Schulleitung und Inklusion: Empirische Untersuchung zur Schulleitungsrolle im Kontext schulischer Inklusion [1. Aufl. 2020] 978-3-658-27400-9, 978-3-658-27401-6

David Scheer zeigt, dass sich die formal gegebenen Aufgaben der Schulleitung durch den erweiterten pädagogischen Auftrag

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German Pages XXI, 405 [419] Year 2020

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Schulleitung und Inklusion: Empirische Untersuchung zur Schulleitungsrolle im Kontext schulischer Inklusion [1. Aufl. 2020]
 978-3-658-27400-9, 978-3-658-27401-6

Table of contents :
Front Matter ....Pages I-XXI
Einführung: Theoretische Grundlagen und Problemstellung der Arbeit (David Scheer)....Pages 1-23
Schulisches Führungshandeln: Theoretische und empirische Zugänge (David Scheer)....Pages 25-74
Forschungsstand zur Rolle von Schulleitung in der inklusiven Schulentwicklung (David Scheer)....Pages 75-107
Schulische Inklusion in Rheinland-Pfalz (David Scheer)....Pages 109-146
Fragestellung der eigenen Untersuchung (David Scheer)....Pages 147-151
Forschungsansatz und methodisches Vorgehen bei der empirischen Untersuchung (David Scheer)....Pages 153-180
Ergebnisse der qualitativen Inhaltsanalyse (David Scheer)....Pages 181-325
Ein integriertes Modell der Rolle von Schulleitung im Kontext schulischer Inklusion (David Scheer)....Pages 327-346
Diskussion (David Scheer)....Pages 347-362
Back Matter ....Pages 363-405

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David Scheer

Schulleitung und Inklusion Empirische Untersuchung zur Schulleitungsrolle im Kontext schulischer Inklusion

Schulleitung und Inklusion

David Scheer

Schulleitung und Inklusion Empirische Untersuchung zur ­Schulleitungsrolle im Kontext ­schulischer Inklusion

David Scheer Ludwigshafen, Deutschland Dissertation Universität Paderborn, 2019 u.d.T.: „Schulleitung im Kontext schulischer Inklusion. Empirische Untersuchung zu Aufgaben, Rollenverständnis, Führungsorientierung und Sichtweisen von Schulleiterinnen und Schulleitern an rheinland-­ pfälzischen Schwerpunktschulen.“

ISBN 978-3-658-27400-9 ISBN 978-3-658-27401-6  (eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-658-27401-6 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National­ bibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Springer VS © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, Marken, Unternehmensnamen etc. in diesem Werk bedeutet nicht, dass diese frei durch jedermann benutzt werden dürfen. Die Berechtigung zur Benutzung unterliegt, auch ohne gesonderten Hinweis hierzu, den Regeln des Markenrechts. Die Rechte des jeweiligen Zeicheninhabers sind zu beachten. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informa­ tionen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag, noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Springer VS ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH und ist ein Teil von Springer Nature. Die Anschrift der Gesellschaft ist: Abraham-Lincoln-Str. 46, 65189 Wiesbaden, Germany

Danksagung Die vorliegende Dissertation entstand im Zusammenhang mit dem Forschungsprojekt „Gelingensbedingungen des Gemeinsamen Unterrichts an rheinland-pfälzischen Schwerpunktschulen“ (GeSchwind), das in Kooperation mit dem rheinland-pfälzischen Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur von 2011 bis 2014 die Entwicklung des Gemeinsamen Unterrichts an Schwerpunktschulen in selbigem Bundesland evaluierte. Daher gilt mein Dank an erster Stelle der Projektleitung, Prof. Dr. Désirée Laubenstein und Prof. Dr. Christian Lindmeier, die mir das Vertrauen entgegengebracht haben, eigenständig einen Teilbereich des Projekts zu bearbeiten. Auch dem Projektteam – Kirsten Seutter-Guthöhrlein, Stefan Belting und in der Folge Dirk Sponholz – danke ich für eine wunderbare und gewinnbringende Zusammenarbeit inklusive vieler anregender inhaltlicher Diskussionen. Prof. Dr. Désirée Laubenstein danke ich im Speziellen für die intensive Betreuung, Beratung und Förderung sowie dafür, dass sie mich zuweilen mit dem notwendigen sanften Druck im Zeitplan gehalten hat. Prof. Dr. Christian Lindmeier danke ich, dass er mir über die reine Zweitbegutachtung hinaus immer mit seinem Rat zur Seite stand. Für die Transkription der Interviews und für weitere Zuarbeit danke ich unseren Hilfskräften Tanja Becker, Pascal Epping und Malte Schiemann (in alphabetischer Reihenfolge). Für das sachkundige Korrektorat danke ich ganz herzlich Susanne Scheer und Dr. Peter Wachtel. Und zu guter Letzt wäre das Entstehen dieser Arbeit nicht möglich gewesen ohne den Rückhalt und die Unterstützung meiner Frau Miriam, meiner Familie und unserer Freunde, die allesamt oft auf mich verzichten und hinter der Dissertation zurückstehen mussten. Ganz zum Schluss, aber genauso wichtig, steht noch der Dank an alle Kolleginnen und Kollegen, die mich durch kritische Nachfragen und Impulse auf Tagungen, Kongressen und unter vier Augen auf blinde Flecken und alternative Wege hingewiesen haben. Danke, Danke, Danke ...

Inhaltsverzeichnis Abbildungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XVII Tabellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1.1 1.2 1.2.1 1.2.2 1.3 1.4 1.5

Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schulische Inklusion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schulentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Drei-Wege-Modell der Schulentwicklung . . . . . . . . Rekontextualisierung in Fends Neuer Theorie der Schule Die Educational Governance-Perspektive . . . . . . . . Inklusive Schulentwicklung? . . . . . . . . . . . . . . . Problemstellung: Die Rolle der Schulleitung . . . . . .

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2 2.1 2.2 2.2.1 2.2.2 2.2.3 2.2.4 2.2.5 2.3 2.3.1 2.3.2 2.3.3 2.3.4 2.3.5 2.3.6 2.4

Schulisches Führungshandeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abgrenzung von Management und Leadership . . . . . . . . . . Schulleitungshandeln im Kontext klassischer Führungstheorien . Instructional Leadership . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Transactional Leadership . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Transformational Leadership . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Distributed Leadership . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung und Diskussion auf Basis empirischer Befunde Organisationstheoretische Sicht auf (schulische) Führung . . . . . Structural Frame: Die Organisation als Maschine oder Fabrik . . Human-Resource Frame: Die Organisation als Familie . . . . . . Political Frame: Die Organisation als Dschungel . . . . . . . . . Symbolic Frame: Die Organisation als Tempel, Karneval oder Theater „Reframing“ als Kernstück des Modells . . . . . . . . . . . . . . Anwendbarkeit des Modells auf schulische Führung . . . . . . . Führungsorientierung von Schulleiterinnen und Schulleitern . . .

XIX 1 3 6 7 11 15 19 21 25 25 27 30 31 32 34 36 39 40 43 49 52 61 64 72

VIII

3 3.1 3.2 3.2.1 3.2.2 3.2.3 3.2.3.1 3.2.3.2 3.2.3.3 3.2.3.4 3.3 3.3.1 3.3.2 4 4.1 4.2 4.2.1 4.2.2 4.3 4.4 4.4.1 4.4.2 4.4.2.1 4.4.2.2 4.4.2.3 4.4.2.4 4.4.2.5 4.4.2.6 4.4.2.7 4.4.3 4.4.3.1

Inhaltsverzeichnis

Forschungsstand zur Rolle von Schulleitung in der inklusiven Schulentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Rolle der Schulleitung in der Forschung zu inklusiver Schulentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Systematisches Review vorliegender Primärstudien . . . . . . . . Einschluss- und Ausschlusskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . Recherche- und Analysestrategie . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ergebnisse des Reviews . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sichtweise auf (Umsetzbarkeit von) Inklusion . . . . . . . . . . . Einstellungen und Selbstwirksamkeitserwartungen . . . . . . . . Aufgaben und Kompetenzen von Schulleitung . . . . . . . . . . Rolle der Schulleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Diskussion des Forschungsstands . . . . . . . . . . . . . . . . . Sichtweisen, Einstellungen und Aufgaben von Schulleitung . . . „Gute“ Schulleitung für schulische Inklusion? . . . . . . . . . . . Schulische Inklusion in Rheinland-Pfalz . . . . . . . . . . . . Den aktuellen Entwicklungen zugrunde liegendes Verständnis von Inklusion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schulversuche der 1980er- und 1990er-Jahre . . . . . . . . . . . Entwicklung einzelintegrativer Maßnahmen . . . . . . . . . . . . Entwicklung des Gemeinsamen Unterrichts bis zum Jahr 2001 . . Sonderpädagogische Förderung in Rheinland-Pfalz . . . . . . . . Inklusiver Unterricht an Schwerpunktschulen . . . . . . . . . . . Personalausstattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eckpunkte des Rahmenkonzepts . . . . . . . . . . . . . . . . . . Konzept (K) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unterrichtsentwicklung (UE) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Organisationsstruktur (OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gutachten (G) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Übergang Grundschule – Sekundarstufe I (Ü) . . . . . . . . . . . Schulabschlüsse (SchA) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Implikationen für die Rolle der Schulleitung . . . . . . . . . . . . Formale Rolle der Schulleitung an Schwerpunktschulen . . . . . Rolle der Schulleitung gemäß SchulG . . . . . . . . . . . . . . .

75 75 83 83 85 86 86 89 92 95 102 102 104 109 109 112 114 115 115 116 117 118 118 119 120 121 121 122 122 123 123

Inhaltsverzeichnis

4.4.3.2 Dienstordnung für die Leiter und Lehrer an öffentlichen Schulen in Rheinland-Pfalz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.3.3 Allgemeines Stellen- und Aufgabenprofil für Schulleiterinnen und Schulleiter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.3.4 Qualitätsmerkmale von Schulleitung im ORS . . . . . . . . . . . 4.4.3.5 Ableitungen zur formalen Rolle der Schulleitung an Schwerpunktschulen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.4 Gelingensbedingungen und die Rolle der Schulleitung aus Sicht der Akteure . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.5 Ausbau der Schwerpunktschulen = Abbau räumlicher Separation? 4.4.5.1 Probleme bildungsstatistischer Daten im Zusammenhang mit Inklusion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.5.2 Verwendete Begriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.5.3 Daten aus Rheinland-Pfalz im Bundesvergleich . . . . . . . . . . 4.5 Weitere Aktivitäten der Landesregierung . . . . . . . . . . . . . 4.5.1 Aktionsplan der Landesregierung zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention (2010) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.5.2 Ministerratsbeschluss zur Weiterentwicklung der Inklusion im schulischen Bereich (2013) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.5.3 Schulgesetznovelle (2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.5.4 Landesaktionsplan zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention (2015) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.5.5 Gesetz zur Lehrkräftebildung (2015) . . . . . . . . . . . . . . . . 4.6 Zwischenfazit zur inklusiven Schulentwicklung in Rheinland-Pfalz 5 5.1 5.2 5.3 5.4 5.5

Fragestellung der eigenen Untersuchung . . . . . . . . . . . . Die formale Rolle von Schulleitung . . . . . . . . . . . . . . . . Individuelle Ausgestaltung der Schulleiterrolle: Rollen- und Aufgabenverständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bedeutung von Schulleitungshandeln für die Gestaltung schulischer Inklusion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rahmenbedingungen für Schulleitungshandeln an Schwerpunktschulen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sichtweise auf Inklusion und deren Umsetzung an Schwerpunktschulen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

IX

124 129 130 130 132 135 135 136 138 139 141 141 142 142 143 144 147 148 149 149 150 150

X

6 6.1 6.2 6.3 6.4 6.4.1 6.4.2 6.4.3 6.5 6.5.1 6.5.2 6.5.3 6.5.4 6.5.5 6.6 6.6.1 6.6.2 6.6.3 6.6.3.1 6.6.3.2 6.6.4 6.6.5 6.6.5.1 6.6.5.2 6.6.5.3 6.6.6 6.6.7 6.6.7.1

Inhaltsverzeichnis

Forschungsansatz und methodisches Vorgehen bei der empirischen Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Qualitativer Forschungsansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untersuchungsdesign . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stichprobenplan und Sample . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Methodische Aspekte qualitativer (Experten-)Interviews . . . . . Definition und Klassifikation qualitativer Interviews . . . . . . . Schulleiterinnen und Schulleiter als Experten? . . . . . . . . . . Formen des Expertenwissens und ihre Bedeutung für die Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Umsetzung des Experteninterviews in der Untersuchung . . . . . Interviewleitfaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Begleitender Kurzfragebogen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Interviewvorbereitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Interviewdurchführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Transkription und Datenaufbereitung . . . . . . . . . . . . . . . Datenauswertung: Qualitative Inhaltsanalyse . . . . . . . . . . . Initiierende Textarbeit und „Initial Coding“ . . . . . . . . . . . . Formulierung der Hauptkategorien . . . . . . . . . . . . . . . . . Festlegung der Analyseeinheiten und -reihenfolge . . . . . . . . . Für die Inhaltsanalyse festzulegende Analyseeinheiten . . . . . . Zusammenfassung des Vorgehens bei der Festlegung der Analyseeinheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erster Materialdurchlauf: Segmentierung und Zuweisung der Hauptkategorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Festlegung des Kategoriensystems . . . . . . . . . . . . . . . . . Zweiter Materialdurchlauf: Induktive Kategorienbildung . . . . . Hauptkategorie Führungsorientierung: Kategorienbildung nach der Strategie concept-driven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hauptkategorie Sichtweisen auf Inklusion: Kombinierte Strategie bei Kategorienbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dritter Materialdurchlauf: Kodierung des gesamten Materials . . Quantitative Auswertungsschritte . . . . . . . . . . . . . . . . . Quantitative Schritte innerhalb der Hauptkategorie „Führungsorientierung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

153 153 155 157 159 162 164 165 166 168 168 170 170 171 172 174 176 176 176 177 178 178 178 179 179 179 180 180

Inhaltsverzeichnis

6.6.7.2 Quantitative Schritte innerhalb der Hauptkategorie „Sichtweise auf Inklusion“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.6.7.3 Weitere quantitativ orientierte Analysen . . . . . . . . . . . . . . 7 7.1 7.1.1 7.1.2 7.1.2.1 7.1.2.2 7.1.2.3 7.1.2.4 7.1.2.5 7.1.3 7.1.4 7.1.5 7.2 7.2.1 7.2.1.1 7.2.1.2 7.2.1.3 7.2.1.4 7.2.2 7.2.2.1 7.2.2.2 7.2.2.3 7.3 7.3.1 7.3.1.1 7.3.1.2

Ergebnisse der qualitativen Inhaltsanalyse . . . . . . . . . . . Formale Rolle – Spezifika der Schwerpunktschule . . . . . . . . Verneinung grundlegender Unterschiede . . . . . . . . . . . . . . Komplexitätssteigerung bestehender Aufgaben . . . . . . . . . . Neue externe Kooperationspartner . . . . . . . . . . . . . . . . . Einsatzplanung der Förderschullehrkräfte und pädagogischen Fachkräfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Inhaltliche Aspekte, die sich durch die Aufnahme der Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf ergeben . . . Neue administrative Aspekte (allgemein) . . . . . . . . . . . . . Neue innerschulische Gremien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Höherer Zeitaufwand für Schulleitungsaufgaben . . . . . . . . . Beratung und Übergangsmanagement für Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf . . . . . . . . . . . . . . Formale Rolle der Schulleitung: Zusammenfassung . . . . . . . . Führungsorientierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Qualitative Beschreibung der Rahmenausprägungen . . . . . . . Structural Frame . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Human-Resource Frame . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Political Frame . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Symbolic Frame . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Quantitative Auswertung der Rahmenausprägungen . . . . . . . . Skalenbildung: Intervallskaliert . . . . . . . . . . . . . . . . . . Skalenbildung: Ordinalskaliert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Clusteranalyse zur Analyse von Rahmungstypen . . . . . . . . . Sichtweisen auf Inklusion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Definition schulischer Inklusion . . . . . . . . . . . . . . . . . . UN-Behindertenrechtskonvention . . . . . . . . . . . . . . . . . Pragmatisches Verständnis I (Leistungsentwicklung bezogen auf Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf)

XI

180 180 181 181 181 182 182 183 183 184 184 184 185 185 187 188 189 196 209 217 225 225 227 233 248 249 251 253

XII

Inhaltsverzeichnis

7.3.1.3 Pragmatisches Verständnis II (Leistungsentwicklung bezogen auf verschiedene Dimensionen von Heterogenität und Diversität) . . 7.3.1.4 Teilhabe / Anerkennung / Wohlfühlen . . . . . . . . . . . . . . . 7.3.1.5 Inklusion als Utopie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3.2 Eigene Auseinandersetzung mit schulischer Inklusion . . . . . . . 7.3.2.1 Idealisten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3.2.2 Realisten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3.2.3 Handwerker . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3.2.4 Skeptiker . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3.2.5 Nicht klar zuzuordnen (Positive Tendenz) . . . . . . . . . . . . . 7.3.3 Zusammenhänge zwischen Inklusionsverständnis und Grundhaltung gegenüber Inklusion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3.4 Zusammenhänge zwischen Führungsrahmen und Sichtweise auf Inklusion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.4 Rahmenbedingungen für Schulleitungshandeln an Schwerpunktschulen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.4.1 Organisatorische Rahmenbedingungen . . . . . . . . . . . . . . 7.4.1.1 Handlungsspielräume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.4.1.2 Einschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.4.2 Unterrichtsverpflichtung der Schulleitung . . . . . . . . . . . . . 7.4.3 Persönliches Belastungserleben . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.4.4 Personelle Ausstattung der Schulleitung . . . . . . . . . . . . . . 7.4.5 Persönliche Unterstützung und Anerkennung durch Schulaufsicht und Politik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.4.6 Institutionalisierte Unterstützung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.4.7 Kontakt zu / Kooperation mit der Stammschule . . . . . . . . . . 7.4.8 Politische Reibungspunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.4.9 Weitere Rahmenbedingungen für Schulleitung . . . . . . . . . . 7.4.10 Zusammenhänge zwischen Führungsorientierung von und Rahmenbedingungen für Schulleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.4.11 Zusammenhänge zwischen der Sichtweise auf Inklusion und Rahmenbedingungen für Schulleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . Rahmenbedingungen für die Entwicklung von Schwerpunktschulen 7.5 7.5.1 Gesellschaftliche und politische Rahmenbedingungen . . . . . . 7.5.1.1 Politik und Verwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

254 256 258 258 259 262 264 266 268 269 269 275 275 275 277 279 280 282 283 285 286 287 287 288 292 293 295 296

Inhaltsverzeichnis

XIII

7.5.1.2 Gesellschaftliche Haltungen und Einstellungen . . . . . . . . . . 7.5.1.3 Interaktion mit Eltern von Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.5.2 Personelle Bedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.5.2.1 Sonderpädagogische Personalausstattung . . . . . . . . . . . . . 7.5.2.2 Abordnung der Förderschullehrkräfte . . . . . . . . . . . . . . . 7.5.2.3 Zeitliche Ressourcen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.5.2.4 Ausstattung des Sekretariats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.5.2.5 Einstellungen und Einsatzbereitschaft des Kollegiums . . . . . . 7.5.2.6 Fortbildung, Supervision und kollegiale Beratung . . . . . . . . . 7.5.2.7 Weitere personelle Rahmenbedingungen: Allgemeinpädagogische Personalausstattung und Weiteres . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.5.3 Materielle und finanzielle Rahmenbedingungen . . . . . . . . . . 7.5.4 Bauliche Bedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.5.5 Bedingungen aus dem Konzept Schwerpunktschule heraus . . . . 7.5.6 Weitere unterstützende Bedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . 7.5.7 Weitere herausfordernde Bedingungen . . . . . . . . . . . . . . . 7.5.8 Schulgröße als wichtiger Faktor . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.5.9 Sichtweise auf Inklusion und Thematisierung der Rahmenbedingungen an Schwerpunktschulen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.5.10 Führungsorientierung und Thematisierung der Rahmenbedingungen an Schwerpunktschulen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.6 Umsetzung des Konzepts Schwerpunktschule an den einzelnen Schulen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.6.1 Team / Kooperationsstrukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.6.2 Klassenbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.6.3 Formen inklusiven Unterrichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.6.4 Schulweite Konzepte / Leitfäden / Materialien . . . . . . . . . . 7.6.4.1 Leitfäden / Materialien für die Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . 7.6.4.2 Schüler-Lehrer-Eltern- / Entwicklungsgespräche . . . . . . . . . 7.6.4.3 Berufsorientierungskonzepte für Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.6.4.4 Trainingsraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.6.4.5 Schulweite Diagnostik- / Förderplankonzepte . . . . . . . . . . . 7.6.4.6 Parallelisierung von Inhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

298 299 300 300 302 303 303 304 305 306 307 308 309 310 310 312 312 314 314 316 317 318 319 320 321 321 321 322 322

XIV

Inhaltsverzeichnis

7.6.4.7 Weitere Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.6.5 Schriftliches Integrations- / Inklusionskonzept . . . . . . . . . . 7.6.6 Zusammenhänge mit der Sichtweise auf Inklusion und der Führungsorientierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 8.1 8.2 8.2.1 8.2.1.1 8.2.1.2 8.2.2 8.2.2.1 8.2.2.2 8.2.2.3 8.2.2.4 8.2.2.5 8.3 8.4

9 9.1 9.1.1 9.1.2 9.1.3 9.1.4 9.1.5 9.2

Ein integriertes Modell der Rolle von Schulleitung im Kontext schulischer Inklusion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Perspektive I: Rekontextualisierung . . . . . . . . . . . . . . . . Perspektive II: Schulleitung als Akteur im Mehrebenensystem . . Direkte Interaktionen mit Akteuren im Bildungssystem . . . . . . Bildungspolitik und -administration . . . . . . . . . . . . . . . . Schulinterne, lokale und kommunale Akteure . . . . . . . . . . . Analyse unter Verwendung des „Governance-Equalizers“ . . . . . Staatliche Inputregulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Außensteuerung durch substanzielle Ziele . . . . . . . . . . . . . Selbststeuerung der Lehrerprofession . . . . . . . . . . . . . . . Innerschulisches Management – Führung durch Schulleitung . . . Konkurrenzdruck und Quasi-Märkte . . . . . . . . . . . . . . . . Perspektive III: Schulleitung als Gelingensbedingung für schulische Inklusion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenführung der Perspektiven in einem integrierten Modell der Schulleitungsrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassende Beantwortung der zentralen Fragestellung . . Die formale Rolle von Schulleitung . . . . . . . . . . . . . . . . Individuelle Ausgestaltung der Schulleiterrolle: Rollen- und Aufgabenverständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bedeutung von Schulleitungshandeln für die Gestaltung schulischer Inklusion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rahmenbedingungen für Schulleitungshandeln an Schwerpunktschulen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sichtweise auf Inklusion und deren Umsetzung an Schwerpunktschulen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Limitationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

323 323 324

327 327 331 332 332 333 334 335 336 337 338 339 340 343 347 347 348 348 351 352 353 355

Inhaltsverzeichnis

9.3 9.4

XV

Bildungspolitische Implikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

358 359

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

363

Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

387

Abbildungsverzeichnis 1.1 Drei-Wege-Modell der Schulentwicklung (Quelle: Rolff, 2016, S. 20)

8

2.1 Transactional und Transformational Leadership als Grundlage eines FullRange Model of Leadership: Inhalte und Konsequenzen (in Anlehnung an: Nerdinger, 2014, S. 91 sowie Neuberger, 2002, S. 198) . . . . . . 2.2 Der Prozess symbolischer Führung (Quelle: Neuberger, 2002, S. 663)

35 55

3.1 Flussdiagramm des systematischen Reviews . . . . . . . . . . . . . .

85

4.1 Zahlenmäßige Entwicklung der Schwerpunktschulen (Quelle der Daten: Scheer, Laubenstein, Lindmeier, Guthöhrlein und Sponholz, 2016 sowie Auskunft des Ministeriums für Bildung) . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Allgemeines Stellen- und Anforderungsprofil für die Schulleiterin und den Schulleiter (Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur [MBWWK], o. J.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3 Aufgaben der Schulleitung im Orientierungsrahmen Schulqualität (vgl. Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Jugend und Kultur [MBWJK], 2009, S. 11–13) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4 Verwendete bildungsstatistische Begriffe (Abbildung nach Dworschak, 2017, S. 33) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

131

6.1 Zirkuläre Darstellung des Forschungsprozesses . . . . . . . . . . . . 6.2 Ablaufschema der qualitativen Inhaltsanalyse . . . . . . . . . . . . .

156 173

7.1 7.2 7.3 7.4

228 229 231

Häufigkeiten der Rahmenausprägungen . . . . . . . . . . . . . . . . Ausprägung der Führungsrahmen, getrennt nach Schularten . . . . . Ausprägung der Führungsrahmen, getrennt nach Geschlecht . . . . . Anzahl der Rahmen, die die Schulleiterinnen und Schulleiter mit mindestens tendenziell hoher Ausprägung berücksichtigen (Häufigkeit bezieht sich auf Anzahl der Schulleiterinnen und Schulleiter) . . . . . . . . . 7.5 Dendrogramm der Clusteranalyse (Durchgang I) . . . . . . . . . . . 7.6 Scree-Plot zur Festlegung der geeigneten Clusteranzahl (Durchgang I)

117

132 137

232 236 237

XVIII

Abbildungsverzeichnis

7.7 Scree-Plot zur Festlegung der geeigneten Clusteranzahl (Durchgang II ohne RS-3-M und IGS-4-M) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.8 Dendrogramm der Clusteranalyse (Durchgang II ohne RS-3-M und IGS4-M) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.9 Identifizierte Rahmungstypen mit zugeordneten Schulleiterinnen und Schulleitern sowie der entsprechenden Rahmenausprägungen . . . . 8.1 Integriertes Modell der Schulleitungsrolle im Kontext schulischer Inklusion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

239 239 241

344

Tabellenverzeichnis 2.1 2.2

2.3

3.1

3.2

4.1

4.2

6.1

6.2

Symbole und Symbolisches in Organisationen (Quelle: Bonsen, 2003, S. 177 in Anlehnung an Weibler, 1995, S. 2016) . . . . . . . . . . . Die vier Rahmen als Interpretationsmöglichkeiten für Prozesse in Organisationen (Quelle: Bolman und Deal, 2013, S. 308–309, eigene Übersetzung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Situative Auswahl des passenden Führungsrahmens anhand von Leitfragen (Quelle: Bolman und Deal, 2013, S. 311, eigene Übersetzung) Übersicht über die thematische Zuordnung der ins Review aufgenommenen Studien mit Angabe der zugeordneten thematischen Kategorien (1 = Sichtweise auf (Umsetzbarkeit von) Inklusion; 2 = Einstellungen und Selbstwirksamkeitserwartungen; 3 = Aufgaben und Kompetenzen von Schulleitung; 4 = Rolle der Schulleitung) . . . . . . . . . . . . Tabellarische Zusammenfassung der Zuordnung der Untersuchungsbefunde aus Abschnitt 3.2.3.4 zu den Frames des Modells von Bolman und Deal (2013) (1 = Structural Frame; 2 = Human-Resource Frame; 3 = Political Frame; 4 = Symbolic Frame) . . . . . . . . . . . . . . . Schulversuche und Modelle der Integration und des Gemeinsamen Unterrichts in Rheinland-Pfalz bis 2001 (Scheer, Laubenstein, Lindmeier, Guthöhrlein & Sponholz, 2016, S. 242) . . . . . . . . . . . . . . . Entwicklung der Förder-, Separations- und Integrationsquote in Rheinland-Pfalz im Vergleich zur bundesdeutschen Entwicklung (Datenquellen: Dworschak, 2017; Hollenbach-Biele, 2016; Kemper & Goldan, 2018; Klemm, 2015, 2018) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stichprobe der Untersuchung, gesplittet nach Schulaufsichtsbezirk (nsoll gibt die geplante Anzahl der Interviews in der jeweiligen Zelle an, n die tatsächliche Anzahl) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stichprobe der Untersuchung, gesplittet nach geografischer Lage der Schulen (nsoll gibt die geplante Anzahl der Interviews in der jeweiligen Zelle an, n die tatsächliche Anzahl) . . . . . . . . . . . . . . . . . .

56

60 62

87

105

113

140

160

160

XX

6.3

7.1

7.2 7.3

7.4

7.5 7.6 7.7

7.8 7.9 7.10

7.11

Tabellenverzeichnis

Übersicht über die Hauptkategorien der qualitativen Inhaltsanalyse mit den dazugehörigen Fragestellungen bzw. Auswertungsstrategien . . Kategorien und Unterkategorien der Hauptkategorie „Formale Rolle – Spezifika der Schwerpunktschule“ mit Anzahl der kodierten Textsegmente (in Klammern Anzahl der Interviews, aus denen die Textsegmente stammen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beratungsaufwand für Schulleitung an Schwerpunktschulen am Beispiel zweier Grundschulen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kategorien und Unterkategorien der Hauptkategorie „Schulleiterrolle / Führungsorientierung“ mit Anzahl der kodierten Textsegmente (in Klammern Anzahl der Interviews, aus denen die Textsegmente stammen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Umgang mit Entwicklungs- und Entscheidungsprozessen, bei denen unterschiedliche Interessen und Vorstellungen konkurrieren können am Beispiel zweier Schulleiter an Realschulen plus. . . . . . . . . . . . Mittelwert, Standardabweichung und Korrelationen (nach Spearman) der Rahmenausprägungen und der Gesamtskala Leadership . . . . . Transformationsregel für die Transformation der Intervallskalen in Ordinalskalen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Häufigkeitsverteilung Multiframing (mehr als zwei Rahmen mit mindestens tendenziell hoher Ausprägung) nach Schularten und nach Geschlecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Distanzmatrix (einfache euklidische Distanz) . . . . . . . . . . . . Dokumentation des abgelaufenen Ward-Algorithmus der Clusteranalyse (Durchgang I) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kategorien und Unterkategorien der Hauptkategorie „Sichtweise auf Inklusion“ mit Anzahl der kodierten Textsegmente (in Klammern Anzahl der Interviews, aus denen die Textsegmente stammen) . . . . . . . . Kreuztabelle der Häufigkeitsverteilungen in den Kategorien „Definition schulischer Inklusion“ und „Eigene Auseinandersetzung mit schulischer Inklusion“. Die hervorgehobenen Werte entsprechen der Zusammenfassung der Unterkategorien nach den Kriterien „enges vs. weites Inklusionsverständnis“ und „optimistische vs. skeptische Sichtweise“.

175

182 186

187

215 226 227

232 234 236

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270

Tabellenverzeichnis

7.12 Ausprägung der Führungsrahmen und der Gesamtskala Leadership nach Sichtweise der Schulleiterinnen und Schulleiter auf Inklusion . . . . 7.13 Sichtweise auf Inklusion nach Clusterzuordnung (Rahmungstypen); in Klammern angegeben die Spaltenprozente bezogen auf den jeweiligen Tabellenabschnitt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.14 Kategorien und Unterkategorien der Hauptkategorie „Rahmenbedingungen für das Schulleitungshandeln an Schwerpunktschulen“ mit Anzahl der kodierten Textsegmente (in Klammern Anzahl der Interviews, aus denen die Textsegmente stammen) . . . . . . . . . . . . . . . . 7.15 Kategorien und Unterkategorien der Hauptkategorie „Rahmenbedingungen für die Entwicklung von Schwerpunktschulen“ mit Anzahl der kodierten Textsegmente (in Klammern Anzahl der Interviews, aus denen die Textsegmente stammen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.16 Die am häufigsten thematisierten Rahmenbedingungen getrennt nach Inklusionsverständnis der Schulleiterinnen und Schulleiter (Zahlen in Klammern entsprechen der Anzahl der Interviews innerhalb der jeweiligen Gruppe, in denen diese Kategorie bzw. zugehörige Unterkategorien thematisiert wurden) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.17 Kategorien und Unterkategorien der Hauptkategorie „Umsetzung des Konzepts Schwerpunktschule an den einzelnen Schulen“ mit Anzahl der kodierten Textsegmente (in Klammern Anzahl der Interviews, aus denen die Textsegmente stammen) . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XXI

271

273

276

294

313

315

1 Einführung: Theoretische Grundlagen und Problemstellung der Arbeit Seit den 1980er-Jahren gibt es in Deutschland Bestrebungen, Schülerinnen und Schüler mit und ohne Behinderung bzw. sonderpädagogischen Förderbedarf gemeinsam zu unterrichten. Zunächst lediglich in einzelnen Modellversuchen, dann in einigen Bundesländern an einzelnen Schulstandorten oder auch flächendeckend wurden unterschiedliche Varianten des sogenannten integrativen Unterrichts oder der schulischen Integration entwickelt und erprobt. International wie auch in Deutschland entwickelte sich aus diesem integrativen Grundgedanken, aber auch aus menschenrechtsbasierten Antidiskriminierungsansätzen, die sich auf ganz unterschiedliche Differenzlinien gesellschaftlicher Heterogenität, Diversität und damit verbundene Problematiken der Marginalisierung und Diskriminierung beziehen, das Ziel des barriere-, diskriminierungs- und ausgrenzungsfreien Zugangs aller Kinder und Jugendlichen zu schulischer Bildung, wie es von der UNESCO (2009) als Inklusion beschrieben wird. Spätestens mit der Ratifizierung der im Jahr 2006 ausgehandelten und in Deutschland im Jahr 2009 ratifizierten UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (im folgenden UN-Behindertenrechtskonvention) wird dieses Ziel in der öffentlichen Wahrnehmung wiederum überwiegend auf die Bildungsteilhabe von Kindern und Jugendlichen mit Beeinträchtigung beschränkt und meist gleichbedeutend mit dem in den 1980er-Jahren als Integration bezeichneten Gedanken der gemeinsamen Unterrichtung beeinträchtigter und nicht beeinträchtigter Schülerinnen und Schüler gleichgesetzt. Aus den wissenschaftlichen Begleitungen der ersten Modellversuche geht hervor, wie sich, unter großem Engagement und mit dem Modellcharakter entsprechenden finanziellen und personellen Rahmenbedingungen, so verstandene Integration / Inklusion umsetzen lässt (z. B. Broich, 2001; Dumke, 1991; Feuser & Meyer, 1987; Heyer, Preuss-Lausitz & Zielke, 1990; Kroppenberg & Schrodin, 1991; Wocken & Antor, 1987; Wocken, Antor & Hinz, 1988). In jüngerer Zeit durchgeführte Begleituntersuchungen zur Umsetzung in der Fläche (siehe Abschnitt 1.4) zeigen ein differenziertes Bild über gelingende sowie misslingende Aspekte und geben Hinweise auf Gelingensbedingungen für inklusive Schulentwicklung (z. B. Amrhein, 2011; Heimlich, Kahlert, Lelgemann & Fischer, 2016; Hennemann, Wilbert &

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 D. Scheer, Schulleitung und Inklusion, https://doi.org/10.1007/978-3-658-27401-6_1

2

1 Einführung

Hillenbrand, 2014; C. Huber, 2006; Laubenstein, Lindmeier, Guthöhrlein & Scheer, 2015; Spörer, Schründer-Lenzen, Vock & Maaz, 2015). Betrachtet man den Forschungsstand zur Umsetzung von Inklusion auf internationaler Ebene, so weist Lindsay (2007) darauf hin, dass lediglich 1 % der von ihm identifizierten 1.300 zwischen 2000 und 2005 erschienenen empirischen Untersuchungen die Effektivität von Inklusion in den Blick nimmt: Dabei seien die Belege für positive Wirkungen schulischer Inklusion „only marginally positive overall, although comparability between outcomes for SEN and TD children could be interpreted as positive rather than non-difference“ (Lindsay, 2007, S. 16). Dies ist für Lindsay (2007) kein Anlass, Inklusion als Konzept insgesamt infrage zu stellen. Vielmehr sei festzuhalten, dass Inklusion eine wertebasierte, keine empirisch basierte Forderung darstelle und es Aufgabe weiterer Forschungsbemühungen sei, die Moderatorvariablen und Interaktionseffekte zu identifizieren, die Inklusion unterstützen (Lindsay, 2007, S. 18). In einer ersten Übersicht über laufende wissenschaftliche Begleitungen zur Umsetzung schulischer Inklusion in den Bundesländern kommt Preuss-Lausitz (2014) zu der Einschätzung, dass sich die Begleitforschung zu Beginn der 2010er-Jahre intensiviere, dabei allerdings – der heterogenen Umsetzung in den Ländern entsprechend – hoch disparat angelegt sei. Der Schwerpunkt liege vor allem auf akteursbezogenen Befragungen, die durchaus eine Akzeptanz schulischer Inklusion bei den unterschiedlichen Akteuren aufzeige (Preuss-Lausitz, 2014, S. 21–22). Zudem stellt er fest, dass die ersten vorliegenden Daten auf moderate positive Lernentwicklungen leistungsschwacher Schülerinnen und Schüler hindeute, weitere Aspekte insbesondere der sozialen Integration durchaus differenziert betrachtet werden müssten (Preuss-Lausitz, 2014, S. 22). Desiderata sieht Preuss-Lausitz (2014, S. 11–13) insbesondere für behinderungsspezifische sowie fächerbezogene Fragen sowie für Fragen, die sich auf (Lernprozess-)Diagnostik, auf Kooperation mit außerschulischen Partnern, auf Schnittstellen und Übergänge sowie auf Kostenveränderungen beziehen. Aktuell fasst Bless (2017) den Forschungsstand zu schulischer Inklusion insgesamt wie folgt zusammen: „Die Wissenskarte zeigt, dass das empirische Wissen über die Wirkung der Integration im Vergleich zur Separation vor allem für die Population der Kinder mit Lernbehinderungen und etwas weniger deutlich für Kinder mit einer intellektuellen Beeinträchtigung in Bezug auf die Lernentwicklung, das Be-

1.1 Schulische Inklusion

3

gabungskonzept, die adaptiven Kompetenzen, die soziale Akzeptanz und die Wirkungen auf die Mitschüler sehr zuverlässig ist. Einige Lücken bestehen diesbezüglich für Schülerinnen und Schüler mit anderen Förderschwerpunkten. Für Populationen mit einer geringen Prävalenz ist es einerseits äußerst schwierig, passable Stichproben zu finden und andererseits äußerst schwierig, mögliche Störvariablen wirkungsvoll zu kontrollieren. Methodisch sauber durchgeführte empirische Einzelfallstudien bilden hier eine Alternative. Ein weiteres Forschungsdefizit ist bei der Überprüfung der Wirksamkeit verschiedener integrativer Organisationsstrukturen auszumachen.“ (Bless, 2017, S. 224)

Gleichzeitig müsste diese Auflistung weiter fortgesetzt werden. Denn gerade zu einer Schlüsselrolle der Schulleitung bei der Frage nach Organisationsstrukturen und vor allem bei der Frage nach der Implementation von möglicherweise wirksamen Modellen liegen insbesondere im deutschsprachigen Kontext kaum Befunde vor, wie verschiedene Zusammenfassungen der Forschungsliteratur zeigen (Hillenbrand, Melzer & Hagen, 2013; Moldenhauer & Badstieber, 2016; Scheer, Laubenstein & Lindmeier, 2014; Sturm, Köpfer & Huber, 2015). Die vorliegende Arbeit soll zur Schließung dieser Lücke hinsichtlich der Rolle der Schulleitung einen Beitrag leisten. Ausgangspunkt dafür sollen anerkannte empirisch fundierte Theorien aus der allgemeinen Schulleitungsforschung sein. Um diese jedoch im Kontext inklusiver Schulentwicklung anzuwenden, sollen in diesem Kapitel zunächst einige allgemeine begriffliche und konzeptionelle Grundlagen skizziert werden, auf denen die Arbeit aufbaut bzw. die zum Verständnis der weiteren Arbeit als grundlegend angesehen werden. 1.1 Schulische Inklusion Im Zusammenhang mit dem Diskurs um schulische Inklusion bzw. Inklusion im Allgemeinen stellt Grosche (2015, S. 18) zu Recht fest, dass dieses Thema sehr kontrovers diskutiert werde und sich Teile des Diskurses durch eine ungewöhnliche Schärfe auszeichneten. Gerade ein Blick in Online-Diskussionsseiten verschiedener Zeitungen belege, so Grosche weiter, dass diese Diskussionen stark emotional gefärbt seien und häufig auf Einzelmeinungen basierten, wobei er dies nicht ausschließlich auf den medialen, sondern auch auf den politischen sowie den wissenschaftlichen Diskurs bezieht. Eine Ursache dafür macht Grosche in folgendem Grundproblem aus: „Verschiedene Menschen beziehen sich mit dem Begriff Inklusion auf unterschiedliche Konzepte. In ihren Diskussionen ist Ihnen dies aber nicht immer

4

1 Einführung

bewusst, was zu einem grundlegenden Problem führt: Metaphorisch wird um Obst insgesamt diskutiert, ohne Obst zuvor hinreichend und vor allem explizit zu definieren. So entstehen Debatten, in denen gemeinsam über Obst diskutiert wird, die eine Seite dabei aber Äpfel und die andere Birnen im Sinn hat. Solche Debatten sind nicht zielführend.“ (Grosche, 2015, S. 18–19)

Am deutlichsten verläuft die Trennlinie zunächst zwischen zwei grundsätzlichen Auffassungen: Einerseits kann Inklusion als die Teilhabe bzw. der Einbezug von Schülerinnen und Schülern mit Behinderungen und Beeinträchtigungen am bzw. in den Gemeinsamen Unterricht an allgemeinen Schulen verstanden werden (z. B. Ahrbeck, 2014). Andererseits kann auch von Inklusion als uneingeschränkter Teilhabe aller Kinder und Jugendlichen unter Berücksichtigung aller Formen von Marginalisierung und Diskriminierung und aller Formen von Differenz und Heterogenität (beispielsweise auch die Bearbeitung der besonderen Bedürfnisse von Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund) gesprochen werden, was z. B. von Hinz (2002) vertreten wird. Lindmeier und Lütje-Klose (2015) sprechen hier von einem engen, behinderungsbezogenen Adressatenverständnis auf der einen und einem weiten, auf alle Diversitätsmerkmale bezogenen Adressatenverständnis auf der anderen Seite, identifizieren darüber hinaus unter Bezugnahme auf die Arbeit von Kiuppis (2014) jedoch noch ein drittes, auf alle Lernenden, besonders aber auf vulnerable Gruppen bezogenes Adressatenverständnis. Das erste (enge) Verständnis von Inklusion ist das im öffentlichen Diskurs wohl am häufigsten anzutreffende. Dies „(...) mag damit im Zusammenhang stehen, dass in der Öffentlichkeit Inklusion zumeist mit der UN-Behindertenrechtskonvention in Verbindung gebracht wird, obgleich diese ja lediglich festlegt, dass Menschen mit Behinderung im Kontext von Inklusion gleichberechtigt mitgedacht werden müssen.“ (Scheer, Laubenstein, Lindmeier, Guthöhrlein & Sponholz, 2016, S. 241)

Im weiteren Verlauf der Arbeit wird daher grundlegend von einem weiten Verständnis des Begriffs Inklusion ausgegangen, wie er sich auch in der Definition der UNESCO-Guidelines wiederfindet: „Inclusion is thus seen as a process of addressing and responding to the diversity of needs of all children, youth and adults through increasing participation in learning, cultures and communities, and reducing and eliminating exclusion within and from education. It involves changes and modifications in content, approaches, structures and strategies, with a common vision that covers all

1.1 Schulische Inklusion

5

children of the appropriate age range and a conviction that it is the responsibility of the regular system to educate all children.“ (UNESCO, 2009, S. 8–9)

Neben dem Bezug auf die Verschiedenheit / Vielfalt der Bedürfnisse aller Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen sowie der Hervorhebung des Aspekts der Partizipation1 greift diese Definition auch den Prozesscharakter von Inklusion auf. Für die Umsetzung von Inklusion an der einzelnen Schule vor Ort bedeutet diese Definition, wie an den Index für Inklusion (Booth, 2000; Booth & Ainscow, 2016) anschließend formuliert werden kann: „Im Mittelpunkt schulischer Bemühungen um Inklusion steht die Frage, wie konzeptionelle Ansätze sowie Erziehungs- und Unterrichtspraktiken verbessert werden können, um Barrieren für das Lernen und die Teilhabe an Schule abzubauen.“ (Scheer et al., 2016, S. 246)

Die vorliegende Arbeit fasst Inklusion in diesem weiten Sinne auf, sieht aber Teilhabe und Partizipation von Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf bzw. Behinderung am Gemeinsamen Unterricht an allgemeinen Schulen als einen wesentlichen Teilaspekt an, was im Sinne der von Ainscow und Miles (2009) formulierten Kernelemente einer inklusiven Pädagogik der partikulären Hervorhebung besonders vulnerabler bzw. von Exklusion bedrohter Gruppen entspricht. Dieser Teilaspekt ist auch der, dessen Umsetzung diese Untersuchung fokussiert. Trotz der klaren Fokussierung auf dieses Begriffsverständnis werden auch andere Ansätze, Perspektiven etc. unter dem Begriff Inklusion subsumiert, da die Analyse des anfallenden Datenmaterials ebenfalls eine offene Analyse der zugrunde liegenden Begriffsverständnisse erfordert. Unter inklusiven Schulen bzw. inklusiven Settings werden aufgrund dieser Fokussierung in der empirischen Untersuchung im Folgenden Schulen verstanden, die mit dem Gemeinsamen Unterricht von Schülerinnen und und Schülern mit und ohne sonderpädagogischem Förderbedarf bzw. Behinderung beauftragt sind. In Rheinland-Pfalz sind dies die sogenannten Schwerpunktschulen. Da aus Sicht des Verfassers bislang keine allgemeingültigen Kriterien dafür existieren, was eine erfolgreiche Inklusion in der einzelnen Schule auszeichnet, soll auf diesbezügliche normative Setzungen innerhalb des empirischen Teils der Arbeit zunächst verzichtet werden. 1

Der Begriff der Partizipation geht weit über den des bloßen Einbezugs hinaus und auch über den der Teilhabe, indem nicht nur teilnehmen oder Teil sein gemeint ist, sondern die aktive Mitgestaltung und Mitbestimmung.

6

1 Einführung

1.2 Schulentwicklung Ganz grundsätzlich werden unter Schulentwicklung alle bewussten und systematischen Maßnahmen zur Optimierung der Qualität und Qualitätssicherung von Schulen verstanden (Burow, Plümpe & Bornemann, 2008; Dedering, 2012; Rolff, 2010). Unterschieden werden kann nach Rolff (2010, S. 36) zwischen der Weiterentwicklung der Einzelschule (Intentionale Schulentwicklung, Schulentwicklung 1. Ordnung), der Schaffung lernender, sich selbst organisierender, reflektierender und steuernder Schulen (Institutionelle Schulentwicklung, Schulentwicklung 2. Ordnung) und Entwicklung in Form der Steuerung des Gesamtzusammenhangs (Komplexe Schulentwicklung, Schulentwicklung 3. Ordnung). Den Ursprung der Auseinandersetzung mit Schulentwicklung sieht Rolff (2010) in der Sichtweise der Einzelschule „als ‚Motor der Entwicklung‘ (Dalin & Rolff 1990), für dessen Wirkungsweise in erster Linie die Lehrpersonen und die Leitung selbst verantwortlich sind, und andere Instanzen eher unterstützende und ressourcensichernde Funktionen ausüben“ (Rolff, 2010, S. 29). Diese Sichtweise wiederum verortet Wissinger (2007) in der in den 1980er / 1990er-Jahren aufkommenden Tendenz eines Paradigmas von Deregulierung und Schulautonomie. Dieses Paradigma sieht er jedoch als mittlerweile eher zurückgehend an: „Deregulierungsdiskussion und die Politik einer erweiteren einzelschulischen Autonomie wurde zwischenzeitlich in vielen Ländern durch umgekehrte Strategien der evaluationsbasierten Steuerung ersetzt oder ergänzt in der Absicht, gleichzeitig mit der Entwicklung der Einzelschulen die Systemsteuerung zu verbessern (vgl. van Ackeren 2003).“ (Wissinger, 2007, S. 106)

Schulentwicklungsprozesse der Einzelschule müssen insofern im Gesamtkontext schulischer Steuerung betrachtet werden, wie auch die Ausführungen von Dedering (2012) zeigen. Damit lässt sich nach Feldhoff (2016a) neben einer „Innensicht“, in der davon ausgegangen wird, dass die Schulentwicklungskapazität der einzelnen Schule der wesentliche Motor für Entwicklungen sei, auch eine „Außensicht“ identifizieren, die diese Schulentwicklungskapazität infrage stellt und stattdessen auf evidenzbasierte und von außen initiierte Reformprogramme setzt. Statt einer strikten Trennung dieser beiden Sichtweisen legt Feldhoff (2016a) nahe, im Sinne einer Synthese eine Balance zwischen beiden Perspektiven herzustellen, die danach fragt, wie Schulen unter Zuhilfenahme externer Unterstützungsangebote und Reformprogramme eine eigene Schulentwicklungskapazität aufbauen können. Daran anknüpfend verweist Feldhoff (2016b) dann darauf, dass Planung und Steuerung

1.2 Schulentwicklung

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des intentionalen Prozesses der Schulentwicklung selbst nur auf der Ebene der einzelnen Schule ablaufen könne, wobei die einzelnen Aktivitäten durch reziproke und interdependente Interaktionen unterschiedlicher Akteure und Teams entstünden (Feldhoff, 2016b; Feldhoff, Radisch & Bischof, 2016). 1.2.1 Drei-Wege-Modell der Schulentwicklung Die Entwicklung der Einzelschule beschreibt Rolff (2010) als „Zyklus einer Trias bzw. eines Drei-Wege-Modells“ (Rolff, 2010, S. 30) aus Organisationsentwicklung, Unterrichtsentwicklung und Personalentwicklung, eingebettet in den systemischen Gesamtzusammenhang und auf die Lernfortschritte der Schülerinnen und Schüler bezogen (siehe Abbildung 1.1). Damit legt Rolff ein Modell vor, das wesentliche Theorieperspektiven aus der Schulentwicklungsforschung aufgreift und für die praxisbezogene Unterstützung der Einzelschule nutzbar macht. Der Ansatz der Organisationsentwicklung (OE) wird in diesem Modell als Ausgangspunkt von Schulentwicklung gesehen (Rolff, 2016, S. 15): „Organisationsentwicklung bedeutet, eine Organisation von innen heraus weiterzuentwickeln, und zwar im Wesentlichen durch deren Mitglieder, wobei der Leitung eine zentrale Bedeutung zukommt und nicht selten Prozessberater von außen hinzugezogen werden (French / Bell 1990). OE wird als Lernprozess von Menschen und Organisationen verstanden.“ (Rolff, 2016, S. 15)

Unter Organisationsentwicklung werden in der Schulentwicklung alle Maßnahmen gefasst, die „sich auf das Ganze der Schule beziehen und nicht nur auf Teilaspekte“ (Rolff, 2016, S. 15), obgleich Einzelaspekte oftmals den Anknüpfungspunkt für eine schrittweise Organisationsentwicklung darstellen. Damit wird der Charakter von Organisationsentwicklung als Zyklus deutlich, in dem auf Basis von Diagnose und Evaluation die Schritte Initiation, Implementation und Inkorporation beschrieben werden können (Rolff, 2016, S. 15–16). Einen weiteren Ansatz der Schulentwicklung identifiziert Rolff (2016) im Ansatz der Unterrichtsentwicklung (UE), den er als „der Organisationsentwicklung gelegentlich wie in einem Wettbewerb gegenübergestellt“ (Rolff, 2016, S. 17) sieht. Ausgangspunkt sei, so Rolff, die von einigen Autorinnen und Autoren als notwendig erachtete Reduktion der Innovationsarbeit auf den Kernbereich der Lehrertätigkeit, den Unterricht. Als Beispiel führt er den Ansatz Klipperts (1997) an, der sich vor allem auf die Etablierung schulweiter Methoden(-trainings) und Unterrichtskonzepte stützt (Klippert, 2007, 2010a, 2010b; Klippert & Müller, 2010).

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1 Einführung

• • • • • •

Um

d fel

Um

fel d

Lehrer-Feedback Supervision/Coaching Kommunikationstraining Schulleitungsberatung Hospitationen Jahresgespräche/ Zielvereinbarungen • Führungsfeedback u. a.

Personalentwicklung

Lernfortschritt von Schüler/innen als ultimativer Bezugspunkt Unterrichtsentwicklung

• • • • • • • •

Organisationsentwicklung

Fachlernen Schülerorientierung Überfachliches Lernen Methodentraining Selbstlernfähigkeit Öffnung Erweiterte U-formen Lernkultur u. a.

• • • • • • • •

Schulprogramm Schulkultur Erziehungsklima Schulmanagement Teamentwicklung Evaluation Kooperation Steuergruppe u. a.

Umfeld

Abb. 1.1: Drei-Wege-Modell der Schulentwicklung (Quelle: Rolff, 2016, S. 20)

1.2 Schulentwicklung

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Obgleich Rolff (2016, S. 17) darin eine Reduktion sieht, indem fachdidaktische und bildungstheoretische Aspekte des Unterrichts ausgeblendet werden, hält er so gestaltete Unterrichtsentwicklung, die den Rahmen eines Fachs überschreitet und gleichzeitig schulweite Strukturen anstrebt, für einen wesentlichen Aspekt oder Ansatz der Schulentwicklung. Als kritisch erachtet er jedoch Lehrerfortbildner, die den Begriff der Unterrichtsentwicklung lediglich als neues Etikett für die fachliche, didaktische oder fachdidaktische Fortbildung von Lehrkräften benutzen: „Hiergegen ist einzuwenden, dass Schulentwicklung zwar immer Lehrerfortbildung umfasst, aber nicht jede Lehrerfortbildung gleich Schulentwicklung ist. Ebenso wenig ist Schulentwicklung ohne Personalentwicklung vorstellbar, doch Personalentwicklung ist nicht zwangsläufig mit Schulentwicklung identisch.“ (Rolff, 2016, S. 18)

Mit diesem Verweis auf die Wechselwirkung von Schul- / Unterrichtsentwicklung und Fortbildung / Personalentwicklung leitet Rolff zum dritten Anteil des DreiWege-Modells über, der Personalentwicklung PE: „Organisationen sind Interaktionszusammenhänge konkreter Menschen, und Schulen sind in besonderem Maße personengetragene Einrichtungen. Der pädagogische Prozess ist im Kern ein zwischenmenschlicher, er beruht mehr als andere Interaktionszusammenhänge auf persönlicher Begegnung. Insofern ist es keine Phrase, wenn Schulpsychologen immer wieder betonen, dass im Mittelpunkt der Schule lebendige Menschen stehen, in erster Linie die Schülerinnen und Schüler sowie die Lehrpersonen. Deshalb ist es plausibel, Personalentwicklung (PE) als dritten Hauptweg zur Schulentwicklung anzusehen.“ (Rolff, 2016, S. 18)

Gemeint ist, entgegen gelegentlich anzutreffenden Annahmen, nicht in erster Linie die Auswahl oder die Umstrukturierung des Personals. Vielmehr meint Personalentwicklung im Sinne Rolffs 2016, S. 18–19, dass die Schule ein Gesamtkonzept der Personalfortbildung, -führung, -förderung, Persönlichkeitsentwicklung und Beratung entwickelt. Im Kern des Modells steht der interne und externe Systemzusammenhang. Für Rolff verbietet sich die einseitige Sichtweise, einer der drei Aspekte von Schulentwicklung habe Vorrang vor den anderen (Rolff, 2016, S. 19). Schulentwicklung, so Rolff, müsse zwar stets die Lernfortschritte der Schülerinnen und Schüler als ultimativen Bezugspunkt (Rolff, 2016, S. 20) haben, dennoch ergebe sich aus der Berücksichtigung der Systemzusammenhänge stets, dass das Ausgehen von einem

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1 Einführung

der drei Aspekte auch zu Entwicklungsaktivitäten im Bereich der beiden anderen Aspekte führe (Rolff, 2016, S. 19): So würden beispielsweise Arbeiten an der Verbesserung des Unterrichts auch immer Arbeiten an den Organisationsstrukturen und -kulturen sowie Veränderungen in der Personalentwicklung mit sich bringen. Die Schlussfolgerung lautet also: „keine UE ohne OE und PE, keine OE ohne PE, keine PE ohne OE und UE. Das Neue und Besondere in diesem Systemzusammenhang stellt allerdings OE dar: Ohne OE würde UE ebenso wenig wie PE auf das Ganze der Schule zielen, und es bliebe bei modernisierter Lehrerfortbildung und renovierter Schulpsychologie.“ (Rolff, 2016, S. 21)

Zudem müsse auch bedacht werden, dass die Entwicklung der Einzelschule noch durch deren Umfeld (Eltern, Betriebe / Universitäten als „Abnehmer“, Schulträger, Schulaufsicht ...) beeinflusst werde (Rolff, 2016, S. 21). Weiterhin führt Rolff (2016, S. 22–25) fünf Modelle auf, mittels derer versucht wird, Entwicklungen im Gesamtsystem zu steuern und ein Auseinanderdriften von Entwicklungen zu verhindern: • Hierarchische Steuerung über Gesetze und Erlasse, die den Schulen einen „Entwicklungskorridor“ vorgeben. • Steuerung über (standardisierte) Tests und Benchmarkvorgaben. • Vorsteuerung, bei der Entwicklungsspielräume durch detaillierte zusätzliche Vorgaben eingeschränkt werden, beispielsweise durch Ausführungsbestimmungen oder Rahmenschulprogramme. • Steuerung über Kopplung interner und externer Evaluation. • Modell der Nachsteuerung zunächst über Regionalkonferenzen / Netzwerke und erst dann durch zentrale Koordination / Eingriffe / Anweisungen. Allerdings konstatiert Rolff (2016, S. 25), dass die Wirksamkeit dieser einzelnen Modelle bislang nicht hinreichend erforscht sei. Trotz des Einbezugs externer Steuerungsmethoden in das Modell in der Darstellung bei Rolff (2016), die in anderen Darstellungen des Drei-Wege-Modells eher eine marginale Rolle spielen (z. B. Rolff, 2010), verbleibt das Modell verhaftet in der Sichtweise der Einzelschule als der wesentlichen Ebene der Schulentwicklung. Das Modell eignet sich daher insbesondere dafür, um Schulen, die sich dazu entschließen, an Teilaspekten ihrer Weiterentwicklung zu arbeiten, pragmatische Hilfen und eine praxisorientierte Systematisierung von Handlungsmöglichkeiten zu bieten.

1.2 Schulentwicklung

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Da dieses Modell zudem innerhalb der Schulentwicklungsberatung und Lehrkräftefortbildung weit verbreitet scheint, lassen sich Erläuterungen „aus dem Feld“ nur vor dem Hintergrund dieses Modells verstehen. Dadurch, dass das Modell, wie Amrhein (2011, S. 99) feststellt, die Beziehung von Akteuren und Institution sowie die Bindung der Akteure an institutionelle Bedingungen in einem weitestgehend hierarchischen und teil-bürokratischen System nicht ausreichend beachte, sei es, so Amrhein, nicht hinreichend geeignet, institutionellen Wandel im Bildungssystem zu analysieren: „Besonders für den (...) Bereich der integrativen Schulentwicklung wird davon ausgegangen, dass die Akteure mit ihren institutionellen Bindungen und Zwängen eine ganz zentrale Rolle einnehmen, und nur der Versuch der Rekontextualisierung das Denken im gesamten System herstellen kann, um so den Zusammenhang abzubilden. Der Rolff’schen Theorie von der Autonomie oder Teilautonomie der Schulen geht somit insgesamt gesehen ein wesentlicher Aspekt verloren und sie könnte sogar als ‚irreführend‘ charakterisiert werden.“ (Amrhein, 2011, S. 99)

Da in die hier vorgelegte Untersuchung sowohl konkrete Umsetzungsmaßnahmen an den einzelnen Schulen als auch Aspekte von Systemsteuerung und -wandel einbezogen werden, bedarf es der Kritik Amrheins folgend weiterer theoretischer Ansatzpunkte, die eine Analyse des Zusammenspiels von Institution und Akteur ermöglichen. Daher werden im Folgenden zunächst das Konzept der Rekontextualisierung und sodann die Educational Governance-Perspektive skizziert. 1.2.2 Rekontextualisierung in Fends Neuer Theorie der Schule Mit seiner „Neuen Theorie der Schule“ entwirft Fend (2008a) eine handlungs- und gestaltungsorientierte Theorie, die die Vorgänge im Bildungssystem als getragen von im Rahmen institutioneller Rahmenbedingungen handelnden Akteuren beschreiben soll. Dabei „(...) führt die Neue Theorie der Schule in die Dynamik der Gestaltung des Bildungswesens ein und macht damit auf die zwischen den Akteuren auf Makro-, Meso- und Mikroebene ablaufenden Prozesse aufmerksam. Dieses Verhältnis von Struktur und Dynamik ermöglicht heute eine lebendige Einsicht in die Außenbeziehungen, das innere Geschehen und die Wirkungen des Bildungswesens.“ (Fend, 2008a, 17, Hervorheb. im Original)

Bohl, Harant und Wacker (2015, S. 197–206) fassen die Neue Theorie der Schule als Integration folgender Anteile zusammen:

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1 Einführung

• Aus strukturfunktionalistischer Sicht erfüllt die Schule verschiedene Funktionen innerhalb der Gesellschaft (Qualifikations-, Selektions-, Allokations-, Integrations-, Legitimations- sowie Enkulturationsfunktion). • Das Handeln der Einzelindividuen wird als regelgeleitetes Zusammenhandeln von Akteuren auf verschiedenen Systemebenen (von der gesellschaftlichen Makroebene bis zur Mikroebene des Unterrichts) aufgefasst, wobei sich jede einzelne Ebene nur in ihrer Wechselwirkung mit den anderen Ebenen verstehen lässt. • Bildungssysteme können nur aus ihrer Historie und ihren historisch gewachsenen Umwelten heraus verstanden werden. • Im historischen Gewordensein des Bildungssystems sind der universelle Wert des Menschen, das Sozialprinzip, das Prinzip der innerweltlichen Askese und das Rationalitätsprinzip „leitende Bildungs- und Kulturideen als bleibende Gestaltprinzipien des Schulischen“ (Bohl et al., 2015, S. 197). Diese umfassende Theorie ist darauf ausgerichtet, dass sie „die theoretische Beschreibung und normative Gestaltung zusammendenkt und auf diese Weise handlungsorientierende Kraft gewinnt“ (Bohl et al., 2015, S. 206) und damit hilft zu „erkennen und verstehen, wie man Bildungssysteme ausformen und wandeln kann“ (Amrhein, 2011, S. 81). Diese praktische Ausrichtung in ihrer multiperspektivischen Betrachtung sehen Bohl et al. (2015, S. 206) als ihre größte Stärke an. Da zum Verständnis des Handlungsrahmens und der Handlungsweise von Schulleiterinnen und Schulleitern im Kontext inklusiver Schulentwicklung vor allem die Mehrebenenanalyse des Zusammenhandelns der Akteure von Bedeutung erscheint, wie sich allgemein bei Warwas (2012) und speziell auf Inklusion bezogen bei Amrhein (2011) zeigt, werden deren Kernelemente im Folgenden ausführlicher skizziert. Zur Beschreibung der Systemebenen im Bildungswesen verwendet Fend (2008a, S. 167) die Begriffe Makro-, Meso- und Mikroebene, die er aber anders definiert als Bronfenbrenner (Bronfenbrenner, Lüscher & von Cranach, 1981), da er im Gegensatz zu Bronfenbrenner von Handlungszusammenhängen spricht. Als Makroebene bezeichnet Fend die Ebene der bildungspolitischen Entscheidungen (z. B. bezüglich schulischer Inhalte), als Mesoebene die Ebene der Umsetzung auf die Gegebenheiten und Besonderheiten der einzelnen Schule hin und als Mikroebene schließlich die Ebene der konkreten Umsetzung im Unterricht. Ohne hierfür einen weiteren Begriff

1.2 Schulentwicklung

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einzuführen, verweist Fend an dieser Stelle ferner auf die weitere Transformation der komplexen kulturellen Gehalte in der Rezeption durch die Schülerinnen und Schüler. Das Handeln von Akteuren im Bildungssystem beschreibt Fend als reguliertes Zusammenhandeln: „Das Handeln der Einzelindividuen steht dabei im Rahmen von gesellschaftlich vereinbarten und durchgesetzten Regelungen, es ist normativ reguliertes Zusammenhandeln, das von Regelungen, spezialisiertem Personal und sachlichen Ressourcen getragen ist. Bildungssysteme sind damit institutionelle Akteure, die im Auftrage externer Akteure handeln und über Lehren und Lernen als wünschenswert definierte psychische Dispositionen in der nachwachsenden Generation ‚erzeugen‘.“ (Fend, 2008a, S. 169)

Damit muss das Handeln einzelner Akteure immer als eingebettet in einen gesellschaftlichen Kontext (Warwas, 2012, S. 13) und damit als konditioniert durch soziale Praktiken gesehen werden, die „als zeit- und raumübergreifende Koordinationsmechanismen einen normativ strukturierten Handlungszusammenhang zwischen den Mitgliedern einer sozialen Ordnung herstellen“ (Warwas, 2012, S. 14). Der zweite, für den Handlungsrahmen von Schulleitung im Kontext inklusiver Schulentwicklung relevante Aspekt ist das für diesen Abschnitt zentrale Konzept der Rekontextualisierung (Fend, 2008a, S. 174–176), mit dem nach Warwas (2012) theoretisch erklärt werden soll und kann, wie „Merkmale des organisationalen Kontextes sowie die kollektiven mentalen Modelle und habitualisierten Arbeitsroutinen der hier angesiedelten Akteursgruppen berücksichtigt werden, welche den bruchlosen Transfer institutionalisierter Vorgaben in den schulischen Arbeitsalltag konterkarieren (...).“ (Warwas, 2012, 14, Hervorheb. im Original)

Dabei geht Fend von der Annahme bzw. von der Beobachtung aus, dass Handlungsvorgaben nicht nahtlos von oben nach unten direktiv umgesetzt, sondern vielmehr auf unterschiedlichen Verantwortungsebenen an die jeweiligen Handlungsbedingungen angepasst würden (Fend, 2008a, S. 174). Zwar sei Handeln in Bildungssystemen immer Auftragshandeln, so Fend (2008a, S. 175), dennoch seien die handelnden Akteure keine „Rollenmarionetten“: „Ihr Handeln in Institutionen erfordert ihre subjektive Beteiligung, ihre Wahrnehmungen, ihre Verantwortungsbereitschaft und ihre Fähigkeiten. Dadurch kommt es zu bedeutsamen empirischen Variationen des faktischen operativen Handelns.“ (Fend, 2008a, S. 175)

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1 Einführung

Das Konzept der Rekontextualisierung als theoretisches Modell zur Beschreibung dieser Anpassungs- und Variationsprozesse lässt sich nach Fend (2008a, S. 175) über folgende Punkte definieren: • Trotz vor Ort variierender Augestaltung wird das Auftragshandeln der Akteure im Bildungssystem von einem offiziellen Programm geleitet. • Die Rahmenvorgaben dieses offiziellen Programms müssen vor Ort an unterschiedliche Handlungsbedingungen adaptiert werden. • Diese Adaption wird unter anderem von „reflexiven Prozessen der Selbstund Fremdwahrnehmung, von Kompetenzen der Aufgabenerfüllung und von situativen Konstellationen beeinflusst“ (Fend, 2008a, S. 175). • Auf jeder Ebene des Bildungswesens entstehen „jeweils eigene Handlungsaufgaben (...), die eigene Handlungsinstrumente, Kompetenzen und Verantwortungen erfordern“ (Fend, 2008a, S. 175). • Erfahrungen auf der operativen Ebene können, z. B. wenn institutionelle Vorgaben die optimale Aufgabenbewältigung erschweren, zu einem „Druck von ‚unten‘“ (Fend, 2008a, S. 175) führen, aus dem sich Veränderungen auf höheren Ebenen ergeben. Warwas (2012, S. 14–15) spricht in diesem Zusammenhang von einem Handlungskorridor, der sich daraus ergibt, dass „individuelles Handeln innerhalb gleichermaßen beschränkender wie ermöglichender struktureller Rahmenbedingungen erfolgt“ (Warwas, 2012, 14, Hervorheb. im Original) bzw. dass „aus verschiedenen sozialen Bezugssystemen bestehende Umweltsysteme (...) jeweils charakteristische konditionale Qualitäten als Gelegenheiten für Eigenaktivitäten (Veith 2004, 366) und mithin Platz für strategische Manöver offerieren“ (Warwas, 2012, 15, Hervorheb. im Original). Als dritte Bestimmungsgröße zur Beschreibung des Handelns schulischer Akteure identifiziert Warwas (2012) „die subjektiven epistemischen Überzeugungen der fokalen Person(en)“ (Warwas, 2012, 15, Hervorheb. im Original). Fend begründet dies wie folgt: „Wenn Menschen handeln, tun sie dies im Rahmen von Vorstellungen, wie die Welt, sie selber und ihre Mitmenschen beschaffen sind und funktionieren.“ (Fend, 2008a, S. 157)

Damit verweist Fend (2008a, S. 158) darauf, dass in den Interaktionskonstellationen die Wahrnehmungen, Präferenzen und Fähigkeiten der jeweiligen Akteure zum

1.3 Die Educational Governance-Perspektive

15

Tragen kommen. Dies ist im Zusammenhang mit dem zu sehen, was Fend (2008a, S. 182) als „Wissen im System“ bezeichnet: Dieser Begriff geht davon aus, dass wir es mit einer sich selbst interpretierenden Realität zu haben, dass „Alltagspraxis von Unterricht und Schulgestaltung ein Verständnis ihrer selbst entwickelt“ (Fend, 2008a, S. 182), wobei dieses Wissen im System den handelnden Akteuren selbst wiederum oftmals bzw. in Teilen intransparent sei, durch wissenschaftliche Forschung hier ein Wissen über Wissen im System generiert und mit der Praxis rückgekoppelt werden müsse. Vereinfacht könnte der Begriff der subjektiven epistemischen Überzeugungen als Verweis auf Einstellungen als „psychological tendency that is expressed by evaluating a particular entity with some degree of favor or disfavor“ (Eagly & Chaiken, 1993, S. 1) oder den (sozialisationsabhängigen) Habitus (Bordieu, 1982, 1987) gesehen werden. Fend geht, wie Amrhein (2011, S. 91–92) aufzeigt, jedoch einen Schritt weiter und beschreibt den Einfluss institutioneller Vorgaben sowie von Ereignissen im System auf Einstellungen und Haltungen. Damit, so Amrhein, könnten Einstellungen (z. B. zu schulischer Inklusion) als „situative Reaktion auf strukturelle und institutionelle Bedingungen“ (Amrhein, 2011, S. 101) gesehen werden. Zur Analyse inklusiver Schulentwicklung ergibt sich aus diesen Betrachtungen die Notwendigkeit zu berücksichtigen, wie die Akteure auf den unterschiedlichen Ebenen Inklusion definieren, wie sie der Idee schulischer Inklusion auf Basis dieser eigenen Definition gegenüberstehen und wie sie diese sowie die damit verbundenen Vorgaben der höheren Systemebenen in ihr Konzept von Schule und in die Rahmenbedingungen ihres Handelns einpassen. 1.3 Die Educational Governance-Perspektive Im Zusammenhang mit der Frage nach Steuerung im Bildungssystem wird in jüngerer Zeit immer wieder der Begriff der (Educational) Governance verwendet. Der inhaltliche Diskurs um Governance wird jedoch dadurch erschwert, dass, so stellen Altrichter und Maag Merki (2016b) fest, der Begriff (Educational) Governance nicht einheitlich verwendet wird, sondern erstens von manchen Autorinnen und Autoren als analytischer Begriff „zur Bezeichnung von Regulierungs- und Steuerungsverhältnissen in Mehrebenensystemen“ (Altrichter & Maag Merki, 2016b, S. 12), zweitens von anderen Autorinnen und Autoren mit einer normativen Akzentuierung als Bezeichnung für bestimmte vermeintlich modernere und bessere Steuerungsvorschläge (Altrichter & Maag Merki, 2016b, S. 13) und drittens als Bezeichnung für

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1 Einführung

eine Forschungsperspektive, die „Steuerungs- und Regulierungsprozesse unterhalb vorgefasster globaler Begriffe (...) einer theoretischen und empirischen Analyse unterziehen will“ (Altrichter & Maag Merki, 2016b, S. 14), verstanden wird. In der vorliegenden Arbeit soll Educational Governance als analytischer Begriff und als Forschungsansatz verstanden werden. Analytisch steht der Begriff damit als „Sammelbezeichnung für alle Formen sozialer Handlungskoordination“ (Mayntz, 2009, S. 46; zit. nach Altrichter und Maag Merki, 2016b, S. 12) und soll somit sowohl einseitige staatliche Lenkung als auch kooperative Formen der Koordination sowie gesellschaftliche Selbststeuerung erfassen (Altrichter & Maag Merki, 2016b, S. 12). Die Forschungsperspektive der Educational Governance dagegen „will das Zustandekommen, die Aufrechterhaltung und die Transformation sozialer Ordnung und sozialer Leistungen in einem sozialen System – in unserem Fall im Schulwesen – verstehen und erklären. Idealerweise lassen sich daraus Perspektiven für die Systemgestaltung entwickeln.“ (Altrichter & Maag Merki, 2016b, S. 14)

Bereits mit der Formulierung dieses Ziels der Governance-Perspektive wird deren Anschlussfähigkeit an Fends Mehrebenenanalyse deutlich – und in der Tat verwendet Fend selbst in der Neuen Theorie der Schule diesen Begriff, jedoch eher als Beschreibung eines Handlungsmodells (Fend, 2008a, S. 189; Fend, 2008b, S. 39– 144). Der Begriff Educational Governance im hier verwendeten Sinn kann nur aus seiner gesamtgesellschaftlichen Entstehung heraus verstanden werden. Die Entstehung dieser Perspektive auf Steuerung als komplexe Interaktion von Akteuren auf mehreren Ebenen lässt sich nach Kussau und Brüsemeister (2007, S. 18–22) für den Bildungsbereich vor allem an drei Diskussionslinien festmachen: 1. Weder politische Planung allein noch eine Steuerung durch einen privatisierten und deregulierten Markt hätten sich als Mittel zur Gesellschaftssteuerung bewährt (Stichworte Staatsversagen und Marktversagen). Infolgedessen sei die Notwendigkeit zivilgesellschaftlicher Beteiligung und demokratischer Partizipation deutlich geworden. Daraus, so Kussau und Brüsemeister (2007, S. 19), leite sich ab, dass die Forderung nach einer Staatsreform zu eng sei: Es stelle sich eher das Thema „Ordnungsbildung von Gesellschaft allgemein, die Staat, Markt und Zivilgesellschaft umschließt“ (Kussau & Brüsemeister, 2007, 19, Hervorheb. im Original).

1.3 Die Educational Governance-Perspektive

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2. Das wahrgenommene Scheitern gesellschaftlicher Planung und die Finanzlage der sozial- und wohlfahrtsstaatlichen Leistungen führte unter dem Begriff New Public Management (NPM) zu einer Steuerung über „Standardisierung und Indikatorisierung, z. B. mittels Qualitätsnormen, Berichtssystemen, Zertifizierung und Akkreditierung“ (Kussau & Brüsemeister, 2007, S. 21). Ziel war bzw. ist dabei eine Erhöhung der Effizienz und somit eine Outputlegitimation. 3. Politisch beschlossene Programme und Reformen werden in der Praxis nicht eins zu eins umgesetzt. Vielmehr führen je regionale Situationen und Akteurskonstellationen zu unterschiedlichen Handlungsweisen im Umgang mit politisch gesetzten Normen, was sich gerade im Bildungsbereich deutlich zeigt (Kussau & Brüsemeister, 2007, S. 21). So entsteht mit der Governance-Perspektive eine Blickrichtung auf gesellschaftliche Prozesse, die nicht eine hierarchische Struktur des Regierens in den Blick nimmt, sondern die vielfachen, komplex vernetzten Interaktionsprozesse zwischen Akteuren, die zu Steuerung führen. Im Bildungsbereich bedeutet dies die Erkenntnis, dass „(...) Leistungen der Bildungssysteme nicht von einem, sondern von vielen Akteuren hergestellt werden, die durch Interdependenzen voneinander abhängig sind und Akteurskonstellationen ausbilden. Im Gegensatz zum Steuerungsansatz und unilateralen Maßnahmen ist die Handlungskoordination im Mehrebenensystem der Fokus der Analyse“ (Kussau & Brüsemeister, 2007, 44, Hervorheb. im Original).

Folglich unterscheidet die Governance-Perspektive als Forschungsansatz folgende Kategorien (Altrichter, 2015, S. 34–40): Die erste Kategorie ist die Unterscheidung „Mehrzahl von Akteuren in ‚Akteurskonstellationen‘ vs. ‚Regierende‘ mit unilateraler Einflussrichtung“ (Altrichter, 2015, S. 35): Anstelle Letzterer tritt eine Vielzahl an Akteurskonstellationen mit unterschiedlichen Einfluss- und Beiteiligungschancen (Altrichter, 2015, S. 35–36). Als Akteure werden hier in erster Linie überindividuelle Akteure („soziale“ sowie „korporative“ Akteure) verstanden, die sich in ihrem Handeln auf Institutionen auf institutionalisierte Regelsysteme stützen (Altrichter, 2015, S. 28). Die zweite Kategorie unterscheidet zwischen „Handlungskoordination vs. Regieren oder Steuerungshandeln“ (Altrichter, 2015, S. 36): Damit ist gemeint, dass die Governance-Perspektive „die Art und Funktionalität des Zusammenwirkens der verschiedenen Akteure analysiert, ohne vorauszusetzen, wer ‚steuert‘ und wer

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1 Einführung

höchstens als ‚Widerstandsfaktor‘ einzukalkulieren ist“ (Altrichter, 2015, S. 36). Für die Analyse auf Mikroebene greift Altrichter (2015, S. 36) auf die von Lange und Schimank (2004) vorgeschlagenen Koordinationsformen Beobachtung (d. h. „Handlungsabstimmung allein durch einseitige oder wechselseitige Anpassung an das wahrgenommene Handeln der anderen – einschließlich ihres antizipierten Handelns“ (Lange & Schimank, 2004, S. 20)), darauf aufbauend Beeinflussung (durch Einflusspotenziale wie Macht, Geld, Wissen, Emotionen, moralische Autorität etc.) sowie letztlich Verhandlungskonstellationen (zweiseitige Ausarbeitung von Vereinbarungen) zurück. Die Bedeutsamkeit dieses Ansatzes für die Bildungsforschung zeigt sich nicht zuletzt daran, dass die gesamtgesellschaftlichen Entwicklungen im Bereich der Steuerung auch für das Bildungssystem zu Veränderungen in Form von mehr Autonomie der Einzelschule, zugleich aber zunehmend ebenfalls zur Steuerung über Maßnahmen der standardisierten Qualitätssicherung geführt haben (Wissinger, 2007, S. 106). Auch sind unter diesen Bedingungen Schulaufsichtsreferentinnen und Schulaufsichtsreferenten, Schulleiterinnen und Schulleiter sowie Lehrkräfte, aber letztlich auch Schülerinnen und Schüler sowie Eltern nicht mehr nur Befehlsempfänger, -weitergeber und -ausführer, sondern Teil einer vielschichtigen Akteurskonstellation, die es jeweils zu rekonstruieren gilt. Dass sich die Rolle von Leitungspersonal, also im schulischen Kontext von Schulleitung, bei einer solchen Neuorientierung wandelt, ist eine triviale Folgerung. Unter dieser Perspektive hebt Wissinger (2007, S. 115) gegenüber dem Ansatz einer instructional leadership-role, der Leitungshandeln ausschließlich als auf Kontrolle und Verbesserung des Unterrichts hin ausgerichtet und den Schulleiter vor allem in seiner Kompetenz als Lehrkraft sieht, eher den Ansatz einer transformational leadershiprole hervor, der Fragen der Führung „als Fragen der schulischen Restrukturierung erster und zweiter Ordnung“ (Wissinger, 2007, S. 115) betrachtet (vgl. Seite 32 dieser Arbeit). Die Governance-Perspektive zeigt, dass Entwicklungen im Kontext schulischer Inklusion weder über klassische Modelle der Schulentwicklung noch über das Konzept der Rekontextualisierung hinreichend analysiert werden können, sondern dass verschiedene gesellschaftliche, politische und innerschulische Stakeholder differente Eigeninteressen verfolgen und je unterschiedliche Möglichkeiten der gegenseitigen Beeinflussung nutzen können und auch nutzen. Bei Forschungen zu einzelnen Akteursgruppen ist es folglich notwendig, deren individuelle (und

1.4 Inklusive Schulentwicklung?

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kollektive) Interessen und Einflussmöglichkeiten in den Gesamtkontext des Systems einzuordnen. 1.4 Inklusive Schulentwicklung? Im ersten Abschnitt dieses Kapitels wurde ein weites Inklusionsverständnis im Sinne der UNESCO (2009) zugrunde gelegt, dabei aber für die vorliegende Arbeit der Fokus auf den Teilaspekt der Teilhabe und Partizipation von Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf bzw. Behinderung am Gemeinsamen Unterricht an allgemeinen Schulen gelegt. Die Einführung des Gemeinsamen Unterrichts stellt, so legen die einleitend vorgestellten Forschungsbefunde sowie die aktuellen auf gesellschaftlicher Ebene geführten Debatten nahe, für das deutsche Schulsystem eine hohe Herausforderung dar und ist mit systemweiten Transformationsprozessen verbunden. Verkürzt man diese Transformationsprozesse auf einfache Modelle der Organisationsentwicklung, wie beispielsweise das von Rolff (2016), so lässt man außer Acht, dass diese Transformationsprozesse oftmals nicht freiwillig initiiert werden und, wesentlich entscheidender, dass hier unterschiedliche Akteure mit je verschiedenen Hintergründen ihr Zusammenhandeln koordinieren müssen. Das Modell der Rekontextualisierung in Fends (2008a) Neuer Theorie der Schule berücksichtigt diese Prozesse insofern, als dass dieses Modell einen Analyserahmen beschreibt, wie Entwicklungsimpulse und Innovationen auf dem Weg von politischer Ebene bis hin zur operativen Ebene im Unterricht jeweils vor den individuellen Hintergründen und Rahmenbedingungen der Akteure interpretiert und in den jeweiligen Handlungsrahmen eingepasst werden. Bei so umfassenden Reformprozessen wie der Entwicklung schulischer Inklusion greift jedoch auch dieses Modell für sich allein noch zu kurz. Denn jeder Akteur im Bildungssystem ist mit verschiedenen Akteuren auf unterschiedlichen Ebenen vernetzt. All diese Akteure beeinflussen sich gegenseitig und koordinieren so ihr Handeln. Eine Analyse dieses komplexen Geschehens erfordert das Einnehmen einer Governance-Perspektive, wie im vorigen Abschnitt des Kapitels skizziert wurde. Damit wird aber auch klar, dass die verschiedenen in diesem Kapitel vorgestellten Ansätze unterschiedliche Stärken und Schwächen haben, wenn es darum geht, inklusionsorientierte Schulentwicklung zu beschreiben, zu verstehen und zu beeinflussen. Anhand einiger exemplarischer empirischer Befunde zur inklusiven Schulentwicklung soll dies verdeutlicht werden:

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1 Einführung

Zur inklusiven Schulentwicklung liegen unterschiedlichste Modelle, Konzepte und Programme vor, die auf den verschiedenen Ebenen genutzt werden können. Auf der Ebene der Organisationsentwicklung ist das mit Sicherheit bekannteste Programm der Index für Inklusion (Boban & Hinz, 2003; Booth, 2000; Booth & Ainscow, 2016), zu dem einzelne Erfahrungsberichte vorliegen (Heeger & Reinert, 2006; Hinz et al., 2013; Schwager, 2005; Schwager & Pilger, 2006). An der Schnittstelle zwischen Organisationsentwicklung und Unterrichtsentwicklung liegt als empirisch sehr gut begründetes Modell beispielsweise der Response-To-Intervention-Ansatz vor, der sich ebenfalls als Werkzeug für Schulen anbietet (Grosche & Volpe, 2013; C. Huber & Grosche, 2012). Und auch im konkreten Bereich des Unterrichts liegen vielversprechende Ansätze vor, wie beispielsweise Überlegungen auf Basis des Universal Design for Learning (Schlüter, Melle & Wember, 2016) oder praktische Ansätze mithilfe von Lernbüros (Laubenstein, Guthöhrlein, Lindmeier, Scheer & Sponholz, 2017) zeigen – daneben existiert eine hohe Anzahl an (mehr oder weniger fundierten) Ratgeberbüchern zum Unterricht in inklusiven Settings. Dennoch zeigen die Untersuchungen zu inklusiver Schulentwicklung in Deutschland, dass es Unterschiede im Erfolg der Reformbemühungen gibt, die sich in höchst divergierenden Entwicklungsständen von ansonsten vergleichbaren Schulen zeigen (z. B. Laubenstein, Lindmeier, Guthöhrlein & Scheer, 2015; Singer, Walter-Klose & Lelgemann, 2016; Spörer et al., 2015), was folglich auch nicht (allein) auf die finanzielle und sächliche Ausstattung zurückgeführt werden kann. Vielmehr zeigt sich, dass einerseits die in verschiedenen Bundesländern beobachtbaren fehlenden inhaltlich-konzeptionellen Vorgaben zwar Spielraum für maßgeschneiderte Lösungen vor Ort geben, zugleich aber überfordernd wirken können und dass andererseits von Lehrkräften sowohl die Kommunikation seitens der Bildungspolitik nicht als transparent als auch die Einführung des pädagogischen Auftrags schulischer Inklusion als überstürzt und wenig überdacht wahrgenommen werden, wie aus verschiedenen Untersuchungen hervorgeht (Amrhein, 2011; Heimlich et al., 2016; Laubenstein, Lindmeier, Guthöhrlein & Scheer, 2015). In diesem Zusammenhang zeigt Amrhein (2011) auf, wie Akteure in Schulen die neuen mit Inklusion verbundenen Ideen und Impulse in bestehende Handlungsroutinen bzw. in die bestehende Systemlogik ein- und an diese anpassen. Vergleichbar lässt sich dies auch aus einzelnen Befunden anderer umfassender Untersuchungen herauslesen (Heimlich et al., 2016; Laubenstein, Lindmeier, Guthöhrlein & Scheer, 2015). Insbesondere bei Fragen der Leistungsbeurteilung, die in ganz besonderer

1.5 Problemstellung: Die Rolle der Schulleitung

21

Weise einen Zielkonflikt zwischen inklusionsorientierten Prozessen und klassischen Funktionen der Institution Schule berühren, zeigen sich besondere Irritationen und in der Folge Lösungen, die mit der Systemlogik der Leistungsbeurteilung konform bleiben (Guthöhrlein, Lindmeier, Laubenstein, Scheer & Sponholz, 2017). Fraglich ist, ob dieser nach Fend (2008a) immanente Prozess der Rekontextualisierung Unterschiede in der Schulentwicklung hinreichend erklären kann. Gerade hinsichtlich solch gesellschaftlich emotional diskutierter Entwicklungsthemen wie Inklusion muss der Aspekt der Handlungskoordination von Akteuren auf verschiedenen Ebenen einbezogen werden, wie es die Governance-Perspektive zum Ziel hat. Aus all diesen theoretischen Überlegungen und empirischen Befunden ergibt sich, vor allem aufgrund der Parallelen zur Schulentwicklungsforschung insgesamt, dass man im Grunde genommen nicht von einer „inklusiven Schulentwicklung“ als einer eigenen Form von Schulentwicklung sprechen kann, sondern dass der pädagogische und gesellschaftliche Anspruch von Inklusion Gegenstand und Thema von Schulentwicklungsprozessen ist, die zu verstehen und unterstützen es die Ansätze sowohl einzelschulbezogener Schulentwicklungsmodelle als auch der Neuen Theorie der Schule sowie der Governance-Perspektive bedarf. Umso trivialer erscheint diese These vor dem Hintergrund, dass vorliegende Auseinandersetzungen mit Inklusion in der Schulentwicklung explizit auf Modelle und Erkenntnisse der Schulentwicklungsforschung im Allgemeinen zurückgreifen (z. B. Feldhoff, 2016b; Hinz & Kruschel, 2012; Moldenhauer & Badstieber, 2016; Moser & Egger, 2017) oder in ihrer Darstellung implizit Parallelen zu den damit verbundenen Diskursen aufweisen (z. B. Dyson, 2010; Slee & Weiner, 2001). Folgerichtig sprechen beispielsweise Moldenhauer und Badstieber (2016) nicht von inklusiver sondern von inklusionsorientierter Schulentwicklung. Wird in der hier vorliegenden Arbeit dennoch von inklusiver Schulentwicklung gesprochen, so meint der Begriff diejenigen intentionalen Prozesse im Schulsystem bzw. in der einzelnen Schule, die durch politische Maßnahmen zur Umsetzung schulischer Inklusion ausgelöst werden. 1.5 Problemstellung: Die Rolle der Schulleitung Bezogen auf Rheinland-Pfalz werden diese Prozesse aus der Sicht einzelner Akteursgruppen im Forschungsprojekt GeSchwind (Gelingensbedingungen des Gemein-

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1 Einführung

samen Unterrichts an rheinland-pfälzischen Schwerpunktschulen)2 in den Blick genommen und auf Gelingensbedingungen hin analysiert. Als Teilvorhaben dieses Projekts nimmt die vorliegende Arbeit dabei die Perspektive und die Rolle der Schulleiterinnen und Schulleiter sogenannter Schwerpunktschulen3 in den Blick. Vor dem Hintergrund der in den vorherigen Abschnitten ausgeführten theoretischen Aspekte stellt sich dabei nicht die Frage nach einer eigenen, inklusionsspezifischen Theorie von Schulleitungshandeln, sondern vielmehr die Frage nach Veränderungen in der Arbeit der Schulleitung durch das in die Schulentwicklungsprozesse hineingetragene Thema Inklusion. Dass die Schulleitung auch bezüglich des Themas Inklusion eine ähnliche Schlüsselrolle einnimmt wie in allen Schulentwicklungsprozessen insgesamt, kann allein schon auf Basis der politischen Anforderungen und Zuschreibungen durch die anderen beteiligten Akteure angenommen werden: „Generell wird den Schulleitungen eine zentrale Funktion bei der Umsetzung des erweiterten pädagogischen Auftrags [gemeint ist hierbei die Unterrichtung von Schülerinnen und Schülern mit und ohne sonderpädagogischem Förderbedarf, Anmerkung der Autoren] (...) zugeschrieben. Sie seien es, die den Prozess initiieren und das Kollegium mitnehmen müssen; und ihnen komme die ganz entscheidende Aufgabe zu, durch Schulkonzepte und Maßnahmen der Unterrichtsentwicklung Strukturen für den Gemeinsamen Unterricht zu legen.“ (Laubenstein, Lindmeier, Guthöhrlein & Scheer, 2015, S. 77)

Somit zeigt sich die Notwendigkeit, als Ausgangspunkt für das Forschungsvorhaben die Forschung zum Schulleitungsberuf im Allgemeinen in den Fokus zu rücken und von dort aus einen universalen theoretischen Ansatz zu identifizieren (Kapitel 2). Diesen gilt es dann hinsichtlich seiner Möglichkeiten für Analysen bezogen auf das Thema Inklusion zu analysieren, und zwar auf Basis themenbezogener empirischer Befunde (Kapitel 3). Erst daran anschließend erscheint es sinnvoll, auf Basis der spezifischen Situation des Bundeslandes, in dem die Untersuchung stattfindet (Kapitel 4), die detaillierten Forschungsfragen und -methoden für die empirische Untersuchung auszuarbeiten (Kapitel 5 und 6). Die in Kapitel 7 vorgestellten Ergebnisse der empirischen Untersuchung werden in Kapitel 8 mit den Ergebnissen des 2 3

Weiterführende Informationen hierzu im vierten Kapitel der Arbeit und im Forschungsbericht des Projekts (Laubenstein, Lindmeier, Guthöhrlein & Scheer, 2015). Gemäß Definition im Schulgesetz sind Schwerpunktschulen allgemeine Schulen, „die auf Dauer mit der Durchführung von inklusivem Unterricht beauftragt sind und diesen möglichst wohnortnah anbieten“ (§ 14a Abs. 1 Satz 2 SchulG RLP).

1.5 Problemstellung: Die Rolle der Schulleitung

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theoretischen Teils der Arbeit in einem komplexen Modell der Schulleitungsrolle im Kontext schulischer Inklusion integriert.

2 Schulisches Führungshandeln: Theoretische und empirische Zugänge Unstrittig kommt der Rolle von Schulleitung eine besondere Bedeutung im Kontext von Schulentwicklung zu (Bonsen, 2010a; Wissinger, 2014). Dass diese Schlüsselrolle insbesondere bei der Umsetzung schulischer Inklusion zum Tragen kommt, lässt sich aus der Forschung zu inklusiver Schulentwicklung ableiten (Ainscow, Dyson & Weiner, 2013; Laubenstein, Lindmeier, Guthöhrlein & Scheer, 2015; Scheer et al., 2014; Sturm et al., 2015). Da es sich bei der Erforschung des Schulleiterberufs insgesamt um ein eher junges Forschungsfeld handelt (Wissinger, 2014), zumal im deutschsprachigen Raum, und sich die Betrachtungsweise hierbei erst schrittweise von einem Rollenverständnis als „head teacher“ hin zu einer Auseinandersetzung mit Theorien aus der Führungsforschung entwickelt hat, wird schulisches Führungshandeln – nach einer ersten Abgrenzung von Management und Leadership – zunächst vor dem Hintergrund klassischer Führungstheorien bzw. Schulleitungsmodelle dargestellt und reflektiert. Anschließend wird ein organisationstheoretisches Modell von Führung (Bolman & Deal, 2013; Bonsen, 2003)4 vorgestellt sowie dessen Anwendbarkeit auf die Analyse schulischer Führung diskutiert. Zum Abschluss des Kapitels werden Befunde zur subjektiven Führungsorientierung auf Basis dieses Modells von Führung vorgestellt. Dieses Modell von Bolman und Deal (2013) wird im weiteren Verlauf der Arbeit als Analyserahmen der subjektiven Führungsorientierung bzw. schulischen Führungshandelns genutzt. 2.1 Abgrenzung von Management und Leadership Traditionellerweise wird die Rolle der Schulleitung im deutschsprachigen Kontext zunächst einmal als eine verwaltungstechnische Verbindung von Lehrerschaft und Schulaufsicht beschrieben (Wissinger, 2014, S. 144): „Formal gesehen ist der Schulleiter / die Schulleiterin bis heute zunächst einmal Lehrer / in und Mitglied eines Lehrerkollegiums. Je nach Rahmenbedingungen und Befugnissen schwankt die Rolle der Schulleitung zwischen ‚Primus inter Pares‘ und Vorgesetzten-Funktion.“ (Wissinger, 2014, S. 144)

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Das Modell von Bolman und Deal wurde bereits 1984 entwickelt und seitdem stets weiter ausgearbeitet. In dieser Arbeit wird die Ausgabe von 2013 verwendet.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 D. Scheer, Schulleitung und Inklusion, https://doi.org/10.1007/978-3-658-27401-6_2

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2 Schulisches Führungshandeln

Diese Feststellung, deren Sachverhalt evident ist, kann trotz aller Debatten um Schulautonomie, Schulentwicklung etc. aufgrund der Rechtsstellung von Schulleitung als gültig festgehalten werden. Dass die gestellten Ansprüche von Schulentwicklung und somit Leadership auf der einen Seite und die genannten, diesen Ansprüchen zugleich widersprechenden schulrechtlichen Vorgaben auf der anderen Seite ein Spannungsfeld für Schulleiterinnen und Schulleiter aufbauen, hat notwendigerweise Auswirkungen auf die Entwicklung des beruflichen Selbstverständnisses von Schulleitung, wie die Arbeiten unter anderem von Warwas (2012) und Wissinger (1996) in verschiedenen zeitlichen Kontexten zeigen. In Anbetracht der Komplexität des beruflichen Selbstverständnisses von Führungskräften im Allgemeinen und der konkreten Führungsrolle im Speziellen ist es sinnvoll, in einem ersten Schritt, bevor spezielle Führungsmodelle vorgestellt werden, ganz allgemein zwischen Management und Leadership zu unterscheiden: „By leadership I mean influencing others’ actions in achieving desirable ends. Leaders are people who shape the goals, motivations, and actions of others. Frequently they initiate change to reach existing and new goals. (...) Such leadership, when it occurs, takes as much ingenuity, energy, and skill as starting an innovative program. I do distinguish, then, between leading and managing. Managing is maintaining efficiently and effectively current organizational arrangements. While managing well often exhibits leadership skills (...), the overall direction is toward maintenance rather than change.“ (Cuban, 1988, S. xx)

Damit verbindet Cuban (1988), wie Bush (2008, S. 272) es zusammenfasst, den Begriff Leadership mit Veränderung und den Begriff Management mit der Aufrechterhaltung des Status quo. Für Bush (2008, S. 276) charakterisiert sich Leadership demzufolge über die drei Hauptaspekte Einfluss (statt formaler Autorität), Werte und Visionen. Ähnlich wie Cuban (1988) schreibt Dubs (2005): „Das Management einer Schule betrifft damit gemäß dem Modell der Führung einer Schule schwergewichtig die operativen Führungsprozesse, die in der Verantwortung des Schulleiters und der Schulleitung liegen. Die Leadership betrifft dagegen normative Orientierungsprozesse und die strategischen Entwicklungsprozesse, die im Normalfall durch den Schulleiter oder die Schulleiterin anzuregen und einzuleiten sind, damit sich die Schule zielgerichtet weiterentwickelt. Diese Prozesse sind sehr anspruchsvoll, weil sie nur zu Wirkungen führen, wenn sich der Schulleiter oder die Schulleiterin Gefolgschaft verschaffen kann (Sergiovanni 2001).“ (Dubs, 2005, S. 165–166)

2.2 Schulleitungshandeln im Kontext klassischer Führungstheorien

27

Die Überlappung beider Konzepte (Bush, 2008, S. 272) zeigt sich unter anderem darin, dass Management in starker Verbindung mit transaktionaler Führung (Abschnitt 2.2.2) steht bzw. sogar gleichbedeutend (Dubs, 2005, S. 165) verwendet wird. Zugleich versteht Dubs (2005, S. 165) Leadership zunächst als transformationale Führung (Abschnitt 2.2.3). Gemeinsam ist allen drei hier aufgeführten Autoren, dass sie beide Facetten für als sich ergänzend notwendig halten. Bolman und Deal (1994) ziehen demnach keine feste Trennlinie in der Hinsicht, dass eines der beiden Konzepte, also Leadership oder Management, dem anderen überlegen sei. Vielmehr gehen sie von der Passung zur Situation aus: „For this reason, we look to leadership when our institutions no longer serve their intended purposes (...). Managers, on the other hand, focus their attention on tinkering with the current system to make it work better.“ (Bolman & Deal, 1994, S. 79)

Im weiteren Verlauf des Kapitels wird Leadership (Führung) von Schulen zunächst aus verschiedenen Perspektiven der klassischen Führungs- bzw. Schulleitungsforschung und sodann aus einer organisationstheoretischen Sichtweise heraus betrachtet werden. 2.2 Schulleitungshandeln im Kontext klassischer Führungstheorien Gerade mit der Entstehung von verschiedenen Organisationstheorien etablierten sich unterschiedlichste Formen, Führung bzw. Leitung näher zu bestimmen und in Modellen zu organisieren. Dieser Abschnitt befasst sich mit einer Auswahl an Theorien, die im Kontext der Schulleitungsforschung diskutiert werden. In Anlehnung an Wissinger (2010, S. 204) wird hier der Begriff Führung vom Begriff Leitung in der Hinsicht abgegrenzt, dass Leitung die institutionell vorgegebene Rolle meint, durch die Führung legitimiert wird. Ganz allgemein definiert Dubs (2016) Führung „als ziel- und ergebnisorientierte, aktivierende und wechselseitige soziale Beeinflussung zur Erfüllung gemeinsamer Aufgaben in und mit einer strukturierten Arbeitssituation“ (Dubs, 2016, S. 103). Dabei wird zwischen indirekter (strukturell-systematischer) und direkter (personalinteraktiver) Führung unterschieden. Indirekte Führung meint eine „bewusste Gestaltung der Ordnungsmomente im sozialen System“ (Dubs, 2016, S. 103), direkte Führung hingegen meint eine direkte Einflussnahme auf das Geschehen im sozialen System sowie auf das Verhalten der Mitarbeiter „über direkte, situative und häufig auch individualisierte Kommunikation“ (Dubs, 2016, S. 103). Nach Dubs (2016,

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2 Schulisches Führungshandeln

S. 104) kann man diese direkte Führung auch als Personal- oder Mitarbeiterführung bezeichnen. Gekennzeichnet wird Führung durch Führungsverhalten in Form von Verhaltensweisen und Techniken zur zielorientierten Einflussnahme sowie durch den Führungsstil im Sinne eines – je Kontext – konsistenten und wiederkehrenden Führungsverhaltens (Dubs, 2016, S. 104). Relevante Theorien zur Analyse von Führung lassen sich wie folgt kategorisieren (Wissinger, 2010): 1. Eigenschaftstheorie 2. Verhaltenstheorie 3. Situationstheorien 4. Erwartungstheorien 5. Interaktionstheorien 6. Austauschtheorien Die Eigenschaftstheorie beschreibt Führung über die Persönlichkeitsmerkmale einer Führungsperson und speist sich aus „individualistischen Persönlichkeitstheorien, Unternehmerideologien und dem Sozialdarwinismus“ (Staehle, 1999, S. 332, zit. nach Wissinger, 2010, S. 204). Dem steht die Verhaltenstheorie gegenüber, die sich aus der Führungsstilforschung ergibt. Hier werden idealtypische und realtypische Ansätze zur Typologisierung unterschieden (Wissinger, 2010, S. 205). Obgleich hier Verhaltensmuster hinsichtlich ihrer Wirkung betrachtet werden, handelt es sich auch bei den Verhaltenstheorien um verengte Sichtweisen, die sich ausschließlich auf die Handlungen der Führungsperson beziehen. Eine weiter gefasste Sichtweise vertreten Situationstheorien (Wissinger, 2010, S. 205–206). Dieser in sich heterogenen Gruppe von Theorien ist gemeinsam, dass sie den moderierenden Einfluss der Situation in die Betrachtung einbeziehen. Als bisher bestvalidierteste Theorie von Führung bezeichnet Wissinger (2010, S. 205) die Kontingenztheorie Fiedlers (1967), die zusammengefasst besagt, dass effektive Führung darin besteht, Passung zwischen Situation und Führungsstil herzustellen. Die auf Erwartungstheorien aufbauende Weg-Ziel-Theorie geht von der Annahme aus, dass die Mitarbeitermotivation durch Führungsverhalten beeinflusst werden kann (Wissinger, 2010, S. 206): „Sie untersucht 1., in welchem Ausmaß das Verhalten einer Führungsperson für die Untergebenen akzeptierbar ist und zu ihrer unmittelbaren wie zukünftigen

2.2 Schulleitungshandeln im Kontext klassischer Führungstheorien

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Zufriedenheit beiträgt; sie untersucht 2., in welchem Maße Vorgesetzte als Führungspersonen die Motivation der Mitarbeiter (im Sinne eines Leistungsfaktors) fördern.“ (Wissinger, 2010, S. 206–207)

Unter der weiteren Annahme, dass Menschen Ziele unterschiedlicher Valenz verfolgen, bedeutet erfolgreiche Führung nach diesem Ansatz, „Mitarbeiter in Abhängigkeit von Zielerreichung zu belohnen und ihnen, wenn nötig, Mittel und Wege zu zeigen, sich zu verbessern“ (Wissinger, 2010, S. 207). An den bisher genannten Theorien kritisiert Wissinger (2010, S. 207) die statische Herangehensweise an die Betrachtung. Die Prozessperspektive stärker in den Blick nimmt hingegen der zu den Interaktionstheorien zählende Ansatz „Situative Reifegrad-Theorie“. Bei diesem Ansatz geht es um die Passung von Führungsverhalten und „Reifeniveau“ (im Sinne von Funktionsreife und psychologischer Reife) des Mitarbeiters. Wichtig ist dabei, dass mit Reife keine Naturkonstante, sondern ein sich im Arbeitskontext und unter dem Einfluss der Führung entwickelndes arbeitsrelevantes Reifeniveau (Wissinger, 2010, S. 207) gemeint ist. Trotz der Prozessorientierung schöpft dieser Ansatz das Potenzial interaktionistischer Sichtweisen nicht aus, da der „Einfluss der Mitarbeiter auf die Führungsperson und ihr Handeln unberücksichtigt bleibt“ (Wissinger, 2010, S. 207). Ebenfalls hinter den Ansprüchen einer umfassenden Interaktionstheorie zurück bleiben die sogenannten Austauschtheorien, die von wechselseitigen Beeinflussingsprozessen ausgehen, und zwar sowohl auf der Gruppen- als auch auf der Zwei-Personenebene (Wissinger, 2010, S. 208). In diesem Kontext sind besonders transaktionale Ansätze von Bedeutung, bei denen „Führungsbeziehungen auf der Grundlage von Leistung und Gegenleistung (Transaktionen) beruhen“ (Staehle, 1999, S. 363, zit. nach Wissinger, 2010, S. 208): „In dem Maße, in dem eine Führungsperson Kompetenz und Einsatz bei der Erfüllung der Aufgaben der Gruppe einbringt und sich zudem konform mit den Gruppennormen zeigt, erfährt sie im Gegenzug Gehorsam, Unterstützung und Anerkennung.“ (Wissinger, 2010, S. 208)

Vor dem Hintergrund der allgemeinen Führungsforschung hat sich auch die Sichtweise auf Schulleitung von einer rein auf die Verbesserung des Unterrichts durch direktes Einwirken (instructional leadership) hin ausgerichteten Rolle hin zu komplexeren Modellen entwickelt, die in den folgenden Abschnitten bearbeitet werden. Dabei kann der Feststellung Wissingers 2014, S. 161 gefolgt werden, der die Schulleitungsforschung insgesamt als stark an der psychologischen Führungsforschung

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2 Schulisches Führungshandeln

mit ihrer hierarchischen Führungsvorstellung orientiert sei, deren Übertragbarkeit auf Schulentwicklungsprozesse sich seiner Ansicht nach erst noch bewähren müsse. Eine notwendige Erweiterung dieser Engführung sieht er in Untersuchungen, die sich auf Distributed Leadership (z. B. Hallinger & Heck, o. J., 2), auf organisationstheoretische Sichtweisen (z. B. Bonsen, 2003) oder auf die Educational GovernancePerspektive beziehen (Wissinger, 2014, S. 162). 2.2.1 Instructional Leadership Nach Wissinger (2014, S. 154–155) dominierte im internationalen Schulleitungsdiskurs der späten 1980er- und frühen 1990er-Jahre das Modell einer instructional leaderhip role von Schulleitung, in dem die Schulleitung als eine „den Lehrpersonen ‚übergeordnete pädagogische Instanz‘“ (Wissinger, 2014, S. 155) gilt, deren Führungshandeln sich durch ein direktes Einwirken auf die Unterrichtsqualität auszeichne, was Wissinger durch die Darstellung von Lenz (1991) illustriert: „Die Schulleiterposition entwickelt sich aus der ‚head teacher‘ Rolle: der Schulleiter als ‚instructional leader‘, als pädagogisch Führender. Die Forderung an den Schulleiter, als ‚instructional leader‘ den Unterricht und die Erziehung zu prägen und zu gestalten, ist bis heute das wichtigste Element in der Rolle des Schulleiters. [ ... ] Der Schulleiter als ‚instructional leader‘ verbringt den größten Teil seines Tages mit Anweisungen zur Verbesserung des Unterrichts, Überwachung seiner Anweisungen einschl. Klassenbeobachtungen, Bewertung und Weiterbildung der Lehrer. Der Schulleiter hilft jedem Lehrer bei der Festlegung der Lernziele und Planung von Aktivitäten. Einmal im Jahr wird mit jedem Lehrer über seine Stärken und Schwächen gesprochen, um den Lehrer optimal zu fördern und zu beruflicher Weiterbildung zu ermutigen. Außerdem hilft der Schulleiter dem Lehrer, Material zum Curriculum auszuwählen, Tests zu entwickeln, Bewertungsinstrumente einzusetzen, Kontakt zu den Eltern zu finden und Ordnung und Disziplin in der Schule herzustellen.“ (Lenz, 1991, S. 55–56, zit. nach Wissinger, 2014, S. 155)

Obgleich sich diese Rolle im Kontext verstärkter Diskurse um Schulentwicklung einerseits und zentralistisch ausgerichteter output- sowie evaluationsbasierter Steuerung von Bildungssystemen andererseits stark gewandelt hat (Wissinger, 2014, S. 155), kann die Verbesserung des Unterrichts bzw. des Lernens auf Schülerinnenund Schülerseite als Kernaufgabe von Schule immer noch als ein wesentlicher Bestandteil von Schulleitung gelten (S. G. Huber, 2012a), wobei S. G. Huber von einer begrifflichen Entwicklung hin zu „Leadership for Learning“ (S. G. Huber, 2012a, S. 1) spricht:

2.2 Schulleitungshandeln im Kontext klassischer Führungstheorien

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„Die Rolle der Schulleitung, für die Qualität von Unterricht und Lernen zu sorgen, wurzelt in der Zweistufigkeit ihres Handelns: Sie fördert das Lernen von Kindern und Jugendlichen, indem sie das Lernen von Erwachsenen fördert, wie guter Unterricht gestaltet werden kann, in dem Kinder und Jugendliche so gut wie möglich lernen (können).“ (S. G. Huber, 2012a, S. 1)

Als besonders wirksam sieht S. G. Huber (2012a, S. 7) Schulleitungshandeln dann an, wenn es „Lehrkräfte darin unterstützt, anspruchsvolle Unterrichtsformen, die bei den Schülern eine erhöhte kognitive Aktivierung erzielen, zu wählen, richtig einzusetzen und hinsichtlich der Entwicklung ihres Unterrichts in diese Richtung zu kooperieren“ (S. G. Huber, 2012a, S. 7). Eine auf professionelle Weiterentwicklung hin ausgerichtete Personalführung sei folglich die vornehmste Aufgabe von Schulleitung (S. G. Huber, 2012a, S. 7). 2.2.2 Transactional Leadership Eine Form des Führungshandelns lässt sich als transaktional beschreiben: Führung wird als ein Austauschprozess von Geben und Nehmen zwischen Führungsperson und Geführten aufgefasst, als Prozess wechselseitiger Beeinflussung (Wissinger, 2010, S. 208). So verstandene Führung lässt sich auch als Management identifizieren und verfolgt vor allem das Ziel, die Funktionstüchtigkeit einer Organisation (z. B. Schule) sicherzustellen (Dubs, 2016, S. 119). Dubs (2016, S. 135) identifiziert vier Aspekte transaktionaler Führung: „1. Zielorientierte soziale Einflussnahme zur Erfüllung einer gemeinsamen administrativen Aufgabe (Ziel-Leistungs-Aspekt) 2. in / mit einer strukturierten Arbeitssituation (Organisationsaspekt: Situationsgestaltung) 3. unter wechselseitiger, tendenziell symmetrischer Einflussausübung (partizipativer Aspekt: Machtgestaltung) 4. und konsensfähiger Gestaltung der Arbeits- und Sozialbeziehungen (prosozialer Aspekt: Beziehungsgestaltung).“ (Dubs, 2016, S. 135)

Bass und Avolio (1995) definieren zur empirischen Erfassung transaktionaler Führung folgende Dimensionen transaktionalen Führungsverhaltens, wobei hier die Übersetzung von Felfe (2006, S. 63, 65) verwendet wird: • Leistungsorientierte Belohnung: „Führungskräfte konzentrieren sich darauf, mit ihren Mitarbeitern gegenseitige Erwartungen zu klären, Ziele zu vereinbaren und gute Leistungen zu belohnen.“ (Felfe, 2006, S. 63)

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2 Schulisches Führungshandeln

• Führung durch aktive Kontrolle: „Führungskräfte konzentrieren sich darauf, Abläufe und Vorgänge zu überwachen und die Zielerreichung zu kontrollieren. Sie sehen sich in der Rolle eines Monitors, der die Prozesse kontrolliert und frühzeitig korrigierend eingreift.“ (Felfe, 2006, S. 63) • Führung durch Eingreifen im Ausnahmefall: „Diese Strategie ist durch weitgehende Zurückhaltung der Führungskraft gekennzeichnet. Erst wenn Fehler oder Probleme ein Eingreifen unbedingt erforderlich machen, wird die Führungskraft aktiv.“ (Felfe, 2006, S. 63) Aus den Theorien und Befunden zu transaktionaler Führung leitet Dubs (2016, S. 135–147) einen Leitfaden für transaktionale Schulleitung ab, in dem er sechs Merkmale auflistet: 1. Partizipativ-situativer Führungsstil 2. Delegation von Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortung 3. Führung durch Zielsetzung 4. Aufbau eines klaren formalen Informationssystems 5. Klare Regelung von Stellvertetungen 6. Reduktion, aber Klarstellung des Dienstwegs 2.2.3 Transformational Leadership Ein weiteres Modell, das häufig gemeinsam mit dem Modell der transactional leadership auftaucht bzw. mit ihm gemeinsam als zusammengehöriges Begriffspaar diskutiert wird (Dubs, 2016; Silins, 1994), ist das Modell der transformational leadership. Transformationale Führung bzw. transformational leadership bezeichnet dabei einen Leitungsstil, bei welchem das Voranbringen von Innovation und die Qualitätsverbesserung eines sozialen Systems durch die Förderung der Identifikation und des Leistungspotenzials der Angehörigen dieses sozialen Systems im Mittelpunkt steht (Dubs, 2016, S. 119, 147). Dabei werden Fragen der Führung „als Fragen der schulischen Restrukturierung erster und zweiter Ordnung“ (Wissinger, 2007, S. 115) betrachtet: • Erste Ordnung bezieht sich dabei auf Verbesserungen der „core technology“ (Leithwood, 1994, S. 500), also des Unterrichts und des Lernens der Schülerinnen und Schüler, auf die schulische Verantwortung für die „Qualität des Unterrichts und die Lernleistungen der Schüler“ (Wissinger, 2007, S. 115).

2.2 Schulleitungshandeln im Kontext klassischer Führungstheorien

33

• Zweite Ordnung bezieht sich auf die Entwicklung gemeinsamer Visionen, auf das Schaffen eines produktiven Arbeitsklimas (Leithwood, 1994, S. 501), auf Professionalisierung, auf Selbstorganisation und Restrukturierung der einzelnen Schule (Wissinger, 2007, S. 115). Nach Bass und Avolio (1995), wiederum in der Übersetzung von Felfe (2006, S. 63, 65) lässt sich transformationales Führungsverhalten durch folgende Dimensionen beschreiben: 1. Einfluss durch Vorbildlichkeit und Glaubwürdigkeit: Mithilfe besonderer Vorbildfunktion der Führungskraft sollen die Mitarbeiter nachhaltig beeinflusst werden. Die Mitarbeiter schreiben ihrer Führungskraft diese Vorbildfunktion zu und bringen ihr auf dieser Basis Bewunderung, Respekt und Vertrauen entgegen (idealized influence attributed). Außerdem „stellen die Führungskräfte hohe Erwartungen an ihre Mitarbeiter und sind selbst in der Lage, diese Erwartungen zu erfüllen und vorzuleben. Ihr Handeln ist dabei an ethischen und moralischen Prinzipien ausgerichtet“ (Felfe, 2006, S. 63) (idealized influence behavior). 2. Motivation durch begeisternde Visionen: „Transformationale Führungskräfte begeistern mit attraktiven Visionen und vermitteln überzeugend, dass sie selbst voll und ganz dahinter stehen. Sie vermitteln gleichzeitig Hoffnung und Zuversicht, dass die Erwartungen erfüllt werden können“ (Felfe, 2006, S. 63). 3. Anregung und Förderung von kreativem und unabhängigem Denken: Mit dieser Dimension ist gemeint, dass die Führungskraft die Mitarbeiter zu innovativem Denken anregt, was sie dadurch erreicht, dass sie bisherige Vorgehensweisen hinterfragt, Probleme in neue Zusammenhänge stellt und zur Erprobung neuer Lösungen ermutigt (Felfe, 2006, S. 63). 4. Individuelle Unterstützung und Förderung der Mitarbeiter (Felfe, 2006, S. 65). Eine empirische Absicherung des Erfolgs transformativer Führung im Allgemeinen – losgelöst vom Kontext Schule – gibt es sowohl für subjektive Erfolgsmerkmale (z. B. Arbeitnehmerzufriedenheit, Identifizierung mit dem Unternehmen etc.) als auch hinsichtlich harter Merkmale, wie z. B. längerfristige wirtschaftliche Entwicklung, wobei die Forschungsergebnisse in Bezug auf harte Erfolgsfaktoren schwächer ausfallen als für die subjektiven (Harazd & van Ophuysen, 2011, S. 145–146). Die

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2 Schulisches Führungshandeln

diesbezügliche Forschungslage fassen Harazd und van Ophuysen (2011) wie folgt zusammen: „Insgesamt weisen die Befunde darauf hin, dass transformationale Führung über transaktionales Führungsverhalten hinaus einen zusätzlichen Beitrag zur Erklärung einer gelungenen Personalführung leistet und sich damit im Hinblick auf verschiedene Erfolgsindikatoren als überlegen erweist.“ (Harazd & van Ophuysen, 2011, S. 146)

Für den Kontext Schule fassen Harazd und van Ophuysen (2011) die vorliegenden Befunde als durchaus kongruent mit den Befunden aus dem wirtschaftlichen Sektor zusammen, stellen jedoch methodische Schwierigkeiten in den Studien fest (Harazd & van Ophuysen, 2011, S. 148–149). In ihrer eigenen Untersuchung kommen sie zu folgendem Fazit: „Erwartungskonforme Zusammenhänge des Führungsverhaltens zeigen sich nicht nur mit traditionellen Maßen wie Arbeitszufriedenheit und Commitment, die für einschlägige Studien in nicht-schulischen Organisationen typisch sind, sondern auch mit Maßen, die die Gesundheit der Lehrkräfte betreffen. So geht ein aktives Führungsverhalten mit lehrerseitigem Wohlbefinden und mit einem geringeren Erleben von Burnout einher. Die deutlichsten positiven Zusammenhänge findet man konsistent mit dem transformationalen Führungsverhalten, wenngleich auch die Korrelationen mit transaktionaler Führung in einer ähnlichen Größenordnung liegen.“ (Harazd & van Ophuysen, 2011, S. 162)

Auf empirischen Wege kommt auch Silins (1994) schon zu dem Schluss, dass beide Führungsstile bzw. -theorien miteinander in einer positiven Beziehung stehen, sodass Dubs (2016) die Führung einer Schule als sowohl transformational als auch transaktional beschreibt. Diese auf gegenseitiger Ergänzung basierende Beziehung von transaktionaler und transformationaler Führung, wie sie in Abbildung 2.1 dargestellt ist, kann somit auch als Grundlage eines Full-Range Model of Leadership gesehen werden, wie es Avolio (2010) beschreibt. 2.2.4 Distributed Leadership Ein weiterer Ansatz für Schulleitung, der sich aus der Führungsforschung heraus ableiten lässt, basiert auf der Erkenntnis, dass – insbesondere in großen und damit komplexen Schulen – die Leitungsrolle nicht von einer Person allein ausgefüllt werden kann:

2.2 Schulleitungshandeln im Kontext klassischer Führungstheorien

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Transformational Leadership

Idealisierter Einfluss

Inspirierende Motivation

Intellektuelle Stimulierung

Individuelle Behandlung

Transactional Leadership Erwartete Anstrengung

Erhöhte Motivation & Extra-Anstrengung

Erwartete Leistung

Leistung über die Erwartung hinaus

Kontingente Belohnung

Management by Exception

Abb. 2.1: Transactional und Transformational Leadership als Grundlage eines Full-Range Model of Leadership: Inhalte und Konsequenzen (in Anlehnung an: Nerdinger, 2014, S. 91 sowie Neuberger, 2002, S. 198)

„Neither superintendents nor principals can carry out the leadership role by themselves. Highly successful leaders develop and count on leadership contributions from many others in their organizations. Principals typically count on key teachers for such leadership, along with their local administrative colleagues (Hord, Steigelbauer and Hall, 1984).“ (Leithwood et al., 2004, S. 27)

Es ergibt sich hieraus ein Ansatz von Führung, in dem sich Führung (auch) jenseits formaler Rollen aus der jeweiligen Expertise der Akteure heraus situativ ergibt: „Distributed leadership concentrates on engaging expertise wherever it exists within the organization rather than seeking this only through formal position or role. In contrast to traditional notions of leadership premised upon an individual managing hierarchical systems and structures, distributed leadership is characterized as a form of collective leadership in which teachers develop expertise by working together. This distributed view of leadership, it has been suggested, offers a frame for studying leadership practice including ‚every person at entry level who in one way or another, acts as a leader‘ (Goleman, 2002: 14).“ (Harris, 2004, S. 13–14)

Dieser, als Distributed Leadership – geteilte Führung – bezeichnete Ansatz hebt sich von reiner Delegation in der Form ab, dass bei Delegation lediglich die Hand-

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2 Schulisches Führungshandeln

lungsverantwortung von der Schulleiterin bzw. dem Schulleiter auf eine – berichtspflichtige – für die korrekte Durchführung verantwortliche Lehrkraft übertragen wird (Bonsen, 2010b, S. 194). Bei echter geteilter Führung, wie sie international seit einiger Zeit diskutiert wird, geht es hingegen darum, Führung in der Schule tatsächlich möglichst breit zu verteilen und dabei mehr als Funktion denn als Rolle zu verstehen (Bonsen, 2010b, S. 194). In begrifflicher Hinsicht identifiziert Bonsen (2010b, S. 194) eine Vielfalt an – teilweise von denselben Autoren synonym verwendeten – Begriffen für diesen stark demokratisch ausgerichteten Grundgedanken: Shared Governance (Blase & Blase, 1999), Teacher Leadership (Leithwood & Jantzi, 2000), Devolved Leadership (Portin, 1998), Distributed Leadership (Harris, 2004) und Demokratische Führung (Harris & Chapman, 2002a). Insgesamt schätzt Bonsen (2010b, S. 194–195) die empirische Evidenz für diesen Ansatz als noch gering ein, verweist jedoch darauf, dass der internationale Diskurs von positiven Wirkungen breit angelegter Führung ausgeht (z. B. Gronn, 2002; Harris & Chapman, 2002b; Pont, Nusche & Moormann, 2008; Spillane, Halverson & Diamond, 2001). Auch Leithwood, Harris und Hopkins (2008) beziehen diesen Aspekt in ihre sieben Thesen zu erfolgreicher Schulleitung ein: „School leadership has a greater influence on schools and students when it is widely distributed“ (Leithwood et al., 2008, S. 27). 2.2.5 Zusammenfassung und Diskussion auf Basis empirischer Befunde Die empirische Erforschung der Rolle von Führung in der Schule speist sich bisher insgesamt vor allem aus der School Improvement- und School EffectivenessForschung (Harazd, Gieske & Rolff, 2008; Wissinger, 2007, 2010). Diese untersucht „unter dem Gesichtspunkt der Frage, wie auf der Basis vorgegebener Standards die Lern- und Leistungsentwicklung von Schülerinnen und Schülern gewährleistet werden kann, die Bedingungen und Wirkungen der Schule als Handlungseinheit sowie die Möglichkeiten pädagogisch wirksamen Handelns von Lehr- und Leitungspersonen.“ (Wissinger, 2007, S. 110)

Zu wirksamen Elementen von Leadership in der Schule bzw. zur Bedeutung von Schulleitung liegen international mehrere Reviews und Meta-Analysen vor (Leithwood et al., 2008; Leithwood et al., 2004; Marzano, Waters & McNulty, 2005; Pont et al., 2008; Sammons, Hillman & Mortimore, 1995; Witziers, Bosker & Krüger, 2003), während aus Deutschland mit der Arbeit von Bonsen (2003) bzw. Bonsen,

2.2 Schulleitungshandeln im Kontext klassischer Führungstheorien

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von der Gathen, Iglhaut und Pfeiffer (2002) vor allem ein Projekt aus dem Kontext der Schulentwicklungsforschung zur Wirksamkeit von Schulleitung vorliegt. Aus den bisher vorliegenden Befunden heraus finden sich mehrere, teilweise sehr ähnliche, jedoch in Details voneinander abweichende Ableitungen zu Merkmalen erfolgreicher Schulleitung. Bonsen et al. (2002, S. 167) benennen als Handlungsdimensionen von Schulleitung an „guten“ Schulen (1) zielbezogene Führung, (2) Veränderungsbereitschaft, (3) Förderung der Partizipation in der Entscheidungsfindung sowie (4) Organisationskompetenz. In ähnlicher Weise fassen Harazd et al. (2008, S. 228) aus der Meta-Analyse von Marzano et al. (2005) drei Handlungsbereiche wirksamer Schulleitungen zusammen: (1) Personalführung und -entwicklung, (2) unterrichtsbezogene Führung sowie (3) Umsetzung von Innovationen und gemeinsam getragenen Zielen. Eine detailliertere Darstellung der Befundlage findet sich bei Leithwood et al. (2008), die sieben Thesen zu erfolgreicher Führung an Schulen zusammenstellen, wobei sich hier in Ansätzen bereits ein Schritt in Richtung einer Abkehr von Eigenschaftsoder Verhaltenstheorien von Führung erkennen lässt: 1. School leadership is second only to classroom teaching as an influence on pupil learning. 2. Almost all successful leaders draw on the same repertoire of basic leadership practices: • Building vision and setting directions • Understanding and developing people • Redesigning the organisation • Managing the teaching and learning programme 3. The ways in which leaders apply these basic leadership practices – not the practices themselves – demonstrate responsiveness to, rather than dictation by, the contexts in which they work. 4. School leaders improve teaching and learning indirectly and most powerfully through their influence on staff motivation, commitment and working conditions. 5. School leadership has a greater influence on schools and students when it is widely distributed. 6. Some patterns of distribution are more effective than others.

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2 Schulisches Führungshandeln

7. A small handful of personal traits explains a high proportion of the variation in leadership effectiveness. Auf zwölf Thesen hingegen kommt S. G. Huber (2012a), der nun deutlich macht, dass „der gute Schulleiter“ nicht übergreifend generalisiert auf ein bestimmtes Verhaltens- oder Eigenschaftsrepertoire festgelegt werden kann: 1. Gute Schulleiter erfüllen ihre Funktion und wissen mit Belastungen umzugehen. 2. Gute Schulleiter organisieren Führung (⇒ Kooperative Führung). 3. Gute Schulleiter sind Komplexitätsbewältiger. 4. Gute Schulleiter sind Kooperationsprofis und Kooperationsförderer. 5. Was ein guter Schulleiter ist, variiert von Organisation zu Organisation. 6. Gute Schulleiter stellen Passungen her und beziehen ihr Handeln auf die jeweilige Situation. 7. Gute Schulleiter sind Entwickler. 8. Gute Schulleiter sind gute Pädagogen. 9. Gute Schulleiter sind gute Manager. 10. Gute Schulleiter beachten das Verhältnis von Aufwand und Nutzen. 11. Gute Schulleiter verhalten sich integer und fair. 12. Gute Schulleiter zeigen Vertrauen und Zutrauen. In der Zusammenschau all dieser Statements und Befunde zu erfolgreicher Schulleitung lässt sich erkennen, dass eher bestimmte Themenbereiche und deren Berücksichtigung im Leitungshandeln relevant zu sein scheinen als bestimmte Handlungen oder Eigenschaften der Schulleitung: „Schulen sind unterschiedlich, deswegen braucht es unterschiedliche Leitungspersonen. In der empirischen Führungsforschung konnte kein überzeugender Verhaltens- oder Persönlichkeitskatalog vorgelegt werden, der unabhängig von den jeweiligen Anforderungen der Einzelschulen als Organisations- und Handlungseinheiten allgemeingültig ist.“ (S. G. Huber, 2012a, S. 1)

Trotz dieser Erkenntnis sei gerade die praxisorientierte Literatur noch von einer solchen Vorstellung geprägt, wie Wissinger (2010) feststellt: „Allerdings zeigt sich bei Fragen der Führung in der Schule und der Bestimmung von Rolle und Verantwortung der Schulleitung, dass das Denken noch immer sehr stark durch die Beiträge der allgemeinen Verhaltenstheorie und

2.3 Organisationstheoretische Sicht auf (schulische) Führung

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der Führungsstilforschung geprägt ist. Zumeist praxis- und reformorientierte schulpädagogische Schriften, die die Bedeutung des Schulleiters bzw. der Schulleiterin für die Schulentwicklung vor Ort betonen, fassen den Sachverhalt mit der griffigen Formel vom ‚guten Schulleiter‘.“ (Wissinger, 2010, S. 208)

Insgesamt zeigt sich also, dass es nicht den einen guten Führungsstil bzw. das eine gute Modell schulischer Führung zu gibt, sondern dass es vielmehr darauf ankommt, dass Schulleiterinnen und Schulleiter in der Lage sind, ihre Perspektive auf die Organisationseinheit Schule auf deren Situation einzustellen, also das situativ passende Betrachtungsfenster auszuwählen. Dies richtet den Blick der Auseinandersetzung mit Leitungshandeln weg von einer Modellierung des richtigen Führungsstils hin auf eine organisationstheoretische Sichtweise von Führung. Eine solche organisationstheoretische Sichtweise liegt mit dem „Reframing-Ansatz“ von Bolman und Deal (2013) vor. Dass sich dieser Ansatz in der Schulleitungsforschung sehr gut anwenden lässt, zeigen im deutschsprachigen Raum unter anderem die Arbeiten von Bonsen et al. (2002) (bzw. Bonsen, 2003) sowie Gerick, Gieske und Harazd (2009). 2.3 Organisationstheoretische Sicht auf (schulische) Führung: Das VierRahmen-Modell von Bolman und Deal Theorien über soziale Organisationen gibt es in großer Zahl. Bonsen (2003, S. 68) stellt dazu fest, dass es sich keineswegs um ein homogenes Theoriefeld handele: „Da Theoriebildungen nie unabhängig von den jeweiligen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, deren Probleme sie aufzugreifen versuchen, erfolgen, sind auch die Organisationstheorien, bedingt durch die Zeitumstände ihrer Entstehung, unterschiedlich ausgerichtet.“ (Bonsen, 2003, S. 68)

Dementsprechend kommen Bolman und Deal (2013, S. 14) zu der Feststellung, dass sich in den Sozialwissenschaften verschiedene Schulen entwickelt hätten, mit je unterschiedlicher Sicht auf die Steuerung von Organisationen. Dabei sehen die Autoren als großes Problem die sich hieraus ergebende Dogmatik bei einer Fixierung auf einen einzelnen theoretischen Ansatz: „In the social sciences, several major schools of thought have evolved. Each has its own concepts and assumptions, espousing a particular view of how to bring social collectives under control. Each tradition claims a scientific foundation. But a theory can easily become a theology that preaches a single, parochial scripture. Modern managers must sort through a cacophony of voices and visions for help.“ (Bolman & Deal, 2013, S. 14)

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2 Schulisches Führungshandeln

Bolman und Deal (2013) unternehmen daher den Versuch, die Vielfalt an Theorien in einer handhabbaren Struktur zusammenzufassen: Das Resultat ist die Konsolidierung wichtiger Theorien in Form von vier Perspektiven, die die Autoren als Frames bezeichnen: „In describing frames, we deliberately mix metaphors, referring to them as windows, maps, tools, lenses, orientations, prisms, and perspectives, because all these images capture part of the idea we want to convey. A frame is a mental model – a set of ideas and assumptions – that you carry in your head to help you understand and negotiate a particular ‚territory.‘ A good frame makes it easier to know what you are up against and, ultimately, what you can do about it. Frames are vital because organizations don’t come with computerized navigation systems to guide you turn-by-turn to your destination. Instead, managers need to develop and carry accurate maps in their heads.“ (Bolman & Deal, 2013, S. 10)

Die vier Rahmen des Modells sowie deren Anwendbarkeit auf Führung im Kontext von Schule werden nachfolgend im Detail vorgestellt und diskutiert. 2.3.1 Structural Frame: Die Organisation als Maschine oder Fabrik Die Ursprünge eines „structural view“ auf Organisationen – Bonsen (2003) übersetzt das Structural Frame mit „struktureller Rahmen“ – sehen Bolman und Deal (2013, S. 45–46) in zwei Quellen: zum einen in den Ansätzen von Frederick W. Taylor (1856–1915) und Henri Fayol (1841–1925) und zum anderen in Webers Bürokratieansatz. Der Organisationsbegriff Taylors lässt sich nach Bea und Göbel (2010) institutionell als ein Aufgabenerfüllungssystem, instrumentell als Organisation für effiziente Aufgabenerfüllung und prozessorientiert als Ordnung der Unternehmung durch ihre wissenschaftlich fundierte Konstruktion (Bea & Göbel, 2010, S. 68) charakterisieren. Zentrale Merkmale einer wissenschaftlich geführten Organisation seien (Bea & Göbel, 2010, S. 71–72): • Auswahl der Arbeiter für bestimmte Arbeiten nach wissenschaftlichen Methoden • Spezialisierung des Einzelnen auf seine Tätigkeit, Funktionsmeisterprinzip • Systematisches Zusammentragen, Klassifizieren und Auswerten der Kenntnisse der Arbeiter, daraus Ableitung von Gesetzen und Formeln für mustergültige Verrichtung der Arbeiten • Detaillierte Vorgabe und Einübung der Methode der Arbeitsverrichtung

2.3 Organisationstheoretische Sicht auf (schulische) Führung

• • • •

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Exakte Festlegung des täglichen Arbeitspensums Finanzielle Anreize durch differenziales Lohnsystem und Prämien Strikte Trennung von Kopf- und Handarbeit Starke Formalisierung und ausgefeilte Kontrollsysteme

Die zweite Quelle des strukturellen Rahmens ist der Bürokratieansatz Max Webers (1864–1920), der mit der Bürokratie als legaler Herrschaft per Satzung (Bea & Göbel, 2010, S. 58) einen Gegenentwurf zu traditioneller Herrschaft aufstellt. Wesentliche Merkmale einer Organisation aus Sicht des Bürokratieansatzes sind laut Siedenbiedel (2010, S. 51–52) eine festgefügte Arbeitsteilung, Amtshierarchie, Regelgebundenheit der Amtsführung sowie Aktenmäßigkeit der Verwaltung. Gemeinsam ist den beiden Ansätzen, dass sie die Organisation aus einer Perspektive betrachten, die den Fokus der Analyse auf Strukturen, Hierarchien und Prozessabläufe richtet. Im Mittelpunkt von Führung stehen aus dieser Sichtweise heraus das Steuern von Prozessen, die Optimierung von Strukturen und die Führung über direkte Anweisungen sowie Kontrolle. Bolman und Deal bezeichnen demzufolge Struktur als „blueprint for formally sanctioned expectations and exchanges among internal players (executives, managers, employees) and external constituencies (such as customers and clients)“ (Bolman & Deal, 2013, S. 46–47). Sie vergleichen die strukturelle Form einer Organisation mit dem Skelett eines Tieres in dem Sinne, dass sie die Möglichkeiten einer Organisation sowohl verstärke als auch beschränke (Bolman & Deal, 2013, S. 47). Der strukturellen Sichtweise liegen ihrer Auffassung nach sechs Grundannahmen zugrunde (Bolman & Deal, 2013, 45, eigene Übersetzung): 1. Organisationen bestehen, um feststehende Ziele zu erreichen. 2. Organisationen erhöhen ihre Effizienz und steigern ihre Leistung durch Spezialisierung und angemessene Arbeitsteilung. 3. Passende Formen der Koordination und Kontrolle stellen sicher, dass unterschiedliche Anstrengungen von Individuen und Abteilungen ineinandergreifen. 4. Organisationen funktionieren am besten, wenn Rationalität die Oberhand über persönliche Agenden und fremden Druck behält. 5. Effektive Strukturen passen sich an die aktuellen Umstände einer Organisation an (einschließlich ihrer Ziele, Technologien, Arbeitskraft und Umwelt).

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2 Schulisches Führungshandeln

6. Probleme entstehen aus und Leistung leidet unter strukturellen Defiziten, die durch Problemlösung und Restrukturierung behoben werden können. Als wesentliche Elemente vertikaler Koordination nennen sie formale Autoritäten („the boss“), Regeln und Policies sowie Planungs- und Kontrollsysteme (Bolman & Deal, 2013, S. 51–54), Koordination auf lateraler Ebene finde vor allem durch Meetings, Task Forces, Koordinatoren-Rollen, Matrix-Strukturen und die Nutzung von Computernetzwerken statt (Bolman & Deal, 2013, S. 54–56). Schmeisser, Clermont und Krimphove (2000), die das Modell der Frames unter der Bezeichnung multikontextuelle Perspektive übernehmen, übersetzen das structural frame als „Technokratischen Ansatz“ und formulieren hierfür folgende Prämissen: „1. Die Organisation wird mehr oder weniger von ihrer Umwelt isoliert betrachtet. 2. Beschränkung auf ein rationales Zweckmodell. 3. Unterstellt wird ein mechanistisch-instrumentelles Menschenbild. 4. Die Technik wird als ein passives Element angesehen. 5. Nur die „Politische Spitze“, die Unternehmensleitung, in Anlehnung an Max Weber, hat das Recht, Unternehmensziele zu bestimmen. 6. Aufgabe, gegebenes Ziel und Effizienz stehen im Mittelpunkt der Organisationsuntersuchung und -gestaltung.“ (Schmeisser et al., 2000, S. 5)

Diese Prämissen zeigen deutlich, dass es sich bei dem von den Autoren beschriebenen technokratischen Ansatz in der Tat um das Structural Frame im Vier-RahmenModell von Bolman und Deal handelt. Jedoch werden hier zwei Merkmale noch einmal expliziter formuliert als dies bei Bolman und Deal der Fall ist: zum einen die unterstellte Isolierung der Organisation von ihrer Umwelt, was in der Praxis der Organisationsgestaltung zu einer Fixierung auf die Optimierung interner Abläufe führt, und zum anderen die Deutlichkeit der Hierarchisierung von Rollen innerhalb der Organisation. Folge man einem solchen Ansatz, so die Autoren, seien Innovationen die Folge „umfassender Lernprozesse, an denen jede Einheit des Konzerns beteiligt“ (Schmeisser et al., 2000) sei. Bezogen auf Schulentwicklung kann man diese technokratische / strukturelle Perspektive auf Organisationen und deren Entwicklung am ehesten in der Theorie der Schule als lernender Organisation (Schley, 1998a) wiederfinden, wobei sich Elemente der Verbindung rationaler und emotionaler Faktoren sowie Fragen der Mitarbeiterbeteiligung auch hier finden lassen (Schley, 1998a, S. 14), obgleich diese Aspekte dem structural frame zunächst einmal fremd sind.

2.3 Organisationstheoretische Sicht auf (schulische) Führung

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In ihrer – als fiktive Geschichte eines jungen Schulleiters, der, dargestellt im Dialog, Ratschläge einer erfahrenen Schulleiterin erhält – Übertragung ihres Vier-RahmenModells auf Schulleitungshandeln betonen Bolman und Deal (1993) die Bedeutung des structural frame für Schulleitung, indem sie die fiktive erfahrene Schulleiterin sagen lassen: „In fact, one of the tragedies in so many schools is principals who think that, as long as they care about people, they don’t need to understand anything about structure“ (Bolman & Deal, 1993, S. 35). Bonsen (2003, S. 151–155) verbindet die theoretischen Grundlagen des structural frame mit Erkenntnissen der Schulleitungsforschung und überführt hieraus die allgemeinen Aussagen zu struktureller Führung in sechs Handlungsdimensionen: „Die für Schulleitung im strukturelle (sic!) Rahmen relevanten Handlungsdimensionen lassen sich folgendermaßen zusammenfassen (in Anlehnung an Bolman / Deal 1991, 514): • Prozessplanung und Evaluation • haushaltsbezogene Planung und Kontrolle • Entwicklung struktureller Untereinheiten in der Schule, Aktivierung von vorhandenen Strukturen • Diskussion und Klärung von Zielen, Rollen und Erwartungen innerhalb der Schule • Implementation oder Reorganisation sowie Verdeutlichung gemeinsamer Verfahrensweisen und einer gemeinsamen Organisationsbeziehungsweise „Schulpolitik“ • Entwicklung und Verbesserung von Informationssystemen und Kommunikationsstrukturen.“ (Bonsen, 2003, S. 154–155)

Bezüge zu den herkömmlichen Theorien zu Schulleitungshandeln lassen sich in diesem Betrachtungsrahmen vor allem in einer Ähnlichkeit zu transaktionaler Führung und Aspekten unterrichtsbezogener Führung (instructional Leadership) erkennen (siehe Punkt 2.2.1 und Punkt 2.2.2). Der transaktionale Führungsstil lässt sich insgesamt jedoch nicht in Reinform als aus einer strukturellen Perspektive heraus agierend beschreiben, sondern gleichermaßen auch aus einer politischen Perspektive heraus. 2.3.2 Human-Resource Frame: Die Organisation als Familie An diesem Aspekt, auf den ein struktureller Rahmen keine zufriedenstellende Antwort bieten kann, setzen Bolman und Deal mit der Ausarbeitung des Human-

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2 Schulisches Führungshandeln

Resource Frame an, das Bonsen (2003, S. 155) als personalen Rahmen und Schmeisser et al. (2000, S. 7) als personalen Ansatz übersetzen. Bei der theoretischen Ausarbeitung dieses Rahmens stützen sich Bolman und Deal (2013, S. 119–129) im Wesentlichen auf die Arbeiten von Abraham Maslow (1908–1970), Douglas McGregor (1906–1964) und Chris Argyris (1923–2013). Die Grundannahme des Human-Resource Frame ist, dass die Fähigkeiten, Einstellungen und die Zustimmung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine wichtige Ressource für den Erfolg einer Organisation seien (Bolman & Deal, 2013, S. 117), was sich auf vier Kernaussagen stützt, die sich auch aus den Vorarbeiten von Mary Parker Follett (1868–1933) und Elton Mayo (1880–1949) ableiten lassen (Bolman & Deal, 2013, 117, eigene Übersetzung): 1. Organisationen existieren, um die Bedürfnisse von Menschen zu befriedigen, nicht umgekehrt. 2. Menschen und Organisationen brauchen sich gegenseitig: Organisationen brauchen Ideen, Arbeitskraft und Talente; Menschen brauchen Karriere, Gehalt und Aufgaben. 3. Wenn die Passung zwischen Idividuum und System schlecht ist, leidet eins von beiden oder beides. Das Individuum wird ausgebeutet oder beutet die Organisation aus – oder beide werden Opfer. 4. Eine gute Passung bringt beiden einen Vorteil: Individuen finden bedeutungsvolle und befriedigende Arbeit, die Organisation bekommt die Talente und Arbeitskraft, die sie zum Erfolg benötigt. In den Mittelpunkt dieses Frames rückt die These, dass Bedürfnisbefriedigung eine wesentliche Quelle der Motivation sei, was auf die Arbeiten Abraham Maslows zurückgeführt werden kann. Maslow, der neben Carl Rogers als Mitbegründer der Humanistischen Psychologie gilt und unter anderem auf eine verstehende Psychologie Diltheys zurückgreift (Scheffer & Heckhausen, 2010, S. 57), stellte mit seinem Hauptwerk „Motivation and Personality“ (Maslow, 1970)5 eine hierarchische Klassifikation von Bedürfnisgruppen nach deren Rolle im Entwicklungsprozess des Menschen vor (Scheffer & Heckhausen, 2010, S. 57). Der grundlegende Anspruch Maslows Theorie ist, „to formulate a positive theory of motivation that will (...) conform to the known facts, clinical and observational as well as experimantal“ (Maslow, 1970, S. 35). Als Basic Needs führt er Physiological Needs (Physiologische 5

Erstveröffentlichung: 1954

2.3 Organisationstheoretische Sicht auf (schulische) Führung

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Bedürfnisse6 ) (Maslow, 1970, S. 35–38), Safety Needs (Bedürfnis nach Sicherheit) (Maslow, 1970, S. 39–43), Belongingness and Love Needs (Bedürfnis nach sozialer Bindung) (Maslow, 1970, S. 43–45), Esteem Needs (Bedürfnis nach Selbstachtung) (Maslow, 1970, S. 45–46) und Need for Self-Actualization (Bedürfnis nach Selbstverwirklichung) (Maslow, 1970, S. 46–47) auf. Der Begriff der Basic Needs darf hier nicht als eine Hierarchisierung aufgefasst werden. Vielmehr handelt es sich hierbei nach Maslow um die wesentlichen Grundbedürfnisse jedes Menschen. Überdies stellt Maslow die These auf, dass die Befriedigung dieser Grundbedürfnisse der Antrieb für menschliches Handeln sei (Maslow, 1970, S. 47). Maslow geht davon aus, dass die Stärke, mit der die Bedürfnisse das Handeln bestimmen, von niedrigen (physiologische) zu hohen (Selbstverwirklichung) abnimmt bzw. dass niedrigere Bedürfnisse stärker im Vordergrund stehen und höhere Bedürfnisse erst handlungsleitend werden, wenn niedrigere Bedürfnisse befriedigt sind (Maslow, 1970, S. 97–98). Parallel zur Entstehung einer Humanistischen Psychologie entsteht auch in den Organisations- und Führungstheorien eine humanistische, an der Idee Maslows orientierte Strömung. Die hierzu zählenden Theorien, die von Bolman und Deal als grundlegend für eine personale Betrachtung von Organisation angesehen werden, werden von Sanders und Kianty (2006) als Humanistische Organisationstheorien bzw. HumanResource-Bewegung (in Abgrenzung zur früheren Human-Relations-Bewegung), von Bea und Göbel (2010) als Bedürfniskonzept innerhalb der Motivationstheorien bezeichnet. Als Hauptvertreter können, wie oben bereits angedeutet, McGregor und Argyris gelten (Bea & Göbel, 2010; Bolman & Deal, 2013; Sanders & Kianty, 2006). Der Ausgangspunkt dieser Sicht auf Organisation sei nach Bea und Göbel (2010, S. 318) die Annahme, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter generell die Möglichkeit hätten, „in der Arbeit und aus der Arbeit heraus (...), Bedürfnisse zu befriedigen“ (Bea & Göbel, 2010, S. 318). Aus dieser Annahme folgt: „Die Arbeitssituation selbst kann mehr oder weniger motivieren, beispielsweise weil die Aufgabe interessant ist, Kontakt mit anderen ermöglicht, als herausfordernd erlebt wird. Die Ziele von Unternehmung und Mitarbeiter sind nicht grundsätzlich konträr, weil sich die Mitarbeiter im Grunde gerne engagieren wollen. Gute Arbeit und Firmentreue sind das Ergebnis von Arbeitsfreude sowie Gefühlen der Loyalität und Verpflichtung gegenüber Kollegen, Vorgesetzten und / oder der Unternehmung als Ganzes.“ (Bea & Göbel, 2010, S. 318) 6

Übersetzung der Begriffe Maslows nach Scheffer und Heckhausen (2010, S. 58)

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2 Schulisches Führungshandeln

McGregor geht also von der Kernthese aus, dass eine Organisation so gestaltet werden müsse, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter genau dann ihre eigenen Ziele am besten erreichen können, wenn ihre Anstrengungen an den Zielen der Organisation ausgerichtet sind (Bolman & Deal, 2013, S. 123–124). Eine weitere Quelle der Human-Resource-Sichtweise in den Organisationstheorien machen Bolman und Deal in den Arbeiten Chris Agyris’ aus, der, gleichsam wie McGregor, einen grundlegenden Konflikt zwischen der menschlichen Persönlichkeit und üblichen Organisationsstrukturen erkannt habe (Bolman & Deal, 2013, S. 124). Die Grundidee Agyris’ Theorie sehen Sanders und Kianty (2006, S. 82–83) darin, den Menschen – analog zu systemtheoretischen Sichtweisen – als eine Gesamtheit zu betrachten, deren Elemente miteinander in Beziehung stehen, wobei diese Beziehung bzw. Organisation sowohl intern als auch in Beziehung zur Außenwelt (extern) ausgeglichen oder unausgeglichen (interne Balance: Mensch ist adjustiert; externe Balance: Mensch ist adaptiert; völlige Balance: Mensch ist gleichermaßen intern adjustiert und extern adaptiert) sein kann. Diese Unterscheidung ermögliche der Theorie eine Beschreibung der Möglichkeit, sich vollkommen korrekt gemäß der eigenen Persönlichkeit zu verhalten und dennoch dysfunktional im Sinne der Organisation, so Sanders und Kianty (2006, S. 83). Führungskräfte, die ihre Organisation durch dieses Frame betrachten, verfolgen demnach folgende Grundprinzipien / Strategien (Bolman & Deal, 2013, S. 140): • Eine Human-Resource-Strategie entwickeln und implementieren (eine gemeinsame Philosophie davon entwickeln, wie man Menschen managt; Systeme und Praktiken zur Implementation dieser Philosophie etablieren). • Die richtigen Mitarbeiter anwerben (wissen, was die Organisation braucht; wählerisch bei der Auswahl sein). • Die Mitarbeiter halten (gute Belohnungen; Arbeitsplätze schützen; interne Beförderungen statt externer Ausschreibungen; Gewinne teilen). • In die Menschen investieren (in Lernen / Entwicklung investieren; Möglichkeiten zur (persönlichen und professionellen) Weiterentwicklung anbieten). • Die Menschen bemächtigen (Informationen und Unterstützung bereitstellen; zu Autonomie und Partizipation ermutigen; Tätigkeiten umgestalten / anpassen; selbstverwaltende Teams fördern; Gleichheitsprinzip fördern). • Vielfalt / Diversität fördern (deutlich und konsistent sein bezüglich der Philosophie von Vielfalt / Diversität in der Organisation; die Manager dafür in die Verantwortung nehmen).

2.3 Organisationstheoretische Sicht auf (schulische) Führung

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Bolman und Deal veranschaulichen diesen Frame, bezogen auf Schule, anhand zweier Metaphern: erstens die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als Pflanzen mit individuellen Bedürfnissen einerseits und zweitens die Organisation als Familie andererseits: „People are a lot like plants. Plants have certain needs, like light, water, nutrition and warmth. When their needs are met, they grow and develop their potential. If not, they shrivel and get distorted.“ (Bolman & Deal, 1993, S. 21) „When you think about a school as a family, it’s important to remember that you don’t always have to come up with the solution by yourself. Families often work better, when everyone shares the responsibility for solving important problems (...).“ (Bolman & Deal, 1993, S. 23)

Durch diese Metaphern wird zum einen deutlich, dass aus Sicht des Human-Resource-Ansatzes die Notwendigkeit besteht, die individuellen Bedürfnisse der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter herauszufinden und zu nutzen, wobei Bolman und Deal (1993, S. 23) hervorheben, dass die Bedürfnisse der Führungskräfte ebenso dazu zählen. Zum anderen zeigt die Familienmetapher den aus der Human-ResourcePerspektive wichtigen Aspekt von Partizipation und Teilhabe auf. Ob diese Metapher vollständig passt, kann jedoch kritisch hinterfragt werden: Während sich in einer professionellen Organisation Fachleute, zumindest aber Erwachsene, auf Augenhöhe begegnen (können), treffen in einer Familie Erwachsene und Kinder in einer Konstellation aufeinander, in der der eine Teil der Familie (die Erwachsenen) einen Lebens-, Erfahrungs- und Wissensvorsprung mitbringt, der ein vertikales Machtverhältnis aufbaut und zugleich verantwortlich für die Kinder ist. Bonsen (2003, S. 159–161) hebt die Bedeutung dieses Betrachtungsrahmens für das Funktionieren einer Schule anhand verschiedener Analysen zu Schulleitungshandeln und Schulentwicklung (Buhren & Rolff, 2000; Fischer & Schratz, 1993; Heimovics, Herman & Jurkiewicz, 1995; Lohmann, 1999; Schley, 1998b; Smolka, 1994) hervor und leitet die folgenden Handlungsdimensionen ab: „Die für Schulleitung im personalen Rahmen relevanten Handlungsdimensionen lassen sich folgendermaßen zusammenfassen (in Anlehnung an Bolman / Deal 1991, 514): • Eingehen auf individuelle Gefühle, Bedürfnisse, Fähigkeiten und Präferenzen der Lehrer • Förderung von Partizipation und Mitbestimmung

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2 Schulisches Führungshandeln

• Förderung offener Kommunikation und der Bereitschaft Zuzuhören (sic!) • Personalentwicklung; Rekrutierung und Training neuer Kollegiumsmitglieder; Durchführen von Workshops (pädagogische Konferenzen und Tage) • Organisationsentwicklung unter dem Anspruch der Humanisierung der Arbeit und der Steigerung der Arbeitszufriedenheit der Lehrer; Förderung von Gemeinschafts- und Zusammengehörigkeitsgefühl im Kollegium • Arbeit an der Verbesserung zwischenmenschlicher Beziehungen.“ (Bonsen, 2003, S. 161–162)

Insgesamt bezieht sich dieser Betrachtungsrahmen auf Führungstheorien, die einen Schwerpunkt auf Personalmanagement und -entwicklung legen. Möglichkeiten, die sich diesbezüglich für Schulen ergeben, lassen sich hier beispielsweise bei Buhren und Rolff (2009) finden. Parallelen zu einer Führung aus Sicht des HumanResource Frame finden sich insbesondere zu Formen von Distributed Leadership (siehe 2.2.4) und Transformational Leadership (siehe 2.2.3): Bei Ersterem stehen Partizipation und Teilhabe sowie das Nutzen der individuellen Kompetenzen des einzelnen Organisationsmitglieds im Fokus, Zweiteres bezieht die Bedürfnisse, Motive sowie die Identifikation mit der Organisation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein. In der Organisation Schule kommt diesem Rahmen insofern eine besondere Bedeutung zu, da grundsätzlich (fast) alle Mitglieder der Organisation, inklusive der Führungskräfte, eine gleichwertige akademische Ausbildung absolviert haben und zudem die Möglichkeiten von Fach- und Dienstaufsicht durch die (der Schulaufsicht unterstehenden) Schulleitung rechtlich eingeschränkt sind. Partizipation und Förderung intrinsischer Motivation sind somit ein Kernbereich schulischer Leitungstätigkeit. Zugleich ist das Personalmanagement in den meisten Bundesländern nur sehr begrenzt bei der Schulleitung angesiedelt. Kritische Aspekte zu diesem Ansatz personaler Führungsorientierung fassen Schmeisser et al. (2000, S. 7–9) zusammen: 1. Der Vorwurf der Naivität, dass technokratische und personale Interessen, also Interessen von wirtschaftlicher Führungselite und Belegschaft zusammen passen könnten. 2. Der Vorwurf, individuelle sowie betriebliche Unterschiede und ferner ungeschriebene Gesetze von Organisationen zu ignorieren.

2.3 Organisationstheoretische Sicht auf (schulische) Führung

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3. Der Vorwurf, die Rolle von Machtstrukturen und Ressourcenverteilung nicht ausreichend zu beachten. Gerade die letzten beiden Kritikpunkte zeigen auf, dass neben dem Structural Frame und dem Human-Resource Frame ein weiterer Frame benötigt wird: der Political Frame, der im Folgenden skizziert wird. 2.3.3 Political Frame: Die Organisation als Dschungel Eine weitere Sichtweise, durch die Organisationen analysiert und verstanden werden können, bezeichnen Bolman und Deal als Political Frame, dem sie folgende Grundausrichtung zuschreiben: „This view sees organizations as arenas, contests, or jungles. Parochial interests compete for power and scarce resources. Conflict is rampant because of enduring differences in needs, perspectives, and lifestyles among contending individuals and groups.“ (Bolman & Deal, 2013, S. 16)

Diese Sichtweise fassen sie in fünf Grundannahmen zusammen: „1. Organizations are coalitions of various individuals and interest groups. 2. Coalition members have enduring differences in values, beliefs, information, interests, and perceptions of reality. 3. Most important decisions involve the allocating scarce resources – deciding who gets what. 4. Scarce resources and enduring differences put conflict at the center of day-to-day dynamics and make power the most important asset. 5. Goals and decisions emerge from bargaining and negotiation among competing stakeholders jockeying for their own interests.“ (Bolman & Deal, 2013, S. 188–189)

Aus dieser Perspektive heraus kann man die Ziele einer Organisation laut Bonsen (2003, S. 163) nicht als stabil und unveränderbar ansehen. Vielmehr betont eine politische Sichtweise deren Charakter als Ergebnis interner Aushandlungsprozesse der Akteure (Bonsen, 2003, S. 163): „Ausgangspunkt dieser Betrachtungsweise der Organisation sind weder ein zentraler übergeordneter Organisationszweck noch eine spezifische Unternehmensphilosophie, sondern die Handlungsziele der verschiedenen Akteure. Solche Handlungsziele überlappen sich nur teilweise bzw. stimmen nur teilweise mit den offiziell formulierten Organisationszielen überein (...).“ (Bonsen, 2003, 163, Hervorheb. im Original)

50

2 Schulisches Führungshandeln

Eng verbunden ist diese Annahme mit Theorien einer mikropolitischen Perspektive, die ebendiese Interaktionsprozesse zwischen Mitgliedern der Organisationen in den Mittelpunkt der Analyse stellt: „So verfolgen Organisationsmitglieder in der alltäglichen Arbeit eigene Interessen, die nicht unbedingt mit den von ihnen vorgegeben (sic!) Organisationszielen übereinstimmen müssen. Altrichter (2004) spricht in diesem Sinne vom ‚Streben nach Kontrolle‘ über organisationsrelevante Ressourcen, um eigene Positionen zu schützen oder zu erweitern, wie materielle Ressourcen (z. B. Zeit, Budget), soziale Ressourcen (z. B. die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe von Meinungsträgern) oder organisationale Ressourcen (z. B. Vorschriften, Positionen und Rollen).“ (Gieske, 2013, S. 58)

Führung in diesem Sinne beschreiben Bolman und Deal (2013, S. 208–219) über folgende Aktivitäten: 1. Agenda-Setting 2. „Das politische Terrain kartieren“ (Bolman & Deal, 2013, 211, eigene Übersetzung) 3. Koalitions- und Netzwerkbildung 4. Verhandeln und Gesprächsführung In Bezug auf Schulleitung stellen Bolman und Deal vor allem aber die Übersicht über das politische Terrain der Schule in den Mittelpunkt, worunter sie verstehen, zu erkunden, wer die (heimlichen) Schlüsselpersonen in der Schule sind, wer welche Interessen verfolgt und wer welchen Einfluss innerhalb der Schule hat (Bolman & Deal, 1993, S. 14). Bonsen (2003) leitet hieraus die folgenden, aus politischer Sichtweise zentralen Elemente für Schulleitung ab: „Die für Schulleitung im politischen Rahmen relevanten Handlungsdimensionen lassen sich folgendermaßen zusammenfassen (in Anlehnung an Bolman / Deal 1991, 514): • Allianzen und Netzwerke mit zentralen Akteuren bilden • Konflikte und Spannungen zwischen verschiedenen Teilen des Kollegiums, Interessengruppen oder Organisationen wahrnehmen • sich einmischen und aktiv für spezifische Interessen einstehen • in Konfliktfällen zwischen verschiedenen Parteien vermitteln und Lösungen aushandeln

2.3 Organisationstheoretische Sicht auf (schulische) Führung

51

• konkurrierende Interessen und Vorstellungen darüber, was zu tun ist, wahrnehmen und auch hier mit den verschiedenen Parteien verhandeln und Lösungen aushandeln • im Streit um die Verteilung knapper Ressourcen ebenfalls durch Verhandlungsgeschick und Entschlossenheit zwischen verschiedenen Interessen verhandeln.“ (Bonsen, 2003, S. 173)

Ein expliziter, auch auf die Analyse von Schulentwicklungsprozessen angewandter (Altrichter, 2010; Altrichter & Posch, 1996; Gieske, 2013) theoretischer Ansatz, der aus einer Sichtweise heraus begründet ist, die sich dem Political Frame zuordnen lässt, ist der der Mikropolitik. Hierbei handelt es sich um eine Perspektive zur Analyse jener „(...) Aktivitäten, mit denen Organisationsmitglieder versuchen, Macht und andere Ressourcen in Organisationen zu erlangen, zu entwickeln und zu nutzen, um in Situationen der Ungewissheit gewünschte Ergebnisse zu erzielen.“ (Altrichter, 2010, S. 96)

Nach Altrichter (2010, S. 96–97) nimmt diese Perspektive vor allem die organisationsinterne Zieldiversität, die Interaktionen zwischen den Organisationsmitgliedern, (informelle) Grenzziehungen und Einflussbereiche, den kontinuierlichen und unsystematischen Wandel sowie das Streben der Organisationsmitglieder nach Kontrolle über organisationsrelevante Ressourcen in den Blick. In einer empirischen Analyse zur Nutzung mikropolitischer Einflussstrategien kommt Gieske (2013) zu der Schlussfolgerung, dass davon auszugehen ist, „(...) dass die schulische Organisation mit ihren flachen Hierarchien und wenigen Möglichkeiten für schulische Funktionsträger als ‚echte‘ Führungskräfte zu agieren, für alle beteiligten Akteure Spielräume für mikropolitisches Verhalten bietet. Diese sind somit Teil der alltäglichen Handlungen. Eine mikropolitische Perspektive auf Schule kann hilfreich sein, abseits des bislang vorherrschenden rationalen Blicks auf Schule, Motive für Handeln und Agieren stärker sichtbar werden zu lassen.“ (Gieske, 2013, S. 179)

Aus einer politischen Führungsorientierung heraus werden organisationsinterne Konflikte also nicht als pathologisch angesehen, sondern als Notwendigkeit, um Dynamik und Entwicklung sicherstellen zu können (Schmeisser et al., 2000, S. 9): „Die ‚relative Übermacht‘ einer Koalition in einem betrieblichen Konfliktfall ist nötig, um deklarierte betriebliche Zielfindung und -setzung auch zur pragmatischen Zielsicherung und -durchsetzung werden zu lassen.“ (Schmeisser et al., 2000, S. 9)

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2 Schulisches Führungshandeln

Obgleich der mikropolitische Ansatz die beiden erstgenannten Frames wesentlich erweitert, lässt ein auf lediglich mikropolitische Prozesse gerichteter Blick außer Acht, dass eine Organisation nicht nur durch interne Interaktionen determiniert wird, sondern stets auch auf Meso- und Makroebenen mit anderen Akteuren agiert, was, so Altrichter (2010, S. 97) eine Grenze dieses Ansatzes darstellt. Insbesondere gilt dies für die Organisation Schule, an deren Entwicklung Akteure auf verschiedenen Systemebenen (Unterricht – Schule – Schulaufsicht – Politik – Gesellschaft) beteiligt sind, mit jeweils unterschiedlichen Einflussmöglichkeiten. Folglich kann Schulentwicklung aus einer erweiterten politischen Sichtweise heraus nicht als ein reines Change Management vor Ort gesehen werden, sondern als ein komplexes Interaktionsgeschehen in einem Mehrebenensystem: Einen Analyserahmen unter dieser Perspektive bietet der (später dargestellte) Ansatz der Educational Governance (Altrichter & Maag Merki, 2016a). Zudem kritisieren Schmeisser et al. (2000) den Ansatz hinsichtlich der Grundannahme der Organisation als einer konstant andauernden Konfliktsituation ohne Möglichkeit / Notwendigkeit von Kompromissen (Schmeisser et al., 2000, S. 11). Es werde außer Acht gelassen, dass „Unternehmenskultur und Unternehmensethik eine entscheidende Rolle [spielen], um das Unternehmen zu befrieden und vor selbstzerstörenden Kräften zu bewahren“ (Schmeisser et al., 2000, S. 11). 2.3.4 Symbolic Frame: Die Organisation als Tempel, Karneval oder Theater Unternehmenskultur und Unternehmensethik wiederum spielen eine zentrale Rolle in Ansätzen, die der Sichtweise des Symbolic Frame zugrunde liegen: „The symbolic lense, drawing on social and cultural anthropology, treats organizations as temples, tribes, theaters, or carnivals. It abandons the assumptions of rationality prominent in other frames and depicts organizations as cultures, propelled by rituals, ceremonies, stories, heroes, and myths rather than by rules, policies, and managerial authority.“ (Bolman & Deal, 2013, S. 16)

Damit rückt anstelle rationaler Theorien über das Organisieren und Strukturieren von Organisationen und Abläufen die Frage danach in den Mittelpunkt, wie Menschen der chaotischen und mehrdeutigen Welt, in der sie leben, Sinn und Bedeutung verleihen: Bedeutung, Überzeugung und Vertrauen nehmen in diesem Rahmen eine zentrale Rolle ein (Bolman & Deal, 2013, S. 244).

2.3 Organisationstheoretische Sicht auf (schulische) Führung

53

Der symbolische Rahmen bezieht nach Bolman und Deal eine Vielzahl von Theorien unterschiedlicher Disziplinen ein und kristallisiert aus diesen sechs Kernannahmen heraus: „1. What is most important is not what happens but what it means. 2. Activity and meaning are loosely coupled; events and actions have multiple interpretations as people experience situations differently. 3. Facing uncertainty and ambiguity, people create symbols to resolve confusion, find direction, and anchor hope and faith. 4. Events and processes are often more important for what is expressed than for what is produced. Their emblematic form weaves a tapestry of secular myths, heroes and heroines, rituals, ceremonies, and stories to help people find purpose and passion. 5. Culture forms the superglue that bonds an organization, unites people, and helps an enterprise to accomplish desired ends.“ (Bolman & Deal, 2013, S. 248)

In diesem Sinne ließen sich Organisationen, so Bonsen (2003, S. 174), nicht mehr als Maschinen oder Organismen beschreiben, sondern eher, im Rückgriff auf Pfeffer (1981), als „systems of shared meanings and beliefs“ (Pfeffer, 1981, S. 1, zit. nach Bonsen, 2003, S. 174). Aus einer solchen Sichtweise auf Organisationen ergibt sich die Theorie einer symbolischen Führung, die Bonsen (2003) auf den Symbolic Frame überträgt: Führung sei in diesem Zusammenhang aber nicht als symbolisch im Sinne von „nicht echt“, sondern eher im Sinne von sowohl symbolisiert als auch symbolisierend zu verstehen (Bonsen, 2003, S. 175): „Führungsverhalten symbolisiert die Werte und Überzeugungen des Unternehmens. Wird diese Tatsache gezielt bei der Führung von Mitarbeitern bedacht, handelt es sich um symbolische Führung.“ (Nerdinger, 2014, S. 92)

Eine leicht andere Konnotation findet sich in der Definition von Walenta und Kirchler (2011): „Nach Auffassung des symbolischen Führungsansatzes erfolgt Führung grundsätzlich immer vermittelt über bestimmte Symbole und Medien, die den Tatsachen und Fakten in einer Organisation Sinn verleihen.“ (Walenta & Kirchler, 2011, S. 100)

Beide Definitionen beziehen sich auf den Symbolgehalt der Tatsachen und Fakten in einer Organisation. Während erstere Definition eher die Symbolisierung der

54

2 Schulisches Führungshandeln

bestehenden Werte und Überzeugungen in den Mittelpunkt rückt, weist zweitere auf die gezielte Verwendung von Symbolen im Führungsverhalten hin. Dem symbolischen Gehalt des Führungsverhaltens kommt demnach insbesondere dadurch eine Bedeutung zu, dass das Verhalten der Führungskraft von den Geführten interpretiert wird: Dabei integrieren diese alle Handlungen und Entscheidungen der Führungskraft zu einem Gesamtbild, das sie die Vorgänge in der Organisation verstehen lässt (Nerdinger, 2014, S. 92–93). In der Definition symbolischer Führung drückt sich damit bereits aus, dass Führung gemäß diesem Ansatz zwei Facetten besitzt: Einerseits ist Führungshandeln symbolisiert (durch Werte, Regeln, Rituale etc., die in der Organisation vorhanden sind) und andererseits ist sie symbolisierend (indem sie den Tatsachen und Fakten der Organisation Sinn verleihen und bestimmte Signale aussenden soll). Diese Zweiteilung ist die gängige Auffassung symbolischer Führung in der Literatur (Blessin & Wick, 2014; Bonsen, 2003; Neuberger, 2002; Walenta & Kirchler, 2011). Abweichend definiert Maier (o. J.) für das Gabler Wirtschaftslexikon symbolische Führung ausgehend von einem eher mikropolitisch denkenden Ansatz her: „neuere Forschungsrichtung, nach der der Führende über den gezielten Einsatz von Symbolen (Sprachregelungen, Deutungsmuster, Rituale) die Akzeptanz angesichts von Konflikten parteilich getroffener Entscheidungen mit verschleiernden Effekten innerhalb der Hierarchie nach unten abzusichern versucht. Symbolische Führung verweist auf latente, bisher in der Forschung weniger berücksichtigte Führungsfunktionen.“ (Maier, o. J.)

Generell erscheint es schlüssig, dass Sinngebung durch symbolisierendes Handeln auch in der Lage ist, im Konfliktfall Legitimation zu schaffen. Jedoch geht diese Definition am Kern symbolischer Führung vorbei, wie der Vergleich mit den oben genannten Definitionen von Nerdinger (2014) sowie Walenta und Kirchler (2011) zeigt. Daher lässt sich zur Definition symbolischer Führung zusammenfassen: „Was Führende tun, ist nie eindeutig – es muss interpretiert werden – und diese Interpretation wird nicht dem Zufall überlassen, sondern gesteuert. Führungskräfte handeln nicht einfach, sie inszenieren ihr Handeln und versehen es mit Deutungs- und Regieanweisungen.“ (Neuberger, 2002, S. 644)

Dabei ist Führung, so Neuberger (2002), stets sowohl symbolisiert als auch symbolisierend.

2.3 Organisationstheoretische Sicht auf (schulische) Führung

55

Tat-Sache (y) (1)

(2)

Mitarbeiter

Ziel / Erg Ergebnis (z)

Führungskraft

Handlung ndlung (x)

(2)

Abb. 2.2: Der Prozess symbolischer Führung (Quelle: Neuberger, 2002, S. 663)

Symbolisierte Führung Grundsätzlich sieht der symbolische Ansatz Führung als vermittelt durch Gesten, Symbole, Sprachregelungen an, d. h. als nicht direkt: Zwischen Führendem und Geführten steht ein Medium (x), das mehrdeutig ist und erst von den Geführten gedeutet werden muss (Neuberger, 2002, S. 662). Die „richtige“ Deutung durch die Geführten ist dabei essenziell zur Zielerreichung. Zugleich wirken noch weitere Tat-Sachen als führungsgleiche Einflüsse (y) in Konkurrenz zum Führungshandeln, einerseits direkt auf die Geführten, andererseits indirekt über deren Wechselwirkung mit der Führungskraft. Veranschaulicht wird dieser Prozess in Abbildung 2.2. Symbolisierende Führung Die Durchsetzung einer bestimmten gewollten Deutung einzelner Symbole ist Gegenstand symbolisierender Führung (Bonsen, 2003, S. 176). Dieser Aspekt ist nach Neuberger (2002) anschlussfähig an den Begriff der Ästhetisierung: „Weil alle Fakten auch Sinn-Bilder und damit mehrdeutig sind und auf Verschiedenes verweisen können, ist es eine wichtige Aufgabe von Führung, ‚richtigen‘ Sinn zu machen. Wie mehrdeutige Symbole ‚korrekt‘ gelesen werden sollen, muss beeinflusst werden. Das imponierende Ambiente eines Vorstandszimmers könnte ja z. B. auch als Vergeudung, Protz, Byzantinismus und nicht als Erfolgsund Potenznachweis gedeutet werden.“ (Neuberger, 2002, 666, Hervorheb. im Original)

Demnach meint symbolisierende Führung in Neubergers Sinne vor allem das „Herauslesen neuen Sinns aus alten Fakten bzw. die Schaffung neuer Fakten und deren ‚richtige‘ Deutung“ (Neuberger, 2002, S. 667). Auf Basis von Weibler (1995, S. 2016)

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2 Schulisches Führungshandeln

Tab. 2.1: Symbole und Symbolisches in Organisationen (Quelle: Bonsen, 2003, S. 177 in Anlehnung an Weibler, 1995, S. 2016) verbale • Geschichten, Mythen • Anekdoten, Parabeln, Legenden, Sagen, Märchen • Slogans, Mottos, Maximen, Grundsätze, Sprachregelungen • Jargons, Argot, Tabus • Lieder, Hymnen

interaktionale • Riten, Zeremonien, Traditionen, Feiern, Festessen, Jubiläen • Konferenzen, Tagungen • Schulaufsichtsbesuche, Revisorbesuche • Auswahl und Einführung neuer Mitarbeiter, Beförderungen • Entlassungen, freiwillige Kündigung, Pensionierung • Tabus

artifizielle (objektivierte) • Statussymbole • Abzeichen, Embleme, Geschenke, Fahnen • Logos • Preise, Urkunden, Incentives (zum Beispiel Teilnahme an attraktiven Fortbildungen) • Kleidung, äußere Erscheinung • Architektur, Arbeitsbedingungen • Plakate, Broschüren, Zeitungen • schriftlich fixierte Systeme (der Lohnfindung, Beförderung)

stellt Bonsen (2003, S. 177) die in Tabelle 2.1 aufgelisteten Arten und Formen von Symbolen in der Führung von Organisationen zusammen. Kritisch stellt Weibler (1995, S. 2023–2024) vor allem folgende Probleme symbolischer Führung heraus: 1. Argumentation im Bereich des Anekdotischen und fehlende empirische Belege zu Wirkzusammenhängen und erfolgsgrößenbezogenen Effekten. 2. Instrumentalisierung des Symbolischen als Zweckrationalisierung des Vorrationalen: Problem sowohl der ethischen Legitimation der Deutungshoheit des Vorgesetzten als auch der möglichen Annahme, dass die Führungskraft unbeeinflusst außerhalb des Prozesses stehe. Ersterem Problem begegnet die von Bolman und Deal (1993, S. 62) formulierte Annahme, dass die Kultur der Organisation durch informelle Player bestimmt wird – nicht von der formalen Führungskraft (allein). Zweiteres Problem löst sich durch das von Neuberger (2002, S. 663) skizzierte Modell, in dem die Reziprozität zwischen Tat-Sachen, Führungskraft und Mitarbeitern bereits angedeutet wird. Doch

2.3 Organisationstheoretische Sicht auf (schulische) Führung

57

in der Tat wird auch hier die symbolisierende und symbolische Wirkung der Handlungen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie deren Einfluss auf Tat-Sachen und Führungskraft nicht ausreichend berücksichtigt. Zusammenfassend resümiert der Autor, es dürfe spekuliert werden, „(...) ob die nun breiter einsetzende Diskussion zur Symbolischen Führung im Sinne einer Führungstechnologie nicht den Keim zu ihrer eigenen Zerstörung ansatzweise in sich trägt. Möglicherweise ist es nämlich so, daß die rationale Kenntnis über die irrationale Welt deren Effekte – erinnert sei an tiefenpsychologische Erkenntnisse – dann deutlich abschwächt(...).“ (Weibler, 1995, S. 2024)

Dennoch, so Weibler (1995, S. 2023), sei symbolische Führung ein wichtiger Ansatz, klassische Führungstheorien zu ergänzen und zu unterstützen, wobei er explizit auf das Modell von Bolman und Deal (2013)7 verweist. Betrachtet man die Darstellungen dieses Symbolic Frame vergleichend mit den Ausführungen zu klassischen Führungstheorien im Abschnitt 2.2, so lassen sich, wie auch Bonsen (2003, S. 181) feststellt, deutliche Parallelen zwischen dem Symbolic Frame und transformationaler Führung erkennen, sodass Fidler (1997, S. 30) diese sogar als identisch bezeichnet. Dem ist zu entgegnen, dass das Konzept der transformationalen Führung nicht in vergleichbarem Ausmaß auf die Tiefe des Irrationalen und Symbolischen abzielt, sondern eher eine rationale Beeinflussung von Veränderung skizziert und dabei das Charisma der Führungskraft einbezieht. Zur Untersuchung der Frage, ob der Symbolic Frame relevant für schulisches Leitungshandeln ist, muss geklärt werden, wann symbolische Führung angebracht ist. Weibler (1995) kommt diesbezüglich zu der Auffassung, dass symbolische Führung dort gut geeignet sein kann, wo „• Unsicherheit über das zu Erreichende besteht; • die Akzeptanz erhöht werden soll; • Mitarbeiter inhaltlich durch den Vorgesetzten kaum noch gesteuert werden können; • es fraglich ist, ob allgemeine ethische Prinzipien automatisch betriebliche (sic!) Handeln legitimieren; Organisationen, z. B. in Krisen, insgesamt eine veränderte Identität gegeben werden soll oder muß; • einzelne, bisher etablierte Ansichten / Bedeutungen / Ziele zu verändern sind; 7

In der Auflage von 1991

58

2 Schulisches Führungshandeln

• Führer und Geführte in einem verminderten persönlichen Kontakt zueinander stehen; • eine Selbststeuerung beim Geführten erwünscht ist, diese sich jedoch in einem zuvor verbindlich definierten Rahmen zu bewegen hat; • Loyalität, Commitment und Konsens wichtiger als Fachkenntnisse für den Erfolg sind; • besonders Kollektive denn einzelne Individuen angesprochen werden sollen.“ (Weibler, 1995, S. 2022)

Dass die Auflistung auf viele Schulen zutreffe, konstatiert Bonsen (2003): „So ist die Schule als Organisation geradezu traditionell durch ein hohes Maß an Ziel- und Technologieunsicherheit gekennzeichnet. Grundlegende organisationstheoretische Fragen, die sich zum Beispiel auf (konkrete) Ziele und Erfolgskriterien für die gemeinsame pädagogische Arbeit oder auf Entscheidungsund Machtfragen beziehen, bleiben häufig in Folge von Unsicherheit und abweichenden Anschauungen unartikuliert (...).“ (Bonsen, 2003, S. 179)

Ferner, so Bonsen (2003, S. 179), sei insbesondere die Schule eine durch Zieldiversität und unterschiedliche Ansichten über die Organisationsdefinition gekennzeichnete Organisation. Dass diese Einschätzung nicht nur in der Praxis der Schulwirklichkeit, sondern auch im wissenschaftlichen Diskurs zutrifft, zeigt sich in Debatten zur Anwendung organisationstheoretischer Modelle auf (Bellmann, 2014) und Ökonomisierung von Schule (Ahrbeck, Ellinger, Hechler, Koch & Schad, 2016), in denen durchaus kontrovers diskutiert wird, in welcher Form Schule als Organisation aufgefasst werden kann und ob ökonomische Modelle auf Schule übertragen werden können und sollten. Evident ist, dass sich solche Debatten auf die Akteure in der Schulwirklichkeit übertragen dürften. Auch seien Symbole, Rituale, Feiern und Embleme einer Schule nicht nur zur Orientierung von Jugendlichen in kritischen Übergangsphasen, sondern auch ein potenziell wirkungsvolles Mittel der Beeinflussung aller Mitglieder der Schule durch Schulleitung, wie Bonsen (2003, S. 180) mit Verweis auf Dubs (1994) argumentiert. Dabei fasst Dubs dieses Verständnis symbolischer Führung als über rein charismatische Führung hinausgehend: „Die symbolische Kraft der Leadership betrifft nicht nur die anspruchsvolle Herausforderung einer charismatischen Leadership, sondern sie beschäftigt sich auch mit Zeremonien, Ritualen, Mythen, Geschichten und Symbolen einer Schule. Schulleiter und Schulleiterinnen, welche es verstehen, damit umzugehen, prägen die Kultur ihrer Schule nachhaltiger, als sie es mit rationaler Einflussnahme allein tun können.“ (Dubs, 2005, S. 173)

2.3 Organisationstheoretische Sicht auf (schulische) Führung

59

Als weiterhin ergänzende Aspekte symbolischer Führung in Schule benennt Bonsen (2003, S. 180–181) das Schaffen einer Corporate Identity über z. B. Schulkleidung sowie mit Schulemblemen verzierte Gebrauchsgegenstände, die Beachtung der symbolischen Wirkung der eigenen Schulleiterrolle sowie die Ausrichtung an der Entwicklung einer gemeinsamen Vision. Als wichtige Hinweise bei der Umsetzung des Symbolic Frame durch Schulleiter geben Bolman und Deal (1993, S. 61–62) folgende Hinweise: 1. Lerne die Geschichte deiner Schule kennen (Anm. D.S.: und beachte diese). 2. Erfasse die Stärken existierender Kulturen. 3. Identifiziere die (Anm. D.S.: informellen) Cultural Player der Schule. 4. Stärke und feiere die Stärken der (Anm. D.S.: existierenden) Kultur. Die von Bonsen (2003) zusammengefassten Merkmale von Schulleitung nach dem Symbolic Frame sind die Folgenden: „Die für Schulleitung im symbolischen Rahmen relevanten Handlungsdimensionen lassen sich folgendermaßen zusammenfassen (in Anlehnung an Bolman / Deal 1991, 514): • Diskussion der Identität, Kultur und Symbole einer Schule • Thematisieren des nach außen vermittelten Bildes der Schule und Reflexion der unterschiedlichen Interpretations- und Sichtweisen schulischer Aktivitäten und Beschlüsse durch die Gemeinde und Außenstehende • (Wieder-)Belebung schulspezifischer Zeremonien und Rituale; Instrumentalisierung des symbolischen Stellenwerts bestehender Praktiken, Rituale oder Einrichtungen, Gebäude, Gegenstände und Orte (beispielsweise die symbolische Bindung an ein altes oder traditionsreiches Schulgebäude) • Arbeit an der Entwicklung und Klärung der gemeinsamen Vision (etwa in Form eines übergeordneten Leitbildes) • zielgerichtete Einflussnahme auf die Schulkultur • die eigene Vorbildfunktion annehmen und den symbolischen Stellenwert der eigenen Person und seiner Funktion erkennen und nutzen: ‚man steht als Schulleiter oder Schulleiterin für die Schule‘ (‚using self as a symbol‘)“ (Bonsen, 2003, S. 182)

60

2 Schulisches Führungshandeln

Tab. 2.2: Die vier Rahmen als Interpretationsmöglichkeiten für Prozesse in Organisationen (Quelle: Bolman und Deal, 2013, S. 308–309, eigene Übersetzung) Prozess

Structural Frame

1.

Strategische Planungen

Prozess zur Aktivitäten zur Zielsetzung und Förderung von Koordination von Partizipation Ressourcen

2.

Decision Making Rationaler Ablauf Offener Prozess, Gelegenheit zu zum Treffen der um Kommitment Machtausbau richtigen zu erreichen oder -ausübung Entscheidung

3.

Reorganizing

Neuausrichtung von Rollen und Zuständigkeiten zur Anpassung an Aufgaben und Umwelt

Gleichgewicht zwischen menschlichen Bedürfnissen und formalen Rollen verbessern

Umverteilung von Macht und Bildung neuer Koalitionen

4.

Evaluation

Feedback, um Menschen bei Wachstum und Verbesserung zu unterstützen

Möglichkeit der Machtausübung

5.

Konfliktlösung

Weg, um Belohnungen und Strafen zu verteilen sowie Leistung zu kontrollieren Aufrechterhaltung der Organisationsziele durch eine Verwaltung mittels Behebung des Konflikts

Individuen treten dem Konflikt entgegen, um Beziehungen weiterzuentwickeln

Macht benutzen, um Gegner abzuwehren und Ziele zu erreichen

Fortsetzung auf nächster Seite

HumanResource Frame

Political Frame

Symbolic Frame

Arenen zur Austragung von Konflikten und Neuausrichtung von Macht

Ritual, um Verantwortlichkeit zu signalisieren, Symbole zu produzieren, Bedeutungen zu verhandeln Ritual zur Bestätigung von Werten und um Möglichkeiten für Verbundenheit zu bereiten Das Erscheinungsbild von Verantwortlichkeit und Verantwortungsbewusstsein aufrecht erhalten; Neue soziale Ordnungen aushandeln Anlass, Rollen in einem gemeinsamen Ritual zu spielen

Nutzung des Konflikts, um Sinn auszuhandeln und gemeinsame Werte zu entwickeln

2.3 Organisationstheoretische Sicht auf (schulische) Führung

61

Fortsetzung Tabelle 2.2

Prozess

Structural Frame

HumanResource Frame

Political Frame

Symbolic Frame

6.

Zielsetzung

Die Organisation in die richtige Richtung ausgerichtet halten

Kommunikation öffnen und Menschen den Zielen verbunden halten

Symbole und gemeinsame Werte entwickeln

7.

Kommunikation

Fakten und Informationen übermitteln

8.

Meetings und Besprechungen

Formale Gelegenheit, Entscheidungen zu treffen

9.

Motivation

Ökonomische Anreize

Informationen, Bedürfnisse und Gefühle austauschen Informelle Gelegenheit für Beteiligung und das Teilen von Gefühlen Wachstum und Selbstentfaltung

Gelegenheit dazu bieten, dass Individuen und Gruppen ihre Interessen ausdrücken können Andere beeinflussen oder manipulieren

Geschichten erzählen

Kompetetive Gelegenheit, Punkte zu sammeln

Sakrale Gelegenheit, die Kultur zu feiern und zu transformieren Zwang, Symbole und Manipulation und Feiern Verführung

2.3.5 „Reframing“ als Kernstück des Modells Nach Bolman und Deal (2013) stellen die vier vorgestellten Rahmen Möglichkeiten dar, Situationen in Organisationen auf jeweils verschiedene Weise zu interpretieren (siehe folgende Tabelle 2.2). Die Kunst der Führung besteht gemäß den Autoren nun darin, den passenden Rahmen für die je spezifischen Anforderungen einer Situation auszuwählen, anstatt starr in einer Form des Führens zu verbleiben. Exemplarisch stellen sie anhand von fünf Leitfragen mögliche Entscheidungskriterien vor, anhand derer sich die passende Sichtweise reflektieren lasse (siehe Tabelle 2.3). Diese Leitfragen wollen die Autoren nicht als mechanisch abzuarbeiten oder gar als Ersatz für Urteilsvermögen und Intuition bei der Entscheidung verstanden wissen (Bolman & Deal, 2013, S. 314). Vielmehr sollen sie eine Hilfestellung sein, anhand derer man sein eigenes Denken reflektieren, hinterfragen und zu kreativen Einsichten gelangen kann: „In some cases, your line of thinking might lead you to a familiar frame. But if the tried-and-true approach seems likely to fall short, reframe again. You may discover an exciting and creative new lens for deciphering the situation.“ (Bolman & Deal, 2013, S. 314)

62

2 Schulisches Führungshandeln

Tab. 2.3: Situative Auswahl des passenden Führungsrahmens anhand von Leitfragen (Quelle: Bolman und Deal, 2013, S. 311, eigene Übersetzung) Antwort Frage

Ja

Nein

1.

Human-Resource, Symbolic Structural

Structural, Political

2. 3. 4. 5.

Sind individuelles Kommitment und Motivation grundlegend für den Erfolg? Ist die handwerkliche Qualität der Entscheidung wichtig? Gibt es ein hohes Maß an Vieldeutigkeit und Unsicherheit? Sind Konflikt und knappe Ressourcen bezeichnend? Müssen Sie von unten nach oben (bottom-up) agieren?

Political, Symbolic Political, Symbolic Political

Human-Resource, Political, Symbolic Structural, Human-Resource Structural, Human-Resource Structural, Human-Resource, Symbolic

Damit vertreten die Autoren eine Idee von Reframing, die einem systemischen Ansatz nahekommt (z. B. bei Watzlawick, Weakland & Fisch, 2013), in dem Reframing unter anderem in Beratungs- und Therapiesettings eingesetzt wird: „Es ermöglicht nämlich in vielen Fällen dem Berater oder der Beraterin einen Ausweg aus der schwierigen Situation, das Symptom beseitigen zu sollen. Er oder sie kann nun der Familie den für sie verblüffend neuen Rahmen anbieten, daß er / sie noch gar nicht so sicher sei, ob das Symptom überhaupt verschwinden dürfe. Vielmehr sei eher davor zu warnen, weil das Familiengleichgewicht zu sehr aus den Fugen gerate. Eine solche Intervention kann die Beweglichkeit sowohl des Beraters als auch der Familie steigern. Denn wenn die Familie eine neue Sicht des Problems hinzugewinnt, wird die Zahl der zur Verfügung stehenden Möglichkeiten erhöht.“ (von Schlippe & Schweitzer, 2007, S. 109)

Ersetzt man in dieser beispielhaften Intervention die Familie durch eine Führungskraft, die vor einer problematischen oder herausfordernden Situation in der Organisation steht, so zeigt sich der gemeinsame Kern dieser Beratungsintervention und des Four-Frame-Model: Es geht im Wesentlichen darum, einen neuen Rahmen zu nutzen, neue Einsichten in eine Situation zu gewinnen und durch diesen Perspektivenwechsel in einem erweiterten Handlungsrepertoire situationsangemessene Handlungsweisen zu finden. Insgesamt lässt sich der Ansatz des Reframing im Four-Frame-Model mit dem Grundgedanken systemischer Führung vergleichen, wobei systemische Führung

2.3 Organisationstheoretische Sicht auf (schulische) Führung

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unter den Aspekten der Komplexität und Unsicherheit noch einen Schritt weiter in Richtung von Nicht-Steuerbarkeit geht: „Es gibt keinen Führungsstil, keine Methode und keine Organisationsform, die Erfolg und Zufriedenheit der Mitarbeiter garantieren können. Allein im Wechselspiel zahlreicher interner und externen (sic!) Faktoren entstehen ‚Erfolgsund Zufriedenheitsmuster‘ (...) Diese können nicht linear auf einzelne Ursachen zurückgeführt werden, sondern sind immer mehrdimensional zu betrachten. Komplexe Systeme wie Menschen, Teams, Kunden, Abteilungen, Organisationen, Unternehmen, Märkte (...) lassen sich nicht steuern, sondern müssen immer unter der Prämisse von Selbststeuerung und Selbstorganisation betrachtet werden, um ihrer Komplexität gerecht zu werden (...). Unter einer systemischen Perspektive wird eine umfassende Sicht versucht, die situativ jeweils einzelne Aspekte der Führung als Schwerpunkte herausgreift, diese aber nicht im Sinne eines Patentrezeptes generalisiert.“ (Lindemann, 2010, S. 153–157)

Als empirische Untermauerung des Four-Frame-Model zeigen Bolman und Deal (2013, S. 314–320) anhand unterschiedlicher Studien zu Gemeinsamkeiten erfolgreicher Unternehmen (Collins, 2001; Collins & Hansen, 2011; Collins & Porras, 1994; Peters & Waterman, 1982) sowie erfolgreicher Manager (Kotter, 1982; Luthans, 1988; Lynn, 1987) auf, dass bei den untersuchten Unternehmen Merkmale aller Rahmen mit Ausnahme des politischen sowie bei den untersuchten Managern Handlungsweisen aus mindestens drei von vier Rahmen identifiziert werden können. In eigenen Untersuchungen der Autoren (Bolman & Deal, 1991, 1992a, 1992b; Bolman & Granell, 1999) ergeben sich Korrelationen zwischen der Fähigkeit, mehrere Rahmen zu nutzen und verschiedenen Effektivitätsindikatoren (Bolman & Deal, 2013, S. 320). Eine besondere Rolle scheint dabei dem politischen Rahmen zuzukommen: „Despite the low image of organizational politics in the minds of many managers, political savvy appears to be a primary determinant of success in certain jobs.“ (Bolman & Deal, 2013, S. 321)

Dies scheint, so die Autoren weiter, insbesondere auf den non-profit und öffentlichen Bereich zuzutreffen, wie sie anhand empirischer Befunde (Doktor, 1993; Heimovics et al., 1995; Heimovics, Herman & Jurkiewicz Coughlin, 1993) argumentieren (Bolman & Deal, 2013, S. 321).

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2 Schulisches Führungshandeln

2.3.6 Anwendbarkeit des Modells auf schulische Führung Bonsen (2003) verweist darauf, dass die Diskussion um die Modellierung schulischen Führungshandelns eingebettet ist in die Diskussion um die Übertragbarkeit von Modellen aus dem Managementbereich auf Schule: „Die Entwicklung einer eigenständigen Forschung zur Führung im schulischen Kontext wird bis heute durch die Auseinandersetzung darüber begleitet, ob der schulische Bereich nur ein weiterer Anwendungsbereich für generelle Prinzipien der Management- und Führungstheorien ist, oder ob schulisches Führungshandeln eine klar abgegrenzte Disziplin mit einer eigenen Wissensbasis darstellt.“ (Bonsen, 2003, S. 183)

Er identifiziert hierzu zwei grundsätzliche Diskussionspositionen, von denen er eine als General-principles-Argumentation bezeichnet, die davon ausgehe, dass Schulen soziale Organisationen darstellen, deren Leitung sich nicht grundlegend von der Leitung jeder anderen sozialen Organisation unterscheide, dass es also allgemeingültige Management- und Führungsprinzipien gebe. Die Gegenposition, nämlich die, dass Schulen sich als Organisation grundsätzlich von anderen (z. B. kommerziellen) Organisationen unterscheiden würden, führten die Vertreter der General-principles-Argumentation, so Bonsen (2003, S. 184), auf verzerrte Vorstellungen über Wirtschaftsunternehmen zurück: „Die Vertreter der ‚general principles-Argumentation‘ führen an, dass die so genannten grundsätzlichen Unterschiede zwischen Industrie- und Wirtschaftsmanagement und schulischem Management auf einer unrealistischen und verzerrten Wahrnehmung von Management- und Führungstechniken in der Industrie und Wirtschaft beruhen. So führen 2ЦζЁϑΞЁβ/KϱЁЁϔЅ (1996, 9) einen Großteil der Kritik an der Übernahme allgemeiner Managementtechniken im Schulbereich auf überholte und nicht mehr zutreffende Klischee-Vorstellungen von modernen kommerziellen Organisationen zurück.“ (Bonsen, 2003, 184, Hervorheb. im Original)

Hierin, ebenso wie in einem grundsätzlichen Missverständnis über den Begriff der Ökonomie, mag auch die generelle Skepsis gegenüber ökonomischen Konzepten in der Bildung begründet liegen, die Bellmann (2014) aufgreift: „Stets geht es aber um eine bestimmte Ökonomie, die damit zu tun hat, dass Organisationen Entscheidungsprämissen festlegen, um damit bestimmte Anschlussentscheidungen wahrscheinlicher zu machen als andere (vgl. Baecker 2005, S. 67). Jede Festlegung von Entscheidungsprämissen ist also eine Engführung, die immer mit Opportunitätskosten in Gestalt der unwahrscheinlich

2.3 Organisationstheoretische Sicht auf (schulische) Führung

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gewordenen Möglichkeiten zu tun hat. (...) In diesem allgemeinen Sinne ist Ökonomie für jede Organisation unentrinnbar, und Organisationen der Bildung sind keine Ausnahme. Kritiker einer Ökonomisierung von Bildung fehlt bisweilen der Blick für diese innere Ökonomie organisierter Bildung. Sie unterstellen, dass eine ursprünglich ökonomieferne, rein pädagogisch begründete Bildung erst nachträglich in den Strudel der Ökonomisierung geraten sei.“ (Bellmann, 2014, S. 48)

Auf der Seite der Gegenargumentation, also der Annahme, dass Schulen sich prinzipiell von anderen sozialen Organisationen unterscheiden würden, fasst Bonsen (2003, S. 184–185) folgende Kernargumente zusammen (unter Rückgriff auf Bush, 1995; Handy, 1984; Rolff, 1992, 1995): 1. Die Organisationsziele von Schule seien vielschichtiger und komplexer als bei anderen Organisationen. Vor allem gebe es eine prinzipielle Offenheit schulischer Ziele und kaum Zielvorstellungen, die sich über Indikatoren und Versorgungsziffern messen ließen. 2. Die Subjektivität von Bewertungen und Analysen sowie fehlende gemeinsame Ziele würden zu fehlenden Kriterien für die Ressourcenverteilung führen, weswegen Zieldiskussionen eher zu mikropolitischen Debatten würden. 3. Das ähnliche Ausbildungsniveau von Lehrkräften und Schulleitung sowie die Autonomie der Lehrkräfte führe zu einer Konstellation, die sich nicht mit Wirtschaftsunternehmen vergleichen lasse. 4. Die Schulorganisation habe eine eher fragmentierte Struktur, zudem komme es zu schulfernen externen Einflussnahmen. 5. In Schulen stehe dem Führungspersonal ein vergleichsweise sehr geringes Zeitbudget für eigentliche Leitungstätigkeiten zur Verfügung. Ähnliche systematische Unterschiede zwischen Schule und ökonomischen Organisationen sieht auch Kempfert (2016), wobei er den Hauptunterschied in unterschiedlichen Kulturen und Mind-Sets der Akteure verortet. Diese seien jedoch die Folge von Unterschieden zwischen den Systemen sowie den Menschen mit ihren jeweiligen persönlichen Hintergründen. Diese Unterschiede sind für Kempfert ursächlich dafür, dass in Literatur zu Schulleitung wenig unternehmerisches Denken zu finden sei, was er beispielsweise daran festmacht, dass stets von Schulleitungshandeln, jedoch nicht von Führung die Rede sei (Kempfert, 2016, S. 82). Kempfert (2016) plädiert dafür, unternehmerisches Denken in das Repertoire von Schulleitung aufzunehmen

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2 Schulisches Führungshandeln

und Schulen unternehmerische Freiheiten zu geben, ohne ihnen den Schonraum des Schulsystems vollständig zu nehmen: „Das heißt, ich plädiere für ‚unternehmerische Schulleitungen‘. Ich denke, wenn man Schulen die Möglichkeiten gibt, sich unternehmerisch zu entfalten, dann werden sehr viele Potenziale von Schulleitern aber auch von Lehrpersonen geweckt. (...) Jedoch sollte man sich vor einem Missverständnis hüten: ‚Unternehmerisch‘ heißt nicht, dass man einfach Leute auf die Straße setzen soll (zumal das in Schulen gar nicht so einfach geht). Sondern: Sich nicht auszuruhen, sondern zu überlegen, wie wir in der aktuellen Situation einen Schritt weiterkommen (...).“ (Kempfert, 2016, S. 91–92)

Gerade hinsichtlich der Fragen nach klaren Zieldefinitionen argumentiert Bonsen (2003) in eine ähnliche Richtung wie Kempfert (2016): „So erscheint es heute beispielsweise kaum noch akzeptabel, dass die Benennung von Zielen im Humandienstleistungsbereich (zum Beispiel Jugend- und Sozialarbeit, Therapie, Schule), gerade im Zusammenhang mit Qualitätsentwicklung und -überprüfung, nicht möglich sein soll. Vielmehr wird verstärkt auch in diesem Bereich die Notwendigkeit erkannt, Ziele zu benennen. (...) Im Bereich der Humandienstleistungen sind daher neben Ergebniszielen, wie sie auch in nicht-pädagogischen Bereichen Anwendung finden, zusätzlich Prozessziele zu entwickeln.“ (Bonsen, 2003, S. 185–186)

Dieser Gedanke der Formulierung von sowohl Prozess- als auch Ergebniszielen hat sich in den letzten Jahren in der Tat verstärkt entwickelt. So finden sich im Schulsystem neben einer outputorientierten Steuerung mittels Large-Scale-Assessments, wie z. B. PISA, ebenso verstärkt externe Evaluationen über Schulinspektionen bzw. Institute für Schulqualität (Döbert & Dedering, 2008) sowie Angebote für interne Evaluationen in manchen Bundesländern8 . Das in dieser Arbeit untersuchte Bundesland Rheinland-Pfalz formuliert hierfür Indikatoren auf verschiedenen Systemebenen in einem verbindlichen „Orientierungsrahmen Schulqualität“ (MBWJK, 2009). Auch der von Kempfert (2016) benannte Aspekt der unterschiedlichen Kulturen, Sprachen und Mind-Sets zwischen Unternehmen und Schule ist, zumindest unter Hinzunahme des Modells von Bolman und Deal, nicht vollständig in dieser Dichotomie Wirtschaftsunternehmen versus Schule aufrechtzuerhalten: Beispielsweise 8

Z. B. in Rheinland-Pfalz das Portal Interne Evaluation an Schulen (InES), verügbar unter http: //ines.bildung-rp.de [3.11.2016]

2.3 Organisationstheoretische Sicht auf (schulische) Führung

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ist eine Physiotherapiepraxis mit zehn bis 15 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ebenso ein Wirtschaftsunternehmen wie eine Firma, die IT-Systeme für die Industrie anpasst und vertreibt. Die Kulturen, Sprachen und Mind-Sets zwischen beiden Unternehmen unterscheiden sich aber in einer ebensolchen Deutlichkeit und sogar deutlicher als sich vielleicht Kulturen, Sprachen und Mind-Sets zwischen einer Schule und einer Physiotherapiepraxis unterscheiden. Und in der Erkenntnis, dass sich verschiedene Arten von Organisationen insgesamt unterscheiden, liegt letztlich die Stärke des Ansatzes von Bolman und Deal: Strukturell denkend Strukturen zu entwickeln und implementieren, die auf die jeweilige Organisation passen, humanresource-orientiert denkend die individuellen und professionellen (Entwicklungs-) Bedürfnisse der jeweils vorhandenen Menschen zu berücksichtigen, politisch denkend Macht-, Aushandlungs- und Verteilungsprozesse zu berücksichtigen und zu lenken sowie symbolisch denkend die jeweils einzigartige Organisationskultur und deren Symbole verstehen, nutzen und weiterentwickeln. Bezogen auf Führungshandeln kann die Existenz bzw. Rolle von Eltern sowie Schülerinnen und Schülern laut Bonsen (2003, S. 186) allerdings nur eingeschränkt als Unterscheidungsmerkmal zwischen Schule und Wirtschaftsunternehmen gewertet werden. Denn das Führungsverhalten der Schulleitung beziehe sich nicht auf diese Gruppen, sondern auf die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter: Unterschiede zwischen Schule und Wirtschaftsunternehmen müssten demnach auf der Ebene der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gesucht bzw. begründet werden und nicht in der Frage der Definition von Schülerinnen- und Schüler- sowie Elternrolle. Auf der Ebene von Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist zwar klar ersichtlich, dass Lehrkräfte in der Schule einen anderen Status haben und anders geführt werden müssen als beispielsweise IT-Fachkräfte in einem Softwareunternehmen. Doch stellt das die Anwendbarkeit des Rahmenmodells von Bolman und Deal nicht infrage, sondern bestätigt eher die Grundannahme, innerhalb der Frames nach situations- und organisationsadäquaten Führungs- und Personalentwicklungsinstrumenten suchen zu müssen. Bonsen (2003) fasst dies wie folgt zusammen: „Die an dieser Stelle angedeutete Diskussion um die Abgrenzung der Schule als besondere soziale Organisation macht deutlich, dass vieles dafür spricht, die Besonderheiten der Schule nicht aus dem Blickfeld zu verlieren. Allerdings sollte auch deutlich geworden sein, dass es ebenso berechtigt ist, das generelle und allgemeine Wissen um das Funktionieren und die Steuerung sozialer Orga-

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2 Schulisches Führungshandeln

nisationen auch auf die Schule zu übertragen und es nicht sinnvoll erscheint, die Schulleitung als notwendigerweise eigenständige und von den Erkenntnissen der generellen Management- und Führungsforschung abgekoppelte Funktion zu betrachten.“ (Bonsen, 2003, S. 187)

Insgesamt finden sich sowohl das Modell von Bolman und Deal als auch Adaptionen davon sowie ähnliche Modelle an einigen Stellen in der Literatur zu Schulleitungshandeln. Sergiovanni (1984) entwickelt unabhängig von Bolman und Deal ein Modell, bezogen auf Schulleitung, das Ähnlichkeiten mit dem von Bolman und Deal hat. Unterschiede finden sich jedoch an entscheidenden Stellen. Der erste Unterschied ist, dass Sergiovanni nicht von Rahmen (frames), sondern von Kräften (forces) spricht: „Aspects of leadership can be described metaphorically as forces available to administrators, supervisors, and teachers as they influence the events of schooling. Force is the strength or energy brought to bear on a situation to start or stop motion or change. Leadership forces can be thought of as the means available to administrators, supervisors, and teachers to bring about or preserve changes needed to improve schooling.“ (Sergiovanni, 1984, S. 6)

Dabei führt Sergiovanni (1984) fünf Kräfte an: Technical, Human, Educational, Symbolic und Cultural. Im Vergleich zu Bolman und Deal (2013) fällt auf, dass keine politische Kraft angeführt wird. In der Tat blendet das Modell von Sergiovanni (mikro-)politische Aspekte vollständig aus. Ferner existiert in Sergiovannis Modell eine kulturelle Kraft, die in ihrer inhaltlichen Ausgestaltung aber in den Bereich fällt, den Bolman und Deal (2013) als Symbolic Frame fassen. Zudem verwendet Sergiovanni explizit eine pädagogische Kraft. Die Zusammenhänge der fünf Kräfte beschreibt er wie folgt (Sergiovanni, 1984, S. 9): Die strukturelle und die humane Kraft seien generische Aspekte von Führung, wie sie auch in der Wirtschaft zu finden seien. Die pädagogische, die symbolische und die kulturelle Kraft jedoch seien situations- und kontextabhängig und spezifisches Merkmal von Führung in pädagogischen Situationen. Während die technische, die humane und die pädagogische Kraft grundlegend für gute Schulen seien, seien die symbolische und die kulturelle Kraft essenziell für exzellente Schulen. In dieser Beschreibung wird die hierarchische Struktur des Modells sichtbar, die der wohl deutlichste Unterschied zu Bolman und Deals Modell ist: „The greater the presence of a leadership force higher in the hierarchy, the less important (beyond some unknown minimum presence) are

2.3 Organisationstheoretische Sicht auf (schulische) Führung

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others below“ (Sergiovanni, 1984, S. 9). Die hierarchische Struktur des Modells dahingehend, dass höhere Leadership-Kräfte die niedrigeren unwichtiger machen, lässt sich empirisch nicht bestätigen: So kommt Cheng (1994) zu Korrelationen von .82 und .92 zwischen den fünf einzelnen Skalen (wobei anzumerken ist, dass Cheng die vier Rahmen von Bolman und Deal und die pädagogische Kraft aus Sergiovannis Modell nutzt), woran deutlich wird, dass diese zumeist gemeinsam und nicht hierarchisch auftreten. Die Frage, ob es die von Sergiovanni postulierte pädagogische Kraft braucht, um erfolgreiches Schulleitungshandeln zu modellieren, wird an späterer Stelle noch einmal aufgegriffen werden. Insgesamt urteilt Cheng (1994, S. 312), dass alle Rahmen nützlich für Führung in Organisationen, insbesondere Schulen seien und kommt zu dem Schluss, dass die Integration beider Modelle gut zu nutzen sei: „Bolman & Deal’s (1991) four frames and Sergiovanni’s (1984) model that the measures of leadership are based on can provide a substantial theoretical foundation for understanding and developing leadership.“ (Cheng, 1994, S. 314)

Dennoch widerspricht sich Cheng in der Diskussion seiner Ergebnisse: Während er auf Basis der sehr hohen Korrelationen der Rahmen miteinander annimmt, dass es eigentlich nur einen zugrunde liegenden Faktor („strength of leadership“) mit einer Varianzaufklärung von 90.0 % gebe, auf dem alle Rahmen mit >.93 laden (Cheng, 1994, S. 304–305), führt er in der Diskussion der Befunde an, dass diese für die Validität des integrierten Modells der „4 plus 1 Rahmen“ (Bonsen, 2003, S. 192) sprechen würden: „The findings support the validity of the integrated model of Bolman & Deal (1991a) and Sergiovanni (1984) in describing leadership behavior and its potential impacts.“ (Cheng, 1994, S. 314)

Fidler (1997) nimmt das Modell von Bolman und Deal in seine Zusammenstellung von „conceptualisations and theoretical perspectives of leadership which are appropriate to schools“ (Fidler, 1997, S. 35) auf und konstatiert, dass dieser Ansatz über eine rein situationale Sichtweise deutlich hinausgehe: „They recognise that appropriate leadership needs to be situational, but they also recognise that individual leaders will have a preferred, if not dominant, style which reflects their own personality.“ (Fidler, 1997, S. 29)

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2 Schulisches Führungshandeln

Er sieht dieses Modell somit letztlich als Aufforderung, innerhalb eines Leitungsteams sich ergänzende Führungskompetenzen zusammenzustellen, womit er es in die Nähe von Shared oder Distributed Leadership stellt: „Whilst the emphasis here has been on contingent and situational responses to the needs of the particular context in which leaders operate, individual leaders will have their preferred personal approach. These may make them better or less-well equipped to provide appropriate leadership in a particular context. The work of Bolman and Deal gives encouragement to seek others in the senior management group who might have complementary strengths so that the leadership group can provide a range of coordinated and situationally appropriate approaches.“ (Fidler, 1997, S. 35)

Ebenso wie Fidler (1997) heben auch Hallinger und Heck (1998) die Passung des Modells für die Organisation Schule hervor, verweisen aber darauf, dass trotz weiter praktischer Verbreitung wenig Forschung hierauf basiere: „In one study Cheng (1994) adapted Bolman and Deal’s (1992) popular conceptualization of organizational leadership. This framework conceives of four frames – political, structural, symbolic, human resource – for viewing the role of leadership in organizations. Given ist widespread use in administration preparations programs, it was surprising to see that so few studies used this framework in the study of principal effects.“ (Hallinger & Heck, 1998, S. 169– 170)

Auch Dubs (2005, S. 167–176) beschreibt ein Modell von Leadership, bei dem er sich an Bolman und Deal orientiert, jedoch – wie auch Sergiovanni (1984) – die Bezeichnung von Kräften statt Rahmen verwendet. Anders als Sergiovanni allerdings nimmt er als Kräfte die Rahmen von Bolman und Deal und übersetzt sie mit den Bezeichnungen administrative Kraft, humane-soziale Kraft, politischmoralische Kraft und symbolische Kraft. Ebenso wie Sergiovanni (1984) und Cheng (1994) fügt Dubs (2005) dem Modell als fünfte Kraft eine pädagogische Kraft hinzu. Auch die Beschreibung der Kunst von Leadership ähnelt in etwa dem, was Bolman und Deal unter Reframing verstehen: „Diese Betrachtung der Leadership mit den fünf Kräften will einerseits zeigen, dass Leadership von einem ganzheitlichen Verständnis von Führung ausgeht. Andererseits möchte sie auf die Vielseitigkeit von Leadership hinweisen, wobei die Kunst des Führens darin liegt, persönlichkeits- und situationsgebunden die beste Kombination aller fünf Kräfte zu finden, um das persönliche Verständnis für Leadership auszubauen.“ (Dubs, 2005, S. 176)

2.3 Organisationstheoretische Sicht auf (schulische) Führung

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Insgesamt beurteilt Dubs das Modell skeptischer als beispielsweise Fidler (1997) und Hallinger und Heck (1998): „Es zeigt sich immer wieder, dass die Erklärung der Leadership mit den fünf Kräften zwar fasziniert, aber nicht als praktikabel beurteilt wird.“ (Dubs, 2005, S. 176)

Zusammenfassend lässt sich insgesamt jedoch, entgegen diesem eher singulären Kritikpunkt, resümieren, dass das Modell von Bolman und Deal als äußerst hilfreich zur theoretischen Reflektion und empirischen Analyse schulischen Führungshandelns angesehen werden kann. Die an verschiedenen Stellen erfolgte Ergänzung um einen pädagogischen Rahmen oder eine pädagogische Kraft (Cheng, 1994; Dubs, 2005) hingegen erscheint eher obsolet, wenn es um die Analyse des Führungshandelns und der Führungsorientierung geht. Denn die Forderung, dass Schulleiterinnen und Schulleiter über pädagogische Expertise verfügen, begründet, wie es Bonsen (2003, S. 188) ausdrückt, keine spezifisch pädagogische Führungstheorie: „Auch in anderen Organisationen ist es eine Selbstverständlichkeit bei der Personalauswahl für Führungspositionen neben Qualifikationen im Bereich Management und Führung auch hohe fachliche Anforderungen zu stellen.“ (Bonsen, 2003, S. 188–189)

Vielmehr stellen also die pädagogischen Aspekte der Schulentwicklung und Schulqualität die Zielrichtung und den Handlungsgegenstand dar, den eine Schulleitung durch die vier unterschiedlichen Rahmen betrachten und unter dieser jeweiligen Perspektive angehen kann. Anderenfalls müsste man für jede Branche je einen spezifischen Führungsrahmen entwerfen, was die Idee einer übergreifenden Führungstheorie ad absurdum führen würde. Zuletzt sei noch auf einen weiteren Aspekt verwiesen, der bei der Analyse schulischer Führung eine Überlegenheit des Vier-Rahmen-Modells gegenüber klassischen Führungstheorien begründet: Schulen sind, insbesondere im hierarchisch gegliederten deutschen Schulsystem, keine eigenen, für sich stehenden Organisationen, sondern eingebettet in ein Mehrebenensystem (Fend, 2008a). Somit stellt die Schulleitung nicht die oberste Führungsebene dar, die ausschließlich untergebene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter führt. Einerseits ist die Schulleitung selbst geführte Mitarbeiterin oder geführter Mitarbeiter in der Beziehung zur Schulaufsicht und dem Bildungsministerium. Andererseits wird die Schulleitung als Führung einer Art Unterabteilung der Organisation Bildungssystem gegenüber den übergeordneten

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2 Schulisches Führungshandeln

Systemebenen so agieren, dass sie im Sinne ihrer Organisationseinheit an Einfluss gewinnt. Da die Analyse schulischer Führung, will sie über einzelne Verhaltensweisen oder Personeneigenschaften hinausgehen, folglich eine Form der GovernanceAnalyse darstellt, bieten die vier Rahmen Bolman und Deals einen geeigneten Analyserahmen zur Betrachtung, wie Beziehungen und Strukturen im Mehrebenensystem staatlich institutionalisierter Bildung Führungshandeln und Sicht auf Führung beeinflussen, limitieren, ermöglichen und möglicherweise determinieren. 2.4 Subjektive Führungsorientierung (Leadership Orientation Style) von Schulleiterinnen und Schulleitern Das Modell von Bolman und Deal nimmt an, dass sich erfolgreiche Führung durch Re-Framing, also die adäquate Interpretation der jeweiligen Situation ausdrückt, wozu es hilfreich ist, möglichst alle vier Rahmen stets im Blick zu haben. Dennoch kann davon ausgegangen werden, dass niemals jede Führungskraft alle Rahmen gleich bedeutsam berücksichtigt. Viel eher kann von einer individuellen subjektiven Führungsorientierung (Leadership Orientation Style) gesprochen werden, die sich in einer unterschiedlich starken „Ausprägung“ der vier Rahmen des Modells in der Selbstbeschreibung als Führungskraft widerspiegelt. Zur subjektiven Führungsorientierung von Schulleiterinnen und Schulleitern liegen im Wesentlichen folgende Befunde vor: In einer quantitativen Untersuchung stellt Cheng (1994), wie bereits im vorigen Abschnitt dargestellt, eine hohe Korrelation der Rahmen untereinander fest, was darauf schließen lässt, dass der Ausprägung der vier Rahmen eine gemeinsame „Führungskraft“ zugrunde liegen könnte. Aufgrund fehlender deskriptiver statistischer Kennwerte zu den einzelnen Rahmen kann eine weitergehende Aussage über die Ausprägung der Rahmen nicht getroffen werden. Die Gesamtausprägung dieser unterstellten Führungskraft hing in dieser Untersuchung mit der Schuleffektivität zusammen (Cheng, 1994, S. 308). Mittels indikatorengestützter qualitativer Inhaltsanalyse sowie darauf basierender quantitativer Ratings leitfadengestützter Interviews mit 29 Schulleiterinnen und Schulleitern analysiert Bonsen (2003) deren Führungsorientierung: Dabei stellt er keine Korrelationen zwischen den Rahmen fest. Ferner scheinen Structural Frame und Human-Resource Frame deutlicher im Vordergrund der Schulleiterinnen und Schulleiter zu stehen als Political und Symbolic Frame. Dies schätzt Bonsen als

2.4 Führungsorientierung von Schulleiterinnen und Schulleitern

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konsistent zu anderen Untersuchungen aus der Schulleitungsforschung (die nicht explizit das Vier-Rahmen-Modell nutzen) sowie der allgemeinen Führungsforschung ein (Bonsen, 2003, S. 217–218). Ferner wiesen Schulleiterinnen und Schulleiter der Sekundarstufe eine höhere Ausprägung des Political Frame auf als diejenigen der Primarstufe (Bonsen, 2003, S. 226). Auch unterscheidet sich die Ausprägung von Structural Frame und Symbolic Frame bei Schulleiterinnen und Schulleitern von guten und verbesserungswürdigen Schulen9 (Bonsen, 2003, S. 241–242). Zudem korrelieren die Ausprägungen von Human-Resource Frame und Symbolic Frame positiv mit einzelnen Prozessmerkmalen erfolgreicher Schulentwicklung, während die Ausprägung des Political Frame in der Tendenz diesbezüglich eher negative Korrelationen aufweist (Bonsen, 2003, S. 243). Ein wesentliches Ergebnis dieser Untersuchung ist, dass vier der fünf Schulen, deren Leiterinnen und Leiter alle vier Rahmen mindestens durchschnittlich berücksichtigten, den guten Schulen zugeordnet waren und die fünfte immer noch eine mittlere Qualität aufwies (Bonsen, 2003, S. 266). Im Rahmen von PISA 2003 wurde die Führungsorientierung von Schulleiterinnen und Schulleitern anhand quantitativer Skalen (Prenzel et al., 2006) erhoben. Im Widerspruch zu den bisherigen Untersuchungen waren hier im Durchschnitt Political Frame und Symbolic Frame stärker ausgeprägt als Structural Frame und Human-Resource Frame. Über Korrelationen der Skalen untereinander sowie Zusammenhänge mit anderen Merkmalen konnten keine Berichte ausfindig gemacht werden. Im Rahmen des Projekts „Leitungskonzepte an guten und gesunden Schulen“ wurde das Modell zur Analyse der Wünsche von Lehrkräften an schulische Führung angewandt (Gerick et al., 2009). Dabei zeigt sich, dass die befragten Lehrkräfte überwiegend Wünsche im Bereich des Human-Resource Frame und des Political Frame äußern (Gerick et al., 2009, S. 243). Bezogen auf die einzelnen Rahmen stellen die Autoren folgende Befunde fest, die hier aufgrund ihrer generellen Bedeutsamkeit für gute Schulleitung vorgestellt werden: „Im strukturellen Rahmen ergaben sich vor allem Wünsche nach einer besseren Arbeitsorganisation, höherer Transparenz und Zielklarheit sowie nach mehr Zeit und Präsenz des Schulleiters. Im personellen Rahmen dominieren die Wünsche nach mehr Vertrauen, Respekt, Diskretion und Ehrlichkeit, Freundlichkeit und Menschlichkeit sowie nach mehr Wertschätzung und Anerkennung 9

Die Schulqualität ergab sich aus Lehrer-, Eltern- und Schülereinschätzung.

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2 Schulisches Führungshandeln

der täglich geleisteten Arbeit. Im politischen Rahmen ließen sich Wünsche identifizieren, die auf mehr Gerechtigkeit und Durchsetzungsfähigkeit des Schulleiters abzielen. Im symbolischen Rahmen finden sich vor allem Wünsche das pädagogische Vorbild des Schulleiters betreffend.“ (Gerick et al., 2009, 243, Hervorheb. im Original)

Bezüglich des Rahmenmodells kommen Gerick et al. (2009, S. 245) zu dem Schluss, dass dieses zur Analyse der interindividuellen Wahrnehmung von Schulleitung vielversprechend erscheine. In einer quantitativen Untersuchung zeigt Penix (2009), dass erstens Schulleiterinnen und Schulleiter an „high performing schools“10 häufiger alle vier Rahmen im Blick haben als an „low performing schools“, dass zweitens Schulleiterinnen den Human-Resource Frame stärker im Blick haben als Schulleiter, dass drittens Schulleiterinnen und Schulleiter im ländlichen Raum eher politisch ausgerichtet sind als im städtischen Raum und dass viertens Schulleiterinnen und Schulleiter an kleinen Schulen eher den Human-Resource Frame im Blick haben als an mittelgroßen Schulen. Roddy (2010) berichtet in einer weiteren quantitativen Erhebung signifikante Korrelationen zwischen der selbst eingeschätzten Nutzung des Structural Frame und der selbst eingeschätzten Effektivität als Manager einerseits sowie zwischen der selbst eingeschätzten Nutzung des Political Frame und der selbst eingeschätzten Effektivität als „Leader“ andererseits. Weitere qualitative (z. B. Cherian & Daniel, 2008; Israel & Kasper, 2004; Laird, 2012; Slater, Garcia & Lopez Gorosave, 2008; Williams, 2011), quantitative (z. B. McFadden, Maahs-Fladung, Beck-Frazier & Bruckner, 2009) sowie mixed-methods (z. B. Cardarelli, 2014) Untersuchungen nutzen das Rahmenmodell als analytische bzw. methodische Grundlage. Die Befunde stützen im Wesentlichen das bisher Vorgestellte, sind im Detail jedoch nicht relevant für die Fragestellung dieser Arbeit, sodass auf eine detailliertere Darstellung verzichtet wird. Zusammengefasst zeigen die empirischen Befunde nicht nur die Eignung des VierRahmen-Modells als Analyserahmen, sondern liefern auch eine vorsichtig zu interpretierende empirische Evidenz für die Wirksamkeit des Multiframings als Führungstheorie.

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Anhand der Lesekompetenz und mathematischen Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler

3 Forschungsstand zur Rolle von Schulleitung in der inklusiven Schulentwicklung Zur Rolle der Schulleitung im Zusammenhang mit bzw. zu ihrem Einfluss auf inklusive Schulentwicklung liegen international und national bereits einige Befunde vor. Dort, wo diese fehlen, lassen sich jedoch teilweise auch Rückschlüsse aus der allgemeinen Schulleitungsforschung sowie der allgemeinen Forschung zu inklusiver Schulentwicklung ableiten (z. B. Lindsay, 2007). Verwiesen sei in diesem Zusammenhang auf die Übersichten von Scheer et al. (2014), Sturm et al. (2015), Hillenbrand et al. (2013) sowie Ainscow et al. (2013). Erste Zusammenfassungen des Forschungsstandes zum Zusammenhang von Schulleitungsrolle und -handeln und inklusiver Schulentwicklung finden sich bei Scheer, Lindmeier und Laubenstein (2017), Scheer et al. (2014) und Hillenbrand et al. (2013). Zudem liegt zur Rolle der Schulleitung bei der Implementation sonderpädagogischer Unterstützung an allgemeinbildenden Schulen ein systematisches Review von Cobb (2015) vor. Das folgende Kapitel soll im Rahmen eines systematischen Reviews die Forschungsbefunde seit Beschluss der UN-Behindertenrechtskonvention (2006) zur Rolle der Schulleitung in der inklusiven Schulentwicklung zusammenfassen und in Beziehung zum in dieser Arbeit verwendeten Rahmenmodell von Bolman und Deal (2013) setzen. Bei diesem Vorgehen handelt es sich um einen systematischen Ausbau eines an anderer Stelle (Scheer, Lindmeier & Laubenstein, 2017) bereits grundsätzlich verfolgten Ansatzes. 3.1 Die Rolle der Schulleitung in der Forschung zu inklusiver Schulentwicklung Im Rahmen des Projekts GeSchwind (Gelingensbedingungen des Gemeinsamen Unterrichts an rheinland-pfälzischen Schwerpunktschulen), an das diese Arbeit angegliedert ist, wurden im Rahmen von Experteninterviews mit den Fachberaterinnen und -beratern für Inklusion sowie der Schulaufsicht verschiedene Facetten der Bedutung sichtbar, die diese Akteure den Schulleitungen zumessen. Für die Fachberaterinnen und -berater für Inklusion ist die Rolle von Schulleitung insbesondere von Bedeutung, als dass über die Zusammenarbeit zwischen Schulleitung und Beratungssystem sichergestellt werden könne, dass Beratung und Fortbildung eine nachhaltige Wirkung im System entfalten könnten (Laubenstein, Lindmeier, © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 D. Scheer, Schulleitung und Inklusion, https://doi.org/10.1007/978-3-658-27401-6_3

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3 Forschungsstand zur Rolle von Schulleitung in der inklusiven Schulentwicklung

Guthöhrlein & Scheer, 2015, S. 78). Ferner seien Schulleitungen häufig diejenigen, die Beratung und Fortbildung durch die Fachberaterinnen und -berater anfragten, zudem schreiben Letztere der Schulleitung eine wesentliche zentrale Rolle zu, wenn es darum geht, Prozesse zu initiieren, das Kollegium mitzunehmen und Strukturen für den Gemeinsamen Unterricht zu entwickeln (Laubenstein, Lindmeier, Guthöhrlein & Scheer, 2015, S. 77). Aus diesem Zusammenhang heraus wird die Notwendigkeit der Implementation von Fortbildungen speziell für Schulleitungen gesehen (Laubenstein, Lindmeier, Guthöhrlein & Scheer, 2015, S. 78). Auch die befragten Referentinnen und Referenten der Schulaufsicht schreiben der Schulleitung eine solche zentrale Rolle zu, die als deutlich über die Funktion eines „Türöffners“ hinausgehend gesehen wird: So komme es zum Beispiel darauf an, dass die Schulleitung in der Lage sei, die (Personal-)Bedarfe der Schule mittelfristig zu überblicken, und dass Schulleitung direkt den Kontakt mit der Schulaufsicht suche, um bei Einzelfällen organisatorische Lösungen zu suchen (Laubenstein, Lindmeier, Guthöhrlein & Scheer, 2015, S. 109). Konkret umschreiben sie die Funktion der Schulleitung wie folgt, thematisieren darüber hinaus aber auch, dass deren Erfüllung oftmals die (vor allem an Grundschulen) hohe Unterrichtsverpflichtung der Schulleitungen entgegenstehe: „1. Die Schulleitung müsse an der Schule die organisatorischen Rahmenbedingungen schaffen, beispielsweise Zeitkorridore zu Teambesprechungen im Stundenplan einrichten bzw. in der gebundenen Arbeitszeit der Lehrkräfte diese Zeiten vorsehen. Dazu gehöre es auch, dem Kollegium entsprechende Freiräume in der Arbeit einzuräumen. 2. Damit Inklusion gelingen kann, müsse das Kollegium von der Schulleitung im gesamten Prozess mitgenommen (im Sinne von Partizipation), aber auch begeistert werden. 3. Auch, dass Schulleitung den Gedanken der Inklusion wirklich versteht, aufnimmt und vorlebt, sei eine wesentliche Gelingensbedingung inklusiver Schule. 4. Betont wird als Notwendigkeit die Delegationsfähigkeit von Schulleiterinnen und Leitern, sowie (sic!) – wie bereits erwähnt – die Fähigkeit, über alles den Überblick zu behalten.“ (Laubenstein, Lindmeier, Guthöhrlein & Scheer, 2015, S. 109)

3.1 Die Rolle der Schulleitung in der Forschung zu inklusiver Schulentwicklung

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Eine Teiluntersuchung im Projekt B!S (Begleitforschungsprojekt inklusive Schulentwicklung), das in Bayern die Entwicklung schulischer Inklusion untersuchte, befasste sich mit der Sichtweise von Schulleiterinnen und Schulleitern (Singer et al., 2016). Dabei zeigte sich, dass die Schulleitungen eher ein von der Integration beeinträchtigter Schülerinnen und Schüler in die allgemeine Schule bezogenes Verständnis von Inklusion vertreten und dass sie die Möglichkeiten und Grenzen schulischer Inklusion (trotz grundsätzlich positiver Auffassung der Grundidee) insbesondere von den Rahmenbedingungen vor Ort (Personal, Räume, Barrierefreiheit) sowie der Ausprägung des individuellen Unterstützungsbedarfs im Einzelfall abhängig machen (Singer et al., 2016, S. 18–19). Ferner würden Schulleiterinnen und Schulleiter allgemeiner Schulen oftmals für die Beibehaltung von Förderschulen plädieren (Singer et al., 2016, S. 20). Zusammenfassend stellt diese Teilstudie fest, „(...) dass die meisten der hier befragten bayerischen Schulleitungen einer Entwicklung hin zu einer inklusiven Schule grundsätzlich offen gegenüber stehen. Sie machen aber sehr deutlich, dass diese Entwicklung nur mit der benötigten Fachlichkeit und den entsprechenden Fachkräften im Sinne und zur Zufriedenheit aller Beteiligten zu bewerkstelligen ist.“ (Singer et al., 2016, S. 36)

Das Gesamtprojekt B!S formuliert, aus der Situation in Bayern schlussfolgernd, insgesamt folgende Aufgaben von Schulleitung im Zusammenhang mit schulischer Inklusion, die vor dem Hintergrund der Unterstützung einer kooperationsfördernden und -wertschätzenden Schulkultur zu sehen sind (Heimlich et al., 2016, S. 146– 148): • Gestaltung kooperationsfreundlicher Stundenpläne mit verlässlichem Zeitrahmen für Besprechungen • Möglichkeiten zur kollegialen Fallberatung und zum „schulhausinternen Austausch über die besonderen Belange des Unterrichts und der Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf“ (Heimlich et al., 2016, S. 147) • Frühzeitige Planung des Personaleinsatzes für das nächste Schuljahr • Ermutigung der Lehrkräfte, „ihre Möglichkeiten und Grenzen mit professionellem Selbstbewusstsein anzunehmen“ (Heimlich et al., 2016, S. 147)

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3 Forschungsstand zur Rolle von Schulleitung in der inklusiven Schulentwicklung

• Organisation des Informationsflusses über Förderbedarfe und -möglichkeiten so, dass vorhandenes Wissen, Materialien und Kompetenzen für alle verfügbar sind • Zielorientierte Fortbildungsplanung, die auch auf Erfahrungsaustausch setzt • Anregung zur Bildung und Unterstützung von regionalen Netzwerken / Arbeitsgruppen für den fachlichen Austausch der sonderpädagogischen Lehrkräfte • Ausbau von Kooperationen mit außerschulischen Partnerinnen und Partnern • Mitgestaltung und Begleitung der Aufnahme von Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf • Akquise von Ressourcen für Fördermaterialien Die Sichtweise der Schulleitungen selbst auf die Ausgestaltung dieser Aufgaben bzw. auf ihre gestaltende Rolle wird bei Amrhein (2011) einbezogen. Hier zeigt sich, dass sich Schulleitungen bei der Implementierung integrativer Lerngruppen selbst in „einer schwierigen Sandwichposition“ (Amrhein, 2011, S. 177) zwischen Schulbehörde und Kollegium sehen. Auch in Untersuchungen zur Integration in der Schweiz zeigt sich dies, jedoch mit dem Schwerpunkt auf die Rolle als „Türöffner“: „Schulleitungen der Regelschule kommt eine wichtige Bedeutung in der Kommunikation nach innen und nach aussen zu. Es ist wichtig, dass Sie ein umfassendes Wissen über integrative Sonderschulung haben und eine offene Haltung gegenüber Integration entwickeln und vertreten können. Schulleiterinnen und Schulleiter der Regelschule sind als Botschafter für die Integration zu gewinnen.“ (Joller-Graf & Tanner, 2011)

Aus der Arbeit von Amrhein (2011) geht hervor, dass Schulleitungen unterschiedliche Strategien der Implementation (in Anbetracht fehlender Strategien und Unterstützungen durch die Schuladministration) als erfolgreich bei der Einrichtung integrativer Lerngruppen erlebten: 1. Das Schaffen von Win-win-Lösungen, indem die zusätzliche Unterstützung und Entlastung durch Sonderpädagoginnen und -pädagogen im regulären Unterricht hervorgehoben wurde (Amrhein, 2011, S. 165). 2. Das Prinzip der Freiwilligkeit, mit dem Vertrauen geschaffen werden soll: Dabei weist Amrhein darauf hin, dass dadurch aber auch – befördert durch das Zulassen von Partialinteressen – ein kollektiver Schulentwicklungsprozess verhindert werden könne (Amrhein, 2011, S. 165). Andererseits muss berück-

3.1 Die Rolle der Schulleitung in der Forschung zu inklusiver Schulentwicklung

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sichtigt werden, dass genau dieses Prinzip der Freiwilligkeit eine mikropolitische Strategie zur Umsetzung einer längerfristigen Agenda (z. B. gelingende Beispiele schaffen, mit denen Ängste abgebaut werden können) sein kann und dann im Sinne des im letzten Kapitel vorgestellten Vier-Rahmen-Modells von Führung eine wichtige Funktion erfüllt. 3. Kolleginnen und Kollegen ernst nehmen und ihre Bedürfnisse, Erlebnisse etc. berücksichtigen (Amrhein, 2011, S. 166). 4. Die Beobachtung, dass eine Top-down-Verordnung durchaus zu einer zügigeren Implementation führen kann (Amrhein, 2011, S. 166–167). 5. Die Strategie, erst einige wenige Kolleginnen und Kollegen für die Arbeit in einer integrativen Lerngruppe zu gewinnen und das Vorhaben dann schrittweise auszubauen und dabei eher auf neue Lehrkräfte zu setzen als auf schon länger an der Schule beschäftigte (Amrhein, 2011, S. 167–168). In der Zusammenfassung der Schulentwicklungsforschung mit Fokus auf Inklusion lässt sich die Rolle der Schulleitung als eine Schlüsselrolle zusammenfassen, die maßgeblich an der Gestaltung inklusiver Schule beteiligt ist (Billingsley & McLeskey, 2014; S. G. Huber, 2017; Jordan, Glenn & McGhie-Richmond, 2010; Leo & Barton, 2006; Lindsay, 2007; Lipsky & Gartner, 1998; Loreman, 2007; McLeskey & Waldron, 2015; Scheer et al., 2014; Sturm et al., 2015). Dabei kann derzeit davon ausgegangen werden, dass für das Gelingen von Inklusion eine starke, positive, unterstützende und auf die Entwicklung gemeinsam geteilter Werte ausgerichtete Führung essenziell ist, die sich an Shared Leadership- bzw. Distributed LeadershipModellen orientiert (Ainscow et al., 2013; Billingsley & McLeskey, 2014; Kugelmass, 2001; Leo & Barton, 2006; Lindsay, 2007; Lipsky & Gartner, 1998; Loreman, 2007; McLeskey & Waldron, 2015; Moldenhauer & Badstieber, 2016), obgleich bislang wenig systematische Forschung zu Schulleitung an inklusiven Schulen vorzuliegen scheint (Billingsley & McLeskey, 2014). Eine solche Unterstützung durch starke und aktive Schulleitung fassen McLeskey und Waldron (2015) als „demonstrating expertise at builing a vision and setting direction, understanding and developing people, and redesigning the school to support teachers“ (McLeskey & Waldron, 2015, S. 73) zusammen. Diese Merkmale spiegeln aus Sicht von Billingsley und McLeskey (2014, S. 69) exakt die Kernelemente wirksamer Schulleitung wider, wie sie Leithwood et al. (2008) zusammenfassen. In einer Zusammenfas-

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3 Forschungsstand zur Rolle von Schulleitung in der inklusiven Schulentwicklung

sung der Forschungsliteratur der 1990er- und 2000er-Jahre arbeiten Billingsley und McLeskey (2014) folgende Kernbefunde heraus: • Building Vision And Setting Directions (Billingsley & McLeskey, 2014, S. 69–71): Für erfolgreiche Inklusion erscheint es wichtig, dass Schulleitung eine positive Sicht auf Inklusion vermittelt und Inklusion als von allen geteilten „core value“ der Schulphilosophie und -kultur bewirbt. Darin nehmen sie eine Schlüsselrolle ein und bauen unsichtbare Barrieren ab. Wichtig scheint zu sein, dass diese Vision von Inklusion beinhaltet, die bestmöglichen Lernergebnisse aller Schülerinnen und Schüler intensiv zu verfolgen und Schülerinnen und Schüler mit Beeinträchtigung so viel, wie es sinnvoll möglich ist, im regulären Klassenunterricht zu unterrichten. Dabei scheint es zunächst irrelevant, ob Schulleitung zunächst auf eine Gruppe freiwilliger Lehrkräfte setzt oder inklusiven Unterricht an der gesamten Schule direkt als nicht-verhandelbar ansetzt. • Understanding and Developing People (Billingsley & McLeskey, 2014, S. 71–72): Hier heben die Autoren hervor, dass sich eine große Bedeutung der Beziehung der Schulleitung zu den Lehrkräften zu zeigen scheint, die sich durch Respekt, Vertrauen, Zuhören und Partizipation auszeichnet. Zudem scheint es wichtig zu sein, zu Beginn der Reform mehrtägige Workshops und Hospitationsmöglichkeiten an anderen Schulen zu ermöglichen, aber auch danach kontinuierliche Lern- und Entwicklungsmöglichkeiten zu schaffen sowie Ermutigung und Unterstützung zu bieten. Ein Problem scheinen dem Review zufolge Personalwechsel insbesondere in der Schulleitung, aber auch im Kollegium zu sein. Hier scheint es eine gute Einarbeitung / Unterstützung neuer Lehrkräfte durch die Schulleitung einerseits sowie neuer Schulleiterinnen und -leiter durch die Schulaufsicht andererseits zu benötigen. • Redesigning the Organisation (Billingsley & McLeskey, 2014, S. 72–73): Hier scheint die Aufgabe erfolgreicher Schulleitung vor allem zu sein, für Barrierefreiheit zu sorgen, sich für Finanzierungsmöglichkeiten einzusetzen, Ressourcen zielführend für alle Schülerinnen und Schüler zu steuern, eine funktionierende Verteilung der Schülerinnen und Schüler auf Klassen und Lehrkräfte sicherzustellen, Erwartungen an die Qualität / Ergebnisse des Unterrichts im Sinne von interner Accountability zu vermitteln, Rollendefinitionen im Kollegium zu setzen und den Lehrkräften Zeit für Kooperation zu bieten. Inklusive Kulturen scheinen sich zu etablieren, wenn Schulleitun-

3.1 Die Rolle der Schulleitung in der Forschung zu inklusiver Schulentwicklung

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gen deutlich alles unternehmen, um Bedingungen zu schaffen, unter denen Lehrkräfte sowie Schülerinnen und Schüler erfolgreich sein können. • Managing Teaching and Learning (Billingsley & McLeskey, 2014, S. 74): Ein Merkmal effektiver inklusiver Schulen scheint zu sein, dass die Schulleitung die Lern- und Entwicklungsschritte der Schülerinnen und Schüler anhand eines datengestützten progress-monitoring überwacht und als Grundlage für kontinuierliche Evaluation nutzt. Ferner scheint es sinnvoll, die Verantwortung für die Planung und Implementation von Programmen und Curricula in die Hand von Lehrkräften bzw. Teams zu delegieren. Abschließend schlussfolgern Billingsley und McLeskey (2014, S. 75), dass Schulleitung der wesentliche Schlüsselfaktor für den Erfolg der Implementation schulischer Inklusion darstellt und bestätigen allgemeine Befunde der Schulleitungsforschung, so beispielsweise, dass sich gute Schulleitung von Schule zu Schule unterscheide und dass Distributed Leadership eine wichtige Rolle spiele. Aus Studien, die eine aus Sicht der Schulleitungen mangelhafte Vorbereitung auf Inklusion herausstellen, folgern sie ferner, dass Schulleitungsaus- und -fortbildung auf Veränderung und Kulturentwicklung an Schulen allgemein abzielen und daneben Wissen über effektive inklusive Praktiken vermitteln solle (Billingsley & McLeskey, 2014, S. 76). Damit zeichnet dieses Review ein ähnliches Bild, wie es sich auch bei Amrhein (2011) und S. G. Huber (2017) ergibt. Zudem lässt sich erkennen, dass in allen der genannten Aspekte deutlich wird, dass Schulleitung im Sinne der individuellen Situation vor Ort zwischen Perspektiven wechseln muss, die sich im Sinne der vier Rahmen bei Bolman und Deal (2013) interpretieren lassen. Ähnliches lässt sich aus dem Review von Cobb (2015) folgern, das sieben Schlüsselrollen der Schulleitung identifiziert: In einem systematischen Review analysiert Cobb (2015), welche Rolle(n) Schulleiterinnen und Schulleiter bei der Umsetzung sonderpädagogischer Unterstützungssysteme an allgemeinen Schulen in Amerika spielen. Analysiert werden Forschungsarbeiten, die in den Jahren 2001–2011 publiziert wurden. Dabei konnten die Aufgabendomänen der Schulleitungen identifiziert werden: „While principals encourage inclusive programme delivery, they also facilitate staff collaboration to enrich school-wide inclusion, and foster parental engagement to establish an inclusive atmosphere in the school community. While these domains are not mutually exclusive, they represent key aspects of how principals perceive and work to foster inclusion.“ (Cobb, 2015, S. 220)

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3 Forschungsstand zur Rolle von Schulleitung in der inklusiven Schulentwicklung

Ferner identifiziert Cobb (2015, S. 221) folgende Rollen, die Schulleitungen spielen: 1. Visionär 2. Partner 3. Coach 4. Konfliktlöser 5. Advokat / Fürsprecher 6. Interpret 7. Organisator Es zeigt sich in diesem Review, dass in Bezug auf die Förderung eines inklusiven Programms vor allem das Einbringen, Vertreten und Vorleben eigener Visionen, Haltungen und Überzeugungen (Rolle als Visionär), das Eintreten für Ressourcen und Unterstützung von administrativer Seite (Rolle als Advokat / Fürsprecher), das Interpretieren von wissenschaftlichen Erkenntnissen (als Planungsgrundlage) und rechtlichen Vorgaben (Rolle als Interpret) sowie das Bereitstellen geeigneter Strukturen, Maßnahmen etc. zur inklusiven Umsetzung sonderpädagogischer Unterstützung (Organisator) von Bedeutung sind (Cobb, 2015, S. 221–223). Unter dem Aspekt der Förderung von Kooperation werden ebenfalls die Rolle als Visonär sowie die Rolle als Organisator als bedeutsam hervorgehoben, gleichermaßen aber auch die Rolle als Coach, die Rolle als Partner und die Rolle als Konfliktlöser (Cobb, 2015, S. 223–227). Der stärkere Einbezug der Eltern in die Förderung scheint vor allem getragen zu werden von der Rolle als Partner, der Rolle als Interpret (z. B. von Rechtsvorschriften, um gut beraten zu können) sowie der Rolle als Organisator (Cobb, 2015, S. 227–228). Darüber hinaus stellt Cobb (2015, S. 228–229) heraus, dass scheinbar ein starkes Ungleichgewicht bei der mit sonderpädagogischen Themen verbrachten Arbeitszeit einerseits zwischen Schulleitungen mit und ohne sonderpädagogischer Ausbildung als auch im Vergleich zu anderen Aufgabenbereichen vorliegt (18 % der in einer Untersuchung befragten Schulleiterinnen und Schulleiter verbringen mehr als 62 % ihrer Arbeitszeit mit sonderpädagogischen Themen). Hier wird die Notwendigkeit deutlich, für eine ausgewogenere Balance zu sorgen: „Perhaps if special education experiences (both theoretical and practical) were more prevalent in principal preparation programmes as well as ongoing mentee experiences, principals would be better able to adequately balance their responsibilities. Additional research needs to examine the relationship between a

3.2 Systematisches Review vorliegender Primärstudien

83

principal’s preparation and professional development, her balancing of special education-oriented responsibilities, and the way she perceives her own work and competence as a special education leader.“ (Cobb, 2015, S. 229)

Zusammenfassend fordert Cobb (2015, S. 231), dass aus der Vielzahl an Rollen, die die Schulleitung beim Thema sonderpädagogische Förderung an allgemeinen Schulen spielt, die für jede Rolle benötigten Fähigkeiten abgeleitet und in die Ausbildung angehender Schulleiterinnen und Schulleiter einbezogen werden müssten. Insgesamt zeigt sich in den sieben identifizierten Rollen, die ja nie für sich allein auftreten, sondern in ihrer Kombination für das Gelingen inklusiver Schule wichtig erscheinen, eine Querverbindung zum Vier-Rahmen-Modell (Bolman & Deal, 2013). 3.2 Systematisches Review vorliegender Primärstudien Nachfolgend soll anhand von Primärstudien der Frage nachgegangen werden, wie Schulleitungen Inklusion definieren und deren Umsetzungsmöglichkeiten beurteilen, welche Einstellungen und Selbstwirksamkeitserwartungen sie bezüglich Inklusion haben und welche Führungsrolle sie bei dieser Umsetzung aktuell einnehmen. 3.2.1 Einschluss- und Ausschlusskriterien Gemäß der in Kapitel 1 dieser Arbeit vorgenommenen begrifflichen Einschränkung wurden Untersuchungen einbezogen, die sich innerhalb des Themenbereichs Inklusion explizit mit dem Bereich sonderpädagogischer Förderbedarf / Behinderung befassen. Arbeiten, die sich allgemein auf Konzepte wie equity oder social justice beziehen, wurden nur einbezogen, wenn ein expliziter Bezug zur Kategorie Behinderung / sonderpädagogischer Förderbedarf hergestellt wird. Ferner wurden aufgrund der Schwerpunktsetzung der eigenen empirischen Untersuchung nur Veröffentlichungen berücksichtigt, in denen unter Leadership die Leitung durch die Schulleiterin bzw. den Schulleiter gefasst wird. Ausgeschlossen wurden Arbeiten, die sich auf Teacher Leadership im Allgemeinen sowie auf die übergeordneten Ebenen Schuladministration (z. B. kommunale Schulverwaltung, staatliche Schulaufsicht etc.) beziehen. Auch Arbeiten, die sich mit der Rolle eines mittleren Managements (z. B. Special Education Coordinators) befassen, wurden nicht berücksichtigt. Es wurden sowohl quantitative als auch qualitative Studien und Studien in Mixed Methods Designs akzeptiert. Es wurden ausschließlich Untersuchungen einbezo-

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3 Forschungsstand zur Rolle von Schulleitung in der inklusiven Schulentwicklung

gen, bei denen alle Schritte des Forschungsprozesses transparent und vollständig dargelegt und begründet sind (Stichprobenziehung / Fallauswahl, Datenerhebung, Datenauswertung). Arbeiten, in denen die Forschenden selbst Teil des beforschten Systems sind, wurden nicht einbezogen. Einzelfalluntersuchungen fanden dann Berücksichtigung, wenn die Auswahl des Falls mit klaren Qualitätskriterien für erfolgreiche schulische Inklusion begründet wird. Inhaltlich mussten folgende Kriterien erfüllt sein, damit eine Publikation in das Review aufgenommen wurde: • Zentraler Untersuchungsgegenstand sind Merkmale von Schulleitungshandeln, Merkmale von Schulleiterinnen / Schulleitern (z. B. Einstellungen, Selbstwirksamkeitserwartungen etc.) sowie Sichtweisen von Schulleiterinnen / Schulleitern auf Inklusion und ihre Aufgaben und Herausforderungen im Zusammenhang mit Inklusion. • Der Kontext der Untersuchung bezieht sich auf allgemeinbildende Schulen (ohne Förderschulen) der Primar- und Sekundarstufe, an denen Schülerinnen und Schüler mit und ohne Beeinträchtigung gemeinsam unterrichtet werden. Der Beschluss der UN-Behindertenrechtskonvention auf internationaler Ebene im Jahr 2006 kann als der Zeitpunkt gesehen werden, zu dem die Diskussion um Inklusion und damit verbundene Forschungsbemühungen eine starke Intensivierung erfahren haben. Daher wurde dieser Zeitpunkt als Beginn des Zeitraums für die Recherche gewählt. Folglich wurden ausschließlich Aufsätze aus Fachzeitschriften berücksichtigt, die zwischen Beschluss der UN-Behindertenrechtskonvention (im Jahr 2006) und dem Zeitpunkt der Recherche (Juni 2017: vor dem letzten Kodierdurchgang der eigenen empirischen Untersuchung, siehe Kapitel 6) erschienen sind. Die Eingrenzung der Suche auf Artikel aus Fachzeitschriften erfolgte aus der Überlegung heraus, dass Beiträge in Sammelbänden (vor allem in Tagungsbänden) häufig work-in-progress zur Diskussion stellen oder es sich um sekundäre Zusammenfassungen anderweitig publizierter Erkenntnisse handelt, während Zeitschriften bei empirischen Beiträgen in der Regel auf den Originalitätscharakter der Forschungsbefunde bestehen.11 11

Diese methodisch notwendige Einschränkung kann letztlich natürlich dazu führen, dass dadurch einzelne hochwertige Publikationen durch das Suchraster fallen, die thematisch zu einer inhaltlichen Bereicherung hätten führen können.

3.2 Systematisches Review vorliegender Primärstudien

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Datenbankrecherche (n = 726)

Ergebnis ohne Dubletten (n = 672)

Screening (Titel + Abstract) (n = 57)

Ausgeschlossen (n = 615)

Volltextrecherche (n = 75)

Aus anderen Quellen (n = 18)

Einschlusskriterien erfüllt (n = 37)

Ausgeschlossen (n = 38)

Abb. 3.1: Flussdiagramm des systematischen Reviews

3.2.2 Recherche- und Analysestrategie In den Datenbanken ERIC sowie PsycINFO wurde mit dem Suchterminus „(principal OR leadership) AND inclusion AND school“ gesucht. Zeitraum (2006–2017) und Publikationsform (Fachzeitschrift) wurden direkt als Filter eingestellt. Mit gleichem Filter wurde zur Identifikation deutschsprachiger Untersuchungen parallel bei FIS-Bildung mit dem Terminus „Schulleit* AND Inklusion“ gesucht. Ergänzend wurden die Literaturverzeichnisse von Ainscow et al. (2013), Billingsley und McLeskey (2014) und Cobb (2015) ausgewertet sowie ein Themenheft der Zeitschrift „Sonderpädagogische Förderung heute“, bei dem der Verfasser Gastherausgeber ist. Abweichend vom Kriterium des Erscheinens in einer Fachzeitschrift wurde ein Buchbeitrag (Lütje-Klose, Serke, Hunger & Wild, 2016) aufgenommen. Dies begründet sich darin, dass im deutschsprachigen Raum sehr wenige einschlägige Zeitschriftenbeiträge identifiziert werden konnten und dieser Buchbeitrag sowohl inhaltlich als auch methodisch alle Kriterien für dieses Review erfüllt. Alle Suchergebnisse wurden in einer Datenbank zusammengefasst. Nach Entfernung von Dubletten wurden die Ergebnisse anhand der Titel und Abstracts durchgesehen. Ergebnisse, die die Einschlusskriterien eindeutig nicht erfüllten, wurden bereits

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3 Forschungsstand zur Rolle von Schulleitung in der inklusiven Schulentwicklung

in diesem Schritt ausgeschlossen. Die verbleibenden Ergebnisse wurden anhand der Volltexte auf die Einschlusskriterien hin untersucht. In Abbildung 3.1 ist der Prozess der Auswertung dargestellt. Insgesamt ergibt sich eine Auswahl von 37 Primärstudien. Die einbezogenen Untersuchungen wurden zunächst den thematischen Kategorien „Sichtweise auf Inklusion und deren Umsetzbarkeit“, „Einstellungen und Selbstwirksamkeitserwartungen“, „Aufgaben und Kompetenzen von Schulleitung“ sowie „Rolle der Schulleitung“ zugeordnet, Mehrfachzuordnungen waren möglich. Innerhalb dieser Kategorien erfolgt eine narrativ-deskriptive Auswertung. Untersuchungen, die sich auf die Schulleitungsrolle, Führungsstile und Aufgaben von Schulleitung beziehen, wurden anschließend anhand des Modells von Bolman und Deal (2013) analysiert. Das Ergebnis der ersten thematischen Zuordnung findet sich in Tabelle 3.1. 3.2.3 Ergebnisse des Reviews 3.2.3.1 Sichtweise auf (Umsetzbarkeit von) Inklusion In einer vergleichenden Interviewstudie in Finnland und Kanada zeigt Jahnukainen (2015) grundsätzlich positive Sichtweisen von Schulleiterinnen und Schulleitern auf, die jedoch durchaus differenziert auch auf Grenzen der Umsetzungsmöglichkeiten hinweisen. Dabei konstatieren die Autoren eine pragmatische Sichtweise, die sie als eher an Integration denn Inklusion orientiert bezeichnen und die bemüht scheint, die Interessen von Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf gegenüber den Interessen anderer Stakeholder (inklusive der Lehrkräfte) auszubalancieren. Auch Irvine, Lupart, Loreman und McGhie-Richmond (2010) berichten aus Kanada überwiegend positive Sichtweisen von Schulleitungen (hier im ländlichen Raum) zur inklusiven Beschulung von Schülerinnen und Schülern mit Beeinträchtigungen. Eine über die Kategorie des Förderbedarfs argumentierende Sichtweise findet sich bei australischen Schulleiterinnen und Schulleitern (Graham & Spandagou, 2011), die Vielfalt scheinbar hauptsächlich über negative Adjektive zu definieren scheinen. In dieser Untersuchung findet sich die Unterscheidung der Sichtweise vor allem zwischen „being inclusive“ und „include them“. Dabei fördert der Finanzierungsdruck eine starke Verschiebung hin zu einer diagnostischen Perspektive auf „Kinder, die Inklusion brauchen“ und teilweise die Beschränkung des Rechts auf Inklusion auf die Stundenzahl, für die Unterstützungslehrkraft finanziert werden kann.

3.2 Systematisches Review vorliegender Primärstudien

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Tab. 3.1: Übersicht über die thematische Zuordnung der ins Review aufgenommenen Studien mit Angabe der zugeordneten thematischen Kategorien (1 = Sichtweise auf (Umsetzbarkeit von) Inklusion; 2 = Einstellungen und Selbstwirksamkeitserwartungen; 3 = Aufgaben und Kompetenzen von Schulleitung; 4 = Rolle der Schulleitung) Studie

Thema (1)

Abegglen, Schwab und Hessels, 2015 Angelides, 2012 Angelides, Antoniou und Charalambous, 2010 Badstieber, Oerke, Waschke und Amrhein, 2017 Boyle, Topping und Jindal-Snape, 2013 Conrad und Brown, 2011 Crockett, Myers, Griffin und Hollandsworth, 2006 Cruzeiro und Morgan, 2006 Garrison-Wade, Sobel und Fulmer, 2007 Graham und Spandagou, 2011 Hadjikakou und Mnasonos, 2012 Hess und Zamir, 2016 Hoppey und McLeskey, 2013 Horrocks, White und Roberts, 2008 Houser, Dickens und Hicks, 2011 Irvine, Lupart, Loreman und McGhie-Richmond, 2010 Jahnukainen, 2015 Köpfer, 2015 Leo und Barton, 2006 Lindqvist und Nilholm, 2014 Lütje-Klose, Serke, Hunger und Wild, 2016 Miškolci, Armstrong und Spandagou, 2016 Muijs et al., 2010 Poon-McBrayer und Wong, 2013 Porakari et al., 2015 Salisbury, 2006 Schmidt und Venet, 2012 Sharma und Chow, 2008 Stevenson-Jacobsen, Jacobsen und Hilton, 2006 Urton, Wilbert und Hennemann, 2014b Urton, Wilbert und Hennemann, 2014a Waldron, McLeskey und Redd, 2011 Weisel und Dror, 2006 Wood, Evans und Spandagou, 2014 Wood, Spandagou und Evans, 2012 Yan und Sin, 2015 Zaretsky, Moreau und Faircloth, 2008 Σ

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3 Forschungsstand zur Rolle von Schulleitung in der inklusiven Schulentwicklung

Eine deutlich skeptische Sichtweise auf Inklusion findet sich in einer Untersuchung von Conrad und Brown (2011) bei Schulleiterinnen und Schulleitern in Oman. Die befragten Teilnehmerinnen und Teilnehmer kritisieren die Verordnung von Inklusion durch das zuständige Ministerium ohne vorherige Vorbereitung der Schulen. Dabei weisen Sie die eigene Verantwortung für Vorbereitungsmaßnahmen an den Schulen zurück und schreiben diese dem Ministerium zu. Dennoch finden sich in den geführten Interviews Ideen und Möglichkeiten für Entwicklungen an der eigenen Schule, was auf eine grundsätzliche Bereitschaft zur Umsetzung schulischer Inklusion hinweist. Eine quantitative Untersuchung aus Deutschland (Badstieber, Oerke, Waschke und Amrhein, 2017; N = 508) ergab, dass ca. 50 % der befragten Schulleiterinnen und Schulleiter Inklusion an ihrer Schule für tendenziell umsetzbar halten, wobei Zustimmung überwiegend mit bereits erfolgten Entwicklungsschritten, Ablehnung vor allem mit fehlenden Ressourcen und bestehenden Widersprüchen zu schulsystemischen Strukturen (z. B. der Rolle des Gymnasiums im gegliederten Schulsystem) begründet werden. Ebenso zeigt diese Untersuchung, dass die Schulleiterinnen und Schulleiter eher Schülerinnen und Schüler mit den Förderschwerpunkten Lernen, Sprache und Emotionale und Soziale Entwicklung an ihren Schulen aufnehmen (aber auch diese nicht generell), jedoch eher weniger Schülerinnen und Schüler mit schweren oder mehrfachen Behinderungen. Hieraus leiten die Autoren einen bestehenden Widerspruch zwischen Anspruch und Wirklichkeit in der Ausgestaltung inklusiver Bildung und einen Bedarf an systematischer Forschung zu Handlungsroutinen und Entscheidungsprozessen von Schulleiterinnen und Schulleitern bei der Aufnahme von Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf ab. In Bezug auf Schülerinnen und Schüler mit Lernbeeinträchtigungen zeigt eine Untersuchung von Crockett, Myers, Griffin und Hollandsworth (2006), dass Schulleiterinnen und Schulleiter sehr differenziert von unterschiedlichen Auswirkungen auszugehen scheinen. Diese beschreiben in den durchgeführten Fokusgruppen, dass Schülerinnen und Schüler mit Lernbeeinträchtigungen aus ihrer Sicht im inklusiven Setting unvorhersehbare Lernerfolge haben und dass es Eltern nun leichter falle, Unterstützungsbedarfe ihrer Kinder zu akzeptieren, da die Unterstützung nun nicht mehr mit Stigmatisierung einherginge. Gleichzeitig äußern die Schulleiterinnen und Schulleiter die Sorge, dass bei nicht-adäquatem Unterricht die Bedürfnisse der Schülerinnen und Schüler nicht ausreichend berücksichtigt würden und dass eine

3.2 Systematisches Review vorliegender Primärstudien

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rein ideologische Umsetzung von Inklusion im Sinne von full inclusion zuweilen das Anrecht der Schülerinnen und Schüler mit Beeinträchtigung auf bestmögliche Förderung übersehen könne. Zugleich wird auch die Situation der nicht-beeinträchtigten Schülerinnen und Schüler differenziert thematisiert: Diese scheinen aus Sicht der Schulleitungen durch das sogenannte high-stakes testing einem höheren Leistungsdruck ausgesetzt zu sein und zuweilen in Konfliktsituationen zu geraten, wenn ihre eigenen Eltern Gegner inklusiver Initiativen sind (und beispielsweise einen Klassenwechsel ihres Kindes anstreben). Zugleich sei aber durch inklusive Initiativen auch bei ihnen eine verbesserte Lernleistung zu sehen in dem Sinne, dass auch sie lernen, vom co-teaching zu profitieren und dass sie lernen „to become a peer, not a caretaker“ (Crockett et al., 2006, S. 162). In Interviews mit Schulleitungen konnte Salisbury (2006) zeigen, dass zwar alle befragten Schulleiterinnen und Schulleiter davon sprachen, dass ihre Schule gut inklusiv funktioniere, obwohl sich in der tatsächlichen Umsetzungsqualität von Inklusion Unterschiede zwischen den Schulen zeigten. Dabei beschreibt die Autorin, dass Schulleiterinnen und Schulleiter an stärker inklusiven Schulen Inklusion eher werteorientiert definieren und starke Metaphern nutzen, während an weniger inklusiven Schulen die Schulleiterinnen und Schulleiter Inklusion eher pragmatisch definieren (z. B. „This is their neighborhood. This is their school. Not including them is not an option.“, Salisbury, 2006, S. 76). Dennoch ist allen Definitionen von Inklusion in dieser Untersuchung gemeinsam, dass die Schulleiterinnen und Schulleiter Inklusion als „meeting the individual needs of students with disabilities using a variety of services and supports provided in the general education context“ (Salisbury, 2006, S. 75) sehen. 3.2.3.2 Einstellungen und Selbstwirksamkeitserwartungen Einen im Kontext inklusiver Bildung rege diskutierten Forschungsstrang (siehe zusammenfassend Scheer, Scholz, Rank & Donie, 2015a, 2015b; Scholz & Scheer, 2017) stellen inklusionsbezogene Einstellungen und Selbstwirksamkeitserwartungen (angehender) Lehrkräfte dar. Einstellungen können nach Eagly und Chaiken (1993) definiert werden als „psychological tendency that is expressed by evaluating a particular entity with some degree of favor or disfavor“ (Eagly & Chaiken, 1993, S. 1). Diese Bewertungstendenz wiederum speist sich gemäß dem Modell von Zanna und Rempel (1988) aus drei Komponenten: aus emotionalen Anteilen, kognitiven Anteilen (Überzeugungen,

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3 Forschungsstand zur Rolle von Schulleitung in der inklusiven Schulentwicklung

beliefs) sowie aus früheren oder für sich selbst antizipierten Handlungsweisen. Gemäß der Theorie des geplanten Verhaltens (Ajzen, 1991), die zu den empirisch am besten belegten Theorien zur Beschreibung des Einflusses von Einstellungen auf Verhalten gehört (Haddock & Maio, 2014, S. 225), wird Verhalten direkt von der Verhaltensintention beeinflusst, die wiederum durch Einstellungen einerseits und subjektive Normen (die antizipierte Bewertung des Verhaltens durch andere Personen) andererseits beeinflusst wird. Ferner werden in diesem Modell sowohl die Verhaltensintention als auch das Verhalten selbst durch die wahrgenommene Verhaltenskontrolle beeinflusst. Auch für den Bereich der Umsetzung schulischer Inklusion durch Lehrkräfte liegen für die Gültigkeit des Modells erste Hinweise vor (Kuyini & Desai, 2007; Lübke, Meyer & Christiansen, 2016). Die Verhaltenskontrolle wiederum hängt eng mit dem Konzept der Selbstwirksamkeit zusammen, das definiert werden kann als die Überzeugung einer Person, neue Herausforderungen auf Basis eigener Fähigkeiten erfolgreich bewältigen zu können (Bandura, 1997). Im Zusammenhang mit Lehrkräften im Allgemeinen und Inklusion im Speziellen spielt hier die Lehrerselbstwirksamkeit eine Rolle. Diese kann definiert werden als „belief in his or her capability to organize and execute courses of action required to successfully accomplish a specific teaching task in a particular context“ (Tschannen-Moran, Woolfolk-Hoy & Hoy, 1998, S. 233). Sowohl hinsichtlich inklusionsbezogener Einstellungen bei Lehrkräften (zusammenfassend de Boer, Pijl & Minnaert, 2011) als auch bei angehenden Lehrkräften (zusammenfassend Scheer et al., 2015b; Scholz & Scheer, 2017; Schwab & Seifert, 2014) findet sich eine Vielzahl an Untersuchungen und folglich ein ausdifferenziertes Bild. Dabei zeigt sich in der Regel, dass eine sonderpädagogische Ausbildung sowie Erfahrungen in der Arbeit mit Kindern mit Behinderungen positiv mit Einstellungen zur Inklusion korrelieren und dass die Überzeugungen zur Umsetzbarkeit von Inklusion stark von den angenommenen Behinderungsarten abhängen. Bezüglich der inklusionsbezogenen Einstellungen von Schulleitungen liegen bereits vor dem Recherchezeitraum Untersuchungen vor, insbesondere die Untersuchung von Praisner (2003) ist hier zu nennen. In dieser Untersuchung bestätigt sich auch für Schulleiterinnen und Schulleiter der Befund, dass eine sonderpädagogische Qualifikation sowie Erfahrungen im inklusiven Unterricht mit positiveren Einstellungen zu Inklusion in Beziehung stehen. Ebenso wirkt sich laut Praisner (2003) eine sonderpädagogische Qualifikation der Schulleitung auf pädagogische Plat-

3.2 Systematisches Review vorliegender Primärstudien

91

zierungsentscheidungen für Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf aus. Die Befunde hinsichtlich des Zusammenhangs von Einstellungen zur Inklusion und empfohlenen Platzierungsentscheidungen bestätigt sich auch bezüglich Schülerinnen und Schülern mit Autismus (Horrocks, White & Roberts, 2008). Vor dem Hintergrund der Untersuchung von Yan und Sin (2015), deren Ergebnisse mit überwiegend mittleren bis hohen β-Koeffizienten und einer Varianzaufklärung von 38 % für die Verhaltensintention und 37 % für das Verhalten Belege für die Theorie des geplanten Handelns liefern, erscheint dies plausibel. Grundsätzlich scheinen Schulleiterinnen und Schulleiter über tendenziell positive Einstellungen zur Inklusion zu verfügen (Abegglen, Schwab & Hessels, 2015; Hadjikakou & Mnasonos, 2012; Horrocks et al., 2008; Porakari et al., 2015; Sharma & Chow, 2008; Wood, Evans & Spandagou, 2014; Wood, Spandagou & Evans, 2012)12 . Eine Studie (Porakari et al., 2015) ergänzt diese positive Grundtendenz jedoch um Befunde, die darauf hindeuten, dass die Schulleitungen sich selbst gleichzeitig allerdings als nicht kompetent genug zur Umsetzung von Inklusion sehen. Bei Wood et al. (2012) bzw. Wood et al. (2014), die sich auf den Förderschwerpunkt Emotionale und Soziale Entwicklung beziehen, findet sich die Differenzierung, dass sich die positive Grundhaltung der Schulleitungen auf die antizipierten positiven Auswirkungen für die Schülerinnen und Schüler stützt, während dieselben Schulleitungen zugleich eher negative Auswirkungen für die Lehrkräfte vermuten. Horrocks et al. (2008) sowie Sharma und Chow (2008) stellen fest, dass Schulleiterinnen und Schulleiter mit längerer Berufserfahrung negativer gegenüber Inklusion eingestellt sind als solche mit kürzerer Berufserfahrung. Genau gegenteilig ist diesbezüglich der Befund bei Hadjikakou und Mnasonos (2012). In letzterer Untersuchung werden zudem in zusätzlich erhobenen qualitativen Interviewdaten vor allem Zeitmangel und aktuelle Dienstverpflichtungen als Barrieren für die erfolgreiche Umsetzung von Inklusion genannt. Mit Unterschieden zwischen Lehrkräften und Schulleitungen bezüglich deren Einstellungen zur Inklusion befassen sich die Arbeiten von Abegglen et al. (2015), Boyle, Topping und Jindal-Snape (2013) sowie Urton, Wilbert und Hennemann (2014a). Dabei zeigt sich, dass Schulleiterinnen und Schulleiter tendenziell über positivere Einstellungen zur Inklusion zu verfügen scheinen als Regelschullehrkräfte 12

Zu beachten ist, dass sich die Publikationen von Wood et al. (2012) sowie Wood et al. (2014) auf dieselbe Untersuchung beziehen.

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3 Forschungsstand zur Rolle von Schulleitung in der inklusiven Schulentwicklung

(Abegglen et al., 2015; Boyle et al., 2013; Urton et al., 2014a), zu Förderschullehrkräften konnte hingegen kein signifikanter Unterschied gefunden werden (Abegglen et al., 2015). In Bezug auf Grundschulen konnten Urton et al. (2014a) eine Korrelation zwischen Schulleitungen und ihren Kollegien hinsichtlich der Einstellungen zur Inklusion nachweisen, nicht jedoch hinsichtlich individueller und kollektiver Selbstwirksamkeitserwartungen. In einer Untersuchung, in der neben Grundschulen auch Förderschulen und sonderpädagogische Kompetenzzentren untersucht wurden, konnte hingegen eine solche Korrelation auch bei den Selbstwirksamkeitserwartungen gezeigt werden. Auch bei Hess und Zamir (2016) finden sich Zusammenhänge zwischen den Wahrnehmungen der Schulleitungen und denen der Lehrkräfte. Zwei Untersuchungen setzen Einstellungen zu Inklusion in Beziehung zu Führungsstilen (Hess & Zamir, 2016; Houser, Dickens & Hicks, 2011). In einer Untersuchung von Houser et al. (2011) zeigen sich (in Selbsteinschätzungen) positive Korrelationen zwischen den inklusionsbezogenen Einstellungen der Schulleitungen und transformationaler Führung, jedoch keine Korrelationen zwischen Einstellungen und transaktionaler Führung. Hess und Zamir (2016) weisen hingegen auf Zusammenhänge zwischen Führungsstil der Schulleitung und den Einstellungen der Lehrkräfte zu Inklusion hin: Dabei beschreiben sie den Führungsstil, der am ehesten mit positiven Einstellungen der Lehrkräfte einhergeht als „characterized by attributes that could be considered simultaneously contradictory and complementary. Thus, a principal demonstrating a pattern of centralized management supports teachers’ autonomy, cooperates with the staff, and invests time and effort to adapt curricula to the assist students with special needs. A principal who thus supports the inclusion program and its implementation considers the inclusion program prestigious. In addition, were such a principal to favor a centralized management style yet avoid criticism of the staff and instead find satisfaction in the teachers’ efforts, such a principle would be said to demonstrate ‚formative leadership.‘ (sic!)“ (Hess & Zamir, 2016, S. 148)

3.2.3.3 Aufgaben und Kompetenzen von Schulleitung Crockett et al. (2006) schlussfolgern aus ihren Ergebnissen hinsichtlich der Veränderung der Arbeit von Schulleitungen, dass „the increased inclusion of students with learning disabilities in their schools seems to have intensified but not to have altered the nature of their work“ (Crockett et al., 2006, S. 163). Ein wesentlicher Punkt in

3.2 Systematisches Review vorliegender Primärstudien

93

dieser Studie ist der Druck, der durch das Accountability-System der USA entsteht und der im Kontext von Inklusion intensiver wahrgenommen zu werden scheint. Ferner, und dieser Punkt ist sicherlich auch für das deutsche Schulsystem relevant, ergibt sich für die befragten Schulleitungen aus dem Kontext schulischer Inklusion heraus ein erhöhter Bedarf an administrativer Unterstützung der Lehrkräfte. Diesbezüglich werden insbesondere genannt: • Die Unterstützung bei der Rollenfindung zwischen Regel- und Förderschullehrkräften und der Klärung deren veränderter Zuständigkeiten, wobei ein häufig stattfindender Wechsel von Förderschullehrkräften als schwierig empfunden wird. • Anstrengungen zur Beeinflussung der Einstellungen von Lehrkräften gegenüber sonderpädagogischer Förderung. • Unterstützung der Lehrkräfte mit „training and tools to teach a diversity of learners“ (Crockett et al., 2006, S. 159). Außerdem habe sich der Aufwand zur Administration der sonderpädagogischen Förderung intensiviert, vor allem bezüglich Personalverteilung / -einsatz, Stundenplanung, Zusammenarbeit mit anderen Schulleitungskolleginnen und -kollegen sowie zur Kommunikation mit Eltern. Ebenfalls mit den sich im Kontext von Inklusion ergebenden Aufgaben von Schulleitung befasst sich die Untersuchung von Cruzeiro und Morgan (2006). Die dabei am als häufigsten wahrgenommen eingestuften Aufgaben (es handelt sich um eine invertierte Skala: hohe Zustimmung zur Aussage = niedriger Skalenwert) waren dabei (Cruzeiro & Morgan, 2006, S. 578): • Ich vermittle Vertrauen und Respekt für die Lehrkräfte und alle anderen Mitarbeiter. • Ich ermutige Lehrer zur Beteiligung an Aktivitäten zur Erhöhung der Professionalität. • Ich fördere die Entwicklung eines positiven, verantwortungsvollen Schülerverhaltens. • Ich würdige die Bemühungen der Lehrer und übrigen Mitarbeiter. • Ich ermutige alle, die mit einem Schüler mit Beeinträchtigung arbeiten zur aktiven Beteiligung am Förderplanprozess. Folgende fünf Aufgaben erhielten die geringste Einschätzung (Cruzeiro & Morgan, 2006, S. 576–578):

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3 Forschungsstand zur Rolle von Schulleitung in der inklusiven Schulentwicklung

• Ich helfe, individuelle Lernziele in tägliche Unterrichtsplanungen zu übertragen. • Ich plane und gebe die Ziele, Zielvorgaben, Instruktionen und damit verbundenen Angebote innerhalb eines effektorientierten Prozesses aus. • Ich überprüfe und verändere schulbezogene Beratungsprogramme. • Ich beziehe die Schüler in die Planung von Übergängen ein. • Ich plane und verankere Angebote zur Gestaltung der Übergänge für Schüler. Im Durchschnitt verwendeten die befragten Schulleiter 20 % ihrer Arbeitszeit für Aktivitäten des School Management, 16 % für Personalangelegenheiten, 15 % für Schülerverhalten, 12 % für Schüleraktivitäten und Programmentwicklung, 9 % für Verwaltungsangelegenheiten, 6 % für Planung sowie Professionalisierung und 5 % für Gemeinschaftsaktivitäten (Cruzeiro & Morgan, 2006, S. 575). Eine von Stevenson-Jacobsen, Jacobsen und Hilton (2006) durchgeführte Befragung ergab, dass Schulleitungen mit sonderpädagogischer Qualifikation sich in deutlich höherem Maße für die Organisation der sonderpädagogischen Förderung an ihrer Schule verantwortlich fühlten, durchschnittlich mehr Zeit mit diesem Aufgabenbereich verbrachten und deutlich weniger Schülerinnen und Schüler an andere Förderorte verwiesen als Schulleitungen ohne sonderpädagogische Qualifikation. Zudem konnten acht Kompetenzbereiche ermittelt werden, die aus Sicht der befragten Schulleitungen von Bedeutung sind: „In this study elementary and middle school principals agreed on eight critical competencies that principals need: (a) managing the education of students in the LRE; (b) collaborative teaching strategies; (c) the case study approach; (d) general / special education procedures; (e) parents rights; (f) state / federal requirements: (sic!) (g) state / federal statues: (sic!) and (h) recruitment, selection, orientation, and supervision of staff.“ (Stevenson-Jacobsen et al., 2006, S. 43–44)

Garrison-Wade, Sobel und Fulmer (2007) berichten ferner, dass aktive und angehende Schulleiterinnen und Schulleiter aus ihrer Sicht mehr Ausbildung in den folgenden Bereichen benötigen: • Recht / Gesetz bezüglich sonderpädagogischer Förderung. • Organisation einer Schule mit Blick auf den optimalen Einsatz der Ressourcen sonderpädagogischer und allgemeiner Lehrkräften. • Konkrete Handlungsstrategien und benötigte Ressourcen für verschiedene pädagogische Bedürfnisse / Bedarfe.

3.2 Systematisches Review vorliegender Primärstudien

95

• Umgang mit Disziplinproblemen bei Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf. Ergänzend empfehlen in dieser Untersuchung sonderpädagogische Lehrkräfte als wichtige Kompetenzbereiche für Schulleiterinnen und Schulleiter die Bereiche Wissen über Behinderungen, Fähigkeit zur Anleitung von Lehrkräften hinsichtlich wirksamer Methoden sowie generelle Wertschätzung für die Arbeit der Sonderpädagoginnen und -pädagogen. In einer Teiluntersuchung des Projekts BiLieF wurden Schulleitungen zu ihrem Aufgaben- und Rollenverständnis befragt (Lütje-Klose et al., 2016). Dabei ergab sich in einer kontrastierenden Falluntersuchung zweier Best-Practice-Schulen, dass die dortigen Schulleitungen ihre Aufgabe im Wesentlichen darin sehen, (1) Wertschätzung gegenüber allen Akteuren der Schule zu zeigen, (2) sich für adaptive Förderung einzusetzen, die auch bedeutet, Schülerinnen und Schülern „etwas abzufordern“ (Lütje-Klose et al., 2016, S. 117–118), (3) eine Fürsorgepflicht für Lehrkräfte wahrzunehmen, auch im Sinne von Entlastung und Akquise zusätzlicher Ressourcen, sowie (4) eine Personalentwicklung, die einen Schwerpunkt auf Professionalisierungsmöglichkeiten, eine auf die Entwicklung der Schule abgestimmte Auswahl der Fortbildungen und auch die eigene Teilnahme an Fortbildungen („leading learner“) legt. 3.2.3.4 Rolle der Schulleitung Der Begriff Rolle der Schulleitung kann, wie aus Kapitel 2 der Arbeit hervorgeht, hier als eher offener Sammelbegriff verstanden werden. Im Kontext dieses Literaturreviews werden unter diesem Begriff diejenigen Untersuchungen gefasst, die beschreiben, wie sich Handlungsstrategien und / oder Führungsstile der Schulleitung auf die Umsetzung schulischer Inklusion oder damit in Verbindung stehende Variablen auswirken. Waldron, McLeskey und Redd (2011) untersuchen das Schulleitungshandeln an einer Schule, die dem Kriterium eines Settings entsprach „(...) in which students were included in general education settings at a level well above the state and national average and that evidenced levels of achievement for students with disabilities and others who struggled that were well above the state average.“ (Waldron et al., 2011, S. 52)

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3 Forschungsstand zur Rolle von Schulleitung in der inklusiven Schulentwicklung

Mittels Interviews mit Lehrkräften, Unterrichtsbeobachtungen und Dokumentenanalysen wurde eine qualitative Fallstudie durchgeführt, um „the role of the principal in relation to the educational program“ (Waldron et al., 2011, S. 53) besser zu verstehen. Dabei konnten folgende Grundcharakteristika des Führungshandelns identifiziert werden: 1. Setting the Direction: Die Schulleiterin der untersuchten Schule vertritt eine klare Vision bzw. klare Werte für die Arbeit dieser Schule und verfolgt das Ziel einer „shared vision“ innerhalb des Kollegiums; zugleich zeigt sie sich über dieses „core set of values“ hinaus flexibel und kollaborativ hinsichtlich der Umsetzung und setzt auf „shared decision making“, gleichzeitig aber auch auf Zielstrebigkeit bei der Umsetzung ihrer Vision von Werten (Waldron et al., 2011, S. 53). 2. Redesigning the Organization: Unter diesem Aspekt werden im Wesentlichen „shared decision making“ sowie der Aufbau der Schule als lernende Gemeinschaft beschrieben; dabei wurden Lehrkräfte ermutigt, selber aktiv zu werden, die Schule zu restrukturieren; auch wurde verstärkt auf teacher leadership geachtet (Waldron et al., 2011, S. 54–55). 3. Improving Working Conditions: Die folgenden Aspekte des Schulleitungshandelns wurden als grundlegend für die Verbesserung von Arbeitsbedingungen herausgearbeitet (Waldron et al., 2011, S. 55–56): • Die Schule als professionelle Lerngemeinschaft mit gegenseitigem Vertrauen und einer gemeinsamen Vision gestalten. • Gezielte Personalauswahl, die in das Team der Schule passt. • Effizienter und durchgeplanter Einsatz der zur Verfügung stehenden (personellen, sächlichen, räumlichen, finanziellen) Ressourcen sowie aktiver Einsatz für Ressourcen bei der Schulverwaltung • Würdigung aller Erfolge bei gleichzeitiger gemeinsamer Verantwortungsübernahme bei Misserfolgen. • Abfedern externer Ansprüche an die Lehrkräfte bei gleichzeitiger Sicherstellung der Erfüllung der Accountability-Ansprüche. • Keine Scheu vor schwierigen und problematischen Entscheidungen. 4. Providing High-Quality Instruction in All Settings: Die Schulleiterin legte einen Schwerpunkt ihrer Arbeit darauf, ineffektive Settings (special classes) zu reduzieren und effektive Settings („tiered model of providing highly effec-

3.2 Systematisches Review vorliegender Primärstudien

97

tive instruction to all students“ (Waldron et al., 2011, S. 56)13 ) aufzubauen, effektive Unterrichtsmethoden zu fördern und Möglichkeiten zur professionellen Weiterentwicklung der Lehrkräfte zu bieten (Waldron et al., 2011, S. 56–57). 5. Using Data to Drive Decision Making: Hierunter wird gefasst, dass einerseits pädagogische Entscheidungen und Schulentwicklung, aber auch Gespräche mit Lehrkräften mittels Progressmonitoring der Schülerentwicklung getroffen werden (wobei die eingesetzten Instrumente auf den Unterricht der Lehrkräfte passen müssen) und andererseits die Daten als Möglichkeit genutzt werden, Erfolge auch in kleinen Schritten zu feiern und damit die gemeinsame Vision im Kollegium zu stärken (Waldron et al., 2011, S. 57–58). In der Diskussion zeigen die Autoren auf, dass die Ergebnisse dieser Fallstudie einer effektiven inklusiven Schule starke Ähnlichkeiten zu Befunden der allgemeinen Schulleitungsforschung im Kontext von School Improvement aufweist und ziehen Parallelen zu den im vorigen Kapitel (siehe Abschnitt 2.2.5) ausgeführten Thesen von Leithwood et al. (2008). Gleichzeitig zeigt diese Untersuchung aber auch, dass die genannten Aufgaben- und Themenbereiche unter je mehreren Perspektiven bearbeitet werden, was sich ebenfalls mithilfe des Reframing im Vier-RahmenModell von Führung (Bolman & Deal, 2013) beschreiben ließe. Eine weitere Fallstudie untersucht das Schulleitungshandeln an einer Schule, die nach deutschem Sprachgebrauch vermutlich als Brennpunktschule bezeichnet werden könnte, ca. 18 % Schülerinnen und Schüler mit Beeinträchtigung hat und als sehr erfolgreich in Bezug auf deren Integration in den regulären Unterricht eingestuft wurde (auf Basis verschiedener Datenquellen) (Hoppey & McLeskey, 2013, S. 246–247). Aus der Untersuchung ergaben sich drei wichtige Handlungsbereiche des Schulleiters: 1. Sorge für und persönliche Investition in die Lehrer (Vertrauen in die Lehrkräfte zeigen; auf Ideen, Probleme und Bedenken des Kollegiums hören; Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fair behandeln) (Hoppey & McLeskey, 2013, S. 248–250) 2. Externen Druck von Lehrern und anderen Mitarbeitern abfedern (Daten / Testergebnisse zur Definition von Zielen und Standards positiv nutzen; Part13

Hier dürfte mit dem gestuften System Response To Intervention (beispielsweise C. Huber & Grosche, 2012) gemeint sein.

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3 Forschungsstand zur Rolle von Schulleitung in der inklusiven Schulentwicklung

nerschaften mit Akteuren des sozialen Umfelds der Schule bilden) (Hoppey & McLeskey, 2013, S. 250–252) 3. Lehrerentwicklung promoten / voranbringen (Hochwertige professionelle Weiterentwicklung ermöglichen; Möglichkeiten für „teacher leadership“ schaffen) (Hoppey & McLeskey, 2013, S. 252–253) Zusammenfassend resümieren die Autoren, „(...) that the central metaphor that guides Tom Smith’s leadership is ‚lubricating the human machinery‘ to improve the lives of teachers and students so that they can do their best work.“ (Hoppey & McLeskey, 2013, S. 253)

Auch in dieser Metapher drückt sich aus, dass sowohl Aspekte des Structural Frame („machinery“, „lubricating“) als auch des Human-Resource Frame („human machinery“, „improve the lives of teachers and students“) enthalten sind und dass die Wahl der Metapher für das Vertreten, Kommunizieren, Deuten und Vorleben von Werten ebenfalls für einen bewussten symbolischen Anteil von Führung spricht, hier also Reframing bzw. Multiframing im Sinne von Bolman und Deal (2013) zum Ausdruck kommt. Diese sehr ausführlichen Fallstudien erhalten im Kontext dieses Reviews eine besondere Stellung, da sie letztlich eine Zusammenfassung dessen widerspiegeln, was auch die anderen vorliegenden Untersuchungen zeigen, wie nachfolgend deutlich wird. In einer Serie von Fallstudien arbeiten Angelides, Antoniou und Charalambous (2010) und Angelides (2012) heraus, dass Transformational Leadership und Distributed Leadership eine Bedeutung für inklusive Praktiken an den jeweiligen Schulen zu haben scheinen, dass zugleich aber auch Unterstützung, Partizipation und Empowerment von Lehrkräften, Eltern, Schülerinnen und Schülern sowie die Berücksichtigung des jeweiligen Schulkontexts und seiner Bedingungen wichtig zu sein scheinen. Damit stützen diese Befunde nicht nur die zu Beginn des Kapitels vorgestellten Aussagen zur Rolle der Schulleitung an inklusiven Schulen, sondern zeigen zugleich, dass sich hier allgemeine Prinzipien guter Schulleitung widerspiegeln. Gerade eine zentrale Aussage zeigt in diesen beiden Untersuchungen die Bedeutung des Reframing und der Berücksichtigung aller Aspekte von Struktur, Humanressourcen, Politik und Kultur aus: „The above data show that leaders who appeared to have inclusive practices were those who did not have fixed leadership strategies, but leadership strategies

3.2 Systematisches Review vorliegender Primärstudien

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that changed and were adjusted to the prevailing circumstances in their schools. Those leaders also had the ability to understand the local context and shaped their strategies accordingly.“ (Angelides, 2012, S. 29)

Zugleich leiten Crockett et al. (2006) aus ihrer Untersuchung dennoch die Notwendigkeit für eine Form von Führung heraus, „(...) that provide leadership that provides students with learning disabilities not simply inclusion in general education classes, but with a truly special education“ (Crockett et al., 2006, S. 164) und formulieren in Anlehnung an Weick (1996) fünf Prinzipien der Schulleitung im Kontext inklusiver Förderung von Schülerinnen und Schülern mit Lernbeeinträchtigungen (Crockett et al., 2006, S. 164): • Do not underestimate complexities in educating students with learning disabilities. • Be vigilant in recognizing threats to the quality of instruction. • Rely on established routines and effective instructional practices. • Manage on-going issues related to disability and difference. • Utilize a system of safeguards and alerts. Während die ersten vier Prinzipien ohne weiteren Hintergrund verständlich sein dürften, sei zum fünften angemerkt, dass hiermit gemeint ist, ein System zu entwickeln, um nicht von unerwarteten Ereignissen überwältigt zu werden (im Original: „beeing overcome“, Crockett et al., 2006, S. 165). In einer Untersuchung mit kanadischen Schulleiterinnen und Schulleitern aus dem ländlichen Raum arbeiten Irvine et al. (2010) heraus, dass auch in dem von ihnen untersuchten Kontext die bisherigen Befunde der Schulwirksamkeits- und Schulentwicklungsforschung gestützt werden und dass die Rolle der Schulleitung im Wesentlichen als „supportive, motivating leadership while upholding inclusive principles“ (Irvine et al., 2010, S. 84) sowie als „leader and mentor for the rest of the ‚key‘ players in the students‘ education“ (Irvine et al., 2010, S. 84) zu sehen sei. Auch eine Fallstudie von Leo und Barton (2006) kommt zu ähnlichen wie den bisher vorgestellten Ergebnissen, wenn von einem vom moralischen Prinzip sozialer Inklusion getragenen Führungsstil berichtet wird, der darauf zielt, eine breite Anhängerschaft für die Idee der Inklusion zu gewinnen sowie auf einen adaptiven Organisationsaufbau.

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3 Forschungsstand zur Rolle von Schulleitung in der inklusiven Schulentwicklung

Auch die Ergebnisse von Lindqvist und Nilholm (2014) zeigen als erfolgreiches Schulleitungshandeln für inklusive und zugleich effektive Schulen auf, dass die Schulleitung regelmäßig eine datengestützte / dokumentationsbasierte Rückmeldung über die pädagogische Arbeit und deren Erfolg einholt, organisationale Bedingungen für hochwertige sonderpädagogische Unterstützung schafft, die Lehrkräfte in ihrer Arbeit und Weiterentwicklung stützt und ihre Führung als aktives Vorantreiben einer Vision von Inklusion sieht. Einen expliziten Bezug zwischen Distributed Leadership und schulischer Inklusion stellen die befragten Lehrkräfte und Schulleitungen in der Untersuchung von Miškolci, Armstrong und Spandagou (2016) her. Dabei wird nicht nur deutlich, dass Distributed Leadership an den untersuchten Schulen die Schulentwicklung in Richtung Inklusion zu unterstützen scheint, sondern auch, dass beide Konzepte von den Beteiligten als „overlapping in their ‚value‘ basis“ (Miškolci et al., 2016, S. 59) beschrieben werden. In einer Reihe von Fallstudien untersuchen Muijs et al. (2010) Schulleitungshandeln an verschiedenen Schulen, die die Ziele von Inklusion je verschieden interpretieren (achievement; reducing barriers; enrichment). In allen Typen von Schulen zeigt sich, dass eine starke, inspirierende und visionäre Führung den Erfolg auszuzeichnen scheint. Zugleich zeigt sich im begrenzten Rahmen der Fallstudienmethodologie aber auch, dass an Schulen, deren Schwerpunkt eher auf enrichment und reducing barriers liegt, im Gegensatz zu den auf achievement ausgerichteten Schulen eher Formen der Distributed Leadership zum Tragen kommen, nachdem über eine sehr enge Führung ein Grundstein für die Entwicklung gelegt wurde. Bei allen Schultypen zeigt sich in dieser Untersuchung auch die Bedeutung der Mitarbeitermotivation in der Führung und, was vor dem Hintergrund der bisher dargestellten Befunde der allgemeinen Schulleitungsforschung und der Befunde zu Schulleitung und Inklusion sowie dem Hintergrund des organisationstheoretischen Ansatzes von Bolman und Deal (2013) besonders hervorzuheben ist, der Passung von Führungsstil zur Schule, ihrem Kontext und ihrer Geschichte. Mit der Frage, welche Strategien der Schulleitung bei der Entwicklung einer Shared Vision von Inklusion und einem schulweiten Entwicklungsansatz zur Verfügung stehen, befassen sich Poon-McBrayer und Wong (2013). Dabei zeigt sich, dass die befragten Schulleitungen, konsistent zu anderen Befunden, auf klare Kommunikation, Partnerschaft und Empowerment der Lehrkräfte zu setzen scheinen.

3.2 Systematisches Review vorliegender Primärstudien

101

Salisbury (2006) kommt in einer Untersuchung zu dem Ergebnis, dass „Schools with stronger administrative support and commitment reported serving more students with disabilities, including those with signiftcant support needs, in general education for a greater percentage of time“ (Salisbury, 2006, S. 70). Zudem konnten in Schulen, in denen inklusionsorientierte Entwicklungen sichtbar waren, mehr „collaborative governance structures, (...) efforts to promote the engagement and support of parents, the core values that characterized the cultural context of these schools“ (Salisbury, 2006, S. 81) festgestellt werden. Anhand dreier Fallstudien zeigen Schmidt und Venet (2012) mögliche Auswirkungen von Sichtweisen und Führungsstilen der Schulleitung auf die Umsetzung schulischer Inklusion auf. Die drei Konzeptionen, die die befragten Schulleiterinnen und Schulleiter von Inklusion aufweisen, werden mit Inklusion, Integration und sozialer Integration benannt, es zeigen sich ferner die postulierten Unterschiede in der Umsetzung. Der Schulleiter, dessen Sichtweise als Inklusion bezeichnet wird, beschreibt seine Rolle als eine, in der Einflussnahme auf die Schulkultur ebenso eine Rolle spielt wie strukturelle und organisationale Theorien, und die gleichzeitig auf Unterstützung und Partizipation der Lehrkräfte und Eltern setzt. Nicht ganz deutlich wird hier, inwieweit Einflussnahme auf die Schulkultur dabei als transformationales bzw. symbolisches Element oder als politisch orientiert gesehen wird. Die beiden anderen Schulleiterinnen / Schulleiter (Sichtweise auf Inklusion als Integration bzw. soziale Integration) zeigen im Gegensatz zu ersterem Schulleiter eher einen rein administrativen und einen transaktionalen Führungsstil auf. Weisel und Dror (2006) weisen einen hohen Zusammenhang starker unterstützender Schulleitung mit wahrgenommener Kooperation und Handlungsautonomie der Lehrkräfte ebenso nach wie mit Selbstwirksamkeitserwartungen und Einstellungen zur Inklusion der Lehrkräfte. In einer Interviewstudie mit Schulleitungen arbeiten Zaretsky, Moreau und Faircloth (2008) heraus, dass die befragten Schulleitungen einen Schwerpunkt ihrer Führung im Aufbau positiver Beziehungen innerhalb des Kollegiums und der Teams sehen und vor allem Distributed Leadership als erfolgreich ansehen. Vor allem aber wird in der Untersuchung deutlich, dass die Umsetzung schulischer Inklusion insbesondere Fortbildungen zu Leadership zu erfordern scheinen, und zwar noch dringender als inhaltlich inklusionsspezifische Fortbildungsinhalte (Zaretsky et al., 2008, S. 174).

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3 Forschungsstand zur Rolle von Schulleitung in der inklusiven Schulentwicklung

In einer Analyse zweier Schulleiterinterviews mittels dokumentarischer Methode arbeitet Köpfer (2015) heraus, dass die Selbstbeschreibung der Handlungspraxis als Schulleitung in beiden Fällen eine hohe Deckungsgleichheit mit der Sichtweise der Schulleiterinnen / Schulleiter auf Inklusion aufweist. Er bezieht sich dabei auf die Unterscheidung von Inklusion als technical problem oder als cultural politics (Slee & Weiner, 2001) einerseits und von Schulleitungshandeln als passiv verwaltend oder aktiv gestaltend (Warwas, 2012) andererseits. Köpfer (2015) kommt zu dem Schluss, dass der Schulleiter, der sich selbst als eher passiv verwaltend darstellt, Inklusion dementsprechend auch eher als technisch zu lösende Herausforderung angeht, während der eher aktiv gestaltende Schulleiter Inklusion eher mit kulturellem Wandel assoziiert. In einer Teiluntersuchung des Projekts BiLief zeigt sich, dass die gezeigte Unterstützung von Kooperationsprozessen durch die Schulleitung eine hohe Kooperationsintensität befördert, die als proximaler Wirkfaktor für schulische Inklusion bezeichnet wird (Lütje-Klose et al., 2016). 3.3 Diskussion des Forschungsstands Betrachtet man die vorgestellten Forschungsbefunde zusammengefasst mittels des Modells von Bolman und Deal (2013), so ergibt sich das in den folgenden Abschnitten skizzierte Bild zu den einzelnen Teilaspekten. 3.3.1 Sichtweisen, Einstellungen und Aufgaben von Schulleitung Bei der Frage, wie Schulleitungen Inklusion sehen und die Umsetzbarkeit beurteilen, wird sichtbar, dass zwar teilweise auf einer symbolischen Ebene argumentiert wird, beispielsweise in der Unterscheidung zwischen „being inclusive“ oder „include them“ (Graham & Spandagou, 2011), und zwar vor allem von Schulleiterinnen und Schulleitern, deren Schulen als „inklusiver“ eingestuft wurden (Salisbury, 2006): Hier finden sich auch eher wertorientierte Argumentationen und Metaphern, während in derselben Untersuchung Schulleiterinnen und Schulleiter weniger inklusiver Schulen eher pragmatische Sichtweisen einnehmen und sich mit der effizienten Umsetzung von Inklusion befassen. Insgesamt scheinen die Sichtweisen der Schulleiterinnen und Schulleiter stark auf einer strukturellen Ebene verankert. So werden für skeptische Sichtweisen meist organisatorische und finanzielle Aspekte genannt (Badstieber et al., 2017; Graham & Spandagou, 2011; Hadjikakou & Mnasonos,

3.3 Diskussion des Forschungsstands

103

2012), aber auch Unmut über Verantwortungsdiffusion bzw. politisch ungeschickte Implementationsstrategien (Conrad & Brown, 2011). Die Untersuchungen zu inklusionsbezogenen Einstellungen heben im Gegensatz dazu jedoch gerade die Bedeutung des symbolischen Rahmens hervor (Hess & Zamir, 2016; Horrocks et al., 2008; Houser et al., 2011; Urton et al., 2014a, 2014b; Yan & Sin, 2015). In diesem Komplex zeigt jedoch die Untersuchung von Hess und Zamir (2016) besonders deutlich, dass sich ein Führungsstil, der Structural Frame (durch zentralisiertes Management), Human-Resource Frame (Unterstützung der Handlungsautonomie von Lehrkräften) und Symbolic Frame (Inklusion im Schulprogramm prominent vertreten) miteinander integriert, positiv mit den inklusionsbezogenen Einstellungen von Lehrkräften zu korrelieren scheint. Im Kontrast zu der Feststellung, dass dem Symbolic Frame, aber insbesondere der Kombination mehrerer Rahmen eine besondere Bedeutung zuzukommen scheint, finden sich in Untersuchungen zu veränderten Aufgaben von Schulleitungen im Kontext von Inklusion nur vereinzelt Aspekte aus diesem Rahmen (Crockett et al., 2006; Lütje-Klose et al., 2016), aber vor allem Aspekte aus dem Bereich des Structural Frame (Crockett et al., 2006; Cruzeiro & Morgan, 2006; Garrison-Wade et al., 2007; Stevenson-Jacobsen et al., 2006) und des Human-Resource Frame (Crockett et al., 2006; Cruzeiro & Morgan, 2006; Lütje-Klose et al., 2016). Insgesamt lässt sich das Aufgabenfeld der Schulleitung im Kontext Inklusion aus diesen Befunden heraus vorläufig wie folgt umreißen: Schulleiterinnen und Schulleiter sind für die Administration und das Management der im Kontext von Inklusion zusätzlich anfallenden Verwaltungsaufgaben und für die korrekte Umsetzung rechtlicher Vorgaben zuständig (Structural Frame). Sie setzen die Standards für adäquate Förderung sowie zielführenden Ressourceneinsatz im Unterricht ein (Structural Frame). Zudem unterstützen sie die Lehrkräfte – auch bei der Rollenfindung hinsichtlich der Kooperation von Regel- und Sonderpädagoginnen / -pädagogen – fördern die persönliche und professionelle Weiterentwicklung / Fortbildung, wirken motivierend auf Lehrkräfte ein und nehmen ihre Fürsorgepflicht gegenüber den Lehrkräften (Human-Resource Frame) wahr. Ferner nehmen Sie gezielt Einfluss auf die Einstellungen von Lehrkräften, leben Wertschätzung gegenüber allen Mitgliedern der Schulgemeinschaft vor und fungieren als leading learner (Symbolic Frame).

104

3 Forschungsstand zur Rolle von Schulleitung in der inklusiven Schulentwicklung

3.3.2 „Gute“ Schulleitung für schulische Inklusion? Die unter Abschnitt 3.2.3.4 aufgeführten Befunde zeigen, dass es deutliche Hinweise auf erfolgreiche Leadership-Strategien im Kontext von Inklusion gibt. Diese lassen sich gut anhand des Modells von Bolman und Deal (2013) analysieren. Eine vollständige Synopse dieser Analyse findet sich in Anhang 9.4 (S. 389). Die vorgestellten Befunde sind insgesamt konsistent zu den eingangs dargestellten Reviews, die im Kern aussagen, dass es einer starken, unterstützenden Schulleitung bedarf, die selbst die Vision von Inklusion vorlebt (Ainscow et al., 2013; Billingsley & McLeskey, 2014; Kugelmass, 2001; Leo & Barton, 2006; Lindsay, 2007; Lipsky & Gartner, 1998; Loreman, 2007; McLeskey & Waldron, 2015). Eine Beziehung zum Modell von Bolman und Deal (2013) wird schon dadurch sichtbar, dass bereits diese Aufzählung starke Führung mit klaren Strukturen (Structural Frame), die Unterstützung der Lehrkräfte und damit das Eingehen auf Entwicklungsbedürfnisse (Human-Resource Frame) sowie das Thematisieren von Visionen und Kulturen bzw. das Annehmen der eigenen Vorbildfunktion (Symbolic Frame) beinhaltet. Auch die hier analysierten Originalarbeiten beinhalten zumeist – vor allem, wenn erfolgreiche Schulleiterinnen und Schulleiter analysiert werden – Aspekte mehrerer Frames (hier als Multiframing bezeichnet) bzw. des mehrperspektivischen Blicks durch mehrere Rahmen (Reframing), wie aus Tabelle 3.2 hervorgeht. Am stärksten scheinen sich Schulleiterinnen und Schulleiter, die Inklusion erfolgreich implementieren, auf Human-Resource-Strategien (13 Untersuchungen) sowie auf symbolische Aspekte der Führung (12 Untersuchungen) zu konzentrieren. In elf Untersuchungen werden Aspekte der Führung mittels des Structural Frame beschrieben. Der Political Frame lässt sich hingegen seltener (5 Untersuchungen) feststellen. In der Mehrheit der analysierten Untersuchungen (n = 9 / 56,3 %) lassen sich zumindest Ansätze von Reframing finden bzw. Strategien aus mehreren Frames identifizieren (hier als Multiframing bezeichnet, da sich aus den Primärquellen nicht immer direkt ablesen lässt, ob tatsächlich einzelne Situationen / Themen aus mehreren Perspektiven gleichzeitig betrachtet werden). Geht man bei der Beurteilung des Multiframing nur nach der reinen Anzahl der insgesamt identifizierten Frames, sind es sogar 10 Untersuchungen (62,5 %), in denen mindestens drei der vier Frames enthalten sind. Die Feinanalyse legt nahe, dass gerade in Fallstudien, die explizit erfolgreiche Schulleitungen in den Blick nehmen, alle Rahmen oder zumindest Structural, HumanResource und Symbolic Frame ebenso festzustellen sind wie Ansätze von Reframing.

3.3 Diskussion des Forschungsstands

105

Tab. 3.2: Tabellarische Zusammenfassung der Zuordnung der Untersuchungsbefunde aus Abschnitt 3.2.3.4 zu den Frames des Modells von Bolman und Deal (2013) (1 = Structural Frame; 2 = Human-Resource Frame; 3 = Political Frame; 4 = Symbolic Frame) Studie

Frame

Multiframing / Reframing

(1)

(2)

(3)

(4)

Waldron, McLeskey und Redd, 2011 Hoppey und McLeskey, 2013 Angelides, 2012; Angelides, Antoniou und Charalambous, 2010 Crockett, Myers, Griffin und Hollandsworth, 2006 Irvine, Lupart, Loreman und McGhie-Richmond, 2010 Leo und Barton, 2006 Lindqvist und Nilholm, 2014 Miškolci, Armstrong und Spandagou, 2016 Muijs et al., 2010 Poon-McBrayer und Wong, 2013 Salisbury, 2006 Schmidt und Venet, 2012 Weisel und Dror, 2006 Zaretsky, Moreau und Faircloth, 2008 Köpfer, 2015 Lütje-Klose, Serke, Hunger und Wild, 2016

 

  

 

  

  









 



    

   

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106

3 Forschungsstand zur Rolle von Schulleitung in der inklusiven Schulentwicklung

Der Unterschied zwischen Leadership-Strategien an erfolgreichen und weniger erfolgreichen inklusiven Schulen scheint insbesondere in der Berücksichtigung des Human-Resource und des Symbolic Frame zu liegen. Dabei scheinen neben der Förderung von Weiterentwicklung / Fortbildung sowie Kooperationsprozessen vor allem das Empowerment zu echter Teacher Leadership und Partizipation (Distributed Leadership), das Vorleben von Visionen als Vorbild, das Anstreben einer Shared Vision und die Inspiration zu kulturellem Wandel (Transformational Leadership) wichtig. Gleichzeitig wird aber in Untersuchungen, die den Einstieg in inklusive Entwicklungsprozesse untersuchen, eine Notwendigkeit starker Strukturen und enger Führung (Structural Frame) sowie die Gewinnung von Gefolgschaft bzw. Aktivierung von Key-Playern (Political Frame) deutlich. Als Schlussfolgerung hieraus ergibt sich logisch: Inklusion als Veränderungsprozess stellt die Schule vor die Herausforderung der Restrukturierung von Zielen, Aufgaben und Abläufen. Es bedarf der Implementierung einer Organisationsstruktur, die traditionell das Funktionieren der Schule sicherstellt und zugleich den Anforderungen der aus der Umsetzung inklusiver Schulentwicklungsprozesse erwachsenden neuen Aufgaben gerecht wird. Schulleitung muss also den Structural Frame im Blick behalten. Gleichzeitig erweitert schulische Inklusion als Programm das Spektrum der benötigten und zu verknüpfenden Kompetenzen. Schulleitung muss also sowohl die professionelle Weiterentwicklung der einzelnen Kolleginnen und Kollegen als auch die kompetenz- und bedürfnisgerechte Verteilung der Aufgaben und den Aufbau funktionierender Teamstrukturen im Blick behalten. Der Human-Resource Frame stellt die in diesem Zusammenhang hilfreiche Perspektive dar. Die Dortmunder Schulleitungsstudie konnte zeigen, dass Structural Frame und Human-Resource Frame die von Schulleiterinnen und Schulleitern hauptsächlich beachteten Rahmen sind (Bonsen et al., 2002, S. 123). Es sei aber, so die Autoren, zu fragen, ob nicht – gerade im Zusammenhang mit Schulentwicklung – eine stärkere Berücksichtigung von Political Frame und Symbolic Frame hilfreich seien. Diese im Rahmen jedes Veränderungsprozesses bedeutsame Frage wird im Kontext von Inklusion geradezu existenziell bedeutsam für das Gelingen: Der Umstand, dass schulische Inklusion als Auftrag von außen an die Schule übertragen wird, zugleich aber gesellschaftlich teilweise sehr emotional und kontrovers diskutiert wird (Grosche, 2015), führt dazu, dass sich eben auch in einem Kollegium unterschiedliche Sichtweisen und Interessen finden. Ferner treffen unterschiedliche Professionen

3.3 Diskussion des Forschungsstands

107

und Lehrämter aufeinander, damit also unterschiedliche inhaltliche Perspektiven, unterschiedliche Rollenselbstverständnisse und – nicht zuletzt – unterschiedliche Gehaltsgruppen. Dies alles birgt einerseits, bei erfolgreicher Aushandlung und der Findung eines gemeinsamen Vorgehens, eine große Chance für inklusive Schulentwicklung, andererseits auch erhebliches Konfliktpotenzial. Die Schulleitung muss also vor diesem Hintergrund zwingend den Aspekt des Political Frame intensiv berücksichtigen – ohne ihn allein übermäßig in den Vordergrund zu rücken. Weiterhin zeigen viele Untersuchungen und auch Alltagsgespräche, dass die Art, wie Inklusion in den Fokus der Schulentwicklung gerückt ist oder wurde, bei vielen Lehrkräften Gefühle der Unsicherheit, Irritation und Überforderung auslöst. Zudem ist Inklusion in sich schon mehrdeutig und beinhaltet als Begriff oder Paradigma keine feste definitorische Vorgabe oder gar Umsetzungsanweisung. Insofern wird in diesem Zusammenhang eine Führung benötigt, die gemeinsame Interpretationen und Sichtweisen fördert, die auf Sinnstiftung und Visionen abzielt und auch in der Lage ist, Symbole zu erschaffen und zu nutzen, also den Symbolic Frame im Blick hat. Somit erscheint der Ansatz von Bolman und Deal (2013) vorläufig als hilfreich bei der Beschreibung und Analyse von Schulleitungshandeln im Kontext von Inklusion, aber auch als sinnvolle theoretische Rahmung bei der Qualifizierung von Schulleitungen für die damit verbundenen Aufgaben und Herausforderungen. Vor allem aber lassen die Befunde das Zwischenfazit zu, dass gute Schulleitung für inklusive Schulentwicklung zunächst gute Schulleitung im Allgemeinen ist. Inwieweit sich diese Aufgaben und Herausforderungen tatsächlich als eine Erweiterung, Komplexitätserhöhung oder gar grundlegende Änderung des Berufsbilds zeigen oder schlichtweg die Notwendigkeit guter Schulleitung deutlicher werden lassen als bisher, muss gerade für den deutschsprachigen Raum noch auf empirischem Wege herausgearbeitet werden. Einschränkend muss für das Fazit bezüglich des Ansatzes von Bolman und Deal (2013) noch angeführt werden, dass die analysierten Primärquellen sich nicht auf dieses Modell beziehen, es sich somit um eine sekundäre Interpretation der Befunde handelt. Eine tatsächliche Analyse der Bedeutung der einzelnen Frames und des Reframing bedarf eigenständiger empirischer Analysen mithilfe des Modells. Der empirische Teil der vorliegenden Arbeit soll hierzu einen Beitrag leisten.

4 Schulische Inklusion in Rheinland-Pfalz14 Nachdem die ersten drei Kapitel der Arbeit theoretische Grundlagen für die Analyse der Rolle von Schulleitung im Kontext schulischer Inklusion herausgearbeitet haben, soll nachfolgend aufgezeigt werden, wie schulische Inklusion in RheinlandPfalz verstanden, konzipiert und implementiert wird und welche Implikationen sich hieraus für die Rolle der Schulleiterinnen und Schulleiter an Schwerpunktschulen ergeben. 4.1 Den aktuellen Entwicklungen zugrunde liegendes Verständnis von Inklusion und seine Bedeutung für Schulleitung In Kapitel 1 wurde aufgezeigt, dass es verschiedene Auffassungen davon gibt, was Inklusion sei, und welche Bedeutsamkeit dies für inklusive Schulentwicklung hat. Insbesondere unter dem Aspekt der Rekontextualisierung auf unterschiedlichen Systemebenen ist es bedeutsam, herauszuarbeiten, welche Auffassung den jeweiligen Entwicklungen, Vorgaben und Umsetzungen zugrunde liegt. Bei einer ersten Unterscheidung, nämlich ob es sich bei dem in der rheinland-pfälzischen Bildungspolitik vertretenen Inklusionsbegriff um ein weites oder enges Verständnis (Lindmeier & Lütje-Klose, 2015) handelt, kann zunächst grundlegend das Schulgesetz herangezogen werden. Als Auftrag der Schule wird unter anderem definiert: „Sie leistet einen Beitrag zur Integration von Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund. Im Bewusstsein der Belange der Schülerinnen und Schüler sowie der Lehrkräfte und Eltern mit Behinderungen wirken alle Schulen bei der Entwicklung eines inklusiven Schulsystems mit.“ (§ 1 Abs. 2 Sätze 3 und 4 SchulG RLP15 )

Hier offenbart sich ein enges, ausschließlich auf Behinderung fokussiertes Begriffsverständnis seitens des rheinland-pfälzischen Gesetzgebers, der dieses Verständnis noch einmal durch die explizite Zweiteilung, dass sich Inklusion auf Behinderung und Integration auf Migrationshintergrund beziehe, direkt für die Schulpolitik verbindlich festlegt. Auch die Landesregierung folgt diesem Verständnis, wenn die Ministerpräsidentin im Geleitwort zum Landesaktionsplan zur Umsetzung der UNBehindertenrechtskonvention schreibt: 14 15

Teile dieses Kapitels wurden bereits vorab veröffentlicht (Scheer et al., 2016, 2017). Schulgesetz (SchulG) vom 30. März 2004, zuletzt geändert durch Gesetz vom 16. Februar 2016 (GVBl. S. 37)

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 D. Scheer, Schulleitung und Inklusion, https://doi.org/10.1007/978-3-658-27401-6_4

110

4 Schulische Inklusion in Rheinland-Pfalz

„(...) denn das Ziel der Inklusion – also der Einbeziehung von behinderten Menschen in sämtliche Bereiche des gesellschaftlichen Lebens – können wir nur gemeinsam erreichen.“ (Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie [MASGFF], 2010, S. 2)

Dieses Verständnis von Inklusion findet sich auch im Ministerratsbeschluss zur Weiterentwicklung von Inklusion im Bildungsbereich (MBWWK, 2013). Damit wird die Idee von Inklusion in der rheinland-pfälzischen Gesetzgebung und in der Umsetzung auf Ebene der Landesregierung vor allem vor dem Hintergrund der UNBehindertenrechtskonvention definiert. Das heißt nicht, dass die UN-Behindertenrechtskonvention ein enges Verständnis von Inklusion beinhaltet, beschreibt oder einfordert. Vielmehr zeigt dies, dass der Begriff Inklusion durch die Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention in die Landespolitik einfloss und somit stets mit dieser assoziiert wird. Andere Dokumente, beispielsweise die UNESCO-Leitlinien (Deutsche UNESCO-Kommission, 2014) finden in der Folge keine direkte Entsprechung in der Landesgesetzgebung. Gleichzeitig findet sich auf dem Bildungsserver eine Beschreibung des inklusiven Unterrichts, die näher an ein weites Inklusionsverständnis im Sinne der UNESCOLeitlinien herankommt: „Im inklusiven Unterricht bringen alle Schülerinnen und Schüler ihre individuellen Fähigkeiten und Stärken ein, alle werden optimal gefordert und gefördert. Der Unterrichtsstoff und die Lernanforderungen werden auf die Fähigkeiten der Schülerinnen und Schüler abgestimmt. Schulen, die inklusiven Unterricht anbieten, erarbeiten ein Konzept, wie sie das gemeinsame Lernen von Schülerinnen und Schülern mit und ohne Behinderung organisieren. Die Schülerinnen und Schüler mit ihren unterschiedlichen Interessen und Stärken stehen dabei im Vordergrund. Inklusive Pädagogik berücksichtigt die Vielfalt von verschiedenen Lernvoraussetzungen als gewinnbringende Chance für alle Beteiligten.“ (MBWWK, 2014)

Da der Bildungsserver als Service-Angebot inhaltlich durch das Pädagogische Landesinstitut (PL)16 betreut wird, kann diese Weiterfassung des Begriffs daraus resultieren, dass im Pädagogischen Landesinstitut, im Gegensatz zum Landtag als Gesetzgeber, weniger Rechtsdokumente wie die UN-Behindertenrechtskonvention, sondern eher der sich im pädagogischen Diskurs abspielende Prozess der 16

Das Pädagogische Landesinstitut ist die zentrale pädagogische Service-Agentur des Landes Rheinland-Pfalz und ist neben dem Fortbildungsangebot für Lehrkräfte sowie das (Fach-)Beratungssystem für Schulen auch für den schulpsychologischen Dienst sowie das Landesmedienzentrum zuständig.

4.1 Den aktuellen Entwicklungen zugrunde liegendes Verständnis von Inklusion

111

Begriffsentwicklungen prägend sein könnte (von der Salamanca-Erklärung über die UNESCO-Leitlinien hin zu den aktuellen innerfachlichen Diskussionen). Anzumerken ist aber, dass die Sichtweisen auf der Ebene des Pädagogischen Landesinstituts für sich genommen auch wieder personenabhängig sind, was eine Folge stark divergierender Positionierungen innerhalb der Erziehungswissenschaft ist. So zeigen sich in Experteninterviews mit Fachberaterinnen und -beratern für Inklusion / Integration des Pädagogischen Landesinstituts personenbezogen starke Unterschiede, die von einem engen bis zu einem weiten Inklusionsverständnis reichen, wie an zwei Beispielen illustriert werden kann. In einem ersten Beispiel zeigt sich ein weites Begriffsverständnis, in dem die / der Interviewpartner / in äußert, dass es nicht um die Frage nach Beeinträchtigung oder Nicht-Beeinträchtigung gehe, sondern um eine Vision von Vielfalt und die Interdependenz von Individualität und Gemeinsamkeit: „Ich tue mir (sic!) mit dem Begriff schwer, wenn ich von einer Schule spreche, die Gemeinsamen Unterricht macht. Da sehe ich letztendlich die Vielfalt der Schüler und Schülerinnen, und ich sehe es nicht begrenzt allein auf beeinträchtigte Schüler (...) oder es ist schon eine Vision von Schwerpunktschule, dass es letztendlich eine Schule ist, die die Schüler, die in der Schule sind, individuell fördern im Gemeinsamen Unterricht, also wo das Individuelle und Gemeinsame einen Platz hat (...).“ (Zitat aus Interview mit Fachberatung Inklusion / Integration; Quelle: Laubenstein, Lindmeier, Guthöhrlein & Scheer, 2015, S. 72)

Ein auf Dekategorisierung und Entstigmatisierung, aber trotzdem auf die derzeitig als beeinträchtigt kategorisierten Schülerinnen und Schüler bezogenes Begriffsverständnis zeigt hingegen das folgende Beispiel: „Für mich ist die Schwerpunktschule ein Hemmschuh auf dem Weg zur Inklusion. Ich bin an einer Schule, wir haben Förderschullehrkräfte nach diesem alten Worms-Dauner-Modell. (...) Es ist kein größeres Problem an einer Schwerpunktschule diese Kinder ordnungsgemäß zu fördern, auch ohne Gutachten. Wenn man die Kinder lange begleitet und man macht die diagnostischen Beobachtungen. Aber das Problem ist: diese Kinder haben an dieser Schule keinen Anspruch auf sonderpädagogische Förderung. Wenn die Sonderpädagogen abgezogen werden, bleibt es der Grundschule überlassen, wie sie diese Kinder fördert. Man darf nicht mal diesen sonderpädagogischen Anspruch, den man aus dem Alltag erhoben hat, ins Zeugnis schreiben. In diesem Moment, wo ich den Anspruch zementieren muss, damit ein Kind die Unterstützung kriegt, in dem Moment findet die Stigmatisierung statt. Und ab dann ist die Frage: Wo

112

4 Schulische Inklusion in Rheinland-Pfalz

ist jetzt der Förderort. Gibt es eine Schwerpunktschule in der Nähe? Kann das Kind an dieser Schule bleiben, dann wäre es fast eine Einzelintegration, das gibt es selten in Rheinland-Pfalz. In dem Moment, wo man anfängt inklusiv zu arbeiten, stößt man ganz schnell an Grenzen, wenn die Versorgung durch Förderpädagogen nicht mehr gewährleistet ist. Und das macht für mich keinen Sinn.“ (Zitat aus Interview mit Fachberatung Inklusion / Integration; Quelle: Laubenstein, Lindmeier, Guthöhrlein & Scheer, 2015, S. 86)

Für die Einzelschule, die sich mit inklusiver Schulentwicklung befassen soll, bedeuten diese sehr unterschiedlichen und teilweise widersprüchlichen Sichtweisen, die im System vorhanden sind, dass unterschiedliche „offizielle“ Positionierungen (Gesetzgebung, Bildungsserver, Beraterinnen und Berater für Inklusion, Schulaufsichtsreferentinnen und -referenten) und Positionierungen aus der Zivilgesellschaft (Verbände, Gewerkschaften, Parteien etc.) an sie herangetragen werden, zwischen denen sie selbst sich positionieren muss. Gleichzeitig sind Lehrkräfte sowie Schulleiterinnen und Schulleiter ebenso wie alle Mitglieder der Schulgemeinschaft selbst in ihre individuellen Kontexte eingebettet, aus denen heraus sich unterschiedliche Definitionen und Sichtweisen ergeben. Der Schulleitung kommt folglich die Aufgabe zu, diese Mehrdeutigkeit und Ambivalenz des Begriffs Inklusion aufzugreifen und im Sinne symbolischer Führung sinnstiftend zu bearbeiten, sodass eine gemeinsam geteilte Vision von inklusiver Schule etabliert werden kann. 4.2 Schulversuche der 1980er- und 1990er-Jahre Die heutige Struktur der Konzepte zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention (und hierauf beziehen sich, wie oben ausgeführt, die rheinland-pfälzischen Ansätze schulischer Inklusion) speisen sich vor allem aus einer Tradition von Schulversuchen in verschiedener Form, die in den 1980er- und 1990er-Jahren zu verorten sind. In dieser Zeit wurden verschiedene Konzepte integrativer Beschulung von Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf in Modellversuchen erprobt. Diesen allen war nach Lindemer (2006) gemeinsam, „dass sie meist auf die Primarstufe beschränkt blieben und nur wenige Betroffene erreichten, da sie entweder räumlich begrenzt oder zwar landesweit, aber dann auf nur wenige Schulen ausgerichtet waren“ (Lindemer, 2006, S. 15). Einen Kurzüberblick über diese Modelle gibt Tabelle 4.1, eine ausführliche Darstellung findet sich bei Laubenstein, Lindmeier, Guthöhrlein und Scheer (2015, S. 14–20).

4.2 Schulversuche der 1980er- und 1990er-Jahre

113

Tab. 4.1: Schulversuche und Modelle der Integration und des Gemeinsamen Unterrichts in RheinlandPfalz bis 2001 (Scheer, Laubenstein, Lindmeier, Guthöhrlein & Sponholz, 2016, S. 242) Maßnahmen der Einzelintegration

Schulversuche mit Integrationsund Kooperationsklassen

Konzept

Zeitraum

Konzept

Einzelintegration von behinderten Kindern

Seit 1980er-Jahre

Förderschule im Verbund mit integrierten Fördermaßnahmen („Worms-DaunerModell“) Integrierte Förderung von Kindern mit Lernschwierigkeiten und Lernstörungen (IFö)

Gemeinsamer Unterricht von behinderten und nicht behinderten Schülerinnen und Schülern in der Grundschule 1988 / 89 bis 1994 / 95, Kooperation von seitdem Fortführung an Sonderschulen und Einzelstandorten allgemeinen Schulen

seit 1993 / 94

Zeitraum der Erprobung des Modells 1983 / 84 bis 1991 / 92

1987 / 88 bis 1989 / 90

Gemeinsamer 1991 / 92 bis 1996 / 97, Unterricht von Kindern danach Folgekonzept mit und ohne bis 2001 Beeinträchtigung

114

4 Schulische Inklusion in Rheinland-Pfalz

Bereits in der Darstellung der Schulversuche findet sich die Struktur angelegt, die sich auch heute noch in der Organisation sonderpädagogischer Förderung in Rheinland-Pfalz findet (siehe 4.3). So arbeiten einige Standorte noch heute nach dem Worms-Dauner-Modell und auch die Integrierte Förderung von Kindern mit Lernschwierigkeiten und Lernstörungen (IFö) ist nach wie vor Bestandteil schulischer Sonderpädagogik in Rheinland-Pfalz (§ 28 GSchO). 4.2.1 Entwicklung einzelintegrativer Maßnahmen Analog zu den Entwicklungen anderer Bundesländer begann die Entwicklung hin zu einem inklusiven Schulsystem in Rheinland-Pfalz Anfang der 1980er-Jahre mit ersten Einzelintegrationsmaßnahmen – zunächst auf Druck von Eltern –, die aufgrund der guten Erfahrungen dann institutionalisiert wurden. Nachdem es sich dabei zu Anfang in der Regel um zielgleiche Integration handelte, meist von Kindern und Jugendlichen mit körperlicher Behinderung, entstand Ende der 1980er-Jahre das sogenannte Worms-Dauner-Modell, aus welchem sich wiederum die spätere integrierte Förderung von Kindern mit Lernschwierigkeiten und Lernstörungen ableitete. Das Konzept des Worms-Dauner-Modells sah nach Komplexität, Spezifität und Dauer der Beeinträchtigung gestufte Fördermaßnahmen (Stufen I-IV) für Schülerinnen und Schüler mit Gefährdungen, Störungen und Behinderungen (nach Bach) vor (Bach & Pfirrmann, 1994): Dazu wurde die je regional zuständige Sonderschule in ein Förderzentrum umgewandelt. Dieses stellte an den allgemeinen Schulen die Förderung der Schülerinnen und Schüler mit Förderbedarf im Ausmaß der Stufen I bis III integrativ bereit. Schülerinnen und Schüler mit Förderbedarf im Ausmaß der Stufe IV wurden im Förderzentrum selbst, und zwar förderschwerpunktsübergreifend, unterrichtet. Mit diesem Modell konnte in Rheinland-Pfalz erstmals die feste Dogmatik der „Sonderschulbedürftigkeit“ ansatzweise überwunden und die Idee eines individuellen Förderbedarfs angebahnt werden. Die Meldungen für den Besuch von Sonderschulen konnten an den ursprünglichen Standorten in den ersten vier Jahren halbiert werden, was zu einer Expansion des Modells und letztlich zur Entwicklung der integrierten Fördermaßnahmen (heute geregelt in § 28 GschO) führte. Bei diesen integrierten Fördermaßnahmen erhalten Kinder im Grundschulalter bei Lernschwierigkeiten und -störungen individuelle Unterstützung durch zieldifferente Unterrichtsangebote – gegebenenfalls stundenweise durch von der Förderschule eingesetzte Förderschullehrkräfte. Zudem kann eine individuelle Leistungsbeurteilung zur Anwendung kommen. Die Maßnahmen der integrierten sonderpädagogischen

4.3 Sonderpädagogische Förderung in Rheinland-Pfalz

115

Förderung werden aktuell fortgeführt und fließen teilweise in die Entwicklung der sonderpädagogischen Förder- und Beratungszentren ein. 4.2.2 Entwicklung des Gemeinsamen Unterrichts bis zum Jahr 2001 Der erste, auf die Grundschulzeit beschränkte, Schulversuch für Gemeinsamen Unterricht beeinträchtigter und nicht beeinträchtigter Kinder lief (auf Elterninitiative) in der Zeit von 1983 bis 1991 / 92 in Mainz und Trier. Trotz positiver wissenschaftlicher Evaluation wurde die Veröffentlichung des Forschungsberichts von der damaligen Landesregierung unterbunden (Broich, 2001). Ein weiterer Schulversuch in der Zeit von 1987 bis 1990 bestand darin, dass landesweit Sonderschulklassen Kooperationen mit Regelschulklassen eingingen. Dieser Schulversuch wurde „für die beteiligten Schulen unerwartet“ (Laubenstein, Lindmeier, Guthöhrlein & Scheer, 2015, S. 16) beendet. Erst nach dem Regierungswechsel brachte die nun sozialdemokratisch geführte Landesregierung 1991 einen erneuten Schulversuch mit Integrationsklassen auf den Weg. Dieser mündete 1996 / 97 in ein sogenanntes „Folgekonzept“, mit dem Schulen, die zuvor an dem Modellversuch beteiligt waren, auf freiwilliger Basis weiterarbeiten durften. Konzeptionell bildeten die Erfahrungen dieses Schulversuchs die Basis der heutigen Schwerpunktschulen, wobei die Überführung in den Regelbetrieb mit einer Abkehr vom Prinzip der Doppelbesetzung im Unterricht einherging. 4.3 Sonderpädagogische Förderung in Rheinland-Pfalz: Ein „Drei-Säulen-Modell“ Neben dem Auf- und Ausbau der Schwerpunktschulen als Angebot des Gemeinsamen Unterrichts von Schülerinnen und Schülern mit und ohne festgestelltem sonderpädagogischen Förderbedarf setzt Rheinland-Pfalz nach wie vor auf Einzelintegrationsmaßnahmen für Schülerinnen und Schüler mit Beeinträchtigung, bei denen kein sonderpädagogischer Förderbedarf festgestellt wird (hierbei handelt es sich in aller Regel um Schülerinnen und Schüler mit körperlichen Beeinträchtigungen, Sinnesschädigungen oder Autismus-Spektrum-Störungen). Zudem sind in der Grundschulordnung integrierte Fördermaßnahmen für Schülerinnen und Schüler mit Lernschwierigkeiten als präventive Maßnahme vorgesehen, für die Förderschullehrerwochenstunden zur Verfügung gestellt werden. Da die Landesregierung ferner an einem vollständig ausgebauten Förderschulsystem festhält, kann von einem „Drei-Säulen-Modell“ sonderpädagogischer Förderung gesprochen werden, das

116

4 Schulische Inklusion in Rheinland-Pfalz

sich an den jeweiligen Bildungsbedürfnissen des einzelnen Schülers / der einzelnen Schülerin orientieren soll. Spätestens mit der Novellierung des Schulgesetzes im Jahr 2014 wird in Rheinland-Pfalz dem „inklusiven Unterricht“ ein Vorrang gegenüber der Förderschule eingeräumt, einziger Vorbehalt ist der ausdrückliche Wunsch der Eltern nach Beschulung an einer Förderschule. Dieses Wahlrecht der Eltern ist bei der Auslegung der UN-Behindertenrechtskonvention durchaus umstritten: So führt Wrase (2016) aus, dass ein solches Elternwahlrecht nicht von der UN-Behindertenrechtskonvention vorgesehen sei (Wrase, 2016, S. 3), jedoch kann ein Wahlrecht aus Sicht des Verfassers dieser Arbeit auch nicht durch den Wortlaut der Konvention ausgeschlossen werden. Aus Sicht des Landes RheinlandPfalz ergibt sich das Wahlrecht daraus, dass die Eltern über die Ausrichtung der Erziehung entscheiden und in Stellvertretung ihres Kindes dessen Rechte ausüben müssten. Problematisch in diesem Zusammenhang ist jedoch die Beeinflussung der Elternwahl durch die Qualität der jeweils vorgehaltenen Systeme, die oftmals ein Entscheidungskriterium darstellt (Wrase, 2016, S. 3). 4.4 Inklusiver Unterricht an Schwerpunktschulen Im Jahr 2001 wurden dann, als reguläres Modell des Gemeinsamen Unterrichts von Schülerinnen und Schülern mit und ohne sonderpädagogischen Förderbedarf, sogenannte Schwerpunktschulen (SPS) eingeführt. Dies sind „(...) wohnortnahe (d.h. möglichst flächendeckend vorhandene) allgemeine Schulen (Grundschulen und weiterführende Schulen der Sekundarstufe I), an denen Schülerinnen und Schüler mit Behinderungen überwiegend im zieldifferenten Unterricht gemeinsam mit Schülerinnen und Schülern ohne Behinderung lernen.“ (Laubenstein, Lindmeier, Guthöhrlein & Scheer, 2015, S. 278)

Die Entwicklung der Anzahl der Schwerpunktschulen ist in Abbildung 4.1 dargestellt. Zum Zeitpunkt der Datenerhebung der Untersuchung, die dieser Arbeit zugrunde liegt, gab es 150 Schwerpunktschulen der Primarstufe (Grundschulen) sowie 112 Schwerpunktschulen der Sekundarstufe I. Seitens der Landesregierung wurde kein pädagogisches Rahmenkonzept mit der Schwerpunktschule verbunden, was im Kontext der damals gängigen Auffassung von der Einzelschule als Motor der Entwicklung (Dalin & Rolff, 1990) zu sehen ist (Laubenstein, Lindmeier, Guthöhrlein & Scheer, 2015, S. 24). Dass eine solche Schulautonomie spätestens mit Einsetzen output-orientierter Steuerung im Rahmen von Large-Scale-Assessments und externer Evaluation seit den frühen 2000er-Jahren

4.4 Inklusiver Unterricht an Schwerpunktschulen

117

350 Legende: Primarstufe

300

Sekundarstufe 255

Gesamt 250

289

277

270

262

229 201

200 172

159 150

143

130

53

117

120

/1 7

/1 6

16 20

/1 5

15 20

14

/1 4 13

20

/1 3 20

12 20

/1 2 11 20

20

10

/1 1

/1 0 09 20

/0 9 08 20

07 20

/0 7 06 20

/0 8

34

/0 6

/0 5 04

115

58

48

05

23

/0 4

/0 3

18 03 20

02 20

20

01

/0 2

11

53

20

42

30

49

112

101

88

76

72

30

20

50

112

169

128

72

64

62

160

96

87

76

67

155

113

112 96 100

150

Abb. 4.1: Zahlenmäßige Entwicklung der Schwerpunktschulen (Quelle der Daten: Scheer, Laubenstein, Lindmeier, Guthöhrlein und Sponholz, 2016 sowie Auskunft des Ministeriums für Bildung)

so nicht mehr gegeben ist (Wissinger, 2007), stellt in der Schulentwicklungspraxis ein für manche Akteure herausforderndes Spannungsfeld zwischen schulinternen Entwicklungsprozessen und Steuerungshandeln von außen dar. Aufgrund des nicht gegebenen inhaltlich-konzeptionellen Rahmens wird die Schwerpunktschule dann auch von Akteuren aus der Schulaufsicht als ein „schulorganisatorisches Zuweisungsmodell von Stunden“ (Laubenstein, Lindmeier, Guthöhrlein & Scheer, 2015, S. 197) bezeichnet. 4.4.1 Personalausstattung Zunächst wurden als Hauptberechnungsgrundlage für die sonderpädagogische Personalausstattung der Schwerpunktschulen sogenannte „Rucksackstunden“ für Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf herangezogen. Die so ermittelte Wochenstundenzahl wurde den Schulen dann in Form von Förderschullehrkräften oder pädagogischen Fachkräften zugewiesen. Dieses Vorgehen wurde ab 2011 schrittweise auf ein pauschaliertes Modell umgestellt. Im Rahmen des pauschalierten Modells erhält eine Schwerpunktschule zusätzlich zur regulären Ausstattung mit Lehrerwochenstunden – wie sie jede allgemeine Schule erhält – eine zusätzliche Pauschale an Lehrer- und Förderschullehrerwochenstunden. Die Berechnung dieser Pauschale bezieht sich auf eine Schule im „Vollausbau“: Mit

118

4 Schulische Inklusion in Rheinland-Pfalz

der Bezeichnung „Vollausbau“ ist gemeint, dass von der Schulaufsicht festgelegt wird, wie viele Schülerinnen und Schüler mit festgestelltem sonderpädagogischem Förderbedarf an dieser Schule zu erwarten sind. Die Grundausstattung mit Förderschullehrerwochenstunden (FöLWStd.) errechnet sich aus einem Sockel (18 FöLWStd. bei einer Grundschule), einem Klassenfaktor (2,5 FöLWStd. bei einer Grundschule) und einem Schülerfaktor (0,2 FöLWStd. bei einer Grundschule; Schülerfaktor bezieht sich auf alle Schülerinnen und Schüler, nicht auf solche mit sonderpädagogischem Förderbedarf). Zusätzlich zu dieser Grundausstattung mit Förderschullehrerwochenstunden (die allerdings durch die Schulaufsicht auf Förderschullehrkräfte und pädagogische Fachkräfte verteilt wird) erhalten die Schwerpunktschulen der Primarstufe eine Erhöhung der Personalausstattung in Höhe von 0,035 Grundschullehrerwochenstunden pro Kind, das die Schule besucht und von 0,25 Grundschullehrerwochenstunden pro Kind mit sonderpädagogischem Förderbedarf, das am Ganztagsschulbetrieb teilnimmt. Ferner steht der Schulaufsicht ein nicht näher ausgeführter Integrations-Pool zur Förderung spezieller pädagogischer Konzepte zur Verfügung. Die wissenschaftliche Begleitforschung ergab hierzu, dass die Pauschalierung nicht immer zu sachgerechten Lösungen führt und überdies von den Schulen als nicht transparent empfunden wird (Laubenstein, Lindmeier, Guthöhrlein & Scheer, 2015, S. 24). 4.4.2 Eckpunkte des Rahmenkonzepts Obgleich kein festes inhaltlich-konzeptionelles Rahmenmodell für die Schwerpunktschulen vorgegeben wurde, wurde versucht, pädagogische Eckpunkte für die Arbeit der Schwerpunktschulen in einem „Kompendium Schwerpunktschule“ (MBWJK, 2010) festzuhalten. Insgesamt werden den Schwerpunktschulen in diesem Kompendium Hinweise zu den nachfolgenden Themen gegeben, die hier nicht vertieft, sondern nur stichpunktartig zusammengefasst werden sollen. Für eine weitergehende Darstellung sei auf Laubenstein, Lindmeier, Guthöhrlein und Scheer (2015, S. 26–28) verwiesen. 4.4.2.1 Konzept (K) K1 – Der Ganztagsschulbetrieb wird als geeigneter Rahmen unter anderem für Außendifferenzierung sowie die Kooperation mit außerschulischen Partnern

4.4 Inklusiver Unterricht an Schwerpunktschulen

119

gesehen, es wird ein Austausch mit Förderschulen im Ganztagsbetrieb empfohlen.17 K2 – Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderderbedarf (SFB) sind formal Schülerinnen und Schüler der Schwerpunktschule, nicht der als Stammschule fungierenden Förderschule, werden in der Statistik aber als Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf geführt. Dieser Status sowie bei zieldifferentem Unterricht auch der jeweilige Bildungsgang (Lernen oder Ganzheitliche Entwicklung) werden im Zeugnis vermerkt. K3 – Auch für Schwerpunktschulen gilt, dass der Antrag auf Feststellung eines sonderpädagogischen Förderbedarfs vorherige dokumentierte Maßnahmen der individuellen Förderung erfordert. K4 – Wird von Eltern nach Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfs der inklusive Unterricht gewählt, so wird die Schülerin / der Schüler von der Schulaufsicht der zuständigen Schwerpunktschule zugewiesen. Sofern die bisher besuchte Schule eine Schwerpunktschule ist, verbleibt die Schülerin / der Schüler auf dieser. K5 – Die Zuordnung der Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf wird entsprechend den Regeln des zugeordneten Bildungsgangs vorgenommen. Über die Klassenzusammensetzung entscheidet die Schulleiterin / der Schulleiter. Es wird empfohlen, die Grundsätze für die Klassenbildung in der Gesamtkonferenz zu diskutieren (vgl. auch Punkt OR2). 4.4.2.2 Unterrichtsentwicklung (UE) UE1 – Es wird darauf hingewiesen, dass alle Schulen eine besondere Verantwortung zu individualisierender Förderung haben und dass sich die Benennung als Schwerpunktschule im Qualitätsprogramm der Schule niederschlagen solle. Schülerinnen und Schüler sollen nach Möglichkeit über die Schuljahre hinweg im Klassenverband aufsteigen. Eine Binnendifferenzierung soll der Außendifferenzierung vorgezogen werden. Eltern sind über die Mög17

Die Nummerierungen beziehen sich als Quellenangabe auf die im Kompendium beantworteten Fragen. z. B. steht K1 für Frage 1 unter der Überschrift Konzept (K).

120

4 Schulische Inklusion in Rheinland-Pfalz

lichkeiten der individualisierten Förderung und differenzierten (verbalen) Leistungsbeurteilung zu informieren und zu beraten. UE2 – Grundsätzlich kann bei Lernschwierigkeiten auch ohne festgestellten sonderpädagogischen Förderbedarf eine differenzierende Leistungsbeurteilung in verbaler Form anstelle einer Note erfolgen. UE3 – Grundsätzlich darf eine Schwerpunktschule Schülerinnen und Schüler nicht aufgrund der Schwere und Form des Förderbedarfs ablehnen, dies gilt auch für den Förderschwerpunkt Emotionale und Soziale Entwicklung. Bei der Entscheidung über den Förderort sei in diesem Förderschwerpunkt die Schulaufsicht besonders gefordert. Es wird auf die Verpflichtung der Schule zur Kooperation mit der Jugendhilfe hingewiesen. Fortbildungs-, Beratungsund Unterstützungsangebote des Pädagogischen Landesinstituts sowie der Jugendhilfe und weiterer Beratungsstellen sollen frühzeitig in Anspruch genommen werden. 4.4.2.3 Organisationsstruktur (OR) OR1 – Zur Vorbereitung auf die neue Aufgabe können neu benannte Schwerpunktschulen im Vorfeld einen zweiten Studientag in Anspruch nehmen. Zur Vorbereitung werden empfohlen: Beratung durch die Fachberaterinnen / -berater Inklusion, Hospitationen an bestehenden Schwerpunktschulen, Teilnahme an Teambesprechungen und pädagogischen Konferenzen, Nutzung von Best-Practice-Beispielen, Information und Einbindung der Eltern in den Prozess. OR2 – Die Klassenbildung wird von der Schulleitung vorgenommen. Es wird empfohlen, sowohl eine Konzentration als auch eine Vereinsamung von Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf in den Klassen zu vermeiden. Auch die Personalzuweisung obliegt der Schulleitung. Das Personal soll zweckgebunden zur Weiterentwicklung des inklusiven Unterrichts, nicht als individuelle Zuweisung für einzelne Schülerinnen und Schüler eingeteilt werden. Die Bildung fester kooperierender Stufenteams wird empfohlen. Gerade hinsichtlich der Bedürfnisse von Schülerinnen und Schülern mit Förderbedarf im Schwerpunkt Ganzheitliche Entwicklung sollte fachfremder Unterricht in der Orientierungsstufe ermöglicht

4.4 Inklusiver Unterricht an Schwerpunktschulen

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werden, um das Klassenlehrerprinzip zu stärken. Es werden zeitweise Arbeitsgemeinschaften und Projekte für die Schülerinnen und Schüler im Förderschwerpunkt Ganzheitliche Entwicklung empfohlen. Zudem sollen Zeitfenster für Teambesprechungen und regelmäßige pädagogische Konferenzen eingeräumt werden. 4.4.2.4 Gutachten (G) G1 – Es wird davon abgeraten, dass an Schwerpunktschulen eingesetzte Förderschullehrkräfte Gutachten über Schülerinnen und Schüler ihrer eigenen Schule erstellen. Förderschullehrkräfte an Schwerpunktschulen sollen jedoch im Gegenzug Gutachten über Schülerinnen und Schüler anderer Schulen erstellen. G2 – Durch Netzwerkbildung und Information der Schulleiterinnen und Schulleiter über die Angebote verschiedener Schwerpunkt- und Förderschulen soll die Qualität der Beratung über den Förderort in Zusammenarbeit mit den Fachberaterinnen / -beratern Inklusion gesteigert werden. G3a – Für die Änderung des Förderschwerpunkts oder die Aufhebung des Förderbedarfs gelten die Bestimmungen der Sonderschulordnung. Die Entscheidung wird unter Voraussetzung bestehenden Einvernehmens aller Beteiligten von der Schulaufsicht an die Schulleitung der Schwerpunktschule delegiert. G3b – Über den Förderschwerpunkt Emotionale und Soziale Entwicklung muss ausschließlich die Schulaufsicht entscheiden. Dieser Förderschwerpunkt kann nur zugewiesen werden, wenn bereits im Vorfeld alle anderen Jugendhilfemaßnahmen sowie schulischen und außerschulischen Hilfemaßnahmen ausgeschöpft wurden. Eine Einschulung auf einer Schule mit dem Förderschwerpunkt Emotionale und Soziale Entwicklung kann in der Regel nur erfolgen, wenn eine Kostenzusage des Jugendhilfeträgers gegenüber dem privaten Schulträger vorliegt. 4.4.2.5 Übergang Grundschule – Sekundarstufe I (Ü) Ü1a / b – Schülerinnen und Schüler mit Lernschwierigkeiten ohne festgestellten sonderpädagogischen Förderbedarf können auch ohne erfolgreichen Abschluss der Grundschule eine Hauptschule (bzw. jetzt Realschule Plus)

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besuchen. Hierüber entscheidet die Schulaufsicht. Schülerinnen und Schüler mit festgestelltem sonderpädagogischen Förderbedarf wechseln nach der vierten Klasse auf die zuständige Schwerpunktschule der Sekundarstufe I. Ü2

– Der Übergang von Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf soll durch Kooperation der abgebenden und aufnehmenden Lehrkräfte unter Einbezug und Beratung der Eltern vorbereitet und begleitet werden.

4.4.2.6 Schulabschlüsse (SchA) Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf im Förderschwerpunkt Lernen soll an der Schwerpunktschule der Abschluss der Berufsreife ermöglicht werden. Hierzu reicht eine einfache Schulzeitverlängerung nicht aus, es müssen die Ziele der Berufsreife erfüllt werden (außer des Fachs Englisch). Dies kann beispielsweise durch eine Schulzeitverlängerung mit Angliederung an eine 9. Klasse oder ein freiwilliges zehntes Schuljahr sein. Kann das Ziel nicht erreicht werden, kann der Abschluss auch im Berufsvorbereitungsjahr (BVJ) an einer berufsbildenden Schule erworben werden. 4.4.2.7 Implikationen für die Rolle der Schulleitung Es lassen sich anhand des Kompendiums Schwerpunktschule für die Rolle der Schulleitung keine wesentlichen Veränderungen hinsichtlich des grundsätzlichen Aufgabenspektrums feststellen. Jedoch sind im Kompendium einzelne Details zur organisatorischen Gestaltung, zum Schülertransport etc. geregelt, die natürlich die Anzahl der zu beachtenden Vorgaben für die Schulleitung erhöhen. Im Detail ergibt sich aus dem Kompendium insbesondere: • Bei der Klassenbildung hat die Schulleitung einen Ermessensspielraum, bei der Klassengröße den Umfang und Schweregrad des sonderpädagogischen Förderbedarfs zu berücksichtigen. • Eine erhöhte Kooperationsnotwendigkeit zwischen Schulleitung der Schwerpunktschule und der Förderschule ergibt sich daraus, dass Förderschullehrkräfte der Schwerpunktschule in angemessenem Umfang mit der Erstellung von Gutachten zur Feststellung sonderpädagogischen Förderbedarfs (nicht an der eigenen Schule) beauftragt werden sollen.

4.4 Inklusiver Unterricht an Schwerpunktschulen

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• Schwerpunktschulen haben einen Beratungsauftrag hinsichtlich geeigneter Förderorte im Rahmen der Feststellung sonderpädagogischen Förderbedarfs. Aus der Gesamtverantwortung der Schulleitung ergibt sich daraus die Aufgabe, Eltern hinsichtlich der Möglichkeiten, die eine Schwerpunktschule bietet, zu beraten. • Soll der Förderschwerpunkt einer Schülerin oder eines Schülers mit sonderpädagogischem Förderbedarf geändert werden, liegt die Entscheidung, sofern Einvernehmen zwischen den Beteiligten hergestellt werden kann, bei der Schulleitung. 4.4.3 Formale Rolle der Schulleitung an Schwerpunktschulen Wie sich die durch Rechtsvorschriften und Dokumente der Schuladministration formal definierte Rolle der Schulleitung an Schwerpunktschulen gestaltet, lässt sich in Ansätzen aus den entsprechenden Dokumenten ableiten. 4.4.3.1 Rolle der Schulleitung gemäß SchulG Das Schulgesetz (SchulG) legt die Aufgaben der Schulleitung im Allgemeinen wie folgt fest: „Die Schulleiterinnen und Schulleiter sind für die Durchführung der Erziehungs- und Unterrichtsarbeit im Rahmen des Bildungsauftrags der Schule und der Maßnahmen zur Schulentwicklung und Qualitätssicherung verantwortlich. Sie führen unbeschadet der Rechte des Schulträgers die laufenden Verwaltungsgeschäfte der Schule und vertreten sie nach außen. Sie übertragen Teile der Aufgaben auf Lehrkräfte, die mit der Vertretung beauftragt sind, sowie auf andere Lehrkräfte der Schule.“ (§ 26 Abs. 1 SchulG)

Ferner führt der Gesetzgeber aus: „Die Schulleiterinnen und Schulleiter unterstützen die Zusammenarbeit der Lehrkräfte. Sie beraten in Fragen der schulischen Bildung und Erziehung. Sie fördern die Verbindung zu den Eltern der Schülerinnen und Schüler und den für die außerschulische Berufsbildung Verantwortlichen sowie zu den außerschulischen Beratungseinrichtungen. Sie pflegen die Verbindung zu den Behörden der Jugend- und Sozialhilfe und stellen die notwendige Beteiligung der Schule bei der Aufstellung und Überprüfung von Hilfeplänen für Kinder und Jugendliche sicher.“ (§ 26 Abs. 2 SchulG)

Sowohl gegenüber Lehrkräften als auch gegenüber pädagogischen und technischen Fachkräften, Verwaltungs- und Hilfspersonal sowie Betreuungskräften der Schule

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sind Schulleiterinnen und Schulleiter weisungsberechtigt (§ 26 Abs. 3 SchulG). Dieses Weisungsrecht findet seine Grenzen bei Lehrkräften in der Freiheit der pädagogischen Verantwortung gemäß § 25 Abs. 1 SchulG (§ 26 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 SchulG) und bei Verwaltungs- und Hilfspersonal im Weisungsrecht des Schulträgers (§ 26 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2 SchulG). Zudem legt § 26 Abs. 6 Satz 4 SchulG fest, dass Schulleiterinnen und Schulleiter Unterricht erteilen. Die Höhe der Unterrichtsverpflichtung ist dabei nicht fest vorgegeben. Vielmehr wird die für die Schulart vorgesehene Unterrichtsverpflichtung bei vollem Deputat um sogenannte Entlastungsstunden reduziert, die sich daraus ergeben, dass der Schulleitung insgesamt (mit Stellvertretung und didaktischer Koordination) auf Basis der Schulart, Schulstufe und Schulgröße ein Pool an Entlastungsstunden zugewiesen wird. Diese Entlastungsstunden müssen den Aufgaben entsprechend auf die Mitglieder der Schulleitung verteilt werden. Die Details hierzu regelt Anlage 1 zu § 8 der Lehrkräfte-Arbeitszeitverordnung (LehrArbZVO). Beispielsweise würden gemäß dieser Berechnung einer zweizügigen Grundschule (8 Klassen) 10,5 Entlastungsstunden für Schulleitungsaufgaben zugewiesen, sodass sich – sofern keine Konrektorin / kein Konrektor angestellt ist – eine Unterrichtsverpflichtung von 15 Wochenstunden (WStd.) für die Schulleitung ergäbe. Weiter ausgeführt werden die Aufgaben der Schulleiterinnen und Schulleiter in der Dienstordnung für die Leiter und Lehrer an öffentlichen Schulen in RheinlandPfalz (zuletzt geändert 1986) und im daraus abgeleiteten allgemeinen Stellen- und Aufgabenprofil (ASAP) für Schulleiterinnen und Schulleiter. 4.4.3.2 Dienstordnung für die Leiter und Lehrer an öffentlichen Schulen in Rheinland-Pfalz Auch die Dienstordnung betont als oberste Aufgabe der Schulleitung die Gesamtverantwortung für die Auftragserfüllung der Schule (Absatz 1.1) mit Einhaltung aller Rechtsvorschriften (Absatz 2.3) und Einhaltung der Lehrpläne (Absatz 2.4.3). Zur Gesamtverantwortung kann auch gezählt werden, dass die Schulleitung auf die notwendigen Bedingungen für die Erfüllung des Erziehungs- und Bildungsauftrags hinzuwirken hat (Ansatz 2.4). Hinsichtlich schulischer Inklusion bedeutet das, dass die Schulleitung eben auch für die Erfüllung des erweiterten pädagogischen Auftrags der Schwerpunktschule verantwortlich ist und diese Verantwortung auch aktiv annehmen muss.

4.4 Inklusiver Unterricht an Schwerpunktschulen

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Die unter Abschnitt 2 der Dienstordnung ausgeführten Aufgaben lassen sich in folgende Bereiche aufteilen: Geschäftsführung und rechtliche Vertretung Die Schulleitung hat unter Berücksichtigung des Vorschlagsrechts der Gesamtkonferenz die zur Verfügung stehenden Mittel zu verteilen, sich um die Beantragung ausreichender Mittel / notwendigen Schulbedarfs beim Schulträger zu kümmern (Absatz 2.7.3) sowie die Aufsicht über das Schulvermögen zu führen bzw. dessen ordnungsgemäße Behandlung sicherzustellen (Absatz 2.7.4). In diesem Zusammenhang wird die Handlungskompetenz eingeschränkt, indem die Schulleitung rechtsgeschäftliche Erklärungen ausschließlich im Rahmen der Dienstordnung bzw. nach besonderer Anordnung abgeben sowie Verträge zu Erwerb bzw. Wartung von Schulbedarf oder Einrichtung nur nach Bevollmächtigung durch den Schulträger abschließen darf (Absatz 2.7.2). Hinzu kommen weitere Verpflichtungen, beispielsweise das Unterschreiben aller Zeugnisse und aller schulischer Mitteilungen, Führen des Dienstsiegels, Verantwortung für Brand- und Verkehrssicherheit etc., die sich aus der rechtlichen Vertretung der Schule durch die Schulleitung ergeben. Ferner hat die Schulleitung Sprechstunden für Eltern sowie für Schülerinnen und Schüler anzubieten (Absatz 2.5). Änderungen des Aufgabenspektrums durch schulische Inklusion werden sich in diesem Bereich vor allem daraus ergeben, dass sich je nach Beeinträchtigung einzelner Schülerinnen und Schüler sowie durch den zieldifferenten Unterricht nach unterschiedlichen Bildungsgängen neue und erweiterte Bedarfe an Mitteln, Schulbedarf / -einrichtung und möglicherweise an baulichen Veränderungen ergeben, die Mittelakquise und Verhandlungen mit dem Schulträger notwendig machen. Zudem müssen bei der Kontrolle der zu unterschreibenden Zeugnisse unterschiedliche Bildungsgänge und damit unterschiedliche Rechtsgrundlagen berücksichtigt werden. Auch hinsichtlich der Verkehrssicherheit ergeben sich durch unterschiedliche motorische, sensorische und kognitive Entwicklungsstände der Schülerschaft neu zu beachtende Aspekte. Ebenso wird sich das Spektrum der Anliegen in den Elternund Schülersprechstunden spürbar erweitern, sodass Schulleitung sich zur adäquaten Beratung in weitere Themengebiete einarbeiten bzw. sich über entsprechende Ansprechpartner informieren muss.

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Repräsentation der Schule Die Ausführungen der Dienstordnung zur Repräsentation der Schule beziehen sich im Detail eher auf die rechtliche Vertretung (siehe oben), dennoch hält die Dienstordnung fest, dass die Schulleitung die Schule nach innen und nach außen repräsentiert, was in der Wortwahl über eine reine Rechtsvertretung hinausgeht (Absatz 2.7). Inhaltlich ermöglichen weitere Aspekte von Schulleben, die sich aus dem Auftrag Inklusion ergeben, natürlich auch erweiterte Möglichkeiten, sich als Schule zu profilieren und zu präsentieren. Damit erscheint diese Aufgabe jedoch nicht umfangreicher oder komplexer zu werden – wohl aber ergibt sich eine wachsende Bedeutung dieser Aufgabe, da gerade gesellschaftlich kontrovers diskutierte Innovationen im Bildungsbereich einer starken und differenzierten Kommunikation in der internen und externen Öffentlichkeitsarbeit bedürfen. Sicherstellen des Informationsflusses Die Schulleitung hat die Aufgabe, die erweiterte Schulleitung regelmäßig zu informieren und sich mit ihr zu beraten (Absatz 2.13), Kollegium, Elternbeirat, Schülervertretung, Schulträger und Schulaufsicht über wesentliche Vorgänge zu informieren (Absätze 2.4.7, 2.8), die Beschäftigten über allgemein interessierende Rundschreiben zu informieren sowie das Amtsblatt, die Schul-, Dienst- und Konferenzordnung zur Ansicht auszulegen (Absatz 2.10.1). Hier wird das Aufgabenspektrum durch schulische Inklusion mutmaßlich dadurch erweitert, dass Informationen auf unterschiedlichste Weise angeboten werden müssen (z. B. in Braille, in leichter Sprache, in unterschiedlichen Sprachen oder als Tonaufnahmen). Koordination und Überwachung schulischer Abläufe Diesbezüglich nennt die Dienstordnung insbesondere: • innerschulische Organisation des Schülertransports • kurz- und langfristige Vertretungsregelung • Aufnahme, Entlassung und Beurlaubung von Schülerinnen und Schülern • Wahl des Schulelternbeirats • Koordination der Beschlüsse unterschiedlicher Konferenzen • Sicherstellung der Umsetzung und Evaluation von Konferenzbeschlüssen • Koordination der Notengebung / Leistungsbeurteilung

4.4 Inklusiver Unterricht an Schwerpunktschulen

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• Unterrichtsverteilung und Bestimmung der Klassenleitung gemäß der auf der Gesamtkonferenz gefassten Grundsätze • Aufgaben nach Maßgabe der Konferenzordnung (Einberufung, Koordination, Moderation von Konferenzen) • Durchführung von Dienstbesprechungen Zur Koordination und Überwachung schulischer Abläufe kann auch die explizit aufgeführte Delegation dauerhafter Aufgaben an die ständige Stellvertretung der Schulleiterin / des Schulleiters gezählt werden (Absatz 2.11). Durch den erweiterten pädagogischen Auftrag der Schwerpunktschule ergeben sich hier Erweiterungen der Aufgaben dergestalt, dass sowohl die Aufnahme von Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf als auch die Abordnung (bzw. mittlerweile teilweise Versetzung) von Förderschullehrkräften an die Regelschule zu einer Erweiterung der genannten Vorgänge führen bzw. innerhalb dieser organisatorischen Prozesse eine Komplexitätserhöhung bedingen. Pädagogische Schul- und Unterrichtsentwicklung Der Aufgabenbereich der pädagogischen Schul- und Unterrichtsentwicklung ergibt sich letztlich aus der Aufgabe der Gesamtverantwortung für die Erfüllung des pädagogischen Auftrags der Schule. Dabei führt die Dienstordnung aus, dass die Schulleitung, beispielsweise durch die sachlich fundierte Erörterung pädagogischer und fachlicher Fragen auf Konferenzen oder durch die Anregung von Unterrichtsversuchen, dafür zu Sorgen hat, dass aktuelle fachliche Erkenntnisse in die schulische Arbeit einfließen (Absatz 2.4). Hierzu kann auch gezählt werden, dass die Schulleitung angehalten ist, Unterrichtsbesuche durchzuführen, um Lehrkräfte zu beraten, wobei dies stärker unter den Aspekt der Personalentwicklung fällt. Die pädagogische Schul- und Unterrichtsentwicklung gewinnt im Zuge inklusionsorientierter Entwicklungen an Bedeutung. Durch die Verantwortung, die die Schulleitung hierbei trägt, ergibt sich die Notwendigkeit, sich über fachliche Aspekte sonderpädagogischer Förderung sowie inklusiver Schulentwicklung zu informieren und Möglichkeiten zu schaffen erstens Wissen und Kompetenzen in das Kollegium zu transferieren, beispielsweise über pädagogische Konferenzen, Studientage und interne Fortbildungen, sowie zweitens Entwicklungsprozesse auf Schul- und Unterrichtsebene fachlich adäquat zu initiieren, zu begleiten und zu evaluieren.

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Personalführung und -entwicklung Gemäß Dienstordnung obliegt der Schulleitung die Personalführung, d. h. sie übernimmt im Rahmen ihrer Zuständigkeit die Vorgesetztenfunktion mit Weisungsrecht, leitet den Einsatz des Personals an der Schule und ermahnt bei zu beanstandendem Verhalten die Bediensteten bzw. meldet dieses im Wiederholungsfalle der Dienstaufsichtsbehörde (Absatz 2.6). Ferner übernimmt die Schulleitung eingeschränkt die Personalverwaltung, die sich vor Ort im Wesentlichen auf das Führen der Anwesenheitsliste, bestimmter Anteile der Personalakte sowie eingeschränkt auch Beurlaubungen und dienstliche Beurteilungen umfasst (Absätze 2.6, 2.10.2 und 2.10.5). Auch die Zusammenarbeit mit dem örtlichen Personalrat im Rahmen des Personalvertretungsgesetzes (z. B.Vierteljahresgespräch des Personalrats mit der Dienststellenleitung) gehört zu diesem Aufgabenbereich (Absatz 2.9). Darüber hinaus hat die Schulleitung Aufgaben in der Personalentwicklung, die sich daraus ergeben, dass die Schulleitung zur Beratung der Lehrkräfte Unterrichtsbesuche durchführen soll (Absatz 2.4.2), zur Förderung der beruflichen Weiterentwicklung der Mitarbeitenden verpflichtet ist (Absatz 2.6) und die Ausbildung der Lehramtsanwärterinnen und -anwärter an der Schule leitet. Hieraus ergeben sich im Kontext von Inklusion zusätzliche Aufgaben und mutmaßliche Herausforderungen. Zum Zeitpunkt der empirischen Untersuchung für diese Arbeit war lediglich eine Abordnung der Förderschullehrkräfte an Schwerpunktschulen vorgesehen, mittlerweile ist eingeschränkt auch eine Versetzung möglich – allerdings nur auf ausdrücklichen Antrag der Lehrkraft. Durch den Abordnungsstatus ergibt sich die Herausforderung, dass die Schulleitung der Schwerpunktschule zwar den Einsatz der Förderschullehrkräfte vor Ort leitet, die eigentliche Personalführung und Verwaltung aber, zumindest formal, an der als Stammschule fungierenden Förderschule stattfindet. Somit ist die Schulleitung der Schwerpunktschule, um eine sinnvolle Personalführung zu gestalten, auf die Kooperation mit der Förderschule angewiesen. Bezüglich der Personalentwicklungsaufgaben ergibt sich keine wesentliche Erweiterung, allerdings muss berücksichtigt werden, dass es gegebenenfalls berufsgruppenspezifische Fortbildungsbedarfe gibt. Kooperation mit internen und externen Akteuren Vor allem die Kooperation mit den internen Akteuren der Schule (Absätze 1.2 und 2.10.11) bzw. die Sicherstellung der Kooperation aller internen Akteure miteinander (Absatz 2.2) wird von der Dienstordnung vorgegeben. Aber auch die Kooperation mit

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dem Gesundheitsamt (Schulgesundheitspflege), dem Arbeitsamt (Berufsberatung), dem Jugendamt (Jugendschutz) und dem schulpsychologischen Dienst werden eingefordert (Absatz 2.8.1). Im Kontext schulischer Inklusion ist einerseits eine Intensivierung dieses Aspekts zu erwarten, aber auch neue Kooperationspartner kommen hinzu, denn es ist zu erwarten, dass die Aufgabe der Kooperation mit freien Trägern der Behindertenhilfe, die von Schulleitungen an Förderschulen erwartet wird (Absatz 2.2), auf Schulleitungen von Schwerpunktschulen mit übergehen wird. Zudem wird auch eine Kooperation mit der Förderschule als weiterem externen Partner zu erwarten sein. 4.4.3.3 Allgemeines Stellen- und Aufgabenprofil für Schulleiterinnen und Schulleiter Das Allgemeine Aufgaben- und Stellenprofil (MBWWK, o. J.) stellt eine an potenzielle Bewerberinnen und Bewerber gerichtete Zusammenfassung der Schulleitungsaufgaben zur Verfügung. In diesem Sinne handelt es sich im Wesentlichen um eine Zusammenfassung der in der Dienstordnung vorgesehenen Aufgaben. Allerdings finden sich in dieser Auflistung (siehe Abbildung 4.2) auch Erweiterungen und Konkretisierungen. Dies betrifft die Punkte: • Initiierung, Umsetzung und Evaluation von Maßnahmen zur Schulentwicklung und Qualitätssicherung, insbesondere Weiterentwicklung des Qualitätsprogramms, • Moderation sowohl von Abstimmungen als auch von Prozessen und deren Steuerung, • Beratung, Unterstützung und Führung der Lehrkräfte bei ihrer pädagogischen Arbeit, • Beratung und Unterstützung der Schülerinnen und Schüler sowie der Eltern, • Konfliktregelung. Für das veränderte Aufgabenspektrum im Kontext schulischer Inklusion ergeben sich dadurch im Vergleich zur Dienstordnung keine neuen Aspekte, jedoch bestätigt die Betonung der Aspekte Schulentwicklung & Qualitätsprogramm sowie Beratung und Konfliktmanagement die bei Betrachtung der Dienstordnung anvisierten Erweiterungen der Schulleiterrolle unter diesem Vorzeichen. Schulische Inklusion als Aspekt der Schulentwicklung fordert hier die Schulleitung zur Initiative auf

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und die Beratung von Lehrkräften, Schülerinnen und Schülern sowie Eltern wird mutmaßlich umfangreicher und vielfältiger in den Fragestellungen. 4.4.3.4 Qualitätsmerkmale von Schulleitung im ORS Der Orientierungsrahmen Schulqualität des Landes Rheinland-Pfalz (MBWJK, 2009, S. 11–13)18 gliedert diese Aufgaben in die Bereiche Führung, Personalentwicklung und schulisches Management und definiert jeweils Qualitätsindikatoren (siehe Abbildung 4.3). An diesen Indikatoren, die sich im Wesentlichen mit den in Kapitel 2 dieser Arbeit vorgestellten Merkmalen „guter“ Schulleitung decken, soll sich Schulleitungshandeln in internen und externen Evaluationen der Schule messen lassen. 4.4.3.5 Ableitungen zur formalen Rolle der Schulleitung an Schwerpunktschulen Die Analyse der einschlägigen Dokumente zeigt, dass sich die Rolle und das Aufgabenspektrum von Schulleitungen an Schwerpunktschulen und allgemeinen Schulen, die nicht Schwerpunktschule sind, nicht grundsätzlich unterscheidet. Vielmehr ergeben sich an unterschiedlichen Stellen Erweiterungen innerhalb bestehender Aufgaben oder diese werden komplexer in ihrer Ausgestaltung. Ferner übernehmen Schulleiterinnen und Schulleiter an Schwerpunktschulen teilweise Aufgaben, die zuvor ausschließlich von Schulleitern an Förderschulen wahrgenommen wurden, wodurch sich die Notwendigkeit inhaltlicher Fortbildung und Information für die Schulleiterinnen und Schulleiter ergibt. Wie genau sich das Aufgabenspektrum im Detail ändert, wie diese Aufgaben erfüllt werden können und ob die bestehenden Rahmenbedingungen, insbesondere Ressourcen / Entlastungsstunden, dafür hinreichend sind, ergibt sich nicht aus den analysierten Dokumenten. Hierzu bedarf es der nachfolgenden empirischen Auseinandersetzung mit dem tatsächlichen Berufsalltag der Schulleiterinnen und Schulleiter.

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Hier wird die zum Zeitpunkt der Untersuchung gültige Fassung verwendet. Im Jahr 2017 fand eine Überarbeitung des Orientierungsrahmens statt.

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„Die Schulleiterin oder den Schulleiter erwartet ein breit gefächertes Aufgabenfeld; es beinhaltet vor allem die pädagogische, organisatorische und personalwirtschaftliche Leitung und Weiterentwicklung der Schule. Zu den Kernaufgaben gehören insbesondere: • Durchführung des Bildungs- und Erziehungsauftrages der Schule, • Initiierung, Umsetzung und Evaluation von Maßnahmen zur Schulentwicklung und Qualitätssicherung, insbesondere Weiterentwicklung des Qualitätsprogramms, • Moderation sowohl von Abstimmungen als auch von Prozessen und deren Steuerung, • Beratung, Unterstützung und Führung der Lehrkräfte bei ihrer pädagogischen Arbeit, • Beratung und Unterstützung der Schülerinnen und Schüler sowie der Eltern, • Kooperation mit dem Schulträger, außerschulischen Partnern und Schulaufsicht, • Umsetzung von Personalentscheidungen, die der Schule übertragenen (sic!) wurden, und Mitwirkung an weiteren Personalmaßnahmen, • Konfliktregelung, • Führung der laufenden Verwaltungsgeschäfte, • Repräsentieren der Schule. Durch die Aufzählung der Kernaufgaben ist keine Priorität festgelegt. Von den Bewerberinnen und Bewerbern werden folgende Kompetenzen erwartet: • Fach- und Sachkompetenz (vor allem fundierte Kenntnisse über die Qualität von Unterricht und über angemessenes erzieherisches Handeln; Fähigkeit, die Schule zu verwalten und Verwaltung zur Förderung und Entwicklung der Schule einzusetzen), • Sozial- und Kommunikationskompetenz (vor allem die ausgeprägte Fähigkeit zum Kommunizieren und Kooperieren mit schulischen und außerschulischen Gremien sowie Institutionen; Kritik- und Konfliktfähigkeit), • Führungskompetenz (vor allem die Fähigkeit, das kreative Potenzial eines Kollegiums zu erkennen, zu nutzen und zu fördern), • Prozess-, Teamentwicklungs- und Steuerungskompetenz (neue und bekannte Abläufe und Prozesse selbstständig und eigenverantwortlich unter Berücksichtigung neuer Prinzipien steuern und gestalten; Fähigkeit zu strategischem Denken und Handeln), • Medienkompetenz (insbesondere in den Bereichen der informations- und kommunikationstechnologischen Anwendungen, Schulverwaltungssoftware und Unterrichtssoftware).“

Abb. 4.2: Allgemeines Stellen- und Anforderungsprofil für die Schulleiterin und den Schulleiter (MBWWK, o. J.)

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Führung • Steuerung des schulischen Qualitätsmanagements im Führungshandeln • Verbindlichkeit im Leitungshandeln • Partizipation im Leitungshandeln Personalentwicklung • Personalauswahl (Abstimmung Personalauswahl mit schulischen Schwerpunkten / Qualitätsprogramm / pädagogischen Zielen, schulscharfe Ausschreibung) • Förderung einer kooperativen Teamkultur • Professionelle Weiterentwicklung des schulischen Personals • Fortbildungskonzept Schulisches Management • Personaleinsatz und Unterrichtsverteilung • Schulische Ablaufplanung • Sachgemäße Verwaltung der Ressourcen • Öffentlichkeitsarbeit der Schule

Abb. 4.3: Aufgaben der Schulleitung im Orientierungsrahmen Schulqualität (vgl. MBWJK, 2009, S. 11– 13)

4.4.4 Gelingensbedingungen und die Rolle der Schulleitung aus Sicht der Akteure Die Entwicklung des inklusiven Unterrichts an Schwerpunktschulen wurde in den Jahren 2011–2015 im Rahmen des Forschungsprojekts „Gelingensbedingungen des Gemeinsamen Unterrichts an rheinland-pfälzischen Schwerpunktschulen (GeSchwind)“ (Ergebnisbericht: Laubenstein, Lindmeier, Guthöhrlein & Scheer, 2015) evaluiert. Aus den sehr umfangreichen und detaillierten Befunden lassen sich insbesondere die nachfolgenden Gelingensbedingungen und hemmenden Bedingungen für inklusive Entwicklungen ableiten (Laubenstein, Scheer, Lindmeier & Guthöhrlein, 2015), nicht im Sinne von Kausalbeziehungen, sondern im Sinne von Rahmenbedingungen, die, bei vorliegendem Gestaltungswillen, unterstützen oder hemmen können: • Als eine wichtige, jedoch nicht bestimmende Gelingensbedingung aus Sicht der Akteure erscheint die persönliche intrinsische Motivation, sich Veränderungen zu öffnen. In der Online-Erhebung gaben zwar lediglich 23 % der Schulen an, dass die Lehrkräfte in die Initiative zur Ernennung als Schwerpunktschule einbezogen gewesen seien (Laubenstein, Lindmeier, Guthöhrlein & Scheer, 2015, S. 129), dennoch werden positive Veränderungen von Haltungen und Einstellungen berichtet (Laubenstein, Lindmeier, Guthöhrlein &

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Scheer, 2015, S. 156). Gleichzeitig wurde überwiegend angegeben, dass sich negative Erwartungen meist nicht bestätigt hätten (Laubenstein, Lindmeier, Guthöhrlein & Scheer, 2015, S. 160, 246–247). Dass die Veränderung in Haltungen sich dann positiv entwickeln, wenn die Lehrkräfte sich im inklusiven Unterricht als (selbst-)wirksam erleben, ergaben die Gruppendiskussionen der dritten Erhebungsphase (z. B. Laubenstein, Lindmeier, Guthöhrlein & Scheer, 2015, S. 254–255). • Eine weitere wichtige Gelingensbedingung ist die Möglichkeit, in einem konstanten Team zu arbeiten. In Anbetracht knapper Ressourcen stellt sich die Sicherstellung dieser Bedingung als eine herausragende Aufgabe für Schulleitung dar (Laubenstein, Lindmeier, Guthöhrlein & Scheer, 2015, S. 299). • Ferner zeigt sich, dass es bei der Vorbereitung neuer Schwerpunktschulen kein Patentrezept gibt, sondern dass vielmehr eine an den Bedürfnissen der einzelnen Schule orientierte Vorbereitung mit ausreichendem Vorlauf benötigt wird (Laubenstein, Lindmeier, Guthöhrlein & Scheer, 2015, S. 130–137). Als Gegenpol zu Gelingensbedingungen konnte die wissenschaftliche Evaluation im Projekt GeSchwind auch Bedingungen herausarbeiten, die für die Entwicklung inklusiver Strukturen, Kulturen und Praktiken eher hemmend oder gar hinderlich erscheinen: • Von politischer Seite wurde den Schulen kein eindeutiges inhaltliches Konzept vorgegeben, das über die Eckpunkte im Kompendium hinausgeht (dieses wurde selbst erst fast zehn Jahre nach Start der ersten Schwerpunktschulen veröffentlicht). Dies ist zwar vor dem Hintergrund eines Ansatzes von erweiterter Schulautonomie zu sehen, bereitet Lehrkräften und Schulen aber teilweise auch Schwierigkeiten bei der konkreten Umsetzung ihres Auftrags als Schwerpunktschule (z. B. Laubenstein, Lindmeier, Guthöhrlein & Scheer, 2015, S. 301, 258). Zudem kann dies dazu führen, dass die Richtung der Entwicklung einer Einzelschule davon abhängig ist, welche Sichtweisen durch die zuständigen Schulaufsichtsreferentinnen und -referenten sowie Inklusionsfachberaterinnen und -berater oder in Fortbildungen an die Schule herantragen werden. Denn dass diese Sichtweisen durchaus variieren können, zeigen die Ergebnisse aus Experteninterviews (z. B. Laubenstein, Lindmeier, Guthöhrlein & Scheer, 2015, S. 96–97).

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• Insbesondere können Schwierigkeiten in der inklusiven Schulentwicklung auftreten, wenn eine Schule nicht freiwillig, sondern per Anweisung top-down mit inklusivem Unterricht beauftragt wird wird (z. B. Laubenstein, Lindmeier, Guthöhrlein und Scheer, 2015, S. 247, 259, aber auch Amrhein, 2011). Dass dies beim Aufbau eines flächendeckenden Systems eine Notwendigkeit sein kann, ist selbstverständlich, wie auch die Ergebnisse der Online-Erhebung im Rahmen von GeSchwind zeigen (Laubenstein, Lindmeier, Guthöhrlein & Scheer, 2015, S. 129). Jedoch zeigt die Online-Erhebung, dass die Mehrheit der teilnehmenden Schwerpunktschulen (68 %) weniger als 8 Monate bzw. ein großer Teil (36 %) sogar weniger als vier Monate Zeit zur Vorbereitung hatte und dass dies mit der selbst eingeschätzten Inklusivität zusammenzuhängen scheint (Laubenstein, Lindmeier, Guthöhrlein & Scheer, 2015, S. 129–130), sodass davon ausgegangen werden kann, dass die mit der Unfreiwilligkeit einhergehenden Widerstände nicht in einer ausreichend langen Vorbereitungsund Planungsphase aufgefangen werden können. • Eine weitere hemmende Bedingung ist, dass – zu Recht oder Unrecht lässt sich schwer konstatieren – die Zuweisung des Personals (und die Berechnung des Personalschlüssels) als intransparent erlebt wird (Laubenstein, Lindmeier, Guthöhrlein & Scheer, 2015, S. 299), obwohl es einigermaßen klar definierte Berechnungsgrundlagen gibt (Laubenstein, Lindmeier, Guthöhrlein & Scheer, 2015, S. 21–24) – anzumerken ist dazu jedoch, dass diese Berechnungsgrundlage einerseits einen gewissen Spielraum für die Schulaufsicht lässt (deren Entscheidungen dann möglicherweise als intransparent erlebt werden) und andererseits in Rheinland-Pfalz noch ein Mangel an Bewerberinnen und Bewerbern gerade im nördlichen Landesteil vorliegt. Jenseits dessen, ob diese Wahrnehmung der Lehrkräfte zutrifft, kann dies ein Anreiz sein, über die Regelung der Kommunikationswege innerhalb des Schulsystems zu reflektieren. Für die Steuerung von Entwicklungen und damit für die Rolle von Schulleitung an Schwerpunktschulen lassen sich daraus die folgenden vorläufigen Thesen ableiten, die deutlich machen, dass alle vier Führungsrahmen im Sinne des Modells von Bolman und Deal (2013) benötigt werden: 1. Schulleitung muss intrinsische Motivation für Veränderung im Kollegium wecken (Symbolic Frame, Political Frame).

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2. Schulleitung muss beim Personaleinsatz trotz knapper Ressourcen möglichst konstante Teams, sei es auf Klassen-, Jahrgangs- oder Stufenebene, ermöglichen (Structural Frame, Human-Resource Frame). 3. Schulleitung muss einerseits gegenüber der Schulaufsicht dafür einstehen, dass Schulen nicht kurzfristig als Schwerpunktschule beauftragt werden können und andererseits innerhalb des Kollegiums die Vorlaufzeit vor der Beauftragung dazu nutzen, Widerstände zu antizipieren (Political Frame) und Ängste abzubauen (Political Frame, Human-Resource Frame, Symbolic Frame). Diese allgemeinen Ableitungen spiegeln sich auch in den wenigen explizit auf Schulleitung bezogenen Befunden des Projekts GeSchwind wider, die bereits zu Beginn von Abschnitt 3.1 (siehe 75) angeführt wurden. 4.4.5 Ausbau der Schwerpunktschulen = Abbau räumlicher Separation? Neben den inhaltlich-konzeptionellen Aspekten des inklusiven Unterrichts an Schwerpunktschulen sowie Gelingensbedingungen aus Akteurssicht stellt sich auch die Frage nach bildungsstatistischen Entwicklungen der inklusiven Beschulung. Die Berücksichtigung schulischer Inklusion in der Bildungsberichterstattung kann dabei als eine große Herausforderung gesehen werden, die durchaus auf kontroverse Positionen trifft (Hillenbrand, 2013, S. 359). Trotz erheblicher Probleme, die derzeit genutzte statistische Indikatoren mit sich bringen (Dworschak, 2017; Hillenbrand, 2013), stellt der „Rückgriff auf die Bildungsstatistik (...) dennoch bisher die einzige mögliche Form einer Generierung von näherungsweise zuverlässigen Daten dar“ (Hillenbrand, 2013, S. 363). Aus diesem Grund werden hier begleitend zu den qualitativ-inhaltlichen Befunden zur Inklusion in Rheinland-Pfalz ergänzend statistische Befunde zusammengefasst. 4.4.5.1 Probleme bildungsstatistischer Daten im Zusammenhang mit Inklusion Ein erstes und sehr bedeutsames Problem bildungsstatistischer Analysen ist eine unklare Definition von Behinderung und sonderpädagogischem Förderbedarf. So haben die KMK-Empfehlungen von 1994 den Begriff der Behinderung durch den Begriff des sonderpädagogischen Förderbedarfs abgelöst (Dworschak, 2017, S. 32). Im Zusammenhang mit dieser Begrifflichkeit ergeben sich mehrere Probleme: Einerseits definieren die Bundesländer sonderpädagogischen Förderbedarf sowie

136

4 Schulische Inklusion in Rheinland-Pfalz

damit verbundene Diagnosekriterien sehr unterschiedlich, wie sich beispielsweise für den Förderschwerpunkt Motorische Entwicklung aus der Untersuchung von Scholz, Wagner und Negwer (2016) ableiten lässt. Dies bedingt dann wiederum sehr unterschiedliche Quoten an Schülerinnen und Schülern, die als Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf gefasst werden. Andererseits zeigen Untersuchungen, in denen empirische Kriterien – wie beispielsweise Indikatoren der Klassifikationssysteme ICD oder DSM – genutzt werden, dass die Prävalenzraten von Störungsbildern, die sich sonderpädagogischem Förderbedarf zuordnen ließen, deutlich höher liegen als die Quote des tatsächlich festgestellten sonderpädagogischen Förderbedarfs (Hillenbrand, 2013, S. 361): Beispielsweise wird bei ca. 1 % der Schulpflichtigen ein Förderbedarf im Förderschwerpunkt Emotionale und Soziale Entwicklung festgestellt, während sich aus Untersuchungen zur psychischen Gesundheit eine Prävalenzrate von 14,7 % ergibt (Hillenbrand, 2013, S. 361). Ein anderes Problem der Vergleichbarkeit bildungsstatistischer Daten ergibt sich aus einer willkürlich erscheinenden Zuordung zu Kategorien der Indikatoren: So werden Kooperations- und Außenklassen in einigen Bundesländern der inklusiven Beschulungsform zugerechnet und in anderen Bundesländern der Förderschule (Hillenbrand, 2013, S. 362). Gleichzeitig weisen Bundesländer, in denen bei sonderpädagogischer Förderung an allgemeinen Schulen auf eine Ettikettierung als sonderpädagogisch förderbedürftig verzichtet wird, eine niedrigere Inklusions- bzw. Integrationsquote auf als Bundesländer, in denen jede Schülerin und jeder Schülerin, die / der individuell gefördert wird, als sonderpädagogisch förderbedürftig ausgewiesen wird (Hillenbrand, 2013, S. 362). Gerade der letztgenannte Aspekt weist auf ein Grundproblem der Debatte um Dekategorisierung hin (z. B. Dederich, 2015, 2016; Hinz & Köpfer, 2016). Denn Kategorisierungen erscheinen „unumgänglich, möchte man die Bildungsrealität und die Bildungswege von Kindern, die bislang sonderpädagogisch gefördert wurden, nachzeichnen, begleiten und vor allem aktiv durch gezielte Unterstützung flankieren.“ (Dworschak, 2017, S. 40)

4.4.5.2 Verwendete Begriffe In vielen bildungsstatistischen Analysen werden die Begriffe Inklusionsquote und Exklusionsquote sowie Inklusionsanteil und Exklusionsanteil verwendet (Hollenbach-Biele, 2016; Klemm, 2015). Diese Bezeichnung stellt eine inhaltliche Ver-

4.4 Inklusiver Unterricht an Schwerpunktschulen

137

Alle Schülerinnen und Schüler Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf

Separationsquote

Integrationsquote

Separationsanteil

Integrationsanteil

Anteil der Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf, die schulrechtlich einer Förderschule zugeordnet sind. Gerechnet an der Zahl aller Schülerinnen und Schüler.

Anteil der Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf, die schulrechtlich einer Allgemeinen Schule zugeordnet sind. Gerechnet an der Zahl aller Schülerinnen und Schüler.

Anteil der Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf, die schulrechtlich einer Förderschule zugeordnet sind. Gerechnet an der Zahl aller Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf.

Anteil der Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf, die schulrechtlich einer Allgemeinen Schule zugeordnet sind. Gerechnet an der Zahl aller Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf.

Förderquote Anteil der Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf, gerechnet an der Zahl aller Schülerinnen und Schüler. Summe aus Separations- und Integrationsquote.

Abb. 4.4: Verwendete bildungsstatistische Begriffe (Abbildung nach Dworschak, 2017, S. 33)

kürzung von Inklusion dar, da Inklusion mehr ist als die Platzierung. Gleichsam beinhaltet die Verwendung des Begriffs Exklusionsquote inhaltliche Fehler hinsichtlich des Begriffs Exklusion. Folgerichtig führt Dworschak (2017, S. 32) hierzu aus, dass die Häufigkeit der Platzierung in als inklusiv bezeichneten Organisationsformen lediglich das quantitative Ausmaß räumlicher bzw. struktureller Integration und räumlicher bzw. struktureller Separation wiedergebe. Gleichzeitig müsse die Exklusionsquote diejenigen Schülerinnen und Schüler erfassen, die von jeglicher Schulbildung ausgeschlossen sind, nicht diejenigen, deren Schulbildung in separierten Organisationsformen erfolgt (Dworschak, 2017, S. 33). Daher schlägt Dworschak (2017) vor, von Integrations- und Separationsquote bzw. -anteil zu sprechen. Diesem Vorschlag wird hier gefolgt, wie Abbildung 4.4 veranschaulicht. Wie oben beschrieben, beeinflussen unterschiedlich hohe Förderquoten in den verschiedenen Bundesländern die Separations- und Integrationsquoten. Um diese Verzerrung zumindest in Ansätzen auszugleichen, schlägt Dworschak (2017, S. 38) relationale Quoten vor, die am Bundesdurchschnitt relativiert werden (siehe Formeln 4.1 und 4.2).

138

4 Schulische Inklusion in Rheinland-Pfalz

Rel. Separationsquote

=

Förderquote Deutschland

Rel. Integrationsquote

=

Förderquote Deutschland

Förderquote Bundesland

Förderquote Bundesland

· Separationsquote Bundesland

(4.1)

· Integrationsquote Bundesland

(4.2)

Die angleichende Wirkung dieser Relativierung wird besonders deutlich, wenn man die Relationale Separationsquote und die Relationale Integrationsquote addiert, wodurch man die bundesweite Förderquote erhält. 4.4.5.3 Daten aus Rheinland-Pfalz im Bundesvergleich Tabelle 4.2 bildet die Entwicklung von Separations-, Integrations- und Förderquote sowie Integrationsanteil für Rheinland-Pfalz im Vergleich zur bundesweiten Entwicklung in der Zeitspanne von Schuljahr 2000/01 (Ernennung der ersten Schwerpunktschulen) bis zum Schuljahr 2016/17. Als Datenquelle konnte auf bereits vorgenommene Auswertungen (Dworschak, 2017; Hollenbach-Biele, 2016; Kemper & Goldan, 2018; Klemm, 2015, 2018) zurückgegriffen werden. Sichtbar wird, dass nahezu konsequent die Separationsquote über dem Bundesschnitt, die Integrationsquote hingegen unter dem Bundesschnitt liegt. Zugleich liegt die Förderquote durchgängig unter dem Bundesschnitt. Ebenso wie deutschlandweit ist – im Rahmen des Aufbaus von immer mehr Schwerpunktschulen erwartbar – ein Anstieg der Integrationsquote zu beobachten. Während jedoch im Bundesschnitt die Separationsquote minimal absinkt, ist innerhalb von Rheinland-Pfalz ein Anstieg beobachtbar. Sowohl in Rheinland-Pfalz als auch bundesweit führt diese Entwicklung zu einem Anstieg der Förderquote. Auch in der ansatzweise bereinigten Zeitreihe (relationale Quoten) ergibt sich ein ähnlich deutliches Bild. Damit lässt sich konstatieren, dass der Ausbau von als inklusiv bezeichneten Strukturen in Rheinland-Pfalz keineswegs zu einem Abbau separierender Strukturen führt – im Gegenteil ist eher ein Anstieg des Förderschulbesuchs zu beobachten. Der steigende Integrationsanteil, bildungspolitisch häufig als Indikator für erfolgreiche Inklusion herangezogen, ergibt sich folglich eher aus einer Ausweitung sonderpädagogischer Diagnosen als aus einem Mehr an struktureller Integration. Diese Entwicklung kann einerseits als Folge eines Etikettierungs-Ressourcen-Dilemmas

4.5 Weitere Aktivitäten der Landesregierung

139

oder sonderpädagogischer Ausweitungstendenzen gewertet werden, andererseits auch als eine Folge wachsender Bewusstheit für die Notwendigkeit individueller Förderung. Denn: Nicht außer Acht gelassen werden darf die oben angesprochene Prävalenz relevanter Störungsbilder, die individueller Unterstützung bedürfen, die deutlich über der Förderquote liegt. Damit kann neben der Problematik des nicht festzustellenden Rückgangs separierter Förderung auch positiv formuliert werden, dass mehr Kindern, die bislang mit ihren Problemen allein gelassen wurden, eine individuelle Unterstützung angeboten wird. r Ein weiterer bildungsstatistischer Indikator für den Ausbau schulischer Inklusion ist nach Kemper und Goldan (2018) die Quote derjenigen Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf, die mindestens einen Hauptschulabschluss erreichen. Diese geben Kemper und Goldan (2018) im Abgangsjahr 2016 bezogen auf Rheinland-Pfalz mit 25,3 % für Schülerinnen und Schüler an Förderschulen sowie mit 51,1 % für Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf an allgemeinen Schulen (Bundesvergleich: 27,7 % bzw. 49,6 %) an. Nur bezogen auf den Förderschwerpunkt Lernen lag demnach die Abschlussquote bei 27,9 % für Schülerinnen und Schüler an Förderschulen und bei 50,7 % für Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf an allgemeinen Schulen (Bundesvergleich: 27,7 % bzw. 28,7 %). Damit kann zwar konstatiert werden, sowohl insgesamt als auch spezifisch für den Förderschwerpunkt Lernen, dass Schülerinnen und Schüler an Förderschulen in Rheinland-Pfalz zwar etwas seltener direkt einen Hauptschulabschluss erwerben als im bundesweiten Vergleich. Bezüglich des erfolgreichen Schulabschlusses von Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf an allgemeinen Schulen liegt Rheinland-Pfalz jedoch insgesamt leicht, bezogen auf den Förderschwerpunkt Lernen sogar deutlich über dem bundesweiten Durchschnitt. Allerdings, ebenso wie bei der Integrationsund der Förderquote, ist nicht auszuschließen, dass auch hier Länderunterschiede in den Kriterien zur Feststellung sonderpädagogischen Förderbedarfs die Unterschiede beeinflussen. 4.5 Weitere Aktivitäten der Landesregierung seit Ratifizierung der UNBehindertenrechtskonvention Zum Zeitpunkt der Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention (2009) konnte Rheinland-Pfalz für deren Umsetzung im schulischen Kontext bereits auf viel-

3,9 % 4,8 % 5,1 %

0,5 % 0,8 % 0,6 %

4,4 % 5,7 % 11,4 % 14,0 %

3,6 %

4,6 % 4,7 %

0,5 %

0,7 % 0,6 %

4,1 %

5,3 % 12,2 %

13,2 %

2005 / 06

18,3 %

6,0 % 17,8 %

4,5 %

1,1 % 1,1 %

0,8 %

4,9 % 5,1 %

3,8 %

2008 / 09

19,4 %

6,2 % 19,1 %

4,7 %

1,2 % 1,2 %

0,9 %

5,0 % 5,0 %

3,8 %

2009 / 10

6,4 % 22,4 % 25,0 %

21,9 %

4,9 %

1,6 % 1,4 %

1,1 %

4,8 % 5,0 %

3,8 %

2011 / 12

6,4 % 21,3 %

4,7 %

1,4 % 1,4 %

1,0 %

4,9 % 5,2 %

3,8 %

2010 / 11

Anm.: Abweichungen bei Summenbildung resultieren aus Rundungseffekten

RheinlandPfalz Deutschland RheinlandPfalz (relational) Integrations- Rheinlandquote Pfalz Deutschland RheinlandPfalz (relational) Förderquote RheinlandPfalz Deutschland Integrations- Rheinlandanteil Pfalz Deutschland

Separationsquote

2000 / 01

28,8 %

6,6 % 25,5 %

5,1 %

1,9 % 1,7 %

1,3 %

4,8 % 5,0 %

3,9 %

2012 / 13

30,9 %

6,8 % 25,9 %

5,4 %

2,1 % 1,8 %

1,4 %

4,7 % 4,9 %

3,9 %

2013 / 14

34,3 %

7,0 % 28,6 %

5,6 %

2,4 % 2,0 %

1,6 %

4,6 % 5,0 %

4,0 %

2014 / 15

37,7 %

7,1 % 30,6 %

5,8 %

2,7 % 2,2 %

1,8 %

4,4 % 4,9 %

4,0 %

2015 / 16

39,3 %

7,1 % 31,3 %

5,8 %

2,8 % 2,2 %

1,8 %

4,3 % 4,9 %

4,0 %

2016 / 17

Tab. 4.2: Entwicklung der Förder-, Separations- und Integrationsquote in Rheinland-Pfalz im Vergleich zur bundesdeutschen Entwicklung (Datenquellen: Dworschak, 2017; Hollenbach-Biele, 2016; Kemper & Goldan, 2018; Klemm, 2015, 2018)

140 4 Schulische Inklusion in Rheinland-Pfalz

4.5 Weitere Aktivitäten der Landesregierung

141

fältige Erfahrungen der 1980er- und 90er-Jahre zurückgreifen. Ferner bestanden die Schwerpunktschulen als Regelmodell des Gemeinsamen Unterrichts bereits seit fast zehn Jahren, sodass die Landesregierung bereits im Folgejahr (2010) einen konzeptionellen Plan (Aktionsplan der Landesregierung) zur weiteren Umsetzung vorlegen konnte. Insgesamt zeigt sich dabei für den schulischen Bereich, dass die Landesregierung den eingeschlagenen Weg über die Schwerpunktschulen als Weg zu einem inklusiven Schulsystem sieht und weiterverfolgt. Weiterhin hält das Land an einem Förderschulsystem fest, das die Wahlmöglichkeit für Eltern von Schülerinnen und Schülern mit Behinderung garantieren soll. Mit der Einführung sonderpädagogischer Förder- und Beratungszentren soll zudem die Möglichkeit geschaffen werden, allgemeinen Schulen, die keine Schwerpunktschule sind, Beratungs- und Unterstützungsangebote anzubieten, die sich sowohl auf die Teilhabe von Schülerinnen und Schülern mit Behinderungen (ohne festgestellten sonderpädagogischen Förderbedarf) als auch auf (präventive) integrierte Fördermaßnahmen beziehen. 4.5.1 Aktionsplan der Landesregierung zur Umsetzung der UNBehindertenrechtskonvention (2010) Im Jahr 2010 verabschiedete die Landesregierung einen Aktionsplan zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention (MASGFF, 2010). Dieser war untergliedert in die verschiedenen Bereiche von Leben und gesellschaftlicher Teilhabe. Im Bereich schulische Bildung wurden neben einem kontinuierlichen Ausbau des Schwerpunktschulsystems, externer Evaluation der Schwerpunktschulen sowie Aufklärung und Information von Eltern und Öffentlichkeit auch die barrierefreie Umgestaltung von Schulen, Umsetzungshilfen für Nachteilsausgleiche sowie die Verankerung von Inklusion in der Lehrkräfteaus- / -fort- und -weiterbildung vorgesehen. 4.5.2 Ministerratsbeschluss zur Weiterentwicklung der Inklusion im schulischen Bereich (2013) Im Januar 2013 wurde per Ministerratsbeschluss (MBWWK, 2013) ein Landeskonzept zur Weiterentwicklung der Inklusion im schulischen Bereich verabschiedet. Wesentliche Punkte sind: 1. Ermöglichung eines uneingeschränkten Wahlrechts für Eltern von Kindern und Jugendlichen mit Behinderung 2. Weiterentwicklung von Förderschulen zu Förder- und Beratungszentren 3. Fortsetzung des inklusiven Unterrichts im berufsbildenden Bereich

142

4 Schulische Inklusion in Rheinland-Pfalz

4. Entwicklung eines Konzepts für Öffentlichkeitsarbeit sowie Information und Partizipation der Beteiligten 4.5.3 Schulgesetznovelle (2014) In der Novellierung des Schulgesetzes 2014 wurde der Begriff Inklusion erstmals in die rheinland-pfälzische Schulgesetzgebung eingeführt. Dass hierbei eine ausschließliche Fokussierung auf die Differenzkategorie Behinderung stattfindet, während beispielsweise im Zusammenhang mit Migration weiter von Integration gesprochen wird, wurde bereits in der Einleitung angesprochen. Wesentliche Neuerungen im Zusammenhang mit schulischer Inklusion (gemessen an diesem Inklusionsverständnis) sind: 1. Aufhebung des Ressourcenvorbehalts für den Gemeinsamen Unterricht mit Verankerung eines vorbehaltlosen Elternwahlrechts (§ 1 Abs. 3 SchulG) 2. Rechtliche Verankerung der Schwerpunktschule als vorrangiges Modell des Gemeinsamen Unterrichts (§ 14a SchulG) 3. Einführung des Begriffs der sonderpädagogischen Förder- und Beratungszentren (§ 12 Abs. 2 SchulG): „Förderschulen können auf der Grundlage eines pädagogischen Konzepts zu Förder- und Beratungszentren weiterentwickelt werden. Diese bieten zusätzlich qualifizierte sonderpädagogische Beratung und Unterstützung bei der Umsetzung des inklusiven Unterrichts, insbesondere bei der individuellen Förderplanung für die einzelnen Schülerinnen und Schüler. Sie wirken auf die Vernetzung und den fachlichen Austausch von Förderschulen und allgemeinen Schulen sowie mit außerschulischen Einrichtungen und Institutionen gemäß § 19 hin.“

4. Einführung einer Experimentierklausel (§ 109a SchulG), die den rechtlichen Rahmen für die Erprobung innovativer Konzepte aus der Praxis heraus schafft. Diese Experimentierklausel wird derzeit für die Erprobung des inklusiven Unterrichts an fünf berufsbildenden Schulen genutzt (Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie [MSAGD], 2015, S. 31). 4.5.4 Landesaktionsplan zur Umsetzung der UNBehindertenrechtskonvention (2015) Im Jahr 2015 wurde der Aktionsplan als Landesaktionsplan zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention (MSAGD, 2015) fortgeschrieben. Im Bereich der schulischen Bildung werden im Wesentlichen die Maßnahmen des vorangegangenen

4.5 Weitere Aktivitäten der Landesregierung

143

Aktionsplans perpetuiert; die externe Evaluation des Schwerpunktschulsystems wird als Forschungsprojekt „Gelingensbedingungen des Gemeinsamen Unterrichts an Schwerpunktschulen der Sekundarstufe I“ mit einer Laufzeit bis Ende 2017 festgeschrieben. In der im Landesaktionsplan verankerten Stellungnahme hebt der Landesbeirat zur Teilhabe behinderter Menschen positiv hervor, dass die vorgesehenen Maßnahmen dem verankerten vorbehaltlosen Elternwahlrecht in wichtigen Punkten Rechnung tragen (MSAGD, 2015, S. 52). Kritisch merkt der Landesbeirat jedoch an, dass erstens der weitere Ausbau der Schwerpunktschulen vom Wahlverhalten der Eltern abhängig gemacht werde, dass zweitens das Wahlrecht für den inklusiven Unterricht nicht auf den Schulstandort bezogen sei, sondern nur auf die Art der Beschulung (allgemeine Schule oder Förderschule), und dass drittens den meisten Maßnahmen keine Haushaltsrelevanz eingeräumt werde (MSAGD, 2015, S. 53). Das könne laut Landesbeirat zur Folge haben, dass das Elternwahlrecht eher zu einer Stabilisierung des Status quo als zu einer Weiterentwicklung der Inklusion führen könne. Für eine tatsächliche Weiterentwicklung schulischer Inklusion sieht der Beirat eine unabhängige Elternberatung sowie eine Anpassung des Verfahrens zur Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfs als notwendig an (MSAGD, 2015, S. 53). Im Zusammenhang mit der Einrichtung sonderpädagogischer Förder- und Beratungszentren mahnt er höhere Ausbildungskapazitäten im Bereich des sonderpädagogischen Lehramts, vor allem die Einrichtung von Ausbildungsstätten in den Förderschwerpunkten Sehen sowie Hören und Kommunikation an (MSAGD, 2015, S. 54). 4.5.5 Gesetz zur Lehrkräftebildung (2015) Mit dem Ende 2015 verabschiedeten Gesetz zur Stärkung der inklusiven Kompetenz und der Fort- und Weiterbildung von Lehrkräften (IKFWBLehrG19 ) legt das Land fest, dass Inklusion eine allgemeinpädagogische Aufgabe aller Schulen ist (§ 1 IKFWBLehrG). Eine Festlegung auf die von der KMK empfohlenen Lehramtstypen erfolgt lediglich implizit durch den Duktus der enthaltenen curricularen Standards, wodurch einem zukünftigen Professionsabbau durch Aufweichung spezifischer Lehramtstypen der Weg geöffnet sein kann. Der Begriff „anschlussfähige allgemeinpädagogische und sonderpädagogische Basiskompetenzen für den Umgang 19

Gesetz zur Stärkung der inklusiven Kompetenz und der Fort- und Weiterbildung von Lehrkräften (IKFWBLehrG) vom 27. November 2015

144

4 Schulische Inklusion in Rheinland-Pfalz

mit Vielfalt in der Schule“ (Kultusministerkonferenz & Hochschulrektorenkonferenz [KMK & HRK], 2015, S. 3), auf den sich KMK und HRK einigten, wird gar zugunsten einer sehr allgemeinen Beschreibung von Lehrkräftebildung gänzlich ausgelassen: „Pädagogische und didaktische Basisqualifikationen, insbesondere in den Themenbereichen Umgang mit Heterogenität und Inklusion sowie Grundlagen der Förderdiagnostik, sind Gegenstand der Lehrkräftebildung.“ (§ 2 Abs. 1 Satz 2 IKFWBLehrG) Gerade diese beiden Öffnungen wurden im Rahmen der Expertenanhörung des zuständigen Ministeriums zum Gesetzgebungsverfahren in der Expertise des Verbands Sonderpädagogik kritisiert (Verband Sonderpädagogik Rheinland-Pfalz, 2015, S. 15–16). Wesentlicher Aspekt des Gesetzes ist, dass prinzipiell alle Lehrämter für die Aufgaben in einem inklusiven Schulsystem qualifiziert werden sollen. In diesem Zusammenhang wird eine Fortbildungspflicht für alle Lehrkräfte (§ 9 IKFWBLehrG) in Verbindung mit der Pflicht zur Führung eines Fortbildungsportfolios (§ 10 IKFWBLehrG) eingeführt. Eine verpflichtende Fortbildung zu den Themengebieten „Umgang mit Heterogenität“ und „Inklusion“ ist jedoch nicht explizit vorgesehen. 4.6 Zwischenfazit zur inklusiven Schulentwicklung in Rheinland-Pfalz unter Berücksichtigung der formalen Schulleiterrolle Insgesamt zeigen die vorgestellten Analysen, dass die Entwicklungen in RheinlandPfalz sehr differenziert betrachtet werden müssen. Die Rechtsdokumente sowie der Landesaktionsplan zeigen ein Bewusstsein für die Notwendigkeiten eines inklusiven Schulsystems einerseits und die gleichzeitige Notwendigkeit gezielter Unterstützungsmaßnahmen, die derzeit teilweise nur in separierten spezialisierten Settings geboten werden können. Die aufgeführten und eingeleiteten Maßnahmen scheinen qualitativ ferner geeignet, um in der Breite ein erhöhtes Bewusstsein in der Bevölkerung zu schaffen. Gleichzeitig führt dies quantitativ derzeit noch nicht zu einem Rückgang von räumlicher bzw. struktureller Separation. Aus den Forschungsbefunden geht hervor, dass derzeit vor allem Schülerinnen und Schüler von den Entwicklungen profitieren, die auch bislang relevante Schwierigkeiten mit schulischem Lernen hatten, jedoch nicht im Blickfeld sonderpädagogischer Unterstützung waren. Gestützt wird diese These, wenn man zusätzlich die Integrationsanteile getrennt nach Förderschwerpunkten betrachtet. Scheer et al. (2015b,

4.6 Zwischenfazit zur inklusiven Schulentwicklung in Rheinland-Pfalz

145

S. 273) stellen für die Zeit von 2000 bis 2011 fest, dass ein steigender Integrationsanteil vor allem im Förderschwerpunkt Lernen zu beobachten ist, während in den Förderschwerpunkten Motorische Entwicklung sowie Ganzheitliche Entwicklung nach einem kleinen Anstieg zu Beginn der 2000er-Jahre eine Stagnation mit leichten Schwankungen zu beobachten ist und im Förderschwerpunkt Emotionale und Soziale Entwicklung sogar ein nahezu konstanter Rückgang des Integrationsanteils verbucht wird. So ergibt sich, dass lediglich im Förderschwerpunkt Lernen ein Anstieg von ca. 6 % Integrationsanteil zu ca. 26 % Integrationsanteil zu beobachten ist, während die anderen hier genannten Förderschwerpunkte allesamt im einstelligen Bereich verbleiben. Gerade diese Entwicklung bereitet hinsichtlich des Förderschwerpunkts Emotionale und Soziale Entwicklung die Sorge, dass die Förderschule zu einer „Restschule“ werden könnte (Scholz et al., 2016). Diese Sorge stützt sich auch darauf, dass an Förderschulen mit dem Förderschwerpunkt Motorische Entwicklung der Anteil von Schülerinnen und Schülern im Bildungsgang Ganzheitliche Entwicklung von 25,6 % im Jahr 1982 auf 74,7 % im Jahr 2014 anstieg, während der Anteil der Schülerinnen und Schüler in einem Bildungsgang der allgemeinen Schule im gleichen Zeitraum von 32,7 % auf 5,8 % absank (Scholz et al., 2016, S. 287). Gleichzeitig verweisen die Autoren jedoch darauf, dass in Rheinland-Pfalz seit längerer Zeit Schülerinnen und Schüler mit einer körperlichen Beeinträchtigung nicht automatisch einen sonderpädagogischen Förderbedarf zugeschrieben bekommen (Scholz et al., 2016, S. 289–290). So können nicht beobachtbare Integrationsanteile gerade eine Folge von Dekategorisierung und Deetikettierung sein. Dennoch bewertet diese Untersuchung die Entwicklung der Integrationsanteile wie folgt: „Sie zeigt, dass vor allem Schülerinnen und Schüler mit dem Förderschwerpunkt Motorische Entwicklung wenig bis gar nicht in die aktuellen Entwicklungen hin zu inklusiveren Schulen involviert sind. Hierbei besteht die Gefahr, dass sich eine Restgruppe scheinbar nicht inkludierbarer Kinder und Jugendlicher herausbildet, die dann an der Schule mit dem Förderschwerpunkt Motorische Entwicklung beschult wird.“ (Scholz et al., 2016, S. 290)

Auch für den Förderschwerpunkt Ganzheitliche Entwicklung lassen sich diese Befürchtungen teilen, da dieser im Kontext Inklusion als eine besondere Herausforderung erlebt wird (Laubenstein, Lindmeier, Scheer & Guthöhrlein, 2017, S. 137). Dennoch zeigt sich, dass die Schwerpunktschulen sich dieser Herausforderung oftmals mit viel Engagement und hoher Bereitschaft stellen, jedoch auf die Notwendig-

146

4 Schulische Inklusion in Rheinland-Pfalz

keit des Vorhandenseins von hoher fachlicher Expertise sowie multiprofessioneller Teamstrukturen (zu denen auch therapeutische Berufe zählen) verweisen (Laubenstein, Lindmeier, Scheer & Guthöhrlein, 2017, S. 137). Diese Expertise bereitzustellen und nicht abzubauen stellt in Zukunft, gerade hinsichtlich der zu geringen Ausbildungskapazitäten in den Förderschwerpunkten Motorische Entwicklung und Ganzheitliche Entwicklung spätestens beim Übergang in den Vorbereitungsdienst, eine große Herausforderung dar. In Bezug auf die weiteren Entwicklungen zeigen die vorgestellten Befunde, dass in anbetracht der Herausforderungen, die sich stellen, der Schulleitung eine bedeutsame Rolle zukommt. Dies beschreiben auch die im Rahmen von GeSchwind befragten Akteure aus Schulaufsicht, Beratungssystem und Lehrerkollegien: „Generell wird den Schulleitungen eine zentrale Funktion bei der Umsetzung des erweiterten pädagogischen Auftrags (...) zugeschrieben. Sie seien es, die den Prozess initiieren und das Kollegium mitnehmen müssen; und ihnen komme die ganz entscheidende Aufgabe zu, durch Schulkonzepte und Maßnahmen der Unterrichtsentwicklung Strukturen für den Gemeinsamen Unterricht zu legen. Diese Einschätzung deckt sich mit den wenigen, meist aus dem internationalen Raum stammenden, Forschungsergebnissen zur Funktion und zu den Aufgaben der Schulleitungen im Rahmen der inklusiven Schulentwicklung (vgl. Hillenbrand / Melzer / Hagen 2013; Scheer / Laubenstein / Lindmeier 2014).“ (Laubenstein, Lindmeier, Guthöhrlein & Scheer, 2015, S. 77)

Jedoch lässt sich diese Rolle auf formaler Ebene nur vage aus den rechtsverbindlichen Dokumenten ableiten. Sowohl die inhaltliche Beschreibung der formalen Aufgaben als auch weiterführende Fragen zur Schulleiterrolle, zu den Handlungsmöglichkeiten und zum Einfluss der Schulleitung lassen sich weder anhand der Rechtsvorschriften noch anhand der allgemeinen Forschungsbefunde zur Schwerpunktschule adäquat beschreiben, sodass ein empirischer Zugang notwendig ist. Eines jedoch macht bereits die hier erfolgte theoretische Auseinandersetzung mit der Schulleiterrolle deutlich: Es scheint im Wesentlichen nicht eine „inklusive“ Schulleitung zu geben, sondern „gute“ Schulleitung – und der erweiterte pädagogische Auftrag schulischer Inklusion kann als Katalysator gesehen werden, anhand dessen sichtbar wird, ob Schulleitung diese Rolle annimmt und ausfüllt.

5 Fragestellung der eigenen Untersuchung In den vorherigen Kapiteln konnte gezeigt werden, dass es sowohl im internationalen als auch im deutschsprachigen Raum Untersuchungen gibt, die den Einfluss von Schulleitungshandeln sowie deren Rollen- und Leitungsverständnisse beschreiben. Gerade hinsichtlich der Implementierungen von Innovation kommt Schulleitungen eine große Bedeutung zu. Im Kontext des Gemeinsamen Unterrichts von Schülerinnen und Schülern mit und ohne Beeinträchtigung liegen hierzu jedoch nur wenige Studien vor – im deutschsprachigen Raum beschränkt sich das Forschungsfeld derzeit auf Studien, in denen Schulleiterrolle und -einfluss lediglich Randvariablen darstellen. Es wird auf Basis der Forschungsbefunde davon ausgegangen, dass Schule sich besonders dann entwickeln kann, wenn Schulleitung zielbezogen führt, demokratische Partizipation in der Entscheidungsfindung sowie das Einbringen von Innovationen fördert und über Organisationskompetenz verfügt. Vor allem erscheinen dabei Techniken aus der transformationalen Leadership Erfolg versprechend, wenngleich hier Vorsicht angebracht ist, wenn man versucht, die Forschungsergebnisse aus dem angloamerikanischen Raum auf Deutschland zu übertragen. Ebenfalls hilfreich bei der Förderung von Innovation erscheint es, wenn – aufgrund der sachlichen Komplexität, die von einer einzelnen Person inhaltlich nicht beherrscht werden kann – Führung in Teilen dort entsteht, wo die entsprechende Sachkompetenz vorhanden ist, wenn also Elemente von Distributed Leadership in die Organisationsform von Schule einfließen. Für inklusive Schulen konnte bisher die Vermutung aufgestellt werden, dass Schulen eher inklusiv funktionieren, wenn Schulleitungen sich persönlich für ihre Kolleginnen und Kollegen einsetzen, Druck von ihnen abfedern und die Entwicklung als Lehrkraft unterstützen. Außerdem ist konsequentes Eintreten für das Ziel einer inklusiven Schule, Hartnäckigkeit in den Erwartungen an den Lernerfolg aller sowie ein datengestütztes Entscheiden, also die Verwendung ökonomischer Evaluationsinstrumente als förderlich für inklusive Entwicklung zu vermuten. Zugleich zeigt sich aber, dass hohe Unterrichtsdeputate bei Schulleitern und übermäßige Belastung mit Verwaltungsaufgaben eine eher hemmende Wirkung auf die Effektivität von Leitungshandeln haben.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 D. Scheer, Schulleitung und Inklusion, https://doi.org/10.1007/978-3-658-27401-6_5

148

5 Fragestellung der eigenen Untersuchung

Zugleich, losgelöst von der abstrahierten Perspektive auf inklusionsorientierte Schulentwicklung im Allgemeinen, birgt die Einbettung der Arbeit in das Forschungsprojekt GeSchwind einige spezifische Aspekte als Erkenntnisinteresse mit sich: Im Rahmen von GeSchwind wurden die Akteure auf verschiedenen Ebenen in den Forschungsprozess einbezogen, so auch – und dieser Teilbereich ist Gegenstand des hier dargestellten Promotionsvorhabens – die Schulleitungen. Aus den Befunden der einzelnen Erhebungsphasen zeigt sich – wie im vorherigen Teil der Arbeit schon dargestellt – aus der Perspektive verschiedener Akteursgruppen, dass die Schulleitung eine zentrale Schlüsselrolle einnimmt. Damit wird es auch notwendig, zu evaluieren, unter welchen Bedingungen denn diese Akteursgruppe arbeitet und welche Bedingungen Schulleiterinnen und Schulleiter benötigen, um erfolgreich sein zu können. Dies hängt im Einzelfall wiederum stark mit dem individuellen Verständnis von Führung und Unterrichts-, Personal- sowie Organisationsentwicklung zusammen, die daher als vorrangige Erkenntnisinteressen in das Forschungsdesign einfließen müssen. Für die Untersuchung der Rolle von Schulleitungen in der inklusiven Schulentwicklung von Schwerpunktschulen in Rheinland-Pfalz stellt sich somit nicht nur die Frage, welche formale Rolle der Schulleitung zukommt und in welchen Aufgaben sich diese manifestiert, sondern vor allem auch die Frage nach der persönlichen Ausgestaltung der Rolle sowie nach der Bedeutung dieser Rolle für den Schulentwicklungsprozess. Ebenfalls bedeutsam in diesem Kontext sind die Bedingungen, unter denen Schulleitung gestaltet werden und vor allem gestalten kann. Die vorrangige Frage für das Forschungsvorhaben lautet also: Wie lassen sich aus der Innensicht des Systems heraus (1) die formale Rolle von Schulleiterinnen und Schulleitern mit ihren Aufgabenfeldern, (2) deren Rollen- und Aufgabenverständnis (subjektives Berufsverständnis), (3) die Bedeutung von Schulleitungshandeln für die Gestaltung schulischer Inklusion sowie (4) die Rahmenbedingungen für gelingendes Schulleitungshandeln an Schwerpunktschulen beschreiben? 5.1 Die formale Rolle von Schulleitung Die formale Rolle von Schulleitung auch an Schwerpunktschulen lässt sich zunächst rein schulrechtlich aus der Gesetzeslage, aus den Schulordnungen sowie

5.2 Individuelle Ausgestaltung der Schulleiterrolle: Rollen- und Aufgabenverständnis

149

Einzelverordnungen ableiten. Dennoch ist die Situation regional und kommunal sehr heterogen, sodass auch formale Abläufe von Schule zu Schule variieren können und sich aus der direktiven Hierarchie aus Schulaufsicht und Schulleitung einzelfallbezogen ergeben können. Daher ist eine landesweit einheitliche Rolle ohne empirische Absicherung nicht sinnvoll beschreibbar. Daraus ergibt sich für diesen Aspekt ein Expertenwissen der Schulleitungen, welches es zu erkunden gilt. Die Fragestellung lautet also, welche formell vorgegebenen Aufgaben die Schulleitung einer Schwerpunktschule zu erfüllen hat und welche Vorgaben zu deren Erfüllung bestehen. 5.2 Individuelle Ausgestaltung der Schulleiterrolle: Rollen- und Aufgabenverständnis Die Schulleitungsforschung sowie die Governanceforschung zeigen, dass soziale Systeme nicht durch hierarchische Verordnungsstrukturen allein gesteuert werden, sondern dass mikropolitische Prozesse vor Ort über den Verlauf von Entwicklungsprozessen entscheiden. Somit ist auch das Schulleitungshandeln nicht ausschließlich durch dienstrechtliche Vorgaben zu steuern, geschweige denn, dass solcherlei Vorgaben die Steuerung der Schulentwicklung durch die Schulleitung determinieren könnten. Die Frage muss somit lauten, wie Schulleitungen ihre Rolle gestalten, um Schulentwicklungsprozesse zu steuern bzw. zu ermöglichen. Welche Aufgaben, Funktionen und Arbeitsweisen erleben Schulleitungen als bedeutsam, damit inklusive Schule gelingen kann? Welches Rollenverständnis als Führungsperson verbirgt sich dahinter? 5.3 Bedeutung von Schulleitungshandeln für die Gestaltung schulischer Inklusion Eng verbunden mit der Fragestellung zum Rollen- und Aufgabenverständnis ist auch die Frage nach der Bedeutung, die der Schulleitung bei der Gestaltung inklusiver Schule zukommt bzw. welche Bedeutung Schulleitung sich in diesem Kontext selbst zuschreibt. Diese abstrakte Frage muss jedoch konkretisiert werden, da sich das Wort „Bedeutung“ doch als vielschichtig und je nach Definition weitgefasst zeigt. Schulleitung hat bestimmte Gestaltungsmöglichkeiten, die, wie die allgemeine Schulleitungsforschung zeigt, weitreichenden Einfluss auf die Schulentwicklung haben, die aber auch, ebenfalls empirisch ableitbar, an Grenzen stoßen. Die Bedeutung

150

5 Fragestellung der eigenen Untersuchung

von Schulleitungshandeln für inklusive Schulentwicklung ergibt sich also in Teilen aus dem Rahmen der Gestaltungsmöglichkeiten, die Schulleitung zur Verfügung stehen, sowie deren Grenzen. Der zweite wichtige, hier mit Bedeutung gemeinte Aspekt ist, wie sich Schulleitungshandeln auf inklusive Schulentwicklung auswirkt, losgelöst von Gestaltungsspielraum und Gestaltungsgrenzen (qualitativer Aspekt der Wirkung von Schulleitungshandeln). 5.4 Rahmenbedingungen für gelingendes Schulleitungshandeln an Schwerpunktschulen Letztlich ist Schulleitungshandeln in einen Kontext von Bedingungen eingebunden, die Einfluss auf die Gestaltungsmöglichkeiten und die Rollenausführung nehmen. Neben der schon beschriebenen formalen Rolle von Schulleitern gehören hierzu aber auch Bedingungsfaktoren der einzelnen Schule, wie z. B. räumliche, sächliche und personelle Ausstattung, aber auch die Anzahl der zu haltenden Unterrichtsstunden der Schulleitung, die vorhandenen formellen und informellen Strukturen etc. Dieses Bedingungsgefüge, in das Schulleitungen eingebunden sind, gilt es zu erforschen. Die Fragestellung muss aber über eine neutrale Beschreibung des Ist-Zustandes des Bedingungsgefüges hinausgehen. Vielmehr muss als Hauptaspekt dabei in den Mittelpunkt gerückt werden, welche Bedingungen aus Sicht der Schulleitung benötigt werden, um inklusive Schule durch Leitungshandeln voranzubringen, und zwar Gelingensbedingungen auf der organisatorischen, der personal-professionellen und der persönlichen Ebene. 5.5 Sichtweise auf Inklusion und deren Umsetzung an Schwerpunktschulen Im ersten Materialdurchgang der in der empirischen Untersuchung geführten Interviews zeigte sich, dass einige der Teilnehmerinnen und Teilnehmer ausführlich über ihre Sichtweise auf (schulische) Inklusion und deren Umsetzung an Schwerpunktschulen insgesamt sprachen. Dies legte nahe, für die weiteren Materialdurchläufe eine weitere Teilfrage zu formulieren, die diesen Themenstrang aufgreift. Um eine Einordnung der wertenden Aussagen der Schulleiterinnen und Schulleiter vornehmen zu können, wird zunächst danach gefragt, welches Begriffsverständnis von Inklusion diesen Aussagen zugrunde liegt. Ferner sollte die weitere Analyse untersuchen, wie Schulleiterinnen und Schulleiter, ausgehend von ihrem Begriffsverständ-

5.5 Sichtweise auf Inklusion und deren Umsetzung an Schwerpunktschulen

151

nis, die Idee schulischer Inklusion im Allgemeinen sowie die Möglichkeiten und Grenzen der Umsetzung bewerten und welche Gelingensbedingungen zur Umsetzung an Schwerpunktschulen erfüllt sein müssen und / oder sind bzw. nicht sind.

6 Forschungsansatz und methodisches Vorgehen bei der empirischen Untersuchung 6.1 Qualitativer Forschungsansatz Das Forschungsprojekt GeSchwind folgt einem Forschungsansatz, der grundsätzlich qualitativ ausgerichtet ist, im Sinne der Triangulation aber auch quantitative Erhebungen beinhaltet (Laubenstein, Lindmeier, Guthöhrlein & Scheer, 2015; Laubenstein, Lindmeier, Seutter-Guthörlein & Belting, 2014). Im Mittelpunkt steht dabei ein akteursbezogenes Vorgehen, das verschiedene Akteursgruppen auf unterschiedlichen Systemebenen in den Forschungsprozess einbezieht. Damit folgt das Projekt der Logik qualitativer Evaluationsforschung im Sinne Mayrings (2016, S. 62–64): „Qualitative Evaluationsforschung will Praxisveränderungen wissenschaftlich begleiten und auf ihre Wirkungen hin einschätzen, indem die ablaufenden Praxisprozesse offen, einzelfallintensiv und subjektorientiert beschrieben werden.“ (Mayring, 2016, S. 63)

Dieses Vorgehen erscheint aus zwei Gründen auch für die hier vorgestellte und als Promotionsvorhaben an das Projekt GeSchwind angegliederte Untersuchung als adäquat: 1. Nicht nur das Feld der Schwerpunktschulen wurde vor dem Projekt GeSchwind von der Wissenschaft weitestgehend außer Acht gelassen. Auch zur Rolle der Schulleitung im Kontext schulischer Inklusion liegen nur wenige Befunde vor, die zudem meist aus dem angloamerikanischen Raum stammen, sodass für Untersuchungen in Deutschland zunächst ein exploratives Vorgehen notwendig ist. 2. Die Fragestellung der Arbeit bezieht sich auf Betriebswissen und Selbstbeschreibungen der Akteure, sodass sinnvoll interpretierbare Ergebnisse innerhalb des derzeitigen Stands der Forschung nur unter Einbezug der Akteure selbst und vor allem durch ein offenes Aufnehmen derer Sichtweisen möglich ist. Das Feld der qualitativen Forschung ist stark ausdifferenziert und umfasst eine große Bandbreite verschiedener Ansätze (Silverman, 2000, S. 12). Jeder einzelne von ihnen hat seine eigenen Grundlagen und Charakteristika. Dennoch werden © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 D. Scheer, Schulleitung und Inklusion, https://doi.org/10.1007/978-3-658-27401-6_6

154

6 Forschungsansatz und methodisches Vorgehen bei der empirischen Untersuchung

in der Literatur einige Kernpunkte angeführt, die allen Ansätzen gemeinsam sind. Diese werden hier zusammengefasst skizziert. Für Lamnek (2010, S. 19, 24–25) zeichnet sich qualitative Forschung durch folgende Grundprinzipien / Grundhaltungen aus: 1. Offenheit gegenüber den Untersuchungspersonen, den Untersuchungssituationen und den Untersuchungsmethoden 2. Forschung als Kommunikation, Beachtung alltäglicher Regeln der Kommunikation im Forschungsprozess 3. Prozesscharakter von Forschung und Gegenstand: Veränderbarkeit des Ablaufs während der Forschung 4. Reflexivität von Gegenstand und Analyse 5. Explikation der einzelnen Untersuchungsschritte zwecks kommunikativer Nachvollziehbarkeit 6. Flexibilität im gesamten Forschungsprozess hinsichtlich der Situation sowie der Beziehung zwischen Forscher und Beforschtem Um zu verstehen, was hiermit gemeint ist, ist eine kurze Darstellung der wissenschaftstheoretischen und -geschichtlichen Hintergründe dessen nötig, was Mayring als „qualitative Wende“ (Mayring, 2016, S. 9) bezeichnet. Für Mayring entstammen die Wurzeln qualitativen Denkens vor allem der aristotelischen Denktradition, den Arbeiten des Gianbattista Vico sowie der Tradition der Hermeneutik (Mayring, 2016, S. 12): „Aristoteles steht dabei für ein Wissenschaftsverständnis, das 1. die Gegenstände als dem Werden und Vergehen unterworfen ansieht und damit die historischen und entwicklungsmäßigen Aspekte betont; 2. die Gegenstände auch durch ihre Intentionen, Ziele und Zwecke verstehen will und damit auch Werturteile in der wissenschaftlichen Analyse zulässt; 3. neben der Ableitung des Besonderen aus dem Allgemeinen mittels logisch widerspruchsfreier Beweise (Deduktion) ein induktives Vorgehen erlaubt und damit auch die Grundlage für sinnvolle Einzelfallanalysen bildet.“ (Mayring, 2016, S. 12)

Hieraus abgeleitet kann dann der Ansatz Vicos verstanden werden. Dieser besteht in der Entwicklung „eines geisteswissenschaftlichen, verstehenden, historischen, einzelfallorientierten Denkens, das auf die Differenzierung spezifischer praktischer Regeln statt allgemein gültiger Naturgesetze abzielt“ (Mayring, 2016, S. 13). Die

6.2 Untersuchungsdesign

155

dritte genannte Wurzel qualitativen Denkens für Mayring ist der Ansatz der Hermeneutik: „Den Grundgedanken dieser hermeneutischen Ansätze könnte man so skizzieren: Texte, wie alles vom Menschen hervorgebrachte, sind immer mit subjektiven Bedeutungen, mit Sinn verbunden; eine Analyse der nur äußerlichen Charakteristika führt nicht weiter, wenn man nicht diesen subjektiven Sinn interpretativ herauskristallisieren kann.“ (Mayring, 2016, S. 13–14)

Aus diesen Bezugsquellen lassen sich fünf Hauptmerkmale qualitativer Forschung ableiten, die dieser Untersuchung zugrunde gelegt werden sollen: „• Interpretativ. Die soziale Realität wird als gesellschaftlich, ihr Sinn also durch Interpretation und Bedeutungszuweisung konstruiert und nicht objektiv vorgegeben aufgefasst (Berger & Luckmann, 1974). • Naturalistisch. Das Untersuchungsfeld ist die natürliche Welt, die mit naturalistischen Methoden erfasst und beschrieben werden soll (Schatzmann & Strauss, 1973). • Kommunikativ. Die methodologischen Regeln können nicht losgelöst von den vorgängigen Regeln des alltäglichen Kommunikationsprozesses festgelegt werden, da die soziologischen Methoden der Sozialforschung Kommunikation implizieren (Arbeitsgruppe Bielefelder Soziologen, 1976b). • Reflexiv. Die qualitative Sozialforschung soll ‚sich selbst in mehrfacher Hinsicht kritisch reflektieren‘ (Müller, 1979, S. 10), was ein theoretisches und praktisches Problem von Soziologie und Sozialforschung ist (Beck, 1974). • Qualitativ. Die qualitative Forschung grenzt sich von standardisierten Methoden der empirischen Sozialforschung ab und bezieht sich auf nichtstandardisierte Formen, um dem Untersuchungsgegenstand angemessen und offen gegenüberzutreten (Hopf & Weingarten, 1974).“ (Lamnek, 2010, S. 30–31)

6.2 Untersuchungsdesign Der Schwerpunkt der Untersuchung liegt, so wie bei den anderen Teiluntersuchungen des Projekts GeSchwind, auf der Erhebung der Sichtweisen der Akteure selbst. Gemäß den Ausführungen unter Punkt 6.1 wurde ein qualitativer und akteurszentrierter Ansatz gewählt. Ein solcher verstehender Zugang erfordert ein Vorgehen, das in seiner Grundanlage einem Wechselspiel aus (theoretisch fundiertem) Vorwissen / Vorverständnis sowie empirischen Erfahrungen entspricht: Vorwissen und Vorverständnis bestimmen den Zugang zu, die Sichtweise auf und die Auseinandersetzung mit dem untersuchten Phänomen. Dieses Wechselspiel bedeutet eine

156

6 Forschungsansatz und methodisches Vorgehen bei der empirischen Untersuchung

1) Ausgangsfrage

5) Auswertung

4) Datenerhebung

2) Literaturrecherche

3) Präzisierung der Fragestellung

Abb. 6.1: Zirkuläre Darstellung des Forschungsprozesses

methodische Orientierung an einem hermeneutischen Zugang, der sich im sogenannten hermeneutischen Zirkel widerspiegelt. Dieser bildet daher das Grundprinzip des Forschungsdesigns. Das Forschungsdesign lässt sich, trotz letztlich sequenzieller Vorgehensweise in zirkulärer Form darstellen (Abbildung 6.1). Ad 1: Am Anfang des Forschungsvorhabens stand als Forschungsinteresse die grundlegende Fragestellung: Welche Rolle hat die Schulleitung an Schwerpunktschulen bzw. wie sehen Schulleiterinnen und Schulleiter die Entwicklung der Schwerpunktschulen? Ad 2 & 3: Eine initiale Recherche zu Schulleitungsforschung und zu Schulleitung im Zusammenhang mit schulischer Inklusion führte zur Präzisierung / Ausfächerung der Forschungsfragen. Aus den detaillierteren Forschungsfragen erwuchs wiederum eine systematische Literaturrecherche, deren Ergebnisse sich im Theorieteil der Arbeit widerspiegeln. Ad 4 & 5: Der Zwischenschritt zwischen Schritt 3 und Schritt 4, die Auswahl der Erhebungsmethode, ist in der skizzierten Darstellung aus Gründen der Übersichtlichkeit ausgespart. Letztlich wurde sich anhand der auf die Akteure selbst bezogenen Unterfragen sowie der angenommenen, mit den formalen Aspekten der Schulleitung verknüpften Expertenrolle für leitfadengestützte Interviews entschieden. Die Begründung hierfür erfolgt unter den Punkten 6.4 und 6.5. Während der Durchführung wurde von Interview zu Interview auch das eigene Verständnis für die Fragestellung vertieft, sodass diese sich weiter präzisierte. Dies führte letztlich zur Möglichkeit, in späteren Interviews gezielter nachzufragen. Ferner fanden die initiierende Textar-

6.3 Stichprobenplan und Sample

157

beit und die Durchsicht von Interviewmemos (Postskripten) bereits während der Erhebungsphase statt, was wiederum Einfluss auf die weitere Interviewführung und die Präzisierung der Fragestellung hatte. Der letzte zirkuläre Anteil des Designs besteht in der Ableitung neuer Forschungsfragen in Kapitel 9 der Arbeit. 6.3 Stichprobenplan und Sample Als grundlegende Übereinstimmung in der Methodenliteratur kann festgestellt werden, dass das Sampling in der qualitativen Forschung meist absichtsvoll erfolgt und eine möglichst hohe Sättigung der entstehenden Theorien zum Ziel hat. Diese Art der Fallauswahl unterscheidet sich vollständig von der Stichprobenziehung quantitativer Untersuchungen. Vonseiten quantitativer Forschung wird das Prinzip der absichtsvollen Fallauswahl häufig als methodisch unsauber kritisiert (David, 2007, S. 300–301; auch Schreier, 2010, S. 240). Bei der Kritik am qualitativen Konzept der Fallauswahl seitens quantitativer Ansätze wird unterstellt, dass erstens exakte Repräsentation der Grundgesamtheit prinzipiell das anzustrebende Ziel für Stichproben und dass zweitens Repräsentativität und Zufallsstichprobe untrennbar verknüpft seien (Schreier, 2010, S. 240). Doch beides trifft laut Schreier (2010, S. 240) nicht zu: Repräsentativität einer Stichprobe werde dann benötigt, wenn auf Merkmalsverteilungen in der Grundgesamtheit geschlossen werden soll, nicht jedoch wenn ein Phänomen selbst oder die Besonderheit des einzelnen Falls im Mittelpunkt stehen. Und auch die als zweites unterstellte Verknüpfung sei nicht haltbar, da Repräsentativität das Ziel und Zufallsziehung eine Methode ist. Eine Zufallsziehung zum Beispiel, die nicht auf eine vollständige Ur-Liste zurückgreift, kann nicht repräsentativ sein, ebenso wie z. B. bei homogenen Grundgesamtheiten ein willkürlich gewählter Einzelfall durchaus repräsentativ sein kann (Schreier, 2010, S. 240). Bei der Fallauswahl in der qualitativen Forschung lässt sich nach Flick (1995, S. 78–91) vor allem zwischen einer Festlegung der Samplestruktur im Voraus und einer schrittweisen Festlegung im Forschungsprozess unterscheiden. Bei dieser Unterscheidung spricht Schreier (2010, S. 243) von fixen vs. flexiblen Arten der Fallauswahl. Bei einer vorab festgelegten Samplestruktur wird in dieser Darstellung der Begriff des Stichprobenplans verwendet. Zudem kann man als weitere Unterscheidungsdimension homogene vs. heterogene Stichproben unterscheiden (Schreier, 2010, S. 243), was sich auf die Gleichartigkeit oder Unterschiedlichkeit

158

6 Forschungsansatz und methodisches Vorgehen bei der empirischen Untersuchung

der ausgewählten Fälle bezieht. Innerhalb der fixen Fallauswahl lässt sich nach Schreier (2010, S. 244–247) des Weiteren zwischen Stichprobenplänen und der gezielten Auswahl bestimmter Fälle unterscheiden. Die Verwendung eines qualitativen Stichprobenplans hat eine möglichst heterogene Stichprobe zum Ziel, wobei die Fallauswahl nicht ergebnisoffen und schrittweise erfolgt, sondern nach festen, vor der Untersuchung bestimmten Kriterien (Schreier, 2010, S. 245). Das Verfahren hierfür kann nach Schreier (2010, S. 245) in vier Schritte unterteilt werden: 1. Bestimmung der Faktoren, die sich auf das Phänomen auswirken können 2. Entscheidung, welche Ausprägungen dieser Faktoren berücksichtigt werden sollen 3. Kombination der Faktoren in einer Kreuztabelle 4. Entscheidung über Anzahl der Fälle je Feld in der Kreuztabelle Für die hier vorgestellte Untersuchung ergaben sich folgende sinnvolle Faktoren zur Gliederung der Stichprobe: 1. Schulaufsichtsbezirk: Steuerung von Schule und Schulentwicklung ergibt sich aus einem Wechselspiel verschiedener Akteure. Steuerungsmechanismen werden nach regionalen Bedürfnissen unterschiedlich angepasst. Zudem besteht in der Umsetzung ministerialer Vorgaben auch für die Schulaufsicht ein gewisser Spielraum. Somit unterscheiden sich die Arbeitsbedingungen von Schulleiterinnen und Schulleitern zwischen den einzelnen Schulaufsichtsbezirken eines Bundeslandes. In Rheinland-Pfalz gibt es drei Schulaufsichtsbezirke, die es bei der Stichprobenplanung zu berücksichtigen gilt: Neustadt an der Weinstraße, Koblenz und Trier. 2. Schulstufe / Schulart: Arbeitsabläufe und somit Steuerungsprozesse unterscheiden sich aufgrund unterschiedlicher pädagogischer Traditionen, unterschiedlicher Aufgabenstellungen sowie unterschiedlicher organisatorischer Bedingungen zwischen Schulen der Primarstufe und Schulen der Sekundarstufe. Innerhalb der Schulen der Sekundarstufe ist die Organisationsstruktur ebenfalls je nach Schulart noch einmal unterschiedlich. In Rheinland-Pfalz handelt es sich bei Schwerpunktschulen der Sekundarstufe überwiegend um Realschulen Plus und Integrierte Gesamtschulen. Hauptschulen und somit auch organisatorisch verbundene Grund-Hauptschulen laufen aus und kommen für die Untersuchung somit nicht infrage.

6.4 Methodische Aspekte qualitativer (Experten-)Interviews

159

3. Lage der Schule: Als bedeutsame Einflussgröße für die Schulkultur und somit auch für Schulleitungshandeln und das Gelingen schulischer Inklusion kann darüber hinaus die geografische Lage der Schule angesehen werden. Diese Unterscheidung wurde in der Fallauswahl berücksichtigt, wobei aufgrund der geografischen Struktur des Landes Rheinland-Pfalz zwischen der Lage in einer Stadt (mehr als 50.000 Einwohner) und im ländlichem Raum unterschieden wurde. Ferner sollte aus gleichem Grund das Verhältnis von Stadt zu ländlichem Raum 1:2 betragen. In der Folge sah der Stichprobenplan ein Gesamtsample von Nsoll = 18 Schulleiterinnen und Schulleitern vor, wobei aus jedem der drei Schulaufsichtsbezirke zwei Schulen jeder Schulart (Integrierte Gesamtschule, Realschule Plus, Grundschule) vertreten sein sollten. Zudem sollten in jedem Schulaufsichtsbezirk zwei Schulen aus einer Stadt mit mehr als 50.000 Einwohnern und vier Schulen aus dem ländlichen Raum vertreten sein. Im Verlauf der Untersuchung ergaben sich aus organisatorischen Gründen einige Abweichungen: Einige Zellen konnten nicht besetzt werden, da sich im Erhebungszeitraum keine ausreichende Anzahl von Interviewpartnerinnen / -partnern rekrutieren ließ. Zudem kam es zu Dropouts aus verschiedenen Gründen (Beispiele: Didaktische Koordinatorin statt Schulleiter als Interviewpartnerin; geänderte Schulform durch Teilauflösung einer kombinierten Schulform). Eine Nacherhebung war im Rahmen des Projektzeitraums organisatorisch nicht möglich. Insgesamt besteht die endgültige Stichprobe aus Nist = 15 Interviewpartnerinnen und -partnern (drei Grundschulen, sechs Realschulen Plus, sechs Integrierte Gesamtschulen). Die Tabellen 6.1 und 6.2 stellen die geplante und die tatsächliche Stichprobe gegenüber. 6.4 Methodische Aspekte qualitativer (Experten-)Interviews Im Mittelpunkt qualitativer Evaluationsforschung steht die Sichtweise der beteiligten Akteure (Mayring, 2016, S. 62–63). Da zudem die Erhebung von Experten- und Alltagswissen sowie subjektiver Sinndeutungen und Wirklichkeitskonstruktionen im Fokus der Fragestellung steht, ist die Befragung der Akteure geeigneter als Methoden der Beobachtung, die bezogen auf die bearbeitete Forschungsfrage lediglich indirektes Datenmaterial liefern können. Zudem handelt es sich um persönliche Konstruktionen, deren Darstellung in einer Gruppensituation durch Effekte sozialer

160

6 Forschungsansatz und methodisches Vorgehen bei der empirischen Untersuchung

Tab. 6.1: Stichprobe der Untersuchung, gesplittet nach Schulaufsichtsbezirk (nsoll gibt die geplante Anzahl der Interviews in der jeweiligen Zelle an, n die tatsächliche Anzahl) nsoll

n

Koblenz Grundschule Realschule Plus Integr. Gesamtschule Ländlicher Raum Stadt (>50.000) Gesamt

2 2 2 4 2 6

1 2 2 4 1 5

Neustadt Grundschule Realschule Plus Integr. Gesamtschule Ländlicher Raum Stadt (>50.000) Gesamt

2 2 2 4 2 6

2 2 2 4 2 6

Trier Grundschule Realschule Plus Integr. Gesamtschule Ländlicher Raum Stadt (>50.000) Gesamt

2 2 2 4 2 6

– 2 2 3 1 4

Tab. 6.2: Stichprobe der Untersuchung, gesplittet nach geografischer Lage der Schulen (nsoll gibt die geplante Anzahl der Interviews in der jeweiligen Zelle an, n die tatsächliche Anzahl) nsoll

n

Ländlicher Raum Grundschule Realschule Plus Integr. Gesamtschule Gesamt

4 4 4 12

3 4 4 11

Stadt (>50.000) Grundschule Realschule Plus Integr. Gesamtschule Gesamt

2 2 2 6

– 2 2 4

6.4 Methodische Aspekte qualitativer (Experten-)Interviews

161

Erwünschtheit verzerrt werden könnten. Das Setting der Befragung muss daher eine Einzelsituation sein. Da es sich ferner um einen explorativen Zugang zu einem kaum bearbeiteten Feld handelt, ist ein hohes Maß an Offenheit der Situation angezeigt. All diese Anforderungen an das Forschungsdesign legen als methodischen Zugang eine Form des qualitativen Interviews nahe. Schulleiterinnen und Schulleiter handeln innerhalb eines sozialen Systems in einer institutionell definierten Rolle. Sie sind damit beauftragt, Verwaltungsvorgaben sowie gesellschaftlich institutionelle Rahmenvorgaben innerhalb der von ihnen geleiteten Organisationseinheit zu implementieren. Im Sinne von Meuser und Nagel (1991) kommt ihnen daher bezüglich ihrer Rolle ein Expertenstatus zu: „Als Experte wird angesprochen, • wer in irgendeiner Weise Verantwortung trägt für den Entwurf, die Implementierung oder die Kontrolle einer Problemlösung oder • wer über einen privilegierten Zugang zu Informationen über Personengruppen oder Entscheidungsprozesse verfügt.“ (Meuser & Nagel, 1991, S. 443)

Aus diesem Grund sowie der Struktur der Forschungsfragen ergibt sich die Entscheidung für das Verfahren des Experteninterviews. Experteninterviews sind nach Bogner und Menz (2009) aus mehreren Gründen sehr weit verbreitet: Vor allem würden forschungsökonomische Aspekte sowie scheinbar sichere Erfolgsaussichten und die Aussicht auf einen Experten als elaboriertes Forschungsobjekt als treibende Kraft für die Verbreitung dieser Interviewform erscheinen (Bogner & Menz, 2009, S. 8–10). Eine erste Systematisierung dieses Erhebungsverfahrens stellen Meuser und Nagel (1991) vor und führen das Verfahren damit in die Methodenliteratur ein. Spätere methodologische Ausarbeitungen und Lehrbücher (z. B. Bogner, Littig & Menz, 2009, 2014; Gläser & Laudel, 2010) beziehen sich zumeist auf diese Arbeit. Es handelt sich beim Experteninterview um einen Sonderfall leitfadengestützter Interviews. Um die Einordnung und die damit einhergehenden methodologischen Konsequenzen nachvollziehbar zu machen, wird zunächst ein Überblick über die verschiedenen Formen von Interviews sowie deren Klassifikation gegeben. Im Anschluss daran werden das Experteninterview als Variante des qualitativen Interviews unter Einbezug von Elementen anderer Interviewformen beschrieben und die konkrete Ausformung des Vorgehens in der Untersuchung dokumentiert.

162

6 Forschungsansatz und methodisches Vorgehen bei der empirischen Untersuchung

6.4.1 Definition und Klassifikation qualitativer Interviews Im Sinne der qualitativen Sozialforschung kann ein Interview ganz allgemein definiert werden als „(...) eine Form des verbalen Kommunizierens, in welcher – per Definition – grundsätzlich dem Interviewten die Aufgabe zukommt, aktiv Ereignisse, Erfahrungen, Handlungen und Wissen zu rekonstruieren. Folglich geht der Forscher bereits bei der Auswahl der zu Befragenden – mehr oder weniger ‚naiv‘, also mehr oder weniger verfahrenstechnisch animiert – davon aus, dass sie zum jeweiligen Thema in einer für das Forschungsinteresse relevanten Beziehung stehen.“ (Honer, 2011, S. 95)

Da diese allgemeine Definition jedoch auf vielfältige Befragungsformen – einschließlich schriftlicher Fragebogenerhebungen – zutreffen kann, ist eine Systematisierung von Interviews angebracht. In der Literatur finden sich verschiedene Formen der Klassifikation von Interviews, die sich aber relativ ähnlich sind (z. B. Gläser und Laudel, 2010; Lamnek, 2010). Eine aktuelle und stringente Möglichkeit bietet die Klassifikation durch Gläser und Laudel (2010, S. 40–43), in der Interviews 1. nach ihrem Zweck, 2. nach der Art und Anzahl der Interviewpartnerinnen und -partner, 3. nach Standardisierungsgrad sowie 4. nach Befragungsform klassifiziert werden. Da zunächst vor allem dem Standardisierungsgrad sowie der Befragungsform im Kontext dieser Untersuchung eine Relevanz zukommt, werden diese nun näher erläutert. Die Klassifikation nach Zweck des Interviews sowie Art und Anzahl der Interviewpartnerinnen und -partner wird dann bei der Begründnung der Form des Experteninterviews zum Tragen kommen. Klassifiziert man Interviews nach dem Grad der Standardisierung, so kann man zwischen standardisierten, halbstandardisierten und nichtstandardisierten Interviews unterscheiden (Gläser & Laudel, 2010, S. 41–42): 1. Bei standardisierten Interviews sind Wortlaut und Reihenfolge der Fragen sowie die Antwortmöglichkeiten vorgegeben. 2. Bei halbstandardisierten Interviews sind lediglich Wortlaut und Reihenfolge der Fragen vorgegeben, nicht aber die Antwortmöglichkeiten. 3. Bei nichtstandardisierten Interviews werden lediglich das Interviewthema oder die Interviewthemen vorgegeben (bzw. Aspekte der Themen).

6.4 Methodische Aspekte qualitativer (Experten-)Interviews

163

4. Bei nichtstandardisierten Interviews wird noch einmal zwischen Leitfadeninterviews, offenen Interviews und narrativen Interviews unterschieden. Diese Unterscheidung ist nach Lamnek (2010, S. 307) ein wesentliches Differenzierungskriterium hinsichtlich qualitativer und quantitativer Forschung, wobei die qualitative Sozialforschung durch nichtstandardisiertes Vorgehen die in der quantitativen Forschung strukturell angelegte Asymmetrie des Frage-Antwort-Spiels zu durchbrechen versuche. Teil- bzw. halb-standardisierte Interviewformen dienen der optimierenden Vermittlung zwischen den Extrempositionen (Lamnek, 2010, S. 307). Im Unterschied zu den von Gläser und Laudel (2010) sowie Lamnek (2010) vorgenommenen Systematisierungen trennt Mayring (2016, S. 66) bei seiner Klassifikation zwischen den Dimensionen Freiheitsgrade des Befragten (offenes vs. geschlossenes Interview) und Freiheitsgrade des Interviewers (unstandardisiertes vs. standardisiertes Interview). Das Experteninterview in der Form, in der es von Meuser und Nagel (1991) erstmals ausgearbeitet und in die Methodenliteratur eingeführt wurde und seither verwendet wird, werde in der Literatur übereinstimmend als nichtstandardisiertes Leitfadeninterview eingeordnet, so Gläser und Laudel (2010, S. 43). Für die Durchführung von Experteninterviews ist die Frage nach der Form der Befragung relevant. Während narrative Interviewformen stets mündlich durchgeführt werden, sind verschiedene Interviewformen auch fernmündlich, schriftlich oder per E-Mail denkbar. Gerade standardisierte Interviews finden häufig telefonisch oder als Fragebogen statt (Lamnek, 2010). Bei Experteninterviews als nichtstandardisierten Leitfadeninterviews scheidet eine Befragung per Fragebogen per se aus. Jedoch denkbar sind neben der Face-to-face-Situation das telefonische Gespräch, ein Internet-Chat oder ein wechselseitiger E-Mail-Verkehr (Gläser & Laudel, 2010, S. 153–154), wobei jeder dieser Formen verschiedene Vor- und Nachteile zukommen. Als sicherste und methodisch unproblematischste Form kann nach Gläser und Laudel (2010, S. 154) die Variante face-to-face gelten. Auf die Möglichkeiten und Schwierigkeiten der telefonischen Durchführung von Experteninterviews geht Christmann (2009) ein und kommt zu einer optimistischeren Einschätzung diesbezüglich als Gläser und Laudel (2010). Bezogen auf die Durchführung von Gruppendiskussionen als Form des qualitativen Interviews diskutieren Kelle, Tobor und Metje (2009) den Einsatz von Online-Werkzeugen zur Durchführung und kommen dabei zu der Einschätzung, dass die elektronische Interviewführung ein

164

6 Forschungsansatz und methodisches Vorgehen bei der empirischen Untersuchung

wertvolles Instrument der qualitativen Forschung darstellen kann. In der Literatur noch nicht diskutiert sind die Möglichkeiten, die Schwächen dieser Varianten über immer leichter verfügbare Video-Konferenz-Anwendungen auszugleichen. Insgesamt kann sich jedoch gerade auf das hier untersuchte Thema bezogen der Empfehlung von Gläser und Laudel (2010) angeschlossen werden, Face-to-faceInterviews als den optimalen Weg des Experteninterviews anzusehen. 6.4.2 Schulleiterinnen und Schulleiter als Experten? Im Mittelpunkt bei der Bestimmung des Experteninterviews muss der Expertenbegriff stehen. Als erste grundlegende Definition kann gelten: „In unseren Ausführungen beziehen wir uns auf diejenigen ExpertInnen, die selbst Teil des Handlungsfeldes sind, das den Forschungsgegenstand ausmacht. Wir meinen nicht den Experten, der von außen – im Sinne eines Gutachters – Stellung zum Handlungsfeld nimmt.“ (Meuser & Nagel, 1991, S. 443)

Diese zunächst sehr weit gefasste Definition wird von Meuser und Nagel (1991, S. 443) stark eingegrenzt auf Personen, die direkte Verantwortung in oder privilegierten Zugang zu Informationen über einen sozialen Handlungskontext verfügen. Demgegenüber steht die leicht variierte Position von (Gläser & Laudel, 2010): „‚Experte‘ beschreibt die spezifische Rolle des Interviewpartners als Quelle von Spezialwissen über die zu erforschenden sozialen Sachverhalte. (...) Die Experten sind ein Medium, durch das der Sozialwissenschaftler Wissen über einen ihn interessierenden Sachverhalt erlangen will. Sie sind also nicht das ‚Objekt‘ unserer Untersuchung, der eigentliche Fokus unseres Interesses, sondern sie sind bzw. waren ‚Zeugen‘ der uns interessierenden Prozesse. Die Gedankenwelt, die Einstellungen und Gefühle der Experten interessieren uns nur insofern, als sie die Darstellungen beeinflussen, die die Experten von dem uns interessierenden Gegenstand geben.“ (Gläser & Laudel, 2010, 12, kursiv im Original) Mey und Mruck (2010, S. 427) kritisieren, dass der Begriff des Experten in der Praxis insgesamt jedoch recht vage sei und wenden sich damit gegen Ausdehnungen des Expertenbegriffs in die Richtung, dass „alle Befragten ‚Experten ihrer Selbst und ihrer Lebenswelt‘“ (Mey & Mruck, 2010, S. 427) seien. Eine Eingrenzung, die dieser kritischen Forderung nach einem eher engen Expertenverständnis gerecht wird, liefern Bogner und Menz (2009): „Der Experte verfügt über technisches, Prozess- und Deutungswissen, das sich auf ein spezifisches Handlungsfeld bezieht, in dem er in relevanter Weise

6.4 Methodische Aspekte qualitativer (Experten-)Interviews

165

agiert (...). Insofern besteht das Expertenwissen nicht allein aus systematisiertem, reflexiv zugänglichem Fach- oder Sonderwissen, sondern es weist zu großen Teilen den Charakter von Praxis- und Handlungswissen auf, in das verschiedene und durchaus disparate Handlungsmaximen und individuelle Entscheidungsregeln, kollektive Orientierungen und soziale Deutungsmuster einfließen. Das Wissen des Experten, seine Handlungsorientierungen, Relevanzen usw. Weisen zudem – und das ist entscheidend – die Chance auf, in der Praxis in seinem Handlungsfeld (...) hegemonial zu werden, d.h., der Experte besitzt die Möglichkeit zur (zumindest partiellen) Durchsetzung seiner Orientierungen. Indem das Wissen des Experten praxiswirksam wird, strukturiert es die Handlungsbedingungen anderer Akteure in seinem Aktionsfeld in relevanter Weise mit.“ (Bogner & Menz, 2009, 73–74, kursiv im Original)

Analysiert man nun, inwieweit diese Kriterien auf Schulleitungen im Kontext inklusiver Schulentwicklung zutreffen, so zeigt sich, dass diese sowohl über Verantwortung bei der Implementierung eines Reformvorhabens als auch über ein Handlungs- und Deutungswissen in Bezug auf ihre Schule verfügen. Zudem ist es genau dieses Spezialwissen, für das sich die Untersuchung interessiert. Des Weiteren werden das Wissen des Experten sowie seine Orientierungen, Haltungen und Deutungen in der schulischen Praxis insofern hegemonial, als der Schulleiter in seiner Funktion und Rolle über grundsätzliche Möglichkeiten zur Durchsetzung dieser Aspekte verfügt. 6.4.3 Formen des Expertenwissens und ihre Bedeutung für die Untersuchung Der Einsatz von Experteninterviews kann danach systematisiert werden, welche Rolle die Interviews im Forschungsvorhaben spielen und um welche Form von Expertenwissen es sich handelt. Obgleich gerade in Bezug auf die verschiedenen Formen von Expertenwissen wissenssoziologische Analysen existieren (Meuser & Nagel, 2010), erscheint es an dieser Stelle ausreichend, auf die direkt praxisrelevanten Unterscheidungen nach Meuser und Nagel (1991) einzugehen. Die erste Unterscheidung ist zu treffen bei der Frage, ob dem Experteninterview eine Randstellung zukommt, z. B. um zusätzliche Informationen oder Hintergrundwissen zu erhalten, oder ob das Expertenwissen im Zentrum des Forschungsinteresses steht (Meuser & Nagel, 1991, S. 445). Die nächste Unterscheidung bezieht sich auf die Form des Expertenwissens, nämlich ob es sich um Betriebswissen oder Kontextwissen handelt (Meuser & Nagel, 1991, S. 445–447).

166

6 Forschungsansatz und methodisches Vorgehen bei der empirischen Untersuchung

Um Betriebswissen handelt es sich, wenn die Experten die Zielgruppe der Untersuchung sind und über ihr eigenes Handlungsfeld Auskunft geben (Meuser & Nagel, 1991, S. 445). Es wird sich dann um einen objekttheoretischen Fragen- und Aussagenkomplex in Verbindung mit einem kategorialen Gerüst als Bezugsrahmen für die empirische Analyse handeln, wobei die Ergebnisse nicht nur als Hypothesen, sondern auch als Prüfinstanz für die Reichweite eines theoretischen Erklärungsansatzes gesehen werden (Meuser & Nagel, 1991, S. 447). Dem hingegen handelt es sich um Kontextwissen, wenn die Experten Informationen über den Kontext der Zielgruppe der Untersuchung beitragen, die als Daten neben anderen Daten stehen (Meuser & Nagel, 1991, S. 445–446). Die Ergebnisse solcher Experteninterviews helfen bei der Bestimmung des Sachverhalts, dienen aber nicht der Prüfung theoretischer Behauptungen (Meuser & Nagel, 1991, S. 447). Gerade diese Unterscheidung nach der Art des Expertenwissens hat Auswirkungen auf die Auswertungsverfahren. Während Kontextwissen nur soweit ausgewertet wird, bis es seinen Zweck im Forschungsprozess erfüllt hat (Meuser & Nagel, 1991, S. 447–448), werden bei Experteninterviews, die Betriebswissen zum Gegenstand haben, in der Auswertung Wissens- und Handlungsstrukturen, Einstellungen und Prinzipien theoretisch generalisiert (Meuser & Nagel, 1991, S. 447). Es sollen dann Aussagen über Eigenschaften, Konzepte und Kategorien getroffen werden, für die die Geltung in homologen Handlungssystemen behauptet, bestätigt oder falsifiziert werden kann (Meuser & Nagel, 1991, S. 447). Die ausformulierten Forschungsfragen machen deutlich, dass in diesem Forschungsvorhaben das Expertenwissen vorrangig in Form von Betriebswissen im Mittelpunkt der Untersuchung steht. 6.5 Umsetzung des Experteninterviews in der Untersuchung Unter Punkt 6.4 wurde bereits darauf verwiesen, dass Experteninterviews nichtstandardisierte Leitfadeninterviews seien. Da sich dies aus der Bezeichnung als Experteninterview nicht zwangsläufig ergibt – Expertenwissen kann schließlich auch durch andere Interviewformen erhoben werden – begründen Meuser und Nagel (1991, S. 448–449) die Verwendung offener Leitfäden wie folgt: 1. Der Forscher eignet sich beim Erarbeiten des Leitfadens ein Grundwissen über das Thema des Experten an, was ihn bezogen auf die Inhalte zu einem kompetenteren und damit adäquateren Gesprächspartner für den Experten macht.

6.5 Umsetzung des Experteninterviews in der Untersuchung

167

2. Da die Vertrautheit des Forschers mit dem Thema erst die Grundlage für ein lockeres, ungezwungenes Gespräch bildet, stellt gerade der – oft als einengend dargestellte – Leitfaden erst die wirkliche Offenheit des Interviews sicher. 3. Der Leitfaden schließt aus, dass sich das Gespräch in themenfremden bzw. der Forschungsfrage wenig dienlichen Aspekten verliert. Dabei muss beachtet werden, dass (1.) der Leitfaden nicht als zwingendes Ablaufmodell des Interviews gesehen wird (Gefahr der Leitfadenbürokratie20 ) und dass (2.) sich der Interviewer auch entgegen dem Leitfaden auf den Sprachcode des Experten einlassen muss (Meuser & Nagel, 1991, S. 448–449). Einem teilstandardisierten Vorgehen (offene Antwortmöglichkeiten, aber feste Fragenformulierung und -reihenfolge) erteilen die Autoren eine Absage: „Es stellt sich die Frage, ob eine teilstandardisierte Befragung von ExpertInnen nicht dem offenen ExpertInneninterview vorzuziehen wäre. Dies mag dort richtig sein, wo die ExpertInnen als LieferantInnen von Daten und Fakten angesprochen werden, die nirgendwo sonst in Erfahrung zu bringen sind. Zu diesem Behufe könnte man genauso gut eine schriftliche Befragung durchführen. Wenn es aber um handlungsleitende Regeln jenseits von Verordnungen, um ungeschriebene Gesetze des ExpertInnenhandelns, um tacit knowing und Relevanzaspekte geht, gibt es zu offenen ExpertInneninterviews keine Alternative.“ (Meuser & Nagel, 1991, S. 448–449)

Diesem methodischen Vorschlag wird sich hier angeschlossen, da gerade im Kontext des wenig erforschten Gebiets von Schulleitung im Kontext inklusiver Schulentwicklung die Notwendigkeit besteht, Informationen zu erhalten, deren Existenz dem Forscher möglicherweise nicht bekannt sein kann. Auf Basis der inhaltlichen und methodischen Analyse des Forschungsgegenstandes ergibt sich zusammenfassend folgendes Vorgehen bei der Interviewführung: 1. Es werden Schulleiterinnen und Schulleiter, deren Schulen als Schwerpunktschule beauftragt sind, mittels Experteninterviews nach Meuser und Nagel (1991) in der Form eines nichtstandardisierten Leitfadeninterviews befragt. 2. Ergänzend zum mündlichen Interview werden die Befragten gebeten, im Anschluss an das Gespräch einen Kurzfragebogen zu relevanten Begleitvariablen auszufüllen. Dieses Element entstammt der Methode des problemzentrierten 20

Hopf (1978, S. 101–102) bezeichnet mit dem Begriff Leitfadenbürokratie ein zu starres Einhalten eines Leitfadens genau dann, wenn „der Leitfaden von einem Mittel der Informationsgewinnung zu einem Mittel der Blockierung von Informationen wird“ (Hopf, 1978, S. 102).

168

6 Forschungsansatz und methodisches Vorgehen bei der empirischen Untersuchung

Interviews nach Witzel (1985). Das Ausfüllen erst nach dem Interview begründet sich in der Intention, nicht durch einen Fragebogen das Muster eines Frage-Antwort-Spiels zu generieren. 3. Im direkten Anschluss an das Gespräch wird ein Postscriptum angefertigt, in dem Notizen zu Kontext, Ablauf etc. des Gesprächs vermerkt werden. Auch dieses Element geht auf Witzel (1985) zurück, obgleich es mittlerweile als Standard in der Interviewführung gesehen werden kann. 6.5.1 Interviewleitfaden Durch die Wahl der Methode des Experteninterviews als nichtstandardisiertes qualitatives Leitfadeninterview ist die Grundstruktur des Interviewleitfadens bereits vorgegeben als eine Sammlung von Themen, die im Interviewverlauf angesprochen werden sollen. Diese Themen ergeben sich aus der ursprünglichen Fragestellung der Untersuchung: formale Rolle und Aufgaben, eigene Interpretation der Schulleitungsrolle und Führungsstil, Auswirkungen auf bzw. Gestaltungsmöglichkeiten für schulische Inklusion, Rahmenbedingungen des Schulleitungshandelns bzw. der Schule. Diese wurden mit aufgelisteten Punkten ausgefüllt / ausdifferenziert, die für das Erkenntnisinteresse der Untersuchung leitend erschienen. Wörtlich vorformuliert war lediglich der Einstiegsimpuls, wobei dieser jeweils auf die Gesprächsathmosphäre des einzelnen Interviews abgestimmt wurde (Sprachcode und Verhalten der Interviewpartnerin / des Interviewpartners bei telefonischer Terminabsprache und Begrüßung vor Ort). Ebenso wie der Kurzfragebogen wurde der Interviewleitfaden mit der Projektleitung von GeSchwind abgestimmt, um ein Ineinandergreifen der Untersuchung und des übergeordneten Projekts zu gewährleisten. Der vollständige Leitfaden ist in Anhang 9.4 (S. 392) zu finden. 6.5.2 Begleitender Kurzfragebogen Um das Interview selbst von einem Frage-Antwort-Muster freizuhalten und als offenes Gespräch führen zu können, wurden wesentliche Rahmendaten und Begleitvariablen durch einen Kurzfragebogen erfasst, der aus denselben Gründen erst nach dem Interview zum Ausfüllen ausgegeben wurde. Auf Wunsch konnten die Befragten den Bogen auch in Ruhe ausfüllen und per Post zurück schicken. In diesem Zuge gab es einen Dropout.

6.5 Umsetzung des Experteninterviews in der Untersuchung

169

Der Fragebogen gliederte sich in zwei Sektionen: Rahmendaten (1) und Einschätzung der Schulsituation (2). Dabei waren die Rahmendaten noch einmal gegliedert in Daten zur Schule und Daten zur Schulleiterin / zum Schulleiter. Als Rahmendaten zur Schule sollten die Anzahl der an der Schule unterrichteten Schülerinnen und Schüler, die Anzahl der Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf an der Schule sowie der Zeitpunkt der Beauftragung als Schwerpunktschule erfasst werden. Die geografische Lage, der Schulaufsichtsbezirk und die Schulart mussten nicht erfragt werden, da sich diese Daten aus dem Stichprobenplan ergaben und durch die Bezeichnung der Interviews und ihre Zuordnung im Stichprobenplan nachvollziehbar blieben.21 Die Rahmendaten der Befragten umfassten die Fragen, wie lange die Befragten bereits die Schule leiten, welche vorherigen Schulleitungserfahrungen bestehen, wie lange die Person insgesamt schon im Lehrerberuf ist und welches Lehramt sie studiert hat. Die Schulsituation sollte hinsichtlich des Entwicklungsstands schulischer Inklusion und der Herausforderung der Schule durch verschiedene Dimensionen von Vielfalt eingeschätzt werden. Dazu wurden vierstufige Ratingskalen (1 = „gar nicht“ bis 4 = „sehr“) eingesetzt. Als Items dienten die sechs Bereiche des Index für Inklusion (Boban & Hinz, 2003; Booth, 2000): A1: Gemeinschaft bilden A2: Inklusive Werte verankern B1: Eine Schule für alle entwickeln B2: Unterstützung für Vielfalt organisieren C1: Lernarrangements organisieren C2: Ressourcen mobilisieren Aus den Einzelwerten dieser Items wurde die Skala Selbst eingeschätzte Inklusivität als Summenscore gebildet.

21

Diese Zuordnung kann aus Gründen der zugesagten Anonymität nicht vollständig wiedergegeben werden.

170

6 Forschungsansatz und methodisches Vorgehen bei der empirischen Untersuchung

Als Items zu der Frage, wie sehr die Schule durch bestimmte Dimensionen von Verschiedenheit herausgefordert sei, wurden die Differenzlinien Behinderung, Geschlecht, Religion, ethnische Identität, soziale Schichtzugehörigkeit, Weltanschauung und sexuelle Orientierung herangezogen. Der endgültige, ebenso wie der Interviewleitfaden mit der Projektleitung von GeSchwind abgestimmte, Kurzfragebogen findet sich in Anhang 9.4 (S. 395). Im Rahmen erster Analysen und der qualitativen Inhaltsanalyse zeigte sich jedoch bereits in einem frühen Stadium, dass die Beantwortung der forschungsleitenden Fragen auf Basis der Interviews möglich war, ohne auf die ergänzenden Angaben im Kurzfragebogen zurückzugreifen, sodass innerhalb der Arbeit keine statistische Auswertung derselbigen dargestellt wird. 6.5.3 Interviewvorbereitung Die im Rahmen des qualitativen Samplings ausgewählten Schulleiterinnen und Schulleiter wurden telefonisch über das Schulsekretariat kontaktiert. Im ersten Telefonat wurde kurz über das Projekt informiert und die generelle Bereitschaft zur Interviewteilnahme erfragt. In einigen Fällen wurde bereits im ersten Telefonat ein Interviewtermin vereinbart, während einige Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner erst einmal das Informationsschreiben abwarten wollten. Insgesamt gab es lediglich zwei skeptische potenzielle Schulleitungen, aber keine endgültige Absage. Dass nicht alle Interviews zustande kamen, hatte organisatorische Gründe. Allen Interviewpartnerinnen und -partnern wurde im Vorfeld per E-Mail ein Informationsschreiben (Anhang 9.4, S. 396) zugesandt mit Verweis auf die Genehmigung der Untersuchung durch den Landesbeauftragten für den Datenschutz sowie die (ebenfalls mit versandte) Genehmigung durch die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion Rheinland-Pfalz (ADD) (Az. 51 111-32 / 4-14). 6.5.4 Interviewdurchführung Die Interviews fanden grundsätzlich in der Schule der Befragten statt. In aller Regel wurde das Büro der Schulleiterin / des Schulleiters genutzt. In einigen Fällen fand das Interview in einem separaten Besprechungsraum statt. Einige Interviewpartnerinnen und -partner nahmen auf eigenen Wunsch ihre Stellvertreterin bzw. ihren Stellvertreter, die didaktische Koordinatorin bzw. den didaktischen Koordinator und / oder eine Förderschullehrkraft mit in das Gespräch, für den Fall, dass nach Informationen gefragt würde, die außerhalb ihres direkten Aufgabenbereichs lägen.

6.5 Umsetzung des Experteninterviews in der Untersuchung

171

Nur in einem Interview waren zeitweise zwei weitere Personen mit anwesend, ansonsten beschränkte sich diese Hinzunahme auf eine Person. Die entsprechenden Interviews wurden bei der Transkription mit dem Zusatz „-Gr“ gekennzeichnet, die Gesprächsteilnehmerinnen und -teilnehmer wurden sodann durchnummeriert. Insgesamt fanden die Gespräche überwiegend in einem störungsfreien Rahmen statt. Die Interviews dauerten zwischen 40 und 120 Minuten, die Mehrzahl zwischen 60 und 90 Minuten. Erhebungszeitraum war die vorlesungsfreie Zeit des Wintersemesters 2013 / 14 (Februar und März 2014). Bei der Gesprächsführung wurde sich an den Empfehlungen von Gläser und Laudel (2010) sowie Kvale (2007) orientiert. 6.5.5 Transkription und Datenaufbereitung Alle Interviews wurden mittels Diktiergerät als mp3-Datei aufgezeichnet. Die Transkription erfolgte nach dem vereinfachten Transkriptionsschema von Dresing und Pehl (2013) mittels Transkriptionssoftware f4 bzw. f5. Durchgeführt wurde die Transkription durch eine studentische Hilfskraft. Es wurde wörtlich, aber mit hochsprachlicher Glättung transkribiert. Pausen wurden mit „(...)“ oder wenn länger als drei Sekunden mit der genauen Pausenlänge in Sekunden in Klammern angegeben. Satzabbrüche wurden mittels „ / “ oder „(Abbruch)“ gekennzeichnet, Sprecherwechsel durch einen neuen Absatz. Ausnahme bei Letzterem waren eingeschobene Aussagen oder Bemerkungen, die durch „// “ gekennzeichnet wurden. Die Absätze in den Interviews werden von f4 und der auswertungsunterstützenden Software MAXQDA durchnummeriert. Die Interviews wurden nach Schulart (GS = Grundschule, RS = Realschule Plus, IGS = Integrierte Gesamtschule) bezeichnet und innerhalb der Schularten durchnummeriert. Zusätzlich wurde den Bezeichnungen das Geschlecht der Interviewpartnerinnen und -partner angehängt (W = weiblich, M = männlich). Wurden weitere Gesprächspartnerinnen und -partner in das Interview einbezogen, so wurde dies durch ein angehängtes „Gr“ deutlich gemacht, die beteiligten Personen wurden dann mit „B1“ etc. durchnummeriert. Ein Transkriptionsbeispiel: „I: Ok. Und, also wie gestaltet sich dann generell Führung oder Leitung für Sie an der Schule? Also, einfach, wie, ja so generell, wie Sie Füh-

172

6 Forschungsansatz und methodisches Vorgehen bei der empirischen Untersuchung

rung gestalten an der Schule, wie Sie ihre Rolle sehen würden dann als Schulleiter. B: Das muss ich jetzt aber nicht unter dem Inklusionsaspekt sehen? // I: Nee. Das muss nicht. Nee, nee.// Ich leite und führe nicht nur die Schule, sondern eben auch dieses Schulleitungsteam.“ (RS-1-M)

Die transkribierten Interviews wurden gemeinsam mit der Audiodatei in MAXQDA importiert. Die Verwendung von Zeitmarken bei der Transkription ermöglichte es, dass Text und Audio miteinander synchron blieben. Da in der Darstellung der Analyseergebnisse ausschließlich die semantische Inhaltsebene von Bedeutung ist, werden Interviewzitate innerhalb der Arbeit zur Unterstützung der Lesbarkeit vollständig grammatikalisch geglättet wiedergegeben, sofern diese Glättung den relevanten semantischen Gehalt nicht verändert. Dafür wurden ebenfalls Zwischenäußerungen des Interviewers, die lediglich das aktive Zuhören markieren (z. B.: „//I: Ja.//“) sowie Pausen entfernt. Die Markierung „(...)“ bedeutet in den Zitaten nicht mehr wie in den Transkriptionen eine Pause, sondern eine Auslassung aus dem Interviewtext. 6.6 Datenauswertung: Qualitative Inhaltsanalyse Die qualitative Inhaltsanalyse nach Mayring (2015) stellt eine Methode der regelgeleiteten, kategoriengestützten und an einer Fragestellung orientierten Textanalyse dar. Durch den Einbezug quantitativer Auswertungsschritte bietet die Methode die Möglichkeit, im Sinne eines Mixed-Methods-Ansatzes die nicht mehr zeitgemäße Auffasung qualitativer und quantitativer Methoden als Widerspruch zu überwinden. Orientiert am Grundaufbau der strukturierenden Inhaltsanalyse (Mayring, 2015, S. 98) bzw. inhaltlich-strukturierenden Inhaltsanalyse (Kuckartz, 2012, S. 78) wird für die hier dargestellte Datenanalyse das in Abbildung 6.2 dargestellte Ablaufschema verfolgt. Die Kodierung wurde von einem Kodierer durchgeführt. Zur inhaltlichen Validierung dienten Diskussionen mit der Projektleitung sowie mit Kolleginnen und Kollegen im Rahmen von Tagungen und Symposien, auf denen Zwischenschritte präsentiert wurden22 . 22

Arbeitstagung der Sektion Sonderpädagogik der DGfE 2015, 2016; Internationale Jahrestagung der Inklusionsforscher_Innen deutschsprachiger Länder 2016, 2017; European Conference on Educational Research (ECER) 2016; International Conference on Inclusion (ICI) 2016

6.6 Datenauswertung: Qualitative Inhaltsanalyse

173

FORSCHUNGSFRAGE Initiierende Textarbeit: Offenes „Initial Coding“

Hauptkategorien formulieren Erste Skizze eines Kategoriensystems

Erster Materialdurchlauf: Codierung der Interviews mit den Hauptkategorien

Zusammenstellung der codiertenTextstellen je Hauptkategorie

Zweiter Materialdurchlauf: Induktive Kategorienbildung

Dritter Materialdurchlauf: Codierung der Interviews mit endgültigem Kategoriensystem

Auswertung und Interpretation der Kategorien, Analyse von Zusammenhängen, Aufbereitung der Ergebnisse

FORSCHUNGSFRAGE Abb. 6.2: Ablaufschema der qualitativen Inhaltsanalyse

FORSCHUNGSFRAGE

FORSCHUNGSFRAGE

Kurze Fallzusammenfassungen und erste Hypothesen

174

6 Forschungsansatz und methodisches Vorgehen bei der empirischen Untersuchung

Die einzelnen Schritte der qualitativen Inhaltsanalyse werden nachfolgend im Detail beschrieben. In Tabelle 6.3 findet sich eine Übersicht darüber, wie sich die einzelnen Auswertungsschritte auf die unterschiedlichen Forschungsfragen beziehen. 6.6.1 Initiierende Textarbeit und „Initial Coding“ Nach Kuckartz (2012, S. 53–54) beginnt eine qualitative Inhaltsanalyse stets mit einem ersten hermeneutisch-interpretativen Schritt, der initiierenden Textarbeit. Dabei wird der gesamte Text (hier: die transkribierten Interviews) sequenziell gelesen und zwar mit der Forschungsfrage im Hintergrund. Es wird versucht, ein erstes Verständnis des Textes zu entwickeln. Dazu wurden in der vorliegenden Untersuchung beim Lesen in MAXQDA alle inhaltstragenden Textstellen mit Bezug zur Forschungsfrage mit der Farbkodierung „Grün“ markiert. Im zweiten Schritt wurden die so markierten Textstellen mit kurzen stichwortartigen Paraphrasen kodiert. Diese Paraphrasen / Stichworte wurden im zweiten Schritt nach Themen sortiert. Dabei wurden einerseits die Themen aus den vier ursprünglichen Untersuchungsfragen genutzt, aber auch, im Sinne des offenen Kodierens, neue Themen aus den Interviews aufgegriffen. Auf diese Weise kam beim initialen Kodieren der ersten Interviews das Thema „Sichtweise auf Inklusion“ auf, welches dann in einer eigenen Forschungsfrage mündete, die in die weiteren Interviews gezielt einbezogen wurde. Bei der Sortierung der Stichworte / Paraphrasen wurden Doppelungen eliminiert und Aussagen, die sich decken oder ergänzen, zusammengeführt. Aus dieser stichwortartigen Zusammenfassung wurde im letzten Schritt eine schriftliche Fallzusammenfassung ausformuliert. Das Vorgehen kann daher eher als Initial Coding denn als initiierende Textarbeit bezeichnet werden, da über das erste zielgerichtete Lesen mit Markieren der relevanten Textstellen (Kuckartz, 2012, S. 53–54) hinausgehend bereits Techniken der Zusammenfassung (Mayring, 2015, S. 69–72) bzw. des offenen Kodierens (Corbin & Strauss, 2008) zur Anwendung kamen. Beide Techniken verortet Schreier (2012) bereits in der Phase der Kategorienbildung. In diesem Sinne wurden hier im Initial Coding bereits der Grundstein für das spätere Kategoriensystem gelegt und zudem erste Fallzusammenfassungen angelegt, wie von Kuckartz (2012, S. 55) empfohlen. Exemplarisch zeigt Anhang 9.4 (S. 398) die Schritte dieses initiierenden Kodierdurchgangs.

data-driven / induktiv (→ Abschnitt 6.6.5.1)

• 5.1 • 5.2

... Kapitel 7.1

Quantitative Aus- – wertungsschritte

Strategie bei Bildung der Kategorien / Subkategorien

Zugeordnete Fragestellungen (Kapitel 5)

Darstellung der Ergebnisse in ...

Formale Rolle – Spezifika der Schwerpunktschule

Skalenbildung, Clusteranalyse (→ Abschnitt 6.6.7.1)

conceptdriven /deduktiv (→ Abschnitt 6.6.5.2)

5.2

... Kapitel 7.2

Kreuztabellen, Mittelwertvergleiche (→ Abschnitt 6.6.7.2)

Kombination aus data-driven / induktiv und concept-driven / deduktiv (→ Abschnitt 6.6.5.3)

5.5

... Kapitel 7.3

Führungsorientie- Sichtweisen auf rung Inklusion

Einfache Häufigkeitsanalyse nach Subgruppen (→ Abschnitt 6.6.7.3)

data-driven / induktiv (→ Abschnitt 6.6.5.1)

5.4

... Kapitel 7.4

Rahmenbedingungen für Schulleitungshandeln an Schwerpunktschulen

Einfache Häufigkeitsanalyse nach Subgruppen (→ Abschnitt 6.6.7.3)

data-driven / induktiv (→ Abschnitt 6.6.5.1)

5.4

... Kapitel 7.5

Rahmenbedingungen für die Entwicklung von Schwerpunktschulen

Einfache Häufigkeitsanalyse nach Subgruppen (→ Abschnitt 6.6.7.3)

data-driven / induktiv (→ Abschnitt 6.6.5.1)

• 5.3 • 5.5

... Kapitel 7.6

Umsetzung des Konzepts Schwerpunktschule an den einzelnen Schulen

Tab. 6.3: Übersicht über die Hauptkategorien der qualitativen Inhaltsanalyse mit den dazugehörigen Fragestellungen bzw. Auswertungsstrategien

6.6 Datenauswertung: Qualitative Inhaltsanalyse 175

176

6 Forschungsansatz und methodisches Vorgehen bei der empirischen Untersuchung

6.6.2 Formulierung der Hauptkategorien Die thematischen Hauptkategorien des Kategoriensystems ergaben sich einerseits aus dem Interviewleitfaden bzw. den Fragestellungen, die diesen Leitfaden strukturieren. Während der initiierenden Textarbeit konnten zudem weitere Themen identifiziert werden, die die Schulleitungen angesprochen haben, ohne dass sie im Interviewleitfaden a priori vorgegeben waren. Es ergaben sich die folgenden Hauptkategorien: • Formale Rolle – Spezifika der Schwerpunktschule • Führungsorientierung • Sichtweisen auf Inklusion • Rahmenbedingungen für Schulleitungshandeln an Schwerpunktschulen • Rahmenbedingungen für die Entwicklung von Schwerpunktschulen • Umsetzung des Konzepts Schwerpunktschule an den einzelnen Schulen • Verschiedenes 6.6.3 Festlegung der Analyseeinheiten und -reihenfolge Merkmal des regelgeleiteten Vorgehens der Inhaltsanalyse ist die Festlegung von Analyseeinheiten (Mayring, 2015, S. 61; Schreier, 2012, S. 129), wobei zwischen Auswertungseinheit, Kodiereinheit und Kontexteinheit unterschieden wird. 6.6.3.1 Für die Inhaltsanalyse festzulegende Analyseeinheiten Auswertungseinheit (unit of analysis): Mayring (2015, S. 61) bezeichnet als Auswertungseinheit die Festlegung, welche Textteile nacheinander ausgewertet werden. Abweichend davon definiert Schreier: „Each case on which QCA is carried out constitutes a unit of analysis.“ (Schreier, 2012, S. 130)

In Bezug auf das vorliegende Interviewmaterial kann beides als deckungsgleich gesehen werden: Es wurde Interview für Interview ausgewertet, jeder Fall stand für sich als zu analysierende Einheit. Kodiereinheit (units of coding): Als Kodiereinheit gilt nach Mayring (2015, S. 61) der kleinste Materialbestandteil, der ausgewertet werden darf. Schreier (2012, S. 131) geht, für qualitative Forschung nachvollziehbarer, von einer allgemeineren Definition aus:

6.6 Datenauswertung: Qualitative Inhaltsanalyse

177

„Units of coding are those parts of the units of analysis that can be interpreted in a meaningful way with respect to your categories and that fit within one subcategory of your coding frame.“ (Schreier, 2012, S. 131)

Kontexteinheit (context units): Für Mayring (2015, S. 61) stellt die Kontexteinheit den größten Textbestandteil fest, der kodiert werden darf. Vergleicht man dies mit der Definition bei Schreier (2012), so wird ein deutlicher Unterschied sichtbar: „The context unit is that portion of the surrounding material that you need to understand the meaning of a given unit of coding.“ (Schreier, 2012, S. 133)

Insgesamt liefert Schreier (2012) damit das deutlich prägnantere und gerade für offenes verbales Material auch das deutlich pragmatischere Set an Definitionen der Analyseeinheiten. Die Unterteilung der Auswertungseinheiten in Kodiereinheiten nennt Schreier (2012, S. 134) segmentation. Während bei formal / sprachlich gegliedertem Analysematerial (Briefe, Zeitungsartikel etc.) formale Segmentierungskriterien festgelegt werden können (Schreier, 2012, S. 134–136), was in etwa der A-prioriFestlegung wie bei Mayring (2015, S. 61) entspricht, empfiehlt Schreier (2012, S. 136–138) bei transkribierten Interviews (da diese keine formalen Satzzeichen beinhalten) eher thematische Segmentierungskriterien. Obgleich diese Kriterien keine exakt eindeutige Segmentierung zuließen wie formale Kriterien, hätten diese den Vorteil (Schreier, 2012, S. 138), dass Kodiereinheiten auf die Hauptkategorien bzw. Subkategorien des Kategoriensystems abgestimmt werden können. 6.6.3.2 Zusammenfassung des Vorgehens bei der Festlegung der Analyseeinheiten Jedes der Interviews bildete seine eigene Auswertungseinheit. Bei der Festlegung der Kodiereinheiten wurde auf eine feste a priori vorgenommene Setzung verzichtet. Vielmehr wurde der Strategie gefolgt, die Interviews während des ersten Materialdurchgangs in Sinneinheiten zu segmentieren. Dabei wurde wie von Schreier (2012, S. 139–140) empfohlen vorgegangen: 1. Inhaltlich relevante Textabschnitte markieren, und in Abschnitte unterteilen, zu denen nur wenige Hauptkategorien gleichzeitig passen 2. Entscheidung für inhaltliche Kriterien (basierend auf den Erfordernissen der Hauptkategorien); Festlegung der Länge der Kodiereinheiten, sodass eine einheitliche Zuordnung zu Subkategorien möglich ist 3. Einteilung des Texts in die Kodiereinheiten

178

6 Forschungsansatz und methodisches Vorgehen bei der empirischen Untersuchung

6.6.4 Erster Materialdurchlauf: Segmentierung und Zuweisung der Hauptkategorien In einem ersten Materialdurchlauf wurden die in Kodiereinheiten segmentierten Interviews mittels der Hauptkategorien kodiert und die kodierten Segmente je Hauptkategorie in MAXQDA in einem einfachen Code-Retrieval zusammengestellt. Es wurde wie oben beschrieben Interview für Interview sequenziell durchgearbeitet. 6.6.5 Festlegung des Kategoriensystems Vor der endgültigen Kodierung des gesamten Analysematerials steht die Festlegung des Kategoriensystems. Dabei können zur Kategorienbildung innerhalb der Hauptkategorien drei Strategien zum Einsatz kommen (Schreier, 2012, S. 84–94): • data-driven (induktiv)23 : Die Kategorienbildung erfolgt am Material, beispielsweise durch Subsumption. • concept-driven (deduktiv): Die Kategorienbildung erfolgt (meist a priori) auf Basis bekannter Befunde, Strukturen, Konzepte oder Modelle. • Kombination aus data- und concept-driven: Beide Strategien können je nach Fragestellung und Datenmaterial kombiniert werden. 6.6.5.1 Zweiter Materialdurchlauf: Induktive Kategorienbildung In einem zweiten Materialdurchlauf wurde mittels Subsumption (Schreier, 2012, S. 115–120) das bestehende grobe Kategoriensystem (bezogen auf die Hauptkategorien „Formale Rolle...“, „Rahmenbedingungen für Schulleitungshandeln...“, „Rahmenbedingungen für die Entwicklung...“ sowie „Umsetzung des Konzepts Schwerpunktschule...“) um data-driven gebildete Kategorien erweitert. Das Vorgehen erfolgte in folgenden Schritten: „• You look at your material until you reach a part that is pertinent to your present main category. • You check whether it is similar to or different from the parts you have already looked at. • If it is similar, you mentally subsume it to one of your already existing subcategories. 23

In der deutschsprachigen Literatur werden in der Regel die Begriffe induktiv und deduktiv verwendet (z. B. Kuckartz, 2012; Mayring, 2015). Aus Sicht des Verfassers dieser Arbeit drücken die von Schreier (2012) verwendeten Begriffe data-driven und concept-driven das methodische Vorgehen wesentlich präziser aus.

6.6 Datenauswertung: Qualitative Inhaltsanalyse

179

• If it suggests a new concept, you create a new subcategory.“ (Schreier, 2012, S. 116)

Gearbeitet wurde dabei technisch mit einem einfachen Code-Retrieval der Hauptkategorien in MAXQDA. 6.6.5.2 Hauptkategorie Führungsorientierung: Kategorienbildung nach der Strategie concept-driven Innerhalb der Hauptkategorie „Führungsorientierung“ wurde a priori festgelegt, dass als Kategorien innerhalb der Hauptkategorie die Frames von Bolman und Deal (2013) verwendet werden (Structural Frame, Human-Resource Frame, Political Frame, Symbolic). Bonsen (2003) hat zu den Frames bereits ein Kategoriensystem ausgearbeitet. Dieses enthält Indikatoren zu allen vier Frames. Diese Indikatoren werden hier als Subkategorien verwendet. 6.6.5.3 Hauptkategorie Sichtweisen auf Inklusion: Kombinierte Strategie bei Kategorienbildung Im Rahmen der data-driven orientierten Kategorienbildung ergab sich innerhalb der Hauptkategorie „Sichtweisen auf Inklusion“ die Gliederung in zwei Kategorien: • Definition schulischer Inklusion • Eigene Auseinandersetzung mit Inklusion Während der Analyse der Textsegmente innerhalb dieser beiden Kategorien zeigte sich, dass bei der Festlegung der Subkategorien ein Concept-driven-Vorgehen sinnvoll erscheint. Die Subkategorien zur Definition schulischer Inklusion wurden dazu aus Piezunka, Schaffus und Grosche (2017) abgeleitet, die Subkategorien zur eigenen Auseinandersetzung mit Inklusion aus Laubenstein, Lindmeier, Guthöhrlein und Scheer (2015). Nähere Erläuterungen finden sich in der Ergebnisdarstellung in Abschnitt 7.3. 6.6.6 Dritter Materialdurchlauf: Kodierung des gesamten Materials Die mit den Hauptkategorien kodierten Kodiereinheiten wurden im finalen dritten Materialdurchlauf auf der je Kategorie niedrigsten Ebene des Kategoriensystems (Subkategorien; Kategorieausprägungen; Indikatoren) kodiert. Dabei wurde Hauptkategorie für Hauptkategorie, darin Interview für Interview und darin wiederum sequenziell vorgegangen.

180

6 Forschungsansatz und methodisches Vorgehen bei der empirischen Untersuchung

Die Kodierung erfolgte durch den Verfasser der Arbeit. Eine Zweitkodierung durch andere Kodiererinnen oder Kodierer war nicht vorgesehen. 6.6.7 Quantitative Auswertungsschritte In die qualitative Inhaltsanalyse wurden einzelne quantitativ ausgerichtete Analyseschritte eingeflochten. Diese werden, bezogen auf die betroffenen Hauptkategorien nachfolgend skizziert. 6.6.7.1 Quantitative Schritte innerhalb der Hauptkategorie „Führungsorientierung“ Die Indikatoren (Subkategorien) der Hauptkategorie Führungsorientierung wurden in quantitative Variablen überführt, um daraus für jedes Frame (Structural, HumanResource, Political, Symbolic) einen Skalenwert abzuleiten. Mit diesen vier Skalen wurde dann zur Bildung von Rahmungstypen eine Clusteranalyse durchgeführt. Die detaillierte Darstellung dieses Auswertungsschritts erfolgt in Abschnitt 7.2.2 (S. 225ff.) parallel zur Auswertung. 6.6.7.2 Quantitative Schritte innerhalb der Hauptkategorie „Sichtweise auf Inklusion“ Innerhalb der Hauptkategorie „Sichtweisen auf Inklusion“ wurden Kreuztabellen genutzt, um Zusammenhänge zwischen den Kategorien „Definition schulischer Inklusion“ und „Eigene Auseinandersetzung mit schulischer Inklusion“ zu untersuchen. Außerdem wurden die aus den dazugehörigen Subkategorien gebildeten Gruppen von Schulleiterinnen und Schulleitern hinsichtlich der Ausprägung ihrer Führungsorientierungen (siehe Abschnitt 6.6.7.1) verglichen. 6.6.7.3 Weitere quantitativ orientierte Analysen In den Hauptkategorien „Rahmenbedingungen für Schulleitungshandeln an Schwerpunktschulen“, „Rahmenbedingungen für die Entwicklung von Schwerpunktschulen“ sowie „Umsetzung des Konzepts Schwerpunktschule an den einzelnen Schulen“ wurden die Häufigkeiten der einzelnen Kategorien und Subkategorien herangezogen, um Zusammenhänge mit den anderen Hauptkategorien (insbesondere Führungsorientierung und Sichtweisen auf Inklusion) zu untersuchen.

7 Ergebnisse der qualitativen Inhaltsanalyse Die folgende Darstellung der Ergebnisse der qualitativen Inhaltsanalyse ist gegliedert nach den Themen bzw. Hauptkategorien des in der Inhaltsanalyse gebildeten Kategoriensystems. Dabei bezieht sich jeder Abschnitt auf eine Hauptkategorie, innerhalb der Hauptkategorien wird bei der Auswertung und Interpretation kategorienweise vorgegangen. Auf eine vollständige Übersicht des Kategoriensystems als Ganzes wird aufgrund dessen Komplexität verzichtet. Stattdessen wird jeder Abschnitt mit einer Übersicht über die Kategorien und Unterkategorien der jeweils behandelten Hauptkategorie eingeleitet. 7.1 Formale Rolle – Spezifika der Schwerpunktschule Die Hauptkategorie „Formale Rolle – Spezifika der Schwerpunktschule“ leitet sich direkt aus der Forschungsfrage nach der formalen Rolle der Schulleitung an Schwerpunktschulen ab (siehe Abschnitt 5.1, S. 148), deren Beantwortung sich teilweise bereits aus den Abschnitten 4.4 (S. 116) und 4.6 (S. 144) ergibt. Gemäß der Kategoriendefinition fallen in diese Kategorie alle Kodiereinheiten, in denen sich die Interviewpartnerin / der Interviewpartner zu der Frage äußern, ob sich durch den Auftrag der Schwerpunktschule (SPS) etwas an der Arbeit der Schulleitung geändert hat. Beschreibungen von Aufgaben, die jede Schulleitung zu erfüllen hat, werden hier nicht kodiert, es sei denn, es wird explizit ausgesagt, dass diese Aufgabe durch den Auftrag der SPS komplexer oder zeitaufwendiger geworden ist oder um andere Aspekte erweitert wurde. Auf diese Kategorie entfielen insgesamt 40 Kodiereinheiten aus zehn der Interviews. Diese verteilen sich wie in Tabelle 7.1 angegeben auf die gebildeten Kategorien und Unterkategorien. 7.1.1 Verneinung grundlegender Unterschiede In den Interviews finden sich insgesamt keine Hinweise darauf, dass sich das Berufsbild der Schulleitung beziehungsweise das Aufgabenspektrum grundlegend geändert hätte. In zwei Interviews finden sich explizite Aussagen, die eine grundlegende Veränderung verneinen: „Meine Arbeit als Schulleiter unterscheidet sich wahrscheinlich nicht von der aller anderen Schulleiter auch.“ (RS-1-M: 2–2) © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 D. Scheer, Schulleitung und Inklusion, https://doi.org/10.1007/978-3-658-27401-6_7

182

7 Ergebnisse der qualitativen Inhaltsanalyse

Tab. 7.1: Kategorien und Unterkategorien der Hauptkategorie „Formale Rolle – Spezifika der Schwerpunktschule“ mit Anzahl der kodierten Textsegmente (in Klammern Anzahl der Interviews, aus denen die Textsegmente stammen) Kategorie Komplexitätssteigerung bestehender Aufgaben Neue externe Kooperationspartner Einsatzplanung der Förderschullehrkräfte und pädagogischen Fachkräfte Inhaltliche Aspekte, die sich durch die Aufnahme der Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf ergeben Neue administrative Aspekte Neue innerschulische Gremien Höherer Zeitaufwand für Schulleitungsaufgaben Beratung und Übergangsmanagement für Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf Verneinung grundlegender Unterschiede

Anzahl 7 5 5

(6) (3) (5)

2 1 8 10

(2) (1) (3) (3)

2

(2)

„Als Schulleiterin an einer Schwerpunktschule hat man genau die gleichen Aufgaben wie an anderen Schulen auch.“ (GS-2-W: 2–2)

7.1.2 Komplexitätssteigerung bestehender Aufgaben Als Veränderungen in der formalen Rolle als Schulleitung geben die Schulleiterinnen und Schulleiter insbesondere eine Komplexitätssteigerung der bestehenden Aufgaben an. 7.1.2.1 Neue externe Kooperationspartner So kommen für die Schulleitung weitere Ansprech- bzw. Kooperationspartner hinzu, z. B. die als Stammschule zuständige Förderschule, die Zuständigkeit zweier Schulaufsichtsreferate (eigene Schulart und Referat Förderschulen) für die Schwerpunktschulen, die Erweiterung der Zusammenarbeit mit abgebenden und aufnehmenden Institutionen (Übergänge Elementarbereich – Grundschule, Grundschule – Sekundarstufe, Sekundarstufe – berufliche Bildung) sowie verschiedene themenbezogene Kooperationspartner (Familienforum, Berufsbildungswerke, Integrationsfachdienste).

7.1 Formale Rolle – Spezifika der Schwerpunktschule

183

7.1.2.2 Einsatzplanung der Förderschullehrkräfte und pädagogischen Fachkräfte Eine zweiter Aspekt, der zur Komplexitätssteigerung bestehender Aufgaben beiträgt, ist die notwendige Einsatzplanung der Förderschullehrkräfte und pädagogischen Fachkräfte. Welcher Komplexitätsgrad sich dabei im Detail ergibt, wird vor allem davon beeinflusst, welche Strategien bzw. Ansätze die Schulleitung in diesem Zusammenhang verfolgt. Diese Strategien bewegen sich zwischen den beiden Polen. • Pol 1: Die Förderschullehrkräfte und pädagogischen Fachkrafte werden organisatorisch als zu planende Größe im Stundenplan betrachtet: „Verändert hat sich insofern etwas, als wir die Kollegen Förderlehrer in unseren Stundenplan einplanen müssen.“ (IGS-3-M-Gr: 19–19)

• Pol 2: Es werden detaillierte Überlegungen zur Zusammensetzung fester Teams angestellt: „Und das, was ich versuchen kann und versuchen muss, ist einfach immer, die Lehrerteams so zu setzen, dass es auch für die verträglich ist. Dass die auch damit arbeiten können.“ (GS-1-W: 19–19) „Man hat eine viel größere Bandbreite an Personal miteinander in einen guten Kontakt zu bringen und produktive Arbeitseinheiten in Gang zu setzen beziehungsweise am Leben zu erhalten.“ (IGS-2-W: 20–20)

7.1.2.3 Inhaltliche Aspekte, die sich durch die Aufnahme der Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf ergeben Durch die Aufnahme von Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf im Rahmen des Konzepts Schwerpunktschule ergeben sich für die Schulleitung auch inhaltlich neue Aspekte, die die bestehenden Aufgaben der Schulleitung komplexer werden lassen: Hierunter fällt zum Beispiel die pädagogische Gestaltung der Klassenzusammensetzung (welche Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf passen unter pädagogischen Gesichtspunkten am besten in welche Klasse). Zudem muss die Schulleitung über Kenntnisse bezüglich der Vorgaben der Sonderschulordnung (SoScho) verfügen, die bei dieser Schülergruppe für Zeugnisse, Versetzungen und Änderungen im Förderschwerpunkt gilt. Gerade die Änderung des Förderschwerpunkts einzelner Schülerinnen und Schüler wurde in den Interviews als Bereich genannt, in den die Schulleitung intensiv eingebunden ist.

184

7 Ergebnisse der qualitativen Inhaltsanalyse

Eine Schulleiterin sprach zudem einen weiteren Aspekt an, der für sie einen erhöhten Organisationsaufwand bedeutet: „Es gibt halt Kinder, bei denen ist die Voraussetzung, dass der I-Helfer24 da ist, damit das Kind überhaupt am Unterricht teilnehmen kann. Und da geht es dann wirklich los. Das artet dann schon mal in einen ganz schönen Stress aus, dass an dem Morgen, wo das dann eintritt, der Fall, das zu organisieren und halt auch zu gucken: kann das Kind heute kommen. Wenn es nicht kommen kann, wen muss ich anrufen und die ganzen Geschichten, die da noch außen rumlaufen.“ (GS-3-W-Gr: 8–8)

7.1.2.4 Neue administrative Aspekte (allgemein) Zwei Schulleiterinnen äußern ganz allgemein, dass verwaltungstechnisch ein paar zusätzliche Aspekte zu beachten seien und beziehen dies darauf, dass sich ihr Arbeitsalltag nicht gravierend geändert habe: „Ich habe halt nur verwaltungstechnisch noch ein Portal mehr, was ich bedienen muss, aber das fällt im Grunde nicht ins Gewicht. Also ich denke, an einer Gesamtschule darf die Frage Schwerpunktschule oder nicht überhaupt kein Thema sein, weil es einfach zum Grundgedanken dazugehört.“ (IGS-5-W-Gr: 33–33)

7.1.2.5 Neue innerschulische Gremien Als neue Aufgabe für Schulleitung bzw. Erweiterung des Bestehenden nennt eine Schulleiterin die Zusammenarbeit mit der Fachschaft Schwerpunktschule, worin sich zeigt, dass das Konzept Schwerpunktschule die Anzahl innerschulischer Gremien erhöht, die es zu koordinieren gilt. Auch andere Interviewpartnerinnen und -partner berichteten von ähnlichen Fachgruppen an ihrer Schule, bezogen diese aber nicht direkt auf die Frage nach ihrem Arbeitsalltag. Jedoch ist es trivial anzunehmen, dass auch diese Schulleitungen die Arbeit dieser Fachgruppen begleiten und koordinieren, sodass diese Erweiterung des Aufgabenspektrums unterstellt werden kann. 7.1.3 Höherer Zeitaufwand für Schulleitungsaufgaben Dass die Arbeit an einer Schwerpunktschule für Schulleitungen mit deutlich mehr Zeitaufwand verbunden ist als an einer Schule, die nicht Schwerpunktschule ist, zeigt sich in mehreren Interviews: 24

I-Helfer = Integrationshelfer / innen. Dies ist in Rheinland-Pfalz die Bezeichnung für individuelle Schulbegleitung im Sinne von SGB VIII und SGB XII.

7.1 Formale Rolle – Spezifika der Schwerpunktschule

185

„Und da bin ich froh, dass ich mit Ihnen mal da drüber sprechen kann. Denn für die Arbeit der Schulleitung in der Schwerpunktschule minimiert sich auch nach fünf Jahren nichts. Auch wenn man mehr weiß, worauf es ankommt.“ (IGS-1-W: 25–25) „Aber es ist mehr Arbeit und ich kriege nichts dafür. Das wurde uns ja auch noch draufgesetzt.“ (GS-2-W: 57–57) „Also das sind so die Punkte, die ich einfach jetzt erst sehe, im Vergleich zu einer Regelschule, die einfach unheimlich Zeit / so befruchtend die ich finde, aber unheimlich zeitaufwendig sind an einer Schwerpunktschule.“ (GS-3-W-Gr: 11–11)

7.1.4 Beratung und Übergangsmanagement für Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf Ein Bereich, der aus Sicht einzelner Schulleitungen eine neue Herausforderung darstellt und auch Zeit in Anspruch nimmt, ist die Beratung und Begleitung von Schülerinnen und Schülern mit (potenziellem) sonderpädagogischem Förderbedarf sowie deren Eltern, und zwar (a) im Rahmen des Verfahrens zur Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfs, (b) bei der Entscheidung zwischen Förderschule und Schwerpunktschule sowie (c) beim Übergang von der vorhergehenden Institution an die eigene Schule bzw. von der eigenen Schule in die nächste Phase (weiterführende Schule bzw. berufliche Bildung). Insbesondere die Beispiele zweier Grundschulen verdeutlichen, wie sich die Schwerpunktschule in diese Prozesse einbringen kann (siehe Tabelle 7.2). Die Annahme dieser Aufgabe stellt sich bei Betrachtung der Interviewaussagen wie ein persönliches Engagement dar, das die Schwerpunktschule in Kooperation mit der Förderschule in gemeinsamer Absprache erbringt. Wie weit bzw. in welchem Ausmaß dieses von der Schulaufsicht gefordert wird, geht nicht direkt aus den Interviews hervor. Allerdings legt die Art der Beschreibung nahe, dass ein Mehrwert in einer solchen gemeinsamen Beratung der Eltern gesehen wird. Zu überlegen ist folglich, ob dieser Mehrwert eine Institutionalisierung der Beratung durch Förderschul- und Schwerpunktschulleitung im Team rechtfertigen würde. 7.1.5 Formale Rolle der Schulleitung: Zusammenfassung Zusammenfassend wird bezüglich der formalen Rolle von Schulleitung deutlich, dass sich diese zwar nicht grundlegend geändert hat, dass aber fachlich und administrativ – und das zeigen auch die Analysen im theoretischen Teil der Arbeit – neue

Aufnahme an SPS „Und dann muss man – fällt mir gerade so ein – Aufnahme: Auch da führt man viele Gespräche mit den Eltern (...) und manchmal auch mit dem Kreis, wenn es kreisübergreifend ist, wenn die aus einem Nachbarkreis kommen wollen, zu uns wechseln wollen oder einschulen wollen bei uns, dann muss man da auch die Gespräche führen.“ (GS-1-W: 17–17)

„Also ich habe jetzt seit November unzählige Beratungsgespräche mit Eltern, mit Erzieherinnen, zum Teil im Team Erzieherinnen mit Eltern, die dann gemeinsam kamen, Autismusbeauftragte und so weiter gehabt, wo dann eben durch die Schulanmeldung klar war, das Kind braucht ein Gutachten, wie verläuft das mit dem Gutachten, kämen wir als Schule infrage, was können wir hier bieten, was können wir nicht bieten.“ (GS-3-W-Gr: 10–10) „(...) zusätzlich zu den Beratungsgesprächen, die während der Gutachtenerstellung ja schon laufen, weil die Eltern anrufen: Können sie mein Kind nehmen? und so weiter und ich dann jedes Mal wieder erklären muss: Wie funktioniert das alles?“ (GS-3-W-Gr: 10–10)

Feststellungsverfahren

„(...) wenn die Überprüfungen anstehen, die Beratungsgespräche mit den Eltern. Egal, ob die hierhin kommen wollen oder nicht. (...) Wir sind halt schon ganz lange Schwerpunktschule, das heißt, wir müssen dann immer, wir sind dann immer die, die als erstes genannt werden und die als erstes versuchen, Auskunft zu geben und oft Eltern zu beruhigen, und zu sagen: erstmal den ersten Schritt und warten Sie mal ab und keine Angst, das ist oft so.“ (GS-1-W: 3–3)

„(...) nach der Gutachtenerstellungsphase diese Phase der Beratungsgespräche am Ende. Das heißt, da haben wir allerdings, was ich ganz toll finde, aber was natürlich auch ein riesen Zeitaufwand ist, diese Vereinbarung mit beiden unserer angegliederten Förderschulen, dass die jeweiligen Schulleiter mich mit ins Boot holen, wenn die Eltern überlegen sind, Schwerpunktschule oder Förderschule. Dann führen wir diese Beratungsgespräche mit den Eltern gemeinsam. Das heißt, ich bin dann also, mindestens einen Tag ist der eine Schulleiter da und gewöhnlich fahre ich dann nochmal einen anderen Tag an die andere Förderschule und wir führen dann den ganzen Tag Beratungsgespräche (...)“ (GS-3-W-Gr: 10–10)

„Man führt natürlich aber auch am Ende des vierten Schuljahres nochmal die Gespräche nochmal ganz deutlich: Wie ist denn der Weitergang für die Kinder. Und manchmal muss man tatsächlich auch schon einmal die Förderschulen mit den Eltern besuchen, dass man sagt: Fahren wir einmal zusammen hin, gucken uns das an, ob das was für Ihr Kind ist oder nicht.“ (GS-1-W: 17–17) „Also, diese Nahtstellen. Die haben die normalen Grundschulen einfach nicht. Ja, wenn die einen Schüler überprüfen lassen im Laufe der Schulzeit, dann ist der eben weg von der Grundschule. Dann geht er zur Schwerpunktschule oder zur Förderschule. Hier bleiben die Kinder.“ (GS-1-W: 18–18)

Übergänge

Tab. 7.2: Beratungsaufwand für Schulleitung an Schwerpunktschulen am Beispiel zweier Grundschulen

186 7 Ergebnisse der qualitativen Inhaltsanalyse

7.2 Führungsorientierung

187

Aspekte hinzukommen, die die bestehenden Aufgaben in ihrer Komplexität erweitern und einen höheren Zeitaufwand für die Schulleitungstätigkeit mit sich bringen. Gleichzeitig finden sich weder in den Interviews noch in den einschlägigen Rechtsdokumenten Hinweise darauf, dass Schwerpunktschulen mehr Anrechnungsstunden für Leitungstätigkeit zur Verfügung stehen als anderen Schulen. 7.2 Führungsorientierung Die Kategorie „Führungsorientierung“ subsumiert alle Segmente, in denen die Schulleitung ihre Aufgaben, ihre Funktion, ihre Rolle, ihr Handeln als Schulleitung und / oder ihre eigene Auffassung von Schule / Schulentwicklung / Schulleitung beschreibt und / oder zusammenfasst. Dabei ist es unerheblich, ob ein direkter Bezug zu schulischer Inklusion besteht. Wichtig ist als Einschlusskriterium, dass die Interviewpartnerinnen und -partner sich explizit auf ihre eigene Auffassung oder Rolle beziehen, nicht allgemein auf Abläufe an der Schule. Es werden hier auch Kodiereinheiten kodiert, die ebenfalls zu anderen Dimensionen des Kategoriensystems gehören. Die Untergliederung der Hauptkategorie ergibt sich direkt aus dem Modell von Bolman und Deal (2013) und dem bereits von Bonsen (2003) entwickelten und erprobten Kategoriensystem zu diesem Rahmenmodell. Im Gegensatz zur Arbeit von Bonsen wurde die Ebene der Indikatoren jedoch nicht als Hinweis auf die Kategorie, sondern direkt als unterste Kategorienebene genutzt, wie Tabelle 7.3 verdeutlicht. Dort sind auch die Anzahlen der jeweils kodierten Textsegmente angegeben.

Tab. 7.3: Kategorien und Unterkategorien der Hauptkategorie „Schulleiterrolle / Führungsorientierung“ mit Anzahl der kodierten Textsegmente (in Klammern Anzahl der Interviews, aus denen die Textsegmente stammen) Kategorie Structural Frame 1: Prozessplanung und Evaluation 2: Entwicklung und Verbesserung von Informationssystemen und Kommunikationsstrukturen 3: Implementation oder Reorganisation sowie Verdeutlichung gemeinsamer Verfahrensweisen und einer gemeinsamen Organisations- bzw. „Schulpolitik“ 4: Haushaltsbezogene Planung und Kontrolle 5: Entwicklung struktureller Untereinheiten in der Schule, Aktivierung von vorhandenen Strukturen Fortsetzung auf nächster Seite

Anzahl 21 45

(7) (13)

12

(7)

27 36

(12) (12)

188

7 Ergebnisse der qualitativen Inhaltsanalyse

Fortsetzung Tabelle 7.3

Kategorie 6: Diskussion und Klärung von Zielen, Rollen und Erwartungen innerhalb der Schule Human-Resource Frame 1: Eingehen auf individuelle Gefühle, Bedürfnisse, Fähigkeiten und Präferenzen der Lehrer 2: Förderung von Partizipation und Mitbestimmung sowie offener Kommunikation 3: Rekrutierung und Training neuer Kollegiumsmitglieder (bzw. vorhandene Kollegiumsmitglieder gezielt für bestimmte Aufgaben auswählen und vorbereiten) 4: Personalentwicklung: Durchführen von Workshops (pädagogische Konferenzen und Tage); Gezielte Fortbildungen / Fortbildungskonzept 5: Organisationsentwicklung unter dem Anspruch der Humanisierung der Arbeit und der Steigerung der Arbeitszufriedenheit der Lehrer; Förderung von Gemeinschafts- und Zusammengehörigkeitsgefühl 6: Arbeit an der Verbesserung zwischenmenschlicher Beziehungen Political Frame 1: Allianzen und Netzwerke mit zentralen Akteuren bilden 2: Konflikte und Spannungen zwischen verschiedenen Teilen des Kollegiums, Interessengruppen oder Organisationen wahrnehmen und zwischen den verschiedenen Parteien verhandeln und Lösungen aushandeln 3: Konkurrierende Interessen und Vorstellungen darüber, was zu tun ist, wahrnehmen und mit den verschiedenen Parteien verhandeln und Lösungen aushandeln 4: Im Streit um Verteilung knapper Ressourcen ebenfalls durch Verhandlungsgeschick und Entschlossenheit zwischen verschiedenen Interessen verhandeln Symbolic Frame 1: Zielgerichtete Einflussnahme auf die Schulkultur 2: Arbeit an der Entwicklung und Klärung der gemeinsamen Vision (etwa in Form eines Leitbildes) 3: Diskussion der Identität, Kultur und Symbole einer Schule 4: (Wieder-)Belebung schulspezifischer Zeremonien und Rituale; Instrumentalisierung des symbolischen Stellenwerts bestehender Praktiken, Rituale oder Einrichtungen, Gebäude, Gegenstände und Orte (beispielsweise die symbolische Bindung an ein altes oder traditionsreiches Schulgebäude) 5: Thematisieren des nach außen vermittelten Bildes der Schule und Reflexion der unterschiedlichen Interpretations- und Sichtweisen schulischer Aktivitäten und Beschlüsse durch die Gemeinde und Außenstehende 6: Die eigene Vorbildfunktion annehmen und den symbolischen Stellenwert der eigenen Person und seiner Funktion zu erkennen und nutzen: „man steht als Schulleiter oder Schulleiterin für die Schule“ („using self as a symbol“) Verschiedenes

Anzahl 46

(11)

35

(12)

31

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3

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13 2

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15

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4

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7.2.1 Qualitative Beschreibung der Rahmenausprägungen Das Rahmenmodell von Bolman und Deal (2013) beschreibt vier Rahmen, durch die Führungskräfte Aufgaben, Situationen, Herausforderungen und Abläufe inner-

7.2 Führungsorientierung

189

halb ihrer Organisation betrachten können (siehe Abschnitt 2.3, S. 39). Je mehr Rahmen eine Führungskraft berücksichtigt bzw. beherrscht, umso eher kann sie, so die Aussage des Rahmenmodells, flexibel auf Schwierigkeiten reagieren und situationsadäquat ihre Führungsrolle ausfüllen. Besonders relevant für die Analyse der Führungsorientierung der Schulleitungen erscheint daher die quantitative Auswertung der Rahmenausprägungen, was in Abschnitt 7.2.2 (S. 225) erfolgt. Gerade hinsichtlich der sich in Schulen und damit für Schulleitung (im Verhältnis zu traditionellen schulischen Aufgaben) relativ neuen Herausforderung schulischer Inklusion sollte dennoch zunächst qualitativ beschrieben werden, in welchen konkreten Praktiken und Sichtweisen sich die Rahmenausprägungen bei Schulleitungen an Schwerpunktschulen manifestieren. 7.2.1.1 Structural Frame Inhaltlich bezieht sich der strukturelle Rahmen vor allem auf Theorien, in denen Führung insbesondere als effizientes Anpassen von Strukturen an Aufgaben, als Vorgabe genauer Handlungsanweisungen sowie Kontrolle der zu führenden Mitarbeitenden gesehen wird (siehe Abschnitt 2.3.1, S. 40). Für Schulleitung ergibt sich daraus nach Bonsen (2003, S. 154–155) vor allem das Aufgabenspektrum (1) schulische Prozesse zu planen und zu evaluieren, (2) haushaltsbezogen zu planen und zu kontrollieren, (3) zweckmäßig strukturelle Untereinheiten in der Schule zu entwickeln bzw. vorhandene Strukturen zu aktivieren, (4) Ziele, Rollen und Erwartungen innerhalb der Schule, (5) eine gemeinsame Schulpolitik sowie gemeinsame Verfahrensweisen zu verdeutlichen und (6) Informationssysteme und Kommunikationsstrukturen zu entwickeln bzw. zu verbessern. Prozessplanung und Evaluation Der Aspekt der Prozessplanung und Evaluation ließ sich in sieben der 15 Interviews identifizieren. Die inhaltliche Breite des Aspekts reicht hierbei von Schulleitungen, die die Notwendigkeit beschreiben, stets im Blick zu haben, was an der Schule passiert und zu schauen, wo nachjustiert und gegengesteuert werden muss, bis hin zu Schulleitungen, die sehr explizite Formen der Evaluation von Schulentwicklungsprozessen zum Einsatz bringen. In die erste der beiden genannten Gruppen fallen drei Interviewpartnerinnen und -partner: Eine Schulleiterin (GS-1-W) beschreibt, dass sie durchgängig eine IstStandsanalyse betreibt, die nicht schriftlich erfolgen müsse. Dabei sei letztlich

190

7 Ergebnisse der qualitativen Inhaltsanalyse

wichtig, „dass man zumindest mal im Kopf drauf guckt: wo sind wir denn gerade und an welchen Stellen müssen wir denn was ändern“ (GS-1-W, 7–7). Die Leiterin einer Gesamtschule (IGS-1-W) nennt hierzu das Schlagwort des Nachjustierens und beschreibt ihre Aufgabe als das (organisatorische) Eröffnen von Handlungsspielräumen für die Kolleginnen und Kollegen sowie die kritische Prüfung der Umsetzung von Ideen. Ebenfalls ein Leiter einer Gesamtschule (IGS-3-M-Gr) bezeichnet die Schule als eine lernende Organisation, die aus ihren Erfahrungen die richtigen Schlüsse ziehen müsse: „(...) unser Schulkonzept ist eine Sache, die ist nicht festgeschrieben, sondern die entwickelt sich, die bewegt sich. Und die bewegt sich weiter (...)“ (IGS-3M-Gr: 24–24)

Dezidiertere Formen der Prozessplanung auf Basis von Evaluation beschreiben vier Interviewpartnerinnen und -partner. So betont die Schulleiterin einer Grundschule (GS-2-W), dass stets im Gesamtteam alles rückgekoppelt und evaluiert werde, beschreibt aber darüber hinaus als Beispiel einen Beobachtungsleitfaden, mit dem in Form kollegialer Hospitation der schulweit klassen- und jahrgangsübergreifend implementierte Baustein „Eigenverantwortliches Arbeiten“ evaluiert und weiterentwickelt wurde. An einer weiteren Schule (GS-3-W-Gr) wurden Entwicklungsschritte geplant, indem die schulische Situation detailliert mittels Fragebögen aus dem Index für Inklusion reflektiert wurde. Der Schulleiter einer Realschule Plus (RS-4-M) erläutert am Beispiel einer Umstrukturierung der Unterrichtszeiten, wie an seiner Schule bei Veränderungen / Maßnahmen stets mit einer Testphase gearbeitet wird, die als Grundlage für die endgültige Entscheidung dient. Als Hinweis auf strukturierte Formen der Evaluation deutet bei diesem Interview die folgende Passage hin, in der auf Fragen innerhalb einer internen Evaluation verwiesen wird: „Wir hatten eine interne Evaluation vor ein paar Wochen, wo auch einige Fragen zum Schulleitungshandeln waren. Und das war doch überwiegend sehr positiv.“ (RS-4-M: 49–49)

Regelmäßige strukturierte Evaluationen mittels Fragebögen, auf deren Basis Entwicklungen stattfinden, skizziert die Leiterin einer integrierten Gesamtschule: „Über Fragebögen. Und zwar immer an bestimmten Schnittstellen die gleichen Fragebögen, sodass man auch Jahresentwicklungen vergleichen kann, dass man sagen kann: Ok, in dem Jahr war es so. In dem Jahr war das Ergebnis ein bisschen anders. Woran hat es gelegen?“ (IGS-5-W-Gr: 42–42)

7.2 Führungsorientierung

191

Da sich, wie in Kapitel 3 (ab S. 75) beschrieben, datengestütztes Entscheiden (sowohl hinsichtlich der Schul- als auch der Schülerebene) als hochwirksame Maßnahme darstellt, mit der Schulleitung die Qualität inklusiver Bildungsprozesse unterstützen kann (siehe z. B. Billingsley & McLeskey, 2014), ist davon auszugehen, dass der Prozessplanung und Evaluation gerade in Hinblick auf Inklusion eine hohe Bedeutung zukommt. Dass vier der befragten Schulleitungen strukturierte Evaluationsmaßnahmen beschreiben und drei weitere zumindest auf Prozessveränderungen durch Rückmeldungen verweisen, zeigt, dass der Aspekt bereits im Bewusstsein von 46,7 % der interviewten Schulleitungen angekommen ist, aber durchaus breitere Anwendung finden könnte. Hinweise auf die Nutzung von verlaufsdiagnostischen Daten bzw. Ergebnissen von Schulleistungstests für die Schulund Unterrichtsentwicklung finden sich in den Interviews dieser Untersuchung nicht. Entwicklung und Verbesserung von Informationssystemen und Kommunikationsstrukturen Aus 13 Interviews liegen Textsegmente zur Entwicklung und Verbesserung von Informationssystemen und Kommunikationsstrukturen vor, was zeigt, dass dieses Thema stark im Rollenverständnis der befragten Schulleitungen verankert ist. Die Arten von Maßnahmen, mittels derer die Interviewpartnerinnen und -partner diesbezüglich aktiv werden, sind jedoch höchst unterschiedlich. An einer kleinen Grundschule findet jeden Morgen eine kurze Teambesprechung vor Unterrichtsbeginn statt, in der sich über besonders zu beachtende Aspekte für den jeweiligen Tag ausgetauscht wird. Ähnlich gehandhabt wird dies an einer integrierten Gesamtschule, an der dieses kurze Team für das gesamte Kollegium jedoch nur zu Wochenbeginn stattfindet. Zudem gibt es Schulleitungen, die feste Konferenznachmittage bzw. Teamnachmittage einrichten. Dazu wird an zwei Schulen zudem (dies fällt als Detail jedoch eher unter die Kategorie der haushaltsbezogenen Planung und Kontrolle) ein fester Plan für das Schuljahr gemacht, in welcher Woche sich Fachteams treffen, in welcher Woche Klassen- oder Jahrgangsteams und in welcher Woche eine Dienstbesprechung für das ganze Kollegium stattfindet. An einer Schule werden diese unterschiedlichen Teams auch in Blöcken kombiniert, beispielsweise erst ein Block für Jahrgangsteams und anschließend ein Block für Fachteams.

192

7 Ergebnisse der qualitativen Inhaltsanalyse

Als wesentlich sehen viele der Schulleitungen an, dass die Besprechungszeiten für Austausch und Diskussion genutzt werden und nicht für Informationen, die auch vorab schriftlich bzw. per Rundmail verteilt werden können. Einige Schulleitungen arbeiten hier sehr strukturiert über Rundmails mit separaten Mailverteilern (Gesamtkollegium, fachspezifisch, stufenspezifisch), wo neben schulinternen sowie dienstlichen Informationen auch gezielt Fortbildungsangebote weitergegeben werden. In den Besprechungen wird dann darauf hingewiesen, dass diese Informationen vorliegen und nach Besprechungsbedarf oder Rückfragen gefragt. Betont wird ferner die Bedeutung der Transparenz in der Kommunikation, die wahlweise eben über das Medium der Rundmail hergestellt wird. Alternativ steht manchen Schulen auch ein schuleigenes Intranet zur Verfügung, in dem die Informationen in strukturierten Ordnern abgelegt werden, sodass die Lehrkräfte darauf hingewiesen werden können, die jeweils relevanten Ordner in bestimmten Zeitabständen auf neue Informationen zu prüfen. Ein Schulleiter äußert zum Thema transparente Kommunikation: „Wir treffen uns wöchentlich und es gibt hier ganz klare Strukturen. Es gibt keine Sitzung, die hier stattfindet, ohne ein Protokoll. Es gibt keine Sitzung ohne eine Tagesordnung, die allen Mitarbeitenden transparent gemacht wird über ein Intranet. Es gibt keine Verlautbarung oder irgendwas, was nicht alle mitbekommen, es sei denn, es sind jetzt personelle Sachen, die nur vier Augen oder Ohren mitbekommen sollen. (...) Ich war jetzt nicht in vielen Kollegien in meinem Schulleben. Aber in den Kollegien, in denen ich bisher immer war, gab es immer das Problem, dass es Menschen gab, die behaupteten – ob zu Recht oder zu Unrecht – sie wären und seien nicht informiert. Und ich glaube, das ist so ein Punkt, wo wir hellwach sein müssen. Und wir schaffen hier in unserer Schule Struktur bzw. Transparenz über die Veröffentlichung von allen Protokollen aller Sitzungen, die Weitergabe von Informationen im Intranet. Jeder, der informiert sein möchte, kann informiert sein. (...) Diese beiden Dinge, Struktur geben und Transparenz schaffen in der Kommunikation, halte ich für ganz wesentlich. Da muss Schulleitung aber sowas von hellwach sein, dass das funktioniert.“ (IGS-4-M: 7–8)

Die Interviews zeigen deutlich, dass die Unterschiede zwischen den von den befragten Schulleiterinnen und Schulleitern eingesetzten Kommunikationsstrukturen und -technologien insbesondere mit der Größe der jeweiligen Schule zusammenhängen. Während gerade sehr kleine Grundschulen mit einem Jour fixe oder einer Doppelstunde Präsenzpflicht freitags nach Unterrichtsende auskommen können, erfordert

7.2 Führungsorientierung

193

die Größe einer integrierten Gesamtschule im Vollausbau wesentlich komplexere Strukturen. Hinsichtlich der Umsetzung schulischer Inklusion findet sich ein singuläres Beispiel einer Grundschule, an der die Schulleitung es organisatorisch einplant, dass es eine Stunde in der Woche als Teamzeit für die Gruppe der Förderschullehrkräfte und pädagogischen Fachkräfte gibt, sodass diese sich fallbezogen klassen- und förderschwerpunktübergreifend austauschen und gegenseitig beraten können. Implementation oder Reorganisation sowie Verdeutlichung gemeinsamer Verfahrensweisen und einer gemeinsamen Organisations- bzw. „Schulpolitik“ Besonders deutlich wird die Betonung der Notwendigkeit eines gemeinsamen Vorgehens an der Schule an folgenden Beispielen: „Aber dem Einzelnen muss auch klar sein, was man an dieser Schule will. Es muss ein gemeinsames Klima herrschen. Ich sage es mal so: Die Berufszufriedenheit fängt da an, wo man gemeinsam an einem Strang zieht. Sei es bei Disziplinstörungen in einem Klassenteam, sei es mit Absprachen. (...) Das zu vermitteln: dieses an einem Strang ziehen, gegenseitige Hospitation, Besprechen über Schüler in Klassenteams, in Fachteams (...)“ (RS-2-W-Gr: 20–21) „Und so arbeiten wir halt Schritt für Schritt, um einfach zu sagen: es ist uns wichtig, dass einzelne Sachen ausprobiert werden. Aber es ist dann auch wichtig, dass es in die Gesamtgruppe geht. Und dass es dann auch so ein Stück einfach Schulkonzept ist und es nicht heißt: Herr x macht das so, Frau y macht das so.“ (GS-3-W-Gr: 30–30)

Die Textsegmente, die mit diesem Aspekt kodiert wurden, beziehen sich dabei sowohl darauf, dass es bestimmte Aspekte im Schulalltag gibt (z. B. paralleles Curriculum in den Jahrgangsstufen einer Gesamtschule), die nicht verhandelbar sind, oder auf konzeptionelle Vorgaben (Diagnostikkonzept an einer Grundschule oder Förderplankonzept an einer Realschule plus), als auch auf konkrete strukturierte Arbeitshilfen für Lehrkräfte. So bietet eine Gesamtschule für Lehrkräfte, die Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf unterrichten, Leitfäden zur Zeugniserstellung / zum Verfassen von Verbalbeurteilungen oder Operatoren für Lehrplaninhalte an (ähnlich der Operatoren im Gymnasialbereich), womit die Arbeit für die Einzelnen erleichtert werden soll:

194

7 Ergebnisse der qualitativen Inhaltsanalyse

„Und gleichzeitig haben wir in der Schulleitung an Materialien gearbeitet, die die Lehrer an die Hand bekommen sollten und das hat uns dann auch dazu gebracht, dass wir noch besseres Handwerkszeug entwickelt haben (...)“ (IGS-1-W: 13–13)

Aber auch die Zusammenarbeit unterschiedlicher Professionen kann, neben Aspekten aus dem Human-Resource Frame, als strukturelle Herausforderung gemeinsamer Verfahrensweisen betrachtet werden: „Und den problematischen Teil, oder den Teil, in dem wir die Zusammenarbeit der Professionen ansprechen und auch da Grundsätze formuliert haben. Aber in diesem Bereich liegen auch die für die Zukunft größten sich stellenden Herausforderungen und vielleicht auch unbewältigbaren Probleme, wenn der Rahmen, in dem wir arbeiten, so bleibt, wie er ist.“ (IGS-2-W: 34–34)

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass ca. die Hälfte der befragten Schulleitungen den Aspekt der gemeinsamen Verfahrensweisen bzw. einheitlichen Schulpolitik in die Interviews einbringt. Haushaltsbezogene Planung und Kontrolle Es zeigt sich in den Interviews, dass 12 der 15 interviewten Schulleitungen sich dafür zuständig sehen, Ressourcen zielgerichtet für die pädagogische Arbeit einzusetzen. Dazu zählt auch, dass Schulleitungen den Einsatz der Arbeitszeit der Lehrkräfte effizient planen, indem Besprechungszeiten und -termine strukturiert über das Schuljahr geplant werden, indem die Schulleitung über einen Geschäftsplan die anfallenden Verwaltungsaufgaben ökonomisch verteilt, oder auch, indem die vorhandenen Mittel über Fundraising erweitert werden. Entwicklung struktureller Untereinheiten in der Schule, Aktivierung von vorhandenen Strukturen Ganz klassisch zeigen sich hier Organisationsstrukturen, die sich im rheinland-pfälzischen Schulsystem durchgängig entwickelt zu haben scheinen: Führungsaufgaben werden gerade an den größeren Schulsystemen an Stufen- und Fachbereichsleitungen delegiert, die wiederum in Jahrgangs- und Fachkonferenzen arbeiten. Zudem werden Aufgabenverteilungen festgeschrieben, Steuergruppen und aufgabenbezogene Arbeitsgruppen gebildet. Hinsichtlich des Konzepts Schwerpunktschule zeigt sich, dass einige Schulleitungen Wert darauf legen, dass es konstante Teamstrukturen bzw. eine eigenständige Fach-

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konferenz Schwerpunktschule gibt (die inhaltliche Ausgestaltung ist Gegenstand von 7.6). Diskussion und Klärung von Zielen, Rollen und Erwartungen innerhalb der Schule Unter den Aspekt der Diskussion und Klärung von Zielen, Rollen und Erwartungen innerhalb der Schule fallen Aussagen, in denen die Schulleiterinnen und Schulleiter klarstellen, welche Erwartungen sie an das Kollegium oder einzelne Teile des Kollegiums haben sowie die Zielrichtung der Schule als gesetzt beschreiben: „Wir sagen jedem, der neu an die Schule kommt, dass wir sehr viel Wert darauf legen, dass sich das Klassenteam einmal die Woche zusammensetzt und eigentlich auch das Jahrgangsteam. Klar, je mehr Zeit ich mir zur Kommunikation nehme, umso mehr kann ich mich auch austauschen über Unterrichtsmethoden und so weiter.“ (GS-3-W-Gr: 16–16)

Dabei zeigt sich in diesem Aspekt ganz besonders, inwiefern eine Schulleitung bereit ist, in direktiver Weise Führung zu übernehmen: „Aber es entspricht natürlich auch diesem, ich sage mal, führenden Anspruch einer Funktionsstelle, dass man auch sagen muss: Da geht es lang. Man kann nicht alles diskutieren. Ansonsten bleibt man auf der Stelle stehen. Man muss Dinge einfach auch positiv verkaufen.“ (IGS-5-W-Gr: 87–87) „Also da muss man sehr geduldig, aber bestimmt vorgehen. Wir sind hier kein Gesangverein, sondern wir sind schon eine Schule, eine Organisation und wir haben eine Verpflichtung.“ (RS-2-W-Gr: 46–46)

Die internationale Forschung legt bislang nahe, dass gerade eine starke und, zu Beginn inklusionsorientierter Entwicklungsprozesse, sehr direktive Führung ein wichtiger Faktor für das Gelingen schulischer Inklusion darzustellen scheint (z. B. Ainscow et al., 2013; Billingsley & McLeskey, 2014; Lindsay, 2007; Muijs et al., 2010). Unter diesem Vorzeichen kommt der Klärung von Rollen, Zielen und Erwartungen gerade in Bezug auf schulische Inklusion mutmaßlich nochmals eine besondere Bedeutung zu. In den geführten Interviews zeigt sich dies in denjenigen Passagen, in denen die Schulleitungen ihre Ansprüche an eine klare Aufgaben- und Verantwortungsaufteilung zwischen Sonderpädagoginnen und -pädagogen sowie Klassen- und Fachlehrkräften formulieren oder berichten, wie sie im Kollegium klarstellen, welche pädagogischen Ziele mit Inklusion verfolgt werden und welche unterrichtlichen Organisationsformen dafür infrage kommen und welche nicht.

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7 Ergebnisse der qualitativen Inhaltsanalyse

7.2.1.2 Human-Resource Frame Dieser Rahmen fasst theoretische Positionen zusammen, die sich aus Maslows Hierarchie der Bedürfnisse sowie aus den Ansätzen McGregors und Argyris’ ableiten lassen. Ganz grundsätzlich geht der Human-Resource Frame davon aus, dass eine Organisation dann am besten funktioniert, wenn es der Führung gelingt, die Bedürfnisse der Organisation mit denen der Mitarbeitenden in Einklang zu bringen und den Mitarbeitenden ermöglicht, durch ihre Arbeit Sinnstiftung und Entwicklungsmöglichkeiten zu erfahren. Neben (1) dem Eingehen auf individuelle Bedürfnisse, Fähigkeiten und Gefühle sollte im schulischen Kontext nach Bonsen (2003, S. 161– 162) dazu auch gehören, (2) Partizipation und offene Kommunikation zu fördern, (3) gezielt Kollegiumsmitglieder für spezifische Aufgaben zu rekrutieren und neue Kolleginnen und Kollegen einzuarbeiten, (4) Möglichkeiten der Personalentwicklung und Fortbildung zu schaffen und zu nutzen, (5) bei Organisationsentwicklungsprozessen die Humanisierung der Arbeit, die Berufszufriedenheit, Gesunderhaltung und Zusammengehörigkeitsgefühl des Kollegiums im Blick zu behalten sowie (6) die Verbesserung zwischenmenschlicher Beziehungen zu fördern. Eingehen auf individuelle Gefühle, Bedürfnisse, Fähigkeiten Direkt aus den dem Human-Resource Frame zugrunde liegenden theoretischen Annahmen lässt sich der Aspekt „Eingehen auf individuelle Gefühle, Bedürfnisse, Fähigkeiten“ ableiten. Zwölf der befragten Schulleiterinnen und Schulleiter beziehen sich, implizit oder explizit, hierauf. Eine Schulleiterin verdeutlicht das, indem sie in wertschätzender Form auf die unterschiedlichen Fähigkeiten eingeht, die sich aus der Mitarbeit unterschiedlicher Berufsgruppen in der Schwerpunktschule aus ihrer Sicht ergeben: „Was auch daran liegt, dass so viele verschiedene Berufe bei uns arbeiten. Jeder bringt ja aus seiner Ausbildung seine Stärken mit rein. Die Erzieherinnen haben ja eine deutlich andere Ausbildung, einen anderen Blick auf Kinder, als Lehrer. Wir haben zwei pädagogisch Angestellte, die gar keine Ausbildung in dem Bereich haben. Aber einen deutlich offeneren Blick haben auf die Kinder, als wir ihn manchmal haben.“ (GS-1-W: 31–31)

Eine andere Schulleiterin hingegen verweist direkt auf die Verantwortung, dass die Schulleitung ein offenes Ohr brauche, um zu erkennen, dass gerade junge Kolleginnen und Kollegen in Bezug auf Schulentwicklung etwas bewegen möchten und dabei auf Unterstützung der Schulleitung angewiesen seien:

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„Aber das zerreibt ja viele Kolleginnen, die frisch vom Dienst25 kommen. Die wollen was bewegen und kommen in so ein verknöchertes System rein. Und das finde ich so schlimm, dass die Leute dann nach fünf Jahren sagen: Oh, mir ist alles piep egal. Ich gehe nur noch durch. Und die wollten mal was. Und wenn die dann noch Schulleitungen träfen, die da kein Ohr für haben, dann ist es natürlich schade.“ (GS-2-W: 80–80)

In eine ähnliche Richtung geht eine Schulleiterin, die hier allerdings eher auf organisatorische Aspekte abzielt: „Und wenn die Lehrer dann irgendwas brauchen und die kommen zu mir und sagen: Das und das und das hätten wir gerne. Und dann versuche ich das umzusetzen und sage: Ok wir probieren es so weit wie es halt irgendwie geht.“ (RS-5-W: 7–7)

Der Schulleiter einer Realschule bezieht den Aspekt der individuellen Gefühle und Bedürfnisse mit ein, als er im Interview über den Wunsch nach mehr Zeit für Personalgespräche spricht. Dies ist zwar eher als ein Werkzeug zur Personalentwicklung gemeint, auch hinsichtlich Überlegungen zu weiterer Fort- / Weiterbildung etc., dennoch zeigt er hier, dass ihm die persönlichen Belange der Lehrkräfte wichtig zu sein scheinen: „Da sehe ich den großen Vorteil darin, in diesen Gesprächen: Man lernt auch mal die Bedürfnisse der Kollegen kennen. Die lernen sie nicht mehr kennen. Sie kommen ja kaum noch zum Reden. Die Pausen sind so knapp bemessen. Bis die im Lehrerzimmer sind, dann sitzen andere dabei und dann reden wir kaum noch über persönliche Belange.“ (RS-3-M: 88–88)

Die Beispiele in den bis hierher zitierten Textsegmenten zum Eingehen auf die Persönlichkeit der einzelnen Lehrkräfte beziehen sich auf allgemeine schulische Alltagsthemen, die so an jeder Schule zu finden sind. Die mögliche Bedeutsamkeit für Führungsentscheidungen im Kontext von Schwerpunktschulen zeigt sich hingegen in folgendem Beispiel. Hier beschreibt ein Schulleiter, an dessen Schule Klassen mit Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf als „Schwerpunktklassen“ bezeichnet werden, dass er bei der Wahl der Klassenleitung für die Schwerpunktklassen ein gewisses Maß an Freiwilligkeit gewährt: „Also es ist so, dass natürlich die Kollegen sich schon untereinander kennen und ich schon gezielt dann die Kollegen anspreche: Können sie sich vorstellen, 25

Gemeint ist hier dem Kontext zufolge wohl der Vorbereitungsdienst (Referendariat).

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eine Schwerpunktklasse zu übernehmen? Sie würden mit der und der Förderschullehrerin zusammenarbeiten? Ja, super, toll, das klappt. Mit der habe ich schon letztes Jahr zusammengearbeitet. Das macht Spaß. Das heißt, ich stülpe das niemandem über, sondern wenn, dann gehe ich erstmal in die Frage: Was können sie sich vorstellen? Und dementsprechend ist das dann relativ einfach. Die Förderschullehrer treffen sich und arbeiten dann auch aus, wie die Stundenverteilung ist.“ (RS-6-M: 73–73)

Die Frage, die sich dabei für das Gelingen von Schulentwicklung ergibt, ist, inwieweit hier ein Spagat zu schlagen ist zwischen Einfordern der Umsetzung schulischer Ziele (z. B. die gemeinsame Verpflichtung zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention) einerseits und andererseits der Rücksichtnahme auf Bedürfnisse und persönliche Empfindungen, und dann im zweiten Schritt die Frage, ob es für zielgerichtetes Führungshandeln hilfreicher ist, die Bedürfnisse von Lehrkräften durch Freiwilligkeit und damit letztlich durch Gewährenlassen zu berücksichtigen (z. B. indem eine Lehrkraft sich dauerhaft aus Schwerpunktklassen heraushalten kann) oder durch das Ernstnehmen von Bedürfnissen einen Einstellungswandel zu erreichen (z. B. indem die Schulleitung den Gründen für Ängste und Vorbehalte auf den Grund geht und mittels Fortbildung, Hospitation, Beratung, organisatorischer Unterstützung oder Ähnlichem den Abbau ebendieser anbahnt). Förderung von Partizipation und Mitbestimmung sowie offener Kommunikation Partizipation und Mitbestimmung können als wesentlicher Bestandteil eines distributiven Führungsstils gesehen werden, dessen Bedeutsamkeit für erfolgreiches Schulleitungshandeln (z. B. Harris & Chapman, 2002b; Leithwood et al., 2008; Pont et al., 2008) insgesamt und gerade für die Unterstützung schulischer Inklusion (Angelides, 2012; Billingsley & McLeskey, 2014; Miškolci et al., 2016; Muijs et al., 2010; Zaretsky et al., 2008) in der Literatur herausgestellt wird. In den hier geführten Interviews zeigt sich dieser Aspekt in unterschiedlichen Ausprägungsformen. Einige Schulleitungen, gerade an Grundschulen, gewähren den Jahrgangs- und Klassenteams eine gewisse Autonomie bei der Gestaltung der Stundenpläne, insbesondere was die Planung der Doppelbesetzungen aus Förderschulund Klassen- bzw. Fachlehrkräften angeht. Dabei betonen die Schulleitungen aber auch die Notwendigkeit, dass das Ergebnis wieder an die Schulleitung gegeben werden muss:

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„Und, ja, ich habe einfach, bis jetzt hatte ich immer so den Vorteil, dass ich so aus den Vollen schöpfen konnte, was die Stunden anging und dann einfach Teams zusammengesetzt hab und hab gesagt: So, ihr habt jetzt so viel Grundschullehrerwochenstunden, ihr habt so viel Förderstunden, Erzieherin oder Förderschullehrer, ist ja egal, verteilt euch auf die Stunden, wo die Kinder da sind! Setzt euch so, dass es für die Kinder verträglich ist, setzt euch da doppelt, wo ihr es braucht, und dann einfach an mich die Pläne zurückgeben, damit ich weiß, wer wann wo ist, was ja auch wichtig ist. Aber ich brauchte dann nicht in diese Einzelstrukturen reinzugucken.“ (GS-1-W: 21–21)

Eine Leiterin einer Grundschule baut diese Struktur so weit aus, dass auch die gesamte Verteilung der Stunden an Förderschullehrkräften und pädagogischen Fachkräften an das Schwerpunktschulteam delegiert wird, sodass die Verteilung auf Basis der Kenntnis der einzelnen Schülerinnen und Schüler aufbauen kann: „Das geht schon damit los, dass Kollegen kommen und haben 15 Stunden und der nächste kommt und hat Vollzeit, dass wir dann einfach gucken müssen, dass wir die möglichst gerecht und gleichmäßig in die Klassenteams rein verteilen, was allein schon eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit ist, sodass dann wir auch da so eine Planung gemacht haben. Da hinten steht sie. Von wegen Doppelbesetzungen, die in der Klasse dann vorkommen: wer wohin kommt und wie wir das verteilen und ob alle zufrieden sind. Also das sind lauter so Instrumente, die wir halt anwenden. Da haben wir auch wieder die Förderkollegen mit ins Boot geholt, haben gesagt: Setzt euch zusammen. Macht euch Gedanken. Könnt ihr mit dem Ergebnis, das ihr zusammen rausgefunden habt, leben? (...) Ja und klar, man kommt da einfach an Grenzen. Und was diese Geschichte mit der Doppelbesetzung angeht, haben wir einfach auch ganz transparent gesagt: Hier, wir sehen folgendes Problem, das wir dann bei der Stundenplanung einfach festgestellt haben. Das wird ungerecht, ja, wenn man jetzt rein von den Stunden guckt. Aber ihr kennt fast alle I-Kinder, die wir hier haben. Ihr kennt die Klassen. Setzt euch zusammen. Überlegt, wie ihr das auch für euch vertreten könnt. Und ich meine, dass wir natürlich nicht die Idealbesetzung haben, das wissen wir alle. Die hätten wir dann, wenn wir echte Doppelbesetzungen hätten.“ (GS-3-W-Gr: 36–39)

Weiterhin berichten mehrere Schulleitungen, und dies unabhängig von der Schulform, dass sie ihre Aufgabe darin sehen, Ideen aus dem Kollegium organisatorisch zu unterstützen und umzusetzen sowie Kolleginnen und Kollegen dazu zu ermutigen, eigene Ideen zu entwickeln und einzubringen. Ebenfalls weit verbreitet ist die Aussage, dass Entscheidungen an der Schule im Team getroffen werden. Einige

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Schulleitungen führen dazu zudem aus, dass mit demokratischer Entscheidungsfindung auch gemeint ist, dass auch die Schulleitung im Endeffekt Entscheidungen mitträgt und umsetzt, bei denen sie in der Dienstbesprechung / Konferenz überstimmt wurde. Einzelne Schulleitungen nutzen gezielt Formen der Gruppenarbeit in Dienstbesprechungen, um zu inhaltlichen Weiterentwicklungen durch das Kollegium anzuregen. Zur Entwicklung einer offenen Kommunikationskultur gibt es innerhalb der Gruppe der befragten Schulleiterinnen und Schulleiter die Unterscheidung zwischen der Teamebene und der Ebene der Kommunikation zwischen Schulleitung und Lehrkräften. Institutionalisierte Formen gegenseitiger offener Kommunikation können sich z. B. über Personalgespräche realisieren lassen, in denen auch um Rückmeldung zu Schulleitungshandeln gebeten wird oder über halbjährliche Teamrückblickgespräche, wie sie an einer Grundschule geführt werden: „(...) hatten wir gerade gestern nochmal Teamrückblick auf das letzte halbe Jahr, noch so ein paar Leitfragen gehabt. Und die eine meinte, es läuft super. Und die andere sagt: Es war beschissen.“ (GS-2-W: 14–14)

Dass mit Partizipation, Mitbestimmung und offener Kommunikation eine Balance gemeint ist, drückt der Leiter einer integrierten Gesamtschule aus: „(...) durch eine gute Mischung von ich bestimme und demokratischer Prozess von Entscheidungen (...) Ich rede jetzt ganz bewusst nicht von Pädagogik und diesen Dingen, sondern von Strukturen und dem anderen: von der Idee, zu sagen, es gibt eine Form von Kommunikation, die offen ist.“ (IGS-4-M: 6–7)

Die hier anklingende Haltung, in der direktive und demokratische Führung, Strukturen und offene Kommunikation sich ergänzen sollen, wird bei diesem Schulleiter (IGS-4-M) auch in einer Sequenz noch einmal deutlich, die dem später bearbeiteten Aspekt „Personalentwicklung“ zuzuordnen ist.

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Rekrutierung und Training neuer Kollegiumsmitglieder (bzw. vorhandene Kollegiumsmitglieder gezielt für bestimmte Aufgaben auswählen und vorbereiten) Die Rekrutierung neuer Kollegiumsmitglieder stellt in Rheinland-Pfalz zum Zeitpunkt der Datenerhebung26 ein nur sehr begrenzt zur Verfügung stehendes Instrument der Führung einer Schule: „Also in der Personalentwicklung sind wir natürlich ein bisschen eingeschränkt in der Form, dass ich das Personal nicht aussuchen kann. Das ist ja ein großes Manko. Das ist ja auch politisch schon oft durchgespielt worden, ob das machbar wäre. Aber an sich geht es bei uns ganz gut im Bezirk, dadurch dass die Schulrätin eigentlich uns zwei, drei Leute, wenn wir Bedarf haben, vorstellt. Und dann kann ich schon sagen, ich bin eher für Die- oder für Denjenigen.“ (GS-2-W: 4–4)

Hier zeigt sich, dass sich über persönliche Agreements bzw. gute Kooperationsstrukturen mit der Schulaufsicht in einem gewissen Rahmen Möglichkeiten der Personalauswahl ergeben, wobei die aus dem grundgesetzlich verankerten Gleichbehandlungsgrundsatz und dem Prinzip der Bestenauslese abgeleiteten Regeln bei der Einstellung von Bewerberinnen und Bewerbern ebendiesen stark eingeschränkten Spielraum bei der Personalauswahl möglich machen. Einzelne Schulleiterinnen und Schulleiter zeigen in den Interviews klare Strategien, wie neue (auch zukünftige) Kolleginnen und Kollegen für die Arbeit an Schwerpunktschulen gewonnen werden können. Einzelne Schulleiterinnen und Schulleiter versuchen über Kontakte und Netzwerkarbeit im Blick zu haben, wo zur Schule passende Lehrkräfte „auf dem Markt zu haben“ (RS-1-M: 50–50) sind. Inwieweit hier ein gezieltes Abwerben über Versetzungsanträge gemeint ist, kann an dieser Stelle nur vermutet werden. Andere Schulen setzen darauf, Lehramtsanwärterinnen und -anwärter auch aus dem sonderpädagogischen Lehramt vom Konzept Schwerpunktschule zu überzeugen, sodass diese sich möglicherweise gezielt mit dem Wunsch nach diesem Einsatzort für den Schuldienst bewerben. An einer Schule berichtet die

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Zwischenzeitlich wird in einem Modellprojekt, das nun weiter ausgebaut werden soll, den Schulen ein größerer Spielraum bei Stellenausschreibungen / schulscharfen Ausschreibungen und in der Personalführung gewährt. Dies bezieht sich allerdings lediglich auf die am Projekt teilnehmenden Schulen.

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Schulleiterin, dass sie gezielt Praktikantinnen und Praktikanten aus der Universität im Blick hat, um diese als PES-Kräfte27 einzustellen. Wesentlich verbreiteter ist die Strategie, Lehrkräfte innerhalb des Kollegiums gezielt für bestimmte Aufgaben auszuwählen, z. B. für die Homepagegestaltung oder Projekte wie MINT-freundliche Schule und ähnliches. Während die bisherigen Aspekte mutmaßlich alle Schulformen gleichermaßen betreffen, legen die Interviews nahe, dass der Einarbeitung neuer Kolleginnen und Kollegen gerade an Schwerpunktschulen eine hohe Bedeutung zukommt: „Es ist fast schwieriger für die Schulleitung die Integration der neuen Kollegen zu bewerkstelligen, die integrativ unterrichten sollen, aber das nicht gelernt haben. Und immer wieder in relativ hoher Zahl neu kommen, weil wir eine hohe Fluktuation haben. Denen immer wieder alle Grundgedanken, die hier eine Rolle spielen nahe zu bringen ist fast schwieriger, als selber im Unterricht integrativ tätig zu sein.“ (IGS-2-W: 16–16)

Sehr strukturiert findet diese Einarbeitung an einer integrierten Gesamtschule statt: „Verschriftlichen habe ich eben noch gesagt. Das ist ein Ding, wo Schulleitung auch gucken muss. Wir sind ja eine Schule im Aufbau. Das betrifft aber auch andere Schulen, die jetzt nicht im Aufbau sind. Die Fluktuation an Schulen ist ja mehr oder weniger groß. Also bei uns ist die Fluktuation groß, aber nur in eine Richtung, nämlich Kommen. Gehen tut keiner im Moment. Seit Beginn der Schule ist niemand gegangen. Aber es kommen jedes Jahr acht neue dazu. Und das heißt, es kommen acht neue Menschen mit acht neuen Biografien, mit acht neuen Ideen, Köpfen und so weiter an und das ist ein ganz wichtiger Punkt, ganz einschneidender Punkt. Da muss Schulleitung auch hellwach sein und sagen: So. Wie versuchen wir die mit dem, was hier Standard ist, was hier gelebt wird, wie hier der Hase läuft, zu versorgen? Mit denen machen wir bisher immer im alten Schuljahr vor dem neuen Schuljahr zwei oder drei Tage, wo die, von meinem Stellvertreter organisiert, aber mit unterstützt von Kollegen, mit allem versorgt werden, was hier wichtig ist, was man hier wissen muss. Die kriegen Vorträge, die kriegen, die machen Veranstaltungen, die kriegen eine kleine Fortbildung, die werden in das Computersystem eingeführt und, und, und. Also all das, werden mit allem versorgt, was sie eigentlich wissen müssen.“ (IGS-4-M: 15–15)

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PES = Projekt erweiterte Selbstständigkeit. Hier haben teilnehmende Schulen die Möglichkeit, Vertretungskräfte (unabhängig von deren Qualifikation) für stundenweise Krankheitsvertretungen einzustellen.

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Was sich durch verschiedene Interviews zieht, ist aber auch die Wertschätzung dafür, dass neue Kollegiumsmitglieder auch neue Ideen für Schul- und Unterrichtsentwicklung bedeuten können. Personalentwicklung: Durchführen von Workshops (pädagogische Konferenzen und Tage); Gezielte Fortbildungen / Fortbildungskonzept Die hier interviewten Schulleiterinnen und Schulleiter verfolgen unterschiedliche Strategien der Personalentwicklung und (internen) Fortbildung, die sich insgesamt wie folgt zusammenfassen lassen: 1. Einzelne Schulleitungen nutzen Fachkonferenzen und Dienstbesprechungen, um durch Inputreferate (selbst gehalten oder aus dem Kollegium heraus) fachliche Inhalte und Weiterentwicklungen in das Kollegium oder in einzelne Fachschaften zu transportieren. Zwei Schulleiterinnen (IGS-2-W, RS-2-W-Gr) berichten zudem davon, dass Fachkonferenzen auch zur kollegialen Beratung, z. B. über den Umgang mit einzelnen Schülerinnen und Schülern, genutzt werden können. 2. Ein eher traditionelles Modell ist, dass einzelne Schulleitungen gezielt Referentinnen und Referenten für kollegiumsinterne Studientage auswählen. 3. Neben der generellen Unterstützung und Ermutigung zum Besuch von Fortbildungen versuchen einzelne befragte Schulleitungen, entweder über die gezielte Weitergabe von Ausschreibungen über entsprechend eingerichtete Mailverteiler den Besuch von Fortbildungen zu steuern oder gezielt Fortbildungen für einzelne Lehrkräfte auszuwählen und gegebenenfalls auch vorzugeben. Im Zusammenhang mit an der Schule stattfindenden Entwicklungsgesprächen zwischen Schülerin bzw. Schüler, Lehrkraft und Eltern lassen zwei Schulleiter alle Lehrkräfte in ressourcenorientierter Gesprächsführung schulen (IGS-4M, RS-6-M). Ein Schulleiter (RS-6-M), der die verschiedenen Strategien an seiner Schule kombiniert, äußert den Wunsch, mehr Zeitfenster zur Verfügung zu haben, in denen sich über eine Kultur der internen Fortbildung das erworbene Wissen aus externen Fortbildungen im Kollegium weiter verbreiten könnte. Die Leiterin einer Grundschule (GS-3-W-Gr: 39–39) ermutigt ihre Kolleginnen und Kollegen zudem, an anderen Schulen (z. B. Förderschulen mit einem spezifischen Förderschwerpunkt) zu hospitieren, um so Ideen und Arbeitsansätze zu „importieren“, wobei sie auch die Auffassung vertritt, dass

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jede Lehrkraft auch in der Lage sein müsse, sich neues Fachwissen über entsprechende Literatur anzueignen. 4. Insgesamt sechs der befragten Schulleitungen geben an, dass sie das Instrument der Unterrichtshospitation als Grundlage für Beratung und Personalentwicklung nutzen bzw. nutzen würden, wenn die Zeit es erlauben würde. An einer dieser Schulen (GS-2-W) findet dies in Form kollegialer Hospitationen innerhalb des gesamten Kollegiums statt (als Form der Peer-Beratung, nicht hierarchisch zwischen Schulleiterin und Lehrkraft). 5. Ganz allgemein werden an einzelnen Schulen regelmäßige Gespräche zwischen Schulleitung und Lehrkräften geführt, um Perspektiven und Zielvereinbarungen für die fachliche und persönliche Weiterentwicklung zu besprechen. Hierbei führen allerdings einige befragte Schulleitungen aus, dass das je nach Größe des Kollegiums und personeller Ausstattung der Schulleitung nur begrenzt realisierbar sei. So rechnet ein Schulleiter vor, dass er bei 20 Lehrkräften im Kollegium und lediglich 15 Minuten (was er als Minimum beschreibt) bereits fünf Stunden reine Gesprächszeit ansetzen müsste, die koordiniert werden müssten („Jetzt rechnen sie mal: mit 20 Lehrern eine Viertelstunde. Da sind sie nur noch am planen.“; RS-3-M: 89–89) Gerade am Beispiel dieses Aspekts, und hier besonders bei den Personalentwicklungsgesprächen, zeigen sich sowohl die Querbezüge zu anderen Rahmen (insbesondere Structural Frame bei der effizienten Organisation von Personalentwicklungsmaßnahmen) als auch die Wechselwirkungen zwischen Rahmenbedingungen und Prioritätensetzung: Während in der obigen Auflistung ein Schulleiter einer Realschule plus bereits die Durchführung viertelstündiger Gespräche als problematisch sieht, führt ein Schulleiter einer Gesamtschule Gespräche mit über einer Stunde Dauer: „Und diese Jahresgespräche gibt es, wie gesagt, einmal im Jahr und auch die sind vorbereitet. Also wir führen das Gespräch. Die sind meistens relativ lang. Also die sind angesetzt für eine Stunde und sind oft länger. Und auch mir geht es darum, in diesem Gespräch zu sagen: Was kannst du gut, du Lehrer? Und an welchen Dingen brauchst du Hilfe und Unterstützung und wo willst du jetzt in Zukunft dran arbeiten? Also das ist so der Fokus.“ (IGS-4-M: 22–22)

Gegenüber der eher kleinen Realschule plus kann diesem Schulleiter hier aber als unterstützende Rahmenbedingung entgegenkommen, dass in der größeren und

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komplexeren Struktur der integrierten Gesamtschule eine breitere Aufteilung von Führungsaufgaben innerhalb eines Teams im Sinne von entweder Delegation oder gar Distributed Leadership möglich ist, wodurch sich der Schulleiter Zeitfenster beispielsweise für Personalgespräche schaffen kann. Organisationsentwicklung unter dem Anspruch der Humanisierung der Arbeit und der Steigerung der Arbeitszufriedenheit der Lehrer; Förderung von Gemeinschafts- und Zusammengehörigkeitsgefühl Lediglich in zwei Interviews lassen sich keine Textsegmente identifizieren, die dem Aspekt „Organisationsentwicklung unter dem Anspruch der Humanisierung der Arbeit und der Steigerung der Arbeitszufriedenheit der Lehrer; Förderung von Gemeinschafts- und Zusammengehörigkeitsgefühl“ zuzuordnen sind. Daraus lässt sich ableiten, dass die Themen Humanisierung der Arbeit, Arbeitszufriedenheit und Gemeinschafts- / Zusammengehörigkeitsgefühl fest im Bewusstsein der Schulleiterinnen und Schulleiter zumindest in dieser Stichprobe verankert sind, wobei auch hier inhaltliche Unterschiede festzustellen sind. Die Realisierung dieses Aspekts kann sich den geführten Interviews zufolge beispielsweise dadurch zeigen, dass Schulleiterinnen und Schulleiter entlastende Rahmenbedingungen schaffen, etwa durch entsprechende Stundenplangestaltung oder dadurch, dass formale und organisatorische Aufgaben bei der Schulleitung verbleiben. Aber auch das Abfedern von Druck, sei es aus Richtung der übergeordneten Behörden oder aus Richtung von Eltern, gehöre dazu, so einige der Schulleitungen: „Also die Kollegen müssen auch das Gefühl haben, wenn sie sich nichts haben zuschulden kommen lassen, dann steht die Schulleitung vor ihnen. Das ist ganz wichtig. Wenn sie sich was zuschulden haben kommen lassen, dann sollte Schulleitung trotzdem versuchen sich davor zu stellen, es sei denn, es ist wirklich bewusst und mit Absicht und grob fahrlässig und dann sind irgendwo auch Grenzen.“ (IGS-5-W-Gr: 36–36)

Hervorzuheben ist, dass genau dieser Teilaspekt des Abfederns von äußerem Druck auch in der internationalen Forschung als ein vermutlich wichtiges Merkmal von Schulleitung an erfolgreichen inklusiven Schulen herausgearbeitet wird (Hoppey & McLeskey, 2013; Waldron et al., 2011). Ein weiterer Teilaspekt ist, dass einzelne Schulleiterinnen und Schulleiter mit dem Ziel der Gesunderhaltung der Lehrkräfte gezielt das Schulprogramm auf die wich-

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tigsten Themen reduzieren und in ihrer Schutzfunktion die Lehrkräfte vor Selbstüberforderung bzw. Selbstausbeutung schützen wollen: „allerdings ohne noch mehr Kolleginnen und Kollegen in den Burnout zu treiben. Also da trete ich teilweise auch fast schon auf die Bremse, wo ich sage: Mach mal halblang. Guck erstmal, dass alles andere rund läuft.“ (RS-4-M: 36–36) „Was, wo ich Grenzen sehe, ist, in einer also, ich möchte nicht, dass sie sich selbst ausbeuten und sie in den Burn-out fallen und man kann natürlich als Lehrer immer mehr machen, ja, Sie können immer unzufrieden sein, und da ist also so eine bestimmte Belastungsgrenze zu sehen (...)“ (IGS-1-W: 20–20)

Die Entwicklung gesunderhaltender Arbeitsplatzbedingungen hebt ein Schulleiter gezielt hervor (IGS-6-M), an dessen Schule zum einen ein Ruheraum für Lehrkräfte eingerichtet ist und zum anderen Maßnahmen ergriffen würden, um in Bezug auf Temperatur, Licht und Lautstärke die Arbeitsbedingungen anzupassen. Zwei weitere Teilaspekte sind das Schaffen von Wertschätzung und Menschlichkeit sowie die Unterstützung von Zusammenhalt bzw. Rollenfindung in Teams / im Kollegium. Gerade die Rollenfindung und das Zusammenführen neuer Teams werden an zwei integrierten Gesamtschulen (IGS-2-W, IGS-5-W-Gr) unterstützt, indem die neu gebildeten Jahrgangsteams der Klassenstufe 5 zwei gemeinsame Studientage zu Beginn des Schuljahres verbringen, die außerhalb der Schule mit Übernachtung stattfinden. Bedauert wird von den beiden Schulleiterinnen einerseits, dass dies aufgrund des Stundenausfalls nicht für alle Teams ermöglicht werden könne, und andererseits, dass die Lehrkräfte, wenn eine Übernachtung dabei ist, diese aus eigener Tasche zahlen müssen. Die Notwendigkeit des Schaffens von Wertschätzung und Menschlichkeit führt exemplarisch der Leiter einer Realschule plus aus: „Dann geht der Lehrer als Mensch auch ein bisschen verloren. Und das halte ich für ganz kritisch. (...) Der hat damals eine Fortbildung gemacht zu dem Thema: Qualität hat einen Namen. Doppelpunkt. Menschlichkeit. In meinem gesamten Werdegang hat mich dieser Themenbereich begleitet. Und ich denke, wenn die Menschlichkeit verloren geht, dann geht auch die Qualität verloren.“ (RS-3-M: 89–90)

Ein Leiter einer anderen Realschule plus beschreibt dazu ein konkretes Umsetzungsbeispiel, nämlich eine „Lobliste“ für Dienstbesprechungen und Konferenzen:

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„Und was ich halt auch gemerkt habe: Wertschätzung. Das ist ganz, ganz wichtig. Und ich mache vor jeder Dienstbesprechung, bevor die offiziell beginnt gibt es eine Lobliste. Das heißt, da werden alle Kollegen aufgeführt, aufgerufen, die etwas für die Schule getan haben, sei es Kuchenverkauf für die Londonfahrt, sei es eine Zeitungsausstellung, organisiert mit der Zeitung und so weiter, dass man das einfach noch mal hervorhebt. Oder wenn Kolleginnen mit dem Schulsanitätsdienst ein Wochenende nach (Name) fahren, ja, dann hebe ich das hervor, dann lobe ich die. Das ist wie ein Schulterstreicheln. Und man glaubt das nicht, wie das erwachsene Personen benötigen. Und das sind so Maßnahmen, das merke ich. Also hier läuft wirklich so viel an der Schule, was das ganze Kollegium eigentlich gar nicht weiß und das sind so die Möglichkeiten, wie man so ein Kollegium kriegt.“ (RS-6-M: 18–18)

Damit wird auch ein Punkt angesprochen, der aus theoretischer Sicht für den Human-Resource Frame insgesamt von hoher Bedeutung ist: Dass Menschen in Organisationen dann besonders zu motivieren sind, wenn sie zwischenmenschliche Anerkennung und Wertschätzung für ihre Arbeit erhalten und erleben, dass ihre Arbeitsbedingungen mit ihren eigenen menschlichen und beruflichen Bedürfnissen korrespondieren: „Wenn das Arbeiten an einer Schule Spaß macht und wenn sie die Zügel nicht zu fest anziehen, ja, dann werden sie feststellen, dass Lehrer, die gerne zur Arbeit kommen, sehr viel mehr arbeiten als die, die nicht gerne kommen. Also die machen viele Dinge einfach freiwillig. Das ist überhaupt kein Problem. (...) Aber wenn das Gros sagt: Ey, das wäre doch mal toll. Das machen wir zusätzlich. Besser kann es eigentlich nicht laufen. Und das passiert aber im Kopf. Also und das passiert nur, wenn Leute zufrieden sind in ihrem Beruf.“ (RS-5-W: 41–41) „Ich denke, Bildungsinstitutionen wie Schulen haben ja eine Zeit lang wirklich eher so ein behäbiges Entwicklungstempo gehabt. Das ändert sich, weil sich die Bildungslandschaft ändert. Wir müssen darauf reagieren. Wir müssen schnell und flexibel darauf reagieren. Und hier im Haus hat sich eigentlich bewahrheitet, wenn man Innovationen einbringt, da wo die Leute sie als nützlich und als Erleichterung erfahren, kann man unglaublich viel machen. Also Dinge, die, wo der Kollege sagt: Hey, das ist ja viel besser, wenn ich das so herum mache.“ (IGS-5-W-Gr: 23–23)

Gerade das zweite dieser Beispiele zeigt auch, warum dieser Aspekt insbesondere bezüglich des Aspekts schulischer Inklusion bedeutsam sein kann: Wie die aktuellen Debatten in der Öffentlichkeit und verschiedene „Brandbriefe“ in unterschiedlichen Bundesländern eindrucksvoll zeigen, wird schulische Inklusion derzeit häufig mit

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den Schlagworten Überforderung und Belastung in Verbindung gebracht. Gelingt es jedoch der Schulleitung, innerhalb der Ausgestaltung der Entwicklungsprozesse entlastende Elemente erlebbar zu machen, so könnte dies die Bereitschaft zur Mitarbeit und auch das Erfolgserleben deutlich heben. So zeigen die Ergebnisse aus GeSchwind insgesamt, dass eine relevante Zahl an Schwerpunktschulen durch Teamentwicklung und Kompetenztransfer eine Bereicherung ihrer täglichen Arbeit erleben (vgl. Laubenstein, Lindmeier, Guthöhrlein & Scheer, 2015, S. 156), wobei auch an Schwerpunktschulen in Rheinland-Pfalz ein stark ausgeprägtes Empfinden an Arbeitsüberlastung zu bestehen scheint (vgl. Laubenstein, Lindmeier, Guthöhrlein & Scheer, 2015, S. 160). Gerade die Entwicklung fester Teamstrukturen scheint von Lehrkräften als ein wichtiger Faktor für die Steigerung der Lehrergesundheit bzw. zur Burnout-Prävention zu sein (vgl. Laubenstein, Lindmeier, Guthöhrlein & Scheer, 2015, S. 299). Arbeit an der Verbesserung zwischenmenschlicher Beziehungen Eng verbunden mit dem vorherigen Aspekt ist die Arbeit an der Verbesserung zwischenmenschlicher Beziehungen. Während die zuvor ausgeführten Beispiele auf der Beziehungsebene entweder die direkte Wertschätzung der Vorgesetzten gegenüber der Einzelperson oder aber die Arbeitsbeziehung und das Zusammengehörigkeitsgefühl ganzer Teams bzw. Kollegien adressierten, geht es hier nunmehr um die direkten Beziehungen auf zwischenmenschlicher Ebene. Fünf der befragten Schulleiterinnen und Schulleiter beziehen sich in einzelnen Aussagen auf diesen Aspekt. Ein Schulleiter (RS-1-M) betont explizit, dass für ihn die persönliche Ebene ein wichtiger Faktor für hochwertige Arbeit sei. Die Notwendigkeit gegenseitigen Vertrauens in der Zusammenarbeit wird von einer Schulleiterin (RS-2-W-Gr) hervorgehoben. Ergänzt wird dies durch die folgende Aussage der Leiterin einer Grundschule: „Das hat auch nichts mit Förderlehrer oder Regelschullehrer oder PF28 zu tun. Es hat ganz viel mit Menschlichkeit und Sympathie, Antipathie / da sind wir gerade am Arbeiten, wie wir trotzdem zusammenarbeiten können, auch wenn wir uns nicht so gerne mögen.“ (GS-2-W: 14–14)

Während diese Schulleiterin die Herausforderungen eher auf der Ebene von Sympathie und Antipathie verortet, benennt die Leiterin einer integrierten Gesamtschule 28

PF = pädagogische Fachkraft

7.2 Führungsorientierung

209

auch ausbildungs-, erfahrungs- und professionsbezogene Herausforderung für die Herstellung von Vertrauen und Respekt in Teams: „Leute mit einem über Jahre gewachsenen Engagement für Beeinträchtigte, die so aus dem sozialpädagogischen Bereich kommen. Die zusammenzubringen mit Leuten, die eigentlich gehofft hatten, dass sie Gymnasiasten unterrichten werden, die abgehen wie die Raketen, sage ich jetzt, in den Naturwissenschaften. Und diese Aufgabe, die sich da stellt, die in Kontakt zu bringen, wo man sich gegenseitig respektiert, anhört und die Qualitäten der anderen Seite zu schätzen weiß, ist eine große Herausforderung für jede Schulleitung, glaube ich, ja.“ (IGS-2-W: 20–20)

Damit drückt sich aus, dass gerade die Entwicklung inklusiver Schulen das Thema der zwischenmenschlichen Beziehungen im Arbeitskontext noch einmal deutlich in den Vordergrund treten lässt, da immer mehr Teamstrukturen mit unterschiedlichen Berufsgruppen entstehen und zusammengeführt werden müssen. Die unterschiedlichen Perspektiven der hier interviewten Schulleiterinnen und Schulleiter zeichnen ein ähnliches Bild hinsichtlich intraprofessioneller (Fachlehrkraft und sonderpädagogische Lehrkraft) sowie interprofessioneller (Lehrkraft, Erzieherin, Erzieher, Sozialpädagogin, Sozialpädagoge etc.) Kooperation, wie es sich bei Lütje-Klose und Urban (2014a) sowie Lütje-Klose und Urban (2014b) ergibt. Unter Berücksichtigung des Human-Resource Frame wird eine wesentliche Herausforderung für Schulleitung in inklusiven Settings also sein, Raum zu geben und Unterstützung anzubieten, sodass sich die verschiedenen Stufen der Kooperation und unterschiedlichen Formen des Gemeinsamen Unterrichtens auf Basis gegenseitigen Respekts und Vertrauens entwickeln können. 7.2.1.3 Political Frame Organisationen (also auch einzelne Schulen sowie das Schulsystem als Ganzes) unter einer politischen Perspektive zu betrachten bedeutet davon auszugehen, dass innerhalb einer Organisation gegensätzliche Interessen und Interessengruppen um Einfluss und Ressourcen kämpfen und dass jeder einzelne Akteur versucht, die Machtbasis zur Durchsetzung seiner eigenen Interessen zu erweitern (Bolman & Deal, 2013, 16, siehe auch Abschnitt 2.3.3 der Arbeit). Politisch orientierte Führungskräfte werden demzufolge schwerpunktmäßig mit Agenda-Setting, Koalitionsund Netzwerksbildung, Verhandlung und Gesprächsführung sowie der Identifikation

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7 Ergebnisse der qualitativen Inhaltsanalyse

von Interessens- und Machstrukturen („politisches Terrain“) befasst sein (Bolman & Deal, 2013, S. 208–219). Allianzen und Netzwerke mit zentralen Akteuren bilden Die unterschiedlichen Formen von Allianzen und Netzwerken, die sich in den geführten Interviews identifizieren lassen, zeigen eine Besonderheit von Schulen gegenüber von z. B. kleinen und mittleren Unternehmen (KMU): Während das Unternehmen als Ganzes als Organisation gesehen wird, die möglicherweise aus einzelnen Standorten besteht, sind die – ebenfalls oftmals als eigene Organisation wahrgenommenen – Einzelschulen eben keine eigenständige Organisation, sondern institutionell in das landesweite Schulsystem eingegliedert, welches insgesamt wieder Teil der gesamten Exekutive ist. Gleichzeitig ist eine Schule aber auch an den selbst wiederum eigenständigen kommunalen Schulträger gebunden, der für die materielle und räumliche Ausstattung zuständig ist. Weitere Aspekte, wie Teilautonomie in pädagogischen Fragen und Angelegenheiten der Schulentwicklung oder die Elternmitbestimmung, erhöhen die Komplexität des Systems weiter, sodass Netzwerke und Koalitionen nicht nur innerhalb der einzelnen Schule, sondern auch mit schulexternen Akteuren gebildet werden. Drei Schulleiterinnen und Schulleiter in der Stichprobe nannten den örtlichen Personalrat als einen wichtigen, zuweilen auch kritischen Akteur, den man als Schulleitung unbedingt als Verbündeten brauche: „Und dann muss man natürlich auch, und das glaube ich, das ist auch ganz wichtig, mit dem Personalrat gut zusammenarbeiten. Und wenn sie einen engagierten Personalrat haben, oder wenn sie ein gemeinsames Ziel haben mit dem Personalrat, dann haben sie da auch Unterstützung. Dann ist auch der Personalrat, der ja eigentlich an dieser, an diesem Klima interessiert ist, ja, das sind dann auch Leute, die dann auch mal einem Kollegen, bevor man als Schulleiter überhaupt was ansprechen muss, auch mal hingehen und sagen: Das da war vielleicht nicht so in Ordnung.“ (RS-5-W: 47–47)

Gerade im Zusammenhang mit Berufsorientierung, Fundraising und unterschiedlichen Projekten geben einige Schulleiterinnen und Schulleiter eine starke Vernetzung mit lokalen Vereinen und Wirtschaftsbetrieben an. Ein Schulleiter führt dazu aus, dass diese Vernetzung immer ein Geben und Nehmen sein müsse und auch bedeutet, dass man als Schulleiter unbedingt bei Gemeindefesten, Gewerbeschauen etc. vor

7.2 Führungsorientierung

211

Ort sein müsse, um eine entsprechende Beziehungspflege zu den lokalen Akteuren zu betreiben: „Ich habe einen sehr engen Kontakt zu den gewerbetreibenden Betrieben hier. Wir haben auch Gott sei Dank jemanden, der Vorsitzender von diesem Gewerbeverein ist. Mit dem stehe ich also auch in Kontakt. Wir haben von vielen Betrieben die Kinder hier in der Schule gehabt, als wir die Grundschule noch hatten, ja. Wenn man hier aus der Region kommt, kennt man natürlich viele Leute.“ (RS-3-M: 50–50) „Ansonsten wird es schwer. Also wenn sie fremd irgendwo sind, sind nicht ansässig und sie kennen also die Infrastruktur nicht, wird es schwer. Das geht eigentlich nur über persönliche Beziehungen, wie vieles im Leben.“ (RS-3-M: 51–51) „Aber wenn ich dann an den Ständen bin, rede mit den Leuten oder wenn Sommerfest ist oder egal was es ist, wenn irgendwelche Veranstaltungen in der Verbandsgemeinde sind, ich bin immer präsent, wenn es irgendwie geht. Wenn Sommerfest ist oder Marktplatzfest ist oder Adventsmarkt ist, wenn solche Sachen sind, dann muss man halt da sein, sonst funktioniert es nicht. Den Chef der Gewerbetreibenden hätte ich nie kennengelernt, ja. Also das muss ein Schulleiter schon auch, meine persönliche Meinung, muss ein Schulleiter schon auch machen, denn sonst verliert er den Kontakt. Das Ganze besteht aus einem Nehmen und Geben. Und wenn ich nicht bereit bin zu geben, dann darf ich eigentlich auch nichts nehmen.“ (RS-3-M: 54–54)

Gerade im Zusammenhang mit der Ausstattung von Schulen und Konflikten zwischen Schule und Politik / Administration zeigen einige Schulleitungen auf, dass sie es dann auch für nötig erachten, die Öffentlichkeit bzw. den Kontakt zu politischen Akteuren außerhalb der dienstlichen Hierarchie zu suchen: „Was können wir dann noch von unserem Standard beibehalten, den wir ja gerne beibehalten wollen, aber was soll man dann noch behalten, oder was muss man gegebenenfalls ändern oder angleichen, damit es auch dann weiter funktioniert, (...) oder muss man dann vielleicht tatsächlich irgendwann eine Öffentlichkeit suchen. Auch das ist natürlich möglich. (...) Muss man gucken.“ (GS-1-W: 11–11) „Und es zeigt auch irgendwo aus meiner Sicht, dass da oben die Leute nicht richtig nachdenken am grünen Tisch. (...) Wir haben natürlich dafür auch die Landtagsabgeordneten eingeladen und so weiter, das ist klar.“ (IGS-1-W: 69–69)

Zusammen mit weiteren Vernetzungen, von denen berichtet wird, beispielsweise Freundeskreis der Schule oder informelle Netzwerke auf Schulleiterebene, ergibt

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7 Ergebnisse der qualitativen Inhaltsanalyse

sich ein Bild, in dem die Bildung von Allianzen und Netzwerken zwar ein generell bedeutsamer Aufgabenbereich für Schulleitung ist, aber gerade unter den Vorzeichen umfassender Bildungsreformen, wie z. B. der Entwicklung von Schwerpunktschulen, mit denen durchaus unterschiedliche Haltungen und Sichtweisen einhergehen, noch einmal an Bedeutung gewinnt. Dies drückt sich auch darin aus, dass insgesamt über die Hälfte der befragten Schulleitungen Aktivitäten in diesem Bereich anführt. Konflikte und Spannungen zwischen verschiedenen Teilen des Kollegiums, Interessengruppen oder Organisationen wahrnehmen und zwischen den verschiedenen Parteien verhandeln und Lösungen aushandeln Neben der Bildung von Allianzen und Netzwerken, um die eigenen Ziele gegenüber internen Akteuren oder die Ziele der Schule gegenüber externen Akteuren durchzusetzen, gehört zum Political Frame, Konflikte und Spannungen zwischen verschiedenen Interessengruppen und Akteuren zu identifizieren und hier entsprechende Lösungen auszuhandeln. Einerseits kann das tatsächlich aus dem Interesse heraus geschehen, das Kollegium zu „befrieden“ und als produktive Einheit handlungsfähig zu halten: „Aber eben auch immer das Verständnis wecken bei den Gymnasiallehrern für die Förderlehrer und umgekehrt bei den Förderlehrern für die ganz besonderen Belastungen der Gymnasiallehrer an einer integrierten Gesamtschule.“ (IGS-2W: 59–59) „Und wenn sie mal so Anlässe, die vielleicht mal etwas kritisch geworden sind, dann müssen sie viel Kommunikation betreiben und Win-win-Situationen schaffen, um wieder weiterarbeiten zu können.“ (RS-2-W-Gr: 34–34)

Andererseits können darin auch Strategien des Agenda-Setting implementiert werden: „Und der Handlungsspielraum ist dann der, dass ich also die Leute stärke, die da drauf mit auch zuspringen und die Leute, die erstmal Sorgen haben oder Ängste haben, das ernst nehme und sie mit ins Boot hole.“ (IGS-1-W: 19–19)

Gleichzeitig erfordert dieser Aspekt aus Sicht einer Schulleiterin auch entsprechende Kompetenzen im Bereich des Konfliktmanagements, wofür sie sich entsprechende Fortbildungsangebote wünschen würde, sowohl für sich als auch für die Lehrkräfte:

7.2 Führungsorientierung

213

„Konfliktmanagement wäre für mich immer ein Thema. Obwohl ich auch schon selber was gemacht habe. Das hat mir, in unserem Kreis habe ich das damals auch initiiert. Da haben wir Kommunikationstraining gemacht. Weil für mich ist Kommunikationstraining der Schlüssel zu allem.“ (GS-2-W: 43–43)

Eine Schulleiterin äußert zudem die Notwendigkeit, ein offenes Ohr zu haben, um Konflikte und Spannungen überhaupt erst einmal mitzubekommen: „Was läuft denn in der Schule ab? Wer hat denn vielleicht gerade Knatsch mit jemandem? Oder welche Eltern haben denn gerade was mit welchem Lehrer?“ (GS-3-W-Gr: 73–73)

Konkurrierende Interessen und Vorstellungen darüber, was zu tun ist, wahrnehmen und mit den verschiedenen Parteien verhandeln und Lösungen aushandeln Abzugrenzen von Konflikten sind konkurrierende Interessen bzw. Vorstellungen über die richtige Vorgehensweise. Hier ist es die Aufgabe einer politisch orientierten Schulleitung zu erkennen, wenn unterschiedliche Gruppen in der Schule verschiedene Interessen verfolgen oder unterschiedlicher Auffasung zu schulischen Themen und Prozessen sind. Zwischen diesen Auffassungen und Interessen gilt es dann zu verhandeln und Lösungen zu finden. Die Schulleiterin einer Realschule plus stellt das proaktive Antizipieren unterschiedlicher Interessen und Gegenströmungen sehr plastisch dar: „Da muss man natürlich drauf eingehen und man muss schon so ein bisschen Mäuschenstimmung haben, die Ohren spitzen, dass man frühzeitig auch Gegenströmungen erkennt gegen Vorhaben oder sowas. Ja. Ich habe 70 Beschäftigte etwa und, naja, das sind auch manchmal 70 Einzelunternehmer.“ (RS-2-W-Gr: 16–16)

Die Leiterin einer Grundschule hingegen beschreibt eher ein Vorgehen, bei dem die unterschiedlichen Interessenslagen offen in der Diskussion mit dem Personalrat eruiert werden: „Also, wenn es ganz gravierende Sachen sind, also zum Beispiel Stundenkürzungen, dann bin ich zuerst mal mit dem Personalrat im Gespräch, weil es ja dann gravierende Umstellungen unter Umständen sein können. Dass ich erst mit dem Personalrat überlege und dass wir dann überlegen, gemeinsam überlegen, ist das jetzt eine Sache für die Konferenz schon, oder ist das erstmal eine Sache für eine Personalversammlung, um dort erstmal die Fronten zu

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7 Ergebnisse der qualitativen Inhaltsanalyse

klären und zu gucken und das dann in der Konferenz weiter zu bearbeiten, oder unter Umständen in Arbeitsgruppen zu geben, die dann da dran weiter arbeiten, oder halt mal einfach erstmal den Kopf hin und überlegt, macht man erstmal nix und überlegen mal, was passieren könnte, wenn wir jetzt nix machen.“ (GS-1-W: 9–9)

Bei der Suche nach Win-win-Lösungen, mit denen tragfähige Entscheidungen getroffen werden können, gehen die befragten Schulleiterinnen und Schulleiter, sofern sie diesen Aspekt erwähnen, auf unterschiedliche Art und Weisen vor. Trotz individueller Ausprägungen des Vorgehens kann hier dennoch ein gemeinsames Muster von (1) Problemidentifikation, (2) Ausarbeitung unterschiedlicher Möglichkeiten in kleineren Gruppen, (3) Diskussion im Gesamtkollegium und (4) Abstimmung und Umsetzung identifiziert werden, wie Tabelle 7.4 zeigt, in der die entsprechenden Textsegmente in diese Schritte zergliedert dargestellt sind. Die bisher genannten Beispiele beziehen sich eher auf eine Art Moderatorenrolle der Schulleitung im mikropolitischen Entscheidungsprozess, wobei die Schulleitungen eher den Konsens als Ziel im Blick zu haben scheinen. Die Leiterin einer Grundschule drückt diese Suche nach Konsens auf folgende Weise explizit aus: „Und dann muss man natürlich immer gucken, da braucht man so einen gemeinsamen Nenner. Ja. Und der geht manchen dann oft nicht schnell genug und anderen zu schnell. Und da muss man eben da auch versuchen, wirklich einen Nenner zu finden, mit dem alle leben können. Das ist halt, denke ich, so die Aufgabe von uns.“ (GS-3-W-Gr: 31–31)

In Bezug auf Leadership zeigt sich entgegen oder ergänzend zu einer solchen Moderatorenrolle aber auch, dass einige Schulleitungen diese politische Vorgehensweise nutzen, um entweder neue bildungspolitische Anforderungen in die Schule einzubringen oder eine eigene inhaltliche Agenda strategisch umzusetzen: „Ich habe Politikwissenschaften studiert. Ich sage mal, was jetzt im Moment in den Zeiten der Krise da ist. Gradualistisch. Wirklich Schritt für Schritt. Das können sie nicht als Glocke drüber setzen: Und du machst das mal. Das können sie gar nicht. Das müssen sie langsam pflanzen und immer wieder gedeihen lassen, nachgießen, auch mal nachdüngen, die Pflänzchen. Und wenn mal eins am Eingehen ist, müssen sie sich auch mal entscheiden und müssen fragen: Wollen sie wieder neu eingepflanzt werden oder was machen wir?“ (RS-2-W-Gr: 46–46) „Das Wort gradualistisch, das gefällt mir. Politik: das schrittweise Vorgehen. Strategie im Kopf haben, Konzeption und dann wirklich so Handlungsschritte

Abstimmung und Umsetzung

Diskussion

Ausarbeitung von Lösungsmöglichkeiten

Problemidentifikation

RS-6-M: 24–24

„Wir haben ein Trainingsraum-Konzept entwickelt, ein paar Kollegen. Es ging los mit einem Studientag im Mai 2013 mit nochmal einem großen Austausch. Es wurden Ideen entwickelt und Vorschläge Da habe ich dieses Worldcafe gemacht. Kennen sie das Prinzip vom gemacht Worldcafe? // I: Nee.// Das läuft so, ich habe verschiedene Tische und es gibt immer einen Moderatorentisch. Da ist ein großes Plakat ausgelegt und dann gibt es eine Eingangsfrage, zum Beispiel: Was haltet ihr von dem Trainingsraum? Ja. Gut. Schreibt doch mal auf, wie könnte das gestaltet werden. Und dann wandert diese Gruppe vom Tisch eins zum Tisch zwei. // I: Ja.// Tisch zwei hatte eine ganz andere Frage und beschäftigt sich dann auch nochmal mit dieser Ausgangsfrage. Und dann sehen sie ja schon, was steht denn da schon und dann kann man darauf aufbauen, ja. Ja, ich meine, aber Trainingsraum bis jetzt nur bis zwölf Uhr finde ich jetzt nicht so gut. Und so kommt man untereinander ins Gespräch. Und das ist eine gute Möglichkeit. Das habe ich gemacht. Und dann hat sich eine Gruppe rauskristallisiert von zehn Leuten, die gesagt haben: Ok, wir arbeiten daran intensiv weiter. Und die haben sich jetzt bis, ich glaube Anfang März unregelmäßig, regelmäßig getroffen. und dann bringe ich das in meiner Funktion als Und jetzt ist das Konzept fertig. Das hängt jetzt aus. Das heißt, die Schulleiter in die Konferenz ein. Darüber muss Kollegen sollen sich das anschauen. Das wissen die auch. Und dann ja abgestimmt werden. Wenn es nötig ist, kommt es in der nächsten Dienstbesprechung nochmal auf den versuche ich da noch ein bisschen zu Tagesordnungspunkt, ob es Änderungswünsche gibt. supporten und Überzeugungsarbeit zu leisten und dann wird irgendwas beschlossen und Und wenn es dann nicht ist, dann kommt es im Mai auf die Konferenz dann umgesetzt.“ zur Abstimmung und dann ist das unser neues Trainingsraum-Konzept. Und das läuft so, so lief es jetzt auch mit dem Konzept Leseförderung, Konzept Berufsorientierung, Konzept Lehrer-Schüler-Eltern-Gespräche, Konzept Umgang mit Eltern.“

„Also da wurde, wir haben uns mit einem Problem auseinandergesetzt.

Quelle: RS-4-M: 40–40

Tab. 7.4: Umgang mit Entwicklungs- und Entscheidungsprozessen, bei denen unterschiedliche Interessen und Vorstellungen konkurrieren können am Beispiel zweier Schulleiter an Realschulen plus.

7.2 Führungsorientierung 215

216

7 Ergebnisse der qualitativen Inhaltsanalyse

planen. Das machen wir auch. Sie sehen das hier an solchen Papieren.“ (RS-2W-Gr: 47–47)

Die Notwendigkeit, im Rahmen eines solchen Vorgehens mögliche Bedenken im Blick zu behalten, zeigt das folgende Textsegment: „Ja, und die pädagogische Entwicklung, das heißt halt zu gucken: welche neuen Ströme gibt es, wo gibt es Schulen, von denen man was lernen kann, wie kann man sich mit anderen Schulen vernetzen und Ideen dann ins Kollegium tragen, wie macht man das, dass man die ins Kollegium reinkriegt, diese Ideen. Ja, denn immer, wenn eine neue – wir haben ja das geflügelte Wort – eine neue Sau durch das Dorf getrieben wird. Dann sagen die Kollegen erstmal: Ist jetzt mal gut hier. Wir müssen jetzt erstmal unsere Aufgaben bewältigen. Also das muss man schon ein bisschen geschickt machen, dass man solche Dinge dann überhaupt erstmal zum Diskussionspunkt macht. Und wenn erstmal ein Ergebnis offen diskutiert wird, dann kriegt man meist auch gute Ergebnisse.“ (IGS-5-W-Gr: 18–18)

Der hier auftauchende problematische Aspekt der Arbeitsbelastung („Wir müssen jetzt erstmal unsere Aufgaben bewältigen.“) wird von dieser Schulleiterin unter anderem angegangen, indem im Bereich von Fortbildungen und Unterrichtsentwicklung als entlastend und unterstützend erlebte Elemente eingezogen werden (HumanResource Frame), die die Bereitschaft erhöhen, in die ergebnisoffene Diskussion zu Neuerungen und Veränderungen einzusteigen: „Und wenn das funktioniert, dann sind Kollegien auch bereit, mal, wie sagt man so schön, Kröten zu schlucken, also Dinge, die sie jetzt vielleicht nicht wirklich als Erleichterung empfinden, sondern wenn man dann einfach sagt, das ist aber nötig, wir müssen uns auch im Raum positionieren, die Schülerzahlen gehen drastisch zurück, wir stehen im Wettbewerb. Es gibt also auch Dinge, die müssen wir einfach machen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Und dann ist auch die Bereitschaft da zu sagen, ok, dann machen wir das mit.“ (IGS-5-W-Gr: 24–24)

Während das Aufeinandertreffen unterschiedlicher Interessen und Sichtweisen innerhalb einer Schule einerseits dazu zu führen scheint, dass eine Vielfalt an Ideen im Aushandlungsprozess als bereichernd für Schulentwicklung erlebt werden kann, bedeutet es andererseits auch – gerade wenn dann auch noch die Interessen von Kollegium (Schule) und Schulaufsicht aufeinandertreffen, zwischen denen Schulleitung vermitteln muss –, dass Schulleiterinnen und Schulleiter sich selbst in einer Art Sandwichposition sehen:

7.2 Führungsorientierung

217

„Aber da ist man immer in dieser Sandwich-Lösung dann. Da kommt man auch nicht mehr raus. // I: Also die ist schon so ein immanenter Bestandteil.// Ja natürlich. Sonst müssten sie ja mit einer der beiden Gremien brechen, müssten, ja, müssten sich auf irgendeine Seite schlagen. // I: Ja.// Sie sind immer, ja, wie bei so einem Motor das Gummilager, was das Ganze geschmeidig hält.“ (RS-1-M: 19–19)

Im Streit um Verteilung knapper Ressourcen ebenfalls durch Verhandlungsgeschick und Entschlossenheit zwischen verschiedenen Interessen verhandeln Dieser Aspekt des Political Frame findet in den Interviews am wenigsten Beachtung. Dort, wo er erwähnt wird, bezieht er sich eher auf die Aufgabe, als Schulleiterin oder Schulleiter mit dem Schulträger um Ressourcen für die Schule zu verhandeln, nicht auf die Verteilung der bestehenden knappen Ressourcen innerhalb der Schule. Besonders plastisch wird der politische Aspekt hierbei bei der Leiterin einer Grundschule, die aufgrund gekürzter Personalzuweisungen ab einer bestimmten Anzahl von Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf einen Aufnahmestopp einzieht. Diesen versehen mit der Kontextinformation, bisher immer auch mehr Schülerinnen und Schüler aufgenommen zu haben, als sie müssten: „Und lehnen tatsächlich schonmal ein Kind ab. Also es hat mir wirklich wehgetan dieses Jahr, muss ich sagen. Das war so das erste Mal, dass ich gesagt habe: Nee. Da gibt es noch andere Schwerpunktschulen. Da müssen sie eine andere wählen. Ja. // I: Das, was man eigentlich nicht will.// Nee. Das was man nicht will, was man nie wollte. Ja. Aber das ist dann der eigene Schutz. Und der Schutz ist ein eigenes System, ne.“ (GS-1-W: 66–66)

Die Schulleiterinnen und Schulleiter, die die Ressourcensteuerung innerhalb der Schule thematisieren, tun dies mit Blick auf den Structural Frame („Haushaltsbezogene Planung und Kontrolle“). 7.2.1.4 Symbolic Frame Symbolisch zu führen heißt im Sinne des Modells von Bolman und Deal, durch die Nutzung von Symbolen, Ritualen etc. die Mehrdeutigkeit sozialer Situationen aufzulösen, Eindeutigkeit und Sinn zu stiften und zu vermitteln sowie eine Identifikation der Mitglieder mit ihrer Organisation zu schaffen (siehe Abschnitt 2.3.4 der Arbeit, S. 52). Für Schulleitung, so Bonsen (2003, S. 182), bedeutet dies, (1) die Identität, Kultur und Symbole der Schule zu diskutieren, (2) das nach außen

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7 Ergebnisse der qualitativen Inhaltsanalyse

vermittelte Bild der Schule zu reflektieren, (3) schulspezifische Zeremonien und Rituale zu beleben bzw. sich die Symbolik von Einrichtung, Gegenständen oder Praktiken der Schule zunutze zu machen, (4) an einer gemeinsam getragenen Vision für die Schule zu arbeiten, (5) die Schulkultur zielgerichtet zu beeinflussen und (6) das Nutzen der eigenen Vorbildfunktion bzw. des symbolischen Stellenwerts der Schulleiterrolle. Zielgerichtete Einflussnahme auf die Schulkultur Die Schulkultur bzw. die gezielte Einflussnahme auf selbige wird in den Interviews vor allem von Schulleiterinnen und Schulleitern an Realschulen plus thematisiert (fünf von sechs). Zudem gehen eine Leiterin einer Grundschule (GS-2-W) und ein Leiter einer integrierten Gesamtschule (IGS-4-M) hierauf ein. Aus theoretischer Sicht erscheint dieser Aspekt hoch bedeutsam für die Entwicklung schulischer Inklusion, da wesentliche theoretische Fundierungen einer auf Inklusion abzielenden pädagogischen Praxis eine innerschulische Kultur der Annahme, Wertschätzung und Anerkennung als unabdingbar ansehen (z. B. Booth & Ainscow, 2002; Prengel, 2006)29 . In den Interviews, in denen eine Einflussnahme der Schulleitung auf die Schulkultur oder zumindest die Hervorhebung der Bedeutung von Schulkultur für das Leitungshandeln thematisiert wird, wird dabei auch in den meisten Fällen das wertschätzende pädagogische Klima als Ziel betont: „Und mir geht es in primärer Weise um unsere Kinder, die hier an der Schule sind, dass die einen Ort haben, wo sie eine gute Startchance ins Leben nachher haben. Wo sie, man spricht ja heute sehr viel vom Wohlfühlaspekt, ich will den wirklich betonen, das ist mir immer ein Traum gewesen, eine Schule zu haben, wo man sich angenommen und wertgeschätzt fühlt. Und dazu versuche ich alles Mögliche beizutragen.“ (RS-2-W-Gr: 3–3) „Also für mich ist Schule leiten, zu schauen, dass allen Mitarbeitenden, von der Sekretärin, dem Hausmeister angefangen, über alle Lehrerinnen und Lehrer und vor allem auch den Schülern, dass es allen in irgendeiner Weise ermöglicht wird, hier ein Leben zu führen, das von Wertschätzung geprägt ist. Das ist, glaube ich, der Hauptpunkt.“ (IGS-4-M: 2–2)

29

Auch die Reckahner Reflexionen zu pädagogischen Beziehungen, die von einer Vielzahl an Fachgesellschaften, Verbänden und Einzelpersonen unterzeichnet und mitgetragen werden, setzen hier an: http://paedagogische-beziehungen.eu/leitlinien/

7.2 Führungsorientierung

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Einen anderen Schwerpunkt setzt der Leiter einer Realschule plus, der eher eine den Schülerinnen und Schülern zu vermittelnde Grundhaltung als wichtigen Schwerpunkt der Schulkultur betrachtet: „Das weitere Ziel so in den Monaten war, so eine Grundhaltung zu erzeugen, ja. Eine Grundhaltung, ich sage mal, bei diesen Kindern kommt es nicht darauf an, dass ich Wissen vermittle. Das ist zwar auch wichtig, vor allem für die Schüler im Sek I-Bereich, aber für die Kinder in Berufsreife II, da sind andere Kompetenzen wichtig. Und ich habe so drei Schlagworte kreiert. Das ist einmal Pünktlichkeit, Ordnung und Respekt. Und ich sage mal, wenn man diese drei Dinge transportiert für sich und nach außen, hat man eigentlich eine relativ schöne Schulzeit hier. Und da sind wir dabei, das so ein bisschen zu etablieren, ja.“ (RS-6-M: 4–4)

Die hier gegenübergestellten Zitate aus den Interviews zeigen, wie unterschiedlich die Sichtweisen der Schulleiterinnen und Schulleiter auf die Zielrichtung der Schulkultur sind. Ebenso verdeutlichen diese Aussagen, dass sich im Indikator „Zielgerichtete Einflussnahme auf die Schulkultur“ eher allgemein zeigt, ob die Schulleiterinnen und Schulleiter Einfluss auf die Schulkultur nehmen bzw. sich ihres Einflusses bewusst sind und diesen bewusst nutzen. Wie sie diese Einflussnahme gestalten, drückt sich hingegen eher in den anderen Indikatoren des Symbolic Frame aus. Das folgende Beispiel der Schulleiterin einer Grundschule macht dies deutlich: Ihren Einfluss auf die Schulkultur und das Schulklima benennt sie zwar, aber eher als Folge bzw. Wirkung anderer Elemente von Führung: „Angeblich ist die Schulleitung das Wichtigste an der Schule. Habe ich mal gelernt. Aber ich denke schon, der Fisch stinkt vom Kopf, sagt man immer. Aber, ja. Also ich denke, was wichtig ist bei uns, dass die Kollegen merken, dass ich auch mit meiner Konrektorin im Team arbeite und dass ich, also Vorbild eigentlich in der Form bin. Ich denke mal, das was ich vorlebe, in Anführungszeichen, hat eine Auswirkung auf das Kollegium. Also es geht schon los, Umgang miteinander, wie ich was organisiere, glaube ich schon. Und einfach Klarheit, also klar zu sagen: Was ist meine Meinung und wo soll es hingehen. Und natürlich die Anderen mitzunehmen. Aber das denke ich schon, dass das eine Auswirkung hat auf das Schulklima.“ (GS-2-W: 35–35)

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7 Ergebnisse der qualitativen Inhaltsanalyse

Arbeit an der Entwicklung und Klärung der gemeinsamen Vision (etwa in Form eines Leitbilds) Unter den Aspekt der Arbeit an der Entwicklung und Klärung einer gemeinsamen Vision der Schule fällt zunächst einmal, dass die Schulleitung über gemeinsam getragene Ziele des Kollegiums in einer Form reflektiert, die bestimmte gelebte Praktiken an der Schule als Symbol für die gemeinsame Vision interpretiert: „Aber wenn dann Kinder sagen: ‚Bei uns werden keine Unterschiede gemacht und wir kriegen keine verschiedenen Materialien und keine verschiedenen Arbeitsanweisungen‘, was ja bei Weitem nicht so ist, was ich ja weiß, dass es nicht so ist und ja auch sehe und die Kinder merken es nicht. Dann haben wir genau das erreicht, was wir wollten.“ (GS-1-W: 27–27) „Und wenn einem dann noch wichtig ist, und das ist für uns beide ganz wichtig und das trägt auch das Kollegium mit, dass wir eben nicht nur eine Schule sind, die ihren normalen Unterricht macht, sondern eben auch noch pädagogische oder unterrichtliche Schwerpunkte setzen. Wie unsere Sinusarbeit, die wir weiterführen, auch wenn uns die Sinusstunde inzwischen auch gestrichen wurde, weil das Projekt ja eingestellt wurde. Trotzdem ist uns das naturwissenschaftliche Arbeiten so sehr ans Herz gewachsen, dass wir (Abbruch). Wir wollen das machen.“ (GS-3-W-Gr: 79–79)

Andere Schulleiterinnen und Schulleiter betonen hier aber auch die Bedeutung ihrer eigenen Utopien und Visionen für die Weiterentwicklung der Schule: „Also dann, wenn man das so zusammenfassen würde, würde ich sagen: Schulleitung heißt vor allem eine Vision haben. Die mit anderen teilen. Transparenz in der Kommunikation schaffen und Strukturen herstellen, in denen ein fleißiges Arbeiten möglich ist. So.“ (IGS-4-M: 10–10) „Und das heißt, man muss schon Visionen haben, Ideen haben und die dann versuchen auch mit dem Kollegium gemeinsam und mit Eltern und Schülern gemeinsam umzusetzen, voranzubringen.“ (IGS-5-W-Gr: 3–3)

Insbesondere wird in diesen Zitaten deutlich, dass diese Vision nicht als eine politisch zu implementierende Agenda beschrieben wird, sondern dass der Fokus auf dem Teilen der Vision mit anderen und auf der gemeinsamen Umsetzung in der Schulgemeinschaft liegt und dass die Schulleitung in ihrer Rolle als Impulsgeberin umschrieben wird: „Und ich denke, das ist klar, das ist so diese Initialzündung und so geben und natürlich auch die Inputreferate und so weiter, das übernehmen dann halt gewöhnlich wir.“ (GS-3-W-Gr: 17–17)

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Diskussion der Identität, Kultur und Symbole einer Schule Sechs der Schulleiterinnen und Schulleiter diskutieren in den Interviews Aspekte, in denen sich Identität, Kultur oder Symbole der Schule ausdrücken, bzw. die damit verbundene Rolle der Schulleitung. Im Interview mit der Leiterin einer integrierten Gesamtschule wird beispielsweise die Einrichtung eines Schülerparks im öffentlichen Raum als eine symbolische Eroberung des Raums und als eine Öffnung von Schule nach außen bei gleichzeitiger Schaffung lebensnäherer Lernangebote symbolisiert: „Wir haben ja ein Leitkonzept, 1999, und da war die fünfte Leitlinie: ‚Die Schule öffnet sich nach innen und außen‘. Nach außen vor allen Dingen und das passiert jetzt mit dem Schülerpark, weil auch das Gesamtterrain erobert wird, ja? Auch für unsere Inklusionskinder ist das ja von Vorteil, was da passiert. Und entspricht auch dem Trend, ne, dass man wieder mehr Leben in die Schule holt und nicht nur Bücherwissen, ja?“ (IGS-1-W: 73–73)

Die Leiterin einer Grundschule sieht zugleich die Identitätsstiftung als eine Aufgabe von Schulleitung: „Und ich denke, Schule führen ist für mich in dieser Schule vor allen Dingen Identifizierung. Sich als Schule gemeinsam zu sehen. Das ist eine große Kunst.“ (GS-2-W: 8–8)

Hingegen problematisiert ein Schulleiter die Gefahr fehlender Identifikation der Lehrkräfte mit dem Schulstandort: „Früher in den sechziger Jahren gab es ja noch die Residenzpflicht für Lehrer. Ich weiß nicht, ob sie das wissen. Da mussten die Lehrer noch an ihrem Schulstandort wohnen. Habe ich sogar noch miterlebt. Das war, so schlecht war das nicht. Wenn ich das heute sagen würde, öffentlich darf ich es gar nicht sagen. Wir haben hier Kollegen, die kommen aus dem (Name). Wir haben ja so einen Kreisverkehr hier eigentlich, ne. Die kommen morgens hinten rum nach (Name) reingefahren, das ist hier Randlage (Name) zum (Name), die Schule, fahren hier in die Schule und fahren mittags hier oben wieder raus. Da gibt es Kollegen, die waren noch nie unten in dem Ort (Name). Das heißt, die Identifikation mit dem Schulstandort fehlt bei vielen Kollegen. Das finde ich fatal, denn dann kann ich auch nichts erwarten. Wenn ich nicht bereit bin, mich mit dem Ort und mit der Schule zu identifizieren als Lehrer oder Schulleiter, das ist egal, dann darf ich auch nichts erwarten.“ (RS-3-M: 53–53)

Zusammenfassend stellen diese Beispiele dar, welche Bedeutung einzelne Schulleiterinnen und Schulleiter der gemeinsamen Identifikation mit der Schule, aber

222

7 Ergebnisse der qualitativen Inhaltsanalyse

auch ihrem gesellschaftlichen Umfeld beimessen. Das Beispiel eines weiteren Schulleiters veranschaulicht zudem die symbolische Bedeutung innerschulischer Praktiken für die Identität der Schule und das Zugehörigkeitsgefühl innerhalb des Kollegiums: „Und das war am Montag, vergangenen Montag waren drei Referendare, nee, nicht Referendarinnen, sondern Praktikantinnen und die standen da und es war noch nicht begonnen und da sagte die eine: Gehört der Platz jemandem? Und wir, die wir da im Raum waren, haben einfach die Frage nicht verstanden. Aber diese Frage entsteht ja aus einem ganz konkreten Erfahrungshintergrund, ja, also aus dem Erfahrungshintergrund, in ein Kollegium zu kommen, als Gast und auf dem Stuhl plötzlich des Historikers zu sitzen, der hier seit 30 Jahren sitzt. Ich gab der jungen Frau zur Antwort: Wenn es bei uns soweit ist, dass jemand einen festen Platz hat und dann einen anderen davonjagt, gehe ich. Das kann kein Ziel von Schule sein. Das ist es, was ich vorhin gemeint habe mit statisch, da ist es ein Zustand. Da ist Schule ein Zustand, nicht ein lebendiges, immer fortschreitendes System, sondern es ist ein fester, hermetischer Zustand. Und dann kommen die Sätze: Das haben wir doch schon immer so gemacht. Und: Wir haben früher auch. Und so weiter. Die können wir nicht gebrauchen in der Schule. Das ist völlig klar. Das ist Blödsinn.“ (IGS-4-M: 25–25)

(Wieder-)Belebung schulspezifischer Zeremonien und Rituale; Instrumentalisierung des symbolischen Stellenwerts bestehender Praktiken, Rituale oder Einrichtungen, Gebäude, Gegenstände und Orte (beispielsweise die symbolische Bindung an ein altes oder traditionsreiches Schulgebäude) Ein Schulleiter einer Gesamtschule beschreibt als einziger Interviewpartner auch die Bedeutung, die Rituale für die Entwicklung der Schule haben und wie er deren Bedeutung für das Kollegium vermittelt: „Also, wir haben hier Rituale, die man kennen muss, ein Ruhezeichen, das eingehalten werden wird, werden muss. Und zum Beispiel ist es ja wichtig, die Menschen von dem Sinn von Ritualen zu überzeugen. Rituale funktionieren nur dann, wenn alle sie praktizieren. Wenn es welche gibt, die sagen ihren Schülern, das ist Käse, das bringt nichts, und so weiter, dann hat man ein Problem mit der Schule. Das ist oftmals zu sehen. Das wissen wir. Da gibt es dann diejenigen, die ganz streng die Rituale einhalten und andere halten die für blödsinnig und so weiter und so fort. Also das ist völlig klar. Ja, und alles zusammen fließt in ein ABC. Wir haben also, schreiben ein eigenes ABC der Schule. Auch das ist ein Heft – ein Buch inzwischen – im Prozess, weil natürlich immer neue Dinge dazukommen, Ideen dazukommen oder Beschlüsse und so weiter. Und dieses wächst auch. Und dieses ABC ist aber auch transparent im Internet für

7.2 Führungsorientierung

223

alle zugänglich und wird, wenn es eine Neuveröffentlichung gibt, wird wieder dann wieder neu aufgelegt im Prinzip und auch darauf hingewiesen: Leute, informiert euch. Lest mal das ABC wieder und guckt, was es an Informationen gibt, die alle wissen müssen und so.“30

Thematisieren des nach außen vermittelten Bildes der Schule und Reflexion der unterschiedlichen Interpretations- und Sichtweisen schulischer Aktivitäten und Beschlüsse durch die Gemeinde und Außenstehende Deutlich stärker vertreten ist in der befragten Stichprobe hingegen der Aspekt der öffentlichen Darstellung bzw. des Bilds nach außen. Von ganz grundlegender Bedeutung scheint für die Schulleiterinnen und Schulleiter zu sein, dass in der (potenziellen) Elternschaft die Arbeit der Schule positiv gesehen wird. Eine Schulleiterin führt die positive Außenwirkung auf die Qualität der Elternberatung in ihrer Schule zurück: „Aber wir haben halt ein hohes Niveau an Beratung und an Zeit. Deshalb kommen ja auch die Eltern an diese Schule und wählen diese Schule, ne, das ist ja auch so ein Punkt, wo sich dann eins ins andere fügt und wir dann gucken müssen.“ (IGS-1-W: 27–27)

Ebenfalls die Rückmeldungen aus Elternschaft aber auch Schulaufsicht sieht folgender Schulleiter als Indikator für eine positive Außenwirkung: „Und ich sage mal, wenn man dann von der Elternschaft hört: Ich möchte gern, dass mein Kind hier an die Schule geht, weil das und das geboten ist. Das sind so Rückmeldungen. Und darauf kann man aufbauen, ja, und auch den Kollegen widerspiegeln, dass die Elternschaft zufrieden ist, ja, dass wir aber gucken müssen, dass wir vielleicht die 20 Prozent, die noch nicht zufrieden sind, ja, gerade mit schwierigen Schülern, dass man die auch noch irgendwie mit ins Boot holt.“ (RS-6-M: 65–65) „Also es ist ja so, ich habe ja regelmäßig Treffen mit dem Schulelternbeirat und da kriege ich diese Rückmeldung. Und die Rückmeldung bekomme ich auch von der ADD. Es war vor meiner Zeit so, ich glaube, da gingen täglich zwei, drei Anrufe ein bei der ADD ein: Beschwerden, Situation, Umgang mit Schülern und so weiter. Und seit eineinhalb Jahren, ich glaube, so das letzte Vierteljahr gab es keinen Anruf mehr bei der ADD. (...) Mehr oder weniger wird sich darum gekümmert und das kriegen ja auch die Eltern mit. Wir haben es jetzt an 30

Da es sich hier um ein offen auffindbares Alleinstellungsmerkmal der Schule handelt, wurde der Quellennachweis am Zitat entfernt, um hinsichtlich anderer zitierter Interviewpassagen die Anonymität des Interviewpartners zu gewährleisten.

224

7 Ergebnisse der qualitativen Inhaltsanalyse

den Anmeldezahlen gemerkt. Wir haben (gestrichen zwecks Anonymisierung) Anmeldungen und alle anderen Realschulen Plus hier, die (gestrichen zwecks Anonymisierung) Stück, haben genauso viel wie wir in der Summe. Das ist eine deutliche Aussage, dass die (Name) hier akzeptiert ist.“ (RS-6-M: 67–67)

Weitere ganz explizite Formen, das Bild der Schule durch Öffentlichkeitsarbeit gezielt zu beeinflussen, werden von einem Schulleiter beschrieben, der einerseits als Schulleiter einen Blog über den Schulalltag betreibt und an dessen Schule unter der Bezeichnung „Mensagespräche“ Themenabende stattfinden, die sich zwar gezielt an Eltern richten, aber öffentlich sind. Die eigene Vorbildfunktion annehmen und den symbolischen Stellenwert der eigenen Person und seiner Funktion zu erkennen und nutzen: „man steht als Schulleiter oder Schulleiterin für die Schule“ („using self as a symbol“) Die eigene Vorbildfunktion und auch die besondere symbolische Bedeutung, die sich in der Rolle der Schulleitung verbirgt, werden von einem Großteil der befragten Schulleiterinnen und Schulleiter thematisiert. Ein in mehreren Interviews auftauchendes Muster ist die Argumentation, dass das sichtbare Modell des Schulleiters / der Schulleiterin als Führungsinstrument essenziell sei: „Und es ist auch, dass ich da, ich bemühe mich da auch irgendwie, Vorbildhandeln zu zeigen und ich gehe immer da hin, wo es weh tut. Ja, also das heißt, wenn sich irgendwie eine schlimme Klasse herausbildet, dann gehe ich auf jeden Fall in diese Klasse rein und halte da Unterricht, einfach um hautnah zu spüren, was die Kolleginnen und Kollegen meinen. Das ist ein Unterschied, ob ich es selber erfahre oder ob die Kolleginnen und Kollegen mir was erzählen. Wenn die mir irgendwas erzählen, dann kann ich sagen: Ja, ja, jammerige Beamte. Aber wenn ich es selber erfahre, dann weiß ich sogar, der und der Schüler, ja, ja, klar. Hatte ich auch schon Erfahrung mit. Das ist ein Riesenunterschied und ich kann auf einer ganz anderen Ebene mit Kolleginnen und Kollegen kommunizieren, ja. Und ich werde auch völlig anders wahrgenommen, das heißt, ich throne nicht so preußisch gesehen im Beamtenapparat oben, sondern ich mache eben auch sowas. Ich leere auch mal einen Mülleimer aus. Ich hebe auch mal im Flur für alle Schüler sichtbar Müll auf, als Schulleiter. Also da sehe ich mich einfach in der Pflicht, so Vorbildhandeln auch zu zeigen.“ (RS-4-M: 49–49) „Und ich denke, Lehrer sind oft bereit, wenn das gelungen ist, auch über den Dienst hinaus viel zu arbeiten. Machen die schon, aber man muss auch Vorbild sein.“ (RS-3-M: 90–90)

7.2 Führungsorientierung

225

Im Zusammenhang mit der Entwicklung schulischer Inklusion an Schwerpunktschulen kommt aus Sicht einiger Schulleitungen dieser Vorbildfunktion noch einmal eine besondere Bedeutung zu: „Ja, ich versuche das reinzubekommen, indem ich erstmal dasselber sage: Ich habe da Erfahrung drin, ich gehe als Vorbild voran.“ (RS-2-W-Gr: 41–41) „Ich glaube, das ist relativ wichtig, dass das die Kollegen alle merken, dass es spürbar wird, dass der Inklusions- / der Integrationsgedanke auch für die Schulleitung eine große Rolle spielt.“ (IGS-2-W: 57–57) „Wichtig ist, glaube ich, auch, dass die Schulleitung, indem sie selber in ihrem Unterricht deutlich macht, dass die Integration für sie immer mit im Hinterkopf ist. Und im Unterricht selber solche, ja, vielleicht beispielhaft Integration auch vorlebt. Also, indem sie sich auch um diese Kinder kümmert oder so. Dass das eine wichtige Rolle spielt.“ (IGS-2-W: 58–58)

7.2.2 Quantitative Auswertung der Rahmenausprägungen Zur genaueren Analyse, inwieweit sich zwischen den Ausprägungen der einzelnen Führungsrahmen innerhalb der Interviews bestimmte Strukturen ergeben, findet in diesem Zwischenschritt eine quantitative Auswertung der Rahmen statt. 7.2.2.1 Skalenbildung: Intervallskaliert Wie aus der Übersicht in Tabelle 7.3 (S. 187) hervorgeht, gliedern sich die Kategorien zu den vier Frames jeweils in mehrere Subkategorien, die Indikatoren für die Berücksichtigung des Frames abbilden (z. B. „Prozesssteuerung und Evaluation“ als Indikator für den Structural Frame). In MAXQDA wurden alle Indikatoren in binäre Dokumentenvariablen umgewandelt und mit 0 (im entsprechenden Interview wurde kein Textsegment mit diesem Indikator kodiert) und 1 (im entsprechenden Interview wurde mindestens ein Textsegment mit diesem Indikator kodiert) kodiert. Das folgende Beispiel illustriert das Vorgehen: In Interview GS-3-W-Gr wurde das Textsegment „Dann haben wir diesen Fragebogen für Lehrer gemacht und der wurde dann auch von einem Kollegen sehr genau ausgewertet“ (29–29) mit dem Indikator „Prozessplanung und Evaluation“ (Structural Frame) kodiert. Somit wird diesem Indikator in diesem Interview der Wert 1 zugewiesen.

226

7 Ergebnisse der qualitativen Inhaltsanalyse

Um die Rahmenausprägung für jeden Rahmen pro Interview zu bestimmen, wurde jeweils aus den Indikatoren eines Rahmens eine Mittelwertskala gebildet: Dazu wird die Summe der mit 1 kodierten Indikatoren jedes Rahmens durch die Gesamtzahl der Indikatoren dieses Rahmens geteilt. Auch dies sei an einem Beispiel verdeutlicht: In Interview IGS-3-M-Gr finden sich drei Indikatoren des Structural Frame. Somit ist die Summe der mit 1 kodierten Indikatoren 3. Der Structural Frame besteht aus sechs Indikatoren. Somit ist der Skalenwert dieses Schulleiters für den Structural Frame 3 : 6 = 0, 5. Anders gesagt: Bei diesem Schulleiter lassen sich 50 % der Indikatoren des Structural Frame identifizieren. Neben den Einzelskalen für die vier Rahmen wurde ferner eine Gesamtskala Leadership gebildet, die alle Indikatoren der Hauptkategorie Führungsorientierung berücksichtigt. Tabelle 7.5 gibt die deskriptiven Statistiken und Interkorrelationen der gebildeten Skalen wieder. Auf die Berechnung der internen Konsistenzen wurde aufgrund der geringen Stichprobengröße und der geringen Itemzahl verzichtet, da hier keine aussagekräftigen Koeffizienten zu erwarten gewesen wären. Mit einer durchschnittlichen Ausprägung von 0,72 (SD = 0,20) greifen die befragten Schulleiterinnen und Schulleiter am stärksten auf den Human-Resource Frame zurück, gefolgt vom Structural Frame (M = 0,69; SD = 0,25). Dahingegen fallen die durchschnittlichen Rahmenausprägungen des Political Frame und des Symbolic Frame vergleichsweise gering aus. Einschränkend zu berücksichtigen sind jedoch die im Vergleich zur Skalierung relativ hoch ausfallenden Standardabweichungen. Die Korrelationen zwischen den Rahmen fallen etwas höher aus als bei Bonsen (2003, S. 215), aber

Tab. 7.5: Mittelwert, Standardabweichung und Korrelationen (nach Spearman) der Rahmenausprägungen und der Gesamtskala Leadership Variable

M

SD

1

2

3

1. Structural Frame 2. Human-Resource Frame 3. Political Frame 4. Symbolic Frame

0,69 0,72 0,43 0,41

0,25 0,20 0,31 0,24

,60 ,39 ,23

,20 ,28

,21

5. Leadership

0,58

0,17

,86

,79

,46

4

,54

7.2 Führungsorientierung

227

Tab. 7.6: Transformationsregel für die Transformation der Intervallskalen in Ordinalskalen Wertebereich auf Intervallskala

Entsprechung auf Ordinalskala

0,00 – 0,24



0,25 – 0,49 0,50 – 0,74 0,75 – 1,00

→ → →

0: Niedrige Ausprägung / Nicht thematisiert 1: Tendenz niedrige Ausprägung 2: Tendenz hohe Ausprägung 3: Hohe Ausprägung

immer noch eher gering31 . Lediglich zwei Korrelationen liegen in einem mittleren Bereich, nämlich Structural Frame mit Human-Resource Frame (rS = ,60) und mit Political Frame (rS = ,39)32 . Bei Betrachtung der Leadership-Gesamtskala fällt auf, dass diese von der durchschnittlichen Ausprägung her ungefähr beim Skalenmittelpunkt liegt und von allen Skalen auch die geringste Standardabweichung aufweist. Zugleich korrelieren alle Skalen mittel bis hoch mit dieser Gesamtskala, wobei die stärksten Korrelationen mit dem Structural Frame (rS = ,86) sowie dem Human-Resource Frame (rS = ,79) festzustellen sind. Abweichend von den einzelnen Rahmen wurde, aufgrund der trivialerweise deutlich größeren Anzahl an Items, hier die interne Konsistenz überprüft. Diese fällt in anbetracht der Stichprobengröße zufriedenstellend aus (α = ,713). 7.2.2.2 Skalenbildung: Ordinalskaliert Um bei der weiteren qualitativen Auswertung des Kategoriensystems sinnvoll Gruppen gegenüberstellen zu können, wurden nach der in Tabelle 7.6 dargestellten Transformationsregel zu den Rahmenausprägungen und der Skala Leadership jeweils entsprechende Ordinalskalen gebildet. Die Häufigkeiten der jeweiligen Rahmenausprägungen sind in Abbildung 7.1 dargestellt. Hier bestätigt sich, dass der Human-Resource Frame am stärksten und der Structural Frame am zweitstärksten berücksichtigt wird. Die tendenziell eher niedrige Ausprägung des Symbolic Frame ist konsistent zu den Befunden von Bonsen (2003, S. 218). 31 32

Nach Cohen (1988) können Korrelationen wie folgt interpretiert werden: gering bei r >,1; mittel bei r >,3; hoch bei r >,5. Die Spearman-Rangkorrelation (rS ) ist ein Verfahren zur Berechnung der Korrelation zweier mindestens ordinalskalierter Variablen und wird auch bei intervallskalierten Variablen eingesetzt, wenn die Voraussetzungen für die Berechnung der sogenannten Produkt-Moment-Korrelation (r) nicht erfüllt sind. Die Interpretation ist analog zu anderen Korrelationskoeffizienten.

228

7 Ergebnisse der qualitativen Inhaltsanalyse

12 10 10

8 7

7 6 6 5 4

4

4

4 3

3 2

2

2 1

1

1

0 Structural Frame

Human Resource Frame

Political Frame

Symbolic Frame

Niedrige Ausprägung / Nicht thematisiert

Tendenz niedrige Ausprägung

Tendenz hohe Ausprägung

Hohe Ausprägung

Abb. 7.1: Häufigkeiten der Rahmenausprägungen

Dementgegen wird der Political Frame von den hier befragten Schulleiterinnen und Schulleitern stärker eingesetzt als von den von Bonsen befragten Schulleiterinnen und Schulleitern. In der Ausprägung der einzelnen Führungsrahmen lassen sich innerhalb der befragten Stichprobe schultypspezifische und geschlechtsspezifische Unterschiede feststellen (siehe Abbildungen 7.2 und 7.3). Schulartbezogen fallen diese Unterschiede hoch aus für den Political Frame (Cramers V = ,55)33 und den Symbolic Frame (Cramers V = ,51), mittelstark für den Structural Frame (Cramers V = ,35) und schwach für den Human-Resource Frame (Cramers V = ,25). Den Political Frame beachten den Interviews zufolge alle Leiterinnen der Grundschulen34 mit mindestens tendenziell hoher Ausprägung, während die Leiterinnen und Leiter der integrierten Gesamtschulen ihn tendenziell eher schwach bis gar nicht berücksichtigen. Bei den Realschulen plus verteilt sich die Ausprägung des Political Frame gleichmäßig von tendenziell schwach über tendenziell hoch bis hoch. Eine ähnlich gleichmäßige Verteilung findet sich bei 33

34

Bei Cramers V handelt es sich um einen Kontingenzkoeffizienten, der den Zusammenhang zweier kategorialer Merkmale ausdrückt. V kann analog zu anderen Korrelationskoeffizienten interpretiert werden. Wenn eine Untergruppe in der Stichprobe ausschließlich aus Frauen oder aus Männern besteht, wird hier auf die Nennung des anderen Geschlechts verzichtet.

Abb. 7.2: Ausprägung der Führungsrahmen, getrennt nach Schularten

0

0,5

1

1,5

2

2,5

3

3,5

0

0,5

1

1,5

2

2,5

3

3,5

1

1

2

0

2

2

Hohe Ausprägung

Tendenz hohe Ausprägung

Realschule Plus

2

Tendenz niedrige Ausprägung

Integrierte Gesamtschule

3

Niedrige Ausprägung / Nicht thematisiert

Grundschule

1

2

Hohe Ausprägung

Tendenz hohe Ausprägung

Political Frame

2

Realschule Plus

1

2

Tendenz niedrige Ausprägung

Integrierte Gesamtschule

3

Niedrige Ausprägung / Nicht thematisiert

Grundschule

1

2

3

Structural Frame

0

0,5

1

1,5

2

2,5

3

3,5

4

4,5

0

0,5

1

1,5

2

2,5

3

3,5

4

4,5

1

Tendenz hohe Ausprägung

1

Hohe Ausprägung

1

2

1

2

Realschule Plus

4

Hohe Ausprägung

Tendenz niedrige Ausprägung

Integrierte Gesamtschule

2

4

Realschule Plus

2

Tendenz niedrige Ausprägung

Symbolic Frame

Niedrige Ausprägung / Nicht thematisiert

Grundschule

2

Tendenz hohe Ausprägung

1

Integrierte Gesamtschule

Niedrige Ausprägung / Nicht thematisiert

Grundschule

1

2

4

Human Resource Frame

7.2 Führungsorientierung 229

230

7 Ergebnisse der qualitativen Inhaltsanalyse

den Schulleiterinnen und Schulleitern der Gesamtschulen beim Symbolic Frame, während sich bei diesem Frame die Leiterinnen und Leiter der Realschulen plus eher in den beiden Mittelkategorien sammeln, mit Schwerpunkt auf eine tendenziell schwache Ausprägung. Bei den Leiterinnen der Grundschulen lässt sich für diesen Rahmen keine klare Tendenz erkennen. Die Gruppenunterschiede beim Structural Frame und beim Human-Resource Frame lassen sich am ehesten als Abweichungen einzelner Schulleiterinnen und Schulleiter vom Gesamttrend der Rahmenausprägung beschreiben. So weichen beim Structural Frame zwei Schulleiter nach unten vom Gesamttrend ab (RS-3-M und RS-6-M) sowie beim Human-Resource Frame der Leiter einer Gesamtschule (IGS-6-M). Geschlechtsspezifisch fallen die Unterschiede in den Rahmenausprägungen wesentlich stärker aus als die schulartspezifischen Unterschiede. Am stärksten fallen die Unterschiede für Structural Frame und Political Frame aus (jeweils Cramers V = ,64) und eher schwächer, aber dennoch mittelstark für Human-Resource Frame (Cramers V = ,49) und Symbolic Frame (Cramers V = ,46). Jeweils zeigen die Frauen eine tendenziell höhere Rahmenausprägung als die Männer. Eine Analyse bezüglich des Multiframings als Kernstück des Modells von Bolman und Deal ergibt, dass zehn der befragten Schulleiterinnen und Schulleiter bei mehr als zwei Rahmen eine hohe Ausprägung aufweisen, vier der Teilnehmenden gar bei allen vier Rahmen (Abbildung 7.4). Von Multiframing wird nachfolgend ausgegangen, wenn bei einer Schulleiterin bzw. einem Schulleiter mehr als zwei Rahmen eine mindestens tendenziell hohe Ausprägung aufweisen. Dabei lassen sich Unterschiede mittleren Ausmaßes hinsichtlich Schulart (Cramers V = ,39) sowie Geschlecht (Φ = ,47)35 feststellen, wie Tabelle 7.7 zeigt. Demnach lässt sich Multiframing bei allen Leiterinnen von Grundschulen feststellen. An Realschulen plus lässt sich Multiframing bei vier der sechs Schulleiterinnen und Schulleiter feststellen, während dies bei den Gesamtschulen lediglich auf die Hälfte der befragten Schulleiterinnen und Schulleiter zutrifft. Bei den Schulleiterinnen lässt sich Multiframing in sieben von acht Fällen feststellen, bei den Schulleitern hingegen nur in drei von sieben Fällen. Inwieweit schulart- und geschlechtsspezifische Unterschiede sich aufgrund der Merkmalsverteilung in der Stichprobe gegenseitig verstärken oder aufheben bzw. wie sie miteinander interagieren, lässt sich aufgrund der Stichprobengröße und 35

Bei Φ handelt es sich ebenfalls wie bei Cramers V um einen Kontingenzkoeffizienten, der den Zusammenhang zweier dichotomer kategorialer Merkmale ausdrückt.

0

0,5

1

1,5

2

2,5

3

3,5

4

4,5

0

1

2

3

4

5

6

7

Abb. 7.3: Ausprägung der Führungsrahmen, getrennt nach Geschlecht 1

Hohe Ausprägung

männlich

2

Tendenz hohe Ausprägung

3

Tendenz niedrige Ausprägung

3

Niedrige Ausprägung / Nicht thematisiert

weiblich

1

4

Political Frame

Hohe Ausprägung

Tendenz hohe Ausprägung

männlich

1

Tendenz niedrige Ausprägung

1

4

Niedrige Ausprägung / Nicht thematisiert

weiblich

2

6

Structural Frame

1

1

0

1

2

3

4

5

6

0

1

2

3

4

5

6

7

8

2

1

Tendenz hohe Ausprägung

männlich

1

3

männlich

2

Hohe Ausprägung

Tendenz niedrige Ausprägung

2

2

Hohe Ausprägung

Tendenz niedrige Ausprägung

Symbolic Frame

Niedrige Ausprägung / Nicht thematisiert

weiblich

5

Tendenz hohe Ausprägung

Niedrige Ausprägung / Nicht thematisiert

weiblich

1

7

Human Resource Frame

1

3

7.2 Führungsorientierung 231

232

7 Ergebnisse der qualitativen Inhaltsanalyse

7 6 6 5 4 4 3 3 2 2 1 0 Ein Rahmen

Zwei Rahmen

Drei Rahmen

Vier Rahmen

Abb. 7.4: Anzahl der Rahmen, die die Schulleiterinnen und Schulleiter mit mindestens tendenziell hoher Ausprägung berücksichtigen (Häufigkeit bezieht sich auf Anzahl der Schulleiterinnen und Schulleiter)

Tab. 7.7: Häufigkeitsverteilung Multiframing (mehr als zwei Rahmen mit mindestens tendenziell hoher Ausprägung) nach Schularten und nach Geschlecht Ja

Nein

Gesamt

Schulart Grundschule Integrierte Gesamtschule Realschule Plus

3 3 4

0 3 2

3 6 6

Geschlecht männlich weiblich

3 7

4 1

7 8

10

5

15

Gesamt

7.2 Führungsorientierung

233

-zusammensetzung nicht analysieren. Generell kann allerdings davon ausgegangen werden, dass Geschlecht und Schulart konfundiert sind, sodass die hier berichteten Befunde hinsichtlich ihrer Generalisierbarkeit entsprechend vorsichtig interpretiert werden müssen. 7.2.2.3 Clusteranalyse zur Analyse von Rahmungstypen Die Ausprägungen der einzelnen Rahmen und auch das Merkmal Multiframing lassen für sich allein grundsätzlich Analysen dazu zu, wie einzelne Rahmen bzw. das Multiframing mit bestimmten Aspekten inklusiver Schulentwicklung oder der Sicht auf Schwerpunktschulen und ihre Rahmenbedingungen zusammenhängen. Weitaus aufschlussreicher kann unter Umständen jedoch die Frage sein, inwieweit bestimmte typische Kombinationen von Rahmen mit Aspekten inklusiver Schulentwicklung in Beziehung stehen und ob sich hier verschiedene Schulleitertypen identifizieren lassen. Dazu wird mit den Rahmenausprägungen (intervallskaliert) im folgenden Schritt eine Clusteranalyse (Backhaus, Erichson, Plinke & Weiber, 2016, S. 455–516) durchgeführt. Dabei handelt es sich um ein strukturbildendes multivariates Verfahren, bei dem einzelne Objekte anhand ihrer Ähnlichkeit hinsichtlich definierter Merkmale zu Gruppen (Clustern) zusammengefasst werden. Im ersten Schritt der Clusteranalyse findet die Ähnlichkeitsermittlung statt (Backhaus et al., 2016, S. 456), bei der paarweise für alle Objektpaare die Beschreibungsmerkmale geprüft und die Ähnlichkeit bzw. Unähnlichkeit als Proximitätsmaß ausgedrückt wird. Im vorliegenden Fall wurde, da es sich um eine metrische Datenstruktur (Intervallskalierung) handelt, auf die einfache euklidische Distanz als Proximitätsmaß zurückgegriffen (Backhaus et al., 2016, S. 469). Diese drückt den Abstand zweier Objekte im euklidischen Raum aus: „Dabei werden für jedes Objektpaar die Differenzwerte jeder Eigenschaft quadriert und anschließend addiert. Die Euklidische Distanz ergibt sich, indem anschließend aus der Summe die Quadratwurzel gezogen wird.“ (Backhaus et al., 2016, S. 456)

Alle paarweise gebildeten euklidischen Distanzen zusammen ergeben die Distanzmatrix (Tabelle 7.8). In der vorliegenden Untersuchung wurde die Distanzmatrix in

1. RS-3-M 2. IGS-3-M-Gr 3. IGS-4-M 4. IGS-6-M 5. RS-6-M 6. GS-1-W 7. IGS-1-W 8. RS-1-M 9. GS-2-W 10. IGS-2-W 11. RS-2-W-Gr 12. GS-3-W-Gr 13. RS-4-M 14. IGS-5-W-Gr 15. RS-5-W

0,63 0,65 0,73 0,65 0,78 0,93 0,67 0,87 0,67 1,00 0,99 0,67 0,89 0,56

1

0,90 0,17 0,92 0,84 1,03 0,63 1,08 0,63 1,15 1,08 0,73 0,93 0,71

2

0,97 0,90 0,98 0,73 0,65 0,60 0,65 1,17 1,04 0,71 0,78 0,73 0,93 0,85 1,09 0,73 1,14 0,73 1,21 1,17 0,75 1,00 0,80

4

0,37 0,80 0,80 0,73 0,80 0,67 0,85 0,42 0,79 0,56

5

0,63 0,62 0,67 0,62 0,45 0,60 0,30 0,56 0,42

6

0,45 0,24 0,45 0,62 0,45 0,50 0,17 0,47

7

0,56 0,00 0,75 0,55 0,48 0,34 0,30

8

0,56 0,71 0,61 0,50 0,37 0,53

9

Tab. 7.8: Distanzmatrix (einfache euklidische Distanz) 3

0,75 0,55 0,48 0,34 0,30

10

0,34 0,65 0,55 0,53

11

0,67 0,34 0,45

12

0,47 0,37

13

0,37

14

234 7 Ergebnisse der qualitativen Inhaltsanalyse

7.2 Führungsorientierung

235

der Statistiksoftware R (R Core Team, 2017) über die Funktion /BbiUt- K2i?Q/ 4 ]2m+HB/2M]V36 berechnet. Der zweite Schritt der Clusteranalyse besteht in der Auswahl des Fusionierungsalgorithmus, also dem Verfahren, nachdem die Cluster (Gruppen von Objekten) gebildet werden (Backhaus et al., 2016, S. 475). Grundsätzlich wird zwischen partitionierenden Verfahren und hierarchischen Verfahren unterschieden (Backhaus et al., 2016, S. 476). Partitionierende Verfahren tauschen, ausgehend von einer gegebenen Startgruppierung und festen Clusterzahl, über Austauschalgorithmen so lange Objekte zwischen Clustern, bis die Zuordnung gemessen an einer Zielfunktion optimal ist. Die hierarchischen Verfahren gliedern sich nochmals in sogenannte agglomerative und sogenannte divisive Verfahren: Agglomerative Verfahren – Agglomerative Verfahren gehen von den einzelnen Objekten aus und fassen diese schrittweise immer weiter zu größeren Gruppen zusammen. Divisive Verfahren

– Divisive Verfahren gehen von der Gesamtgruppe aller Objekte aus. Diese Gesamtgruppe wird dann schrittweise in kleinere Gruppen unterteilt.

Für diese Untersuchung wurde die Ward-Methode eingesetzt, die innerhalb der hierarchischen zu den agglomerativen Verfahren gehört und nach Bacher, Pöge und Wenzig (2011) besonders für kleine Stichproben geeignet ist. Der Algorithmus arbeitet wie folgt (Backhaus et al., 2016, S. 478–479, 484–488): 1. Zunächst bildet jedes Objekt seinen eigenen Cluster. 2. Sodann wird eine Distanzmatrix aller Cluster (hier: Objekte) berechnet. 3. Im dritten Schritt werden die beiden Cluster (Objekte) gesucht, deren Gruppenvarianz (Fehlerquadratsumme) sich durch ihre Vereinigung am wenigsten erhöhen würde. 4. Diese beiden Cluster (Objekte) werden zu einem neuen Cluster vereinigt. 5. Mit den neuen Clustern wird eine neue (reduzierte) Distanzmatrix berechnet. 6. Die Schritte drei bis fünf werden so oft wiederholt, bis nur noch ein Cluster übrig bleibt.

36

„x“ bezeichnet hier den Datensatz.

236

7 Ergebnisse der qualitativen Inhaltsanalyse

Tab. 7.9: Dokumentation des abgelaufenen Ward-Algorithmus der Clusteranalyse (Durchgang I)



 



 

-10 -14 -4 -13 -12 2 1 4 -3 7 10 9 12 13



2

-8 -7 -2 -6 -11 -9 -15 -5 -1 6 5 8 11 3



  

 

 

  

 

 

  

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14

Abb. 7.5: Dendrogramm der Clusteranalyse (Durchgang I)

 

Objekte / Klassen 1



Schritt

237

2.5 2.0 1.5 1.0 0.0

0.5

Fehlerquadratsumme

3.0

3.5

7.2 Führungsorientierung

2

4

6

8

10

12

14

Anzahl der Cluster

Abb. 7.6: Scree-Plot zur Festlegung der geeigneten Clusteranzahl (Durchgang I)

Die Realisierung in der vorliegenden Untersuchung erfolgte in R mit der Funktion ?+HmbiU/- K2i?Q/ 4 ]r`/X.]V37 . Die einzelnen Gruppierungsschritte können zur exemplarischen Illustration Tabelle 7.9 entnommen werden. Jede Zeile steht dabei für einen Durchgang im Ward-Algorithmus, in den Spalten finden sich die beiden Objekte bzw. Cluster, die im jeweiligen Schritt vereint wurden (dabei stehen negative Zahlen für Objekt, hier also Schulleiterinnen bzw. Schulleiter, und positive Zahlen für zuvor bereits gebildete Cluster). Im ersten Schritt wurden demnach die Interviews 8 und 10 miteinander vereint (RS-1-M und IGS-2-W), im zweiten Schritt die Interviews 7 und 14 (IGS-1-W und IGS-5-W-Gr) und so weiter. Die erste Vereinigung eines Interviews mit einem bereits bestehenden Cluster findet in Schritt sechs statt: Hier wird Interview 9 (GS-2-W) in Cluster 2 (IGS-1-W; IGS5-W-Gr) aufgenommen. Abbildung 7.5 zeigt das Ergebnis der Clusteranalyse als Dendrogramm. 37

„d“ bezeichnet die Distanzmatrix.

238

7 Ergebnisse der qualitativen Inhaltsanalyse

Zur Bestimmung der passenden Anzahl an zu bildenden Clustern (die im Dendrogramm mit durchgezogenen Linien markiert sind) wurde das sogenannte ElbowKriterium verwendet. Beim Elbow-Kriterium wird in einem Scree-Plot (Abbildung 7.6) die hypothetische Anzahl der Cluster gegen die aus der entsprechenden Clusterlösung resultierende Fehlerquadratsumme abgetragen, die optimale Anzahl an Clustern ist die, bei der das Plot einen Knick („Ellenbogen“) aufweist (Backhaus et al., 2016, S. 495–496). In der hier dargestellten Untersuchung ergibt sich keine eindeutige Lösung, am ehesten erscheint im Scree-Plot eine Lösung mit sechs oder acht Clustern passend. Diese Entscheidungen führten jedoch zu inhaltlich diffusen und nicht sinnvoll interpretierbaren Ergebnissen. Inhaltlich sinnvoll erschien eine Lösung mit fünf Clustern, wie in Abbildung 7.5 gezeigt. Diese widersprach jedoch dem Elbow-Kriterium. Bei genauerer Betrachtung der Einzelfälle zeigte sich, dass zwei sich kaum ähnelnde Interviews (RS-3-M und IGS-4-M), die, wie im Dendrogramm zu sehen, erst bei einer Lösung mit sieben Clustern voneinander getrennt wären, hinsichtlich ihrer Rahmenausprägung atypisch von den anderen Interviews abweichen und somit als Ausreißer / Einzelfälle behandelt werden sollten (Backhaus et al., 2016, S. 510). Die gesamte Clusteranalyse wurde daher ohne diese beiden Interviews noch einmal durchgeführt, die beiden Fälle werden nachfolgend als Gruppe „Einzelfälle“ geführt. In diesem zweiten Durchlauf deutet das Scree-Plot (Abbildung 7.7) deutlich auf eine Lösung mit vier oder sechs Clustern hin, die im Dendrogramm (Abbildung 7.8) hervorgehoben sind. Die Lösung mit vier Clustern ließ sich auch inhaltlich sinnvoll interpretieren, sodass sie als Ergebnis der Clusteranalyse akzeptiert wird. Indem die je einem Cluster zugeordneten Fälle mit ihren (ordinal dargestellten) Rahmenausprägungen gegenübergestellt wurden, konnte analysiert werden, welches Muster in den Rahmenausprägungen innerhalb eines jeden Clusters sichtbar wurde und wie sich dieses von den anderen Clustern abhebt. Bei der inhaltlichen Benennung zeigte sich schnell, dass diese Muster in ähnlicher Weise die Typen (Bonsen spricht von „Rahmungstypen“) abbilden, die – ohne Fokus auf schulische Inklusion – auch Bonsen (2003, S. 252) identifizieren konnte. Allerdings ergab sich in der hier durchgeführten Clusteranalyse im Gegensatz zu Bonsen eine Differenzierung beim Typus „Multiframing“: In der hier vorliegenden Arbeit wird ein Cluster als „Multiframing mit erhöhter personaler Aufmerksamkeit“ und einer als „Multiframing“ bezeichnet. Die Zuordnung der Fälle zu den Typen gemäß Clusteranalyse mit jeweiligen Rahmenausprägungen und Bezeichnung der Cluster

239

1.5 1.0 0.0

0.5

Fehlerquadratsumme

2.0

2.5

7.2 Führungsorientierung

2

4

6

8

10

12

14

Anzahl der Cluster

 





  

 

 

  

 



 



 

  

Abb. 7.7: Scree-Plot zur Festlegung der geeigneten Clusteranzahl (Durchgang II ohne RS-3-M und IGS-4-M)

Abb. 7.8: Dendrogramm der Clusteranalyse (Durchgang II ohne RS-3-M und IGS-4-M)

240

7 Ergebnisse der qualitativen Inhaltsanalyse

findet sich in Abbildung 7.9, unter Einbezug der beiden als atypische Einzelfälle aus der Clusteranalyse ausgeschlossenen Fälle. Einer dieser beiden Einzelfälle (IGS-4M) könnte nach den Bezeichnungen bei Bonsen als klassisch-symbolischer Typus bezeichnet werden. Nachfolgend werden die in der Clusteranalyse identifizierten Rahmungstypen inhaltlich skizziert. Konventionell-klassisch Schulleiterinnen und Schulleiter, deren Aufmerksamkeit fast ausschließlich auf dem Structural Frame und dem Human-Resource Frame liegen, bezeichnet Bonsen (2003, S. 253) als konventionell-klassischen Typus, da diese beiden Rahmen am ehesten den klassischen Feldern der Führungsstilforschung entsprächen. Dieser Typus konnte auch in der hier dargestellten Untersuchung als eigener Cluster identifiziert werden. Diesem Typus können die beiden Interviews IGS-3-M-Gr und IGS-6-M zugeordnet werden. Beide Interviews zeichnen sich dadurch aus, dass der Structural Frame eher in einer organisatorischen und verwaltungstechnischen Form genutzt wird und weniger zur Steuerung von Mitarbeitenden. Schulleiter IGS-3-M-Gr beschreibt im Zusammenhang mit dem Structural Frame beispielsweise gemeinsame Absprachen zur Anpassung von Organisationsstrukturen sowie den Charakter der Schule als lernender Organisation: „(...) dass wir ein Konzept zusammen absprechen, in welchem Rahmen wir die Organisationsstrukturen verändern für die einzelnen Klassen.“ (IGS-3-M-Gr: 19–19) „Ich würde mal sagen, wir verstehen uns natürlich auch als lernende Organisation. Wir müssen von unseren eigenen Dingen, die wir machen, lernen, die richtigen Schlussfolgerungen ziehen.“ (IGS-3-M-Gr: 24–24)

Dass sich das konventionell-klassische Führungsmuster im schulischen Kontext auch als Rolle eines primus inter pares beschreiben lässt, zeigt sich insbesondere an folgender Passage: „Also, wir sind / Es ist sowieso ein, ich sag mal ein Markenzeichen der IGS. Keiner bei uns in der Schulleitung ist in der Lage, alles alleine zu machen. Keiner! Das ist einfach nicht möglich. Dafür ist das Ding einfach zu komplex, zu umfangreich. Und deswegen muss man einfach klar sagen, es muss Bereiche geben, wo bestimmte Leute die Vorschläge machen, wir reden dann da drüber in der Gesamtheit, aber ihm reinreden werd’ ich im Leben nicht.“ (IGS-3-M-Gr: 33–33)

7.2 Führungsorientierung

241

 +4++

+0+

 +1+  +0+

+4+

 +1+

 +0+

#"  "  "  !  # !"  65

+1++

604

..  +2++

+5+

...  61

.

 +5+

+3+

#"   62

 ! ""'

 +3+

+2+

 +2+ +

 #! #* """! " ...6 )$"+!!!(, 61...6 )$"!!!" " "! # !"(, 61...6 %

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Abb. 7.9: Identifizierte Rahmungstypen mit zugeordneten Schulleiterinnen und Schulleitern sowie der entsprechenden Rahmenausprägungen

242

7 Ergebnisse der qualitativen Inhaltsanalyse

Ähnlich beschreibt es Schulleiter IGS-6-M, der aber deutlicher zeigt, dass er als Schulleiter dabei tatsächlich als primus inter pares an der Spitze der Entwicklungsprozesse steht bzw. für Steuerung und Impulse verantwortlich ist, wie die folgenden drei Textsegmente veranschaulichen: „Wobei wir auch durchaus solche Sachen initiieren. Ich bin jetzt gerade zum Beispiel aus der Steuergruppe gekommen. Wir arbeiten an Zielvereinbarungen, was wir die nächsten zwei Jahre machen wollen und das funktioniert dann eben so, dass man an der Spitze steht, was auch Sinn und Zweck eigentlich der Sache ist. Das sollte Schulleitung tun.“ (IGS-6-M: 2–2) „Und es werden im Grunde genommen Aufgaben von oben nach unten delegiert.“ (IGS-6-M: 9–9) „Also was so Entwicklungsprozesse angeht, läuft das eigentlich über die Schiene, dass man in einem Arbeitsgremium, muss nicht immer die Steuergruppe sein, die Bibliothek jetzt zum Beispiel macht eine andere Arbeitsgruppe, die das vorbereitet, wo ich auch informiert werde, wo ich Impulse gebe am Anfang, dann entsprechend informiert werde, korrigieren kann und dann das Ganze letztlich zur Abstimmung gebracht wird, wieder mit ein. Also so funktioniert es eigentlich.“ (IGS-6-M: 10–10)

Neben den strukturellen Aspekten, die sich hier als Management umschreiben lassen, sehen beide Schulleiter dieses Typus ihre Aufgabe darin die Lehrkräfte zu unterstützen und für gute Arbeitsbedingungen zu sorgen: „Trotzdem würde ich gerne auch zum Beispiel mehr in den Unterricht gehen, um Kollegen dann zu sehen und individueller zu unterstützen. // I: Ja.// Schüler sollen individuell gefördert werden und unterstützt werden und warum nicht auch die Lehrer? // I: Ja.// Und das ist einfach nicht zu leisten.“ (IGS-6-M: 2–2) „Was haben wir noch? Einen Ruheraum haben wir eingerichtet für Lehrkräfte. Die Arbeitsbedingungen versuchen wir zu verbessern, was Temperatur angeht, Licht, Lärm, ja. Also da waren wir schon aktiv. Optimal wird es sicherlich nicht werden. Das wäre dann, wenn wir alle nur 20 Stunden unterrichten müssten und Kinder wie aus dem Bilderbuch haben. Ja? Obwohl, Max und Moritz möchte ich auch nicht haben. Die sind aus dem Bilderbuch.“ (IGS-6-M: 16–16)

Gerade bei Schulleiter IGS-3-M-Gr lässt sich in Verbindung damit auch erkennen, dass dieser Typus zwar auf administrativer Ebene Leitung übernimmt, jedoch der Eigenverantwortung der Lehrkräfte eine hohe Bedeutung zumisst: „Wenn die irgendwelche Wünsche haben, irgendwelche Vorschläge und so weiter, dann hören wir uns das an und werden das dann auch, wenn es sinnvoll ist, und das entscheiden letztendlich nicht ich alleine, sondern das entscheiden wir zusammen, werden wir das auch umsetzen.“ (IGS-3-M-Gr: 30–30)

7.2 Führungsorientierung

243

Konventionell-klassisch mit erhöhter politischer Aufmerksamkeit Während sich bei den Schulleitern aus dem konventionell-klassischen Cluster gerade der Structural Frame eher in Form von Management äußert, kommt bei den beiden Schulleiterinnen aus dem Cluster „konventionell-klassisch mit erhöhter politischer Aufmerksamkeit“ eine stärkere Komponente von Führung im Sinne von Leadership ins Spiel. Schulleiterin RS-2-W-Gr drückt dieses Verständnis wie folgt aus: „Ja, und ich sehe Schulleitungshandeln so ein bisschen als Menschen führen, schon also nicht getragen werden, sondern Menschen führen.“ (RS-2-W-Gr: 3–3)

Hinsichtlich des Human-Resource Frame zeigt sich bei diesen Schulleiterinnen, dass die Darstellungen gegenüber den rein konventionell-klassischen Schulleitern detaillierter und differenzierter ausfallen, was Konzepte zur Personalrekrutierung, einarbeitung und -fortbildung sowie die Thematisierung der Rollenfindung in Teams angeht, wie das Beispiel von GS-3-W-Gr zeigt: „dann natürlich für das Einarbeiten von neuen Leuten. Gerade wenn die Fluktuation, die haben wir in letzter Zeit ziemlich häufig durch Schwangerschaften und so weiter, einfach da ist. Also man arbeitet dann immer an einem Konzept und dann hat man wieder neue Leute und dann muss man die ja wieder mit auf den Weg holen. Von daher ist das immer so, ja, man geht zwei Schritte vor und dann wieder einen zurück, um dann die nächsten Leute wieder mitzunehmen. Das ist so ein stetiges Kommen und Gehen.“ (GS-3-W-Gr: 6–6) „Unsere letzten drei PES-Kräfte haben wir persönlich angesprochen. Da haben wir einfach festgestellt, die haben sich im Praktikum sehr gut bewährt. (...) Also das kann dann schon auch mal ein Vorteil sein.“ (GS-3-W-Gr: 51–51) „Dann, denke ich, ist uns Teamarbeit unheimlich wichtig. Das heißt, diese Teamstrukturen, diese Rollenfindung, was ist man eine Rolle in der Klasse, was ist die Rolle des Förderlehrers im Team, was ist die Rolle des Grundschullehrers im Team, haben wir I-Helferinnen. Und wir haben hier sehr, sehr viele. Wir haben in jeder Klasse mindestens eine, in den meisten zwei. Das heißt, die müssen ihre Rolle ja auch finden.“ (GS-3-W-Gr: 6–6)

Die wesentliche Unterscheidung zum konventionell-klassischen Cluster findet sich jedoch in der erhöhten Ausprägung des Political Frame. Bonsen (2003, S. 258) fasst unter die hier aus seiner Arbeit übernommene Clusterbezeichnung eine Erweiterung des konventionell-klassischen Typus: „Bei den Schulleitungspersonen dieses Clusters wird die durchschnittliche oder hohe Aufmerksamkeit für den personalen und strukturellen Rahmen durch eine

244

7 Ergebnisse der qualitativen Inhaltsanalyse

erhöhte Aufmerksamkeit im politischen Rahmen erweitert. Unterdurchschnittlich ausgeprägt ist hingegen wiederum der symbolische Rahmen.“ (Bonsen, 2003, S. 258)

In der hier vorliegenden Untersuchung trifft dies unter Berücksichtigung der von Bonsen abweichenden Skalierung (vier statt drei Stufen) ebenfalls zu, wie aus Abbildung 7.9 zu entnehmen ist: Beide Schulleiterinnen dieses Clusters zeigen eine hohe Aufmerksamkeit auf dem Political Frame. Bei der Beschreibung ihrer Leitungstätigkeit betonen sie insbesondere typische Aspekte politischer Orientierung, beispielsweise das Antizipieren von Widerständen, strategisches Agenda-Setting oder die Bildung von Netzwerken. Multiframing mit erhöhter personaler Aufmerksamkeit Der Cluster „Multiframing mit erhöhter personaler Aufmerksamkeit“ erhält seinen Namen daher, dass bei keiner Schulleiterin und keinem Schulleiter in diesem Cluster ein Rahmen mit niedriger Ausprägung zu finden ist und lediglich zwei der sechs Schulleiterinnen und Schulleiter in zwei Rahmen eine tendenziell niedrige Aufmerksamkeit zeigen. Zudem ist bei allen Schulleiterinnen und Schulleitern, die diesem Cluster angehören, der Human-Resource Frame hoch ausgeprägt. In der qualitativen Rahmenausprägung zeigen sich im Wesentlichen keine Unterschiede zu den bisher dargestellten Clustern. Jedoch zeigt sich bei der Ausprägung des Symbolic Frame, dass hier die beiden Indikatoren „Diskussion der Identität, Kultur und Symbole einer Schule“ sowie „Thematisieren des nach außen vermittelten Bildes der Schule und Reflexion der unterschiedlichen Interpretations- und Sichtweisen schulischer Aktivitäten und Beschlüsse durch die Gemeinde und Außenstehende“ identifiziert werden konnten, was in den Clustern „Konventionell-klassisch“ und „Konventionell-klassisch mit erhöhter politischer Aufmerksamkeit“ nicht der Fall war. Diese beiden Aspekte werden im Cluster „Multiframing mit erhöhter personaler Aufmerksamkeit“ von drei Schulleiterinnen (IGS-1-W, GS-2-W und IGS-5-w-Gr) thematisiert. Multiframing Die Rahmenausprägungen in diesem Cluster sind gut vergleichbar mit den Rahmenausprägungen in dem von Bonsen (2003) herausgearbeiteten Cluster „Multiframing“, d. h., alle Rahmen werden mit mindestens tendenziell hoher Ausprägung berücksich-

7.2 Führungsorientierung

245

tigt. Lediglich von einer Schulleiterin (GS-1-W) wird der Symbolic Frame etwas schwächer thematisiert. Bonsen (2003) konstatiert in seiner Untersuchung, in der er die Ausprägung der Führungsrahmen mit der Schulqualität in Beziehung setzt, zu diesem Cluster: „(...) dass 4 der insgesamt 5 Schulen dieses Clusters zur Gruppe der guten Schulen gehören und die fünfte Schule wenigstens der mittleren Qualitätsgruppe angehört. Die Integration aller Rahmen durch die Schulleitung lässt sich hingegen an keiner der verbesserungsbedürftigen Schulen finden. Es deutet sich an dieser Stelle an, dass die von den Autoren des 4-Rahmen-Modells geforderte Beachtung aller Rahmen (‚Multiframing‘; vgl. #ϱϣϨΞϩ g /ζΞϣ SO4:) tatsächlich ein Merkmal der erfolgreichen Führung einer Organisation, beziehungsweise im vorliegenden Kontext erfolgreich arbeitender Schulen, zu sein scheint.“ (Bonsen, 2003, 266, Hervorheb. im Original)

In der hier dargestellten Interviewstudie zeigt sich jedoch trotz der durchgängig tendenziell hohen Rahmenausprägung, dass es mit Ausnahme des Political Frame in jedem Rahmen einen Aspekt gibt, der von keiner Schulleiterin und keinem Schulleiter dieses Clusters thematisiert wird: • „Implementation oder Reorganisation sowie Verdeutlichung gemeinsamer Verfahrensweisen und einer gemeinsamen Organisations- bzw. ‚Schulpolitik‘“ (Structural Frame) • „Rekrutierung und Training neuer Kollegiumsmitglieder (bzw. vorhandene Kollegiumsmitglieder gezielt für bestimmte Aufgaben auswählen und vorbereiten)“ (Human-Resource Frame) • „(Wieder-)Belebung schulspezifischer Zeremonien und Rituale; Instrumentalisierung des symbolischen Stellenwerts bestehender Praktiken, Rituale oder Einrichtungen, Gebäude, Gegenstände und Orte (beispielsweise die symbolische Bindung an ein altes oder traditionsreiches Schulgebäude)“ (Symbolic Frame) Zudem werden die folgenden Aspekte von jeweils lediglich einer Schulleiterin bzw. einem Schulleiter thematisiert: • „Diskussion und Klärung von Zielen, Rollen und Erwartungen innerhalb der Schule“ (Structural Frame; thematisiert in Interview GS-1-W) • „Personalentwicklung: Durchführen von Workshops (pädagogische Konferenzen und Tage); Gezielte Fortbildungen / Fortbildungskonzept“ (HumanResource Frame; thematisiert in Interview RS-6-M)

246

7 Ergebnisse der qualitativen Inhaltsanalyse

• „Konflikte und Spannungen zwischen verschiedenen Teilen des Kollegiums, Interessengruppen oder Organisationen wahrnehmen und zwischen den verschiedenen Parteien verhandeln und Lösungen aushandeln“ (Political Frame; thematisiert in Interview RS-6-M) • „Diskussion der Identität, Kultur und Symbole einer Schule“ (Symbolic Frame; thematisiert in Interview RS-6-M) • „Thematisieren des nach außen vermittelten Bildes der Schule und Reflexion der unterschiedlichen Interpretations- und Sichtweisen schulischer Aktivitäten und Beschlüsse durch die Gemeinde und Außenstehende“ (Symbolic Frame; thematisiert in Interview RS-6-M) Damit zeigt sich, dass zwar die quantitative Rahmenausprägung innerhalb des Clusters recht homogen ist, dass aber die Aufmerksamkeit auf die unterschiedlichen Aspekte des jeweiligen Rahmens innerhalb des Clusters durchaus disparat erfolgen kann. Beschreibung der beiden Einzelfälle Zuletzt wird hier noch kurz auf die beiden Schulleiter eingegangen, die keinem der vorherigen Cluster zugeordnet sind bzw. die als Gruppe von Einzelfällen bezeichnet werden können (eine solche Gruppe findet sich ebenfalls bei Bonsen, 2003, S. 252). Der Schulleiter aus Interview IGS-4-M würde bezüglich der Kombination seiner Rahmenausprägungen am ehesten dem Typus „klassisch-symbolisches Führungsverständnis“ bei Bonsen (2003, S. 276) entsprechen. Er zeigt eine tendenziell hohe Ausprägung des Structural Frame und eine hohe Ausprägung von HumanResource Frame und Symbolic Frame. Der Political Frame hingegen ist bei ihm gar nicht erkennbar. Zu dieser Kombination an Rahmenausprägungen schreibt Bonsen (2003): „Auch hier fällt auf, dass 3 der insgesamt 4 Schulleitungspersonen dieses Clusters an einer guten und nur ein Schulleiter an einer verbesserungsbedürftigen Schule tätig sind. In den klassischen Feldern der Führung (Mitarbeiterorientierung und strukturelle Führung) sind die Schulleiterinnen und Schulleiter der guten Schulen überdurchschnittlich, der Schulleiter der verbesserungsbedürftigen Schule hingegen lediglich durchschnittlich aufmerksam. Offenbar gelingt es den erfolgreichen Leitungen besser, die geringere Aufmerksamkeit für den politischen Rahmen durch eine starke Betonung der ‚klassischen‘ Füh-

7.2 Führungsorientierung

247

rungsbereiche in Kombination mit der symbolischen Führung auszugleichen.“ (Bonsen, 2003, S. 276)

Inwieweit diese Befunde auf den Schulleiter übertragbar sind, der in der hier dargestellten Untersuchung diese Kombination von Rahmenausprägungen zeigte, muss sich in den später dargestellten Analyseschritten zeigen. Was jedoch klar festgehalten werden kann, ist, dass dieser Schulleiter im Interview auch auf den Aspekt „(Wieder)Belebung schulspezifischer Zeremonien und Rituale; Instrumentalisierung des symbolischen Stellenwerts bestehender Praktiken, Rituale oder Einrichtungen, Gebäude, Gegenstände und Orte (beispielsweise die symbolische Bindung an ein altes oder traditionsreiches Schulgebäude)“ (Symbolic Frame) eingeht, der sich in keinem der übrigen Interviews identifizieren lässt. Gleichzeitig taucht der Aspekt der eigenen Vorbildfunktion in diesem Interview lediglich implizit auf: Mit dem Satz „Der Fisch stinkt vom Kopf, kann aber auch vom Kopf riechen.“ (IGS-4-M: 2–2) drückt der Schulleiter aus, dass eben nicht nur negative Entwicklungen auf die Leitung zurückzuführen sind („stinkt“), sondern dass auch ein gutes Klima stets von der Leitung ausgeht („riecht“ als positiver Begriff). Damit ist zwar ein impliziter Hinweis auf die Vorbildrolle der Schulleitung vorhanden, die Gesamtaussage, in deren Kontext dieser Satz ausgesprochen wurde, ist allerdings eher auf den Aspekt „Zielgerichtete Einflussnahme auf die Schulkultur“ bezogen. Der zweite Schulleiter, der diesem Restcluster zugeordnet wurde, weist sehr deutlich eine atypische Rahmenausprägung auf, die als singulär gesehen werden kann (RS-3M): Dieser Schulleiter thematisiert bezogen auf den Structural Frame lediglich einen einzelnen Aspekt („Diskussion und Klärung von Zielen, Rollen und Erwartungen innerhalb der Schule“), ebenso bezogen auf den Political Frame („Allianzen und Netzwerke mit zentralen Akteuren bilden“). Auch der Symbolic Frame ist in diesem Interview tendenziell niedrig ausgeprägt. Demgegenüber betont dieser Schulleiter Aspekte des Human-Resource Frame sehr stark mit einem besonderen Fokus auf Personalentwicklung (acht Textsegmente), Organisationsentwicklung unter dem Anspruch der Humanisierung (sieben Textsegmente) sowie Partizipation, Mitbestimmung und offener Kommunikation (fünf Textsegmente).

248

7 Ergebnisse der qualitativen Inhaltsanalyse

7.3 Sichtweisen auf Inklusion Bereits in den ersten Analyseschritten der qualitativen Inhaltsanalyse zeigte sich, dass die Rolle der Schulleiterinnen und Schulleiter an Schwerpunktschulen nicht losgelöst von deren eigenen Sichtweisen auf den Themenkomplex Inklusion analysiert werden kann. Relevant erscheint dabei zuerst die Frage nach der Definition schulischer Inklusion aus Sicht der Schulleiterinnen und Schulleiter und daran anknüpfend sodann deren bewertende Auseinandersetzung mit schulischer Inklusion. Hinsichtlich der Frage nach der Definition schulischer Inklusion ergab die Inhaltsanalyse, dass sich die unterschiedlichen geäußerten Sichtweisen der Schulleiterinnen und Schulleiter nahezu deckungsleich zu den Grundverständnissen verhalten, die Piezunka et al. (2017) in Experteninterviews herausarbeiten konnten. Lediglich das als pragmatisch bezeichnete Verständnis musste hinsichtlich der Sichtweisen der Schulleiterinnen und Schulleiter noch einmal ausdifferenziert werden (siehe im Detail Punkt 7.3.1). Zur Analyse wertender Sichtweisen auf schulische Inklusion erscheinen zunächst theoretische Modelle wie beispielsweise das Konzept der Einstellungen (Eagly & Chaiken, 1993) anschlussfähig, das bezogen auf schulische Inklusion gut erforscht ist (de Boer et al., 2011; Kuyini & Desai, 2007; Lübke et al., 2016; Scholz & Scheer, 2017; Schwab & Seifert, 2014). Auch zu inklusionsbezogenen Einstellungen von Schulleiterinnen und Schulleitern liegen bereits Befunde vor, wie die Darstellungen unter Punkt 3.2.3.2 zeigen. Auch sonderpädagogische Beliefs (Kuhl, Moser, Schäfer & Redlich, 2013; Moser, Kuhl, Redlich & Schäfer, 2014; Veber, 2016) im Zusammenhang mit schulischer Inklusion scheinen in diesem Zusammenhang relevant zu sein. Das vorliegende Interviewmaterial zeigte jedoch, dass sich zwar aus den meisten Interviews heraus ableiten lässt, ob die Interviewpartnerin bzw. der Interviewpartner eine eher optimistische oder eine eher skeptische Sichtweise vertritt, allerdings könnte dabei keine valide Abstufung im Sinne einer quantitativen Ausprägung dieser Grundhaltung erfolgen. Zugleich würde eine solche eindimensionale Polarisierung der Vielschichtigkeit des Interviewmaterials nicht gerecht werden, weshalb es hier einer Heuristik bedarf, die die Komplexität des Aspekts „Eigene Auseinandersetzung mit schulischer Inklusion“ abzubilden in der Lage ist. Eine solche findet sich in der von Laubenstein, Lindmeier, Guthöhrlein und Scheer (2015, S. 301–303) erarbeiteten Typologie („Idealisten“, „Realisten“, „Handwerker“, „Skeptiker“; siehe im Detail Punkt 7.3.2).

7.3 Sichtweisen auf Inklusion

249

Tab. 7.10: Kategorien und Unterkategorien der Hauptkategorie „Sichtweise auf Inklusion“ mit Anzahl der kodierten Textsegmente (in Klammern Anzahl der Interviews, aus denen die Textsegmente stammen) Kategorie Definition schulischer Inklusion 1: UN-Behindertenrechtskonvention 2: Pragmatisches Verständnis (Leistungsentwicklung bezogen auf Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf) 3: Pragmatisches Verständnis (Leistungsentwicklung bezogen auf verschiedene Dimensionen von Heterogenität und Diversität) 4: Teilhabe / Anerkennung / Wohlfühlen 5: Inklusion als Utopie Eigene Auseinandersetzung mit schulischer Inklusion 1: Idealisten 2: Realisten 3: Handwerker 4: Skeptiker Nicht klar zuzuordnen (Positive Tendenz)

Anzahl 11 4

(3) (1)

22

(5)

15 0

(4) (0)

30 22 9 6 2

(7) (3) (2) (1) (1)

Tabelle 7.10 gibt die Anzahl der kodierten Textsegmente zu diesem Thema wieder. Da in beiden Kategorien jeweils fallweise alle einer der beiden Kategorien zugeordneten Textsegmente gesammelt einer Unterkategorie zugeordnet wurden, gibt die Anzahl in Klammern zugleich die Häufigkeit der jeweiligen Definition bzw. des jeweiligen Typus innerhalb der untersuchten Stichprobe wieder. In den Interviews (IGS-2-W, IGS-4-M) konnten keine Segmente zum Aspekt „Definition schulischer Inklusion“ identifiziert werden, in einem Interview (IGS-5-W-Gr) keine Segmente zur eigenen Auseinandersetzung mit schulischer Inklusion. In einem Interview (RS1-M) wurde die eigene Auseinandersetzung mit Inklusion zwar festgestellt, ließ sich aber nicht einem der vier Typen zuordnen. 7.3.1 Definition schulischer Inklusion Wie in Abschnitt 1.1 (S. 3) verdeutlicht wurde, lässt sich keine verbindliche Definition davon festlegen, was schulische Inklusion ist. In Rheinland-Pfalz besteht für den inklusiven Unterricht eine Legaldefinition im Schulgesetz: „Der gemeinsame und individuell fördernde Unterricht von Schülerinnen und Schülern mit und ohne Behinderungen (inklusiver Unterricht) ist eine allgemeinpädagogische Aufgabe aller Schulen. Diesen erweiterten pädagogischen Auftrag übernehmen zunehmend mehr Schulen. Diese Aufgabe wird vorrangig von Schulen wahrgenommen, die auf Dauer mit der Durchführung von inklu-

250

7 Ergebnisse der qualitativen Inhaltsanalyse

sivem Unterricht beauftragt sind und diesen möglichst wohnortnah anbieten (Schwerpunktschulen); sie erhalten Unterstützung durch Förderschullehrkräfte und pädagogische Fachkräfte.“ (§ 14a Abs. 1 SchulG)

Dem Charakter gesamtgesellschaftlicher politischer Konsensfindung geschuldet ist diese allerdings sehr offengehalten. Außerdem zeigt das Konzept der Rekontextualisierung (siehe Abschnitt 1.2.2, S. 11), dass eine solche von der Legislative formulierte Definition nicht eins zu eins von den verschiedenen Ebenen der Exekutive (Ministerium → Schulaufsicht → Schulleitung → Schulkollegium) übernommen wird. Vielmehr wird diese Ausgangsdefinition auf jeder Systemebene auf Basis eigener Erfahrungen, Wertvorstellungen und Handlungsspielräume neu interpretiert – so, wie die auf Landesebene legislativ formulierte Definition selbst ja auch wieder eine Rekontextualisierung darstellt, die sich aus unterschiedlichen Quellen speist. Um zu verstehen, wie die Umsetzung schulischer Inklusion an einzelnen Schulen gestaltet wird, muss also der Rekontextualisierung auf Schulleitungsebene eine entsprechende Bedeutung beigemessen werden. Ein Anteil davon ist die von der Schulleitung implizit oder explizit vertretene Definition von Inklusion. Mehrere Versuche, aus den hier analysierten Interviews unterschiedliche Definitionsdimensionen herauszukristallisieren und deren Ausprägungen zu definieren, führten jeweils dazu, dass die Zergliederung so kleinteilig wurde, dass eine Rekonstruktion klarer Muster und Strukturen nicht mehr möglich war. Daraufhin wurden nochmals alle Textsegmente, die der Kategorie „Definition schulischer Inklusion“ zugeordnet waren, pro Interview in einem Code-Retrieval38 zusammengestellt und diese Retrievals auf jeweils wiederkehrende Muster untersucht. Dabei zeigte sich schnell eine Parallele zu den Ergebnissen einer bereits vorliegenden Untersuchung: In Experteninterviews mit Inklusionsforschenden konnten Piezunka et al. (2017) vier Definitionen schulischer Inklusion identifizieren. Diese vier Definitionen ließen sich weitestgehend deckungsgleich auf die in der hier dargestellten Untersuchung entstandenen Code-Retrievals anwenden. Lediglich eine Definition („Pragmatisches Verständnis“) musste für diesen Zweck noch einmal ausdifferenziert werden. Somit ergaben sich die nachfolgend dargestellten Definitionen als Unterkategorien. Es wurden jeweils alle der übergeordneten Kategorie zugehörigen Textsegmente 38

In der verwendeten Auswertungs- und Analysesoftware MAXQDA wird unter einem Code-Retrieval die Zusammenstellung aller mit einer bestimmten Kategorie kodierten Textsegmente verstanden. Dieses Retrieval kann in der Software nach unterschiedlichen Kriterien zusammengestellt werden. In dem hier vorliegenden Fall wurden die Code-Retrievals jeweils für jedes einzelne Interview erstellt.

7.3 Sichtweisen auf Inklusion

251

eines Interviews als Gesamtheit der Kategorie zugeordnet, die diese Gesamtheit an Textsegmenten am besten zusammenfasst. 7.3.1.1 UN-Behindertenrechtskonvention Piezunka et al. (2017) fassen diese Definition wie folgt zusammen: „Im ersten Verständnis (‚UN-Behindertenrechtskonvention‘) wird Nicht-Diskriminierung als relevantes Ziel von Inklusion formuliert und dabei insbesondere für die Zielgruppe der Menschen mit amtlich festgestellten Behinderungen eingefordert. Dabei fehlt es in den Interviews jedoch an näheren Angaben, was mit Nicht-Diskriminierung gemeint ist.“ (Piezunka et al., 2017, S. 216)

Gemäß dieser Definition stellt sich auch nicht die Frage der Realisierbarkeit, dass Inklusion als Gesetzanspruch gesehen wird (Piezunka et al., 2017, S. 217). Wie sich diese Definition in der hier vorliegenden Untersuchung konkret ausdrückt, soll an zwei Fallbeispielen gezeigt werden. Fallbeispiel 1: Schulleiter einer Realschule plus Dass der Fokus schulischer Inklusion für den Schulleiter dieser Realschule plus (RS-1-M) auf Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf bzw. Behinderung liegt, zeigt sich daran, dass sich die erste auf Inklusion bezogene Aussage, die er auch explizit als Start in das Themengebiet wählt, auf die Kooperation mit der Landesschule für Gehörlose verweist. Im Folgenden verbindet er dann diese mit dem Konzept Schwerpunktschule: „Und wenn wir auf die Inklusion blicken, haben wir sehr früh angefangen, eine Kooperation mit der Landesschule für Gehörlose und Schwerhörige einzugehen.“ (RS-1-M: 2–2) „Darüber hinaus hat man uns irgendwann zur Schwerpunktschule gemacht und wir haben dann eben auch Schwerpunktschüler bekommen.“ (RS-1-M: 2–2) „Was die gehörlosen Schüler anbelangt, das ist ja auch im Zuge der Inklusion, das gehört ja schon dazu (...)“ (RS-1-M: 7–7)

Gerade das letzte Zitat deutet an, dass seiner Auffassung nach Inklusion mit Schwerpunktschule gleichgesetzt werden könnte. Dieser Gefahr scheint er vorbeugen zu wollen, indem er hervorhebt, dass die Arbeit mit gehörlosen Schülerinnen und Schülern, die er von den „Schwerpunktschülern“ abgrenzt, ja auch zur Inklusion dazugehöre. In späteren Textsegmenten verwendet er dann für Schülerinnen und

252

7 Ergebnisse der qualitativen Inhaltsanalyse

Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf den Begriff der „Inklusionsschüler“: „Da sind wir auch wahrscheinlich weitaus besser informiert und aufgestellt als mit den Inklusionskindern Förderschwerpunkt L.“ (RS-1-M: 7–7) „Und in der Jahrgangsstufe, die ich betreue, neun und zehn, sind noch keine Inklusionskinder angekommen.“ (RS-1-M: 9–9)

Von anderen Heterogenitätsdimension abgrenzend konstatiert er: „Deswegen kann ich jetzt nur schwer differenzieren, ob das am Inklusionsgedanken liegt oder einfach an der Feststellung: Wir haben sowieso grundsätzlich andere Kinder.“ (RS-1-M: 15–15)

Das Ziel von Inklusion sieht dieser Schulleiter im Abbau zweier Schonräume: nämlich dem für die Schülerinnen und Schüler mit Behinderung und dem der anderen Schülerinnen und Schüler: „Kinder mit Behinderungen und Kinder ohne Behinderungen zusammen zu unterrichten, damit die Kinder mit Behinderung nicht in einem Schonraum leben und die ohne logischerweise auch in gewisser Weise. Und irgendwann im Leben trifft man aufeinander und nimmt den anderen dann um ein Vielfaches, ja, wie soll ich sagen, außergewöhnlicher wahr, als es vielleicht ist. Wenn man zusammen zur Schule geht und zusammen aufwächst, dann hat das eine höhere Selbstverständlichkeit, dass es einfach Menschen gibt, die ein Handicap haben.“ (RS-1-M: 13–13)

Fallbeispiel 2: Schulleiter einer integrierten Gesamtschule Auch dieser Schulleiter bezieht das Thema Inklusion augenscheinlich auf Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf. Dabei wird dieser Bezug eher implizit deutlich: „Hätten wir mit zwei Förderkindern angefangen im ersten Jahrgang, hätte man das relativ vernünftig handlen können, aber so, unser erstes Team, unser erster Jahrgang, der hat schon echt gestöhnt unter dieser Last nur mit einer Förderlehrerin dann dabei.“ (IGS-6-M: 23–23)

Sowohl Ziel als auch Legitimation schulischer Inklusion verlagert er auf das Postulat des Abbaus von Diskriminierung, das er auf politischer Ebene verortet – und damit außerhalb seines Einflussbereichs:

7.3 Sichtweisen auf Inklusion

253

„Die Tendenz geht ja da hin, dass die Förderschulen, ich weiß nicht, politisch zwar noch nicht in (Name) ganz abgeschafft werden. Aber die EU will ja, es ist ja, wie auch immer, wegen Diskriminierung und so am besten ganz abschaffen. Und da würde das Kollegium nie unterschreiben. Weil für manche Kinder ist es auch, und das vertrete ich auch, aus meiner Sicht besser, sie in einem Schutzraum zu beschulen. Ja. Einfach weil die mit der Vielzahl von Eindrücken, die um sie herum sind, von Pflichten, die sie erfüllen müssen, einfach überfordert sind.“ (IGS-6-M: 30–30)

7.3.1.2 Pragmatisches Verständnis I (Leistungsentwicklung bezogen auf Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf) In ihrer Untersuchung arbeiten Piezunka et al. (2017) ein Verständnis von Inklusion heraus, das sie als pragmatisches Verständnis hinsichtlich der Leistungsentwicklung aller Schülerinnen und Schüler beschreiben: „Das Überwinden von Diskriminierung besteht im zweiten Verständnis (‚pragmatisches Verständnis im Sinne von Leistungsentwicklung‘) darin, dass die bestmögliche Lernförderung die akademischen Lernresultate und somit Teilhabechancen maximiert. Relevante Differenzlinien sind daher diejenigen, die im Zusammenhang mit Lernprozessen stehen.“ (Piezunka et al., 2017, S. 216)

In den Interviews mit den Schulleiterinnen und Schulleitern zeigte sich hier jedoch eine weitere Unterteilung in zwei Unterkategorien. Die erste wird repräsentiert durch einen Schulleiter, der trotz der Definition über möglichst effektive Förderung an der Differenzlinie Behinderung bzw. sonderpädagogischer Förderbedarf festhält (Pragmatisches Verständnis I) und die zweite durch mehrere Schulleiterinnen und Schulleiter, die weitere Differenzlinien mit im Blick haben oder Heterogenität und Diversität insgesamt als Bezugspunkt nutzen. Der Schulleiter, der Inklusion über die möglichst effektive Förderung von Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf definiert (IGS-3-M-Gr), formuliert als Zielerwartung das Heranführen an den Schulabschluss: „Ja, wenn man nicht mehr von uns erwartet, dass wir jetzt plötzlich aus den Kindern hier potenzielle Gymnasiasten machen sollen, wenn man das nicht von uns erwartet, sondern guckt, dass die einen guten Weg hier an der Schule gehen, dass die zum Abschluss kommen und so weiter. Dann muss ich sagen, das können wir handlen. Aber ich persönlich möchte mich dagegen wehren, Inklusion als solche als die große pädagogische Errungenschaft des laufenden Jahrtausends zu bezeichnen. Das halte ich für völlig daneben.“ (IGS-3-M-Gr: 77–77)

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7 Ergebnisse der qualitativen Inhaltsanalyse

Auch bei diesem Schulleiter wird der Bezug zur Differenzlinie durch die Begriffswahl „Inklusionsschüler“ deutlich: „drei Inklusionsschüler und das war für den Herrn dann auch noch ganz gut machbar. Die waren auf zwei Klassen verteilt, sodass er doch sehr gut diese Kinder fördern konnte.“ (IGS-3-M-Gr: 4–4)

Dabei grenzt auch er, genau wie der Schulleiter im ersten Fallbeispiel zur Definition auf Basis der UN-Behindertenrechtskonvention, die Gruppe der „Förderschüler“ von anderen Beeinträchtigungen und Lernschwierigkeiten ab: „Wir haben zwei Tourette-Schüler, die aber auch nicht als Förderschüler gelten, die aber auch besonderer Behandlung bedürfen. Dann unsere Legastheniker, die wir haben. Auch da muss man speziell mit denen wieder gucken, aber die zählen auch nicht als Förderschüler, aber trotzdem findet da auch eine Förderung statt.“ (IGS-3-M-Gr: 58–58)

Das Eingangszitat definiert als Ziel die erfolgreiche Förderung im Sinne des Erreichens eines Schulabschlusses. Dennoch ergibt sich eine Schnittmenge mit der vorherigen Definition von Inklusion, da auch dieser Schulleiter Bezug auf die UNBehindertenrechtskonvention nimmt: „Und wir in Deutschland sind da besonders obrigkeitshörig, was diese Dinge / Irgendeiner sagt dann UNO und wir: Oohh, wir müssen machen und zwar möglichst schnell. So.“ (IGS-3-M-Gr: 67–67)

7.3.1.3 Pragmatisches Verständnis II (Leistungsentwicklung bezogen auf verschiedene Dimensionen von Heterogenität und Diversität) Abgegrenzt von dieser Sichtweise ist das pragmatische Verständnis bezogen auf die Leistungsentwicklung aller Schülerinnen und Schüler (Pragmatisches Verständnis II) zu sehen. Hier steht nicht mehr die Differenzlinie Behinderung im Fokus, sondern es wird auf die unterschiedlichen Bedürfnisse aller Kinder und Jugendlichen abgezielt. Bei den Schulleiterinnen der Grundschulen GS-1-W und GS-2-W wird diese Sichtweise besonders deutlich und gerade von Schulleiterin GS-1-W noch einmal auf die Spezifika der Grundschule bezogen: „Wenn es passt (...), dann ist es egal, ob es zwei oder drei oder vier sind, ja, wenn die Kinder passen, dann kann man auch mehr nehmen als zwei. Gerade im Grundschulbereich. Weil ich denke, im Grundschulbereich geht Integration

7.3 Sichtweisen auf Inklusion

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ein Stück einfacher als in der weiterführenden Schule. Die können in ganz vielen Bereichen mit dem Klassenverband zusammenarbeiten. Sport, Kunst oder solche Sachen. Oder Musik oder so. Und in den anderen Bereichen müssen wir als Grundschule sowieso differenzieren. Mit jedem Schüler im Prinzip. Und dann ist das halt nochmal eine Differenzierung noch mal einen Schritt weiter zur Seite zu differenzieren. Nicht nach unten, sondern zur Seite zu differenzieren.“ (GS-1-W: 16–16) „Es ist so völlig normal, dass die so völlig verschieden arbeiten, dass da kein Mensch mehr drüber spricht. Weder die Kinder noch die Lehrer. Für die Kinder ist auch nicht klar, wenn wir die fragen würden: ‚Wer in der Klasse ist denn jetzt das Integrationskind?‘ Die werden ihnen die nicht nennen können. Und genauso sollte das sein. Ja, das ist eben völlig normal. Dass unsere Down-Kinder, die hier zwischen laufen, auf den ersten Blick immer deutlich zu erkennen sind. Aber auch das nehmen die Kinder nicht mehr wahr. Die erkennt man auf den ersten Blick. Wenn ich aber frage: ‚Wer ist denn anders als Andere bei euch in der Klasse?‘, dann nennen die den einen, der vom Stuhl fällt, 30.000 mal am Tag oder den anderen, der ein bisschen freche Antworten geben kann schon mal, aber die würden, die nennen einem nicht das Down-Kind, das so anders ist als die anderen, weil das eben normal ist, dass man anders ist als andere. Das ist das, was ich denke. Das ist das auch, was ich mit Leben meine. Lebt es einfach. Das ist einfach völlig normal, dass jeder anders ist.“ (GS-1-W: 28–28) „Was heißt gemeinsamen Unterricht? Ich bin von meiner Einstellung so, dass ich das gar nicht in der Form nutze, diesen Begriff, sondern dass ich eigentlich auf die Ebene gehe, dass ich sage, unser Unterricht muss individualisiert werden. Also, dass ich gar nicht das ist Schwerpunktschule und Inklusion, sondern wir machen individualisierten Unterricht und da, das impliziert auch mit Grenzen natürlich. Aber dass wir gucken, wo jedes Kind steht und wie kann ich es mitnehmen.“ (GS-2-W: 29–29)

Für die Schulen der Sekundarstufe wird diese Sichtweise auf Inklusion vor allem in den folgenden Passagen aus dem Interview mit der Leiterin einer integrierten Gesamtschule deutlich. Zwar wird die Gruppe der Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf noch als eine eigene Gruppe thematisiert, der Fokus wird jedoch deutlich erweitert: „Mit Vielfalt wird umgegangen vor einer positiven Grundannahme aus. Dann läuft nicht immer alles positiv. Konflikte gibt es überall, aber das trifft jetzt nicht nur den Bereich Inklusion. Es gibt ja auch Schüler, die keine Schwerpunktschüler sind und trotzdem Probleme haben. Da müssen wir uns auch mit auseinandersetzen. Und es gibt auch die ganz begabten. Mit denen müssen wir uns auch auseinandersetzen. Für die müssen wir auch was tun. Und darüber gibt es keine Diskussion. Das ist klar. Das ist Programm. Das war von Anfang an

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7 Ergebnisse der qualitativen Inhaltsanalyse

so festgelegt. Es ist natürlich schön, wenn eine Schule als Schwerpunktschule startet. Darüber gibt es keine Diskussionen mehr.“ (IGS-5-W-Gr: 72–72) „Ich denke, das hängt auch davon ab, wie man Normalität definiert. Und wir leben hier schon ganz bewusst eine erweiterte Normalität, die wirklich jedem zugesteht anders zu sein. So, das ist so konzeptionell, steht das nicht nur irgendwo in einem Papier, sondern wir versuchen das auch im Alltag wirklich zu kommunizieren und so miteinander umzugehen. Dass das natürlich in bestimmten Bereichen einen gewissen Planungsaufwand erfordert, dass man sich mit Förderlehrern absprechen muss oder dass man Inhalte anders runterbrechen muss, als das der Lehrer in seiner Ausbildung gelernt hat, das, auch das ist normal hier.“ (IGS-5-W-Gr: 75–75)

In Bezug auf die Gruppe der Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf wird einerseits der Bedarf an Kompetenz der sonderpädagogischen Lehrkräfte formuliert: „Für Schüler mit Ganzheitlichem Förderbedarf muss man natürlich mehr Knowhow der Förderlehrer einfordern, als für Schüler mit Förderbedarf Lernen.“ (IGS-5-W-Gr: 73–73)

Andererseits fordert diese Schulleiterin von allen Lehrkräften ein, ihren Stoff adaptiv für alle Schülerinnen und Schüler begreifbar machen zu können: „Wenn ich mein Fach beherrsche und ich bin methodisch auf dem Stand wie man heute sein sollte, dann kann ich jeden Unterrichtsgegenstand für jeden Schüler begreifbar machen. Das ist mein Handwerk. Dass ich manchmal sage: Es ist mir ein bisschen viel, jetzt vier oder fünf Ebenen zu bedienen. Und da muss ich auch mal Sparflamme fahren. Das ist eine ganz andere Kiste. Also nicht jeder Lehrer kann für jede Stunde drei, vier, fünf Ebenen vorbereiten. Das funktioniert einfach im Alltag nicht. Aber das wissen wir alle. Da gehen wir mit um, geben uns Mühe, tun das Beste und (Abbruch)“ (IGS-5-W-Gr: 74–74)

Diese Forderung ist konsistent zu der Präferenz dieser Schulleiterin für Maßnahmen der Binnendifferenzierung anstelle von Außendifferenzierung: „Wobei, ich habe eine Kröte geschluckt mit der Differenzierung. Meine Art der Differenzierung ist die Binnendifferenzierung.“ (IGS-5-W-Gr: 89– 89)

7.3.1.4 Teilhabe / Anerkennung / Wohlfühlen Zu diesem Verständnis von Inklusion heißt es:

7.3 Sichtweisen auf Inklusion

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„Das dritte Verständnis (‚Teilhabe / Anerkennung / Wohlfühlen‘) stellt insofern eine Erweiterung zur (sic!) zweiten dar, als nun explizit alle Schülerinnen und Schüler in ihrer Individualität in den Blick genommen werden und neben dem akademischen Kompetenzerwerb noch weitere schulische Ziele, z. B. soziale Integration und Anerkennung, formuliert werden. Demnach geht es in Bezug auf Diskriminierung nicht nur darum, dass alle Lernenden sich in Bezug auf Kompetenzen bestmöglich entwickeln, sondern dass sie an allen Tätigkeiten teilhaben können und dabei als selbstverständlicher Teil der Gesellschaft anerkannt werden.“ (Piezunka et al., 2017, S. 216–217)

Dieses Verständnis schulischer Inklusion wird von der Leiterin einer integrierten Gesamtschule pointiert zusammengefasst: „Die Verzahnung Sek I / Sek II, aber auch der Blick auf die Inklusion. Also die Weiterentwicklung der Integration an dieser Schule.“ (IGS-1-W: 10–10) „Weil ich das als Weiterentwicklung des demokratischen Gedankens sehe, ja, Teilhabe aller Menschen eben am gesellschaftlichen Leben.“ (IGS-1-W: 18–18)

Die Leiterin einer Realschule plus bringt dieses in Verbindung mit ihrer Auffassung von der Individualität jedes einzelnen Menschen: „Ich sage jetzt mal, ich habe noch vorher mit dem Kollegen gesprochen über Migrationskinder. Die sind auch anders. Verschiedene Intelligenzen, die wir messen können irgendwo oder nicht messen können. Also das alles ist so breit und bunt. Und das bedeutet für mich, wir müssen uns alle auf den Weg machen zu inklusiven Schulen.“ (RS-2-W-Gr: 39–39) „Aber sagen wir mal so, das ist es, dieses Individuelle. Das muss mehr rauskommen. Ja.“ (RS-2-W-Gr: 42–42)

Dass ein solches Verständnis von individueller gesellschaftlicher Teilhabe nicht den Bezug zu einzelnen Differenzlinien wie Behinderung ausschließt, zeigt sich bei der Leiterin einer Grundschule: „Oder Kinder, die man davon abhalten muss, in den Rollstuhlgruppen zu schieben, vor lauter Begeisterung, dass sie da helfen, was machen können, wo dann das Rollstuhlkind sagt: Bitte aufhören. Das reicht. Also das ist dieser, dieser Umgang, dieser Kontakt miteinander, der kommt ja sonst gar nicht zustande. Die sind ja weg, normal. Die werden hin transportiert an ihre Schule und die Regelkinder kommen ja gar nicht in Kontakt mit denen. Und hier haben sie so richtig, sind sie eingebunden. Und das ist auch ganz klasse.“ (GS-3-W-Gr: 54–54)

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7 Ergebnisse der qualitativen Inhaltsanalyse

„Und da sehe ich einfach auch diesen Beginn der gesellschaftlichen Veränderung. Ich denke, wenn wir eine inklusive Gesellschaft wollen, müssen wir bei den Kindern anfangen. Und da muss es für die Kinder selbstverständlich sein, wie man miteinander umgeht. Und das können wir eigentlich nur hier anfangen. Und wir haben ja hier auch einen integrativen Kindergarten. Die Kinder kommen in der Regel auch alle dann zu uns. Und ich denke, das ist wirklich aufbauende Arbeit. Und nur dann kann es auch weitergehen.“ (GS-3-W-Gr: 55–55)

7.3.1.5 Inklusion als Utopie Eine vollständige Überwindung von Differenzkategorien wird erst in einem weiteren Inklusionsverständnis deutlich artikuliert bzw. gefordert: „Das vierte Verständnis stellt erneut eine Erweiterung dar, indem Diskriminierung insofern überwunden wurde, als dass diskriminierende Zuschreibungen, die auf sozial konstruierten Differenzlinien basieren, nicht existent sind. Zielgruppe sind nun alle Menschen. Eine weitere Beschreibung dieser Zielgruppe ist aufgrund des Verzichts auf Kategorisierungen unmöglich und in diesem Verständnis auch unerwünscht.“ (Piezunka et al., 2017, S. 217)

Dieses Inklusionsverständnis konnte anhand des Interviewmaterials keiner bzw. keinem der befragten Schulleiterinnen und Schulleiter zugeordnet werden. 7.3.2 Eigene Auseinandersetzung mit schulischer Inklusion Die individuelle Auseinandersetzung der Schulleitungen in den Interviews mit dem Phänomen schulischer Inklusion zeigt sich als sehr differenziert und zum Teil auch als sehr elaboriert. Dabei lassen sich die vorgenommenen Wertungen in vielen Fällen weder einer ideell überhöhten Bewertung aktueller Möglichkeiten noch einer grundsätzlichen Ablehnung des Grundgedankens identifizieren. Das analytisch größte Problem bei der Explikation dieses Themas stellte neben der Vielfalt an zur Sprache gebrachten Facetten vor allem der Umstand dar, dass dieses Thema in den Interviews nicht grundsätzlich angelegt, sondern eher implizit enthalten war. Manche Schulleitungen haben ihre Sichtweise auf Inklusion sehr explizit ausgeführt, während dies bei anderen eher en passant in anderen Aussagen enthalten war. In einer ähnlichen Ausgangslage – hier ging es in Gruppendiskussionen mit Lehrkräften um die Erfahrungen mit inklusivem Unterricht an Schwerpunktschulen – konnten Laubenstein, Lindmeier, Guthöhrlein und Scheer (2015, S. 301–303) mittels dokumentarischer Methode eine Typologie von Schulen herausarbeiten, in der eine

7.3 Sichtweisen auf Inklusion

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solche Ausdifferenzierung der Sichtweisen und Grundhaltungen Raum findet. Zwar bezieht sich diese Typologie auf ganze Schulen, deren jeweilige Grundhaltung sich in den Gruppendiskussionen der Lehrkräften widerspiegelte, sodass es sich nicht um direkt auf die Sichtweise einzelner Schulletungsmitglieder ausgelegte Kategorien handelt. Die Grundhaltung der Schulleitung aber, so legen die in Kapitel 2 und 3 vorgestellten Untersuchungen und Modelle nahe, wirkt sich über die Lehrkräfte auf das Schulklima und die an der Schule gelebten Grundhaltungen aus. Damit ist anzunehmen, dass sich für die Analyse der Sichtweisen von Schulleiterinnen und Schulleitern auf Inklusion zumindest die gleiche Heuristik anlegen lässt wie für Lehrkräfte bzw. Schulen als Ganzes, auch wenn sich Einzelsichtweisen natürlich im Detail unterscheiden können. Daher wurde diese Typologie hier als Analyserahmen genutzt und erwies sich als praktikabel. Nachfolgend werden die einzelnen Typen als Unterkategorien / Ausprägungen der Kategorie „Eigene Auseinandersetzung mit schulischer Inklusion“ beschrieben und jeweils an ein bis zwei Fallbeispielen verdeutlicht. 7.3.2.1 Idealisten Folgende Beschreibung liegt dem Typus des Idealisten zugrunde: „Die Idealisten weisen eine Haltung auf, die sich durch eine umfassende Wertschätzung und Akzeptanz aller Schülerinnen und Schüler und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auszeichnet. Bei ihnen entsteht die Rollenverteilung im Team durch die Verantwortung für die eigenen individuellen Kompetenzen, nicht durch Delegation von Aufgaben an bestimmte vordefinierte Rollenträgerinnen oder Rollenträger. Das Ziel der Idealisten besteht darin, den Lern- und Lebensraum ‚Schule‘ in einem Entwicklungsprozess voranzubringen und stets zu verbessern, wobei sich trotz intensiver Herausforderungen eine hohe Arbeitszufriedenheit abzeichnet. Das bedeutet jedoch nicht, dass die Idealisten derzeit die Schwerpunktschule als Lernort für jede Schülerin / jeden Schüler sehen: Die Ausnahmen werden jedoch nicht mit einem Pessimismus gegenüber Inklusion begründet, sondern mit der Kollision individueller Bedürfnisse von Schülerinnen und Schülern mit den aktuellen Gegebenheiten an Schwerpunktschulen. Idealisten möchten auch in Zukunft gerne an der Schwerpunktschule arbeiten.“ (Laubenstein, Lindmeier, Guthöhrlein & Scheer, 2015, 302–303, Hervorheb. im Original)

Beispiele für Schulleiterinnen und Schulleiter, die der Kategorie der Idealisten zugeordnet wurden, finden sich in allen Schulformen. Dennoch wurden für die beiden Fallbeispiele Leiterinnen von Grundschulen ausgewählt, da sich an diesen

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7 Ergebnisse der qualitativen Inhaltsanalyse

beiden Beispielen bestimmte typische Aspekte sehr plastisch veranschaulichen lassen. In den fünf den Idealisten zugeordneten Interviews vertreten jeweils zwei Schulleiterinnen und Schulleiter das Inklusionsverständnis „Teilhabe / Anerkennung / Wohlfühlen“ sowie „Pragmatisches Verständnis II (Leistungsentwicklung bezogen auf verschiedene Dimensionen von Heterogenität und Diversität)“, eine Schulleiterin das Verständnis „UN-Behindertenrechtskonvention“. Fallbeispiel I: GS-3-W-Gr Diese Leiterin einer Grundschule beschreibt ihre Arbeit an der Schwerpunktschule als persönliche Bereicherung: „Also ich persönlich empfinde es als große Bereicherung, diese ganzen Teamabsprachen, weil man kann, je mehr Leute zusammen sitzen, umso mehr Ideen und Potenzial kommen da einfach zusammen. Aber wir haben jetzt wieder festgestellt, es kann nicht jeder.“ (GS-3-W-Gr: 26–26) „Wir wollen ja auch gar nichts anderes sein. Also ich wollte auch, also wie gesagt, ich kriege ja jetzt dieses Direkte wieder mit. Ich könnte mir als Schulleitung nicht mehr vorstellen, an einer sogenannten normalen Schule Schulleitung zu machen. Das würde mich nicht mehr ausfüllen. Mir würde da wirklich etwas fehlen.“ (GS-3-W-Gr: 53–53)

Die Erfahrungen, die sie an ihrer Schule macht, zeigen aus ihrer Sicht den Erfolg schulischer Inklusion: „Also wenn man einfach das Sozialverhalten in unseren Klassen sieht. Klar gibt es mal eine Schubserei. Aber dieses soziale Lernen, das wir auch durch IchDu-Wir nochmal verstärken, das leben die Kinder hier wirklich und ich denke, die Lehrer auch. Da erlebe ich an anderen Schulen einfach auch Anderes. Und da macht es einfach Spaß, unseren Kindern zuzugucken. Oder wenn wir einen Feldlauftag haben und sie rennen alle ihren Kilometer und die Rollstuhlkinder rollen dann halt dann hinterher und es bleibt der ganze Jahrgang stehen und feuert an, bis die Rollstuhlkinder auch da sind oder die Kinder mit Prothese, die dann an der Hand der I-Helferin das ganze ablaufen oder so, dann denke ich, also da geht mir das Herz auf. Und dann denke ich: Ja. An einer Regelschule wollte ich nicht mehr arbeiten.“ (GS-3-W-Gr: 53–53) „Also wir erleben sie halt bis Klasse vier. Wir hatten ja früher mal die Hoffnung, wir dürfen in der Hauptschule als Schwerpunktschule weiter wachsen. Und als wir dann die ersten Fünftklässler gehabt hätten, die hoch gewachsen sind, kam die Schulstrukturreform. Und damit war klar, keine Hauptschule mehr. Von daher fehlt uns jetzt diese Erfahrung. Wir können es nicht sagen. Ich weiß allerdings, dass das etwas ist, was die Eltern sehr beschäftigt. Also wir merken

7.3 Sichtweisen auf Inklusion

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hier keinen Unterschied zwischen den Erst- und Viertklässlern. Die Kinder gehören einfach dazu. Die machen keine Unterschiede. Die wissen auch, auf wen sie zu warten haben und die wissen auch, dass es völlig klar ist, dass die I-Helferin sich leise mit dem Kind unterhält. Oder ich habe die letzte Woche Musiktests geschrieben. Da war völlig klar: Das ist ein Kind ohne I-Helferin. Da sitze ich halt dann neben dem Kind und lese ihm die Aufgaben vor. Und das ist für alle anderen völlig in Ordnung. Da wird auch gar nicht, also das wird gar nicht thematisiert, weil es normal ist.“ (GS-3-W-Gr: 57–57)

Dennoch übt sie an der Organisationsform Schwerpunktschule insofern Kritik, als dass sie die Frage aufwirft, ob die Schulen der Sekundarstufe I, die als Schwerpunktschule beauftragt werden, für alle Kinder passend sind: „Wobei es auch ganz unterschiedliche Beeinträchtigungen hier gibt von den Kindern, die bei uns sind. Es ist halt fraglich, ob der Schultyp an sich, also die Realschule Plus als Schwerpunktschule weiterzuführen, ob das ausreichend ist oder ob nicht auch noch andere Schulformen angeboten werden müssten als Schwerpunktschule, also sprich ein Gymnasium.“ (GS-3-W-Gr: 60–60)

Fallbeispiel II: GS-2-W Auch diese Schulleiterin drückt ihren Zuspruch zu schulischer Inklusion ganz explizit aus: „Also die UN-Konvention, alles, stehe ich voll dahinter.“ (GS-2-W: 73–73)

Gleichzeitig sieht sie in den aktuell gegebenen Rahmenbedingungen Schwierigkeiten für die Umsetzung: „Aber es muss mal gesagt werden, dass es nicht reicht, es auf dem Papier stehen zu haben und es zu verordnen und es ohne zusätzliche Gelder einführen zu wollen. Qualität kostet Geld. Man kann nicht nur Ressourcen umschichten.“ (GS-2-W: 73–73)

Allerdings bleibt es für sie nicht bei dieser Kritik. Vielmehr fordert sie ein, dass zuerst ein Umdenken in Richtung Inklusion stattfinden müsse, anstatt Rahmenbedingungen als Vorwand dafür zu nehmen, nicht selbst etwas verändern zu müssen: „Wobei ich mich auch dagegen wehre, also alles nur auf Rahmenbedingungen zu schieben. Also das ist für mich die eine Seite, das andere ist ja oft das was, was gravierender ist, dass wir uns nicht ändern wollen vom Denken her. Das ist das Gravierendere. Die Rahmenbedingungen sind sehr ärgerlich und nicht in Ordnung, aber ich glaube, letztendlich müssen wir erstmal anfangen, das zu wollen, bevor wir uns hinter Rahmenbedingungen verstecken.“ (GS-2-W: 75–75)

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7 Ergebnisse der qualitativen Inhaltsanalyse

7.3.2.2 Realisten Die Realisten werden von Laubenstein, Lindmeier, Guthöhrlein und Scheer (2015) folgendermaßen charakterisiert: „Die Realisten reflektieren den Entwicklungsprozess der inklusiven Schule und sind um Weiterentwicklungen sehr bemüht. Jedoch werden von ihnen viele Hemmnisse in Form von Strukturen und Praktiken gesehen, wodurch ein Blick auf das (derzeit) Nicht-Machbare bei den Realisten den Blick auf das (potenziell) Mögliche einschränkt. An diesen Schulen wird zwar ein kooperativer gemeinsamer Austausch gepflegt, es bestehen aber zwei Systeme nebeneinander anstelle eines Gesamtkollegiums.“ (Laubenstein, Lindmeier, Guthöhrlein & Scheer, 2015, 302, Hervorheb. im Original)

Fallbeispiel: IGS-1-W Übertragen auf die hier durchgeführten Interviews mit Schulleiterinnen und Schulleitern lässt sich diese Definition am Beispiel einer Leiterin einer integrierten Gesamtschule (IGS-1-W) veranschaulichen. Diese drückt ihre grundsätzliche Zustimmung zu schulischer Inklusion sehr explizit aus: „Aber Inklusion ist so ein toller Gedanke, ja, und so gut und hört sich auch (...) nicht nur gut an, sondern wird auch gerne genommen, bitte, nicht zum Minimaltarif. Weil: Es ist ja eine neue Belastung und die Schule ist ja sozusagen die Speerspitze der Gesellschaft, mit, die das voranbringen muss, ja?“ (IGS-1W: 70–70) „Und Schule wird meiner Meinung nach in zehn Jahren ganz anders sein und die Zukunft IST die Inklusion, IST der rhythmisierte Morgen, IST eine Ganztagsschule, IST auch die Schule, die jedem Kind die Möglichkeit gibt, teilzuhaben und zu lernen an individuellen Programmen und so weiter. Und auch gemeinsam dann auch wieder zusammen hier, das ist eine tolle / das ist es, ja? Inklusion: Das ist es! Ja?“ (IGS-1-W: 71–71)

Gleichzeitig beschreibt sie positive Erlebnisse im inklusiven Unterricht, die sie aber stets an das Vorhandensein von Rahmenbedingungen knüpft: „Also, da macht man durchaus sehr positive Erfahrungen, das war dann in der sechsten Klasse, ne. Also diese Rahmenbedingungen, es kommt auch immer individuell auf den Förderlehrer, Integrationshelfer, auf das Kind drauf an, wie das Ganze funktioniert. Da gibt es also sehr positive, aber durchaus auch schwierige Bereiche. Wo ich also sage, das ist nicht schwarz. Das ist auch nicht weiß. Grau ist auch falsch. Gestreift ist vielleicht das richtige Wort. Aber positiv: Gerade in den Unterklassen kann man den Kindern sehr viel / profitieren sie

7.3 Sichtweisen auf Inklusion

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sehr davon, wenn man die Rahmen / wenn sie mehr wie drei Stunden hätten, ja, drei, vier Stunden.“ (IGS-1-W: 38–38)

Trotzdem formuliert sie explizit auch Grenzen dessen, was im Rahmen von Inklusion erreicht werden kann: „Aber, (...) das ist eine Schwierigkeit, die man dann immer wieder hat, wenn man sagt: Gewisse Dinge lassen sich nicht durchführen. Sie müssen immer nachweisen, dass Sie zu den Guten gehören. Wehe, Sie machen Kritik, dann sind Sie ganz schnell in der schlechten Ecke. Und das will man ja gar nicht, ja? Also, wenn man an / eigentlich zeigt / (...) also, ein großes Problem ist, aufzuzeigen, dass die Schüler sehr darunter leiden, dass es – die beeinträchtigten Kinder – dass es große Klassen sind. Wir haben 28, wir haben 30er-Klassen. Wir versuchen dann, durch interne Umstellungen (...) auf 24 in der Schwerpunktklasse. Sie sind aber in der Förderschule mit 12 oder 16 oder so. Und das ist für die ganz schwer, diese Fülle zu erleben. Und das ist zum Beispiel ein Punkt. Oder auch zu erleben, wenn man älter wird, dass man immer zu den Schlechten gehört, dass man gewisse Erfolgserlebnisse hat, aber man möchte ja eigentlich so gut sein, das ist ja auch bei der Berufsreife bei den Schülern ein großes Problem und durch die HT-Kurse haben wir das so ein bisschen aufgefangen. Aber die Schüler nehmen das wahr. Diese Schüler reden auch ganz anders miteinander, haben ganz andere (...) Gesprächsthemen, ja? Der und der . Die reden also über Sachen, da können die mit den anderen Jugendlichen / die wollen das gar nicht wissen, die wollen auch nicht so reden. Und dann muss ich noch eine ganz wichtige Sache sagen. (...) Die Schüler haben selber, alle Schüler hier wollen selber in der Gleichalt / in der Peer-Group reüssieren. Also: Wer hat wen zum Freund und wer ist dies und das? Da ist dann nicht wirklich, weil die Gesellschaft noch nicht so weit ist. Das beeinträchtigte Kind suche ich mir nicht als Freundin. Die lade ich vielleicht auch mal zu meinem Geburtstag ein. Aber mit der darüber reden, dass ich Probleme mit meinem Liebeskummer habe, dass ich da / das mache ich nicht. Überlegen Sie: Jeder normale Mensch darf doch mal überlegen, mit wem er Freundschaften schließt. Ja? So? Okay, das kann dann also ein Samariter-Dienst sein. Auf den Klassenfahrten sieht man das auch. Die Mädchen und Jungen hängen am Rockzipfel der Lehrer, aber die haben bis auf einige wenige Ausnahmen, die sozial sehr kompetent sind, oder auch akzeptiert sind, haben dann keine Freunde, ja.“ (IGS-1-W: 49–53)

Während die Idealisten hemmende Rahmenbedingungen zwar wahrnehmen, aber nicht als Hauptproblem beschreiben, bleibt die Bewertung von Möglichkeiten und

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7 Ergebnisse der qualitativen Inhaltsanalyse

Grenzen der Realisierung schulischer Inklusion bei den Realisten sehr auf die Rahmenbedingungen fixiert, wie sich in den beiden folgendem Segmenten zeigt: „Ein geistig oder ganzheitlich beeinträchtigtes Kind ist mit zwei Stunden pro Woche nicht zu fördern.“ (IGS-1-W: 20–20) „Und das ist eigentlich die Augenwischerei und so kann man / also / Inklusion zum Minitarif – ich sage schon nicht mehr Nulltarif – zum Minitarif ist so nicht zu haben.“ (IGS-1-W: 59–59)

Letztlich zeigt sich bereits in der Frage nach der Anzahl der Förderschullehrerwochenstunden („ein geistig behindertes Kind ... mit zwei Stunden pro Woche ...“), das für die Gruppe der Realisten typische Verbleiben in der Trennung Regel- vs. Förderschullehrkräfte. Doch ganz explizit erfolgt diese getrennte Aufgabenzuweisung im folgenden Textsegment, in dem die aus Stundenkürzungen resultierenden Belastungen für die sonderpädagogischen Lehrkräfte thematisiert werden: „Externes Fördern ist jetzt in. So viele Stunden, ich will das zurückfahren, aber die Förderlehrer wissen sich nicht anders mehr zu helfen.“ (IGS-1-W: 41–41)

7.3.2.3 Handwerker Zur Beschreibung der Handwerker heißt es bei Laubenstein, Lindmeier, Guthöhrlein und Scheer (2015): „Die Handwerker stellen sich ohne größere Visionen den aktuell gegebenen Herausforderungen: Sie sind weniger mit der Frage nach der Entwicklung einer inklusiven Schulkultur befasst, sondern eher damit, die ‚handwerklichen‘ Aufgaben zu bewältigen, beispielsweise die pragmatische Organisation von Unterricht und individueller Förderung oder den Aufbau von Teamstrukturen und -zeiten. Diese Gruppe orientiert sich sehr stark an administrativen Vorgaben und verliert somit ein Stück weit die Flexibilität für die Erweiterung von Möglichkeiten. Zugleich empfinden sich die Handwerker als politisch und administrativ nicht in ihrer Profession anerkannt, was ein gewisses Maß an Ohnmacht und Wut nach sich zieht.“ (Laubenstein, Lindmeier, Guthöhrlein & Scheer, 2015, 302, Hervorheb. im Original)

Fallbeispiel: RS-3-M Die beschriebenen Eigenschaften der Handwerker finden sich bei dem Leiter einer Realschule Plus sehr anschaulich: Im Verlauf des Interviews zeigt sich die Bereitschaft, pragmatisch an den Herausforderungen schulischer Inklusion zu arbeiten, wobei die Erfolge differenziert, aber eher skeptisch beschrieben werden:

7.3 Sichtweisen auf Inklusion

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„Also ich will mal sagen, aufgrund der gemachten Erfahrung, die ich hier ja auch mache. Wir sind leider Gottes noch weit von einer sozialen Integration weg. Und das ist eigentlich für mich das Ziel, die soziale Integration. (...) In der Grundschule fällt das noch nicht auf. In der Grundschule arbeiten alle Kinder zusammen, ja. Die bemühen sich auch um die Kinder, um die anderen Kinder, sage ich jetzt mal. Aber je älter sie werden, desto schwieriger wird es. Das geht dann in der Pubertät los. Die anderen haben Freundinnen oder Freunde, diese Kinder nicht. Und dann sehe ich hier, sie sehen ja hier die Anordnung von meinem Fenster und von der Anlage. Da ist der Schulhof. Und dann tut es mir weh, wenn ich, gerade wenn die älteren, neuntes Schuljahr, wenn diese Kinder nämlich ein bisschen isolierter rumlaufen. Da kann ich vorher zwar noch viel machen mit Sozialkompetenzen schulen und so weiter. Im fünften Schuljahr, sechsten Schuljahr geht das alles noch. Aber im siebten Schuljahr fängt es an zu bröckeln. Das geht dann los bei Klassenfahrten. Die werden dann nicht mehr so integriert, ja. Bei der Zimmerbelegung: Die wollen wir nicht dabei haben. Ja, weil sie halt, die haben auch andere Verhaltensweisen, die die Kinder stören. Und das finde ich dann schon ein bisschen schlimm. Im Grundschulalter kann man noch dagegen steuern, kann man den Kindern erklären, wunderbar. Im Sek I-Bereich, fünftes, sechstes Schuljahr würde ich auch noch sagen, aber siebtes, achtes wird es schwer. Da kann ich zwar den Schülern noch mit Druck kommen, ja, und kann sagen: Hört mal zu. Dann gehe ich als Chef hin und habe den Chefbonus, ja, und kann dann sagen: Hört mal, der ist anders. Und: Versucht doch, den mal ein bisschen aufzufangen. Das geht schon, aber letztendlich, die soziale Integration ist noch nicht da.“ (RS-3-M: 32–33)

Die Ursachen für die aus seiner Sicht begrenzten Erfolgsaussichten schulischer Integration an Schwerpunktschulen macht er an zwei Faktoren fest: Der Art des Förderbedarfs auf der einen und der mangelnden institutionellen bzw. finanziellen Unterstützung andererseits: Art des Förderbedarfs als Ursache „Wobei, man muss dann auch von den Behinderungsarten aufpassen, ja. Wenn wir ein körperbehindertes Kind haben, das intellektuell ganz normal ist, das ist wieder was ganz anderes. Das muss man schon ein bisschen differenzierter sehen. Also jetzt zum Beispiel ein Kind mit Förderschwerpunkt Lernen und ein Kind mit Förderschwerpunkt Ganzheitliche Entwicklung, das ist schon anders zu sehen. Da muss man schon ein bisschen differenzierter gucken.“ (RS-3-M: 35–35) „Das heißt ja Sozial-Emotional, Soziale-Emotionale Entwicklung. Förderschwerpunkt Lernen gibt es noch. Und bei manchen Kindern, und deswegen

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7 Ergebnisse der qualitativen Inhaltsanalyse

betrachte ich diese Debatte mit Inklusion, Integration ein bisschen mit gemischten Gefühlen, weil für viele Schüler ist es immer noch besser, dass sie die Förderschule besuchen. (...) Wenn ich unseren Jungen sehe mit Ganzheitlicher Entwicklung hier, der wird zwar hier aufgefangen, ja. Der ist auch in gewisser Weise integriert, aber wir können ihn nicht so fördern, wie er eigentlich an einer Förderschule gefördert werden könnte. Das können wir nicht leisten. Das ginge nur, wenn man eine Eins-zu-Eins-Betreuung hätte durch einen Förderschullehrer. Und die haben wir nicht, ja.“ (RS-3-M: 37–37)

Rahmenbedingungen als Ursache „Also wenn die finanziellen Mittel da wären, dann könnte man das auch machen. Aber wenn ich jetzt im (Name) sehe, da sind die ja mit der Integration und Inklusion ja Vorreiter sind, ja, die gehen ja schon sehr schnell voran. Da sind zum Teil Förderschullehrer drin für ein Kind drei Stunden die Woche. Was wollen die mit drei Stunden mit einem Kind machen? Das geht nicht, passt nicht. Und solange da die finanziellen Mittel nicht zur Verfügung gestellt werden, um dann Lehrerkräfte einzusetzen, wird es nicht so laufen, wie man sich das vorstellt.“ (RS-3-M: 38–38) „Das sind aber kleinere Klassen. Sie haben Klassen von 11, 12, 13 Kindern. Und die Kinder haben alle einen Leistungsstand in etwa, in etwa. Und hier, sie müssen auch mal bedenken, wir haben unten im neunten Schuljahr haben wir Kinder, die wollen eventuell ins Gymnasium weiter gehen. Wir haben den früheren Hauptschulbereich, die Hauptschulkinder und haben dann das Niveau von den Förderschwerpunkt Lernen-Kindern. Also wir haben im Prinzip drei, vier Niveaus. Und das müssen die Lehrer versuchen auszugleichen. Und das ist fast für eine Lehrperson fast unmöglich, erst recht dann, wenn sie förderpädagogisch keine Ahnung haben.“ (RS-3-M: 40–40)

7.3.2.4 Skeptiker Als letzte Gruppe sollen hier die Skeptiker beschrieben werden, deren Charakteristika sich wie folgt zusammenfassen lassen: „Der Grundtenor der Skeptiker geht durchaus in die Richtung, den Gemeinsamen Unterricht als Bereicherung zu sehen. Die Grenzen und Probleme bei der Umsetzung werden allerdings oft an der Person der Schülerin / des Schülers festgemacht, ohne eigene Anteile z. B. an Verhaltensweisen zu reflektieren. Insgesamt zeigt sich bei den Skeptikern ein Gefühl der Überforderung, Hilflosigkeit und Resignation, das bei diesem Typus im Zusammenspiel mit den als unzureichend empfundenen Rahmenbedingungen zu einer Ablehnung des Systems ‚Schwerpunktschule‘ führt.“ (Laubenstein, Lindmeier, Guthöhrlein & Scheer, 2015, S. 302)

7.3 Sichtweisen auf Inklusion

267

Fallbeispiel: IGS-3-W-Gr Das einzige Interview, das in die Kategorie der Skeptiker fällt, wurde mit dem Leiter einer integrierten Gesamtschule geführt. Dieser stellt zu Beginn des Interviews klar, dass seine Skepsis keine grundlegende Ablehnung schulischer Inklusion sei: „Was nicht heißen soll, dass wir grundsätzlich gegen Inklusion eingestellt sind, das sind wir nicht. Aber (...) wir haben uns große Sorgen gemacht, dass wir mit unseren Ressourcen, die wir haben, dieses wichtige Thema überhaupt befriedigend beackern können.“ (IGS-3-M-Gr: 3–3)

Bezogen auf die Umsetzung schulischer Inklusion im Konzept Schwerpunktschule äußert er die Auffassung, dass (a) die Möglichkeiten der allgemeinen Schule begrenzt seien und (b) die Schwerpunktschulen ein Modell mit dem Ziel seien, die teureren Förderschulen einzusparen: „Ich persönlich bin kein ausgewiesener Freund des Schwerpunktschulsystems. Ich glaube, dass die Möglichkeiten einer allgemeinbildenden Schule durchaus begrenzt sind.“ (IGS-3-M-Gr: 8–8) „Also, ich glaube, insgesamt gesehen, ist das Modell Schwerpunktschule nicht zuletzt ein Sparmodell der Landesregierung, das glaube ich schon. Man möchte die Förderschulen, die für meine Begriffe durch die Bank eine sehr gute Arbeit machen, langsam aber sicher austrocknen und das Problem teilweise auf die allgemeinbildenden Schulen verlagern. Auch das ist – hänge ich mich wahrscheinlich zu weit aus dem Fenster, werde ich auch politisch wahrscheinlich auf den Deckel bekommen – weil, das ist ja nicht korrekt, was ich gesagt habe. Ich sehe es aber so, weil, auf der einen Seite große Ziele propagiert werden mit dem Thema Schwerpunktschule. Auf der anderen Seite aber die Ressourcenausstattung der allgemeinbildenden Schule sich doch in einem recht bescheidenen Rahmen bewegt. Und dass da ein großer Unterschied zwischen Anspruch und Wirklichkeit klafft.“ (IGS-3-M-Gr: 10–10)

Grenzen schulischer Inklusion macht er vor allem hinsichtlich der generellen Möglichkeit bei bestimmten Behinderungsarten fest und konstatiert, dass Inklusion nicht als die „allein selig machende pädagogische Weisheit“ gelten könne: „Meine, fachlich vielleicht angreifbare, Meinung ist die, dass es sehr darum / davon abhängt, in welchem Ausmaß der Schüler (...) und / oder die Schüler, um die es geht, Förderbedarf haben. Ich kann mir zum Beispiel nicht vorstellen, dass es befriedigend für alle Beteiligten sein könnte, zum Beispiel ein schwer geistig behindertes Kind (...) inklusiv in der allgemeinbildenden Schule zu fördern. Halte das für nicht machbar.“ (IGS-3-M-Gr: 8–8)

268

7 Ergebnisse der qualitativen Inhaltsanalyse

„Also, was ich als Schulleiter also sehr, sehr positiv wahrgenommen habe, ist einfach, wenn ich mir unsere Förderschüler, unsere I-Kinder anschaue, und sehe, wie die bei uns in den Klassen gefördert und zurechtkommen und auch teilweise wirklich sehr gute Leistungen dann bringen können, punktuell, in bestimmten Bereichen. Dann muss ich sagen, in dem Rahmen, mit der kleinen Anzahl und mit den I-Kindern, die jetzt sagen wir mal nur bis zu einem gewissen Punkt eingeschränkt sind, kann man es wirklich machen. So, das funktioniert. Und dann, wenn man dann gute Förderlehrer hat, die also wirklich dann das da rauskitzeln so’n bisschen, dann muss ich sagen: Das ist okay, da hab’ ich also überhaupt gar nichts dagegen. Nur, das als die allein selig machende pädagogische Weisheit zu verkaufen, das würde überall gehen und mit allem und man könne alles inkludieren, was es irgendwo gibt, das ist falsch“ (IGS-3-M-Gr: 74–74)

Erfolge, die er an seiner Schule beobachtet, attribuiert er nicht als Erfolg schulischer Inklusion oder inklusiv ausgerichteter Schulentwicklungsprozesse, sondern als Erfolg der Förderung durch engagierte Sonderpädagoginnen und Sonderpädagogen: „Nochmal: Wir haben das Gefühl, dass wir in unserem Rahmen, in unserer Schule, gut zurecht kommen. Weil wir wirklich zwei engagierte Förderlehrer haben, die ihre Arbeit ernst nehmen und die auch jetzt in der neuen Zusammensetzung sicherlich auch ganz gute Möglichkeiten haben, die Kinder zu fördern.“ (IGS-3-M-Gr: 11–11)

7.3.2.5 Nicht klar zuzuordnen (Positive Tendenz) Bei einem Schulleiter einer Realschule plus (RS-1-M) ließen sich zwei Textsegmente zur eigenen Auseinandersetzung mit schulischer Inklusion finden: „An den Inklusionsgedanken habe ich schon lange gedacht, bevor das von der Landesregierung überhaupt in der Form angestoßen wurde. Habe auch beim Schulträger schon sehr früh einen barrierefreien Zugang gefordert, was über Jahre nicht verwirklicht wurde.“ (RS-1-M: 13–13) „Ich habe es schon lange als ganz wichtig angesehen, Kinder mit Behinderungen und Kinder ohne Behinderungen zusammen zu unterrichten, damit die Kinder mit Behinderung nicht in einem Schonraum leben und die ohne logischerweise auch in gewisser Weise.“ (RS-1-M: 13–13)

Aus diesen Textstellen lässt sich zwar eine positive und proaktive Haltung gegenüber schulischer Inklusion erkennen, allerdings zeigen sich nicht genügend Aspekte, um eine klare Zuordnung zu einer der vier Kategorien vorzunehmen.

7.3 Sichtweisen auf Inklusion

269

7.3.3 Zusammenhänge zwischen Inklusionsverständnis und Grundhaltung gegenüber Inklusion Tabelle 7.11 stellt als Kreuztabelle die von den Schulleiterinnen und Schulleitern vertretenen Inklusionsverständnisse sowie deren bewertende Auseinandersetzung mit schulischer Inklusion gegenüber. Dabei zeigt sich im ersten Überblick, dass das von einer Schulleiterin oder einem Schulleiter vertretene Inklusionsverständnis zunächst unabhängig davon ist, ob sie / er eine eher optimistische (als Idealist oder Realist) oder eine eher skeptische Grundhaltung (als Handwerker oder Skeptiker) einnimmt. Dieser Befund mag auf den ersten Blick irritieren, ist jedoch für die weiteren Analysen bedeutsam: Denn damit wird deutlich, dass eine auf die Differenzlinie Behinderung bezogene Sichtweise auf Inklusion sowohl mit einer optimistischen als auch einer skeptischen Bewertung schulischer Inklusion einhergehen kann. Umgekehrt bedeutet ein nicht auf die Differenzlinie Behinderung bezogenes Inklusionsverständnis nicht automatisch, dass eine optimistische Grundhaltung vertreten wird. In der Summe sind beide Anteile der Sichtweise auf Inklusion somit zwei voneinander unabhängige (kognitive) Konzepte. Unterschiede zwischen den eher optimistischen und den eher skeptischen Kategorien zeigen sich im Detail: Schulleiterinnen und Schulleiter, die mit einem auf die Differenzlinie Behinderung bezogenen Inklusionsverständnis eine eher optimistische Sichtweise vertreten, beziehen sich in ihrer Definition auf die UN-Behindertenrechtskonvention, während der skeptische Schulleiter mit ebenfalls auf Behinderung bezogenem Inklusionsverständnis sich auf die Leistungsentwicklung von Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf oder Behinderung bezieht. Man kann also schlussfolgern, dass in dieser Subgruppe (Inklusion wird auf Basis der Differenzlinie Behinderung definiert), eine optimistische Sichtweise aus der Annahme von Inklusion als Menschenrecht (Basis: UN-Behindertenrechtskonvention) und eine skeptische Sichtweise aus der Frage nach möglichst effektiver Förderung akademischer Fähigkeiten resultiert. 7.3.4 Zusammenhänge zwischen Führungsrahmen und Sichtweise auf Inklusion Tabelle 7.12 bildet die durchschnittlichen Rahmenausprägungen der Schulleiterinnen und Schulleiter getrennt nach den unterschiedlichen Sichtweisen auf Inklusion ab.

0 1 1

0 0 0

3

Gesamt

1

0 0 0 0

1 1 1 3

Optimismus 1: Idealisten 2: Realisten RS-1-M Gesamt Skepsis 3: Handwerker 4: Skeptiker Gesamt

UN-Behinder- Pragmatisch I tenrechtskonvention

4

0 1 1

1 1 1 3

Gesamt

Differenzlinie Behinderung

4

1 0 1

2 1 0 3

Pragmatisch II

4

1 0 1

2 1 0 3

Teilhabe / Anerkennung / Wohlfühlen

8

2 0 2

4 2 0 6

Gesamt

Unterschiedliche Differenzlinien

12

2 1 3

5 3 1 9

Gesamt

Tab. 7.11: Kreuztabelle der Häufigkeitsverteilungen in den Kategorien „Definition schulischer Inklusion“ und „Eigene Auseinandersetzung mit schulischer Inklusion“. Die hervorgehobenen Werte entsprechen der Zusammenfassung der Unterkategorien nach den Kriterien „enges vs. weites Inklusionsverständnis“ und „optimistische vs. skeptische Sichtweise“.

270 7 Ergebnisse der qualitativen Inhaltsanalyse

0,75 0,76

4

9

0,83 0,56 0,42 0,50

6 3

2 1

0,42 0,50 0,44

0,77

5

2 1 3

0,54

4

0,74 0,67 0,83 0,73

0,50

1

7 3 1 11

0,56

3

M

0,35 NA

0,15 0,25

0,35 NA 0,25

0,19 0,33 NA 0,21

0,26

0,40

0,15

0,21

NA

0,25

SD

Structural Frame

0,67 0,50

0,81 0,56

0,67 0,50 0,61

0,79 0,61 0,83 0,74

0,78

0,88

0,70

0,54

0,50

0,56

M

SD

0,24 NA

0,16 0,25

0,24 NA 0,19

0,21 0,19 NA 0,20

0,17

0,08

0,18

0,21

0,25

H.-R. Frame

0,38 0,00

0,67 0,33

0,38 0,00 0,25

0,43 0,67 0,25 0,48

0,58

0,62

0,55

0,25

0,00

0,33

M

0,18 NA

0,20 0,38

0,18 NA 0,25

0,37 0,14 NA 0,33

0,22

0,32

0,11

0,35

NA

0,38

SD

Political Frame

0,42 0,00

0,47 0,28

0,42 0,00 0,28

0,43 0,50 0,33 0,44

0,46

0,42

0,50

0,21

0,00

0,28

M

0,12 NA

0,22 0,25

0,12 NA 0,25

0,30 0,17 NA 0,25

0,18

0,17

0,20

0,25

NA

0,25

SD

Symbolic Frame

0,48 0,27

0,70 0,44

0,48 0,27 0,41

0,61 0,61 0,59 0,61

0,65

0,67

0,64

0,40

0,27

0,44

M

Leadership SD

0,10 NA

0,10 0,19

0,10 NA 0,14

0,19 0,15 NA 0,16

0,13

0,18

0,11

0,18

NA

0,19

Anm.: MF = Multiframing (Zeilenprozente der Schulleiterinnen und Schulleiter mit mindestenz tendienziell hoher Ausprägung auf mehr als zwei Rahmen)

Optimistische Sichtweise Verschiedene Diff.-Linien Diff.-Linie Behinderung Skeptische Sichtweise Verschiedene Diff.-Linien Diff.-Linie Behinderung

Optimistische Sichtweise Idealisten Realisten RS-1-M Gesamt Skeptische Sichtweise Handwerker Skeptiker Gesamt

Differenzlinie Behinderung UN-Behindertenrechtskonvention Pragmatisches Verständnis (Leistungsentwicklung, SFB) Gesamt Unterschiedliche Differenzlinien Pragmatisches Verständnis (Leistungsentwicklung, verschiedene Diff.-Linien) Teilhabe / Anerkennen / Wohlfühlen Gesamt

N

50 % 0%

100 % 33 %

50 % 0% 33 %

71 % 100 % 0% 73 %

89 %

75 %

100 %

25 %

0%

33 %

MF

Tab. 7.12: Ausprägung der Führungsrahmen und der Gesamtskala Leadership nach Sichtweise der Schulleiterinnen und Schulleiter auf Inklusion

7.3 Sichtweisen auf Inklusion 271

272

7 Ergebnisse der qualitativen Inhaltsanalyse

In der Ausprägung der Führungsrahmen lassen sich je nach Inklusionsverständnis der Schulleiterinnen und Schulleiter deutliche Unterschiede feststellen: Die jeweils durchschnittlich stärkste Ausprägung im Structural Frame und im Symbolic Frame zeigen diejenigen befragten Schulleiterinnen und Schulleiter, die ein pragmatisches Inklusionsverständnis im Sinne der Leistungsentwicklung aller Schülerinnen und Schüler (unabhängig von der Differenzlinie Behinderung) aufweisen, während sich die höchsten durchschnittlichen Ausprägungen im Human-Resource Frame und im Political Frame bei denjenigen Schulleiterinnen und Schulleitern finden, deren Inklusionsverständnis der Kategorie „Teilhabe / Anerkennung / Wohlfühlen“ zugeordnet wurde. Die höchste durchschnittliche Ausprägung der Leadership-Skala (Indikatoren aller Rahmen) zeigt sich ebenfalls in dieser Gruppe. Insgesamt zeigen rund 89 % der Schulleiterinnen und Schulleiter, deren Inklusionsverständnis sich aus unterschiedlichen Differenzlinien speist bzw. nicht die Differenzlinie Behinderung explizit zur Grundlage hat, bei mehr als zwei Rahmen eine mindestens tendenziell hohe Ausprägung („Multiframing“). In der Gruppe der Schulleiterinnen und Schulleiter mit einem auf der Differenzlinie Behinderung basierenden Inklusionsverständnis trifft dies nur auf 25 % der Interviewpartnerinnen und -partner zu. Bezogen auf die eigene Auseinandersetzung mit schulischer Inklusion (Idealisten, Realisten, Handwerker und Skeptiker) lassen sich ähnliche Unterschiede finden (siehe Tabelle 7.12). Die höchsten Rahmenausprägungen bzw. stärkste Führungsorientierung zeigen sich durchschnittlich jeweils bei den Typen, die einer grundsätzlich optimistischen Sichtweise zugeordnet werden können. Fasst man nun die Sichtweise auf Inklusion der Schulleiterinnen und Schulleiter so zusammen, dass es eine „optimistische Sichtweise auf Inklusion, definiert über die Differenzlinie Behinderung“, eine „optimistische Sichtweise auf Inklusion, definiert über unterschiedliche Differenzlinien“, eine „skeptische Sichtweise auf Inklusion, definiert über die Differenzlinie Behinderung“ sowie eine „skeptische Sichtweise auf Inklusion, definiert über unterschiedliche Differenzlinien“ gibt, so finden sich in der Gruppe der Schulleiterinnen und Schulleiter mit einer „optimistischen Sichtweise auf Inklusion, definiert über unterschiedliche Differenzlinien“ durchschnittlich die höchsten Rahmenausprägungen bzw. höchsten Skalenwerte im Bereich Leadership. Innerhalb dieser Gruppe zeigen alle Interviewpartnerinnen und -partner in allen Rahmen eine Ausprägung von mehr als 0,50, sind also dem „Multiframing“ zuzuordnen.

(50,0 %)

(50,0 %)

1 0

(50,0 %) (50,0 %)

0 1 1 1 0

(50,0 %)

(50,0 %)

1 0 0 1

0 0

0 2

0 0 0

2 0 0 2

2

0

0 0 0 0 2

(50,0 %) (50,0 %) (100,0 %)

0 0

1 1 2

2

(100,0 %)

(100,0 %)

(100,0 %)

(100,0 %)

(100,0 %)

0 0

1 3

0 0 0

3 1 1 5

4

3 1

1 0 1

3

(25,0 %) (75,0 %)

(60,0 %) (20,0 %) (20,0 %) (100,0 %)

(80,0 %)

(60,0 %) (20,0 %)

(20,0 %)

(20,0 %)

Cluster

0 1

1 1

1 0 1

0 2 0 2

2

2 0

1 0 1

4

(33,3 %)

(33,3 %) (33,3 %)

(33,3 %)

(33,3 %)

(66,7 %)

(66,7 %)

(66,7 %)

(66,7 %)

(33,3 %)

(33,3 %)

0 1

0 0

1 0 1

1 0 0 1

1

0 1

0 0 0

5

(100,0 %)

(50,0 %)

(50,0 %)

(50,0 %)

(50,0 %)

(100,0 %)

(100,0 %)

1 2

3 6

2 1 3

7 3 1 11

9

5 4

3 1 4

Gesamt

(8,3 %) (16,7 %)

(25,0 %) (50,0 %)

(14,3 %) (7,1 %) (21,4 %)

(50,0 %) (21,4 %) (7,1 %) (78,6 %)

(69,2 %)

(38,5 %) (30,8 %)

(23,1 %) (7,7 %) (30,8 %)

Anm.: 1 = Konventionell-klassisch; 2 = Konventionell-klassisch mit erhöhter politischer Aufmerksamkeit; 3 = Multiframing mit erhöhter personaler Aufmerksamkeit; 4 = Multiframing; 5 = Einzelfälle

Optimistische Grundhaltung Differenzlinie Behinderung Unterschiedliche Differenzlinien Skeptische Grundhaltung Differenzlinie Behinderung Unterschiedliche Differenzlinien

Optimistische Grundhaltung Idealisten Realisten RS-1-M Gesamt Skeptische Grundhaltung Handwerker Skeptiker Gesamt

Differenzlinie Behinderung UN-Behindertenrechtskonvention Pragmatisches Verständnis (SFB) Gesamt Unterschiedliche Differenzlinien Pragmatisches Verständnis (alle) Anerkennung / Teilhabe / Wohlfühlen Gesamt

1

Tab. 7.13: Sichtweise auf Inklusion nach Clusterzuordnung (Rahmungstypen); in Klammern angegeben die Spaltenprozente bezogen auf den jeweiligen Tabellenabschnitt

7.3 Sichtweisen auf Inklusion 273

274

7 Ergebnisse der qualitativen Inhaltsanalyse

Innerhalb der mittels Clusteranalyse gebildeten Rahmungstypen verteilen sich sowohl die unterschiedlichen Definitionen von Inklusion als auch die aus der eigenen Auseinandersetzung mit Inklusion resultierenden Sichtweisen stark unterschiedlich (siehe Tabelle 7.13). Beide Schulleiterinnen und Schulleiter aus dem konventionell-klassischen Cluster vertreten eine Definition von Inklusion, die auf der Differenzlinie Behinderung basiert, während beide Schulleiterinnen und Schulleiter aus dem Cluster „konventionell-klassisch mit erhöhter politischer Aufmerksamkeit“ Inklusion über „Anerkennung / Teilhabe / Wohlfühlen“ ohne direkten Bezug zur Differenzlinie Behinderung definieren. In den beiden Multiframing-Clustern überwiegt jeweils das pragmatische Verständnis bezogen auf Leistungsentwicklung ohne direkten Bezug zur Differenzlinie Behinderung. Das Inklusionsverständnis der Schulleiterinnen und Schulleiter hängt stark mit der Clusterzugehörigkeit zusammen (Cramers V = ,651). Im konventionell-klassischen Cluster ist ein Schulleiter hinsichtlich der Auseinandersetzung mit Inklusion dem Typus der Idealisten zugeordnet und einer dem Typus der Skeptiker. Dahingegen sind beide Schulleiterinnen aus dem Cluster „konventionell-klassisch mit erhöhter politischer Aufmerksamkeit“ dem Typus der Idealisten zugeordnet. Auch im Cluster „Multiframing mit erhöhter personaler Aufmerksamkeit“ vertreten alle Schulleiterinnen und Schulleiter eine tendenziell optimistische Sichtweise auf Inklusion, 3 von ihnen (60 %) in Form des IdealistenTypus. Im Cluster „Multiframing“ gehören eine Schulleiterin und ein Schulleiter den Realisten an und ein Schulleiter den Handwerkern. Die beiden Einzelfälle spalten sich auf in einen Idealisten (IGS-4-M; „klassisch-symbolisches Führungsverständnis“) und einen Handwerker. Insgesamt hängen Clusterzugehörigkeit und Typenzuordnung hinsichtlich der Auseinandersetzung mit Inklusion stark zusammen (Cramers V = ,573). Das aus beiden Dimension der Sichtweise auf Inklusion einzeln herausgearbeitete Muster zeigt sich kohärenterweise ebenfalls in der Zusammenfassung der Sichtweise auf Inklusion in Form der vier Grundmuster „optimistische Sichtweise auf Inklusion, definiert über die Differenzlinie Behinderung“, „optimistische Sichtweise auf Inklusion, definiert über unterschiedliche Differenzlinien“, „skeptische Sichtweise auf Inklusion, definiert über die Differenzlinie Behinderung“ sowie „skeptische Sichtweise auf Inklusion, definiert über unterschiedliche Differenzlinien“. Auch

7.4 Rahmenbedingungen für Schulleitungshandeln an Schwerpunktschulen

275

hier zeigt sich ein starker Zusammenhang zwischen Sichtweise auf Inklusion und Rahmungstyp (Cramers V = ,656). 7.4 Rahmenbedingungen für Schulleitungshandeln an Schwerpunktschulen Die Hauptkategorie „Rahmenbedingungen für Schulleitungshandeln an Schwerpunktschulen“ leitet sich direkt aus der Forschungsfrage nach ebendiesen Rahmenbedingungen ab. Dabei musste im Laufe der Inhaltsanalyse zunächst eine Abgrenzung zwischen den Rahmenbedingungen getroffen werden, die direkt und explizit das Handeln als Schulleitung betreffen, und denjenigen, die sich allgemein für die Arbeit bzw. Entwicklung einer Schwerpunktschule beziehen. Letztere erhielt eine eigene Hauptkategorie (Abschnitt 7.5, S. 293). Die Entwicklung der Unterkategorien erfolgte schrittweise induktiv in der im Methodenkapitel vorgestellten Vorgehensweise. Das System der Kategorien und Unterkategorien der Hauptkategorie „Rahmenbedingungen für Schulleitungshandeln an Schwerpunktschulen“ ist zusammen mit den entsprechenden Kodierhäufigkeiten in Tabelle 7.14 zusammengefasst. 7.4.1 Organisatorische Rahmenbedingungen Als organisatorische Rahmenbedingungen werden für diese Kategorie Bedingungen verstanden, die sich aus der rechtlichen / formalen Organisationsstruktur des Schulsystems bzw. der Schwerpunktschulen für das Handeln von Schulleiterinnen und Schulleitern ergeben. Dabei zeigten sich nur wenige Bedingungen, die den Handlungsspielraum der Schulleitung positiv beeinflussen. Deutlicher werden in den Interviews einschränkende Bedingungen, die sich aus fehlender Schulautonomie, den beamtenrechtlichen Aspekten der Personalführung und der fehlenden (bzw. stark limitierten) Möglichkeit der Personalauswahl durch die Schulleitung ergeben. 7.4.1.1 Handlungsspielräume Zwei Schulleiterinnen nannten organisatorische / schulrechtliche Aspekte, die die Arbeit der Schulleitung erleichtern. Schulleiterin GS-2-W hebt hier die Budgetierung von Schulen als Schritt zu mehr Handlungsautonomie positiv hervor. Schulleiterin IGS-5-W-Gr betont, dass ihr das Schulrecht im Konfliktfall bei allen wichtigen Angelegenheiten die Möglichkeit gibt, Lehrkräfte zur Teilnahme zu verpflichten (z. B. Konferenzen, Dienstbesprechungen).

276

7 Ergebnisse der qualitativen Inhaltsanalyse

Tab. 7.14: Kategorien und Unterkategorien der Hauptkategorie „Rahmenbedingungen für das Schulleitungshandeln an Schwerpunktschulen“ mit Anzahl der kodierten Textsegmente (in Klammern Anzahl der Interviews, aus denen die Textsegmente stammen) Kategorie Organisatorische Rahmenbedingungen Handlungsspielräume Einschränkungen Fehlende Schulautonomie Beamtenrecht und Personalführung Fehlende Möglichkeit der Personalauswahl Unterrichtsverpflichtung der Schulleitung Schulleitung sollte noch in Unterricht eingebunden sein Unterrichtspraxis wichtig, um als Vorbild wirken zu können Unterrichtspraxis wichtig, um zu wissen, was im Alltag geschieht Unterrichtspraxis als persönliche / berufliche Bereicherung Höhe der Unterrichtsverpflichtung Bewertung der aktuellen Höhe Tendenz zu hoch Tendenz passend Bezifferung eines guten Maßes an Unterrichtsverpflichtung Persönliches Belastungserleben Gründe für Belastungserleben Arbeitsbelastung und organisatorische / polit. Rahmenbedingungen Aufgrund Entscheiderrolle in immer häufigeren schwierigen Situationen Aufgrund von (Fach-)Kompetenzen Aufgrund hohen persönlichen Engagements Strategien des Umgangs Personelle Ausstattung der Schulleitung Höhere personelle Ausstattung der Schulleitung insgesamt Mögliche Rolle eines / r Verwaltungschef / in Konrektorenstelle an jeder SPS Zeit für Personalentwicklungsgespräche fehlt Förderschullehrkräfte in Schulleitung Persönl. Unterstützung und Anerkennung durch Schulaufsicht / Politik Keine Tendenz erkennbar Tendenz positiv Tendenz negativ Institutionalisierte Unterstützung Vorbereitung auf SL-Tätigkeit Möglichkeit externer Supervision Begleitende Fortbildungen Vernetzung der Schulleitungen (SPS) institutionell verankern Möglichkeiten zur Teambildung Kontakt zu / Kooperation mit der Stammschule Politische Reibungspunkte Weitere Rahmenbedingungen für Schulleitung

Anzahl 2

(2)

4 8 8

(2) (4) (3)

1 9 8

(1) (6) (5)

17 3 2

(9) (2) (2)

8 4 1 1 8

(6) (3) (1) (1) (5)

21 7 6 3 2

(9) (3) (3) (3) (1)

0 11 10 14 10 4 3 2 7 2 9

(0) (7) (4) (8) (4) (2) (2) (1) (7) (1) (9)

7.4 Rahmenbedingungen für Schulleitungshandeln an Schwerpunktschulen

277

7.4.1.2 Einschränkungen Unter diese Subkategorie fallen organisatorische und schulrechtliche Bedingungen, die die Schulleiterinnen und Schulleiter als einschränkend für ihren Handlungsspielraum erleben. Beamtenrecht und Personalführung Der unter Punkt 7.4.1.1 als Handlunsspielraum geäußerten Auffassung der Schulleiterin IGS-5-W-Gr zur Teilnahmepflicht an Konferenzen und anderen Terminen widerspricht die Einschätzung von GS-2-W und IGS-2-W: Diese vertreten die Auffassung, dass sie die Kolleginnen und Kollegen rechtlich eben weder zu festen Konferenzzeiten (Team-, Stufen-, Fachkonferenzen) noch zu festen Präsenzzeiten verpflichten könnten. Die Schulleiterin aus Interview IGS-2-W betont, dass dadurch der Motivation für die freiwillige Beteiligung an solchen Strukturen eine hohe Bedeutung zukommt. In der Schlussfolgerung fordert sie eine Einführung entsprechender Dienstpflichten auch zur Inanspruchnahme von Beratung: „Zweitens: Feste Konferenztermine. Denn diese Absprachen: Wenn man so eine heterogene Schülerschaft hat, ist das aus meiner Sicht wichtig. Vor allen Dingen, wenn wir halt Schüler mit Sozial-Emotionalen Gutachten haben. Da ist der Beratungsbedarf zum Teil ungeheuer groß. Also, weil da die Störungen im Unterricht ja so einen erheblichen Teil einnehmen, dass man da oft sofort reagieren muss. Diese Zeit muss Dienstpflicht sein. (...) Wir sind glücklich dran, weil die Kollegen bleiben einfach zu den Teamkonferenzen, ja? Aber wenn ich mir vorstelle, die würden anfangen wegzubleiben, weil sie es einfach dürfen, weil es keine Dienstpflicht ist. Das müsste definitiv Dienstpflicht werden. Da teilzunehmen an der wöchentlichen Beratung im Team. Das kann man gerne aufteilen zwischen Fachkonferenz und Teamkonferenz und Förderkonferenz, ja? Dass man sagt, so in etwa ein Drittel. Aber das muss wöchentlich sein, finde ich.“ (IGS-2-W: 70–70)

Eine ähnliche Einschränkung ergibt sich für die Schulleiterin Interview RS-5-W aus der Tatsache, dass keine Möglichkeit bestünde als Schulleitung eine Versetzung oder Entlassung von Lehrkräften herbeizuführen („Der muss freiwillig gehen, ja. Aber ich kann ja schlecht sagen: Den mobbe ich jetzt raus.“; RS-5-W: 62–62). Zudem könnte die Personalführung auch durch die quasi unbegrenzte Besoldungsfortführung im Krankheitsfalle unterlaufen werden: „(...) ein Lehrer kann halt relativ schnell, wenn er beamtet ist, wenn es ihm stinkt, ja, und jetzt gehe ich vom allgemeinen Fall aus, jetzt weniger hier an der

278

7 Ergebnisse der qualitativen Inhaltsanalyse

Schule, ja: Sie müssen die schon mit Samthandschuhen anpacken, schon meldet er sich krank. Und wenn ein Lehrer sechs Wochen, über sechs Wochen krank ist, läuft das Gehalt weiter. Bei jedem Angestellten gibt es halt Gehaltskürzung dann, ja. Und das sind natürlich schon so Dinge, wo ich sage, das ist aber mehr so der Beamtenstatus, der da im Weg steht. Das sind dann nicht nur die Lehrer.“ (RS-5-W: 61–61)

Auch der Schulleiter aus Interview RS-6-M bemängelt die fehlenden Möglichkeiten, Personalentscheidungen herbeizuführen und in gravierenden Fällen zu sagen „Packen sie ihre Tasche. Sie kommen nie wieder.“ (RS-6-M: 106–106). Fehlende Möglichkeit der Personalauswahl Im Bereich der Personalentwicklung sehen sich einige der befragten Schulleiterinnen und Schulleiter zudem dadurch eingeschränkt, dass sie kaum Möglichkeiten hätten, an der Auswahl neu einzustellender Lehrkräfte mitzuwirken („Das ist ja ein großes Manko.“; GS-2-W: 4–4)39 . Zudem würden Personalentscheidungen häufig erst sehr knapp bekannt gegeben, was für die Schulentwicklung (auch hinsichtlich schulischer Inklusion) zu Schwierigkeiten führe: „Genauso passiert es, dass wir mitten in den Sommerferien gesagt kriegen: Der und der und die kommen zu euch. (...) Und das meine ich mit ein Schritt, zwei Schritt vor, einer zurück. Dann muss man natürlich diese Leute auch erst wieder ins Team einbauen. Und wir haben gerade dieses Jahr festgestellt, wenn natürlich ein Team, gerade was Inklusion angeht, sehr viel schon erreicht hat, und dann kommt jemand, der davon noch nie was gehört hat oder jetzt jahrelang aus dem Schuldienst raus war wegen Familie oder, oder, oder... (...) Also manche kommen und es geht dann ratz fatz und manche tun sich sehr, sehr schwer. Und die dann trotzdem mitzunehmen, ja, da denkt man dann manchmal auch, wir waren doch schon drei Schritt weiter, ja.“ (GS-3-W-Gr: 21–21)

Fehlende Schulautonomie Ein Schulleiter (RS-4-M) führt die Kritik in dieser Richtung noch stärker aus und konstatiert, dass Schulen heute stärker reglementiert würden als früher:

39

Anmerkung d. Verf.: Zwischen Durchführung der Interviews und Fertigstellung der Arbeit wurde im Rahmen des Modellversuchs „Mehr Selbstverantwortung an rheinland-pfälzischen Schulen“ (https://svs.bildung-rp.de/, Stand: 12.07.2018) an sieben Schulen der Sekundarstufe erprobt, Schulleitungen mit Unterstützung einer Verwaltungsfachkraft stärker in die Personalauswahl / das Personalmanagement einzubeziehen.

7.4 Rahmenbedingungen für Schulleitungshandeln an Schwerpunktschulen

279

„Allerdings sieht dann die Realität doch sehr viel anders aus, weil wir im Moment in einer Zeit leben oder in einer politischen Situation, wo Schulen immer mehr Dinge vorgeschrieben werden.“ (RS-4-M: 4–4)

Insgesamt kommt er zu der Einschätzung, dass Schulautonomie im rheinland-pfälzischen Schulsystem nicht gegeben sei: „Wo ich dann auch denke: Ja, Autonomie, hm. Das war einmal. // I: Orientierungsrahmen Schulqualität.// Genau. Genau so ist es. Ja. Das ist, die Ideen, die dahinter stecken, um Gottes Willen, alles wirklich gut, alles sinnvoll. Nur bitte, bitte, bitte lasst doch die Schule endlich mal in Ruhe und in Ruhe machen. Ja. Also, was im Moment stattfindet, ist Verprellen von engagierten Kolleginnen und Kollegen. Das findet im Moment statt, weil, klar, wenn man eigentlich relativ weit schon war und wird dann ausgebremst, das ist natürlich nicht so, dass es die Motivation fördert, sondern eher das Gegenteil passiert.“ (RS-4-M: 68–68)

Auch eine weitere Schulleiterin (RS-5-W) kommt zu der Einschätzung, dass Projekte, die mit Labels wie Selbstständigkeit oder flache Hierarchie eingeführt würden, in der tatsächlichen Umsetzung für die Schulleitung mehr Arbeit ohne mehr echte Entscheidungsbefugnis bedeuten würden. 7.4.2 Unterrichtsverpflichtung der Schulleitung Die Rolle der Unterrichtsverpflichtung im Berufsbild der Schulleitung und deren Auswirkung auf die Möglichkeiten der Schulentwicklung wird in der Forschung intensiv diskutiert (Bonsen, 2010b, S. 192). Insgesamt nimmt das Unterrichten einen Großteil der Arbeitszeit von Schulleitungen in Anspruch, jedoch ist, zumindest an Grundschulen, ein rückläufiger Trend zu beobachten: So sank der von Schulleitungen an Grundschulen in den IGLU-Studien angegebene Anteil des Unterrichts an der Gesamtarbeitszeit zwischen 2001 und 2011 von 42,5 % auf 30,6 % (Tarelli, Lankes, Drossel & Gegenfurtner, 2012, S. 148). In den hier geführten Interviews äußerten 11 der 15 Schulleiterinnen und Schulleiter, dass sie es für wichtig erachteten, selber im Unterrichtsgeschehen eingebunden zu sein, gegenteilige Aussagen fanden sich in keinem der Interviews. Die Begründungen für die Bedeutung des eigenen Unterrichtens unterscheiden sich jedoch: Eine Schulleiterin (GS-2-W) sieht hier die Möglichkeit oder Notwendigkeit, selbst zu unterrichten, um in der Unterrichtsentwicklung im Kollegium selbst Beispiele einbringen zu können (Kategorie: „Unterrichtspraxis wichtig, um als Vorbild wirken zu

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7 Ergebnisse der qualitativen Inhaltsanalyse

können“). Die am häufigsten genannte Begründung für die Bedeutung des eigenen Unterrichtens (sechs Schulleiterinnen und Schulleiter) ist, dass Schulleiterinnen und Schulleiter für eine erfolgreiche Führung der Schule wissen müssten, „wovon die Kollegen sprechen“ (RS-3-M: 86–86) bzw. sonst würde „Blick verloren gehen auf die aktuelle Situation“ (RS-1-M: 27–27). Aus dieser Argumentation heraus wendet sich eine Schulleiterin ganz explizit gegen ein System, in dem Schulleitung nicht mehr selbst unterrichtet (Schulmanagerin / Schulmanager): „Es ist wichtig, in diesem Geschäft noch drin zu sein, sonst wissen sie auch nicht, wovon sie sprechen. Vom grünen Tisch aus kann sehr viel entschieden werden. Wenn sie selbst mal eine Klasse bändigen müssen, dann wissen sie auch, wo der Schuh bei den Kolleginnen und Kollegen drückt. Also sie sind näher dran und dann sind sie nicht so abgehoben. Ich finde es wichtig, dass ein Schulleiter unterrichtet.“ (RS-2-W-Gr: 10–10)

Ein anderer Grund, auf den sich fünf Schulleiterinnen und Schulleiter argumentativ stützen, ist der, dass sie Unterrichten als eine eigene Erfüllung erleben: „Aber die Arbeit mit den Kindern würde ich nicht vermissen wollen. Die ist Gold wert.“ (GS-1-W: 41–41)

In der Bewertung der Höhe der Unterrichtsverpflichtung kommen jedoch neun Schulleiterinnen und Schulleiter zu der Einschätzung, dass diese zu hoch sei, zwei Schulleiter finden ihre Unterrichtsverpflichtung passend (IGS-6-M: 9 W; RS-6-M: 4 WStd.). Bei den Schulleiterinnen und Schulleitern, die die Unterrichtsverpflichtung als zu hoch beurteilen, liegt diese, sofern eine konkrete Zahl genannt wird, im zweistelligen WStd.-Bereich, die höchste Unterrichtsverpflichtung nannte der Leiter einer Realschule plus mit 17 WStd.: „Also der Hauptteil der Beschäftigung ist immer noch das Unterrichten mit 17 Stunden und der Rest steht zur Verfügung für Verwaltungsarbeit.“ (RS-3-M: 2–2)

Zwei Schulleiterinnen von integrierten Gesamtschulen äußern sich dazu, welches Maß an Unterrichtsverpflichtung sie für sinnvoll erachten würden (IGS-1-W und IGS-5-W-Gr), nämlich zwischen vier und acht WStd. 7.4.3 Persönliches Belastungserleben Ein weiterer Aspekt, der von zehn Schulleiterinnen und Schulleitern thematisiert wird, sind berufliche Belastungen und Strategien für den Umgang mit diesen. Dabei

7.4 Rahmenbedingungen für Schulleitungshandeln an Schwerpunktschulen

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nennen sechs Schulleiterinnen und Schulleiter die Arbeitsbelastung sowie organisatorische und politische Rahmenbedingungen als Gründe für Belastungserleben. Einer dieser Schulleiter beurteilt die Arbeitsbelastung als so hoch, dass er momentan von Bewerbungen für Funktionsstellen abraten würde: „Das sind zusätzliche Aufgaben, die einfach auf mich zukommen als Schulleiter. Und dieses Gesamtpaket, muss ich schon sagen, das bringt mich schon manchmal an den Rand meiner Leistungsfähigkeit. Führt dazu, dass, sie können auf meinen Schreibtisch gucken, vieles der Kategorie B bleibt erstmal liegen, ja. Also, was ich natürlich immer schaffe, sind die Pflichtaufgaben, aber schon das, was etwas nachrangig ist, ja, bleibt dann manchmal so lange liegen, bis der Termin rum ist. Ja, also weil ich es einfach in der mir gegebenen Zeit nicht schaffe. Das führt dann dazu, dass Ferienzeiten noch mehr wegfallen, als es eh von Schulleitung gefordert ist. Und Kollegen, die sich für Funktionsstellen interessieren, rate ich bei den momentanen Rahmenbedingungen ab.“ (RS-4-M: 12–12)

Andere Schulleiterinnen und Schulleiter benennen zwar die Arbeitsbelastung und Anstrengung als Belastungsfaktor, beurteilen ihren Beruf aber dennoch positiv: „Es ist schön. Also ich habe es nicht bereut bisher. Spannend ist es, aber anstrengend. Es schlaucht schon.“ (IGS-6-M: 59–59)

Drei Schulleiterinnen und ein Schulleiter machen ein Belastungserleben an der der Schulleitungsrolle immanenten Entscheiderfunktion fest und daran, dass brisante Entscheidungen in kritischen Situationen häufiger würden: „Die Belastung auf die Lehrer wird immer höher und der Entscheider ist der Schulleiter. Der muss eine Entscheidung treffen, wie gehen wir mit diesen schwierigen Situationen um. Und das häuft sich einfach.“ (RS-1-M: 23–23)

Dies setzt eine Schulleiterin in Beziehung zur Situation der Schulleitung zwischen den Ebenen „Kollegium“ und „Politik / theoretischer Überbau“: „Ja, es ist beides drin. Mal ist man der, der das in Gang setzt und die Drehscheibe spielt. Und mal ist man der, der zerrieben wird. Da hilft einem auch keiner. Das ist deutlich so.“ (GS-1-W: 44–44)

Dieselbe Schulleiterin nennt aber auch als weiteren eher indirekten Grund für Belastungserleben („Zerriebensein“) das eigene persönliche Engagement, das einen für Belastungen anfällig machen kann:

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„Das zerreibt einen. Gerade dann, wenn man das, was man macht, oder das System, das man vertritt, eigentlich mit so viel eigener Persönlichkeit vertritt. Mit so viel Eigenem, mit so viel eigener Kraft auch vertritt. Dann zerreibt es. Das ist so.“ (GS-1-W: 44–44)

Eine weitere Ursache für Belastungserleben macht eine Schulleiterin in der situativ möglicherweise nicht gegebenen Fachkompetenz fest (GS-2-W-Gr). Strategien für den Umgang mit beruflichem Belastungserleben finden sich vor allem bei den Schulleiterinnen und Schulleitern, die ihr Belastungserleben mit ihrer Rolle begründen, in kritischen Situationen die endgültige Entscheidung treffen zu müssen. Dabei werden die unterschiedlichsten Punkte genannt. Während eine Schulleiterin das Vorhandensein von Stressbewältigungsmechanismen anhand dessen vermutet, dass sie seit Jahren keine Erkältung gehabt hätte (IGS-1-W), nennen andere Schulleiterinnen und Schulleiter Kurzurlaube, Entspannungstechniken, gutes Zeitmanagement und „Hilfe von außen holen“ als Strategien für den Umgang mit belastenden oder als nicht zu bewältigend erscheinenden Situationen. 7.4.4 Personelle Ausstattung der Schulleitung Von den 15 befragten Schulleiterinnen und Schulleitern geben neun explizit an, dass die Ausstattung der Schulleitung einerseits bezogen auf die Personenzahl, andererseits bezogen auf die Anzahl der Freistellungsstunden zu gering sei. Bei einer weiteren Schulleiterin und einem weiteren Schulleiter werden im Interview jeweils als wichtig empfundene Führungsaufgaben genannt, die aufgrund der zu geringen Zeitdeputate als Schulleitung nicht wahrgenommen werden können, sodass davon ausgegangen werden muss, dass insgesamt 11 von 15 Schulleiterinnen und Schulleitern die personelle Ausstattung der Schulleitung an Schwerpunktschulen als zu gering beschreiben. Dabei bezieht sich diese Einschätzung schon ganz allgemein auf die Schulleitungsfunktion, aber die besondere Situation der Schwerpunktschulen wird noch einmal separat betont, und zwar unabhängig von der Schulstufe: „der Rechnungshof sagt dann: ‚Jaaaaa, nach fünf, sechs Jahren,‘ – ich hab es gelesen – ‚da dürften doch jetzt die Anrechnungsstunden bei der Schulleitung gesenkt werden. Die sind doch jetzt eingearbeitet in der Schwerpunktschule‘. Und ich sage: NEEE, wir brauchen die Anrechnungsstunden, weil immer wieder neu ich so einen SOOO großen Aufwand habe, mit den Eltern zu sprechen, noch irgendwo hinzugehen, also die Schwerpunktschule hat mir selber einen großen Zeitfaktor meiner Deputatstunden mit aufgefressen.“ (IGS-1-W: 25–25)

7.4 Rahmenbedingungen für Schulleitungshandeln an Schwerpunktschulen

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„Und das kommt, wenn ich das jetzt gleich noch so anbringen darf, in der Schulleitungsstundenermäßigung, die man dafür bekommt, für die Verwaltung, überhaupt nicht raus. Also es ist eigentlich kein / und es wird ja immer nur nach der Größe der Schule geguckt, wieviel Schulleitungsstellen man hat, aber welches Profil die Schule hat und welche Aufgaben vielleicht eine Schwerpunktschule hat im Vergleich zu einer Regelschule, das wird da keineswegs irgendwo, ja, mitberücksichtigt.“ (GS-3-W-Gr: 11–11)

Als eine Mindestforderung wird genannt, dass zumindest an jeder Schwerpunktschule eine Konrektorenstelle eingerichtet und auch besetzt sein muss, was gerade an Grundschulen nicht immer gegeben ist (z. B. GS-1-W). Außerdem diskutieren drei der Schulleiterinnen und Schulleiter die mögliche Rolle einer Verwaltungsfachkraft bzw. betriebswirtschaftlichen Fachkraft, die als Mitglied der Schulleitung verwaltungstechnische und betriebswirtschaftliche Aufgaben übernehmen könnte, während die (pädagogische) Schulleitung dann mehr Möglichkeiten hat, sich mit Personalund Schulentwicklung zu befassen. Kritisch merkt hierzu aber eine Schulleiterin (RS-5-W) an, dass eine Verwaltungsfachkraft bei bestimmten Entscheidungen eventuell zu strikt an Vorschriften entlang entscheiden könnte, während eine Schulleitung, die aus der Pädagogik komme, eher nach pädagogischen Gesichtspunkten entscheiden würde (z. B. bei der Ausstellung vorläufiger Fahrkarten für Schülerinnen und Schüler notfalls auch über die zulässige Zeit hinaus). Insgesamt drei interviewte Schulleiterinnen und Schulleiter würden sich zudem mehr Zeit für Personalentwicklungsgespräche wünschen und eine Schulleiterin (IGS-2-W) fordert, dass an jeder Schwerpunktschule eine Förderschullehrkraft formales Mitglied in der Schulleitung sein müsste40 . 7.4.5 Persönliche Unterstützung und Anerkennung durch Schulaufsicht und Politik Hinsichtlich der Unterstützung und Anerkennung als Schulleitung durch Schulaufsicht und Politik äußern sich fünf Schulleiterinnen und Schulleiter ausschließlich 40

Zum Zeitpunkt der Interviews waren Förderschullehrkräfte an Schwerpunktschulen ausschließlich abgeordnet, sodass eine Bewerbung auf Funktionsstellen vollständig ausgeschlossen war. Mittlerweile können Förderschullehrkräfte unter bestimmten Voraussetzungen an die Schwerpunktschule versetzt werden und sich dann auf Stellen der erweiterten Schulleitung (Konrektorin bzw. Konrektor, didaktische Koordination oder Stufenleitung) bewerben, jedoch nicht auf die Stelle der Schulleiterin oder des Schulleiters. Eine separate Art sonderpädagogische Leitung ist nach wie vor nicht als Funktionsstelle vorgesehen.

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tendenziell positiv, drei ausschließlich tendenziell negativ und zwei sowohl tendenziell positiv als auch tendenziell negativ. Positiv wird insbesondere hervorgehoben, wenn Schulleitungen das Gefühl haben, dass die Schulaufsicht den Ideen und Ansätzen der Schulleitung vertraut: „Wichtig ist zum Beispiel meine Schulaufsicht, die geht viele Schritte auch mit, wo ich sage, das machen wir und das probieren wir aus, auch dass wir da auch unterstützt werden. Da bin ich sehr zufrieden mit. Weil auch da viel Vertrauen da ist, ja.“ (RS-2-W-Gr: 76–76)

Betont wird aber auch, dass dies jeweils von der Person in der Schulaufsicht abhängig ist, nicht die Folge einer institutionalisierten Struktur: „Aber ich denke, das ist schön, wenn das mit so kurzen Wegen funktioniert, aber es ist ja nicht unbedingt die Regel.“ (GS-3-W-Gr: 20–20)

Eine Schulleiterin führt aus, dass die Bedingung für eine gute Beziehung zwischen Schule und Schulaufsicht aber eben nicht allein die Unterstützung durch die Schulaufsicht ist, sondern auch, dass sich die Schulaufsicht auf die Schulleitung verlassen können müsse: „Wieder das Zauberwort Transparenz: Dass man also alles, was man macht, auch erklären kann und auch erklärt. Zuverlässigkeit ist für die Dienststellen, mit denen man zu tun hat, ganz wichtig. Also hier mit dem Schulträger. Gute Zusammenarbeit mit dem Schulträger kriege ich nur, wenn ich zuverlässig bin. Das ist bei der ADD auch so. Je mehr die sich verlassen können, dass man gut zusammenarbeitet, desto besser wird man auch behandelt.“ (IGS-5-W-Gr: 35–35)

In der Gruppe der drei Schulleiter, die sich ausschließlich tendenziell negativ äußern, beschreibt ein Schulleiter (RS-1-M), dass er sich als Schulleiter hin und wieder alleingelassen fühle, das aber nicht der Person in der Schulaufsicht zum Vorwurf mache, sondern dem System, in dem ein Schulaufsichtsbeamter bzw. eine Schulaufsichtsbeamtin eine zu große Anzahl an Schulen zu betreuen hätte. Ein weiterer Schulleiter vertritt die Auffassung, dass Schulleiterinnen und Schulleitern aus der Politik heraus zu wenig Achtung entgegengebracht werde. Der dritte Schulleiter dieser Gruppe moniert ein – wie er es bezeichnet – systematisches Verprellen von Schulleitern durch eine Top-down-Mentalität ohne Nachfrage nach den Bedürfnissen und Bedarfen der Schulen:

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„Ich bin bitter, bitter, bitter enttäuscht, was ja in Schulen im Moment passiert. Das ist preußischer als Preußen jemals war.“ (RS-4-M: 66–66)

In der Gruppe derer, die sich sowohl positiv als auch negativ äußern, zeigt sich, dass diese eine gute persönliche Unterstützung durch einzelne Personen in der Schulaufsicht beschreiben, sich hier aber noch mehr Rückendeckung und mehr Anerkennung und Rückmeldung wünschen. 7.4.6 Institutionalisierte Unterstützung Acht Schulleiterinnen und Schulleiter bemängeln eine fehlende verbindliche Ausbildung für bzw. Vorbereitung auf das Schulleitungsamt, die sie sich selbst teilweise über ein Schulmanagementstudium oder über freiwillige Fortbildungen organisiert hätten. Neben der Forderung nach entsprechender Ausbildung werden auch verbindliche Hospitationen und Praktika im Bereich der Schulleitung vor einer Bewerbung gefordert41 . Vier Schulleiterinnen und Schulleiter fordern zudem, dass es für Schulleiterinnen die Möglichkeit zur regelmäßigen Supervision geben müsste, beispielsweise durchgeführt von Schulpsychologen42 . Eine Schulleiterin fordert, dass dies für Schulleitung verpflichtend sein sollte. Der Tenor scheint zu sein, dass diese Möglichkeit zur Supervision fast als wichtiger angesehen wird als andere Fortbildungsangebote, die aber auch erwartet werden. Bei der Frage nach gewünschten Fortbildungen würde sich eine Schulleiterin mehr Angebote im Bereich Konfliktmanagement erhoffen. Zudem wünschen sich die befragten Schulleiterinnen und Schulleiter eine stärkere institutionalisierte Vernetzung der Schulleitungen von Schwerpunkt- und Förderschulen. Ein Schulleiter berichtet von einer regelmäßig stattfindenden Art runden Tischs, zu dem sich alle Schwerpunkt- und Förderschulen der Stadt halbjährlich treffen und dort auch teilweise Übergänge für einzelne Schülerinnen und Schüler 41

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Seit dem Schuljahr 2016 / 17 gibt es eine „Verpflichtende Fortbildung für neue Schulleiterinnen und Schulleiter“. Zudem existiert ein aus drei Modulen sowie aus Hospitationen bei erfahrenen Schulleitungen bestehendes freiwilliges Angebot zur „Vorbereitung auf Führungsaufgaben“. Beide Programme werden angeboten beim landeseigenen Zentrum für Schulleitung und Personalführung. Inwieweit diese Angebote die genannten Bedarfe abbilden und ob evtl. eine offensivere Bewerbung der Fortbildungen hilfreich wäre, würde einer separaten Evaluation bedürfen. Das pädagogische Landesinstitut bietet im Rahmen der schulpsychologischen Beratung Supervisionsgruppen an. Diese richten sich jedoch an Lehrkräfte im Allgemeinen, nicht speziell an Schulleitungen. Zudem orientieren sie sich eher am Ansatz der kollegialen Praxisberatung als an Supervisionskonzepten. Ein analoges Angebot des Zentrums für Schulleitung und Personalführung scheint nicht zu bestehen.

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beispielsweise von der Grundschule in die Sekundarstufe I vorbereiten, dies aber aus persönlichem Engagement der beteiligten Schulen heraus und nicht in einer fest institutionalisierten Form. Eine solche würden sich einige der Schulleiterinnen und Schulleiter wünschen. Ein Schulleiter (RS-1-M) würde sich zudem Möglichkeiten zum team building innerhalb der Schulleitung, beispielsweise durch die Finanzierung zweitägiger Dienstbesprechungen außerhalb der Schule, wünschen. 7.4.7 Kontakt zu / Kooperation mit der Stammschule Sieben Schulleiterinnen und Schulleiter beschreiben den Kontakt zu ihrer Stammschule (die Förderschule, die für die Abordnung der Förderschullehrkräfte zuständig ist) positiv. Dies bezieht sich einerseits auf die Kooperation bei der Frage, welche Förderschullehrkräfte an die Schwerpunktschule abgeordnet werden: „Also was ich jetzt ganz klasse finde, unsere eine Förderschule, da geht es darum, die werden im nächsten Jahr Überhang haben und einer unserer Förderschullehrer geht ins Sabbatjahr. Da haben wir jetzt vereinbart – das wird jetzt dort auf der Konferenz besprochen – dass einer zu uns abgeordnet werden soll. Und alle, die das Interesse haben, dürfen jetzt mal tageweise hier hospitieren und mal hier mitlaufen, sich hier mit den Leuten unterhalten und mal überlegen, ist Schwerpunktschule für mich eine Alternative.“ (GS-3-W-Gr: 20–20)

Aber auch die fachliche Unterstützung der Schulleitung durch die Schulleitung der Förderschule wird als positiv beschrieben: „Also, ich kenne mich auch so ein bisschen mit Grundschulentscheidungen aus, und da war ich, ich persönlich war unglaublich froh, dass meine Kollegin, Schulleiterin von der Förderschule , mir gewisse Hinweise einfach gegeben hat, die hätte ich mir so nicht erarbeiten können, da gab es auch nichts. Aber von ihr konnte ich dann einige Hinweise bekommen, auch wie Umgang mit Eltern oder wie es sich überhaupt beim Fördern ergibt, weil das, wie es hier ist, wusste ich ja, aber das Andere nicht. Also diese Rahmenbedingung habe ich als Hilfe erlebt.“ (IGS-1-W: 33–33)

Lediglich eine Schulleiterin kritisiert, dass es keinen wirklichen Kontakt zur Förderschule gäbe.

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7.4.8 Politische Reibungspunkte Eine Schulleiterin benennt als einen Aspekt, der zuweilen kritisch werden kann, dass unterschiedliche Sichtweisen und Prioritäten zwischen Schulaufsicht einerseits und Schulträger andererseits auftreten können: „Was der große Widerspruch ist, aber das werden sie überall hören, ist, dass wir es von / diese unterschiedlichen Anspruchsgruppen haben, in der Form, dass der Träger politisch orientiert ist und ur-betriebswirtschaftlich denkt und die ADD hoffentlich pädagogisch. Ja. Und da komme ich immer / das sind meine größten Reibungspunkte im Moment. Wo es heißt: Brandschutz, Feuerschutz, bla, bla, bla, Sicherheit, Sicherheit. Aber auf der anderen Seite die hehre Pädagogik: individualisieren, Schule als Lebens- und Arbeitsstätte, und, und, und. Also das sind so die größten Reibungspunkte.“ (GS-2-W: 20–20)

Streng genommen handelt es sich dabei um eine Einzelnennung, die auch unter die Kategorie „Weitere Rahmenbedingungen für Schulleitung“ gefasst werden könnte. Da aber gerade der hier zum Ausdruck kommende Aspekt unter Berücksichtigung der Governance-Perspektive bedeutsam für die spätere Gesamtdiskussion ist, wird dieser Aussage eine eigene Kategorie „Politische Reibungspunkte“ zugewiesen. 7.4.9 Weitere Rahmenbedingungen für Schulleitung Ergänzend lassen sich in den Interviews noch Einzelaussagen zu Rahmenbedingungen finden, die sehr spezifisch die einzelne Person betreffen und im Ergebnis nicht bezogen auf die Fragestellung der Untersuchung zu generalisieren sind. Doch auch, wenn eine weitere inhaltliche Analyse dieser genannten Rahmenbedingungen mit Blick auf die Forschungsfrage nicht zielführend ist, so ist bereits die Existenz solch singulärer Einschätzungen für sich bedeutsam und führt in die gleiche Richtung wie die in den Interviews insgesamt zum Ausdruck gebrachte Vielfalt von Rahmenbedingungen. Denn hier zeigt sich, dass jede Schule für sich in einem spezifischen Kontext zu sehen ist. Daraus folgt wiederum, dass an jeder Schule unterschiedliche Rahmenbedingungen und somit Anforderungen für das Handeln der Schulleitung bestehen. Somit kann auf die bereits in Kapitel 2 genannte These von S. G. Huber (2012b) verwiesen werden, dass sich das, was gute Schulleitung ausmacht, von Schule zu Schule unterscheidet. Gleichzeitig drückt sich darin aber auch aus, dass möglicherweise die eigenen Sichtweisen im Sinne der Führungsorientierung mitbestimmen, welche Rahmenbedingungen eine Schulleitung

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als relevant erachtet und folglich in einem Interview thematisiert. Diese denkbaren Zusammenhänge werden im nachfolgenden Abschnitt untersucht. 7.4.10 Zusammenhänge zwischen Führungsorientierung von und Rahmenbedingungen für Schulleitung Mögliche Zusammenhänge zwischen der Führungsorientierung von und den Rahmenbedingungen für Schulleitung könnten sich auf zweierlei Weise erklären lassen: Einserseits wird ihre Führungsorientierung / ihr Führungsverständnis beeinflussen, wie eine Schulleitung die Rahmenbedingungen ihres Handelns interpretiert, gewichtet und mit ihnen umgeht. Andererseits können die Rahmenbedingungen, unter denen eine Schulleitung arbeitet, beeinflussen, welche Frames adäquat für das benötigte Führungsverhalten erscheinen. Es muss somit von einer tatsächlich wechselseitigen Interaktion zwischen Rahmenbedingungen und Führungsverständnis ausgegangen werden, sofern bestimmte Muster erkennbar sind. In einem ersten Überblick zeigt sich kein quantitativ darstellbarer Zusammenhang zwischen der Häufigkeit der Nennungen einzelner Rahmenbedingungen und der Führungsorientierung der Schulleitungen. Das heißt, dass die Frage danach, welche Kategorien von Rahmenbedingungen die Schulleiterinnen und Schulleiter in den Interviews wie häufig thematisieren, zunächst unabhängig von ihrer Führungsorientierung ist. Betrachtet man dann aber qualitativ, wie die Schulleiterinnen und Schulleiter über diese Rahmenbedingungen sprechen, so finden sich im Detail deutlich sichtbare Zusammenhänge innerhalb einzelner Kategorien. Dargestellt werden hier nur diejenigen Rahmenbedingungen, bei denen bedeutsame Unterschiede festgestellt werden konnten bzw. bei denen das Fehlen von Unterschieden inhaltlich relevant ist. So sind die beiden Schulleiterinnen, die organisatorische Rahmenbedingungen beschreiben, die sie als Handlungsspielraum erleben, dem Cluster „Multiframing mit erhöhter personaler Aufmerksamkeit“ zuzuordnen. Innerhalb der Einschränkungen durch organisatorische Rahmenbedingungen zeigt sich, dass in diesem Cluster der Schwerpunkt auf den Einschränkungen bei der Personalführung (bedingt vor allem durch das Beamtenrecht) liegt, während im Cluster „Konventionell-klassisch mit erhöhter politischer Aufmerksamkeit“ der Schwerpunkt auf den fehlenden Möglichkeiten der Personalauswahl liegt. Zu vermuten ist hier folgender Zusammenhang: Für beide Gruppen von Schulleiterinnen und Schulleitern nimmt der Human-Resource Frame eine hohe Bedeutung ein. Beiden Gruppen ist also an

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Personalführung bzw. -entwicklung und gezielter Personalauswahl gelegen. Gleichzeitig führt aber die sehr intensiv betonte politische Aufmerksamkeit der Gruppe „Konventionell-klassisch mit erhöhter politischer Aufmerksamkeit“ im Gegensatz zur Gruppe „Multiframing mit erhöhter personaler Aufmerksamkeit“ dazu, sich politisch agierend für mehr Möglichkeiten bei der Personalauswahl einzusetzen und diese Rahmenbedingung dementsprechend auch während des Interviews deutlicher zu artikulieren. Die Schulleiterinnen und Schulleiter im Cluster „Multiframing“ hingegen setzen innerhalb dieser Kategorie der einschränkenden organisatorischen Rahmenbedingungen ihren Fokus eher auf Einschränkungen bei der Gestaltung der Schule durch fehlende Schulautonomie. Bei der Bedeutung, die die eigene Unterrichtsverpflichtung in den Augen der befragten Schulleiterinnen und Schulleiter hat, zeigt sich, dass sich die zwei Begründungsmuster „Bezug zur Praxis“ und „Persönliche Bereicherung“ jeweils durch alle Cluster ziehen. Allerdings wird das erste der beiden Muster von keinem der Schulleiter aus dem konventionell-klassischen Cluster erwähnt und das zweite von keinem der beiden als Einzelfälle eingestuften Schulleiter. Gründe für berufliches Belastungserleben werden, ebenso wie Strategien für den Umgang mit Belastungen, fast ausschließlich von Schulleiterinnen und Schulleitern ausgeführt, die bei drei oder vier Rahmen eine mindestens tendenziell hohe Ausprägung zeigen (Multiframing). Im Zusammenhang mit diesem für weitere Forschungen essenziellen Befund stellt sich noch einmal deutlich die Frage nach der Richtung des Zusammenhangs. Einerseits wäre es denkbar, dass sich die Aufmerksamkeit auf mehrere Führungsrahmen auch auf eine sensiblere Wahrnehmung von Belastungen auswirkt. Andererseits kann aber auch der aus dieser Aufmerksamkeit erwachsende Anspruch an sich selbst als Führungskraft dazu führen, dass die Schulleitungen sich entweder selbst stärker belasten, als es notwendig (bzw. gesund) wäre, oder aber dass sie einen Konflikt zwischen ihrer Führungsorientierung, ihren damit verbundenen Zielen und den gegebenen Rahmenbedingungen erleben und diesen zu bearbeiten oder aufzulösen versuchen. Ein solcher Befund könnte dann auch darauf hindeuten, dass der Rückzug auf eine konventionell-klassische Führungsorientierung als Reaktion auf widrige Rahmenbedingungen selbst wieder eine erfolgreiche Strategie zur Reduktion von Belastungserleben darstellt, sodass Schulleiterinnen und Schulleiter, die ihre Aufmerksamkeit auf wenige Rahmen reduzieren, auch weniger Belastungen erleben und thematisieren.

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7 Ergebnisse der qualitativen Inhaltsanalyse

Die Einschätzung, dass die (erweiterte) Schulleitung personell höher ausgestattet sein sollte als derzeit, zieht sich unabhängig von Rahmenausprägungen durch alle Cluster der Gesamtstichprobe. Dabei fällt allerdings auf, dass es ausschließlich Schulleiterinnen und Schulleiter mit einer hohen Ausprägung des Human-Resource Frame sind, die das Bedürfnis nach mehr Zeit für Personalentwicklungsgespräche sowie nach Förderschullehrkräften in der Schulleitung thematisieren. Bezüglich des Erlebens von Anerkennung und persönlicher Unterstützung durch Schulaufsicht / Politik zeigt sich, dass Aussagen mit positiver Tendenz fast ausschließlich von Schulleiterinnen und Schulleitern getroffen wurden, die bei drei oder mehr Rahmen eine mindestens tendenziell hohe Ausprägung zeigen (Multiframing), während eher negative Aussagen diesbezüglich gleichmäßig verteilt sind. Institutionalisierte Unterstützungsmaßnahmen als Bedarf an Rahmenbedingungen thematisieren Schulleiterinnen und Schulleiter aus den Clustern „Multiframing“ und „Multiframing / erhöhte personale Aufmerksamkeit“ sowie beide als Einzelfälle kategorisierten Schulleiter. Insbesondere hebt sich hier der Cluster „Multiframing / erhöhte personale Aufmerksamkeit“ in der Breite der thematisierten Unterkategorien hervor. Auch bei der Darstellung der Kontakte zur Stammschule überwiegen die Schulleiterinnen und Schulleiter mit erhöhter Aufmerksamkeit auf mehreren Rahmen. Es zeigt sich zusammenfassend, dass diejenigen Schulleiterinnen und Schulleiter, die mehrere Rahmen stark beachten und Schulleitung stärker als Führung und Entwicklung einer Organisation betrachten, auch die Rahmenbedingungen ihres Handelns intensiver reflektieren und entsprechende Bedarfe und Notwendigkeiten äußern, die sie für eine Optimierung ihrer Führungstätigkeit als wichtig ansehen. Und auch im Umkehrschluss lässt sich feststellen, dass Schulleiterinnen und Schulleiter, die nur bei wenigen Rahmen eine hohe Aufmerksamkeit zeigen, tendenziell in einem geringeren Ausmaß die Rahmenbedingungen für Schulleitungshandeln thematisieren. Hierfür sind mehrere Erklärungen möglich: • Einerseits kann eine konventionell-klassische Sichtweise auf Schulleitung dazu führen, dass bestimmte Themen, deren Bearbeitung an gute Rahmenbedingungen gebunden ist, nicht in den Bereich der Aufmerksamkeit kommen und infolgedessen auch nicht weiter reflektiert werden. Exemplarisch für diese Annahme kann das Beispiel eines Schulleiters (IGS-3-M-Gr) gesehen werden, der sich selbst in der Rolle eines primus inter pares beschreibt und gleichzeitig keine Rahmenbedingungen thematisiert, die sich spezifisch auf

7.4 Rahmenbedingungen für Schulleitungshandeln an Schwerpunktschulen

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Schulleitungshandeln beziehen, sondern ausschließlich solche, die sich auf die Schule als Ganzes und die Arbeit der Lehrkräfte beziehen und damit zur unter Abschnitt 7.5 dargestellten Kategorie „Rahmenbedingungen für die Entwicklung von Schwerpunktschulen“ gehören. • Andererseits können unzureichende Rahmenbedingungen sowie fehlende Anerkennung und Unterstützung durch Schulaufsicht und Politik dazu führen, dass sich Schulleiterinnen und Schulleiter als weniger selbstwirksam erleben und weniger Gestaltungsmöglichkeiten sehen, sodass Aspekte symbolischer Führung und politischen Agierens eher in den Hintergrund der eigenen Rollenbeschreibung rücken. Für diese Interpretation spricht die Sichtweise des Schulleiters IGS-6-M. Dem Interview zufolge vertritt er eine konventionellklassische Sichtweise auf Schulleitung. In seiner Beschreibung von Rahmenbedingungen für Schulleitungshandeln zeigt sich jedoch, dass unter anderen Rahmenbedingungen auch eine andere Rollenbeschreibung möglich wäre. So erwähnt er beispielsweise, dass die organisatorischen Aufgaben so viel Zeit benötigen würden, dass die pädagogische Arbeit (hierunter könnte zum Beispiel Schulentwicklung fallen) hintenangestellt werden müsste. Ganz deutlich benennt er zudem, dass diese Rolle des primus inter pares allein schon aus dem Umstand resultiere, dass sich das Zeitdeputat für Leitungsaufgaben aus einer stundenweisen Unterrichtsermäßigung ergibt („Ah ja, dem Lehrer geben wir mal eine Entlastung für Schulleitungstätigkeit. Es impliziert das ja“; IGS-6-M: 56–56). In diesem Zusammenhang thematisiert er auch die aus seiner Sicht fehlende Anerkennung für Schulleiterinnen und Schulleiter („Ja, ihr Schulleiter, ja was ganz Wichtiges und so weiter. Nur merkt man es nicht wirklich“; IGS-6-M: 57–57). Im Zusammenhang mit einem später zu entwickelnden Gesamtmodell der Schulleitungsrolle an Schwerpunktschulen zeigt sich in dieser Analyse die Bedeutung, die die Rahmenbedingung des Schulleitungshandelns für Rekontextualisierungsprozesse auf Ebene der Schulleitung haben. Ob sich diese Bedeutung ausschließlich auf die Rekontextualisierung der eigenen Schulleitungsrolle oder auch auf die Rekontextualisierung schulischer Inklusion erstreckt, wird im nachfolgenden Abschnitt analysiert.

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7 Ergebnisse der qualitativen Inhaltsanalyse

7.4.11 Zusammenhänge zwischen der Sichtweise auf Inklusion und Rahmenbedingungen für Schulleitung Die Analysen im vorigen Abschnitt haben deutlich gezeigt, dass die Rahmenbedingungen für Schulleitungshandeln in Wechselwirkung mit der Führungsorientierung der Schulleiterinnen und Schulleiter stehen und sich darauf auswirken, welche Gestaltungsmöglichkeiten diese sehen. Aus der Annahme, dass die Entwicklung positiver Grundhaltungen gegenüber veränderten Aufgaben und umzusetzenden Innovationen im Zusammenhang mit den Rahmenbedingungen des eigenen Handelns stehen, lässt sich theoretisch vermuten, dass auch die Grundhaltung gegenüber Inklusion – folglich also die Sichtweise auf Inklusion – von den Rahmenbedingungen für Schulleitungshandeln beeinflusst wird. Als augenscheinlicher Widerspruch erscheint daher zunächst, dass sich im Interviewmaterial weder in einer quantitativen Analyse noch auf qualitativer Ebene Zusammenhänge zwischen den Kategorien „Rahmenbedingungen für Schulleitungshandeln an Schwerpunktschulen“ und „Sichtweisen auf Inklusion“ feststellen lassen. Sowohl das Inklusionsverständnis der befragten Schulleiterinnen und Schulleiter als auch die eigene Auseinandersetzung mit Inklusion im Sinne der heuristisch angelegten Typologie von Idealisten, Realisten, Handwerkern und Skeptikern erweisen sich in der empirischen Analyse als unabhängig von den Rahmenbedingungen für Schulleitungshandeln. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich allerdings, dass dies nur scheinbar ein Widerspruch ist. Im Interviewleitfaden wurde ursprünglich nur von Rahmenbedingungen für Schulleitung an Schwerpunktschulen ausgegangen. In der Inhaltsanalyse zeigte sich dann aber, dass die Schulleiterinnen und Schulleiter weitestgehend zwischen den Rahmenbedingungen für Schulleitungshandeln und den Rahmenbedingungen für Schwerpunktschulen differenzieren. Die bisher behandelten Rahmenbedingungen für Schulleitung werden von den Interviewpartnerinnen und -partnern aber als allgemein relevant für den Beruf der Schulleiterin bzw. des Schulleiters gesehen und damit unabhängig von Inklusion. Damit ist es schlüssig, dass der Einfluss dieser allgemeinen Bedingungen sich eher allgemein auf die Führungsorientierung auswirkt – und nicht auf die sehr spezifische und themenbezogene Sichtweise auf Inklusion. Es ist daher nachfolgend davon auszugehen, dass eher die als Rahmenbedingungen für die Entwicklung von Schwerpunktschulen beschriebenen Umstände in einem Zusammenhang mit der Sichtweise auf Inklusion stehen dürften.

7.5 Rahmenbedingungen für die Entwicklung von Schwerpunktschulen

293

7.5 Rahmenbedingungen für die Entwicklung von Schwerpunktschulen In Abgrenzung zur zuvor unter Punkt 7.4 beschriebenen Hauptkategorie wird unter der Hauptkategorie „Rahmenbedingungen für die Entwicklung von Schwerpunktschulen“ die Sichtweise der befragten Schulleitungen auf die Rahmenbedingungen gefasst, die ihnen für die (Weiter-)Entwicklung von Schwerpunktschulen bzw. für die generelle Umsetzung schulischer Inklusion an ebendiesen als relevant erscheinen. Das Kategoriensystem mit Angabe der jeweiligen Häufigkeiten findet sich in Tabelle 7.15.

294

7 Ergebnisse der qualitativen Inhaltsanalyse

Tab. 7.15: Kategorien und Unterkategorien der Hauptkategorie „Rahmenbedingungen für die Entwicklung von Schwerpunktschulen“ mit Anzahl der kodierten Textsegmente (in Klammern Anzahl der Interviews, aus denen die Textsegmente stammen) Kategorie Gesellschaftliche & Politische Bedingungen Politik / Verwaltung Deskriptiv Kritische Aspekte Positive Aspekte Gesellschaftliche Einstellungen / Haltungen Deskriptiv Negative Einstellungen / Haltungen Positive Einstellungen / Haltungen Interaktion mit Eltern von Schülerinnen / Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf Deskriptiv Tendenz negativ Tendenz positiv Personelle Bedingungen Sonderpädagogische Personalausstattung Deskriptiv Tendenz negativ Tendenz positiv Fortbildung, Supervision und kolleg. Beratung Inklusionsorientierte Lehrkräftebildung Kollegiale Beratung Angebote des Pädagogischen Landesinstituts – Bewertung Externe Fortbildner Fortbildungskosten Supervision Ausstattung des Sekretariats Deskriptiv Tendenz negativ Tendenz positiv Weitere personelle Bedingungen (z. B. „Projekt erweiterte Selbstständigkeit“, Kontinuität, Bezahlung) Deskriptiv Tendenz negativ Tendenz positiv Einstellungen im Kollegium Deskriptiv Tendenz negativ Tendenz positiv Fortsetzung auf nächster Seite

Anzahl

1 31 1

(1) (9) (1)

6 2

(2) (1)

3 3 1

(3) (2) (1)

4 36 7

(3) (8) (5)

1 2 7 4 6 2

(1) (2) (4) (3) (3) (1)

4 13 3

(4) (5) (2)

3 8 6

(2) (6) (4)

5 2 9

(4) (1) (6)

7.5 Rahmenbedingungen für die Entwicklung von Schwerpunktschulen

295

Fortsetzung Tabelle 7.15

Kategorie Abordnung der Förderschullehrkräfte Einschränkungen, Probleme Keine Einschränkungen, Probleme Positive Aspekte Zeitliche Ressourcen Einsatzbereitschaft des Kollegiums Deskriptiv Tendenz negativ Tendenz positiv Probleme der allgemeinpädagogische Personalausstattung Materielle und Finanzielle Bedingungen Keine Tendenz erkennbar Tendenz negativ Tendenz positiv Bauliche Bedingungen Deskriptiv Tendenz negativ Tendenz positiv Bedingungen aus dem Konzept Schwerpunktschule heraus Weitere unterstützende Bedingungen Erfahrungen mit spezifischen (Sinnes-)Beeinträchtigungen Vorteile gewachsener Strukturen Weitere herausfordernde Bedingungen Kombination mit Schulstrukturreform / weiteren Entwicklungen Soziokulturelles Milieu der Schülerschaft Lage / Standorte Schülerinnen / Schüler ohne „offziellen“ sonderpädagogischen Förderbedarf Halbtagsangebot als Schwierigkeit Sinkende Schülerzahlen Schulgröße als wichtiger Faktor

Anzahl 10 6

(5) (5)

9

(4)

2 0 6 7

(2) (0) (6) (2)

3 10 4

(3) (6) (4)

1 15 0 10

(1) (8) (0) (6)

4 2

(2) (2)

13 10 6 6 2 1 1

(4) (6) (6) (5) (2) (1) (1)

7.5.1 Gesellschaftliche und politische Rahmenbedingungen Unter diser Kategorie werden Bedingungen für schulische Inklusion zusammengefasst, die sich auf den Ebenen „Politik und Verwaltung“, „Gesellschaftliche Haltungen und Einstellungen“ sowie „Interaktion mit Eltern von Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf“ verorten lassen. Jede dieser Unterkategorien gliedert sich in die folgenden Ausprägungen: • „Deskriptive Aussagen“: Rahmenbedingungen werden von den Interviewpartnerinnen und -partnern berichtet, aber nicht eindeutig bewertet) • „Positive Aspekte“ • „Kritische Aspekte“

296

7 Ergebnisse der qualitativen Inhaltsanalyse

7.5.1.1 Politik und Verwaltung Eine Schulleiterin äußert sich positiv zur Unterstützung ihrer Schule durch die Schulaufsicht bei Problemen mit Eltern (GS-2-W: 71–71). Allerdings frage sie bei vielen Punkten auch nicht bei der Schulaufsicht nach, da sie ohne Rückfragen mehr individuellen Freiraum für ihre Schule habe (GS-2-W: 23–23). Insgesamt überwiegen bei den durch Politik und Verwaltung bedingten Rahmenbedingungen die negativ formulierten Aussagen (9 von 15 befragten Schulleiterinnen und Schulleitern). Die Hauptkritikpunkte der Schulleiterinnen und Schulleiter sind vor allem, dass so häufig wechselnde, zu viele und zu unrealistische / praxisferne Anforderungen an die Schulen gestellt würden und dass politische bzw. administrative Entscheidungen mit zu wenig Beteiligung der Schulen getroffen würden, so zum Beispiel: „Es wird soviel Geld in die Hand genommen, um solche Systeme aufzubauen. Statt an der Basis zu fragen, was wirklich nutzt oder wie man es besser nutzen könnte oder wie man besser damit umgehen könnte. Das wäre wesentlich einfacher und unter dem Strich sicherlich auch günstiger am Ende. Aber nicht gewollt.“ (GS-1-W: 66–66)

Als Beispiel für unrealistische Vorgaben nennt dieselbe Schulleiterin: „Die Vorgabe der ADD heißt: Nicht mehr als zwei pro Klasse aufzunehmen, was natürlich völlig utopisch ist, also, wenn ich zwei aufnehme, weiß ich, da ist eine ganze Menge noch mit drin, denn die Eltern – gerade bei uns – die Eltern melden sehr bewusst bei uns an. Also, wenn der Kindergarten signalisiert: Oh, Ihr Kind hätte da vielleicht Probleme. Dann sagen nicht unbedingt, mein Kind hat da Probleme, sondern die sagen: Ich möchte Ganztagsschule – und dann ist das Kind erstmal da.“ (GS-1-W: 14–14)

Ferner erlebten mehrere Schulleiterinnen und Schulleiter die Beauftragung als Schwerpunktschule als kurzfristig und / oder über den Kopf der Schule hinweg, wie im folgenden Beispiel veranschaulicht: „Ich war an der (Name) und die wurde von abends 18 Uhr bis morgens 8 Uhr zur Schwerpunktschule. Also wir wurden einfach nicht gefragt und das war so. Punkt.“ (RS-6-M: 46–46)

Da die angesprochene Schule erst im Jahr 2012 zur Schwerpunktschule ernannt wurde, steht diese Aussage im Widerspruch zu den Aussagen der Schulaufsicht im Rahmen des Projekts GeSchwind. Dort wird berichtet, dass nach der ersten Anfangsphase der Schwerpunktschulen bereits länger darauf geachtet werde, Schulen

7.5 Rahmenbedingungen für die Entwicklung von Schwerpunktschulen

297

nicht kurzfristig als Schwerpunktschule zu beauftragen (Laubenstein, Lindmeier, Guthöhrlein & Scheer, 2015, S. 95–96). Allerdings berichteten die Interviewpartnerinnen und -partner aus der Schulaufsicht auch, dass gegebenenfalls durch die Feststellung von sonderpädagogischem Förderbedarf und den Elternwunsch auf inklusiven Unterricht je nach Lage sehr kurzfristig ein zu deckender Bedarf für eine neue Schwerpunktschule entstehen könne. Dies werde dann versucht, mit den beteiligten Schulen transparent zu regeln. Die im Interview mit Schulleiter RS-6-M festzustellende gegenteilige Wahrnehmung (aus der Retrospektive als damaliger Lehrer) verweist somit auf ein mögliches Kommunikationsproblem entweder schulintern oder im Zusammenspiel mit der Schulaufsicht. Hieraus lässt sich zumindest ein Bedarf an effektiveren Kommunikationsstrukturen ableiten. Ein Schulleiter moniert, dass durch Mittelstreichungen trotz erfolgreicher Projektberichte Maßnahmen beendet würden, die die Schule selbst als hilfreich erlebt habe (in diesem Fall das Konzept des Trainingsraums43 ). Einzelne Schulleiterinnen und Schulleiter schreiben der Schulaufsicht bei der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) ein hohes Engagement, ein offenes Ohr und Unterstützungsbereitschaft zu, stellen jedoch fest, dass die Umsetzungsmöglichkeit fehle. Teilweise wird dies mit Kritik an der nächsthöheren politischen Instanz erklärt („Allerdings muss ich sagen, dass hier meine Verärgerung gegenüber dem Ministerium groß ist.“; IGS-4-M: 37–37). Teilweise wird diesbezüglich allerdings auch festgestehalten, dass vor allem finanzielle Rahmenbedingungen über den Landeshaushalt geklärt werden müssten, auf den auch das Ministerium nur sehr begrenzt Einfluss nehmen könne: „Das ist in meinen Augen eine finanzielle Sache. Und da muss ein Umdenken stattfinden und da müssen aber politische Prioritäten gesetzt werden. Entweder sagt man: Ja. Bildung ist mir das wert. Ich spare an anderer Stelle. Das Geld ist ja nicht vermehrbar. Oder: Mit der Mangelwirtschaft machen wir so weiter, wie es bisher war.“ (RS-1-M: 31–31)

Eine Schulleiterin wünscht sich klarere Entscheidungen und damit verbunden stärkere Vorgaben aus der Politik: „Und die Politik, die ja gewählt ist und die das ja darf, also die sind doch gewählt und dann sollen sie doch bitte auch manchmal einfach sagen: So und 43

Dass das Trainingsraumkonzept schon an sich aus Sicht des Förderschwerpunkts Emotionale und Soziale Entwicklung nicht nur ethisch höchst problematisch ist, sondern auch grundlegendes Wissen über Verhaltensstörungen missachtet, soll hier nicht weiter diskutiert werden.

298

7 Ergebnisse der qualitativen Inhaltsanalyse

so und so wird es gemacht. Fertig. Und das dann auch zugeben. Wo ist denn das ein Problem?“ (RS-5-W: 15–15)

In dieser Aussage wird wiederum ein Widerspruch zu Aussagen anderer Schulleiterinnen und Schulleiter deutlich, die, wie oben dargestellt, eine zu starke Reglementierung bemängeln, d. h., es kann zu diesem Aspekt aus dieser Stichprobe heraus kein eindeutiges Bild skizziert werden. 7.5.1.2 Gesellschaftliche Haltungen und Einstellungen Zwei Schulleiterinnen (GS-1-W; IGS-1-W) sehen ein Problem in Vorurteilen der Eltern von Schülerinnen und Schülern ohne sonderpädagogischen Förderbedarf bzw. der Eltern von vermeintlich sehr leistungsstarken Schülerinnen und Schülern. Einerseits bezieht sich das auf das Vorurteil, dass Inklusion als Benachteiligung auf Kosten der möglicherweise leistungsstarken Schülerinnen und Schüler gehen könnte („Das Vorurteil ist immer noch da. Keine Frage. Das kriegen wir auch nie raus“, GS-1-W: 31–31), und andererseits auf eine Variante desselben Vorurteils, die sich gegen Gesamtschulen insgesamt richtet („Jaaa, ihr habt ja in der Klasse Hauptschüler. Das kann ja gar nicht so gut sein wie am Gymnasium. Sieh mal zu, wenn du die Versetzung in die Elf hast, dann sieh aber ganz schnell zu, dass du ans Gymnasium kommst, weil du hier ja benachteiligt würdest“, IGS-1-W: 60–60). Die Schulleiterin aus Interview GS-2-W sieht dieses Problem nicht, sondern berichtet in positiver Weise, wie überzeugt der Großteil der Eltern vom Konzept der Schule sei: „Das ist einfach so, dass die Eltern vollkommen überzeugt sind von unserem Konzept. Ich denke, da machen wir einfach eine gute Elternarbeit.“ (GS-2-W: 20–20)

Deutlich wird in dieser Aussage die Überzeugung, dass diese positive Haltung auf eine gute Elternarbeit, also gelingende Kommunikation (und somit erfolgreiche „Symbolisierung“, um in den Worten des Modells von Bolman und Deal zu sprechen), zurückzuführen sei. Allerdings bezieht sich Schulleiterin GS-2-W explizit auf die Eltern der Schülerinnen und Schüler an der Schule, während in Interview GS-1-W der Fokus auf den Eltern liegt, die ihre nicht beeinträchtigten Kinder unter dem als Vorwand interpretierten Grund der gebundenen Ganztagsschule nicht an dieser Grundschule anmelden, sondern anderswo:

7.5 Rahmenbedingungen für die Entwicklung von Schwerpunktschulen

299

„Und wenn ich sehe, dass unsere Schülerzahlen zurückgehen, ein Stück weit, liegt es auch mit daran, dass man in der Öffentlichkeit nicht sagen kann – das gehört sich ja nicht –, ich geh da nicht hin an die Schule, weil da behinderte Kinder sind oder beeinträchtigte Kinder sind. Aber man kann sehr wohl in der Öffentlichkeit sagen, ich geh da nicht hin, weil da Ganztagsschule ist. Ja? Das ist in der Öffentlichkeit zu sagen. Das darf man öffentlich machen. Das Andere macht man eben nicht.“ (GS-1-W: 31–31)

7.5.1.3 Interaktion mit Eltern von Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf Rein deskriptiv stellen zwei Schulleiterinnen fest, dass Eltern von Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf noch einmal ganz spezifische Hoffnungen und Erwartungen mit dem Besuch einer Schwerpunktschule verbinden, die aber nicht immer erfüllbar seien („Aber Wunder kann man nicht vollbringen.“; GS-1-W: 64–64). Dies erfordere in der Beratung Ehrlichkeit über die gegebenen räumlichen, personellen und weiteren Rahmenbedingungen gegenüber den Eltern („man muss ihnen reinen Wein einschenken und Sie müssen dann auch ehrlich mit allem sein“; IGS-1-W: 39–39). Diese zum Teil aus Sicht der Schulleiterinnen und Schulleiter teilweise unrealistischen Erwartungen von Eltern werden von zwei Schulleiterinnen kritisch als belastend beschrieben („hoffen immer auf den großen Durchbruch und die große Entwicklung und sind dann durchaus enttäuscht, wenn ihr Kind nicht beinahe das Abitur schafft“; IGS-1-W: 25–25), insbesondere wenn die Eltern die Beeinträchtigung ihres Kindes oder auch ihre eigene Rolle im Erziehungsprozess und in der Förderung aus Sicht der befragten Schulleiterinnen nicht annehmen könnten („weil die Eltern oft die Beratung nicht annehmen, weil die Eltern auch enorm die Schulleitung in die Pflicht nehmen“, IGS-1-W: 25–25; „weil das war ausgerechnet auch noch ein Vater von einem behinderten Kind, ja. Der hat aber nicht, er hat nicht akzeptiert, dass sein Kind diese Beeinträchtigung hatte. Das hat er einfach nicht akzeptiert. Konnte er nicht. Der wollte unbedingt, dass sein Kind irgendwann Abitur macht“, RS-5-W: 54–54). Jedoch beschreibt auch ein Schulleiter seine Erfahrungen mit der Beratung von Eltern beeinträchtigter Schülerinnen und Schüler positiv: „Ich muss ja dann auch mit den Eltern reden. Ich muss den Eltern auch sagen: Hören sie mal, wir hätten gerne, dass ihr Kind, und so weiter, ja. Und da habe

300

7 Ergebnisse der qualitativen Inhaltsanalyse

ich noch nie von den Eltern gehört ein Nein. Nie. Die sind froh, dass sich mal jemand um die Kinder kümmert letztendlich, ja.“ (RS-3-M: 48–48)

7.5.2 Personelle Bedingungen Die personellen Rahmenbedingungen sind ein Aspekt, der einen großen Raum innerhalb vieler Interviews einnahm, woraus sich seine Bedeutung für die befragten Schulleiterinnen und Schulleiter ablesen lässt. Unter dieser Kategorie wurden verschiedenste Teilaspekte zusammengefasst, wie beispielsweise die Ausstattung mit Förderschullehrkräften, Fortbildungsmöglichkeiten für Lehrkräfte, aber auch die Ausstattung des Schulsekretariats. 7.5.2.1 Sonderpädagogische Personalausstattung Rein deskriptiv lässt sich festhalten, dass die befragten Schulleiterinnen und Schulleiter der Ausstattung mit Förderschullehrkräften und pädagogischen Fachkräften eine hohe Bedeutung beimessen (z. B.: „Und die können das allein nicht stemmen. Das ist unmöglich. Und deswegen sind die angewiesen auf Hilfe. Und wenn die Hilfe da ist, ist es gut, aber wenn nicht, dann ist es nur ein Rumdoktern, aber nicht grundsätzliche Veränderung“, RS-3-M: 42–42), wobei teilweise noch die Vorstellung der durchgängigen Doppelbesetzung als ideale Voraussetzung dominiert. Dass diese – materiell und administrativ mutmaßlich nicht zu erfüllende und zudem hinsichtlich der tatsächlichen Effektivität zumindest diskussionswürdige – Forderung gerade in den bereits seit langem bestehenden Schwerpunktschulen (z. B. GS-1-W) vertreten wird, lässt sich aus der spezifischen Geschichte des Gemeinsamen Unterrichts in Rheinland-Pfalz heraus erklären, wie auch die Befunde des Projekts GeSchwind insgesamt zeigen (Laubenstein, Lindmeier, Guthöhrlein & Scheer, 2015, S. 279). Dort stellt sich die durchgängige Doppelbesetzung als „Relikt aus dem Integrationsklassenmodell dar, das in Gefahr steht, eine ‚personalisierte, additive Service-Leistung‘ (vgl. Reiser 1998) in den Regelschulen zu implementieren“ (Laubenstein, Lindmeier, Guthöhrlein & Scheer, 2015, S. 279) und von Schwerpunktschulen vom Typus der Idealisten (vgl. Punkt 7.3.2) zumindest nicht vorrangig präferiert wird (Laubenstein, Lindmeier, Guthöhrlein & Scheer, 2015, S. 262). Acht der befragten Schulleiterinnen und Schulleiter, also über die Hälfte, äußern sich kritisch zur Ausstattung mit sonderpädagogischem Personal. Der Grundtenor

7.5 Rahmenbedingungen für die Entwicklung von Schwerpunktschulen

301

ist die als zu gering eingestufte Zuweisung von Förderschullehrkräften. Dabei gibt es unterschiedliche Argumentationsgrundlagen: • An einer Grundschule wurde durch die Pauschalierung ein Drittel der Förderschullehrkräftewochenstunden gestrichen, wodurch das bisher erprobte Schulkonzept nicht mehr fortgeführt werden konnte und es vermehrt zu Einzelfördermaßnahmen („Wir hatten nahezu 90 % Doppelbesetzung. Die haben wir nicht mehr. Das tut natürlich weh“, GS-1-W). Auch zwei weitere Schulen, eine Realschule Plus und eine integrierte Gesamtschule, haben durch die Umstellung auf die pauschalierte Zuweisung deutliche Kürzungen erlebt. An der Realschule Plus (RS-4-M) haben 17 % der Schülerinnen und Schüler einen sonderpädagogischen Förderbedarf, sodass der sogenannte Vollausbau der Schwerpunktschule, für den die Stundenzuweisung gedacht ist, um 70 % überschritten ist. An der integrierten Gesamtschule (IGS-5-W-Gr) wurde konzeptionell versucht, „eine Kraft pro Klasse von Klasse fünf bis neun durchlaufen zu lassen als festen, kontinuierlichen Ansprechpartner“ (IGS5-W-Gr: 106–106), was nach der Pauschalierung nun nicht mehr möglich sei. • An einer integrierten Gesamtschule wurden von einem Schuljahr zum nächsten 20 % der Stunden an Förderschullehrkräften abgezogen. Die Schulleiterin reflektiert dies als den Punkt, an dem alles zusammenbreche: „Auch, wenn man nicht ständig doppelt besetzt sein muss, aber wenn man nur zwei oder drei Stunden doppelt gesetzt ist, das ist einfach / da lernen alle nichts.“ (IGS-1-W: 38–38). • Insgesamt beschreiben die Schulleiterinnen und Schulleiter es als kritisch, dass sie die an sich gute Idee, die Zuweisung nicht mehr an einzelnen Schülerinnen und Schülern festzumachen, als eine Sparmaßnahme erleben und dass insgesamt mit der bestehenden sonderpädagogischen Ausstattung die Möglichkeiten der Schwerpunktschule hinsichtlich gelingender Inklusion sehr eingeschränkt seien. • Ebenfalls kritisch gesehen wird, dass Förderschullehrkräfte und pädagogische Fachkräfte (also Erzieherinnen, Erzieher, Sozialpädagoginnen, Sozialpädagogen etc.) in der Zuweisung äquivalent gerechnet würden, obwohl sich dahinter unterschiedliche Qualifikationen verbergen würden. Eine Schulleiterin formuliert dies drastisch: „Aber das, was uns hier die Förderlehrer vermitteln, auch von ihrem Know-how und Wissen vom Studium, die Professionalisierung, die

302

7 Ergebnisse der qualitativen Inhaltsanalyse

hat ein pädagogischer Schulsozialpädagoge nicht, ist aber billiger“ (IGS-1-W: 57–57). Fünf der befragten Schulleiterinnen und Schulleiter empfinden die zugewiesene Stundenzahl für Förderschullehrkräfte bzw. pädagogische Fachkräfte als passend bzw. weitestgehend in Ordnung, wobei sie explizit betonen, dass dies ihre Situation sei und sie von anderen Schulen wüssten, an denen dies nicht der Fall sei. 7.5.2.2 Abordnung der Förderschullehrkräfte Eng verwoben mit der sonderpädagogischen Personalausstattung ist der Aspekt des Abordnungsstatus. Zum Zeitpunkt der Interviews waren die Förderschullehrkräfte und pädagogischen Fachkräfte an Schwerpunktschulen lediglich zeitlich befristet von einer Förderschule („Stammschule“) aus abgeordnet und wurden dienstrechtlich noch dort geführt (theoretisch mit der Pflicht zu Konferenzteilnahmen etc.). Unter der Voraussetzung, dass sie mit vollem Deputat seit mindestens zwei Jahren an derselben Schwerpunktschule beschäftigt sind, können Förderschullehrkräfte mittlerweile auch einen Versetzungsantrag stellen (wodurch sich auch die Möglichkeit der Bewerbung auf einzelne Funktionsstellen an der Schwerpunktschule ergibt). Das Prozedere der Abordnung von Förderschullehrkräften und pädagogischen Fachkräften wird von keiner Schulleiterin und keinem Schulleiter explizit positiv bewertet bzw. befürwortet. Allerdings äußern sich fünf Interviewpartnerinnen und -partner dahingehend, dass sie für die Schwerpunktschule dadurch keine Einschränkung erleben. Dies führen sie vor allem auf eine gute direkte Zusammenarbeit mit der Stammschule oder den betreffenden Förderschullehrkräften zurück oder aber auch auf darauf, dass sie aus ihrem eigenen Selbstverständnis heraus die Führung übernehmen („Ja, aber letztendlich wenn die bei uns sind, wenn die bei uns arbeiten, dann habe ich auch die Personalführung. Ja?“ (GS-1-W: 53–53) Fünf Schulleiterinnen und Schulleiter hingegen erleben den Status durch die Abordnung als einschränkend und problematisch. Besonders häufig wird dabei die Problematik der Gutachtenerstellung angesprochen („Und dann werden natürlich auch die ganzen Gutachten zu schreiben sein. Ja, was ist? Vier volle Tage werden diese Kollegen abgezogen. Eine tolle Rahmenbedingung“, IGS-1-W: 35–35). Aber auch die Abhängigkeit von der Leitung der Stammschule und die damit einhergehende manchmal fehlende Kontinuität in den abgeordneten Personen werden bemängelt, ebenso die fehlende Möglichkeit der Bewerbung auf Funktionsstel-

7.5 Rahmenbedingungen für die Entwicklung von Schwerpunktschulen

303

len und Einschränkungen beim Zusammengehörigkeitsgefühl als Bestandteil des Kollegiums. Unter Einbezug der Einschränkungen bei der Personalführung und Personalentwicklung fasst dies die Schulleiterin einer Realschule Plus zusammen: „Die Personalentwicklung ist das, wo man halt dann wirklich sagen kann, das ist so das Allerwichtigste überhaupt in der Schwerpunktschule oder eines der wichtigsten Dinge. Und was in dem Zusammenhang natürlich auch wichtig ist, ich weiß jetzt, sie kennen ja das System in Rheinland-Pfalz, die Förderschullehrer sind ja an einer Stammschule und werden ja dann abgeordnet an die Schwerpunktschule. Und das finde ich persönlich eigentlich, das ist noch so ein Knackpunkt. Mag sein, dass das insofern wichtig ist, dass man dann auch diese, wie soll ich sagen, dass man auch diesen Kontakt zu anderen Förderschullehrern dann auch nicht verliert, ja. Weiß es nicht. Also einen Sinn macht es für mich einfach wirklich, einen Förderschullehrer an einer Regelschule einzustellen und der Schulleiter ist natürlich auch der Schulleiter der Förderschullehrerin. Und vor allen Dingen das ist ein ganz wichtiger Punkt: Wenn ich Inklusion will, dann muss ich endlich auch von oben sagen, ja, auch ein Förderschullehrer hat die Möglichkeit, sich in einem solchen integrativen System auf eine Schulleitungsstelle zu bewerben.“ (RS-5-W: 11–11)

7.5.2.3 Zeitliche Ressourcen Ebenfalls in Verbindung mit der Ausstattung an (sonderpädagogischem Personal) sind zeitliche Ressourcen im Allgemeinen zu sehen. Aus Sicht der Schulleiterinnen und Schulleiter ist es dringend erforderlich, an Schwerpunktschulen die Höhe der Unterrichtsverpflichtung für alle Lehrkräfte zu senken, um im Stundenplan sowohl verbindliche Teamzeiten als auch verbindliche Zeiträume für Beratungsund Kooperationsgespräche, gleichermaßen schulintern (z. B. Beratung durch die Förderschullehrkräfte) und mit externen Partnerinnen und Partnern (Jugendamt, schulpsychologischer Dienst etc.), einplanen zu können. Zudem führe unter anderem die steigende Notwendigkeit von Dokumentation (z. B. bezogen auf Förderpläne) dazu, dass die ungebundene Arbeitszeit nicht mehr ausreiche, um Unterrichtsplanung und weitere Aufgaben in vollem Maße zu erfüllen. 7.5.2.4 Ausstattung des Sekretariats Ferner stellt sich in den Interviews heraus, dass die Schulleitungen das Sekretariat als eine sehr wichtige Ressource für die Schulentwicklung erleben, auch was die Entwicklung als Schwerpunktschule angeht. Schulleiterinnen und Schulleiter, die sich bezüglich dieser Rahmenbedingung positiv äußern, betonen insbesondere die

304

7 Ergebnisse der qualitativen Inhaltsanalyse

Einsatzbereitschaft und das fachliche Können ihrer jeweiligen Sekretärinnen und Sekretäre sowie deren Bereitschaft auch Verwaltungs- bzw. betriebswirtschaftliche Aufgaben der Schulleitung zu übernehmen, die formal nicht in deren Verantwortungsbereich fallen würden. Die zentrale Forderung der Schulleitungen ist, dass eigentlich an allen Schultagen mindestens während der gesamten Schulzeit das Sekretariat besetzt sein müsste, einerseits als Ansprechpartnerin und -partner für Lehrkräfte, Eltern, Schülerinnen und Schüler und andererseits als Entlastung der Schulleitung in der Verwaltung, sodass Schulleitung sich mehr auf inhaltliche Arbeit, Personalentwicklung und Schulentwicklung konzentrieren könnte. In diesem Zusammenhang wird auch gefordert, dass Schulsekretariate vorrangig mit Verwaltungsfachkräften und Fachkräften mit entsprechenden betriebswirtschaftlichen Kompetenzen ausgestattet werden müssten. Neben den rein deskriptiven Äußerungen zur Ausstattung des Sekretariats finden sich bei vier Schulleiterinnen und Schulleitern ausschließlich kritische, bei einer Schulleiterin sowohl kritische als auch positive und bei einem weiteren Schulleiter ausschließlich positive Aspekte. 7.5.2.5 Einstellungen und Einsatzbereitschaft des Kollegiums In den beiden Kategorien „Einstellungen im Kollegium“ und „Einsatzbereitschaft des Kollegiums“ stellen die Schulleiterinnen und Schulleiter dar, dass das Thema Schwerpunktschule mit einem deutlich erhöhten Arbeitsaufwand für die Kolleginnen und Kollegen einhergehe („Es ist eine Menge Arbeit für die Kollegen, unendlich“, GS-1-W: 27–27; „Es ist mehr Aufwand, weil definitiv nicht in jeder Stunde ein Förderlehrer dabei sein kann“, IGS-6-M: 23–23). Gleichzeitig erfordere das Thema Inklusion einen Perspektivenwechsel bei den Lehrkräften (RS-2-W-Gr) und eine Offenheit gegenüber der Arbeit in Teams (GS-3-W-Gr). Manche Schulleiterinnen und Schulleiter berichten von Ängsten, auf die sie im Kollegium gestoßen seien (RS-2-W-Gr, IGS-5-W-Gr). Insgesamt werden die Einstellungen im Kollegium von sechs Schulleiterinnen und Schulleitern als eher positiv und dem Thema Inklusion zugewandt bzw. als die Schwerpunktschule akzeptierend (IGS-6-M) beschrieben, wobei sich dies nicht ausschließlich auf das Thema Inklusion bezieht, sondern auch auf die Bereitschaft zur Teamarbeit und zur Nicht-Thematisierung der Gehaltsunterschiede in den Teams. Bei einem Schulleiter wird explizit thematisiert, dass es natürlich auch einzelne

7.5 Rahmenbedingungen für die Entwicklung von Schwerpunktschulen

305

Kolleginnen und Kollegen mit „erhebliche[n] Vorbehalte[n]“ (RS-1-M: 15–15) gebe. Die hohe Einsatzbereitschaft und Bereitschaft zur Mehrarbeit wird von allen Schulleiterinnen und Schulleitern, die diese Kategorie eröffnen (sechs Interviews), als sehr hoch bzw. positiv bewertet. 7.5.2.6 Fortbildung, Supervision und kollegiale Beratung Eine Schulleiterin (RS-2-W-Gr) äußert, dass an ihrer Schule die kollegiale Beratung gut genutzt werde. Eine andere Schulleiterin (IGS-2-W) führt dies noch weiter und fordert, dass die Inanspruchnahme kollegialer Beratung nicht „in das Belieben eines Kollegen gestellt werden“ (IGS-2-W: 39–39) dürfe, sondern verpflichtend geregelt sein müsste. Die Leiterin einer Grundschule hingegen fordert ein, dass es für Lehrkräfte an Schwerpunktschulen eine Pflicht zur Teilnahme an professioneller Supervision geben müsse, was aus ihrer Sicht sinnvoller sei als Fortbildungen in traditioneller Form (GS-2-W). Die Fortbildungsangebote des pädagogischen Landesinstituts werden von den befragten Schulleiterinnen und Schulleitern sehr differenziert und unterschiedlich bewertet. Neben guten Erfahrungen mit einzelnen Referentinnen und Referenten wird vor allem kritisiert, dass einerseits häufig die Fortbildungsthemen bzw. -gestaltung nicht die Bedarfe der Schulen hinsichtlich inklusiver Schulentwicklung treffen würden (hier wird mehr Prozessbegleitung als inhaltlicher Input gewünscht) und dass bei theoretischen Themen häufig Lehrkräfte als Referentinnen und Referenten fungieren würden, die sich selbst über Sekundärliteratur in ein Thema einarbeiten, anstatt dass dezidierte Fachexpertinnen und -experten zu bestimmten Themen engagiert würden. Hier muss ergänzt werden, dass diese kritischen Aussagen von drei Interviewpartnern stammen (IGS-3-M-Gr, RS-3-M, RS-4-M), während ein Schulleiter sich über ein Angebot zur Gesprächsführung, angeboten über den schulpsychologischen Dienst, sehr positiv äußert (RS-6-M). Drei weitere Schulleiterinnen und Schulleiter (GS-2-W, RS-5-W, RS-6-M) äußern sich zwar nicht direkt kritisch gegenüber dem internen Fortbildungsprogramm des pädagogischen Landesinstituts, bevorzugen aber ganz offensichtlich externe Fortbildnerinnen und -fortbildner, thematisieren dabei aber auch die entstehenden Kosten:

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7 Ergebnisse der qualitativen Inhaltsanalyse

„Es gibt durchaus gute Fortbildungen. Aber die besten Fortbildungen sind die, die Geld kosten würden und die nicht unbedingt jetzt bei einem Landesinstitut sind, ja.“ (RS-5-W: 72 –72)

Dass diese Kosten nicht (oder zumindest nicht in ausreichendem Ausmaß) vom Land getragen würden und dass die Schulen hier auf zusätzliches Fundraising angewiesen seien (bzw. Lehrkräfte auch privat die Kosten übernehmen), wird von drei Schulleiterinnen und Schulleitern (GS-2-W, RS-5-W, IGS-6-M) problematisiert: „Also Fortbildungskosten, dass die uns erstattet würden. Wir haben zwar einen Topf als IGS. Nur dreihundert pro Jahr. Damit kann man mächtig was reißen. Aber als Schwerpunktschule und als Ganztagsschule können wir auch was abrufen. Das haben wir einmal schon genutzt. Aber das nutzen wir eigentlich nicht regelmäßig. Fortbildungsangebote wären auch schön für Schulleitung. Ich brauche keine mehr. Ich habe schon so viele Fortbildungen gemacht und bin eigentlich gesättigt, weil die wenigsten waren gewinnbringend. Es waren eigentlich nur die gewinnbringend, die ich selber bezahlt habe, die nicht von schulischer Seite durchgeführt wurden.“ (IGS-6-M: 48–48)

7.5.2.7 Weitere personelle Rahmenbedingungen: Allgemeinpädagogische Personalausstattung und Weiteres Eher singulär wird von zwei Schulen (GS-1-W, RS-4M) die Ausstattung mit Lehrkräften im Allgemeinen kritisiert. Bei einer der beiden Schulen (GS-1-W) ist dies dadurch bedingt, dass, nachdem die Schule sich im Rahmen der Ganztagsschule für die Zwei- statt Dreizügigkeit entschieden hatte, die Klassenmesszahl auf 24 gesenkt wurde. Dadurch könne die Schule die Grenze von 180 Schülerinnen und Schüler nun nicht mehr überschreiten, sodass zum Zeitpunkt des Interviews eine erhebliche Kürzung der Stundenzuweisung erwartet wurde. Von erheblichen Kürzungen berichtet auch der Schulleiter RS-4-M. Weitere personelle Rahmenbedingungen, die in den Interviews thematisiert werden, sind: • Die Unterstützung im Rahmen des PES-Konzepts44 , vor allem durch Studierende. • Der Wunsch nach mehr personeller Kontinuität an einzelnen Schulen. • Die Forderung nach Einstellung von Ergo-, Physiotherapeutinnen und -therapeuten, Logopädinnen und Logopäden, Pflegekräften sowie Schulpsycholo44

Zu PES (Projekt erweiterte Selbstständigkeit) siehe S. 202

7.5 Rahmenbedingungen für die Entwicklung von Schwerpunktschulen

307

ginnen und -psychologen direkt an den Schulen sowie besserer Ausstattung der Schulsozialarbeit. • Ein Mehrbedarf an Unterstützung durch psychologische Beratungsinstitute. • Der Bedarf, dass pädagogische Fachkräfte separat von Förderschullehrkräften eingestellt werden, um spezifische pädagogische Angebote und Unterstützungen vorhalten zu können. • Es wird sowohl als zeitlicher Mehraufwand, aber auch als inhaltlicher Gewinn betrachtet, dass an der Schwerpunktschule sowohl für das entsprechende Lehramt des Schultyps als auch für das sonderpädagogische Lehramt Praktikantinnen, Praktikanten, Lehramtsanwärterinnen und Lehramtsanwärter ausgebildet werden. 7.5.3 Materielle und finanzielle Rahmenbedingungen Auf einer deskriptiven Ebene stellt ein Schulleiter (IGS-3-M) für seine Schule fest, dass er keinen zusätzlichen materiellen Bedarf gegenüber einer Schule ohne den Auftrag als Schwerpunktschule bemerke, wobei er dies darauf zurückführt, dass sonderpädagogisch an seiner Schule ausschließlich die Förderschwerpunkte Lernen sowie Hören vertreten seien. Ein weiterer Schulleiter (IGS-6-M) berichtet, dass die finanzielle Ausstattung überwiegend vom Träger abhänge und nicht in erster Linie vom Land. Der Schulleiter RS-6-M weist auf die Problematik hin, die beim Fundraising bezüglich Werbeträger an der Schule bestehe. Insgesamt kommen sechs Schulleiterinnen und Schulleiter zu einer tendenziell negativen Einschätzung der finanziellen und materiellen Ausstattung ihrer Schule bzw. äußern einen Mehrbedarf im Vergleich zur aktuellen Ausstattung. Dies bezieht sich insgesamt vor allem auf die Mehrbedarfe an Lehrmitteln, Differenzierungsmaterial, Unterstützungstechnologien etc. durch den pädagogischen Auftrag der Schwerpunktschule: „Und das, ja, die finanzielle Ausstattung, dass ja auch die finanzielle Unterstützung nicht gegeben ist gerade in diesem Bereich. Man braucht ganz andere Lernmittel, ja. Man braucht ganz andere Zugänge, ja. Und das ist nicht gegeben.“ (RS-6-M: 51–51)

Aber auch ganz generell wird von einem Schulleiter (RS-1-M) kritisiert, dass Lehrkräfte auf eigene Kosten Stifte, Papier, Computer und andere Arbeitsmittel erwerben müssten, da diese nicht vom Arbeitgeber gestellt würden. Das Argument der steuerlichen Absetzbarkeit lässt er dabei nicht gelten („da kann natürlich so ein Schlauberger

308

7 Ergebnisse der qualitativen Inhaltsanalyse

kommen und kann mir sagen: Kannst du doch von der Steuer absetzen. Der kann keine Mathematik“, RS-1-M: 40–40). Von diesen sechs Schulleiterinnen und Schulleitern (RS-2-W-Gr, IGS-4-M) äußern zwei aber zusätzlich auch positive Aspekte bezüglich der materiellen Ausstattung. Im Interview RS-2-W-Gr zeigt sich dabei die direkte Verbindung aus dem geäußerten Optimierungsbedarf und der gleichzeitigen grundsätzlichen Zufriedenheit mit der vorhandenen Ausstattung: „Ich wünsche mir für meine Förderschulkräfte noch mehr Möglichkeiten, noch einen Teamraum. An der Schule sind wir dran am Arbeiten. Ich wünsche mir, ja, so insgesamt noch ein bisschen mehr Fördermaterialien, Geld, wo wir mit Schülern arbeiten können vielleicht mit eigenen Laptops oder so, wenn sie mal arbeiten auch am Nachmittag im Rahmen der Ganztagsschule. Da wünsche ich mir noch ein paar Sachen. Aber sonst denke ich, sind wir ganz gut hier im, in unserer Schule bedient vom Rahmen.“ (RS-2-W-Gr: 51–51)

Der Schulleiter IGS-4-M hingegen drückt zunächst seine grundsätzliche Verärgerung über die aus seiner Sicht mangelnde finanzielle Ausgestaltung zum Ausdruck („Das ist nicht zu Ende gedacht und das ist nicht zu Ende gemacht: Hängt am Geld“, IGS-4-M: 34–34), berichtet dann aber als positiv, dass alle Teams einen eigenen Arbeits- bzw. Teamraum mit Arbeitsplätzen, Besprechungstisch, Kühlschrank und Spülmaschine haben. Zwei weitere Schulleiterinnen empfinden die Budgetierung durch den Schulträger als ausreichend (IGS-5-W-Gr, RS-5-W). 7.5.4 Bauliche Bedingungen Acht der befragten Schulleiterinnen und Schulleiter äußern sich deutlich kritisch zur baulichen Situation ihrer Schule, ein Schulleiter hingegen eher neutral. Dabei werden folgende Kritikpunkte deutlich: • Die Schulbaurichtlinie sieht aus Sicht der Schulleiterinnen und Schulleiter viel zu kleine Klassenräume vor, in denen ein binnendifferenzierter Unterricht in Doppelbesetzung kaum möglich sei. • Ferner fehle es an zusätzlichen Differenzierungs- und Förderräumen. • Eine Schulleiterin würde sich einen zusätzlichen Team- und Besprechungsraum für das sonderpädagogische Personal wünschen. • Die Unterstützung durch den Schulträger bei der Herstellung von Barrierefreiheit wird oftmals als mangelhaft beschrieben. An einer Grundschule

7.5 Rahmenbedingungen für die Entwicklung von Schwerpunktschulen

309

beispielsweise seien über vier Jahre hinweg in Ermangelung eines Fahrstuhls die einen Rollstuhl nutzenden Kinder getragen worden: „Und seitdem warten wir auf den Aufzug, den wir brauchen, um mit den Kindern (Abbruch). Noch tragen wir eben die Rollstühle. Also einer trägt das Kind und der andere trägt den Rollstuhl. Wieviel blaue Flecken das bedeutet, brauche ich ihnen nicht zu sagen.“ (GS-3-W-Gr: 88–88)

7.5.5 Bedingungen aus dem Konzept Schwerpunktschule heraus Folgende Rahmenbedingungen für inklusive Schulentwicklung sehen die befragten Schulleiterinnen und Schulleiter, die sich direkt dem Ansatz der Schwerpunktschule zuordnen lassen: • Eine Schulleiterin konstatiert, dass Inklusion in Rheinland-Pfalz lediglich heiße, die Schwerpunktschulen beizubehalten, dass also der Status quo eine andere Bezeichnung erhalte („Das ist das Gleiche, was wir immer schon hatten. Nur heißt das jetzt Inklusion. Blödsinn“, GS-1-W: 65–65). • Eine Schulleiterin (IGS-1-W) thematisiert die Problematik für Schülerinnen und Schüler aus dem Förderschwerpunkt Ganzheitliche Entwicklung45 im Kontext des Übergangs in die berufliche Bildung46 . • Ein Schulleiter kritisiert die Ernennung seiner Schule zur Schwerpunktschule, da er der Auffassung ist, dass diese zu sehr mit bereits laufenden Schulentwicklungsprozessen (Planung / Aufbau der gymnasialen Oberstufe) kollidierte („und da kam es uns nicht so zupass, sage ich einmal, dass wir dann von oben sozusagen die Schwerpunktschule aufgestülpt bekommen haben“, IGS-3-M-Gr). • Selbiger Schulleiter erlebt es als problematisch, dass aus seiner Sicht an Grundschulen eher zurückhaltend mit der Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfs umgegangen werde, sodass dann zu Beginn der Sekundarstufe die „Testungen“ (IGS-3-M-Gr: 5–5) erfolgten und damit zu einem prozentual höheren Anteil an Schülerinnen und Schülern mit Förderbedarf führten als vorgesehen.

45 46

Entspricht in Rheinland-Pfalz dem Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung im Sinne der KMKEmpfehlungen Zwischenzeitlich wurde an einzelnen berufsbildenden Schulen das sogenannte BVJ-I oder integrative Berufsvorbereitungsjahr eingeführt, das Schülerinnen und Schüler dieses Förderschwerpunkts aufnimmt.

310

7 Ergebnisse der qualitativen Inhaltsanalyse

• Einem Schulleiter (IGS-4-M) fehlt es an einem zu Ende gedachten Vorgehen / Konzept mit ordentlicher Finanzierung und parteiübergreifendem Konsens über dieses Vorgehen (IGS-4-M). • Ein weiterer Schulleiter (RS-4-M) kritisiert, dass in der Sekundarstufe die Gymnasien und Privatschulen als Schwerpunktschule außen vor seien. Dies würde dem Ziel inklusiver Bildung zuwiderlaufen. Außerdem würde dies dazu führen, dass sich an Realschulen Plus sowie integrierten Gesamtschulen die (sozialen) Probleme kumulieren und dadurch ein differenzierter Unterricht in tatsächlich heterogenen Gruppen erschwert werde. • Eine Schulleiterin bezeichnet die Rahmenbedingungen für Schwerpunktschulen als insgesamt schlecht („Also die Rahmenbedingungen sind schlecht. Ist so. Dann machen wir halt das Beste daraus“, IGS-5-W-Gr: 101–101). 7.5.6 Weitere unterstützende Bedingungen Eine Schule hat bereits vor der Beauftragung als Schwerpunktschule eng mit einer Schule aus dem Förderschwerpunkt Hören zusammengearbeitet und entsprechende Konzepte für hörgeschädigte Schülerinnen und Schüler entwickelt, während eine weitere Schule über viel Erfahrung und spezielle Konzepte im Umgang mit Autismus verfügt. Beides wird von den Schulleiterinnen und Schulleitern als hilfreich bei der Umsetzung des Auftrags als Schwerpunktschule erlebt. Ebenfalls als hilfreich erlebt wird es von zwei Schulleiterinnen (IGS-1-W, GS-2-W), dass an ihren Schulen gewachsene Strukturen herrschten, die bereits den Grundgedanken für Inklusion beinhalteten und für die Entwicklung als Schwerpunktschule aktiviert werden können. 7.5.7 Weitere herausfordernde Bedingungen Zudem wurden in den Interviews die folgenden herausfordernden bzw. problematischen Rahmenbedingungen genannt: • Schulstrukturreform / Weitere Entwicklungen: Vier Schulleiterinnen und Schulleiter, deren Schulen im Rahmen der Schulstrukturreform bzw. in der weiteren Folge von einer Realschule oder Hauptschule zu einer Realschule Plus oder einer integrierten Gesamtschule wurden und zugleich als Schwerpunktschule beauftragt wurden, beschreiben dieses Zusammenfallen von Reformen als besonders herausfordernd für die Schulentwicklung.

7.5 Rahmenbedingungen für die Entwicklung von Schwerpunktschulen

311

• Besonderheiten von Standort / Lage der Schule: In diesem Zuge wird von vier Schulleiterinnen und Schulleitern als weitere Bedingung die Dislozierung47 ihrer Schule genannt – also, dass die Schule aus zwei unter Umständen mehrere Kilometer voneinander entfernten Standorten besteht, zwischen denen die Lehrkräfte pendeln müssen. Dies trifft beispielsweise auf einige Schulen zu, die durch die Zusammenlegung einer Haupt- und einer Realschule zu einer Realschule Plus oder integrierten Gesamtschule wurden. Weitere Standortbedingungen, die genannt werden, sind die Lage einer Schule im Grenzgebiet zweier Landkreise, die die Kooperation mit zwei Förderschulen erfordert sowie die Nähe einer Schule zu einem NATO-Stützpunkt. • Soziokulturelles Milieu der Schülerschaft: Sechs der Schulleiterinnen und Schulleiter, und zwar unabhängig von der Lage der Schule (Stadt vs. Land) oder ihrem Schulaufsichtsbezirk, beschreiben aus ihrer Sicht dramatische Veränderungen in der sozio-kulturellen Lage ihrer Schülerschaft und damit einhergehenden Problemen, die für die Arbeit der Schule als herausfordernder erlebt werden als die Arbeit mit Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf. • Schülerinnen und Schüler mit Lernschwierigkeiten ohne sonderpädagogischen Förderbedarf: Einzelne Schulen beschreiben das Problem, dass es wesentlich mehr Schülerinnen und Schüler mit Bedarf an sonderpädagogischer Unterstützung an den Schulen gebe, als tatsächlich im Rahmen eines Feststellungsverfahrens einen sonderpädagogischem Förderbedarf attestiert bekämen. Da diese aber trotz der pauschalierten Zuweisung nicht in der Ausstattung der Schule kalkuliert seien, würden zur erfolgreichen Unterstützung nicht immer ausreichend Mittel zur Verfügung stehen. Dies wiederum führt dazu, dass Schulleiterinnen und Schulleiter das Feststellungsverfahren im Rahmen schulischer Inklusion als rein organisatorisch notwendig ansehen („Also ich brauche, ich brauche im Gliederungsplan eigentlich nur den Förderstatus, damit ich Stunden kriege“, RS-5-W: 30–30 in der Hauptkategorie „Definition schulischer Inklusion“). • Weiteres: Zudem benennt eine Schulleiterin Grenzen der Möglichkeiten im Rahmen einer Halbtagsschule und eine Schulleiterin sieht sinkende Schülerzahlen als Problem an. 47

Der Begriff der Dislozierung bezeichnet in Rheinland-Pfalz die Aufteilung einer Schule auf mehrere Standorte.

312

7 Ergebnisse der qualitativen Inhaltsanalyse

7.5.8 Schulgröße als wichtiger Faktor Eine Schulleiterin vertritt die Auffassung, dass Schwerpunktschulen, um erfolgreich inklusiv arbeiten zu können und um den Bedürfnissen von Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf gerecht werden zu können, insgesamt nicht zu groß sein dürften: „Die Systeme dürften nicht zu groß sein. Also ich glaube, dass wenn wir für unsere Förderschüler, unsere Schule ist eigentlich noch ideal. In unsere Schule würde ich auch mein Kind bringen. Das wäre kein Problem, ja. Aber ich kenne halt wirklich auch Riesensysteme, wie zum Beispiel IGS (Name). Da waren meine Kinder, ja. Diese Förderschullehrerin, die die hatten im Regelunterricht, ja, die war genial. Die war echt genial. Also kann ich überhaupt nichts (Abbruch) Ich fand das auch wirklich toll, ja, aber an ein solches System wollte ich ein Kind, was sowieso mit vielen Dingen überfordert ist, würde ich nicht hinbringen. Also ich würde mir, so eine dreizügige Schule, das ist eigentlich noch überschaubar, da kennt man noch jeden, ja, das wäre ok. Aber niemals an so ein, an so ein 800 bis 1000 Schüler System.“ (RS-5-W: 83–83)

7.5.9 Sichtweise auf Inklusion und Thematisierung der Rahmenbedingungen an Schwerpunktschulen Tabelle 7.16 zeigt getrennt nach zugrunde liegendem Verständnis von Inklusion, welche Rahmenbedingungen am häufigsten thematisiert wurden (Anzahl der Interviews). Während bei den beiden Gruppen, die ein pragmatisches Verständnis von Inklusion vertreten, die Rahmenbedingungen aus Politik und Verwaltung mit unter den jeweils häufigsten Nennungen vertreten sind, sind bei den beiden Gruppen, die Inklusion entweder menschenrechtsbasiert oder auf Anerkennung, Teilhabe und Wohlfühlen bezogen definieren, die Einstellungen des Kollegiums unter den häufigst genannten Rahmenbedingungen. Zugleich thematisieren die Schulleiterinnen und Schulleiter, die ihr Inklusionsverständnis über die Differenzlinie Behinderung konstituieren, die materiellen und finanziellen Rahmenbedingungen stärker als diejenigen Schulleiterinnen und Schulleiter, die ein weites Inklusionsverständnis vertreten. Die Ausstattung mit sonderpädagogischem Personal spielt über alle Gruppen hinweg eine große Rolle, wobei sie in der Gruppe, die Inklusion über die UN-Behindertenrechtskonvention definiert, lediglich unter den am zweithäufigsten thematisierten Rahmenbedingungen zu finden ist. Diese Unterschiede bzw. Muster legen die Vermutung nahe, dass für die Frage, welche Rahmenbedingungen als besonders bedeutsam erlebt werden, die zugrunde

Politik / Verwaltung (1)

Sonderpädagogische Personalausstattung (1) Fortbildung, Supervision und Kollegiale Beratung (1) Einsatzbereitschaft des Kollegiums (1) Materielle und Finanzielle Bedingungen (1)

Einstellungen im Kollegium (4)

Materielle und finanzielle Bedingungen (4) Sonderpädagogische Personalausstattung (3) Fortbildung, Supervision und Kollegiale Beratung (3) Ausstattung des Sekretariats (3)

Einstellungen im Kollegium (4)

Weitere personelle Bedingungen (4)

Sonderpädagogische Personalausstattung (4) Ausstattung des Sekretariats (4)

Anerkennung / Teilhabe / Wohlfühlen

Interaktion mit Eltern von Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf (3) Weitere personelle Bedingungen (4) Fortbildung, Supervision und Kollegiale Beratung (3) Einsatzbereitschaft des Kollegiums Bauliche Bedingungen (3) (4)

Sonderpädagogische Personalausstattung (6) Fortbildung, Supervision und Kollegiale Beratung (6) Abordnung der Förderschullehrkräfte (6) Ausstattung des Sekretariats (4)

Politik / Verwaltung (6)

Pragmatisch II

Anm.: UN-Behindertenrechtskonvention = Verständnis auf Basis der UN-Behindertenrechtskonvention; Pragmatisch I = Pragmatisches Verständnis I (Leistungsentwicklung bezogen auf Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf); Pragmatisch II = Pragmatisches Verständnis II (Leistungsentwicklung bezogen auf verschiedene Dimensionen von Heterogenität und Diversität)

Bedingungen aus dem Modell SPS heraus (1) Schülerinnen und Schüler ohne „offiziellen“ sonderpädagogischen Förderbedarf (1)

Bauliche Bedingungen (1)

Pragmatisch I

UNBehindertenrechtskonvention

Tab. 7.16: Die am häufigsten thematisierten Rahmenbedingungen getrennt nach Inklusionsverständnis der Schulleiterinnen und Schulleiter (Zahlen in Klammern entsprechen der Anzahl der Interviews innerhalb der jeweiligen Gruppe, in denen diese Kategorie bzw. zugehörige Unterkategorien thematisiert wurden)

7.5 Rahmenbedingungen für die Entwicklung von Schwerpunktschulen 313

314

7 Ergebnisse der qualitativen Inhaltsanalyse

liegende Definition von Inklusion eine bedeutsame, jedoch keineswegs determinierende Rolle spielen kann. Einschränkend ist jedoch zu sagen, dass die einzelnen Rahmenbedingungen für Schwerpunktschulen gerade in der Gruppe Pragmatisches Verständnis I (Leistungsentwicklung bezogen auf Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf) jeweils lediglich von einer Schulleiterin bzw. einem Schulleiter thematisiert wurden, sodass die Aussagekraft zu dieser Gruppe eher gering ist. Zwischen den Gruppen „Idealisten“, „Realisten“, „Handwerker“ und „Skeptiker“ lassen sich so deutliche Muster nicht erkennen. Jedoch kann festgestellt werden, dass die „Idealisten“ im Vergleich besonders stark auf kritische Aspekte der Kategorie „Weitere personelle Bedingungen“ eingehen, sich hier eine breitere Bandbreite an unterstützendem Personal und mehr Kontinuität wünschen. Außerdem fokussiert diese Gruppe sehr stark die sozio-kulturellen Milieus ihrer Schülerschaft und die Lage bzw. Standorte ihrer Schulen. 7.5.10 Führungsorientierung und Thematisierung der Rahmenbedingungen an Schwerpunktschulen Analog dazu, dass zwischen den spezifischen Rahmenbedingungen für Schulleitungshandeln und der Sichtweise der Schulleiterinnen und Schulleiter kein Zusammenhang festgestellt werden konnte, ergeben sich auch zwischen den spezifischen Rahmenbedingungen für Schwerpunktschulen und der Führungsorientierung keine Zusammenhänge. Damit wird die unter Punkt 7.4.11 aufgestellte These gestützt, dass die Rahmenbedingungen für Schulleitungshandeln und die Rahmenbedingungen für Schwerpunktschulen zwei getrennt zu betrachtende sehr spezifische inhaltliche Aspekte sind und damit auch ausschließlich mit themenspezifischen Sichtweisen bzw. Rekontextualisierungsprozessen in direkter Wechselwirkung stehen. Dies schließt einen indirekten Zusammenhang insofern nicht aus, als dass die Führungsorientierung und die Sichtweise auf Inklusion selbst miteinander in einer wechselseitigen Beziehung stehen, wenn es um die Rekontextualisierung des Auftrags als Schwerpunktschule geht. 7.6 Umsetzung des Konzepts Schwerpunktschule an den einzelnen Schulen In den Interviews wurden, wie Tabelle 7.17 zeigt, bezüglich der Umsetzung des Konzepts Schwerpunktschule überwiegend organisatorische Aspekte auf einer allgemeinen Ebene thematisiert. Dabei zeigt sich eine ähnliche Vielfalt der Umsetzungs-

7.6 Umsetzung des Konzepts Schwerpunktschule an den einzelnen Schulen

315

Tab. 7.17: Kategorien und Unterkategorien der Hauptkategorie „Umsetzung des Konzepts Schwerpunktschule an den einzelnen Schulen“ mit Anzahl der kodierten Textsegmente (in Klammern Anzahl der Interviews, aus denen die Textsegmente stammen) Kategorie Team- / Kooperationsstrukturen Jahrgangsteams Fachkonferenz / Fachgruppe / Besprechungszeiten Feste Klassenteams Zuordnung der FöLWStd. zu Klassen Zuordnung der FöLWStd. zu Schülerinnen / Schülern Unklar / Oder: Weitere Formen Klassenbildung Schwerpunkt- / Integrationsklassen Verteilung der Schülerinnen / Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf Formen inklusiven Unterrichts Differenzierung im Fachunterricht & gegebenenfalls zusätzl. Förderung für Schülerinnen / Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf Individualisierter Unterricht Individuelle Förderung einzelner Schülerinnen / Schüler (ohne Bezug zu sonderpädagogischem Förderbedarf) Förderung durch Förderschullehrkräfte im Fachunterricht Unklar / Verschiedenes Schulweite Konzepte / Leitfäden / Materialien Leitfäden / Materialien für die Arbeit Scüler-Lehrer-Eltern- / Entwicklungsgespräche Berufsorientierungskonzepte für Schülerinnen / Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf Trainingsraum Schulweite Diagnostik- / Förderplankonzepte Parallelisierung von Inhalten Eigene Tagesgruppe Ruheraum für Schüler Verschiedenes Schriftliches Integrations- / Inklusionskonzept Verschiedenes

Anzahl 13 11 11 8 7 2

(4) (6) (3) (2) (2) (2)

5 2

(3) (2)

18

(3)

10 4

(4) (1)

3 4

(1) (3)

6 3 3

(2) (2) (3)

3 3 2 2 1 5 5 3

(3) (2) (2) (1) (1) (3) (3) (3)

316

7 Ergebnisse der qualitativen Inhaltsanalyse

möglichkeiten, wie sie auch in der übergreifenden Analyse des Projekts GeSchwind sichtbar wurde (Laubenstein, Lindmeier, Guthöhrlein & Scheer, 2015). Die in den Interviews thematisierten Aspekte umfassen im Wesentlichen die Teamund Kooperationsstrukturen an der Schule, die Klassenbildung, die Formen inklusiven Unterrichts, schulweite Konzepte / Leitfäden / Materialien sowie schriftlich fixierte Integrations / Inklusionskonzepte. Anzumerken ist, dass, da die einzelnen Aspekte nicht explizit erfragt wurde, nicht in jedem Interview jeder Aspekt behandelt wird. 7.6.1 Team / Kooperationsstrukturen Sechs der befragten Schulleiterinnen und Schulleiter gaben an, dass es an ihrer Schule eine Fachkonferenz bzw. Fachgruppe Schwerpunktschule (bzw. Integration, Inklusion, o. ä.) gibt. An einer dieser Schulen (GS-2-W) ist diese Fachgruppe in der Form institutionalisiert, dass ein festes wöchentliches Zeitfenster für alle Förderschullehrkräfte und pädagogischen Fachkräfte zur Verfügung steht, in dem die Besprechung stattfindet. Im generellen Einsatz des sonderpädagogischen Personals im Rahmen der Schwerpunktschule gibt es folgende Modelle: • An drei integrierten Gesamtschulen (IGS-2-W, IGS-4-M, IGS-6-M) und einer Realschule Plus (RS-6-M) werden feste Jahrgangsteams gebildet, an den drei Grundschulen feste Klassensteams. • An einer Realschule Plus (RS-2-W-Gr) und einer integrierten Gesamtschule (IGS-5-W-Gr) werden die Förderschullehrerwochenstunden einzelnen Klassen zugewiesen. An der Realschule Plus vor dem Hintergrund sogenannter Schwerpunktklassen (siehe Kategorie „Klassenbildung“) und an der integrierten Gesamtschule mit dem Ziel, dass eine über die Schuljahre kontinuierlich begleitende Ansprechperson für alle Schülerinnen und Schüler zur Verfügung steht. • An einer integrierten Gesamtschule (IGS-3-M-Gr) und einer Realschule Plus (RS-5-W) werden die Förderschullehrerwochenstunden den Schülerinnen und Schülern mit festgestelltem sonderpädagogischem Förderbedarf zugewiesen, an der integrierten Gesamtschule mit dem Ziel der individuellen Lernbegleitung innerhalb des Fachunterrichts, an der Realschule Plus im Sinne einer konstanten Bezugsperson für dieses Kind über die gesamte Schulzeit hinweg.

7.6 Umsetzung des Konzepts Schwerpunktschule an den einzelnen Schulen

317

An einer Realschule Plus ist aus der Beschreibung („Das wird eigentlich im Team abgesprochen zwischen Regellehrer und Förderlehrer wie sie vorgehen“, RS-1M: 9–9) nicht erkennbar, welche Kooperationsstruktur im Detail vorherrscht, im Interview mit dem Leiter einer weiteren Realschule Plus (RS-3-M) wird der Aspekt der Team- / Kooperationsstrukturen gar nicht behandelt. Ergänzend zu den Klassenteams nennt die Leiterin einer Grundschule (GS-2-W) die an der Schule institutionalisierte kollegiale Hospitation. 7.6.2 Klassenbildung Zur Frage der Klassenbildung liegen Informationen von fünf Interviewpartnerinnen und -partnern vor. Dabei ist zusammenfassend zu sagen, dass davon drei die Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf in Integrations- oder Schwerpunktklassen bündeln (RS-1-M, RS-2-W-Gr, RS-6-M), während diese an zwei anderen Schulen (GS-1-W, IGS-6-M) auf die Klassen eines Jahrgangs verteilt werden. Wesentlich erscheint hier jedoch nicht das konkrete Vorgehen an sich, sondern die dahinter liegende Begründung: Bei der Bildung von Schwerpunkt- oder Integrationsklassen begründet ein Schulleiter (RS-1-M) das Vorgehen mit der Bündelung der zur Verfügung stehenden Förderschullehrerwochenstunden. Eine andere Schulleiterin (RS-2-W-Gr) begründet diese Klassen damit, dass sie so zunächst in einzelnen Klassen eine gute Praxis etablieren, den Blick auf die Bedarfe der Schülerinnen und Schüler schärfen und damit schrittweise Ängste und Vorbehalte im Kollegium abbauen könne, sodass schrittweise immer mehr Integrationsklassen gebildet werden können. Bereits an dieser Stelle zeigt sich die praktische Auswirkung der Führungsorientierung. Der Schulleiter, dem es um die Bündelung der Ressourcen geht, hat eine hohe Ausprägung im Structural Frame und im Human-Resource Frame, in den weiteren Rahmen aber eher niedrige Ausprägungen, während die Schulleiterin, die mit den Integrationsklassen ihrer Schule eine Agenda verfolgt, zusätzlich noch eine hohe Ausprägung im Political Frame aufweist. Gleichzeitig unterscheiden sich beide Personen hinsichtlich ihrer Sichtweise auf Inklusion: Der Schulleiter RS-1-M definiert Inklusion überwiegend über die UN-Behindertenrechtskonvention und äußert sich darüber hinaus tendenziell optimistisch, aber ohne klaren Bezug zu einem der vier Typen. Die Schulleiterin RS-2-W-Gr hingegen definiert Inklusion über Teilhabe / Anerkennung / Wohlbefinden und wurde der Gruppe der Idealisten zugeordnet.

318

7 Ergebnisse der qualitativen Inhaltsanalyse

Eine nahezu identische Konstellation bei den Rahmenausprägungen zeigt sich im Vergleich des Schulleiters (IGS-6-M) und der Schulleiterin (GS-1-W), die an ihrer Schule die Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf auf die Klassen des Jahrgangs verteilen. Ersterer, in der Führungsorientierung vor allem auf Structural und Human-Resource Frame fokussiert, begründet sein Handeln mit der Anzahl entsprechender Schülerinnen und Schüler („Wir haben die Förderkinder auch nicht alle zusammen in einer Klasse, weil wir haben, ich glaube im Achter-Jahrgang sind es, waren es am Anfang zehn Förderkinder, die wir hatten von 90 Anmeldungen. Ja. Das gleich im ersten Jahr, das ist schon viel“, IGS-6-M: 23–23). Zweitere, in der Führungsorientierung zudem auch auf den Political Frame aufmerksam, wägt eher pädagogische bzw. auf jeden Fall inhaltliche Aspekte ab („welche Integrationskinder gebe ich dazu oder welche Integrationskinder habe ich da und wie teile ich die auf, dass das auch funktioniert“, GS-1-W: 13–13). Diese Schulleiterin wurde zudem dem Inklusionsverständnis „Pragmatisches Verständnis bezogen auf die Leistungsentwicklung aller Schülerinnen und Schüler“ zugeordnet sowie der Gruppe der Realisten, während Schulleiter IGS-6-M dem Inklusionsverständnis „UN Behindertenrechtskonvention“ sowie der Gruppe der Idealisten zugeordnet wurde. 7.6.3 Formen inklusiven Unterrichts An vier Schulen steht nach Aussage der Schulleitung der individualisierte Unterricht im Klassenverband im Mittelpunkt des inklusiven Unterrichts. Neben den drei Grundschulen betrifft dies auch eine der Realschulen Plus (RS-4-M), wobei diese Kategorienzuordnung in dem Fall indirekt erfolgt: Der Schulleiter beschreibt die Teilnahme am Projekt „Gemeinsam Klasse – Inklusion macht Schule“ der Universität Trier. Dass dabei der individualisierte Unterricht als Zielperspektive anvisiert ist, geht aus der Projektbeschreibung hervor48 . An einer Grundschule (GS-2-W) wird die Unterrichtsentwicklung im gesamten Schulteam angegangen, unter anderem, indem selbstdifferenzierende Aufgaben für die Phasen des eigenverantwortlichen Arbeitens ausgearbeitet werden. An dieser Schule existieren auch parallelisierte Arbeitspläne für die einzelnen Jahrgangsstufen, sodass trotz der Individualisierung des Unterrichts eine Kontinuität für die einzelnen 48

https://www.uni-trier.de/fileadmin/fb1/prof/PAD/BW1/pdf/Projekt_Standop/Homepage_Projekt_ Gemeinsam-Klasse_Ueberarb_Jutta_9514.pdf, Stand: 7.8.2018

7.6 Umsetzung des Konzepts Schwerpunktschule an den einzelnen Schulen

319

Schülerinnen und Schüler über die Schuljahre hinweg gewährleistet wird (siehe auch Kategorie „Schulweite Konzepte / Leitfäden / Materialien“). Eine andere Grundschule (GS-3-W-Gr) nutzt zur Entwicklung individualisierten Unterrichts den Index für Inklusion als Werkzeug für schulweite Unterrichtsentwicklung. Drei Schulleiterinnen und Schulleiter beschreiben, dass bei ihnen an der Schule das Prinzip der Binnendifferenzierung (z. B. in Form sogenannter heterogener Tischgruppen) gilt, ergänzt um partielle zusätzliche Förderangebote bzw. spezielle Trainings (z. B. Fach „Lebenspraxis“ für Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf im Förderschwerpunkt Ganzheitliche Entwicklung), die stundenweise außerhalb des Klassenverbands stattfinden (IGS-1-W, IGS-2-W, IGS-5-W-Gr). Je eine Schulleitung beschreibt zusätzliche, auch außerhalb des Klassenraums stattfindende, Einzel- oder Kleingruppenfördermaßnahmen, die nicht auf Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf festgelegt sind (RS-5-W) sowie die Lernbegleitung / Unterstützung der Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf begleitend zum regulären Unterricht durch die Förderschullehrkräfte (IGS-3-M-Gr). Aussagen, die sich keiner dieser Varianten zuordnen ließen, fanden sich in drei Interviews. Hinsichtlich eines Zusammenhangs mit den Sichtweisen der Schulleiterinnen und Schulleiter auf Inklusion lässt sich hier nur festhalten, dass die Umsetzungsform der unterrichtsintegrierten Förderung der Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf durch Förderschullehrkräfte an der Schule praktiziert wird, deren Schulleiter Inklusion über das auf die Leistungsentwicklung der Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf bezogene Verständnis definiert und Inklusion insgesamt skeptisch sieht. Die anderen beschriebenen Umsetzungsformen hingegen werden fast ausschließlich an Schulen praktiziert, deren Schulleiterinnen und Schulleiter bezüglich ihrer Führungsorientierung in drei oder mehr Rahmen eine mindestenz tendenziell hohe Ausprägung zeigen. 7.6.4 Schulweite Konzepte / Leitfäden / Materialien Insgesamt lassen sich in zehn der 15 Interviews Aussagen zu schulweiten Konzepten, Leitfäden oder Materialien finden, wobei ein Schulleiter (RS-3-M) drei Unterka-

320

7 Ergebnisse der qualitativen Inhaltsanalyse

tegorien anspricht, sieben Schulleiterinnen und Schulleiter zwei Unterkategorien (IGS-1-W, GS-2-W, IGS-2-W, RS-2-W-Gr, RS-4-M, IGS-5-W-Gr, RS-6-M) sowie eine Schulleiterin (GS-3-W-Gr) und ein Schulleiter (IGS-4-M) je eine Unterkategorie. Es sei hier noch einmal darauf hingewiesen, dass, wenn diese Kategorie bzw. einzelne Unterkategorien in einem Interview nicht zu finden sind, dies aufgrund der offenen Form des Interviews nicht darauf schließen lässt, dass keine schulweiten Konzepte, Leitfäden und Materialien an dieser Schule zum Einsatz kommen. 7.6.4.1 Leitfäden / Materialien für die Arbeit Zwei Schulleiterinnen, beide mit hoher struktureller und personaler Aufmerksamkeit in der Führungsorientierung, beschreiben schulweit eingesetzte Leitfäden und Materialien für die Arbeit der Lehrkräfte. An einer integrierten Gesamtschule (IGS-1-W) werden den Lehrkräften folgende Materialien zur Verfügung gestellt: • In Form von Prozess- / Ablaufdiagrammen eine Handreichung über formale Abläufe bzw. Handlungsbereiche und Aufgaben in Klassen mit Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf. • Analog zu den Operatoren für die Leistungsbeurteilung im Gymnasialbereich wurden diese Operatoren differenziert ausgearbeitet, auch für Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf in zieldifferenten Bildungsgängen. • Hinweise zur Zeugniserstellung für Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf. • Leitfaden für die Betriebserkundung im Rahmen der Berufsorientierung, in der die Abweichungen / Besonderheiten für Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf vermerkt sind. An einer Grundschule (GS-2-W) existiert ein einheitlicher Beobachtungsleitfaden zur Evaluation der eigenverantwortlichen Arbeitszeit im Rahmen kollegialer Hospitation. Außerdem werden in der wöchentlichen Teamzeit, die zur Unterrichtsentwicklung genutzt wird, klassen- / jahrgangsübergreifende Arbeitsmaterialien für den Gemeinsamen Unterricht entwickelt.

7.6 Umsetzung des Konzepts Schwerpunktschule an den einzelnen Schulen

321

7.6.4.2 Schüler-Lehrer-Eltern- / Entwicklungsgespräche Eine Schulleiterin (RS-2-W-Gr) und ein Schulleiter (IGS-4-M) gehen auf SchülerLehrer-Eltern- bzw. Entwicklungsgespräche an ihren Schulen ein, wobei die Schulleiterin der Realschule Plus lediglich kurz nennt, dass diese in der Erprobungsphase seien. Der Schulleiter der integrierten Gesamtschule (IGS-4-M) hingegen beschreibt auch das Vorgehen in der Vorbereitung (vorab Befragung der Schülerin bzw. des Schülers und der Eltern) und den ressourcenorientierten Ansatz des Gesprächs. Außerdem berichtet er, dass die Lehrkräfte für diese Gespräche gezielt von einem Schulpsychologen in ressourcenorientierter Gesprächsführung fortgebildet würden. Beide Schulleitungen in dieser Kategorie zeigen eine hohe personale Aufmerksamkeit in ihrer Führungsorientierung und können hinsichtlich der Auseinandersetzung mit Inklusion als Idealisten gesehen werden. 7.6.4.3 Berufsorientierungskonzepte für Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf Drei Schulleiterinnen und Schulleiter (IGS-2-W, RS-3-M, IGS-5-W-Gr) berichten über Berufsorientierungsmaßnahmen. Dabei beschreibt die Schulleiterin IGS-5W-Gr den direktern Kontakt zu und Austausch mit den unterschiedlichen Nachfolgeinstitutionen (Berufsbildende Schulen, Fachhochschulen, Universitäten) und Betrieben als wichtig. Die andere integrierte Gesamtschule (IGS-2-W) arbeitet laut Schulleiterin intensiv mit dem Integrationsfachdienst zusammen, während die Realschule Plus (RS-3-M) neben dem Praxistag eine Kooperation mit einem Berufsbildungswerk führt, in deren Rahmen Schülerinnen und Schüler, die mit einem Praktikum in einem Betrieb noch nicht zurecht kommen, sich dort in praktischen Berufen erproben können. 7.6.4.4 Trainingsraum Drei Schulleiter (RS-3-M, RS-4-M, RS-6-M) berichten, dass sie an der Schule einen Trainingsraum betrieben hätten oder noch betreiben49 . 49

Dabei handelt es sich um ein Konzept zum disziplinarischen Umgang mit Unterrichtsstörungen (Bründel & Simon, 2013), das für sich beansprucht, den Schülerinnen und Schülern konstruktiv Regelbewusstsein und soziale Kompetenz zu vermitteln. Das Konzept verfügt jedoch über keine stringente theoretische Begründung bzw. ignoriert wesentliche psychologische Erkenntnisse über die Entstehung gerade externalisierender Verhaltensprobleme, wie z. B. die sozial-kognitive Informationsverarbeitung (Crick & Dodge, 1994; Lemerise & Arsenio, 2000) oder Emotionsregulation

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7 Ergebnisse der qualitativen Inhaltsanalyse

Hinsichtlich der Führungsorientierung teilen sich die drei Schulleiter, die über den Trainingsraum berichten, eine mindestens tendenziell hohe Aufmerksamkeit auf dem Human-Resource Frame. Außerdem sind zwei von ihnen (RS-3-M, RS-4M) bei der Sichtweise auf Inklusion den Handwerkern zuzuordnen und einer den Realisten. Im Zusammenhang mit den Eigenschaften des Trainingsraums ist dies insofern plausibel, als dass dieser zunächst als eine schnell umzusetzende pragmatische Problemlösung im Kontext der sich der Schwerpunktschule stellenden Herausforderungen erscheint (Sichtweise auf Inklusion: Handwerker und Realisten) und, das zeigen die empirischen Befunde, als eine Entlastung für Lehrkräfte im Unterricht erlebt wird (Führungsorientierung Human-Resource Frame). 7.6.4.5 Schulweite Diagnostik- / Förderplankonzepte Eine Schulleiterin berichtet von einem schulweit einheitlichen und schriftlich fixierten Konzept zur Erstellung von bzw. Arbeit mit Förderplänen (RS-2-W-Gr). Eine weitere Schulleiterin (GS-3-W-Gr) verweist auf ein einheitliches Konzept zur unterrichts- und förderungsbegleitenden Diagnostik an ihrer Schule, das ebenfalls schriftlich fixiert ist. Diese beiden Schulleiterinnen bilden hinsichtlich ihrer Führungsorientierung gemeinsam den Cluster „Konventionell-klassisch mit erhöhter politischer Aufmerksamkeit“, vertreten das Inklusionsverständnis „Teilhabe / Anerkennen / Wohlfühlen“ und wurden hinsichtlich ihrer eigenen Auseinandersetzung mit Inklusion den „Idealisten“ zugeordnet. 7.6.4.6 Parallelisierung von Inhalten Zwei Schulleiterinnen (GS-2-W, IGS-5-W-Gr) berichten, dass mit schulintern abgestimmten Curricula gearbeitet wird, sei es in jahrgangsweiten Arbeitsplänen für die eigenverantwortliche Arbeitszeit (GS-2-W) oder in Form paralleler Inhalte über die Klassen eines Jahrgangs hinweg (IGS-5-W-Gr).

(Kullik & Petermann, 2012) ebenso wie grundlegende entwicklungspsychologische Erkenntnisse und negative Auswirkungen disziplinarischer Maßnahmen. Zudem liegen keine empirischen Wirksamkeitsbelege für den Trainingsraum vor, lediglich Befragungen von Lehrkräften, Schülerinnen und Schülern ohne tatsächliche Erfolgsprüfung (Bründel & Simon, 2013). Daher ist dieses Konzept in der fachwissenschaftlichen Diskussion des Förderschwerpunkts Emotionale und Soziale Entwicklung nicht nur umstritten, sondern wird fachintern nahezu durchweg abgelehnt.

7.6 Umsetzung des Konzepts Schwerpunktschule an den einzelnen Schulen

323

Beide Schulleiterinnen, die diesen Aspekt thematisierten, zeigen eine hohe Aufmerksamkeit auf dem Structural Frame sowie dem Human-Resource Frame und eine mindestens tendenziell hohe Aufmerksamkeit auf dem Political Frame und dem Symbolic Frame. Sie gehören beide dem Cluster „Multiframing / erhöhte personale Aufmerksamkeit“ an. Zudem vertreten beide das pragmatische, auf die Leistungsentwicklung aller Schülerinnen und Schüler bezogene Verständnis von Inklusion. 7.6.4.7 Weitere Aspekte Weitere einzeln genannte Aspekte schulweiter Konzepte sind ein Ruheraum für Schülerinnen und Schüler, eine eigene Tagesgruppe im Sinne der Jugendhilfe in Kooperation mit dem Jugendamt, ein Schulgarten an einer integrierten Gesamtschule, Sozialkompetenztrainings oder auch die Arbeit mit freiwilligen Lesepaten an einer Realschule Plus. 7.6.5 Schriftliches Integrations- / Inklusionskonzept Zwei Schulleiterinnen und ein Schulleiter beschreiben den Umgang mit schriftlichen Integrations- / Inklusionskonzepten. Die Leiterin einer integrierten Gesamtschule (IGS-2-W) beschreibt, dass das bestehende Integrationskonzept nach zehn Jahren an die aktuellen Gegebenheiten angepasst werden musste: „Wir haben ein Integrationskonzept, haben das nach zehn Jahren / elf Jahren Bestehen auch zu Beginn meiner Tätigkeit in der konzeptionellen Arbeit überarbeitet und ich glaube, wir haben es zum Teil entfrachten müssen. Es waren eine Menge Ideen aus der Anfangsphase, aus der Aufbauphase. In einem sehr übersichtlichen Betrieb gab es eine Menge Ideen, was man alles verwirklichen wird (...) Dann hat man im Laufe der Zeit festgestellt, dass man das nicht alles schafft und das war doch wie so ein großer Anspruch, ja?“ (IGS-2-W: 29–33)

Hingegen beschreibt ein Leiter einer anderen integrierten Gesamtschule, wie das Thema Inklusion eher in das allgemeine Schulkonzept integriert wurde: „Die haben wir vor zwei Jahren herausgebracht, anderthalb Jahren. Und hier versteht sich die Inklusion als ein Gesamtkonzept für die ganze Arbeit an der Schule. Deswegen greifen Aspekte wie Elternarbeit und so weiter sowohl in Bezug auf die Schule für alle und die innere Differenzierung, die wir sowieso

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7 Ergebnisse der qualitativen Inhaltsanalyse

schon haben, als auch in Bezug auf die die spezielle Inklusion.“ (IGS-3-W-Gr: 15–15)

Obgleich hier Inklusion als Gesamtkonzept dargestellt wird, beschreibt dieser Schulleiter auch, dass im Schulkonzept festgeschrieben ist, welche Grenzen hinsichtlich der Aufnahme von Schülerinnen und Schülern bestehen: „Und dann halt mal wirklich eine Struktur festschreiben, welche Schüler können wir aufnehmen und welche Schüler sagen wir, das können wir nicht leisten, weil wir eben nur mit zwei Leuten da sind und da einfach die Ressourcen nicht gegeben sind.“ (IGS-3-M-Gr: 14–14)

Die dritte Darstellung zum Aspekt schriftlicher Integrations- / Inklusionskonzepte stammt von einer Realschule Plus (RS-5-W). Deren Schulleiterin stellt fest, dass sich die Schule eigentlich gerne ein schriftliches Konzept geben würde, ist allerdings der Auffassung, dass man nicht alles „verregeln und aufschreiben“ könne, sondern „Dinge von Fall zu Fall“ entscheiden müsse (RS-2-W: 26–26). Die sehr unterschiedlichen Darstellungen in diesen drei Interviews zeigen, dass es nicht entscheidend zu sein scheint, ob eine Schule ein schriftliches Konzept vorweisen kann bzw. wie dieses Konzept aussieht, sondern eher, auf welchem Wege und mit welchen Motiven es zustande kommt, sich weiterentwickelt und welche Sichtweisen auf Schule und Inklusion sich in diesem Prozess widerspiegeln. Und genau darin zeigt sich dann auch die Bedeutung der Sichtweise von Schulleitung. 7.6.6 Zusammenhänge mit der Sichtweise auf Inklusion und der Führungsorientierung Die Darstellung innerhalb der einzelnen Kategorien zur Umsetzung des Konzepts Schwerpunktschule hat bereits aufgezeigt, dass bei bestimmten Aspekten der Umsetzung jeweils spezifische Rahmenausprägungen in der Führungsorientierung sowie spezifische Sichtweisen auf Inklusion dominant erscheinen. Hieraus eine Kausalbeziehung abzuleiten, wäre eine zu weitreichende Interpretation. Ungeachtet dessen können jedoch die folgenden grundsätzlichen Tendenzen konstatiert werden: • Feste Arbeitsgruppen zum Thema Schwerpunktschule oder institutionalisierte Teamzeiten für die sonderpädagogischen Fachkräfte werden ausschließlich von Schulleiterinnen und Schulleitern thematisiert, die auf mehr als zwei Rahmen eine mindestens tendenziell hohe Ausprägung zeigen.

7.6 Umsetzung des Konzepts Schwerpunktschule an den einzelnen Schulen

325

• Hinsichtlich der Klassenbildung fließen die Sichtweisen der Schulleitung weniger in die Form der Klassenbildung direkt ein als vielmehr in das Begründungsmuster („Warum bündele oder verteile ich die Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf?“). • An Schulen, deren Schulleitung auf mehr als zwei Rahmen eine mindestens tendenziell hohe Ausprägung zeigt, werden aus Schulleitersicht eher Formen des individualisierten Unterrichts, der gemeinsamen Unterrichtsentwicklung sowie ergänzende Förderangebote praktiziert, während ein sehr klassisches Rollenverständnis der Schulleitung zusammen mit einer skeptischen Grundhaltung zu schulischer Inklusion in der Untersuchung eher mit einem klassischen Verständnis sonderpädagogischer Förderung als einer Art Nachhilfe im Unterricht einherging.

8 Ein integriertes Modell der Rolle von Schulleitung im Kontext schulischer Inklusion Nachdem im vorigen Kapitel die Ergebnisse der qualitativen Inhaltsanalyse kategorienbasiert dargestellt sowie Zusammenhänge zwischen den Kategorien aufgezeigt wurden, sollen diese Befunde im Folgenden nun mit den theoretischen Vorüberlegungen verknüpft und in ein integratives Modell der Rolle von Schulleitung im Kontext schulischer Inklusion überführt werden. 8.1 Perspektive I: Rekontextualisierung – der Einfluss von Sichtweisen und Rahmenbedingungen auf das Handeln Gemäß Fends neuer Theorie der Schule (Fend, 2008a) ist das Handeln der Akteure im Bildungssystem stets eingebettet in einen gesellschaftlichen Kontext. Ein Aspekt dieser Einbettung ist der Einfluss gesamtgesellschaftlicher themenbezogener Diskurse auf das Handeln jedes einzelnen Akteurs. Bezogen auf die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung zeigt sich dies wie folgt: Schulische Inklusion wird ohne eine fest existierende Definition hochemotional und kontrovers diskutiert (Grosche, 2015). Dies führt dazu, dass ähnlich wie bei allen schulbezogenen Themen jeder Mensch ungeachtet definitorischer Fragen und tatsächlichen Faktenwissens eine bestimmte Meinung und Position zum Thema vertritt. Mit diesen verschiedenen Positionen, Haltungen und Meinungen ist die Schulleitung im Kontakt mit unterschiedlichen Akteuren konfrontiert. Die Analysen in Abschnitt 4.1 zeigen, dass von unterschiedlichen Seiten (Schulaufsicht, Beratungssystem, Fortbildungen) unterschiedliche Begriffsverständnisse und Zielsetzungen bezüglich Inklusion an die Schulleiterinnen und Schulleiter herangetragen werden. Zudem offenbart das Interview mit der Schulleiterin GS-2-W politische Reibungspunkte zwischen den Sichtweisen und Haltungen einzelner Akteure (hier Schulaufsicht und Schulträger), von denen die Schulleitung direkt betroffen ist. Gleichzeitig beziehen sich die Schulleiterinnen und Schulleiter auch auf die Bedeutung der Haltungen von Eltern (z. B. GS-1-W) oder der Gesellschaft an sich (z. B. IGS-1-W, GS-2-W)50 . Doch auch die Schulleiterinnen und Schulleiter selbst sind nicht nur in ihrem beruflichen Alltag, sondern auch im Kontakt mit ihrem privaten Umfeld oder durch 50

Wobei „die Gesellschaft“ an sich verständlicherweise nicht eine Haltung hat, sondern sich aus unterschiedlichen Interessengruppen heterogen zusammensetzt.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 D. Scheer, Schulleitung und Inklusion, https://doi.org/10.1007/978-3-658-27401-6_8

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8 Ein integriertes Modell der Rolle von Schulleitung im Kontext schulischer Inklusion

Partei- oder Verbandszugehörigkeiten selbst in den gesellschaftlichen Diskurs eingebunden, beeinflussen diesen mit und entwickeln in ihm ihre eigene Haltung. Einige der befragten Schulleiterinnen und Schulleiter versuchen ganz direkt Einfluss auf den gesellschaftlichen Diskurs zu nehmen: Teilweise durch direkten Kontakt mit Landtagsabgeordneten sowie anderen Poliktikerinnen und Politikern (z. B. GS-1W), teilweise durch gezielte Presse- und Öffentlichkeitsarbeit (z. B. IGS-4-M), aber auch indem sie das gemeinsame Lernen und Leben der Schülerinnen und Schüler als Investition in deren zukünftige Haltungen und Einstellungen betrachten (z. B. RS-1-M, IGS-1-W). Einen weitereren Aspekt der Einbettung des Handelns in den gesellschaftlichen Kontext stellen nach Fend (2008a, S. 169) vereinbarte und durchgesetzte Regelungen eines normativ geregelten Zusammenhandelns der einzelnen Akteure dar. Für die Schulleitung bedeutet das, dass die Interaktionen mit anderen Akteuren (Schulaufsicht, Lehrkräften, Eltern etc.) durch gesetzliche und nachgesetzliche Regelungen bestimmt sind, aber auch informell durch bestimmte Gepflogenheiten innerhalb des Schulsystems und der Schule vor Ort. Während die gesetzlichen und nachgesetzlichen Regelungen die formale Rolle der Schulleitung in diesem Akteursnetzwerk umreißen, lassen sich die informellen Gepflogenheiten und tatsächlichen Praktiken nur aus der empirischen Analyse ableiten. Die vorzufindende Komplexität dieser Interaktionen, die sich sowohl in den in Kapitel 4 und 7 herausgestellten Befunden zeigt, verweist auf die Schnittstelle, die sich zwischen dem Konzept der Rekontextualisierung und der Governance-Perspektive ergibt (siehe dazu die Darstellung unter Punkt 8.2). Die Untersuchung der formalen Rolle der Schulleitung im Kontext schulischer Inklusion hat ergeben, dass diese sich nicht grundsätzlich geändert hat, sodass die wesentlichen Interaktionen zwischen Schulleitung und den weiteren Akteuren keine grundlegende Umgestaltung erfahren haben – zumindest in Rheinland-Pfalz. Jedoch erweitert sich für die Schulleitung das Spektrum der Kooperationspartner und damit verbunden die Komplexität der Arbeit. Neben den bisherigen Aufgaben muss die Schulleitung unter anderem wesentlich intensiver mit den Jugendhilfeträgern bzw. Institutionen der Erziehungshilfe, mit unterschiedlichen Fachberatungen (z. B. Beraterinnen und Berater Autismus), mit Integrationsfachdiensten und der Reha-Beratung der Agentur für Arbeit kooperieren. Der Übergang der Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf bzw. Behinderung zwischen den Systemen – sei es von der Elementar- in die Primar-, von dieser in die Sekundarstufe oder von Letzterer in die berufliche

8.1 Perspektive I: Rekontextualisierung

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Bildung – erfordert eine Vernetzung der beteiligten Institutionen. Alle diese Vernetzungen finden vor allem durch informelle Beziehungen bzw. das Engagement einzelner Personen statt, sodass institutionalisierte Routinen eher aus vor Ort gewachsenen Strukturen und weniger aus rechtlichen Vorgaben resultieren. Gleiches gilt für die Kooperation zwischen Schwerpunktschule und Förderschule oder die Vernetzung von Schwerpunktschulen untereinander. Auch die Abordnungssituation der Förderschullehrkräfte bringt eine Veränderung der Regelungen mit sich. Dadurch, dass die Förderschullehrkräfte in der Regel nach wie vor an der Förderschule beschäftigt und mit einem bestimmten Stellenumfang an die Schwerpunktschule abgeordnet sind, werden sie im Unterrichts- bzw. Schulalltag von der Leitung der Schwerpunktschule geführt, unterliegen aber der Fach- und Dienstaufsicht der Förderschule, wo auch der Dienstweg für ihre Dienstpost beginnt. Um diese Situation zufriedenstellend aufzulösen, bedarf es einer Kooperation zwischen der Leitung der Schwerpunktschule und der Leitung der Förderschule, zumal die Weisungsbefugnis der Schwerpunktschulleitung gegenüber den Förderschullehrkräften zumindest in der befragten Stichprobe nicht einstimmig bewertet wird. Bedeutsamer im Sinne Fends neuer Theorie der Schule ist bezogen auf Entwicklungen und Innovationen im Bildungssystem das Konzept der Rekontextualisierung, also der Einpassung von Innovationen und Vorgaben übergeordneter Systemebenen an die Situations- und Handlungsbedingungen sowie eigenen epistemischen Grundannahmen auf der jeweiligen untergeordneten Systemebene: Neben grundsätzlichen Annahmen wie Welt- und Menschenbild sind darunter auch berufs- und themenbezogene Überzeugungen und Annahmen sowie Einstellungen gemeint. In der vorliegenden Arbeit konnte sowohl im Literaturreview als auch in der durchgeführten empirischen Untersuchung aufgezeigt werden, dass sich berufsbezogene Überzeugungen von Schulleitungen gut im Rahmenmodell von Bolman und Deal modellieren lassen. Für den Vorgang der Rekontextualisierung ist in diesem Zusammenhang vor allem der Befund von Bedeutung, dass Schulleiterinnen und Schulleiter mit einer hohen Ausprägung auf mehreren Rahmen eine intensivere bewusste Auseinandersetzung mit den für ihr Handeln bedeutsamen Rahmenbedingungen zeigten und auch Vorstellungen zu deren Änderungen äußerten. Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang die Feststellung, dass sich dies tatsächlich ausschließlich auf die Rahmenbedingungen des Schulleitungshandelns bezieht und nicht auf die Rahmenbedingungen, unter denen das Konzept Schwerpunktschule umgesetzt werden soll. Trotzdem zeigt sich in den Interviews auch, dass die Führungsorientierung der

330

8 Ein integriertes Modell der Rolle von Schulleitung im Kontext schulischer Inklusion

Schulleiterinnen und Schulleiter Einfluss auf deren Überlegungen zur Umsetzung des Konzepts Schwerpunktschule hat, insbesondere in der Frage, wie sie einzelne Handlungsstrategien begründen (z. B. Bildung von Lerngruppen, siehe Punkt 7.6.6). So zeigt sich, dass die Rahmenbedingungen für Schulleitungshandeln zwar zunächst nicht in einem direkten Zusammenhang mit dem Thema Inklusion stehen, aber dennoch über den Weg der Führungsorientierung in die Umsetzung schulischer Inklusion einfließen. Der zweite theoretische Strang, der im hier vorliegenden Kontext bedeutsam für den Prozess der Rekontextualisierung ist, sind die themenbezogenen epistemischen Überzeugungen, die als eine Reaktion auf situative Gegebenheiten, Rahmenbedingungen und gesellschaftliche Diskurse gesehen werden können. In der durchgeführten Untersuchung drücken sich diese vor allem in der Hauptkategorie „Sichtweise auf Inklusion“ aus. Dabei erwiesen sich sowohl die von Laubenstein, Lindmeier, Guthöhrlein und Scheer (2015) erarbeitete Typologie von Schwerpunktschulen (Idealisten, Realisten, Handwerker, Skeptiker) als auch die von Piezunka et al. (2017) abgeleiteten grundlegenden Definitionen schulischer Inklusion als passende Analyserahmen für die Sichtweisen der Schulleiterinnen und Schulleiter. Es konnte gezeigt werden, dass (a) das Verständnis von und (b) die eigene Auseinandersetzung mit Inklusion zwei voneinander zunächst unabhängige (kognitive) Konzepte darstellen. Eine Interaktion zwischen diesen beiden Dimensionen der Sichtweise auf Inklusion ist dennoch festzustellen. Die Schulleiterinnen und Schulleiter mit einer grundsätzlich optimistischen Grundhaltung definierten Inklusion, sofern sie die Differenzlinie Behinderung als konstituierend heranzogen, über den menschenrechtlichen Anspruch auf Nichtdiskriminierung, wie er in der UN-Behindertenrechtskonvention verankert ist. Zudem wurde in der Untersuchung ein Zusammenhang zwischen den beiden Aspekten Führungsorientierung und Sichtweise auf Inklusion deutlich, wobei sich insbesondere der Human-Resource Frame und der Political Frame als mit einem auf Teilhabe, Anerkennung und Wohlfühlen ausgerichtetem Inklusionsverständnis assoziiert herausstellten. Ferner sind Schulleiterinnen und Schulleiter mit insgesamt höheren Rahmenausprägungen bzw. Schulleiterinnen und Schulleiter mit einer Tendenz zum Multiframing gleichzeitig häufiger optimistisch gegenüber Inklusion eingestellt als jene mit eher niedrigen Rahmenausprägungen. Aus dem Zusammenspiel zwischen Führungsorientierung und Sichtweise auf Inklusion ergibt sich dann, wie die Schulleiterinnen und Schulleiter das Konzept

8.2 Perspektive II: Schulleitung als Akteur im Mehrebenensystem

331

Schwerpunktschule51 auf Basis ihrer konkreten Handlungsbedingungen vor Ort interpretieren und ausgestalten. Konkret spiegelt sich dies in den unter Punkt 7.6 ausgeführten Befunden wider. Als repräsentativ für diese Zusammenhänge kann insbesondere angeführt werden, dass Schulleiterinnen und Schulleiter mit hoher Aufmerksamkeit auf mehreren Rahmen tendenziell häufiger Formen des individualisierten Unterrichts, gemeinsamer Unterrichtsentwicklung im Team und ergänzenden Förderangeboten beschreiben, während eine Umsetzung sonderpädagogischer Förderung als schülerbezogene Begleitung im Regelunterricht in den Interviews eher mit einer skeptischen Sicht auf Inklusion und einem konventionell-klassischen Führungsverständnis einherging. Somit zeigen sich sowohl in der konkreten Ausformung schulischer Inklusion an den Schulen als auch in den Begründungsmustern der Schulleitungen für einzelne Umsetzungsformen die praktischen Auswirkungen des Rekontextualisierungsprozesses. Dieser, so spiegelt sich in der bisherigen Zusammenfassung der Befunde wider, verläuft zwar für Schulleitungshandeln insgesamt und für die Auseinandersetzung mit Inklusion zunächst in zwei getrennten Strängen, die sich aber durch ihre Wechselwirkung wieder miteinander verzahnen. 8.2 Perspektive II: Schulleitung als Akteur im Mehrebenensystem Aus dem Konzept der Rekontextualisierung ergibt sich eine Perspektive auf die Rolle der Schulleitung, die vor allem in der Lage ist, die Schlüsselrolle als Zwischenposition zwischen politischen Vorgaben und dem Kollegium zu beschreiben. Die Educational Governance-Perspektive dagegen weitet den Blick auf die Rolle der Schulleitung darüber hinausgehend, sodass auch die wechselseitigen Einflüsse der Akteure untereinander in den Blick genommen werden (Altrichter & Maag Merki, 2016b). Die Rolle der Schulleitung in diesem Mehrebenensystem wird hier erstens durch die Darstellung ihrer direkten Interaktionsbeziehungen mit anderen Akteuren und daran anschließend zweitens durch die Analyse des für ihre Rolle wirksam werdenden Governance-Regimes zusammengefasst.

51

Bzw. in anderen Bundesländern die jeweils mit Inklusion assoziierten politischen resp. administrativen Konzepte und Vorgaben

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8 Ein integriertes Modell der Rolle von Schulleitung im Kontext schulischer Inklusion

8.2.1 Direkte Interaktionen mit Akteuren im Bildungssystem In den Befunden der empirischen Untersuchung zeigt sich, dass Schulleiterinnen und Schulleiter, wenn es um die Umsetzung des Konzepts Schwerpunktschule geht, in ein komplexes Geflecht aus Beziehungen eingebunden sind. In diesem agieren unterschiedliche Akteure mit unterschiedlichen Interessen und beeinflussen so das Handeln der Schulleitung. Dieser Einfluss ist insofern wechselseitig, als dass das Handeln der Schulleitung auch wieder auf diese Akteure zurückwirkt. Dabei kann man die Akteure, mit denen die Schulleitung in Beziehung steht, stark vereinfacht in zwei Gruppen einteilen: Die eine Gruppe besteht aus den Akteuren der Bildungspolitik und -verwaltung, die andere Gruppe aus schulinternen, lokalen und kommunalen Akteuren. Inwieweit diese beiden Gruppen unterschiedliche Ebenen in einem hierarchischen Sinne darstellen, ist jedoch nicht pauschal zu beantworten, sondern hängt von der konkreten Ausformung der Interaktionsprozesse ab. 8.2.1.1 Bildungspolitik und -administration In die eine Richtung ist die Schulleitung im direkten Kontakt vor allem mit der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion, die in Rheinland-Pfalz die Schulaufsicht führt. In den Interviews mit Schulleiterinnen und Schulleitern zeigen sich hier unterschiedliche Muster der Interaktion. So wird in einem Fall sichtbar, wie eine aus Sicht dieses Schulleiters unpassende inhaltliche Ausrichtung über die Steuerung von Ressourcen durchzusetzen versucht wird (RS-4-M), indem beispielsweise Anträge auf mehr Personalzuweisungen aus seiner Sicht eher dann positiv entschieden werden, wenn es um Projekte zur Aufstiegsorientierung bzw. zur Förderung leistungsstarker Schülerinnen und Schüler geht (RS-4-M: 16–16). Gleichzeitig kritisiert dieser Schulleiter in der Steuerung der Bildungspolitik bzw. -administration eine aus seiner Sicht generell herrschende Top-down-Mentalität ohne ausreichend Partizipation der Schulleitungen in Entscheidungsprozessen (RS-4-M: 44–44, 66–66). Dies wiederum führt dazu, dass dieser Schulleiter seine Rolle für sich umdefiniert und sich nicht mehr wie ursprünglich als Mittler zwischen zwei Systemebenen sieht, sondern sich von seiner übergeordneten Behörde distanziert und sich stattdessen schützend vor sein Kollegium stellt (RS-4-M: 44–44). Eine Schulleiterin einer Grundschule (GS-2-W), die ebenfalls fehlende Anerkennung durch die Schulaufsicht kritisiert, reagiert, indem sie sich bei zu treffenden Entscheidungen nach ihrer pädagogischen Einschätzung richtet, ohne bei der Schulaufsicht nach formal korrekten Lösungen zu fragen (GS-2-W: 23–23).

8.2 Perspektive II: Schulleitung als Akteur im Mehrebenensystem

333

Eine andere Ausprägung der Handlungskoordination zwischen Schulleitung und Schulaufsicht findet sich in Interview IGS-5-W-Gr. Die Schulleiterin dort sieht Transparenz und Zuverlässigkeit gegenüber allen Akteuren, auch gegenüber Schulaufsicht und Schulträger, als ein wichtiges Schlüsselelement für gelingende Kooperation an (IGS-5-W-Gr: 35–35) und beschreibt die Beziehung zur Schulaufsicht, obgleich sie diese als formal weisungsbefugt anerkennt, als ein gemeinsames Lösen von Problemen an verschiedenen „Fronten“ und ein Verbinden verschiedener Schnittstellen, bei dem die Schulleitung eine Art Drehscheibenfunktion einnimmt (IGS-5-W-Gr: 48–48). Ein in diesem Zusammenhang von einer Schulleiterin als schwierig beschriebener Aspekt ist, dass Schwerpunktschulen nicht nur mit einem Referat in der Schulaufsicht in Kontakt stehen, sondern mindestens mit zwei Referaten (ein Referat für die jeweilige Schulart und zudem das Referat Förderschulen / Sonderpädagogische Förderung an Regelschulen). Dazu kommen, zumindest auf Ebene des Ministeriums, noch das Referat für Grundsatzfragen der Inklusion und gegebenenfalls das Referat für Angelegenheiten der Ganztagsschulen. Findet zwischen diesen Referaten keine ausreichende Koordination statt, kann dies zu widersprüchlichen Anforderungen und Informationen an die Schulleitung führen, sodass sich diese einerseits im Unklaren gelassen fühlt und andererseits die Notwendigkeit erfährt, innerhalb dieser Widersprüchligkeit zu einer eigenen Interpretation und Auslegung zu gelangen, die sie in ihre Schule tragen können. Weitere politische Stakeholder, die sie für die Ziele ihrer Schule zu gewinnen versuchen (z. B. GS-1-W), sind aus Sicht von Schulleitungen unter anderem Landtagsabgeordnete sowie der Schulträger. Hier zeigt sich eine für das Gelingen schulischer Inklusion aus Sicht der Schulleitungen kritische Herausforderung, da aus deren Sicht die Schulaufsicht pädagogische Ziele verfolgt (oder verfolgen sollte), während der Schulträger eine finanzielle Ausrichtung hat (GS-2-W). 8.2.1.2 Schulinterne, lokale und kommunale Akteure Schulintern stehen für die interviewten Schulleiterinnen und Schulleiter vor allem die unterschiedlichen Interessengruppen innerhalb des Lehrerkollegiums als Akteure im Mittelpunkt. Im Sinne der Steuerung von Schulentwicklung sind aus Sicht der Schulleiterinnen und Schulleiter zunächst der Personalrat und die Gewerkschaften ein wesentlicher Faktor, beispielsweise bei der Frage, welche Konferenzen und Besprechungszeiten Schulleiterinnen und Schulleiter zur Dienstpflicht erklä-

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8 Ein integriertes Modell der Rolle von Schulleitung im Kontext schulischer Inklusion

ren können (IGS-2-W). Aber auch der Umgang mit pädagogischer Freiheit sowie fehlende Belohnungs- und Sanktionsmöglichkeiten innerhalb des Beamtenverhältnisses stellen die Schulleiterinnen und Schulleiter in ihrem Steuerungshandeln vor Herausforderungen. Somit wirkt sich hier wiederum die Führungsorientierung der Schulleitung aus, indem die Schulleiterinnen und Schulleiter in der Interaktion mit den Lehrkräften auf jeweils unterschiedliche Rahmen zurückgreifen, indem sie durch die Verdeutlichung verbesserter Arbeitsbedingungen (Human-Resource Frame), durch Vermitteln einer inspirierenden Vision (Symbolic Frame) oder durch Agenda-Setting und mikropolitische Strategien (Political Frame) führen. Insbesondere dem Political Frame kommt dabei eine besondere Bedeutung zu, da die Schulleitung gerade bei Innovationsprozessen (und dazu kann die Umsetzung der Schwerpunktschule gezählt werden) unterschiedliche Interessen innerhalb der Schulgemeinschaft ausloten, verschiedene Einflussmöglichkeiten bzw. Machtverhältnisse antizipieren und eine Strategie finden muss, die diese unterschiedlichen Interessen ausgleicht und zu Win-win-Lösungen führt. Angemerkt werden muss dazu, dass lokal bzw. kommunal nicht nur die Lehrkräfte als Akteure zu beachten sind, sondern auch Schülerinnen, Schüler, Eltern, Lokalpolitikerinnen, -politiker sowie weiterführende Bildungseinrichtungen und Wirtschaftsbetriebe, wie sich in den Interviews zeigte. Aus diesen Konstellationen ergeben sich Steuerungsmöglichkeiten und -einschränkungen für die Schulleitung, die unter der Governance-Perspektive im folgenden weitergehend analysiert werden können. 8.2.2 Analyse unter Verwendung des „Governance-Equalizers“ Zur Analyse von Governance-Regimen kann als pragmatisches Werkzeug der Governance-Equalizer eingesetzt werden, ursprünglich für das Hochschulwesen entwickelt (Schimank, 2007), aber verschiedentlich auch auf das Schulsystem übertragen (Altrichter, 2015; Altrichter & Soukup-Altrichter, 2008; Feldhoff, Huber & Durrer, 2009; Schmerbauch, 2017). Der Governance-Equalizer52 geht davon aus, dass es fünf Dimensionen zur Beschreibung von Governance-Regimen gibt, deren Ausprägungsintensität dargestellt 52

Der Begriff Equalizer stellt dabei eine Metapher aus der Tontechnik dar: Bei einem Equalizer können mittels kontinuierlicher Regler einzelne Frequenzbänder im Klangspektrum angehoben oder abgesenkt werden, um einen harmonischen Gesamtklang zu erreichen. Einzelne Frequenzbänder beeinflussen sich dabei gegenseitig, zudem würde eine Absenkung oder Anhebung aller Bänder zugleich keinen Sinn ergeben. Analog dazu beschreibt der Governance-Equalizer, dass einzelne

8.2 Perspektive II: Schulleitung als Akteur im Mehrebenensystem

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werden kann. Bezogen auf das Schulsystem sind dies die folgenden Dimensionen (Schmerbauch, 2017, S. 124–125): 1. Staatliche Inputregulierung (in den Bereichen Finanzen, Personal, Organisation, Unterricht) 2. Außensteuerung durch substanzielle Ziele 3. Selbststeuerung der Lehrerprofession 4. Innerschulisches Management – Führung durch Schulleitung 5. Konkurrenzdruck und Quasi-Märkte Nachfolgend werden die Befunde der Untersuchung zur Beschreibung der Schulleitungsrolle in dieses Schema eingeordnet. Einschränkend ist dazu zu sagen, dass eine vollständige Analyse der Governancestrukturen eine Untersuchung auf allen Systemebenen benötigen würde, während hier nur Ergebnisse zur Rolle der Schulleitung vorliegen. 8.2.2.1 Staatliche Inputregulierung Die Ausstattung der Schulen mit pädagogischem Personal wird in Rheinland-Pfalz über Vorgaben des fachlich zuständigen Ministeriums geregelt und liegt nicht im Ermessen der Schulleitung. Wie sich sowohl aus den Regelungen zur pauschalierten Zuweisung der Stunden für Förderschullehrkräfte als auch aus den Interviews ergibt, hat die Schulaufsicht bei der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion einen gewissen Ermessensspielraum auf Basis besonderer pädagogischer Konzepte. Dies ermöglicht Schulleiterinnen und Schulleitern eine Einflussnahme (in geringem Maße) in Form von Anträgen und durch Verhandlungsgeschick. Bei der Auswahl der Lehrkräfte für eine Schule hat die Schulleitung im Rahmen des PES-Modells Freiheiten, wenn es um Vertretungskräfte geht. Entscheidungsmöglichkeiten beim regulären Lehrpersonal hat die Schulleitung formal nicht. Allerdings zeigten die Interviews, dass im Einzelfall die Schulaufsicht und die abordnende Förderschule (Stammschule) mit der Schwerpunktschule kooperieren, um eine zufriedenstellende Lösung zu erreichen. Zusammenfassend ist die staatliche Inputregulierung hinsichtlich des Personals als hoch, wenn auch nicht vollständig determiniert zu beschreiben, wobei die Schulleitung der Schwerpunktschule nur marginale Steuerungsmöglichkeiten hat. Dimensionen auf einem Kontinuum gestärkt oder abgeschwächt werden können, wobei Stärkungen einzelner Dimensionen immer Schwächungen anderer Dimensionen bedeuten.

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8 Ein integriertes Modell der Rolle von Schulleitung im Kontext schulischer Inklusion

Finanziell erfolgt die Ausstattung mit Sachmitteln über den (kommunalen) Schulträger. Inwieweit dieser wiederum durch das Land reglementiert ist, geht aus der vorliegenden Untersuchung nicht hervor, allerdings zeigen die Interviews, dass der Schulträger der direkte Ansprechpartner für die Schulleitung ist, wenn es um Sachmittel sowie die Gebäude angeht. Bei Letzteren spielt neben den finanziellen Möglichkeiten des Trägers auch die in den Interviews erwähnte Schulbaurichtlinie eine Rolle. Finanziell und baulich ist die Schule also vollständig vom Träger abhängig. Dadurch ergeben sich einige Disparitäten in dem Sinne, dass einzelne der befragten Schulleitungen eigenständig ein Budget verwalten (Inputregulierung gering) und andere Schulleitungen bei ihrem Schulträger einzelne Sach- und Lernmittel jeweils beantragen müssen (Inputregulierung hoch). Die staatliche Inputregulierung des Unterrichts wird hier ausschließlich auf die für die Schwerpunktschule relevanten Aspekte bezogen betrachtet. Zur Umsetzung der Schwerpunktschule gelten zunächst die regulären Schulordnungen der jeweiligen Schularten sowie in Bezug auf Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf die Schulordnung für die öffentlichen Sonderschulen (SoSchulO). Zudem erhalten die Schulen Vorgaben vor allem aus dem Kompendium Schwerpunktschulen (siehe Kapitel 4). Diese Vorgaben werden von den befragten Schulleitungen im Wesentlichen allerdings als relativ vage empfunden („Grundlagen oder Infos gab es dazu nicht. Sie haben jetzt fünf Schwerpunktschüler. Sehen sie mal zu, wie sie damit klarkommen. So ungefähr“; RS-1-M: 2–2). Erwartungen von außen werden überwiegend über die Schulaufsicht an die Schulleitung herangetragen. Die Inputregulierung im pädagogischen Bereich ist bezüglich der Umsetzung schulischer Inklusion zumindest aus Sicht der Schulleitungen gering. 8.2.2.2 Außensteuerung durch substanzielle Ziele Vorgegeben ist, dass für Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf Förderpläne geführt werden müssen. Jedoch berichtet keine Schule davon, wie diese von der Schulaufsicht kontrolliert würden. Somit kann deren Rolle als Steuerungsinstrument hier nicht beurteilt werden. Das Land Rheinland-Pfalz formuliert für seine Schulen einen Orientierungsrahmen Schulqualität, in den allerdings erst in der Neuauflage nach Durchführung dieser Untersuchung (im Februar 2017, also ca. 15–16 Jahre nach Beauftragung der ersten Schwerpunktschulen) Aspekte zum inklusiven Unterricht aufgenommen wurden. In diesem Orientierungsrahmen sind für die verschiedenen Bereiche (Unterricht,

8.2 Perspektive II: Schulleitung als Akteur im Mehrebenensystem

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Schulleitung und Schulmanagement, Professionalität des schulischen Personals, Schulkultur, schulische Qualitätsentwicklung) Indikatoren formuliert. Zum Zeitpunkt der Untersuchung wurde anhand dieser Indikatoren eine externe Evaluation der Schulen vorgenommen (die mittlerweile eingestellt wurde), auf Basis deren Ergebnisse dann Zielvereinbarungen zwischen der Schulleitung und der Schulaufsicht zur weiteren Schulentwicklung formuliert wurden. Vergleichende Standards zur Umsetzung schulischer Inklusion liegen nicht vor, es erfolgt insofern auch keine direkte Außensteuerung durch substanzielle Ziele. 8.2.2.3 Selbststeuerung der Lehrerprofession Die Selbststeuerung der Lehrerprofession wird von den befragten Schulleiterinnen und Schulleitern auf unterschiedliche Art und Weise und in unterschiedlicher Intensität wahrgenommen, wie auch weiter oben schon sichtbar wurde. Dabei sehen einzelne Schulleiterinnen und Schulleiter, dass zwar die pädagogische Freiheit oft stark betont werde, dass es aber durchaus eine Dienstordnung gibt, auf deren Basis man als Schulleitung die Lehrkräfte führen kann. Einzelne Schulleiterinnen und Schulleiter sehen aber fehlende Belohnungs- und Sanktionsmöglichkeiten sowie die Möglichkeit der Lehrkräfte, sich durch schnelle und dauerhafte Krankschreibungen zurückzuziehen, wenn Dienstanweisungen als aversiv empfunden werden. Die pädagogische Arbeit liegt weitestgehend in der Hand der Lehrkräfte, sofern diese die Rahmenlehrpläne beachten. Auch die Gestaltung von Kooperationsbeziehungen innerhalb des Unterrichtsgeschehens legen die meisten befragten Schulleiterinnen und Schulleiter in die Hände der jeweils betroffenen Lehrkräfte. Eingeschränkt wird die Selbststeuerung auf der individuellen Ebene durch die Selbststeuerung auf der kollektiven Ebene. In Form von Konferenzbeschlüssen können die Lehrkräfte als Kollektiv konzeptionelle Eckpfeiler bestimmen, die auf die Unterrichtsgestaltung des Einzelnen einwirken, beispielsweise jahrgangsübergreifende Materialien für selbstdifferenzierende Lernaufgaben (siehe z. B. GS-2-W) oder schulweite Diagnostikkonzepte (GS-3-W-Gr). Diese kollektive Selbststeuerung der Lehrerprofession ist innerhalb des von außen gesteckten Rahmens als hoch zu bezeichnen, da der Gesamtkonferenz bei allen für die Schule wichtigen Entscheidungen, auch bei der Ausgestaltung der Haushaltsplanung, ein Mitspracherecht zugestanden wird (z. B. Punkte 2.3, 2.4, 2.7.3

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8 Ein integriertes Modell der Rolle von Schulleitung im Kontext schulischer Inklusion

der Dienstordnung für die Leiter und Lehrer an öffentlichen Schulen in RheinlandPfalz53 ). 8.2.2.4 Innerschulisches Management – Führung durch Schulleitung Insgesamt zeigen die Interviews, dass der Gestaltungsspielraum der Schulleiterinnen und Schulleiter stark differiert und neben den formalen Möglichkeiten auch durch Rahmenbedingungen wie beispielsweise Höhe der für Schulleitung zur Verfügung stehenden Ermäßigungsstunden mitbestimmt wird. So zeigte sich, dass Schulleiterinnen und Schulleiter mit hoher Unterrichtsverpflichtung keine zeitlichen Ressourcen mehr haben, um neben den Pflichtaufgaben in der Schulverwaltung weitere Projekte zur Schulentwicklung anzustoßen und zu initiieren. Andere Schulleiterinnen und Schulleiter, die mehr Zeitressourcen zur Verfügung haben, schätzen ihren Gestaltungsspielraum höher ein. Insgesamt sehen die Interviewpartnerinnen und -partner ihre Rolle durchaus als eine gestaltende. Insbesondere sehen sie sich selbst häufig als die impulsgebende Kraft, die Ideen entwickelt und in das Kollegium trägt. Einzelne Schulleiterinnen und Schulleiter führen das auch darauf zurück, dass viele Lehrkräfte zwar an Schulentwicklung interessiert und begeisterungsfähig seien, für die eigenständige Entwicklung von Ideen aber neben der Unterrichtsverpflichtung keine Zeit und Energie zur Verfügung hätten. Auch zeigt sich, vor allem im Zusammenspiel mit der eher geringen Außensteuerung durch Qualitätsziele sowie geringen Inputregulierung auf pädagogischer Ebene, dass die Steuerung durch die Schulleitung eine wesentliche Bedingung für die Entwicklung schulweiter Konzepte und Programme darstellt. Wie die Schulleiterinnen und Schulleiter mit dieser gestalterischen Rolle konkret umgehen, unterscheidet sich dann wiederum stark nach Ausprägung der Führungsrahmen, wie aus den Ergebnissen der vorliegenden Untersuchung zu erkennen ist.

53

In der zum Erhebungszeitpunkt gültigen Fassung von 1976

8.2 Perspektive II: Schulleitung als Akteur im Mehrebenensystem

339

8.2.2.5 Konkurrenzdruck und Quasi-Märkte Grundsätzlich lässt sich zwischen den Schwerpunktschulen kein Konkurrenzdruck in der Form erkennen, dass um Schülerpopulationen geworben werden müsste54 , da, nachdem die Eltern eines Kindes oder Jugendlichen sich für den inklusiven Unterricht entschieden haben, die Zuweisung der Schülerinnen und Schüler zu einer konkreten Schule durch die Schulaufsicht erfolgt. Beobachtbar aus Sicht der Schulleiterinnen und Schulleiter ist jedoch, dass der Umstand Schwerpunktschule zu sein in bestimmten Konstellationen als Standortnachteil im Wettbewerb mit anderen Regelschulen gesehen wird: So würden laut einer Schulleiterin manche Eltern unter anderen Vorwänden für ihr Kind eine andere Grundschule wählen, bei genauerem Nachfassen würde sich aber zumindest unter der Hand zeigen, dass Vorurteile gegenüber inklusivem Unterricht eine Rolle zu spielen scheinen. Auch dass Gymnasien nicht als Schwerpunktschulen an den Reformen beteiligt seien und darüber hinaus die Realschule Plus als eine Art „Restschule“ wahrgenommen werde, erschwert aus Sicht von befragten Schulleiterinnen und Schulleitern die Etablierung eines sozialen Umfeldes für die Schule, das inklusionsorientierte Entwicklungen fördert. Außerdem beschreibt eine Schule (GS-1-W), dass sie nur eine bestimmte Anzahl an Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf aufnehmen könne. Ein weiterer Schulleiter (IGS-3-W-Gr) grenzt zudem die Förderschwerpunkte ein, bei denen er eine Aufnahme an seiner Schule als sinnvollerweise möglich ansieht. Damit wird aufgrund des vorhandenen bzw. möglicherweise knappen Angebots der vorhandenen Schwerpunktschulen ein Markt eröffnet, in dem weitere Schulen entweder um die Ernennung zur Schwerpunktschule konkurrieren oder – in der anderen Richtung – gegen ihren Willen zur Schwerpunktschule werden können. Ein dritter Aspekt, in dem sich ein Konkurrenzdruck zeigen könnte, entsteht gerade im ländlichen Raum aufgrund der Parallelstruktur von Förder- und Schwerpunktschulen. Durch das Recht der Eltern stellvertretend für ihr Kind die Entscheidung zwischen Förderschule und Schwerpunktschule zu treffen kann gerade hier die Situation entstehen, dass diese beiden Systeme möglicherweise um Schülerzahlen konkurrieren müssen. In diesem Kontext erweist es sich als ungünstig, dass für die Beratung der Eltern vor der Entscheidung über die besuchte Schulform formal die 54

Wobei sich diese Feststellung explizit auf den Aspekt Schwerpunktschule bezieht. Dass Schulen im Allgemeinen gerade im ländlichen Raum insgesamt über attraktive Bildungsangebote um Schülerinnen und Schüler konkurrieren müssen, führt Schulleiterin IGS-5-W-Gr aus.

340

8 Ein integriertes Modell der Rolle von Schulleitung im Kontext schulischer Inklusion

Leitung der Förderschule zuständig ist. An einzelnen Schwerpunktschulen wurde berichtet, dass dort diese Beratung gemeinsam mit beiden Schulleitungen durchgeführt wird. Einerseits kann dies natürlich dazu dienen, das Spektrum der fachlichen Informationen für die Eltern zu erweitern, andererseits kann hier aber seitens der Leitung der Schwerpunktschule auch politisches Kalkül greifen, um den Nachteil gegenüber der Förderschule in der Konkurrenzsituation auszugleichen. Diese Form des Konkurrenzdrucks ließe sich im Sinne einer qualitativ sinnvollen Steuerung des Schülerflusses nur über eine neutrale Beratungsinstanz umstrukturieren, wie sie in anderen Bundesländern in Form eines mobilen sonderpädagogischen Dienstes (MSD, Bayern) oder in Form reiner sonderpädagogischer Beratungszentren ohne eigenen Schulbetrieb (beispielsweise Bremen oder teilweise auch Hessen) existieren. Zusammenfassend zeigt sich der Aspekt einer marktorientierten Steuerung im Bereich der Schwerpunktschulen als doch eher schwach ausgeprägt. Sollte eine Steuerung durch Quasi-Märkte gewünscht sein, so wäre es notwendig mehr Schwerpunktschulen pro Einzugsgebiet zur Verfügung zu haben, den Eltern eine Wahl zwischen einzelnen Schulen zu ermöglichen und die Inputsteuerung der Ressourcen wieder stärker an die Schülerzahlen zu koppeln. Ob dies jedoch im pädagogischen Sinne wünschenswert wäre, bleibt einer hier nicht zu führenden normativen Diskussion vorbehalten. 8.3 Perspektive III: Schulleitung als Gelingensbedingung für schulische Inklusion Aus der bisherigen Forschung ist, wie Kapitel 3 zeigt, bekannt, dass eine starke, positive, unterstützende, Visionen und Werte vermittelnde Schulleitung, die partizipativ bzw. distributiv führt, eine essenzielle Gelingensbedingung für schulische Inklusion darstellt (Ainscow et al., 2013; Billingsley & McLeskey, 2014; Kugelmass, 2001; Leo & Barton, 2006; Lindsay, 2007; Lipsky & Gartner, 1998; Loreman, 2007; McLeskey & Waldron, 2015). Nach Waldron et al. (2011), Hoppey und McLeskey (2013), Billingsley und McLeskey (2014) sowie McLeskey und Waldron (2015) können folgende Aspekte des Schulleitungshandelns die Entwicklung schulischer Inklusion wirksam unterstützen: • Building Vision and Setting Directions: 1. Vermitteln eines positiven Bildes schulischer Inklusion 2. Inklusion als gemeinsam geteilten Wert bewerben

8.3 Perspektive III: Schulleitung als Gelingensbedingung für schulische Inklusion

341

3. Bestmögliche Lernergebnisse aller Schülerinnen und Schüler als Ziel vermitteln 4. „shared decision making“ • Understanding and Developing People 1. Gezielte Personalauswahl mit Blick auf Passung zum Team 2. Positive Beziehung zu Lehrkräften 3. Respekt, Vertrauen, Zuhören und Partizipation 4. Workshops und Hospitationsmöglichkeiten zu Beginn von Reformen 5. Kontinuierliche Entwicklungsmöglichkeiten für Lehrkräfte schaffen 6. Kollegium als professionelle Lerngemeinschaft etablieren 7. Erfolge würdigen und feiern – bei Misserfolgen gemeinsam Verantwortung übernehmen 8. Externe Ansprüche / externen Druck abfedern 9. Persönliche Investition in die Lehrkräfte • Redesigning the Organisation 1. Barrierefreiheit schaffen 2. Ressourcen zielführend für die Schülerinnen und Schüler einsetzen 3. Funktionierende Klassen- / Lerngruppeneinteilung 4. Klare Erwartungen an Unterrichtsqualität und -ergebnisse sowie an Lehrerrolle vermitteln 5. Zeit für Kooperation zur Verfügung stellen 6. Lehrkräfte ermutigen, selbst aktiv Schule weiterzuentwickeln 7. Partnerschaften mit Akteuren aus dem Umfeld der Schule eingehen • Managing Teaching and Learning 1. Datengestütztes progress-monitoring der Lernfortschritte 2. Kontinuierliche Evaluation 3. Ineffektive Lernsettings (Spezialklassen / Förderklassen) durch effektive Lernsettings (Mehrebenenkonzepte wie z. B. RTI55 ) ersetzen 4. Hochwertige Unterrichtsmethoden fördern 5. Planung und Implementation von Programmen und Curricula an Lehrkräfte und Teams delegieren

55

Response to Intervention

342

8 Ein integriertes Modell der Rolle von Schulleitung im Kontext schulischer Inklusion

Dazu, ob diese Schulleitungsstrategien auch im deutschsprachigen Raum und insbesondere an rheinland-pfälzischen Schwerpunktschulen eine wirksame Unterstützung inklusiver Schulentwicklung darstellen können, liegen noch keine empirischen Befunde vor. Eine Evaluation des Zusammenhangs zwischen Schulleitungshandeln, Zufriedenheit der Lehrkräfte und Erfolgsindikatoren schulischer Inklusion kann somit als offenbleibendes Forschungsdesiderat gesehen werden. Aus drei Gründen lässt sich jedoch theoretisch schließen, dass diese Annahme plausibel erscheint: Erstens spiegeln sich in den aufgeführten Aspekten Befunde zu den Auswirkungen von Schulleitungshandeln insgesamt (ohne Bezug zu Inklusion) wider, wie sie in Kapitel 2 dargestellt wurden. Zweitens beziehen sich diese Schulleitungsstrategien direkt auf Aspekte inklusiver Schulentwicklung, die auch im deutschsprachigen Raum äquivalent beobachtbar sind, wie die Befunde aus den Kapiteln 1 und 4 zeigen. Drittens kann auf Basis von Forschungsergebnissen anderer Bereiche angenommen werden, dass es zwischen unterschiedlichen Ländern zwar Unterschiede in den strukturellen Details des Schulsystems sowie unterschiedliche Sichtweisen auf schulisches Lernen gibt, dass aber grundlegende Mechanismen (sozial-, arbeits-, organisations-)psychologischer und sozialer Prozesse im Zusammenhang mit Schule system- bzw. länderübergreifende Gültigkeit haben. Daher kann der Forschungsstand zu wirksamen Schulleitungsstrategien im Kontext Inklusion vorläufig als Arbeitshypothese in ein integriertes Modell der Schulleitungsrolle aufgenommen werden. Wozu die hier vorliegende Untersuchung allerdings Hinweise gibt, ist, wie der Einsatz solcher Handlungsansätze (a) von den Rahmenbedingungen des Schulsystems sowie (b) der Führungsorientierung und der Sichtweise auf Inklusion der Schulleiterinnen und Schulleiter beeinflusst wird. Es zeigt sich dabei, dass einzelne Aspekte von übergeordneten Rahmenbedingungen eingeschränkt bzw. beeinflusst werden. So ist die gezielte Personalauswahl durch das hohe Maß an staatlicher Regulierung nur in sehr begrenztem Umfang möglich, wobei Schulleitungen teilweise ihren diesbezüglichen Handlungsrahmen erweitern. Die Schaffung von Barrierefreiheit und ebenso der gezielte Ressourceneinsatz sind in hohem Maße vom Schulträger abhängig, mit dem die Schulleitung verhandeln muss. Die Strukturierung von Lerngruppen und Lernsettings wiederum ist vom quantitativen Ausmaß der Personalzuweisung ebenso abhängig wie auch die Schaffung von Zeitfenstern für Kooperation.

8.4 Zusammenführung der Perspektiven in einem integrierten Modell der Schulleitungsrolle

343

In welchem Umfang die befragten Schulleitungen diese Aspekte von Führungshandeln aus ihrer eigenen Sicht berücksichtigen, scheint aber daneben auch stark durch die jeweilige Führungsorientierung geprägt zu sein: Je mehr Rahmen die Schulleiterinnen und Schulleiter mit hoher Aufmerksamkeit beachten, desto stärker findet sich in der Selbstbeschreibung ein solches als inklusionsförderlich angenommenes Führungsverhalten. Insbesondere Schulleitungen mit hoher politischer bzw. hoher symbolischer Aufmerksamkeit suchen flexibler nach Möglichkeiten und Wegen ihre Schule in diesem Sinne weiterzubringen, während Schulleitungen, die sich auf Structural Frame und Human-Resource Frame beschränken, eher zur Verwaltung des Bestehenden zu neigen scheinen. 8.4 Zusammenführung der Perspektiven in einem integrierten Modell der Schulleitungsrolle Die Beziehung zwischen den drei ausgeführten Perspektiven findet sich skizziert in Abbildung 8.1. Dieses integrierte Modell greift Aspekte vorliegender Darstellungen der Schulleitungsrolle im Allgemeinen auf (z. B. Warwas, 2012, S. 54), hebt aber die analytisch herausgearbeitete Komplexität stärker hervor und bezieht sich konkret auf die Gestaltung schulischer Inklusion. In der Untersuchung zeigte sich, dass gesellschaftliche Diskurse nicht ausschließlich auf der Ebene gesellschaftlicher und politischer Normen, sondern auf unterschiedlichen Ebenen steuernd wirken. Auch der Diskurs innerhalb des Kollegiums und mit Eltern wird durch Haltungen in der Gesellschaft gespeist. Ebenso wenig können die individuellen Haltungen und Sichtweisen der Schulleiterinnen und Schulleiter davon losgelöst betrachtet werden. In diesem Sinne stellen gesellschaftliche Diskurse nicht eine hierarchische (wie in der Darstellung bei Amrhein, 2011, S. 102) oder parallele (wie in der Darstellung bei Warwas, 2012, S. 54) Ebene in den Akteurskonstellationen dar, sondern bilden einen Rahmen für das Bildungssystem, in dem sich die Gestaltung schulischer Inklusion vollzieht. Wie bedeutsam dieser gesellschaftliche Rahmen in seiner praktischen Auswirkung ist, zeigt sich beispielsweise in den unter Punkt 8.1 zusammengefassten Sichtweisen und Perspektiven. Darauf, wie schulische Inklusion an der einzelnen Schule umgesetzt wird, nehmen politische und administrative Akteure durch Instrumente der staatlichen Steuerung Einfluss, wie sie in Abschnitt 8.2 dargestellt sind. Dabei muss berücksichtigt werden, dass diese Steuerung nicht unilateral verläuft, sondern stets eine Wechselwirkung zwischen den Akteuren darstellt, die jeweils ihr eigenes Verhalten am Verhalten

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344 8 Ein integriertes Modell der Rolle von Schulleitung im Kontext schulischer Inklusion

8.4 Zusammenführung der Perspektiven in einem integrierten Modell der Schulleitungsrolle

345

der anderen Akteure anpassen und sich damit gegenseitig beeinflussen. Für das hier entworfene Modell der Rolle von Schulleitung im Kontext schulischer Inklusion bedeutet das, dass einerseits die Gesetzgebung durch die politischen Akteure Rahmenbedingungen schafft, andererseits aber die in der Untersuchung befragten Schulleiterinnen und Schulleiter teilweise auch gezielt in den Austausch mit einzelnen Landtagsabgeordneten treten und dadurch sowohl auf Gesetzgebungsprozesse als auch über diesen Weg auf Handlungsmöglichkeiten der Landesregierung bzw. der Schulaufsicht Einfluss nehmen. Daraus resultieren in der Darstellung des Modells direkte Beziehungen zwischen politischen Akteuren und Schulleitung, zwischen Landesregierung / Schulaufsicht und Schulleitung sowie zwischen politischen Akteuren und Landesregierung /Schulaufsicht. Die zwei hierarchischen Ebenen der Exekutive (Landesregierung bzw. Fachministerium auf der oberen und die Schulaufsicht auf der unteren Ebene) wurden im hier skizzierten Modell der grafischen Übersicht wegen in einem Block zusammengefasst. In den Befunden der Untersuchung zeigt sich jedoch teilweise eine Differenzierung in der Sichtweise der Schulleiterinnen und Schulleiter, wenn diese ihre jeweiligen Schulaufsichtsreferentinnen und -referenten in Schutz nehmen und stattdessen die Entscheidungsfindung im Bildungsministerium kritisieren. Aus diesen Steuerungs- bzw. wechselseitigen Beeinflussungsprozessen zwischen Bildungspolitik und -verwaltung sowie Schulleitung ergeben sich einerseits Rahmenbedingungen für das Schulleitungshandeln und andererseits Rahmenbedingungen für die Umsetzung schulischer Inklusion an Schwerpunktschulen. Ebenfalls beeinflusst werden diese Rahmenbedingungen durch gleichermaßen wechselseitige Interaktionsprozesse zwischen der Schulleitung und lokalen bzw. kommunalen Akteuren, wie in Abschnitt 8.2 zusammengefasst. Die so aus zwei Richtungen für die Schulleitung entstehenden Rahmenbedingungen stehen in einer Wechselwirkung mit den individuellen Sichtweisen und Überzeugungen, die den Prozess der Rekontextualisierung des Schulentwicklungsauftrags der Schwerpunktschule maßgeblich beeinflussen (siehe hierzu Abschnitt 8.1). Dabei ist als wesentlicher Kernbefund der Untersuchung festzuhalten, dass diese Wechselwirkungen sehr stark themenspezifisch ablaufen, d. h., die Rahmenbedingungen für Schulleitungshandeln stehen ausschließlich mit der Führungsorientierung und der Rekontextualisierung der Schulleitungsrolle in direkter Beziehung, während die Rahmenbedingungen für Inklusion an Schwerpunktschulen ausschließlich mit

346

8 Ein integriertes Modell der Rolle von Schulleitung im Kontext schulischer Inklusion

der Rekontextualisierung des Themas Inklusion in direkter Beziehung stehen (siehe ausführlich dazu unter Punkt 7.4.11 und 7.5.10). Sowohl die Sichtweise auf Inklusion als auch die Führungsorientierung speisen sich aber auch daraus, dass die Schulleiterinnen und Schulleiter selbst in gesellschaftliche Diskurse und einen inhaltlichen Austausch mit verschiedenen Akteuren eingebunden sind, wie Abschnitt 8.1 aufzeigt. Daraus wiederum resultiert eine weitere Komplexitätssteigerung für die Modellierung der Schulleitungsrolle im Kontext schulischer Inklusion. Denn es werden nicht nur die Rekontextualisierungsprozesse auf Ebene der Schulleitung durch bestimmte Rahmenbedingungen beeinflusst, sondern die grundlegenden Sichtweisen und Überzeugungen der Schulleitung selbst (als Resultat der Auseinandersetzung mit gesellschaftlich rahmenden Diskursen) beeinflussen, wie die Schulleiterinnen und Schulleiter bestimmte Rahmenbedingungen wahrnehmen, interpretieren sowie mit ihnen umgehen. Aus dem Ergebnis des weiteren in Abschnitt 8.1 dargestellten Rekontextualisierungsprozesses heraus ergibt sich dann, in welcher Form die Schulleitung wiederum die Entwicklung schulischer Inklusion mittels eines Führungshandelns unterstützt, dessen Grundzüge sich aus der Forschung heraus als wirksam beschreiben lassen (siehe Abschnitt 8.3), wobei das Führungshandeln der Schulleitung selbst wiederum in einer wechselseitigen Beziehung mit lokalen bzw. kommunalen Akteuren steht (siehe Abschnitt 8.2). Aus dieser Zusammenführung der Perspektiven lässt sich ablesen, dass die Rolle der Schulleitung als eine Schlüsselrolle zur Erklärung von Unterschieden zwischen den einzelnen Schwerpunktschulen zu sehen ist. Letztlich kann die Schulleitung die Entwicklung bestimmter Kulturen, Strukturen und pädagogischer Praktiken beeinflussen, ist dabei aber mit ihren Sichtweisen und ihren Handlungsmöglichkeiten in einen hochkomplexen Systemzusammenhang eingebettet, der sich nicht auf einfache Kausalbeziehungen reduzieren lässt. In der Folge können bereits existierende oder noch folgende empirische Untersuchungen, die sich auf Wirkzusammenhänge einzelner Variablen in diesem Gefüge beziehen, nur dann gewinnbringend interpretiert werden, wenn sie in diesen komplexen Gesamtzusammenhang integriert und daran in ihrer Reichweite relativiert werden.

9 Diskussion Ausgangspunkt für die Untersuchung war die zentrale Fragestellung, wie sich aus der Innensicht des Systems heraus (1) die formale Rolle von Schulleiterinnen und Schulleitern mit ihren Aufgabenfeldern, (2) deren Rollen- und Aufgabenverständnis (subjektives Berufsverständnis), (3) die Bedeutung von Schulleitungshandeln für die Gestaltung schulischer Inklusion sowie (4) die Rahmenbedingungen für gelingendes Schulleitungshandeln an Schwerpunktschulen beschreiben lassen. Diese Ausgangsfrage wurde in Kapitel 5 weiter ausdifferenziert. Zur Untersuchung der Forschungsfrage wurde eine empirische Untersuchung mittels leitfadengestützter Experteninterviews mit Schulleiterinnen und Schulleitern an rheinland-pfälzischen Schwerpunktschulen durchgeführt. Die Interviews wurden mithilfe der qualitativen Inhaltsanalyse ausgewertet. Zentrale theoretische Anknüpfungspunkte bei der Analyse der Befunde waren die neue Theorie der Schule (Fend, 2008a), die Perspektive des Educational Governance Ansatzes (Altrichter & Maag Merki, 2016b, z. B.), das Modell der Führungsorientierung nach Bolman und Deal (2013) sowie international vorliegende empirische Befunde zur Rolle von Schulleitung im Kontext schulischer Inklusion (siehe Kapitel 3). Die zentralen Ergebnisse sowohl des Theorieteils der Arbeit als auch der durchgeführten empirischen Untersuchung wurden in Kapitel 8 in einem Rahmenmodell integriert, sodass auf dieser Basis eine auf die Ausgangsfragen der Untersuchung bezogene Zusammenfassung erfolgen kann. 9.1 Zusammenfassende Beantwortung der zentralen Fragestellung Die Untersuchung zeigt im Kern, dass sich die Schulleitungsrolle im Kontext der Beauftragung von Schwerpunktschulen als rheinland-pfälzischem Modell inklusiver Schulen nicht grundlegend ändert, jedoch komplexer, anspruchsvoller und zeitaufwendiger wird. Auch im Rollen- und Aufgabenverständnis zeigten die Schulleiterinnen und Schulleiter keine Tendenzen, die grundlegend anders erscheinen als in anderen Untersuchungen zum Rollen- und Aufgabenverständnis von Schulleitungen (Bonsen, 2003; Warwas, 2009). Jedoch ergab die Untersuchung, dass sich die Bedeutung der Schulleitung unter dem Vorzeichen einer vielfach als tiefgreifend erlebten Veränderung der Ansprüche an Schulen im Zusammenhang mit Inklusion © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 D. Scheer, Schulleitung und Inklusion, https://doi.org/10.1007/978-3-658-27401-6_9

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9 Diskussion

verschärft sichtbar wird: Schulleitung an einer inklusiven Schule ist also genauso Schulleitung wie an jeder anderen Schule – das Fehlen einer starken Schulleitung wird im Kontext von Inklusion aber deutlicher sichtbar als im bislang „traditionellen“ Schulbetrieb. Gleichzeitig fehlen aus Sicht der befragten Schulleiterinnen und Schulleiter jedoch zentrale Rahmenbedingungen für erfolgreiches Schulleitungshandeln an Schwerpunktschulen, wobei die Sicht auf die Rahmenbedingungen zwischen den Schulleiterinnen und Schulleitern durchaus variiert. Die so zusammengefassten Ergebnisse werden in den folgenden Abschnitten bezogen auf die einzelnen Unterfragen erläutert. 9.1.1 Die formale Rolle von Schulleitung Die Beantwortung der Frage nach der formalen Rolle der Schulleitung ergibt sich einerseits aus der Analyse der rechtlichen Situation im Theorieteil der Arbeit und andererseits aus den Ergebnissen der empirischen Untersuchung. Dabei zeigt sich, dass die Rolle der Schulleitung an Schwerpunktschulen keine grundsätzlich andere ist als an anderen Schulen. Im Detail ergeben sich Unterschiede dadurch, dass bestimmte Aufgaben komplexer werden, dass einzelne neue Aufgaben (insbesondere in der Verwaltung) hinzukommen und dass die Schulleitung mit mehr Akteuren im Austausch steht. In den Interviews konnten einzelne Bereiche identifiziert werden, in denen die Schulleiterinnen und Schulleiter Änderungen in ihrem Berufsalltag bzw. Spezifika des Arbeitsplatzes Schwerpunktschule beschreiben. Gleichzeitig berichten die Schulleiterinnen und Schulleiter, dass bei steigender Arbeitsbelastung durch die Einführung der Schwerpunktschulen die Ermäßigungsstunden für Schulleitungsaufgaben nicht erhöht wurden und sich nach wie vor allein über die Größe der Schule ergeben. Ferner zeigte sich, dass zwar bestimmte Steuerungsmechanismen im Sinne eines Governance-Regimes den Handlungsspielraum der Schulleitung vorgeben, dass sich die konkrete Schulleitungsrolle aber wesentlich stärker aus der eigenen Rolleninterpretation ergibt als aus formalen Vorgaben. 9.1.2 Individuelle Ausgestaltung der Schulleiterrolle: Rollen- und Aufgabenverständnis Diese individuelle Rolleninterpretation unterscheidet sich stark zwischen den befragten Schulleiterinnen und Schulleitern. Zur Analyse erwies sich das Rahmenmodell

9.1 Zusammenfassende Beantwortung der zentralen Fragestellung

349

von Bolman und Deal (2013) als adäquat. Mittels Clusteranalyse konnten weitestgehend ähnliche Schulleitungstypen identifiziert werden wie in der Untersuchung von Bonsen (2003). Das Spektrum der individuellen Rolleninterpretationen reicht demnach von einer klassischen Primus-inter-pares-Rolle, in der eine Lehrkraft für die Verwaltungsarbeit zuständig ist, bis hin zu einem Verständnis als Visionen und Werte vermittelnder Motor für Schulentwicklung mit klarem Leadership-Auftrag. Dabei konnten zwei Schulleiter dem konventionell-klassischen Cluster zugeordnet werden, zwei Schulleiterinnen dem Cluster „konventionell-klassisch mit erhöhter politischer Aufmerksamkeit“, sechs Schulleiterinnen und Schulleiter dem Cluster „Multiframing mit erhöhter personaler Aufmerksamkeit“ sowie drei Schulleiterinnen und Schulleiter dem Multiframing-Cluster. Zwei Schulleiter wurden als Einzelfälle klassifiziert, wobei einer von ihnen in der Terminologie von Bonsen (2003) als klassisch-symbolischer Typus zu beschreiben wäre. Im Gegensatz zu Bonsens Untersuchung zeigte sich jedoch eine deutlich stärkere Ausprägung des Political Frame. Dies mag mit dem spezifischen Thema der Auseinandersetzung zusammenhängen: Einerseits wird das Thema Inklusion gesellschaftlich ambivalent und sehr emotionsgeladen diskutiert, wodurch sich für Schulleitungen an Schwerpunktschulen ein höherer Bedarf an Interessensausgleich zwischen unterschiedlichen Parteien ergeben dürfte. Andererseits zeigte auch die Thematisierung der Rahmenbedingungen für Schwerpunktschulen, dass viele Schulleitungen eine hohe Notwendigkeit sehen, Verhandlungen um Finanzierungen, Personalabdeckung und bauliche Anpassungen für einen barrierefreien Zugang zu führen und in diesem Rahmen möglichst viel der vorhandenen Ressourcen für die eigene Schule zu gewinnen. Die Schulleiterinnen und Schulleiter, die einen Führungsanspruch formulieren und sich als gestaltende Akteure sehen, beschreiben ihre Rolle insbesondere so, dass sie andere Menschen für die Idee von Inklusion gewinnen, eigene Ideen entwickeln und Impulse für die Schulentwicklung geben. Dabei unterscheiden sich die Schulleiterinnen und Schulleiter in den Interviews deutlich voneinander. Schulleiterinnen und Schulleiter, bei denen die Aufmerksamkeit besonders stark auf dem Human-Resource Frame liegt, versuchen dabei in Form von Fortbildungen und Information die Lehrkräfte für das Thema Inklusion zu sensibilisieren sowie Kolleginnen und Kollegen dabei zu unterstützen, vorhandene Ideen umzusetzen. Politisch orientierte Schulleiterinnen und Schulleiter zeigten dagegen eher die Tendenz, ihre Agenda zu planen und Schritt für Schritt umzusetzen, wobei sie

350

9 Diskussion

dabei versuchen, Ängste und Vorbehalte durch ein solches schrittweises Vorgehen abzubauen und Interessen auszugleichen. Schulleiterinnen und Schulleiter mit einer starken symbolischen Orientierung hingegen setzten eher auf ihre Vorbildrolle („also dass es spürbar wird, dass der Inklusions / der Integrationsgedanke auch für die Schulleitung eine große Rolle spielt“; IGS-2-W: 57–57). Immer wieder deutlich wurde auf der strukturellen Ebene, dass Schulleiterinnen und Schulleiter ihre Rolle darin sehen, durch Ressourcensteuerung, Bildung konstanter Teams sowie das Schaffen fixer Zeitfenster für Besprechungen und gemeinsame Planungen den Lehrkräften einen Rahmen für die erfolgreiche Umsetzung des Auftrags der Schwerpunktschule zu schaffen. Dem Modell von Bolman und Deal entsprechend zeigte sich ebenfalls, dass Schulleiterinnen und Schulleiter, die auf mehreren Rahmen eine hohe Aufmerksamkeit zeigen, diese innerhalb einer Aussage auch miteinander kombinieren, wie das folgende Beispiel zeigt: „Wie verstehe ich meine Leitungsarbeit? Motivieren. Motivieren zu dieser Teamarbeit halte ich für ein zentrales Element. Vorangehen mit diesen Grundgedanken (...) ist auch sehr zentral. Aber sich eben auch dauernd umschauen und gucken, dass alle dabei bleiben und man sich nicht irgendwie, ja, absetzt und verschwindet aus dem/ aus den Strukturen. So sehe ich meine Aufgabe.“ (IGS-2-W: 55–55)

Im ersten Teil der Aussage betont die Schulleiterin die Bedeutung der Teamarbeit und ihren Einsatz dafür, ebendiese zu verbessern (Human-Resource Frame), dann beschreibt sie ihren Führungsstil als ein Vorangehen mit dem Grundgedanken der Inklusion (Symbolic Frame) und zeigt aber im letzten Teil der Aussage auch, dass sie dabei klare Erwartungen an ihr Kollegium hat („man sich nicht irgendwie absetzt“; Structural Frame). Dass es sich dabei um eine in sich geschlossene Sequenz handelt, zeigt sich daran, dass die Gesamtsequenz gerahmt ist von der Eröffnung „Wie verstehe ich meine Leitungsarbeit?“ und dem Abschluss „So sehe ich meine Aufgabe“. Darin zeigt sich eine Kernerkenntnis der Untersuchung: Je stärker die Schulleitungen unterschiedliche Rahmen im Blick haben, umso größer ist ihr Repertoire, flexibel auf die unterschiedlichen Herausforderungen im Kontext Inklusion zu reagieren.

9.1 Zusammenfassende Beantwortung der zentralen Fragestellung

351

9.1.3 Bedeutung von Schulleitungshandeln für die Gestaltung schulischer Inklusion Die Bedeutung des Schulleitungshandelns für das Gelingen schulischer Inklusion ergibt sich einerseits aus dem bisherigen Forschungsstand zum Einfluss von Schulleitungshandeln insgesamt wie auch im Kontext Inklusion. Dabei wurde deutlich, dass eine starke, unterstützende, auf gemeinsame Werte und Visionen ausgerichtete, partizipative Führung unterstützend für die Entwicklung schulischer Inklusion wirkt. So konnten einzelne Aspekte positiv unterstützender Schulleitung unter Abschnitt 8.3 in ein integriertes Modell der Schulleitungsrolle im Kontext Inklusion aufgenommen werden. Sowohl aus der theoretischen Betrachtung der neuen Theorie der Schule (Fend, 2008a) und der Governance-Perspektive (Altrichter & Maag Merki, 2016b, z. B.) als auch aus den Ergebnissen der empirischen Untersuchung ergab sich andererseits ein wesentlich komplexeres Bild. Dabei wurde deutlich, dass grundlegende Haltungen und Einstellungen der Schulleitung sowie ihre individuelle Rolleninterpretation und Führungsorientierung mit bestimmten Entwicklungsprozessen an der jeweiligen Schule verknüpft sind und dass die begründete Annahme vertreten werden kann, dass diese Verknüpfung auf einen Einfluss des Schulleitungshandelns zurückzuführen ist. Allerdings zeigte sich gleichzeitig auch die Bedeutung sowohl gegebener struktureller Rahmenbedingungen als auch Interaktionen mit anderen Akteuren. Zudem wurde sichtbar, wie die Gestaltungsmöglichkeiten der Schulleitung durch das in Abschnitt 8.2 skizzierte Governance-Regime beeinflusst werden. Zusammenfassend kann somit gesagt werden, dass die Schulleitung einen gestaltenden Einfluss auf die Umsetzung schulischer Inklusion hat und dass gering ausgeprägtes Schulleitungshandeln sich auch in geringen Entwicklungsfortschritten im Sinne schulischer Inklusion an Schwerpunktschulen ausdrückt. Dass die befragten Schulleiterinnen und Schulleiter diese Möglichkeiten in höchst unterschiedlicher Ausprägung nutzen, geht aus den Interviews hervor. In den Interviews zeigt sich aber auch deutlich, dass die Schulleiterinnen und Schulleiter ihre gestaltende Rolle nur in dem Maße ausüben können, wie es die Rahmenbedingungen zulassen. Ein Beispiel dafür ist, dass bestimmte Maßnahmen der Personalentwicklung Zeit benötigen, die den Schulleiterinnen und Schulleitern aufgrund der unterschiedlich hoch ausfallenden Ermäßigungsdeputate nur teilweise zur Verfügung steht.

352

9 Diskussion

Zudem darf diese Bedeutung nicht überbewertet werden. Dass die Schulleitung einen großen Einfluss auf die Schulentwicklung hat, darf nicht über das komplexe System an weiteren Einflussfaktoren hinwegtäuschen. 9.1.4 Rahmenbedingungen für gelingendes Schulleitungshandeln an Schwerpunktschulen Hinsichtlich der Rahmenbedingungen, die aus Sicht der Schulleiterinnen und Schulleiter erfüllt sein müssen, damit sie ihren Auftrag, Schwerpunktschulen erfolgreich als inklusive Schulen zu gestalten, erfüllen können, können insbesondere die folgenden Ergebnisse festgehalten werden: • Einschränkungen in der Personalführung aufgrund des Beamtenrechts bzw. aufgrund fehlender Belohnungs- und Sanktionierungsmöglichkeiten auf Schulleitungsebene werden von den Schulleiterinnen und Schulleitern als teilweise hemmende Faktoren bei der Umsetzung schulischer Inklusion gesehen. • Unterschiedlich bewertet wird das Thema Schulautonomie. Hier gibt es Schulleitungen, die die Schulentwicklung stark durch staatliche top-down orientierte Steuerung eingeschränkt sehen, während andere Interviewpartnerinnen und -partner in dieser Hinsicht keine Einschränkungen wahrnehmen. • Eine zu geringe personelle Ausstattung der Schulleitung sowie zu hohe Unterrichtsverpflichtung werden in weiten Teilen der Stichprobe kritisiert und schlagen sich darin nieder, dass ein Großteil der Schulleiterinnen und Schulleiter das Gefühl hat, kontinuierlich mehr Arbeitsaufwand zu haben, ohne dafür mehr zeitliche Ressourcen zur Verfügung zu bekommen. Bei einigen Schulleiterinnen und Schulleitern zeigt sich aus diesem Grund bereits ein deutliches Belastungserleben. • Allgemein gefordert wird gerade an größeren Schulen, dass Förderschullehrkräfte im Schulleitungsteam benötigt würden, um das Konzept Schwerpunktschule wirklich sinnvoll umsetzen zu können. In diesem Kontext ist es auch zu sehen, dass, wo vorhanden, die Kooperation mit der Förderschule (Stammschule) als hilfreich erlebt wird. • An institutionalisierter Unterstützung erachten die Schulleiterinnen und Schulleiter es als wichtig, dass eine verbindliche Ausbildung mit Hospitationsmöglichkeiten für Schulleitungen, regelmäßige Supervision für Schulleitun-

9.1 Zusammenfassende Beantwortung der zentralen Fragestellung

353

gen sowie eine institutionalisierte regionale Vernetzung der Leitungen von Schwerpunkt- und Förderschulen etabliert werden müssten. Inwieweit das Schulleitungshandeln durch staatliche Steuerungsmechanismen konkret reguliert ist, konnte in der governance-analytischen Betrachtung in Abschnitt 8.2 teilweise analysiert werden. Dabei ergaben sich, bezogen auf schulische Inklusion, Hinweise, dass die staatliche Inputregulierung regional zwischen einer mittleren und starken Ausprägung divergiert, während die Außensteuerung durch substanzielle Ziele eher gering erscheint. Die Selbststeuerung der Lehrerprofession wird von den Schulleiterinnen und Schulleitern aus unterschiedlichen Begründungsmustern heraus als hoch erlebt, während ein Konkurrenzdruck in Form von Quasi-Märkten nur schwach ausgeprägt ist. Für das innerschulische Management bleiben damit eher im mittleren Bereich ausgeprägte Steuerungsmöglichkeiten, je nach konkreter regionaler bzw. lokaler Situation auch nur schwache Steuerungsmöglichkeiten. 9.1.5 Sichtweise auf Inklusion und deren Umsetzung an Schwerpunktschulen Zur Beantwortung der Frage nach der Sichtweise auf Inklusion und deren Umsetzung an Schwerpunktschulen sind zwei thematische Hauptkategorien im Kategoriensystem relevant. Einserseits das Thema „Sichtweise auf Inklusion“ sowie andererseits das Thema „Rahmenbedingungen für die Entwicklung von Schwerpunktschulen“. Zur Analyse der Sichtweise auf Inklusion zeigte sich bezüglich des zugrunde liegenden Inklusionsverständnisses die Taxonomie von Piezunka et al. (2017) als gut einsetzbares, wenn auch an einer Stelle (Pragmatisches Verständnis von Inklusion) weiter auszudifferenzierendes Kategoriensystem. Zur Analyse der (evaluativen) Auseinandersetzung mit Inklusion hingegen konnten die von Laubenstein, Lindmeier, Guthöhrlein und Scheer (2015, S. 301–303) ausgearbeiteten Typen von Schwerpunktschulen adaptiert und auf Schulleitungen angewendet werden. Vier Schulleiterinnen und Schulleiter vertraten in den Interviews ein Inklusionsverständnis, das sich über Teilhabe / Anerkennung / Wohlfühlen definieren lässt, fünf Schulleiterinnen und Schulleiter vertraten das pragmatische Inklusionsverständnis mit Bezug zu unterschiedlichen Heterogenitätsdimensionen, ein Schulleiter das pragmatische Verständnis mit Bezug zur Heterogenitätsdimension Behinderung bzw. sonderpädagogischer Förderbedarf und drei Schulleiterinnen und Schulleiter ein auf die UN-Behindertenrechtskonvention bezogenes Inklusionsverständnis.

354

9 Diskussion

Sieben Schulleiterinnen und Schulleiter beschrieben ihre Auseinandersetzung mit Inklusion in einer Form, die am ehesten dem Typus „Idealisten“ zugeordnet werden konnte. Drei Schulleiterinnen und Schulleiter wurden hinsichtlich der Auseinandersetzung mit Inklusion dem Typus der Realisten zugeordnet, zwei dem Typus Handwerker und ein Schulleiter dem Typus des Skeptikers. Ein Schulleiter konnte keinem Typus zugeordnet werden, zeigte sich aber grundsätzlich optimistisch hinsichtlich der Möglichkeiten schulischer Inklusion. Als einziger Zusammenhang zwischen beiden Kategorien deutete sich an, dass Schulleiterinnen und Schulleiter, die Inklusion mit optimistischer Grundhaltung sehen, entweder ein nicht auf Behinderung beschränktes Inklusionsverständnis vertreten oder, wenn die Differenzlinie Behinderung in den Mittelpunkt rückt, ein menschenrechtsbasiertes Verständnis auf Basis der UN-Behindertenrechtskonvention. Gleichzeitig konnte aufgezeigt werden, dass in der Tendenz ein weites Inklusionsverständnis und eine positive Grundhaltung gegenüber Inklusion eher mit einer starken Führungsorientierung auf unterschiedlichen Rahmen (Multiframing) im Sinne des Modells von Bolman und Deal einhergeht. In einem integrierten Modell der Rolle von Schulleitung im Kontext schulischer Inklusion konnte veranschaulicht werden, dass das Zusammenspiel der Führungsorientierung der Schulleitung und der Sichtweise auf Inklusion im Prozess der Rekontextualisierung mit bestimmten Umsetzungsstrategien an der Schwerpunktschule durchaus korrespondiert. Dabei wurde aber auch sichtbar, dass dies keine unilaterale Beziehung ist, sondern dass vielmehr weitere Rahmenbedingungen und auch Schulentwicklungsprozesse in die Entwicklung der eigenen Sichtweisen und Grundhaltungen hineinwirken. Insgesamt stehen die befragten Schulleiterinnen und Schulleiter dem Thema Inklusion und auch der Umsetzung an der eigenen Schule mehrheitlich zwar prinzipiell befürwortend gegenüber. Das (bildungspolitische) Konzept der Schwerpunktschulen wird jedoch von einzelnen Schulleiterinnen und Schulleitern durchaus kritisch gesehen (keine „echte“ Inklusion, sondern wieder spezielle Schulen; Gymnasien sind außen vor; Bezeichnung als Sparmodell), wie in Abschnitt 7.5 sichtbar wurde. Dabei wurden die politischen, gesellschaftlichen, personellen, finanziellen, baulichen und konzeptionellen Rahmenbedingungen von den Schulleiterinnen und Schulleitern differenziert dargestellt und bewertet, sodass hieraus sicherlich optimierende bildungspolitische bzw. administrative Maßnahmen abgeleitet werden können.

9.2 Limitationen

355

Deutlich erkennbar ist bei dieser differenzierten und teilweise divergierenden Bewertung, dass einzelne Schulleiterinnen und Schulleiter hier sehr unterschiedliche Fokusse setzen. Zudem zeigte sich, dass Kritik an Rahmenbedingungen zunächst unabhängig davon ist, ob die befragte Schulleitung Inklusion optimistisch oder skeptisch gegenübersteht oder welches Inklusionsverständnis sie vertritt. Vielmehr war zu erkennen, dass grundsätzlich optimistische Schulleiterinnen und Schulleiter (Idealisten und Realisten) in ihrer Kritik aber stets konstruktiv für Verbesserungen argumentierten und zugleich betonten, dass fehlende Rahmenbedingungen keine Ausrede für eine Veränderung von pädagogischer Haltung sein dürften. 9.2 Limitationen Die Untersuchung wurde angelegt als eine qualitative Interviewstudie, bei der in die qualitative Inhaltsanalyse einzelne quantitative Auswertungsschritte einbezogen wurden. Aus diesem Forschungsdesign heraus ergibt sich für die Bewertung der Ergebnisse und ihrer Reichweite ein spezifischer Horizont. Mittels des gewählten Vorgehens konnten Einsichten dazu gewonnen werden, wie Schulleiterinnen und Schulleiter den Prozess der Umsetzung schulischer Inklusion in ihrem Arbeitsalltag erleben, wie sie ihre eigene Rolle bzw. ihren eigenen Beitrag dazu sehen und welche Strategien in der Führung ihrer Schule sie als hilfreich erfahren. Im Abgleich mit bestehenden theoretischen Modellen und dem bisherigen Stand der Forschung konnten daraus plausible Ableitungen sowie theoretische Weiterentwicklungen vorgenommen werden, die zu bildungspolitischen und praktischen Implikationen, aber auch zu weiteren Forschungsansätzen anregen können. Im Gegensatz zu anderen Untersuchungen (z. B. Hoppey & McLeskey, 2013; Waldron et al., 2011) wurden jedoch keine bewertenden Erfolgsindikatoren in die Fallauswahl einbezogen oder zur Kontrolle erhoben. Eine Aussage zur tatsächlichen Wirksamkeit bestimmter Führungsstrategien oder -handlungen ist damit in der Untersuchung weder angelegt noch anhand des erhobenen Datenmaterials seriös möglich. Die Hinweise, die sich innerhalb der Untersuchung auf bestimmte Zusammenhänge ergeben haben, müssen demnach zukünftig unter kontrollierten Bedingungen vertiefend untersucht werden. Weitere Limitationen, die von einer weitergehenden als der in der Arbeit vorgestellten Interpretation der Befunde absehen lassen, ergeben sich im Detail aus verschiedenen Abschnitten des Forschungsprozesses.

356

9 Diskussion

Der erste kritische Punkt, an dem Verzerrungen inhaltlicher Art auftreten können, ist die Auswahl der Interviewpartnerinnen und -partner. Um trotz geringen Stichprobenumfangs eine gewisse Repräsentativität zu gewährleisten, wurde ein qualitativer Stichprobenplan generiert, der die wichtigen Faktoren Schulart bzw. -stufe, Schulaufsichtsbezirk und geografische Lage kontrolliert. Innerhalb dieses Stichprobenplans wurde randomisiert ausgewählt, welche Schulen kontaktiert werden. Der nächste kritische Punkt der Stichprobenzusammensetzung ergibt sich aus der Quote der direkten Zusagen bzw. daraus, welche Schulleiterinnen und Schulleiter bereit sind teilzunehmen. Hier zeigte sich, dass es bei zwei angefragten Interviewpartnerinnen bzw. -partnern aus organisatorischen Gründen trotz genereller Bereitschaft nicht zu einem Termin kam. Alle anderen Interviews kamen direkt auf Basis der ersten Kontaktaufnahme zustande. Ob es Schulleiterinnen und Schulleiter gegeben hätte, die einer Teilnahme widersprochen hätten, kann somit nicht festgestellt werden. Einschränkungen der Aussagekraft ergeben sich in qualitativen Interviews vor allem bei Fragen, die entweder heikle Sachaspekte oder persönliche Einstellungen und Haltungen angehen. Bezogen auf die Sachaspekte, die thematisiert wurden, zeigte sich aufgrund der zugesicherten Anonymisierung eine große Offenheit, sodass kritische und heikle Sachaspekte durchaus ausgesprochen wurden. Hinsichtlich der persönlichen Haltungen und Orientierungen, die in den Interviews bzw. in der Inhaltsanalyse eine Rolle spielten, insbesondere was die Auseinandersetzung mit schulischer Inklusion angeht, ist einschränkend zu beachten, dass hier sowohl die Tendenz zur sozialen Erwünschtheit als auch die Tendenz der Selbstinszenierung56 wirken können. Damit sind Interpretationen bezüglich der Grundhaltung gegenüber Inklusion bei den Befragten immer mit der Einschränkung versehen, dass es sich nicht um die tatsächliche Grundhaltung oder Einstellung der befragten Person, sondern vielmehr um die von ihr als ideal antizipierte Grundhaltung oder Einstellung handelt. Dass diese Einschränkungn auch hinsichtlich schulischer Inklusion keineswegs zu vernachlässigen ist, zeigen aktuelle Untersuchungen zur sozialen Erwünschtheit und zur Diskrepanz zwischen expliziten und impliziten Maßen der Einstellung zur Inklusion (Lüke & Grosche, 2018a, 2018b). Der Interviewleitfaden wurde so gestaltet, dass eine zwar eine inhaltliche Vorstrukturierung des Interviews gegeben war, sich der exakte Gesprächsverlauf jedoch 56

Hier verwendet im Sinne von Mummendey und Eifler (1995), der in der Selbstdarstellung ein alltägliches und dem Menschen immanentes Phänomen sieht, unser eigenes Ideal-Selbst gegenüber uns selbst und unserer Umwelt aufrechtzuerhalten.

9.2 Limitationen

357

aus der kommunikativen Situation heraus ergab. Die direkte Replizierbarkeit der Untersuchung wird dadurch zunächst eingeschränkt, da einerseits die Gesprächssituation selbst nur eine Momentaufnahme darstellen kann und andererseits durch die Interaktion zwischen Interviewpartnerin bzw. -partner und interviewender Person beeinflusst wird. Zudem werden unterschiedliche Schulleitungen auf die im Interview gesetzten Stimuli unterschiedlich reagieren. Dies jedoch wird wiederum ausgeglichen sowohl durch die Tonaufzeichnung der Interviews als auch durch die standardisierte Verwendung des stets gleichen Interviewleitfadens, die eine intersubjektive Nachvollziehbarkeit der Gesprächsituation gewährleisten. Zudem erzeugt die Offenheit des Interviewleitfadens eine ökologische Validität der erhobenen Daten, der gerade aufgrund der bisher schwachen Befundlage zur Fragestellung und des damit einhergehenden explorativen Charakters der Untersuchung eine sehr hohe Bedeutung zukommt. Um eine möglichst hohe Validität der Datenanalyse zu gewährleisten, wurden theoretische, deduktive Kategorien nicht a priori festgelegt, sondern im Prozess der qualitativen Analyse abduktiv angelegt. So konnte sichergestellt werden, dass trotz der Einbeziehung deduktiver Kategorien stets der Bezug und die Passung zum Material gewahrt wurden. Die Ausdifferenzierung des Kategoriensystems wurde von Schritt zu Schritt mit Kolleginnen und Kollegen anhand einzelner Textpassagen diskutiert, sodass alternative Deutungsweisen und Erklärungen berücksichtigt werden konnten. Die Kodierung der einzelnen Textsegmente wurde nach Fertigstellung des endgültigen Kategoriensystems vorgenommen, sodass durch ein strikt regelgeleitets Vorgehen die intersubjektive Nachprüfbarkeit der Kodierungen gewährleistet ist. Die endgültige Kodierung selbst wurde vom Verfasser der Arbeit alleine vorgenommen, sodass keine Informationen zur Intercoderreliabilität vorliegen. Leitend waren bei der Entscheidung für dieses Vorgehen einerseits der explorative Charakter der Untersuchung und andererseits die bei Mayring (2015, S. 124–125) diskutierten Kritikpunkte von Ritsert (1972) sowie Lisch und Kriz (1978) am Konzept der Intercoderreliabilität. Rückblickend ergibt sich aus der Anwendung des Kategoriensystems jedoch, insbesondere hinsichtlich der Führungsorientierung und der Sichtweisen auf Inklusion, dass bei zukünftigen Forschungsvorhaben auf die Überprüfung und Diskussion der Kodiererübereinstimmung zurückgegriffen werden sollte.

358

9 Diskussion

Zudem würde es sich für zukünftige Forschungsvorhaben empfehlen, nach Wegen zu suchen, wie sich die durch die binäre Kodierung der Indikatoren bei der quantitativen Skalenbildung entstehenden Informationsverluste ausgleichen lassen können. 9.3 Bildungspolitische Implikationen Ziel der vorliegenden Arbeit ist insbesondere eine deskriptive Bestandsaufnahme zur Rolle und zur Sichtweise der Schulleiterinnen und Schulleiter. Dies bedeutet, dass politische Implikationen, die stets eine normative Aussageebene voraussetzen und damit den streng wissenschaftlichen Rahmen ein Stück weit verlassen, nicht zentral für das Fazit der Arbeit sind. Aus den Darstellungen der Sicht der befragten Schulleiterinnen und Schulleiter können dennoch einzelne Ansätze und Maßnahmen abgeleitet werden, die für die weitere Steuerung der Entwicklung schulischer Inklusion bzw. für die Unterstützung der Arbeit von Schulleitungen hilfreich sein können. Diese werden hier kurz skizziert. Ein grundsätzlicher Aspekt, der in der allgemeinen Schulleitungsforschung seit Langem thematisiert wird, betrifft die personelle bzw. zeitliche Kapazität der Schulleitung (Bonsen, 2010b; Tarelli et al., 2012). Was sich bereits hinsichtlich allgemeiner Prozesse der Schulentwicklung zeigt, wird im Kontext Inklusion noch einmal verschärft: Die Schulleitung benötigt Zeit für die Führung der Schule. Eine hohe Unterrichtsverpflichtung von teilweise 17 Wochenstunden wurde in der hier vorliegenden Arbeit sichtbar und schränkt aus Sicht der Schulleiterinnen und Schulleiter die Bemühungen um inklusive Schulentwicklung stark ein. Zudem kann aus der Untersuchung als Schlussfolgerung abgeleitet werden, dass auch kleine Schulen, wenn sie als Schwerpunktschule arbeiten sollen, sowohl eine Konrektorenstelle (die auch überwiegend vom Unterricht befreit sein müsste) als auch eine separate Funktionsstelle für die Koordination der sonderpädagogischen Unterstützung bzw. der inklusiven Schulentwicklung benötigen. Diese Funktionsstelle mit dem Status einer ständigen Vertretung der Schulleiterin bzw. des Schulleiters sollte mit einer Förderschullehrkraft besetzt werden. Weitere Optimierungsbedarfe ergeben sich aus der Sicht der Schulleiterinnen und Schulleiter hinsichtlich der Steuerungsmechanismen im System. So zeigt sich in den Interviews die Notwendigkeit einer einheitlicheren und transparenteren Inputregulierung. Dies betrifft insbesondere die Angleichung der finanziellen, sächlichen und baulichen Voraussetzungen über die Gebietskörperschaften hinweg.

9.4 Ausblick

359

Insgesamt bietet die Darstellung der Ergebnisse in Abschnitt 7.4 und 7.5 der Arbeit eine detaillierte Übersicht bezüglich möglicher Anpassungen organisatorischer Rahmenbedingungen. Eine wesentliche Implikation, die sich aus den Befunden der Arbeit ableiten lässt, bezieht sich auf eine notwendige Umdeutung der Rolle von Schulverwaltung bzw. -aufsicht. In den Interviews zeigen sich auf der einen Seite Unsicherheiten der Schulleiterinnen und Schulleiter bezüglich inhaltlicher Anforderungen, die an sie gestellt werden. Auf der anderen Seite zeigen die Schulleiterinnen und Schulleiter dort, wo Anweisungen gegeben werden, teilweise die Art von Unzufriedenheit wie sie in der Literatur bei Arbeitnehmerinnen und -nehmern beschrieben wird, wenn Führungskräfte in Unternehmen rein strukturell bzw. transaktional orientiert sind. Das lässt die Schlussfolgerung zu, dass sich auch die Rolle der Schulaufsicht und der Bildungsadministration wandeln sollte, und zwar in Richtung eines Selbstverständnisses als Führungskraft. Dabei ist anzunehmen, dass die Befunde der Schulleitungsforschung insgesamt sowie bezogen auf Inklusion im Allgemeinen und die Befunde der vorliegenden Arbeit im Speziellen ebenso auf die Systemebenen der Schulaufsicht und des Bildungsministeriums übertragen werden können. Dies betrifft neben der Berücksichtigung aller vier Rahmen in der Führungsorientierung insbesondere auch die bereits auf Schulleitung bezogen formulierte Anforderung einer starken, unterstützenden, auf Entwicklung von Visionen und Werten angelegten, partizipativen Führung. Hier gilt es, Möglichkeiten zu entwickeln, wie die Schulaufsicht als Führung im „Kollegium der Schulleiterinnen und Schulleiter“ eine derart gestaltete Führungsrolle einnehmen kann, die die Schulleiterinnen und Schulleiter partizipativ in die Steuerung auf Ebene des Schulaufsichtsbezirks einbezieht, und zwar nicht nur als Individuen, sondern gleichsam als ein Kollegium. Dieser Aspekt könnte Gegenstand weiterer Forschungsbemühungen sein. 9.4 Ausblick Aus den hier diskutierten Befunden und ihren Implikationen heraus zeigt sich, dass der Ansatz, das Modell von Bolman und Deal (2013) als Analysewerkzeug zu nutzen, vielversprechend erscheint, da sich mittels dieses Rahmens sowohl qualitative als auch quantitative Untersuchungen gestalten lassen, was eine Triangulation von Daten und Untersuchungen deutlich vereinfacht. Hierzu wäre es in einem nächsten Schritt jedoch notwendig, bestehende Erhebungsinstrumente (z. B. Bolman & Deal, 1988; Cheng, 1994; Prenzel et al., 2006) zu sichten und auf Validität sowie themati-

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9 Diskussion

sche Passung hin zu analysieren, um hieraus valide Instrumente zu entwickeln und zu evaluieren. Konkret wäre näher zu untersuchen, wie sich die Ausprägung der Rahmen auf das konkrete Schulleitungshandeln einerseits und die Entwicklung einzelner Schulen andererseits auswirkt. Dies ist auch im Zusammenhang dessen zu sehen, dass für den deutschen Sprachraum noch keine Untersuchungen vorliegen, die sich mit der Wirksamkeit bestimmter Führungsstrategien oder schulleiterseitiger Maßnahmen für die Entwicklung schulischer Inklusion befassen. Zudem zeigte die Untersuchung aber auch, dass die Führungsorientierung und das Schulleitungshandeln eng verknüpft sind mit Rahmenbedingungen, die sich am sinnvollsten aus der Governance-Perspektive heraus analysieren lassen. Daher ist es neben einem Blick auf die Auswirkung der Schulleitung zukünftig angeraten, unter Zuhilfenahme des Governance-Equalizers die Auswirkungen unterschiedlicher Governance-Strukturen auf das (inklusionsbezogene) Schulleitungshandeln einerseits und die (inklusionsbezogene) Schulentwicklung andererseits zu untersuchen. Damit zeigt sich, analog zur aktuellen Forschung im Bereich Schulleitung und Steuerung (Wissinger, 2014, S. 162), dass die empirische Analyse von Steuerung und Führung im Kontext schulischer Inklusion sich zukünftig nicht ausschließlich auf die Person der Schulleiterin oder des Schulleiters alleine beziehen kann, sondern im Sinne einer governance-analytischen Herangehensweise die Komplexität des systemischen Gesamtzusammenhangs in den Blick zu nehmen. Dies entspricht auch einem Trend, der sich gegen Ende des dieser Arbeit zugrunde liegenden empirischen Forschungsprozesses zeigte und sich beispielsweise bei Moser und Egger (2017) sowie Moldenhauer und Badstieber (2016) widerspiegelt, aber auch in aktuellen Arbeiten aus der Bildungs- (Brüsemeister, 2017; Kunze & Sauter, 2019) sowie Inklusionsforschung (Gasterstädt, 2019). Gerade die Arbeit von Gasterstädt (2019) verweist auf den in der Schulentwicklungsforschung bereits aufgegriffenen (Emmerich, 2010) und auch im Kontext schulischer Inklusion zunehmend präsenter werdenden Aspekt der Regionalisierung von Schulentwicklungsprozessen und deren Steuerung auf. Zwar bezieht sich Gasterstädt hier empirisch auf ein konkretes Bundesland (Hessen), jedoch lassen sich die Befunde vor dem Hintergrund ähnlicher Herausforderungen in anderen Bundesländern durchaus transferieren. Zudem verweisen die in Kapitel 2 herausgearbeiteten Parallelen des Vier-RahmenModells von Bolman und Deal, 2013 zu klassischen Führungstheorien – insbesondere zu transformationaler und distributiver Führung – vor dem Hintergrund der

9.4 Ausblick

361

im empirischen Teil sichtbaren Betonung des Political Frame und der in der internationalen Forschung erkennbaren Bedeutung von Distributed Leadership auf die Notwendigkeit, in der Forschung zukünftig auch einen Fokus darauf zu legen, wie im Kontext schulischer Inklusion Steuerung in der einzelnen Schule durch reziproke und interdependente Interaktionen der unterschiedlichsten Akteursgruppen (Feldhoff, 2016b; Feldhoff et al., 2016) entsteht und welche Bedeutung vor dieser Folie Steuergruppen in der inklusiven Schulentwicklung zukommt (Feldhoff, 2011) – dies ist ein Aspekt, der in den vorliegenden Interviews zwar am Rande gestreift wird, aber durchaus einer systematischeren Betrachtung bedürfte. Insbesondere ergibt sich dieses Desiderat, wenn man die in dieser empirischen Arbeit herausgearbeiteten Befunde vor dem Hintergrund betrachtet, dass die Diskussion um die Bedeutung von Distributed Leadership für die inklusive Schulentwicklung im Zeitraum des Arbeitsprozesses – allerdings nach Abschluss der empirischen Datenerhebung – eine starke Intensivierung erfahren hat (S. G. Huber, 2017; Moldenhauer & Badstieber, 2016; Sturm et al., 2015). Dabei konstatieren Moldenhauer und Badstieber (2016), dass eben gerade das Distributed Leadership-Modell für den Kontext Inklusion besonders deshalb interessant sei, weil es „Fragen der Schulkulturentwicklung in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit rückt und Kontexte und Interdependenten mitberücksichtigt“ (Moldenhauer & Badstieber, 2016, S. 215). Die Weitung des Blicks in Richtung Steuerung im Gesamtzusammenhang des Bildungssystems rückt allerdings auch die Rolle der Schulaufsicht in den Fokus der Betrachtung. In der Literatur finden sich zu diesem Themenbereich derzeit insbesondere Veröffentlichungen, die die Schulaufsicht als Experten einbeziehen (z. B. Laubenstein, Lindmeier, Guthöhrlein & Scheer, 2015), Empfehlungen für die Schulaufsicht aus Untersuchungen ableiten (z. B. Heimlich et al., 2016) oder die als Praxisbericht aus der Perspektive der Schulaufsicht geschrieben sind (z. B. Scherr & Strohhacker, 2015). Empirische Untersuchungen, die dezidiert die Rolle der Schulaufsicht in den Blick nehmen, ließen sich nicht identifizieren. In eine andere Richtung geht zudem die Notwendigkeit, Konzepte zur Qualifizierung nicht sonderpädagogisch ausgebildeter Schulleiterinnen und Schulleiter für inklusive Schulen zu entwickeln, zu implementieren und wissenschaftlich zu evaluieren – insbesondere auch hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf die Entwicklung schulischer Inklusion am einzelnen Schulstandort. Erste Qualifizierungsmaßnahmen im Einzelfall konnten bereits evaluiert werden (Vierbuchen, Käter & Hillenbrand, 2017). Zur Entwicklung entsprechender Praxishilfen für Schulleitungen auf Basis

362

9 Diskussion

des Modells von Bolman und Deal liegt ebenfalls ein erster Ansatz vor (Scheer & Laubenstein, 2018). Die Zusammenschau dieser vielfältigen und sich wiederum in Unterbereiche gliedernden Forschungsdesiderata zeigt, dass sich die im Jahr 2014 von Wissinger für die allgemeine Schulleitungsforschung getroffene Feststellung nun auf den Themenschwerpunkt Inklusion übertragen lässt: „Erste Versuche überhaupt, die allgemeine Führungsforschung für die Schultheorie und Schulentwicklungsforschung zu erschließen, liegen vor (z. B. Dubs, 1994, 2006; Wissinger, 1996, 2000a; Bonsen, 2003, 2006, Kansteiner-Schänzlin, 2002; Harazd, Gieske & Rolff, 2008; Harazd, 2010). Über den Einzelfall hinaus muss diese Forschung weiter systematisiert und entwickelt werden, denn Führungstheorien gewinnen für die Steuerung des Bildungssystems und der einzelnen Schule mehr und mehr an Bedeutung – ein Trend, der durch den Schulentwicklungsdiskurs angestoßen ist, der seit über 30 Jahren die Bemühungen um Schulreform und Schulentwicklung in Deutschland begleitet und durch Phasen unterschiedlicher Akzentuierung gekennzeichnet ist (...).“ (Wissinger, 2014, S. 161)

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Anhang

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 D. Scheer, Schulleitung und Inklusion, https://doi.org/10.1007/978-3-658-27401-6

Fallstudie zu Leitungshandeln an einer effektiven inklusiven Schule

Fallstudie zu Leitungshandeln an einer effektiven inklusiven Schule

Herausforderungen & Schwierigkeiten, vor denen sich Schulleitungen sehen

Waldron et al., 2011

Hoppey & McLeskey, 2013

Crocket et al. 2006

Fortsetzung auf nächster Seite

Untersuchungsgegenstand

Publikation

• Notwendigkeit einer klaren Richtung bzgl. wirksamer Förderung und ... • einer klaren Strategie für das Management von Komplexität

• Maschinenmetapher: „Die menschliche Maschinerie ölen“ → drückt die Feinabstimmung und das Management eines Systems aus

• Vertreten eines unverhandelbaren „core set of values“ • effizienter Ressourceneinsatz • Sicherstellen von effektiven / hochwertigen Unterrichtssettings / -methoden • Datengestütztes Entscheiden: strukturiertes System von Verlaufsmessungen als Grundlage für päd. Entscheidungen

Structural Frame

• Sorge für und persönliche Investition in die Lehrkräfte • Mittels Daten / Testergebnissen externen Druck abfedern • Hochwertige professionelle Weiterentwicklung fördern • teacher leadership fördern • Metapher „menschlichen Maschine“, die es zu „ölen“ gilt

• Kollaboration, „shared decision making“ → echte Partizipation • Schule / Kollegium als lernende Gemeinschaft auffassen • Ermutigung zu Entscheidungen und Teacher Leadership • Verbesserung der Arbeitsbedingungen • gezielte Personalauswahl nach Schulprofil • Abfedern von externem Druck → Schutz der Mitarbeiter / innen • Förderung der professionellen Weiterentwicklung • Datengestütztes Entscheiden: Lernverlaufsmessungen für Rückmeldungen und Fortbildungsplanung nutzen

Human-Resource Frame •

Partnerschaften mit externen Akteuren eingehen

Abfedern von externem Druck ggü. lokalen / überlokalen Akteuren → Advokatenrolle für Schule

Political Frame • • •

Einsatz sprachlicher Metaphern in der Beschreibung der Führungstätigkeit

Vertreten einer klaren Vision Ziel: shared vision Würdigung / Feiern von Erfolgen (z. B. auch kleine Fortschritte bei Lernverlaufsmessungen würdigen)

Symbolic Frame





Alle Rahmen vorhanden (Multiframing) Maschinenmetapher, die mehrere Rahmen beinhaltet: Maschine ist Structural Frame, menschlich und ölen spricht für Human-Resource Frame

Alle Rahmen vorhanden (Multiframing) verschiedene Aspekte (datengestütztes Entscheiden, Visionen & Werte, Druck abfedern) werden auf mehrere Arten gesehen und umgesetzt (Reframing)

Multiframing / Reframing

A. Befunde zur Schulleiterrolle (Literaturreview) tabellarisch sortiert nach Frames

Umsetzungsstrategien von Schulleiterinnen und Schulleitern bzgl. Inklusion

Fallstudie zu Führungsstil an einer Schule, die mit dem Thema Inklusion „zu kämpfen hat“ (struggling)

Erfolgreiches Schulleitungshandeln an effektiven inklusiven Schulen

Angelides 2012; Angelides et al., 2010

Irvine et al., 2010

Leo & Barton, 2006

Lindqvist & Nilholm, 2014

Zusammenhang von Schulleitung und Inklusivität

Salisbury, 2006

Fortsetzung auf nächster Seite

erfolgreiches Schulleitungshandeln an Schulen, die Inklusion je unterschiedlich definieren

Muijs et al., 2010

Miškolci et al., 2016

Untersuchungs-gegenstand

Gemeinsame Leadership Patterns an vier als erfolgreich inklusiv eingestuften Schulen

Publikation

• strong administrative support and commitment

• starke und zu Beginn sehr enge Führung

• datengestützte / dokumentationsbasierte Rückmeldung über pädagogische Arbeit einholen • organisatorische Bedingungen für hochwertige Förderung schaffen

• Adaptiven Organisationsaufbau anvisieren

Structural Frame

• collaborative governance structures

• im Fortschreiten des Prozesses verstärkt Distributed Leadership

• Distributed Leadership als partizipativer Führungsstil

• Weiterentwicklung der Lehrkräfte unterstützen • Lehrkräfte in ihrer Arbeit unterstützen

• Rolle eines supportive & motivating mentor for the key-players

Distributed Leadership Empowerment

Human-Resource Frame





Anhängerschaft für Inklusion gewinnen

Bezeichnung „key-players“ beinhaltet, dass nicht passiv zu führende oder zu motivierende Mitarbeiter / innen gesehen werden, sondern dass alle Beteiligten auch eigene Ziele verfolgen, also politisch mitspielen

Political Frame













„core values“ charakterisieren „cultural context“

Führungsrolle ist inspirierend und visionär

Distributed Leadership hat gleiche Wertebasis wie Inklusion

Führung als aktives Vorantreiben einer Vision von Inklusion

„upholding inclusive principles“ → Vorbildrolle

Transformational Leadership

Symbolic Frame











Multiframing sichtbar, dadurch, dass Führungsstil Aspekte dreier Frames beinhaltet

Führungsstil berücksichtigt strukturelle, personale und symbolische Aspekte (Multiframing)

Führungsstil berücksichtigt strukturelle, personale und symbolische Aspekte (Multiframing)

Ansätze von Reframing: key-players werden sowohl als zu unterstützende Gruppe (mentorship) als auch als politische Player gesehen

Reframing: Schulleiterinnen und Schulleiter zeigen Führungsstrategien, die sich stets verändern und an die je in den Vordergrund rückenden Rahmenbedingungen / Umstände der Schule anpassen

Multiframing / Reframing

390 Anhang

Auswirkung von Sichtweise / Führungsstil der Schulleitung auf Umsetzung schulischer Inklusion → Analyse in dieser Tabelle beschreibt den Führungsstil des als „inklusiv“ beschriebenen Schulleiters

Zusammenhang zwischen Schulleitungshandeln und Kooperation / Handlungsautonomie / Selbstwirksamkeit / Einstellungen von Lehrkräften Rollenverständnis der Schulleitung an inklusiven Schulen

Kontrastierender Fallvergleich zweier Schulleiter

Kooperation als procimaler Wirkfaktor von Inklusion

Poon-McBrayer & Wong, 2013

Schmidt & Venet, 2012

Weisel & Dror, 2006

Köpfer, 2015

Lütje-Klose et al., 2016

Zaretsky et al., 2008

Untersuchungs-gegenstand

Strategien von Schulleiterinnen und Schulleitern bei Umsetzung von Inklusion / Entwicklung einer shared vision

Publikation

• Sicht auf Inklusion als technical problem geht mit eher verwaltender Schulleitung einher

• starke Schulleitung

• strukturelle & organisationale Theorien in Selbstbeschreibung des Führungsstils

• klare Kommunikation

Structural Frame

• Unterstützung von Kooperationsprozessen durch Schulleitung fördert Kooperationsbereitschaft

• Fokus auf Aufbau positiver Beziehungen und Distributed Leadership

• unterstützende Schulleitung • Einfluss auf Kooperation und Handlungsautonomie

• Unterstützung und Partizipation der Lehrkraft

• Partnerschaft und Empowerment

Human-Resource Frame



(Einflussnahme auf Schulkultur)

Political Frame









Sicht auf Inklusion als cultural politics geht mit eher aktiv gestaltender Schulleitung einher

Einfluss auf positive Einstellungen der Lehrkräfte

Einflussnahme auf Schulkultur

Ziel: Shared Vision von Inklusion

Symbolic Frame





Multiframing in der Form, dass mind. drei Frames angesprochen werden (bei Einflussnahme auf Schulkultur nicht vollends ersichtlich, ob im Sinne des symbolischen Rahmens oder politischer Einflussnahme gemeint)

das symbolische Ziel (shared vision) wird zugleich durch Handlungsweisen aus dem structural frame und dem Human-Resource Frame verfolgt (Reframing)

Multiframing / Reframing

Anhang 391

B. Interviewleitfaden 1. Einstieg • Begrüßung • Erläuterung des Forschungsinteresses und der geplanten Vorgehensweise • Informationen u.a. zu – Freiwilligkeit der Teilnahme: Abbruch / Nichtteilnahme hat keine Konsequenzen – Vertraulichkeit des gesprochenen Worts – Datenschutz – Aufzeichnungstechnik • Rückversicherung der Teilnahmebereitschaft und der „Startbereitschaft“

2. Erzählimpuls Möglichkeiten: a) Erzählen Sie mir doch einfach mal: Wie ist das, Schulleiter(in) einer Schwerpunktschule zu sein? b) Wie fühlen Sie sich als Schulleiter(in) einer Schwerpunktschule? Erzählen Sie doch einfach mal. c) Erzählen Sie mir doch einfach mal etwas über Ihren Job als Schulleiter(in) einer Schwerpunktschule.

3. Nachfrageteil Welche dieser Aspekte wurden schon wie stark behandelt? Wo besteht Explikationsbedarf? (Mögliche Fragen als Anregung) • Themenkomplex A: Formale Rolle von Schulleitung

Anhang

393

– Was sind denn die Aufgaben, die Sie von Ihrem formalen Auftrag als Schulleiter(in) her zu erfüllen haben? – Welche Vorgaben bestehen zur Erfüllung dieser Aufgaben? – Sehen Sie Unterschiede zwischen dem Leiten einer Schwerpunktschule und dem Leiten einer Schule, die nicht Schwerpunktschule ist? Woran lassen sich diese Unterschiede festmachen? • Themenkomplex B: Rollen- und Aufgabenverständnis – Beschreiben Sie mir doch einfach mal Ihre Rolle an dieser Schule. – Wie gestaltet sich denn ihr Arbeitsalltag? Welche Funktion haben Sie? Mit welcher Arbeitsweise gehen Sie an Ihre Aufgaben heran? • Themenkomplex C: Bedeutung von Schulleitungshandeln für inklusive Schulentwicklung – Welche Möglichkeiten haben Sie, um an Ihrer Schule den Gemeinsamen Unterricht voranzubringen, weiterzuentwickeln, zu gestalten? Welche Grenzen gibt es? – Wie wirkt sich ihr Schulleitungshandeln auf inklusive Schulentwicklung / den Gemeinsamen Unterricht aus? – Wie tragen Sie persönlich zur Erschaffung einer inklusiven Schulkultur bei? • Themenkomplex D: Gelingensbedingungen für Schulleitungshandeln – Welche Rahmenbedingungen herrschen für Ihr Schulleitungshandeln vor? – Welche Bedingungen müssen erfüllt sein, damit Schulleitung Inklusion voranbringen kann? Welche sind erfüllt / nicht erfüllt? * Organisatorisch? * Personal-Professionelle Ebene? Fortbildung? * Persönliche Ebene? * Vernetzung?

394

Anhang

4. Abschluss Nach dem Interview das Aufzeichnungsgerät ausschalten, dann den Kurzfragebogen aushändigen und ausfüllen lassen. Dann in Alltagsgesprächsweise übergehen und lockere Athmosphäre zum Abschied herstellen.

C. Begleitfragebogen

D. Informationsschreiben für Teilnehmer / innen Sehr geehrte Kollegin, sehr geehrter Kollege, herzlichst bedanke ich mich für Ihre grundsätzliche Bereitschaft, mich durch die Teilnahme an einem Experteninterview bei meinem Dissertationsvorhaben zu unterstützen. Inhaltlich stehen vier Aspekte im Fokus: 1. Ihre (formale) Rolle als Schulleiter(in), also Aufgaben, Vorgaben etc. 2. Ihr konkretes Schulleitungshandeln, insbesondere unter der Perspektive des gemeinsamen Unterrichts von Schülern mit und ohne sonderpäd. Förderbedarf 3. Ihr Einfluss als Schulleitung bzw. die Wirkung Ihres Schulleitungshandelns auf die Entwicklung des gemeinsamen Unterrichts 4. Gelingensbedingungen für Ihr Schulleitungshandeln (Was braucht es dafür? Wie ist die Rahmensituation? etc.)

Vor der Durchführung des Interviews möchte ich Ihnen noch einige Informationen zukommen lassen: 1. Das Interview wird ca. 1 Std. in Anspruch nehmen. Ich werde darauf achten, dass eine Dauer von 90 Minuten nicht überschritten wird. 2. Im Anschluss an das Interview werde ich Sie bitten, einen Kurzfragebogen zu ein paar Rahmendaten auszufüllen. Dies dient dazu, das Interview von störenden „Nebengleisen“ freizuhalten. 3. Alle erhobenen Daten werden ab dem Zeitpunkt der Transkription vollständig anonymisiert. Unberechtigte Dritte erhalten keinen Zugriff auf die Daten. Ebenso lassen sich aus den fertigen Ergebnissen keine Rückschlüsse auf die Schule, den Ort oder die Person ziehen. 4. Die Teilnahme erfolgt freiwillig. Sie können Ihre Einwilligung zu jedem Zeitpunkt und auch nach Abschluss der Studie zurückziehen. Ihr Interview sowie der Fragebogen werden dann sofort gelöscht.

Anhang

397

5. Ihnen entstehen durch Nicht-Teilnahme keine Nachteile. 6. Die ADD und das MBWWK werden nicht über Ihre Teilnahme oder gar Antworten informiert. Lediglich die Vorstellung der Gesamtergebnisse der Studie muss vorgelegt werden. 7. Die Untersuchung wurde von der ADD (AZ: 51 111-32/4-14) und dem Landesbeauftragten für den Datenschutz (AZ: 6.08.22.001:522) genehmigt. Die Genehmigung seitens der ADD geht Ihnen separat zu.

Ich freue mich darauf, Sie persönlich kennenzulernen und von Ihnen mehr über Ihr Arbeitsfeld zu lernen. Mit freundlichen Grüßen David Scheer

E. Beispiel für die initiierende Textarbeit Stichworte zur Zusammenfassung, unsortiert, ausführlich • Bei Zahl der I-Kinder wird normal ab- und zugegeben, nach Stundenkürzung um 1 / 3 aber jetzt rigoros • Derzeitige Bedingung: Kürzung bei Personal sorgt dafür, umstrukturieren zu müssen, möglichst ohne Qualitätsverlust • Selbst wenn erst nur 2 aufgenommen werden, kommen im Verlauf durch Testungen mehr dazu • Planungsaufgabe: Welche I-Kinder in welche Klasse, welches Team zu welcher Klasse • Weg von Ideen ins Kollegium: Personalrat, Personalversammlung, Konferenz • Vorgabe 2 I-Kinder pro Klasse ist utopisch • Da Unterricht in GS sowieso zieldifferent, ist Integration hier einfacher als in Sek I • Diese Stundeneinteilung durch Kürzung nun nicht mehr möglich. Weiß nicht, wie es in Zukunft gemacht wird • Bisher konnten – aufgrund der guten Ressourcen – die Teams sich selbst auf die Stunden verteilen, so wie es passend war. • Gespräche auch bei Aufnahme von Schülerinnen und Schüler • Versuch, Teams konstant zu halten. Es gibt aber z. B. Erzieherinnen, die in Stufe 1 / 2 bleiben wollen, dann Veränderung Ende 2 • Unterschied zu Nicht-SPS: Gestaltung der „Nahtstellen“. Normale GS: Testung, dann ist das Kind weg • Gespräche Ende Klasse 4 über Weitergang. Auch gemeinsamer Info-Besuch FöS möglich • Teams: Immer zwei GS-Lehrer und eine PF oder FöL als Team für eine Klasse • Unterschied zu Nicht-SPS: Doppelte Stundenplan-Erstellung • Schulleitung heißt: Kolleg / innen den Rücken freihalten • Austausch mit anderen Schulleitungen als Ideenquelle für Schulentwicklung • Schulleitungsaufgabe: Büroarbeit • SL kommt vor Schulbeginn und ist bis Schulschluss (Mo bis Do 16 Uhr) anwesend

Anhang

399

• Freitags nach Unterrichtsschluss eine Stunde Präsenzpflicht für Teambesprechungen etc. • Viel Unterricht wegen Langzeiterkrankung • Verwaltungsaufgaben sind vor allem Schulstatistiken, PES-Statistiken und Ganztagsabrechnung • Schulentwicklungsarbeit als Motivationsgrund für Einstieg in Schulleitung • Schulentwicklungsprozess: Ist-Stand-Analyse. Erste Idee kommt dann von Schulleitung, dann hineintragen ins Kollegium • Eltern beraten, bei denen Überprüfung ansteht, auch von anderen Grundschulen • Durch Zweizügigkeit keine KonR’-Stelle mehr und Stundenkürzungen • Frage: Wie Zeiten einsparen, ohne dass es zulasten der Kinder und der Arbeit geht? • Was ist erfolgreiche Zieldifferenzierung? Wenn die Kinder sagen: „Bei uns gibt es keine verschiedenen Aufgaben.“ • Die Kinder erkennen nicht, wer „anders“ als die anderen ist: Es ist normal, dass alle unterschiedlich sind • Kollegium musste nicht von Inklusion überzeugt werden; Einstellung war schon da • Vorurteil bei Eltern, dass starke Kinder unter den Schwächeren leiden. Bekommt man nicht weg. • Eigentlich müsste jede GS mehr differenzieren. Aber SPS hat den Vorteil verschiedener Berufe, sodass ein anderer Blick da ist • Vollständige Anwesenheit aus inhaltlicher Notwendigkeit, nicht aus wahrgenommener zeitl. Dienstpflicht • [Anmerkung DS:] Verstehe ich nicht: Die Entlastungsstunden sind doch nur Unterrichtsbefreiung oder? • Haushalten mit eigenen Kräften nötig • Viele Aufgaben muss man außerhalb der Schulzeit zu Hause machen wg. Ruhe; früher konnte Anwesenheit abwechselnd geregelt sein • Mit Kräften haushalten: wirklich um 16:30 aus der Schule gehen • Anrechnungsstunden für Schulleitung reichen nicht aus • Delegation von Verwaltung an Kollegen ginge vom Unterricht ab; der steht aber im Mittelpunkt; deswegen selber irgendwie schaffen

400

Anhang

• Zu viel eigener Unterricht: 12 Std., owohl nur 8 oder 9 Pflicht wären: Kompensation von Ausfall • Auch wenn derzeit zu viel Unterricht, Arbeit mit den Kindern muss sein, das würde sie sonst vermissen • Schulleitung als Mittler zwischen Praxis und theoretischem Überbau • Zerrieben wird man dabei, wenn man selbst viel „Eigenes“ in das System steckt, das man vertritt • Manchmal muss man dem Kollegium sagen: Was wir wollen, ist an der Stelle egal, wir müssen jetzt, so weit wir können • Zerrieben wird man, wenn man das Engagement der Lehrkräfte sieht und von der anderen Seite „Das Muss!“ zu hören bekommt • Man muss hinter dem stehen, was man vertritt; sonst können die anderen nicht mitziehen • Das ganze Kollegium arbeitet mit vollem Einsatz; jeder bringt sich voll und ganz ein • Zweite Schulleitungsstelle nötig, da der gemeinsame Austausch Schulentwicklung voranbringt • Ideen müssen vorher mit anderer Person auf gleicher Ebene besprochen sein; deshalb braucht jede SPS zwei Leute in Schulleitung • Schule war auf Weg zur Inklusion; nach Stundenkürzung nun wieder in manchen Bereichen auf Anfang der Integration zurück • Stundenausstattung ist dringendes Thema, Jammern war aber vor Pauschalierung ein Jammern auf hohem Niveau • Inklusiver Unterricht sollte über Binnendifferenzierung, nicht über äußere Differenzierung funktionieren • Beispiel für Rückschritt: Jetzt muss auch äußere Differenzierung stattfinden, die eigentlich nicht gewollt ist • Anerkennung der SPS in Öffentlichkeit wäre wünschenswert, aber Kritiker sind immer lauter als die mit guten Erfahrungen • Wenn Inklusion meint, zum Nulltarif Beeinträchtigte mit in die Klassen zu setzen, dann ist die Förderschule besser • Inklusion heißt in RLP ja nur die Wahl zwischen Förderschule und Schwerpunktschule; nichts Neues also • Zwangsweise Ernennung zur Schwerpunktschule bringt weder der Schule noch den Kindern etwas

Anhang

401

• Der Bereich Schwerpunktschule als berufliche Erfüllung Stichwortartige Zusammenfassung • Aufgaben einer Schulleitung – Elterngespräche und Beratungen: Bei SFB-Feststellung, bei Aufnahme von I-Kindern und bei I-Kindern auch zum Ende von Klasse 4 → Unterschied zu Nicht-SPS – Planung der Klassen: Verteilung I-Kinder auf Klassen, Verteilung der Teams auf die Klassen, doppelte Stundenplanung – Einteilung der Teams – Vor allem Büroarbeit: Schulstatistiken, PES-Statistiken, Ganztagsabrechnung – Weiterentwicklung der Schule – Kontakte zu KiTa, Sek I und FöS halten • Eigenes Rollenverständnis – Schulentwicklungsarbeit war Motivationsgrund für Schulleiterstelle: IstStand-Analyse, dann Ideen entwickeln (z. B. im Austausch mit anderen Schulleitungen), dann Ideen über Personalrat, Personalversammlung und Gesamtkonferenz in die Schule tragen – Schule leiten heißt: Kollegium den Rücken freihalten. Deswegen Verwaltungsaufgaben nicht an Kollegen delegieren, da das von der Zeit für Unterricht abginge – Schulleitung als Mittler zwischen Praxis und theoretischem Überbau. Gefahr des Zerrieben werdens dabei, wenn man das Engagement der Lehrkräfte sieht und von anderer Seite nur „Das Muss!“ kommt, wenn man zu viel „Eigenes“ hineinsteckt – Handlungs- / Gestaltungsspielraum – Zusammenstellung von konstanten Teams aus GS-Lehrkräften und PF / FöL → gelingt häufig, jedoch gibt es auch Kolleg / innen, die sich in einer bestimmten Stufe (Klasse 1 / 2 oder Klasse 3 / 4) am wohlsten fühlen und dann dort bleiben können → Bedürfnisse der Kolleg / innen werden bei Teambildung berücksichtigt – Bisher: Teams konnten sich bedarfsorientiert selbstständig auf die Stunden verteilen (ihr habt 2 GS-Lehrer / innen und 1 FöL / PF, die Klasse ist x Stunden da, verteilt euch so, dass es passt)

402

Anhang

– Präsenzpflicht für Teambesprechungen freitags nach U-Schluss – Nur, wenn man hinter dem steht, was man vertritt, können die anderen mitziehen • Rahmenbedingungen – Die Anrechnungsstunden für SL reichen nicht aus, um alle Aufgaben zu bewältigen – Derzeit allein in SL – Arbeiten, die man in Ruhe konzentriert erledigen muss, muss man mit nach Hause nehmen, da man in der Schule Ansprechperson sein muss. Wenn man zu zweit wäre in der SL, könnte man aufteilen, wer wann anwesend ist und wer im Home Office; bei nur einer Person muss diese komplett da sein – Ideen für Schulentwicklung müssten mit Kolleg / in auf gleicher Ebene vorbesprochen werden können – Das erfordert ein Haushalten mit den eigenen Kräften: auch, wenn es noch zu tun gäbe, wirklich um 16:30 Uhr nach Hause gehen; ist Montags bis Donnerstag von ca. 7:45 bis 16:00 mindestens anwesend; nicht wegen Dienstpflicht, sondern aus Notwendigkeit heraus – Aufgrund von Erkrankungen gerade 12 Std. Unterricht, obwohl 8 / 9 Std. Pflicht – Sehr überlagerndes Thema für Schulentwicklung: Pauschalierung der Stundenzuweisung bringt Stundenkürzung von ca. 1 / 3. Dadurch qualitative Rückschritte: Schule war sehr weit vorangeschritten beim Thema Inklusion (Verschiedenheit für Schüler „ganz normal“, sodass Differenzierung gar nicht als solche wahrgenommen wird), jetzt wieder vermehrt äußere Differenzierung – Eigentlich heißt es: 2 I-Kinder je Klasse maximal. Das aber illusorisch, weil im Verlauf von 4 Schuljahren noch einige Feststellungsverfahren – Vorurteil von Elternseite, dass starke Kinder zu kurz kommen würden, nicht weg zu bekommen • Sicht auf Inklusion – Erfolgreiche Inklusion heißt: Kinder erkennen nicht, wer „die Anderen“ sind. Differenzierung wird als so natürlich wahrgenommen, dass Kinder sie nicht bemerken – Binnen-, nicht Außendifferenzierung

Anhang

403

– An GS leichter zu bewerkstelligen, als an Sek I., da GS sowieso zieldifferent – Wenn Inklusion meint, zum Nulltarif einfach beeinträchtigte Kinder in die Klassen zu setzen ohne veränderte Rahmenbedingungen, dann ist die Förderschule für die Kinder die bessere Wahl • Sicht auf Schwerpunktschule – Schwerpunktschule hat weiteren Blick auf die Kinder, da mehrere Berufsgruppen (auch durch GTS) zusammenkommen – Mehr öffentliche Anerkennung wünschenswert, aber Kritiker meist lauter, als diejenigen mit guten Erfahrungen – Inklusion, wie RLP es definiert, ist nichts Neues: Wahl zwischen Förderschule und Schwerpunktschule – Zwangsweise Ernennung zur SPS bringt weder der Schule noch den Kindern etwas – Bereich SPS als persönliche berufliche Erfüllung Zusammenfassende Fallbeschreibung Frau leitet eine Grundschule in einer Kleinstadt. Zum Entwicklungsstand ihrer Schule äußert sie, dass der Prozess – auch durch den vorherigen Modellversuch – schon sehr weit in Richtung Inklusion gediehen sei, was sich zum Beispiel daran zeige, dass die Schüler / innen weder wahrnehmen würden, wer „die Anderen“ seien und auch nicht merkten, dass differenziert werde. Allerdings müsse die Schule aber aufgrund der Pauschalierung der Stundenzuweisung, die zu einem Wegfall von 1 / 3 der FöL-Stunden geführt hat, Rückschritte und Qualitätseinbußen hinnehmen. Dazu gehört, dass die fehlenden Stunden für Doppelbesetzungen zu vermehrter äußerer Differenzierung führe, die vorher nicht mehr nötig war. Daher muss sie als Schulleitung jetzt auch rigoroser darauf achten, dass je Klasse nur 2 Schüler / innen mit SFB aufgenommen würden. Hier wurde eigentlich immer ab- und zugegeben, was bei der neuen Personalzuweisung aber nicht mehr ginge. Allerdings sei diese Messzahl illusorisch, denn im Laufe von vier Schuljahren kämmen stets noch weitere Überprüfungsverfahren dazu. Die Unterrichtsverpflichtung von 8-9 Std. muss Frau im laufenden überschreiten, da Krankheitsfälle aufgefangen werden müssen. Zudem befindet sie sich allein in der Schulleitung, eine Konrektorenstelle gibt es nicht. Dies hält sie für Schwerpunktschulen für nicht tragbar, und zwar aus zwei Gründen: Erstens müssen ihrer Ansicht nach Ideen

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für Schulentwicklung auf Leitungsebene kollegial besprochen werden, bevor sie ins Kollegium getragen werden, zweitens muss den gesamten Schultag (8:00 bis 16:00 Uhr) über eine Leitungskraft anwesend und ansprechbar sein. Wenn es nur eine Schulleitungsstelle gibt, blieben dann Aufgaben, die Ruhe und Konzentration benötigen, unerledigt oder müssen nach 16:00 Uhr mit nach Hause genommen werden. Insgesamt seien die Anrechnungsstunden für Schulleitungen zu gering bemessen, um innerhalb der Arbeitszeit alle notwendigen Aufgaben erledigen zu können. Als Aufgaben der Schulleitung benennt sie neben der Schulentwicklung, die für sie Motivation für die Bewerbung auf das Amt war, vor allem Schul- bzw. PES-Statistiken, Ganztagsabrechnung, die Verteilung der Schüler mit SFB auf die Klassen, die Einteilung der Teams, deren Verteilung auf die Klassen, Kontakte zu KiTa, weiterführenden Schulen und der Förderschule sowie viele Beratungsgespräche mit Eltern: im Rahmen von Feststellungsverfahren zum SFB (auch für Kinder aus anderen Grundschulen), bei der Aufnahme von Schüler / innen mit SFB und bei deren Übergang in die Sekundarstufe (dazu gehören auch gemeinsame Besuche von Förderschulen, falls Eltern diese Option ins Auge fassen). Die Rolle einer Schulleiterin lässt sich für Frau durch zwei Aspekte charakterisieren: Zum einen sieht sie es als ihre Aufgabe an, dem Kollegium den Rücken freizuhalten, weswegen sie auch keine Verwaltungsarbeit an Kolleg / innen delegiert. Zum anderen sieht sie sich als Mittlerin zwischen Praxis und theoretischem Überbau (z. B. Schulverwaltung): Die Gefahr bestünde dann darin, zerrieben zu werden, wenn man sehr viel „Eigenes“ in das System stecke bzw. das Engagement seiner Lehrkräfte sehe und dann von der anderen Seite nur „Das Muss!“ komme. Schulentwicklungsprozesse laufen in ihrem Leitungsverständnis so ab, dass sie als Schulleitung den Ist-Stand analysiert, dann Ideen sucht danach die Situation und gegebenenfalls schon Ideen über Personalrat, Personalversammlung und Gesamtkonferenz in das Kollegium trägt. Zur Gestaltungsmöglichkeit inklusiver Schule beschreibt Frau ferner, dass sie versuche, möglichst konstante Teams aus zwei GS-Lehrkräften und einer Förderschullehrkraft bzw. pädagogischer Fachkraft zusammenzustellen, die sich dann selbstständig auf den Stundenplan der Klasse verteilen. Ob dies nach den Stundenkürzungen noch ginge, sei noch nicht absehbar. Außerdem gebe es Freitags nach Unterrichtsschluss eine Stunde Präsenzpflicht für (Team-)Besprechungen. Die wichtigste Bedingung für erfolgreiche Leitung ist ihrer Ansicht nach, dass man hinter dem stehe, was man vertritt. Sonst könnten andere nicht mitziehen. Inklusion sei an Grundschulen ihr zufolge an Grundschulen leichter zu bewerkstelligen als an

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weiterführenden Schulen, da hier sowieso zieldifferent unterrichtet werde. Wenn Inklusion aber meine, Kinder mit Beeinträchtigung ohne konzeptionelle Änderungen und zusätzliche Ressourcen in die Klassen zu setzen, dann seien Förderschulen besser geeignet für die Kinder. Den Bereich Schwerpunktschule sieht sie als ihre berufliche Erfüllung und fände mehr öffentliche Anerkennung wünschenswert.