergibt. Die Bagatellsachen werden lediglich in der Hoffnung auf höherwertige Mandate miterledigt. Kostendeckung wird vom Anwalt erst bei Streitwerten über DM 5000 erreicht 3. Eine weitere Senkung der Anwaltsgebühren in Bagatellsachen erscheint daher nicht vertretbar.

2. Der Ausschluß anwaltlicher Vertretung Einige historische Bagatellvorschriften ordneten das persönliche Erscheinen der Parteien zur Verhandlung und das Verbot anwaltlicher Vertretung an4. Die Eignung 1 Leipold, in: Humane Justiz (1977), S. 91 (98) stellt in Bagatellsachen einen Nulltarif bei den Gerichtsgebühren zur Diskussion. 2 Ebenso Wollschläger, in: Methoden (1991), S. 13 (94). 3 Wollschläger, in: Methoden (1991), S. 13 (94). 4 Beispiele hierfür sind die Amsterdamer Verfahrensordnung für die „Commissarissen van kleyne saken" von 1632, die ihr folgende Instruktion für das „Collegie van de Cleijne Zaaken" in Kapstadt von 1682, das preußische Edikt über das Verfahren in Bagatellsachen von 1739, sowie in jüngerer Zeit der Small Claims Courts Act von 1984. Auch vor den Häuptlingsgerichten ist eine Vertretung durch Anwälte traditionell ausgeschlossen.

Α. Die Verbesserung der Prozeßökonomie

207

des Ausschlusses von Rechtsanwälten zur Senkung der Verfahrenskosten ist evident. Lassen sich beide Parteien im Prozeß von Rechtsanwälten vertreten, machen die Anwaltskosten in Deutschland mehr als zwei Drittel der Verfahrenskosten aus5. Ein Protest von Seiten der Anwaltschaft ist nicht zu erwarten, da diese Bagatellstreitigkeiten ohnehin nicht kostendeckend betreiben kann. Genauso evident ist aber, daß mit dem Vorteil der Senkung der Verfahrenskosten auch der Nachteil der Beschränkung des Rechts auf rechtliche Vertretung, welches sowohl in Deutschland als auch in Südafrika überwiegend aus der Rechtsschutzgarantie abgeleitet wird, einhergeht. Ein Ausschluß der rechtlichen Vertretung kann daher nur gerechtfertigt sein, wenn er durch Maßnahmen flankiert wird, die den Verlust an Beratung im Prozeß ausgleichen. Zu denken ist hier an die Ersetzung des Beibringungsdurch den Amtsermittlungsgrundsatz 6 sowie eine verstärkte Aufklärungs- und Prozeßleitungspflicht des Richters 7. Gegen eine solche Umgestaltung des Prozesses spricht aber, daß eine vollständige Sachverhaltsermittlung durch den Richter ohne eine Vortragspflicht der Parteien kaum zu leisten ist. Auch ist zu befürchten, daß schriftungewandte Parteien die Hinweise des Richters nach § 139 ZPO in der mündlichen Verhandlung nicht verstehen8. Schließlich erhöht sich die Gefahr willkürlicher Entscheidungen, wenn der Richter bei der Prozeßführung nicht mehr durch zumindest einen Rechtsanwalt kontrolliert wird 9 . Diese Gefahr ist um so realer als in Bagatellstreitigkeiten in der Regel kein Rechtsmittel mehr eingelegt werden kann und auch die Protokollierung und die Begründung des Urteils beschränkt sind. Im Ergebnis läßt sich daher festhalten, daß dem Ausschluß anwaltlicher Vertretung erhebliche Bedenken entgegenstehen, die durch die zu erwartende Kostensenkung nicht kompensiert werden.

3. Der Ausschluß der Anwaltskostenerstattung In manchen Bagatellverfahren wurden zwar Anwälte zugelassen, jedoch versuchte man die Parteien dadurch von der Inanspruchnahme eines Anwalts abzubringen, daß man der obsiegenden Partei die Erstattung der Anwaltskosten ganz oder teilweise versagte. Einen solchen Ausschluß der Kostenerstattung enthielten beispielsweise das sächsische „Gesetz über das Verfahren über ganz geringe Civilansprüche" vom 16. 5. 1839, die Gemeindegerichtsgesetze in Baden und Württemberg sowie die EntlastungsVO von 1915. Auch im Arbeitsgerichtsprozeß ist 5

Siehe oben, Kapitel 2. 6 Fasching, in: Justice (1978), S. 345 (354). 7

Ebenso für die Small Claims Courts Boberg, in: 15 (1985) Businessman's Law 17 (19). Fricker, Umfang und Grenzen (1999), S. 31. In solchen Fällen ist nach Ansicht von Frikker eine Prozeßführung ohne Anwalt nicht möglich. 9 So gibt Taitz, in: 23 (1990) De Jure 135 zu bedenken, daß sich die Wahrscheinlichkeit von Fehlurteilen durch den Ausschluß der Anwälte vor den Small Claims Courts erheblich erhöht habe. 8

208

. Kapitel: Die e

des echtsschutzes in Bagatellsachen

die Anwaltskostenerstattung gem. § 12a Abs. 1 Satz 1 ZPO ausgeschlossen. In Südafrika sah ζ. B. die Ordinance No. 2 of 1906 der Orange River Colony einen Ausschluß der Anwaltskostenerstattung vor. Da sich auch in Bagatellstreitigkeiten zumeist mindestens eine Partei anwaltlich vertreten läßt, könnte der Ausschluß der Anwaltskostenerstattung bei diesen einen Beitrag zur Kostensenkung leisten 10 . Wie die Erfahrung mit den Gemeindegerichten in Baden und Württemberg gezeigt hat, würde ein Ausschluß der Kostenerstattung voraussichtlich zu einer starken Verringerung der Prozeßvertretung durch Anwälte und damit zu einer deutlichen Verfahrenskostensenkung führen 11. Davon würden vor allem die unterliegende Partei profitieren, die nicht zusätzlich zu den Gerichtskosten auch noch die Anwaltskosten der Gegenseite aufgebürdet bekäme. Gleichzeitig bliebe das grundsätzliche Recht der Parteien auf anwaltliche Vertretung unangetastet. Der Gefahr, daß sich aufgrund der fehlenden Erstattungsmöglichkeit nur noch wohlhabende Parteien einen Anwalt nehmen, könnte dadurch vorgebeugt werden, daß die Kostenerstattung nach dem Vorbild der EntlastungsVO von 1915 zumindest dann zugebilligt wird, wenn die Rechtsanwaltskosten nach dem Ermessen des Gerichts zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig gewesen waren. Dies wäre ζ. B. dann der Fall, wenn sich auch die Gegenseite durch einen Rechtsanwalt vertreten läßt oder der Partei aufgrund ihrer Ungewandtheit eine Prozeßführung ohne Anwalt nicht zuzumuten ist.

II. Die Prozeßbeschleunigung in Bagatellstreitigkeiten Die Klagen über die zu lange Dauer der Zivilprozesse sind so alt wie der Prozeß selbst. Zur Prozeßbeschleunigung in Bagatellstreitigkeiten bieten sich verschiedene Möglichkeiten. Der am häufigsten beschrittene Weg ist die Konzentration des Verfahrens auf nur eine mündliche Verhandlung (1.). Daneben wird eine Verkürzung der Verfahrensdauer auch über eine Entformalisierung des Prozesses (2.) und die Vorschaltung einer außergerichtlichen Güteinstanz (3.) versucht. Bei der Erörterung verfahrenstechnischer Möglichkeiten zur Prozeßbeschleunigung darf jedoch nicht aus dem Auge verloren werden, daß die Dauer eines Prozesses nicht nur von der Ausgestaltung des Verfahrens, sondern auch von einer effizienten, leistungsfähigen Gerichtsorganisation abhängt. io Leipold, in: Humane Justiz (1977), S. 91 (96); Röhl, in: Small Claims Courts (1990), S. 167(181). h Vgl. Dollinger, in: DJZ 1907, Sp. 103 ff. (104) zu den württembergischen Gemeindegerichten. Ebenso Röhl, in: Small Claims Courts (1990), S. 167 (181), der die Ansicht vertritt, daß hauptsächlich die Aussicht auf Kostenerstattung für die Beauftragung von Rechtsanwälten auch in Bagatellsachen verantwortlich ist. Inzwischen dürfte auch die weite Verbreitung von Rechtsschutzversicherungen zur Inanspruchnahme von Rechtsanwälten in Bagatellsachen beitragen.

Α. Die Verbesserung der Prozeßökonomie

209

1. Die Konzentration auf eine mündliche Verhandlung Das Regelverfahren des gemeinen Prozesses war in verschiedene Stadien eingeteilt, die in jeweils strikt voneinander getrennten Terminen abgehandelt wurden 12 . Dieses System war sehr starr und zeitaufwendig und insbesondere für Bagatellstreitigkeiten viel zu ineffizient. Die uns heute selbstverständlich erscheinende Konzentration der verschiedenen Prozeßstadien wie Parteivernehmung, Beweisaufnahme und Entscheidung auf eine mündliche Verhandlung wurde - wie im ersten Kapitel gezeigt - zunächst nur in Bagatellstreitigkeiten versucht 13. Erst später dehnte man sie im Rahmen der allgemeinen Prozeßvereinheitlichung auch auf das Regelverfahren aus. Bereits früh erkannte man aber, daß das Beschleunigungsziel dann nicht erreicht werden kann, wenn die mündliche Verhandlung nicht umfassend vorbereitet ist und deswegen wichtige Beweismittel im Termin nicht präsent sind. Zahlreiche Bagatellverfahrensgesetze sahen daher bereits in der Terminsladung den Hinweis an die Parteien vor, daß zum Termin alle erforderlichen Beweismittel und Zeugen mitgebracht werden mußten. Die Vorbereitung der mündlichen Verhandlung wurde mit der Zeit immer weiter verbessert. In Deutschland hat sich inzwischen ein Mischsystem herausgebildet, welches sowohl schriftliche als auch mündliche Verfahrenselemente enthält 14 . Der Richter kann zur Vorbereitung entweder einen frühen ersten Termin oder ein schriftliches Vorverfahren anordnen. Zur weiteren Prozeßbeschleunigung ist nach Möglichkeit bereits der frühe erste Termin zur Herbeiführung einer gütlichen Einigung oder sonstigen Erledigung des Streits zu nutzen. Dieses System hat sich als zweckmäßig bewährt und sollte auch in Zukunft beibehalten werden 15.

2. Die Entformalisierung

des Verfahrens

Neben der Konzentration des Verfahrens auf eine mündliche Verhandlung versucht der Gesetzgeber eine Beschleunigung auch durch eine Befreiung des Prozesses von zeitaufwendigen Förmlichkeiten wie Protokollführung, Beachtung von Beweisregeln, schriftliche Begründung des Urteils etc. zu erreichen. Vor allem in den vermeintlich unbedeutenden Bagatellstreitigkeiten wurde bzw. wird die Beachtung von Verfahrensförmlichkeiten teilweise für überflüssig gehalten. Beispiele für stark entformalsierte Bagatellverfahren waren bzw. sind u. a. die bayerischen und sächsischen Regelungen aus dem Jahre 1753, die eine Entscheidung nach Billigkeit 12

Vgl. die Darstellung im ersten Kapitel. Vgl. nur das preußische Bagatelledikt von 1739, das Bagatellverfahren des Codex Fridericiani Marchici, den Bagatellprozeß der preußischen VO von 1833 sowie das sächsische „Gesetz über das Verfahren über ganz geringe Civilansprüche" von 1839. 14 Vgl. die Darstellung des Amtsgerichtsverfahrens im zweiten Kapitel. 15 Nach Schwab, in: Humane Justiz (1977), S. 29 (31) können sowohl mündliche als auch schriftliche Verfahrenselemente der Prozeßbeschleunigung dienen. 13

14 Engbers

210

. Kapitel: Die e

des echtsschutzes in Bagatellsachen

vorschrieben, das vereinfachte Verfahren gem. § 495a ZPO sowie seine Vorläufer aus den Jahren 1923 und 1950. Letztlich gehören aber auch der Small Claims Court-Prozeß und der Rechtsgang vor den südafrikanischen Häuptlingsgerichten hierher. Der Verzicht auf Formvorschriften ist grundsätzlich problematisch. Es darf nicht verkannt werden, daß auch Bagatellstreitigkeiten für die Parteien von erheblicher Bedeutung sein können. Nur dort, wo die Formvorschriften keinen wesentlichen Beitrag zur Justizförmigkeit des Verfahrens leisten, sind sie auch verzichtbar. Gegen eine lediglich summarische Protokollierung und ein verkürztes Urteil ist nichts einzuwenden, wenn ein Rechtsmittel ohnehin nicht eingelegt werden kann. Auf ein auch nur summarisches Protokoll und eine knappe schriftliche Urteilsbegründung ganz zu verzichten, wie man es vor den südafrikanischen Small Claims Courts tut, bedeutet aber, die Möglichkeit der Erhebung einer Nichtigkeitsklage abzuschneiden, da dieser dann die Grundlage fehlt. Auch eine Entformalisierung des Verfahrens und der anschließenden Sachentscheidung ist mit Vorsicht zu genießen. Die mit § 495a ZPO gemachten Erfahrungen zeigen, daß die Richter in der Praxis mit einem zu weitreichenden Ermessen bei der Verfahrensgestaltung große Schwierigkeiten im Hinblick auf die Gehörsgewährung haben. Sicherlich ist es nur Richtern mit einiger Berufserfahrung möglich, hier die Grenzen zwischen einer noch zulässigen und einer bereits willkürlichen Verfahrensgestaltung zu ziehen. Insoweit ist es bedenklich, daß in Deutschland auch ganz junge und unerfahrene Richter mit der Erledigung von Verfahren nach § 495a ZPO betraut werden.

3. Die vorgeschaltete außergerichtliche

Güteverhandlung

Durch die Einführung eines vorgeschalteten obligatorischen Güteverfahrens, wie es in Bagatellsachen heute schon in Bayern, Baden-Württemberg, Brandenburg, Nordrhein-Westfalen, Hessen, Sachsen-Anhalt und dem Saarland gilt und in Zukunft allgemein in jedem Zivilprozeß durchgeführt werden soll, erhofft sich der Gesetzgeber eine Beschleunigung des Zivilprozesses in Bagatellsachen. Dabei wird aber übersehen, daß sich der Prozeßvergleich nur in engen Grenzen als Mittel zur Prozeßbeschleunigung eignet. Häufig sind die Parteien erst nach einer Beweisaufnahme oder in der Berufungsinstanz, nicht aber schon vor Durchführung des eigentlichen Prozesses zu einem Vergleichsschluß bereit 16 . Im Prozeß hat der Richter ohnehin gem. § 279 ZPO in jeder Lage des Verfahrens auf eine gütliche Einigung zwischen den Parteien hinzuwirken. Letztlich ist damit der Güteversuch schon vor den ordentlichen Gerichten obligatorisch. Bereits das zwischen 1924 und 1944 bestehende obligatorische Güteverfahren hat sich als Mißerfolg erwiesen. Heute besteht es nur noch vor den Arbeitsgerichten. Die dort gemachten Erfahrungen sind aber nicht auf den normalen Zivilprozeß übertragbar, da in arbeitsgerichtlichen Streitigkeiten der Vergleichsdruck in der Regel höher ist. Insgesamt wird das obligatorische außergerichtliche Güteverfahren den Rechtsstreit dort, wo 16 Schwab, in: Humane Justiz (1977), S. 29 (46).

Β. Die Verbesserung der Waffen- und Chancengleichheit

211

es nicht auf dem Weg des Mahnverfahrens umgangen werden kann, voraussichtlich verzögern und nicht verkürzen.

B. Die Verbesserung der Waffenund Chancengleichheit Zur Verbesserung der Waffen- und Chancengleichheit zwischen den Parteien sind ebenfalls verschiedene Wege beschritten worden. Die wohl radikalste Lösung stellt der Ausschluß von Unternehmen auf Klägerseite dar (I.). Ähnlich einschneidend wirkt das Verbot anwaltlicher Vertretung (II.). Es hat erhebliche Konsequenzen auf die Stellung des Richters und die Verfahrensgestaltung. Demgegenüber milder ist die Unterstützung bedürftiger Parteien durch die Gewährung von PKH (ΙΠ.).

I. Der Ausschluß juristischer Personen auf der Klägerseite Einige Bagatellverfahren schließen Unternehmen als Kläger aus, sofern es sich bei ihnen um juristische Personen handelt. Vor den baden-württembergischen Gemeindegerichten beispielsweise mußten beide Parteien natürliche Personen mit Wohnsitz in der Gemeinde sein. Im Verfahren vor den südafrikanischen Small Claims Courts sind juristische Personen auf der Klägerseite ausgenommen. Die Maßnahme ist im Zusammenhang mit der Tatsache zu sehen, daß sich in Bagatellstreitigkeiten besonders häufig als juristische Personen organisierte Geschäftsleute oder Unternehmen als Kläger und Verbraucher als Beklagte gegenüberstehen 17 . Beim Ausschluß ersterer vom Bagatellverfahren steht das Motiv des Gesetzgebers im Vordergrund, eine Benutzung des Verfahrens als billiges Inkassoinstrument „gegen den Verbraucher" zu vermeiden und seine Vorteile allein dem „kleinen Mann" zugute kommen zu lassen18. Letztlich handelt es sich also um eine Maßnahme, die die Förderung der Waffen- und Chancengleichheit des „kleinen Mannes" bezweckt. Durch den Ausschluß von juristischen Personen auf Klägerseite werden freilich auch Kleinunternehmern sowie den potentiellen Beklagten der juristischen Personen die Vorteile des Bagatellprozesses verwehrt 19. Der Ausschluß hat für den Verbraucher dann die nachteilige Folge, daß die Verbraucherstreitigkeit bei ent-

17 Wollschläger, in: Methoden (1991), S. 13 (57); Leipold, in: Humane Justiz (1977), S. 91 (95); Röhl, in: Small Claims Courts (1990), S. 167 (178). •8 Hoexter Commission (Hrsg.), Fourth Interim Report (1982), S. 183; Volksraad: Debatte (Hansard) vom 10.4. 1984, Sp. 4832. 19 Theron, in: 105 (1988) SALJ 335. 14*

212

. Kapitel: Die e

des echtsschutzes in Bagatellsachen

sprechendem Kostenrisiko im teureren und komplizierteren Regelverfahren entschieden werden muß. Der Ausschluß von Unternehmern als Kläger ist somit unter Verbraucherschutzgesichtspunkten nicht gerechtfertigt 20. Auch ist die Befürchtung, die Bagatellverfahren könnten zu Inkassoinstrumenten der großen Unternehmen werden, überall dort unbegründet, wo - wie in Deutschland - geeignete Mahnverfahren zur Schuldbeitreibung zur Verfügung stehen.

II. Der Ausschluß anwaltlicher Vertretung Für das Verbot der Anwaltsvertretung ist der Gesichtspunkt der Waffengleichheit ebenso mitentscheidend wie die Kostenfrage 21. Hauptargument für den Ausschluß von Anwälten ist die Vorstellung, daß die reiche Partei gegenüber der armen Partei keinen Vorteil haben darf 22 . Die Geeignetheit des Vertretungsverbots zur Senkung der Verfahrenskosten ist offensichtlich. Ob es hingegen auch der Förderung der Waffen- und Chancengleichheit zwischen Parteien unterschiedlicher sozialer Stellung und Marktmacht dienen kann, ist fraglich. Zunächst gehen die Befürworter des Vertretungsverbots davon aus, daß grundsätzlich vertretene gegenüber unvertretenen Parteien im Vorteil sind, also im Prozeß größere Erfolgschancen haben. Diese Vermutung läßt sich jedoch nicht statistisch belegen. Vielmehr haben rechtstatsächliche Untersuchungen gezeigt, daß die Erfolgsaussichten vor Gericht hauptsächlich von der Rolle als Kläger oder Beklagter abhängen23. Kläger sind vor Gericht grundsätzlich erfolgreicher als Beklagte24. Ob die Parteien anwaltlich vertreten sind, ist für den Prozeßausgang hingegen nur von geringer Bedeutung25. Davon abgesehen, ließe sich durch einen Ausschluß von Rechtsanwälten im Prozeß nicht verhindern, daß sich eine - im Zweifel die wohlhabendere Partei außerprozessual beraten läßt und dadurch gegenüber dem Gegner in der mündlichen Verhandlung Vorteile hätte. 20 Cappelletti /Garth, in: Access to Justice, Bd. 1, Buch 1 (1979), S. 79; Whelan, in: Small Claims Courts (1990), S. 207 (215). 21 Fasching, in: Justice (1978), S. 345 (353). Besonders deutlich wird diese Absicht im Codex Fridericiani Marchici von 1748, der vorsieht, daß der Richter einen Advokaten vom Prozeß ausschließen darf, wenn die andere Partei nicht anwaltlich vertreten ist. 22 Vgl. die Überlegungen der Hoexter Commission im Fourth Interim Report, S. 180: „Last but not least, to allow legal representation is to give to the rich litigant an improper advantage over a poor opponent." 23 Röhl, in: Small Claims Courts (1990), S. 167 (179). 24 Nach einer von Röhl, in: Small Claims Courts (1990), S. 167 (178) durchgeführten Untersuchung sind vor den deutschen Amtsgerichten ca. 69% der Kläger in vollem Umfang erfolgreich. In den USA sollen es nach seinen Angaben sogar 90% sein. Dies dürfte seinen Grund darin finden, daß in der Regel keine von vorneherein aussichtslose Klagen erhoben werden. Dagegen verteidigen sich viele Beklagte trotz Aussichtslosigkeit vor Gericht, um eine Verzögerung der Entscheidung zu erreichen.

25 Röhl, in: Small Claims Courts (1990), S. 167 (179); Whelan, in: Small Claims Courts (1990), S. 207 (223).

Β. Die Verbesserung der Waffen- und Chancengleichheit

213

Ein weiteres Argument für den Ausschluß von Rechtsanwälten ist es, daß diese dazu beitragen, die Schriftlichkeit und Formalisierung des Verfahrens zu erhöhen 26 . Gerade dies sei aber in einem Bagatellverfahren unangemessen27. Dieses müsse im Interesse der häufig schriftungewandten und prozeßunerfahrenen Parteien mündlich und möglichst formfrei ausgestaltet sein und die Sachverhaltserforschung dem Richter obliegen28. Der Forderung liegt die Erfahrung mit dem kostenintensiven und zeitaufwendigen südafrikanischen Regelverfahren zugrunde, welches aufgrund der schwachen Stellung, die es dem Richter bei der Sachverhaltsaufklärung beimißt, eine Prozeßverschleppung durch die Anwälte geradezu herausfordert. In Deutschland besteht hingegen kein Bedürfnis für eine Amtsermittlung durch den Richter, da diesem ohnehin eine sehr viel aktivere Rolle als dem Magistrate in Südafrika zugewiesen ist. Anders als letzterer vernimmt er die Parteien und Zeugen selbst und ist auch berechtigt, das Ende der Beweisaufnahme zu bestimmen. Die Möglichkeiten zur Prozeßverschleppung und damit das Bedürfnis für ein Vertretungsverbot sind in Deutschland somit geringer als in Südafrika. Sicherlich ist es richtig, daß insbesondere juristisch unbeholfene Parteien, Analphabeten und Personen, die die Gerichtssprache nicht beherrschen, durch ein überwiegend schriftliches Verfahren benachteiligt sind 29 . Für diese Parteien besteht in Deutschland allerdings die Möglichkeit, ihren Vortrag mündlich zu Protokoll eines Beamten der Geschäftsstelle anzubringen. Zudem ist zu bedenken, daß gerade diese Parteien auch in einer formlosen mündlichen Verhandlung ohne Anwälte Schwierigkeiten haben werden, die juristisch relevanten Tatsachen ihres Falles zu erkennen und vorzutragen. Sie werden oft auch nicht dazu in der Lage sein, die Fragen und Hinweise des Richters in der mündlichen Verhandlung richtig zu verstehen30. In solchen Fällen ist eine Prozeßführung ohne Anwalt schlichtweg nicht möglich 31 . Zudem birgt der Ausschluß von Anwälten bei gleichzeitiger Entformalisierung des Prozesses für die Parteien die große Gefahr ohne jede Kontrolle der richterlichen Willkür ausgesetzt zu werden. Im Ergebnis ist ein Vertretungsverbot daher abzulehnen.

26 Röhl, in: Small Claims Courts (1990), S. 167 (181); Fricker, (1999), S. 31.

Umfang und Grenzen

27

Vgl. die Überlegungen der Hoexter Commission im Fourth Interim Report, S. 180: „So long as the adjudicator maintains an actively inquisitorial role in the proceedings, the absence of legal representation results in an easier and speedier fact-finding process." und „Legal representation must inevitably tend to infuse into the proceedings that air of formality and technicality which is fundamentally alien to the real spirit of small claims procedures". 28

Hoexter Commission (Hrsg.), Fourth Interim Report, S. 178. 9 So auch Rottleuthner, Entlastung (1997), S. 91 ff.; ders. , in: NJW 1996, 2473 (2475). 30 Fricker, Umfang und Grenzen (1999), S. 31. 2

31 Fricker,

Umfang und Grenzen (1999), S. 31.

214

. Kapitel: Die e

des echtsschutzes in Bagatellsachen

I I I . Die Gewährung von Prozeßkostenhilfe Sowohl Deutschland als auch Südafrika kennen die Möglichkeit der Prozeßkostenhilfe. In Südafrika ist diese allerdings in geringfügigen Streitigkeiten ausgeschlossen. Das Konzept der umfassenden Prozeßkostenhilfe eignet sich hervorragend zum Ausgleich der finanziellen Nachteile einer Partei ohne eine Einbuße an Qualität der Rechtsgewährung. Sie verhindert, daß gerade sozial benachteiligte Parteien, die eine rechtliche Beratung und Vertretung am dringendsten benötigen, von dieser aus finanziellen Gründen ausgeschlossen bleiben. Nicht übersehen werden darf jedoch, daß vor der Entscheidung darüber, ob Prozeßkostenhilfe gewährt werden kann, eine zeit- und kostenintensive Prüfung der Vermögensverhältnisse des Antragstellers sowie der Erfolgsaussichten der Sache vorgenommen werden muß. Zudem eignet sich das Modell nur für wohlhabende Länder, in denen nur in einem vergleichsweise kleinen Umfang PKH gewährt werden muß. In Südafrika ist eine umfassende Gewährung staatlicher Prozeßkostenhilfe angesichts der beschränkten Haushaltsmöglichkeiten und der Vielzahl potentieller Antragsteller derzeit nicht möglich.

C. Verbesserungsvorschläge I. Durch ein Verbot der Anwaltskostenerstattung könnten die Verfahrenskosten in Bagatellstreitigkeiten gesenkt werden. II. Das bislang praktizierte System der Erledigung von Bagatellstreitigkeiten in einer umfassend vorbereiteten mündlichen Verhandlung ist effizient und sollte beibehalten werden. ΠΙ. Das weite Ermessen, welches § 495a ZPO dem Amtsrichter bei der Verfahrensgestaltung gewährt, wird in der Praxis kaum genutzt, weil die Grenzen zwischen rechtmäßiger Ermessensausübung und richterlicher Willkür im Einzelfall nur schwer zu bestimmen sind. Zur Nachprüfung grob willkürlicher Urteile sollte zumindest die Möglichkeit einer Nichtigkeitskontrolle bestehen. Der derzeit diskutierte Reformvorschlag, der die Einführung eines Abhilfeverfahrens vorsieht, ist zu begrüßen. IV. Das obligatorische außergerichtliche Güteverfahren wird seinen Zweck voraussichtlich verfehlen, da es über das Mahnverfahren leicht umgangen werden kann. Im übrigen wird es Bagatellstreitigkeiten verteuern und verzögern. V. Der Ausschluß von Unternehmen auf Klägerseite ist zur Förderung der Waffen- und Chancengleichheit zwischen den Parteien ungeeignet. VI. Ein Vertretungsverbot für Rechtsanwälte ist zur Verbesserung der Waffenund Chancengleichheit ebenfalls nicht geeignet. In Deutschland ist es unter diesem Gesichtspunkt zudem überflüssig, da der deutsche Amtsrichter ohnehin eine sehr

C. Verbesserungsvorschläge

215

viel stärkere Stellung als der südafrikanische Magistrate genießt und Prozeßverschleppungen durch die Anwälte ausschließen kann. VII. Die Gewährung von Prozeßkostenhilfe ist grundsätzlich am besten geeignet, ein bestehendes Kampfungleichgewicht zwischen den Parteien auszugleichen. Aus finanziellen Gründen kommt sie allerdings nur in wohlhabenden Ländern wie Deutschland in Betracht.

Literaturverzeichnis Abegg, Julius Friedrich Heinrich, Versuch einer Geschichte der Preußischen Civil-ProzeßGesetzgebung (Breslau 1848) Abelman, P., Some advice for aspirant judicial officers to the civil courts, in: 1999 The Judicial Officer 36 Albrecht, Dieter, § 92 (Die Behördenorganisation), § 93 (Die Gesetzgebung), in: Kraus (Hrsg.), Handbuch der bayerischen Geschichte, Bd. 2 (2. Aufl., München 1988) Andreae, Wolfgang Christian, Die Rheinische Friedensgerichtsbarkeit gezeigt am Beispiel des Oberlandesgerichtsbezirks Düsseldorf (1798-1879) (Diss. jur. Freiburg 1986) Applebey, George, Small Claims in England and Wales (Oxford 1978) Arning, Andrea, Das Bagatellverfahren im deutschen Zivilprozeßrecht der Neuzeit vor dem Hintergrund der Einführung des Verfahrens nach § 495a ZPO (Diss. Jur. Bochum 1994) Baldwin, John, Small Claims in the County Courts in England and Wales (Oxford 1997) Baltzarek, F., Art. Münzwesen (geldgeschichtlich), in: Erler/Kaufmann (Hrsg.), HRG, Bd. 3 (Berlin 1984), Sp. 765 ff. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann,

Zivilprozeßordnung (59. Aufl., München 2000)

Baumgärtel, Gottfried, Gleicher Zugang zum Recht für alle (Köln/Berlin/Bonn/München 1976) Bayer, Hieronymus, Theorie der summarischen Processe nach den Grundsätzen des gemeinen deutschen Rechts mit Ausschluß des Concursprocesses (7. Aufl., München 1859) Bekker, J.C., Seymour's Customary Law in Southern Africa (5. Aufl., Kapstadt/Wetton/ Johannesburg 1989) Benda, Ernst/ Weber, Albrecht, Der Einfluß der Verfassung im Prozeßrecht, in: Gilles, Peter (Hrsg.), Effektivität des Rechtsschutzes und verfassungsmäßige Ordnung (Köln /Berlin/ Bonn/München 1983), S. 1 ff. und in: ZZP 96 (1983), S. 285 ff. Bender, Rolf / Schumacher, Rolf, Erfolgsbarrieren vor Gericht (Tübingen 1980) Bender, Rolf / Strecker, Christoph, Access to Justice in the Federal Republic of Germany, in: Cappelletti (Hrsg.), Access to Justice, Bd. 1 / 2 (Alphen / Rhein Mailand 1978), S. 527 ff. Bennett, Thomas W., Application of Customary Law in Southern Africa (Kapstadt/Wetton/ Johannesburg 1985); - Human Rights and African Customary Law (Kapstadt/Wetton/Johannesburg 1995, unveränderter Nachdruck 1998); - A sourcebook of African Customary Law for Southern Africa (Kapstadt/Wetton/Johannesburg 1991)

Literaturverzeichnis

217

Bettermann, Karl August, Die rechtsprechende Gewalt, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 3 (2. Aufl., Heidelberg 1996), S. 775 ff. Blomeyer, Arwed, Zivilprozessrecht (Berlin/Göttinge/Heidelberg 1963) Boberg, P.Q.R., Small Claims may herald big reforms!, in: 15 (1985) Businessman's Law 17 (19) Börnsdorf,

Falk, Prozeßmaximen und Rechtswirklichkeit (Berlin 1971)

Botha, C. G., The early Inferior Courts of Justice at the Cape, in: 38 (1921) SALJ 406 ff. Braun, Anton, Schnittstellen von außer- und innergerichtlicher Konfliktbearbeitung im Zivilrecht, in: BRAK-Mitt. 1994, S. 66 ff. Bredenkamp, I.M., The Small Claims Court (Durban 1986) - Die hof vir klein eise en die reels van die bewysreg, in: 1989 De Rebus 772 Briegleb, Hans Karl, Einleitung in die Theorie der summarischen Processe (Leipzig 1859) Brooks, P.E.J., Civil Jurisdiction, in: Joubert (Hrsg.), The Law of South Africa, Bd. 11 ( I s t Re-issue, Durban 1998), S. 3 ff. Buchda, Art. Gerichtsverfahren /Gerichtsverfassung, in: Erler/Kaufmann (Hrsg.), HRG, Bd. 1 (Berlin 1971) Buckland, Cecil / Wilmot, Alexander, A Compendium of the Law of the Cape of Good Hope (Kapstadt 1868) Buhe, Das Erfurter Bagatellverfahren, in: JW 1931, S. 2452 f. Burger, Andrew, Preparation for civil trials, in: 2000 The Judicial Officer 145 Burman, Sandra, The role of street committees: continuing South Africa's practice of alternative justice, in: Corder (Hrsg.), Democracy and the Judiciary (Kapstadt 1989), S. 151 ff. Butler, David/ Finsen, Eyvind, Arbitration in South Africa - Law and Practice (Kapstadt/ Wetton / Johannesburg 1993) Cappelletti, Mauro (Hrsg.), International Encyclopedia of Comparative Law, Bd. 16 (Tübingen u. a., 1972 ff.) - Foreword to the Access to Justice Project Series, in: Cappelletti (Hrsg.), Access to Justice, Bd. 1 /1, A World Survey (Alphen/Rhein Mailand 1978), S. VII ff. - Access to Justice as a Theoretical Approach to Law and a Practical Programme for Reform, in: 109 (1992) SALJ 22 Cappelletti, Mauro / Garth, Bryant, Access to Justice: The worldwide Movement to make rights effective - A general report, in: Cappelletti (Hrsg.), Access to Justice, Bd. 1/1 (Alphen/Rhein/Mailand 1978), S. 3 ff. Carpenter, Gretchen, Introduction to South African Constitutional Law (Durban 1987) Chatsworth Legal Circle (Hrsg.), Small Claims Courts (unveröffentlicht, ca. 1985) Conrad, Hermann, Deutsche Rechtsgeschichte, Bd. 1, Frühzeit und Mittelalter (2. Aufl., Karlsruhe 1962); Bd. 2, Neuzeit bis 1806 (Karlsruhe 1966) Cremer, Art. Niederlande, in: Erler/Kaufmann (Hrsg.), HRG, Bd. 3 (Berlin 1984), Sp. 991 ff.

218

Literaturverzeichnis

Culemann, H., Das Erfurter Bagatellverfahren, in: JW 1931, S. 2010 f. Dahlmanns, Gerhard, Deutschland, in: Coing (Hrsg.), Handbuch der Quellen und Literatur der neueren Europäischen Privatrechtsgeschichte, Band 3 / 2 (München 1982), S. 2615 ff. Danz, Wilhelm August Friedrich, Grundsätze der summarischen Prozesse, vermehrt und zum Theil umgearbeitet von Nicolaus Thaddeus Gönner (3. Aufl., Stuttgart 1806) Degenhart, Christoph, Art. Gerichtsorganisation, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 3 (2. Aufl., Heidelberg 1996), S. 859 ff.; ders., Art. Gerichtsverfahren, ebenda, S. 879 ff. Dendee, Mervyn I Loots, Cheryl, Civil Procedure, Legislation, in: 1992 Annual Survey of South African Law 558 Denninger, E., Grundrechtsverwirklichung unter den Bedingungen des demokratischen und sozialen Wohlfahrtsstaates, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. 5, Allgemeine Grundrechtslehren (Heidelberg 1992), S. 292 ff. Deubner, Karl, Kommentar zu § 495a ZPO, in: Lüke (Hrsg.), Münchener Kommentar zur ZPO, Bd. 2, §§ 355-802, (2. Aufl., München 2000) Devenish, G.E., Constitutional Law, in: Joubert (Hrsg.), The Law of South Africa, Bd. 5/3 (Durban 1998), S. 13 ff. De Vos, Wouter le Roux, Spesifieke Doelstellings van 'n Kursus in Burgerlike Prosesreg, in: 1982 TRW 121 - Die grondwetlike beskerming van si viele prosesregtelike waarborge in Suid-Afrika, in: 1991 TSAR 353 - 'N Beskouing oor die Wet op Howe vir Kort Proses en Bemiddeling in Sekere Siviele Sake 103 van 1991, in: 1992 TSAR 381 - Civil procedural law and the constitution of 1996: an appraisal of procedural guarantees in civil proceedings, in: 1997 TSAR 444 De Wet, J.C., Die Resepsie van die Romeins-Hollandse Reg in Suid-Afrika, in: 21 (1958) THRHR 84 - Nederlandse Reg in Suid-Afrika tot 1806, in: 21 (1958) THRHR 162 - Die Romeins-Hollandse Reg in Suid-Afrika na 1806, in: 21 (1958) THRHR 239 Dick , Bettina, Die Entwicklung des Kameralprozesses nach den Ordnungen von 1495 bis 1555 (Diss. Jur. Heidelberg, Köln/Wien 1981) Diekmann, Jochen, Das nordrhein-westfälische Ausführungsgesetz zu § 15a EGZPO, in: NJW 2000, S. 2802 ff. Döhring, Erich, Geschichte der deutschen Rechtspflege seit 1500 (Berlin 1953) Dolezalek, Gero R., Das Zivilprozeßrecht, in: Feenstra/Zimmermann (Hrsg.), Das römischholländische Recht (Berlin 1992), S. 59 ff. Dollinger, Gemeindegerichtliches und amtsgerichtliches Verfahren, in: DJZ 1907, Sp. 103 ff. Dreier, Horst (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. 1, Art. 1 - 1 9 (Tübingen 1996) Dury, Walter, Der Zivilprozeß braucht keine Strukturreform, in: FAZ vom 3. 2. 2001, S. 8

Literaturverzeichni s

219

Eggers, Christian Ulrich Detlev von, Lehrbuch des Natur- und allgemeinen Privatrechts und gemeinen Preußischen Rechts in vier Bänden, Bd. 3 (Berlin 1797) Endemann, Wilhelm, Das deutsche Zivilprozessrecht (Heidelberg 1868, Neudruck Aaalen 1969) Erasmus, H. J., Historical Foundations of the South African Law of Civil Procedure, in: 108 (1991) S A U 265 ff. - ' Ν Billike siviele Verhoor, in: 1996 Obiter 291 - „Much Ado about not so much" - or, the excesses of the adversarial process, in: 1996 Stell LR 114 Erasmus, Η. J J Van Loggerenberg , D.E. (Hrsg.), Jones and Buckle Civil Practice of the Magistrates' Courts in South Africa, Vol. 2 „Rules" (9. Aufl., Std. 31.3. 2000) Erkens, Marcel, Die französische Friedensgerichtsbarkeit 1789-1814 unter besonderer Berücksichtigung der vier rheinischen Departments (Diss. jur. Köln, Köln/Weimar/Wien 1994) Erler, Α., Art. Patrimonialgerichtsbarkeit, in: Erler/ Kaufmann (Hrsg.), HRG, Bd. 3 (Berlin 1984), Sp. 1547 ff. Europa Publications (Hrsg.), Africa South of the Sahara (29. Aufl., London 2000) Evelt, Joseph, Die Gerichtsverfassung und der Civil-Prozeß in Preußen nach ihren Entwicklungsperioden bis auf die jüngste Zeit (3. Aufl., Arnsberg 1852) Eybers, G. W., Het Bestuur der Buitendistricten aan de Kaap de Goede Hoop, in: Eybers, G. W. (Hrsg.), Bepalingen en Instructien voor het Bestuur van de Buitendistricten van de Kaap de Goede Hoop (1805) (Amsterdam 1922), S. 49 ff. Fasching, Hans, Small Claim Courts, in: Storme/Casman (Hrsg.), Towards a Justice with a Human Face (Antwerpen Deventer 1978), S. 345 ff. Feucht, Klaus, Die Vorschaltung von Verwaltungsbehörden vor die Gerichte, insbesondere das Verfahren nach dem bad-württ. Gemeindegerichtsgesetz (Diss. jur. Tübingen 1965) Fine, Derrick, The changing Role of Para-legals in South Africa, in: ders. (Hrsg.), Working for Justice: The role of Para-Legals in South Africa (Kapstadt 1990), S. 47 ff. Fischinger, Helmuth, Friedensgerichte, in: DRiZ 1960, S. 112 f. Flemming, Völker, Die Entwicklung des Kündigungsschutzrechts in Südafrika (Diss. jur. Frankfurt 1998) Fockema Andreae, S. J., Het Bestuur van het Hollandsche Platteland, in: Eybers, G. W. (Hrsg.), Bepalingen en Instructien voor het Bestuur van de Buitendistricten van de Kaap de Goede Hoop (1805) (Amsterdam 1922), S. 3 ff. Fricker, Umfang und Grenzen des amtsgerichtlichen Verfahrens nach § 495a ZPO (Diss. jur. Konstanz 1999) Frowein, Jochen ! Peukert, Wolfgang, EMRK-Kommentar (2. Aufl., Kehl Straßburg Arlington 1996) Gehrke, Deutsches Reich, in: Coing (Hrsg.), Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, Bd. 2 / 2 (München 1976), S. 310 ff.

220

Literaturverzeichnis

Gerbenzon/Hempenius-van Dijk, Art. Niederländisches Recht, in: Erler/Kaufmann (Hrsg.), HRG, Bd. 3 (Berlin 1984), Sp. 998 ff. Gering, LJJ Beckerling, T.W., Civil Procedure: Magistrates' Courts, in: Joubert (Hrsg.), The Law of South Africa, Bd. 312 ( I s t Re-issue, Durban 1997), S. 1 Germelmann, Claas-Hinrich, Neue prozessuale Probleme durch das Gesetz zur Beschleunigung des arbeitsgerichtlichen Verfahrens, in: NZA 2000, S. 1017 ff. Gerner, Rechtseinheit im Verfahrensrecht, in: NJW 1950,722 Gilles, Peter, Prozeßrechtsvergleichung (Köln/Berlin/Bonn/München 1996) Goldblatt, R. E., Constitutional Law, in: Joubert (Hrsg.), The Law of South Africa, Bd. 5 (Durban 1978) Gough, Ian Peter, The Small Claims Court: A Court with a human face? (ungedruckte L.L.M.-Thesis, Durban 1991) Grahl, Christian, Die Abschaffung der Advokatur unter Friedrich dem Großen (Diss. Göttingen 1994) Grant, Brenda/ Schwikkard,

Pamela-Jane, People's Courts?, in: 7 (1991) SAJHR 304

Grupp, Thomas Michael, Südafrikas neue Verfassung (Diss. jur. Tübingen, Baden-Baden 1999) Günter, Helmut, Das bayerische Landrecht von 1616 (München 1969) Haft, Fritjof, Verhandlung und Mediation (2. Aufl. München 2000) Hahlo, Hermann R. / Kahn, Ellison, The South African Legal System and its Background (3. Aufl., Kapstadt/Wetton/Johannesburg 1979);Hahn, Peter-Michael, Brandenburgisches Gerichtswesen um 1700, in: Mohnhaupt/Simon (Hrsg.), Vorträge zur Justizforschung, Geschichte und Theorie, Bd. 2 (Frankfurt/Main 1993), S. 213 ff. Hahn, Wolfram W., Die Entwicklung der Laiengerichtsbarkeit im Großherzogtum Baden während des 19. Jahrhunderts unter Berücksichtigung des Laienrichtertums in Württemberg (Berlin 1974) Hammond-Tooke, W. D., World-view II: A System of Action, in: ders. (Hrsg.), The BantuSpeaking Peoples of Southern Africa (2. Aufl., London/Boston 1974), S. 344 ff. Harris, D. J./O'Boyle, M./Warbrick, C., Law of the European Convention on Human Rights (London/Dublin/Edinburgh 1995) Hartmann, Peter, Das neue Gesetz zur Förderung der außergerichtlichen Streitbeilegung, in: NJW 1999, S. 3745 ff. Haubold, Christian Gottlieb, Anleitung zur Behandlung geringfügiger Rechtssachen nach dem Königlich-Sächsischen Rechte nebst einem Anhange auswärtiger diesen Gegenstand betreffender Gesetze (Leipzig 1807) Hejfter, August Wilhelm, System des römischen und deutschen Civil-Proceßrechts (2. Aufl., Bonn 1843) Hegler, Α., Das Gemeindegerichtsverfahren in Baden und Württemberg, in: AcP 106 (1910) 52 ff.

Literaturverzeichnis

221

Hehn, Marcus /Rüssel, Ulrike, Institutionen im Bereich der Mediation in Deutschland, in: NJW 2001, S. 347 ff. Heimbach, Carl Wilhelm Ernst, Lehrbuch des sächsischen bürgerlichen Processes mit besonderer Rücksicht auf die Gesetzgebung der zu dem Oberappellationsgericht zu Jena vereinten Länder, Bd. 2 (Jena 1853) Hellmuth, Clement, Der jetzige Lauf des Civil-Processes bei den bayerischen Untergerichten (München 1842) Henkel, Wolfram, Die mündliche Verhandlung im Zivilprozeß aus kommunikationspsychologischer Sicht, in: ZZP 10 (1997), S. 91 ff. Hennrichs, Joachim, Verfassungswidrigkeit des neuen § 495a ZPO, in: NJW 1991, S. 2815 f. Hintze, Otto, Friedrich der Große und die preußischen Justizreformen des 18. Jahrhunderts, in: Recht und Wirtschaft 1 (1912), S. 129 ff.; ders., Einleitende Darstellung der Behördenorganisation und allgemeinen Verwaltung in Preußen beim Regierungsantritt Friedrich II., in: A.B., Bd. 6,1 (Berlin 1901) Hinz, Manfred, Art. Mandatsprozeß, in: Erler/Kaufmann (Hrsg.), HRG, Bd. 3 (Berlin 1984), Sp. 232 ff. Hoexter Commission (Hrsg.), Second Interim Report of the Commission of Inquiry into the Structure and Functioning of the Courts (Pretoria 1981), RP 35 /1981; - Fourth Interim Report of the Commission of Inquiry into the Structure and Functioning of the Courts (Pretoria 1982), RP 52/1982; - Fifth and Final Report of the Commission of Inquiry into the Structure and Functioning of the Courts (Pretoria 1983), RP 78/1983 Hund, John, Formal Justice and Township Justice, in: ders. (Hrsg.), Law and Justice in South Africa (Kapstadt 1988), S. 203 ff. Hund, John / Kotu-Rammopo, Malebo, Justice in a South African township: the sociology of Makgotla, in: 16 (1983) CILSA 179 Jauernig, Othmar, Zivilprozeßrecht (26. Aufl., München 2000) Jeffreys,

Kathleen M., The Memorandum of Commissary J.A. de Mist (Kapstadt 1920)

Jonas, Das Erfurter Bagatellverfahren, in: JW 1931, S. 2011 f. Kahn, Ellison, The History of the Administration of Justice in the South African Republic, in: 75 (1958) S A U 294 ff., 397 ff. und 76 (1959) SALJ 46 ff. Kelbrick, Roshana, Civil Procedure, in: Blanpain (Hrsg.), International Encyclopedia of Laws, Bd. 2, Beilage 3, South Africa (Den Haag/London/Boston 1996) Kern, Eduard, Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts (München/Berlin 1954); - Der Friedensrichter, in: DRiZ 1946,99

222

Literaturverzeichnis

Kleinfellner, Georg, Deutsche Partikulargesetzgebung über Civilprozess seit Rezeption der fremden Rechte und bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts, in: Festgabe zum Doctor-Jubiläum des Herrn Geheimen Raths und Professors Dr. Johann Julius Wilhelm von Planck (München 1887), S. 275-305 Köster, Anette, Die Beschleunigung der Zivilprozesse und die Entlastung der Zivilgerichte in der Gesetzgebung von 1879 bis 1993, Bd. 1 und 2 (Diss. Jur. Berlin, Frankfurt/Main 1995) Kori, August Siegmund, Theorie der sächsischen summarischen bürgerlichen Processe (Jena 1823) Kotzé, J.G., The Administration of Justice in the South African Republic (Transvaal), in: 36 (1919) SALJ 128 ff. Kranichfeld,

W., Die neueren Civilproceßgesetze für das Königreich Sachsen (Leipzig 1876)

Kreittmayr, Wiguläus Xaverius Aloisius von, Anmerkungen über den Codex juris bavarici judiciarii, worin derselbe sowohl mit den gemeinen, als den ehemaligen statuarischen Gerichts-Ordnungen und Rechten genau verglichen ist (Benutzte Ausgabe: Neue Auflage, München 1842) Kuhns, Friedrich Julius, Geschichte der Gerichtsverfassung und des Prozesses in der Mark Brandenburg vom X. bis zum Ablauf des XV. Jahrhunderts, Bd. 2 (Berlin 1867) Kunze, Axel, Das amtsgerichtliche Bagatellverfahren nach § 495a ZPO (Diss, jur., Bielefeld 1995); - Das amtsgerichtliche Bagatellverfahren gem. § 495a ZPO und die Subsidiarität des BVerfG, in: NJW 1997, S. 2154 f. La Bree, J., De rechterlijke Organisatie en rechtsbedeling te Batavia in de XVIIe eeuw (Rotterdam/Den Haag 1951) Laue, R.E., Judicial independence and accountability - A lower court's perspective, in: 1998 The Judicial Officer 89 Leipold, Dieter, Gerichte und Verfahren für geringfügige Streitigkeiten - Small Claim Courts, in: Gilles (Hrsg.), Humane Justiz (Kronberg/Taunus 1977), S. 91 ff. Loots, Cheryl, Civil Procedure, Legislation, in: 1991 Annual Survey of South African Law 493 Machleid, Wilhelm /Hoegen, Dieter, Die Gemeindegerichtsbarkeit in Baden-Württemberg (Stuttgart 1960) Mainhard, Ludwig, Die Gemeindegerichtsbarkeit im Großherzogtum Baden seit 1807, in: XXIX. Deutscher Juristentag in Karlsruhe i.B. vom 9. bis 13. September 1908 (Karlsruhe 1908), S. 23 ff. Mathews, Anthony S., Law, Order and Liberty in South Africa (Kapstadt/Weinberg/Johannesburg 1971) McQuoid-Mason, D.J., Legal Aid, in: Joubert (Hrsg.), The Law of South Africa, Bd. 14 ( l s l Re-issue Durban 1999), S. 207 ff. Meyer, H., Bagatellverfahren, in: JW 1930, S. 3291 ff.

Literaturverzeichnis

223

Miehsler, Herbert/ Vogler, Theo, Art. 6 - D. Allgemeine Verfahrensgarantien, in: Karl u. a. (Hrsg.), EMRK-Kommentar, Ordner 1 (4. Lfg. 2000, Köln/Berlin/Bonn/München), S. 88 ff. Milton, John u. a., Procedural Rights, in: Van Wyk u. a. (Hrsg.), Rights and Constitutionalism (Kenwyn 1994) S. 401 ff. Ministry of Justice (Hrsg.), Justice Vision 2000, Five Year National Strategy for Transforming the Administration of Justice and State Legal Affairs (Pretoria 1997) Mitchell, Derek, Contingency Fees: And Justice for all?, in: 1998 Consultus 51. Mittermaier, C.J.Α., Über den Ursprung und das Verhältniß des sog. summarischen Processes zu dem ordentlichen Processe, in: AcP 7 (1824), S. 369 ff. Münchener Kommentar zur ZPO, Bd. 2, §§ 355 - 802, (2. Aufl., München 2000) Musielak, Hans-Joachim, Kommentar zur ZPO (2. Aufl., München 2000); - Reform des Zivilprozesses, in: NJW 2000, S. 2269 ff. Myburgh, A.C., Law and Justice, in: Hammond-Tooke (Hrsg.), The Bantu-Speaking Peoples of Southern Africa (2. Aufl., London/Boston 1974), S. 284 ff. Nießen, Michael, Die Aachener Friedensgerichte in französischer und preußischer Zeit (Diss, jur. Aachen 1991) Olivier, Danie, Civil Imprisonment held to be unconstitutional, in: 1995 De Rebus 701 Olivier, N.J., Application of Customary Law, in: Joubert, The Law of South Africa, Bd. 32 (Durban 1994), S. 186 ff. Osterloh, Robert, Die summarischen bürgerlichen Processe nach Königlich Sächsischem Rechte (3. Aufl., Leipzig 1857) Peters, Louis, Anwaltliche Fragezeichen bei geplanter obligatorischer Streitschlichtung, in: AnwBl. 1997, S. 531 Pieroth, Bodo / Schlink, Bernhard, Grundrechte, Staatsrecht II (7. Aufl., Heidelberg 1991) Pillay, Nirmala//Vws/o0, Cas, The changing face of „traditional courts", in: 28 (1995) De Jure 383 ff. Pohlmann, Hansjörg, Niederlande, in: Coing (Hrsg.), Handbuch der Quellen und Literatur der neueren Europäischen Privatrechtsgeschichte, Band 2 / 2 (München 1976), S. 468 ff. Purdum, Elizabeth, The early history of small claims court, in: 65 (1981) Journal of the American Judicature Society 31 Rakate, Phenyo Keising, The status of traditional courts under the final constitution, in: 30 (1997) CILSA 175 Rautenbach, I.M., Fundamental Rights, in: Joubert (Hrsg.), The Law of South Africa, Bd. 10/1 (Durban 1998), S. 379 ff. Renk, Heidemarie, Rechtsmittelreform - so nicht!, in: DRiZ 2000, 171 Risse, Jörg, Wirtschaftsmediation, in: NJW 2000, S. 1614 ff.

224

Literaturverzeichnis

Röhl, Klaus, Small Claims in Civil Proceedings in the Federal Republic of Germany, in: Whelan (Hrsg.), Small Claims Courts - A Comparative Study (Oxford 1990), S. 167 ff. Rooseboom, Gerard (Hrsg.), Recueil van verscheyde Keuren, en Costumen. Midtsgaders Maniere van Procederen binnen de Stadt Amsterdam (2. Ausg., Amsterdam 1655) Rosenberg, Leo, Lehrbuch des deutschen Zivilprozessrechts (4. Aufl., München / Berlin 1949) Rottleuthner, Entlastung durch Entformalisierung? - Rechtstatsächliche Untersuchungen zur Praxis von § 495a ZPO und § 313 StPO (München 1997) - Umbau des Rechtsstaats?, in: NJW 1996, S. 2473 ff. Rüssel, Ulrike, Das Gesetz zur Förderung der gerichtlichen Streitbeilegung - der Weg zu einer neuen Streitkultur?, in: NJW 2000, S. 2800 (2801). Ruhnka, John C. / Weller, Steven, Small Claims Courts: A National Examination (Washington 1978) Schärf, Wilfried, The role of people's courts in transitions, in: Corder (Hrsg.), Democracy and the Judiciary (Kapstadt 1989), S. 167 ff. Schapera, I., Law and Justice, in: ders. (Hrsg.), The Bantu-speaking Tribes of South Africa (Kapstadt 1937, 5. Nachdruck 1956), S. 197 ff. Schellhammer, Kurt, Zivilprozeß (8. Aufl., Heidelberg 1999) Schering, August Ferdinand, Der Mandats-, summarische und Bagatell-Prozeß nach der Verordnung vom 1. Juni 1833 und den späteren darüber ergangenen Bestimmungen (Berlin 1843, Nachdruck Goldbach 1994) Schleuer, Hermann Theodor, Zur Geschichte der sächsischen Justizpflege und Prozeßgesetzgebung im siebzehnten Jahrhundert (Dresden/Leipzig 1843) Schlosser, Hans, Spätmittelalterlicher Zivilprozeß nach bayerischen Quellen, Gerichtsverfassung und Rechtsgang (Köln/Wien 1971) Schmidt, Eberhard, Rechtsentwicklung in Preußen (2. Aufl., Berlin 1929) Schmidt, Richard, Staatsverfassung und Gerichtsverfassung. Betrachtungen zum Problem der Gemeindegerichtsbarkeit, in: Staatsrechtliche Abhandlungen, Festgabe für Paul Laband, Bd. 2 (Tübingen 1908), S. 337 ff. Schmidt-Jortzig, Edzard Α., Die Stellung der Traditional Leaders in der Neuen Südafrikanischen Verfassung (Diss. jur. Hamburg, Baden-Baden 1998) Schöll, Werner, Der Codex Juris Bavarici Judiciarii von 1753 im Vergleich mit den prozeßrechtlichen Bestimmungen der bayerischen Gesetzgebung von 1616 und mit dem Entwurf und den Gutachten von 1752/53 (Diss. München 1965) Schott, A. F., Grundlinien des processualischen Verfahrens in geringfügigen Sachen nach Chursächsisehen Gesetzen, Ein Nachlaß von A. F. Schott, mutmaßlich hrsg. von Hübner (Leipzig 1799)

Literaturverzeichnis

225

Schwab, Karl Heinz, Beschleunigung des Verfahrens, in: Gilles, Peter (Hrsg.), Humane Justiz (Kronberg/Taunus 1977), S. 29 ff. Schwartz , Johann Christoph, Vierhundert Jahre deutscher Civilprozeß-Gesetzgebung (Berlin 1898) Schubert, Werner, Das Streben nach Prozeßbeschleunigung und Verfahrensgliederung im Zivilprozeßrecht des 19. Jahrhunderts, in: SZ Germ. 85 (1968) S. 127 ff. Schultzky, Bestellung des Gerichtsschreibers zum Bagatellrichter, in: DJZ 1907, Sp. 1124 ff. Schumann, Ekkehard, Bundesverfassungsgericht, Grundgesetz und Zivilprozeß, in: ZZP 96 (1983), S. 137 ff. Schuster, Paul, Zivilprozeß und Güteverfahren, in: Blankenburg u. a. (Hrsg.), Alternativen in der Ziviljustiz (Köln 1982), S. 189 ff. Schwab, Karl Heinz, Beschleunigung des Verfahrens, in: Gilles (Hrsg.), Humane Justiz (Kronberg/Taunus 1977), S. 29 ff. Sedatis, L., Art. Summarischer Prozeß, in: Erler/ Kaufmann (Hrsg.), HRG, Bd. 5 (Berlin 1998), Sp. 79 f. Sellert, Wolfgang, Art. Prozeß des Reichskammergerichts, in: Erler/Kaufmann (Hrsg.), HRG, Bd. 4 (Berlin 1990), Sp. 29 ff. Singh, Vijyalakshmi, South African Indigenous Courts: Challenge for the Future (ungedruckte LLM-Thesis, Pretoria 1994) Smith, Catherine, Arbitration, in: Joubert (Hrsg.) The Law of South Africa, Bd. 1 (1 st Reissue, Durban 1993), S. 267 ff. Sojitrawalla,

Shirin, Der Mythos vom Alphabet, in: FAZ vom 17. 7. 1999, S. 10

South African Law Commission (Hrsg.), Report on Debt Collecting, RP 198/1995, Project 74 (Pretoria 1995); - Discussion Paper No. 82, Project 90, The Harmonisation of the Common Law and Indigenous Law: Traditional Courts and the Judicial Function of the Traditional Leaders (Pretoria 1999); - Discussion Paper No. 87, Project 94, Community dispute resolution structures (Pretoria 1999) Springer, Max, Die Coccejische Justizreform (München Leipzig 1914) Stadler, Astrid, Außergerichtliche obligatorische Streitschlichtung - Chance oder Illusion?, in: NJW 1998, S. 2479 ff. Städing, Jörg, Anwendung des § 495a ZPO in der Praxis, in: NJW 1996, S. 691 ff. Starke, W. F. C., Beiträge zur Kenntnis der bestehenden Gerichtsverfassung und der neuesten Resultate der Justizverwaltung in dem preußischen Staate, Bd. 1 (Berlin 1839) Stelzer, Christian Julius Ludwig, Grundsätze des Preußischen gerichtlichen Prozesses, Bd. 2 (Halle Leipzig 1805) 15 Engbers

Literaturverzeichni s

226

Strauss, S.A.S., You in the Small Claims Court (2. Aufl., Kapstadt/Wetton/Johannesburg 1990) Strempel, Dieter, Außergerichtliche Streitbeilegung, in: Gottwald/Strempel (Hrsg.), Rechtsvergleichende Beiträge zur außergerichtlichen Streitbeilegung (Köln 1995), S. 187 ff. Stürner, Rolf/ Stadler, Astrid, Eigenarten der Prozeßrechtsvergleichung, in: Gilles (Hrsg.), Transnationales Prozeßrecht (Baden-Baden 1995) Taitz, Jérold, The Supervision and Control of the Judgments and Proceedings of Small Claims Courts, in: 23 (1990) De Jure 135; - Review of the Proceedings of the Small Claims Court and the inherent power of the Supreme Court to restrain irregularities in the proceedings of lower Courts, in: 107 (1990) SALJ 22 Tettinger,

Peter, Fairneß und Waffengleichheit (München 1984)

Theal, George M'Call, History of South Africa from 1795 to 1872, Bd. 1 (4. Aufl., London 1927); - South Africa (5. Aufl., London 1900) Theilacker, Gerhard, Friedensgerichtsbarkeit und Rechtspfleger, Die Entwicklung der niederen Gerichtsbarkeit in Deutschland unter besonderer Berücksichtigung der im Lande Baden-Württemberg gemachten Erfahrungen (Tübingen 1963) Theron, Lynette, Die howe vir klein eise - 'n kritiese ontleding, in: 105 (1988) SALJ 335 Thompson, Clive / Benjamin, Paul (Hrsg.), South African Labour Law, Bd. 1 (Lfg. März 2000, Kenwyn) Trendelenburg, 1863)

Adolf, Friedrich der Große und sein Großkanzler Samuel von Cocceji (Berlin

Trengove, Wim, Evidence, in: Chaskalson u. a. (Hrsg.), Constitutional Law of South Africa (2. Lfg. 1998, Kenwyn), Nr. 26 Van Caenegem, Raoul C., History of European Civil Procedure, in: International Encyclopedia of Comparative law, Zweigert u. a. (Hrsg.), Bd. 16 (Civil Procedure), Kap. 2 (Tübingen Den Haag Paris New York 1973) Van der Merwe, S. E., The inquisitorial procedure and free system of evidence in small claims courts: an examination of principles, in: 1985 De Rebus 445 Van Dijkhorst, K., Courts, in: Joubert (Hrsg.), The Law of South Africa, Bd. 5 / 2 (1 st Reissue, Durban 1994), S. 89 ff. Van Dijkhorst , KJMellet, H.F., Legal Practitioners, in: Joubert (Hrsg.), The Law of South Africa, Bd. 14 (1 st Re-issue Durban 1999), S. 247 ff. Van Loggerenberg, D.J., Die hof vir klein eise: adversatief of inkwi si tories?, in: 1987 De Rebus 343

Literaturverzeichnis

227

Van Niekerk, Gardiol J., People's Courts and people's justice in South Africa - New developments in community dispute resolution, in: 27 (1994) De Jure 19 ff.; - Traditional African Courts (Kapstadt 1993) Van Riet, Cecilie, The training of magistrates, in: 10 (1997) Consultus 137 Van Warmelo, The Classification of Cultural Groups, in: Hammond-Tooke (Hrsg.), The Bantu-Speaking Peoples of Southern Africa (2. Aufl., London/Boston 1974), S. 56 ff. Venter, P.J., Landdros en Heemrade (1682-1827), in: Argief-jaarboek vir Suid-Afrikaanse Geskiedenis, Bd. 3 / 2 (Kapstadt 1940) Villiger, Mark, Handbuch der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) (2. Aufl., Zürich 1999) Visagie, G. G., Regspleging en reg aan die Kaap van 1652 tot 1806 (Kapstadt Weinberg Johannesburg 1969) Volkert, Wilhelm, § 84 (Gesetzgebung), § 85 (Die spätmittelalterliche Gerichtsbarkeit), § 86 (Ämter und Gerichte), in: Kraus (Hrsg.), Handbuch der bayerischen Geschichte, Bd. 2 (2. Aufl., München 1988) Volkmann, Julius, System des sächsischen Civil- und Administrativ-Processes nach Biener, Bd. 3 (Leipzig 1845) Volkmar, Die Verordnung zur Beschleunigung des Verfahrens in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, in: JW 1924, 17 ff. Watermeyer, E. F., The Roman-Dutch Law in South Africa, in: Benians u. a. (Hrsg.), The Cambridge History of the British Empire, Bd. 8 (Cambridge 1963); S. 858 ff. Wefing, Heinrich, Gute Erziehung hat nichts mit Krawatten zu tun, in: FAZ vom 14. 9. 2000, S.R3 Weiß, Walter, Haben sich die Friedensgerichte in Württemberg-Baden bewährt?, in: NJW 1951, S. 698 f. Weller, Steven/Ruhnka, John/Martin, John, American Small Claims Courts, in: Whelan (Hrsg.), Small Claims Courts (Oxford 1990), S. 5. Werner, Olaf, Staatliches Gewaltmonopol und Selbsthilfe bei Bagatellforderungen, in: Martinek/Sellier (Hrsg.), 100 Jahre BGB - 100 Jahre Staudinger, Beiträge zum Symposium 1998 (Berlin 1999), S. 48 ff. Werthmann, Sabine, Vom Ende der Patrimonialgerichtsbarkeit, Ein Beitrag zur deutschen Justizgeschichte des 19. Jahrhunderts (Diss. jur. Frankfurt/Main, Frankfurt/Main 1995) Wesener, Gunter, Art. Prozeßverschleppung, in: Erler /Kaufmann (Hrsg.), HRG, Bd. 4 (Berlin 1990); ders., Römisch-Kanonisches Prozeßrecht in der bayer. Landrechtsreformation von 1518 und der Gerichtsordnung von 1520, in: Thümmel (Hrsg.), Arbeiten zur Rechtsgeschichte. Festschrift für Gustaf Klemens Schmelzeisen (Stuttgart 1980), S. 360 ff. 15*

228

Literaturverzeichnis

Whelan, Christopher, Small Claims Courts: Heritage and Adjustment, in: ders. (Hrsg.), Small Claims Courts - A Comparative Study (Oxford 1990), S. 207 ff. Wiese, Bernd, Südafrika mit Lesotho und Swasiland (Gotha Stuttgart 1999) Wittmaack, H., Das Verhältnis der besonderen Gerichte zu den ordentlichen, in: AcP 90 (1900), S. 1 ff. Wollschläger, Christian, Bagatelljustiz?, in: Blankenburg u. a. (Hrsg.), Neue Methoden im Zivilverfahren - Summarischer Rechtsschutz und Bagatellverfahren (Köln 1991) Wypkema, Albertus, Die invloed van Nederland en Nederlands-Indie op ontstaan en ontwikkeling van die regswese in Suid-Afrika tot 1881 (Amsterdam 1934) - De Invloed van Nederland op Ontstaan en Ontwikkeling van de Staatsinstellingen der Z.A. Republiek tot 1881 (Pretoria 1939) Yngvesson/Hennesey,

9 (1975) Law & Society Review 219

Zelewski, Andrea von, Die Beilegung arbeitsrechtlicher Streitigkeiten in Südafrika, in: NZA 2001, S. 196 ff. Zimmermann, Reinhard, Das römisch-holländische Recht in Südafrika (Darmstadt 1983) Zweigert, Konrad ! Kötz, Hein, Einführung in die Rechtsvergleichung auf dem Gebiete des Privatrechts (3. Aufl., Tübingen 1996)

uerzeichnis § 1 Gesetze, Verordnungen und Materialien A. Deutschland I. Altes deutsches Reich 1555

Reichskammergerichtsordnung, hrsg. von Laufs, Adolf (Köln Wien 1976)

1654

Jüngster Reichsabschied, hrsg. von Laufs, Adolf (Bern Frankfurt / Main 1975)

Π. Deutsche Partikularstaaten bis 1871 1. Baden 1807

Zweites ConstitutionsEdikt, die Verfassung der Gemeinheiten, Körperschaften und StaatsAnstalten betreffend, in: Reg.Bl. des Grosherzogthums Baden 1807, S. 125 ff.

1856

Gesetz betreffend die Gerichtsbarkeit und die Rechtspflege der Bürgermeister usw., Reg.Bl. 1856, S. 140 f. 2. Bayern

1508

Erklärung der Landesfreiheit, in: Krenner, Franz von, Baierische Landtags-Handlungen in den Jahren 1429 bis 1513, Bd. 17 (München 1805), S. 73 ff.

1518

Reformacion der bayerischen Lanndrecht... im 1518. Jar aufgericht (München 1518)

1520 Gerichtzordnung Im fürstenthumb Obern und Nidern Bayrn Anno 1520 aufgericht (München 1520) 1616

Summarischer Prozeß, in: Landrecht, Policey-, Gerichts-, Malefitz- und andere Ordnung für Obern- und Nidern Bayrn (München 1616), S. 1 ff.

1616

Gerichtsordnung, in: Landrecht, Policey-, Gerichts-, Malefitz- und andere Ordnung für Obern- und Nidern Bayrn (München 1616), S. 95 ff.

1753

Codex Juris Bavarici Judiciarii, oder: Neu verbesserte Chur-Bayerische Gerichtsordnung von 1753 (2. Aufl., München 1771)

1837

Gesetz, einige Verbesserungen der Gerichtsordnung in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten betreffend, in: Gesetzessammlung für das Königreich Bayern 1837, S. 42 ff.

230

Quellenverzeichnis 3. Brandenburg-Preußen

1516

Ordnung des Churfürstlichen Cammer-Gerichts in der Marek zu Brandenburg und andern zugehörenden Herrschaften und Landen, in: Mylius, Christian Otto (Hrsg.), Corpus Constitutionum Marchicarum (CCM, Berlin Halle 1737), II, 1. Abt., Sp. 1 ff.

1561 Neumärckische Cammer und HoffGerichts Ordnung, in: CCM II, 1. Abt., Sp. 35 ff. 1562

Churfürstens Joachimi II. Ordnunge der Rethe des Cammer-Gerichts zu Berlin, in: CCM II, 1. Abt., Sp. 53 ff.

1585

Uckermarckische Quartal Gerichts Ordnung, in: CCM II, 1. Abt., Sp. 59 ff.

1602 Hoff- und Land-Gerichts-Ordnung in der Alt-Marck, in: CCM II, 1. Abt., Sp. 71 ff. 1602

Quartal-Gerichts-Ordnung in der Altenmarck, in: CCM II, 1. Abt., Sp. 83 ff.

1621

Hoff- und Land-Gerichts-Ordnung in der Altenmarck, in: CCM II, 1. Abt., Sp. 91 ff.

1621

Quartal-Gerichts-Ordnung in der Altenmarck, in: CCM II, 1. Abt., Sp. 103 ff.

1646

Neu Märckische Cammer Gerichts Ordnung, in: CCM II, 1. Abt., Sp. 123 ff.

1658

V.O. wie es im Cammer Gerichte biß zu Publication einer ausführlichen Ordnung soll gehalten werden, in: CCM II, 1. Abt., Sp. 147 ff.

1700

Neumärckische verbesserte Cammer-Gerichts-Ordnung, Sp. 219 ff.

1709

Neu-verfaßte Cammer-Gerichts-Ordnung, in der Chur- und Marek Brandenburg, in: CCM II., 1. Abt., Sp. 357 ff.

1713

Allgemeine Ordnung, die Verbesserung des Justizwesens betreffend, in: CCM II, 1. Abt., Sp. 517 ff.

1739

Edict, das bey allen Ober- und Untergerichten diejenige Sachen, welche Bagatellen concernieren ... niemahls zum ordentlichen Process verwiesen, sondern bey mündlichem Verhör... auf einmahl abgethan (werden) sollen, in: CCM, Continuatio I (Berlin Halle 1744), Sp. 243

1739

Anfrage der Magdeburgischen Regierung vom 1. April 1739, in: A.B., Bd. 5,2 (Berlin 1912), S. 698.

1739

Erlaß vom 2. April 1739, in: A.B., Bd. 5,2 (Berlin 1912), S. 697 FN 1

1740

Declaration des Edicts von Bagatell-Sachen, in: CCM, Cont. I, Sp. 415

1748

Project des Codicis Fridericiani Marchici (Frankfurt Leipzig 1748)

1748

Memoriale für die Advokaten, in: CCM., Cont. IV, Sp. 72

1748

Edict, daß die neue Justitz-Verfassung, wie dieselbe in dem Codice Fridericiano vorgeschrieben, nunmehro auch bey denen sämtlichen Unter-Gerichten eingeführet und beobachtet werden soll, in: CCM, Cont. IV, Sp. 83

1750

Rescript, wegen der Landreuter-Gebühren für Executiones in Bagatell-Sachen, in: CCM., Cont. IV, Sp. 289/290

in: CCM II,

1. Abt.,

1781 Corpus Juris Fridericianum, Erstes Buch von der Prozeß-Ordnung (Berlin 1781)

erzeichnis 1793

Allgemeine Gerichtsordnung für die Preußischen Staaten, 1. Theil: Prozeßordnung (Berlin 1795)

1833

Verordnung über den Mandats-, den summarischen und den Bagatellprozeß, in: Gesetz-Sammlung für die Königlich Preußischen Staaten (GKPS) 1833, S. 37 ff.; Essellen, Der Preußische Civilprozeß (Arnsberg 1846), S. 1 ff.

1833

Instruktion für die Gerichte, in: Kamptz' Jahrbücher, Bd. 41, S. 437 ff.; Essellen, S. 16 ff.

1839

Declaration zur Verordnung über das Rechtsmittel der Revision und Nichtigkeitsbeschwerde vom 14. Dezember 1833, in: GKPS 1839, S. 126 ff.; Essellen, S. 39 ff.

1846

Verordnung über das Verfahren in Civilprozessen, in: GKPS 1846, S. 291 ff.; Essellen, S. 150 ff.

1849

Verordnung über die Aufhebung der Privatgerichtsbarkeit und des eximirten Gerichtsstandes so wie über anderweitige Organisation der Gerichte, hrsg. von Schering (Berlin 1849)

1878

Ausführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz, in: GKPS 1878, S. 232 ff.

1879

Schiedsmannordnung, in: GKPS 1879, S. 151 ff.

4. Preußische Rheinprovinz 1790

Décret contenant règlement sur la procédure en la justice de paix, in: Duvergier, Jean Baptiste Marie, Collection complète des lois, décrets, ordonnances, règlemens et avis du Conseil-d'état, . . . , Bd. 1 (2. Aufl., Paris 1834, Neudruck Bad Feilnbach 1995), S. 415 ff.

1798

Règlement sur l'ordre judiciaire, in: Bormann, Karl Th. F./Daniels, Alexander von, Handbuch der für die königl. Preuß. Rheinprovinzen verkündigten Gesetze, Verordnungen und Regierungsbeschlüsse aus der Zeit der Fremdherrschaft, Bd. 6 ( Köln 1841), S. 532 ff.

1806 Code de procédure civile (Paris 1806); Daniels, Heinrich (Hrsg.), Code de procédure civile (französisch-deutsche Ausgabe, Köln 1807) 1816

Kabinetts-Ordre vom 20. Juni 1816, in: Lottner, F. August, Sammlung der für die Königl. Preuß. Rheinprovinz seit dem Jahre 1813 hinsichtlich der Rechts- und Gerichtsverfassung ergangenen Gesetze etc., Bd. 1 (Berlin 1834), S. 414 ff.

1818

Kabinetts-Ordre vom 19. November 1818, in: Lottner, Sammlung, Bd. 1 (1834), S. 523 ff.

1821 Verordnung zur Kompetenz der Friedensgerichte, in: Lottner, Sammlung, Bd. 2 (Berlin 1834), S. 115 ff. 1821

Verordnung zur Organisation der Friedensgerichte, in: Lottner, Sammlung, Bd. 2 (1834), S. 136 ff.

1843

Verordnung - die Kompetenz der Friedensgerichte betreffend, in: Lottner, Sammlung, Bd. 8 (Berlin 1847), S. 166 ff.

232

erzeichnis 5. Sachsen

1529

Leipziger Oberhofgerichtsordnung, in: Kretschmann, Chr. Gottfried, Geschichte des churf. sächs. Ober-Hof-Gerichts zu Leipzig (Leipzig 1804), S. 75 ff.

1529

Ordnung des Churfürstl. Sächs. Hof-Gerichts zu Wittemberg, und dazu gehörige Sachen, in: Lünig, Johann Christian (Hrsg.), Codex Augusteus oder Neuvermehrtes Corpus Juris Saxonici (CA, Bd. 1, Leipzig 1724), Sp. 1333 ff.

1548

Ordnung des Churfürstl. Sächsischen Ober-Hof-Gerichts zu Leipzig und dazu gehörige Sachen, in: CA, Bd. 1, Sp. 1279 ff.

1550

Ordnung des Churfürstl. Sächsischen Hof-Gerichtes zu Wittenberg, in: CA, Bd. 1, Sp. 1337 ff.

1572

Churfürst Augusti Verordnungen und Constitutiones, in: CA, Bd. 1, Sp. 73 ff.

1612

Resolution und Erledigung derer Gebrechen, welche in dem Anno 1609 zu Torgau gehaltenem Land-Tage,... übergeben, und nach geschehener Revision ... in offenem Druck .. .verfertigt worden, in: CA, Bd. 1, Sp. 167 ff.

1622

Proceß- und Gerichts-Ordnung Churfürst Johann Georgens des I. zu Sachsen, darnach man sich in dero Landen bey Ober- und Untergerichten gleichförmig zu achten, in: CA, Bd. 1, Sp. 1067 ff.

Erledigung Derer in Anno 1653 und 1657 bey gehaltenen Landes-Zusammenkünfften ... übergebenen Gebrechen, wie auch Decisiones zweifelhafter Rechtsfälle, in: CA, 1661 Bd. 1, Sp. 195 ff.

1663

Mandat Churfürst Johann Georgens des II. zu Sachsen, von Abfolgung derer Gerichts-Acten in Privat-Häuser, ... auch Verhütung der gerichtlichen Processe in geringen Sachen, in: CA, Bd. 1, Sp. 1141 ff.

Erläuterung der bißherigen Proceß- und Gerichts-Ordnung nebst einem Anhange von dem Processu summario, Executivo, Cambiali und Possessorio, auch beygefügten 1724 unterschiedenen Mandaten und Ordnungen, in: CA, Bd. 1, Sp. 2382 ff.; Freiesleben, Friedrich (Hrsg.), Handbuch der vom Jahre 1572 bis auf die neueste Zeit erschienenen noch jetzt gültigen Civil-Proceß-Gesetze des Königreichs Sachsen, Bd. 1 (Leipzig 1834), S. 66 ff. 1738

Rescript vom 10. 12. 1738, Daß in geringfügigen Streit-Sachen keine weitschweifige Rechtfertigungen gestattet werden sollen, in: CA, 1. Fortsetzung, Bd. 1 (Leipzig 1772), Sp. 313-314

1753

Mandat, die Abstellung processualischer Weitläuftigkeiten in geringfügigen Rechtssachen betreffend, in: CA, 1. Fortsetzung, Bd. 1, Sp. 383 ff., Kranichfeld, W. (Hrsg.), Die neueren Civilproceßgesetze für das Königreich Sachsen (Leipzig 1876), S. 3 ff.; Freiesleben, Handbuch (1834), S. 256 ff.

1839

Gesetz, das gerichtliche Verfahren über ganz geringe Civilansprüche betreffend, in: Kranichfeld, Civilproceßgesetze (1876), S. 12 ff.

1861 Gesetz, die Abkürzung und Vereinfachung des bürgerlichen Proceßverfahrens betreffend, in: Kranichfeld, Civilproceßgesetze (1876), S. 56 ff.

Quellenverzeichnis

233

6. Württemberg 1811

Königliches Reskript, an das Königliche Staats-Ministerium - verschiedene neue Einrichtungen in der Civil- und Criminal-Justiz-Verwaltung betreifend, in: Reyscher, August L. (Hrsg.), Sammlung der württembergischen Gesetze (SWG), Bd. 7, Teilbd. 1 (Tübingen 1839), S. 301 ff.

1811

Instruktion für die untern Civilgerichtsstellen, in: Reyscher, SWG, Bd. 7, Teilbd. 1, S. 309 ff.

1868

Civilprozeßordnung für das Königreich Württemberg, in: Reg.Bl. für das Königreich Württemberg 1868, Nr. 16, S. 191 ff.

IV. Deutschland seit 1871 1877

Gerichtsverfassungsgesetz, in: RGBl. 1877, S. 41 ff.

1877

Civilproceßordnung, in: RGBl. 1877, S. 83 ff.

1915

Bekanntmachung zur Entlastung der Gerichte, in: RGBl. 1915, S. 562 ff.

1916

Bekanntmachung über Änderungen der Verordnung zur Entlastung der Gerichte, in: RGBl. 1916, S. 393 f.

1923

Verordnung zur Beschleunigung des Verfahrens in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, in: RGBl. 1923 I, S. 1239 ff.

1924

Bekanntmachung zur Entlastung der Gerichte, in der vom 1. Juni 1924 an geltenden Fassung neu bekannt gemacht, in: RGBl. 19241, S. 552 ff.

1930

Verordnung des Reichspräsidenten zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen, in: RGBl. 19301,517 ff.

1931

Dritte Verordnung des Reichspräsidenten zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen und zur Bekämpfung politischer Ausschreitungen, in: RGBl. 1931 1, 537 ff.

1944 Zweite KriegsmaßnahmenVO, in: RGBl. 19441, S. 229 ff. 1949

Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, in: BGBl. 1949, S. 1 ff.

1950 Gesetz zur Wiederherstellung der Rechtseinheit, in: BGBl. 1950, S. 455 ff. 1950 Zivilprozeßordnung in der Fassung vom 12. 9. 1950, in: BGBl. 1950, S. 533 ff. 1953

Arbeitsgerichtsgesetz, in: BGBl. 1953 I, S. 1267 ff.

1959

Bundesrechtsanwaltsordnung, in: BGBl. 19591, S. 565

1961

Deutsches Richtergesetz, in: BGBl. 1961 I, S. 1665 ff.

1974 Gesetz zur Änderung des Gerichtsverfassungsgesetzes, in: BGBl. 19741, S. 761 f. 1976

Gesetz zur Vereinfachung und Beschleunigung gerichtlicher Verfahren, in: BGBl. 1976 I, S. 3281 ff.

1990

Rechtspflegevereinfachungsgesetz, in: BGBl. 19901, S. 2847 ff.

1993

Gesetz zur Entlastung der Rechtspflege, in: BGBl. 1993 I, S. 50 ff.

234

erzeichnis

1999

Gesetz zur Förderung der außergerichtlichen Streitbeilegung, in: BGBl. 1999 I, S. 2400 f.

2001

Gesetz zur Reform des Zivilprozesses, in: BGBl. 2001 I, S. 1887 ff.

V. Deutsche Länder seit 1871 7. Baden 1879

Gesetz - die Einführung der Reichs-Justizgesetze im Großherzogthum Baden betreffend, in: Reg.Bl. 1879, S. 91 ff.

1886

Gesetz - die Abänderung einiger das Verfahren vor den Gemeindegerichten betreffender Bestimmungen des Gesetzes über die Einführung der Reichsjustizgesetze im Großherzogthum Baden betreffend, in: Reg.Bl. 1886, S. 141 ff.

1886

Dienstanweisung für die Gemeindegerichte, in: Reg.Bl. 1886, S. 231 ff.

1900

Bekanntmachung das Verfahren vor den Gemeindegerichten betreffend, in: Reg.Bl. 1900, S. 897 ff.

1908

Gesetz die Abänderung des Verfahrens vor den Gemeindegerichten betreffend, in: Reg.Bl. 1908, S. 329 ff.

1933

Ausführungsgesetz zu den Reichsjustizgesetzen in der Fassung vom 22. 11. 1933, in: GVB1. 1933, S. 273 ff.

1934

Dienstanweisung für die Gemeindegerichte in der Fassung vom 16. 1. 1934, in: GVB1. 1934, S. 43 ff. 2. Württemberg

1879

Gesetz zur Ausführung der Reichs-Civilprozeßordnung, in: Reg.Bl. 1879, S. 173 ff.

1899

Bekanntmachung des Justizministeriums, betreffend den Text des Gesetzes zur Ausführung der Civilprozeßordnung, in: Reg.Bl. 1899, S. 545 ff.

1902

Dienstvorschriften für die Gemeindegerichte, in: Amtsblatt des Justizministeriums 1902, S. 80 ff.

1902

Königliche Verordnung, betreffend eine Gebührenordnung für die Gemeindegerichte, in: Reg.Bl. 1902, S. 221 ff.

1931 1932

Ausführungsgesetz zum BGB, in: Reg.Bl. 1931, S. 545 ff. Verordnung des Justizministeriums über das Verfahren und die Kosten vor den Gemeindegerichten, in: Reg.Bl. 1932, S. 63 ff.

3. Württemberg-Baden 1949

Gesetz Nr. 241 über die Friedensgerichtsbarkeit, in: Reg.Bl. 1949, S. 47 ff.

1949

Verordnung Nr. 260, Vorläufige Verordnung des Justizministeriums über das Verfahren vor den Friedensgerichten, in: Reg.Bl. 1949, S. 119 ff.

erzeichnis 4. Baden-Württemberg 1960 Gesetz über die Gemeindegerichtsbarkeit, in: GBl. 1960, S. 73 ff. 1971 Gesetz zur Aufhebung der Gemeindegerichtsbarkeit und zur Regelung des Sühneversuchs in Privatklagesachen, in: GBl. 1971, S. 397 f. 2000

Schlichtungsgesetz vom 28. 6. 2000, in: BWGVB1 2000, S. 470

5. Bayern 2000

Schlichtungsgesetz vom 25.4. 2000, in: BayGVBl. 2000, S. 268 ff.

6. Brandenburg 1993

Schiedsstellengesetz vom 14. 6. 1993, in: BbgGVBl. 1993, S. 346 ff.

2000

Schlichtungsgesetz vom 5. 10. 2000, in: BbgGVBl. 2000, S. 134 f.

2000

Gütestellengesetz vom 5. 10. 2000, in: BbgGVBl. 2000, S. 135 f.

7. Nordrhein-Westfalen 1992

Schiedsamtsgesetz vom 16. 12. 1992, in: NWGVB1. 1993, S. 32 ff.

2000

Gütestellen und Schlichtungsgesetz vom 9. 5. 2000, in: NWGVB1. 2000, S. 476 ff.

8. Hessen 2001

Gesetz zur außergerichtlichen Schlichtung kleinerer Streitigkeiten vom 6. 2. 2001, in: HessGVBl. 2001, S. 98 ff. 9. Saarland

2001

Schlichtungsgesetz vom 21. 2. 2001, in: SaarlABl. 2001, S. 532 ff.

10. Sachsen-Anhalt 2001

Schlichtungsgesetz vom 22. 6. 2001, in: SAnhGVBl. 2001, S. 214 ff.

236

Quellenverzeichnis

Β. Südafrika I. Provinz Holland 1531

Instructie vanden Hove van Hollandt, Zeelandt ende Vrieslandt, in: Cau, Cornells, Groot Placaet-Boek (GPB) II (Den Haag 1664), Sp. 703 ff.

1579

Nieuwe Ordonnantie oft Ampliatie vande Instructie vanden Hove van Hollandt, in: GPB II, Sp. 767 ff.

1579

Ordonnantie ende Instructie, Gemaeckt op de vordernisse van de Justitie, voor den Hove van Hollandt, in kleyne saecken, in: GPB II, Sp. 762 ff.

1580

Ordonnantie vande Justitie, binnen de Steden, ende ten platten Lande van Hollandt, in: GPB II, Sp. 695 ff.

1582

Ordonnantie ende Instructie, vanden Hoogen Raedt van Appel in Hollandt, in: GBP II, Sp. 789 ff.

1602

Het Oost-Indische Octroy, By de Hooch-Mogende Heeren Staten Generael der Vereenichde Nederlanden, in: GPB I (Den Haag 1658), Sp. 529 ff.

1632

Instructie voor de Commissarissen van kleyne saken, in: Rooseboom, Gerard (Hrsg.), Recueil van verscheyde Keuren, en Costumen. Midtsgaders Maniere van Procederen binnen de Stadt Amsterdam (2. Aufl., Amsterdam 1655), S. 297 ff.

1656

Ordonnantie ende Maniere van Procederen voor den Gerechte der Stadt Amsterdam (Amsterdam 1656)

Π. Batavia 1642

Statuten van Batavia, in: Van der Chijs, J.A., Nederlandsch-Indisch Plakaatboek (NIP) I (Batavia Den Haag 1885), S. 472

1656

Instructie voor Commissarissen van kleine zaken, in: NIP II (Batavia Den Haag 1886), S. 224

1664

Instelling van een Collegie van Heemraden te Batavia, in: NIP II, S. 379 f.

1669

Instructie voor de Commissarissen uit den Raad van Justitie voor kleine zaken, in: NIP II, S. 488 ff.

1680

Reglement voor het Collegie van Heemraden, in: NIP III (Batavia Den Haag 1886), S. 52 ff. I I I . Kap der Guten Hoffnung bis 1806 I.Ära der VOC bis 1795

1682

Resolution des Politieke Raad vom 31. 8. 1682 (Collegie in Kapstadt), in: Jeffreys, M. K. (Hrsg.), Kaapse Plakkaatboek (KPB) I (Kapstadt 1944), S. 185, 190

1682

Resolution des Politieke Raad vom 31. 8. 1682 (Collegie in Stellenbosch), in: KPB I, S. 186.

erzeichnis 1685

Resolution des Politieke Raad vom 16. 7. 1685 betreffs der Instruktion für den Landdrost in Stellenbosch, abgedruckt bei Venter, Landdros, in: Argief-jaarboek vir SuidAfrikaanse Geskiedenis III (1940), Teil 2, S. 19

1786

Instruktion der Landdrost en Heemraden von Graaff-Reinet, wiedergegeben in: Leibbrandt, H.C.V., Précis of the Archives of the Cape of Good Hope, Requesten (Memorials) 1715-1806, Bd. 2, F - Ο (Kapstadt London 1906), S. 488 ff.

1791 Resolution vom 18./26. 7. 1791, in: KPB IV (Kapstadt 1949), S. 52 ff.

2. Erste Britische Besetzung bis 1803 1795

Proclamation vom 11. 10. 1795, in: Eybers, G.W., Select Constitutional Documents illustrating South African History 1795-1910 (London 1918), No. 61, S. 97

1795

Proclamation vom 15. 10. 1795, in: Eybers, Documents (1918), No. 62, S. 98

1796

Proclamation vom 19. 5. 1796, in: KPB V (Kapstadt 1950), S. 37.

1797

Proclamation vom 24. 7. 1797, in: Eybers, Documents (1918), No. 64, S. 99 ff.

3. Batavische Republik bis 1806 1805

Ordonnantie raakende het bestier der buiten-districten, in: Eybers, G. W., Bepalingen en Instructien voor het Bestuur van de Buitendistricten van de Kaap de Goede Hoop (1805) (Amsterdam 1922), S. 81 ff.

IV. Südafrika bis 1910 1. Kapkolonie 1809

Government Advertisement vom 31.3. 1809, in: Harding, Walter (Hrsg.), The Cape of Good Hope Government Proclamations, Bd. 1 (Kapstadt 1838), S. 32

1811

Proclamation vom 16. 5. 1811, in: Eybers, Documents (1918), No. 67, S. 103 f.

1816

Proclamation vom 5. 4.1816, in: Eybers, Documents (1918), No. 69, S. 105 f.

1817

Proclamation vom 18. 7. 1817, in: Eybers, Documents (1918), No. 70, S. 106

1827

Ordinance (vom 19. 12. 1827) for Creating Resident Magistrates and Clerks of Peace in certain Districts and Places in this Colony, in: Eybers, Documents (1918), No. 73, S. 109 ff.

1830

Ord. No. 72 of 1830 for Altering, Amending, and Declaring, in certain respects, the Law of Evidence within this Colony, in: Statute Law of the Cape of Good Hope, Bd. 1 (Kapstadt 1862), S. 165 f.

1830

Ordinance No.77 for the better defining and fixing the duties and functions of the Civil Commissioners in this Colony, in: Statute Law of the Cape of Good Hope, Bd. 1 (1862), S. 173 f.

238

erzeichnis

The Royal Charter of Justice for the better and more effectual Administration of 1832 Justice within the Colony of the Cape of Good Hope, in: Eybers, Documents (1918), No. 76, S. 114 ff. 1847

1854

Ordinance No. 14 for enabling the Governor of the Colony to create Courts of Resident Magistrates, in: Ordinances enacted by the Legislative Council of the Cape of Good Hope, Bd. 4 (Kapstadt 1850), S. 247 ff. Act No. 7 for Extending Trial by Jury to Civil Cases, in: Statutes of the Cape of Good Hope (Kapstadt 1863), S. 50 ff.

1856

Act No.20 for Amending and Consolidating the Laws relative to the Courts of Resident Magistrate, in: Jackson, E.M. (Hrsg.), Statutes of the Cape of Good Hope, Bd. 1 (Kapstadt 1906), S. 625 ff.

1857

Act No.9 for Amending the Act No. 20 of 1856, in: Jackson, Bd. 1 (1906), S. 662 ff.

1864

Native Succession Act No. 18 of 1864, in: Jackson, Bd. 1 (1906), S. 942 ff.

1865

Act No. 3 to Make Provision for the Incorporation of British Kaffraria with the Colony of the Cape of Good Hope, in: Eybers, Documents (1918), No. 32, S. 59 ff.

1876

Act No.21 to Amend the Law relating to the Jurisdiction and Powers of Resident Magistrates, in: Jackson, Bd. 1 (1906), S. 1428 ff.

1877

Act No. 38 Annexation of Transkeian Territories, teilweise abgedruckt in: Eybers, Documents (1918), No. 36, S. 65

1884

Act No. 35 to Provide for the Annexation to the Colony of the Cape of Good Hope . . . , in: Jackson, Bd. 2 (1906), S. 2236 ff.

1885

Act No. 3 to Provide for the annexation to the Colony of the Cape of Good Hope of the British Territories known as Tembuland, in: Jackson, Bd. 2 (1906), S. 2251 ff.

1885

Act No.43 to Amend the Law relating to the Courts of Resident Magistrate, in: Jackson, Bd. 2 (1906), S. 2315 ff.

1886

Act No. 37 to Provide for the Annexation to the Colony of the Country known as the Xesibe Country, in: Jackson, Bd. 2 (1906), S. 2423 ff.

1887

Act No. 45 to Provide for the Annexation to the Colony of the Country known as the Rode Valley, in: Jackson, Bd. 2 (1906), S. 2523 ff.

1891 Act No. 23 to Amend the Law relating to trial by Jury in Civil Cases, in: Jackson, Bd. 2 (1906), S. 2287 ff. 1894 Act No. 5 to Provide for the Annexation of the Country known as Pondoland, in: Jackson, Bd. 3 (1906), S. 3316 ff. 1895

Act No. 32 to Consolidate and Amend the Law relating to the Civil Service, in: Jackson, Bd. 3 (1906), S. 3532 ff.

1905

Act No. 15 to Facilitate the Recovery of Certain Small Debts, in: Jackson, Bd. 3 (1906), S. 4836 ff.

1909

Act No. 34 to Amend the Laws relating to the Courts of Resident Magistrate, in: Colonial Secretary's Department (Hrsg.), Acts of Parliament (Kapstadt 1906), S. 5610

erzeichnis 2. Natal 1845

Ordinance No. 14 for Erecting a District Court in and for the District of Natal, in: Moodie, W.J. Dunbar (Hrsg.), Ordinances, Proclamations etc., relating to the Colony of Natal 1836- 1855, Bd. 1 (Pietermaritzburg 1856), S. 3 ff.

1845

Ordinance No. 19 for Altering, Amending, and Declaring, in certain respects, the Law of Evidence within the District of Natal, in: Moodie, Bd. 1 (1856), S. 50 ff.

1846

Ordinance No. 16 for Creating Resident Magistrates within the District of Natal, in: Moodie, Bd. 1 (1856), S. 88 ff.

1846

Rules, Orders, and Regulations, respecting the manner and form of proceeding in Civil and Criminal Cases, before the Courts of the Resident Magistrates, respectively in the District of Natal, in: Moodie, Bd. 2 (Pietermaritzburg 1856), S. 339 ff.

1849

Ordinance No.3 ... ; and for Providing for the better Administration of Justice among the Natives, in: Moodie, Bd. 1 (1856), S. 279 ff.

1850 Ordinance No. 2 for Regulating the relative Rights and Duties of Masters, Servants, and Apprentices, in: Moodie, Bd. 1 (1856), S. 295 ff. 1852

Ordinance No. 7 to Introduce the Institution of Trial by Jury in Civil Cases, in: Moodie, Bd. 1 (1856), S. 357 ff.

1852

Ordinance No. 8 to Extend the Jurisdiction of the Resident Magistrate of the Division or County of Durban, in Civil Cases, in: Moodie, Bd. 1 (1856), S. 359 ff.

1861 Law No. 21 for Improving and Consolidating the Laws in regard to Municipal Corporations, in: Eybers, Documents (1918), No. 134, S. 224 ff. 1865

Law No. 28 for Relieving Certain Persons from the Operation of Native Law, in: Cadiz, Charles/Lyon, Robert (Hrsg.), Natal Ordinances, Laws and Proclamations, Bd. 1 (Pietermaritzburg 1879), S. 533 ff.

1867

Law No. 14 to Facilitate the Recovery of Small Debts and Demands within the Colony of Natal, in: Cadiz, Charles/Lyon, Robert (Hrsg.), Natal Ordinances, Laws and Proclamations, Bd. 1 (Pietermaritzburg 1879), S. 640 ff.

1868

Law No. 6 to Amend the Law No. 14 of 1867, in: Cadiz/Lyon, Bd. 1 (Pietermaritzburg 1879), S. 668 ff.

1868

Law No. 10 to Extend Jurisdiction of Resident Magistrates of the Colony in Civil Cases, in: Cadiz/Lyon, Bd. 1 (Pietermaritzburg 1879), S. 677 ff.

1869

Law No. 9 to amend Law No. 14 of 1867, in: Cadiz/Lyon, Bd. 1 (Pietermaritzburg 1879), S. 723 ff.

1875

Law No. 26 to Make better Provision for the Administration of Justice among the Native population of Natal, and for the gradual assimilation of Native Law to the Laws of the Colony, in: Eybers, Documents (1918), No. 146, S. 247 f.

1889

Law No. 22 for the Establishment and Regulation of Inferior Courts of Justice, in: Eybers, Documents (1918), No. 150, S. 255 ff.

1891 Law No. 19 to Legalise the Code of Native Law laid before the Legislative Council according to the provisions of Law No. 44 of 1887, in: Hitchins, R.L. / Sweeney, G.W. (Hrsg.), Statutes of Natal, Bd. 2 (Pietermaritzburg 1901), unter: „Native Law"

240

erzeichnis

1896

Law No. 22 to Amend and Consolidate the Laws regulating Magistrate's Courts, in: Hitchins/Sweeney, Bd. 1 (Pietermaritzburg 1900), unter: „Courts (Magistrates')"

1898

Act No. 49 to Amend the Laws relating to the Administration of Justice, in: Hitchins / Sweeney, Bd. 1 (Pietermaritzburg 1900), unter: „Courts (Native)"

1985

Code of Zulu Law Act, No. 16, in: Butterworths Regional Legislation Service (Hrsg.), KwaZulu-Natal Acts, unter „Criminal Law", S. 25 ff.

3. Oranje-Freistaat / Orange River Colony 1848

Proclamation vom 3. 2. 1848, in: Eybers, Documents (1918), No. 155, S. 270 ff.

1848

Proclamation vom 8. 3. 1848, in: Eybers, Documents (1918), No. 156, S. 273 ff.

1849

Proclamation vom 14. 3. 1849, in: Eybers, Documents (1918), No. 157, S. 275 ff.

1854 Convention of Bloemfontein, in: Eybers, Documents (1918), No. 158, S. 281 ff. 1856

Ordonnantie No. 1 tot regeling der verkiezing van den Staatspresident..., in: Ordonanntie-Boek (OB) van den Oranjevrijstaat 1854-1880 (Bloemfontein 1881), S. 52 ff.

1856

Ordonnantie No. 6, verklärende in zekere opzigten de Wet op Getuigenis voor de Geregtshoven van den Staat, OB 1854-1880, S. 113 ff.

1856

Regulatien, betrekkelijk de Manier van Procederen in Civiele en Crimineele Zaken voor de Geregtshoven van enkele Landdrosten en van Landdrost en Heemraden in den Oranje vrij staat, in: OB 1854-1880, S. 70 ff.

1870

Ordonnantie No. 2, belangende de aanstelling en het gezag van Vrederegters in den Oranje vrij staat, OB 1854-1880, S. 216 ff.

1885

Ordonanntie No. 5, De Wet betrekkelijk Lagere Hoven, in: OB 1885 (Bloemfontein 1886), S. 176 ff.

1902

Ordinance No. 7 for Amending and Consolidating the Laws relative to Courts of Resident Magistrate, in: Lefebvre, P.L./Jackson, Bedver (Hrsg.), The Statute Law of the Orange River Colony 1900-1906 (Bloemfontein 1907), S. 381 ff.

1906

Ordinance No. 2 to Facilitate the Recovery of Certain Petty Debts, in: Lefebvre/Jackson, S. 1241 ff. 4. Zuid-Afrikaansche

Republiek/Transvaal

1844 Instructie voor de Veldcornetten vom 9. 4. 1844, mit engl. Übersetzung in: Eybers, Documents (1918), No. 183, S. 410 ff. 1852

Sand River Convention, in: Eybers, Documents (1918), No. 177, S. 357 ff.

1858

Grondwet van de Zuid-Afrikaansche Republiek, mit engl. Übersetzung in: Eybers, Documents (1918), No. 182, S. 362 ff.

1858

Instructie voor de Veldcornetten vom 17. 9. 1858, in: Jeppe, F./Kotzé, J.G. (Hrsg.), De Locale Wetten der Zuid Afrikaansche Republiek 1849-1885 (Pretoria 1887), S. 90 ff.

erzeichnis 1859

Bijlage No. 1 der Verfassung (V.R.R. vom 19. 9. 1859), in: Eybers, Documents (1918), No. 184, S. 416

1859

Bijlage No. 3 zur Verfassung, (V.R.R. vom 20. 9. 1859), in: Jeppe/Kotzé, Wetten 1849-1885, S. 117 if.

1870 Wet No. 9 ter voorkoming van Landlooperij, Dieverij en andere ongeregeldheden der Kaffers, in: Jeppe/Kotzé, Wetten 1849-1885, S. 378 ff. 1870 Wet No. 14 voor Vrederegters in de Z.A. Republiek, in: Jeppe/Kotzé, Wetten 18491885, S. 412 ff. 1871 Wet No. 2, Ordonanntie inhoudende vaststelling van en bepaling omtrent Licentien, Zegelregten, Kantoorpenningen en Salarissen . . . , in: Jeppe/Kotzé, Wetten 18491885, S. 427 ff. 1874 Wet No. 1 regelnde de manier van Procederen in Civiele en Crimineele zaken voor de Geregtshoven van Landdrosten en van Landdrosten en Heemraden in de Zuid-Afrikaansche Republiek, in: Jeppe/Kotzé, Wetten 1849-1885, S. 541 ff. 1876

Wet No. 3 betreffende de Naturellen, in: Jeppe/Kotzé, Wetten 1849- 1885, S. 662 ff.

1881 Wet No. 3, Bijlage van de Grondwet, in: Jeppe/Kotzé, Wetten 1849-1885, S. 1025 ff. 1885

1885

1885

1892

1894

1897

Wet No. 2, Instructie van de Veldcornetten en Assistent-Veldcornetten, in: Jeppe/ Kotzé, Wetten 1849-1885, S. 1331 ff. Wet No. 4 om voorziening te maken voor het beter bestuur en betere Regtspleging onder de Naturellen bevolking dezer Republiek, in: Jeppe/Kotzé Wetten 1849-1885, S. 1352 ff. Wet No. 6 voor het maken van noodzakelijke wijzigingen in de bestaande wetten aangaande de Geregtshoven in de Z.A. Republiek, in: Jeppe/Kotzé, Wetten 1849-1885, S. 1370 ff. Wet No. 11 bevattende Regels en Regulaties voor de Landdrosthoven in de Zuid-Afrikaansche Republiek, in: Coster, H.J. (Hrsg.), De Locale Wetten en Volksraadbesluiten der Zuid-Afr. Republiek 1890-1893 (Pretoria 1894), S. 444 ff. Wet No. 7 voor de Vrederechters en Resident-Vrederechters, in: Coster, Wetten 1894 (Pretoria 1895), S. 55 ff. Wet No. 10 op het invorderen van kleine Schulden, in: Schagen van Leeuwen, J.A. (Hrsg.), De Locale Wetten en Volksraadbesluiten der Zuid-Afr. Republiek 1897 (Pretoria 1898), S. 37 ff.

Proclamation No. 14 Providing for Administration of Justice within the Colony of the Transvaal, in: Jeppe, C./Gey van Pittius, J.H. (Hrsg.), Statute Law of the Transvaal 1902 1839-1910, Bd. 2 (Pretoria 1910), S. 593 ff.

1902 1907

16 Επ{

Proclamation No. 21 for Establishing Courts of Resident Magistrates, in: Jeppe/Gey van Pittius, Statute Law 1839-1910, Bd. 2, S. 628 ff. Act No. 29 of 1907 to Amend the Law relating to Administration of Justice amongst Natives and the Jurisdiction of Native Commissioners and Sub-Commissioners, in: Jeppe/Gey van Pittius, Statute Law 1839-1910, Bd. 3 (Pretoria 1911), S. 1897 ff.

242

erzeichnis

V. Südafrika seit 1910 1. Union bzw. Republik von Südafrika a) Gesetze Wenn nicht anders angezeigt, lassen sich die angegebenen Gesetze im entsprechenden Jahrgang der seit 1910 erscheinenden zweisprachigen (Englisch/Afrikaans) Sammlung „Statutes of the Union of South Africa" (seit 1961: „Statutes of the Republic of South Africa") leicht auffinden. Die jeweils aktuelle Fassung der angegebenen Gesetze ist in der Loseblattsammlung „Statutes of the Republic of South Africa" von Butterworths abgedruckt. 1909

South Africa Act, in: Eybers, Documents (1918), No. 235, S. 517 ff.

1913

Native Land Act, No. 27

1917

Magistrates' Courts Act, No. 32

1918

Special Justices of the Peace Act, No. 2

1927

Native Administration Act, No. 38

1928

Native Appeal Courts Proclamation, No. 301

1929

Native Divorce Courts Act, No. 9

1932

Natal Code of Native Law Proclamation, No. 168

1936

Representation of Natives Act, No. 12

1944

Magistrates' Courts Act, No. 32

1945

Native Population Consolidation Act, No. 25

1951 Tribal Authorities Act, No. 68 1957

General Law Amendment Act, No. 18

1957

Special Justices of the Peace Act, No. 19

1957

Native Laws Further Amendment Act, No. 79

1959

Supreme Court Act, No. 59

1961 Constitution of the Republic of South Africa Act, No. 32 1961

Urban Bantu Councils Act, No. 79

1964

Bantu Laws Amendment Act, No. 42

1965

Arbitration Act, No. 42

1968

General Law Amendment Act, No. 70

1969

Legal Aid Act, No. 22

1971

National States and Self-governing territories Constitution Act, No. 21

1976

Magistrates' Courts Amendment Act, No. 63

1977

Community Councils Act, No. 125

1978

Second Bantu Laws Amendment Act, No. 102

1980 Laws on Co-operation and Development Second Amendment Act, No. 94

Quellenverzeichnis 1983

Constitution of the Republic of South Africa Act No. 110

1984

Small Claims Courts Act No. 61

1985

Rules Board for Courts of Law Act, No.107

1986

Special Courts for Blacks Abolition Act, No. 34

1988

Law of Evidence Amendment Act, No. 45

1991

Short Process Courts and Mediation in Certain Civil Cases Act, No. 103

1992

General Law Amendment Act, No. 139

1993

Magistrates Act, No. 90

1993

Constitution of the Republic of South Africa Act, No. 200

1994

Human Rights Commission Act, No. 54

1995

Labour Relations Act, No. 66

1996

Justice Laws Rationalisation Act, No. 18

243

1996 Constitution of the Republic of South Africa Act, No. 108 1997

Contingency Fee Act, No. 66

1997

Magistrates' Courts Amendment Act, No. 81

b) Rules of Court 1967

Rules of Court of Chiefs and Headmen in Civil Matters vom 29. 12. 1967 durch GN R2083, in: GG 1930; aktuelle Fassung vom 15. 11. 1991 durch Proclamation RllO, in: GG 13622

1968

Magistrates' Courts Rules of Court vom 21. 6. 1968, durch GN RI 108, in: RG 980; aktuelle Fassung vom 7. 8. 1998 durch GN R1025, in: GG 19136

1985

Rules regulating matters in respect of Small Claims Courts vom 30. 8. 1985 durch GN R1893, in: GG 9909; aktuelle Fassung durch GN R1402 vom 15. 9. 1995, in: GG 16661

1992

Rules of Practice and Procedure for the Short Process Courts vom 31.7. 1992 durch GN R2196, in: GG 14188

1998

Rules of the Constitutional Court vom 29. 5. 1998 durch GN R 757, in: GG 18944

2. Homelands Die angegebenen Gesetze sind im entsprechenden Jahrgang der Government Gazette des jeweiligen Homeland abgedruckt. 1979

Bophuthatswana Traditional Courts Act, No. 29

1982 Transkei Regional Authorities Act, No. 13 1983

Transkei Chiefs' Courts Act, No. 6

1984

Ciskei Traditional Courts Act, No. 37

1984

KwaNdebele Traditional Hearings of Civil and Criminal Cases by Iingwenyama, Amakhosi, Amakhosana and Iinduna Act, No. 3

16*

244

erzeichnis

§ 2 Statistische Quellen A. Deutschland Statistisches Bundesamt (Hrsg.), Länderbericht Südafrika 1994 (Wiesbaden 1995) Statistisches Bundesamt (Hrsg.), Fachserie 10 (Rechtspflege), Reihe 1 (Ausgewählte Zahlen für die Rechtspflege), Berichtsjahr 1997 (Wiesbaden 1999) Statistisches Bundesamt (Hrsg.), Fachserie 10 (Rechtspflege), Reihe 2 (Gerichte und Staatsanwaltschaften), Berichtsjahr 1997 (Wiesbaden 1998) Statistisches Bundesamt (Hrsg.), Fachserie 10 (Rechtspflege), Reihe 2.S. 1 (Gerichte Geschäftsentwicklung), Berichtsjahr 1993 (Wiesbaden 1995) Statistisches Bundesamt (Hrsg.), Fachserie 16 (Löhne und Gehälter), Reihe 5 (Löhne, Gehälter und Arbeitskosten im Ausland), Berichtsjahr 1998 (Wiesbaden 1999) Statistisches Bundesamt (Hrsg.), Datenreport 1999 (Bonn 2000) Statistisches Bundesamt (Hrsg.), Statistisches Jahrbuch für das Ausland 2000 (Wiesbaden

2000) Statistisches Bundesamt (Hrsg.), Statistisches Jahrbuch für die Bundesrepublik Deutschland 2000 (Wiesbaden 2000)

B. Südafrika Burger, Delien / Government Communications and Information System (Hrsg.), South Africa Yearbook 1999 (Pretoria 1999) CCMA (Hrsg.), Annual Report 1998 (Johannesburg 1999) CSS (Hrsg.), RS A Statistics in brief (Pretoria 1997), ders., Statistical Release P0041 (Statistics of Civil Cases for Debt), Berichtsjahr 1997 (Pretoria 1998) Department of Justice (Hrsg.), Report for the period 1 July 1995-30 June 1996, RP 58/1997 (Pretoria 1997), dass., Annual Report 1998/99, RP 52/2000 (Pretoria 2000) Legal Aid Board (Hrsg.), Annual Report of the Legal Aid Board 1995/96 (Pretoria 1996) South African Law Commission (Hrsg.), Annual Report 1999, RP 53/2000 (Pretoria 2000) SSA (Hrsg., seit 1998 Nachfolger des CSS), Census in brief (Pretoria 1998)

arverzeichnis Access-to-Justice-Bewegung 26 f. Administrators of Native Law 102 Allgemeine Gerichtsordnung für die Preußischen Staaten Siehe Corpus Juris Fridericianum Arbeitsgerichtsverfahren 156 f. Artikelprozeß Siehe Positionalverfahren Bagatelledikt (1739), preußisches 50-52 Bagatellgesetz (1839), sächsisches 57 f. Bagatellgrenze 23 f. Bagatellkommissare - Amsterdam 81 f. - Kapstadt 85 f. Bagatellprozeß Verordnung (1833), preußische 59 f. Bagatellsachen 23 f. Bagatellstreitigkeiten 23 f. Bantuvölker, Rechtssystem 96-99 Codex Juris Bavarici Judiciarii (1753) 55 f. Collegie van Landdrost en Heemraden - Instruktion von 1805 91 f. Collegie van Landdrost en Heemraden 86-89 Commissarissen van kleyne saken Siehe Bagatellkommissare Commissarissen van Naturellen 108 f. Commission for Conciliation, Mediation and Arbitration 186 Commissioner 179 f. Community Courts, Verfahren 192 Corpus Juris Fridericianum (1781) 53-55 Courts of Chiefs and Headmen, Verfahren 187-190 Eventualprinzip 35 Friedensgerichte - Preußen 61 f. - Württemberg-Baden 73 f.

Gemeindegerichte - Baden 65 f. - Baden-Württemberg 75 f. - Württemberg 66 f. Gerichtsaufbau - Deutschland 143 f. - Südafrika 168 f. Gerichtsordnung (1520), bayerische 41-43 Güteverfahren 160-162 Hoexter Commission 119 Hof van Holland 79 f. Holländische Untergerichte, Verfahren 80 f. Homelands Siehe TBVC-Staaten Kameralprozeß Siehe Reichskammergericht, Verfahren Kammergerichtsordnung (1516) - brandenburgische 39 f. Labour Relations Act 186 Landdrost en Heemraden - Oranje-Freistaat 103 f. - Transvaal 105 f. Lehre vom gemeinen Prozeß 44 Magistrates' Court - Provisional Sentence Procedure 177 f. - Recovery of Debt-Verfahren 178 f. - Summorts Procedure 172-177 Magistrates 169 f. Mahn verfahren 145 f. Makgotla Siehe People's Courts Mandat (1753), sächsisches 48 f. Mediation 162 f. Natal Code of Native Law 102 Native Commissioners' Courts 115 f. People's Courts 118 Petty Debts Recovery Law 101

246

Sachwortverzeichnis

Positionalverfahren 33 Project des Codici s Fridericiani Marchici (1748) 52 f. Prozeß- und Gerichtsordnung (1622), sächsische 38

Special Justices of the Peace 112 f. Street Committees Siehe People's Courts Streitbeilegung 158 summarisches Verfahren, unbestimmtes 45 f. TBVC-Staaten 116 f.

Raad van Justitie, Verfahren 84 f. Reformbestrebungen - Deutschland 195-199 - Südafrika 199-203 Reichskammergericht, Verfahren 35 f. Resident Magistrates, Verfahren 94 f. Schiedsurteilsverfahren 70 f. Short Process Courts 185 f. Small Claims Court, Verfahren 179-185 South African Law Commission 200 Sozio-ökonomische Grundlagen - Deutschland 141 f. - Südafrika 164-167

Urteil s verfahren 146-153 Verbesserungsvorschläge 214 Vereenigde Oost-Indische Compagnie 83 vereinfachtes Verfahren 153-155 Verfahren „de piano" 33 f. Verfassungsrechtliche Vorgaben für Bagatellverfahren - Deutschland 128-133 - Südafrika 133-140 Zugangsbarrieren in Bagatellsachen 123-126