Sachenrecht des Bürgerlichen Gesetzbuches [3., neubearb. Aufl. Reprint 2017]
 9783111533469, 9783111165462

Table of contents :
Vorwort
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Einleitendes Kapitel: Das Wesen des Sachenrechts
I. Teil: Der Besitz
II. Teil: Das Grundbuch und die allgemeinen Vorschriften über Rechte an Grundstücken
III. Teil: Das Eigentum
IV. Teil: Die beschränkten dinglichen Rechte
Anhang
Quellenregister
Wortverzeichnis

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Lehrbücher und Grundrisse der

Rechtswissenschaft

Dritter Band

Berlin 1 9 6 0

Walter de Gruyter & Co. vormals G. J- Göschen'sche Verlagshandlune - J. G u t t e n t a g , Verlagsbnehhandlung - Georg Reimer - Karl J. Triibner - Veit & Comp.

Sachenrecht des

Bürgerlichen Gesetzbuches von Professor Dr.

juris

Justus Wilhelm Hedemann in Berlin

Dritte, neubearbeitete Auflage

Berlin 1 9 6 0

Walter de Gruyter & Co. vormals G. 1. Göschen'sche VerlagshandlUDe - J. G u t t e n t a e , Verlagsbuchhandlung - Georg Reimer - Karl J. Trübner - Veit & C o m p .

Archiv-Nr. 23 OS 59/3 Satz und D r u c k : Berliner Buchdruckerei Union G . m . b . H . « Berlin S W 61, U r b a n s t r . 71 Alle Rechte, einschlieülich des Rechtes der Herstellung von Photokopien und Mikrofilmen, vorbehalten

Vorwort Das Sachenrecht ist seinem Grundwesen nach auf Beständigkeit eingestellt. Besitz und Eigentum verlangen Festigkeit, Hypothek und Pfandrecht sind der Schaffung eines gesicherten Fundamentes im geschäftlichen Verkehr zugekehrt, das Grundbuch manifestiert den Wert eines stabilen Dokuments für die sachenrechtliche Lage der Grundstücke. Das erklärt das Hervortreten fester konstruktiver Begriffe im Bereich des Sachenrechts. Zugleich liegt darin ein besonderer Wert für die Denkschulung des jungen Juristen, aber auch ein Wert für den Juristen, der bereits im lebendigen Strom der Praxis steht und immer wieder sich auf feste gedankliche Grundformen besinnen muß. Diese Erwägungen liegen abseits von einer Überbetonung der Dogmatik und einem Hängenbleiben in Konstruktionen. Das vorliegende Lehrbuch hat sich, wie auch in den vorangegangenen Auflagen, zum Ziel gesetzt, nach Möglichkeit Beides zu verbinden, Festigkeit der Gedankenbildung und Beachtung lebendigen Menschentums. Den konstruktiv schwierigen Erscheinungen sind erläuternde Beispiele beigegeben. Historische Rückblicke sollen an geeigneten Stellen der Belebung der behandelten Materie dienen. Die Judikatur ist sorgfältig ausgewählt, konnte aber, wiederum um der Belebung willen, an einigen Stellen weit zurück in die Vergangenheit verfolgt werden. Trotz der im Kern des Sachenrechts liegenden Stabilität sind in den Jahren seit der vorigen Auflage manche Wandlungen und Neuerscheinungen hinzugetreten, die in der nun vorliegenden neuen Auflage gebührende Berücksichtigung gefunden haben. Das Eigentum hat an vielen Stellen ein neues Gepräge bekommen, so im Bereich des Siedlungsrechts und im Zeichen des Wohnungseigentums, die Enteignung hat mehrfach ihr Gepräge gewandelt, die Währungsumstellung hat ihren aktuellen Charakter verloren und ist auf ein Nachklingen bei der Hypothekengewinnabgabe angewiesen, beim Pfandrecht ist ein neuer Griff auf die Luftfahrzeuge hinzugetreten, die Sicherungsübereignung hat in der Praxis weiteren Ausbau gefunden, dies alles hier im Vorwort nur beispielhaft erwähnt, um zu zeigen, wie das Leben weiter im Fluß bleibt und unsere R e c h t s w i s s e n s c h a f t ein fruchtbares und anregendes Arbeitsgebiet ist und bleiben wird.

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Vorwort

Den vielen juristischen Freunden und Kollegen, die mir bei der Ausarbeitung der neuen Auflage mit ihrem Schrifttum oder in Gesprächen erweckende Anregung gegeben haben, gebührt mein herzlicher Dank. Dank schulde ich auch dem Verlag Walter de Gruyter, der dieses Buch über das Sachenrecht seit langem betreut. Und das lenkt den Blick zu der Reihe der Grundrisse zurück, die wir Gelehrten nach dem ersten Weltkrieg unter dem Patrimonium des Verlages de Gruyter haben ins Leben treten lassen. Die damaligen Grundrisse sind zu Lehrbüchern aufgestiegen. Einige der früheren Mitarbeiter sind von uns gegangen, neue Forscher und Gelehrte sind herangetreten, immer die Höhe wahrend und dem wissenschaftlichen Fortschritt zu Diensten. So ist diese Reihe der Lehrbücher und Grundrisse im Gang der Jahrzehnte ein Dokument der Entwicklung und Standhaftigkeit unseres deutschen Rechts geworden. Dem soll auch die Neuauflage des Sachenrecht dienstbar sein. Justus Wilhelm Hedemann

Inhaltsverzeichnis Einleitendes Kapitel: Das Wesen des Sachenrechts § 1. Der Anteil des Sachenrechts an der Güterwelt I. Rechtliche Herrschaft über die Güterwelt II. Beschränkung auf die „körperlichen" Gegenstände III. Das Eigentum als Grundbegriff des Sachenrechts § 2. Volkstümlichkeit des Sachenrechts I. Ausgangspunkt des Eigentums II. Unterschiede in der Verteilung III. Eigentum im Volksganzen

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§ 3. Einzeleigentum und Sozialisierung 7 I. Das Gegenüber 7 II. Geschichtlicher Werdegang 8 III. Individualeigentum im Zeichen historischer Angriffe und Rechtfertigungen 9 a) Angriffe im Lauf der Jahrhunderte 9 1. Vorchristentum 9 2. Utopien 9 3. Sozialismus früher Prägung 10 4. Marxismus 10 b) Rechtfertigungsversuche 11 1. Das Eigentum als Naturgesetz 11 2. Das Eigentum als Ergebnis der Klugheit 12 3. Das Eigentum als gottgewollte Einrichtung 12 IV. Die Sozialisierungsidee der neueren Zeit 13 V. Haltung des Sachenrechts 15 § 4. Der juristische Charakter der Sachenrechte I. Arten der Sachenrechte a) Das Eigentum b) Die beschränkten dinglichen Rechte c) Geschlossener Kreis der Sachenrechte d) „öffentliches Eigentum" e) Die Sachenrechte als absolute Rechte II. Sachenrecht nur an „Sachen" a) Begriff der Sachen b) Kein Eigentum an unkörperlichen Vermögenswerten c) Kein Eigentum am Vermögen als Ganzes

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Inhaltsverzeichnis

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III. Absoluter Charakter der Sachenrechte IV. Eintritt der Sachenrechte in den Verkehr a) Das Erkennbarkeitserfordernis b) Die Abstraktion von der causa c) Kritik an dem System des BGB § 5. Quellen und Literatur des Sachenrechts I. Sachenrecht im BGB a) Schuldrechtliche Elemente im Sachenrecht b) Sachenrecht außerhalb des III. Buches c) Überordnung der Allgemeinen Lehren über das Sachenrecht d) Textänderungen des BGB seit 1900 II. Begleitgesetze des BGB a) Die Grundbuchordnung b) Das Zwangsversteigerungsgesetz III. Sondergesetze für Sondergebiete a) Die landesrechtlichen Vorbehalte im Einführungsgesetz b) Reichsrechtliche (Bundesrechtliche) Sondergesetze • • • IV. Schrifttum zum Sachenrecht

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I. Teil: Der Besitz

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§ 6. Begriff und Arten I. Besitz und Eigentum II. Arten des Besitzes a) Mittelbarer und unmittelbarer Besitz b) Besitzdienerschaft c) Mitbesitz d) Besitz der juristischen Personen e) Der Eigenbesitz f) Rechtsbesitz g) Besitz an Sachteilen

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§ 7. Erwerb und Verlust des Besitzes I. Erwerb durch einseitigen Zugriff a) Erlangung der tatsächlichen Gewalt b) Darauf gerichteter Wille II. Erwerb durch Übertragung des Besitzes III. Verhältnis zum Eigentumserwerb IV. Sondertatbestände a) Übergabe kurzer Hand (brevi manu traditio) b) Abtretung des Herausgabeanspruchs c) Verabredung einer Besitzvermittlung (constitutum possessorium) V. Besitzerwerb durch Gesamtnachfolge (Erbschaft) VI. Verlust des Besitzes

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Inhaltsverzeichnis

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§ 8. Schutz des Besitzes und sonstige Wirkungen I. Überblick (Selbsthilfeschutz und Klageschutz) II. Das Selbsthilferecht des Besitzers a) Recht auf Abwehr b) Recht auf Wiederbemächtigung c) Selbsthilferecht des Besitzdieners d) Der Abholungsanspruch aus § 867 III. Die Besitzschutzklagen IV. Petitorium und possessorium V. Sonstige Wirkungen des Besitzes (Unterlage für Ersitzung und Eigentumserwerb, Begründung einer „Vermutung" des Rechts, Klage aus § 1007) VI. Ist der Besitz ein Recht?

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II. Teil: Das Grundbuch und die allgemeinen Vorschriften über Rechte an Grundstücken

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Vorbemerkung

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§ 9. Geschichtlicher Rüchblick und Stand der Gesetzgebung I. Ältere deutsche Entwicklung II. Störung durch das römische Recht III. Landesrecht IV. Reichsrecht V. Schrifttum § 10. Das amtliche Verfahren I. Zuständigkeit II. Charakter des Verfahrens III. Haftung des Staates bei fehlerhaften Eintragungen IV. Öffentlichkeit der Bücher

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§ 11. Die formale Eingliederung der Grundstücke in den Buchapparat 54 I. Territoriale Gliederung 55 II. Das Realfolium 55 III. Zu- und Abschreibungen 55 IV. Das Personalfolium als Ausnahme 56 V. Buchungsfreie Grundstücke 57 § 12. Die innere Einrichtung der Bücher 57 I. Das dabei bezweckte Ziel 57 II. Das Bestandsverzeichnis 58 III. Die Erste Abteilung (Ausweis des Eigentums) 59 IV. Die Zweite Abteilung (Lasten und Beschränkungen) • •. • 60 V. Die Dritte Abteilung (Hypotheken) 61

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Inhaltsverzeichnis VI. Die roten Unterstreichungen VII. Die Grundakten

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§ 13. Der Erwerb der Buchposition (Formelles Grundbuchrecht) . . . . 62 I. Erwerb auf Antrag 63 a) Der Antrag 63 b) Die Eintragungsbewilligung 64 c) Die Auflassung beim Eigentumserwerb (Näheres im § 15 II d) 64 d) Zwischeneintragung des Bewilligenden 65 e) Prüfung durch das Grundbuchamt (Konsensprinzip und Legalitätsprinzip) 65 f) Vollzug der Eintragung 67 II. Eintragung von Amts wegen 68 a) Selbständiger Eingriff des Grundbuchamtes 68 b) Eintragung auf Ersuchen einer anderen Behörde • • • • 68 III. Die Vormerkung 69 a) Materielle Voraussetzungen 69 b) Formale Erfordernisse 69 c) Wirksamkeit der Vormerkung 70 d) Konstruktion 71 § 14. Schutzmittel gegen unrichtige Eintragungen 72 I. Gründe und Fälle der Unrichtigkeit 72 II. Berichtigung von Amts wegen 73 a) Der Grundbuchberichtigungszwang 73 b) Unrichtigkeit durch Versehen des Grundbuchamtes • • 74 III. Der Berichtigungsanspruch (§§ 894 ff.) 75 a) Veranlassung 75 b) Der „Anspruch" auf Berichtigung 75 c) Konstruktion des Berichtigungsanspruchs 76 d) Wirkung der Berichtigung 77 IV. Eintragung eines Widerspruchs 77 a) Voraussetzungen 77 b) Wirkung 77 c) Verhältnis zur Vormerkung (oben § 13 III) 77 § 15. Der Wert der Buchposition (Materielles Grundbuchrecht) • 78 I. Uberblick 78 II. Die Eintragung als Voraussetzung für den Rechtserwerb 79 a) Doppelerfordernis: Einigung und Eintragung 79 b) Aufhebung und Änderung von Rechten 80 c) Wegfall bei außerrechtsgeschäftlichen Vorgängen • • • • 80 d) Die Einigung im besonderen 80 e) Zwischenzeit zwischen Einigung und Bucheintrag • • • • 82 f) Auslegung unklarer Eintragungen 82 III. Die Eintragung als Unterlage für den Rang 83 a) Bestimmendes Prinzip für den Rang 83 b) Bedeutung des Ranges 84

Inhaltsverzeichnis

XI Seite

c) Rangänderung 85 d) Rangvorbehalt 85 IV. Kein Untergang eingetragener Rechte bei Konfusion • • • • 86 V. Keine Verjährung bei eingetragenem Recht 86 87 § 16. Fortsetzung. Der öffentliche Glaube des Grundbuchs I. Die Vermutung des § 891 87 II. Der Schutz des gutgläubigen Erwerbs (§ 892 f.) 88 a) Grundgedanke 88 b) Worauf darf man vertrauen? 89 c) Tragweite des Gutglaubenschutzes 90 d) Ausgleichsanspruch des Geschädigten 91 III. Ersitzung eingetragener Rechte (§ 900) 92 § 17. Die sogenannten Grundbuchprinzipien I. Das Grundbuchsystem II. Das Eintragungsprinzip III. Das Konsensprinzip IV. Das Rangprinzip V. Das Publizitätsprinzip

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III. T e i l : Das Eigentum

95

Vorbemerkung

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§18. Begriff und Inhalt des Eigentums 95 I. Die Grundauffassung des BGB: Privateigentum 95 a) Historischer Exkurs (Beratung im Reichstag) 96 b) Wissenschaft; Verfassungsurkunden 96 II. Die Machtstellung des Eigentümers 97 a) Die Beherrschung der Sache 97 1. Rechtliche Verfügungsmacht 97 2. Tatsächliche Verfügungsmacht 98 3. Erfassung aller Neuerungen 98 4. Erfassung der „wesentlichen Bestandteile" 99 5. Erfassung des Luftraumes und des Erdkörpers • • • • 100 6. Wem gehören die Trümmer eines zerstörten Grundstücks? 100 b) Die persönliche Seite: Ausschluß aller anderen 101 c) Ober- und Untereigentum 101 III. Einschränkungen der Machtstellung des Eigentümers • • 103 a) Im Bereich des bürgerlichen Rechts 103 1. Beschränkung auf körperliche Gegenstände 103 2. Einschränkung durch Gesetze und Drittrechte • • • • 104 3. Einwirkungen der §§ 826, 226 BGB 104 4. Nothandlungen Dritter 105 5. Das Nachbarrecht 105

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Inhaltsverzeichnis Seite

b) Vom öffentlichen Recht her c) Die „Enteignung" als schärfster Eingriff IV. Das Eigentum als Pflicht a) „Eigentum verpflichtet" (Verfassungsurkunden) b) Pflicht bei Sozialisierung und Siedlung

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§ 19. Das Nachbarrecht I. Menschlicher Ausgangspunkt II. Quellen und Grundcharakter a) Ins Einzelne gehende Gesetzgebung (Kasuistik) b) Dinglicher Charakter c) Einfluß der örtlichen Verhältnisse III. Die Hauptfälle a) Vorbeugen gegen drohende Gefahren b) Regulierung von Grenzfragen c) Notlagen

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§ 20. Erwerb und Verlust des Eigentums an Grundstücken I. Rechtsgeschäftlicher Erwerb a) Lösung vom Kausalgeschäft b) Die Auflassung 1. Anwesenheit beider Teile vor dem Grundbuchamt 2. Klage auf Vollzug der Auflassung 3. Keine Bedingungen oder Zeitbestimmungen 4. Erfassung der Zubehörstücke c) Behördliche Bescheinigungen (Genehmigungen) • • • II. Außerrechtsgeschäftlicher Erwerb a) Erbgang b) Ersitzung c) Aneignung herrenloser Grundstücke d) Zuschlag bei der Zwangsversteigerung III. Verlust des Eigentums a) Preisgabe des Grundstücks (Dereliktion) b) Aufgebot des Eigentümers und Ausschlußurteil c) Enteignung

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§ 21. Erwerb des Eigentums an beweglichen Sachen I. Übersicht: Sechs Tatbestände II. Erwerb durch Übertragung a) Normalfall b) Kauf, Übergabe, Einigung c) Die Einigung im besonderen 1. Als rechtsgeschäftliche Willenserklärung 2. Der Wille der Beteiligten 3. Bestimmtheit der Einigung d) Die Übergabe im besonderen III. Die Traditionssurrogate a) Übergabe kurzerhand (§ 929, 2) b) Verabredung einer Besitzvermittlung (§ 930)

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Inhaltsverzeichnis c) Abtretung des Herausgabeanspruches (§ 931) IV. Erwerb auf Grund eines Traditionspapiers V. Erwerb eines gewerblichen Unternehmens

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§ 22. Eigentumserwerb kraft guten Glaubens 130 I. Der Tatbestand 130 II. Geschichtlicher Rückblick 130 a) Das römische Recht 130 b) Das mittelalterlich-deutsche Recht 131 c) Späteres Recht 132 III. Stellungnahme des BGB 132 a) Grundsatz und Ausnahmen 132 b) Erwerb vollen Eigentums 133 c) Entgeltlich oder unentgeltlich 133 d) Wegfall des Gutglaubenschutzes bei abhanden gekommenen Sachen 134 e) Geld, Inhaberpapiere und ersteigerte Sachen 136 f) Was ist guter Glaube? 137 1. Wegfall bei grober Fahrlässigkeit 137 2. Vertrauen auf Verfügungsbefugnis genügt nicht • • 137 3. Guter Glaube bei Stellvertretung 138 IV. Der gute Glaube bei den Traditionssurrogaten 139 a) Bei der Übereignung kurzerhand 139 b) Bei der Besitzvermittlung 139 c) Bei der Abtretung des Herausgabeanspruchs 140 V. Unbekannte Drittbelastungen 141 § 23. Ersitzung des Eigentums I. Grundlage: Die Zeit heilt II. Voraussetzungen a) Besitz b) Zeitablauf (10 Jahre) c) Guter Glaube III. Schutzmittel des früheren Eigentümers

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§ 24. Verbindung. Vermischung. Verarbeitung 145 I. Ausgangspunkt 145 II. Die drei Tatbestände 146 a) Verbindung (incorporatio) 146 b) Vermischung und Vermengung (confusio und commixtio) 147 c) Verarbeitung (specificatio) 147 III. Rechtliche Behandlung 147 a) Die Hauptsache entscheidet 148 148 1. Das Grundstück als Hauptsache 2. Die schöpferische Arbeit als Hauptsache 148 3. Eigentum am Schuldschein 149

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b) Miteigentum der Beteiligten c) Drittrechte werden einbezogen d) Das Tätigwerden der Beteiligten e) Stellvertretung und Gehilfenschaft f) Gemeinschaftsarbeit IV. Ausgleichsansprüche des Entrechteten

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153 § 25. Erwerb von Erzeugnissen und Bestandteilen I. Ausgangspunkt 153 II. Anrechte Dritter 154 III. Ausgleich zugunsten des Eigentümers der Muttersache • • 155 § 26. Aneignung I. Ausgangspunkt II. Begriff der Herrenlosigkeit III. Das Recht auf den Zugriff IV. Schranken der Aneignung § 27. Das Recht an Tieren, insbesondere Jagd und Fischerei I. Tierkategorien a) Die wilden Tiere b) Gefangene wilde Tiere c) Gezähmte Tiere d) Zahme Tiere e) Bienen f) Tauben II. Das Jagdrecht a) Reichsrecht und Landesrecht b) Die Eigentumsfrage c) Jagdrecht und Jagdausübungsrecht d) Jagdgenossenschaften e) Jagdpacht f) Inhalt der Jagdberechtigung g) Wildschaden III. Das Fischereirecht a) Zusammenfall mit dem Eigentum am Gewässer b) Zusammenschlüsse c) Inhalt des Fischereirechts d) Verpachtung e) Kollision mit industriellen Werken f) Behördliche Kontrollvorschriften § 28. Das Fundrecht I. Ausgangspunkt II. Pflicht und Lohn des Finders a) Das Finden verpflichtet b) Das Finden belohnt

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Inhaltsverzeichnis

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III. Besondere Fälle 170 a) Fund in öffentlichen Räumen oder Verkehrsanstalten 170 b) Der Schatzfund 171 § 29. Die Ansprüche aus dem Eigentum 171 I. Grundlage 171 II. Der Herausgabeanspruch (rei vindicatio) 172 a) Ziel 172 b) Voraussetzungen 173 1. Auf der Aktivseite 173 2. Auf der Passivseite 174 3. Ansprüche gegen den mittelbaren und den unmittelbaren Besitzer 175 4. Der Streitgegenstand 176 c) Verteidigung des Beklagten 177 1. Eigene Besitzberechtigung 177 2. Besitzberechtigung des Vormannes 177 3. Besitzberechtigung einem früheren Eigentümer gegenüber 177 4. Zurückbehaltungsrecht wegen Verwendungen • • • • 178 III. Die Nutzungen der Zwischenzeit 178 a) Der gutgläubige Besitzer bis zup Rechtshängigkeit • • 179 b) Der gutgläubige Besitzer nach der Rechtshängigkeit • • 180 c) Der bösgläubige Besitzer 180 d) Gesteigerte Bösgläubigkeit 180 IV. Haftung auf Schadenersatz wegen Verschlechterungen • • 181 a) Der Gutgläubige bis zur Rechtshängigkeit 182 b) Der Gutgläubige nach der Rechtshängigkeit 183 c) Der Bösgläubige 183 V. Gegenansprüche des Besitzers wegen Verwendungen • • • • 183 a) Notwendige Verwendungen 184 b) Nützliche Verwendungen 184 c) Sonstige, insbesondere Luxusverwendungen 185 d) Mittel zur Durchführung 185 VI. Die Abwehrklage aus § 1004 (actio negatoria) 187 VII. Sonstige Schutzmittel des Eigentümers 190 a) Aus seiner Stellung als Eigentümer 190 190 b) Aus seiner Besitzposition c) Der Anspruch aus § 1007 191 d) Nebenhergehende schuldrechtliche Ansprüche 193 VIII. Schutz durch öffentliches Recht 193 a) Strafrechtlicher Schutz 193 b) Polizeirechtlicher Schutz 194 c) Völkerrechtlicher Schutz 194 § 30. Miteigentum I. Tatbestände II. Das „Miteigentum" des III. Buches III. Das „Gesamthandseigentum" des BGB

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IV. Sonstige Formen der Mehrheitsbeteiligung a) Das Wohnungseigentum b) Das fiduziarische Eigentum c) Gestalleltes Eigentum (Ober- und Untereigentum) d) Gemeineigentum § 31. Die Enteignung I. Geschichte II. Heutige Verfassungsunterlagen III. Rechtscharakter der Enteignung und Unterschied von anderen Rechtsbegrifien a) Charakter der Enteignung b) Der Begriff der „Beschlagnahme" c) Die Konfiskation d) Erweiterung aller drei Begriffe IV. Die Entschädigung a) Höhe der Entschädigung b) Anrechnung gleichzeitiger Vorteile (compensatio lucri cum damno) c) Art der Entschädigung d) Verteilung der Entschädigung e) Richterliche Entscheidung

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§ 32. Siedlungsrecht 205 I. Der Wert des Bodens 205 II. Bodenreform 206 III. Das Siedlungsrecht 208 a) Zum Begriff 208 b) Die Gesetzgebung 208 c) Förderung landwirtschaftlicher Siedlung 209 1. Finanzierung 210 2. Höfeordnung 210 3. Landwirtschaftliches Pachtwesen 210 IV. Das Heimstättenrecht 211 a) Der Grundgedanke 211 b) Die Begründung der Heimstätten 212 c) Die Rechtsstellung des Ausgebers der Heimstätte • • • • 213 d) Die Rechtslage des Heimstätters 215 V. Das Erbbaurecht 216 a) Begriff 216 b) Begründung und Verwaltung eines Erbbaus 218 c) Beleihung 220 VI. Das Wohnungseigentum 221 a) Das Stockwerkseigentum als Vorläufer 221 b) Wohnungseigentum und Dauerwohnrecht 222 c) Begründung von Wohnungseigentum 223 d) Die Wohnungseigentümer untereinander 224 e> Maß der Gebundenheit 224

Inhaltsverzeichnis § 33. Bergwerkseigentum I. Wesen a) Überblick und Geschichte b) Die sachenrechtliche Lage c) Gang der Gesetzgebung II. Dogmatische Grundbegriffe a) Das „Bergwerkseigentum" b) Begrenzung III. Einzelheiten a) Der Erwerb des Bergwerkseigentums b) Der Inhalt des Bergwerkseigentums c) Die Entschädigung des Grundeigentümers d) Die Gewerkschaften des Bergrechts

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§ 34. Das Kecht an Gewässern und Wegen I. Hecht an Gewässern a) Wasserrecht im allgemeinen. b) Einteilung der Gewässer c) Eigentum an Wasserläufen d) Der „Gemeingebrauch" am Wasser e) Verleihung eines Wassernutzungsrechtes f) Wasserverbände g) Wasserbücher II. Recht an Wegen a) Privatwege b) öffentliche Wege c) Städtische Straßen d) Autobahnen IV. Teil:

Die beschränkten dinglichen Rechte

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231 231 231 234 234 236 236 237 237 237 237 238 238 239 240

§ 35. Überblick 240 I. Gegensatz zum Eigentum 240 II. Beteiligung beweglicher Sachen und Grundstücke 240 III. Substanzrechte und Wertrechte 241 IV. Übergang in schuldrechtliche Verhältnisse (Miete, Pacht) 242 V. Reihenfolge im BGB 242

Kap. 1. Die Dienstbarkeiten

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§ 36. Grundcharakter und Arten I. Drei Typen: Grunddienstbarkeit, Nießbrauch, beschränkte persönliche Dienstbarkeit II. Juristischer Charakter III. Andere Rechte neben der Dienstbarkeit an derselben Sache

242 242 243 245

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§ 37. Die Grunddienstbarkeiten I. Praktisches Vorkommen II. Rechtliche Gestalt III. Wirtschaftlicher Wert IV. Ausübung der Grunddienstbarkeit V. Eigentümergrunddienstbarkeit

245 245 247 248 248 249

249 § 38. Der Nießbrauch I. Ausgangspunkt: Stammwert und Nutzung 249 II. Verdrängung durch andere Nutzungsformen 250 a) Schuldrechtliche Nutzungsverhältnisse 250 b) Familien- und erbrechtliche Nutzungsverhältnisse • • • • 251 c) Patentrechtliches Nutzungsverhältnis (Lizenz) 252 III. Dogmatik 252 a) Die „höchstpersönliche Natur" des Nießbrauchrechts 253 b) Sondervorschriften f ü r den Nießbrauch juristischer Personen 253 c) Entstehung und Erlöschen des Nießbrauchs 253 d) Die sachenrechtliche Stellung des Nießbrauchers • • • • 254 e) Schuldrechtliche Beziehungen zwischen Nießbraucher und Eigentümer 256 IV. Besondere Tatbestände 258 a) Nießbrauch an verbrauchbaren Sachen 258 b) Nießbrauch an Rechten 259 c) Nießbrauch an einem Vermögen 260 d) Nießbrauch an einem Unternehmen 262 § 39. Die beschränkten persönlichen Dienstbarkeiten I. Das Vorkommen II. Rechtliche Gestaltung a) Der Inhalt b) Abstellung auf die Person c) Das dingliche Wohnungsrecht

263 263 263 264 264 264

Kap. 2. Vorkaufsrecht und Wiederkaufsrecht

265

§ 40. Das dingliche Vorkaufsrecht I. Begriff des Vorkaufsrechts II. Verdinglichung III. Einschränkung a) nur bei Verkauf b) nicht bei Erbgang c) nicht bei Zwangsvollstreckung d) Anders im öffentlichen Siedlungsrecht IV. Durchführung eines Vorkaufsrechts a) Bestellung b) Geltendmachung

265 265 266 267 267 267 267 268 268 268 268

Inhaltsverzeichnis

XIX Seite

c) Abwicklung d) Erlöschen

268 269

§ 41. Dingliche Wiederkaufsberechtigung I. Grundcharakter II. Gesetzliches Vorkommen III. Rechtliche Gestaltung

269 269 270 270

Kap. 3. Reallasten

272

§ 42. Die Reallast 272 I. Zum Begriff 272 a) Belastung des Grundstücks 272 b) Geschichtlicher Rückblick 272 c) Ubergänge (in Grunddienstbarkeit und Rentenschuld) 273 II. Einzelzüge 274 a) Die Berechtigung 274 b) Die Verpflichtung 275 c) Die Durchsetzung der Leistungspflicht 275 d} Ablösbarkeit der Reallast 275 e) Teilung des belasteten Grundstücks 275 f) Teilung des berechtigten Grundstücks 275

Kap. 4. Das Hypothekenrecht Vorbemerkung

276 276

§ 43. Wirtschaftliche Bedeutung des Immobiliarkredits 276 I. Überblick über das Kreditwesen 276 a) Zweiseitigkeit des Verhältnisses (Schuldner und Gläubiger) 276 b) Sicherungsmittel 277 1. Personalkredit und Realkredit 277 2. Mobiliarkredit und Immobiliarkredit 277 II. Kreditbeschaffung für den Grundstückseigentümer • • • • 279 a) Beim städtischen Grundbesitz 279 b) Beim landwirtschaftlichen Grundbesitz 280 III. Kapitalanlage des Hypothekars 280 a) Schwanken der Anlageneigung 281 b) Typen der Geldgeber (Anstaltskredit) 281 c) Sicherheit der Hypothek 281 d) Verzinsung der Hypothek 282 e) Mündelsichere Hypotheken 282 f) Handel mit Hypotheken 282 IV. Überschuldung, Entschuldung, Verschuldungsgrenzen • • 283 a) Überschuldung 283 b) Entschuldungsaktionen 283 c) Mittel hypothekarischer Entschuldung 284 d) Belastungsverbote 285 e) Einfluß der Geldentwertung auf die Schuldenlast • • • • 285

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V. Wertbeständige Hypotheken (Goldwertklausel usw.) • • • • 286 VI. Konzentration des Hypothekengeschäfts bei öffentlichen und privaten Kreditanstalten 286 a) Uberblick 286 b) Der Pfandbrief als Fundament der Geldbeschaffung • • 287 c) Die Landschaften 288 d) Die Hypothekenbanken 289 e) Die Landwirtschaftliche Rentenbank 290 f) Weitere Beispiele 291 § 44. Gegenstand und Entstehung der Hypothek I. Der Gegenstand der hypothekarischen Haftung a) Das Grundstück b) Veränderung der Substanz durch Wirtschaftsführung (§§ 1120 ff.) c) Erstreckung der Hypothek auf das Zubehör d) Erstreckung der Hypothek auf das Miets- und Pachtgeld (§§ 1123 ff.) e) Erstreckung der Hypothek auf Versicherungs- und andere Ersatzsummen (§§ 1127 ff.) II. Der Verpfändungsvorgang a) Die zu deckende Forderung b) Die Parteirollen (Auseinanderfall von persönlicher Schuld und Eigentum am Grundstück) c) Die konstuierenden Elemente, Eintragung u. Einigung d) Andere Entstehungsgründe (Legalhypothek, Pfändungshypothek)

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299 § 45. Wirkung und Verwertung der Hypothek I. Verfangenheit des Grundstücks zugunsten der Hypothek 299 a) Die Verfangenheit ist eine dingliche 299 1. Jedermann muß sie beachten 299 2. Vermutung und Gutglaubensschutz 300 3. Dingliche Schutzklagen 300 4. Stellung des Eigentümers; Weiterveräußerung des Grundstücks 301 5. Streichung unbekannter Hypothekengläubiger • • • • 302 b) Die Verfangenheit ist eine bedingte (akzessorische Natur der Hypothek) 302 1. Bei der Entstehung 302 2. Bei späterer Änderung der zu deckenden Forderung 302 3. Einreden aus dem persönlichen Schuldverhältnis • • 303 4. Die Forderung wechselt ihren Träger 303 5. Die Forderung geht unter 303 c) Die zwiefache Klage 304 II. Verfügung über die Hypothek 305 a) Abtretung der Hypothek an einen neuen Hypothekengläubiger 305 b) Gerichtliche Überweisung der Hypothek an den eigenen Gläubiger des Hypothekengläubigers 305

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c) Fälle eines gesetzlichen Übergangs der Hypothek in andere Hand d) Teilung der Hypothek e) Verpfändung der Hypothek III. Die Vollstreckung in das verpfändete Grundstück a) Grundelemente des Vollstreckungsverfahrens b) Einwendungsmöglichkeit von Seiten des Grundstückseigentümers oder von Seiten Dritter (Nachhypothekare) c) Vollzug des Vollstreckungsverfahrens 1. Ziel 2. Insbesondere die Zwangsversteigerung (Löschungssystem und Ubernahmesystem) 3. Der Zuschlag bei der Versteigerung d) Abschwächungen und Milderungen

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312 § 46. Arten und Abarten der Hypothek I. Überblick 312 II. Briefhypothek und Buchhypothek 312 a) Vorkommen 312 b) Die Rechtslage 313 1. Entstehung der Hypothek bei den beiden Formen . • 313 2. Geltendmachung der Hypothek 313 3. Abtretung 314 4. Rechtslage nach erfolgter Rückzahlung 314 c) Amtliche Behandlung des Briefes 315 d> Verlorengegangene Hypothekenbriefe (Kraftloserklärung) 315 III. Verkehrshypothek und Sicherungshypothek 315 a) Gegensatz der beiden Formen 315 b) Zweck und Verwendung der beiden Formen 317 c) Die Höchsthypothek (§ 1190) 318 d) Hypothek zur Deckung von Schulden aus Inhaberpapieren (§§ 1187 ff.) 320 IV. Die Amortisationshypothek (Tilgungshypothek) 321 a) Ihr Wesen 321 b) Ihr Vorkommen 322 c) Die Rechtslage im einzelnen 323 V. Gesamthypothek (§§ 1132, 1172 ff., 1181 II) 324 a) Dogmatische Unterlage 324 b) Die Machtstellung des Gläubigers 325 c) Verschiedene Eigentümer der mehreren Grundstücke 326 VI. Eigentümerhypothek, Eigentümergrundschuld (§ 1177) • • 327 a) Ihre Bedeutung 327 1. Idee der Selbständigkeit der Hypothek gegenüber dem Eigentum am Grundstück 327 2. Sperre gegen Nachrücken der Nachhypothekare • • 327 3. Rechtliche Folgerungen aus der Selbständigkeit • • 328

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b) Die einzelnen Fälle der Eigentümerhypothek 1. Erlöschen der persönlichen Forderung 2. Verzicht des Gläubigers auf die Hypothek (§ 1168) 3. Ausschluß des bisherigen Gläubigers durch Aufgebot (§ 1170 II) 4. Vorausbestellung der Hypothek vori Zustandekommen der Forderung 5. Eigentümerhypotheken auf Vorrat? c) Die Verwandlung der Eigentümerhypothek in eine Grundschuld (§ 1177) 1. Leitgedanke: Ohne Forderung keine „Hypothek" . . 2. Forderungsentkleideter und forderungsbekleideter Erwerb durch den Eigentümer 3. Geringer praktischer Unterschied der beiden Fälle 4. Verwandlung einer anfänglichen Eigentümergrundschuld in eine Hypothek VII. Verhältnis der verschiedenen Hypothekenformen zueinander

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§ 47. Grundschuld und Rentenschuld 333 I. Die Grundschuld (§§ 1191 bis 1198) 333 a) Ihre Vorgeschichte und Umstrittenheit 333 b) Ihr Wesen im Vergleich mit der Hypothek 335 c) Ihre rechtliche Behandlung 335 1. Ausgang vom Recht der Hypothek 335 2. Hinzutritt gesetzlicher Ergänzungsregeln 335 3. Gegensatz zur Hypothek wegen Fehlens der „persönlichen Forderung" 336 4. Die Eigentümergrundschuld 336 5. Die Inhabergrundschuld (§ 1195) 337 II. Die Rentenschuld (§§ 1199 bis 1203) 337 a) Ihre Grundidee 337 b) Ihre rechtliche Gestaltung im einzelnen 338 1. Anlehnung an die Grundschuld 338 2. Annäherung an die Reallast 338 3. Ablösung der Rentenschuld 338 § 48. Die Grandpfandrechte bei der Währungsumstellung und dem Lastenausgleich 339 I. Der Grundsatz der Umstellung 10 : 1 339 II. Teilnahme der Hypotheken? 339 III. Verfahren bei der Umstellung 340 IV. Lastenausgleich und Hypothekengewinnabgabe 340

Kap. 5. Das Pfandrecht an beweglichen Sachen

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§ 49. Die Grundelemente I. Ausgangspunkte a) Eingliederung in das private Kreditsystem

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1. Mobiliarkredit und Immobiliarkredit 342 2. Das Pfandrecht als Element des Wirtschaftslebens 342 3. Gewerbsmäßige Pfandleihinstitute 343 4. Sonderfälle des Handelsrechts 344 b) Eingliederung in die Dogmatik des BGB, Parallele zum Nießbrauch 344 c) Eingliederung in das allgemeine Rechtssystem 345 1. Rechtsgeschäftliches Pfand 345 2. Gesetzliche Pfandrechte 345 3. Pfändungspfandrechte 346 II. Der Akzessorische Charakter des Pfandrechts 346 a) Die zu sichernde Forderung 346 b) Der „strengakzessorische" Charakter 347 c) Zugriff auf das sonstige Vermögen des Schuldners? • • 348 III. Die beteiligten Personen 348 a) Persönlicher Schuldner und Verpfänder 348 b) Verpfänder und Eigentümer 349 c) Zusammenfassung: Vier Personen 350 350 § 50. Die Verpfändung I. Die Bestellung des Pfandes 350 a) Kein constitutum possessorium 351 b) Bestellung durch Abtretung des mittelbaren Besitzes 351 c) Mitbesitz; Auslieferung an einen Treuhänder 351 II. Die sachenrechtliche Lage im weiteren Verlauf 352 a) Der Besitz bleibt Grundlage 352 b) Ausdehnung des Pfandrechts; Nutzpfand (Antichrese) 352 c) Konkurrenz mit anderen Gläubigern; Konkurs 353 d) Dinglicher Klageschutz gegen Eingriffe Dritter 354 e) Stellung des Eigentümers 354 III. Das „gesetzliche" Schuldverhältnis zwischen dem Pfandgläubiger und dem Verpfänder 355 a) Pflichten des Pfandgläubigers 355 b) Pflichten des Verpfänders 356 c) Allgemeine Regeln des Schuldrechts (Treu und Glauben) 356 § 51. Die Pfandverwertung I. Uberblick a) Zugriffsmacht des Gläubigers b) Verteidigungsmöglichkeit des Schuldners (Verpfänders) II. Voraussetzungen der Pfandverwertung a) Pfandreife (Fälligkeit) b) Entbehrlichkeit eines vollstreckbaren Titels c) Abstellung auf einen Geldbetrag III. Vollzug der Pfandverwertung a) öffentliche Versteigerung b) Einzelheiten der Versteigerung

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IV. Die neue Rechtslage 361 a) Voraussetzung: eine „rechtmäßige" Versteigerung . . . • 361 b) Eigentumslage nach dem Pfandverkauf 362 c) Erlöschen der zu deckenden Forderung 362 d) Haftung für Mängel der veräußerten Pfandsache? 363 § 52. Besondere Verpfändungsfälle I. Das Schiffspfand a) Die Rechtsstellung der Schiffe im allgemeinen b) Das Schiffsregisterverfahren (formelles Schiffsregisterrecht) c) Rechtslage der eingetragenen Schiffe (materielles Schiffsregisterrecht) 1. Erwerb und Verlust von Rechten an eingetragenen Schiffen 2. Wichtige Ausnahme f ü r Seeschiffe 3. Rangverhältnis 4. Vermutung und Gutglaubenschutz 5. Unverjährbarkeit, Buchersitzung 6. Schiffspart (Miteigentum) d) Die Schiffshypothek 1. Nur als Sicherungshypothek zulässig 2. Der Ablauf von der Entstehung bis zum Erlöschen 3. Keine Eigentümergrundschuld 4. Die Schiffsbanken e) Nießbrauch an Schiffen II. Das Pfandrecht an Luftfahrzeugen III. Das Pfandrecht an Rechten a) Wesen b) Entstehung und Verlautbarung c) Durchführung 1. Der Grundgedanke 2. Fehlen der Besitzunterlagen 3. Die Pfandverwertung 4. Insbesondere Verpfändung von Forderungen und deren Pfandverwertung 5. Verpfändung von Wertpapierforderungen IV. Das Pfandrecht, an Vermögensmassen (Warenlagern, Buchforderungen, Unternehmen) a) Erscheinungsformen b) Rechtliche Behandlung § 53. Andere Sicherungsversuohe neben dem Faustpfand I. Vorbemerkung II. Der Eigentumsvorbehalt a) Gefahren für den Eigentümer und Reformvorschläge b) Ausdehnung des Vorbehalts über das Einzelgeschäft hinaus

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Inhaltsverzeichnis III. Die Sicherungsübereignung a) Der praktische Wert b) Frage der Gültigkeit c) Die Rechtslage im einzelnen d) Die Praxis der Sicherungsübereignung IV. Die sog. Mobiliarhypothek (Registerpfand)

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Anhang Anlage I: Musterformular für das Grundbuchblatt

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Anlage II: Musterformular eines Hypothekenbriefes

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Quellenregister

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Wortverzeichnis

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Abkürzungsverzeichnis AG AG AHK. ABl ALR AO AVO(oderAV) BAnz. BB BGB BGBl. BGH BGHZ BJG BritMRVO BVerfG BVerwG C. c. C. j. can. D (Dig)

Ausführungsgesetz Aktiengesetz Amtsblatt der Hohen Alliierten Kommission Allgemeines Landrecht (Preußen) Anordnung Ausführungsverordnung Bundesanzeiger Der Betriebs-Berater Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Bundesgerichtshof, Zivilsachen Bundesjagdgesetz Verordnung der Britischen Militärregierung Bundesverfassungsgericht Bundesverwaltungsgericht Code civil Corpus juris canonici (Zahlen: Buch, Titel, canon) Digesten (2. Stück des Corpus Juris; Zahlen: Buch, Titel, lex) DNotZ Deutsche Notarzeitschrift DRZ Deutsche Rechts-Zeitschrift Dt.Rspr. Deutsche Rechtsprechung DVO Durchführungsverordnung EG Einführungsgesetz FGG Reichsgesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit GBO Grundbuchordnung (GBO a. F.: Grundbuchordnung alter Fassung) GBVfg Grundbuchverfügung GewO Gewerbeordnung GG Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland (Bonner Grundgesetz) GVG Gerichtsverfassung GVB1 (od.GVOBl) Gesetz- und Verordnungsblatt HGB Handelsgesetzbuch HWBRechtswiss. Handwörterbuch der Rechtswissenschaften Iher. Jahrb. Iherings Jahrbücher JR (oder Ju.Ru.) Juristische Rundschau JZ Juristenzeitung KO Konkursordnung KRG Kontrollratsgesetz LG Landgericht MDR Monatsschrift f ü r Deutsches Recht NJW Neue Juristische Wochenschrift

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Abkürzungen

Oberster Gerichtshof (der Britischen Zone) in Köln Oberlandesgericht Reichsgericht Reichsgesetzblatt Reichsgerichtsentscheidungen in Zivilsachen (amtliche Sammlung) Reichsjustizminister RJMin Reichsverfassung (Weimar) RV Rechtsvergleichendes Handwörterbuch RVgld.HWB Sammelblatt f ü r Gesetze, Verordnungen und BekanntSB1 machungen des Bundes, der Länder und der Besatzungsmächte Schiffsgesetz SchG Schiffsregisterordnung SchRO StGB (oder StrGB) Strafgesetzbuch Verordnungsblatt VB1 oder VOB1 Verfügung Vfg Verordnung VO (oderV) Versicherungsvertragsgesetz WG Zivilgesetzbuch (Schweiz) ZGB Zivilprozeßordnung ZPO Gesetz über die Zwangsversteigerung und ZwangsverZVG waltung OHG OLG RG RGBl. RGZ

Einleitendes Kapitel

Das Wesen des Sachenrechts § 1. Der Anteil des Sachenrechts an der Beherrschung der Güterwelt I. Das Sachenrecht dient der B e h e r r s c h u n g d e r G ü t e r w e l t . Ohne solche Beherrschung kann der Mensch nicht leben. Schon auf frühester Kulturstufe baut er sich Heim und Herd, bildet sich Waffen und züchtet sein Vieh. Gewiß hat es sich dabei in der allerältesten Zeit um bloße G e w a l t Verhältnisse gehandelt, die noch abseits von einer r e c h t l i c h e n Ordnung der Dinge lagen. Aber schon da, wo der Mensch in das klare Licht der Geschichte eintritt, also bei den frühesten Punkten, bis zu denen unser Erkennen zurückreicht, sind deutliche Spuren dafür vorhanden, daß ein gewisses Beherrschen der Güterwelt als „Recht" empfunden und behandelt wird. Dort ruhen die ältesten Wurzeln des Sachenrechts. Seitdem freilich hat, wie in allen anderen Dingen, eine weitgespannte Entwicklung stattgefunden. Das Sachenrecht hat sich immer mehr verfeinert. Es ist Gegenstand schulgemäßer Betrachtung und einer reichen Prozeßpraxis geworden. So ruht in ihm wie in den anderen Teilen des bürgerlichen Rechts die Summe von Erfahrungen vieler Jahrhunderte. Auch bei ihm hat die Z w i e s p ä l t i g k e i t r ö m i s c h e n und d e u t s c h e n R e c h t s eine große Rolle gespielt. Noch in der Werdezeit des BGB. kam es zu lebhaften Auseinandersetzungen, und gerade das Sachenrecht wurde dabei mehr als einmal als Beispiel herangezogen. Rückblickend darf man heute sagen, daß i n d e r ä u ß e r e n S y s t e m a t i k das Sachenrecht stark nach der römischrechtlichen Seite schlägt, daß aber d e r i n n e r e G e h a l t entschieden überwiegend auf deutschrechtlichen Gebilden fußt. Römischrechtlich ist vor allem die scharfe Gegenüberstellung von „Eigentum" und „Besitz" (unten § 6 I), die „individualistische" Prägung des Eigentumsbegriffs (unten § 18 I u. II) und die begriffsscharfe Durchdenkung des Hypothekenrechts (Näheres §§ 44 ff.). Germanistischen Ursprungs ist dagegen die grundsätzliche Andersbehandlung der beweglichen Sachen (Fahrnis) und der unbeweglichen Sachen (Grundstücke), z. B. unten § 20 und § 21; ferner, damit zusammenhängend, der ganze 1 Hedemann, Sachenrecht, 3. Aull.

§ 1 II. „Körperliche" Gegenstände

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große Grundbuchapparat, die überaus reiche Entfaltung des Immobiliarkredits und schließlich der wichtige Gutglaubensschutz (unten §22).

II. Mit d e r schulmäßigen Durchbildung des Sachenrechts h ä n g t es zusammen, daß k e i n e s w e g s i d i e g a n z e ' G ü t e r w e l t u n t e r seiner Obhut geblieben ist. Vielmehr n u r die wirklichen „Sachen", die Sachen, wie sie das BGB. in seiner strengen (terminologischen) Sprachweise aufgefaßt wissen will. Das aber sind n u r d i e k ö r p e r l i c h e n G e g e n s t ä n d e (§ 90). Daran schließt sich das schwierige Problem nach der k l e i n s t e n E i n h e i t und der Z e r l e g b a r k e i t der Sachen. Soll man ein einzelnes Korn eines Getreidehaufens als „Sache" bewerten oder nur den Haufen? Ist das Rad am Wagen eine Sache für sich oder ist es nur ein „Bestandteil" einer anderen Sache, nämlich des Wagens? Hier entspringt eine vielgestaltige Lehre von den Bestandteilen, den „wesentlichen" Bestandteilen, dem „Zubehör", den „Früchten" einer Sache, den Sachgesamtheiten usw. Diese ganze Gedankenschicht hat jedoch der Gesetzgeber bereits im I.Buch (§ 90 ff.) untergebracht. (Vgl. darüber das Lehrbuch des Allg. Teils von Heinrich Lehmann, § 48 ff.). Immerhin ist es beachtenswert, daß der ganze Abschnitt über die „Sachen" i m e r s t e n E n t w u r f des BGB. n o c h d e m III. B u c h a n g e h ö r t e und erst später in den Allg. Teil verwiesen worden ist. Die Beschränkung des Sachenrechts auf das, was körperlich greifbar ist, bedeutet A b s c h e i d u n g e i n e r g a n z e n R e i h e v o n „G ü t e r n", die der Mensch bei gewissen Vorgängen, z. B. bei d e r Steuereinschätzung oder einer sonstigen Zusammenstellung seines „Hab und Guts" und vor allem bei d e n großen politischen K ä m p f e n u m K a p i t a l i s m u s und S o z i a l i s m u s u n g e t r e n n t neben die körperlichen Gegenstände, also neben Haus und Hof, Möbel und Kleidung zu stellen pflegt. So scheiden alle „Berechtigungen", insbesondere d i e a u ß e n s t e h e n d e n F o r d e r u n g e n aus. Der Mensch ist zwar „Herr" auch ü b e r diese, aber seine Herrschaft über sie gehört nicht zum „reinen" Sachenrecht, ist nicht nach den Regeln des Sachenrechts geformt. Ebenso steht es mit d e n g e i s t i g e n G ü t e r n , soweit sie ü b e r h a u p t rechtlich geschützt werden, wie z. B. Patentrechte oder das Autorrecht des Künstlers und Schriftstellers. Und auch d a s V e r m ö g e n a l s G a n z e s d e n k e n w i r uns nicht als eine Größe, die unmittelbar mit den Figuren des Sachenrechts beherrscht werden könnte; vielmehr lösen w i r es in seine Einzelstücke auf, suchen diejenigen heraus, die echte „Sachen" sind, und setzen n u n an diese Einzelstücke (und n u r an sie) das Eigentum, den Nieß-

§ 1 II. „Körperliche" Gegenstände

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brauch, das Pfandrecht und die sonstigen „sachenrechtlichen" Figuren an. — Eigentum an einem U n t e r n e h m e n ? Darüber unten § 21V. Andere Kodifikationen kennen diese Einengung des Eigentumsbegriffes nicht. Z.B. sagt das ö s t e r r e i c h i s c h e A l l g . B G B . von 1811 ausdrücklich: „Alles, was jemandem zugehöret, alle seine k ö r p e r l i c h e n u n d u n k ö r p e r l i c h e n Sachen, heißen sein Eigentum" (§353). Es ist also von vornherein, d. h. wenn man von der allgemeinen Vorstellung der Güterbeherrschung ausgeht, d e r W i r k u n g s k r e i s d e s S a c h e n r e c h t s m e r k l i c h e i n g e e n g t . Darin liegt vielleicht e i n e r d e r b e d e u t e n d s t e n F e h l e r u n s e r e s R e c h t s s y s t e m s . Dinge, die dem einfachen Sinn und der wirtschaftlichen Handhabung als zusammengehörig erscheinen, werden um der juristischen Konstruktion willen auseinandergehalten. Wäre die dahinterstehende Begriffsbildung die einzig mögliche, also ¡swingend (was den Juristen des 19. Jahrhunderts vorgeschwebt hat), so müßte man sich damit abfinden. Aber es regen sich immer wieder Zweifel an der Notwendigkeit und Güte dieser Art der Zerlegung des juristischen Stoffes, und es muß mit der Möglichkeit gerechnet werden, daß das heutige „System" im Laufe der Zeit sich ändern, daß die heute im Vordergrund stehenden Gruppierungsprinzipien abblassen und an Bedeutung verlieren könnten. Doch führt das aus dem Rahmen eines Sondergebietes wie des Sachenrechts hinaus. Und jedenfalls muß für die e r s t e E r l e r n u n g d e s g e l t e n d e n R e c h t s an dem heutigen System festgehalten und der noch ungeschulte Blick streng darauf konzentriert werden, daß g r u n d s ä t z l i c h das „Sachenrecht" des BGB. auf die k ö r p e r l i c h greifbaren Güter beschränkt bleibt. Dann erst, wenn sich diese Erkenntnis gefestigt hat, darf der Blick sich den A b w e i c h u n g e n u n d A b s c h w ä c h u n g e n zukehren, wie sie heute schon zum Teil innerhalb des BGB. selbst, aber viel stärker außerhalb seiner, in den Gefilden des öffentlichen Rechts, anzutreffen sind. Darüber ist folgendes zu vermerken: 1. Gewisse, im Sachenrecht entwickelte und dementsprechend im III. Buch des BGB. untergebrachte Rechtsfiguren haben eine ö k o n o m i s c h e T r a g w e i t e , die über die körperlichen Sachen hinausreicht. Das gilt namentlich vom P f a n d r e c h t . Warum soll man nicht, wie man seinen Mantel oder eine Briefmarkensammlung verpfändet, auch solche Vermögensstücke, die unkörperlich sind, verpfänden dürfen? In der Tat hat der Gesetzgeber hier kapituliert, er erkennt selber ausdrücklich auch ein Pfandrecht an „Rechten" an (Näheres unten § 52 II). Dasselbe beim N i e ß b r a u c h (§ 38 IVb). Es hat sich daraus eine ganze Dogmatik des „R e c h t s a m R e c h t" entl*

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§ 1 III. Weite des „Eigentums" wickelt. Bei der Erstreckung der sachenrechtlichen Figuren auf das V e r m ö g e n a l s G a n z e s ist allerdings der zivilrechtliche Gesetzgeber sehr zurückhaltend gewesen (vgl. unten § 21 V, § 38 IVc, § 52 III). 2. Auch bei den geistigen Gütern, den P a t e n t r e c h t e n usw. will eine Lehre nicht verstummen, die die Herrschaft des Patentinhabers zu der Herrschaft etwa eines Fabrikbesitzers in Parallele bringen und ein „ g e i s t i g e s E i g e n t u m " als Geschwister neben das Eigentum des BGB. gestellt wissen will. Vgl. dazu auch unten § 18 l i l a 1. 3. Vollkommen durchgeführt ist die Gleichsetzung des körperlichen und des unkörperlichen Eigentums in gewissen Partien des S t e u e r r e c h t s . Es gibt keine „Steuer auf Eigentum", sondern nur eine „Vermögenssteuer", und sie erfaßt neben dem Grundbesitz (also dem E i g e n t u m an Grundstücken), das Betriebsvermögen, die Guthaben bei Banken und Sparkassen, die Wertpapiere, noch nicht fällige Lebensversicherungen und andere „unkörperliche" Werte. 4. Vor allem aber ist es eben nicht möglich, d i e g r o ß e n p o l i t i s c h - k u l t u r e l l e n B e w e g u n g e n , in die das Sachenrecht im Strome der Zeit immer wieder hineingezogen wird (vgl. unten § 2 und 3), zu erfassen, wenn man nicht über den schulmäßigen Rahmen eines gerade nur auf „Sachen" beschränkten Sachenrechts hinausgreift und die Stellung (auch die Rechtsstellung) des Menschen zu seinem g e s a m t e n Hab und Gut erfaßt. Insbesondere erscheint der Schwesterwissenschaft der Volkswirtschaftslehre ( N a t i o n a l ö k o n o m i e ) bei ihren endlosen Erörterungen über Kapital, Kapitalismus usw. die „formaljuristische" Beschränkung auf körperliche Sachen als schlechthin unfaßbar. — Trotzdem tut d e r j u r i s t i s c h e A n f ä n g e r gut, sich der strammen Zucht der sachenrechtlichen Dogmatik zu fügen. Die darin liegende „Weitabgewandtheit" ist für den juristischen Lehrgang wertvoller als ein Verflattern in allerlei politischen oder nationalökonomischen Doktrinen. 5. Diese disziplinierte Stoffzerlegung macht auch allein gewisse M i s c h g e b i l d e verständlich, die sich zum Teil aus sachenrechtlichen, zum Teil aus anderen Elementen zusammensetzen. Hier ist nochmals (s. Ziff. 1) das P f a n d r e c h t zu erwähnen. Kein Pfandrecht schwebt in der Luft, vielmehr tritt es zu einem anderen Rechtsverhältnis hinzu (Näheres unten § 49 II). Wer z. B seinen Mantel bei einem Gastwirt zu Pfände läßt, tut das zur Deckung seiner Zechschuld. Für diese haftet er rein schuldrechtlich (etwa nach § 433 II BGB.). Aber dazu tritt nun die sachenrechtliche Figur des Pfandrechts h i n z u . Er hat also, obwohl der Verkehr den ganzen Vorgang als eine Einheit bewertet, nach der strengen j u r i s t i s c h e n Gedankenzerlegung in dem Gastwirt gleichsam einen d o p p e l t e n G e g n e r vor sich, einmal den gewöhnlichen „Gläubiger", der ihn, gestützt auf § 433, verklagen kann, außerdem aber den „Pfandgläubiger", der auf Grund der § 1233 ff. den Mantel versteigern lassen darf. — In diesen Zusammenhang gehört ferner die V e r k ö r p e r u n g g e w i s s e r S c h u l d e n i n W e r t p a p i e r e n . Denn auch hier mischt sich die Haftung aus dem Schuldverhältnis mit der

§ 1 III. „Eigentum" im Sachenrecht

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sachenrechtlichen Verfügung über das P a p i e r . Das BGB. hat dazu nur dürftig und gelegentlich, z.B. im §9-52, Stellung genommen. Um so mehr hat sich die Wissenschaft mit diesem Zusammenhange beschäftigt (Näheres in der Lehre von den Wertpapieren). Vgl. auch unten § 24111a 3. III. D e r G r u n d t y p u s a l l e n S a c h e n r e c h t s i s t d a s E i g e n t u m , das Eigentum an den körperlichen Sachen. Es wird später zu zeigen sein, wie sich d a n e b e n a n d e r e s a c h e n r e c h t l i c h e F i g u r e n herausgebildet haben ( 41), und es sind auch schon im vorhergehenden einige davon gestreift worden. Aber das E i g e n t u m d o m i n i e r t d u r c h a u s . Es gibt Millionen von Menschen, es ist die übergroße Hälfte unserer Zeitgenossen, die niemals an eine Hypothek (unten §§ 43 ff.) oder an einen Nießbrauch (unten § 38) herankommen. Aber am Eigentum kann keiner vorüber; selbst der ärmste Bettler ist noch Eigentümer der Lumpen, die ihn einhüllen, und der Krücke, die ihn stützt. Und um das Eigentum haben sich in allen Zeitaltern Kämpfe abgespielt. Seit langem steht es z. B. im Brennpunkt der „Sozialisierungsbestrebungen" (unten § 3). Was dabei an Meinungen und Gegenmeinungen, an praktischen Vorschlägen wie theoretischen Formulierungen, an heißem Verlangen und kühler Abwehr ans Tageslicht tritt, das gilt in ganz ähnlicher, nur blasserer Form auch von den anderen Sachenrechtsfiguren. Darum genügt es vorläufig, den Blick a u f d a s E i g e n t u m a l s P r o t o t y p des Sachenrechts einzustellen. In der Grundform des Eigentums ist das Sachenrecht ein volkstümlicher Begriff, und man erfaßt sofort, was es mit der „menschlichen Bedeutung" des S a c h e n r e c h t s für eine Bewandtnis hat, wenn man sich das E i g e n t u m dabei vorstellt. § 2. Volkstümlichkeit des Sachenrechts I. Wird die Frage nach der Volkstümlichkeit des Sachenrechts aufgeworfen und in den Bereich eines ersten Nachsinnens verlegt, so stellt sich sogleich die weitere Frage ein: Woher kommt E i g e n t u m , das Kernstück allen Sachenrechts? Bei einer Diskussion in einem J u r i s t i s c h e n Seminar wurden die verschiedensten Möglichkeiten eines Eigentumserwerbs herausgestellt, bewußt über juristische Dogmatik hinaus in a l l g e m e i n e s M e n s c h e n t u m und allgemeine Denkmöglichkeit verlegt: Eigentum kann erworben werden durch Okkupation, also bloßen Zugriff. Es kann erarbeitet, es kann durch Ersparnis erworben werden. Es kann durch Zufall anfallen. Es beruht auf der Differenzierung der einzelnen Menschen. Es bekommt seine Existenz durch eine Frie-

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§ 2. Volkstümlichkeit des Eigentums densordnung, durch Ausschaltung des Kampfes aller gegen alle. So wird es „zugeteilt". Aber wie und von wem? Staat und Rechtsordnung tauchen auf, der Schritt in die politische Welt ist damit getan. Doch darüber erhob sich bei jener Diskussion auch noch der Satz: Das Eigentum kann von Gott verliehen sein.

II. Aber sogleich gesellt sich das Nachdenken über den U n t e r s c h i e d in der Verteilung von Eigentum hinzu. Doch die Frage nach dem W i e v i e l des Einzelnen am Eigentum, der Gegensatz zwischen dem ¡Reichen und dem Armen muß hier zurücktreten. Denn zunächst nimmt auf der Rechtsbasis des Bürgerlichen Rechts j e d e r e i n z e l n e B ü r g e r irgendwie an der Volkstümlichkeit des Eigentums teil, und zwar mit jedem einzelnen Stück, das er sein Eigen nennt. Diese Volkstümlichkeit erweist sich sofort, wenn ein anderer ihm dieses Stück nehmen will. V e r t e i d i g u n g ist vielleicht der sinnfälligste Zug, wenn man der Volkstümlichkeit des „Eigentums" und damit des ganzen Sachenrechts nachgeht. Auah die nachfolgende Darstellung wird diesem Schutz des Eigentums gegen Angriffe einen breiten Raum zur Verfügung stellen (§ 29). Volkstümliche Züge deckt auch oft genug d a s N a c h b a r r e c h t auf, wo das Grundstücksrecht des einen mit dem des anderen zusammenstößt; nicht ohne Grund haben die Schriftsteller immer wieder diesen Stoff zum Gegenstand lustiger oder auch ernster Erzählungen und Theaterstücke gemacht. Auch beim G l ä u b i g e r z u g r i f f , wenn es an das Pfänden geht, tritt das Problem „Sachenrecht' in grelle Beleuchtung. Man darf nicht Anstoß daran nehmen, daß derart das Eigentum gewissermaßen erst beim Übergriff von außen her im Bewußtsein der Betroffenen voll wach wird. Das ist eine allgemeine Erscheinung des Rechts: Spiegelung in seiner Verletzung. Zudem rückt ein näheres Nachsinnen auch versöhnlichere Züge des Eigentums in den Rahmen seiner Volkstümlichkeit. D e r S p a r s i n n wird wach beim Gedanken an den (sachenrechtlichen) Erwerb von Hab und Gut. Die Freude am ehrlich Erworbenen ist einer der schönsten Züge in unserem menschlichen Dasein und sicherlich ein Stück bester Volkstümlichkeit. Das setzt sich fort in den Bahnen des E r b r e c h t s , das sich in diesem Punkte aufs engste mit dem Sachenrecht verbindet: Mein Eigentum, mein Sachenrecht lebt weiter in meinen Kindern oder in meinen Freunden, denen ich testamentarisch mein Hab und Gut übertrage. III. Doch darf die Grundbetrachtung des Sachenrechts n i c h t b e i d e m E i n z e l n e n s t e h e n b l e i b e n . Sie ist verbunden, mit weiten Ausblicken auf das Ganze des Volkslebens.

§ 3. Einzeleigentum und Sozialisierung

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Beispiele: Der Boden, die Grundstücke sind nicht nur mit dem Einzelnen verwachsen, das tausendfache Eigentum der Einzelnen trägt z. B. die Landwirtschalt für das ganze Volk. Oder das Hypothekenrecht des BGB. Unser Kreditwesen ist ohne den peinlich ausgearbeiteten Hypothekenapparat nicht denkbar. Oder das schon erwähnte Erbrecht: auf seinen Wegen kommt es zur Verteilung des Eigentums unter die Mitglieder der Familie, wodurch das Familienleben tief beeinflußt wird. So kann man sich nicht der Erkenntnis verschließen, daß das Sachenrecht trotz seines dürren juristischen Gepräges ein nicht zu unterschätzendes S t ü c k u n s e r e s K u l t u r l e b e n s ist, und daß schon um des willen j e d e r an ihm, sei es unmittelbar, sei es mittelbar, Anteil hat. Das G e g e n ü b e r des Einzelnen und des Volksganzen wird damit nicht ausgelöscht. Es ist im Lauf der Geschichte immer wieder in scharfen geistigen, wissenschaftlichen und politischen Auseinandersetzungen hervorgetreten. Das Sachenrecht, mit seinem Eigentum, hat daran teilgenommen: I n d i v i d u a l e i g e n t u m u n d S o z i a l i s i e r u n g sind sich, heute noch nachwirkend als elementare Gegensätze immer wieder gegenübergetreten. § 3. Einzeleigentum und Sozialisierung I. D a s G e g e n ü b e r . Das Eigentum des Einzelnen (auch ( I n d i v i d u a l e i g e n t u m genannt) und das Eigentum einer Gemeinschaft, einer Gesellschaft, einer s o c i e t a s haben sich seit vielen Jahrhunderten gegenübergestanden. Der Jurist tut gut daran, wenn er bei dieser Erscheinung nicht nur an den Augenblick, an die gegenwärtige Lage dieses Gegenüber denkt, sondern den Blick auch auf die großartigen Erscheinungen der H i s t o r i e richtet, dies zu seiner Selbstbesinnung und Schulung. Freilich unser erster primitiver Eindruck geht immer dahin, daß jedes Stück Eigentum (oder sonstigen Sachenrechts) mit einer bestimmten Einzelperson, einem Individuum, zu verknüpfen sei. Durchwandern wir die Straßen einer Stadt, so empfinden wir es wie eine Selbstverständlichkeit, daß jedes Haus seinen Einzeleigentümer hat, daß nicht etwa der gesamte Vorrat an Häusern der Bürgerschaft schlechthin, der Stadt als solcher oder darüber hinausgehend dem Staate gehört. Selbst bei dem neuartigen Wohnungseigentum (auf das im § 32 zurückzukommen sein wird) konzentriert sich gerade der Blick auf das Eigentum des Einzelnen an s e i n e r Wohnung, im Gegensatz zu einer Gruppe von Nachbarn und sonstwie Beteiligten. Und treten wir in den Kreis einer Familie, so sehen wir, wie selbst in diesem innigen Verbände die einzelnen Vermögensstücke unter Mann und Frau und Bruder und Schwester aufgeteilt sind; oder wir erfahren es wenigstens von den Juristen, falls etwa die Nächstbeteiligten selber im Einerlei des Zusammenlebens gar nicht daran gedacht haben.

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§9 II. Aufteilung des Eigentums

Aber d i e G e s c h i c h t e zeigt uns andere Bilder, enthüllt die immer wiederkehrenden A n g r i f f e auf das „Individualeigentum", aber auch die Versuche zu dessen R e c h t f e r t i g u n g , um dann bei der heutigen Idee einer „S o z i a 1 i s i e r u n g" und der abwägenden Haltung des G r u n d g e s e t z e s (GG) der Deutschen Bundesrepublik zu münden. II. D e r g e s c h i c h t l i c h e Entwicklungsgang in k u r z e m R ü c k b l i c k . Es hat eine Zeit gegeben, wo die Menschen noch so sehr in F a m i l i e n - oder S i p p e n v e r b ä n d e n zusammengeschlossen waren, daß der einzelne nicht hervortrat. In dieser frühgeschichtlichen Zeit war auch das Eigentum, oder was es sonst an sachenrechtlichen Positionen gab, etwa gewisse Nutzungsrechte oder pfandrechtsartige Befugnisse, nicht den einzelnen Köpfen zugeteilt, sondern stand ungeteilt der Familie oder übergeordneten Verbänden (Gemeinde) zu. Darum ist das älteste Stück des Privatrechts das Familienrecht gewesen, das Sachenrecht hat sich erst aus ihm heraus entwickelt. Allmählich differenzieren sich die Bedürfnisse, und die einzelnen Menschen rückten weiter voneinander ab. Der Unterschied der beiden Geschlechter macht sich stärker bemerkbar. Gewisse Vermögensstücke eignen mehr den Frauen (Schmuck), andere scheinen den Männern vorbehalten (Waffen). Das „Vermögen" beginnt in Schichten mit verschiedener „Zuständigkeit" zu zerfallen (Altgermanische Kennworte: Gerade, Heergewäte). Es ist nur noch ein kleiner Schritt, und es folgt überhaupt eine A u f t e i l u n g dessen, was früher unbewußt im Schöße der Gemeinschaft festgehalten wurde, unter die einzelnen Individuen. Zuerst, noch in vorgeschichtlicher Zeit, vollzieht sich die Wandlung bei den b e w e g l i c h e n G ü t e r n , der. Gebrauchs- und Schmuckgeräten, der Kleidung und den Haustieren. D e r G r u n d u n d B o d e n bleibt dagegen noch auf lange Zeit ungeteilt. Als dann auch er dem Individualeigentum verfällt, hängt sich die Volksüberzeugung wenigstens an einige, immer schwächer werdende Nachwirkungen. Die z w e i e i n f l u ß r e i c h s t e n E l e m e n t e der historischen Entwicklung waren: 1. Der Übergang des (in Deutschland rezipierten) r ö m i s c h e n R e c h t s zu der immer schärfer ausgebauten Konzeption des „subjektiven Rechts", des Rechts des Einzelnen, die (am Familienrecht vorbei, aber auch in dieses eindringend) auf sachenrechtlichem Gebiet alles in die Bahnen des Individualeigentums leitet. — 2. Die sog. A u f k l ä r u n g s p h i l o s o p h i e des 18. J a h r h u n d e r t s , die, von Frankreich ausgehend und auch Deutschland ergreifend, die „freie" Persönlichkeit herausstellte, ihr

§ 3 III a. Angriffe auf das Individualeigentum

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ein v e r f a s s u n g s r e c h t l i c h g e s i c h e r t e s Eigentum zusprach und auch den Boden aus seiner überkommenen lehnsrechtlichen (feudalen) Gebundenheit befreien wollte. Im 19. Jahrhundert vollendet sich dieser Entwicklungsgang. Von wenigen Ausnahmen abgesehen ist die gesetzliche Umwandlung des gesamten Sachenrechts in Individualeigentum, Individualnießbrauch, Individualpfandrecht vollzogen. D a s d e u t s c h e B G B . v o n 1 8 9 6 steht noch ganz unter diesem Zeichen. Seine Dogmatik ist stellenweise erschüttert, bildet aber heute noch den Ausgangspunkt der sachenrechtlichen Schulung. III. D a s I n d i v i d u a l e i g e n t u m i m Z e i c h e n h i s t o r i s c h e r A n g r i f f e u n d R e c h t f e r t i g u n g e n . Nur die wichtigsten geschichtlichen Züge können hier geschildert werden. a) D i e A n g r i f f e . Wellenartig aus ganz verschiedenen Lagern aufsteigend hat sich die Kritik, bisweilen zur Feindseligkeit gesteigert, im Zuge der Jahrhunderte an das individualistische, oder, wie man es auch genannt hat, das „absolute" Eigentum herangemacht. Schwärmer sind dabei mit nüchternen Politikern, Idealisten mit eigensüchtigen Naturen, glaubensselige Apostel mit kühlen Agitatoren Hand in Hand gegangen. Bald hat die Negative der Beseitigung des Individualeigentums, bald die positive Predigt und Propaganda für ein anderes, neues, brüderliches, kommunistisches oder utopisches Eigentum im Vordergrund gestanden. Folgende H a u p t s t r ö m u n g e n sind hervorgetreten. 1. Das f r ü h e C h r i s t e n t u m , geleitet vom Brüderschaftsgedanken, wohl weniger an eine r e c h t l i c h e Regulierung denkend, überhaupt den weltlichen Gesetzen abhold, alles in brüderliche Gesinnung und damit in f r e i w i l l i g e s Einwerfen der Habe in den gemeinsamen Schatz verlegend. Die spätere k a n o n i s t i s c h e D o k t r i n leugnet das Privateigentum durchaus nicht, ermahnt nur den einzelnen Christen, sich dabei als bloßer Verwalter in Gottes Auftrag zu fühlen. 2. Die U t o p i e e n . Anknüpfend an frühe Versuche im Altertum (Plato) haben sich immer wieder Köpfe gefunden (am bedeutendsten der Englänger Thomas Morus, 1478 bis 1535, Lordkanzler, wegen Verweigerung des sog. Supremateides hingerichtet), die einen I d e a l s t a a t , einen Traumstaat literarisch entwarfen, meist wohl überzeugt, daß sich ihre Schilderung nicht restlos in das praktische Leben übertragen lasse. Und dabei hat nun die „ V e r g e m e i n s c h a f t u n g a l l e r G ü t e r " fast immer eine Rolle gespielt, wobei vielfach als entscheidende Kraft nicht mehr die Freiwilligkeit und edle Gesinnung, sondern gerade das unbedingt bindende, juristisch geltende Staatsgesetz gedacht war.

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§ 3 a. Eigentum und Marxismus 3. D e r e i g e n t l i c h e S o z i a l i s m u s . Anknüpfend an die utopische Formgebeung oder doch an abstrakte Theoreme (Die Verschwörung des Babeuf 1779; Fouriers Lehre von der „Phalange", 1822; Proudhons Ausspruch: „La propriété c'est le vol", 1840, womit jedoch das Privateigentum keineswegs schlechthin abgeschafft werden sollte) schuf sich der moderne Sozialismus nach und nach, gipfelnd in der sog. „m a t e r i a l i s t i s c h e n Geschichtsauff a s s u n g", eine wissenschaftliche Basis für seinen wohlerwogenen und rasch dogmatisierten Kampf gegen das Privateigentum. Hierbei ist weder Freiwilligkeit noch Staatsgesetz als die eigentlich entscheidende K r a f t gedacht, sondern der naturnotwendige w i r t s c h a f t l i c h e E n t w i c k l u n g s g a n g . Freilich mußte, sobald man in die Praxis übertrat, mehr und mehr die „Klinke der Gesetzgebung" ergriffen, also die Wendung zur „juristischen" Regelung vollzogen werden. 4. In der jüngsten Zeit, aus dem 19. Jahrhundert aufsteigend, stellt den geistigen Höhepunkt der Angriffe auf das „absolute" Privateigentum der M a r x i s m u s dar. Seine weltbewegende Kraft schlug sich in den Programmen der ihm ergebenen politischen P a r teien nieder, erhob sich aber darüber hinaus zum Glaubensbekenntnis von Millionen Menschen. — Lebendiges historisches Dokument des ausgehenden 19. Jahrhunderts z. B. das E r f u r t e r P r o g r a m m d e r d a m a l i g e n S o z i a l d e m o k r a t i e vom J a h r e 1891, voll verständlich aus den nun schon Jahrzehnte zurückliegenden Zeitverhältnissen. Es wendete sich nicht gegen das Privateigentum schlechthin. Der Kampf richtete sich nur gegen die ü b e r m ä ß i g e A n h ä u f u n g von Eigentum in den Händen eines verhältnismäßig sehr geringen Bruchteils der Bevölkerung, und vor allem konzentrierte sich der programmatische Kampf sehr rasch auf das Eigentum an einer besonders wichtigen Spezies von Gütern, nämlich an den P r o d u k t i o n s m i t t e l n . Derart hub jenes Erfurter Programm mit folgendem Satze an: „Die ökonomische Entwicklung der bürgerlichen Gesellschaft führt mit Naturnotwendigkeit zum Untergang des Kleinbetriebes, dessen Grundlage das Privateigentum des Arbeiters an seinen Produktionsmitteln bildet. Sie trennt den Arbeiter von seinen Produktionsmitteln und verwandelt ihn in einen besitzlosen Proletarier, indes die Produktionsmittel das Monopol einer verhältnismäßig kleinen Zahl von Kapitalisten und Großgrundbesitzern werden." Und im weiteren Fortgang heißt es dann, „daß das Privateigentum an den Produktionsmitteln unvereinbar geworden ist mit deren zweckentsprechender Anwendung und vollen Entwicklung", und schließlich: „Nur die Verwandlung des kapitalistischen Privateigentums an den Produktionsmitteln — Grund und Boden, Gruben und Bergwerke, Rohstoffe, Werkzeuge, Maschinen, Verkehrsmittel — i n g e s e l l s c h a f t l i c h e s E i g e n t u m , und die Umwandlung der Warenproduktion in sozialistische, f ü r und durch die Gesellschaft betriebene Produktion kann es bewirken, daß der Großbetrieb und die stets wachsende Ertragsfähigkeit der gesellschaftlichen Arbeit f ü r die bisher ausgebeuteten Klassen aus einer Quelle des Elends und

§3 III b. Rechtfertigung des Individualeigentums

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der Unterdrückung zu einer Quelle der höchsten Wohlfahrt und allseitiger harmonischer Vervollkommnung werde." b) R e c h t f e r t i g u n g s v e r s u c h e . Den Angriffen auf das Individualeigentum sind Versuche der Rechtfertigung gegenübergetreten. Auch sie haben die Jahrhunderte durchzogen. Meist waren sie eingefügt in viel weiter reichende Deutungsversuche, die nicht nur das Einzelthema des Eigentums, sondern das ganze menschliche Leben erfassen wollten. Aber auch sie sind ebenso wie die Theorien des Angriffs d e m j e w e i l i g e n Z e i t g e i s t U n t e r t a n gewesen. Drei Fundamente sind dabei hervorgetreten, das Gesetz der Natur, die verständige Überlegung, die göttliche Satzung. 1. D a s E i g e n t u m a l s G e b o t d e s N a t u r r e c h t s . Hier geht die Betrachtung von einer sehr einfältigen, aber im Kern wahren Beobachtung aus, daß nämlich alle Menschen (von einzelnen schwärmerischen oder philosophischen Naturen abgesehen) irgendwie auf Hab und Gut und damit auf Privateigentum hinaus wollen. Das zieht sich durch alle Völker, Erdteile und Jahrhunderte hindurch. Also, folgert man, daß das Privateigentum in der menschlichen Natur als solcher begründet sein. — Bei den r ö m i s c h e n J u r i s t e n hat sich dieser Eindruck mit einer anderen schulmäßigen Kategorie verbunden, nämlich ihrem „ius gentium" (das in diesem Zusammenhange mit unserem „Völkerrecht" nichts zu tun hat). Ihnen war nämlich i u s n a t u r a l e „quod apud omnes gentes peraeque servatur" (vgl. Institutiones 1, 2, 11 und 2, 1, 11), was also infolge eines offenbar von selber wirkenden Naturgesetzes (einer „ratio naturalis") an allen Orten und bei allen Stämmen immer wiederkehrt und deshalb auch die älteste aller Rechtsarten ist, zugleich mit dem Menschengeschlecht selbst geboren („cum ipso genere humano proditum", Dig. 41, 1, 1), u n d g e r a d e d a h i n z ä h l t e n s i e die „dominia distincta", d.h. das aufgeteilte, den unterschiedlichen „singuli" zugeteilte Privateigentum (vgl. Dig. 1, 1, 5). — Die G l o s s a t o r e n u n d P o s t g l o s s a t o r en des Mittelalters (Hedemann, Einführung § 20 IV und V) haben sich dann sehr den Kopf zerbrochen, wie diese angebliche „Urwüchsigkeit" mit den vielerlei Einzelvorschriften der zufällig gewordenen und keineswegs bei allen Völkern gleichen Gesetzgebungen, z. B. über die Erwerbsgründe des Eigentums (heutige Regelung dessen unten § 20 ff.), zu vereinigen sei. Aber sie hielten an dem Grundsatz fest: das Einzelwerk mag verschieden sein, jedoch die Idee des Eigentums ist natürliches Recht aller Völker: „tarnen ipsum dominium Semper est de iure gentium" (Glosse zu D. 1, 1, 5). — Besonders stark ist dann wieder die Begründung des Eigentums aus der Natur heraus von den N a t u r r e c h t s l e h r e r n des 17. und 18. Jahrhunderts erörtert worden. Sehr verschiedene Theorien sind dabei herausgekommen. Mitunter ging man von den S a c h e n aus, die in der Natur da sind, gleichsam bereit liegen, bestimmt, dem Menschen zu dienen, und nur auf seinen Zugriff wartend. (Auch . hier schon verwandte Vorstellungen im Corpus juris; z. B. „Quod enim nullius est, id ratione naturali occupanti conceditur", D. 41, 1, 3).

§ 3 III b. Rechtfertigung des Individualeigentums Andere legten den Ton auf die P e r s ö n l i c h k e i t , auf die „Freiheit" des einzelnen Menschen, auf den Zugriffswillen, der ihm von der Natur eingepflanzt worden sei. Noch andere, und zwar vornehmlich die N a t i o n a l ö k o n o m e n späterer Zeit, wandten das dahin, daß sie das Eigentum a l s P r o d u k t d e r A r b e i t auffaßten und nun in einer raschen Folgerung dem „Arbeiter" einen „natürlichen" sittlichen oder gar rechtlichen „Anspruch" auf Herrschaft über das Erarbeitete einräumten. Wieder eine andere und sehr stark ausgebaute Theorie kehrt sich bereits von der unmittelbaren Verknüpfung mit der Natur ab und errichtet ein zweites Fundament. Dies ist: 2. D a s E i g e n t u m a l s S c h u t z g e g e n d e n Kampf a l l e r g e g e n a l l e . Hier wird an die Verständigkeit des Menschen appelliert. Die Menschen sehen es gleichsam ein, daß, wenn jeder beliebig zugreifen könnte auf die Welt der vorhandenen Güter, dies ein ewiges b e l l u m o m n i u m c o n t r a o m n e s ergäbe. Die K l u g h e i t ist es, die sie daran verhindert. Und das Privateigentum, das einmal irgendwie aufgeteilte, und nunmehr rechtlich geschützte, ist das Mittel, sozusagen die Mauer, um den Trieb zum Übereinanderherfallen zu bändigen. — Die philosophische Vertiefung ist dann ins Hochpolitische gesteigert worden und hat zu der berühmten Lehre vom C o n t r a t s o c i a l (Jean Jaques Rousseau, Du contrat social ou principes du droit politique, 1762) geführt: Um aus dem Chaos des Egoismus herauszukommen, haben die Menschen das G e m e i n w e s e n , den Staat als den Ordner und Sicherer geschaffen. In der kühleren Gedankenwelt des 19. und 20. Jahrhunderts hat sich das dann wieder zum Eigentum in der Formel zurückgewendet, daß das private Eigentum gleichsam v o m S t a a t e v e r l i e h e n sei, oder, soziologischer gefaßt: von der G e s e l l s c h a f t verliehen sei. Mit der weiteren Folgerung, daß der Eigentümer zwar als Eigentümer der Herr seines Gutes sei, sich aber a l s V e r w a l t e r e i n e s i h m a n v e r t r a u t e n G u t e s fühlen müsse. 3. Zu allen Zeiten hat schließlich auch d i e r e l i g i ö s e B e g r ü n d u n g eine Rolle gespielt, die das Eigentum als e i n e g o t t g e w o l l t e I n s t i t u t i o n hinstellt, an der der Mensch nicht r ü t teln dürfe, mit der er sich abfinden müsse. Und diese Argumentation ist keineswegs auf die Welt der Theologen beschränkt geblieben, sondern auch in den Meinungsaustausch und die Schriften der Juristen eingedrungen. So hat es sich beispielsweise J u s t i n i a n , der überhaupt zur Frömmelei neigte, nicht nehmen lassen, in seinem Corpus juris bei der Übernahme der Gaius-Stelle, wo allgemeinhin vom jus naturale und jus gentium gesprochen wird (Gaies 1,1, § 1) den Zusatzanzusetzen, daß diese ewigen und unwandelbaren Rechtseinrichtungen (zu denen, wie wir sahen, die dominia distincta gezählt wurden) „divina quadam Providentia" in die Welt gekommen seien. Und mehr noch schien es den G l o s s a t o r e n , den mittelalterlichen Bearbeitern des Corpus juris angezeigt, neben die bloße Erkenntnis, daß das individualisierte Privateigentum bei allen Völkerschaften gleichmäßig auftaucht, eine göttliche Sanktion zu setzen: „Dicitur enim [das jus divinum]: .Furtum non facies'; item: ,Non concupisces rem

§3 IV b. Heutige Sozialisierungsideen

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proximi tui' (Begehre nicht deines Nächsten Gut) usw." (Glosse zu D. 1, 1, 5); damit sei bewiesen, daß die göttliche Ordnung der Welt von einer Aufteilung der Güter unter die „Nächsten" als einer gegebenen Größe ausgehe. IV. D i e S o z i a l i s i e r u n g s i d e e d e r n e u e r e n Zeit a) Hierbei ist die Spaltung des Rechtssystems in b ü r g e r l i c h e s R e c h t u n d ö f f e n t l i c h e s R e c h t deutlich hervorgetreten. Jus privatum und jus publicum waren gerade im 19. Jahrhundert bis in die Werdezeit des BGB. hinein d o g m a t i s c h streng getrennt, sowohl bei der Rechtswissenschaft wie in der Praxis der Gerichte. Das hat sich dann auf dem Boden der G e s e t z g e b n g mehr und mehr gelockert. Sie erschloß von der öffentlichrechtlichen Seite her immer wieder neue und stärkere Eingriffe des Staates und seiner Behörden oder eigens geschaffener Organe in das private, bürgerliche Eigentum (und die anderen sachenrechtlichen Institutionen). Mit Einzelmaßregeln begann es: Ausfuhrverbote, Naturschutz und Denkmalschutz, Verbote des Abholzens von Waldungen. Bauverbote in den Städten, politizeiliche Verbote oder Befehle aller Art, und vieles andere in langen kaum übersehbaren Reihen, begleitet von B e s t e u e r u n g und E n t e i g n u n g s e r m ä c h t i g u n g e n (über Enteignung nachfolgend § 31). Besonders eindrucksvoll hat ein junger f r a n z ö s i s c h e r J u r i s t (denn die Entwicklung war nicht auf Deutschland beschränkt, sondern erstreckte sich auf die meisten europäischen Länder) diese lange Kette der E i n g r i f f e von außen her, der „Restriktionen", in seiner Doktordissertation bereits vor dem 1. Weltkrieg geschildert. „Depuis le Code Civil de nombreuses restrictions ont été apportées au droit de propriété. Si rien encore n'a été changé dans la n o t i o n de ce droit (also im Begriff des Eigentums), son é t e n d u e a été considérablement diminuée. Le bon ordre, la sûreté, la santé publique, la conservation et le développement de la richesse nationale, les besoins fiscaux de l'Etat, les nécessités de la défense du territoire, ont tour à tour imposé, et sans doute continueront d'imposer au propriétaire de nouvelles entraves". b) Nur Eines fehlte bei diesen vielen gesetzgeberischen Einzeleingriffen, d e r e i n h e i t l i c h e z u s a m m e n f a s s e n d e G e d a n k e . Vorbereitet war er durch viele Erörterungen über den Marxismus, durch politische Parolen wie jenes Erfurter Programm von 1891 (vgl. oben III a 4). Aber die Geisteswissenschaft verlangte nach einer höheren zusammenfassenden Idee oder mindestens einer zusammenfassenden Formulierung. D e r B e g r i f f d e r Soz i a l i s i e r u n g setzte sich durch. Bisweilen dient auch „Verstaatlichung" als der nötige Terminus technicus, aber er ist zu eng,

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§ 3 IV b. Sozialisierung des „Wirtschaftsrechts"

die Soizalisierung reicht weiter, sie umfaßt neben dem unmittelbaren Zugriff auch schon das „Planen" und „Lenken". Sehr wichtig ist dabei, daß sich dieses Sozialisieren nicht auf die „Sachen", die körperlichen Gegenstände (vgl. oben § 1 II) beschränkt, sondern vor allem g a n z e W i r t s c h a f t s z w e i g e , kaufmännische B e t r i e b e , industrielle U n t e r n e h m e n usw. erfaßt. So gehört, wissenschaftlich dogmatisch, der Begriff der Sozialisierung auch gar nicht in den Bereich des bürgerlichen Rechts hinein, sondern fällt in den Rahmen der besonderen Materie des „ W i r t s c h a f t s r e c h t s " oder auch des S t a a t s r e c h t s . Die zeitgenössische Entwicklung hat hier wiederum nicht nur das deutsche Rechts- und Wirtschaftsleben erfaßt, sondern sich auch auf die anderen uns nahestehenden Länder erstreckt, also i n t e r n a t i o n a l e B ö d e u t u n g erworben. Dabei wurden statt des Wortes Sozialisierung a n d e r e B e g r i f f s b e z e i c h n u n g e n verwendet, in Österreich z. B. „Interventionismus", in Frankreich und der Schweiz „Etatisierung" (Etatisme), in England und Rußland „Nationalisierung"; auch „Dirigismus" oder „Standardimus" sind als Kennworte gebraucht worden. — Überall handelt es sich dabei um Vergeistigung. Die großen praktischen Fragen bleiben offen. D u r c h w e n soll sozialisiert werden? Der Apparat rückt in den Vordergrund, die Gefahren der Bürokratie und der „Überorganisation" tauchen auf. F ü r w e n soll sozialisiert werden? Der „Moloch Staat" meldet sich an, um möglichst viel in sich hineinzuschlingen. Aber daneben steht die Ideologie vom „Volk", und in der Praxis kommt es zu Aufteilungen: die Gemeinden, die Selbstverwaltungskörper und andere Institutionen nehmen teil an dem Sozialisieren, Intervenieren, Dirigieren. Vor allem aber: W o s o l l d i e G r e n z e f ü r das „Sozialisieren" liegen? Damit ist die praktische Grenze gemeint, bis zu der die Sozialisierungsmaßregeln vorgetrieben werden sollen. Denn eine totale Sozialisierung des gesamten Daseins oder auch nur der gesamten Wirtschaft ist unmöglich. Besonders stark sind die Versuche einer R e a l i s i e r u n g nach den beiden W e l t k r i e g e n hervorgetreten, wo es sich neben den politischen Wandlungen um die Überwindung der schweren wirtschaftlichen Zerrüttungen handelte. In Deutschland wurde nach dem e r s t e n Weltkrieg, getragen von der revolutionären Spannung, ein allgemeines „S o z i a 1 i s i e r u n g s g e s e t z" (vom 23.3.1919) erlassen, ein eindrucksvolles h i s t o r i s c h e s B e i s p i e l . Das Gesetz hatte nur vier §§. Den Kern bildete § 2: „Das Reich ist befugt, im Wege der Gesetzgebung gegen angemessene Entschädigung 1. für eine Vergesellschaftung geeignete wirtschaftliche Unternehmungen, insbesondere solche zur Gewinnung von Bodenschätzen und zur Ausnutzung von Naturkräften, i n G e m e i n w i r t s c h a f t z u ü b e r f ü h r e n ; 2. im Falle dringenden Bedürfnisses d i e H e r s t e l l u n g u n d V e r t e i l u n g wirtschaftlicher Güter gemeinwirtschaftlich z u r e g e 1 n." Die Durchführung sprang aber sogleich in E i n -

§ 3 V. Sachenrecht und Sozialisierung

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z e l g e s e t z e auseinander, ein Kohlenwirtschaftsgesetz, ein Kaliwirtschaftsgesetz, ein Eisenwirtschaftsgesetz usw.

c) Heute, nach dem 2. Weltkrieg, bildet die Verfassungsurkunde der Bundesrepublik Deutschland die ideologische Grundlage, das G r u n d g e s e t z vom 23. 5. 1949. Es hat an die Stelle des Wortes Sozialisierung den B e g r i f f d e s G e m e i n e i g e n t u m s gesetzt und im Art. 15 folgende dominierende Leitsätze aufgestellt: „Grund und Boden, Naturschätze und Produktionsmittel können zum Zwecke der Vergesellschaftung durch ein Gesetz, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt, in Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft überführt werden. Für die Entschädigung gilt Artikel 14 Absatz 3 Satz 3 und 4 entsprechend." Eine Fülle von Gesetzen wirtschaftsregelnden Charakters sind in dem folgenden Jahrzehnt von dieser Grundlage aus ergangen, und weite Horizonte stehen für die weiteren Jahrzehnte offen. V. Der im Art. 15 zitierte Art. 14 leitet wieder hinüber und zurück zum S a c h e n r e c h t , denn er spricht das grundgesetzliche Bekenntnis zum E i g e n t u m als einem Grundwert unseres menschlichen Daseins aus. Freilich setzt auch hierbei die Regulierung ein, und das Fundament für die E n t e i g n u n g , also die Entziehung des Eigentums wird errichtet. Darauf wird im späteren Zusammenhang, bei der Darlegung des Eigentumsrechts, zurückzukommen sein. Es darf aber nicht vergessen werden, daß auch in der E n t s t e h u n g s z e i t d e s I I I . B u c h e s des BGB., also des Sachenrechts, sehr beachtliche Stimmen h o h e r G e l e h r t er bereits die soziale Gebundenheit des Sachenrechts, insbesonder des Eigentums gewürdigt haben. R u d o l f v. J h e r i n g (seinerzeit Professor in Wien und Göttingen) schrieb 1877 in seinem berühmten Werk „Der Zweck im Recht", in dem er dem Individuum die Gesellschaft, den sozialen Verband gegenüber stellte, u. a.: „Es ist also nicht wahr, daß das Eigentum seiner Idee nach die absolute Verfügungsgewalt in sich schlösse. Ein Eigentum in solcher Gestalt kann die Gesellschaft nicht dulden, und hat sie nie g e d u l d e t . . . Wohin es führen müßte, wenn der Eigentümer sich auf sein Eigentum wie auf eine unzugängliche Burg zurückziehen könnte, wird nicht des Nachweises bedürfen." In diesen Worten kündigt sich bereits der Kampf gegen den Eigentumsegoismus an. O t t o v. G i e r k e , der große Germanist (Professor in Breslau, Heidelberg und Berlin), war Mitglied des Reichstags bei den Beratungen über das BGB., wandte sich gegen die Glorifizierung des Eigentums, verwies auf die damals schon bestehenden Einschränkungsmaßregeln f ü r das Recht an Grund und Boden und sprach die

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§ 4. Der juristische Charakter des Sachenrechts Worte aus: „In Wirklichkeit verkehrt glücklicherweise schon heute unser geltendes deutsches Recht jene angebliche Willkürherrschaft des Eigentümers bei dem Eigentum an Grund und Boden in ihr Gegenteil! Der Entwurf kann dies nicht ändern." Er fuhr fort: „Trügen nicht alle Zeichen, so stehen wir inmitten einer Renaissance des germanischen Rechtsgedankens der s o z i a l e n H a r m o n i e . " Die vielen Beschränkungen, die das Privateigentum sich längst schon und immer noch wachsend gefallen lassen muß, sind ihm nicht nur „notgedrungene Ausnahmen von den geltenden Prinzipien", sondern sie sind als „verheißungsvolle Anfänge e i n e r n e u e n s o z i a l e n E i g e n t u m s O r d n u n g " zu begrüßen, sie stellen „einen prinzipiellen Fortschritt" dar, sie sind „die ersten bahnbrechenden Schritte auf dem Wege zu einer künftigen sozialen Grundeigentumsordnung." Es wäre aber falsch, in Gierke einen Feind des Privateigentums zu sehen, er konnte auch zu seinem Verteidiger werden, wenn es galt, die radikalen Sozialisierungsbestrebungen aus der politischen Sphäre abzuwehren. Hier stand er durchaus auf dem Boden der damaligen b ü r g e r l i c h e n Empfindungswelt und sprach es aus: „Wenn das Privateigentum am Boden durch Verstaatlichung oder Vergesellschaftung aufgezehrt würde und damit die stolze Freiheit des deutschen Landmannes i n s o z i a l i s t i s c h e r u n d k o m m u n i s t i s t i s c h e r V e r k n e c h t u n g ihr Grab fände, so wäre der Anfang vom Ende unseres Volkslebens gekommen." Dagegen ging gerade vom Boden des Marxismus aus der hochangesehene Wiener Professor A n t o n M e n g e r . Er griff in seiner Schrift „Das bürgerliche Recht und die besitzlosen Volksklassen" (1. Aufl. 1890) den damaligen ersten Entwurf des BGB. scharf an. Zur Charakterisierung der in dem Entwurf verkörperten Eigentumsordnung stellte er die These auf: Sie sei in rücksichtsloser Durchführung auf die „Besitzenden" zugeschnitten, die große Mehrzahl der Bevölkerung habe an dem kapitalistisch-abstrakten Eigentum, an dem gesamten Hypothekenrecht usw. mangels eigener aktiver Anteilnahme keinerlei Interesse. Im einzelnen rügt er die „Losreißung der Eigentumsordnung von den wirtschaftlichen Grundlagen" (Abstraktion; unten § 4 IVb) als ein absichtliches Mittel, um das Eigentum zugunsten der Besitzenden widerstandsfähiger, stabiler zu machen. Ebenso charakterisierte er die Abstellung des Eigentums auf möglichste „Verkehrstauglichkeit" (unten § 4 I V ) als Zeichen kapitalistisch-liberaler Denkungsart und gesteigerter Ausschaltung der Besitzlosen. Vor allem aber hat Menger mit besonderem Weitblick und wohl als Erster darauf hingewiesen, wie völlig schief das Bild des Eigentums ausfallen müsse, wenn man die ungeheure Macht der V e r w a l t u n g s m a ß r e g e l n beiseite lasse. § 4. Der juristische Charakter der Sachenrechte

I. A r t e n d e r S a c h e n r e c h t e . Es ist eine allgemeine Eigentümlichkeit des bürgerlichen Rechts, daß der RechtsstofE in bestimmten Typen ausgeprägt wird, die sich dann mehr oder minder

§4 1. Gliederung des Sachenrechts

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scharf gegenüberstehen. Mannigfaltig die Typen des Schuldrechts, Kauf, Tausch, Miete, Pacht usw. Eigenartig die Typen des Familienrechts, das Eheverhältnis, das uneheliche Kind, die Adoption, die Vormundschaft usw.; nach d e r vermögensrechtlichen Seite schlagend: die Ehegüterstände, der gesetzliche Güterstand, die Allgemeine Gütergemeinschaft, die Errungenschaftsgemeinschaft, die Fahrnisgemeinschaft. Im Erbrecht charakteristisch namentlich die Gegenüberstellung der gesetzlichen Erbfolge und der testamentarischen Erbfolge, f e r n e r die Typen Vermächtnis und Auflage, der Typus des Testamentsvollstreckers. Im S a c h e n r e c h t stehen sich zunächst gegenüber das Eigentum, das schon seinem Namen nach das Recht an der eigenen Sache ist, und die j u r a i n r e a l i e n a , die Rechte an einer f r e m d e n Sache. a) D a s E i g e n t u m steht an der Spitze, es ist die stärkste und reinste Form. Wie es sich zum „B e s i t z" verhält, wird in § 6 1 dargestellt werden. Über seinen allumfassenden Charakter handelt § 18 II. Eine Zerlegung des Eigentums in O b e r - u n d U n t e r e i g e n t u m hat historisch eine große Rolle gespielt, vor allem im Lehnrecht. Das BGB. steht dem ablehnend gegenüber: das Eigentum ist als eine absolut einheitliche Rechtsfigur aufgefaßt, die jeder Zerlegung widerspricht. Trotzdem hat sich der Gedanke in der Theorie erhalten und hat auf einigen Sondergebieten, im B e r g r e c h t , im neueren S i e d l u n g s r e c h t praktische Gestalt angenommen, auch wenn der Name dabei vermieden wird (Näheres unten § 18 IIc). b) Neben das Eigentum treten d i e b e s c h r ä n k t e n d i n g l i c h e n R e c h t e . Beschränkt heißen sie. weil sie die Sache n u r in einer bestimmten Richtung ergreifen, sie b e l a s t e n die Sache. Es wird etwa eine goldene Kette v e r p f ä n d e t ; neben dem Eigent ü m e r steht d a n n — und zwar ebenfalls als S a c h e n rechtlicher Berechtigter — der Pfandgläubiger; er h a t ein Recht an der f r e m d e n Sache, ein jus in r e aliena. Oder es wird an einem Grundstück eine Hypothek bestellt, neben dem Eigentümer steht der Hypothekengläubiger. Die beschränkten Sachenrechte gliedern sich in N u t z u n g s r e c h t e und W e r t r e c h t e . Bei den Nutzungsrechten wird dem Nutzungsberechtigten d i e S u b s t a n z d e r S a c h e unmittelbar dienstbar gemacht. Er k a n n z. B. als „Nießbraucher" (§ 1030) die Früchte von d e n B ä u m e n ernten. Bei den Wertrechten darf er sich nicht irgendwie an der Substanz vergreifen. Aber d e r G e l d w e r t , der in der Sache sitzt, ist ihm verfangen. S o k a n n z. B. der Hypothekengläubiger (§ 1113) keineswegs verlangen, daß ihm die Früchte 2 Hedemann, Sachenrecht, 3. Aufl.

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§ 4 I d. Sachenrecht und „öffentliches Recht"

des Gartengrundstücks überlassen werden oder daß ihm eine Wohnung in dem belasteten Hausgrundstück eingräumt wird. Aber — wenn der Garten- oder Hauseigentümer die Zinsen nicht pünktlich bezahlt, 'kann der Hypothekengläubiger die Versteigerung herbeiführen, um aus dem Erlös für seine Zinsen (oder auch für die Kapitalsumme) Deckung zu erhalten. An den b e w e g l i c h e n S a c h e n (Mobilien), z. B. Möbeln, Kleidungsstücken, Maschinen, Nahrungsmitteln, Handwerkszeug, sind im BGB. als solche beschränkte Rechte nur zugelassen der Nießbrauch (§ 1030) und das Pfandrecht (§ 1204). Bei den G r u n d s t ü c k e n (den „unbeweglichen Sachen") ist die Zahl der Typen reichhaltiger. Außer dem Nießbrauch gibt es Dienstbarkeiten, insbesondere Grunddienstbarkeiten (§ 1018), Vorkaufsrechte (§ 1094), Reallasten (§ 1105), Hypotheken (§ 1113), Grundschulden (§ 1191), Rentenschulden (§ 1199).

c ) D e r K r e i s d e r S a c h e n r e c h t e ist — im Gegensatz zum Schuldrecht — a l s g e s c h l o s s e n g e d a c h t (numerus clausus). D. h., die einzelnen Bürger dürfen sich nicht daneben noch eigene Typen zurecht machen. Doch gibt es a u ß e r h a l b des BGB. noch einige weitere Sachenrecht]iche Typen, z. B. im Siedlungsrecht, im Bergrecht (unten §§ 32, 33). d) Die Schärfe des Bildes mindert sich, sobald die Eigentumsoder Nutzungsverhältnisse i n s ö f f e n t l i c h e R e c h t hinüberwachsen. Schon seit längerem hat sich in der Sprachweise der Begriff eines „ö f f e n t l i c h e n E i g e n t u m s " eingebürgert. Es handelt sich dabei hauptsächlich um Grundstücke, etwa um die Schulgebäude, die öffentlichen Lagerplätze und Hafenanlagen, die Kirchhöfe; doch können auch bewegliche Sachen im öffentlichen Eigentum stehen wie z. B. die Feuerlöschgerätschaften. Eine Sonderstellung nehmen die ö f f e n t l i c h e n W e g e u n d W a s s e r s t r a ß e n ein; ihnen kommt ein gewisses, schon historisch gewordenes Gepräge zu (Näheres später). Die Grundzüge dieses öffentlichen Eigentums lassen sich wie folgt zusammenfassen: 1. Das Eigentum liegt bei einer ö f f e n t l i c h rechtlichen Körperschaft, dem Staat, den Gemeinden (Kommunen), den konzessionierten Selbstverwaltungskörpern. — 2. Auch in der öffentlichen Hand behält das Eigentum grundsätzlich seinen p r i v a t e n C h a r a k t e r . Der Träger des öffentlichen Eigentums, z. B. der Staat, kann sich zur Abwehr unzulässiger Einwirkungen der S c h u t z m i t t e l d e s P r i v a t r e c h t s bedienen (§§985 ff., 1004 BGB.; unten §2911 und VI). Umgekehrt muß er sich auch gewissen L a s t e n unterwerfen, die aus der allgemeinen Eigentumsordnung folgen, z. B. den Beschränkungen, die das sog. Nachbarrecht mit sich bringt. — 3. Am G r u n d b u c h a p p a r a t nimmt das öffentliche Eigentum vielfach nicht teil, es ist befreit vom „Ein-

§ 4 II a. Sachenrecht nur an „Sachen"

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tragungszwang" (über diesen unten § 15 II). — 4. Auf dem öffentlichrechtlichen Eigentum liegen mancherlei B e s c h r ä n k u n g e n , etwa ein Veräußerungsverbot: die Stadtgemeinde darf („satzungsgemäß") die Schulgebäude nicht beliebig verkaufen. Dazu treten mannigfaltige B e n u t z u n g s r e g l e m e n t s für den „Gemeingebrauch", z. B. bei den Straßen und Wasserläufen. e) A l l e n S a c h e n r e c h t e n g e m e i n s a m ist ihre absolute Natur (nachfolgend III), sie heißen deshalb auch a b s o l u t e R e c h t e . Und weil sie das „Ding" unmittelbar erfassen, werden sie auch d i n g l i c h e R e c h t e genannt. II. S a c h e n r e c h t k a n n n u r a n „S a c h e n " b e s t e h e n . Das ist mehr als ein Wortspiel. Vgl. bereits oben § 1 II. a) Nach der festen Terminologie des BGB. (§ 90) sind Sachen n u r d i e k ö r p e r l i c h e n G e g e n s t ä n d e , Kleidungsstücke, Möbel, Handwerkszeug, Tiere und unzähliges anderes. Auch die G r u n d s t ü c k e sind „körperliche Gegenstände". An diesen körperlichen Gegenständen sind also Sachenrechte wie Eigentum, Pfandrecht usw. unbeschränkt zugelassen. B e g r i f f u n d D o g m a t i k d e r „ S a c h e n " sind im I. Buch geregelt (§§ 90 ff.) — dort auch die Begriffsbestimmung der „vertretbaren" und der „verbrauchbaren" Sachen, die Lehre von den „Bestandteilen", insbesondere den wesentlichen Bestandteilen (Beispiel sogleich im folgenden), die Lehre vom „Zubehör" und von den „Früchten". Alles Nähere darüber bei Lehmann, Allgem. Teil (Lehrbücher und Grundrisse Bd. I; 11. Aufl. 1958). D i e „w e s e n t l i c h e n " B e s t a n d t e i l e einer Sache können nach § 93 „nicht Gegenstand besonderer Rechte sein". Darum gehört dem Grundstückseigentümer notwendigerweise auch das Haus und weiter alles, was in das Haus fest eingebaut ist. Neuere Erfordernisse des W o h n u n g s w e s e n s haben diesen Grundsatz in Gestalt des „Wohnungseigentums durchbrochen (unten § 32 VII). Besonders kritisch geworden ist die Bindung als wesentlicher Bestandteil bei e i n g e b a u t e n M a s c h i n e n . Die Maschinenlieferanten haben das begreifliche Verlangen, sich das Eigentum an der gelieferten Maschine bis zur vollen Bezahlung des Kaufpreises „vorzubehalten". Derartige Bedingungen sind auch in den Verträgen häufig. Dann b l e i b t die Maschine Eigentum des Lieferanten, solange sie noch auf dem Transport ist, auch noch, wenn sie abgeladen ist, auch noch, wenn sie schon an dem Platze steht, wo sie eingebaut werden soll. Sobald sie aber wirklich „eingebaut" ist, versinkt sie im Eigentum des Fabrikherrn, dem das F a b r i k g r u n d s t ü c k gehört, der Eigentumsvorbehalt ist nicht mehr wirksam. Vgl. §946. Aus der Praxis: RG. Bd. 153 S. 231, wo auch die Frage des Einbaus „nur zu einem vorübergehenden Zweck" (§ 95 II) behandelt wird. — Neuere, verwickelte Streitfragen unter dem Zeichen eines sog. „verlängerten Eigentumsvorbehaltes" erst am Schluß unten § 53 II. 2*

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§4 II c. Kein Eigentum am „Vermögen"

b) Kein „Eigentum" besteht an u n v e r k ö r p e r t e n V e r m ö g e n s w e r t e n , z. B. an dem Guthaben bei einer Sparkasse, am Bankkonto, an außenstehenden Forderungen gegenüber einem Geschäftsfreund. Hier hat m a n ein „Forderungsrecht" im Sinne einer s c h u l d rechtlichen Bindung, aber kein Sachenrecht. Ein „ R e c h t an e i n e m R e c h t " ist grundsätzlich nicht anerkannt. Ausnahmen beim N i e ß b r a u c h und für das P f a n d r e c h t . Vgl. § 1068 und § 1273. Näheres unten § 38 IV b, § 52 II a. c) Auch das „ V e r m ö g e n " als Ganzes, als Zusammenfassung d e r einzelnen Vermögensstücke n i m m t am Sachenrecht nicht teil. Man hat Eigentum n u r a n d e n e i n z e l n e n S t ü c k e n , Stück f ü r Stück; auch z. B. nicht Eigentum am „Schlafzimmer", an der „Bibliothek", sondern immer n u r an den einzelnen Möbelstücken im Schlafzimmer, an den einzelnen Büchern, Stück f ü r Stück. Ebensowenig ist ein Nießbrauch oder ein P f a n d r e c h t am „Vermögen" denkbar. Charakteristisch namentlich § 1085. Überschrift „Nießbrauch an einem Vermögen", aber sofort der erste Satz: „Der Nießbrauch an dem Vermögen einer Person kann n u r i n d e r W e i s e bestellt werden, daß der Nießbraucher den Nießbrauch a n d e n e i n z e l n e n zu dem Vermögen gehörenden Gegenständen erlangt." — Über den Gegensatz zur S o z i a l i s i e r u n g , die über die einzelnen „Sachen" hinweg einen ganzen Betrieb, ein ganzes „Unternehmen" erfaßt, vgl. oben § 3 IV b. Im P r o z e ß gang, bei der Herausgabeklage, ist eine Z u s a m m e n f a s s u n g von ganzen Mengen von Vermögensstücken auch unvermeidlich (vgl. darüber unten § 29 II b 4). III. C h a r a k t e r d e r S a c h e n r e c h t e . Weil das Sachenrecht die Sache unmittelbar erfaßt, muß es v o n j e d e r m a n n r e s p e k t i e r t w e r d e n . Es ist ein a b s o l u t e s Recht. Die Sache r u f t gleichsam a l l e n Außenstehenden zu: ich gehöre dem und dem. Wiederum k l a r e r G e g e n s a t z z u m S c h u l d r e c h t . Das Schuldrecht bleibt ein I n t e r n u m zwischen Gläubiger und Schuldner, n u r diese eine „Relation" besteht, es ist ein r e l a t i v e s Recht. Hier kein Ruf nach außen. D a r u m braucht sich auch kein Dritter u m das Dasein einer solchen, n u r schuldrechtlichen Bindung zu k ü m m e r n . Beispiel: A ist Eigentümer eines Korbes Äpfel. K e i n e r darf sie ihm wegnehmen. — Gegenbeispiel: A hat die Äpfel dem B zugesagt (das ist Verkauf, schuldrechtlich). Er ist dem B gebunden. Aber wenn C die Äpfel bei A vor Lieferung an B stiehlt, kann B gegen C nichts unternehmen, nur von A (der noch Eigentümer ist) kann er verlangen — dies die schuldrechtliche Relation —, daß dieser alles tut, um ihm doch die Äpfel zu beschaffen.

§4 IV. Eintritt des Sachenrechts in den Verkehr

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Die absolute Natur der Sachenrechte, das „H e r r e n t u m", das sich in ihnen ausdrückt, könnte zur Willkür verführen. Dem müssen Schranken gesetzt werden. Sie ruhen zum Teil schon im bürgerlichen Recht. Das Eigentum auch hier das beste Beispiel. § 903 BGB. spricht dem Eigentümer das Recht zu, mit der Sache „nach Belieben" zu verfahren und „andere von jeder Einwirkung auszuschließen", aber er fügt sogleich hinzu, „soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen". Andere Schranken, die bereits das bürgerliche Recht gesetzt hat, werden später zu erwähnen sein (vgl. § 18 III über die „Machtgrenzen" des Eigentums). Vor allem aber gehört in diesen Zusammenhang die eben schon erwähnte „ S o z i a l i s i e r u n g " , die das sachenrechtliche Herrentum weit überschattet. IV. E i n t r i t t d e r S a c h e n r e c h t e i n d e n V e r k e h r . So sehr die echten Sachenrechte auf eine bestimmte Person zugeschnitten sind, müssen sie doch auch auf das Wandern von Hand zu Hand ausgerichtet werden. Um sie d a f ü r geeignet, u m s i e v e r k e h r s t ü c h t i g z u m a c h e n , um sie insbesondere gegen die G e f a h r e n des Verkehrs zu wappnen, hat die Rechtsordnung eine Reihe wichtiger Maßregeln ergriffen. a) D a s E r k e n n b a r k e i t s e r f o r d e r n i s . Wenn zwei P e r sonen ein s c h u l d r e c h t l i c h e s Verhältnis zwischen sich begründen, z. B. einen Darlehnsvertrag, so geht das die Allgemeinheit nichts an; es bleibt ein Internum der beiden. Darum hat sich auch die Rechtsordnung nicht veranlaßt gesehen, f ü r irgendwelche Kenntlichmachung der schuldrechtlichen Vorgänge Sorge zu tragen. Anders, wenn eine s a c h e n r e c h t l i c h e Position verschoben oder ein neues Sachenrecht begründet werden soll. Daran nimmt die Allgemeinheit Anteil, denn auf dem Sachenrecht beruht die Verteilung der Lebensgüter unter den Menschen. Die Sachenrechte sind deshalb so geformt, daß sie e r k e n n b a r sind und daß vor allem i h r W e c h s e l k u n d b a r g e m a c h t wird. D a f ü r kann dann aber auch erwartet werden, daß sich der Verkehr auf die Erkennungszeichen einstellt und niemand Ausflüchte sucht, der diese Zeichen nicht beachtet hat. D a s B G B . hat sich mit aller Sorgfalt bemüht, diese Idee der Kenntlichmachung durchzuführen. 1. Bei den G r u n d s t ü c k e n ist das verhältnismäßig leicht. Hier stehen die ö f f e n t l i c h e n B ü c h e r zur Verfügung, in die

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§4 IV a. Erkennbarkeit des Sachenrechts

alles Wesentliche eingezeichnet werden kann und die jedem Interessenten vorgelegt werden (Näheres § 9 ff.). Vgl. z.B. §1115: „Bei der Eintragung der Hypothek (nämlich ins Grundbuch) müssen der Gläubiger, der Geldbetrag der Forderung und, wenn die Forderung verzinslich ist, der Zinssatz, wenn andere Nebenleistungen zu entrichten sind, ihr Geldbetrag im Grundbuch angegeben werden; im übrigen kann zur Bezeichnung der Forderung auf die Eintragungsbewilligung Bezug genommen werden." 2. Schwieriger ist die Durchführung bei den b e w e g l i c h e n S a c h e n . Hier wird der B e s i t z s t a n d als Legitimationsmittel verwertet, d. h. die tatsächliche, körperliche Innehabung. Danach kann grundsätzlich kein Sachenrecht an einer Mobilie neu begründet werden, ohne daß nicht dem zu Berechtigenden der „Besitz" daran eingeräumt, also die Sache ausgehändigt und dadurch der Verkehr auf die neue Lage aufmerksam gemacht wird (so vor allem beim Eigentumserwerb; unten § 21 I I b und d). Freilich läßt sich der Gedanke nicht restlos durchführen. Denn wenn der Eigentümer bei der Begründung eines Pfandrechts die Sache dem Pfandgläubiger übergibt, läßt er sie selbst aus den Händen und entkleidet damit (zugunsten der Kenntlichmachung des Pfandrechts) sein eigenes Eigentum der unmittelbaren Sinnfälligkeit. Soweit aber überhaupt mit dem körperlichen Besitz als Erkennungsmittel gearbeitet werden kann, hat es das BGB. mit großer Schärfe getan. Vgl. § 1205: „Zur Bestellung des Pfandrechts ist erforderlich, daß der Eigentümer die Sache dem Gläubiger ü b e r g i b t und beide darüber einig sind, daß dem Gläubiger das Pfandrecht zustehen soll." Eine rein mündliche oder eine briefliche Pfandsetzung ist daher rechtlich nicht möglich. Noch kennzeichnender § 1253: „Das Pfandrecht e r l i s c h t , wenn der Pfandgläubiger das Pfand dem Verpfänder oder dem Eigentümer z u r ü c k g i b t . Der Vorbehalt der Fortdauer des Pfandrechts ist u n w i r k s a m." Der Bestand des Pfandrechts ist also zwangsnotwendig davon abhängig, daß das sinnfällige Kennzeichen des Habens bei dem Pfandgläubiger erhalten bleibt. — Näheres unten § 50. Über den Nießbrauch unten § 38 III c. Die strenge Durchführung der Erkennbarkeitsidee hat nicht nur formale Bedeutung. Vielmehr sind w i c h t i g e materielle F o l g e r u n g e n darauf aufgebaut. S o der G u t g l a u b e n s s c h u t z , der eigens dazu da ist, den zu sichern, der auf die legitimierenden Tatbestände (Eintragung im Grundbuch, Besitzstand) vertraut hat (Näheres in § 16 II und § 22). Ferner die Abschaffung aller aus dem römischen Recht stammenden G e n e r a l h y p o t h e k e n , die ohne besondere Kenntlichmachung das ganze Vermögen mit allen seinen Einzelstücken, Mobilien wie Immobilien, ergriffen

§4 IV b. Abstraktion von der causa

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(§§ 44 II d, 46 Va). Auch d e r g e s c h l o s s e n e K r e i s der Sachenrechte (oben § 41 c) ist in letzter Linie darauf zurückzuführen, daß die Klarheit der Verhältnisse nicht durch neue, dem Verkehr unbekannte Typen (etwa ein Vorkaufsrecht auch an b e w e g l i c h e n Sachen neben dem in §§ 1094 ff. anerkannten an Grundstücken) verwischt wird. b) D i e A b s t r a k t i o n v o n d e r c a u s a . Niemand bestellt oder übernimmt ein Sachenrecht nur um des Sachenrechts selber willen. Wer Eigentum an den Nachbarn abtritt, tut es nicht, nur um sagen zu können, es habe das Eigentum gewechselt. Wer einem anderen ein Pfandrecht setzt, will nicht bloß den juristischen Vorgang der Entstehung eines Pfandrechts erleben. Vielmehr liegen stets w i r t s c h a f t l i c h e o d e r v e r w a n d t e E r w ä g u n g e n zugrunde. Zumeist schlagen sich diese in einem besonderen Rechtsverhältnis nieder, das dann von dem sachenrechtlichen Vorgang begrifflich abgesondert werden kann. Man pflegt es c a u s a , K a u s a l v e r h ä l t n i s , G r u n d v e r h ä l t n i s zu nennen. Wenn z. B. der A dem B sein Haus verkauft, so ist der Kauf das Grundverhältnis. Nach dem unter a) Dargestellten vermag der Kauf, der nur ein s c h u l d r e c h t l i c h e s Gebilde ist, aus sich allein eine s a c h e n r e c h t l i c h e Verschiebung nicht herbeizuführen. Dazu gehören vielmehr die besonderen sachenrechtlichen Maßregeln, bei einem Pferde z. B. die Besitzübertragung und hier bei einem Hause der Grundbucheintrag. Danach f a l l e n Kausalverhältnis und Wechsel des E i g e n t u m s b e g r i f f l i c h a u s e i n a n d e r . Ebenso ist es, wenn der Erbe einem Freunde des Verstorbenen einen Nießbrauch an den hinterlassenen Pferden und Wagen einräumen soll. Hier ist die testamentarische Anweisung (das Vermächtnis) die causa. Aber die wirkliche Entstehung des Nießbrauchs vollzieht sich nicht schon durch das Testament, sondern selbständig in den Bahnen des Sachenrechts, nach Maßgabe des §1032: „Zur Bestellung des Nießbrauchs an einer beweglichen Sache ist erforderlich, daß der Eigentümer (das ist der Erbe geworden) die Sache dem Erwerber (das soll der Freund des Toten werden) ü b e r g i b t usw." Nicht anders, wenn zur Sicherstellung eines Darlehns die Verpfändung einiger Kupferstiche verabredet wird. Den A n s t o ß zu dem Pfandrechtsakt gibt das Darlehn, ein schuldrechtliches Verhältnis (§ 607 ff.). Aber dieses Grundverhältnis w i r k t noch nicht die sachenrechtliche Position, dazu muß vielmehr das Sachenrecht selbst in Bewegung gesetzt werden. Vgl. S. 4 Ziff. 5.

Für die Rechtsordnung erwächst aus dieser begrifflichen Sonderung die schwierige Frage, i n w i e w e i t s i e d i e s a c h e n r e c h t l i c h e n V o r g ä n g e mit den S c h i c k s a l e n der c a u s a v e r k n ü p f e n s o l l . Kein Zweifel, im Leben steht

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§4 IV b. Abstraktion von der causa

beides dicht beieinander. Die meisten ausländischen Rechtsordnungen haben denn auch der volkstümlichen Anschauung Rechnung getragen, daß der Eigentumswechsel, das Gelten eines Pfandrechts usw. v o m B e s t ä n d e d e s G r u n d v e r h ä l t n i s s e s abh ä n g i g sind; ist die causa ungültig, ist auch ein kein gültiger Eigentumsübergang erfolgt. D a s d e u t s c h e B G B . hat dagegen mit bemerkenswerter Strenge eine Lösung von dem Grundverhältnis vollzogen, also die Möglichkeit der b e g r i f f l i c h e n Sonderung (s. oben) p r a k t i s c h a u s g e s t a l t e t . Danach bleibt ein Mangel im Kausalverhältnis grundsätzlich ohne Einfluß auf die einmal erfolgte sachenrechtliche Veränderung. Man pflegt das „ A b s t r a k t i o n v o n d e r c a u s a" zu nennen. Am klarsten wird die so geschaffene Rechtslage, wenn man von einem z e i t l i c h e n A u s e i n a n d e r f a l l der einzelnen Vorgänge ausgeht. Wenn z. B. der A dem B im September sein Haus v e r k a u f t und im Oktober die E i n t r a g u n g i n s G r u n d b u c h herbeigeführt hat und dann im November der Kauf vom Käufer wegen eines Mangels des Hauses gewandelt (§ 462) oder wegen Betruges angefochten worden ist (§ 123), so ergibt sich folgendes rechtliches Bild: 1) September: Kaufabschluß. Lediglich schuldrechtliche Bindung von Person zu Person. Noch k e i n Eigentumswechsel; vielmehr ist das Eigentum noch bei A geblieben. 2) Oktober: Jetzt erst vollzieht sich die sachenrechtliche Änderung: A hört auf Eigentümer zu sein, im gleichen Augenblick beginnt das Eigentum des B. 3) November: Durch die Anfechtung, die „Nichtigkeit" hervorruft, ist der K a u f von der Tafel des Lebens weggelöscht, er ist „als von Anfang an nichtig anzusehen" (§ 142). Ziffer 1 fällt also wieder fort. Aber die nach Ziffer 2 vollzogene Eigentumsverschiebung b l e i b t d a v o n u n b e r ü h r t ! B behält also das Eigentum, trotzdem er selbst das Geschäft durch seine Anfechtung umgestoßen hat. Dies eben ist die Abstraktion von der causa. 4) W e i t e r e r F o r t g a n g : Natürlich muß nun aber f ü r e i n e n A u s g l e i c h g e s o r g t werden. Auch das Eigentum muß wieder auf seinen alten Platz zu A zurückkehren. Und sollte es B nicht freiwillig herausgeben, so steht dem A eine Klage zu. Es ist die K l a g e w e g e n u n g e r e c h t f e r t i g t e r B e r e i c h e r u n g . Ihr Wortlaut ist kennzeichnend für die ganze im vorhergehenden dargelegte Denkweise: „Wer durch die Leistung eines anderen auf dessen Kosten etwas o h n e r e c h t l i c h e n G r u n d erlangt, ist ihm zur Herausgabe verpflichtet", und weiter: „Diese Verpflichtung besteht auch dann, wenn d e r r e c h t l i c h e G r u n d später wegfällt." Mit dem rechtlichen Grund ist eben das Kausalverhältnis gemeint, und das „etwas", das ohne solchen Grund von dem B besessen wird, ist die s a c h e n r e c h t l i c h e Position, das Eigentum an dem Hause. —

§4 IV c. Kritik am System des BGB

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Aber diese Klage aus § 812 bleibt wiederum im schuldrechtlichen Rahmen und verrriag f ü r sich allein einen Rückfall des Eigentums an den A nicht herbeizuführen. Vielmehr muß dazu erst erneut das S a c h e n r e c h t in Bewegung gesetzt werden: erst die neu (vielleicht im Dezember) erfolgende E i n t r a g u n g des A als Eigentümer läßt das Eigentum, also die sachrenrechtliche Position, an ihn zurückwechseln. c) An diesem System des BGB. ist viel K r i t i k geübt worden. Es muß zugegeben werden, daß es dem volkstümlichen Empfinden fern liegt und dem einfachen Verstände schwer klar zu machen ist. Aber es ist eine folgerichtige Weiterführung des E r k e n n b a r k e i t s g e d a n k e n s . Der Wegfall des Kausalverhältnisses (durch Anfechtung oder dgl.) ist etwas Unsichtbares für die Außenwelt. Diese hat sich, so nimmt der Gesetzgeber an, inzwischen auf die vollzogene sachenrechtliche Verschiebung eingerichtet und soll in diesem Glauben nicht enttäuscht werden. Erst wenn auch die R ü c k führung des Verhältnisses wiederum erkennbar gemacht worden ist, ist dem Verkehrsschutz genüge getan und der Augenblick für den Rückfall des Eigentums gekommen. Verfeinerung und S c h w i e r i g k e i t e n ergeben sich daraus, daß auch der „abstrakte" sachenrechtliche Vorgang mit einer W i l l e n s b i l d u ng verbunden ist, nämlich der „Einigung". Näheres darüber später (vgl. namentlich § 21 II c). Wenn nun z. B. ein unsittliches (etwa wucherisches) Geschäft vorliegt, so wird der primäre Sitz der Unsittlichkeit das Kausalverhältnis sein, so daß jedenfalls dessen Nichtigkeit nach § 138 gegeben ist. Aber es fragt sich, ob die Unsittlichkeit nicht auch zugleich in die (sachenrechtliche) „Einigung" eingedrungen ist. So weit das bejaht wird (Zurückhaltung am Platze), verfällt auch das Stück S a c h e n r e c h t der Nichtigkeit des § 138. Das bedeutet dann, daß eben doch auch kein Eigentumsübergang eingetreten ist.— Beispiel aus der Praxis des RG.: Eine Ehefrau hat sich die Scheidung vom Manne dadurch (wie das RG. selbst sagt) abkaufen lassen, daß er ihr die Übertragung eines ihm gehörigen Grundstücks zusagte und die „Auflassung" des Grundstücks an sie (das ist bei Grundstücken jene sachenrechtliche „Einigung"; unten § 15 II d) vollzog. Das RG. hat zu diesem Falle im Anschluß an seine frühere Rechtsprechung als G r u n d s a t z den Satz aufgestellt, „daß im allgemeinen die Unsittlichkeit des Veräußerungsgeschäfts die Nichtigkeit des Erfüllungsgeschäfts wegen dessen abstrakter Natur n i c h t zur Folge habe", hat dann aber bei dem vorliegenden Tatbestand den Grundsatz mit folgender Begründung fallen lassen: „Die Klägerin hat als Gegenleistung' für die Erhebung der Scheidungsklage die sofortige Vornahme der Übereignung des Grundstücks gefordert. Es liegt mithin so, daß g e r a d e m i t d e m d i n g l i c h e n R e c h t s v o r g a n g der unsittliche Zweck verfolgt wurde, die Klägerin zur Erhebung der Scheidungsklage zu bestimmen. Sie hat sich durch die Übereignung des Grundstücks ihren Entschluß, die Scheidungsklage zu erheben,

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§ 5 1. Quellen: Das Sachenrecht im B G B abkaufen lassen. Die im Vertrag vom 29. März 1 929 vorgenommene Auflassung des Grundstücks an die Klägerin i s t d a h e r n i c h t i g " (Urt. v. 17. 9.1934; Bd. 145 S. 154). § 5. Quellen und Literatur des Sachenrechts

I. S a c h e n r e c h t i m B G B . Das III. Buch enthält das Sachenrecht. In aller Reinheit hat sich das nicht durchführen lassen. a) Um des Zusammenhangs willen mußten an einigen Stellen a u c h s c h u l d r e c h t l i c h e E l e m e n t e in das III. Buch aufgenommen werden. Ein gutes Beispiel gibt der Vergleich von § 1053 (im Sachenrecht) mit § 550 (im Schuldrecht). §1053: „Macht der Nießbraucher einen Gebrauch von der Sache, zu dem er nicht befugt ist, und setzt er den Gebrauch ungeachtet einer Abmahnung des Eigentümers fort, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen." § 550: „Macht der Mieter von der gemieteten Sache einen vertragswidrigen Gebrauch und setzt er den Gebrauch ungeachtet einer Abmahnung des Vermieters fort, so kann der Vermieter auf Unterlassung klagen." Wie man sieht, stimmen die beiden Paragraphen nahe wörtlich überein. Ihr Wesen ist auch durchaus gleich, nämlich schuldrechtlich, nicht sachenrechtlich. Daß man trotzdem den § 1053 im Sachenrecht belassen hat, erklärt sich recht einfach: man hätte ihn aus seinem Zusammenhang reißen müssen, und das wäre sehr unzweckmäßig gewesen (vgl. unten § 38 III e). b) Andererseits begegnen s a c h e n r e c h t l i c h e B e s t a n d t e i l e a u ß e r h a l b d e s d r i t t e n B u c h e s in den anderen Büchern. Vor allem können das eheliche Güterrecht und Teile des Erbrechts nicht ohne Zuhilfenahme sachenrechtlicher Denkformen dargestellt werden. So weisen z. B. i m e h e l i c h e n G ü t e r r e c h t (nach dem Gleichberechtigungsgesetz v. 18.6.1957) die sog. „Gütergemeinschaft" der §§1415 ff. mit dem „gemeinschaftlichen Vermögen" der Ehegatten; auch die als normaler Güterstand gedachte „Zugewinngemeinschaft" der §§ 1363 ff. weisen an Sachenrecht angrenzende Züge auf. Im E r b r e c h t werden mehrere Institute an Parallelerscheinungen des Sachenrechts angelehnt und dabei Bestimmungen des Sachenrechts ausdrücklich in das V. Buch hinübergeholt, z. B. im § 2022 für den inneren Ausbau des Erbschaftsanspruchs oder in §§ 2128 f., 2135 für die Regelung des Verhältnisses zwischen Vorerben und Nacherben. c) D i e Ü b e r o r d n u n g d e r A l l g e m e i n e n Lehren ü b e r d a s S a c h e n r e c h t . Bei aller Anwendung des Sachenrechts in Theorie wie P r a x i s muß man sich gegenwärtig halten, daß das I. Buch mit seinen „Allgemeinen Lehren" ergänzend ein-

§ 5 I d. Textänderungen des BGB

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greift. Wenn beispielsweise im I. Buch zwischen rechtsfähigen und nichtrechtsfähigen Vereinen unterschieden wird, so ergibt sich als zwingende 'Folge solcher übergeordneten Bestimmungen, daß nun auch zu den sachenrechtlichen Positionen, also vor allem zum Eigentum, aber auch zum Nießbrauch, einer Hypothek usw. nur der rechtsfähige Verein zugelassen wird, während der nichtrechtsfähige ausgeschlossen bleibt. Übrigens haben einige Bestimmungen des jetzigen Allgemeinen Teils in früheren Entwürfen im III. Buche selbst gestanden. Es gehört dazu, wie schon erwähnt (S. 2) der g a n z e A b s c h n i t t ü b e r „ S a c h e n " . Auch das S c h i k a n e v e r b o t (jetzt §226) stand noch bis zur Beratung im Reichstag beim Eigentum, und zwar als Abs. II des jetzigen §903: „Eine Ausübung des E i g e n t u m s , die nur den Zweck haben kann, einem anderen Schaden zuzufügen, ist unzulässig." Inwieweit außerdem auch die allgemeinen Lehren des S c h u l d r e c h t s übergeordnet sind, ist eine schwierige Frage. An sich sollte man annehmen, daß, was im II. Buche steht, auch im II. Buche zu bleiben hat. Aber schon in der Entstehungsgeschichte des BGB. tauchte der Gedanke auf, den reichen Gedankenschatz, der gerade im allgemeinen Obligationenrecht niedergelegt ist, auch für die nachfolgenden Teile des Gesetzbuchs zu verwerten. Doch ist V o r s i c h t a m P l a t z e . Unübertragbar sind z. B. die Bestimmungen, über G a t t u n g s s c h u l d e n (Lehrbuch „Schuldrecht" § 7), da das Sachenrecht seinem Wesen nach ausschließlich auf individualisierte Einzelsachen (Speziessachen) eingestellt ist. Anderes freilich läßt sich recht gut übertragen. So ist z. B. nicht einzusehen, warum die Befugnis des Gläubgiers, T e i l l e i s t u n g e n zurückzuweisen (§ 266), nicht auch bei dem sachenrechtlichen Gebilde der Grundschuld (§§ 1191 ff.) gelten soll. d) T e x t ä n d e r u n g e n d e s B G B . Der T e x t des III. Buches ist von den vielen neuen Anschauungen und Bedürfnissen, die seit 1900 auf allen Gebieten des Rechts hervorgetreten sind, sehr wenig berührt worden. Nur folgendes ist zu vermerken (und muß in älteren Textausgaben korrigiert werden). 1. Der Abschnitt über E r b b a u r e c h t (§§1012 bis 1017) ist durch eine besondere VO. über das Erbbaurecht vom 15.1.1919 ersetzt worden. Näheres unten § 32 V. 2. Neugeregelt ist der E i g e n t u m s e r w e r b u n d d a s P f a n d r e c h t an S c h i f f e n , die im Schiffsregister eingetragen sind, durch ein Sondergesetz vom 15.11.1940. Die §§ 1259 bis 1272 BGB. sind gestrichen. Hinter § 929 ein § 929 a, hinter § 932 ein § 932 a eingefügt. Näheres unten § 52 I.

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§ 5 II. Grundbuchordnung und ZwangsversteigerungsG

3. Inwieweit ein H y p o t h e k e n g l ä u b i g e r auch die M i e t u n d P a c h t z i n s e n des mit der Hypothek belasteten Grundstücks für sich in Anspruch, nehmen kann, ist im §§ 1123, 1124 geregelt. Der Text ist durch VO. über Maßnahmen auf dem Gebiet der Zwangsvollstreckung vom 8.12.1933 etwas geändert worden. Näheres später. Viel bedeutender ist d i e i n d i r e k t e Beeinflussung mancher Institute des Sachenrechts durch neue gesetzgeberische oder verwaltungsmäßige Einwirkungen, vor allem durch die bereits in § 3 behandelten Sozialisierungsmaßregeln. Auch der Mieterschutz, der Lastenausgleich (unten § 18 III d) und manches andere schwächen in der P r a x i s des Lebens die klaren Grundfiguren des III. Buches des BGB.. Der Studierende tut gut daran, sich beim Studium zunächst nicht durch diese indirekten Beeinflussungen verw i r r e n zu lassen, sondern die klaren Grundlinien des BGB. zu verfolgen. II. G r o ß e B e g l e i t g e s e t z e des B G B . Schon bei seinem I n k r a f t r e t e n im J a h r e 1900 ist das BGB. von folgenden zwei Gesetzen begleitet worden: a) D i e R e i c h s g r u n d b u c h O r d n u n g (GBO.). Sie ist f ü r das gesamte Grundstücksrecht (Bodenrecht) von großer Bedeutung. Denn sie regelt die Eintragung aller an den Grundstücken bestehend e n privaten Rechte, vor allem des Eigentums in die sog. G r u n d bücher. I h r ursprünglicher T e x t w a r in der GBO. von 1897 enthalten. Dieser alte Text ist inzwischen durch d i e n e u e G B O . vom 5. 8. 1935 ersetzt worden. Zwei Tage später traten eine „Ausführungsverordnung" und eine „Grundbuchverfügung" hinzu. — Näheres über das Grundbuchwesen unten § 9 ff. b) Das Z w a n g s v e r s t e i g e r u n g s g e s e t z (ZVG.). Es ist am 24. 3. 1897 (am gleichen Tage wie die alte GBO.) erlassen worden. Es regelt n u r den Zwangsvollstreckungszugriff auf Grunds t ü c k e (Immobiliarzwangsvollstreckung). Der Zugriff der Gläubiger auf die b e w e g l i c h e H a b e des Schuldners ist der Einfachheit halber im BGB. selbst beim Pfandrecht geregelt (§§ 1233 bis 1241). Bei beiden Stoffschichten greift daneben bezüglich des Verfahrens die Zivilprozeßordnung ein (ZPO. §§803 ff. und §§864 ff.; bei letzteren verweist §869 auf das ZVG.). — Ä n d e r u n g e n für beide Stoffschichten durch das Gesetz über Maßnahmen auf dem Gebiete der Zwangsvollstreckung v. 20.8.1953 (BGBl. I S. 952).

§ 5 III a. Sondergesetze neben dem BGB

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III. S o n d e r g e s e t z e f ü r S o n d e r g e b i e t e . Hier herrscht Mannigfaltigkeit und z. T. gerade in d e r Gegenwart Unruhe. Wied e r u m tut der Studierende gut, sich vom BGB. nicht allzu weit zu e n t f e r n e n und den Stoff der Sondergesetze, obwohl er z. T. in der P r a x i s sehr wichtig ist, n u r als eine E r g ä n z u n g zu betrachten. Vergessen darf allerdings nicht werden, d a ß eine solche Ergänzung die Blicke weitet und der geistigen Arbeit Beweglichkeit sichert. a) Ein beachtliches historisches Kapitel stellen die R e s e r v a t e d e s L a n d e s r e c h t s dar. Das BGB. von 1896 w a r als das große deutsche Einheitswerk gedacht. Die Zersplitterung, das unselige deutsche „Partikularrecht" sollte ü b e r w u n d e n werden. Eigentum, Pfandrecht, Hypotheken, Grundbuchwesen sollten nicht mehr länderweise verschieden geregelt sein, sondern einheitlich f ü r ganz Deutschland. Trotzdem ließ es sich nicht vermeiden, f ü r bestimmte Rechtsgebiete l a n d e s r e c h t l i c h e V o r b e h a l t e zu machen. Sie sind im III. Abschnitt des E i n f ü h r u n g s g e s e t z e s zum BGB. (EG.) niedergelegt. Die lange Reihe dieser Vorbehalte hat man damals, 1901, als die „Verlustliste der deutschen Rechtseinheit" bezeichnet. Sie ist in dem halben J a h r h u n d e r t seit Fertigstellung des BGB. an manchen Stellen abgebaut worden, d. h. das 1900 noch fortgeltende Landesrecht ist inzwischen doch durch eine reichsrechtliche Regelung ersetzt oder in Teilgebieten eingeschränkt worden. Noch ehe diese Entwicklung einigermaßen abgeschlossen war, ist es zu d e r h e u t i g e n neuen bedauerlichen Zersplitterung gekommen. Um so wichtiger ist es, das große einheiltiche R u m p f stück des BGB. von 1896 — unter Berücksichtigung gebotener Neuerungen — festzuhalten. Folgende sachenrechtliche Sondergebiete waren (oder sind noch) dem Landesrecht vorbehalten: — 1. Das Recht der F a m i l i e n f i d e i k o m m i s s e (Art. 59 EG.). Sie waren ein repräsentatives Stück adliger Feudalherrschaft, reich ausgestattete Landgüter mit fester Erbfolge in einer bestimmten Familie. Die Weimarer Verfassung von 1919 hat ihre A u f h e b u n g angeordnet. In einem langsamen Abbauverfahren sind sie erloschen. — 2. Das Recht der R e n t e n g ü t e r (Art. 62). Grundsätzlich aufgehoben durch KRG. Nr. 45 v. 20.2.1947. — 3. Die E r b p a c h t (Art. 63). Sie war namentlich in Mecklenburg eingebürgert. Aufgehoben wie Ziff. 2. — 4. Das A n e r b e n r e c h t (Art. 64). Durch die nationalsozialistische Erbhofgesetzgebung als landesrechtliche Institution aufgehoben. Heute hat es neue Bedeutung gewonnen (neue Gesetzgebung nachfolgend b 3, Näheres unten in § 32 III d). — 5. Das W a s s e r r e c h t (Art. 65). Landesrecht heute noch in Geltung, aber auch Reichsrecht beteiligt. (Näheres unten § 34). Über Deichrecht Art. 66. — 6. Das B e r g r e c h t

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§5 I l l b . Sondergesetze neben dem BGB das wichtigste dieser Sondergebiete. Das Reichsrecht hat mehrere Vorstöße unternommen, die einige neue rechtliche Züge in das Bergrecht hineingetragen haben. Doch besteht daneben noch Landesrecht und dürfte heute wieder verstärkt werden (Näheres dazu unten §33). — 7. Das J a g d - u n d F i s c h e r e i r e c h t (Art. 69). Ersteres seit dem Reichsjagdgesetz von 1934 (jetzt 1952) im ganzen Umfang reichsrechtlich geregelt (Näheres unten § 27 II a).

b) R e i c h s r e c h t l i c h e ( B u n d e s r e c h t l i c h e ) Sond e r g e s e t z g e b u n g . Neben der eben geschilderten Ablösung etlicher landesrechtlicher Sondergesetze durch entsprechende Reichsgesetze hat das Reichsrecht auch von sich aus wiederholt den Weg der Sondergesetzgebung beschritten. Dabei handelt es sich vor allem, um l a n d w i r t s c h a f t l i c h e s B o d e n r e c h t und um das sog. S i e d l u n g s r e c h t . 1. Bis in die Zeit nach dem ersten Weltkrieg reichten zurück die E r b b a u r e c h t s V O v. 15.1.1919 (RGBl. S. 72) und das R e i c h s h e i m s t ä t t e n g e s e t z vom 10.5.1920, neu gefaßt 25.11.1937 (RGBl. I S. 1291). Eine AVO. erging am 19. 7.1940 (I 1027) mit Änderungen vom 9.8.1953 (1720). — 2. Nach dem 2. Weltkrieg haben zunächst die Alliierten Mächte mit dem bereits unter a) erwähnten KRG. Nr. 45 eingegriffen. Dadurch wurde das ganze Gebiet des n a t i o n a l s o z i a l i s t i s c h e n E r b h o f r e c h t s und eine Reihe anderer den Grundbesitz, insbesondere den landwirtschaftlichen betreffender Gesetze aufgehoben. — 3. Die Bundesgesetzgebung hat den landwirtschaftlichen Bedürfnissen (unter Beseitigung der früheren U m l e g u n g s Ordnungen) das F l u r b e r e i n i g u n g s g e s e t z v. 14. 7.1953 zur Verfügung gestellt (BGBl. I 195). — 4. Neue Wege erschloß am 15.3.1951 das Ges. über das W o h n u n g s e i g e n t u m und das Dauerwohnrecht (RGBl. I 175). — 5. Ein weiteres Sondergebiet hat bereits am 15.11.1940 das Ges. üb. R e c h t e a n e i n g e t r a g e n e n S c h i f f e n und Schiffsbauwerken einer gründlichen, sachenrechtlich belebten Regelung unterzogen. Z u a l l e n d i e s e n G e s e t z e n nähere Darstellung später. IV. S c h r i f t t u m . Das Schrifttum zum Sachenrecht fällt in der Hauptsache, als einer von mehreren Bänden (oder Abschnitten oder Heften einer Reihe), in den Rahmen der G e s a m t d a r s t e l l u n g e n d e s b ü r g e r l i c h e n R e c h t s . Im folgenden werden die wichtigsten Schriften für das heutige Studium genannt (weiteres Schrifttum zum BGB. bei Lehmann, Allgemeiner Teil § 9 II). F ü r h i s t o r i s c h e s S t u d i u m . 1. Römisches Recht: W i n d s c h e i d - K i p p , Lehrbuch des Pandektenrechts, 9. Aufl. 1906 (mit vergleichender Darstellung des heutigen bürgerlichen Rechts); S o h m , Institutionen, 17. Aufl. 1926 (bearbeitet v. Mitteis und Wenger; J ö r s - K u n k e l , Rom. Privatrecht, 3. Aufl. 1949. — 2. Für die deutsche Rechtsgeschichte: O t t o v. G i e r k e , Deutsches Privat-

§ 5 IV. Schrifttum zum Sachenrecht

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recht, Bd. II Sachenrecht (1905). — 3. Für das Studium der Entstehungsgeschichte des BGB. die sog. Materialien: M o t i v e (1888), P r o t o k o l l e der 2. Lesung (1889), Beratung im R e i c h s t a g (Stenographische Berichte, 1896). L e h r b ü c h e r d e s B B B . , von dessen Anfangszeit an: D e m b u r g , E n d e m a n n , C r o m e , C o s a c k - M i t t e i s , heute f ü h rend: E n n e c c e r u s (III. Bd. bearb. von Martin W o l f f und Ludwig R a i s e r , 10. Aufl. 1957). — Lehrbücher jüngerer Zeit: W e s t e r m a n n , Sachenrecht, 3. Aufl. 1956; J u l i u s v. G i e r k e , 4. Aufl. 1959. R u d o l f S c h m i d t , Bürgerl. Recht, III. Band Sachenrecht, 2. Aufl. 1957. Das v o r l i e g e n d e Lehrbuch H e d e m a n n fällt in die Reihe Lehrbücher und Grundrisse der Rechtswissenschaft ( L e h m a n n : Allgemeiner Teil, Familienrecht, Erbrecht; H e d e m a n n : Schuldrecht, Sachenrecht). Überblick über die Gesamtheit des Bürgerlichen Rechts: G u s t a v B o e h m e r , Einführung i. d. Bürgerliehe Recht, 1954, 4. Kapitel. — Kurzlehrbuch des Sachenrechts von L e n t , 7. Aufl. 1958. G r o ß e K o m m e n t a r e zum BGB., von der Anfangszeit an: P l a n c k (sehr gelehrt, 5. Aufl., 2 Bände Sachenrecht 1932/1938); S t a u d i n g e r (der gangbarste Großkommentar, 11. Aufl., 2 Bände Sachenrecht 1954/1958; Reichsgerichtsrätekommentar, III. Bd., 11. Aufl. im Gang seit 1958; S o e r g e l , BGB III, 8. Aufl. 1955, 9. Aufl. im Gange; W a r n e y e r - B o h n e n b e r g , BGB. II, 12. Aufl. 1951. — Viel gebrauchte H a n d k o m m e n t a r e zum BGB. in einem Band: P a l a n d t , 17. Aufl. 1958; A c h i l l e s - G r e i f , 21. Aufl. (1958). Ausländisches M a t e r i a l , alphabethisch geordnet im Rechtsvergleichenden Handwörterbuch (RVgld. HWB.; 7 Bände 1929/1940); Artikel über Sache, Besitz, Eigentum usw., jeweils mit reichhaltigen Literaturangaben. — I n t e r n a t i o n a l e s P r i v a t r e c h t : L e o R a a p e , 2Bände, 3.Aufl. 1956. Laufendes n e u e s t e s Material seit Dezember 1948 in dem monatsweise erscheinenden Sammelwerk (Loseblattsammlung) D e u t s c h e R e c h t s p r e c h u n g (DRspr.), hauptsächlich für die Praxis bestimmt, mit reichhaltigem Stichwortregister; S p r u c h s a m m l u n g e n d e r O b e r s t e n G e r i c h t s h ö f e : Entscheidungen des B u n d e s g e r i c h t s h o f e s in Zivilsachen (BGHZ; E. des Obersten Gerichtshofes für die B r i t i s c h e Z o n e in Zivilsachen (OGHZ); E. des B a y r i s c h e n Obersten Landesgerichts in Zivilsachen (BayObLGZ). Über die wichtigsten Z e i t s c h r i f t e n vgl. vorn das Abkürzungsverzeichnis.

I. Teil

Der Besitz § 6. Begriff und Arten I. B e s i t z u n d E i g e n t u m . a) D a s W o r t „ B e s i t z " w i r d im Volksmund weitherzig u n d ungenau gebraucht. Man redet vom Besitz im Sinne des V e r mögens (Kapitals), stellt etwa den „Besitzenden" die „besitzlose Volksklasse" gegenüber. Man n e n n t auch heute noch jemanden Fabrikbesitzer, Gutsbesitzer usw., m e i n t aber damit nicht das, w a s das BGB. u n t e r „Besitz" versteht, sondern mehr. Das BGB. h a t nämlich einen weit engeren und strengeren Begriff vom Besitz. Es stellt Besitz und Eigentum schroff gegenüber. Der „Besitz" ist die t a t s ä c h l i c h e Innehabung, das „Eigentum" dagegen die r e c h t l i c h e Innehabung. b) Meist fällt allerdings im Leben Eigentum u n d Besitz zusammen, so z. B. bei dem F a b r i k h e r r n oder bezüglich d e r Kleidungsstücke, die w i r auf dem Leibe tragen, oder d e r Bücher, die zu Hause in unserem Schranke stehen. Hier sind w i r zugleich Eigent ü m e r und Besitzer. Aber E i g e n t u m u n d B e s i t z k ö n n e n auch auseinanderfallen. Wenn mir mein Hut gestohlen oder infolge Verwechslung weggenommen wird, ist der Dieb oder der Verwechselnde „Besitzer" geworden, ich aber bin „Eigentümer" geblieben. Wenn ich Sachen auf Abzahlung erworben habe und der Verkäufer sich dabei das Eigentum vorbehalten hat, so bin ich um dieses Vorbehalts willen noch nicht „Eigentümer" geworden, wohl aber schon „Besitzer". c) Diese scharfe, begriffliche T r e n n u n g stammt aus dem römischen Recht (possessio im Gegensatz zum dominium), dem alten deutschen Recht w a r sie f r e m d . Aber auch das BGB. h a t d i e T r e n n u n g n i c h t i n v o l l e r R e i n h e i t d u r c h f ü h r e n können, und dabei klingen dann alte deutschrechtliche Züge an (die sog. Gewere). Das BGB. k e n n t nämlich auch e i n e n v e r g e i s t i g t e n , nicht durch die tatsächliche I n n e h a b u n g gekennzeichn e t e n B e s i t z , so bei vorübergehendem Verlust der tatsächlichen I n n e h a b u n g (§ 856 II), so beim Erbgang (§ 857).

§6 II a. Mittelbarer und unmittelbarer Besitz

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Beispiele: 1. Liegengelassene Sachen, die man sich später wieder holen will; man bleibt „Besitzer". 2. Jemand ist gestorben; der Erbe wohnt weit weg; er weiß noch gar nichts vom Erbfall, kennt auch die Sachen des Erblassers nicht. Trotzdem hat er schon Besitz: „Der Besitz geht auf den Erben über" (§857). Vor allem aber wird die „tatsächliche Gewalt" als allein bestimmender Faktor verlassen bei der Zerlegung in den sog. mittelbaren und unmittelbaren Besitz. II. A r t e n d e s B e s i t z e s . a) M i t t e l b a r e r u n d u n m i t t e l b a r e r B e s i t z . Die Menschen stehen sich nicht in voneinander abgeschlossenen Räumen gegenüber. Sie treten vielmehr unablässig in Verkehr miteinander. Das drückt sich auch im Besitzrecht aus. 1. E i n e r ü b e r l ä ß t d e m a n d e r e n d e n B e s i t z (die tatsächliche „Gewalt"), später soll ihm der andere die Sache wieder zurückgeben. Da läuft in der Zwischenzeit ein Band zwischen den beiden, j e d e r ist „Besitzer": der eine, der in der Zwischenzeit die Sache in den Händen hat, ist der „unmittelbare Besitzer", der andere, der auf die Rückgabe wartet, ist der „mittelbare Besitzer"; dies deshalb, weil der erste gewissermaßen sein Helfer beim Besitz ist: er „vermittelt" ihm den Besitz (§ 868). Beispiele: Der M i e t e r ist unmittelbar, sein Ve r m i e t e r mittelbarer Besitzer. Der Pfandschuldner ist mittelbarer Besitzer, sein G l ä u b i g e r , dem er das verpfändete Sparkassenbuch „übergeben" hat (§ 1205) und der dadurch selbst unmittelbarer Besitzer geworden ist, vermittelt ihm die andere Hälfte des Besitzes, den „mittelbaren". Auch bei dem oben unter I b genannten Abzahlungsgeschäft kommt es zur Zweiteilung: Ich, der Käufer, habe nur den unmittelbaren Besitz erworben, der Verkäufer hat außer seinem Eigentum den mittelbaren Besitz zurückbehalten (doch ist das bestritten). D a s B G B. (§ 868) zählt als solche Besitzmittler ausdrücklich auf: Nießbraucher, Pfandgläubiger, Pächter, Mieter, Verwahrer, setzt aber solgeich hinzu: „ o d e r i n e i n e m ä h n l i c h e n V e r h ä l t n i s s e". Das liegt vor beim Entleiher, beim Handwerker (Unternehmer im Sinne des § 631), dem etwa Sachen zur Ausbesserung übergeben worden sind; beim Lagerhalter, Frachtführer, Verkaufskommissionär des Handelsrechts; beim Ehemann, der das eingebrachte Gut seiner Frau verwaltet, beim Vater oder Vormund, die das Gut der Kinder betreuen, beim Testamentsvollstrecker. Usw. Beim E h e p a a r gegebenenfalls Klage des E i g e n t ü m e r s gegen beide; Urt. BGH v. 21. 5. 1951 (BGHZ 2, 164). 3 Hedemann, Sachenrecht, 3. Aufl.

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§6 II b. Besitzdienerschaft N i c h t ist Besitzmittler der D i e b . Es fehlt hier der „Konnex" zum Bestohlenen, der Dieb leitet seinen Besitz nicht von dem Bestohlenen ab. Er ist (auch dies ein terminus technicus des BGB., § 872) „Eigenbesitzer".

2. Wenn eine solche Besitzvermittlung vorliegt, h a b e n b e i d e B e s i t z s c h u t z (nachfolgend § 8), weil eben jeder Besitzer ist. Doch können sich Verwicklungen ergeben (vgl. § 869). Geraten sie untereinander in Streit, so steht d e r besondere „Besitzschutz" dem unmittelbaren Besitzer zu; er ist n ä h e r an d e r Sache u n d geht deshalb vor. Z.B. beim S t r e i t z w i s c h e n V e r m i e t e r u n d M i e t e r . Der Mieter kann den Vermieter am Eindringen in das Mietsquartier gemäß § 859 hindern. Wenn der Vermieter im „Rechte" ist, z. B. den Auszug des Mieters verlangen kann, muß er klagen. Dann stützt er sich aber auf sein E i g e n t u m , also die „rechtliche" Herrschaft; was er an Besitz hat (der mittelbare), reicht gegenüber dem Mieter nicht aus. 3. M e h r f a c h e A b s t u f u n g . Der „unmittelbare Besitzer", der seinen Besitz vom „mittelbaren Besitzer" ableitet, k a n n den Besitz an einen Dritten weitergeben: Vermieter, Mieter, U n t e r mieter. „Unmittelbarer" Besitzer ist dann n u r d e r Untermieter, die beiden anderen sind „mittelbare" Besitzer (§ 871). Doch kann — nach Lage des Falles — z. B. bei Wohnverhältnissen der in der Mitte stehende „Mieter" bezüglich des abvermieteten Zimmers dem Vermieter gegenüber auch die Stellung eines „unmittelbaren" Besitzers haben. b) B e s i t z d i e n e r s c h a f t . Bei d e r Besitzvermittlung (a) stehen sich beide als u n g e f ä h r gleichgeordnet gegenüber. Das Überlassen an einen anderen k a n n aber auch so gemeint sein, d a ß der andere dabei in ein Abhängigkeitsverhältnis zu dem Überlassenden tritt, etwa „in dessen Haushalt oder Erwerbsgeschäft" (§ 855). Dann bleibt der Überlassende allein „Besitzer", der Übernehmende ist n u r sog. „Besitzdiener". Doch k a n n die Abgrenzung eines bloßen Besitzdieners von einem Besitzvermittler (unmittelbaren Besitzer) im einzelnen Fall schwierig sein. Beim Besitzdiener w i r d nach d e r G e richtspraxis der Ton auf das „soziale Abhängigkeitsverhältnis" zu legen sein. Der Besitzdiener darf sich nicht aufspielen, als sei er selbst „Besitzer". Er hat z. B. nicht die Klagen wegen Besitzverletzung, die bleiben seinem H e r r n vorbehalten. N u r zur Verteidigung seines H e r r n darf er im R a h m e n des § 860 tätig werden. Beispiele: Besitzdiener sind die Hausangestellte bezüglich des Küchengeräts, der Ladenangestellte bezüglich der Waren, die er ver-

§ 6 II c. Mitbesitz

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kaufen soll, der Chauffeur bezüglich des Autos, der Landarbeiter bezüglich des Ackergeräts. So auch die Platzanweiserin an Gegenständen, die sie im Kino gefunden hat (BGHZ 8, 130). Wenn ein Fremder sich an den Sachen vergreifen will, können die genannten Personen ihn mit Gewalt abwehren, aber das tun sie nicht in eigener Sache, sondern nur „in Ausübung der Rechte" ihres Herrn (so Wortlaut § 860). c) M i t b e s i t z . Bei den unter a) und b) behandelten Rechtsverhältnissen handelt es sich um eine Abstufung, der eine Teilhaber steht unter dem anderen, das gilt der Konstrukion nach („Ableitung") auch bei der Besitzvermittlung. Es können aber auch zwei Menschen im Besitz a l s g l e i c h g e o r d n e t n e b e n e i n a n d e r stehen. Anschaulichster Fall: E r b g a n g . Drei Söhne beerben den Vater, der Besitz hatte. Die drei Söhne rücken nebeneinander in das Besitzverhältnis ein, gehen etwa gemeinsam mit der Besitzschutzklage gegen einen Störenfried vor. Frage: Kann auch einer allein handeln? — Kritische Lage beim S t r e i t u n t e r e i n a n d e r . Ein Anhaltspunkt in § 866. — Verstärkung des Mitbesitzes von E h e g a t t e n seit der Gleichberechtigung (GG Art. 3). Die Frau Mitbesitzerin der Ehewohnung (Beschl. LG. Münster v. 9.11.1954; vgl. MDR. 1955, S. 104). d) Von dieser Mehrheitsbeteiligung zweigt ab die Frage nach dem B e s i t z d e r j u r s t i s c h e n P e r s o n e n . Juristische Personen sind z. B. ein rechtsfähiger Verein, eine Aktiengesellschaft, eine Stadtgemeinde (Näheres bei Lehmann, Allg. Teil, §§ 59 ff.). Seit alters herrscht gelehrter Streit, ob hier die juristische Person als solche („unmittelbar", „per se") besitzt, oder ob man nicht die einzelnen Teilhaber, die Mitglieder des Vereins, die Aktionäre, die Bürger der Gemeinde als die Besitzer, einen Schwärm von Mitbesitzern ansehen müsse. Heute besteht ziemliche Einigkeit, daß die juristischen Personen als solche echte Besitzer sein können. Das tritt am deutlichsten hervor, wenn es um die P a s s i v l e g i t i m a t i o n b e i d e r E i g e n t u m s h e r a u s g a b e k l a g e des § 985 geht. Diese Klage setzt auf der Passivseite ausdrücklich „Besitzvoraus (Näheres unten § 29 II a 2). Hier erscheint als das einzig Richtige, daß die Klage unmittelbar gegen den Verein, die AG usw. gerichtet werden kann. Doch treten Verfeinerungen hinzu. Bei der S e l b s t h i l f e (nachfolgend § 8 II) muß natürlich doch auf die menschlichen Personen zurückgegriffen werden. Dringen Einbrecher in das Vereinslokal ein, so hat jedes Vereinsmitglied das Recht der Abwehr. Konstruktive Frage bleibt allerdings: ob das Mitglied dabei selbst als „Besitzer" auftritt oder nur wie ein „Organ" des eigentlichen Besitzers, also des Vereins. 3*

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§6 II e, f. Eigenbesitz. Rechtsbesitz

e) D e r s o g . E i g e n b e s i t z . Daß der W i l l e beim Besitz eine grundlegende Rolle spielt, liegt nahe. Es zeigt sich namentlich beim Erwerb des Besitzes (nachfolgend § 7). Die Frage der „tatsächlichen Gewalt" kann vom Willen nicht schlechthin gelöst werden. Es liegt z. B. nahe, einen Besitz dann nicht anzunehmen, w e n n d e r B e t r e f f e n d e g a r n i c h t s w e i ß von der ihm tatsächlich zustehenden Gewalt (eine Sache wurde ihm versehentlich in die Manteltasche geschoben). RG. Bd. 106 S. 136: Sachen waren ohne Wissen des Wohnungsinhabers in die Wohnräume gebracht (z. B. durch eine Hausangestellte in deren Zimmer); k e i n Besitz des Wohnungsinhabers „mangels jeglichen Beherrschungswillens". Urt. OGH. v. 1.10.1948, II 2 (Bd. 1 S. 153). Aber unabhängig von dieser a l l g e m e i n e n Mitheranziehung des Willensmomentes hat der Gesetzgeber als besondere Rechtsfigur den Besitz herausgestellt, bei dem der Betreffende die Sache „ a l s i h m g e h ö r e n d " besitzt (§ 872). Das ist der sog. E i g e n b e s i t z (Gegensatz: Fremdbesitz). Wichtige Folgen sind an diesen „Eigenbesitz", nicht an den Besitz schlechthin angeschlossen, so die E r s i t z u n g (§ 937), die A n e i g n u n g (§ 958), der F r u c h t e r w e r b (§ 955). Die besondere Herausstellung dieses Eigenbesitzes hat etwas Gekünsteltes an sich. Sie ist eine Nachwirkung des gemeinen (römischen) Rechts, wo in der Dogmatik der „animus domini" eine umstrittene Rolle gespielt hat. In der P r a x i s spielt die Sonderfigur nur in seltenen Zusammenhängen eine Rolle. Jedenfalls ist so viel klar, daß zwar in der großen Mehrzahl der Fälle der „Besitzer" von der Vorstellung getragen wird, „ihm gehöre die Sache", daß aber auch ganze Gruppen von Fällen einen echten „Besitz" aufweisen, bei dem der „Besitzer" n i c h t f ü r s i c h besitzt, sondern weiß und will, daß das E i g e n t u m bei einem anderen steht. So der (ehrliche) F i n d e r , so die vielen sog. u n m i t t e l b a r e n B e s i t z e r (oben a). Diesen „Besitzern" ist dann also z. B. der Weg der Ersitzung verschlossen, aber sie denken eben gar nicht daran, ersitzen zu wollen. f) R e c h t s b e s i t z . Rechte sind unkörperliche Angelegenheiten. Eine t a t s ä c h l i c h e G e w a l t ist an ihnen schwer vorstellbar. Deshalb gibt es auch grundsätzlich keinen „Besitz" an Rechten. Doch will in der gelehrten Doktrin seit zwei Jahrtausenden, von der römischen Jurisprudenz angefangen, die Frage nicht zur Ruhe kommen, ob nicht wenigstens i n ü b e r t r a g e n e m S i n n e und in gewissen Grenzen auch ein Besitz an „Rechten" zugelassen werden soll. Das BGB. ist sehr zurückhaltend gewesen. Nur bei den G r u n d d i e n s t b a r k e i t e n und den nachgebildeten beschränkten persönlichen Dienstbarkeiten (unt. §§ 37, 39) läßt es einen „Besitz" insofern zu, als es dem, der t a t s ä c h l i c h die Dienstbarkeit ausübt, den B e s i t z s c h u t z zur Verfügung stellt (§§ 1029, 1090). Die praktische

§ 7 I a. Besitzerwerb, Erlangung der tatsächlichen Gewalt

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Bedeutung liegt also darin, daß ein tatsächlicher A u s ü b e r dieser Rechte auch dann Schutz genießt, wenn ihm das R e c h t gar nicht zusteht, natürlich aber nur den spezifischen B e s i t z schütz, g) B e s i t z a n S a c h t e i l e n ist a n e r k a n n t (§ 865). Praktisch wichtig der Teilbesitz an abgesonderten Wohnräumen, einer Garage o. dgl. Kann bei Mietsstreitigkeiten praktisch hervortreten. Bedeutende, auch das B e s i t z recht erfassende Neuerung das Wohnungs e i g e n t u m (unten § 32VI). § 7. Erwerb und Verlust des Besitzes Durchaus als ein Sonderfall erscheint der E r w e r b des Besitzes durch E r b g a n g (nachfolgend V). L ä ß t m a n diesen Tatbestand vorerst beiseite, so wird der Besitz durch Z u g r i f f erworben. Es k a n n sich dabei u m einen e i n s e i t i g e n A k t handeln, wie beim Diebstahl. Oder die Besitzergreifung n i m m t einen z w e i s e i t i g e n C h a r a k t e r an, indem der bisherige Besitzer d e m E r w e r b e r den Besitz überträgt. I. E r w e r b d u r c h e i n s e i t i g e n Z u g r i f f . Verhältnismäßig selten (Dieb, F i n d e r und dgl.). a) D i e E r l a n g u n g d e r t a t s ä c h l i c h e n G e w a l t ist d a s Mindesterfordernis, das i m m e r vorliegen muß, w e n n „Besitz" durch Zugriff erworben w e r d e n soll. Was u n t e r „tatsächlicher Gewalt" zu verstehen ist, bestimmt sich nach d e r mit juristischen E r kenntnissen unterstützten V e r k e h r s a n s c h a u u n g . Der Spaziergänger, der sich auf einer Bank niederläßt, „besitzt" sie im physikalischen Sinne, aber Besitz im juristischen Sinne erlangt er nicht. Wer vom Forstbeamten im Walde einen Stapel Holz kauft, um es, vielleicht erst nach Wochen, abfahren zu lassen, wird wirklicher Besitzer, trotzdem er sich gleich nach dem Kauf auf viele Kilometer hinweg begibt und erst nach längerer Zeit zurückkehrt. — S y m b o l i s c h e Z e i c h e n können genügen, z. B. Schlüsselübergabe. Auch dann, wenn sich der Übergebende einen zweiten Schlüssel heimlich zurückbehält? Bejahend RG. Bd. 103 S. 100. to) Zu der tatsächlichen „Inbesitznahme" m u ß ein d a r a u f g e r i c h t e t e r W i l l e hinzutreten (vgl. bereits § 6 II e). Dieses Habenwollen ist beim einseitigen Besitzerwerb (anders zum Teil bei II) ein rein n a t ü r l i c h e s Verlangen, „rechtsgeschäftliche" P r ä g u n g w i r d nicht erfordert. Darum kann ein Kind von 6 Jahren ohne Zutun Erwachsener „Besitz" durch Zugriff erwerben, weil es eben haben will. Der Wille k a n n pauschal zum Ausdruck gebracht werden, z. B. durch Anbringen eines Briefkastens am Haustor.

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§ 7 II. Besitzerwerb durch Übertragung

II. E r w e r b d u r c h Ü b e r t r a g u n g d e s B e s i t z e s (derivativer Besitzerwerb). Tagtäglicher tausendfacher Vorgang. Beim Verkauf von Waren, beim Vermieten und Verpachten, bei der Hingabe von Geld zu Darlehnszwecken, bei der Auszahlung des Lohnes, überall wird „übergeben", und der Empfangende wird „Besitzer" (sehr oft auch zugleich Eigentümer). Die W i l l e n s b i l d u n g tritt hier viel deutlicher hervor. Wiederum genügt (wie bei I) als Ausgangspunkt das natürliche Habenwollen. Ein sechsjähriges Kind überläßt sein Spielzeug einem anderen sechsjährigen Kind. In der großen Masse der Fälle ist jedoch der Besitzübertragungswille in den Gesamtvorgang, z. B. den Verkauf der Ware, eingebettet und nimmt dann rechtsgeschäftlichen Charakter an. Das gilt namentlich für die folgenden Sondertatbestände. Folge: Die Regeln von den Rechtsgeschäften finden Anwendung; z.B. kann Anfechtung wegen Irrtums (§119) oder arglistiger Täuschung (§ 123) in Frage kommen. HI. V e r h ä l t n i s z u m E i g e n t u m s e r w e r b . Beides fällt oft zusammen. Aber begrifflich sind die beiden Tatbestände scharf zu trennen. Der Besitzerwerb vollzieht sich, auch wenn zugleich ein Eigentumserwerb (oder auch der Erwerb eines Pfandrechts usw.) erfolgt, ganz selbständig. Für den Studierenden ergibt sich hier die Möglichkeit zu einer guten Gedankenübung, insbesondere bei der Repetition nach Durcharbeitung des ganzen Sachenrechts: 1. Der D i e b wird Besitzer, nicht aber Eigentümer; nicht einmal durch Ersitzung kann er Eigentümer werden (unten § 23 II c). 2. Der F i n d e r einer verlorenen Sache wird Besitzer, auf das Eigentum aber bekommt er zunächst nur eine Anwartschaft (unten § 28 II b). 3. Der O k k u p a n t einer h e r r e n l o s e n Sache bekommt Besitz und durch dessen Vermittlung („Eigenbesitz", oben § 6 II e) s o f o r t auch das Eigentum (unten § 26 II). 4. Der K ä u f e r bekommt mit der Übergabe normalerweise gleichzeitig Besitz und Eigentum. 5. Der Käufer einer g e s t o h l e n e n S a c h e wird dagegen nur Besitzer, nicht auch Eigentümer (unten § 22 III d), hat aber, Gutgläubigkeit vorausgesetzt, die Ersitzungsmöglichkeit (unten § 23). 6. Der M i e t e r empfängt einen Teil des Besitzes (den „unmittelbaren", oben § 6 II a 1), Eigentum überhaupt nicht. 7. Der A n g e s t e l l t e , dem Sachen zur Ausübung seiner beruflichen Aufgaben vom Dienstherrn übergeben werden, bekommt weder Eigentum noch „Besitz", denn er wird nur „Besitzdiener" (oben § 6 II b).

§ 7 IV. Besitzerwerb, Sondertatbestände

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Im f o l g e n d e n b l e i b t das E i g e n t u m g a n z b e i seite. IV. S o n d e r t a t b e s t ä n d e (sie spielen auch beim E i g e n t u m s e r w e r b die gleiche Rolle; d a r ü b e r das Nähere später). a) Ü b e r g a b e k u r z e r H a n d ( b r e v i m a n u t r a d i t i o ) , § 854 II: Der E r w e r b e r ist schon „in der Lage", die Gewalt über d i e Sache auszuüben, aber noch ohne „Besitzer" zu sein. D a n n gen ü g t eine „ E i n i g u n g " mit dem bisherigen Besitzer, also ein reiner Willensvorgang, um den E r w e r b e r n u n m e h r zum wirklichen Besitzer zu machen. Die Hausfrau schenkt der Köchin einen Gebrauchsgegenstand; die Köchin war bisher bloße Besitzdienerin, jetzt wird sie wirklich „Besitzerin". Ich verkaufe einem Bekannten ein Buch, das ich ihm vor einiger Zeit leihweise mitgegeben hatte, er erwirbt zu dem unmittelbaren Besitz, den er schon als Entleiher hatte, auch noch den Rest der Besitzmacht hinzu. b) A b t r e t u n g d e s H e r a u s g a b e a n s p r u c h s , § 870: Die Sache, die in andere Hand übergehen soll, befindet sich gar nicht in d e r unmittelbaren körperlichen Gewalt dessen, d e r den Besitz weitergeben will. E r hat sie vielmehr bei einem Dritten eingelagert (oder dgl.), so daß ihm n u r der mittelbare Besitz u n d d a neben der Anspruch auf (spätere) Rückgabe verblieben ist. D a n n k a n n er wenigstens den mittelbaren Besitz zu dem „Erwerber" hinüberleiten, indem er ihm d e n Herausgabeanspruch abtritt. c) V e r a b r e d u n g e i n e r B e s i t z v e r m i t t l u n g (Besitzvermittlungsgedinge, constitutum possessor i u m ) . Hier A l l e i n besitz Ausgangspunkt. E r wird in gespaltenen Besitz ü b e r g e f ü h r t . Die Figur ist folgende: Der Alleinbesitzer will zwar die rechtliche Macht über die Sache weitergeben, will aber noch in der körperlichen I n n e h a b u n g bleiben, da er die Sache noch nicht entbehren kann. Deshalb vereinbart er mit dem Abnehmer, daß er die Sache vorerst noch behalten d a r f . Und dabei ergibt sich dann, daß er von jetzt an „ f ü r den anderen" besitzt, daß er also diesem k ü n f t i g d e n Besitz „vermittelt" und selbst n u r u n m i t t e l b a r e r Besitzer (oder gar bloßer Besitzdiener) bleiben will. Beispiel: Ein Gelehrter möchte seine Bibliothek wegen Geldbedarfs verkaufen. Aber entbehren kann er sie noch nicht. Der Käufer ist bereit, sie ihm, etwa gegen eine jährliche Entschädigung, vorerst noch zu belassen. Natürlich stehen dabei der K a u f und die E i g e n t u m s ü b e r t r a g u n g im Vordergrund (darüber später). Aber der B e s i t z ist die Brücke, die das wirtschaftliche Ziel erreichbar macht; eine Zusatzvereinbarung, etwa das sofortige Zurück m i e t e n der v e r k a u f t e n Bücherei, tritt zu dem Hauptgeschäft hinzu.

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§8 1. Der Besitzschutz

V. B e s i t z e r w e r b d u r c h G e s a m t n a c h f o l g e . Hauptfall der E r b g a n g. Im Erbewerden ist der Besitzerwerb an allen einzelnen Erbschaftssachen ohne weiteres eingeschlossen (§ 857), ohne daß es einer Willensbildung bedürfte. Der Besitz wird sogar erworben, wenn der Erbe noch gar nichts davon weiß, daß er Erbe geworden ist. VI. V e r l u s t d e s B e s i t z e s . Wiederum die „tatsächliche Gewalt" der entscheidende Faktor (§ 856). Bloßer „vorübergehender" Verlust hebt jedoch den Besitz nicht auf. Sachen, die ich innerhalb meiner Behausung „verkramt" habe, besitze ich noch, ebenso den Rucksack, den ich vor der Besteigung eines letzten steilen Gipfels zurücklasse und hinter einem Stein verberge. Erst wenn ihn ein anderer entdeckt und als Dieb oder Finder an sich nimmt, hört m e i n Besitz auf. Mein Besitz bleibt auch, wenn ich mein beschädigtes Auto auf der Landstraße stehen lasse, um Hilfe zu holen. — Interessanter Fall versunkener, insbesondere im Kriege untergegangener Schiffe (Reg.-Rat Reich in MDR. 1958, S. 890). § 8. Schutz des Besitzes und sonstige Wirkungen I. Ü b e r b l i c k . a) Der Besitzschutz ist dogmatisch stark ausgebaut. Er zerfällt in den S e l b s t h i l f e s c h u t z (§ 859) und in den K l a g e s c h u t z (§§ 861,862). Beide gehen aus von der „ v e r b o t e n e n E i g e n m a c h t", die der Angreifer verübt hat (§ 858). Diese verbotene Eigenmacht stempelt sein Verhalten zu einem „ f e h l e r h a f t e n " , und das überträgt sich dann auch auf den etwaigen Erben oder sonstige Folgemänner (§ 858 II 2). Der Ausdruck „ v e r b o t e n e E i g e n m a c h t " klingt schärfer als er gemeint ist, es wird nicht etwa verbrecherische Begehrlichkeit vorausgesetzt, nicht einmal gewöhnliches Verschulden. Es genügt, daß die Störung oder Entziehung n i c h t i m E i n k l a n g m i t d e m W i l l e n d e s V e r l e t z t e n steht. Darum darf der Besitzschutz auch gegenüber Gutgläubigen und Irrenden geltend gemacht werden. B e i s p i e l e : Aus der Verwechslung hat jemand meinen Hut mitgenommen. Oder: Es wirft jemand dauernd Schmutz in den Ausguß seines Hauses, ohne zu ahnen, daß dadurch die Röhre in meinem Grundstück mehr und mehr verstopft wird. Der erste ist der Entziehungs-, der zweite der Störungsklage unterworfen; vgl. auch ergänzend IV. „Verbotene Eigenmacht" wird als nicht vorhanden angenommen, wenn „ d a s G e s e t z d i e E n t z i e h u n g o d e r d i e S t ö r u n g g e s t a t t e t " . Darunter fällt der Eingriff des Gerichtsvollziehers, die Kontrolle durch militärische Vorgesetzte, die amtliche Durchsuchung nach versteckten Vorräten, und vieles andere. Wie man sieht,

§ 8 II. Selbsthilferecht des Besitzers

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handelt es sich fast immer um Vorgänge, die im ö f f e n t l i c h e n R e c h t wurzeln. Aber vereinzelt „gestattet" auch die Privatrechtsordnung derartige Eingriffe, z. B. wenn dem Vermieter zur Sicherung seines gesetzlichen Pfandrechts ausdrücklich die Befugnis eingeräumt wird, „auch ohne Anrufen des Gerichts" dem flüchtigen Mieter seine Möbel abzunehmen (§ 561). b) Der K l a g e s c h u t z ist wieder doppelt gestaltet: Eine Klage auf Rückgabe bei Wegnahme (§ 861) und eine Klage auf A b w e h r bei sonstigen Störungen (§ 862). c) P r a k t i s c h hat d e r ganze Besitzschutz, insbesondere d e r Klageschutz, n u r a u s n a h m s w e i s e g r ö ß e r e n W e r t . Denn in der großen Masse der Fälle ist der Besitzer zugleich auch Eigentümer, und d a n n stehen ihm die parallel laufenden, weit stärkeren S c h u t z m i t t e l a u s d e m E i g e n t u m zur Verfügung. W e n n freilich der Besitzer ausnahmsweise nicht Eigentümer ist, tritt der Besitzschutz um so stärker hervor, zumal auch der unberechtigte Besitzer, sogar der Dieb, an diesem selbständigen Besitzschutz teilnimmt. II. D a s S e l b s t h i l f e r e c h t d e s B e s i t z e rs. Es gliedert sich in zwei Befugnisse: a) R e c h t a u f A b w e h r . Danach darf sich der Besitzer v e r botener Eigenmacht mit Gewalt erwehren (§ 8591). Das zur Abw e h r erforderliche Maß darf er nicht überschreiten. Parallele zur N o t w e h r des § 227 (vgl. Lehmann, Allg. Teil, § 18 II), aber im Ergebnis etwas anders. b) R e c h t a u f W i e d e r b e m ä c h t i g u n g . Der Angriff ist hier bereits abgeschlossen, er k a n n nicht m e h r „abgewehrt" V e r d e n . S t a t t dessen eigener (Gegen-)Angriff. Unterschied zwischen beweglichen Sachen (§ 859 II) und Grundstücken (§ 859 III). Parallele zur S e l b s t h i l f e des § 229, aber wiederum abweichend in der näheren Ausgestaltung; insbesondere zeitliche Einschränkung. c) B e r e c h t i g t zur Ausübung des Selbsthilferechts ist auch der B e s i t z d i e n e r (§ 860). Im Falle des mittelbaren Besitzes steht das Selbsthilferecht n u r d e m u n m i t t e l b a r e n Besitzer zu; d e r mittelbare ist auf dessen Aktionswillen angewiesen. d) Ein Übergang von der Selbsthilfe zum Klageschutz: A b h o l u n g s a n s p r u c h a u s § 867: Sachen, die aus d e r Gewalt des Besitzers auf ein im Besitz eines anderen befindliches G r u n d stück gelangt sind, k a n n er zwar nicht gegen d e n Willen des Grundstückbesitzers, etwa in gewaltsamem Eindringen, von d e m

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§ 6 III. Die Besitzklagen

Grundstück herunterholen, aber der Grundstückseigentümer muß ihm das Abholen gestatten (im Rahmen der näheren Vorschriften des § 867). Wenn er sich weigert, Klage; Vollstreckung nach § 890 ZPO. Gegebenenfalls Pflicht des Grundstücksbesitzers zum Schadensersatz nach § 823 II, denn § 867 ist ein „Schutzgesetz". III. D i e B e s i t z k 1 a g e n (§ § 861 b i s 864). Das Gesetz hat, ähnlich wie zum Schutze des Eigentums (Näheres unten § 29), z w e i Klagen aufgestellt, eine w e g e n E n t z i e h u n g d e s B e s i t z e s (auf Wiedereinräumung gerichtet, § 861) und eine w e g e n b l o ß e r S t ö r u n g im Besitz (auf Beseitigung der störenden Umstände und künftige Unterlassung gerichtet, § 862). Beide müssen b i n n e n e i n e m J a h r i n Lauf gebracht werden (§ 864), und beide sind dem Einwand der eigenen unjährigen F e h l e r h a f t i g k e i t ausgesetzt (§§ 861 II, 862 II). Dieser Einwand bedarf näherer Erklärung. Die beiden Klagen enthalten einen Vorwurf: Du hast „verbotene Eigenmacht" (oben I) gegen mich verübt. Der Einwand kehrt diesen Vorwurf um: Aber du hast vorher gegen m i c h verbotene Eigenmacht verübt. Dieser Gegenvorwurf ist eindrucksvoll, und der Gesetzgeber hat ihn deshalb auch berücksichtigt. Allerdings darf der Beklagte ihn nur ausspielen, wenn die vorangegangene i h m angetane Kränkung noch nicht allzu lange zurückliegt, wenn sie noch „unjährig" ist. B e i s p i e l : Zwei Mieter streiten um einen Bodenschlüssel. Eigentümer ist keiner von beiden, also können sie sich nur auf den Besitzstand stützen. Im März 1949 hat Frau Schulze dem Nebenmieter Müller den Schlüssel weggenommen (Müller hätte damals Selbstverteidigung üben können, aber er tat es nicht; vielleicht geschah es auch heimlich). Im Januar des nächsten Jahres bringt nun Müller den Schlüssel wieder an sich, und Frau Schulze überzieht ihn mit der Klage aus § 861. Da wird sie abgewiesen, denn Müller kann sich auf den Text zurückziehen: „Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der entzogene Besitz (der Frau Schulze) dem gegenwärtigen Besitzer (Müller) gegenüber fehlerhaft war und in dem letzten Jahr vor der (jetzigen, im Januar erfolgten) Entziehung e r langt worden ist." Es sitzt hinter dieser Einwandsmöglichkeit praktisch eine eigentümliche V e r l ä n g e r u n g d e s V e r f o l g u n g s r e c h t s . Müller hätte an sich s o f o r t , damals im März, zugreifen müssen, als es sich noch um „frische Tat" (§ 859 II) handelte, und hat genau genommen seine Selbsthilfebefugnis verloren. Trotzdem darf er noch nach 10 Monaten zugreifen! Nur darf er sich nicht ertappen lassen, denn nur der Klageschutz der Frau Schulze wird lahmgelegt, nicht auch ihre Selbstverteidigungsmacht. Während das Selbsthilferecht dem m i t t e l b a r e n B e s i t z e r entzogen ist, stehen ihm die beiden Klagen zur Verfügung. Doch

§ 8 IV. Petitorium und possessorium

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muß er bei Besitzentziehung in erster Linie auf Wiedereinräumung des Besitzes an den unmittelbaren Besitzer (also nicht an sich selbst) klagen (§869). — Umgekehrt: Während der B e s i t z d i e n e r das Selbsthilferecht ausüben darf, ist er für die Ausübung des Klagerechts n i c h t legitimiert. IV. P e t i t o r i u m u n d p o s s e s s o r i u m . Petitorium ist das Verlangen und die Klage des E i g e n t ü m e r s auf Auslieferung seiner Sache. Possessorium ist die eben geschliderte Klage des B e s i t z e r s auf Wiedereinräumung des Besitzes (Entsprechendes gilt für die bloße Abwehr von Störungen). Zum Z u s a m m e n p r a l l kommt es, wenn es nicht ein beliebiger Dritter, sondern der Eigentümer war, der dem Besitzer die Sache weggenommen hat. Gerade hier wird der Begriff der v e r b o t e n e n E i g e n m a c h t (oben I) besonders lebendig. Denn auch der Eigentümer selbst darf dem Besitzer grundsätzlich die vorenthaltene Sache nicht gegen dessen Willen eigenmächtig wegnehmen. Ausnahmen gibt es allergings, wo also der Eigentümer nicht nur das „Recht auf Besitz", sondern darüber hinaus ein Recht auf eigenmächtige Verwirklichung hat, so bei der Selbsthilfe nach § 229 (Lehmann, Allg. Teil, § 18 IV und § 40 III) oder in dem Sonderfall aus dem Mietsrecht (§561; oben unter I). Aber dieses Eigenmächtig-zugreifen-dürfen ist eben eine seltene Ausnahme. Regelmäßig fehlt dem Berechtigten eine solche Befugnis, und dann wird bei der Klage des Besitzers seine Einwendung aus dem Recht n i c h t gehört! I m „ P o s s e s s o r i u m" i s t f ü r „ p e t i t o r i s c h e A u s f ü h r u n g e n " kein Raum. Durch Bruch des Besitzes hat sich der Berechtigte (Eigentümer) bereits ins Unrecht gesetzt und muß sich i m R a h m e n d e s B e s i t z p r o z e s s e s gefallen lassen, daß von seinem „Recht" zum Besitz keine Notiz genommen wird. Dies der Sinn des § 863. Freilich ist damit noch keineswegs das letzte Wort gesprochen Denn es bleibt dem Berechtigten unbenommen, seinerseits und unabhängig von dem Besitzprozeß eine K l a g e a u s d e m R e c h t (das sog. Petitorium) zu erheben (vgl. schon oben § 6 II a 2). Dann laufen zwei Verfahren nebeneinander her. Und es kommt nun darauf an, welcher Prozeß zuerst beendet wird. Geht das Possessorium zuerst siegreich für den Kläger zu Ende, so muß der „Berechtigte" sich eben vorläufig unterwerfen und den alten Besitzstand jedenfalls so lange wieder herstellen, bis der (weiterlaufende) petitorische Prozeß eine andere Regelung herbeiführt. Endet aber

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§6 V. Sonstige Wirkungen des Besitzes

d a s Petitorium zuerst m i t einem Siege des „Berechtigten", d a n n w i r d das Possessorium sofort abgebrochen, d e r Anspruch auf B e s i t z s c h u t z ist d a n n mit einem Schlage „erloschen" (§ 864 II, „Petitorium absorbet possessorium"). V. S o n s t i g e W i r k u n g e n d e s B e s i t z e s . Der Besitz h a t auch a u ß e r h a l b d e s S a c h e n r e c h t s beachtliche Positionen. So ist er als „sonstiges Recht" im S i n n e des § 8231 a n e r k a n n t (RG. Bd. 105 S. 218), so daß seine Verletzung einen Schadensersatzanspruch gibt. So k a n n er Gegenstand einer Klage aus ungerechtfertigter Bereicherung sein (§ 812; Wort „etwas"), So bekommt die Miete einer Wohnung im Augenblick d e r Besitzüberlassung an den Mieter „dingliche K r a f t " , so daß auch d e r K ä u f e r und neue Eigentümer des Hauses sie gelten lassen m u ß (§§ 571, 580; Näheres Hedemann, L e h r buch Schuldrecht S 188 b 1). Vereinzelt bringt der „Besitz" auch B e l a s t u n g e n , z. B. eine Haftung bei Gebäudeeinsturz nach § 836. Nach dem Kriege besonders kritisch beim Einsturz von Ruinen. Hier darf bei der Frage der „im Verkehr erforderlichen Sorgfalt" (Text des § 836) nach einem Urteil des OLG. für Hessen vom 7.10.1947 „daß Maß nicht überspannt werden", „einerseits, weil die Beschaffung von Handwerkern und Materialien für dieü überwältigende Mehrzahl der Betroffenen (zumal für alle gleichzeitig) nahezu unmöglich ist, andererseits, weil die Absperrung ganzer Straßenzüge und Stadtteile den Verkehr lahmlegen würde". — Besitz als „ungerechtfertigte Bereicherung", die herausgegeben werden muß: RG. Bd. 98 S. 131 ff.; Bd. 129 S. 311. Vor allem aber zeigt d e r Besitz auch i n n e r h a l b des S a c h e n r e c h t s in verschiedenen Zusammenhängen seine f u n damentale K r a f t : 1. So ist er das F u n d a m e n t bei d e r E r s i t z u n g (§§ 900, 937; u n t e n § 23). 2. So bildet er das F u n d a m e n t f ü r d e n E i g e n t u m s e r w e r b a n b e w e g l i c h e n S a c h e n („Übergabe"; § 929, u n t e n § 21 I I d ) . 3. So stützt er im Prozeß um bewegliche Sachen d e n Eigentümer (und ebenso den Nießbraucher u n d Pfandgläubiger) beim B e w e i s e n m ü s s e n , indem er zu seinen G u n s t e n eine „ V e r m u t u n g " e r w i r k t (§§ 1006, 1065, 1227). Bei den Punkten 2 und 3 tritt eine eindrucksvolle P a r a l l e l e z u m G r u n d b u c h hervor. Wie die Besitz-Übergabe bei beweglichen Sachen den Eigentumserwerb (übrigens nach §§ 1032, 1205 auch den Nießbrauchs- und Pfandrechtserwerb) trägt, ist bei Grundstücken die Eintragung im Grundbuch Fundament für den Eigentums-, Nießbrauchs-, Hypothekenerwerb {unten § 15 II, § 21 II). Man kann in sprachlicher Anlehnung an das Besitzen sagen: der Er-

§ 8 VI. Ist der Besitz ein Recht?

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werber muß sich einen S i t z im Grundbuch verschaffen. — Ferner: wie bei beweglichen Sachen im Streit, wer der Eigentümer (oder der Sonstberechtigte) sei, der „Schein" in Gestalt des tatsächlichen Habens für den B e s i t z e r spricht, spricht beim Streit um Grundstücksrechte der „Sitz" im Buche für den E i n g e t r a g e n e n " (§891); unten §161). Beim obigen Punkt 1 ist charakteristisch, daß für die Ersitzung eines G r u n d s t ü c k s beides Voraussetzung ist, der Besitz u n d das Eingetragensein (§ 900). 4. So erschließt er bei beweglichen Sachen noch eine besondere K l a g e a u s § 1007, die aber ein überkünsteltes und unfruchtbares Gebilde ist (unten § 29 VII c). VI. Nach alledem ist es verständlich, daß bei wissenschaftlichen Diskussionen immer wieder die Frage aufgeworfen worden ist, ob nicht der Besitz, trotzdem die t a t s ä c h l i c h e Gewalt als sein wesentliches Charakteristikum herausgestellt ist, d o c h ein R e c h t sei. Vor allem wird dabei auch seine Vererblichkeit betont. Man vermittelt am besten, wenn man sagt, der Besitz sei zwar kein Recht im scharf ausgeprägten Stil des „subjektiven Rechts" (Lehmann, Allg. Teil, §§ 10 ff.), wohl aber e i n e r e c h t lich geschützte Position. Als solche ist der Besitz, wie gezeigt, übertragbar und vererblich, was bei einer bloßen Tatsache unvorstellbar wäre.

II. Teil

Das Grundbuch und die allgemeinen Vorschriften über Rechte an Grundstücken Vorbemerkungen 1. Das Grundbuch bildet in manchen Beziehungen das G e g e n s t ü c k z u m B e s i t z . Was da der Besitz für die beweglichen Sachen leistet (vgl. z. B. vorstehend unter V 1 bis 3), das leistet das Grundbuch für die Grundstücke. Doch darf nicht vergessen werden, daß in vielem d e r B e s i t z a u c h b e i d e n G r u n d s t ü c k e n e i n e R o 11 e spielt. 2. Während der Besitz eine natürliche Tatsache ist, die vor allem ganz abseits von amtlicher Einwirkung liegt, ist d a s G r u n d b u c h e i n a m t l i c h e r A p p a r a t . Das hat zur Folge, daß das Grundbuchrecht zur einen Hälfte V e r f a h r e n s r e c h t ist, ein Stück „Gerichtsbarkeit", und dieses Stück hat ö f f e n t l i c h r e c h t l i c h e n Charakter. Diese Seite wird im folgenden nur in den Grundzügen geschildert. Das Nähere muß der Schulung in der gerichtlichen Praxis überlassen bleiben. 3. Die andere Hälfte des Grundbuchrechts dient in sehr gewichtiger Weise dem m a t e r i e l l e n b ü r g e r l i c h e n R e c h t w i e z . B . dem Eigentumserwerb. Das, was darüber im folgenden ausgeführt wird, ist deshalb zugleich Unterlage und Vorbereitung f ü r alle folgenden Teile. 4. Über S c h r i f t t u m zum Grundbuchrecht vgl. § 9 V. § 9. Geschichtlicher Rückblick und Stand der Gesetzgebung Die Geschichte des Grundbuchwesesen verdient besondere Beachtung. Denn es handelt sich hier um ein Stück echten deutschen Wesens. Den Römern war das Grundbuch unbekannt. Auch heute noch ist das deutsche Grundbuchsystem das ausgebildetste, durchdachteste und festeste in der ganzen Welt.

§9 1. Grundbuch, geschichtliche Entwicklung

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I. Ä l t e r e d e u t s c h e E n t w i c k l u n g . 1. Der Sinn f ü r Formen (und Symbole), der das f r ü h e deutsche Recht belebte, ist bei den Grundstücksgeschäften, vor allem bei der Übereignung, in ständiger Weiterentwicklung hervorgetreten. 2. Zuerst erfolgte die Übergabe auf dem Grundstück selbst in feierlicher Form unteT Zuziehung von Zeugen: Der Erwerber wurde „aufgelassen". Noch heute hat das Wort A u f l a s s u n g terminologische Bedeutung (BGB. § 925). 3. Mehr und mehr verschob sich der feierliche Akt zum Gericht oder dem Rat der a u f b l ü h e n d e n S t ä d t e . Das f ü h r t e zur Ausstellung von Urkunden, die gehobene Beweiskraft hatten. Die Urkunden wurden den Beteiligten ausgehändigt. 4. Seit dem 12. Jahrhundert gingen einzelne Städte dazu über, jedes Grundstücksgeschäft in einer a m t l i c h e n S a m m l u n g festzuhalten. Daraus wurden s t ä n d i g e B ü c h e r . Berühmtes Beispiel die Kölner Schreinskarten (im Urtext erhalten von 1135 bis 1142). 5. Allmählich e n t w i c k e l t e s i c h d i e B u c h u n g z u m r e c h t s s t i f t e n d e n A k t . Anfangs mag nur ein unbestimmtes Empfinden gewaltet haben, daß ein Rechtsgeschäft über Grundstücke nicht in Ordnung sei, solange die Beurkundungen im öffentlichen Buche fehlte, daß also z. B. ein Eigentumsübergang ohne die Buchung gar kein „richtiger" Eigentumsübergang sei. Aus solcher immer fester einwurzelnder Überzeugung wurde dann der R e c h t s g e d a n k e , daß in der Tat eine rechtliche Änderung in den Grundstücksverhältnissen e r s t d u r c h d i e B u c h u n g s e l b s t erzielt werden könne. In der wissenschaftlichen Sprache nennt m a n das: E i n t r a g u n g s p r i n z i p . 6. Da man jedoch den Vorgang, der zwischen den beteiligten Privatpersonen spielt, jene Willenseinigung, die als „Auflassung" bezeichnet wird, nicht ganz außer acht lassen wollte, so bildete sich ein gedankliches System aus, das dann f ü r ganz Deutschland herrschend geworden ist, nämlich die Vorstellung: Zur Herbeif ü h r u n g einer Änderung in der Rechtslage eines Grundstücks gehört z w e i e r l e i : A u f l a s s u n g u n d E i n t r a g u n g i m B u c h e . Die vollendete Durchbildung dieses Doppelerfordernisses gehört jedoch erst der letzten Entwicklungsperiode an. II. S t ö r u n g d u r c h d a s r ö m i s c h e R e c h t . 1. Bekanntlich ist das römische Recht im Wege der sogenannten R e z e p t i o n in Deutschland eingedrungen und hat über J a h r -

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§ 9 II. Grundbuch. Hemmung durch das römische Recht

hunderte hinweg bis in das BGB. hinein starken Einfluß auf die Entwicklung des deutschen bürgerlichen Rechts (Zivilrechts, Privatrechts) ausgeübt. Vgl. Lehmann, Allg. Teil, § 21; Fehr, Deutsche Rechtsgeschichte, § 40 Ziff. 7. 2. Dadurch ist auch die Weiterentwicklung und Verbreitung des S y s t e m s d e r G r u n d b ü c h e r z e i t w e i l i g g e s t ö r t worden. Der römischen Rechtsauffassung lag ein solcher Buchapparat ganz fern. Die Übereignung vollzog sich bei Grundstücken genau so wie bei Mobilien durch bloße t r a d i t i o (Übergabe, Einweisung). Auch die Belastung mit einem Pfandrecht geschah formlos. Die römische „ h y p o t h e c a " ist deshalb mit der heutigen Hypothek nicht vergleichbar. 3. Die romanistisch geschulten deutschen „ J u r i s t e n " traten nun in ihrer starren Gläubigkeit dafür ein, daß wie überall, so auch im Grundstücksrecht die römische Auffassung der Dinge die allein richtige sei. Sie haben damit den Fortgang des deutschen Buchungssystems stellenweise ins Stocken gebracht. Doch kamen auch andere widrige Umstände hinzu, vor allem die Wirrnisse des D r e i ß i g j ä h r i g e n K r i e g e s (1618—1648), ferner die Z e r s p l i t t e r u n g d e s R e c h t s , die es den einzelnen Territorien überließ, sich zurechtzufinden, und dadurch alles viel mühseliger gestaltete. 4. Trotzdem konnte die E n t w i c k l u n g n i c h t a u f g e h a l ten werden. Das Grundbuch, zuerst n u r in einzelnen Städten, dann in einzelnen deutschen Ländern anerkannt, hat im 19. Jahrhundert auf der ganzen Linie gesiegt. 5. D e r s c h a r f e G e d a n k e n s c h l i f f d e r r o m a n i s t i s c h e n Denkweise (der Geist des Pandektensystems) hat aber auch seinerseits 'beim Ausbau des Grundbuchsystems mitgewirkt. Die Rechtslogik verfeinerte sich immer mehr, das einzelne Grundstücksgeschäft erschien nicht so sehr als ein wirtschaftliches Lebensverhältnis wie e i n a b s t r a k t e s G e d a n k e n g e b i l d e . Nur so ist die feinsinnige, aber erkünstelte Ausnützung des Buchapparates f ü r die materiellrechtlichen Fragen des Rechtserwerbes und Rechtsverlustes zu verstehen (Näheres im folgenden). 6. Und das hat sich ü b e r g a n z D e u t s c h l a n d a u s g e b r e i t e t . Ganz Deutschland ist so in einen planmäßigen, mit hoher technischer Fertigkeit ausgebauten, d e n g a n z e n B o d e n v e r k e h r b e h e r r s c h e n d e n B u c h a p p a r a t eingespannt worden. III. L a n d e s r e c h t . Die Durchführung war zunächst länderweise verschieden. Vor allem fiel ins Gewicht, daß einige Staaten

§ 9 III, IV. Grundbuch. Reichsrecht und Landesrecht

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sich n i c h t zu einem voll ausgebauten Grundbuchsystem entschließen konnten, sondern nur das sog. P f a n d b u c h s y s t e m gewählt haben. Hierbei wird der öffentliche Buchungsapparat nicht für das wichtigste Stück, den Eigentumsübergang, zur Verfügung gestellt (auch nicht z. B. für die Bestellung sog. Grunddienstbarkeiten), sondern nur für die Pfandsetzung an Grundstücken, also die Bestellung von Hypotheken. So Bayern mit seinem Hypothekengesetz von 1822, Württemberg mit seinem Pfandgesetz von 1825. P r e u ß e n hat dagegen eine umfassende und besonders ausgereifte Grundbuchgesetzgebung 1872 geschaffen. — Nachwirkungen der länderweisen Differenzen heute nur noch in geringem Maß beim Ausbau des Grundbuchapparates. IV. R e i c h s r e c h t . 1. Das Reich griff zu, a l s d a s B G B . g e s c h a f f e n w u r d e . Man sah ein, daß mindestens das materielle Grundstücksrecht der partikulären Unterschiedlichkeit entzogen werden müsse. 2. Aber a u c h d a s V e r f a h r e n s r e c h t zog das Reich an sich. So wurde n e b e n dem BGB. von 1896 eine R e i c h s g r u n d b u c h o r d n u n g von 1897 geschaffen (GBO.). An O p p o s i t i o n gegen das ganze System des Grundbuchs hat es damals bei der Schaffung dieser 1. ReidisGBO. nicht gefehlt. Man führte folgende Gründe ins Feld: — Das Grundbuch ziehe die entscheidenden Vorgänge vom wirklichen Leben ab und schaffe eine „lebensunwahre" und „mysteriöse" Abstraktion. — Das Grundbuch begünstige den „manchesterlichen", rein geldmäßigen Charakter der Hypothek und stifte damit eine gefährliche M o b i l i s i e r u n g d e r B o d e n w e r t e (vgl. dazu unten § 47 Ia 2). — Die sog. S e r v i t u t e n (heute Grunddienstbarkeiten genannt, unten § 37) seien so eng mit den Lebensverhältnissen der beteiligten Personen verbunden, daß sie sich für eine „buchmäßige" Erfassung nicht eigneten. — Mindestens müsse der A u s f ü h r u n g s a p p a r a t (die innere Ausgestaltung der Bücher, die Bestimmung der zuständigen Behörden usw.) den L ä n d e r n überlassen werden, da es sich dabei um eingewurzelte Bräuche und volkstümliche Empfindungen handle, — Argumente, die auch heute gelegentlich hervortreten. — In dem letzten Punkt hat damals (1897) die Opposition noch sichtlichen Erfolg gehabt. Denn: 3. Der P a r t i k u l a r i s m u s wirkte noch nach. Der Ausbau des „Formulars" für die Grundbücher blieb 1897 noch den Ländern überlassen. So sah das preußische Formular anders aus als das sächsische, das sächsische anders als das württembergische. 4

H e d e m a n n , S a c h e n r e c h t , 3. A u f l .

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§ 9 IV, V. Grundbuch. Neuere Gesetze. Schrifttum

4. Erst eine Überarbeitung und N e u f a s s u n g v o n 1 9 3 5 hat die Vereinheitlichung voll durchgeführt. Die neugefaßte GBO. vom 5. 8. 1935 (RGBl. I 1073 ff.) ist heute die einheitliche reichsrechtliche Grundlage (obwohl auch sie einige Änderungen durch eine VO. zur Vereinfachung des Grundbuchverfahrens vom 5.10.1942, RGBl. I 573, erfahren hat). Sie hat ein e i n h e i t l i c h e s F o r m u l a r vorgeschrieben (unten im Anhang abgedruckt) und hat vor allem die b e h ö r d l i c h e Zuständigkeit einheitlich geregelt. § 1 GBO.: „Die Grundbücher werden von den Amtsgerichten geführt (Grundbuchämter)". Allerdings l a n d e s r e c h t l i c h e Vorbehalte; nachfolgend § 10 I. Vgl. auch GBO. §§ 117, 118.

5. In ihrem materiellen Gehalt war aber die Neufassung von 1935 k e i n e s w e g s e i n e v o l l e N e u g e s t a l t u n g . Sie hat breite Teile des Textes von 1897 wörtlich übernommen. Die wichtigste materielle Neuerung (neben der eben geschilderten Vereinheitlichung des Verfahrens) liegt im 5. Abschnitt der neuen GBO., wo eine erleichterte „ B e r e i n i g u n g " der Grundbücher von veralteten Eintragungen ermöglicht worden ist (unten § 14 II a 2). 6. Neben der GBO. sind erlassen worden: Eine „ A u s f ü h r u n g s v e r o r d n u n g " vom 8. 8. 1935 (AVGBO.; RGBl. I 1089) und zugleich eine „Allgemeine Verfügung über die Einrichtung und Führung des Grundbuchs", kurz G r u n d b u c h v e r f ü g u n g genannt (GBVfg.), begleitet von einer Reihe von „ M u s t e r n " f ü r das Grundbuchblatt, die Hypothekenbriefe usw. (RMinBl. S. 637 ff.); über die Muster unten § 12 I 5. Ferner die VO. zur Änderung des V e r f a h r e n s in Grundbuchsachen vom 5. 8.1935 (RGBl. I 1065). Dazu noch eine VO. des RJMinisters vom 25. 2.1936 über die „Geschäftliche Behandlung der Grundbuchsachen" (erst bei der Arbeit in der Gerichtspraxis bedeutsam) und D u r c h f ü h r u n g s v e r o r d n u n g e n i n d e n e i n z e l n e n L ä n d e r n . — Besondere bundesrechtliehe Vfg. v. 1. 8.1951 (BAnz. S. 1) mit Ergänzungen v. 15. 7.1959 über die grundbuchmäßige Behandlung des W o h n u n g s e i g e n t u m s (über dieses unten § 32 VI).

V. S c h r i f t t u m . Wegen der Übernahme breiter Teile aus der alten GBO. von 1897 ist die ältere, ihr gewidmete Literatur auch heute noch von Wert. Natürlich unter Berücksichtigung der Neuerungen von 1935. Gehaltvolle Kommentare zur (alten) GBO.: G ü t h e - T r i e b e l (5. Aufl. 1929); P r e d a r i (2. Aufl. 1912). Neuester Kommentar Paul T h i e m e (4. Aufl. 1955) mit Nachtragsheft von 1958. Kurzkommentar von H e n k e - M ö n c h (5. Aufl. 1956); Kommentar H e s s e - S a a g e -

§ 10. Das amtliche Grundbuchverfahren

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F i s c h e r (4. Aufl., neubearbeitet 1957). Lehrbücher: T u m a u F ö r s t e r , Liegenschaftsrecht, 2 Bände (1906). W i e a c k e r , Bodenrecht (1938); H a e g e 1 e , Grundbuchrecht (1954); B r a n d - S c h n i t z l e r , Die Grundbuchsachen in der gerichtlichen Praxis (8. Aufl. 1954). — Ein Sonderkapitel: „Die Auswirkungen des (ehelichen) Gleichberechtigungsgesetzes auf den Grundbuchverkehr", S c h u l z - K e r s t i n g in J.R. 1959 S. 81 und S. 134. § 10. Das amtliche Verfahren I. Z u s t ä n d i g k e i t 1. Die Führung des Grundbuchs liegt dem „ G r u n d b u c h a m t" ob. Dies ist aber kein selbständiges Amt, sondern nur eine besondere Abteilung der A m t s g e r i c h t e . 2. Leitend der R i c h t e r . Neben ihm neuerdings stark herangezogen der R e c h t s p f l e g e r , Beamter des Justizdienstes, nach näherer Regelung des Rechtspflegergesetzes vom 8. 2.1957 (BGBl. I S. 18) § 3 Ziff. 2 f.). Die dem R i c h t e r vorbehaltene Grundbuchsachen in § 17. Erhalten geblieben ist, durch Art. 8 der vorstehend in § 9 IV 6 genannten VO. zur Änderung des Verfahrens, in B a d e n und W ü r t t e m b e r g die auf langer Tradition beruhende Zuständigkeit der N o t a r e (statt der Amtsgerichte) f ü r die Führung der Grundbücher. 3. Neben dem gerichtlichen Apparat hat große praktische Bedeutung das V e r m e s s u n g s w e s e n . Dieses ist einer besonderen Behörde anvertraut, dem K a t a s t e r a m t , das zugleich die Aufgabe hat, die Unterlagen für B e s t e u e r u n g d e s G r u n d b e s i t z e s zu schaffen. RG.-Urteil vom 4.10.1935 (Bd. 148 S. 380) stellt fest: Es muß „entscheidendes Gewicht darauf gelegt werden, daß das Grundsteuerkataster die Grundlage f ü r die dem Rechtsverkehr dienenden Eintragungen in das Grundbuch bilde". Das hat die Folge, „daß jedenfalls die Verpflichtung, dem Grundbuchamt wahrheitsgemäße Mitteilungen zu machen u n d I r r t ü m e r n a c h E n t d e c k u n g a l s b a l d z u b e r i c h t i g e n , als eine den Katasterbeamten auch gegenüber den am Grundstücksverkehr beteiligten Personen obliegende Amtspflicht angesehen werden muß", und zwar „auch den Personen gegenüber, die mit dem Kataster nicht in seiner ursprünglichen, rein steuerlichen Bedeutung, sondern auf dem Umweg über das Grundbuch in Berührung kommen". Daran schließt sich die weitere Folge einer etwaigen H a f t u n g d e s K a t a s t e r b e a m t e n und des hinter ihm stehenden Staates. — Reichs V e r e i n h e i t l i c h u n g des Katasterwesens, in Gang gesetzt durch VO. v. 23.1.1940 (RGBl. I 240). 4*

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§ 10 II. Charakter des Grundbuchverfahrens

II. C h a r a k t e r d e s V e r f a h r e n s . 1. Das Verfahren in Grundbuchsachen ist k e i n P r o z e ß v e r f a h r e n , es stehen sich nicht Kläger und Beklagter gegenüber. Das Grundbuchverfahren gehört deshalb zur sog. „ F r e i w i l l i g e n G e r i c h t s b a r k e i t " . Die GBO. steht s o verschwistert neben dem Reichsgesetz über Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit von 1898 (FGG.; seit 1898 manche Änderungen). Daraus folgt die Pflicht des Grundbuchbeamten z u r g e w i s s e n h a f t e n P r ü f u n g der ihm unterbreiteten Anträge und zur Aufklärung und Belehrung der Antragsteller. Das hat allerdings seine Grenzen. Die „Interna" der Beteiligten gehen das Grundbuchamt nichts an. „Allerdings", stellt das RG. in einem Urteil vom 10. 8.1942 (Bd. 169 S. 318) fest, „ist richtig, daß der Grundbuchbeamte zur P r ü fung des einem Eintragungsantrag zugrundeliegenden s c h u l d r e c h t l i c h e n Geschäftes regelmäßig nicht verpflichtet ist und daß er insbesondere auch die wirtschaftliche Tragweite eines solchen Geschäftes mit dem Beteiligten nicht zu erörtern hat". Soweit aber die Dinge in den Rahmen des Grundbuchverfahrens fallen, darf der Grundbuchbeamte nicht durch passives Verhalten die Dinge in eine falsche Bahn gleiten lassen. Darum fährt RG. (S. 320) fort: „Aber es folgt aus der Natur der Sache, daß der in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit tätige Beamte verpflichtet ist, durch s a c h g e m ä ß e B e l e h r u n g darauf hinzuwirken, daß Zweifel, die sich aus den Erklärungen der Parteien ergeben, geklärt und unvollständige Erklärungen ergänzt werden". Und daran anschließend schreibt das Reichsgericht vor, es sei zu prüfen, „ob der den Klägern entstandene Schaden auf die s c h u l d h a f t e A m t s p f l i c h t v e r l e t z u n g d e s G r u n d b u c h b e a m t e n zurückzuführen ist". Uber die dann einsetzende S c h a d e n s e r s a t z p f l i c h t des Beamten und des Deutschen Reiches nachfolgend III. 2. Das Grundbuchverfahren bringt den Richter, namentlich in ländlichen Bezirken, m i t d e r B e v ö l k e r u n g i n g u t e B e r ü h r u n g . Doch ist es unvermeidlich, daß auch der b ü r o k r a t i s c h e F a k t o r hervortritt. Das Grundbuchverfahren verlangt b e s o n d e r e G e n a u i g k e i t , denn das Grundbuch soll die unerschütterliche Grundlage für den gesamten Bodenverkehr sein. Die Beteiligten sind manchmal unwillig, weil es allzu „genau" zugeht, sind aber der Aufklärung über die Notwendigkeit einer solchen „bürokratischen" Schärfe nicht unzugänglich. Namentlich in kleineren und ländlichen Bezirken bringt das Grundbuchverfahren den Richter m i t T e i l e n d e r B e v ö l k e r u n g i n n a h e B e r ü h r u n g . Denn die Verhandlungen und Besprechungen werden hier überwiegend mündlich geführt. Der Richter hat dann Gelegenheit, als Berater und Vertrauensmann (z. B. bei Erbteilungen) zu wirken. In großen und städtischen Bezirken geht

§ 10 III. Grundbuchverfahren. Haftung des Staates

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dieser Ton verloren. Es fällt dann das Schwergewicht durchaus an das U r k u n d e n m a t e r i a l , so daß als Berater der N o t a r auftritt, während sich die Tätigkeit des Grundbuchbeamten im wesentlichen auf die von formalen Erklärungen begleitete Entgegennahme und Prüfung von „Instrumenten" (z. B. Löschungsbewilligungen) und auf die daran anschließenden Aktenvermerke und Aktenverfügungen beschränkt. 3. Eine besonders wichtige Rolle spielt die I d e n t i t ä t s p r ü f u n g der beteiligten Personen (Beispiel im folgenden III 5). Bisweilen kommt es auch, z. B. bei Parzellierungen oder im Hypothekenverkehr zu R e c h n e r e i e n , bei denen ebenfalls größte Genauigkeit erfordert wird. 4. Wenn ausnahmsweise Fehler vorkommen, so steht dem davon Betroffenen ein „ W i d e r s p r u c h " und ein „ B e r i c h t i g u n g s v e r f a h r e n " zur Verfügung (Näheres § 14 III u. IV). Dazu tritt sichernd und ausgleichend die Haftung des Staates bei amtlich verschuldeten Fehlern: III. H a f t u n g d e s S t a a t e s b e i f e h l e r h a f t e n E i n tragungen. 1. Das Vertrauen auf die Richtigkeit des Grundbuchs ist das Fundament für den gesamten Grundstücks verkehr. Wenn daher, was freilich nur ganz selten vorkommt, eine E i n t r a g u n g i m G r u n d b u c h f a l s c h war und ein Staatsbürger dadurch S c h a d e n erlitten hat, kann er sich gegebenenfalls an den Staat mit seinem Ersatzanspruch halten. 2. G e s c h i c h t l i c h e r R ü c k b l i c k . Den Ausgangspunkt der Haftung bildete die p e r s ö n l i c h e H a f t u n g d e s G r u n d b u c h b e a m t e n selbst. Sie war in der alten Preuß. GBO. von 1872 im § 12 niedergelegt. Dazu trat 1900 der § 839 BGB. mit der a l l g e m e i n e n B e a m t e n h a f t u n g . Als dann das alte Reich sein Ende fand, setzte der Art. 131 der sog. Weimarer Verfassung von 1919 die H a f t p f l i c h t d e s S t a a t e s bei einer Amtspflichtverletzung eines Beamten an die erste Stelle, und gab dem Staat nur den R ü c k g r i f f g e g e n d e n B e a m t e n . Eine VO. v. 3.5.1935 schloß sich an und hob den alten § 12 GBO. als überflüssig auf. 3. Heute gilt das G r u n d g e s e t z (Bonner GG.) von 1949, das im Art. 34 an dem bisherigen Grundsatz festgehalten hat: Primäre Haftung des Staates, Rückgriff auf den Beamten nur, wenn den Beamten Vorsatz oder gr o b e Fahrlässigkeit trifft; bei leichter Fahrlässigkeit wird also der Grundbuchbeamte nicht haftbar gemacht. Beigesetzt ist im Art. 34 noch: „Für den Anspruch auf Scha-

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§ 10 IV. Öffentlichkeit des Grundbuchs

denersatz und für den Rückgriff darf der ordentliche Rechtsweg nicht ausgeschlossen werden." 4. B e i s p i e l : Beim Grundbuchamt erscheint der Hausbesitzer A. Er bringt den Kaufmann B. mit und bewilligt die Eintragung einer Hypothek von 8000 DM auf „seinem" Grundstück zu Gunsten des B. Die beiden waren Schwindler. A. ist gar nicht der Eigentümer des Hauses. Allerdings bis jetzt noch kein Schaden. Denn selbstverständlich kann der echte Herr A. den Schwindlern entgegenhalten, daß die inzwischen eingetragene Hypothek ungültig ist. Aber B. hat, dem ursprünglichen Plan entsprechend, die Hypothek sogleich an den g u t g l ä u b i g e n Professor C. verkauft und abgetreten. Damit ändert sich die Lage: C. ist rechtsgültiger Hypothekengläubiger geworden, kraft seines „guten Glaubens" (§892 BGB.; nachfolgend § 16 II) und kann als solcher von dem (echten) A. nicht nur fortlaufend die Zinsen, sondern auch später (nach Kündigung) Rückzahlung der Kapitalsumme verlangen. Dem A. bleibt zunächst der Schadensersatzanspruch gegen die beiden Betrüger (§ 823), der aber praktisch meist wertlos sein wird. Da eben springt der S t a a t in die Bresche. F r e i l i c h n u r , w e n n e i n Verschulden s e i n e s B e a m t e n v o r g e l e g e n h a t . So spitzt sich alles darauf zu, ob der Grundbuchrichter bei der I d e n t i t ä t s p r ü f u n g mit der nötigen Sorgfalt vorgegangen ist. Auch wenn ihm nur eine „leichte" Fahrlässigkeit unterlaufen ist, zahlt der Staat an A. den ganzen Schaden, während der Beamte wegen nur „leichter" Fahrlässigkeit vom Rückgriff des Staates verschont bleibt. IV. Ö f f e n t l i c h k e i t d e r B ü c h e r . Die Grundbücher sind nicht nur dazu bestimmt, der Behörde Einblick in den Stand der Grundstücksverhältnisse zu geben, sondern sie sollen die breite Unterlage für den gesamten Grundstücksverkehr bilden. Darum wird auch dem „Publikum" Einblick in die Bücher gewährt. Doch gilt das nicht für den Neugierigen, der etwa nur sehen möchte, wie stark der Grundstückseigentümer durch Hypotheken verschuldet ist. Einsicht (und Abschrift) wird vielmehr nur dem gestattet, der ein „ b e r e c h t i g t e s I n t e r e s s e " darlegt (GBO. § 12 der neuen Fassung). § 11. Die formale Eingliederung der Grundstücke in den Buchapparat Sehr viele Grundbücher sind d u r c h K r i e g s e i n w i r k u n g z e r s t ö r t , z. B. allein bei den Berliner Amtsgerichten 5400 Grundbücher mit 162 000 Grundbuchblättern (das Wort Blätter im Sinne der nachfolgenden Ziff. II 1 verstanden). Die Wiederherstellung war schwierig. Schon im Kriege erging eine VO. über die Wiederherstellung v. 26.7.1940 (RGBl. 11048). Nach dem Krieg langwährende Weiterarbeit.

§11 II. Grundbuch. Das Realfolium

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I. T e r r i t o r i a l e G l i e d e r u n g . Bei der hoch in die Hunderttausende gehenden Zahl der einzelnen „Grundstücke", die zusammen den deutschen Boden ausmachen, kann nicht ein einziges zentrales Grundbuch, etwa in der Reichshauptstadt geführt werden (oder Landeshauptstadt). Vielmehr ist Deutschland in eine große Zahl von „ G r u n d b u c h b e z i r k e n " zerlegt, die regelmäßig mit den Gemeindebezirken zusammenfallen (GBVfg. § 1), (ein Amtsgerichtsbezirk kann in mehrere Grundbuchbezirke zerfallen). II. D a s R e a l f o l i u m . 1. D e r G r u n d s a t z . Grundsätzlich bekommt jedes selbständige „Grundstück", mag es auch nur ein kleiner Acker sein, in seinem Bezirk ein eigenes „ G r u n d b u c h b l a t t " , damit man sofort feststellen kann, wie es rechtlich (Wer ist Eigentümer? Sind Belastungen da?) mit diesem Grundstück steht. Man nennt das Realfolium. B e i s p i e l : A. besitzt ein Haus in der Stadt, außerdem ein Wochenendgrundstück weit draußen vor den Toren, ferner aus einer Erbschaft eine Waldparzelle. Dann hat er auch drei „Grundbuchblätter" beim Amt. Auf jedem steht er als Eigentümer eingetragenAuf dem städtischen Hausgrundstück sind vielleicht außerdem zwei Hypotheken eingetragen, auf der Waldparzelle ein Wegerecht für die Dorfgemeinde, auf dem Wochenendgrundstück nichts. 2. Z u s a m m e n h a l t g e t r e n n t l i e g e n d e r Bodens t ü c k e . Daß getrennt liegende Bodenflächen zusammengenommen werden und als e i n „Grundstück" gelten, ist häufig der Fall. Wenn z. B. seit alters zu einem Bauernhof fünf verschiedene, auseinanderliegende Acker- oder Wiesenflächen gehören, so wird schon seinerzeit bei der ersten Anlegung des Grundbuchs das alles zusammengehalten und z usammen als d a s Grundstück eingetragen worden sein. 3. Dann ergreifen aber eben auch a l l e R e c h t s v e r h ä l t n i s s e e i n h e i t l i c h alle diese Flächen. Eine Hypothek lastet z.B. auf dem gesamten Komplex. Man sieht also, daß das Wort „Grundstück" nicht immer im natürlichen, sondern in einem formalen juristischen Sinne gebraucht wird: das, was juristisch zusammengehört, ist e i n Grundstück. III. Z u - u n d A b s c h r e i b u n g e n . 1. N e u e r w e r b von Grundstücken seitens eines Staatsbürgers, der schon ein Grundstück besitzt, ist keine Seltenheit. Bezüglich der grundbuchlichen Behandlung ergeben sich dann d r e i M ö g lichkeiten:

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§11 III. Grundbuch. Zu- und Abschreibungen — Entweder er v e r z i c h t e t a u f Z u s c h r e i b u n g . Dann bleibt das neu erworbene Grundstück selbständig auf seinem bisherigen Blatt; nur wird statt des bisherigen der neue Eigentümer eingetragen. Der Eigentümer wird diesen Weg z. B. wählen, wenn er daran denkt, die beiden Grundstücke später einmal getrennt voneinander zu verwerten, etwa den Neuerwerb allein wieder zu verkaufen. — Oder er kann das neue Grundstück a u f d a s a l t e B l a t t ü b e r t r a g e n lassen, dort a b e r a l s s e l b s t ä n d i g e s G r u n d s t ü c k weiterführen. Dann wird der Grundsatz des Realfoliums verlassen und statt dessen der Weg des P e r s o n a l f o l i u m s (IV) gewählt. — Oder das neue Grundstück wird auf das alte Blatt hinübergenommen, nicht aber, um es dort selbständig zu erhalten, sondern um es m i t d e m d o r t s c h o n s i t z e n d e n G r u n d s t ü c k z u v e r b i n d e n . Da also wieder Charakter des Realfoliums.

2. F ü r die dritte M e t h o d e d e r V e r b i n d u n g i m § 890 BGB. wieder z w e i W e g e . Entweder wirkliche „ V e r e i n i g u n g " (890 I) oder „ H i n z u s c h r e i b u n g a l s B e s t a n d t e i l " (890 II). Beides n u r statthaft, w e n n „hiervon V e r w i r r u n g n i c h t z u b e s o r g e n ist" (GBO. § 6 u. 7). 3. Das letztere zielt auf die B e l a s t u n g e n , z. B. Wegerechte, Hypotheken usw. Sie bleiben nämlich trotz der „Verbindung" g e t r e n n t . Lasten, die auf d e m alten Bestand ruhen, erfassen nicht das neue Bodenstück (Ausnahme f ü r Hypotheken bei dem zweiten Weg, § 1131). Und umgekehrt: Lasten, die auf d e m neuen Stück ruhen, greifen nicht auf den alten Bestand über. Wenn allerdings n a c h der Verbindung neue Belastungen begründet werden, so w e r d e n davon beide Stücke erfaßt. 4. A b s c h r e i b u n g e n . Ebenfalls häufig. Vor allem bei der Aufteilung von Gelände f ü r B a u z w e c k e oder im Zuge der „B o d e n r e f o r m": P a r z e l l i e r u n g . Die Vermessungen besorgt das Katasteramt. Dann wieder im Grundbuch zwei Wege: Entweder Übertragung der abgeschriebenen Stücke auf neue Blätter (Regel) oder Verbleib d e r getrennten Stücke auf dem alten Blatt. IV. D a s P e r s o n a l f o l i u m a l s A u s n a h m e . 1. G r u n d s a t z ist das Realfolium, f ü r jedes Grundstück ein eigenes Blatt, auch noch gewahrt bei den u n t e r III 2 geschilderten Zusammenschreibungen. Ausnahmsweise ist aber die U n t e r b r i n gung m e h r e r e r selbständiger Grundstücke auf e i n e m B l a t t zulässig. Wiederum nur, w e n n keine V e r w i r r u n g zu besorgen ist (GBO § 4). Was d a n n die m e h r e r e n zusammenhält, ist d i e P e r s o n d e s E i g e n t ü m e r s , d a r u m „Personalfolium".

§ 11 V. Grundbuch. Buchungsfreie Grundstücke

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2. R e c h t s l a g e . In dem oben II 1 gegebenen Beispiel könnte A. beim Grundbuchamt beantragen, daß das Wochenendhaus, vielleicht auch noch die Waldparzelle, auf sein wichtigstes Grundbuchblatt (Haus) hinübergenommen werden. Dann hat er seinen ganzen Besitz beieinander. Er könnte daran anschließend die „Vereinigung" oder „Hinzuschreibung als Bestandteil" beantragen (III 2). Dann wäre künftig nur e i n Grundstück da (Realfolium). Er kann aber auch die drei Grundstücke j e d e s f ü r s i c h ein Grundstück bleiben lassen. Eine solche isolierte Behandlung läßt ihm dann mehr Bewegungsfreiheit. Wenn er z. B. später Geldbedarf hat, kann er lediglich auf das Haus eine Hypothek aufnehmen; Wochenendgrundstück und Waldparzelle bleiben dann, obwohl auf demselben Blatte, unberührt von der Hypothek. V. B u c h u n g s f r e i e G r u n d s t ü c k e . Es ist nicht in das Belieben der Beteiligten, auch nicht in das Belieben des Grundbuchamts gestellt, ob ein Grundstück eingetragen werden soll oder nicht. Vielmehr besteht ein allgemeiner B u c h u n g s z w a n g . Doch hat sich der Gesetzgeber durch Erwägungen öffentlichrechtlicher Natur zu einigen Ausnahmen entschlossen. Nach § 3 GBO. sind buchungsfrei „die Grundstücke des Reichs (jetzt Grundstücke der DBR), der Länder, der Gemeinden und anderer Kommunalverbände, der Kirchen, Klöster und Schulen, die Wasserläufe, die öffentlichen Wege, sowie die Grundstücke, welche einem dem öffentlichen Verkehr dienenden Bahnunternehmen gewidmet sind". Dazu Urteil des RG. vom 19.8.1940 (Bd. 164 S.389): „Die GBO. will vielmehr ihrer Herrschaft grundsätzlich alle Grundstücke ihres Geltungsbereichs unterwerfen, wie § 3 mit den darin ausdrücklich vorgesehenen, aber s t r e n g z u b e u r t e i l e n d e n Ausnahmen ergibt. Es bedarf daher des besonderen Nachweises, wenn eine ihrer Vorschriften in einem Sonderfall als nicht anwendbar erkannt werden soll."

§ 12. Die innere Einrichtung der Bücher I. Z i e l . 1. Das Grundbuch soll ein S p i e g e l d e r R e c h t s l a g e sein, und zwar f ü r j e d e s e i n z e l n e G r u n d s t ü c k . Deshalb bekommt jedes einzelne Grundstück seinen eigenen Platz im Grundbuch. Er heißt in der Gesetzessprache „ G r u n d b u c h b l a t t " . 2. Dabei ist das Wort „Blatt" im bildlichen Sinne zu verstehen. In der Wirklichkeit handelt es sich um e i n e g a n z e R e i h e v o n B l ä t t e r n , so daß man eher von einem G r u n d b u c h h e f t reden müßte.

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§ 12 II. Das Grundbuch. Bestandsverzeichnis

3. N i c h t a l l e R e c h t s v e r h ä l t n i s s e , die das Grundstück betreffen, unterliegen der Eintragung. Vor allem bleiben die ö f f e n t l i c h r e c h t l i c h e n Dinge draußen (z. B. die Belastung mit Steuern). 4. Auch im Rahmen des Privatrechts gibt das Grundbuch n u r d i e s a c h e n r e c h t l i c h e L a g e wieder. Die „schuldrechtlichen" Vorgänge spielen sich dagegen außerhalb des Grundbuchs ab. So werden Mietverhältnisse und Pachtverhältnisse n i c h t in das Grundbuch aufgenommen. Anders das neue Wohnungs e i g e n t u m (unten § 32 VI). 5. Trotz dieser Beschränkungen kann die Rechtslage eines Grundstücks sehr vielgestaltig sein. Darum verlangt das Grundbuch eine feingegliederte Ordnung. Nach dem g e s e t z l i c h v o r g e s c h r i e b e n e n M u s t e r steht an der Spitze das B e s t a n d s v e r z e i c h n i s . Dann folgen die drei Abteilungen: 1. Eigentumsverhältnisse; Abteilung 2: Lasten und Beschränkungen, z. B. eine über das Grundstück führende Wegegerechtigkeit oder die Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des Eigentümers; Abteilung 3: Die Hypotheken und ähnliche geldmäßige Belastungen. D e r S t u d i e r e n d e tut gut, wenn er sich mit den in der Grundbuchverfügung (oben §9IV 6) b e i g e g e b e n e n Musterf o r m u l a r e n befreundet. Die beiden wichtigsten, ein voll ausgebautes Grundbuchblatt und ein Hypothekenbrief, sind h i n t e n i m A n h a n g des Lehrbuches abgedruckt. Im folgenden werden zunächst die Kopfleisten nach dem amtlichen Musterformular abgebildet. Aber daneben sind immer die a u s g e f ü l l t e n Blätter hinten im Anhang mit ihren Beispielen zu vergleichen. Dabei ist als s e h r w i c h t i g zu beachten, was die u n t e r p u n k t i e r t e n L i n i e n bedeuten. Darüber unten VI. II. D a s Bestandsverzeichnis. 1. Im Bestandsverzeichnis stellt sich das betreffende Grundstück gewissermaßen dem Leser vor. 2. Bestünde das Grundstück wirklich immer nur aus einer einzigen, in sich geschlossenen Fläche und bliebe in der Folgezeit alles unverändert, so braucht man nicht ein so verwickeltes Schema. Aber nicht selten bilden mehrere Flächenstücke zusammen ein Grundstück im Sinne des Grundbuchapparates (oben § 11 II 2); ausnahmsweise sogar mehrere s e l b s t ä n d i g e Grundstücke auf demselben Blatt (Personalfolium, oben § 11IV). Vor allem aber soll das Grundbuch durch die Jahre hindurch bis in die ferne Zukunft hinein alle Änderungen im Bestände, z. B. Zu- und Abschreibungen (oben § 1 1 III), widerspiegeln. Vgl. im Musterschema Spalte 5 bis 8.

§ 12 III. Grundbuch, Abteilung 1

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Bestandsverzeichnis Bezeichnung der Grundstücke und der mit dem Eigentum verbundenen Rechte Laufd. Nummer Bisherige der laufende Grund- Nummer stücke

1

2

Gemarkung

Karte

a

b

Steuerbücher

Wirtschaftsart und Lage

| c und d |

e

3

Bestand und Züsch reibungen

Größe

ha

a 4

qm

zur laufenden Nr. 5

Abschreibungen

zur laufenden Nr. |

6

7

8

3. Am anschaulichsten wäre die Beigabe einer g e o g r a p h i s c h e n K a r t e . Hier aber begnügt sich das Grundbuch mit V e r w e i s u n g e n a u f d e n K a t a s t e r (oben § 101 3; im Formular Spalte 3). In das K a t a s t e r v e r f a h r e n führt ein das Buch von David Hch. Richter, Das materielle und formelle deutsche Grundbuchrecht in seiner Beziehung zum Liegenschaftskatasterdienst, 1950.

4. Eine Eigentümlichkeit ist, daß dem „Bestände" nicht nur körperhafte Bodenflächen, sondern auch gewisse „ B e r e c h t i g u n g e n" hinzugezählt werden. Z. B. ein Wegerecht an dem angrenzenden Nachbargrundstück. Dieses Wegerecht wird dann mitgebucht (Überschrift der Spalte 3). In der Tat stellt ein solches Recht eine W e r t e r h ö h u n g dar, die durchaus in ein „Bestandsverzeichnis" hineingehört. HI. D i e l . A b t e i l u n g ( d e r A u s w e i s d e s E i g e n t u m s ) . 1. Hier stellt sich dem Leser der Eigentümer des betreffenden, vorher im Bestandsverzeichnis gekennzeichneten „Grundstücks" vor. 2. Wiederum werden a l l e s p ä t e r e n Ä n d e r u n g e n laufend gebucht. Danach kann man, wenn das Grundbuchblatt schon seit Jahrzehnten läuft, d a s W a n d e r n d e s G r u n d s t ü c k s von einer Hand in die andere verfolgen. 3. Allerdings werden in Spalte 4 regelmäßig nur ganz kurze Bemerkungen aufgenommen, etwa: „Aufgelassen am . . . und einge-

§ 12 IV. Grundbuch, Abteilung 2

€0

tragen am . . .", oder: „Eingetragen auf Grund des Erbscheins vom . . .". Näheres muß man dann aus den G r u n d a k t e n (nachfolgend VII) entnehmen. Erste Abteilung Laufende Nummer der Eintragungen 1

Eigentümer

Laufende Nummer der Grundstücke in Bestandsverzeichnis

Grundlage der Eintragungen

2

3

4

4. Spalte 3 berücksichtigt wieder 'die Möglichkeit, doch m e h r e r e Grundstücke auf einem Blatt unterzubringen. IV. D i e 2. A b t e i 1 u n g (Lasten und Beschränkungen). 1. Abteilung 2 bringt alle Lasten, die n i c h t Hypotheken usw. sind. Hierher gehören z. B bäuerliche Altenteile, sog. Vorkaufsrechte, Wegegerechtigkeiten, die Eröffnung des Konkurses über den Eigentümer, die Einsetzung eines Testamentsvollstreckers, auch sog. Vormerkungen (über diese § 13 III) und Widersprüche (§ 14 VI). Zweite Abteilung Laufende Nummer der Eintraffungen

1

Veränderungen

L a u f e n d e Nr. der betroffenen Grundstücke im Bestandsverzeichnis

Lasten und Beschränkungen

2

3

Lfd. Nt. der Spalte

Lfd. Nr. der Spalte

1