Seekrieg und Seepolitik zwischen Islam und Abendland: Das Mittelmeer unter byzantinischer und arabischer Hegemonie (650–1040) [Reprint 2015 ed.] 9783110818635, 9783110005318

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Seekrieg und Seepolitik zwischen Islam und Abendland: Das Mittelmeer unter byzantinischer und arabischer Hegemonie (650–1040) [Reprint 2015 ed.]
 9783110818635, 9783110005318

Table of contents :
VORWORT
I. Teil DER NIEDERGANG DER RÖMISCHEN SEEHERRSCHAFT
EINLEITUNG — DAS DROMONEN-REICH
Das Imperium Redivivum Justinians
Sein terrestrischer Zusammenbruch
Sein Überdauern zur See
I. KAPITEL — DER ARABISCHE EINBRUCH INS MITTELMEER (648—710)
Muawiya: Die Geburt der syrischen Flotte (648/649)
Erste Einfälle in Sizilien (652—667)
Die „Schlacht der Masten“ (655)
Der Angriff auf Konstantinopel (664—668)
Offensive in Afrika (665—687)
Verlust der Proconsularis (693—698)
Die Gründung von Tunis (695—700)
Die Expedition des Ata b. Rafi (ca. 703)
Der „Kriegszug der Erlauchten“ (704—710)
II. KAPITEL — DIE BEHAUPTUNG OSTROMS (716—747)
Die zweite Belagerung Konstantinopels (716—718)
Korsarenzüge von Ifriqiya (720—752)
Legende und Charakter der ersten arabischen Seekriegszüge
Legende und Anekdote im romänisch-arabischen Seekrieg
III. KAPITEL — DIE RÜCKKEHR DER DROMONEN (750—800)
Krisenzeit, Reichserneuerung und die romäisdhe Seeherrschaft
Die Rückkehr der Dromonen (seit 726)
Seeraub und Seeverkehr im östlichen Mittelmeer nach dem arabischen Einbruch
IV. KAPITEL — KAIROAN UND KARL DER GROSSE (800—813)
Politische Beziehungen zwischen Aachen und Kairoan (797—801)
Spanische Korsaren und fränkische Wachgeschwader (ca. 800—806)
Die Slaven an der Ägäis und Adria (ca. 600—806)
Venedig und die Adria — Die Sarazenen vor Patras (809)
Neue maurische Offensiven (807—812)
Sizilianisch-fränkische Abwehr (812—813)
Das Tyrrhenische Meer wird Kriegsgebiet (Bl3)
Waffenstillstände (812—813)
Zeitlose Elemente mittelmeerisdier Piraterie
V. KAPITEL — DIE ARABISCHE SEE-EXPANSION VON 826—831
Die korsarische Expansion: Die al-Andalus in Ägypten und Kreta (818—828)
Der Verrat des Euphemios (826—827)
Bruch der Waffenstillstände, Asad al-Forat (827)
Die Landung auf Sizilien (827)
Syrakus: Der Krieg vor der Hauptstadt (827—828)
Enna und Mineo (828)
Bonifaz von Lucca und die Franken in Ifriqiya (828)
Die Eroberung Palermos: Grundstein des muselmanischen Sizilien (829—831)
II. Teil FLOTTENORGANISATION UND SEEKRIEGSFÜHRUNG
VI. KAPITEL — DIE BYZANTINISCHE REICHSFLOTTE
Die kaiserliche Zentralflotte
Die maritimen Themen
Lokale Kommandos
Das kaiserliche Leibgeschwader
Ausrüstung und Organisation
Finanzierung
Die osmanische Parallele
VII. KAPITEL — DIE FLOTTE IM WESTEN
Der Raum: Sizilien
Die Flotte der Themas Sizilien
Ihr Seebereich: Korsika und Sardinien
Die Balearen
Malta und die kleineren Inseln
Venedig
Kephalonia
Die Campaniahäfen: Aufbruch des neapolitanischen Dukats
Ihr Handel und ihre Verfassung: Neapel
Amalfi
Ihr Orienthandel
Ihre Wehrkraft
Der Reiseverkehr zwischen Konstantinopel und dem christlichen Westen
VIII. KAPITEL — DIE ARABISCHEN GEGNER IM WESTEN
Das aghlabitisdie Ifriqiya
Politische und religiöse Grundlagen der aghlabitisdien Offensive: Die Kadis
Der Djihad
Asad al-Forat
Berber, Christen, Araber
Die Wirtschaft des Emirats
Die Flotte der Aghlabiten
Die Häfen
Die Ribats
Rohstoffe zum Flottenbau
Die palermitanische Flotte
Der Flottenbau als aghlabitisches Staatsmonopol
IX. KAPITEL — DIE ARABISCHEN FLOTTEN IM OSTEN
Ägypten
Syrien und Kilikien
Kreta
X. KAPITEL — DIE SCHIFFE
Namen und Traditionen
Chelandien und Dromonen
Mannschaften und Offiziere
Klassische Elemente im mittelalterlichen Galeerenbau
Die italienischen Schiffe
Die sarazenischen Schiffe
XI. KAPITEL — BYZANTINISCHE SEETAKTIK
Geist und Bedeutung der Taktika
Die Flotte auf dem Marsch
Die Flotte im Gefecht
Die Flotte im Belagerungskrieg
III. Teil HÖHEPUNKT DER OFFENSIVEN
XII. KAPITEL — ARABISCHE STURMFLUT (831—870)
Sizilien: Seekrieg an der Nordküste (831—840)
Byzanz und Kordova — ein diplomatisches Zwischenspiel (839)
Sikard von Benevent
Das byzantinisch-fränkische Bündnisprojekt (839—842)
Neapel und die Sarazenen (840—845)
Die Sarazenen vor Rom (846)
Der adriatisch-ionische Seekrieg (etwa 838—842)
Der Aufstieg der Piraten-Kapitäne: Die italienischen Emirate
Der Seekrieg im Norden (842—850)
Die sarazenische Springflut: Zwei Jahrzehnte christlicher Niederlagen (848—868)
XIII. KAPITEL — OMAIYADEN UNO NORMANNEN (844—860)
Wikingereinfälle vom Atlantik
Die Madjus in Andalusien (844)
Entstellung der andalusischen Flotte (844—859)
Neue Heimsuchung Liguriens: Der Fall von Luni (860)
XIV. KAPITEL — HÖHEPUNKT DER OFFENSIVEN. LEVANTE UND ÄGÄIS (842—866)
Ereignisse im Osten: Die Dromonen vorm Nil (842—859)
Die Seeverteidigung von Hellas: Noch einmal die Bury’sche These
Das Kretische Problem
Die Ägäis und die Sarazenen (9. und 10. Jahrhundert)
XV. KAPITEL — IONISCHES MEER, ADRIA UND SIZILIEN (867—878)
Ludwig II. und Italien (850—867)
Zustände in Dalmatien (867)
Niketas Oryphas und das Strafgericht von Korinth (868)
Das Ende des Emirats Bari, wechselnde Kämpfe in Unteritalien (869—871)
Ende des makedonisch-karolingischen Bündnisses (871). Selbstbehauptung Venedigs (871—876)
Syrakus: Verlust der sizilianischen Flottenbasis (878)
XVI. KAPITEL — DIE SCHWANKENDE MITTE: CAMPANIEN IM CHAOS (870—882)
Johann VIII. und die Campaniastädte (876)
Johann und Athanasius von Neapel (876—882)
Piraterie und Landschaft
IV. Teil DIE STABILISIERUNG DER GRENZEN
XVII. KAPITEL — STABILISIERUNG DER GRENZEN: VON KORINTH NACH TAORMINA (875—902)
Die Seeoffensive des Nasaris: Nächtlicher Sieg vor Kephalonia (880)
Die erste Schlacht von Milazzo (880)
Beginn der kalabrischen Restauration (880—885)
Nikephoros Phokas d. Ä. und die Befriedung Kalabriens (885—886); Ausblick bis 895
Die zweite Schlacht von Milazzo (888)
Ibrahim II., der Despot Ifriqiyas (875—900)
Abul Abbas in Sizilien (900—901)
Ibrahims Aufbruch und der Fall Taorminas (902)
Ibrahim vor Cosenza (902)
Stabilisierung der Grenzen
XVIII. KAPITEL — HÖHEPUNKT DES SEEKRIEGS IM OSTEN (CA. 880—912)
Aufstieg der Syrischen Flotten (870—902)
Die Eroberung Thessalonikes (904)
Himerios und die syrischen Flotten (908—912)
Zyperns Neutralität zwischen Islam und Byzanz
Der „Eiserne Vorhang“ im Mittelmeer
XIX. KAPITEL — AUFSTIEG UND WESEN DER FATIMIDISCHEN SEEMACHT (902—916)
Die letzten Aghlabiten (—909)
Der Dai bei den Klein-Kabylen (—909)
Das Ende Ziyadat Allahs (909)
Der sizilianisch-afrikanische Seekrieg (914—917)
Fatimidische und aghlabitische Politik
Anlaß und Bedeutung der Gründung Mehdiyas (916—918)
Wirtschaftliche Grundlagen der fatimidischen Seemacht
Die Organisation der fatimidischen Kriegsflotte in Ägypten
Das Geschwader von Tarsos und die Seeschlacht von Rosetta (919—920)
XX. KAPITEL — AL-NASIR UND DIE FATIMIDEN (917—935)
Die Kalifate im Maghreb (917—931)
Auferstehung der omaiyadischen Flotte (932)
XXI. KAPITEL — DIE FATIMIDEN IN ITALIEN. FESTIGUNG IM OSTEN (918—945)
Zwei Jahrzehnte Waffenruhe (902—924)
Die Räuber von Fraxinetum und am Garigliano (—903)
Die Garigliano-Allianz Johanns X. (915)
Die Flotte im Bulgarenkrieg und das kalabrische Problem (913—924)
Die bulgarisch-arabischen Bündnisprojekte und Konstantinopel (ca. 923)
Der Fall von Oria (925)
Die Seezüge Sabirs des Slaven (926—929)
Die Slaven im Mittelmeer
Venedig und die Narentaner (—948)
Festigung im Osten. Genuas Auftritt (—935)
Sizilianische Sezession (937—941)
Byzanz, Burgund und Fraxinetum (—944)
XXII. KAPITEL — AL-HASAN DER KELBITE (946—953)
Die Erhebung des Abu Yazid in Ifriqiya (934—946)
Wandlungen auf Sizilien (947—950)
Al-Hasan in Kalabrien (951)
Die Moschee zu Reggio — Begründung der kelbitischen Dynastie (952—953)
XXIII. KAPITEL — DER DREI-MÄCHTE-SEEKRIEG (956—964)
Romäische See-Offensiven im Osten (949—956)
Die Omaiyaden im Maghreb (—955)
Der spanisch-fatimidische Seekrieg (955—956)
Die west-östliche Allianz. Marianos Argyros in Unteritalien (955—956)
al-Mu’izz in der Defensive (956—958)
Maritime Meteorologie
V. Teil BYZANTINISCHE EPILOGE
XXIV. KAPITEL — SIZILIANISCHE TRAGÖDIE; ENDE DES THEMAS SIZILIEN
Byzantinische Offensiven: Kreta und Kilikien (959—961)
Ende des sizilianischen Gleichgewichts. Der zweite Fall Taorminas (962)
Seeherrschaft und Küstenforts
Rametta (963—964)
Ein byzantinisches Ronceval. Die Schlacht vor Rametta (964)
Die „Schlacht der Vernichtung“ in der Meerenge von Messina (964)
Die Araber und das Meer
XXV. KAPITEL — AUFSTIEG DER DIADOCHEN (965—1016)
Byzantinische See-Verteidigung in Unteritalien (965—969)
Otto der Große und Nikephoros Phokas (967—968)
Die romäische Restauration im Orient (967—975)
Machtverschiebungen im Maghreb (958—972)
Die Lage Siziliens. Abul Kasim in Lukanien (970—977)
Die Kaiserschlacht von Squillace (982)
Ziriden und Hammadiden
Noch einmal: Omaiyaden und Normannen (966—997)
Ende der Sarazenen von Fraxinetum (968—973)
Venedig (um 1000)
Kelbitische Raubzüge in Unteritalien (986—1003)
Geburt der pisanischen Seemacht (—1005)
Das Taifa-Seereich Mudjahids. Die Araber auf Sardinien (1014—1016)
Pisa und Mudjahid. Der Anbruch der Insel-Kreuzzüge (1016)
XXVI. KAPITEL — BYZANTINISCHE EPILOGE (1025—1042)
Basileios II. und die Ziriden (1025-1030)
Der ziridische Seekrieg im Ionisch-Ägäischen Meer (1032—1035)
Die Lage im Osten (Nach 975)
Ein byzantinisch-kelbitisches Bündnis. Sizilien ziridisch (1037—1038)
Maniakes in Syrakus. Verlust Siziliens (1038—1042)
XXVII. KAPITEL — KONSTANTINOPEL, ROM UND KAIROAN: EIN RÜCKBLICK
Die klassische Parallele
Das mittelalterliche Ergebnis
Die Insel Kreta und das östliche Mittelmeer
Die Inselkreuzzüge
QUELLENVERZEICHNIS
LITERATURVERZEICHNIS
HERRSCHERFOLGEN
REGISTER

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EICKHOFF

· SEEKRIEG

UND

SEEPOLITIK

EKKEHARD

EICKHOFF

SEEKRIEG U N D SEEPOLITIK ZWISCHEN

ISLAM U N D A B E N D L A N D Das Mittelmeer unter byzantinischer und arabischer Hegemonie

(650-1040)

1966

WALTER DE GRUYTER & CO. / BERLIN vormals G. J. Gösdien'sdie Verlagshandlung · J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung Georg Reimer · Karl J. Trübner · Veit & Comp.

Wesentliche Teile des Buches wurden unter dem Titel „Seekrieg und Seepolitik zwischen Islam und Abendland bis zum Aufstiege Pisas und Genuas (650—1040) e in den Schriften der Universität des Saarlandes, Saarbrücken 1955, veröffentlicht. Die Skizze der byzantinischen Dromone und die Mittelmeerkarte sind von Rudolf Eickhoff gezeichnet.

©

1966 b y W a l t e r d e G r u y t e r & C o . , v o r m a l s G . J . Göschen'sche V e r l a g s h a n d l u n g

· J . G u t t e n t a g , Verlags-

b u c h h a n d l u n g · G e o r g R e i m e r · K a r l J . T r ü b n e r · Veit & C o m p . , 1 Berlin 30 ( P r i n t e d in G e r m a n y ) Alle Rechte, i n s b e s o n d e r e das d e r Ü b e r s e t z u n g in f r e m d e Sprachen, v o r b e h a l t e n . O h n e ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es auch nicht gestattet, dieses Buch oder Teile d a r a u s auf p h o t o m e d i a n i s c h e m ( P h o t o k o p i e , M i k r o k o p i e ) zu v e r v i e l f ä l t i g e n . A r c h i v - N r . 4777661 S a t z u n d D r u c k : T h o r m a n n & Goetsch, 1 Berlin 44

Wege

INHALTSVERZEICHNIS Seite

VORWORT

L

I. Teil D E R N I E D E R G A N G DER RÖMISCHEN S E E H E R R S C H A F T

7

EINLEITUNG — DAS DROMONEN-REICH

9

Das Imperium Redivivum Justinians Sein terrestrischer Zusammenbruch Sein Überdauern zur See I . K A P I T E L — D E R ARABISCHE E I N B R U C H INS M I T T E L M E E R ( 6 4 8 — 7 1 0 )

Muawiya: Die Geburt der syrischen Flotte (648/649) Erste Einfalle in Sizilien (652—667) Die „Schlacht der Masten" (655) Der Angriff auf Konstantinopel (664—668) Offensive in Afrika (665—687) Verlust der Proconsularis (693—698) Die Gründung von Tunis (695—700) Die Expedition des Ata b. Rafi (ca. 703) Der „Kriegszug der Erlauchten" (704—710) I I . KAPITEL — D I E BEHAUPTUNG OSTROMS ( 7 1 6 — 7 4 7 )

Die zweite Belagerung Konstantinopels (716—718) Korsarenzüge von Ifriqiya (720—752) Legende und Charakter der ersten arabischen Seekriegszüge Legende und Anekdote im romäisch-arabischen Seekrieg I I I . K A P I T E L — D I E R Ü C K K E H R DER D R O M O N E N ( 7 5 0 — 8 0 0 }

Krisenzeit, Reidiserneuerung und die romäische Seeherrschaft Die Rückkehr der Dromonen (seit 726) Seeraub und Seeverkehr im östlichen Mittelmeer nach dem arabischen Einbruch I V . K A P I T E L — K A I R O A N UND K A R L DER G R O S S E ( 8 0 0 — 8 1 3 )

Politische Beziehungen zwischen Aachen und Kairoan (797—801) Spanische Korsaren und fränkische Wachgeschwader (ca. 800—806) Die Slaven an der Ägäis und Adria (ca. 600—806) Venedig und die Adria — Die Sarazenen vor Patras (809) Neue maurische Offensiven (807—812) Sizilianisch-fränkisdie Abwehr (812—813)

9 10 11 14

14 16 18 21 23 24 27 28 29 31

31 36 39 39 42

42 44 48 51

51 52 53 54 56 56

Inhaltsverzeichnis

VI

Seite

Das Tyrrhenisdie Meer wird Kriegsgebiet (813) Waffenstillstände (812—813) Zeitlose Elemente mittelmeerischer Piraterie V . K A P I T E L — D I E ARABISCHE S E E - E X P A N S I O N V O N 8 2 6 — 8 3 1

Die korsarisdie Expansion: Die al-Andalus in Ägypten und Kreta (818—828) . . Der Verrat des Euphemios (826—827) Bruch der Waffenstillstände, Asad al-Forat (827) Die L a n d u n g auf Sizilien (827) Syrakus: Der Krieg vor der H a u p t s t a d t (827—828) E n n a und Mineo (828) Bonifaz von Lucca u n d die Franken in I f r i q i y a (828) Die Eroberung Palermos: Grundstein des muselmanisdien Sizilien (829—831)

57 59 60 65

65 68 69 70 71 73 74 75

II. Teil FLOTTENORGANISATION U N D SEEKRIEGSFÜHRUNG

V I . KAPITEL —

D I E BYZANTINISCHE REICHSFLOTTE

Die kaiserliche Zentralflotte Die maritimen Themen Lokale Kommandos Das kaiserliche Leibgeschwader Ausrüstung und Organisation Finanzierung Die osmanische Parallele V I I . K A P I T E L — D I E FLOTTE IM W E S T E N

D e r R a u m : Sizilien Die Flotte der Themas Sizilien Ihr Seebereidi: Korsika und Sardinien Die Balearen M a l t a und die kleineren Inseln Venedig Kephalonia Die C a m p a n i a h ä f e n : Aufbruch des neapolitanischen D u k a t s Ihr H a n d e l und ihre Verfassung: Neapel Amalfi Ihr Orienthandel Ihre Wehrkraft D e r Reiseverkehr zwischen Konstantinopel u n d dem christlichen Westen V I I I . KAPITEL —

D I E ARABISCHEN GEGNER IM W E S T E N

D a s aghlabitisdie I f r i q i y a Politisthe und religiöse Grundlagen der aghlabitischen Offensive: Die Kadis . . .

79

81

81 82 85 86 87 88 93 96

96 98 99 102 102 103 104 106 107 108 109 111 112 114

114 115

Inhaltsverzeichnis

VII Seite

Der Djihad Asad al-Forat Berber, Christen, Araber Die Wirtschaft des Emirats Die Flotte der Aghlabiten Die Häfen Die Ribats Rohstoffe zum Flottenbau Die palermitanische Flotte Der Flottenbau als aghlabitisches Staatsmonopol I X . K A P I T E L — D I E ARABISCHEN F L O T T E N IM O S T E N

Ägypten Syrien und Kilikien Kreta

129

129 130 132

X . K A P I T E L — D I E SCHIFFE

135

Namen und Traditionen Chelandien und Dromonen Mannschaften und Offiziere Klassische Elemente im mittelalterlichen Galeerenbau Die italienischen Schiffe Die sarazenischen Schiffe X I . KAPITEL —

116 117 117 119 119 120 122 124 125 127

BYZANTINISCHE SEETAKTIK

Geist und Bedeutung der Taktika Die Flotte auf dem Marsch Die Flotte im Gefecht Die Flotte im Belagerungskrieg

135 136 148 149 151 151 158

158 159 162 168

III. Teil H Ö H E P U N K T DER OFFENSIVEN X I I . K A P I T E L — ARABISCHE STURMFLUT ( 8 3 1 — 8 7 0 )

Sizilien: Seekrieg an der Nordküste (831—840) Byzanz und Kordova — ein diplomatisches Zwischenspiel (839) Sikard von Benevent Das byzantinisch-fränkische Bündnisprojekt (839—842) Neapel und die Sarazenen (840—845) Die Sarazenen vor Rom (846) Der adriatisch-ionisdie Seekrieg (etwa 838—842) Der Aufstieg der Piraten-Kapitäne: Die italienischen Emirate Der Seekrieg im Norden (842—850) Die sarazenische Springflut: Zwei Jahrzehnte christlicher Niederlagen (848—868)

171 173

173 175 176 178 180 182 183 185 187 188

Inhaltsverzeichnis

Vili

Seite X I I I . KAPITEL —

OMAIYADEN UNO NORMANNEN ( 8 4 4 — 8 6 0 )

Wikingereinfälle vom Atlantik Die Madjus in Andalusien (844) Entstellung der andalusisdhen Flotte (844—859) Neue Heimsuchung Liguriens: Der Fall von Luni (860) X I V . KAPITEL —

HÖHEPUNKT ÄGÄIS

DER OFFENSIVEN.

LEVANTE

UND

(842—866)

201

Ereignisse im Osten: Die Dromonen vorm Nil (842—859) Die Seeverteidigung von Hellas: Noch einmal die Bury'sche These Das Kretische Problem Die Ägäis und die Sarazenen (9. und 10. Jahrhundert) XV.

KAPITEL —

IONISCHES M E E R , A D R I A U N D SIZILIEN ( 8 6 7 — 8 7 8 )

Ludwig II. und Italien (850—867) Zustände in Dalmatien (867) Niketas Oryphas und das Strafgericht von Korinth (868) Das Ende des Emirats Bari, wechselnde Kämpfe in Unteritalien (869—871) . . . . Ende des makedonisch-karolingischen Bündnisses (871). Selbstbehauptung Venedigs (871—876) Syrakus: Verlust der sizilianisdien Flottenbasis (878) X V I . KAPITEL —

D I E SCHWANKENDE M I T T E : CAMPANIEN CHAOS

195

195 196 197 199

201 204 205 206 211

211 212 213 215 218 220

IM

(870—882)

225

Johann VIII. und die Campaniastädte (876) Johann und Athanasius von Neapel (876—882) Piraterie und Landschaft

225 228 232

IV. Teil D I E STABILISIERUNG DER G R E N Z E N

X V I I . KAPITEL —

233

S T A B I L I S I E R U N G DER G R E N Z E N : V O N NACH

TAORMINA

KORINTH

(875—902)

Die Seeoffensive des Nasaris: Nächtlicher Sieg vor Kephalonia (880) Die erste Schlacht von Milazzo (880) Beginn der kalabrischen Restauration (880—885) Nikephoros Phokas d. Ä. und die Befriedung Kalabriens (885—886); Ausblick bis 895 Die zweite Schlacht von Milazzo (888) Ibrahim II., der Despot Ifriqiyas (875—900) Abul Abbas in Sizilien (900—901) Ibrahims Aufbruch und der Fall Taorminas (902) Ibrahim vor Cosenza (902) Stabilisierung der Grenzen

235

235 237 238 240 243 244 245 247 249 251

Inhaltsverzeichnis

IX Seite

X V I I I . K A P I T E L — H Ö H E P U N K T DES SEEKRIEGS IM O S T E N (CA. 8 8 0 — 9 1 2 )

Aufstieg der Syrischen Flotten (870—902) Die Eroberung Thessalonikes (904) Himerios und die syrischen Flotten (908—912) Zyperns Neutralität zwischen Islam und Byzanz Der „Eiserne Vorhang" im Mittelmeer

X I X . KAPITEL —

A U F S T I E G U N D W E S E N DER FATIMIDISCHEN SEEMACHT ( 9 0 2 — 9 1 6 )

Die letzten Aghlabiten (—909) Der Dai bei den Klein-Kabylen (—909) Das Ende Ziyadat Allahs (909) Der sizilianisch-afrikanische Seekrieg (914—917) Fatimidisdie und aghlabitische Politik Anlaß und Bedeutung der Gründung Mehdiyas (916—918) Wirtschaftliche Grundlagen der fatimidischen Seemacht Die Organisation der fatimidischen Kriegsflotte in Ägypten Das Geschwader von Tarsos und die Seeschlacht von Rosetta (919—920)

X X . KAPITEL —

255

255 258 259 261 265

A L - N A S I R U N D DIE F A T I M I D E N ( 9 1 7 — 9 3 5 )

Die Kalifate im Maghreb (917—931) Auferstehung der omaiyadischen Flotte (932)

272

272 273 273 274 277 278 280 284 289

290

290 292

X X I . K A P I T E L — D I E F A T I M I D E N IN I T A L I E N . F E S T I G U N G IM O S T E N (918—945)

Zwei Jahrzehnte Waffenruhe (902—924) Die Räuber von Fraxinetum und am Garigliano (—903) Die Garigliano-Allianz Johanns X. (915) Die Flotte im Bulgarenkrieg und das kalabrische Problem (913—924) Die bulgarisch-arabischen Bündnisprojekte und Konstantinopel (ca. 923) Der Fall von Oria (925) Die Seezüge Sabirs des Slaven (926—929) Die Slaven im Mittelmeer Venedig und die Narentaner (—948) Festigung im Osten. Genuas Auftritt (—935) Sizilianische Sezession (937—941) Byzanz, Burgund und Fraxinetum (—944)

XXII.

KAPITEL —

A L - H A S A N DER KELBITE ( 9 4 6 — 9 5 3 )

Die Erhebung des Abu Yazid in Ifriqiya (934—946) Wandlungen auf Sizilien (947—950) Al-Hasan in Kalabrien (951) Die Moschee zu Reggio — Begründung der kelbitisdien Dynastie (952—953) . . .

296

296 297 298 300 303 304 306 308 309 310 313 315

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319 320 321 322

InhaltsverzeiAnis

Χ

Seite XXIII.

KAPITEL —

D E R DREI-MÄCHTE-SEEKRIEG ( 9 5 6 — 9 6 4 )

Romäische See-Offensiven im Osten (949—956) Die Omaiyaden im Maghreb (—955) Der spanisch-fatimidische Seekrieg (955—956) Die west-östliche Allianz. Marianos Argyros in Unteritalien (955—956) al-Mu'izz in der Defensive (956—958) Maritime Meteorologie

325

325 326 327 328 332 335

V. Teil BYZANTINISCHE EPILOGE

X X I V . KAPITEL —

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SIZILIANISCHE TRAGÖDIE; E N D E

DES

T H E M A S SIZILIEN

341

Byzantinische Offensiven: Kreta und Kilikien (959—961) Ende des sizilianischen Gleichgewichts. Der zweite Fall Taorminas (962) Seeherrschaft und Küstenforts Rametta (963—964) Ein byzantinisches Ronceval. Die Schlad« vor Rametta (964) Die „Schlacht der Vernichtung" in der Meerenge von Messina (964) Die Araber und das Meer X X V .

KAPITEL —

A U F S T I E G DER D I A D O C H E N

(965—1016)

Byzantinische See-Verteidigung in Unteritalien (965—969) Otto der Große und Nikephoros Phokas (967—968) Die romäische Restauration im Orient (967—975) Machtverschiebungen im Maghreb (958—972) Die Lage Siziliens. Abul Kasim in Lukanien (970—977) Die Kaiserschlacht von Squillace (982) Ziriden und Hammadiden Noch einmal: Omaiyaden und Normannen (966—997) Ende der Sarazenen von Fraxinetum (968—973) Venedig (um 1000) Kelbitische Raubzüge in Unteritalien (986—1003) Geburt der pisanischen Seemacht (—1005) Das Taifa-Seereich Mudjahids. Die Araber auf Sardinien (1014—1016) Pisa und Mudjahid. Der Anbrudi der Insel-Kreuzzüge (1016)

XXVI.

KAPITEL —

BYZANTINISCHE EPILOGE ( 1 0 2 5 — 1 0 4 2 )

Basileios II. und die Ziriden (1025—1030) Der ziridisdie Seekrieg im Ionisdi-Ägäischen Meer (1032—1035) Die Lage im Osten (Nach 975) Ein byzantinisch-kelbitisches Bündnis. Sizilien ziridisch (1037—1038) Maniakes in Syrakus. Verlust Siziliens (1038—1042)

341 343 344 345 347 349 351 357

357 358 359 362 363 365 367 368 370 370 372 374 376 378

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381 384 385 386 387

I

nhaltsverzeichnis

XI Seite

X X V I I . KAPITEL — KONSTANTINOPEL, ROM UND KAIROAN: E I N RÜCKBLICK D i e klassische Parallele Das

mittelalterlidie

Ergebnis

393 393 396

D i e Insel K r e t a und das östliche Mittelmeer

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D i e Inselkreuzzüge

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QUELLENVERZEICHNIS

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LITERATURVERZEICHNIS

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HERRSCHERFOLGEN

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REGISTER

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0

Vorwort In dieser Studie soll die maritime Geschichte des Mittelmeerraums in den dunklen Jahrhunderten nach dem Einbruch arabischer Flotten in die mediterrane Pax Romana des frühbyzantinischen Zeitalters dargestellt werden, in jener Zeit, während derer die maritime Ohnmacht des lateinischen Westens Ostrom und seine Satelliten zu den fast einzigen Verteidigern christlicher Küsten gegen die sarazenischen Kriegsschiffe machte. So steht die oströmische Flotte im Mittelpunkt unserer Schilderung, die sich indes auf die Geschichte aller in diesem Räume auftretender Seemächte erstreckt. Die wediselvollen Auseinandersetzungen dieser vierhundert Jahre nach der Mitte des siebenten Jahrhunderts sind uns nur zugänglich in der terrestrischen Sicht christlicher und arabischer Hofhistoriker und klösterlicher Chronisten des Inlands, oft zeitlich und räumlich weit von den Ereignissen entfernt. So stellt sich die Frage: Steht hinter der Masse weit verstreuter byzantinischer, arabischer und lateinischer Notizen über Pirateneinfälle und einzelne Seegefechte eine faßbare Entwicklung? Werden wir uns darauf beschränken müssen, die aufprallenden Wellenringe an den Ufern des Mittelmeeres zu registrieren, ohne aussagen zu können, was sich in der Mitte des großen Beckens tatsächlich ereignete? Werden wir diese zerstörerischen Phänomene nur feststellen, ohne über ihre Bedeutung und Ursache aussagen zu können? Die historische Darstellung der Epoche unternehmen, heißt, diese Frage wenigstens teilweise bejahen. Beantworten wir sie deshalb mit dem Ergebnis unserer Untersuchung. Die vier Jahrhunderte von 650 bis 1050 sind erfüllt vom Ringen der byzantinischen Seestreitkräfte der Hauptstadt und der Provinzen mit dem arabischen Islam in Nahost und Nordafrika, flankiert von deren kretischen, italienischen und spanischen Verbündeten. Im Schatten dieses erschöpfenden Kampfes beginnt fast unbemerkt der Aufstieg der christlichen nordmittelmeerischen Mächte, denen die Zukunft gehört. Normannen und Slaven beleben die Nebenschauplätze. Dieses epische Geschehen vollzieht sich in einer Reihe von Sätzen, die sich durch bestimmende Handlungen und Gestalten klar voneinander abgrenzen. Das Jahrhundert der großen islamischen Expansion bringt den ersten Einbruch der Araber ins Mare Romanum, ihren Siegeslauf um das gesamte südliche Becken zu Lande, ihr Scheitern zur See. Noch sind die Byzantiner als Seeleute und Schiffbauer weit überlegen, ist das soeben erfundene griechische 1

Eickhoff, Seekrieg

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Vorwort

Feuer eine unwiderstehliche Waffe, das den Eingang zum heiligen Rom wie das Flammenschwert des Cherub bewacht. Das Vorposten-Geschwader des Okzidents, die Flotte des Themas Sizilien (das vierte nach den bekannten drei maritimen Themen im Osten des Reichs) sichert die Tyrrhenis und das Ligurische Meer. Erst die Jahre 800 bis 870 sehen die zweite Offensive der Moslems, eine schwungvolle Expansion, die den gesamten Mittelmeerraum umfaßt. Wohlgeordnete Staatsflotten und abenteuernde Piratenbünde treiben die erbitterte Auseinandersetzung um die Ägäis, den maritimen Herzraum des Romäischen Reiches, in seinem südlichen Vorfeld und um Sizilien, das Zentrum des maritimen Westens, zu ihrem Höhepunkt. Nach den Entscheidungsjahren 826 bis 831, während derer die Araber auf Sizilien und Kreta dauerhaft Fuß fassen und in den Besitz des griechischen Feuers gelangen, stehen sich die beiden Gegner gleichwertig gegenüber. Auf sieghafte arabische Schläge um die Mitte des Jahrhunderts folgt in den Jahrzehnten nach 870 die christliche Gegenoffensive im Westen. Aus dem Wechselspiel zwischen dieser und dem zu neuer Kampfkraft regenerierten fatimidischen Afrika bilden sich dort endlich beständige Grenzen. Eine Zone halb toten, halb unruhig quirlenden Wassers scheidet die beiden gegeneinander drängenden Strömungen. Gleichzeitig sind im östlichen Mittelmeer die byzantinischen Versuche zur Rückeroberung Kretas, der Piraten-Bastion im Zentrum der Zufahrtswege nach Konstantinopel, gescheitert. Vernichtungsschläge der Dromonen gegen die feindlichen Flottenbasen im Nildelta bringen keine Entscheidung. Die unter bedeutenden Führern, Yazaman und Damian von Tarsos und Leon von Tripolis, zu bedrohlicher Macht aufgestiegenen Korsarenflotten von Kilikien und Syrien und ihre ägyptischen Hilfsgeschwader brechen in einer Serie furchtbarer Offensiven tief in die Ägäis ein. Auf diese Herausforderung hin baut Byzanz unter Leon V I . dem Weisen eine größere, kampfstarke Flotte aus; die erste Hälfte des 10. Jahrhunderts wird damit zum zweiten Höhepunkt erbitterter Seekriegszüge und Gegenschläge im Osten. In der genauen Mitte des 10. Jahrhunderts finden wir noch einmal alle Flotten in voller Entfaltung, entbrennt jener Drei-Mächte-Seekrieg westmediterraner Flottenkräfte (unseres Wissen hier zum ersten Mal dargestellt), dessen Ausgang mit dem tragischen zweiten Fall Taorminas und Ramettas und der „Schlacht der Vernichtung" 964 besiegelt wird. Wiederum gleichzeitig mit der Entscheidung im Westen fällt die im Osten: Zwischen 961 und 965 werden Kreta und Kilikien von den Romäern zurückerobert und Zypern besetzt. Ostrom hat eine weitere bedeutungsvolle Wendung zum Orient hin vollzogen. Die griechische Vorherrschaft im Ionischen Meer, in der Ägäis und der Levante ist wiederhergestellt, während Byzanz als Seemacht im Westen abgedankt hat. Hier scheiden die beiden großen

Vorwort

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Gegner erschöpft vom Schlachtfeld. Die makedonische Dynastie wendet die gewachsenen Kraftreserven des Reichs gegen Bulgarien, Aleppo und Baghdad. Die Fatimiden wandern nach Ägypten ab und überlassen ihr nordafrikanisches Erbe verfeindeten Diadochen. Indessen hat Venedig seine Herrschaft über die Adria ausgebaut, Pisa und Genua betreten die Szene. Von Byzanz aus gesehen, wird die Entwicklung nach der zweiten arabischen Expansion von 827 damit zur Geschichte einer tragischen Defensive im Westen und einer trotz lebensgefährlicher Tiefpunkte zuletzt triumphalen Behauptung im Osten. Der schrittweise Rückzug vom italienischen Raum — bis 1042 nodi von immer erneuten Gegenstößen der Dromonen-Geschwader aufgehalten — verrät dabei Züge erstaunlicher Kraft und Beständigkeit. Vergessen wir nicht, daß die einstige Herrschaft der griechischen Flotten im Mittelmeer aus einer Zeit herrührte, als alle mediterranen Küsten (mit Ausnahme einer Strecke von Valencia etwa bis Nizza) in romäischer Hand waren, und daß Byzanz nach dem schnellen Zusammenbruch dieses Imperiums die Stellung der ersten und größten mittelmeerischen Seemacht noch behauptete, als seit schon drei Jahrhunderten nur mehr ägäische, ionische und eine Strecke levantinischer und adriatischer Küsten die Basis ihrer Kriegsflotten bildeten. Mit westlichen Augen gesehen, sehen wir hier den Aufstieg der lateinischen Seemächte im Schatten des schrumpfenden Universalreichs, das Ablösen seefahrender italienischer Satelliten, das Aufblühen der Hafenstädte im Norden unter den — parierten und unparierten — Schlägen der Sarazenen. Das Zeitalter der griechischen Epiloge im Westen wird zur Morgendämmerung einer glanzvollen lateinischen See-Expansion, der „Insel-Kreuzzüge", schließlich der Kreuzzüge selbst und des ägäischen und levantinischen Fernhandels. Ein völliger Wechsel der bestimmenden Kräfte im Westen wandelt das Vorfeld der kommenden Offensiven. Der christliche Norden übernimmt den Djihad-Gedanken der fanatisierten Berber und See-Nomaden. In einer Serie glänzender Erfolge stoßen die italienischen Seestädte die Pforte zu ihrem künftigen Betätigungsfelde auf. 1 0 0 0 — 1 0 0 3 kämpft Venedig siegreich in Dalmatien und vor Benevent, 1005 Pisa vor Reggio. Die Kraft Ifriqiyas erlischt. Unter Ziriden, Kelbiten und Hammadiden zerfällt die fatimidische Einheit. Der alte Reichtum des blühenden Landes wird unter den furchtbaren Einfällen der Beni Hilal und der Beni Soleim vom Erdboden gefegt, wovon es sich bis heute noch nicht völlig erholt hat. Die inneren Spannungen zwischen Berbern und Arabern, Sizilien und Ifriqiya, anstatt sich nach außen abzureagieren wie bisher, zersetzen die Widerstandskraft Siziliens und des Maghreb. Die Byzantiner haben Kreta und Zypern zurückgewonnen, die Normannen werden Sizilien und Malta erobern. Der Seeweg der Kreuzzüge nach der Levante ist frei. I1

4

Vorwort

Die Waffe dieser Auseinandersetzungen spielt bei alledem eine eigene Rolle: Das Schiff, jahrtausendelang des Menschen kunstvollstes Werkzeug, wächst und wandelt sich mit den Anforderungen der Kämpfe und Fahrten. Die aus der Bireme des klassischen Altertums entwickelte Dromone behauptet jahrhundertelang das Feld und wird von den Arabern in ihren schwerfälligeren Kumbarien kopiert. Der Gipfel der byzantinisch-arabischen Offensiven im Osten, die gegen das Jahr 900 einsetzen, bringt die noch schwerere und kampfstärkere Groß-Dromone mit ihren 250 bis 300 Mann Besatzung hervor. Schließlich verdrängen im Westen, bald auch in der Levante, die neuen, schnellen breit-polyeren Galeerentypen Italiens die Hoch-Polyeren des hellenistisch-orientalischen Universalreichs. So zeichnen sich, trotz vieler ungeklärter Probleme und retardierender Zwischenspiele, allenthalben erfaßbare Linien ab, die die Ereignisse und Gestalten dieser vier Jahrhunderte Seepolitik verbinden. Zur Thematik noch folgendes. Die Frage, ob die verwirrende Vielfalt der Quellenzeugnisse eine sinnvoll zusammenhängende Darstellung der Seekriegs· und Machtgeschichte des Mittelmeers in diesen dunklen Jahrhunderten ermöglicht, wurde bejaht. Dagegen wurde die Handels- und Wirtschaftsgeschichte mit bewußter Zurückhaltung behandelt, da Quellenlage und Vorarbeiten eine genauere, überzeugende Darstellung nicht gestatten. Pirennes Buch „Mahomet et Charlemagne" und die folgende Diskussion seiner Thesen haben hinreichend gezeigt, wie sehr hier das Ermittelte vom Vermuteten überwuchert wird, welch widersprüchliche Schlüsse die spärlichen Quellen erlauben und wieviele Vorarbeit noch zu leisten ist. — Indessen bin ich bei der Rekonstruktion des vorherrschenden Kriegsschifftyps im mediterranen Mittelalter, der romäischen Dromone, weit ins Detail gegangen. Technische Notwendigkeit und die konservativen Tendenzen des Galeerenbaus von der griechischen Klassik bis zur Schwelle des 19. Jahrhunderts gestatten eine recht genaue Synthese aus den spärlichen und weit auseinanderliegenden Hinweisen unserer Quellen. Ich hoffe, daß die eben in Entstehung begriffene submarine Archäologie meine Rekonstruktionen ergänzen und bestätigen wird. Gegenüber der ersten, Saarbrücker Fassung dieser Arbeit von 1954, die sich unter dem Titel „Seekrieg und Seepolitik zwischen Islam und Abendland bis zum Aufstiege Pisas und Genuas" auf den westlichen Mittelmeerraum konzentrierte, wurde die Darstellung nun auf das ganze Mittelmeer ausgedehnt. Dies machte eine beträchtliche Erweiterung des Umfangs notwendig. Außerdem wurde der Text in allen Teilen ergänzt und umgestaltet und die neuen Ergebnisse der historischen Forschung miteinbezogen. Es war unvermeidlich, daß diese räumlich und zeitlich weitgespannte Thematik es nicht immer gestattete, dort, wo der Gegenstand Seefahrt und

Vorwort

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Seepolitik nur mittelbar berührte, aus den Primärquellen zu schöpfen. Bewährte und gründliche Untersuchungen wie das klassische Werk Amaris über die Muselmanen in Sizilien oder Vasilievs, Gregoires und Canards über Byzanz und die Araber in der Zeit der amorischen und makedonischen Dynastien wurden vielfach herangezogen. Die arabischen und syrischen Quellen konnte idi nur in Ubersetzungen benutzen. Unter den technischen Studien und Vorarbeiten zur mediterranen Galeerenschiffahrt waren die von A. J a l aus dem vorigen Jahrhundert und neuerdings die von R. H . Dolley, zur maritimen Verwaltung die von Madame Glykatzki-Ahrweiler und A l y Mohamed Fahmy von größtem Wert. 1 — Beim Zitieren der wichtigen Primärquellen legte idi Wert darauf, nicht nur die letzten, sondern audi leicht zugängliche Ausgaben nachzuweisen. Für R a t und Förderung in allen Phasen der Entstehung dieses Buches möchte ich auch an dieser Stelle meinen Dank sagen den Gelehrten: Eugen Meyer, Saarbrücken, Franz Dölger, München, Henri Grégoire, Brüssel, Jacques Moreau f , A. A. Vasiliev f , R· H. Dolley, London, Marius Canard, Paris, und Josef Deér, Bern. Die selbstlose Mitarbeit meines Vaters, Rudolf Eickhoff in Braunschweig w a r bei der Beschaffung und Auswertung der Quellen, der Textbereinigung der Neufassung und der zeichnerischen Rekonstruktion der byzantinischen Dromone von größtem Wert. Die von ihm geschaffenen Ubersichtskarten werden — nicht zuletzt wegen der vielfach eingetretenen Namenswechsel der hier genannten Ortschaften — dem Leser nützlich sein.

1 K u r z vor Absdiluß der ersten, Saarbrücken Fassung dieser Arbeit kam mir die schöne Studie von A. R. Lewis, Naval Power and Trade in the Mediterranean A . D . 5 0 0 — 1 1 0 0 , Princeton (1951), zur Kenntnis. Sie hat auf meine Arbeit keinen bestimmenden Einfluß mehr gehabt. Die Ergebnisse unserer Untersuchung zeigen indes einen erfreulichen Grad von Ubereinstimmung und bestätigen, daß auf politisch-kriegsgeschichtlicher Seite nicht Vermutungen, sondern gesicherte Fakten vermittelt werden. Daß auch Lewis im letzten Teil seines Buches einen Vergleich des byzantinisch-arabischen Ringens mit dem ersten Punischen Kriege anstellt, hat mich auch bei der Neubearbeitung nicht veranlassen können, auf diese eindrucksvolle Parallele zu verzichten. Sie drängt sich auf.

Erster Teil Der Niedergang der Römischen Seeherrschaft

Einleitung Das Dromonen-Reich Das Imperium Redivivum

Justinians

Das Lebenswerk des großen Justinian, die Erneuerung der pax R o m a n a im alten Bereich des Imperiums, hinterließ beim Tode des achtzigjährigen Monarchen seinen Nachfolgern ein von den Flotten des Reiches befriedetes und beherrschtes Mittelländisches Meer. Ein kurzer Blick auf die Schicksale dieser Herrschaft von 565 bis zu dem Zeitpunkt, an dem die Welle der arabischen Eroberung in Ägypten und Syrien die Küste erreichte, verdeutlicht vielleicht klarer als der auf jede andere der vor uns liegenden Epochen die Selbständigkeit maritimer Kriegsführung und Politik, die zeitweise erstaunliche Unabhängigkeit der Seekriegslage von den Machtverhältnissen des Festlandes. Sicherlich spürte man überall schon vor dem Tode Justinians die innere Schwäche seines Werks. Die Reserven des Staates waren in unerhört weit gespannten, nicht enden wollenden Eroberungszügen erschöpft. Eine Serie von Revolten, Intrigen und Treulosigkeiten in seiner unmittelbaren Umgebung verdunkelte die letzten J a h r e des Kaisers. Steuergedrückte Provinzen zeigten sich unwillig und widerspenstig. Schon stauten sich in den östlichen Steppen mongolische und germanische Völker zum neuen Ansturm auf die kaum erst errichteten Wälle. Aber zur See war die Herrschaft der oströmischen Kriegsgaleeren, der schnellen Dromonen, noch unbestritten. Die Vernichtung des vandalischen Königsreichs gab die Inseln des westlichen Mittelmeers an die Byzantiner zurück, ebenso wie die alten Flottenbasen der Provinz Afrika. Neu eingerichtete Stützpunkte sicherten das Meer von der Großen Syrte bis nach Ceuta. Ihre letzte Bedrohung fand die römische Seeherrschaft in der Gotenflotte, die Totila gegen den von Sizilien her vordringenden Beiisar aufgestellt hatte: Zweimal siegte sie in Gefechten mit den Geschwadern des Kaisers, trug 543 entscheidend zur Wiedereroberung Neapels bei, nahm Sardinien und Korsika ein. Doch der Verlust von 47 Galeeren vor Sena Gallica bedeutete das Ende dieser Anstrengungen, und als 5 5 5 endlich die letzte gotische Besatzung in Conza im Appenin vor Narses kapitulierte, waren ihre Schiffe längst von den Meeren verschwunden. „Hauptsächlich durch diese Schlacht empfingen Mut und Macht der Goten den Todesstoß", schreibt Prokop zur Seeschlacht von Sena Gallica. 1 1

Prokop, De bello gothico IV, 23.

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Der Niedergang

der Römisdien

Seeherrschafl

Die Unvollkommenheiten des überspannten justinianischen Werkes blieben ohne Wirkung auf die römische Seeherrschaft. Ein unabhängiges, fränkisches Gallien war durch einen lebendigen Handel mit den Häfen des Reiches verbunden, und die Merowingerfürsten zeigten wenig Eifer, die Vorherrschaft der Dromonen durch eigene Kriegsschiffbauten herauszufordern. Die zuletzt begonnene der justinianischen Offensiven, jene gegen das westgotische Königtum, hatte dem Reich zwar wenig über Andalusien hinaus zurückgegeben, doch räumte immerhin das gesamte Küstengebiet von der Mündung des Guadalquivir bis nach Alicante den Byzantinern einen festen Rückhalt ein. Mit so wichtigen Häfen wie Cadiz und Malaga, alten phönizischen Gründungen, und den schon im Vandalenkriege zurückgewonnenen Balearen und Ceuta fehlte es den oströmischen Geschwadern im äußersten Westen nicht an Stützpunkten. Sein terrestrischer

Zusammenbruch

Dieses weitgespannte Staatsgebilde, in der justinianischen Epoche in unglaublichen Kraftanstrengungen zusammengezimmert, war von tragisch kurzer Dauer. In weit weniger als einem Jahrhundert brach das römische Universalreich zusammen unter den erschütternden Schlägen junger, frisch sich entfaltender Völkerschaften, sozialer und wirtschaftlicher Umwälzungen im Innern und erneuten Attacken mongolischer Nomaden, die von weitgreifenden Revolutionen im innersten Asien über die russischen Steppen gegen die nordöstliche Grenzfront geworfen wurden. Drei Jahre nach dem Tode des Reichserneuerers brachen die Langobarden in Venetien ein, eroberten in einem Zuge die unter Narses und Beiisar erst so blutig zurückgewonnenen, verbrannten und kriegsmüden Landschaften. In kaum fünf Jahren ist Italien außer einigen bedeutenden Enklaven bis ins Gebiet von Benevent eingenommen, Rom, die Campania bedroht (572). Zugleich wird wie einst, zur Zeit des schrecklichen Attila, die Donauebene von den Avaren bedroht, unaufhörliche Kriege entwickeln sich in den Grenzgebieten des Balkans, vor und mit den Avaren dringt die politisch noch ungegliederte Masse slavischer Völkerschaften in das Innere der großen Halbinsel ein. Die römischen Kolonien des Illyricums waren durch Justinians langwierige Kriegszüge weißgeblutet. Mit dem Verschwinden der Gepiden, die man noch im Bund mit den Langobarden vernichtet hatte, war der Raum für die neuen Nationen frei. Wenn die Reiterhorden der Avaren nur wie ein Gewitterschauer über die ausgedehnten Regionen ihrer von der Ostsee bis zum Schwarzen Meere reichenden Herrschaft fegten, so drang die Flut der Slaven stetiger ein und hinterließ überdauernde Siedlungen, wo die anderen Invasoren nach kurzem Plündern zurückwichen. Die

Dus Dromonen-Reich

11

Usurpation des Phokas machte die von Maurikios verteidigte Donaugrenze ganz unhaltbar; unter Herakleios schon wurden Gruppen von Slaven in Thrakien und Makedonien angesiedelt, während sie sich weit südlicher bereits aus eigenen Kräften festgesetzt hatten — keine Landschaft der Halbinsel blieb von ihren Raubzügen unberührt. Ganz Griechenland wurde, wenn audi nicht slavisiert, so doch gründlich von slavischen Kräften heimgesucht und durchsetzt. Ein dritter, mächtigerer und zeitweise sogar erfolgreicher Rivale entstand der byzantinischen Herrschaft im Orient in dem nun wieder zum Angriff übergehenden sassanidischen Persien. Chahin und Charbaras jagen mit ihren Reiterscharen, der gefürchteten Kernschar der „goldenen Lanzen", über Syrien und ganz Anatolien; stehen vor Chalkedon, nehmen Caesarea, Jerusalem (614), schließlich Ägypten und Alexandrien (618). Unaufhörlich erneuern sich mittlerweile Unruhen und Kriege der Berber im byzantinischen Afrika, dessen Hauptstadt und Küstenfestungen sie zeitweise bis aufs äußerste bedrängen. Sein Überdauern zur See Und in all diesen umwälzenden Geschehnissen, Niederlagen und Katastrophen zu Lande bleibt die byzantinische Seeherrschaft bis zur Mitte des 7. Jahrhunderts unangetastet. In souveräner Überlegenheit breiten die griechischen Geschwader den handelfördernden Frieden über das mittelländische Meer, eilen hierhin und dorthin zum Entsatz der bedrohtesten Häfen, aber niemals herausgefordert im eigenen Element — ein seltsamer Gegensatz zu den verheerten Gestaden. Unter dem Einmarsch der Langobarden in Italien verbleiben den Byzantinern die dem Kern des Reiches am nächsten gelegenen Ufer: Apulien und die Terra di Otranto, das klassische Kalabrien. Ebenso am Kopf der Adria die Lagunen-Küste Venetiens, und angrenzend die Hauptstadt des Exarchats, Ravenna mit Classe und der Pentapolis. An der Westseite verharren Rom und das Papsttum unter der Botmäßigkeit Konstantinopels; weiter im Süden Neapel und die Campania-Städte, das neue Kalabrien (Bruttium), Lukanien, die Insel Sizilien. Im Norden ist die Hafenstadt Genua und ein schmaler Streifen ligurischer Küste durch den eng anschließenden Wall des Apennins gegen die barbarischen Könige und Herzöge geschützt. Als beim Aufrichten der avarischen Herrschaft im Illyricum die römische Provinzialbevölkerung die alten Festungsplätze des Inneren, vor allem die Hauptstadt Sirmium aufgeben mußte, flüchtete sie sich zu großem Teil an die Küste und besetzte dort neue befestigte Siedlungen: Spalato, Ragusa und Cattaro, die sich dem Fischfang und Seehandel widmeten und den Rei-

12

Der Niedergang der Römischen

Seeherrschaft

terhorden der Avaren zum Trotz enge Beziehungen mit der hellenischen Welt unterhielten. Nicht anders stand es in Griechenland und Makedonien, wo die großen Städte des Meerufers, Patras, Thessalonike und Monemvasia, ihren griechischen Charakter und ihre Handlungsfreiheit zur See hinter festen Mauern bewahrten. — Wenn noch im folgenden Jahrhundert in verschiedener Intensität das gesamte Innere von slavischen Elementen durchdrungen und der byzantinischen Zentralgewalt entzogen blieb, so erinnert dies lebhaft an lange Epochen der venezianischen Herrschaft, die Koron und Modon, Monemvasia und Butrinto, die ionischen Inseln und die Kykladen ungehindert in ihrer H a n d behielt, während das Osmanische Reich das Festland beherrschte. Die sassanidische Herrlichkeit, selbst nach der Eroberung Syriens und des Nildeltas ohne die notwendigen Flottenkräfte zur Behauptung ihrer vom Meere ernährten Küstenstriche, war ebenso kurz wie blendend. Die Feldzüge des Herakleios brachten, ungeachtet der kraftvollen Angriffe, die in jenen Jahren Avaren und Perser zugleich vor den Mauern Konstantinopels sahen, bald die Orientprovinzen wieder in christliche Hand. Fruchtlos auch waren die Berber-Attacken auf das byzantinische Afrika; die wichtigsten Hafenstädte, Karthago und Hadrumetum, wurden niemals von ihnen bezwungen. Trotz des langsamen Vorschreitens der Westgoten in Spanien blieben die Küstenstriche des westlichen Andalusien und zuletzt das heutige Algarve bis zum dritten Jahrzehnt des 7. Jahrhunderts dem Reiche erhalten, mit der Mittelmeerwelt durch die Flottenstation von Ceuta verbunden. So erkennen wir in einer Epoche, in der sich das Ostreich im engeren Sinne, trotz aller Verheerungen und Einfälle, um seine wirklichen Kraftzentren Konstantinopel, Kleinasien und Makedonien konsolidiert, jenem schreckensvollen Zeitalter, aus dessen Nöten heraus die Themenverfassung entsteht, die großen Züge einer ganz anderen, noch universalen Herrschaft. Das kommende, mittelalterliche Byzanz gewinnt Gestalt in einer den dauernden Kriegs-Bedrohungen Widerstand leistenden Verwaltungsform — zugleich aber überlebt noch die ganze Weite des justinianischen Imperiums: Vom Kap S. Vincente bis Alexandrien, von der Riviera zur Großen Syrte. Die wichtigsten Verbindungen der Reichsglieder mit Konstantinopel und selbst untereinander gehen jetzt über See, oft entschieden diese Verbindungen ihr Schicksal. Mehrmals in der Geschichte des 6. und 7. Jahrhunderts werden Karthago und Thessalonike allein durch die Intervention byzantinischer Flotten vor ihren Belagerern gerettet. Die lateinische Städte der Campania und Dalmatiens wenden sich dem Seehandel zu, Rom wird noch immer durch Seetransporte von den päpstlichen Gütern auf der Insel Sizilien ernährt. Mit Recht hat man darauf hingewiesen, daß schon Maurikios gegen Ende des 6. Jahrhunderts seinen zum Scheitern verurteilten Plan einer Wiederherstel-

Das Dromonen-Reich

13

lung des Reiches im westlichen Mittelmeerraum auf die Einrichtung der beiden Exarchate in den Hauptflottenstützpunkten des Okzidents, Karthago und Ravenna, gegründet hat. 2 Man mag einwenden, daß die slavische Piraterie auf der Adria, die dem gesamten griechischen Küstengebiet empfindliche Wunden zufügte, wenig von dieser totalen Herrschaft der byzantinischen Dromonen verspüren ließe. Nur wird man nicht ernstlich behaupten können, daß die ausdrücklich als Einbäume bezeichneten Kähne der Slaven 3 den Hochseeflotten von Konstantinopel eine Herausforderung oder Angriffsfläche boten. Vor allem aber gewährte das nahrungsarme, zunehmend verkarstete, inselreiche dalmatische Küstenland einer chronischen Piraterie bis in die Neuzeit Unterschlupf : W i r werden noch näher beleuchten, warum diese Buchten und schwierigen Gewässer ein geradezu immerwährender Brutplatz nicht auszurottender Korsaren waren und sein mußten. Sicherlich trug Venedig lange Jahrhunderte hindurch den Titel einer „Königin der Adria" zu Recht, obwohl es weder der Republik, noch der osmanischen Flotte bis zur Höhe ihrer Machtentfaltung gelingen sollte, die Raubnester der Narentaner, Dulcigno und Antivari oder das Zengg der Uskoken auf Dauer auszustampfen. U m die Weite des in seiner Gesamtheit noch immer befriedeten Mittelländischen Meeres gruppierten sich die byzantinischen Küstenstreifen als lebendige Reste des erneuerten Imperiums Justinians. Es war dies, in kleineren, klassischen Ausmaßen, genau so ein Insel- und Küstenreich wie ein Jahrtausend später die portugiesische Herrschaft im Indischen Ozean. Erst die arabische Landnahme an der syrischen und ägyptischen Küste sollte die maritime Souveränität des christlichen Kaisertums auch im Westen gefährden. Bis dahin blieb die Mittel-See ein Mare Romanum, die Domäne handelnder Rundschiffe und oströmischer Dromonen, und das weitverzweigte System justinianischer Wiedereroberungen eine echte Thalassokratie.

P. Goubert, Byzance avant l'Islam, Paris (1956) II, 1 0 — 1 2 . Tongard, De l'histoire profane dans les actes des Bollandistes, Paris (1874), 1 1 9 . Diehl und Marçais, Le Monde Oriental de 395 à 1081, Paris (1936), 2 1 5 , 2 1 6 . 2

3

I. Kapitel Der arabische Einbruch ins Mittelmeer (648-710) Muawiya:

Die Geburt der syrischen Flotte

(648/649)

Hatten die energischen Feldzüge des Kaisers Herakleios die erstaunlichen Kraftreserven des anatolisch-thrakischen Kerngebiets seines Reichs erwiesen und über die persistile und avarische Gefahr gleichermaßen triumphiert, so bedeutete die arabische Invasion das Ende der orientalischen Provinzen als Teile des Reichs. Ostrom hörte auf, ein Universalreich zu sein; wenige Jahre später sollte es auch aufhören, Alleinherrscher im Mittelländischen Meere zu heißen. Zu Lande vom langen sassanidischen Ringen erschöpft, vermochte Byzanz Alexandrien auch von See her nicht mehr zu halten: 641 fiel die ägyptische Hauptstadt; für kurze Zeit von einer griechischen Flottenexpedition wieder genommen, ging es im selben Jahrzehnt noch zusammen mit den letzten syrischen H ä f e n verloren. Zwar war jenen arabischen Reitermassen, die die Stoßkraft der mohammedanischen Expansion trugen, das Meer ein durchaus fremdes Element, aber schon war in Muawiya, dem Begründer der omaiyadischen Dynastie auf dem Kalifenthron von Damaskus, der Mann in Syrien am Ruder, der die Möglichkeiten und Verheißungen der phönizischen H ä f e n erkannte. 1 Noch bildete die byzantinische Inselfestung Aradus vor der phönizischen Küste eine dauernde Bedrohung seiner Herrschaft. Unter den letzten orthodoxen Kalifen ließ er als Statthalter von Syrien um 648 in den syrischen H ä f e n die erste Mittelmeer-Flotte unter der grünen Fahne des Propheten bauen, die 649 Zypern angriff und einnahm. Die Insel wurde gleich darauf noch einmal verwüstet. Nach zwei aufeinander folgenden Belagerungen wurde Aradus erobert und völlig zerstört (649/650). 2 Zugleich entstand in Ägypten eine 1 A. Lammers, Art. „Muawiya", Enz. des Islam, III, 605 ff., Diehl-Marçais, Le Monde Oriental, 199 ff. 2 Ibid., Theophanes ad annos m. 6140, 6141 ed. de Boor, I, 343, 344 (ed. Bonn, I, 525, 526); Abul Farad; (Abulfaragius = Bar Hebraeus) ed. Kirsch, Leipzig (1789), 110, 111; Michael der Syrer, ed. Chabot, Paris (1899—1910) II, 241, 244 (ed. Langlois, Paris, 1868, 235, 238); vgl. hier die klassische Darstellung der Anfänge arabischer Seeschiffahrt im Ibn Khaldoun-Fragment im Appendix zu al-Makkari, The History of the Mohammedan Dynasties in Spain, ed. P. de Gayangos, I, London (1840), X X X I V , X X X V , ferner E. Zechlin, Maritime Weltgeschichte, Altert, u. Mittelalt., Hamburg (1948), 218; J. Wellhausen, Die Kämpfe der Araber mit den Romäern, Nachrichten der kgl. Gesellsch. d. Wissensch, zu Göttingen (1901), phil-hist. Kl. 418, 419, W . Hoenerbadi, Araber und Mittelmeer, Anfänge

Der arabische Einbruch ins Mittelmeer

(648—710)

15

Flotte in den alten Werften und unter koptischen Baumeistern zu Clysma, an der Nordspitze des Roten Meeres und in Alexandrien. Mit Hilfe des Steuer- und Verwaltungssystems, das man von Byzanz übernommen hatte, wurde hier eine größere Seemacht schnell errichtet und erhalten. Die ägyptische Flotte gruppierte sich bald in zwei getrennten Körpern: Der eigentlichen Offensiv- und Kriegsflotte, für welche anläßlich jedes Seeraubzuges besondere Leistungen von den ländlichen Steuerdistrikten erhoben wurden, stand die Küstenwachflotte Ägyptens gegenüber, die ständig im Dienst war und voll unterhalten werden mußte. Auf erprobter griechischer Grundlage knüpfte man hier an eine Tradition von Flottenschulung und Flottenbau an, die bis ins Spätmittelalter hinein auch im mohammedanischen Ägypten nicht mehr abreißen sollte. Neben den Hauptarsenalen Clysma und Alexandrien waren bald auch das große Arsenal der Insel Roda und Babylon (Fustat) auf der Grenze von Ober- und Unterägypten, und am Rande des Deltas, Rosetta und Damietta von einiger Bedeutung: Städte, die später zur Hauptbasis der fatimidischen Flotte wurden. Mit der Steuerleistung der Inlanddörfer und der reichen Beute der ersten, fast jährlichen Raubzüge wuchs diese Streitmacht schnell. Gesonderte Abteilungen standen in den Einzelhäfen Ägyptens und Syriens. Die Besatzungen dieser Offensivgeschwader waren in Ruderund Kampfmannschaften geteilt; unter den letzteren standen zum Islam übergetretene Kopten in eigener Gliederung neben reinblütigen Arabern, meist aus den berühmten Stämmen der Beni Ansar und Beni Kuraisch. Die ägyptische Flotte muß um 700 bereits 200—300 Einheiten gezählt haben. So entstand eine breite Grundlage für künftige Unternehmen. 3 Mit großer und Probleme arabischer Seegeschichte, in: Zeki Velidi Togan'a Armayam, Symbolae in honorem Ζ. V. Togan, Istanbul (1950—1955), 382 ff.; K. A. Alexandres, Ή Θαλασσία δΰναμις εις την 'ιστορίαν της Βυζαντινής Αυτοκρατορίας, Athenai (1956) 140 ff. und Hélène Ahrweiler, l'Asie mineure et les invasions arabes, Revue historique, 227 (1962) 10, 11. Im nächsten Jahre fiel dann audi Aradus. — Eine Zusammenstellung von Exzerpten aus al-Yaqubi, al-Tabari, Ibn al-Athir und dem Kitab al-Uyun über die islamischen Raubzüge und Eroberungen im nordsyrisdien, kilikischen und ostanatolischen Raum während des ersten Jahrhunderts der islamischen Expansion, die Aufschluß über die schnelle arabische Eroberung der Küstenstriche bis gegen Tarsos gibt, findet sich bei E. W. Brooks, The Arabs in Asia Minor (641—750), From Arabic Sources, The Journal of Hellenic Studies 18 (1898), 182—208. 3 G. F. Hourani, Arab Seafaring in the Indian Ocean, Princeton (1951), 57 fí. Postan u. Rich, Trade and Industry in the Middle Ages, The Cambridge Economic History, II (1952), 89, 91; H . I. Bell, „The N a v a l Organisation of the Khalifate" in: Greek Papyri in the British Museum, IV (1910), X X X I I — X X X V , The Aphrodito Papyri ibidem, und ders., Translation of the Greek Aphrodito Papyri in the British Museum, Der Islam, II (1911), 269—283 u. 372—384. Zur provinziellen Rekrutierung und Versorgung der ägyptischen Flottenmannschaften und -Bauleute vgl. Nr. 1336, 1337, 1346, 1348, 1349, 1350,

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Der Niedergang der Römischen

Seeherrschaft

Entschlossenheit arbeitete man ja in den Tagen der ersten Omaiyaden auf die Eroberung Konstantinopels hin, und Muawiya war es von Anfang an deutlich, daß dies nur von Land und See her zugleich geschehen konnte. Erste Einfalle

in Sizilien

(652—667)

Schon 652 erprobte Muawiya seine junge, wahrscheinlich von Syrern und Kopten gesegelte und gesteuerte, von arabischen Kriegsmannschaften aber bemannte Flotte auf einer gewagten Fahrt gegen Sizilien. Muawiya b. Hodeidj befehligte die Flotte, die aus 200 Einheiten bestand.4 Ohne bedeutende Städte oder Festungen einzunehmen, plünderten die Muselmanen die Küste der Insel, nahmen allerlei Beute aus Kirchen und Klöstern und gerieten in ein Gefecht mit dem byzantinischen Befehlshaber Olympios, einem Vertrauten des Kaisers Konstans II.5, das sicher nicht zu ihren Gunsten ausgegangen ist. Dennoch gelangte Ibn Hodeidj mit Beute und Gefangenen schon nach einem Monat glücklich nach Syrien zurück. Ein Fünftel der Beute schickte Muawiya pflichtschuldig an den Kalifen. 6 Ein und ein halbes Jahrzehnt später, als Muawiya dem orthodoxen Kalifate Alis ein Ende gemacht und sein Admiral Muawiya b. Hodeidj die kaum 1351, 1353, 1371, 1387, 1392, 1434, 1435, 1447. Die Aufzeichnungen stammen aus den Jahren 708—711. Zum W e r t und Rahmen der Quelle vgl. audi C . H . B e c k e r , Historische Studien über das Londoner Aphroditowerk, ibid., 359—371. Eine sorgfältige Auswertung aller arabischen Quellen gibt A l y Mohamed Fahmy, Muslim Sea Power in the Eastern Mediterranean, London (1950), 23—42, über die P a p y r i , 1—9. S. auch unten, S. 129 f. Besonders wertvoll sind Fahmys Untersuchungen zur Rekrutierung und Finanzierung der ägyptischen Flotte, S. 95—114. 4 al-Kairoani, trad. E. Pellissier und Rémusat, in Explor. scientifique de l'Algérie, VII, Paris (1845), 41; al-Baladuri, The Origins of the Islamic States, transi, and ed. P . K . Hitti, Columbia Studies in Hist, etc., vol. L X V I I I , N e w York (1916, 1924), 375. Über die im folgenden zitierten arabischen Quellen ist im allgemeinen C. Brockelmann, Geschichte der arabischen Literatur, zweite, den Supplementbänden angepaßte Ausgabe, 2 Bde., Leiden (1943, 1947) und drei Supplementbände (1937—42), zu konsultieren. Für die historische Kritik der einzelnen Quellen seien nächst den Einleitungen der hier zitierten Ubersetzungen und Editionen, vornehmlich der von M . C a n a r d übersetzten Texte in den zwei Teilen „Extraits des Sources Arabes" in Bd. I und II, 2 des Vasiliev-Grégoire'schen Werkes „Byzance et les Arabes" (avec le concours de C. Nallino, E. Honigmann et Claude Backvis), Bruxelles, 1935, 1950, audi die bei Brockelmann unter den einzelnen Autoren-Biographien aufgeführten Literaturhinweise erwähnt. Eine Analyse arabischer mittelalterlicher Geschichtsschreibung, ihrer ausgeprägten formellen Eigenheiten und ihres historischen Wertes gibt Franz Rosenthal, A History of Muslim Historiography, Leiden (1952), wo für die hier benutzten Quellen vornehmlich die Kapitel über arabische Universalgeschichtsschreibung (al-Yaqubi, at-Tabari, al-Masudi, Ibn al-Athir) S. 114 ff., Biographie und Annalistik zu konsultieren sind. 5 Vasiliev-Grégoire-Canard, Byzance et les Arabes, Bruxelles (1935), I, 62, 63; Amari, Storia dei Muselmani di Sicilia, Catania (1933), I, 190—209. 6 al-Kairoani, 41 ; al-Baladuri, 375.

Der arabische Einbruch ins Mittelmeer

(648—710)

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eroberte Statthalterschaft Ifriqiya erhalten hatte, entsandte letzterer eine gleichermaßen glückliche Expedition: Reich mit Beute beladen kehrte die Flotte von 300 Schiffen, unter deren Bemannung sich zahlreiche Krieger aus dem erlauchten Stamm des Propheten, den Beni Kuraisch, befanden, aus Sizilien zurück. 7 Einen Monat lang hatte man an den Küsten der Insel geheert, zahlreiche Sklaven und silberne und goldene, köstlich mit Perlen und Edelsteinen geschmückte Ikonen aus Kirchen und Klöstern erbeutet. 8 Von diesen wurden einige besondere, perlenbesetzte Kostbarkeiten an den Kalifen verfrachtet. Dieser ließ sie seinerseits nach Basra schaffen und dort einschiffen, um sie auf den indischen Märkten zu hohen Seltenheits-Preisen zu verkaufen." Solche Ergebnisse lassen es verständlich erscheinen, daß man sich auf arabischer Seite so schnell mit dem Meere befreundete. Ein Jahrhundert lang hatten sich diese Gewässer unbelästigten Friedens erfreut, niemand versah sich des unerwarteten Angriffs. Die Seestreitkräfte des Reiches werden sich im Osten konzentriert haben, wo Muawiya die ersten Unternehmungen seiner jungen Flotte gestartet hatte. Auf Sizilien f a n d man die Küsten unbewacht, Klöster und Ortschaften sicherlich vielfach unbefestigt vor. Fast ohne Risiko heimste man reiche Beute an Sklaven ein, und in Damaskus und Basra noch präsentierte sich eine wertvolle Auswahl des Plünderguts. Große Seevölker wie die Griechen im Altertum und die Briten im 16. Jahrhundert haben ihre L a u f b a h n auf nicht bessere Weise begonnen. Seeraub und Seehandel gingen dabei H a n d in H a n d ; später folgten gemeinsame, nationale Bewegungen, Gründung von Außenposten und stetig sich erweiternden Kolonien. Mit der Gewinnung der syrischen H ä f e n hatten die Araber in den Phöniziern, genau wie einst in homerischer Zeit die Griechen in ihren eigenen Buchten, ihre Lehrmeister gefunden. Mit ihrer Vermittlung erfaßte man die Möglichkeiten, fand man Vertrauen zum Meer. 7 en-Nuwairi in Ibn Khaldoun, ed. de Slane, Alger (1852), I, 326; Ibn Idhari, al-Bayan, ed. Fagnan, Alger (1901), I., 12, 13. 8

al-Bayan a.a.O.

9

al-Baladuri, 375. Für die Expedition von 652 sowohl wie die zweite von 666/7 nehmen al-Baladuri bzw. Ibn Khaldoun den Ruhm der ersten derartigen Unternehmung in Anspruch. Auch andere auffällige Ubereinstimmungen — die Beute, die einmonatige Dauer des Aufenthalts in Sizilien bzw. der gesamten Expedition — könnten zu der Vermutung Anlaß geben, daß es sich um zwei Traditionen ein und desselben Ereignisses handelt. D o d i verbieten die unterschiedlichen Daten und Namen der Befehlshaber sowie die Erwähnung beider Ereignisse in chronologischer Reihenfolge bei al-Baladuri eine Verschmelzung der beiden Darstellungen. In der Tat hat die Ähnlichkeit der Umstände zweier solcher Seezüge gleichen Charakters und Zieles nichts Unmögliches. Doch bleibt die Datierung im ganzen unzuverlässig. Vgl. hierzu Amari, Storia dei Musulmani di Sicilia, I, 194 f. u. C. H . Becker in der Cambridge Medieval History, II, 367, 380 (The Expansion of the Saracenes). 2

£ i d t h o f f , Seekrieg

Der Niedergang der Römischen

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Seeherrschaft

Die „Schlacht der Masten" {655) Von nun an vollzog sich die Entwicklung von kurzem Überfall in schnell zusammengebrachten Flottillen zur voll entfalteten Seemacht wie der ganze Prozeß der arabischen Expansion mit atemberaubender Schwungkraft. Muawiya suchte die Entscheidung gegen das christliche Mittelmeerreich mit dem gleichen erstaunlichen Wagnis, das einst Rom im ersten punischen Krieg unternommen hatte — sich über Nacht aufs Meer zu werfen und den dort von alters überlegenen Gegner in seinem eigenem Element zu fordern. In Konstans II., dem letzten Kaiser, der die Erneuerung des unter den Schlägen des Islam wankenden Reiches audi im Westen ernstlich versuchte, stand ihm ein ebenso energischer wie eigenwilliger Widersacher entgegen. Unter ihrer persönlichen Führung entschied sich zwischen dem kühnen Realisten Muawiya und dem furchtlosen und unabhängigen Phantasten Konstans die erste offene Seeschlacht zwischen dem Islam und dem byzantinischen Reich. Kein Wunder, daß die „Schlacht der Masten" in der arabischen Überlieferung vor allem einen halb legendären Charakter gewinnt. Muawiya, noch Statthalter von Syrien und offenbar in eigener Initiative, ohne Unterstützung des Kalifen handelnd, konzentrierte seine Rüstungen in Tripolis und ließ dort von überall her seine Schiffe zum geplanten Kriegszug zusammenkommen. Aber von Anfang an fanden sich, wie später in Ifriqiya, Fanatiker, die den Bau der neuen Flotte zu hindern suchten; ferner kaisertreue Christen, die das Ausmaß der dem römischen Reiche drohenden Gefahr erkannten. Zwei Brüdern, den „Söhnen des Bukinators" (Deckoffiziers), gelang ein aufsehenerregender Handstreich. Wohl nach sorgfältigen Vorbereitungen befreiten sie eine erhebliche Anzahl der islam-feindlichen Christen Phönikiens, die in Tripolis gefangen gehalten waren, aus ihrem Gefängnis, überwältigten und töteten den Emir der Stadt und seine Mannschaften, drangen — wir wissen nicht, mit wieviel Komplizen — in den Hafen ein und legten Feuer an die eng im Arsenal beieinanderliegenden Galeeren. Während die Schiffe dem schnell von Bord zu Bord übergreifenden Brande zum Opfer fielen, retteten sich die beiden Bukinator-Söhne in einem kleinen, bereitstehenden Schiff in griechische Gewässer. 10 Muawiya ließ sich von diesem Rückschlag nicht abschrecken und sammelte mit wütendem Eifer eine neue, zahlreiche Flotte. Einzig und allein im Besitz einer achtunggebietenden Seemacht durfte er hoffen, durch den Hel10

Theophanes, ed. de Boor, I, 345, (ed. Bonn., I, 5 2 8 ) ; Midiael der Syrer, ed. Chabot,

Paris ( 1 8 9 9 — 1 9 1 0 ) , II, 445, (ed. Langlois, Paris, 1868, 239), Abul Faradj, (Bar Hebraeus), ed. Kirsch, Leipzig, ( 1 7 8 9 ) , 111.

Der arabische Einbruch ins Mittelmeer

(648—710)

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lespont erfolgreich gegen sein großes Ziel, Konstantinopel, vorzudringen. 1 1 Als schließlich die Schiffe im Frühling des Jahres 65512 zum Seezug gegen Konstantinopel bereit waren, übertrug man die Leitung des Unternehmens dem Veteranen Abdallah b. Sad, Milchbruder des Kalifen und ehemaligem Gouverneur von Ägypten. 13 Auf der Fahrt ins ägäische Meer aber stellte sich die gesamte oströmische Schlachtflotte, 5—700 Einheiten stark, 14 den n u r zweihundert Schiffen zählenden Arabern vor der lykischen Küste am „Berge Phoenikos" entgegen, von Kaiser Konstans selbst geleitet. Als die Muselmanen den Mastenwald der Dromonen-Phalanx gewahrten, waren sie so beeindruckt, daß das Gefecht von ihnen später den Namen „die Schlacht der Masten" erhielt. Wie die Tradition berichtet, konnte sich der arabische Kriegsrat trotz des Zuredens des tapferen Abdallah bei dreimaliger Abstimmung nicht zur Annahme der Schlacht entschließen; — aber endlich riß der Schwung der Wenigen die Masse der Gläubigen mit: Ein Veteran zitierte den Vers des Korans 15 „Wieviele Male hat nicht ein kleiner T r u p p große Scharen vernichtet, wenn Gott es gewährte: Allah ist mit den Standhaften". Und mit Abdallahs Ruf „zu den Schiffen!" ordneten sich die Kapitäne zur Schlacht.18 Trotz böser Vorzeichen ging auch Konstans nun im Vertrauen auf die Überlegenheit seiner Zahlen in den K a m p f . Taktik und Erfahrung der Griechen zeigten sich anfangs überlegen; unter Schwärmen von Pfeilen u n d Wurfgeschossen entspann sich der wendige Kampf manövrierender Galeeren. D a n n aber legten die Araber sich geschlossen Bord an Bord, banden die Schiffe durch Ketten zu einer schwimmenden Festung zusammen und brachten nun im Handgemenge die Unüberwindlichkeit ihres fanatischen Schwunges zur Geltung. Noch während des gelösten Manövers geriet Abdallah in höchste G e f a h r : Eine schwere Dromone hatte sein Schiff mit W u r f - E n t e r 11

M. Canard, Les expeditions des Arabes contre Constantinople dans l'hist. et dans la légende, Journal Asiatique 207 (1926), 62, 63 (nach al-Masudi). 12 Nach Theophanes anno Christi 646; Ibn al-Athir datiert auf a. H . 31 = 652, ed. Tornberg III, 90—91; alle chronologischen Angaben finden sich zusammengestellt bei Canard, Les expéd., 63, Anm. 4, und Wellhausen, Die Kämpfe der Araber m. d. Rom., 420. 13 Die weit spätere Kompilation Michaels des Syrers nennt a.a.O. vielmehr Abul Awar, den Hourani als den Kommandanten des syrischen Geschwaders bezeichnet (Ar. Seafaring, 50). Die zeitgenössische Notiz der Continuado Isidoria nennt ebenfalls Abdallah als Oberbefehlshaber. 14 Nach der Continuano Isidoria Byzantina Arabica sogar 1000 Schiffe auf Seiten der Christen (M. G. auct. antiqu. X I , 343, 344) — wahrscheinlicher auf jeden Fall die Zahl 500, die Tabari gibt (Wellhausen, Kämpfe der Araber, 419). 15 II, 250. 16 Ibn al-Athir a.a.O. Die Menge sich widersprechender arabischer Traditionen hat Canard einen gleichzeitigen See- und Landkampf vermuten lassen. Vgl. die Zusammenstellung der gesamten Überlieferung bei Canard op. cit. 63—67. 2»

Der Niedergang

20

der Römischen

Seeherrschaft

haken gepackt und schleppte sie hinter sich fort. Alkanah, ein junger arabischer Anführer, der Abdallahs schöne Gemahlin Bursayah leidenschaftlich und unglücklich liebte, warf sich unter den Augen der Angebeteten mit seinem Schiff zwischen die griechische Dromone und deren kostbares O p f e r , durchrammte die Kette, die sie verband, und befreite so seinen Admiral. 17 N u n hatte das Blatt sich gewendet, und es bedurfte eines ähnlichen Heldenstücks, um den Kaiser selbst vor der Gefangenschaft zu bewahren. H a r t im Gewühl bedrängt, wäre Konstans verloren gewesen, hätte sich nicht einer der beiden tapferen Bukinator-Söhne auf sein Schiff geworfen und sich in die Gewänder des Kaisers gehüllt. Während Konstans auf einer anderen Galeere aus dem Treffen entkam, verbreitete der junge Krieger mit dem Diadem des Augustus Tod und Schrecken um sich und fiel schließlich selbst aus der Admiralsdromone der christlichen Flotte. 18 Von all den Seegefechten zwischen dem griechischen Reich und den Flotten des Kalifats ist dieses das erste, von dem uns historisches und gewiß audi legendäres, technisches und bildhaftes Detail überliefert ist. So stürmisch war das Gefecht, schreibt Michael der Syrer, daß Sprühwasser und Schaum sich in dichtem Dunst zwischen den manövrierenden Galeeren erhoben, so wie Wolken von Staub im Gewühl der Reiterschlacht seiner Tage, 19 und auf der Weite des Schlachtortes röteten sich die Wogen von der Masse vergossenen Blutes. 20 — Als die entschlossene Tat des jungen Bukinator-Sohnes den Kaiser rettete, schien die Schlacht schon entschieden. Die oströmische Flotte wurde fast völlig vernichtet — mit dem Niederkämpfen der letzten christlichen Galeere verebbte das Gewühl, und Abdallah ließ die treibenden Leichen der Erschlagenen und Ertrunkenen einsammeln — ihre Zahl soll sich auf Tausende belaufen haben. 21 Noch aber fühlte sich Muawiya nicht stark genug, dem entscheidenden 17 So die Tradition bei Ibn Abd al-Hakam, Futuh Misr, ed. Thorrey, N e w Haven (1922), 189—191. Nach der Schlacht fragte Abdallah: „Wer schien dir der Tapferste?" „Der mit der Kette", erwiderte Bursaya, ohne sich zu besinnen. Alkanah gewann sie schließlich nach dem Tode Abdallahs (ibid.). 18

Michael d. S. II, 446 (ed. Langlois, 240); Abul Faradj (Bar Hebraeus) II, 111, 112; Theoph. I, 346 (ed. Bonn I, 529). 19 20

Michael d. S. a.a.O.

Theoph. a.a.O., Tabari (I, 2868) zitiert in M.Canard, op. cit., 64. Nach Bar Hebraeus schwammen 20 000 Leichen romäischer Krieger auf dem Meer. 21 Theophanes und Michael der Syrer a.a.O. Außer den genannten Quellen erwähnt noch Kedrenos, ed. Bonn (1839), I, 756 das Ereignis. Eine eingehende Darstellung der arabischen Quellen in Amari, Storia dei Musulm., I, 209—211. Houranis Vermutung, daß die ganze Expedition allein der Beschaffung von Zypressenholz diente, ist unglaubhaft. Doch ist es möglich, daß man sich der Berg Phönix-Gegend zu diesem Zweck genähert hatte. Arab, Seafaring 58.

Der arabische Einbruch

ins Mittelmeer

(648—710)

21

Siege einen Angriff auf das Herz des Reiches nachfolgen zu lassen. D e r große Bürgerkrieg, der im arabischen Reich nach dem Tode Osmans zwischen dem zum Kalifen ausgerufenen Muawiya und Ali, dem letzten orthodoxen Kalifen in Medina ausbrach, zwang den Begründer der omayadischen Dynastie 659 zu einem Tributfrieden mit Byzanz. 22 Für Konstans wird der Ausgang der Schlacht wesentlicher Antrieb zu seinem phantastischen Entschluß gewesen sein, den Schwerpunkt seines „römischen" Reiches nach dem Westen zurückzuverlegen. Trotz des Widerstandes der H a u p t s t a d t begab er sich nach Italien, suchte dort die Reserven des Westens von seiner neuen H a u p t stadt Syrakus aus zusammenzufassen und schien alles auf eine entschlossene Abwehr der von A f r i k a her drohenden Gefahr anzulegen. Wegen der schweren Steuerbelastung bei seinen westlichen Untertanen verhaßt, wurde er 668 in Sizilien ermordet. Alsbald proklamierte man seinen in Konstantinopel als P f a n d verbliebenen Sohn Konstantin IV. zum Kaiser: Der Ansatz zu zurückgehaltenen Sohn Konstantin IV. zum Kaiser: Der Ansatz zu einem durchaus neuen, wahrhaft mittelmeerischen Reiche war im Keime erstickt. 23 Der Angriff

auf Konstantinopel

(664—668)

Seit dem Jahre 663 drangen die Scharen Muawiyas erneut in Kleinasien vor, wobei sie bald die ganze Tiefe Anatoliens bis zur Marmara-Küste durchmaßen. Sobald Muawiya die arabische Macht wieder fest in der H a n d 22

F. Dölger, Regesten der K a i s e r u r k u n d e n des Oströmischen Reiches, (Corpus der griechischen U r k u n d e n des Mittelalters u n d der Neueren Zeit), München (1924) I, 27 N r . 230. 23 Durchaus entgegengesetzte W e r t u n g e n der Politik dieses eigenwilligsten Herrschers der heraklidischen D y n a s t i e geben J. B. Bury, T h e N a v a l Policy of the R o m a n Empire, C e n t e n a r i o della N a s c i t a di M. Amari, II, P a l e r m o (1900), 21, u n d A. J. T o y n b e e , A S t u d y of Hist., L o n d o n (1939 ff.), IV, 330 f. Sicherlich w a r e n Sizilien u n d Unteritalien u n d die E n k l a v e n von R o m u n d R a v e n n a ein magerer Ersatz f ü r das alte, v o n K o n s t a n s verloren geglaubte Kernstück des Reichs: T h r a k i e n , die Inseln u n d A n a t o l i e n mit ihren in den folgenden J a h r h u n d e r t e n immer wieder eindrucksvoll demonstrierten Kraftreserven. Aus diesem Gesichtspunkt heraus, im Hinblick auf die Lebensstärke u n d D a u e r des o r t h o d o x e n Staates, ist Toynbees Verurteilung der Westpolitik Konstans' II. zuzustimmen. D a ß aber die unverwirklichte K o n s t r u k t i o n m i t der karthagischen Basis gegenüber, im Besitze S a r d i niens, Korsikas u n d der C a m p a n i a - H ä f e n in weiter G r u p p i e r u n g u m Sizilien m i t seiner P r o v i n z i a l f l o t t e zumindest vorübergehend eine eindeutige m a r i t i m e Hegemonie h ä t t e beh a u p t e n k ö n n e n , ist sehr wahrscheinlich. Die P r o k l a m a t i o n eines a n d e r e n H e r a k l i d e n in B y z a n z h ä t t e zu einer erneuten Reichsteilung f ü h r e n können, deren H ä l f t e n sich vielleicht nicht weniger lebensfähig erwiesen h ä t t e n als das tatsächliche, im O s t e n v e r a n k e r t e G a n z e . Vgl. Toynbees negative Spekulation, op. cit., 331, 332. Hiergegen m u ß darauf hingewiesen w e r d e n , d a ß K o n s t a n s ' P r o j e k t eine T h a l a s s o k r a t i e dargestellt hätte, deren K r ä f t e sich aus wesentlich anderen Quellen gespeist h ä t t e n als das anatolisch-„rumelische" Z e n t r u m im O s t e n . Vgl. auch Toynbees ausführliche B e g r ü n d u n g seiner Ansicht im A n n e x zu Bd. IV, 589—591

22

Der Niedergang

der Römischen

Seeherrscbafl

hatte, setzte der Kalif fort, was er als Statthalter begonnen: Bald hielten seine Galeeren mit den weitreichenden Bewegungen der Reitergeschwader zu Lande Schritt. Zielstrebig richtete sich ihr Vormarsch auf das ägäische Vorfeld der Hauptstadt und dann gegen Konstantinopel selbst. Schon 649 und noch einmal kurz darauf wurde Zypern angegriffen und völlig verheert; 655 Kreta, die wichtigste Vorbastion, die den maritimen Zentralraum Ostroms zu schützen hatte, von den Arabern verwüstet, aber noch nicht gehalten — die erste Invasion der Insel endete mit einer schweren Niederlage der Mohammedaner zur See.24 Dann war — noch unter dem Kalifen Osman — Rhodos erobert worden, wo der Koloß zerstört und an einen jüdischen Kaufmann aus Edessa verkauft wurde, der das Metall in 900 Kamellasten fortschaffen ließ, — Ephesos, Halikarnass, Smyrna und andere ionische Städte wurden verheert. 25 Nach der Eroberung weiterer Inseln im Innern der Ägäis, von Kos und Chios wurden 670 die Dardanellen durchstoßen und die Halbinsel Kyzikos am Südrand der Marmara eingenommen, die nun zum Ausgangspunkt des arabischen Großangriffs auf Konstantinopel diente. Dort war soeben der blutjunge Konstantin IV. zur Herrschaft gelangt, der diese schwere Bedrohung rechtzeitig erkannte. Die Mauern wurden verstärkt, eine große Flotte gerüstet. Diese war soeben durch die Erfindung des griechischen Feuers durch den Syrer Kallinikos mit einer neuen und furchtbaren Waffe versehen worden. 2 ' Im Frühling des Jahres 674 erschien eine mächtige Flotte unter Yazid, dem Sohn des Kalifen, vor Konstantinopel und setzte ein Heer dicht bei der Stadt an Land. Es begann eine großangelegte Belagerung, die den ganzen Sommer hindurch andauerte. Aber die Anstürme blieben vergeblich. Die Küsten und Orte an der Propontis wurden verheert, aber die Hauptstadt hielt stand. Im Herbst gingen Flotte und Heer unverrichteter Dinge zurück in ihre Winterquartiere auf Kyzikos. Im folgenden Frühling begann der kombinierte Angriff von Neuem, und 24 Abul F a r a d j (Bar Hebraeus), II, 110, 111; Michael der Syrer, ed. Chabot, II, 241, 244 (ed. Langlois, 235, 238); V i t a des Hl. Andreas Cretensis bei Vas.-Grég.-Can., I, 52, 53; Andreas Cretensis, In circumcisionem Domini et in S. Basilium, M.P.G. Bd. 97, col. 932; in Apostolum Titum, M.P.G. 97, col. 1168. 25

Theophanes, ed. de Boor, I, 345 (ed. Bonn, I, 527, 528); Const. VII., De administrando imperio, ed. Moravcsik-Jenkins, 84, 88 (ed. Bonn, 95, 96, 98, 99); al-Baladuri, ed. Hitti, 375, 376. Welche der damaligen Expeditionen Muawiyas mit 1200 Schiffen durchgeführt wurde, wie Const. VII. a.a.O. 88 (98) angibt, ist ungewiß. A u d i die Datierung, von den arabischen Quellen später angesetzt (vgl. Brooks, The Arabs in Asia Minor, 187), ist unsicher. Michael der Syrer u n d Abul F a r a d j a.a.O. geben f ü r die Expedition von 659 gegen Zypern sogar 1700 Schiffe an. 26 Theophanes ed. de Boor, I, 353, 354 (ed. Bonn., I, 540—542); Michael der Syrer, ed. Chabot II, 455 (ed. Langlois, 242). Die Verstärkung der Mauern nadi einer Inschrift: H . Grégoire in Byzantion 13 (1938), 165 ff.

Der arabische Einbruch ins Mittelmeer

(648—710)

23

diese amphibische Invasion wiederholte sich mit unglaublicher Zähigkeit Jahr auf Jahr bis zum Sommer 668. Eyub, der greise Bannerträger des Propheten, fiel vor den Mauern. Sein Grab glaubte man 800 Jahre später nach der Eroberung Konstantinopels unter Mehmet II. wiedergefunden zu haben; heute noch ziert es als eines der schönsten und stimmungsvollsten Denkmäler des Hauses Osman den Stadtrand. — Jahr für Jahr erlitten das Heer vor der großartigsten Maueranlage des europäischen Mittelalters, die Flotte im Feuer der kampfstärksten Schlachtgaleeren der Zeit schwere Verluste, bis Yazid endlich im frühen Sommer 678 das Unternehmen abbrechen mußte. Zugleich wurde ein arabisches Landheer in Kleinasien geschlagen. Ein verheerender Sturm überraschte die Flotte auf dem Rückmarsch vor der pamphylischen Küste und machte die Niederlage zur Katastrophe. 27 Muawiya sah sich zu einem demütigenden Friedensschluß mit hohen Jahrestributen gezwungen.28 Das Reichszentrum hatte den ersten konzentrischen Großangriff des Islam zurückgewiesen. Offensive

in Afrika

(665—687)

Diese weit ausgreifenden arabischen Unternehmungen zur See wurden, zumal im Westen, durch den gleichzeitigen Vormarsch zu Lande ermöglicht und unterstützt. Um die Mitte des 7. Jahrhunderts fielen dem Islam in kurzer, ereignisreicher Folge die wichtigsten Häfen der südlichen Mittelmeerküste zu. 643/644 schon hatte die byzantinische Flotte den befestigten Hafen von Tripoli aufgegeben und zog sich mit seiner Besatzung vor dem arabischen Land-Angriff auf das offene Meer zurück; bald darauf wurde der gegen Konstantinopel empörte Patrikios Gregorios von Afrika von den Arabern vernichtend geschlagen.28 Gleichzeitig ging im äußersten Nordwesten des byzantinischen Bereichs Genua und der lange Streifen ligurischer Küste von Luni bis zur fränkischen Grenze verloren — die Stadt hörte damit auf, ein bedeutender Hafen zu sein, denn die Langobarden blieben in ihrer ganzen Geschichte der Seefahrt abgeneigt.30 Die Reichsflotte freilich, die sich offenbar schnell von dem 27

Theophanes a.a.O.; Nikephoros ed. de Boor, 32 (ed. Bonn., 36, 37); die arabischen Quellen bei M. Canard, Les expéditions des Arabes contre Constantinople dans l'histoire et dans la légende, Journal Asiatique, 207 (1926), 77—80, und Wellhausen, Die Kämpfe der Araber, 422 ff. 28 Dölger, Regesten der Kaiserurkunden, I, 28 Nr. 239. 29 el-Bekri in Journal Asiatique, Serie V, Bd. 12 (1858), 435. Theophanes ed. de Boor I, 343, (ed. Bonn., 525); Pseudo-Fredegar IV, 81, M.G.SS. rer. Merov. II, 162. 30 Paulus Diaconus IV, 45, M.G.SS. rer. langobard., 135. Das ganze Gebiet von Luni bis Genua war schon zuvor durdi die Franken unter König Chlotar schwer heimgesucht und seiner Befestigungen beraubt worden. (Pseudo-Fredegar, IV, 71, M.G.SS. rer. Mer. II, 156, 157.)

24

Der Niedergang

der Römischen

Seeherrschaft

Schlage von 655 erholt hatte, behauptet sich im Ionischen Meer. 669 erschien eine außerordentlich zahlreiche Flotte in Sizilien und stellte die Ruhe in den gegen Konstans II. empörten Westprovinzen wieder her. 51 Nachdem die byzantinische Herrschaft in den ihr verbliebenen Teilen Nordafrikas durch den Aufstand des Exarchen Olympios in den fünfziger Jahren geschwächt worden war, 32 begann Muawiya b. Hodeidj 665 die Eroberung Byzaciums, des südlichen Tunesien. Noch im selben Jahre drang er bis Hadrumetum vor und setzte sich trotz erbittertem Widerstand der Berber in seinem neuen Hauptstützpunkt Kairoan fest. 33 Schon damals wäre es mit der byzantinischen Herrschaft in Nordafrika vorbei gewesen, hätten nicht die Berber selbst, mit den Griechen verbündet, so erbitterten Widerstand geleistet. Ein langes und zähes Ringen entspinnt sich in den folgenden Jahrzehnten zwischen den Anführern der beiden Parteien: dem Nachfolger Ibn Hodeidjs, Sidi Okba, und dem Berber-König Kosseila. 687 führt der Tod Sidi Okbas die Niederlage der islamischen Seite herbei. Die Berber nehmen die Neugründung Kairoan ein, und die geschlagenen Mohammedaner fallen bis auf die Halbinsel Barka zurück. So bleibt der fruchtbare Küstenrand mit Hadrumetum griechisch, während das Innere den eng alliierten Berbern gehört. 31 Verlust der Proconsularis

(693—698)

Unter den unbotmäßigen Stämmen der Berber wie unter den großen Sippen-Verbänden der erobernden Beduinen bedeutet in jenen Jahren die Kraft und Persönlichkeit ihres Führers alles. So bricht mit dem Tode Kosseilas die Reaktion der Berber in sidi zusammen. Der Kalif Abd el-Malik, das bedeutendste Organisations- und Verwaltungstalent der omaiyadischen Dynastie, schickt 693 Hasan b. Noman nach Afrika. Die einmal dem Islam gewonnene Gegend von Kairoan darf nach dem Gesetz des Islam den Abtrünnigen unter keinen Umständen überlassen werden. Und mit ungeminderter Energie dringt die zweite arabische Welle in den tunesischen Raum ein, über den von den Bergen von Aurès aus sich gleichzeitig das numidische Großkönigtum der berberischen Prophetin, der „Kahena", ausbreitet. 35 Und diesmal geht es nicht nur um die Freiheit der Berber, sondern um den Bestand der byzantinischen Küstenherrschaft. Trotz entschlossener Gegenwehr des Exarchen 32

Ch.Diehl, L'Afrique Byzantine, Paris (1896), 566, 567.

Ibid., 568; Ibn Khaldoun ed. de Slane, I, 2 8 6 — 2 8 7 ; G. Marçais, La Berbérie Musulmane et l'Orient au Moyen Age, Paris (1946), 29 ff. 33

31

Diehl, L'Afrique, 568—580.

35

Ibid., 580, 581; Ibn Khaldoun, ed. de Slane, I, 213.

Der arabische Einbruch ins Mittelmeer

(648—710)

25

werden 695 das ganze prokonsularische Afrika (Zeugitana) und schließlich Karthago selbst von Ibn Noman erobert.3" Kaum ist die Nachricht von Karthagos Fall in Konstantinopel eingetroffen, als Kaiser Leontios zu entschlossenen Gegenmaßnahmen greift. Unter dem tatkräftigen Patrikios Johannes wird alsbald eine starke Flotte abgesandt. 37 Vor den Toren Karthagos schlägt Johannes jeden maritimen Widerstand siegreich aus dem Felde, durchbricht mit seinen Dromonen die Sperrkette vor der Einfahrt und rollt so von innen, vom Hafen her, den arabischen Widerstand auf. Darauf befreit er „alle festen Städte Afrikas" 38 — d. h. er wiederholt mit seiner Flotte das gleiche Manöver und erobert die Festungen des byzantinischen Afrika, nämlich die Häfen der tunesischen Küste.3" Auf diese Nachricht kam die Kahena von den Bergen herab, erschien im Rücken der Araber und lieferte ihnen eine vernichtende Schlacht. Zuhair, der neue Statthalter des arabischen Tunis, erlitt auf dem Rückmarsch in Barka den vom Propheten gepriesenen Märtyrer-Schlachttod im Kampf gegen ein ausgebootetes Landungscorps der Byzantiner; Hasan zog sich ganz nach Osten zurück.40 Die Zähigkeit des omaiyadischen Eroberers überwand auch diese Niederlage. Während Johannes mit seiner Flotte in Karthago überwinterte, rüstete Hasan schon zu seiner Wiederkehr, und im nächsten Frühjahr brach der dritte, diesmal endgültig siegreiche Ansturm des Islam über das Land herein. Diesmal schlug der Eroberer, im Geist Muawiyas, mit gleichen Waffen zurück und erschien mit einer eigenen Flotte auf der karthagischen Reede. Mit umgekehrten Vorzeichen wiederholte sich nun die entscheidende Flottenaktion vorm Eingang des Hafens. Hasan brach in das Hafenbecken ein und besiegte die Griechen, deren ganz überwiegender Teil allerdings das offene Meer gewann und unter Johannes' Führung die Heimfahrt nach Konstantinopel antrat (698).41 Während Hasan sich so den Rücken gegen Eingriffe von Byzanz her freigehalten hatte, wandte sich sein Heer den Berbern und ihrer Propheten-Königin im Innern zu. Nach langer, erbitterter Gegenwehr ging se Theophanes ed. de Boor, I, 370 (ed. Bonn, I, 566, 567); Nikephoros Patriarcha, ed. de Boor, 39 (ed. Bonn., 44, 45); Diehl, l'Afrique, 583. 37 Theoph. ed. Boor a.a.O., (ed. Bonn I, 567) und Nikeph. Patr. a.a.O. 39 Theophanes a.a.O. 39 Dieser Bereich entsprach ungefähr dem bestellten Acker- und Gartenland des heutigen Tunesien: Das niedere Hinterland der Stadt Tunis und der Sahel sowie der im Durchschnitt 15—20 km tiefe Küstenstreifen an der tunesischen Ostküste hinab bis südlich Sfax. 40 al-Baladuri ed. Hitti, 360, 361; Diehl, l'Afrique, 584; Wellhausen, Die Kämpfe der Araber, 434. 41 Theophanes a.a.O. Für die Chronologie vgl. audi Wellhausen, op. cit., 434—436.

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Der Niedergang

der Römischen

Seeherrschafl

die Kahena auf einem ungenannten Schlachtfeld (wohl in der Nähe Tabarkas) inmitten der sich zur Flucht wendenden Krieger kämpfend zu Grunde." Es war zugleich das Ende des byzantinischen Afrikas, der Wiege der heraklidischen Dynastie und aller heidnischer Groß-Königtümer der Berber. Das muselmanische Ifriqiya mit seiner neuen Steppen-Hauptstadt, dem Handels-Knotenpunkt Kairoan, war Wirklichkeit geworden. Als hätte die christliche Seite mit diesem Schicksalsschlag noch nicht genug erlitten, bereitete sich auf dem Rückmarsch der Flotte eine weitere politische Katastrophe vor. In Kreta machte das Geschwader Halt, setzte den Patrikios ab und weigerte sich, „sowohl aus Furcht wie aus Scham", unter die Botmäßigkeit des Leontios zurückzukehren. Sie erhoben daher den Drungarios des maritimen Themas der Kibyrrhaioten, der höchstwahrscheinlich die Expedition an der Spitze seines Flottenkontingentes begleitet hatte, unter dem Namen Tiberius zum Kaiser und fuhren gegen die Hauptstadt. 43 Niemand mochte in den folgenden Wirren zwischen zwei tüchtigen Usurpatoren und einem Kaiser von vielberufener Niedertracht daran denken, ein neues Expeditionsheer nach Afrika auszusenden. Immerhin war nach dem Scheitern der mehrjährigen Belagerung Konstantinopels das maritime Vorfeld der Hauptstadt fest in der Hand der oströmischen Flotte. 672/73 unternahm die byzantinische Flotte, die ihre taktische Überlegenheit vor der Hauptstadt bewiesen hatte, einen Uberfall auf die Stadt Barallus an der ägyptischen Küste, wo die Araber hohe Verluste erlitten. Aber es war erkennbar, daß die Gefahr eines arabischen Angriffs von See nodi nicht gebannt war. Auf den Angriff gegen Barallus hin wurde das Arsenal auf der Nilinsel Roda eingerichtet, und wenig später brachte der Kalif Abd el-Malik ( 6 8 5 — 7 0 5 ) die syrischen und ägyptischen Flottenkräfte seines Reichs in ein geordnetes System. In gemeinsamer Benutzung der Stützpunkte gewöhnte man sich an eine enge Zusammenarbeit; 44 schon zeichnete sich in Tunesien eine neue arabische Marine-Basis ab. Man hatte nodi immer an die Verteidigung des unmittelbaren ägäischen Bereiches zu denken, und nach den Mißerfolgen zu Land gegen die Langobarden in Unteritalien um die Mitte des 7. Jahrhunderts lag die Zurückgewinnung der ligurischen Küste den Machthabern Konstantinopels noch ferner als Hadrumet und Karthago. 42

el-Bekri, trad, de Slane, Bd. 12, 432—434; Bd. 13, 78; al-Baladuri, 361.

43

Theophanes a.a.O.

4 4 Vgl. Bell, Translation of the Aphrodito Papyri, Der Islam, I V , 94: „for the sailors of the acatia and dromonaria of the raid of the 12th indiction, who set out from Laodicea and returned in the present 13th indiction . Z u m Flottenüberfall auf Barallus: Ibn Abd al-Hakem, Futuh Misr, ed. Thorrey, 124; al-Kindi, Governors of Egypt, 38; hierzu und zur Errichtung des Arsenals von Roda A. Moh. Fahmy, 35 mit weiteren Quellen und unten, S. 129 f.

Der arabische Einbruch

Die Gründung

von Tunis

ins Mittelmeer

27

(648—710)

(695—700)

Es wollte nun scheinen, als ob die Araber in wachsendem Verständnis für die Bedeutung, die der Beherrschung der See bei der geplanten Eroberung der Mittelmeerwelt notwendig zukam, den technischen Vorsprung der byzantinischen Flotte aufholen würden. Ibn Noman konnte es nicht entgehen, daß ihm mit einer Flotte in kurzer Zeit gelungen war, was seinem Vorgänger Okba trotz aller Überlegenheit zu Lande versagt geblieben war. Hatte nicht Okba vor einem halben Jahrhundert schon die ganze Tiefe des Maghreb bis zum Antiantik durchmessen, und vor Gibraltar Halt gemacht, weil es noch keine Flotte gab, den schon geplanten Überfall auf das Königtum der Westgoten zu verwirklichen? 45 Hatte nicht die Flotte des Patrikios Johannes ihm selbst die schon eroberte Provinz wieder aus den Händen gerissen? Hatte nicht eine Seeschlacht vor und im Hafen von Karthago das meiste entschieden? So wendete sich Hasan alsbald nach der Eroberung der alten phönikischen Metropole an Abd el-Malik um maritime Hilfe und baute in seiner neuen Hauptstadt Tunis, eine kurze Strecke südöstlich der nun für immer zerstörten Nekropolis, Hafen und Arsenal einer ständigen künftigen Seemacht. Noch galt es, äußerste Vorsicht beim Bau seiner neuen Schiffe zu beobachten, um sie vor dem Überfall der überlegenen griechischen Geschwader zu schützen. So wurden am See von Tunis Wachstationen eingerichtet und die Stadt und der Hafen befestigt: Der flache Binnensee schützte allein schon gegen einen entfalteten Aufmarsch der feindlichen Flotte. Schließlich wurde die noch „auf dem Trockenen" liegende Seemacht des Binnenseearsenals durch einen im See vertieften Kanal mit dem Meere verbunden.46 Dann wandte man sich der näheren maritimen Umgebung zu: Sicher waren die küstennahen Inseln der Großen Syrte mit dem Erscheinen der Flotte in die Hand der islamischen Eroberer gefallen; und um das Jahr 700 griff man bereits Pantelleria an, wohin sich zahlreiche afrikanische Griechen geflüchtet hatten. Die Festungen der Insel wurden genommen; von dieser Seite war der Weg für weiterreichende Angriffe gedeckt.47 Die Erinnerung an die beutereichen Züge gegen Sizilien vor einem halben Jahrhundert mag damals verblaßt gewesen sein, und es war wenig verwunderlich, daß der neue Statthalter Musa, der die maritimen Neubauten Ifriqi45

Audi die noch unbezwungenen Berber im Großen Atlas und R ï f ließen ein solches

Unternehmen gefährlich erscheinen. Vgl. E. L é v i - P r o v c n ç a l in E n z . des Islam, I I I , 1040, 1041. ® el-Bekri, Bd. 12, 5 0 8 — 5 1 1 ;

4

Pseudo Ibn Qutaybah in al-Maqqari,

ed.

Gayangos,

London (1840), Appendix, lxvi f. F ü r technische Einzelheiten des Arsenals und des F l o t tenbaus s . u . S. 119 ff. 47

Vasiliev-Grégoire-Canard, B y z . et les Arabes I ( L a Dynastie d'Amorium), 63, 64.

Der Niedergang der Römischen

28

Seeherrschaft

yas fortsetzte, oft auf energischen W i d e r s t a n d stieß. Jener K a d i sprach sicherlich keine ganz ausgefallene Meinung aus, als er erklärte: Ein M a n n mit gesundem Menschenverstand könne nicht d a r a n denken, auf See zu gehen; man solle d o d i jedermann, der sich auf ein Schiff begäbe, seiner bürgerlichen Rechte berauben. 4 ® Eine Anekdote, die Pseudo-Ibn Q u t a i b a h über die ersten Schwierigkeiten Musas erzählt, ist sicherlich nicht ohne realen H i n t e r g r u n d . Danach entsetzten u n d erregten sich die A r a b e r zuhöchst über die Anlage der Werften, den Flottenbau Hasans u n d Musas, verurteilten seine T o l l k ü h n heit u n d prophezeiten d a n n allenthalben das sichere Scheitern des U n t e r n e h mens. Freilich k a m im rechten Moment, als der E m i r schon schwankte, ein 120jähriger Greis des Wegs, der von einer nämlichen Krise zu Beginn der karthagischen Seeherrschaft zu berichten w u ß t e u n d Musa die gleichen erstaunlichen Früchte verhieß, die einst dem phönikischen Wagnis vergönnt w o r d e n w a r e n . Musa vollendete d a n n seine erste Flotte, einhundert Kiele stark. 49 Die Expedition

des Ata b. Rafi (ca. 703)

Indessen k a m zunächst die ägyptische Flotte Musa zuvor. K u r z nach 700 50 erschien im H e r b s t ein starkes ägyptisches Geschwader unter A t a b. R a £ in Ifriqiya, u m Sizilien anzugreifen. D i e Jahreszeit w a r vorgeschritten; noch stand der hier meist plötzliche und heftige Wettersturz des beginnenden Herbstes mit seinen gefährlichen Weststürmen aus. Musas W a r n u n g , d a ß die Zeit der Seefahrt in diesem Jahre vorbei sei u n d d a ß der A d m i r a l nur sich u n d seine M ä n n e r dem f a s t sicheren Verderben ausliefern werde, traf auf taube O h r e n . D e r hochmütige Ata „hob sein H a u p t mit Verachtung, . . . rüstete die Schiffe u n d lichtete die A n k e r " . Das erwartete Unglück blieb nicht aus. Mit reicher Beute kehrte der Admiral von seinem R a u b ü b e r f a l l auf Sizilien oder eine der vorgelagerten Inseln wie Lampedusa oder Licosa zurück, wurde aber k u r z vor seiner H e i m k u n f t v o n einem schweren Sturm überfallen. D e r größte Teil der Flotte w u r d e vernichtet; A b d u l Aziz, Musas Sohn, sammelte a m S t r a n d e die Leichen der E r t r u n k e n e n , die kostbare angeschwemmte Beute, T r ü m m e r und Wracks der Galeeren. Die geretteten M a n n schaften u n d r e p a r a t u r f ä h i g e n Schiffe w u r d e n nach Tunis gebracht, w o Musa sich der Überlebenden großzügig annahm. Einige von ihnen siedelten in I f r i qiya und kehrten nicht mehr nach Ä g y p t e n zurück, so d a ß noch J a h r e später 48

Reinaud, Extraits des Historiens arabes des Croisades, Paris, (1829), 370, 476. Pseudo-Ibn Qutaybah, lxv f. Die Anekdote wurde vielleicht ursprünglich über Hasan b. Noman erzählt. 49

50

Amari datiert 703: Storia I, 292, vgl. Aphrodito Pap. 1350 (v. 4. Médieir, 8. Ind. = Jan. 709).

Der arabische Einbruch

ins Mittelmeer

(648—710)

29

von dort Nachforschungen nach ihrem Verbleib angestellt wurden. 51 Und das erbeutete Gold wirkte mehr als der Schrecken: Als Musa die eigenen Schiffe im folgenden Frühjahr rüstete, fehlte es nicht an Freiwilligen. Lange Jahre der Arbeit im Arsenal hatten eine sorgfältig ausgerüstete Flotte geschaffen; Musa verkündete den Heiligen Krieg. Der „Kriegszug

der Erlauchten"

(704—710)

Alle streitbare Mannschaft unter den Klans der Araber in Ifriqiya schiffte sich ein. In letzter Minute, als alles bereit war in See zu stechen und man die Anker schon lichtete, übergab Musa die Admirals-Standarte seinem Sohne Abdallah, der dann das ganze Unternehmen selbständig führte. Man eroberte eine unbekannte Stadt an der sizilianischen Westküste; und unbeschädigt kehrte die von ihrer Besatzung nach der Uberlieferung „Kriegszug der Erlauchten" benannte Expedition nach Tunis zurück (704).52 Ein ähnliches Unternehmen richtete sich im nächstfolgenden Jahr unter Ibn Ayyad b. Akhal gegen Syrakus, von wo man nach Plünderung der Umgebung mit zahlreichem Beutegut heimkehrte. 53 Sicherlich wäre es verfehlt, diesen kurzen und nur zu oft unglücklichen Raubüberfällen auf die benachbarten Inseln von der sicheren BinnenseeBasis Tunis aus zu viel Bedeutung beizumessen. Doch zeigten die Ereignisse der folgenden Jahre, Musas Triumphzug durch den Maghreb und der überraschende Sieg seiner Vorhut in Spanien, daß das Geschwader von Ifriqiya eine gewisse Selbständigkeit und Unabhängigkeit von der Seekriegslage in der Levante und Ägäis gewonnen hatte. Dort lag seit den letzten Jahrzehnten des 7. Jahrhunderts die Initiative zur See wieder in den Händen der Byzantiner; aber schon bereitete sich in Ägypten jene gewaltige Anstrengung vor, die Flotte und Heer 717 gegen Konstantinopel führte. 54 Musa freilich erfreute sich offenbar 710 bereits einer erstaunlichen maritimen Handlungsfreiheit. Denn in diesem Jahre, als eben unter Tarik der Angriff seiner gesammelten Kräfte in Spanien begonnen hat, wirft er gleichzeitig eine bedeutende Flotte gegen das nächste Großziel vor der tunesischen Basis: Sardinien. 51 Ps.-Ibn Qutaybah, lxv, Ixvi. Einen Einblitk in die Auswirkungen der Katastrophe, die in den ägyptischen Rekrutierungsbezirken verursachten Verluste und die völlige Zerstreuung audi der geretteten Mannschaften gewährt der Aphrodito Papyrus N r . 1350, Bell, Translation, der Islam, II (1911), 270. D a z u Beils Kommentar und Text in: Greek Papyri in the British Museum, London (1910), Bd. IV, 24 f. 52

Ibid., Lxvii.

53

Ibn al-Khattan in Ibn Idhari, al-Bayan, ed. Fagnan, I, 35.

54

E . W . B r o o k s , The relations between the Empire and Egypt, B.Z. 22 (1913), 383.

Der Niedergang

30

der Römischen

Seeherrschaft

Eine größere Hafenstadt wird von dem muselmanischen Heere anscheinend ohne Kampf genommen, und mit den geplünderten Gütern beladen macht sich die Flotte auf den Heimweg. Auf der kurzen Uberfahrt von Sardinien nach Ifriqiya aber wird die Flotte im Sturm zerstört. 55 Um die gleiche Zeit erzwangen Musas Geschwader eine zumindest nominelle und vorübergehende Unterwerfung der Balearen,54 bzw. „der Könige von Menorca und Maiorca" und „zwanzig Könige der Inseln der Rum" 58 — jedenfalls bemerkte Musa in späteren Jahren einmal zum Kalifen-Sohne Sulaiman in Baghdad, daß sein Sohn Merwan „die Fürsten von Sizilien, Sardinien, Maiorca und Menorca" als Gefangene eingebracht hätte."

55

Ibn al-Athir, ed. Fagnan, 51, 52. al-Bayan, ed. Fagnan, I, 39. 57 Pseudo-Ibn Qutaybah, lxxxix. Es handelte sich wahrscheinlich um vornehme Gefangene aus Sardinien und West-Sizilien sowie um Geiseln der kleineren Inseln. 68 Ibid. 56

II. Kapitel Die Behauptung Ostroms (716-747) Die zweite Belagerung Konstantinopels

(716—718)

Weiterreichende Entscheidungen aber fielen in diesen Jahren im Osten. Der über ein halbes Jahrhundert lang in der Form von räubernden Vorstößen und Gegenvorstößen geführte Seekrieg drängte zuletzt zur zielbewußten Auseinandersetzung. Seit etwa 695, der aggressiven Münzpolitik Abd el-Maliks folgend, entspann sich zum ersten Male ein vor allem vom byzantinischen Reich mit Entschlossenheit geführter Wirtschaftskrieg zwischen den beiden Orientmächten. Ägyptische Exportgüter wurden im Westen rar. Die Beeinträchtigung des Handelsverkehrs vor allem auf der südlichen Längsachse des Mittelmeeres war eine Folge der byzantinischen, nicht der arabischen Seeüberlegenheit.1 Für die endgültige Auseinandersetzung vor den Toren Konstantinopels mußte man wiederum für den gesamten Flottenbau die schwindenden Bauholz V o r r ä t e der seit über zwei Jahrtausenden ausgebeuteten Bestände im Libanon angreifen. Die großen Erfolge der letzten Jahrzehnte in Afrika und im westlichen Mittelmeerraum werden das Kalifat dazu ermutigt haben, sich über die abschreckenden Erinnerungen an die erste Belagerung Konstantinopels hinwegzusetzen. Der zweite Großangriff auf die Hauptstadt kündigte sich schon lange zuvor in den Vorbereitungen des Kalifen Walid an. Der 713 aus den Thronwirren um den Tod Justinians II. zur Regierung gelangte Anastasios II. traf energische Maßnahmen zur Verteidigung: Wie zur Zeit Konstantins IV. wurden die Mauern instand gesetzt, die Wurfgeschütze und die Flotte vermehrt, die fähigsten Kommandeure berufen, die Speicher gefüllt und dazu der Bevölkerung befohlen, sich mit Vorräten für drei Jahre zu versehen oder die Stadt zu verlassen. Eine Gesandtschaft an den Kalifen Walid nach Damaskus erhielt den Geheimauftrag, näheres über die Rüstungen in Syrien zu erkunden. Dann entschloß sich der Kaiser zum Gegenangriff und sammelte Seestreitkräfte sowie die Truppen des Themas Opsikion auf Rhodos, um die Werften und Bauholzstapel der syrischen und ägyptischen Flotten an der Küste des Libanons samt einem aus Alexandrien dorthin entsandten Kriegsgeschwader in einem Schlag zu vernichten. Der kühne Versuch, die arabische 1

Für diese maßgebliche Korrektur der Pirenne'sdien These vgl. unten, S. 266 ff.

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Der Niedergang

der Römischen

Seeherrscbaft

Invasion noch im Keim zu ersticken, wurde zunichte gemacht. Wie so oft in den innerpolitischen Wirren unter den letzten Herakliden und ihren Nachfolgern revoltierten die Truppen, erschlugen ihren Feldherrn, setzten nach Kleinasien über und erhoben hier einen Gegenkaiser in Theodosios III. (715).2 Die weitschauenden Schritte des Anastasios waren nicht umsonst gewesen. In Gegenwart des Kalifen versammelte sich im Sommer 715 ein zahlreiches Heer in der Ebene von Dabiq bei Aleppo und wurde unter dem Kommando von dessen Bruder Maslama b. Abd al-Malik in Marsch gesetzt. 716 erschien das Heer vor Amorion, die Flotte vor der kilikischen Küste. Im folgenden Winter zog sich Maslama offenbar ins östliche Kleinasien zurück, während seine Seestreitkräfte in Kilikien ankerten. Nach dem Aufbruch aus den Winterquartieren, im Frühjahr 717, nahm er den Marsch nach Westen wieder auf, eroberte Pergamon und setzte im Sommer bei Abydos über den Hellespont. Darauf marschierte das Heer durch Thrakien auf die Hauptstadt, die es am 15. August erreichte. Vor den Landmauern errichtete Maslama ein befestigtes und umwalltes Lager für seine Kavallerie und am 1. September kreuzte die Kriegsflotte in Stärke von 1800 Schiffen unter dem Admiral Sulaiman vor den Seemauern Konstantinopels auf. In der Stadt regierte seit wenigen Monaten Leon III. der Syrer, der die Verteidigung mit Energie und Umsicht leitete.3 Die Persönlichkeit des „Isauriers" — nach einer irrtümlichen Notiz bei Theophanes so genannt, obwohl er sicher aus Marasch (Germanikeia) in Syrien stammte, hat in den folgenden Jahren die Gestalt des byzantinischen Reiches für eine ganze Epoche — die der Ikonoklasten — geprägt. In einer brillanten Karriere vom ein2 Theophanes ed. de Boor, I, 383—385 (ed. Bonn., I, 588—591); Nikephoros, ed. de Boor, 49, 50 (ed. Bonn., 56, 57); Dölger, Regesten der Kaiserurkunden des Ostrom. Reichs, I, 33, N r . 273 und 274. 3 K i t a b al-Uyun und T a b a r i bei E. W. Brooks, T h e campaign of 717—718 f r o m Arabic sources, J o u r n a l of Hellenic Studies, 19 (1899), 21—23, 30; Theophanes ed. de Boor, I, 386, 387, 390, 395 (ed. Bonn., I, 593, 599, 607, 608); Nikephoros ed. de Boor, 52, 53 (ed. Bonn., 58, 59). — Nach Theophanes, 593, Nikephoros 53 und K i t a b al-Uyun, 23, setzte Maslama bei Abydos, nach Constantin VII., De adm. imp. ed. Moravcsik-Jenkins, 92 (ed. Bonn., 102) bei Lampsakos über. — Dölger, Regesten, I, 34 N r . 282. Z u r Chronologie R. Guilland, L'expédition de Maslama contre Constantinople, Etudes byzantines, Paris (1959) 116—118 und Brooks, op. cit. 20. Einen sorgfältigen Vergleich der z . T . widersprüchlichen, historischen und legendären Quellen gibt Francesco Gabrieli, L'eroe omayyade Maslaman Ibn ' A b d al-Malik, A t t i della Accademia nazionale dei Lincei, 5 (1950), 22—39. Der sehr anschauliche Bericht des Theophanes ist nunmehr auch in der kommentierten deutschen Übersetzung von Leopold Breyer, Bilderstreit und Arabersturm in Byzanz, das 8. J h d t . (717—813) aus der Weltchronik des Theophanes, Byzantinische Geschichtsschreiber, V I I , G r a z (1964) 26 ff. v e r f ü g b a r .

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fachen Soldaten zum Strategen und in den gefährlichen Thronwirren der vorausgegangenen Jahre schließlich zum Purpur aufgestiegen, als Feldherr und Politiker tatkräftig, leidenschaftlich und klug, wurde er von den bildertreuen Chronisten mit unersättlichem H a ß verfolgt, von seinen arabischen Gegnern als Diplomat und Kriegsmann bewundert. Hier, am Anfang seiner Regierung, stand er der schwersten Krise des Reichs gegenüber.4 Am 3. September ging die arabische Flotte mit günstigem Südwind unter Segel und zog an den Propontismauern der Stadt entlang nach Norden, offenbar, um die griechische Flotte in ihren Propontishäfen und im Goldenen Horn gegen Osten und Norden einzuschließen. Die Nachhut von 20 schweren Schiffen, jedes mit 100 gepanzerten Soldaten besetzt, kam in der Bosporus-Strömung nur schwer voran und blieb weit hinter dem Gros des Geschwaders zurück. Leon der Syrer, der das Manöver von der Höhe der Akropolis aus beobachtete, schickte ihr einen Schwärm von Galeeren mit griechischem Feuer nach, die in die feindliche Ordnung einbrachen; er selbst warf sich an Bord einer schnellen Feuer-Galeere ins Getümmel und verbrannte mehrere feindliche Schiffe. Die Mehrzahl der arabischen Einheiten fing Feuer und wurde vom plötzlich umschlagenden Wind gegen die Seemauern getrieben, wo die Schiffe zerschellten und mit ihren Mannschaften untergingen; andere, weiter nach Süden abgedrängt, scheiterten schließlich vor den Inseln der Marmara. In der folgenden Nacht plante die arabische Flotte, die Enterbrücken an die Seemauern anzulegen und die Stadt von dort her zu erstürmen. Als jedoch Leon I I I . die Kette von Galata zum Ufer unter der Akropolis, die das Goldene Horn sperrte, senken ließ, zog sich der Gegner, vom Untergang der Nachhut entmutigt, in den Bosporus zurück und ging am europäischen Ufer etwa in der Höhe des heutigen Rumeli Hissar, der Zwingburg des E r oberers Mehmet II., vor Anker. — Zu Lande vermochten die Wurfgeschütze und Sturmangriffe Maslamas gegen die gigantischen Doppelmauern Theodosios' I I . nichts auszurichten. Es folgte ein ungewöhnlich harter Winter, der Thrakien einhundert Tage lang mit tiefem Schnee bedeckte. Die Versorgung der Belagerer brach zusammen, Kamele, Pferde und Tragtiere erfroren oder wurden verzehrt, Hunger und Kälte dezimierten das arabische Heer. 5 Maslama aber setzte die Belagerung unbeirrt fort. Im Frühjahr erschien eine Flotte von angeblich 400 schweren Schiffen aus Ägypten und 360 Fahrzeuge mit Waffen und Vorräten aus Nordafrika, „so daß das Meer von der 4

K a r l Schenk, Kaiser Leon III., Halle (1880), ders., Kaiser Leons Walten im Innern,

B . Z . 5 (1896), 2 9 6 ff. Zur Herkunft und Karriere Leons: Theophanes ed. de Boor 3 9 1 — 3 9 5 (ed. Bonn. 6 0 0 — 6 0 7 ) ; Kitab al-Uyun a.a.O. 21, 22. 5

Theophanes ed. de Boor, 3 9 6 (ed. Bonn. 6 0 8 , 609), Nikephoros, ed. de Boor,

(ed. Bonn. 6 0 ) ; Guilland, L a diaine de la Corne d'Or, Etudes byzantines, 264. 3

Eickhoff, Seekrieg

53

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Der Niedergang

der Römischen

Seeherrschaft

Stadt bis Heireia (die Landspitze südlich Chalkedons) mit Masten bedeckt war". Allerdings wagten auch die Neuankömmlinge kein offenes Gefecht mit den „feuerspeienden Dromonen", sondern ankerten in den Häfen, die ägyptische Flotte an der europäischen Seite des Bosporus, die afrikanische am asiatischen Ufer. Schon bei der Ankunft liefen zahlreiche christliche Seeleute des ägyptischen Geschwaders auf den Beibooten der Schiffe zu den Griechen über. Von diesen Kopten beraten, eröffnete Leon III. noch einmal den Angriff der Schlachtdromonen, diesmal gegen das Gros der sarazenischen Flotte. Die arabischen Schiffe wurden in einem Meer von Flammen vernichtet; die Seeleute, die von den brennenden Galeeren in die Propontis sprangen, wurden im Wasser mit Pfeilen erschossen oder mit Rudern und Enterhaken erschlagen. Die Hauptmacht der Flotte Maslamas war zerstört, die Seeseite Konstantinopels frei. Maslamas Truppen, die auf der asiatischen Seite tief im bythinischen Hinterland bis zum Sangarios hin Beute machten, wurden durch Uberfälle beweglicher griechischer Verbände aus Bergen und Wäldern zum Rückzug gezwungen. So waren die Versorgungsadern der Hauptstadt nach Osten geöffnet; die Kampfdromonen mit ihrem griechischen Feuer hielten den Rest von Maslamas Flotte so völlig in Bann, daß die griechischen Fischer bis zu den Marmara-Inseln hin ihrer friedlichen Arbeit nachgehen und die Märkte Konstantinopels versorgen konnten. Schließlich gelang es Leon, die Bulgaren von Norden her gegen die Araber in Bewegung zu setzen, welche von diesen unerwarteten Verbündeten des Kaisers eine verlustreiche Niederlage erlitten. — Am 15. August 718, nach genau einjähriger Dauer, hob Maslama die Belagerung auf; seine Reitermassen flüchteten über den Hellespont nach Asien zurück, während die Uberreste der Flotte durch wiederholte Stürme in der Marmara und der Ägäis fast völlig vernichtet wurden.® 8

Theophanes, ed. de Boor 396—399 (ed. Bonn. I, 609—614); Nikephoros, ed. de Boor, 53—55 (ed. Bonn. 60—62); Dölger, Regesten I, 34 N r . 283; Abul F a r a d j (Bar Hebraeus) ed. Kirsch, Lipsiae (1789) II, 123, 124; Michael der Syrer ed. Chabot, II, 485 (ed. Langlois, 252); K i t a b al-Uyun, a.a.O. 26, 28, 29; Tabari, a.a.O. 31; Paulus Diaconus, M.G.SS. rer. lang., 187. — Zusammenfassend; E d w a r d Gibbon, Decline and Fall of the R o m a n Empire, L o n d o n (1898 ff.), K a p . 52, IV, 497 ff.; J. B. Bury, Hist, of the Later R o m a n Empire, L o n d o n (1923) II, 401 ff.; Wellhausen, Die K ä m p f e der Araber, 440, 441; C a n a r d , Les expeditions, 80—94 die historischen, 94—102 die legendären arabischen Traditionen des Unternehmens 717/718; R . Guilland, L'expedition de Maslama contre Constantinople, Etudes byzantines, 109 ff. Κ. Α. Alexandres, Ή Θ α λ α σ σ ί α δύναμις είς την ίστορίαν τ η ς Βυζαντνής Αυτοκρατορίας, Athenai (1956), 166 ff. und F. Gabrieli, L'eroe omayyade Maslamah, 27 ff., der vor allem eine ausführliche W ü r d i g u n g der Persönlichkeit Maslams, der die arabische Legendenbildung noch J a h r h u n d e r t e später beschäftigt, als Feldherr, Mensch und Politiker unternimmt. Der Bericht des Theophanes, nach dem die Flotte auf

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Für die östlichen Flotten des Islams war dieser Schlag für lange Jahrzehnte entscheidend. Ungestraft griff die romäische Flotte im Jahre 720 den ägyptischen Kriegshafen Tunis an, ea und selbst zu Lande hatte Byzanz bis 726 Ruhe. Über ein Jahrhundert sollte verfließen, bis neben unabhängigen Korsaren das Kalifat in den uralten Zentren der libanesisch-syrischen Küste und des niederen Kilikien wieder eine schlagkräftige Kriegsmarine aufbauen konnte. Die Auswirkung eines arabischen Sieges während der nodi in vollem Schwünge befindlichen islamischen Expansion wäre vielleicht mit der eines klaren Land- und Seesieges der Karthager im ersten punischen Kriege vergleichbar gewesen. Alles in allem ist das historische Gewicht der Behauptung Konstantinopels in den beiden langen Belagerungen von 674—678 und 717/718 kaum hoch genug zu bewerten. Das mediterrane Gesamtbild während der zweiten Belagerung verdeutlicht dies, während derer bereits ganz N o r d a f r i k a und Spanien, in den kurzen Jahren 711—714 den Westgoten entrissen, in arabischen H ä n d e n waren, einige der wichtigsten Provinzmetropolen Kleinasiens vom Islam erobert, die Bulgaren, die jederzeit wieder von Verbündeten zu erbitterten Gegnern werden konnten, die thrakischen Grenzen überschritten hatten, viele Inseln verödet, Illyrien und Griechenland von slavischen Stämmen überschwemmt und dem Reiche gänzlich entfremdet waren. H ä t t e ein siegreicher Kalif zu Beginn des Mittelalters bereits Konstantinopel zur politischen H a u p t s t a d t des Islams gemacht, wie es beim Ausgang des Mittelalters durch die Osmanen geschah — die Folgen f ü r das christliche Europa, dessen politisch geordneter Rest im Westen nur mehr aus den fränkischen und langobardischen Königreichen bestand, wären kaum zu ermessen. Selbst wenn die Franken, wie es Karl Martell 732 bei Tours und Poitiers gegen den Statthalter des Kalifen in Spanien gelang, einen zugleich aus mehreren Reichsteilen des Kalifats vorgetragenen Angriff hätte abwehren und den Fortbestand eines romanisch-germanischen Abendlandes sichern können — es wäre dies eine ganz andere, von ihren mittelmeerischen Quellen abgeschnittene Kultur geworden, und das Mittelmeer selbst, nur noch von den römischen Provinzgeschwadern im Westen verteidigt, binnen kurzem ein arabisches Binnenmeer. Aber Konstantinopel, von einem energischen und hochbegabten Kaiser verteidigt, mit einer ausfallbereiten, aber gegen Brander und Überraschungsdem Rückwege in der Ägäis von einem Feuerregen völlig vernichtet wurde, braucht nicht unbedingt als legendär betrachtet zu werden. 726 ereignete sich ein vulkanischer Ausbruch zwischen T h e r a (Santorin) und Therasia mit Stein- und Aschenregen in der ganzen Ägäis, von dem Theophanes wenig später erzählt (ed. de Boor, 399 und 404, ed. Bonn. 613, 614 und 622). ea

3*

Kindi, The Governors of Egypt, 70; Aly Moh. Fahmy, 35.

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der Römischen

Seeherrschaß

angriffe durch die K e t t e v o r m Goldenen H o r n gesicherten Flotte gedeckt, h a t t e sich erneut als die ganz uneinnehmbare Festung gezeigt, die es das ganze Mittelalter hindurch geblieben ist. Auch der Westen w u r d e unmittelbar durch die Ereignisse des Winterhalbjahrs 717/718 berührt. D e r Sieg der D r o m o n e n der kaiserlichen Z e n t r a l Flotille v e r d a m m t e die muselmanische Seeaktivität in allen Ecken des M i t telmeers zu ephemerer Piraterie — über h u n d e r t J a h r e noch sind vergangen, bis die plötzlich entfalteten Kräfte der spanischen Korsaren u n d die junge S t o ß k r a f t des aghlabitischen Emirats maßgebliche Änderungen im mediterranen K r ä f t e f e l d erzwingen konnten. Korsarenzüge

von Ifriqiya

(720—752)

W ä h r e n d Ä g y p t e n u n d Syrien zunächst noch völlig darniederlagen u n d sicherlich auch die kaiserlichen Flottenkräfte noch schwere, w ä h r e n d des letzten Ringens erhaltene Verluste abzugleichen hatten, k o n n t e m a n sich in I f r i q i y a wieder den schon gewohnten See-Streifzügen nach den nahegelegenen Küsten v o n Sardinien und Sizilien zuwenden. Die expansiven Kräfte des Landes, z u v o r im ersten schwungvollen Vormarsch auf der P y r e n ä e n Halbinsel absorbiert, w a r f e n sich n u n wieder auf ein unmittelbar erreichbares Feld. 720 brachte man wiederum Beute von Sizilien ein, u n d 727 u n t e r n a h m der Statthalter von Ifriqiya, Bishr b. Schwan, ein Kelbite, einen zweiten Angriff, kehrte mit allerlei P l ü n d e r g u t u n d zahlreichen Gefangenen heim u n d Schloß m i t dem Strategen der Insel einen freilich bald wieder gebrochenen Waffenstillstand ab. 7 Bald darauf steigerten sich das A u s m a ß u n d die Bedeutung dieser Züge: Bishrs Nachfolger U b a y d a h b. Abd e r - R a h m a n schickte bereits im folgenden J a h r e eine Flotte unter U t m a n b. Abi U b a y d a h ab, der w ä h r e n d seines H e e r zuges in Sizilien den Strategen selbst in die Flucht schlug. D e r im nächsten F r ü h j a h r wiederholte Z u g stand unter einem neuen Befehlshaber, al-Mustanir, und n a h m einen weit weniger glücklichen Verlauf: M a n belagerte eine ungenannte S t a d t auf der Insel und w a r t e t e dann, indem m a n sich nicht ohne greifbaren E r f o l g zur A b f a h r t entschließen wollte, zu lange mit der Einschiffung. Auf der H e i m f a h r t von den ersten schweren Stürmen des Herbstes überfallen, entkamen von einer Flotte von 180 Galeeren n u r siebzehn der Vernichtung. Über diese durch das Ungeschick seines Admirals heraufbeschworene K a t a s t r o p h e zeigte sich der E m i r U b a y d a h so ergrimmt, d a ß er al-Mustanir einkerkern und wöchentlich auf einem Esel durch die Straßen von K a i r o a n peitschen ließ. 8 7

Ibn al-Athir, ed. Fagnan, 58. Ibid., 59; al-Maqrizi, al-Muqaffa, Amari, Biblioteca arabo-sicula, Versione italiana (8°) I, 661, 662. 8

Der arabische Einbruch ins Mittelmeer

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730 und 732 fanden ähnliche, kleinere Expeditionen statt; die nächste von 3 3 unter Abdallah b. Ziyad wurde auch auf Sardinien ausgedehnt." Auch diese große Insel, so viel ärmer, rauher und weniger anziehend als das Thema Sizilien, wurde bei den immer häufiger wiederholten Einfällen arabischer Raubgeschwader in jenen Jahren so unsicher, daß König Liutbrand um 725 die Gebeine des heiligen Augustin für schweres Geld den Byzantinern abkaufte und von der Insel nach seiner Hauptstadt Pavia überführen ließ. 10 Doch sollte sich auch in denselben Jahren erweisen, daß damit die Araber noch lange keine uneingeschränkte Handlungsfreiheit zur See gewonnen hatten, und daß man gut daran tat, in kurzen Streifzügen an die zunächst gelegenen Küsten die Dromonen der thematischen Flotte zu meiden. Noch im selben Jahre, 733, begegneten die Schiffe Abu Bakr b. Suwayds, der in Sizilien heerte, einer byzantinischen Flotille, deren griechisches Feuer die ertappten afrikanischen Fahrzeuge verbrannte. 11 7

Der im folgenden Jahre, 734, in Ifriqiya eingesetzte Statthalter Ubaidallah b. al-Habhab wandte seiner Flotte das größte Interesse zu und scheint sich zumal um das Arsenal von Tunis so wesentliche Verdienste erworben zu haben, daß man ihm später fälschlich die Gründung desselben zuschrieb.12 Der vermehrten Flotte des neuen Emirs warfen sich die Dromonen des Themas Sizilien mit Entschlossenheit entgegen, und in der erbittert gefochtenen Schlacht scheint sich die vorjährige Schlappe der Sarazenen wiederholt zu haben: Denn ohne uns von Verlusten ihrer Gegner zu berichten, vermelden uns die arabischen Quellen nur, daß die Griechen ihnen einige vornehme Gefangene abnahmen. 13 Doch ließ sich Ubaydallah durch diesen Rückschlag keineswegs entmutigen; vielmehr trug er sich mit Eroberungsplänen, deren Weite an die Feldzüge Musas erinnern. Der Kommandant der soeben nach 8 10

Ibn al-Athir, 62. Beda, M. G. auct. antiqu. X I I I , 321. Vgl. den Kommentar von E . Besta, La Sardegna

medioevale, Palermo (1908), 3 1 — 3 3 , der in der angeführten Notiz einen Beleg für die — in jener Epoche noch nicht anzuzweifelnde — byzantinische Oberherrschaft über die Insel sieht. 11

al-Bayan I, 4 9 ; al-Maqrizi, Versione, 662. Diese Notiz verbürgt uns, daß schon zu

Beginn des 8. Jahrhunderts die thematische Flotte Siziliens im Besitz von griechischem Feuer war, und wir werden nodi weiteren Nachrichten begegnen, die dieselbe Tatsache mit aller wünschenswerten Deutlichkeit belegen. Lewis ist daher im Irrtum, wenn er annimmt, daß diese Seekriegswaffe ein Monopol der kaiserlichen Zentralflotte von Konstantinopel gewesen sei, durch das dieselbe ihre Überlegenheit über die wiederholt

revoltierenden

Themen-Geschwader gesichert habe. N a v a l Power and Trade, 71. 12

So al-Bayan, I, 49. Al-Kairoani weist die Behauptung entschieden zurück: „Diese

Angabe steht im Widerspruch mit dem, was andere Historiker geschrieben haben, und den Dokumenten, die ich selber gesammelt habe . . . Es ist vielmehr Hasan b. Noman, dem der Ruhm dieses Baues zukommt." Expl. scientif. VII, 66, 67. 18

al-Bayan, I, 4 9 ; Ibn al-Athir, ed. Fagnan, 61.

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Der Niedergang

der Römischen Seeherrscha ft

Sizilien entsandten Flotte, Habib, hatte wenig vorher einen siegreichen Kriegszug durch den Süden bis an die Küste des atlantischen Ozeans durchgeführt, 14 und in den folgenden Seezügen wachsenden Ausmaßes hat Amari die Vorbereitung für eine geplante Eroberung der gesamten Insel Sizilien erkennen wollen. 739 heerte Habib schon wieder in Sardinien, 15 und 740 ging er mit der gesamten Flotte und einem großen Heer nach Sizilien. Mit Syrakus nahm man sogleich Hauptstadt und Herz des Themas aufs Ziel. Selbst spanische Schiffe nahmen an dem Kriegszuge teil," und mit der Ausrüstung wurden Pferde und Belagerungsgerät überführt. An der Spitze der ausgeschifften Kavallerie gewann der Veteran Habib ein Reitergefecht mit den byzantinischen Geschwadern; die Kavallerie war in jenen Jahrhunderten die wichtigste Waffengattung des Reichs auf allen Kriegsschauplätzen von Syrien bis nach Sizilien. Aber eine jener niemals erlöschenden Berber-Revolten in Ifriqiya rief die Flotte trotz aller anfänglichen Erfolge zurück." Zweifellos fanden sich dabei auch zwischen den großen Kriegszügen kleinere Gruppen von Korsaren in christlichen Gewässern: So hielt sich schon kurz vor Habibs Zug 740 ein sarazenischer Haufe auf der Insel auf. 18 Zwölf Jahre später wurde das 740 gescheiterte Unternehmen noch einmal von Abd er-Rahman b. Habib wiederholt. Unter seiner persönlichen Führung und der seines Bruders Abdallah heerten die gelandeten Einheiten mit anfänglichen Erfolgen auf der Insel, doch beschränkte sich schließlich auch dieser Kriegszug auf Plündern und Räuberei an der Küste. 19 Denn unter der tatkräftigen Regierung des Ikonoklasten Konstantin V . war die Insel überall in Verteidigungszustand gesetzt worden, Wachtposten, Festungen und Fluchtburgen waren an ihren Küsten errichtet. Die entsprechend verstärkte Flotte des Themas versah regelmäßigen Wachdienst in den unteritalischen und sizilianischen Gewässern und brachte überall die Kauffahrteischiffe muselmanischer Händler auf. Während des vergangenen Jahrzehnts, während dessen sich Abdallah b. Habib und die anderen arabischen Führer bis nach Tlemcen in unaufhörlichen Kämpfen mit den aufständischen Berbern verwickelt fanden, hatte sich das Gesicht der fruchtbaren Insel für den arabischen Angreifer von Grund aus geändert. Zwar brachte die Flotte noch einmal beträchtliche Beute von der Insel zurück, doch eine im gleichen Jahre (752) nach Sardinien unternommene Expedition endete mit einem Waffen14

I b n a l - A t h i r , 62.

15

al-Bayan a.a.O.

19

Nach Amaris Untersuchung in Storia dei Musulm., I, 3 0 0 Anm. 1.

17

Ibn a l - A t h i r , 62, 6 3 ; a l - B a y a n , I, 50.

18

a l - B a y a n , I, 52.

19

a l - B a y a n , I , 7 0 ; I b n a l - A t h i r , 90; nach letzterem war Abdallah der A n f ü h r e r des

Zuges.

Der arabische

Einbruch

ins Mittelmeer

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stillstand mit den Einwohnern. Es ist der letzte Vorstoß der afrikanischen Flotte, von dem wir für den ganzen Rest des Jahrhunderts vernehmen. 20

Legende und Charakter der ersten arabischen

Seekriegszüge

Trotz aller Anstrengungen der beiden Statthalter, trotz der Unternehmungen Habibs, die die arabischen Geschwader zum ersten Male bis vor die Tore von Syrakus führten, sind Wesen und Resultat der Flottenzüge des frühen 8. Jahrhunderts nicht zu überschätzen. Selbst bei Flottenstärken bis zu 180 Kielen gelang es den Invasoren nie, auch nur während eines einzigen Winters in einer sizilianischen Festung Fuß zu fassen, und es ist mehr als wahrscheinlich, daß man dergleichen meistens nicht einmal beabsichtigte. Wo immer man auf die Dromonen des Themas stieß, zogen die Sarazenen den Kürzeren, und die so häufig wiederholten Schiffbrüche ganzer Geschwader legen kein gutes Zeugnis ab für das navigatorische Können der ersten Kapitäne und Steuerleute von Ifriqiya. Die Traditionen und Anekdoten dieser Jahre verraten nichts von dem Geist entschlossener Eroberer, vom Schwung und der Stoßkraft der Züge im Osten auf die Ägäis und Konstantinopel. Es fehlt ihnen an Weite und Planung; man erzählt sich von lohnenden Räuberstreichen und fetter Beute ohne jede heroische Note. So berichtet Ibn al-Athir vom ersten Heerzug auf der Insel Sardinien: In der größeren Stadt, die man dort kampflos eingenommen hatte, hatten die Einwohner ihre bewegliche Habe zuvor sorgfältig versteckt, und auf ergötzliche und wunderliche Weise spürte man die verborgenen Schätze auf. Einer der Eroberer verfolgte eine Taube, die sich vor dem Jäger in eine Kirche geflüchtet hatte. Der nach ihr im Inneren abgeschossene Pfeil verfehlte sein Ziel und fuhr in die Täfelung der Decke — worauf mit dem ausbrechenden Holz ein Regen von blanken Goldstücken hervorbrach, die man zwischen Sparren und Ziegeln des Daches verborgen hatte. Ein anderer Afrikaner stieg zum Hafen hinab, um sich zu waschen. Auf dem Grunde des Wassers stieß er an ein Gefäß, zog es hervor und fand es bis zum Rande mit Geld gefüllt. Man suchte weiter und fand bedeutende Schätze auf dem Grunde des Hafens versteckt. Auch von den Künsten der Christen, ihre Habe aus den von den Muselmanen besetzten Plätzen zu schmuggeln, erzählte man sich voller Bewunderung allerlei verschlagene Stückdien. 21

Legende und Anekdote im romäisch-arabischen

Seekrieg

Finlay hat bei der Wiedergabe der Legenden, die sich später um den Aufstieg Leons des „Isauriers" rankten, bemerkt, wie unfähig die mönchischen 20

al-Bayan a.a.O.; Ibn al-Athir, 72.

21

Ibn al-Athir, 51, 52.

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Der Niedergang

der Römischen

Seeherrschaft

Literaten des Zeitalters waren, derartige Stoffe in einer höheren und würdigen Form unsterblich zu machen. In der Tat war Byzanz in diesen von Katastrophen bedrängten Jahrhunderten nicht fähig, zeitlose Dichtungen hervorzubringen wie die des klassischen Hellas, mit denen Finlay den kargen Bericht des Chronisten vergleicht. 22 Aber selbst der barbarische Norden und Westen hat damals den blutigen Schicksalen seiner Königssippen in burgundischen, fränkischen und langobardischen Fürstensagen eine stärkere und, wie die Jahrhunderte seither gezeigt haben, dauernd lebendige Prägung gegeben, neben denen die dürftigen Legenden des Orients in der überlieferten Form verblassen. An Stoffen hat es in diesen ersten Jahrhunderten des arabisch-oströmischen Konfliktes nicht gefehlt. Wir haben gesehen, wie in der Geschichte der ersten See-Offensiven Muawiyas sich historische und sicher auch legendäre Motive verweben: Die Taten der Söhne des Bukinators in Tripolis und neben dem Kaiser in der „Schlacht der Masten", oder die Anekdote von Musa und dem Greis von Karthago. Die arabische Annalistik hat uns einige weitere sagenhafte Berichte überliefert, mit der sie die Frühzeit des byzantinisch-arabischen Seekrieges illustrierte. So sei unter dem Kalifen Abd al-Malik (705—715) ein Eunuch des Kaisers nach Alexandrien gegangen, um den Pharos mit seinem großen Spiegel, der den Hafeneingang weithin für die Schiffahrt anzeigte, zu zerstören. Er nahm den Islam an, erwarb das Vertrauen des Kalifen und gewann ihm die Ermächtigung ab, nach einem Schatz zu suchen, der unter dem Pharos verborgen sei. Diese Schatzsuche wußte er so einzurichten, daß der gewaltige Leuchtturm einstürzte; der Grieche aber floh rechtzeitig in einem bereitliegenden Schiff. Aus derselben Quelle vernehmen wir von einem tollkühnen Kapitän Muawiyas, der ausfährt, um einen kriegsgefangenen Mohammedaner zu rächen, der zu Byzanz in Gegenwart des Kaisers von einem hohen Hofbeamten geschlagen wurde. Als Kaufmann verkleidet, dringt der Korsar in den Hafen der Hauptstadt ein und entführt den schuldigen Höfling, der vor dem Kalifen schließlich die gleiche Unbill erleiden muß wie jener Gefangene. 23 Besseres dürfen wir von solchen Quellen nicht erwarten. Legenden und Fabeln, zu denen die furchtbaren Wechselfälle der slavischen und arabischen Invasionen die Phantasie des romäischen Volkes beflügelt haben, sind in andere Stoffe eingegangen: In die der byzantinischen Heiligenleben, in denen das beste zu finden ist, was diese literarisch dürftige Zeit hervorbringt. Man denke an die Wundertaten, die der H l . Nikolaos im 9. Jahrhundert an der 22

Finlay, History of the Byzantine Empire, London (1906), 2 7 .

23

al-Masudi, Les Prairies d'Or, II, 4 3 4 und V i l i , 75, wiedergegeben bei M. Canard,

Quelques „à côté" de l'histoire des relations entre Byzance et les Arabes, Studi orientali in onore di G . L e v i della Vida, Roma (1956), 102, 112.

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pamphylischen Küste zur Rettung vor sarazenischen Piraten vollbringt. Oder an jenen schönen Bericht aus den Taten des Hl. Demetrios vom Admiral Sisinnios, der zur Zeit der Awareneinfälle an einem Palmsonntag auf der verlassenen Insel Skiathos landet und dort die Kirchen verfallen, übergrünt und vom Walde umschlossen findet. Er läßt einen Altar freilegen, um Gottesdienst abzuhalten, wird aber dann von widrigen Winden festgehalten, bis die ganze Kirche notdürftig wiederhergestellt ist. Darauf erscheint ihm der Heilige im Schlaf und fordert ihn auf, mit der Flotte aufzubrechen. Sisinnios weckt seinen Steuermann und fragt nach dem Wetter; der aber meldet ihm, der widrige Wind wehe immer noch, nur stärker als am Tage zuvor. Dreimal erscheint der Heilige, dreimal bedeutet der Steuermann, der Wind sei ungünstig. D a n n befiehlt der Admiral gegen alle Einwände den Aufbruch, und die Flotte segelt dorthin, wohin der Heilige will. Von den wirklich entscheidenden Ereignissen und Wendungen der Epoche allerdings dürfen wir in solchen Berichten nur bescheidene Spuren und Spiegelungen erwarten. — Zurück zur Lage des Mittelmeers in der ersten Hälfte des 8. Jahrhunderts: Trotz der Niederlage und Vernichtung der Flotten des Kalifats von 717/ 718 begannen schon 720 wieder die ersten maritimen Vorstöße und Küstenräubereien der Gouverneure von Ifriqiya, nahmen stetig an Ausmaß und Bedeutung zu und steigerten sich schließlich bis zu den großen Unternehmen von 740 und 752, wo sie vollständig abbrechen. Zur erfolgreichen und auch nur notdürftig gesicherten Entfaltung ihrer Kräfte bedurfte die junge Flotte von Ifriqiya entweder der Flankendeckung der ägyptischen und syrischen Geschwader oder anderweitiger, innerer oder äußerer Ablenkung der byzantinischen Seestreitkräfte. So vollziehen sich die ersten, nodi vorsichtigen Stöße gegen die Inseln während der Jahre unmittelbar nach 718, während vielleicht die christliche wie die ägyptisch-syrische Flotte noch von der vergangenen Auseinandersetzung dezimiert waren und Ifriqiya selbst schon die Verluste der eigenen, nach Konstantinopel entsandten Kontingente hinlänglich verschmerzt hatte. D a ß in den späteren zwanziger und zumal in den dreißiger Jahren die Unternehmen der Flotte von Tunis sich weiter ausdehnen, wird durch die Absorption der byzantinischen Seestreitkräfte im Inneren durch den in diesen Jahren in voller Hitze entbrannten Bilderstreit erleichtert worden sein. Wir kommen hierauf im übernächsten Abschnitt zurück.

24 Anrieh, Hagios Nikolaos, Leipzig (1913), passim; S. Demetrii Martyri Acta, M.P.G. 111. col. 1369—1376.

III, Kapitel Die Rückkehr der Dromonen (750-800) Krisenzeit,

Reichserneuerung

und die romäische

Seeherrschafi

Wie sehr es in diesen entscheidenden J a h r e n des Seekrieges um den Fortbestand des Reiches schlechthin gegangen ist, wird deutlich, w e n n man die Lage Ostroms in dem zurückliegenden J a h r h u n d e r t seit Kaiser Maurikios überblickt, in dem es durch eine Reihe immer schwererer K a t a s t r o p h e n erschüttert wurde. D e r Einbruch der A w a r e n und die Überflutung des Balkans durch slavische Volksstämme, die Eroberungen der Sassaniden und, nach deren glanzvoller A b w e h r , die große arabische Expansion hatten damals bereits den inneren, widerstandsfähigen Kernbestand des Imperiums auf den R a u m u m die H a u p t s t a d t und die Ägäis u n d auf Kleinasien zurückgedrängt. Die Slavisierung u n d Entchristianisierung des Balkanraums u n d des nördlichen Griechenlands trennten die östlichen u n d westlichen Reichsteile, die H a u p t s t a d t v o n den Provinzen in Süditalien u n d Sizilien durch weite R ä u m e feindseligen u n d barbarischen Heidentums. 1 Die großen Abwehrkriege der Zeit, die Pestepidemien von 541—544 und 698 hatten weite Landstriche veröden lassen, die Bevölkerung der Städte w a r im Rüdegang, 2 ihr Fortbestand weniger von ihrer Wirtschaftskraft als von ihren Mauern u n d G a r nisonen abhängig. In ihrer Insel-Situation inmitten feindlicher Invasionen gewannen unter den Städten die festen H ä f e n stark an Bedeutung. Gegen Ende des 7. J a h r h u n d e r t s w u r d e es als eine bedeutende T a t gefeiert, d a ß Kaiser Justinian II. sich an der Spitze eines starken Heeres von K o n s t a n t i n o pel durch das slavische Thrakien nach Thessalonike durchschlagen konnte u n d hier, in der U m g e b u n g der Stadt, O r d n u n g schuf (688/689). Noch einhundert J a h r e später bedurfte es wiederum einer größeren Streitmacht, um dem Logotheten Staurakios den Durchmarsch über Thessalonike nach dem 1

G. Ostrogorsky, The Byzantine Empire in the World of the 7th Century, Dumbarton Oaks Papers 13 (1959), 10. Uber Dauer und Ausmaß der slavisdien Durchdringung Griechenlands namentlich A. Bon, Le Péloponnèse byzantin jusqu'en 1204, Paris (1951), 27—87; Κ. M. Setton, The Bulgars in the Balkans and the Occupation of Corinth in the Seventh Century, Speculum 25 (1950), 502—543 und P. Charanis, The Chronicle of Monemvasia and the Question of the Slavonic Settlement in Greece, Dumbarton Oaks Papers (1950), 141 ff., sämtlich mit reichhaltigen Literaturangaben. 2 John I. Teall, The Grain Supply of the Byzantine Empire, Dumbarton Oaks Papers 13 (1959), 100—103.

Die Rückkehr

der Dromonen

(750—800)

43

slavischen Griechenland zu ermöglichen. 3 Ohne seine maritimen Verbindungen hätte das byzantinische Reich nicht mehr bestanden. In diesen Jahrzehnten des großen Abwehrkampfes von Justinian II. (ab 685) bis zur Regierung des Syrers Leon I I I . hat sich Byzanz verwaltungsmäßig, wirtschaftlich und militärisch tiefgreifend gewandelt und seinen neuen Aufgaben angepaßt. Eine der wichtigsten Ursachen dieser Wandlung waren die arabischen Raubzüge zur See und zu Lande, welche die Küsten und die Masse der kleinasiatischen Binnenprovinzen Jahrzehnte und Jahrhunderte lang verheerten und eine breite Grenzzone zwischen Byzanz und dem Kalifat gänzlich wüst legten und entvölkerten. Zwar wurden Konstantinopel selbst und viele große Provinz-Metropolen mehrmals belagert; aber die Hauptstadt widerstand und nur einige große Provinzstädte wurden erobert und zerstört; fast keine auf längere Zeit gehalten. 4 Am intensivsten wurden die grenznahen Provinzen im östlichen Anatolien und die Küstengebiete von diesen Verheerungen heimgesucht. Dabei hatten die Inseln ein besonders schweres Los zu erdulden, da ihre örtliche Gegenwehr aus eigener Kraft kaum ins Gewicht fiel. Aus den zerstreuten Notizen der Heiligenviten und der Chronisten ist zu entnehmen, daß die ägäischen Inseln wieder und wieder von sarazenischen Schiffen überfallen und ausgeraubt wurden. 5 Die Antwort Ostroms auf diese Bedrohungen war jener lange Prozeß der Dezentralisierung und Militarisierung, mit dem sich die unter Leon I I I . vervollkommnete Provinzverfassung ausbildete. D a die großen Reichsarmeen des justinianischen Zeitalters gegen solche unregelmäßigen Einfalle auf weit auseinandergezogenen Fronten fast machtlos waren, wurden Zivil- und Wehrgewalt und die Steuerverwaltung für deren Unterhalt in einer jeden Provinz in der Hand ihres Strategen zusammengefaßt, und diese Verwaltungseinheiten, die Themen, nach strategischen Gesichtspunkten neu geordnet. Die Verteidigungskraft des Reiches wurde damit zu großem Teil aus der Zentrale in eigenständige Zellen verlagert, welche sich selbst ernährten und mit der Hauptstadt wie untereinander in engem Zusammenhang standen." 3

Theophanes, ed. de Boor, I, 364 (ed. Bonn., I, 557) und I, 456, 457 (707).

4

E . Honigmann, Die Ostgrenze des byzantinischen Reiches von 3 6 3 — 1 0 7 1 ,

Brüssel

(1935), 39 ff.; H . A h r w e i l e r , L'Asie mineure et les invasions arabes ( v i i e — i x e

siècles),

Revue Historique, 227 (1962), 10. Nur T y a n a muß während beträchtlicher Zeit arabisch gewesen sein: Theoph., ed. de Boor, I, 376, 377, 4 8 2 (ed. Bonn., I, 576, 577, 748), Nikephoros, ed. de Boor, 43. 5

Siehe unten, S. 206 ff.

β

Aus der umfangreichen Literatur über die wohl erst gegen Ende des 8. Jahrhunderts

abgeschlossene Entwicklung der Themenverfassung sind als wichtigste Arbeiten zu nennen: Ch. Diehl, L'origine du regime des thèmes, Paris ( 1 8 9 6 ) ; H . Geizer, Die Genesis der byzantinischen Themenverfassung, Leipzig (1899), E.Stein, Studien zur Geschichte des

Der Niedergang

44

der Römischen

Seeherrschafl

Audi das Wirtschaftsleben war in diesem Wandel einbegriffen. Große, verteidigungsfähige Städte konnten die Invasionen bestehen, kleinere Orte gingen vielfach zugrunde. Befestigte Hafenplätze und die Provinzhauptstädte, Sitz des Strategen und meist auch des Metropoliten, behaupteten sich. Mehr als je wurden die Städte zu Festungen — oder verödeten. 7 — So hat die byzantinische Stadt diese schwere Zeit der Krisen überstanden, wenn audi der großräumige klassische Wirtschaftsorganismus lange nicht mehr intakt war und diese Städte mit starkem ackerbürgerlichem Einschlag aus einem begrenzten örtlichen Kreise lebten. 8 Provinzen, Hafen- und Inselstädte waren darauf gestellt, sich wirtschaftlich und militärisch aus eigener Kraft zu behaupten. Ohne jedoch miteinander auf dem Seewege in enger Verbindung zu stehen, ohne den Schutz einer schlagkräftigen, in der Zentrale und in den wichtigsten Lebensräumen und Vorposten stationierten Marine wären diese im einzelnen lebensfähigen Zellen bald auseinandergefallen, wäre Ostrom auf das westliche Kleinasien und östliche Thrakien zurückgedrängt worden, ein Staat, der auf die Dauer dem mächtigen Ansturm des Kalifats kaum hätte Stand halten können. Die Rückkehr der Dromonen

(seit 726)

Leon I I I . , ein wahrhafter Renovator Imperii, brachte mit der Mobilisierung des anatolischen Kräftereservoirs zugleich die abstrakte und puritanisch-monotheistische Dogmatik des Ostens nach Konstantinopel. Die Vertiefung, der Abschluß, den er seinem großen Reformwerk auf religiösem Gebiet zu geben hoffte, rief jene über ein Jahrhundert andauernde erbitterte Auseinandersetzung hervor, welche die bilderfeindlichen Kaiser der unerbittlichen dogmatischen und wirtschaftlichen Front der Ikonodulen gegenüberstellte. Am stärksten mußte die Reaktion sich zunächst in Italien auswirken, wo man weder die Bedeutung und Einstellung des anatolisch-syrischen Christenbyzantinischen Reiches, Stuttgart (1919), 114 ff., G. Ostrogorsky, Sur la date de la composition du livre des thèmes, Byzantion 23 (1953), 31 ff., Pertusis K o m m e n t a r zu C o n stantin V I I . , D e thematibus, C i t t à del Vaticano ( 1 9 5 2 ) und ders., L a formation des thèmes byzantins, Berichte zum X I . Intern. Byzantinistenkongreß, München ( 1 9 5 8 ) . — Mit dieser Neuordnung

gingen oft bedeutende Bevölkerungsbewegungen

H a n d in H a n d .

Türken,

Mardaiten, slavische und sogar arabische Stämme sind von den Kaisern neu angesiedelt und in ihr Verteidigungssystem eingeordnet worden. Vgl. Ahrweiler, op. cit., 16, 17. 7

Ahrweiler, op. cit., 3 0 — 3 2 . Die Kontinuität des Städtelebens bei veränderten

Ver-

hältnissen audi in der sdiwersten Krisenzeit betont G. Ostrogorsky, Byzantine Cities in the E a r l y Middle Ages, Dumbarton Oaks Papers 13 ( 1 9 5 9 ) , 4 5 — 6 6 . Zur Bedeutung der frühbyzantinisdien Stadt als Castrum vgl. E . Kirsten, Die byzantinische Stadt, Beridite zum X I . Internat. Byzanitinsten-Kongreß, München ( 1 9 5 8 ) V , 3 S. 20 ff. 8

Ostrogorsky op. cit., 65.

Die Rückkehr der Dromonen

(750—800)

45

turns würdigen konnte, noch die Auswüchse des Bilderdienstes gekannt hatte. Wer konnte hier die Entfremdung und Empörung verstehen, mit denen die monophysitisch beeinflußten Bauern und Krieger der kilikischen und armenischen Grenzfront auf den fanatischen Bilderdienst ihrer Hauptstadt reagierten? So empörte sich 726 Papst Gregor II. und mit ihm das gesamte byzantinische Norditalien gegen die ikonoklastischen Edikte des Kaisers; 727 exkommunizierte er den Exarchen von Ravenna und fiel damit offen von der kaiserlichen Gewalt ab. Schon damit war in Ravenna und der Pentapolis dem Reich die wichtigste westliche Flottenbasis entzogen.8 Bald darauf bemächtigte sich der Langobardenkönig in der allgemeinen Verwirrung Lunis, das nach dem Verluste von Genua als der Markt und Verteiler der byzantinischen Monopolwaren im germanischen Norden eine immer bedeutendere Rolle gespielt hatte.10 Der „Isaurier" entsandte auf diese Herausforderung hin die thematische Flotte der Kibyrrhaioten unter ihrem Strategen Manes nach Italien, um die Aufständischen zu bändigen — doch wurde sie in der Adria durch Sturm zerstört. Gleichzeitig entfremdete Leon sich die bislang loyal gebliebenen Elemente Unteritaliens und Siziliens durch eine allgemeine Erhöhung der Steuern.11 Diese doppelte Schwächung seiner Flottenkräfte wurde noch verschärft durch die Empörung, die unter den maritimen Streitkräften von Hellas und den Kykladen um sich gegriffen hatte. Unter ihren Führern Kosmas, den sie zum Kaiser krönen wollten, Agalianos und Stephanos erschienen die aufständischen Geschwader im April 726 vor Konstantinopel. Wiederum warf ihnen Leon die Phalanx seiner Dromonen entgegen, deren unwiderstehliches griechisches Feuer den Provinzgeschwadern zum Verderben wurde. Ein Teil der Mannschaften ging mit den Schiffen unter, Agalianos, an seiner Sache verzweifelnd, stürzte sich mit voller Rüstung ins Meer. Die übrigen unterwarfen sich.12 — So hat die Zentralflotte auch nach innen, gegen die erbitterte Feindschaft der Ikonodulen, den gefährdeten Thron des Syrers gewahrt. Das Ereignis läßt vermuten, daß das griechische Feuer in den ersten Jahrzehnten nach seiner Erfindung als Geheimwaffe ein Privileg der Zentralflotte blieb. — Doch war der Vernichtungssieg, den die loyale Flotte der Hauptstadt gegen die angreifenden Seestreitkräfte der Ikonodulen errungen hatte, den kaum erholten arabischen 9

Theoph., ed. de Boor, I, 409 (ed. Bonn., I, 630). D o d i scheint es, daß Gregor den A u f stand des Volkes dann eher dämpfte als schürte: Liber Pontificalis ed. Duchesne, Paris (1886), I, 184, 185; vgl. Ch. Diehl, Etude sur l'administration byzantine dans l'exarchat de Ravenne, Paris (1888), 376, Anm. 1, 377. 10

Lewis, N a v a l Power and Trade 92.

11

Theophanes ed. de Boor, I, 410 (ed. Bonn., I, 631); L . M . H a r t m a n n , Italiens im Mittelalter, II, 2, 86 ff. 12

Theophanes I, 405 (ed. Bonn., I, 623, 624).

Geschichte

46

Der Niedergang der Römischen

Seeberrschafl

Levanteflotten ein Anreiz zur erneuten Verheerung der nunmehr entblößten Küsten. Kein Wunder also, daß um diese Zeit die Serie der wechselnden gegenseitigen Raubüberfälle zwischen Byzanz und den Levanteküsten des Kalifats wieder einsetzt. So hatten die Flotillen von Ifriqiya vor Sizilien und im Tyrrhenischen Meer freies Spiel. D a ß die Berbererhebungen im Inneren die unmittelbare Ursache der zwölfjährigen Untätigkeit der tunesischen Flotte nach 740 gewesen sind, hat Ibn al-Athir schon eindeutig festgestellt. 13 Die Wiederaufnahme der Offensive 752 stieß auf eine durchaus veränderte Situation: Sizilien war inzwischen vorzüglich auf die Angriffe von der gegenüberliegenden Küste vorbereitet worden; die Unterwerfung der italienischen Empörer verhütete eine weitere Ablenkung der kaiserlichen Streitkräfte. Im Laufe der Auseinandersetzung mit dem unbotmäßigen Papsttum hatte Leon III. nicht nur die Diözesen Unteritaliens, Griechenlands und auf dem Balkan von Rom abgetrennt und dem Patriarchat von Konstantinopel unterstellt, sondern auch die sizilianischen Güter der Kurie, die bislang der Unterhaltung der stadtrömischen Bevölkerung gedient hatten, konfisziert, 14 und deren Einkünfte standen nun dem Strategen der Insel zur Verfügung. Eine derart wesentliche Vermehrung der sizilianischen Reserven mußte, selbst wenn sie zum größten Teile der kaiserlichen Kasse zu Gute kam, sich auch auf die Verteidigungskraft der Insel spürbar auswirken. Vor allem aber hatte die Flotte der Kibyrrhaioten, die in der Ägäis und der Levante die gleiche lebenswichtige Rolle spielte wie die ostanatolischen Grenzthemen zu Lande, noch einmal die byzantinische Seeherrschaft für ein halbes Jahrhundert gesichert. 747 besiegte sie im H a f e n von Ceramea auf Zypern eine arabische Angriffsflotte von angeblich 100 Dromonen, von denen nur drei der allgemeinen Vernichtung entrannen. 15 Im Jahre 740 hatte Leon III. in der großen Schlacht bei Akroinon (Afiun K a r a Hissar) das westliche Kleinasien audi zu Lande von arabischen Einfallen gesäubert. Mit der Sicherung seiner maritimen Grenzen im Südosten konnte der Kaiser nun an eine sorgfältige Verteilung seiner Seestreitkräfte auf alle gefährdeten Stationen denken. Der trotz aller päpstlich-kaiserlichen Gegenoffensiven mit der Einnahme Ravennas durch König Aistulf endgültige Verlust der Pentapolis (751) bedeutete, zumindest während des E n d k a m p f