Satzungsdurchbrechung: Eine rechtsformübergreifende Studie unter besonderer Berücksichtigung des Beschlussmängelrechts [1 ed.] 9783428580439, 9783428180431

Die Diskussion über die Zulässigkeit der Satzungsdurchbrechung kommt nicht zur Ruhe. Christian Peterseim legt den Grund

151 84 2MB

German Pages 224 [225] Year 2020

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD FILE

Polecaj historie

Satzungsdurchbrechung: Eine rechtsformübergreifende Studie unter besonderer Berücksichtigung des Beschlussmängelrechts [1 ed.]
 9783428580439, 9783428180431

Citation preview

Abhandlungen zum Deutschen und Europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht Band 168

Satzungsdurchbrechung Eine rechtsformübergreifende Studie unter besonderer Berücksichtigung des Beschlussmängelrechts

Von

Christian Peterseim

Duncker & Humblot · Berlin

CHRISTIAN PETERSEIM

Satzungsdurchbrechung

Abhandlungen zum Deutschen und Europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht Herausgegeben von Professor Dr. Holger Fleischer, LL.M., Hamburg Professor Dr. Hanno Merkt, LL.M., Freiburg Professor Dr. Gerald Spindler, Göttingen

Band 168

Satzungsdurchbrechung Eine rechtsformübergreifende Studie unter besonderer Berücksichtigung des Beschlussmängelrechts

Von

Christian Peterseim

Duncker & Humblot · Berlin

Veröffentlicht mit finanzieller Unterstützung der Universität Passau

Die Juristische Fakultät der Universität Passau hat diese Arbeit im Jahre 2020 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2020 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: 3w+p GmbH, Rimpar Druck: CPI buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany ISSN 1614-7626 ISBN 978-3-428-18043-1 (Print) ISBN 978-3-428-58043-9 (E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meinen Eltern und Großeltern in Dankbarkeit gewidmet

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2019/2020 durch die Juristische Fakultät der Universität Passau als Dissertation angenommen. Damit geht eine ereignisreiche und prägende Zeit zu Ende, die in der Aufnahme des Studiums an jener Universität ihren Anfang nahm und nun am Lehrstuhl meines verehrten Doktorvaters, Herrn Prof. Dr. Holger Altmeppen, ihren glücklichen Abschluss gefunden hat. Während meiner Lehrstuhlzeit hat er mir nicht nur große Freiheiten gewährt, die das zügige Fortschreiten dieser Untersuchung ermöglichten. Vor allem hat er mich gelehrt, Althergebrachtes stets kritisch zu hinterfragen, Missständen entschieden entgegenzuwirken und die historischen Hintergründe einer Frage nie aus dem Blick zu verlieren – Prinzipien, die mich beim Verfassen dieser Arbeit begleitet und geleitet haben. Ihm bin ich zu größtem Dank verpflichtet. Herrn Prof. Dr. Michael Beurskens, LL.M. (Chicago), danke ich für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens und die darin enthaltenen, anregenden Hinweise. Für die Aufnahme der Arbeit in die Reihe der „Abhandlungen zum Deutschen und Europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht“ bin ich deren Herausgebern, den Herren Prof. Dr. Dr. h.c. Holger Fleischer, Prof. Dr. Hanno Merkt und Prof. Dr. Gerald Spindler, sehr verbunden. Der Universität Passau sei für die Gewährung einer großzügigen Druckkostenförderung gedankt, Frau Anita Schiele, LL.M. (Cantab.), Herrn Max Hirschfeld und Herrn Lorenz Walbrunn für die tatkräftige Unterstützung beim Korrekturlesen. Das Manuskript wurde im Oktober 2019 fertiggestellt. Nachfolgend erschienene Rechtsprechung und Literatur konnten zum Teil noch in den Fußnoten Berücksichtigung finden. Berlin, im April 2020

Christian Peterseim

Inhaltsverzeichnis Kapitel 1 Einleitung

23

A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 B. Gang der Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24

Kapitel 2 Begriffsbestimmung zur Einordnung der Problematik

25

A. Etymologie und historischer Kontext . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 I. Verfassungsdurchbrechung in der öffentlich-rechtlichen Dogmatik der WRV 26 II. Übertragbarkeit auf die Verfassungen der Verbände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 B. Heutiges Begriffsverständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 I. Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 II. Relevanz der Art des Satzungsbestandteils für die Satzungsdurchbrechung

29

C. Abgrenzung der Satzungsdurchbrechung von terminologisch oder inhaltlich ähnlichen Phänomenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 I. Sog. „faktische Satzungsänderung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 II. Satzungswidrige Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 III. Satzungsauslegende Beschlüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 IV. Öffnungsklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 V. Schuldrechtliche Nebenabreden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 VI. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35

Kapitel 3 Stand der Diskussion

37

§ 1 Meinungsstand zur Satzungsdurchbrechung im Recht der GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . 37 A. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37

10

Inhaltsverzeichnis B. Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 I. Verzicht zumindest auf das Eintragungserfordernis gem. § 54 Abs. 1 S. 1 GmbHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 1. Bei geringer Bedeutung für Gesellschaft oder Dritte . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 a) Ansicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 b) Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 2. Bei lediglich „punktuell“ wirkenden Beschlüssen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 a) Ansicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 b) Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 3. Je nach Art des betroffenen Satzungsbestandteils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 a) Ansicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 b) Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 II. Kein Dispens von den Anforderungen nach §§ 53 f. GmbHG . . . . . . . . . . . . . 44 1. Als Folge der ratio legis des § 54 Abs. 3 GmbHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 a) Ansicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 b) Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 2. Als Folge des Anwendungsbereichs der §§ 53 f. GmbHG . . . . . . . . . . . . . . 48 a) Ansicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 b) Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 III. Voller Dispens von den Anforderungen nach §§ 53 f. GmbHG . . . . . . . . . . . . 49 1. Als Folge des Ausschlusses der Einzelfallsatzungsänderung . . . . . . . . . . . . 49 2. Als Folge eines Verständnisses als einfacher, anfechtbarer Beschluss . . . . 49 a) Ansicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 b) Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 IV. Dispens je nach Fallgruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 1. Ansicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 2. Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 V. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 C. Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 I. Höchstrichterliche Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 1. Entscheidungen vor BGHZ 123, 15 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 a) RGZ 81, 368 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 b) BGHZ 32, 17 = BGH NJW 1960, 866 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 c) BGH ZIP 1981, 1205 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 d) BGH NJW-RR 1991, 926 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 2. BGHZ 123, 15 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 II. Weitere Entwicklung der (obergerichtlichen) Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . 66 D. Ergebnis zum Meinungsstand in der GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67

§ 2 Meinungsstand zur Satzungsdurchbrechung im Aktienrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 A. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68

Inhaltsverzeichnis

11

B. Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 I. Unwirksamkeit jedweder Satzungsdurchbrechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 1. Objektiver Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 2. Einschränkung mittels subjektiver Kriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 II. Differenzierung nach dem Beschlussinhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 III. Anfechtbarkeit punktueller Satzungsdurchbrechungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 C. Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 D. Ergebnis zum Meinungsstand im Aktienrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 § 3 Meinungsstand zur Satzungsdurchbrechung im Vereinsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 A. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 B. Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 I. Unwirksamkeit jeglicher Satzungsdurchbrechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 II. Wirksamkeit von punktuell wirkenden Satzungsdurchbrechungen . . . . . . . . . 77 C. Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 D. Ergebnis zum Meinungsstand im Vereinsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 § 4 Meinungsstand zur „Satzungsdurchbrechung“ in Personengesellschaften . . . . . . . . . 80 A. Überblick und Begriffsbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 I. Einordnung der Vertragsdurchbrechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 II. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 B. Anerkennung der Möglichkeit einer Vertragsdurchbrechung . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 I. Zulässigkeit im Grundsatz und Voraussetzungen im Besonderen . . . . . . . . . . 81 1. Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 2. Vertragsdurchbrechung nur bei Einstimmigkeit? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 3. Einstimmigkeit zur Durchbrechung von Formvorschriften? . . . . . . . . . . . . 83 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 II. Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 C. Ergebnis zum Meinungsstand bei Personengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85

Kapitel 4 Die Zulässigkeit von Satzungsdurchbrechungen

86

§ 1 Die Zulässigkeit der Satzungsdurchbrechung als Frage des allgemeinen Verbandsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 A. Grundlegung: Satzungsdurchbrechungen im allgemeinen Verbandsrecht . . . . . . . 86 I. Ansichten in Rechtsprechung und Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 1. Nichtigkeitsdogma (h.M.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 2. Neuere Ansichten im Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87

12

Inhaltsverzeichnis II. Unwirksamkeit der Satzungsdurchbrechung als Folge der Verletzung des übergeordneten Geltungsanspruchs des Statuts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 1. Verletzung des Geltungsanspruchs in Personengesellschaften . . . . . . . . . . . 89 2. Verletzung des übergeordneten Geltungsanspruchs in Körperschaften und körperschaftlich strukturierten Personengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . 91 a) Begriffsbestandteile der Rechtsnorm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 aa) Abstrakte Geltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 bb) Generelle Geltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 cc) „Heteronome“ Geltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 dd) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 b) Konsequenzen für die Wirksamkeit der Satzungsdurchbrechung . . . . . . 98 aa) Grundsätzliche Behandlung konfligierender Rechtsquellen . . . . . . . 98 bb) Konsequenz für den Konflikt Statut – Beschluss . . . . . . . . . . . . . . . 100 cc) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 B. Exkurs: „Rahmenwirkung der Verfassung“ als rechtstheoretisches Begründungsmodell für Folgen von Normkonflikten im öffentlichen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . 102

§ 2 Die Zulässigkeit der Satzungsdurchbrechung in der Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . 103 A. Einordnung der Satzungsdurchbrechung in das Beschlussmängelrecht (§§ 241 ff. AktG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 I. Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 II. Beschlussmängelrechtliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 III. Nichtigkeit (§ 241 AktG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 1. Infolge formeller Mängel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 a) Fehlende Beurkundung, § 241 Nr. 2 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 b) Weitere formelle Mängel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 2. Infolge inhaltlicher Mängel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 IV. Anfechtbarkeit (§ 243 Abs. 1 AktG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 1. Grundsätzliche Anfechtbarkeit jedweder Satzungsdurchbrechung . . . . . . . 106 2. Nichtgeltung von § 243 Abs. 1 AktG? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 a) Im Wege der teleologischen Reduktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 b) Durch Etablierung einer eigenen „Beschlusskategorie“ . . . . . . . . . . . . . 107 c) Privilegierte Satzungsänderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 aa) Notarielle Beurkundung, § 130 Abs. 1 S. 1 AktG . . . . . . . . . . . . . . . 109 bb) Qualifizierte Mehrheit, § 179 Abs. 2 S. 1 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . 111 (1) Fehlen eines trennscharfen Abgrenzungskriteriums . . . . . . . . . . 111 (2) Systematische Unvereinbarkeit von teleologischer Reduktion und der Bedeutung korporativer Satzungsbestandteile . . . . . . . . 113 (a) Zwingend korporative Satzungsbestandteile . . . . . . . . . . . . . 113 (b) Indifferente Satzungsbestandteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114

Inhaltsverzeichnis

13

(3) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 cc) Registereintragung, § 181 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 (1) Umfang des Publizitätsinteresses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 (2) Zusammenhang zwischen der Art des Satzungsbestandteils und der Erforderlichkeit einer Eintragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 (a) Zwingend korporative Satzungsbestandteile . . . . . . . . . . . . . 119 (b) Indifferente Satzungsbestandteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 (3) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 dd) Sonstige Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 d) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 V. Folgen für den mangelhaften Beschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 1. Differenzierung nach subjektiven Kriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 2. Differenzierung nach objektiven Kriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 a) Grundlegendes Kriterium: Reichweite des Beschlussinhalts . . . . . . . . . 124 aa) Explizite Satzungsänderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 bb) Implizite Satzungsänderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 b) Fälle der impliziten Einzelfallabweichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 aa) Abweichungen von zwingend individuellen Satzungsbestandteilen 126 bb) Abweichungen von zwingend korporativen Satzungsbestandteilen

126

cc) Abweichungen von indifferenten Satzungsbestandteilen . . . . . . . . . 128 (1) Systemwidrigkeit anfechtbarer Abweichungen . . . . . . . . . . . . . . 128 (2) Vorrang des Anfechtungsrechts nach § 243 Abs. 1 AktG . . . . . . 129 3. Ergebnis zu der Frage der Anfechtbarkeit des mangelhaften Beschlusses 131 B. Gesamtergebnis zur Möglichkeit der Satzungsdurchbrechung in der AG . . . . . . . 131 § 3 Die Zulässigkeit der Satzungsdurchbrechung in der GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 A. Differenzen zwischen GmbH und AG hinsichtlich Struktur und gesetzlicher Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 I. Regelungsunterschiede . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 1. Beschlussmängelrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 2. Vorschriften über die Satzungsänderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 3. Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 II. Konzeptionelle Unterschiede und Gemeinsamkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 1. Körperschaftliche Struktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 2. Satzungsautonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 3. Organisationsverfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 4. Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136

14

Inhaltsverzeichnis B. Bedeutung dieser Differenzen für die Zulässigkeit der Satzungsdurchbrechung in der GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 I. Auswirkungen im Hinblick auf eine privilegierte Satzungsänderung . . . . . . . 137 1. Notarielle Beurkundung, § 53 Abs. 2 S. 1 Hs. 1 GmbHG . . . . . . . . . . . . . . 137 a) Zwingend korporative Satzungsbestandteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 b) Indifferente Satzungsbestandteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 2. Mehrheit, § 53 Abs. 2 S. 1 Hs. 2 GmbHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 3. Eintragung, § 54 GmbHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 II. Auswirkungen im Hinblick auf die beschlussmängelrechtliche Behandlung der Abweichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 1. Ausschluss der Anfechtbarkeit bei der Abweichung von zwingend korporativen Satzungsbestandteilen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 2. Ausschluss der Anfechtbarkeit bei der Abweichung von indifferenten Satzungsbestandteilen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 C. Ergebnis zur Zulässigkeit der Satzungsdurchbrechung im GmbH-Recht . . . . . . . . 141

§ 4 Die Zulässigkeit der Satzungsdurchbrechung im Verein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 A. Einordnung der Satzungsdurchbrechung ins Beschlussmängelrecht des Vereins 142 I. Anwendbarkeit der §§ 241 ff. AktG? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 1. Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 a) Anwendung des allgemeinen Beschlussmängelrechts (h.M.) . . . . . . . . . 143 b) Anwendung der §§ 241 ff. AktG analog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 2. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 II. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 B. Behandlung der Satzungsdurchbrechung im Vereinsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 I. Dogmatische Einordnung im Lichte des vereinsrechtlichen Beschlussmängelrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 II. Satzungsdurchbrechung als privilegierte Änderung der Vereinssatzung . . . . . 146 1. Keine Privilegierung von Beschlüssen mit abstrakt-genereller Wirkung und expliziter Einzelfalländerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 2. Implizite Einzelfallabweichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 a) Mehrheitsanforderung, § 33 Abs. 1 S. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 b) Eintragung, § 71 Abs. 1 S. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 III. Weitere Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 1. Anforderungen an die Einladung zur Mitgliederversammlung (§ 32 Abs. 1 S. 2 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 2. Abweichung von statutarischen Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 a) Abweichende Mehrheitserfordernisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 b) Form- und Verfahrensbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155

Inhaltsverzeichnis

15

IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 § 5 Die Zulässigkeit der „Satzungsdurchbrechung“ in den Personengesellschaften . . . . . 158 A. Einordnung der Vertragsdurchbrechung in das Beschlussmängelrecht der Personengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 I. Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 1. Anwendung des spezifischen Beschlussmängelrechts (h.M.) . . . . . . . . . . . 159 2. Anwendung der §§ 241 ff. AktG im Recht der Personengesellschaften . . . 160 II. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 B. Behandlung der „Satzungsdurchbrechung“ im Personengesellschaftsrecht . . . . . . 162 I. Unwirksamkeit in der Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 II. Dennoch: vorwiegende Wirksamkeit in der Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 1. Unter Geltung des Einstimmigkeitsprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 a) Formlose Vertragsdurchbrechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 b) Strengere Anforderungen bei statutarischen Formerfordernissen? . . . . . 164 c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 2. Zusammenfallen der Beschluss- und Vertragsänderungsquoren . . . . . . . . . 167 3. Auseinanderfallen der Beschluss- und Vertragsänderungsquoren . . . . . . . . 167 a) Mehrheitsanforderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 b) Formanforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168

Kapitel 5 Erhaltung und Ermöglichung satzungsdurchbrechender Beschlüsse

170

§ 1 Heilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 A. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 B. Umfang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 I. Körperschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 1. Nichterreichen der satzungsändernden Mehrheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 2. Ladungs- und Beurkundungsmängel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 3. Verstoß gegen die zu durchbrechende Bestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 II. Personengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 C. Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 § 2 Umdeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 A. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 I. Relevanz im Kontext der Satzungsdurchbrechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 II. Beurteilung der Zulässigkeit in Rechtsprechung und Schrifttum . . . . . . . . . . . 174

16

Inhaltsverzeichnis B. Voraussetzungen der Umdeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 I. Vorrang der Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 II. Nichtiges Rechtsgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 1. Rechtsgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 2. Nichtigkeit des ursprünglichen Rechtsgeschäfts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 a) Grundsätzliche Nichtigkeit satzungsdurchbrechender Beschlüsse . . . . . 176 b) Ausschluss der Umdeutung wegen Heilbarkeit des Beschlusses? . . . . . . 177 III. Wirksamkeit des Ersatzgeschäfts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 1. Ersatzgeschäft als Entsprechung des nichtigen Rechtsgeschäfts . . . . . . . . . 178 2. Bestehen der Gültigkeitsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 a) Voraussetzungen des Ersatzgeschäfts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 b) Zulässigkeit des Ersatzgeschäfts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 aa) Abweichung von korporativen Satzungsbestandteilen . . . . . . . . . . . 180 bb) Abweichungen von indifferenten und von individuellen Satzungsbestandteilen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 (1) Indifferente Satzungsbestandteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 (2) Individuelle Satzungsbestandteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 IV. Subjektive Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 1. Hypothetischer Wille der beteiligten Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 2. Keine Kenntnis der Nichtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 C. Relevanz der Umdeutung für „Satzungsdurchbrechungen“ in Personengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 D. Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187

§ 3 Öffnungsklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 A. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 B. Entwicklung der Rechtsprechung und Echo in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 I. Rechtsprechung des Reichsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 II. Frühere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 III. Obergerichtliche Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 IV. Die Entscheidungen des Kammergerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 1. Gegenstand der Entscheidung und tragende Gründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 2. Aufnahme der Entscheidungen des Kammergerichts im Schrifttum . . . . . . 192 3. Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 V. Die Entscheidung des BGH vom 02. 07. 2019 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 1. Tragende Gründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 2. Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 C. Die Zulässigkeit von Öffnungsklauseln als Frage des Satzungsvorbehalts . . . . . . 195 I. Zusammenhang zwischen Satzungsvorbehalt und Öffnungsklausel . . . . . . . . 195

Inhaltsverzeichnis

17

II. Signifikanz der Regelungstiefe und der Art des Satzungsbestandteils für die Erfüllung des Satzungsvorbehalts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 III. Anwendungsbeispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 1. Einrichtung eines fakultativen Aufsichtsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 2. Vergütung der Aufsichtsratsmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 IV. Weitere Lösungsmöglichkeit: Auslegung der „Öffnungsklausel“ . . . . . . . . . . 199 D. Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200

Kapitel 6 Zusammenfassung in Thesen

202

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222

Abkürzungsverzeichnis a.A. a.a.O. Abs. AcP a.E. AG AktG allg. Anh. Anm. AöR Art. ARUG II AT Aufl. BAG BauGB BayObLG BayObLGZ BB Bd. BeckRS Begr. Beschl. BFHE BGB BGBl. BGH BGHZ BKR bspw. BT-Drs. BVerwG bzw. DB ders. d. h. dies. Diss. DJZ

anderer Ansicht, anderer Auffassung am angegebenen Ort Absatz Archiv für die civilistische Praxis (Zeitschrift) am Ende Aktiengesellschaft; Amtsgericht; Die Aktiengesellschaft (Zeitschrift) Aktiengesetz allgemein, allgemeine Anhang Anmerkung, Anmerkungen Archiv des öffentlichen Rechts (Zeitschrift) Artikel Gesetz zur Umsetzung der zweiten Aktionärsrechterichtlinie Allgemeiner Teil Auflage Bundesarbeitsgericht Baugesetzbuch Bayerisches Oberstes Landesgericht Entscheidungen des Bayerischen Obersten Landesgericht in Zivilsachen (Amtliche Sammlung) Betriebs-Berater (Zeitschrift) Band beck.online Rechtsprechung Begründung Beschluss Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (Amtliche Sammlung) Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen (Amtliche Sammlung) Zeitschrift für Bank- und Kapitalmarktrecht beispielsweise Bundestagsdrucksache Bundesverwaltungsgericht beziehungsweise Der Betrieb (Zeitschrift) derselbe das heißt dieselbe, dieselben Dissertation Deutsche Juristenzeitung (Zeitschrift)

Abkürzungsverzeichnis DNotZ DStR dt. ebd. Einl. ErbR e.V. EWiR f. ff. FGPrax Fn. FS G. GbR gem. GG ggf. GmbH GmbHG GmbHR GmbH-StB GO grds. GWR h.A. Habil. HGB h.L. h.M. Hrsg. hrsg. Hs. i. d. F. i. d. R. i.E. i.S.d. i.Ü. i.V.m. JA Jbl JW Kap. KG krit. LAG LG LM

Deutsche Notar-Zeitschrift Deutsches Steuerrecht (Zeitschrift) deutsch ebenda Einleitung Zeitschrift für die gesamte erbrechtliche Praxis eingetragener Verein Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht (Zeitschrift) die angegebene und die folgende Seite die angegebene und die beiden folgenden Seiten Praxis der Freiwilligen Gerichtsbarkeit (Zeitschrift) Fußnote Festschrift Gesetz Gesellschaft bürgerlichen Rechts gemäß Grundgesetz gegebenenfalls Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung Die GmbH-Rundschau (Zeitschrift) GmbH-Steuerberater (Zeitschrift) Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern grundsätzlich Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht (Zeitschrift) herrschende Ansicht Habilitation Handelsgesetzbuch herrschende Lehre herrschende Meinung Herausgeber herausgegeben Halbsatz in der Fassung in der Regel im Ergebnis im Sinne des im Übrigen in Verbindung mit Juristische Arbeitsblätter (Zeitschrift) Juristische Blätter (Zeitschrift) Juristische Wochenschrift (Zeitschrift) Kapitel Kommanditgesellschaft; Kammergericht kritisch Landesarbeitsgericht Landgericht Lindenmaier-Möhring – Kommentierte BGH-Rechtsprechung

19

20

Abkürzungsverzeichnis

m. Anm. mit Anmerkungen MDR Monatsschrift für Deutsches Recht MittBayNot Mitteilungen des Bayerischen Notarvereins, der Notarkasse und der Landesnotarkammer Bayern (Zeitschrift) MittRhNotK Mitteilungen der Rheinischen Notarkammer (Zeitschrift) m.w.N. mit weiteren Nachweisen NJW Neue Juristische Wochenschrift (Zeitschrift) NJW-RR Neue Juristische Wochenschrift – Rechtsprechungs-Report Zivilrecht (Zeitschrift) npoR Zeitschrift für das Recht der Non Profit Organisationen Nr. Nummer, Nummern NVwZ Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht NZG Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht o. oben OHG offene Handelsgesellschaft OLG Oberlandesgericht OLG-NL OLG-Rechtsprechung Neue Länder Reg-E Regierungsentwurf RG Reichsgericht RGZ Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen (Amtliche Sammlung) Rn. Randnummer, Randnummern RNotZ Rheinische Notar-Zeitschrift ROHG Reichsoberhandelsgericht ROHGE Entscheidungen des Reichsoberhandelsgerichts (Amtliche Sammlung) Rpfleger Der Deutsche Rechtspfleger (Zeitschrift) Rspr. Rechtsprechung RV Verfassung des Deutschen Reichs 1871 Rz. Randziffer, Randziffern S. Seite, Seiten; siehe s. siehe SpuRt Zeitschrift für Sport und Recht s.r.l. società a responsabilità limitata str. umstritten u. unten; und Urt. Urteil u. a. unter anderem; und andere; und andernorts v. von, vom v. a. vor allem Var. Variante vgl. vergleiche VRV Vereinsregisterverordnung WEG Gesetz über das Wohnungseigentum und das Dauerwohnrecht WiB Wirtschaftliche Beratung (Zeitschrift) WM Wertpapier-Mitteilungen – Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht WPg Die Wirtschaftsprüfung (Zeitschrift) WRV Weimarer Reichsverfassung WuB Entscheidungsanmerkungen zum Wirtschafts- und Bankrecht (Zeitschrift) z. B. zum Beispiel

Abkürzungsverzeichnis ZGR ZHR ZIP ZPO ZStV zugl.

21

Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Zivilprozessordnung Zeitschrift für Stiftungs- und Vereinswesen zugleich

Ergänzend wird auf Kirchner, Hildebert (Begr.), Böttcher, Eike (Bearb.), Kirchner – Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, 9. Aufl., Berlin 2018, verwiesen.

Kapitel 1

Einleitung A. Einführung Die seit nunmehr über achtzig Jahren1 geführte Diskussion um die Zulässigkeit satzungsdurchbrechender Beschlüsse reißt nicht ab. Erst kürzlich hatte die Rechtsprechung erneut zur Satzungsdurchbrechung und zu den mit dieser eng in Zusammenhang stehenden Öffnungsklauseln zu entscheiden.2 Auch im Schrifttum ist die Problematik noch immer Gegenstand reger Auseinandersetzung.3 Nichtsdestotrotz: „Eine befriedigende, widerspruchsfreie Lösung ist bislang nicht gefunden.“4 Dabei besitzt die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen Gesellschafter für einen Einzelfall formlos von Satzungsbestimmungen abweichen dürfen, höchste Praxisrelevanz. Zur Anpassung an sich ständig verändernde Umstände ist eine flexible, unkomplizierte und kostengünstige Handhabe der Satzung für Gesellschafter von großem Interesse.5 Die Satzungsdurchbrechung als reines Praxisproblem zu verstehen, griffe jedoch zu kurz. Die Diskussion wirft grundlegende gesellschaftsrechtliche Fragen auf. Wieweit reicht die Befugnis der einfachen Mehrheit, die Gesellschaftergesamtheit zu binden? Worüber sollte das Handelsregister Auskunft geben? Spielt die Rechtsform der Gesellschaft bei der Beurteilung solcher Fragen eine Rolle? Daneben stellen sich systematische Fragen. Wie ist das Verhältnis zu bestimmen zwischen den Vorschriften über die Satzungsänderung und dem Beschlussmängelrecht? Welche Bedeutung kommt hierbei der Privatautonomie der Gesellschafter zu? Frucht und Folge der intensiven Auseinandersetzung mit diesen Fragen ist ein Meinungsstand von erheblicher Komplexität. Eine Untersuchung, die sich dem Thema erneut widmet, hat daher mit einer gründlichen Standortbestimmung zu beginnen. Die Entwicklung der Rechtsfigur „Satzungsdurchbrechung“ zu erforschen, sie einzuordnen und abzugrenzen, ist dabei ein erster Schritt. Zu folgen hat 1

Beginnend mit Ueberfeldt, Satzungsdurchbrechung (1934). BGH NJW 2019, 3155; OLG Köln NZG 2019, 306. 3 S. bspw. Selentin, NZG 2020, 292; Pöschke, WPg 2019, 533; Leuschner, ZHR 180 (2016), 422 ff. 4 Henssler/Strohn/Gummert, § 53 GmbHG Rn. 9. 5 S. bereits Ueberfeldt, Satzungsdurchbrechung, S. 14; Scholz/Priester, § 53 Rn. 27; s. auch BGH NJW 2019, 3155, 3161. 2

24

Kap. 1: Einleitung

eine umfassende Durchleuchtung des Meinungsspektrums, um den gegenwärtigen Diskussionsstand festzustellen. Eine umfassende Kritik der bisher propagierten Lösungen bietet Ausgangspunkt und Grundlage für weitere Betrachtungen. Hilfreich erscheint dabei weniger die Erörterung von Detailfragen als die Entwicklung eines Konzepts, mit dessen Hilfe grundsätzliche Aussagen zur Zulässigkeit von Satzungsdurchbrechungen formuliert werden können. Daran anknüpfend lässt sich die Rechtslage in einzelnen Gesellschaftsformen unter Beachtung der jeweiligen Besonderheiten eruieren. Soweit diese Analyse ergibt, dass Satzungsdurchbrechungen unwirksam sind, gewinnt die Frage Bedeutung, wie sich der gewünschte Effekt einer wirksamen Abweichung von Satzungsbestimmungen für einen Einzelfall auf andere Weise erreichen lassen könnte. Aus diesen Überlegungen ergibt sich die Struktur der vorliegenden Schrift.

B. Gang der Darstellung Was konkret den Gegenstand der Diskussion bildet, was genau unter einer „Satzungsdurchbrechung“ zu verstehen und wovon sie abzugrenzen ist, klärt Kapitel 2. Sodann soll das Meinungsbild nach Rechtsform rechtsfolgenorientiert aufgegliedert und einer eingehenden Kritik unterzogen werden (Kapitel 3). Ist der Ausgangspunkt damit bestimmt, kann der Versuch einer Fortentwicklung begonnen werden. Dazu widmet sich die Arbeit der Frage, wie mit satzungsdurchbrechenden Beschlüssen allgemein, als Problem des allgemeinen Verbandsrechts, umzugehen wäre. Auf diesem Grundstein kann die nachfolgende Untersuchung zur Zulässigkeit von Satzungsdurchbrechungen in den einzelnen Rechtsformen aufbauen (Kapitel 4). Sofern dem Versuch, die Satzung zu durchbrechen, kein Erfolg beschieden ist, fragt sich, ob und wie dem Ziel der Gesellschafter, von einer Bestimmung des Statuts im Einzelfall wirksam abzuweichen, anderweitig zum Erfolg verholfen werden kann (Kapitel 5). Die Untersuchung schließt mit einer Zusammenfassung in Thesen (Kapitel 6).

Kapitel 2

Begriffsbestimmung zur Einordnung der Problematik A. Etymologie und historischer Kontext Werner Ueberfeldt entwickelte den Begriff „Satzungsdurchbrechung“ in seiner im Jahre 1934 erschienenen und unter Hans Carl Nipperdey verfassten Dissertation „Satzungsänderung und Satzungsdurchbrechung im Vereinsrecht und Aktienrecht“.1 Inspiriert durch empirische Beobachtungen des tatsächlichen Vereinslebens einerseits2 und der Dogmatik zur „Verfassungsdurchbrechung“ im Recht der Weimarer Reichsverfassung (WRV) andererseits3 warf er die Frage auf, ob neben den, so von ihm verstandenen, zwei Formen der Abweichung von der Satzung, Satzungsverletzung und Satzungsänderung, eine dritte Kategorie der „Satzungsdurchbrechung“ anzuerkennen sei.4 Darunter fasste Ueberfeldt „die Außerkraftsetzung einer generellen Satzungsbestimmung für einen Einzelfall unter Fortgeltung dieser Satzungsnorm im übrigen“.5 Die Dogmatik zur Verfassungsdurchbrechung sollte dabei zugleich dem „Beweis“ seiner These dienen, dass eine solche Satzungsdurchbrechung entsprechend möglich sei. Nun unterscheiden sich aber die „Verfassung“ einer Körperschaft und die eines Staates doch erheblich. Ausgehend vom historischen Kontext: Ist eine Satzungsdurchbrechung noch heute im Hinblick auf das Verfassungsrecht zu rechtfertigen oder ist dieser historische Ursprung heute ohne Relevanz für die Begründung der Satzungsdurchbrechung? Und was sagt dies über die argumentative Schlüssigkeit dieser Rechtsfigur aus? Im Folgenden wird kurz die Rechtslage in der Weimarer Republik dargestellt, um die von Ueberfeldt propagierte Äquivalenz sodann einer kritischen Würdigung zu unterziehen.

1

Ueberfeldt, Satzungsdurchbrechung, S. 9 ff. Der Autor ist, soweit ersichtlich, außer mit einer Veröffentlichung zu „Bismarck und das Recht der Arbeit“ (Leipzig 1940) publizistisch nicht weiter in Erscheinung getreten. 2 Ueberfeldt, a.a.O., S. 14. 3 Ueberfeldt, a.a.O., S. 19 ff. 4 Ueberfeldt, a.a.O., S. 9 f. 5 Ueberfeldt, a.a.O., S. 10, 18 f.

26

Kap. 2: Begriffsbestimmung zur Einordnung der Problematik

I. Verfassungsdurchbrechung in der öffentlich-rechtlichen Dogmatik der WRV Während der Geltung der WRV war anerkannt, dass ein mit der Verfassung im Widerspruch stehendes Gesetz gleichwohl wirksam war, wenn es mit verfassungsändernder Mehrheit zustande gekommen war.6 Ein Bewusstsein der Beschlussfassenden über die Abweichung war ebenso entbehrlich wie die Kenntlichmachung des Gesetzes selbst als ein von der Verfassung abweichendes.7 Eine Textänderung, wie sie das Grundgesetz in Art. 79 Abs. 1 GG verlangt, erforderte die WRV, wie schon die ältere Reichsverfassung von 1871 zuvor, nach ihrem Wortlaut nicht.8 Nach überwiegender Ansicht war auch aus Gründen der Rechtsklarheit ein solches Gebot nicht abzuleiten.9 In der Folge ergab sich das jeweils geltende Verfassungsrecht nicht notwendig aus der Verfassungsurkunde, sondern musste unter Umständen mühsam kompiliert werden. Der daraus resultierende Mangel an „Verfassungsklarheit“ bewegte die Entwurfsverfasser des Herrenchiemseer Konvents und, im Anschluss daran, den Parlamentarischen Rat dazu, das in Art. 79 Abs. 1 GG statuierte Textänderungsgebot einzuführen.10

II. Übertragbarkeit auf die Verfassungen der Verbände Eine Durchbrechung der Verfassung, wie sie Ueberfeldt zum Beweis seiner These heranzieht, ist nach geltendem Verfassungsrecht also nicht mehr möglich. Das Grundgesetz enthält damit, was in Bezug auf GmbH, AG und Verein durch §§ 54 Abs. 1 GmbHG, 181 Abs. 1 AktG, 71 Abs. 1 BGB gewissermaßen schon längst Rechtslage war.11 Das Argument vermeintlicher Äquivalenz und Übertragbarkeit geht aus heutiger Sicht also doppelt fehl: Nicht nur ist die Dogmatik zum WRV-Recht als Ausgangspunkt und Grundlage der Satzungsdurchbrechung entfallen, bereits das 6 RG JW 1927, 2198; Anschütz/Thoma/W. Jellinek, Staatsrecht Bd. II, S. 187 f.; Anschütz, WRV Art. 76 Anm. 2; zur Reichsverfassung von 1871 bereits Laband, Staatsrecht II, S. 38 ff.; Meyer/Anschütz, Staatsrecht, S. 689 f.; dagegen Preuß, DJZ 1924, 649, 653 f.; Loewenstein, Verfassungsänderung, S. 93 ff.; krit. auch G. Jellinek, Verfassungsänderung, S. 6. 7 Für Regierungsvorlagen sollte seit 1924 angeben werden, dass die Vorgaben für eine Verfassungsänderung beachtet wurden; mithin wäre der verfassungsdurchbrechende Charakter deutlich geworden. Da das Gesetz aber auch ohne eine solche Anzeige wirksam war, kam es häufig zu sog. „stillschweigenden Verfassungsdurchbrechungen“, s. Anschütz/Thoma/ W. Jellinek, Staatsrecht Bd. II, S. 188. 8 Vgl. Art. 78 RV 1871 bzw. Art. 76 WRV; s. auch Maunz/Dürig/Herdegen, Art. 79 Rn. 21. 9 Heute wird das Textänderungsgebot zum Teil als durch das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) geboten betrachtet (so beispielsweise BonnKommGG/Hoffmann, Art. 79 Abs. 1 u. 2 Rn. 10 ff.; Ehmke, AöR 79 (1953/54), 385, 394 f., 397, 416 ff.), teilweise nicht, s. Maunz/Dürig/Herdegen, Art. 79 Rn. 26 f.; Dreier/Dreier, Art. 79 Abs. 1 Rn. 27. 10 Maunz/Dürig/Herdegen, Art. 79 Rn. 23 m.w.N. 11 S. § 55 Abs. 1 S. 1 u. Abs. 2 GmbHG i. d. F. v. 10. 05. 1892; § 277 Abs. 1 S. 1 u. Abs. 3 HGB i. d. F. v. 10. 05. 1897; § 71 Abs. 1 S. 1 BGB i. d. F. v. 1. 1. 1900.

A. Etymologie und historischer Kontext

27

vorkonstitutionelle Gesellschaftsrecht verlangte zur wirksamen Einflussnahme auf die Körperschaftsverfassungen eine Textänderung. Basis der Verfassungsdurchbrechung war gerade der Umstand, dass sich eine Änderung zu ihrer Wirksamkeit nicht im Text niederschlagen musste. Schon die rein gedankliche Übertragbarkeit erweist sich mithin als dürftig, ganz abgesehen von einem „Beweis“. Doch noch aus einem weiteren Grund erscheint wenig Unterstützung für die Position der Möglichkeit einer Satzungsdurchbrechung aus dem Verfassungsrecht zu kommen. Dreh- und Angelpunkt der heutigen Dogmatik zur Satzungsdurchbrechung ist die bloße Anfechtbarkeit, d. h. grundsätzliche Wirksamkeit, satzungsverletzender Beschlüsse (§ 243 Abs. 1 Var. 2 AktG [analog]). Als Beschluss, der mit den Satzungsvorgaben nicht im Einklang steht, hält man die Satzungsdurchbrechung für anfechtbar – dies ist die gesetzliche angeordnete Fehlerfolge.12 Ein verfassungswidriges Gesetz ist hingegen grundsätzlich nichtig.13 Überträgt man diese verfassungsrechtliche Fehlerfolgenlehre nun auf das Gesellschaftsrecht, wäre eine Satzungsdurchbrechung als Verstoß gegen die Verbandsverfassung nichtig. Verfassungsrechtlich ergibt sich also eine völlig andere Ausgangsposition: Nach gesellschaftsrechtlichem Beschlussmängelrecht mag man noch die Unanfechtbarkeit eines an sich bereits wirksamen Beschlusses demonstrieren wollen,14 im Verfassungsrecht aber wäre die Wirksamkeit überhaupt zu begründen. Die Ableitung der Zulässigkeit einer Satzungsdurchbrechung aus dem Verfassungsrecht erscheint im Hinblick auf diese fast gegensätzliche Behandlung von Verfassungsverstößen unschlüssig. Zweifel an einer historischen bzw. verfassungsrechtlich orientierten Fundierung der Satzungsdurchbrechung wirft die Einführung des Art. 79 Abs. 1 S. 1 GG noch aus einem anderen Blickwinkel auf. Wenn der mit der Verfassungsdurchbrechung einhergehende Mangel an Rechtssicherheit und -klarheit die Urheber des Grundgesetzes motivierte, ein verfassungsrechtliches Textänderungsgebot einzuführen, kommt man nicht umhin, die Verzichtbarkeit des gesellschaftsrechtlichen Textänderungsgebots, der Registereintragung, zumindest für bedenklich zu halten. Ob solche Bedenken letztlich im Einzelnen begründet sind, lässt sich nur spezifisch gesellschaftsrechtlich beantworten, weshalb die Ausführung dieses Gedankens hier noch zurückgestellt werden soll.15

12

Dies freilich mit teils diametral abweichenden Begründungsansätzen und Unterschieden im Detail, s. unten, Kapitel 3. 13 Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge/Bethge, § 31 Rn. 142, § 78 Rn. 7; Zimmermann, JA 2018, 249, auch zur Rechtslage unter der WRV. 14 So z. B. Priester, ZHR 151 (1987), 40, 54. 15 S. zur Verzichtbarkeit der Registereintragung eingehend Kapitel 4 § 2 A. IV. 2. c) cc).

28

Kap. 2: Begriffsbestimmung zur Einordnung der Problematik

III. Ergebnis Die ursprüngliche Herleitung Ueberfeldts aus dem Verfassungsrecht erweist sich als historisches Relikt. Eine tragfähige Begründung der Satzungsdurchbrechung ergibt sich daraus, jedenfalls aus heutiger Sicht, nicht. Der Vergleich mit dem Verfassungsrecht zieht deren Zulässigkeit vielmehr in Zweifel. Fehlt dieser Rechtsfigur damit aber ihre historische Grundlage, so bedarf es neuer Argumente, wenn ihre Existenz weiterhin berechtigt sein soll. Solche Begründungsansätze werden daher im nächsten Kapitel auf ihre Überzeugungskraft zu überprüfen sein. Dazu ist vorerst zu klären, wie Rechtswissenschaft und Praxis gegenwärtig die Thematik „Satzungsdurchbrechung“ umreißen.

B. Heutiges Begriffsverständnis I. Definition Gemeinhin wird der Begriff „Satzungsdurchbrechung“ als Gesellschafterbeschluss definiert, der für einen Einzelfall von einer Satzungsregelung abweicht, ohne dieselbe (dauerhaft) abzuändern.16 Im Einzelnen ist vieles umstritten, so zum Beispiel, ob die Beschlussfassenden sich der Tatsache bewusst sein müssen, von der Satzung abzuweichen bzw. gegen sie zu verstoßen.17 Solche Details betreffen jedoch die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen ein in Widerspruch zur Satzung stehender Beschluss als „Satzungsdurchbrechung“ wirksam sein kann. Um den Radius der Untersuchung nicht bereits auf Ebene der Problemdefinition wesentlich zu beschränken, legen die weiteren Ausführungen ein weites Begriffsverständnis zugrunde, verstehen unter einer Durchbrechung der Satzung also die beschlussweise Abweichung von Satzungsvorgaben im Einzelfall.

16 MünchKommGmbHG/Harbarth, § 53 Rn. 49; M/H/L/S/Hoffmann, § 53 Rn. 35; Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, § 53 Rn. 40; UHL/Ulmer/Casper, § 53 Rn. 34; Bork/Schäfer/Arnold, § 53 Rn. 21; Henssler/Strohn/Gummert, § 53 GmbHG Rn. 9; Rowedder/SchmidtLeithoff/Schnorbus, § 53 Rn. 44; Gehrlein/Born/Simon/Leitzen, § 53 Rn. 16; Saenger/Inhester/ Inhester, § 53 Rn. 19; Wicke, § 53 Rn. 19; KölnKommAktG/Zetsche, § 179 Rn. 208; Staudinger2019/Schwennicke, § 33 Rn. 56. 17 So Habersack, ZGR 1994, 354, 364 f.; s. auch Tieves, ZIP 1994, 1341, 1346; a.A. UHL/ Ulmer/Casper, § 53 Rn. 34 m.w.N. Die Frage diskutierte man bereits zur Verfassungsdurchbrechung; ein Bewusstsein der Abweichung als Wirksamkeitsvoraussetzung verneinend Anschütz/Thoma/Jellinek, Staatsrechts Bd. II, S. 188.

B. Heutiges Begriffsverständnis

29

II. Relevanz der Art des Satzungsbestandteils für die Satzungsdurchbrechung Dabei ist zu beachten, dass sich nicht bei jeder Abweichung vom Inhalt der Satzungsurkunde die Frage der Satzungsdurchbrechung stellt. Angesprochen ist hiermit die Unterscheidung verschiedener Bestandteile der Satzung. Eine erste grobe Einteilung erfolgt nach den Kategorien korporativ – individuell. Korporativ18, auch körperschaft(srecht)lich19, materiell20 oder echt21 genannt, sind solche Regelungen, die die normative Grundordnung der Gesellschaft betreffen, also die Beziehungen zwischen Gesellschaftern untereinander und zur Gesellschaft zum Gegenstand haben.22 Sie binden gegenwärtige wie künftige Mitglieder und können wirksam nur durch Satzungsregelung vereinbart werden.23 Individualrechtliche24 (nicht-korporative25, zufällige26, formelle27 oder unechte28) Bestimmungen hingegen binden grundsätzlich nur die an ihnen Beteiligten und sind einer Regelung außerhalb der Satzung zugänglich.29 Ihre Einführung oder Änderung unterliegt den Regeln des ihnen zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses, nicht den Vorschriften über die Satzungsänderung.30 Nach dieser grundlegenden Skizzierung ist es von Vorteil, zur näheren Analyse die verschiedenen Arten der Satzungsbestimmungen noch präziser als gemeinhin

18

BGH NJW-RR 1993, 607; Roth/Altmeppen/Altmeppen, § 53 Rn. 6; Priester, DB 1979, 681, 682. 19 BGHZ 38, 155, 161 = NJW 1963, 202; NJW 1992, 892, 893; MünchKommGmbHG/ Heinze, § 2 Rn. 14. 20 BGH NJW-RR 2013, 410, 411; Scholz/Priester, § 53 Rn. 5; UHL/Ulmer/Löbbe, § 2 Rn. 9; Hüffer/Koch/Koch, § 23 Rn. 3; Grigoleit/Vedder, § 23 Rn. 3. 21 Scholz/Cramer, § 2 Rn. 8; M/H/L/S/J. Schmidt, § 2 Rn. 40; Lutter/Hommelhoff/Bayer, § 3 Rn. 59. 22 MünchKommAktG/Pentz, § 23 Rn. 40; Roth/Altmeppen/Altmeppen, § 53 Rn. 6; MünchKommGmbHG/Wicke, § 3 Rn. 102 m.w.N. 23 UHL/Ulmer/Löbbe, § 2 Rn. 9; Hüffer/Koch/Koch, § 23 Rn. 3. 24 BGHZ 38, 155, 161 = NJW 1963, 202; Roth/Altmeppen/Altmeppen, § 53 Rn. 5. 25 Henssler/Strohn/Vetter, § 23 AktG Rn. 5; Spindler/Stilz/Limmer, § 23 Rn. 4; Priester, DB 1979, 681, 682. 26 MünchKommAktG/Pentz, § 23 Rn. 39; Hölters/Solveen, § 23 Rn. 5. 27 UHL/Ulmer/Löbbe, § 2 Rn. 10; Scholz/Priester, § 53 Rn. 5. 28 Lutter/Hommelhoff/Bayer, § 3 Rn. 59; M/H/L/S/J. Schmidt, § 2 Rn. 40; Hölters/Solveen, § 23 Rn. 5. 29 MünchKommGmbHG/Wicke, § 3 Rn. 103; Roth/Altmeppen/Altmeppen, § 2 Rn. 8; MünchKommAktG/Pentz, § 23 Rn. 41; Spindler/Stilz/Limmer, § 23 Rn. 4; KölnKommAktG/ Zetsche, § 179 Rn. 90. 30 UHL/Ulmer/Casper, § 53 Rn. 8, 31; Lutter/Hommelhoff/Bayer, § 53 Rn. 5, 35; Hüffer/ Koch/Koch, § 23 Rn. 4; MünchKommBGB/Leuschner, § 25 Rn. 6 f., § 33 Rn. 4; Soergel/ Hadding, § 33 Rn. 3; a.A. Staudinger2019/Schwennicke, § 33 Rn. 10.

30

Kap. 2: Begriffsbestimmung zur Einordnung der Problematik

üblich zu kategorisieren. Ihrem Gegenstand nach lassen sich Satzungsregelungen nämlich in vier Kategorien einteilen. (1) Notwendige, zwingend korporative Satzungsbestandteile sind Satzungsregelungen, die notwendigerweise in jeder Gesellschaft bestehen müssen, z. B. Firma, Sitz und Unternehmensgegenstand (vgl. § 3 Abs. 1 GmbHG, § 23 Abs. 3 AktG).31 Sie stellen den Mindestinhalt der Satzung dar. Zugleich sind solche Bestimmungen zwingend als korporative Satzungsbestandteile zu regeln. Denn sie unterliegen einem Satzungsvorbehalt, den das Gesetz statuiert.32 (2) Fakultative, zwingend korporative Satzungsbestandteile müssen zwar nicht in jedweder Satzung enthalten sein, damit die Gesellschaft wirksam bestehen kann. Wollen die Gesellschafter aber eine solche Regelung treffen, kann sie nur förmlich als Teil der Satzung eingeführt werden.33 Auch für diese Satzungsbestandteile besteht mithin ein Satzungsvorbehalt.34 (3) Indifferente Satzungsbestandteile können einerseits korporativ ausgestaltet sein; ihre Einführung bzw. Änderung muss dann im Wege der förmlichen Satzungsänderung erfolgen.35 Andererseits besteht ihnen gegenüber kein Satzungsvorbehalt, sodass dieselbe Regelung auch individualrechtlich begründet werden kann.36 Ob eine in einer Satzung enthaltene Vorgabe individuell oder korporativ ausgestaltet ist, richtet sich nach der Auslegung der betreffenden Bestimmung, wobei eine Vermutung zugunsten einer korporativen Regelung besteht.37 (4) Zwingend individuelle Satzungsbestandteile sind einer korporativen Regelung nicht zugänglich.38 Selbst bei ihrer Aufnahme in die Satzungsurkunde stellen sich mithin keine Abgrenzungsfragen. Abschluss und Änderung solcher Bestimmungen vollziehen sich außerhalb der Satzung.39 31

Rn. 2.

KölnKommAktG/Zetsche, § 179 Rn. 17; Spindler/Stilz/Limmer, § 23 Rn. 4; Wicke, § 3

32 S. § 3 GmbHG: „Der Gesellschaftsvertrag muss enthalten …“; vgl. auch MünchKommBGB/Leuschner, § 25 Rn. 20. 33 Baumbach/Hueck/Fastrich, § 3 Rn. 24; MünchKommGmbHG/Wicke, § 3 Rn. 3. 34 Scholz/Cziupka, § 3 Rn. 58 f.; MünchKommGmbHG/Wicke, § 3 Rn. 116 f.; Staudinger2019/Schwennicke, § 25 Rn. 14 f. 35 Vgl. MünchKommAktG/Pentz, § 23 Rn. 43 f.; Hölters/Solveen, § 23 Rn. 6; Scholz/ Priester, § 53 Rn. 12 ff. 36 Hüffer/Koch/Koch, § 23 Rn. 4; Scholz/Cziupka, § 3 Rn. 60; GroßKommAktG/Röhricht/ Schall, § 23 Rn. 32; MünchKommAktG/Pentz, § 23 Rn. 41 m.w.N. 37 Roth/Altmeppen/Altmeppen, § 53 Rn. 8; Hölters/Solveen, § 23 Rn. 6; K. Schmidt/Lutter/Seibt, § 23 Rn. 8. 38 MünchKommAktG/Pentz, § 23 Rn. 41; Hüffer/Koch/Koch, § 23 Rn. 4. 39 M/H/L/S/J. Schmidt, § 2 Rn. 40; MünchKommBGB/Leuschner, § 25 Rn. 6 f., § 33 Rn. 4; Hüffer/Koch/Koch, § 23 Rn. 4, § 179 Rn. 5 m.w.N.; umstritten ist, ob die Anpassung des Satzungstexts an eine veränderte materielle Rechtslage (z. B. nach Änderung einer in die Satzungsurkunde aufgenommenen Nebenabrede) die Einhaltung des förmlichen Satzungsänderungsverfahrens (§§ 53 f. GmbHG, 179 ff. AktG) erfordert (so etwa Rowedder/Schmidt-

B. Heutiges Begriffsverständnis

31

Inwiefern ist diese Unterteilung für den begrifflichen Umriss der Satzungsdurchbrechung relevant? Der bisherige Verlauf der Untersuchung hat ergeben, dass unter „Satzungsdurchbrechung“ eine Abweichung von der Satzung für einen Einzelfall zu verstehen ist. Die Erkenntnis, dass „die Satzung“ sich jedoch aus verschiedenen Bestandteilen unterschiedlicher Rechtsnatur zusammensetzt, wirft die Frage auf, ob und inwieweit sich die Problematik einer Durchbrechung hinsichtlich der jeweiligen Art von Bestandteil überhaupt stellt. Handelt es sich um notwendige oder fakultative, zwingend korporative Satzungsbestandteile, ist zu begründen, weshalb eine Abweichung vom Statut, ohne Einhaltung der Satzungsänderungsvoraussetzungen, möglich sein sollte.40 Beschlüsse, die solchen Bestimmungen zuwiderlaufen, sind daher im Hinblick auf Satzungsdurchbrechungen zentraler Gegenstand der Diskussion. Steht eine indifferente Bestimmung in Rede, ist im Wege der (objektiven) Auslegung41 zu ermitteln, um welche Art von Satzungsbestandteil – eingedenk der Vermutung zugunsten einer korporativen Regelung – es sich handelt. Entsprechend dieser Klassifikation ist die Problematik der Satzungsdurchbrechung relevant oder nicht. Denn Abweichungen von oder Verstöße gegen (zwingend) individuelle Bestimmungen werfen zwar ebenso Rechtsfragen42 auf, mit einer Satzungsdurchbrechung Leithoff/Schnorbus, § 53 Rn. 11; Scholz/Priester, § 53 Rn. 19 m.w.N.; a.A. Roth/Altmeppen/ Altmeppen, § 53 Rn. 8 f.). Richtigerweise ist dies mit dem Argument zu verneinen, dass der Einfluss auf die allverbindliche Verfassungsbestimmungen der Gesellschaft grds. nur unter den erhöhten Voraussetzungen der Satzungsänderungsvorschriften möglich sein soll, es im Falle formeller Satzungsbestandteile um derartige Bestimmungen aber gar nicht geht. So sind beispielsweise an Nebenabreden oft nicht einmal alle Gesellschafter beteiligt (s. Ulmer, NJW 1987, 1849, 1851); weshalb sollte dann ein Verfahren einzuhalten sein, dass für universell bindende Satzung geschaffen ist, Gesellschafter also Einfluss auf Vereinbarungen nehmen können, an denen sie materiell gar nicht beteiligt sind? Im Übrigen bewirkt erst die Durchführung des Satzungsänderungsverfahrens die materielle Änderung (s. nur § 54 Abs. 3 GmbHG, § 181 Abs. 3 AktG, § 71 Abs. 1 S. 1 BGB), bei formellen Bestandteilen findet die Abänderung aber gerade außerhalb der Satzung statt. Dass Publizitätsinteressen an solchen Regelungen bestünden, erscheint zweifelhaft, wenn man bedenkt, dass dieselbe Regelung wirksam hätte getroffen werden können, ohne dass sie jemals Eingang in die Satzungsurkunde hätte finden müssen. Eine solche daher lediglich „deklaratorische Änderung“ oder „Fassungsanpassung“ erfolgt schlicht durch deren Anmeldung nach § 54 Abs. 1 S. 1 u. 2 Hs. 1 GmbHG analog bzw. entsprechenden Vorschriften, ohne dass ein förmliches Änderungsverfahren einzuhalten wäre. 40 Dazu ausführlich unten, Kapitel 4 §§ 2 – 4. 41 GroßKommAktG/Röhricht/Schall, § 23 Rn. 35 f.; MünchKommAktG/Pentz, § 23 Rn. 44. 42 So zum Beispiel, welche Folgen der beschlussweise Verstoß gegen eine individualrechtliche Regelung zeitigt. Während der BGH (NJW 1983, 1910, 1911; NJW 1987, 1890, 1892) davon ausgeht, dass ein solches Verhalten die Anfechtbarkeit des Beschlusses begründet, lehnt die h.L. (UHL/Ulmer/Löbbe, § 3 Rn. 132; GroßKommAktG/K. Schmidt, § 243 Rn. 18; Hüffer/Koch/Koch, § 243 Rn. 10; MünchKommAktG/Pentz, § 23 Rn. 202 m.w.N.) diese Folgerung zu Recht ab. Die Nebenabrede ist schuldrechtlicher Vertrag, nicht Teil der Satzung.

32

Kap. 2: Begriffsbestimmung zur Einordnung der Problematik

in der vorliegend zugrunde gelegten Bedeutung haben sie jedoch nichts zu tun. Selbst wenn sie in die Satzungsurkunde aufgenommen sind, werden sie dennoch nicht Teil des Gesellschaftsvertrags i.S.d. § 53 Abs. 1 GmbHG bzw. der Satzung i.S.d. § 179 Abs. 1 S. 1 AktG, § 33 Abs. 1 S. 1 BGB. Die Änderung individueller Satzungsbestandteile bestimmt sich vielmehr nach den für das in Rede stehende Rechtsverhältnis geltenden Vorschriften, meist solchen des bürgerlichen Rechts.43 Die für die Abweichung von korporativen Bestimmungen durch Satzungsdurchbrechung virulente Kernfrage, ob und inwieweit die Regeln über die Satzungsänderung anwendbar sind,44 stellt sich daher nicht. Festzuhalten bleibt, dass nur eine Abweichung von korporativen Satzungsbestandteilen Anlass zur Diskussion der Satzungsdurchbrechung gibt, Verstöße gegen individualrechtliche Bestandteile hingegen nicht.

C. Abgrenzung der Satzungsdurchbrechung von terminologisch oder inhaltlich ähnlichen Phänomenen Eine positive Definition der Satzungsdurchbrechung genügt indes nicht, um den Rahmen der vorliegenden Untersuchung vollständig abzustecken. Nicht zuletzt um begriffliche Schärfe zu schaffen, gilt es, die Satzungsdurchbrechung von anderen Thematiken abzugrenzen.

I. Sog. „faktische Satzungsänderung“ Terminologisch unglücklich ist der Begriff der „faktischen Satzungsänderung“. Hierbei handelt es sich nicht etwa um eine besondere Art und Weise, den Inhalt der Satzung tatsächlich zu ändern. Vielmehr ist der Fall gemeint, dass ein geschäftsführendes Organ mit der Satzung unvereinbare Maßnahmen ergreift45 – als Beispiel Soweit ihr Inhalt überhaupt korporativ statuiert werden könnte, haben sich die Gesellschafter für eine schuldrechtliche Regelung entschieden, mit entsprechenden Konsequenzen. Die Folgen abredewidrigen Verhaltens und die Voraussetzungen, unter welchen Abweichungen möglich sind, richten sich daher nach bürgerlichem Recht (z. B. Ansprüche aus §§ 280 ff. BGB, s. UHL/Ulmer/Löbbe, § 3 Rn. 119). Für die Anerkennung einer Durchbrechung in dem Sinne, dass eine Abweichung prinzipiell unter erleichterten Voraussetzungen möglich sein könnte, besteht weder Anlass noch Grundlage. 43 MünchKommAktG/Stein, § 179 Rn. 30; Hüffer/Koch/Koch, § 179 Rn. 5. 44 Dazu eingehend unten, Kapitel 3 und Kapitel 4 §§ 2 – 4. 45 BGHZ 83, 122, 130 = NJW 1982, 1703, 1705; KölnKommAktG/Zetsche, Rn. 248; Hüffer/Koch/Koch, § 179 Rn. 9; Henssler/Strohn/Strohn, § 179 AktG Rn. 8 für die AG; MünchKommGmbHG/Harbarth, § 53 Rn. 42 m.w.N. für die GmbH; B/R/H/P/Schöpflin, § 33 Rn. 16 für den Verein; abweichend Spindler/Stilz/Holzborn, § 179 Rn. 55, der auch Beschlüsse von Gesellschaftsorganen unter diesem Begriff fassen will; ähnlich MünchKommAktG/Stein,

C. Abgrenzung der Satzungsdurchbrechung

33

möge der Geschäftsführer dienen, der über den Unternehmensgegenstand hinausgehende Verträge schließt. Die Satzung selbst bleibt hiervon freilich unberührt. Treffender wäre es daher, den Sachverhalt mit „Satzungsverstößen von Verwaltungsorganen“ zu beschreiben oder von satzungswidriger Geschäftsführung zu sprechen. Mit einer Satzungsdurchbrechung, die begriffsnotwendig durch Gesellschafter erfolgt, hat dies nichts zu tun und liegt folglich außerhalb des Umfangs dieser Untersuchung.

II. Satzungswidrige Praxis Die satzungswidrige Praxis hat mit der „faktischen Satzungsänderung“ gemein, dass es sich um ein tatsächliches Verhalten handelt, das den Satzungsvorgaben widerspricht. Im Gegensatz zur satzungswidrigen Geschäftsführung handeln hier aber nicht Verwaltungsorgane, sondern die Gesellschafter entgegen den Satzungsregeln. Kernfrage ist, ob ein solches Verhalten den Gesellschaftsvertrag zu ändern vermag. Während man dies im Hinblick auf die Körperschaften allgemein verneint,46 ist für Personengesellschaften die Möglichkeit einer Änderung des Gesellschaftsvertrags durch längerfristige Übung, wenngleich mit mancher Einschränkung, anerkannt.47 Wie aber bereits der Begriff „Praxis“ impliziert, stehen Verhaltensweisen in Rede, die mehrfach bzw. über einen gewissen Zeitraum hinweg, praktiziert werden.48 Im Unterschied dazu stellt sich die Frage um die Zulässigkeit einer Satzungsdurchbrechung schon bei nur einmaliger Abweichung von Satzungsvorgaben. Die Problematiken sind somit grundsätzlich voneinander unabhängig zu beurteilen, der Gegenstand der weiteren Untersuchung wird sich auf die Satzungsdurchbrechung beschränken.

§ 179 Rn. 44; zur Bedeutung der Rspr. des ROHG für die faktischen Satzungsänderungen, s. Knobbe-Keuk, FS Ballerstedt, 239, 246 ff. 46 OLG München ZIP 2006, 1866; OLG Oldenburg NZG 2009, 917; Scholz/Priester, § 53 Rn. 32; Roth/Altmeppen/Altmeppen, § 53 Rn. 56; MünchKommAktG/Stein, § 179 Rn. 44 m.w.N.; Erman/H. P. Westermann, § 25 Rn. 3; Soergel/Hadding, § 25 Rn. 5; Staudinger2019/ Schwennicke, § 25 Rn. 79 m.w.N.; s. aber auch AG Helmstedt SpuRt 2017, 205. 47 BGH NJW 1966, 826, 827; NJW 1990, 2684, 2685; NJW 1995, 2843, 2844; Baumbach/ Hopt/Roth, § 105 Rn. 54, 62; Staub/Schäfer, § 105 Rn. 187; MünchKommHGB/Grunewald, § 161 Rn. 1; Jauernig/Stürner, § 709 Rn. 7; Wertenbruch, NZG 2005, 665, 666 m.w.N.; einschränkend MünchKommHGB/K. Schmidt, § 105 Rn. 149, 163, eine konkludente Änderung sei von einer „wiederholte[n] ad-hoc-Abweichung“ zu unterscheiden. 48 Roth/Altmeppen/Altmeppen, § 53 Rn. 56.

34

Kap. 2: Begriffsbestimmung zur Einordnung der Problematik

III. Satzungsauslegende Beschlüsse Durch Beschluss können Gesellschafter die Bedeutung einer Satzungsregelung verbindlich festlegen.49 Die Voraussetzungen, unter denen ein solcher Beschluss unanfechtbar wirksam ist, hängen jedoch von seinem Gegenstand ab, also davon, ob die von den Gesellschaftern als Inhalt des Gesellschaftsvertrags beschlossene Auslegung objektiv mit dem Satzungsinhalt übereinstimmt oder aber diesem ein darüber hinausgehender oder gar dem objektiven Bedeutungsgehalt der Satzung widersprechender Inhalt gegeben werden soll.50 Treffen die Gesellschafter eine im Einklang mit der Satzung stehende Interpretation oder tätigen sie lediglich eine unverbindliche Meinungsäußerung, genügt ein einfacher Gesellschafterbeschluss.51 Wird die Satzung hingegen mit einem Bedeutungsgehalt versehen, der mit dem objektiv ermittelten Inhalt der Satzung nicht vereinbar ist, reicht ein einfacher Beschluss nicht aus. Denn solch ein Beschluss würde effektiv eine Änderung des Satzungsinhalts bewirken. Es handelt sich somit materiell um eine Änderung des Gesellschaftsvertrags, die den entsprechenden Anforderungen unterliegt. Soll diese Interpretation nur für einen Einzelfall gelten, handelt es sich um eine Satzungsdurchbrechung, sodass sich die Frage ihrer Zulässigkeit und ihrer Voraussetzungen stellt.52 Sofern satzungsauslegende Beschlüsse also nur den objektiven Satzungsinhalt bestätigen, sind sie unproblematisch, sobald sie darüber hinausgehen, ist zu untersuchen, ob es sich um eine Satzungsänderung oder Satzungsdurchbrechung handelt. Entsprechend sind deren Voraussetzungen zu beachten. Auch im Rahmen satzungsauslegender Beschlüsse kann sich mithin, in leicht anderem Gewand, die Problematik um die Satzungsdurchbrechung stellen.

IV. Öffnungsklauseln Öffnungsklauseln erlauben den Gesellschaftern, unter erleichterten Voraussetzungen – meist durch einfachen Beschluss – von Satzungsbestimmungen abzuweichen.53 Um nicht den aufwendigeren Weg der Satzungsänderung beschreiten zu 49 BGHZ 201, 65, 68 = NZG 2014, 820, 821; BGH NZG 2003, 127, 128 f.; OLG München NZG 2001, 762; MünchKommGmbHG/Harbarth, § 53 Rn. 46. 50 Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, § 46 Rn. 73; MünchKommGmbHG/Wertenbruch, Anh. § 47 Rn. 16 f. 51 OLG München NZG 2001, 762; vgl. auch MünchKommGmbHG/Wertenbruch, Anh. § 47 Rn. 17. 52 BGH NZG 2003, 127, 128; MünchKommGmbHG/Harbarth, § 53 Rn. 46. 53 UHL/Ulmer/Casper, § 53 Rn. 40; Scholz/Priester, § 53 Rn. 27a; MünchKommBGB/ Leuschner, § 25 Rn. 30, § 33 Rn. 10; nach KölnKommAktG/Zetsche, § 179 Rn. 216 ist der Anwendungsbereich von Öffnungsklauseln für das Aktienrecht „nicht gesichert“. Selbiges ließe sich jedoch bzgl. des GmbH- und Vereinsrechts sagen, s. Kapitel 5 § 3 A.

C. Abgrenzung der Satzungsdurchbrechung

35

müssen, können die Gesellschafter ad-hoc entscheiden, ob und wie eine durch die Satzung determinierte Frage zu handhaben ist. Wo Öffnungsklauseln existieren, stellt sich die Frage einer Satzungsdurchbrechung mithin nicht.54 Von der Satzung kann deshalb problemlos abgewichen werden, da sie diese Abweichung selbst gestattet. Freilich sind dieser Abweichungsbefugnis Grenzen gesetzt, deren genauer Umfang noch zu untersuchen sein wird.55

V. Schuldrechtliche Nebenabreden Nebenabreden, auch Nebenverträge56 oder Gesellschaftervereinbarungen57 genannt, tangieren die Problematik wie Öffnungsklauseln nicht unmittelbar, besitzen im Kontext der Satzungsdurchbrechung jedoch spezielle Relevanz. Es handelt sich dabei um schuldrechtliche Verträge, die unter Gesellschaftern außerhalb der Satzung zur Ausgestaltung des Gesellschaftsverhältnisses geschlossen werden.58 Da sie nicht Teil der Satzung sind, stellen Verstoß bzw. Abweichung keine Satzungsdurchbrechung dar.59 Ihre Relevanz liegt in ihrer zugunsten von unwirksamen Durchbrechungen potentiell geltungserhaltenden Funktion. Gewissermaßen als Gegenstück zu Öffnungsklauseln, die den Bedarf einer Satzungsdurchbrechung von vornherein ausschließen, können Gesellschafterbeschlüsse, die als Satzungsdurchbrechungen unwirksam sind, unter Umständen in Form von Nebenabreden doch noch wirksam sein.60 Eine eingehende Untersuchung zu Umfang und Voraussetzungen dieser Rettung des satzungsdurchbrechenden Beschlussinhalts kann somit erst erfolgen, sobald die Zulässigkeit der Satzungsdurchbrechung geklärt ist, weshalb noch auf sie zurückzukommen sein wird.61

VI. Ergebnis Die Diskussion um die Satzungsdurchbrechung beschäftigt sich mit der Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Abweichung von korporativen Satzungs54 A.A. wohl KG NZG 2016, 787, 788; wie hier Roth/Altmeppen/Altmeppen, § 53 Rn. 57 m.w.N. 55 S. unten Kapitel 5 § 3. 56 Baumbach/Hueck/Fastrich, § 3 Rn. 56; Baumann/Reiß, ZGR 1989, 157, 158. 57 M/H/L/S/J. Schmidt, § 3 Rn. 92; Henssler/Strohn/Schäfer, § 3 GmbHG Rn. 32. 58 BGH NJW 2010, 3718, 3719; Baumbach/Hueck/Fastrich, § 3 Rn. 56; M/H/L/S/ J. Schmidt, § 3 Rn. 92; Roth/Altmeppen/Altmeppen, § 3 Rn. 8, § 53 Rn. 5. 59 Ob der Verstoß gegen Nebenabreden einen beschlussmängelrechtlichen Anfechtungsgrund darstellt, ist eine andere Frage, s. dazu MünchKommGmbHG/Wertenbruch, Anh. 47 Rn. 208 ff. sowie bereits oben, Fn. 42. 60 S. BGHZ 123, 15, 20; Scholz/Priester, § 53 Rn. 30; UHL/Ulmer/Casper, § 53 Rn. 41. 61 Eingehend unten, Kapitel 5 § 2.

36

Kap. 2: Begriffsbestimmung zur Einordnung der Problematik

bestimmungen in einem Einzelfall zulässig sein kann. Sofern ein satzungsauslegender Beschluss dem objektiven Inhalt der Satzung widerspricht, kann sich die Frage auch in diesem Zusammenhang stellen. Trotz phänomenologischer Verwandtschaft handelt es sich hingegen bei der sog. „faktischen Satzungsänderung“, der satzungswidrigen Praxis oder Öffnungsklauseln nicht um Probleme, bei denen die Erwägungen zur Satzungsdurchbrechung weiterhelfen können. Im Anschluss an diese nähere Einordnung der Thematik ist nun zu untersuchen, wie Literatur und Rechtsprechung die Zulässigkeit der Satzungsdurchbrechung in den verschiedenen Rechtsformen beurteilen.

Kapitel 3

Stand der Diskussion § 1 Meinungsstand zur Satzungsdurchbrechung im Recht der GmbH A. Überblick Trotz ihres Ausgangspunkts im Vereins- und Aktienrecht1 hat die Diskussion um die Satzungsdurchbrechung im GmbH-Recht ihre reifsten Früchte hervorgebracht. In Bezug auf diese Rechtsform sind richtungsweisende Beiträge formuliert worden, die einerseits ein kontroverses Echo hervorgerufen, vor allem aber direkten Niederschlag in der Rechtsprechung gefunden haben. Aus diesem Grunde hat eine detaillierte Analyse des Meinungsbildes im Schrifttum voranzugehen, bevor dessen Aufnahme und Entwicklung in den höchstrichterlichen und obergerichtlichen Entscheidungen untersucht werden kann.

B. Schrifttum I. Verzicht zumindest auf das Eintragungserfordernis gem. § 54 Abs. 1 S. 1 GmbHG Die h.A. in der Literatur hält eine Satzungsdurchbrechung für wirksam, sofern der Beschluss bis auf die Eintragung ins Handelsregister (§ 54 Abs. 1 S. 1 GmbHG) alle Voraussetzungen für eine Satzungsänderung – ordnungsgemäße Einberufung unter Angabe der beabsichtigten Abweichung, satzungsändernde Mehrheit, notarielle Beurkundung (§ 53 Abs. 2 GmbHG) – einhält. Gleichwohl besteht Einigkeit, dass nicht jeder Beschluss, der für einen Einzelfall von der Satzung abweicht, ohne Eintragung wirksam sein kann. Nach welchem Kriterium aber abzugrenzen ist, ob zur Wirksamkeit des Beschlusses in einem gegebenen Fall die Eintragung erforderlich ist, darüber gehen die Ansichten auseinander.

1

S. oben Kapitel 2 A.

38

Kap. 3: Stand der Diskussion

1. Bei geringer Bedeutung für Gesellschaft oder Dritte a) Ansicht Die frühen Beiträge zur Satzungsdurchbrechung wollen nach der (fehlenden) Relevanz des Beschlusses abgrenzen. Bei Angelegenheiten, denen „für das Leben der Korporation“ keine „große Bedeutung“ beizumessen sei, bestünden „keine Bedenken, derartige Beschlüsse ohne Eintragung […] für rechtswirksam zu halten“.2 Als Gültigkeitsvoraussetzung (§ 54 Abs. 3 GmbHG) sei die Eintragung zwar grundsätzlich erforderlich, eine Ausnahme aber dann anzunehmen, wenn diese „zu einem formalistischen, nicht mehr sinnvollen Selbstzweck werden würde“.3 Dies sei der Fall, wenn „sie einen gleichzeitig ablaufenden, einmaligen Vorgang“ betreffe und deshalb „sogleich wieder im Handelsregister durch eine neue Eintragung rückgängig gemacht werden“ könne.4 b) Kritik Dem Ansatz begegnet die inhärente Schwierigkeit, dass eine Abgrenzung nach der Bedeutung der Abweichung die von einem Abgrenzungskriterium zu fordernde Trennschärfe vermissen lässt. Was ist „mindere Bedeutung“? Aus wessen Perspektive (Gesellschafter oder Dritter) ist dies zu bestimmen? Ist die Bedeutung objektiv zu beurteilen, also danach, was für einen Dritten Bedeutung besitzt, oder aber subjektiv, was für die in Rede stehende Gesellschaft oder einen konkreten Interessenten Relevanz hat? Ernst Boesebeck bringt das Beispiel des Ausländers, der, trotz entgegenstehender Satzungsregelung, in den Aufsichtsrat der Gesellschaft gewählt wird. Ist dies tatsächlich ein bloß interner Vorgang, den potentielle Gesellschafter, Gläubiger oder sonstige Dritte nicht zu interessieren braucht? Wäre die Beurteilung dieselbe, wenn es sich bei dem Ausländer um ein Mitglied des saudischen Königshauses oder der chinesischen Regierung handelte? Wie steht es beim Dispens von einem Wettbewerbsverbot? Ob man das vorgeschlagene Kriterium mit dem Begriff Relevanz, Außenwirkung oder Bedeutung beschreibt, ändert in der Sache nichts. Eine trennscharfe, praxistaugliche Abgrenzung lässt sich dadurch nicht erreichen.

2

Ueberfeldt, S. 18 f., zur Körperschaft allgemein. Boesebeck, NJW 1960, 2265, 2267, insofern formal deutlich enger als Ueberfeldt. Zur Abgrenzung von Satzungsänderung und Satzungsverletzung auf die Relevanz für den Rechtsverkehr abstellend Selentin, NZG 2020, 292, 296; ders., Satzungsdurchbrechungen, S. 58 ff., 98. 4 Boesebeck, NJW 1960, 2265, 2267. 3

B. Schrifttum

39

2. Bei lediglich „punktuell“ wirkenden Beschlüssen a) Ansicht Die im Hinblick auf die Schwächen des Bedeutungskriteriums entwickelte heute h.M. bedient sich der von Hans-Joachim Priester vorgeschlagenen Unterscheidung zwischen lediglich „punktuell“ wirkenden und „zustandsbegründenden“ Beschlüssen.5 Ein Beschluss wirke punktuell, sofern sich seine Wirkung „in der betreffenden Maßnahme, im Einzelakt“ erschöpfe, hingegen zustandsbegründend, wenn er „über den Beschluss hinaus“ fortwirke, die „Wirkung […] mit dem Beschluss noch nicht erledigt“ sei.6 Bloß punktuell wirkende Beschlüsse seien als Satzungsdurchbrechung auch ohne Eintragung ins Handelsregister wirksam; alle weiteren Voraussetzungen der Satzungsänderung seien jedoch zu beachten.7 Zustandsbegründende Satzungsdurchbrechungen, also Beschlüsse, die nur für einen Einzelfall von der Satzung abwichen, dadurch aber einen Zustand begründeten, seien nur unter Einhaltung aller Voraussetzungen der Satzungsänderung (§§ 53 f. GmbHG) zulässig.8

5

Priester, ZHR 151 (1987) 40, 52 ff.; Scholz/Priester, § 53 Rn. 29 ff.; der Unterscheidung folgend Lutter/Hommelhoff/Bayer, § 53 Rn. 27 ff.; MünchKommGmbHG/Harbarth, § 53 Rn. 48 ff.; UHL/Ulmer/Casper, § 53 Rn. 38 f.; Roth/Altmeppen/Altmeppen, § 53 Rn. 62 f.; Scholz/K. Schmidt, § 45 Rn. 34; Rowedder/Schmidt-Leithoff/Schnorbus, § 53 Rn. 44 ff.; Bork/ Schäfer/Arnold, § 53 Rn. 21 f.; M/H/L/S/Hoffmann, § 53 Rn. 40; Schwerdtfeger/Schauer, § 53 Rn. 10 ff.; E/F/S/Füller, § 53 Rn. 10 ff.; MünchHdBGesR-III/Marquardt, § 22 Rn. 85; Raiser/ Veil, § 43 Rn. 41; Wilhelm, KapGesR Rn. 215; Hirte, KapGesR Rn. 6.10; Winter, ZHR 154 (1990), 259., 271 f.; in Teilen Habersack, ZGR 1994, 354, 360 ff.; Lawall, DStR 1996, 1169, 1172 f.; Leitzen, RNotZ 2010, 566, 570; zumindest zweifelnd Grunewald, GesR § 13 Rn. 106; auch den Entscheidungen der Rechtsprechung liegt Priesters Begriffspaar ab BGHZ 123, 15 zugrunde, dazu ausführlich unten Kapitel 3 § 1 C. 6 Priester, ZHR 151 (1987) 40, 52. 7 Priester, a.a.O., S. 53 f.; ders., FS W. Müller, 113, 117; MünchKommGmbHG/Harbarth, § 53 Rn. 51; im Ergebnis auch Helmke, Satzungsdurchbrechungen, S. 54 ff., 67 ff., die aber nach der Wirkung des Beschlusses „auf das interne Gesellschaftsverhältnis“ abgrenzt (S. 111), was sie wiederum in die Nähe Boesebecks rückt; a.A. Lawall, DStR 1996, 1169, 1173 f., notarielle Beurkundung entbehrlich; ebenso Roth/Altmeppen/Altmeppen, § 53 Rn. 60, 63; Stein/ Welbers, NJW Spezial 2014, 655, 656; noch weitergehend UHL/Ulmer/Casper, § 53 Rn. 39, Vorgaben nach §§ 53, 54 GmbHG in Gänze unbeachtlich; entgegengesetzt wohl noch Hachenburg8/Ulmer, § 53 Rn. 32, selbst Eintragung „unverzichtbar“. 8 Priester, a.a.O., S. 55 ff.; jetzt auch Lutter/Hommelhoff/Bayer, § 53 Rn. 29 (anders noch die 18. Auflage); leicht abweichend UHL/Ulmer/Casper, § 53 Rn. 38, Eintragung des Beschlusses als solchem sowie Beifügung des vollständigen Satzungswortlauts entbehrlich, da pure Förmelei (dagegen aber ausdrücklich OLG Köln NZG 2019, 306, 307); ähnlich Lutter/ Hommelhoff17/Bayer, § 53 Rn. 30, 32; M/H/L/S/Hoffmann, § 53 Rn. 35; MünchKommGmbHG/Harbarth, § 53 Rn. 49; Lawall, DStR 1996, 1169, 1172 f., 1175, bezugnehmende Eintragung ausreichend; im Ergebnis wie Priester bezüglich zustandsbegründender Durchbrechungen Scholz/K. Schmidt, § 45 Rn. 34, der in zustandsbegründenden Satzungsdurchbrechung einen „außergesetzlichen Nichtigkeitsfall“ sieht und dementsprechend Nichtigkeit nach § 241 AktG analog annimmt, deutlicher GroßKommAktG/K. Schmidt, § 241 Rn. 111.

40

Kap. 3: Stand der Diskussion

Dieses Ergebnis sei auf die unterschiedliche „Publizitätsnotwendigkeit“ zurückzuführen. Die mit der Eintragung bewirkte Publizität verfolge den Zweck, den Rechtsverkehr, insbesondere (künftige) Gesellschafter, Geschäftspartner und Gläubiger, über die Verfassung der Gesellschaft zu informieren.9 Eine Satzungsdurchbrechung, die lediglich punktuell wirke, tangiere diesen Zweck jedoch nicht, da sie „gerade nicht zur Änderung der Satzung“ führe.10 Es handele sich um allein historische Tatsachen über gesellschaftsinterne Vorgänge. Deshalb bestehe, auch unter Rechtssicherheitsgesichtspunkten, kein „anerkennenswertes Interesse“ an ihrer Offenlegung.11 § 54 GmbHG finde deshalb bei punktuell wirkenden Durchbrechungen keine Anwendung. Der Beschluss entgehe aber auch der Anfechtbarkeit (§ 243 Abs. 1 AktG analog).12 Das Anfechtungsrecht diene dem Schutz der aktuellen Gesellschafter, durch das Unterbleiben der (demgegenüber drittschützenden) Eintragung würden diese aber nicht beeinträchtigt.13 Durch die sonstigen Anforderungen der Satzungsänderung sei dem Schutzbedürfnis ausreichend Rechnung getragen.14 Die punktuelle Satzungsdurchbrechung stelle somit eine „eigene Kategorie“15 zwischen Satzungsänderung und Satzungsverletzung dar, die ohne Eintragung ins Handelsregister unanfechtbar wirksam sei. Anders liege es hingegen bei zustandsbegründenden Satzungsdurchbrechungen. „Der Sache nach“ liege hierin „eine Modifikation der Satzung“, denn die Abweichung wirke fort.16 Bei einer solchen Fortwirkung bestehe ein Informationsinteresse des Rechtsverkehrs. Dieses sei sogar so groß, dass eine bloß auf den entsprechenden 9

Priester, a.a.O., S. 53; eingehend Helmke, Satzungsdurchbrechungen, S. 80 ff., 92 ff. Priester, ebd. 11 Priester, a.a.O., S. 53 f.; vgl. Fleck, ZGR 17 (1988) 104, 114, 127, der zur Begründung einer wirksamen Verpflichtung der GmbH zur Geschäftsführerbestellung einen notariell zu beurkundenden Beschluss mit satzungsändernder Mehrheit voraussetzt, auf dessen Eintragung jedoch verzichtet werden könne, da das Publizitätsinteresse des Rechtsverkehrs nicht hinreichend betroffen sei. 12 Priester, a.a.O., S. 54; wohl auch Helmke, Satzungsdurchbrechungen, S. 134 f. („Kein Anfechtungsgrund ist aber das Unterlassen der Handelsregistereintragung“); a.A. bezüglich der Unanfechtbarkeit die heute h.L., MünchKommGmbHG/Harbarth, § 53 Rn. 51; UHL/Ulmer/ Casper, § 53 Rn. 39; Roth/Altmeppen/Altmeppen, § 53 Rn. 63; M/H/L/S/Hoffmann, § 53 Rn. 40; Rowedder/Schmidt-Leithoff/Schnorbus, § 53 Rn. 47; Lutter/Hommelhoff/Bayer, § 53 Rn. 30; Wicke § 53 Rn. 19; Bork/Schäfer/Arnold, § 53 Rn. 22; auch Scholz/Priester, § 53 Rn. 30a, zum Ausschluss der Anfechtbarkeit Eintragung oder einstimmige Beschlussfassung nötig. So i.Ü. auch die Rechtsprechung, vgl. BGHZ 123, 15, 19; 210, 186, 192. 13 Priester, ZHR 151 (1987) 40, 54. 14 Priester, ebd. 15 Priester, a.a.O., S. 55; ders., FS W. Müller, 113, 117; Scholz/Priester, § 53 Rn. 28; Stöhr, MittRhNotK 1996, 390, 392, 408 f.; deutlich Helmke, Satzungsdurchbrechungen, S. 46 ff., 53; s. bereits Ueberfeldt, S. 18: „Abweichungen […], die weder eine Satzungsänderung sind, noch eine Satzungsverletzung darstellen“. Dagegen ausdrücklich M/H/L/S/Hoffmann, § 53 Rn. 35. 16 Priester, ZHR 151 (1987) 40, 55. 10

B. Schrifttum

41

Beschluss bezugnehmende Eintragung unzulässig sei – die Vorgaben des § 54 Abs. 1 GmbHG seien vielmehr umfassend einzuhalten.17 Im Ergebnis bestehe zwischen zustandsbegründender Satzungsdurchbrechung und schlichter Satzungsänderung kein Unterschied, in zustandsbegründender Weise auf die Satzung einzuwirken sei nur im Wege der Satzungsänderung möglich.18 b) Kritik Gegen die von Priester vorgeschlagene Differenzierung spricht zunächst, dass sie keine trennscharfe Abgrenzung zwischen wirksamen und unwirksamen Satzungsdurchbrechungen ermöglicht.19 So lässt sich die Bestellung eines nicht die satzungsmäßigen Qualifikationsanforderungen erfüllenden Geschäftsführers zwar als Einzelfallentscheidung auffassen, die sich in diesem Bestellungsakt erschöpft. Gleichzeitig wirkt der Satzungsverstoß in der Tätigkeit des Geschäftsführers weiter. Deshalb erscheint es nicht abwegig, in der Bestellung einen Beschluss zu sehen, der einen satzungswidrigen Dauerzustand begründet. Bezeichnenderweise gehen daher die Auffassungen in Rechtsprechung und Kommentarliteratur auseinander, welche Abweichungen lediglich punktuelle Wirkung, welche demgegenüber dauerhafte Wirkung zeitigen.20 Im Übrigen scheint sich Priester zu widersprechen, wenn er das von Boesebeck zur Abgrenzung herangezogene Kriterium der „Außenwirkung“ des Beschlusses als „für eine sachgerechte Differenzierung […] ungeeignet“21 bezeichnet, selbst aber punktuelle Abweichungen deshalb nicht dem Eintragungserfordernis unterwerfen will, weil es sich um „gesellschaftsinterne Beschlüsse“ handele.22 Priester grenzt in der Sache also mithilfe eines Merkmals ab, das er selbst für untauglich hält. Die Auffassung trifft hinsichtlich ihrer Begründung auf weitere Bedenken. Denn es ist nicht erkennbar, weshalb ein Eintragungsverzicht auf Grundlage der punktuellen Wirkung eines Beschlusses zulässig sein soll, wenn das Gesetz selbst keine Anhaltspunkte für eine entsprechende Differenzierung bereithält.23 Dass der Beschluss trotz Satzungsverstoßes bei punktueller Wirkung dann auch noch unanfechtbar sein soll, obwohl § 243 Abs. 1 AktG, der nach ganz h.M. in der GmbH

17 Priester, a.a.O., S. 55 f.; a.A. UHL/Ulmer/Casper, § 53 Rn. 38, dagegen aber OLG Köln NZG 2019, 306, 307. 18 Priester, a.a.O., S. 57. 19 So bereits die Kritik von Habersack, ZGR 1994, 354, 361 f. 20 Vgl. Scholz/Priester, § 53 Rn. 29 gegenüber Lutter/Hommelhoff19/Bayer, § 53 Rn. 30 zur Abweichung von der satzungsmäßigen Gewinnverteilung. 21 Priester, a.a.O., S. 52. 22 Priester, a.a.O., S. 53. 23 Vgl. Hüffer/Koch/Koch, § 179 Rn. 8 (zur AG).

42

Kap. 3: Stand der Diskussion

analog anwendbar ist,24 die Anfechtbarkeit satzungsverletzender Beschlüsse anordnet, entbehrt zumindest der gebotenen Erläuterung.25 Zur Begründung der Wirksamkeit punktueller Abweichungen auch unter Eintragungsverzicht wird unter anderem angeführt, dass damit keine Modifikation der Satzung einherginge. Abgesehen von der Frage, weshalb dann aber doch zumindest Beurkundungserfordernis und qualifizierte Mehrheit auch zur punktuellen Durchbrechung einzuhalten sind, erscheint dieser Befund an sich schon zweifelhaft. Weichen die Gesellschafter für einen Einzelfall von einer Satzungsbestimmung ab, dann gilt jedenfalls für diesen Einzelfall eine andere Regelung.26 Nimmt man zudem an, dass auch Satzungsänderungen für den Einzelfall möglich sind („selbstverständlich“27) ist nicht ohne weiteres nachvollziehbar, weshalb diese Einzelfallregelung nicht von der Eintragungsvoraussetzung erfasst sein soll. Anders läge es, wenn die Satzungsdurchbrechung eben eine „eigene Beschlusskategorie“ darstellte, die sich gerade dadurch auszeichnet, dass sie den Regeln über die Satzungsänderung nicht unterfällt. Doch auch dafür fehlt jeder gesetzliche Anhaltspunkt. Schließlich trifft die These, bei punktuellen Durchbrechungen sei das von § 54 GmbHG geschützte Publizitätsinteresse unberührt und deshalb eine Eintragung verzichtbar, jedenfalls in ihrer Totalität nicht zu. Zunächst dient das Eintragungserfordernis nicht nur Publizität, sondern soll auch die Rechtmäßigkeitsprüfung durch das Registergericht sicherstellen.28 Ausschließlich auf ein (vermeintlich) mangelndes Publizitätsinteresse abzustellen, greift folglich an sich schon zu kurz. Der entscheidende Kritikpunkt liegt jedoch woanders. Dass es der registergerichtlichen Kontrolle oder der Publizität nicht bedarf, mag für bestimmte Einzelfälle vielleicht sogar zutreffen. Unabhängig davon bleibt jedoch unklar, weshalb eine notwendige Verbindung zwischen punktueller Wirkung des Beschlusses einerseits und Publizitätserfordernis bzw. Kontrolle durch das Registergericht andererseits bestehen soll. Die punktuelle Wirkung, soweit überhaupt zweifelsfrei feststellbar, sagt nicht zwangsläufig etwas darüber aus, ob der Beschluss für Dritte von Relevanz ist oder im Interesse der Rechtssicherheit eine Kontrolle unterliegen sollte. Denn ob beispielsweise ein Interesse Dritter besteht an der Qualifikation eines Geschäftsführers, kann völlig unabhängig von der Beschlusswirkung beurteilt werden. Als Beleg genügt ein Blick in die Beiträge Boesebecks und Priesters. Während Priester die Ausländereigenschaft des Geschäftsführers als einen für den Rechtsverkehr beachtlichen Umstand auffasst und deshalb zu einer unwirksamen zustandsbegründenden Abweichung kommt, führt sie Boesebeck als Beispiel für ein Gesellschafts24

S. nur MünchKommGmbHG/Wertenbruch, Anh. § 47 Rn. 1 m.w.N. Ähnlich Leuschner, ZHR 180 (2016), 422, 434. 26 Leuschner, ebd. 27 Priester, ZHR 151 (1987) 40, 55. 28 MünchKommGmbHG/Harbarth, § 54 Rn. 2; Roth/Altmeppen/Altmeppen, § 54 Rn. 1; krit. Zöllner, FS Priester, 879, 888. 25

B. Schrifttum

43

internum an und hält einen abweichenden Beschluss auch ohne Eintragung für wirksam.29 Dann kommt es aber nicht mehr auf die punktuelle Wirkung des Beschlusses an, sondern auf die eben durchaus unterschiedlich beurteilbare Frage, ob an dem Beschlussinhalt ein Informationsinteresse besteht. „Punktuell“ bedeutet also nicht notwendig „ohne Drittrelevanz“, sondern entpuppt sich als Eingangstor für eine letztlich den eigenen Wertungen unterliegende Einzelfallbeurteilung, die den Boden des Gesetzes völlig verlässt. Der auf Priester zurückgehenden und von der h.M. im GmbH-Recht übernommenen Abgrenzung nach der Beschlusswirkung („punktuell – zustandsbegründend“) ist nicht zu folgen. Eine gesetzliche Grundlage für diese Differenzierung ist nicht erkennbar, ihre Herleitung unhaltbar. Doch selbst wenn man über all das hinwegsähe, ließe sie sich nicht einmal praktisch umsetzen, ohne dass aufgrund mangelnder Trennschärfe eine erhebliche Rechtsunsicherheit entstünde. 3. Je nach Art des betroffenen Satzungsbestandteils a) Ansicht Hans Gummert schlägt deshalb eine andere Abgrenzung vor. Regele der Gesellschafterbeschluss in der Sache einen Gegenstand, der „zwingend Satzungscharakter“ besitzt, sei auch eine Abweichung im Einzelfall nur unter Einhaltung der § 53 f. GmbHG möglich. Der Rechtsverkehr, der auf den Satzungsinhalt laut Handelsregister vertraue, bedürfe des Schutzes. Werde diesen Voraussetzungen nicht entsprochen, sei der Beschluss nicht etwa anfechtbar, sondern unwirksam.30 Wichen die Gesellschafter hingegen von Satzungsbestimmungen ab, über deren Inhalt auch grundsätzlich mit einfachem Gesellschafterbeschluss disponiert werden könne („fakultative“ Satzungsbestandteile), folge daraus lediglich die Anfechtbarkeit des Beschlusses. Diese könne vermieden werden, indem alle Gesellschafter dem Beschluss zustimmen, „nach Lage des Einzelfalls“ auch dadurch, dass eine zur Satzungsänderung genügende Mehrheit den Beschluss fasse – ohne dass Formalien (§ 53 f. GmbHG) zu beachten wären.31 b) Kritik Neben der zutreffenden Ablehnung sowohl subjektiver Ansätze als auch der Unterscheidung zwischen punktuell wirkenden und zustandsbegründenden Beschlüssen, erkennt Gummert den bislang weitgehend übersehenen Zusammenhang

29 30 31

Priester, ZHR 151 (1987) 40, 55; Boesebeck, NJW 1960, 2265, 2267. Henssler/Strohn/Gummert, § 53 GmbHG Rn. 10. Henssler/Strohn/Gummert, § 53 GmbHG Rn. 11.

44

Kap. 3: Stand der Diskussion

zwischen der Art des Satzungsbestandteils und der Frage der Wirksamkeit eines satzungsdurchbrechenden Beschlusses.32 Unklar bleibt jedoch, warum bei Abweichungen von „fakultativen“ Satzungsbestandteilen lediglich die Anfechtbarkeit folgen soll. Weshalb sollte eine von der Satzung abweichende Gewinnverteilung (§ 29 Abs. 3 S. 2 GmbHG) nur unter den Voraussetzungen der § 53 f. GmbHG möglich sein, die Bestellung eines satzungsmäßige Voraussetzungen ermangelnden Geschäftsführers aber lediglich die Anfechtbarkeit begründen? Dass das Vertrauen des Rechtsverkehrs hinsichtlich einer der Satzung entsprechenden Gewinnverteilung von vornherein schützenswerter wäre, als in Bezug auf eine Satzungsvorgaben beachtende Geschäftsführerbestellung, erscheint nicht zwingend. Unbeantwortet bleibt ebenso, ob nicht innerhalb der Gruppe der fakultativen Bestandteile zusätzlich zwischen zwingend korporativen und (im Ursprung) indifferenten Bestimmungen differenziert werden müsste.33 Zudem überzeugt der Ansatz, die Vermeidung der Anfechtbarkeit durch Beschlussfassung mit satzungsändernder Mehrheit von den Umständen des Einzelfalls abhängig zu machen, schon unter Rechtssicherheitsgesichtspunkten kaum. Kriterien, nach denen sich eindeutig bestimmen ließe, ob nun satzungsändernde Mehrheit oder nur Einstimmigkeit den Beschluss der Anfechtbarkeit entzieht, bleibt Gummert schuldig. Letztlich kann auch dieser Auffassung mithin nicht gefolgt werden.

II. Kein Dispens von den Anforderungen nach §§ 53 f. GmbHG Nach einer sich in der Minderheit befindlichen Auffassung kann auf die Einhaltung der Satzungsänderungsvorschriften für die Wirksamkeit einer Satzungsdurchbrechung nicht verzichtet werden. Die Begründungen hierfür variieren. 1. Als Folge der ratio legis des § 54 Abs. 3 GmbHG a) Ansicht Mathias Habersack folgt Priester terminologisch, indem er die Einteilung in „punktuelle“ und „zustandsbegründende“ Satzungsdurchbrechungen übernimmt. „Zustandsbegründende“ Satzungsdurchbrechungen hält er grundsätzlich für unzulässig bzw. nur unter Einhaltung aller für eine Satzungsänderung geltenden Vorschriften für möglich. Doch, und darin weicht er erheblich von Priester ab, sei auch bei „punktuellen“ Satzungsdurchbrechungen, neben Ankündigung, entsprechender Mehrheit und notarieller Beurkundung, die Eintragung in das Handelsregister er32

Henssler/Strohn/Gummert, § 53 GmbHG Rn. 10 f.; s. aber auch Leuschner, ZHR 180 (2016), 422, 437 ff. 33 Dazu eingehend Kapitel 4 § 2 A. V.; zu den verschiedenen Arten der Satzungsbestandteile s. ausführlich oben Kapitel 2 B. II.

B. Schrifttum

45

forderlich.34 Dies folge aus dem Normzweck des § 54 Abs. 3 GmbHG.35 Zum einen solle den Gesellschaftern die durch das Eintragungserfordernis erzielte Klarheit im Hinblick auf das Wirksamwerden des Beschlusses sowie dessen Kontrolle durch das Registergericht nicht genommen werden. Zum anderen gehe von den §§ 53 f. GmbHG „eine die vorhandenen Gesellschafter schützende Wirkung aus, als diese darauf vertrauen dürfen, dass ohne Einhaltung der besonderen Voraussetzungen der Satzungsänderung die im Zeitpunkt ihres Beitritts bestehende Satzungslage fortbesteht“.36 Jede erdenkliche Art der Satzungsdurchbrechung sei daher unwirksam, es sei denn, die Anforderungen der §§ 53 f. GmbHG seien vollumfänglich eingehalten.37 Anders liege es nur, wenn es sich bei der Abweichung nun nicht um eine („punktuelle“) Satzungsdurchbrechung, sondern bloß um die „Regelung [einer] konkreten Maßnahme“ handele.38 Dieser Regelungsbeschluss sei als Satzungsverletzung nach § 243 Abs. 1 AktG analog anfechtbar. Ob ein solcher Regelungsbeschluss gegeben ist, sei nach dem Willen der Gesellschafter zu beurteilen.39 Wollten die Gesellschafter die Satzung, zumindest für einen Einzelfall, ändern, liege eine Satzungsdurchbrechung vor. Die §§ 53 f. GmbHG seien hierzu vollständig einzuhalten. Wollten sie hingegen „nur die konkrete Angelegenheit regeln“, ginge es um eine die Anfechtbarkeit begründende Satzungsverletzung. Entscheidende Bedeutung kommt somit der Feststellung zu, ob ein entsprechender Änderungswille besteht. Hier stellt Habersack die entscheidende Weiche. Ein solcher nämlich sei bei zustandsbegründenden Durchbrechungen stets zu ver34 Habersack, a.a.O., S. 368; ebenso Wolff, WiB 1997, 1009, 1012 f.; Scholz/K. Schmidt, § 45 Rn. 34; Lutter/Hommelhoff15, § 53 Rn. 27 GroßKommAktG/Wiedemann, § 179 Rn. 99; J. Müller, Statutenwidrige Verbandsbeschlüsse, S. 212 ff.; 219 ff. 35 Habersack, ebd.; Wolff, ebd.; J. Müller, Statutenwidrige Verbandsbeschlüsse, S. 212 ff.; 219 ff.; ähnlich GroßKommAktG/Wiedemann, § 179 Rn. 99; s. auch KölnKommAktG/Zöllner, § 179 Rn. 98 sowie KölnKommAktG/Zetsche, § 179 Rn. 226; jeweils in Bezug auf die entsprechende aktienrechtliche Vorgabe, § 181 Abs. 1 AktG. 36 Habersack, a.a.O., S. 368. 37 Habersack, a.a.O., S. 368, 373. 38 Strenger GroßKommAktG/Wiedemann, § 179 Rn. 99: die Ansicht, satzungsdurchbrechende Beschlüsse seien bei nur „punktueller“ Wirkung lediglich anfechtbar oder sogar wirksam, stoße auch „für das GmbH-Recht auf Bedenken“ und sei abzulehnen, da Verfahrensund Formvorschriften ihren Zweck verfehlten, wenn man sie „einer situationsgebundenen Auslegung“ unterwerfe. Im Ergebnis ebenso die Unterscheidung „punktuell – zustandsbegründend“ mit Hinweis auf den Normzweck der Eintragungserfordernisse bei GmbH und AG gänzlich ablehnend J. Müller, Statutenwidrige Verbandsbeschlüsse, S. 212 ff.; 219 ff. Wenn der Beschluss zwei Regelungen enthalte, sei die „Ausnahmeregelung“ zwar unwirksam, der „Ausführungsbeschluss“ aber grundsätzlich lediglich anfechtbar, S. 227 ff.; s. dazu auch unten Kapitel 3 § 1 B. II. 2. 39 Habersack, a.a.O., S. 363 f., 368; Wolff, a.a.O., S. 1015; dagegen Leitzen, RNotZ 2010, 566, 571; Lutter/Hommelhoff/Bayer, § 53 Rn. 30; MünchKommGmbHG/Harbarth, § 53 Rn. 49 m.w.N.; für eine subjektive Abgrenzung zwischen anfechtbarer Satzungsverletzung und Satzungsdurchbrechung Lawall, DStR 1996, 1169, 1170.

46

Kap. 3: Stand der Diskussion

muten, bei punktuellen hingegen „positiv festzustellen“.40 Das bloße Bewusstsein über die Abweichung genüge in der Regel zu einer positiven Feststellung jedoch nicht.41 Im Kern geht es Habersack somit nicht um die Frage, ob ein Beschluss punktuelle Wirkung besitzt oder nicht, sondern darum, ob ein Änderungswille nachgewiesen werden kann.42 Priesters Unterscheidung nach der Beschlusswirkung liefert nur ein Indiz bei der Auslegung des Beschlusses. Die im Wesentlichen auf Habersack zurückgehende Ansicht erkennt eine Satzungsdurchbrechung also überhaupt nicht an. Im Gegenteil, sie hält jede Satzungsdurchbrechung für unwirksam, auch wenn Habersack die auf Priester zurückgehende Terminologie teilweise übernimmt.43 Nur wenn der in Rede stehende Beschluss subjektiv lediglich eine Verletzung der Satzung bedeuten soll, folgt die Anfechtbarkeit des Beschlusses gem. § 243 Abs. 1 AktG analog. b) Kritik Zustimmung verdient die Lösung insoweit, als dass sie im Ergebnis nur Satzungsänderung oder Satzungsverletzung, jedoch keine dritte Beschlusskategorie der Satzungsdurchbrechung anerkennt. Ebenso respektiert sie vollumfänglich den Gehalt von § 54 Abs. 3 GmbHG, der als Gesetzesvorschrift prinzipiell universellen Geltungsanspruch besitzt und deshalb nur unter strengen Voraussetzungen eingeschränkt werden darf. Insgesamt überzeugt sie jedoch nicht. Insbesondere der subjektiven Abgrenzung, nach dem Willen der Gesellschafter, kann nicht gefolgt werden. Dogmatisch erscheint bereits zweifelhaft, ob eine Lösung, die darauf abstellt, was die Gesellschafter im Einzelfall innerlich wollten – ohne dass dies zwingend in der Erklärung zum Ausdruck gekommen ist – mit der zu befürwortenden objektive Auslegung von Gesellschafterbeschlüssen in Körperschaften zu vereinbaren ist.44 40 Habersack, a.a.O., S. 368; ähnlich Wolff, a.a.O., S. 1015; a.A. insoweit J. Müller, Statutenwidrige Verbandsbeschlüsse, S. 212 ff.; 219 ff. u. GroßKommAktG/Wiedemann, § 179 Rn. 99, die kein subjektives Kriterium einführen. 41 Habersack, a.a.O., S. 368; a.A. Lawall, DStR 1996, 1169, 1170, bloßes Bewusstsein genügt, um eine Satzungsdurchbrechung im Gegensatz zu einer anfechtbaren Satzungsverletzung anzunehmen; Wolff, a.a.O., S. 1015, „keine generell geltende Regel“, Auslegung des jeweiligen Beschlusses nach dem objektiven Empfängerhorizont. 42 Deutlich Habersack, a.a.O., S. 363 f.: „Die markante Trennlinie verläuft […] nicht zwischen „zustandsbegründenden“ Satzungsdurchbrechungen […] und solchen „punktuellen“ Charakters […]“. 43 Dass auch diese Ansicht die Problematik unter Zuhilfenahme des Begriffspaares „punktuell“ und „zustandsbegründend“ diskutiert, hat in der Literatur teilweise zur Annahme geführt, es werde über ein subjektives Kriterium die Abgrenzung zwischen Priesters Dichotomie vorgenommen, vgl. Hüffer/Koch/Koch, § 179 Rn. 7. Dies ist nicht der Fall; auch ein zustandsbegründender Beschluss kann nach Ansicht Habersacks bloß anfechtbar sein, a.a.O., S. 364, 368. 44 Zur objektiven Auslegung (h.M.), s. MüchKommBGB/Busche, § 133 Rn. 40 m.w.N.

B. Schrifttum

47

Als unhaltbar erweisen sich aber die Ergebnisse, die sich auf Grundlage dieser Ansicht ergeben, zumal sie sich als eine gegenüber Priester restriktivere betrachtet. Fassen die Gesellschafter einen Beschluss mit dem nachgewiesenen Willen, die Satzung bloß zu verletzen, ist dieser Beschluss wirksam, aber anfechtbar. Wollen die Gesellschafter hingegen die Satzung ändern, um dasselbe Ergebnis herbeizuführen, ist der Beschluss jedoch unwirksam. Einzig von dem Willen der Gesellschafter hängt ab, ob der Beschluss Wirkung zeitigt. Sie können letztlich schlicht entscheiden, ob derselbe Beschluss die Satzungsänderungsvoraussetzungen zu seiner Wirksamkeit einzuhalten hat oder diese tatsächlich vollkommen unbeachtlich sind. Gleichzeitig können zustandsbegründende Beschlüsse, sofern die gegenteilige Vermutung entkräftet wird, voll wirksam sein – und damit die Notwendigkeit einer Satzungsänderung vollständig aushebeln.45 An diesem Widerspruch wird die Grundproblematik der Satzungsdurchbrechung sichtbar. Sie liegt darin, dass das Beschlussmängelrecht (§§ 241 ff. AktG analog) nicht mit dem Recht über die Satzungsänderung (§§ 53 f. GmbHG) abgestimmt ist, das Verhältnis zwischen diesen beiden Bereichen nicht geklärt ist. Eine zufriedenstellende Lösung muss deshalb versuchen, genau dieses Verhältnis – soweit überhaupt möglich – zu demarkieren. Unter welchen Umständen ein Beschluss lediglich anfechtbar oder aber wegen Nichteinhaltung beachtlicher Vorschriften über die Satzungsänderung unwirksam ist, folgt dann daraus. Habersacks subjektive Abgrenzung begegnet auch in ihrer Umsetzung Schwierigkeiten, selbst wenn man deren widersprüchliche Ergebnisse hinnähme. Denn praktisch wird es darauf ankommen, ob die Voraussetzungen für die Vermutung eines Änderungswillens erfüllt sind (Beschluss unwirksam) oder nicht (wirksam). Dies wiederum macht Habersack von der Beschlusswirkung abhängig, rekurriert also auf die Frage, ob ein Beschluss punktuell wirke, bloß die „konkrete Angelegenheit“ regele, oder aber der Kategorie des zustandsbegründenden Beschlusses zuzuordnen sei. Dass über diese Einteilung keine eindeutige Zuordnung möglich ist, war bereits Gegenstand eingehender Darlegung.46 Die mit der Vermutung bezweckte Trennschärfe und praktische Abgrenzbarkeit erweist sich bei näherer Betrachtung somit als wenig hilfreich. Solche Probleme stellen sich freilich nicht, wenn man mit Herbert Wiedemann schlicht jede Satzungsdurchbrechung für unwirksam hält.47 Das wirft allerdings die (unbeantwortete) Frage auf, ob – und wenn ja, wie – dies mit der Anordnung des Gesetzes, dass Beschlüsse, die gegen die Satzung verstoßen, grundsätzlich anfechtbar sein sollen, vereinbar sein könnte. Dabei handelt es sich in der Sache um

45

Entsprechend die Kritik u. a. bereits von Tieves, ZIP 1994, 1341, 1344 f.; Stein/Welbers, NJW Spezial 2014, 655, 656; Leuschner, ZHR 180 (2016), 422, 434 ff. 46 Auch die Einzelfallsatzungsänderung will eine konkrete Angelegenheit regeln, auch der punktuell wirkende Beschluss schafft einen Zustand, s. näher oben Kapitel 3 B. I. 2. 47 GroßKommAktG/Wiedemann, § 179 Rn. 99, s. dazu bereits Fn. 38.

48

Kap. 3: Stand der Diskussion

nichts anderes als die bereits aufgeworfene Frage nach dem Verhältnis zwischen Beschlussmängelrecht und Satzungsänderung. Jörg Müller erkennt das Problem der Sache nach und kommt zu dem Ergebnis, dass, wenn der Beschluss eine weitere Regelung enthalte, die sich „nicht unmittelbar auf das Statut“ beziehe, diese anfechtbar sei.48 Dies erscheint inkonsequent, da er einerseits Satzungsdurchbrechungen stets nur unter den Voraussetzungen der § 53 f. GmbHG für zulässig hält, andererseits ein Beschluss, der einen derartigen Effekt erzielt, dann doch wiederum ohne Einhaltung dieser Vorgaben grundsätzlich wirksam sein soll. Eine grundlegende Klärung des Verhältnisses von Satzungsänderung und Beschlussmängelrecht birgt auch seine Analyse nicht. 2. Als Folge des Anwendungsbereichs der §§ 53 f. GmbHG a) Ansicht Vereinzelt findet sich die Auffassung, eine Satzungsdurchbrechung im Sinne einer Einzelfallabweichung von korporativen Satzungsbestimmungen sei stets nur unter Einhaltung der §§ 53 f. GmbHG möglich.49 Wenn das Gesetz die Abweichung von korporativen oder organisationsrechtlichen Satzungsbestandteilen nur unter Einhaltung der Satzungsänderungsvorschriften zulasse, so müsse dies auch für Einzelfälle gelten.50 Denn auch Einzelfälle seien von den §§ 53 f. GmbHG erfasst. b) Kritik Korporative Satzungsbestandteile zeichnen sich dadurch aus, dass auf ihren Inhalt nur unter Einhaltung des Satzungsänderungsverfahrens Einfluss genommen werden kann.51 Ebenso trifft es zu, dass auch Einzelfalländerungen unter die §§ 53 f. GmbHG fallen.52 Fasste man nun aber jede Abweichung von korporativen Satzungsbestimmungen als Beschluss auf, dessen Wirksamkeit an den §§ 53 f. GmbHG zu messen ist, liefe die analoge Anwendung von § 243 Abs. 1 Var. 2 AktG im GmbH-Recht weitgehend leer.53 Denn ein Beschluss, der von bestehenden Regelungen abweicht, ohne sie zu ändern, verstößt inhaltlich gegen eben diese. Ein Satzungsverstoß ist nach 48 J. Müller, Statutenwidrige Verbandsbeschlüsse, S. 231; mit ähnlichem Grundgedanken einer Teilbarkeit des Beschlusses KölnKommAktG2/Zöllner, § 179 Rn. 92; Habersack, ZGR 1994, 354, 368; Tieves, ZIP 1994, 1341, 1345 (dazu näher unten Kapitel 3 B. III. 2.). 49 Kübler/Assmann, § 18 V 3. a), S. 288; vgl. auch Wachter/Wachter, § 179 Rn. 22 (zur AG). 50 Kübler/Assmann, ebd. 51 Allg. Meinung, Scholz/Priester, § 53 Rn. 8, 17; UHL/Ulmer/Casper, § 53 Rn. 10. 52 Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, § 53 Rn. 14; Roth/Altmeppen/Altmeppen, § 53 Rn. 55; Hüffer/Koch/Koch, § 179 Rn. 8 zur entsprechenden Rechtslage in der AG. 53 Ebenso die Kritik von Noack, Gesellschaftervereinbarungen, S. 140 f.

B. Schrifttum

49

dem auf die GmbH entsprechend anwendbaren § 243 Abs. 1 AktG54 jedoch anfechtbar – und damit (zumindest vorläufig) wirksam. Die Prämissen der besprochenen Auffassung sind somit nicht unzutreffend. Doch sie erklärt nicht ihre Folgerung, weshalb, wenn überhaupt zulässig, der Anwendungsbereich von § 243 Abs. 1 Var. 2 AktG analog erheblich beschnitten werden sollte. Das Verhältnis von § 243 Abs. 1 Var. 2 AktG analog zu den §§ 53 f. GmbHG steckt sie nicht differenziert ab und gelangt so zu einer Lösung, die mit dem Recht der GmbH, jedenfalls ohne weitere Erklärung, schwer vereinbar scheint.

III. Voller Dispens von den Anforderungen nach §§ 53 f. GmbHG 1. Als Folge des Ausschlusses der Einzelfallsatzungsänderung Eine auf frühere Rechtsprechung zurückgehende Ansicht, die in der Literatur vereinzelt noch anklingt, hält die Vorschriften über die Satzungsänderung nur für einschlägig, soweit eine Änderung des abstrakt-generellen Inhalts der Satzung Gegenstand der Beschlussfassung ist.55 Eine Änderung der Satzung für den Einzelfall wäre demnach keine Satzungsänderung i.S.d. §§ 53 f. GmbHG, sondern durch einfachen Beschluss möglich.56 Dann stellt sich freilich nicht die Frage, ob auf die Eintragung gem. § 54 GmbHG möglicherweise verzichtet werden könnte. Die Vorschrift ist bereits nicht anwendbar. Im Ergebnis stellt sich die Rechtslage nicht anders dar, als wenn man die Satzungsdurchbrechung für einen bloß anfechtbaren Satzungsverstoß hält. Eine Kritik soll deshalb bis nach der Darstellung dieser Meinung zurückgestellt werden. 2. Als Folge eines Verständnisses als einfacher, anfechtbarer Beschluss a) Ansicht Ausgangspunkt ist die (zutreffende) Erkenntnis, dass das Gesetz zwar Regeln zu satzungsverletzenden und satzungsändernden Beschlüssen bereithält, ihm eine eigenständige dritte Kategorie, wie von Priester und dem ihm folgenden Teil des Schrifttums propagiert, hingegen völlig unbekannt ist. Daraus wird – mit stark abweichender Begründung – gefolgert, dass es sich bei der Satzungsdurchbrechung um 54 Ganz h.A., s. nur UHL/Raiser, Anh. 47 Rn. 3; MünchKommGmbHG/Wertenbruch, Anh. § 47 Rn. 1 m.w.N. 55 Vgl. RGZ 81, 368, 371; BGH ZIP 1981, 1205; Saenger/Inhester/Inhester, § 53 Rn. 19; Bork/Schäfer/Arnold, § 53 Rn. 21; Rowedder/Schmidt-Leithoff/Schnorbus, § 53 Rn. 44, die jeweils die Möglichkeit einer Einzelfalländerung wohl übersehen und als Fall der Einzelfallabweichung nur die Satzungsdurchbrechung nennen, im Übrigen aber der h.M. folgen; s. auch Ueberfeldt, S. 16, sowie Zöllner, FS Priester, 879, 882, 891. 56 Vgl. Meyer-Landrut/Müller/Niehus/Meyer-Landrut, § 53 Rn. 5.

50

Kap. 3: Stand der Diskussion

nichts anderes als einen einfachen, aufgrund der Satzungsverletzung jedoch anfechtbaren, Gesellschafterbeschluss handele.57 Johannes Tieves konstatiert, ein satzungsdurchbrechender Beschluss besitze bei genauer Betrachtung einen Doppelinhalt. Zum einen regele er die der Satzung widersprechende konkrete Einzelmaßnahme, zum anderen, dass die entgegenstehende Satzungsbestimmung nicht gelten solle.58 Der erste Teil sei lediglich anfechtbar, der zweite aber, weil satzungsändernd, nichtig, falls nicht jede für die Satzungsänderung geltende Voraussetzung beachtet worden sei. Diese Aufteilung ergebe sich daraus, dass die Beschlussteile auch jeweils einzeln, als eigenständige Beschlüsse hätten gefasst werden können. Zudem entspreche es dem Rechtsgedanken des § 139 BGB, den einheitlichen Beschluss „wertungsmäßig wie zwei verschiedene Beschlüsse“ zu behandeln.59 Unabhängig davon, ob ein Wille zur Änderung bestehe, sei der „Maßnahmebeschluss“ stets nur anfechtbar.60 Der „Änderungsbeschluss“, der darauf abziele, die Anfechtbarkeit des Maßnahmebeschlusses zu verhindern, sei hingegen nur unter Einhaltung der §§ 53 f. GmbHG wirksam. Es handele sich hierbei um nichts anderes als eine Satzungsänderung für einen Einzelfall, sodass naturgemäß alle hierfür geltenden Anforderungen einzuhalten seien.61 57

Zöllner, FS Priester, 879, 882, 889 f., 892; Tieves, ZIP 1994, 1341, 1343; Leitzen, RNotZ 2010, 566, 570 f. sowie Pöschke, DStR 2012, 1089, 1091 f., Zöllner, folgend; Baumbach/ Hueck/Zöllner/Noack, § 53 Rn. 48; Saenger/Inhester/Inhester, § 53 Rn. 23; Gehrlein/Born/ Simon/Leitzen, § 53 Rn. 16; ähnlich Lutter/Hommelhoff/Bayer, § 53 Rn. 30, nur für punktuell wirkende Beschlüsse; Noack, GmbHR 1994, 349, 353 f., auch bei „dauerhaften Folgen im korporativen Gefüge“ lediglich anfechtbar; mit subjektiver Abgrenzung Wolff, WiB 1997, 1009, 1016; Jung-Senssfelder, Gesellschaftsvertragsänderung, S. 134 f.; abweichend Stöhr, Satzungsdurchbrechungen, S. 165 ff.; ders., MittRhNotK 1996, 390, 396, 402 ff., 408, der eine satzungsändernde Mehrheit stets für erforderlich hält, aber vom Erfordernis der Beurkundung und Eintragung absieht, sofern der Beschluss nicht Regelungen betreffend Firma, Sitz oder Erhaltung des Stammkapitals enthält. Da er die Satzungsdurchbrechung zugleich für eine eigene „Beschlusskategorie“ hält, positioniert er sich im Ausgangspunkt mit Priester, in Bezug auf deren Voraussetzungen steht er Zöllner, Noack und Tieves deutlich näher. Die Herleitung seines Standpunkts, im Wesentlichen über einen Vergleich zu schuldrechtlichen Nebenabreden (MittRh-NotK 1996, 390, S. 400 ff.), geht schon im Grundsatz fehl, da sie wohl auf der Annahme basiert, durch solche Verträge ließen sich u. a. zwingend korporative Rechtsbeziehungen regeln. Dies ist aber nicht der Fall, MünchKommGmbHG/Wicke, § 3 Rn. 132 m.w.N. sowie u. Kapitel 5 § 3 B. 58 Tieves, ZIP 1994, 1341, 1345; Wolff, WiB 1997, 1009, 1016; sehr ähnlich bereits KölnKommAktG2/Zöllner, §179 Rn. 92; Habersack, ZGR 1994, 354, 368; vgl. auch J. Müller, Statutenwidrige Verbandsbeschlüsse, S. 231 f. („Ausnahmeregelung“ und „Ausführungsgeschäft“) und Lutter/Hommelhoff/Bayer, § 53 Rn. 30 („Doppelnatur“). 59 Tieves, ZIP 1994, 1341, 1345; insoweit a.A. Zöllner, a.a.O., S. 883: eine solche Aufteilung widerspreche „allen zu körperschaftlichen Willenserklärungen entwickelten Grundsätzen“. 60 Tieves, ZIP 1994, 1341, 1345 f.; a.A. insoweit wohl Wolff, WiB 1997, 1009, 1016, der unter Berufung auf § 139 BGB zwar ebenfalls die „Maßnahmeregelung“ im Grundsatz für lediglich anfechtbar hält, im Übrigen aber nach dem Willen der Gesellschafter beurteilt, ob Änderung oder Verletzung vorliegen. 61 Tieves, ZIP 1994, 1341, 1346.

B. Schrifttum

51

Im Gegensatz dazu widmet Wolfgang Zöllner seine Aufmerksamkeit weniger dem Beschluss selbst, als vielmehr dessen Effekt auf die Satzung. Solle nicht der Satzungstext verändert, sondern nur eine diesem widersprechende Einzelmaßnahme – ganz gleich, ob zustandsbegründend oder nicht – getroffen werden, sei die Satzung als normative, abstrakt-generelle Ordnung nicht betroffen. Es handele sich daher nicht um eine Satzungsänderung, sodass die §§ 53 f. GmbHG gar nicht anwendbar seien.62 Der Satzungstext selbst bliebe unberührt, deshalb fehle es bereits am Anlass für eine Beurkundungsbedürftigkeit.63 Nur wenn ausnahmsweise ausdrücklich eine Satzungsänderung für einen Einzelfall beschlossen werde, kämen die §§ 53 f. GmbHG zur Anwendung.64 Somit bleibe es bei einem einfachen, wegen der Abweichung von der Satzung aber anfechtbaren Beschluss.65 Die Anfechtbarkeit ließe sich jedoch vermeiden, wenn alle Erfordernisse einer Satzungsänderung entsprechend für den satzungsverletzenden Beschluss erfüllt würden. Eine Eintragung sei dabei jedoch entbehrlich, da aus dem Handelsregister nur die „normativ-abstrakte Ordnung“ erkennbar sein müsse, Abweichungen für einen Einzelfall dazu aber eben nicht gehörten.66 Anknüpfend an Priesters Kategorie der zustandsbegründenden Satzungsdurchbrechung führt Ulrich Noack das Kriterium der „korporativ relevanten Dauerwirkung“ ein.67 Jeder Beschluss habe in gewisser Weise einen Dauerzustand zur Folge, entscheidend sei, ob dieser lediglich zu einer Veränderung im korporativen Innenverhältnis führe (unanfechtbar wirksam) oder „dauernde Folgen im korporativen Gefüge der Gesellschaft“ bewirke (anfechtbar).68 Unwirksam seien grundsätzlich nur Beschlüsse, die eine „andere abstrakt-generelle Anordnung als die sachlich zuständige Satzungsvorschrift“ träfen.69 Noack begründet diese Differenzierung mit der Feststellung, dass ein konkret-individueller „Maßnahmebeschluss“ die Regel

62 Zöllner, FS Priester, 879, 882, 884 f., 887, lediglich „faktische Diskrepanz“. Ähnlich Leitzen, RNotZ 2010, 566, 570 f. 63 Zöllner, FS Priester, 879, 883. 64 Zöllner, FS Priester, 879, 884. 65 Zöllner, FS Priester, 879, 889; die Anfechtbarkeit sei jedoch ausgeschlossen, wenn alle Gesellschafter dem Beschluss zustimmen, dies folge aus der vertraglichen Natur der Satzung (a.a.O. S. 890); etwas widersprüchlich erscheint daher, dass Zöllner im darauffolgenden Satz von in der Satzung enthaltenen „Normen“ spricht, deren Änderung Förmlichkeiten bedürfe. Im Übrigen mit ähnlichen Ansätzen bereits Jung-Senssfelder, Gesellschaftsvertragsänderung, S. 128 ff., 134 f. 66 Zöllner, FS Priester, 879, 891: a.A. Leitzen, RNotZ 2010, 566, 572, zumindest bezugnehmende Eintragung nötig. Stöhr erachtet eine Zurückhaltung im Hinblick auf die Annahme von Eintragungspflichten gar für verfassungsrechtlich geboten; dies folge aus dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 GG), MittRhNotK 1996, 390, 401 f. 67 Noack, GmbHR 1994, 349, 354. 68 Noack, GmbHR 1994, 349, 354. 69 Noack, GmbHR 1994, 349, 353.

52

Kap. 3: Stand der Diskussion

„nicht ändern, sondern ,nur‘ nicht beachten“ wolle.70 Von einer Unwirksamkeit sei daher bei solchen Beschlüssen, im Gegensatz zu materiellen Satzungsänderungen, „grundsätzlich nicht auszugehen“. b) Kritik Zunächst erscheint die Aufteilung des Beschlusses in mehrere „Beschlussteile“ unter dogmatischen Gesichtspunkten zweifelhaft. Geht man mit der ganz h.M. davon aus, dass Beschlüsse der Gesellschafterversammlung einer Körperschaft objektiv auszulegen sind,71 und es nach den Vertretern der hier in Rede stehenden Ansicht für die Frage der Beschlusswirksamkeit nicht darauf ankommen soll, ob ein Wille zur Satzungsänderung vorliegt, bleibt jedenfalls ungeklärt, weshalb insofern, als dass die Unanfechtbarkeit des Beschlusses betroffen ist, die Gesellschafter dann doch „beabsichtigt“ haben müssen, „die Satzung für den Einzelfall außer Kraft zu setzen“.72 Fragwürdig wirkt zudem die Annahme, dass an ein und denselben Beschluss zwei verschiedene Wirksamkeitsanforderungen gestellt werden, darüber hinaus dessen Wirkung aber unabhängig davon eintritt, ob beide erfüllt sind. Der zur Begründung dieser These herangezogene § 139 BGB setzt die Teilbarkeit des fraglichen Rechtsgeschäfts voraus. Ein selbständiger, der Geltung fähiger Teil muss also bei Unwirksamkeit des anderen verbleiben.73 Bei der Satzungsdurchbrechung sind die Voraussetzungen an eine Satzungsänderung per definitionem nicht eingehalten, somit ist dieser Teil jedenfalls unwirksam. Ob der verbleibende Teil (ohne den anderen) aber eigenständige Wirksamkeit erreichen kann, ist gerade die Frage. Dass ein solcher Beschluss eigenständig wirksam sein kann, wird immerhin von einer gewichtigen Ansicht im Schrifttum verneint.74 Eine tragfähige Begründung ergibt sich daraus allein jedenfalls nicht. Eine den Wortlaut des § 139 BGB deshalb vernachlässigende, an der ratio legis orientierte Argumentation führt jedoch auch nicht weiter. Die Norm möchte verhindern, dass Parteien an einem Rechtsgeschäft festgehalten werden, obwohl sie nur beide Teile zusammen wollten, nicht aber nur einen allein.75 Deshalb geht das Gesetz von Gesamtnichtigkeit aus, wenn kein gegenteiliger Parteiwille erkennbar ist. § 139

70 Noack, GmbHR 1994, 349, 354; ähnlich Zöllner, FS Priester, 879, 883, 889; Leuschner, ZHR 180 (2016), 422, 450 ff. 71 MünchKommBGB/Busche, § 133 Rn. 40. 72 So Tieves, ZIP 1994, 1341, 1346. 73 MünchKommBGB/Busche, § 139 Rn. 24. 74 S. oben Kapitel 3 § 1 B. II. Für die Unwirksamkeit jedenfalls zustandsbegründender Durchbrechungen auch die Rspr., s. BGHZ 123, 15, 19. 75 MünchKommBGB/Busche, § 139 Rn. 1.

B. Schrifttum

53

BGB wird deshalb auch als „objektive Nichtigkeitsvermutung“ aufgefasst.76 Der Normzweck besteht also nicht darin, Rechtsgeschäften möglichst zur Wirksamkeit zu verhelfen. Dann erscheint jedoch zweifelhaft, wie auf Grundlage von § 139 BGB nun die Wirksamkeit von „Maßnahmebeschlüssen“ begründet werden soll. Zur vorgelagerten Frage, ob die einzelnen Teile des Rechtsgeschäfts wirksam sind, trifft die Norm keinerlei Aussage. Hält man den „satzungsändernden Teil“ für mangels Einhaltung der für die Satzungsänderung bestehenden Voraussetzungen für unwirksam, ließe sich eher noch die Unwirksamkeit des Beschlusses mit dem Rechtsgedanken der Vorschrift erklären. Die Auslegung in zwei „Beschlussteile“ erweist sich zudem bereits an sich als problematisch. Tieves tragendes Argument ist, dass eine Aufteilung in zwei Beschlussteile deshalb möglich sei, da sie auch jeweils einzeln als eigenständige Beschlüsse vorgenommen werden könnten.77 Zweifellos wäre nach heute allgemeiner Ansicht eine Einzelfallsatzungsänderung, der die Bestimmung suspendiert, als selbstständiger Beschluss zulässig.78 Doch zu behaupten, in einem einheitlich gefassten Beschluss seien in Wahrheit zwei Beschlüsse versteckt, von denen sich der eine der Problematik entziehe, weil er als „Maßnahme“ nur anfechtbar wäre, klingt nach einer petitio principii. Denn selbstverständlich könnte eine spätere Satzungsänderung einen andernfalls anfechtbaren Beschluss legalisieren. Ob dieser Beschluss bloß anfechtbar ist oder sogar unwirksam, das aber gilt es gerade zu begründen. Die auf Grundlage einer Aufspaltung in Beschlussteile entwickelte Lösung überzeugt mithin insgesamt nicht. Der Hinweis, ein satzungsdurchbrechender Beschluss berühre die Satzung überhaupt nicht, weshalb sich de facto die Problematik um §§ 53 f. GmbHG gar nicht stelle, geht ebenso fehl. Fassen die Gesellschafter einen Beschluss, mit dem eine Abweichung von Satzungsregeln herbeigeführt werden soll (z. B. ein Dispens vom satzungsmäßigen Wettbewerbsverbot), erschöpft sich dessen Wirkung nicht in einer lediglich „faktische[n] Diskrepanz“.79 Die Geltung der Satzungsbestimmung wird für einen Einzelfall außer Kraft gesetzt. Jedenfalls in seiner Wirkung ist der Beschluss von einer Satzungsänderung für den Einzelfall also nicht zu unterscheiden. Weshalb dieser Beschluss dennoch von vornherein nicht den §§ 53 f. GmbHG unterliegen soll, bedarf dann näherer Begründung. Die bloße Feststellung, die Regeln über die Satzungsänderung seien hier nicht anwendbar, weil die Geltung von Satzungsbestimmungen nicht in Frage stehe, greift zu kurz. Unabhängig von der Begründung der Anfechtungslösung im Detail, begegnen dieser Ansicht grundsätzliche Bedenken. Denn führte man sie konsequent zu Ende, 76

Staudinger2015/Roth, § 139 Rn. 2; in diesem Sinne auch BGHZ 205, 319, 329 ff., zur Gesamtnichtigkeit mehrerer Satzungsänderungen bei „innerem Zusammenhang“. A.A. wohl Wolff, WiB 1997, 1009, 1016. 77 Tieves, ZIP 1994, 1341, 1345. 78 MünchKommAktG/Stein, § 179 Rn. 37 m.w.N. 79 So aber Zöllner, FS Priester, 879, 887.

54

Kap. 3: Stand der Diskussion

könnte die einfache Gesellschaftermehrheit jede Einzelfallregelung durch formlosen Beschluss treffen, obwohl das Gesetz bestimmte Regelungen zwingend einer Satzungsmäßigkeit unterwirft (zwingend korporative Satzungsbestandteile, z. B. § 3 GmbHG). Die Anfechtungslösung missachtet insoweit also den Satzungsvorbehalt.80 Denkbar wäre, speziell für Satzungsdurchbrechungen davon eine Ausnahme zu gewähren. Der Versuch, eine solche Ausnahme – immerhin von ius cogens – zu begründen, wird jedoch schon gar nicht unternommen. Zu weiteren Bedenken gegen die Anfechtungslösung gibt die Problematik der mehrfachen Satzungsdurchbrechung Anlass.81 Hiermit ist der Fall gemeint, dass eine (zulässige) Durchbrechung in Bezug auf denselben Beschlussgegenstand mehrfach erfolgt. Hielte man das für unbegrenzt zulässig, wäre eine Satzungsänderung in diesen Fällen überflüssig, um ein entsprechendes Ergebnis herbeizuführen. Soll die Anfechtbarkeit (§ 243 Abs. 1 AktG analog) also insoweit, als Durchbrechungen zulässig sind, die Vorschriften der §§ 53 f. GmbHG völlig obsolet machen? Soweit gehen die Vertreter der bloßen Anfechtbarkeit meist nicht, wohl wissend, dass der Satzungsvorbehalt nicht komplett bedeutungslos gestellt werden kann.82 Doch der Vorschlag, die Zulässigkeit sodann danach zu beurteilen, „ob sie in der Sache zu einer der Satzung vorbehaltenen Neuordnung“83 führe, gibt dem Rechtsanwender kein klares Kriterium an die Hand. Da abstrakt-generelle Beschlussinhalte schon nicht den Begriff der Satzungsdurchbrechung erfüllen, kann es nur um die Festlegung einer bestimmten Anzahl von Durchbrechungen in einem bestimmten Zeitraum gehen. Doch wann wäre diese erreicht? Ist hier vielleicht sogar nach dem Beschlussgegenstand zu differenzieren (Abweichung von Gewinnverteilungsregelung öfter möglich als satzungswidrige Geschäftsführerbestellung)? Der Versuch, durch die Anfechtungslösung in besonderem Maße Rechtssicherheit zu gewährleisten, misslingt. Denn selbst wenn eine Durchbrechung zulässig sein sollte, stellte sich bereits bei einer zweiten in kurzem zeitlichem Abstand die Frage ihrer Wirksamkeit. Im Grunde schiebt dieser Ansatz die sich im Ende unausweichlich stellende Problematik damit nur auf. 80

Ähnlich Leuschner, ZHR 180 (2016), 422, 436, 438. Gesehen von Noack, GmbHR 1994, 349, 354; s. auch Stöhr, Satzungsdurchbrechungen, S. 199 ff.; ders., MittRhNotK 1996, 390, 407 f.; Helmke, Satzungsdurchbrechungen, S. 126 ff.; Leitzen erkennt eine ähnliche Abgrenzungsproblematik zwischen einer (unzulässigen) Änderung des Organisationsrechts und einer (noch zulässigen) Einzelmaßnahme, RNotZ 2010, 566, 571. 82 S. Noack, GmbHR 1994, 349, 354; Stöhr, MittRhNotK 1996, 390, 407; a.A. J. Müller, Statutenwidrige Verbandsbeschlüsse, S. 262; Helmke, Satzungsdurchbrechungen, S. 133 („Folge hinnehmbar“). 83 Noack, GmbHR 1994, 349, 354; Stöhr leitet aus der Behandlung von Kettenbefristungen im Arbeitsrecht ab, dass – sofern ein „sachlicher Grund“ bestehe – eine mehrfache Durchbrechung ausnahmsweise zulässig sei, Mitt-RhNotK 1996, 390, 407; ders., Satzungsdurchbrechungen, S. 199 ff. Die Vergleichbarkeit von Kettenbefristung und Satzungsdurchbrechung erscheint indes gering. 81

B. Schrifttum

55

Zudem setzt er sich über die Tatsache hinweg, dass sich die Gesellschafter durch die ausdrückliche Satzungsregelung indifferenter, d. h. nicht zwingend satzungsmäßig zu regelnder Gegenstände, für eine korporative Regelung der Frage entschieden haben – was darauf schließen lässt, dass sie nicht der Disposition durch einfachen Gesellschafterbeschluss unterliegen soll. Nähme man jedoch lediglich Anfechtbarkeit an, wäre genau dies der Fall. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass unabhängig vom einzelnen Begründungsansatz auch die These von der bloßen Anfechtbarkeit des satzungsdurchbrechenden Beschlusses kein schlüssiges Gesamtkonzept bietet.

IV. Dispens je nach Fallgruppe 1. Ansicht Als Frucht und Folge der Unzulänglichkeiten der bereits erörterten Ansichten entwickelt Lars Leuschner ein Fallgruppensystem. Das Schicksal des satzungsdurchbrechenden Beschlusses (wirksam, anfechtbar, nichtig) bestimme sich danach, in welche von sieben Fallgruppen dieser seinem Gegenstand nach einzuordnen sei.84 Grundlegend sei zwischen „inhaltlichen“ und „prozeduralen“ Abweichungen zu differenzieren. Innerhalb der inhaltlichen Abweichungen müsse weiter zwischen Beschlüssen mit positivem im Gegensatz zu negativem Regelungsgehalt unterschieden werden. Während Beschlüsse mit negativem Regelungsgehalt sich darauf beschränkten, einer anderen Regelung zu widersprechen, träfen positive eine „darüber hinausgehende Regelung“.85 Für den Fall, dass der Beschlussgegenstand einen notwendig korporativen Satzungsbestandteil betreffe, sei eine Abweichung nur als Satzungsänderung nach §§ 53 f. GmbHG zulässig (Fallgruppe 1).86 Handele es sich um eine sog. indifferente Bestimmung, komme es zunächst darauf an, ob es ein „Konkretisierungsgefälle“ zwischen Satzung und Beschluss gebe. Liege ein solches vor (Fallgruppe 2), sei der Beschluss lediglich analog § 243 Abs. 1 AktG anfechtbar, da er die Geltung der Satzungsregelung als solcher nicht in Frage stelle und somit eine entsprechende Änderung nicht erforderlich sei.87 Andernfalls (Fallgruppe 3) hinge die Wirksamkeit der Abweichung wiederum von der Einhaltung der Satzungsänderungsvorschriften ab.88 84

Leuschner, ZHR 180 (2016), 422, 437 ff.; s. auch MünchKommBGB/Leuschner, § 33 Rn. 20 ff. zum Verein. 85 Leuschner, a.a.O., S. 437; die gedankliche Verwandtschaft zur von Tieves vertretenen Aufsplittung ist nicht zu verkennen, s. auch Leuschner, a.a.O., S. 440. 86 Leuschner, a.a.O., S. 438 f. 87 Leuschner, a.a.O., S. 439 ff. 88 Leuschner, a.a.O., S. 443.

56

Kap. 3: Stand der Diskussion

Beschlüsse, deren ausschließlicher Gegenstand es sei anzuordnen, dass eine Satzungsbestimmung nicht gelte, also solche mit „ausschließlich negativem Regelungsgehalt“ (Fallgruppe 4), seien ebenso nur unter Einhaltung der §§ 53 f. GmbHG wirksam.89 Denn dieser Fall entspreche Fallgruppe 3 insoweit, als dass der Satzung auch hier ihre Geltung abgesprochen werde, diese Wirkung aber nicht durch § 243 Abs. 1 AktG erreichbar sein solle. Hinsichtlich prozeduraler Abweichungen führe eine Missachtung „beschlussbezogener statutarischer Verfahrensvorschriften“ (Fallgruppe 5) lediglich zur Anfechtbarkeit, sofern aber „ergänzende statutarische Tatbestandsmerkmale“ in Rede stünden (Fallgruppe 6), worunter u. a. Zustimmungsvorbehalte und Sonderrechte zu verstehen seien, unterfalle diese Abweichung den Vorschriften über die Satzungsänderung.90 Ebenso unwirksam bei Missachtung der §§ 53 f. GmbHG sei ein Beschluss, der gegen eine vom Gesetz abweichende Zuständigkeitsregelung verstoße (Fallgruppe 7).91 Unter Wertungsgesichtspunkten sei eine notarielle Beurkundung sowie Eintragung ins Handelsregister jedoch grundsätzlich nur in Bezug auf abstrakt-generelle Satzungsänderungen erforderlich.92 Dies folge aus dem Telos des § 54 GmbHG, der in erster Linie darauf abziele, künftige Gesellschafter über den abstrakt-generellen Inhalt der Satzung zu informieren.93 Die Beurkundung diene demgegenüber lediglich der Vorbereitung der Eintragung, weshalb beim Absehen von letzterer auch das Bedürfnis an ersterer entfalle.94 Sofern der Beschluss jedoch Gegenstände betreffe, die unter § 10 GmbHG fallen, müsse dennoch beurkundet und eingetragen werden.95 Eine weitere Ausnahme bestehe bei satzungsmäßig verlängerten Ladungsfristen.96

2. Kritik Leuschner erkennt zutreffend, dass keine der bisher vertretenen Ansichten eine umfassende und gleichzeitig widerspruchsfreie Lösung der Problematik hervorbringt. Diese Erkenntnis führt ihn aber zum Entwurf eines Rechtsfolgenlabyrinths, durch dessen verschlungene Pfade sich der Rechtsanwender nur mühsam einen Weg bahnen wird. Eine solch hohe Komplexität, vor allem im Vergleich zu den bisher vertretenen Ansätzen, wäre vielleicht noch hinzunehmen, wenn sie eine zweifelsfreie 89

Leuschner, a.a.O., S. 444; a.A. Selentin, NZG 2020, 292, 296. Leuschner, a.a.O., S. 444 ff. 91 Leuschner, a.a.O., S. 447. 92 Leuschner, a.a.O., S. 448 ff.; vgl. auch Zöllner, FS Priester, 879, 884. 93 Leuschner, a.a.O., S. 450 f.; ähnlich Zöllner, FS Priester, 879, 891; dagegen Habersack, ZGR 1994, 354, 367 f.; Tieves, ZIP 1994, 1341, 1347 f. 94 Leuschner, a.a.O., S. 453; im Aktienrecht hält er die Beurkundung gleichwohl für erforderlich, s. ebd. 95 Leuschner, a.a.O., S. 454. 96 Leuschner, a.a.O., S. 455. 90

B. Schrifttum

57

Zuordnung und dogmatisch stringente Klärung von Fällen der Satzungsdurchbrechung ermöglichen würde. Auch das gelingt aber nicht vollends. Zunächst liegt die Unterscheidung zwischen Beschlüssen mit positivem und lediglich negativem Regelungsgehalt nicht so klar, wie sie scheinen mag. Enthält ein Beschluss, mit dem ein Geschäftsführer bestellt wird, der in seiner Person nicht die Vorgaben der Satzung erfüllt,97 neben der positiven Regelung nicht, wie von Zöllner, Habersack und weiteren gesehen, zumindest implizit immer auch eine negative Regelung, die die Nichtgeltung der Satzungsbestimmung im Einzelfall anordnet? Leuschner selbst hält Beschlüsse, die sich „lediglich“ in einer Nichtgeltungsanordnung erschöpfen, nur unter Einhaltung aller Voraussetzungen für eine Satzungsänderung für wirksam. Speziell bei nicht zwingend korporativen Satzungsbestandteilen folge aber aus § 139 BGB, dass selbst wenn eine solche Satzungsänderung impliziert wäre, der Beschluss aufgeteilt und in Bezug auf den positiven Teil weiterhin nur anfechtbar bleibe, weil dies stets dem mutmaßlichen Willen der Beteiligten entspreche.98 Dies setzt aber voraus, dass der positive Teil ohne den negativen Teil Bestand haben kann und darin liegt gerade die Grundproblematik der Satzungsdurchbrechung.99 In der Sache stellt, wie bereits erörtert, die (als solche schon sehr zweifelhafte) Aufteilung des Beschlusses nach § 139 BGB nicht mehr als eine Umgehung des Problems dar. Verdienstvoll liefert Leuschner jedoch den zutreffenden Befund, dass bei einem Gefälle zwischen Satzung und Beschluss der Beschluss grundsätzlich keinen Bestand haben kann.100 Weshalb aber dem so ist, wird nicht grundlegend erklärt. Zudem ist fraglich, ob das Kriterium des „Konkretisierungsgefälles“ tatsächlich zur Abgrenzung von ohne weiteres wirksamer, aber anfechtbarer, und von vornherein unwirksamer Satzungsdurchbrechung taugt. Stellt der Fall der Verlängerung eines Aufsichtsratsmandats für den Einzelfall, der Beispiel für eine aufgrund mangelnden Konkretisierungsgefälles unwirksame Durchbrechung sein soll, nicht eine ähnliche Konkretisierung dar, wie wenn eine satzungsmäßige Gewinnaufteilung im Einzelfall durchbrochen werden soll? Auch wenn der Schlüssel zur Lösung der Problematik im Gefälle zwischen Beschluss und Satzung liegt, erscheint eine Differenzierung nach „Konkretisierungsgrad“ weniger hilfreich. Außerdem ließe sich allgemeiner fragen: Warum sollten Verstöße gegen statutarische Vorgaben, die die Gesellschafter für ihre Beschlüsse für verbindlich erklärt haben, lediglich die Anfechtbarkeit begründen? Sind die in Verwirklichung der Satzungsautonomie selbstgegebenen Regelungen weniger „wert“, sodass eine Abweichung durch einfachen Beschluss zulässig sein sollte? Diese Fragen finden ihre 97

Leuschner, ZHR 180 (2016), 422, 439, als Beispiel für einen Beschluss mit positivem Regelungsgehalt, der lediglich anfechtbar sein soll. 98 Leuschner, a.a.O., S. 440; so bereits Tieves, ZIP 1994, 1341, 1345. 99 S. bereits oben Kapitel 3 § 1 B. III. 2. b). 100 Ähnliche Gedanken bereits bei Habersack, (ZGR 1994, 354, 356) und Tieves, (ZIP 1994, 1341, 1343 f.). Näher dazu unten Kapitel 4 § 1.

58

Kap. 3: Stand der Diskussion

Antwort jedenfalls nicht im Konkretisierungsgrad von Satzungsbestimmung und Beschluss. Ein weiterer Kritikpunkt betrifft die grundlegende Rechtfertigung der Satzungsdurchbrechung als Rechtsinstitut. Denn Grund für die Anerkennung der Satzungsdurchbrechung war ursprünglich, den Gesellschaften mehr Flexibilität und Spontanität bei der Beschlussfassung zu ermöglichen.101 Leuschner hält die Einberufungsformalitäten, einschließlich der Ankündigung, auch in den Fällen der Einzelfallsatzungsänderung für anwendbar, in denen – aufgrund der von ihm für opportun gehaltenen teleologischen Reduktion – Beurkundung und Eintragung entbehrlich sein sollen. Die mit diesem Verzicht gewonnene Flexibilität wird damit aber wieder stark eingeschränkt. Letztlich wirkt eine Fallgruppenbehandlung wie die Kapitulation vor dem Versuch juristischer Systembildung. Aufgabe der Rechtswissenschaft muss es sein, eine nach allgemeinen Prinzipien gültige, unkomplizierte und schlanke Lösung einer Problemstellung anzubieten. Um mit Seneca zu sprechen: Legem enim brevem esse oportet, quo facilius ab imperitis teneatur.102 Ein entsprechender Versuch soll im Anschluss an die folgende Analyse der Rechtsprechung unternommen werden.

V. Ergebnis Das Meinungsbild im Schrifttum zur Satzungsdurchbrechung in der GmbH lässt sich grob in vier Kategorien einteilen. Nach einer Auffassung kann bei einer zulässigen Satzungsdurchbrechung zumindest auf die Registereintragung verzichtet werden. Wann jedoch von der Zulässigkeit der Durchbrechung auszugehen ist, wird abweichend beurteilt. Nach anderer Ansicht ist eine Satzungsdurchbrechung hingegen stets unzulässig. Dennoch soll es Beschlüsse geben, die nicht als Satzungsdurchbrechung zu qualifizieren und deshalb grundsätzlich wirksam sind, aber der Anfechtung unterliegen. Eine dritte Gruppe hält dagegen Satzungsdurchbrechungen für wirksam und bestreitet, dass es sich überhaupt um ein Problem der §§ 53 f. GmbHG handele. Ein neuer Ansatz versucht schließlich, die Probleme der bisher vertretenen Ansätze zu vermeiden, indem er die Wirksamkeit satzungsdurchbrechender Beschlüsse nach Fallgruppen beurteilt. Ein klares, schlüssiges Gesamtkonzept bietet keine der Auffassungen.

101

Vgl. Ueberfeldt, Satzungsdurchbrechung, S. 14 ff., 18 f. Seneca, Epistulae morales, 94, 38 (dt.: Ein Gesetz sollte kurz sein, damit es leichter von Unerfahrenen eingehalten wird.), den Poseidonios zitierend; vgl. auch Iustinian, Inst. 3, 2, 3 (a): „simplicitatem legibus amicam“. 102

C. Rechtsprechung

59

C. Rechtsprechung I. Höchstrichterliche Rechtsprechung 1. Entscheidungen vor BGHZ 123, 15 a) RGZ 81, 368 Der VII. Senat hatte sich im Kontext des preußischen Stempelrechts mit der Frage zu beschäftigen, ob die Einforderung von Nachschüssen durch notariell beurkundeten, aber nicht eingetragenen Gesellschafterbeschluss wirksam war. Der GmbHSatzung mangelte es an einer Regelung, weshalb deren Einforderung eine Änderung vorausgesetzt hätte (vgl. § 26 Abs. 1 GmbHG). Obwohl das Gesetz stets, zunächst nach § 55 Abs. 2 GmbHG i. d. F. vom 10. 05. 1882, ab dem 01. 01. 1900 gem. § 54 Abs. 3 GmbHG, die Wirksamkeit einer Satzungsänderung von ihrer Eintragung abhängig machte, hielt der Senat den Beschluss für „rechtswirksam“.103 Die „formalen Voraussetzungen für die Abänderung des Gesellschaftsvertrags (§ 53)“ seien eingehalten, da „die Verhandlung […] notariell beurkundet ist, und […] die darin gefassten Beschlüsse von den drei Gesellschaftern einstimmig gefasst worden sind.“104 Für die Zukunft bleibe „der rechtliche Zustand [jedoch] wie bisher“.105 Bemerkenswert erscheint, dass der Senat den Beschluss von vornherein als Satzungsänderung für einen Einzelfall auffasst. Zweifel weichen der Gewissheit, wenn er formuliert: „Ob die Gesellschafter sich dabei bewusst gewesen sind, dass hierin eine Abänderung der Satzung für einen bestimmten Fall (§§ 28, 53 GmbHG) enthalten war, macht für die Rechtswirksamkeit der Zulassung der Einforderung keinen Unterschied.“106 Klar ist damit auch, dass ein „Änderungswille“ für die (Un-) Wirksamkeit des Beschlusses nach Meinung des Senats keine Rolle spielt. Unklar bleibt hingegen, weshalb § 54 Abs. 3 GmbHG unbeachtlich sein soll. Der Entscheidung ist hierzu nichts zu entnehmen. Indiz mag sein, dass der Senat mehrfach auf die Einstimmigkeit des Beschlusses als tragenden Grund abstellt, um die Wirksamkeit der Änderung zu begründen.107 Man kann die Entscheidung durchaus so verstehen, als dass Einstimmigkeit über das Fehlen formeller Voraussetzungen – auch einer notariellen Beurkundung – hinwegzuhelfen vermag. Der Senat scheint jedenfalls aufgrund der einstimmigen Beschlussfassung gewillt gewesen, über gewisse Voraussetzungen hinwegzusehen und so der privatautonomen 103

RGZ 81, 368, 370. RG a.a.O., S. 370. 105 RG a.a.O., S. 372. 106 RG a.a.O., S. 371 f. 107 Vgl. RG a.a.O., S. 371: „Es genügte vielmehr die einstimmig erklärte Zulassung.“ Ebenso i.Ü. BGH NJW-RR 1991, 926, 927, jedoch mit Verweis auf BGH-Rechtsprechung (dazu sogleich). 104

60

Kap. 3: Stand der Diskussion

Entscheidung der Gesellschafter maximale Geltung zu verschaffen. Dieses Verständnis rückt die GmbH weg von ihrer Konzeption als Körperschaft und unterwirft ihren Gesellschaftsvertrag einer formlosen, wenn auch prinzipiell nur einstimmigen, Wandelbarkeit gleich einer Personengesellschaft. Dies erscheint weder mit geltendem Recht (völlige Missachtung des § 54 GmbHG), noch mit gesellschaftsrechtlicher Dogmatik (Normcharakter der Satzung) vereinbar. Dennoch verschafft die Entscheidung denjenigen Stimmen Autorität, die eine Satzungsdurchbrechung ohne Registereintragung für möglich erachten, indem sie wohl erstmals die Satzungsänderungsanforderungen in Einzelfällen bei einstimmiger Beschlussfassung für zumindest teilweise unbeachtlich hält. Eine eingehende Begründung hierfür gibt sie jedoch nicht her. b) BGHZ 32, 17 = BGH NJW 1960, 866 Klärung scheint auf den ersten Blick ein Urteil des BGH vom 25. 01. 1960 zu verheißen. Der II. Senat stellt obiter fest, „[i]m allgemeinen“ könnten die Gesellschafter einer GmbH vereinbaren, „die in der Satzung vorgesehene Befugnis zur Ausschließung zeitweilig zu beseitigen“, ohne dass hierzu „der Weg der Satzungsänderung beschritten werden“ müsse.108 Dies ergebe sich „im Hinblick auf die Vertragsfreiheit“.109 Belegt wird diese Behauptung nicht. Was zunächst als weitgehende Fortführung der äußerst liberalen reichsgerichtlichen Position zu verstehen sein könnte, entpuppt sich im Zusammenhang betrachtet jedoch als wenig aussagekräftig. Die Bemerkung fällt in einem Urteil zu Tatbestandsberichtigung und Ausschluss aus der Gesellschaft, ein satzungsverletzender oder satzungsändernder Beschluss steht an keiner Stelle in Rede. Zudem gibt der unmittelbare Kontext des Ausspruchs Rätsel auf. Denn in direktem Anschluss formuliert der Senat, dass eine „derartige Vereinbarung […] auch für die Geschäftsführer verbindlich sei“ und dass ein Gesellschafter „sich auf eine solche Vereinbarung nicht berufen“ könne, wenn er seine Treuepflicht verletzt habe. Die Begriffe „Vertragsfreiheit“ und „Vereinbarung“ könnten auf die Auffassung hindeuten, durch eine Nebenabrede unter den Gesellschaftern ließe sich die Beschlussfassung über den Ausschluss schuldrechtlich beschränken. Andererseits wäre dann unklar, weshalb auch Geschäftsführer durch sie gebunden wären. Man wird den Senat daher so verstehen müssen, als dass er eine formlose Abweichung von der Satzung unter gewissen, nicht näher umrissenen Umständen für möglich hält. Aufgrund der Unklarheiten dieser (nicht entscheidungserheblichen) Ausführungen fällt es jedoch schwer, darin eine unzweideutige Bestätigung der liberalen Position zur Möglichkeit der formlosen Satzungsabweichung zu erkennen. Die Frage, weshalb eine solche Abweichung überhaupt möglich sein sollte, erhellt das Urteil nicht.

108 109

BGHZ 32, 17, 29; vorsichtiger hingegen OLG Koblenz GmbHR 1991, 264, 267 f. BGH ebd.

C. Rechtsprechung

61

c) BGH ZIP 1981, 1205 Gegenstand des Urteils vom 11. 05. 1981 waren bestrittene Vergütungsansprüche, begründet durch formlose Absprachen zwischen Gesellschaftern und einem ehemaligen Beiratsmitglied. Der II. Senat denkt zunächst an, die Vereinbarung als Beschluss zur Änderung der satzungsmäßig festgelegten Beiratsvergütung zu interpretieren. Eine solche sei jedoch nur „in der durch § 53 Abs. 2 GmbHG vorgeschriebenen Form“ wirksam gewesen.110 Da somit ein Anspruch infolge einer Satzungsänderung ausscheide, müsse bedacht werden, dass eine Satzungsänderung dann nicht vorliege – und, so muss man sinnstiftenderweise ergänzen, die dafür geltenden Voraussetzungen nicht eingehalten zu werden bräuchten –, wenn der Gesellschaftsvertrag „nicht für die Zukunft generell“ geändert werden solle, „sondern der Gesellschafterbeschluss nur im Einzelfall von der geltenden Satzung abweicht, ohne sie auf Dauer ändern zu wollen“.111 Solche Beschlüsse seien jedenfalls „nicht nichtig“, ob sie „trotz der vorliegenden Zustimmung aller Gesellschafter anfechtbar“ wären, könne dahinstehen.112 Der zugrunde liegende Sachverhalt ist, wie der Senat selbst bemerkt,113 unklar, lückenhaft und in der Folge schwer nachvollziehbar. Beschränkt man sich daher auf die rechtlichen Ausführungen, erscheint gesichert, dass der Senat eine formlose Abweichung für möglich hält. Etwaige Begrenzungen oder Voraussetzungen dieser Abweichungsbefugnis, sofern sie existieren, bleiben jedoch weiterhin im Dunkeln. Zudem verkennt der Senat, dass sehr wohl eine Satzungsänderung vorliegen kann, wenn von der Satzung „nur im Einzelfall“ abgewichen werden soll – nämlich eine Satzungsänderung für den Einzelfall. Wie sich nun eine solche Änderung für den Einzelfall von einer formlos möglichen Abweichung abgrenzen lässt, bleibt in der Konsequenz offen. Die Formulierung „ohne sie auf Dauer ändern zu wollen“ könnte auf ein subjektives Kriterium deuten. Doch bezieht sich das Verb „wollen“ auf das Subjekt „Beschluss“, nicht auf die Gesellschafter. Eine eindeutige Aussage trifft der Senat auch insoweit also nicht. Während sich in früheren Entscheidungen noch wenigstens die privatautonome Gestaltungsmacht als Begründungsansatz findet, schweigt das Urteil völlig zu der Frage, weshalb überhaupt eine formlose Abweichung von der Satzung, trotz der §§ 53 f. GmbHG, zulässig sein könnte. Insgesamt zeigt die Entscheidung also lediglich, dass eine formlose Abweichung nach Auffassung des BGH zulässig sein kann. Mit welcher Begründung, in welchen

110

BGH ZIP 1981, 1205, 1206. BGH ebd. 112 BGH ebd. 113 BGH a.a.O., S. 1205. Der Senat ist sich nicht einmal sicher, ob der Absprache Beschlussqualität zukommt, s. a.a.O., S. 1206. 111

62

Kap. 3: Stand der Diskussion

Grenzen und unter welchen Voraussetzungen dies genau aber der Fall sein soll, dazu ist der Entscheidung wenig zu entnehmen.114 d) BGH NJW-RR 1991, 926 Etwa zehn Jahre später scheint der BGH plötzlich mit einer Begründung über die Drittrelevanz der zu durchbrechenden Bestimmung zu überraschen. In dem mit Urteil vom 15. 04. 1991 entschiedenen Fall übertrug der Alleingesellschafter einen Teilgeschäftsanteil „mit sofortiger dinglicher Wirkung“, obwohl § 9 Abs. 2 der GmbH-Satzung eine Abtretung nur „mit Wirkung zum Ende des Geschäftsjahres“ zuließ.115 Dass diese Klausel einer wirksamen Übertragung nicht entgegenstehe, so konstatierte der II. Senat, ergebe sich „nicht nur daraus, daß […] eine Satzungsbestimmung durch einstimmigen Gesellschafterbeschluss für den Einzelfall durchbrochen werden“ könne.116 Eine solche Vinkulierung sei bei Einpersonengesellschaften vielmehr ohnehin wirkungslos, da fremde Interessen durch eine solche Regelung nicht betroffen seien.117 Die Satzung sei „nur insoweit von Bedeutung, als aus ihr auch für spätere Gesellschafter ersichtlich sein muß, daß und in welcher Weise die Veräußerlichkeit der Anteile eingeschränkt ist“.118 Der Senat begründet seine Entscheidung demzufolge im Wesentlichen mit der fehlenden Drittrelevanz der Bestimmung. Da er jedoch gerade nicht die (wenn auch seiner Ansicht nach zulässige) Satzungsdurchbrechung als entscheidungswesentlich betrachtet – die fragliche Satzungsbestimmung war nach Auffassung des Senats wirkungslos, ohne dass es auf eine Satzungsdurchbrechung angekommen wäre – bleibt unklar, ob die mangelnde Drittrelevanz allgemein den maßgeblichen Gesichtspunkt für die Zulässigkeit einer Satzungsdurchbrechung darstellen soll. Dagegen spricht, dass die Ausführungen eben nicht im Hinblick auf eine Satzungsdurchbrechung erfolgen. Dazu kommt, dass der Senat davon auszugehen scheint, dass sich Gesellschafter per einstimmigem Beschluss ohne Weiteres über jede Bestimmung des Gesellschaftsvertrags hinwegsetzen können.119 Dann aber wäre eine wirksame Satzungsdurchbrechung nicht von der Drittrelevanz der betroffenen Satzungsregelung abhängig. Sichtbar wird damit jedenfalls, dass Eindeutiges zu Umfang, Voraussetzungen und Begründung der Satzungsdurchbrechung auch dieser Entscheidung nicht zu 114 Dass jedenfalls Änderungen des abstrakt-generellen Inhalts der Satzung Satzungsänderungen darstellen und deshalb deren Voraussetzungen (§§ 53 f. GmbHG) unterliegen, erscheint keine bahnbrechende Erkenntnis. 115 BGH NJW-RR 1991, 926, 927. 116 BGH ebd. unter Verweis auf BGHZ 32, 17, 29 sowie BGH ZIP 1981, 1205, 1206. 117 BGH NJW-RR 1991, 926, 927. 118 BGH a.a.O., S. 928. 119 Diese Auffassung entspräche jedenfalls dem reichsgerichtlichen sowie dem wohl auch vom BGH eingenommenen Standpunkt, auf den der Senat a.a.O., S. 927, verweist. Alternativ ließe sich der Ausspruch als bloßer Hinweis auf den Entfall der Anfechtungsbefugnis verstehen.

C. Rechtsprechung

63

entnehmen ist, zumal sie spezifisch zum Sonderfall der Einpersonengesellschaft ergeht. Signifikant ist das Urteil jedoch insoweit, als der Senat die Satzungsdurchbrechung zumindest in den Begründungskontext der (mangelnden) Drittrelevanz stellt und damit ein Zulässigkeitskriterium anspricht, das in der folgenden Rechtsprechung, vor allem aber im Schrifttum,120 an Bedeutung gewinnen sollte. 2. BGHZ 123, 15 In bis zum heutigen Tage eingehendster Weise äußerte sich der BGH zur „Satzungsdurchbrechung“ in seinem Urteil vom 07. 06. 1993.121 Gegenstand der Entscheidung war ein Gesellschafterbeschluss mit dem Inhalt, dass sich die Amtszeit der Aufsichtsratsmitglieder jeweils um ein Jahr verlängere, wenn die Gesellschafterversammlung nicht deren Abberufung beschließe. Die Satzung sah hingegen eine fixe, auf drei Jahre begrenzte Amtszeit vor. Der II. Senat hielt den Beschluss für unwirksam. Als Satzungsänderung hätte er sowohl der notariellen Beurkundung als auch Eintragung ins Handelsregister gemäß den Voraussetzungen der §§ 53 f. GmbHG bedurft.122 Etwas Anderes ergebe sich auch nicht daraus, dass die Gesellschafter nur eine zeitlich begrenzte Abweichung schaffen wollten, die auf eine bestimmte Person und Situation zugeschnitten war. Denn – und nun erfolgt die lang ersehnte Präzisierung – eine „einen Einzelfall regelnde ,Satzungsdurchbrechung‘ [sei] auch ohne Einhaltung der formellen Voraussetzungen einer Satzungsänderung“ jedenfalls nur dann „nicht nichtig“, wenn es sich um eine „punktuelle‘ Regelung“ handele, bei der „sich die Wirkung des Beschlusses in der betreffenden Maßnahme“ erschöpfe.123 Begründe die Satzungsdurchbrechung hingegen, wie im vorliegenden Fall, einen Zustand, sei sie „ohne Einhaltung der für eine Satzungsänderung geltenden Formvorschriften auch dann unwirksam, wenn dieser Zustand auf einen Zeitpunkt begrenzt ist.“124 Der Senat begründet dies mit Erwägungen zum Verkehrsschutz. Bei Dauerwirkung entfaltenden Abweichungen müsse der Rechtsverkehr über die „Verhältnisse der Gesellschaft“ per Registereintragung zutreffend informiert werden.125 Hätten sie

120

S. nur Zöllner, FS Priester, 879, 891; Leuschner, ZHR 180 (2016), 422, 450 ff.; Selentin, NZG 2020, 292, 296 f. 121 Anmerkungen von Scheuch, EWiR 1993, 991 f.; Schöne, WuB II C § 53 GmbHG 1.94; Goette, DStR 1993, 1302; Heidenhain, LM GmbHG § 52 Nr. 3 Bl. 3 f. (11/1993); Gummert, WiB 1994, 25; in späteren Entscheidungen ist die Frage der Zulässigkeit einer Satzungsdurchbrechung – soweit ersichtlich – nicht mehr entscheidungsrelevant geworden, s. z. B. BGH NZG 2003, 127, 128; BGHZ 210, 186 = NZG 2016, 742, 743; BGH GmbHR 2019, 1233, 1235. 122 BGHZ 123, 15, 18. 123 BGH a.a.O., S. 19. 124 BGH ebd. 125 BGH ebd.

64

Kap. 3: Stand der Diskussion

hingegen nur „gesellschaftsinterne Bedeutung“, sei der Rechtsverkehr nicht berührt.126 Der BGH schließt sich damit im Grundsatz Priester an, verkennt aber, dass es Priester hinsichtlich punktuell wirkender Beschlüsse nicht um die Frage geht, ob zumindest eine Beurkundung vorzunehmen, sondern ob die Registereintragung entbehrlich ist. Nichtsdestotrotz hält auch er jedenfalls die Eintragung bei punktuellen Satzungsdurchbrechungen für entbehrlich. Wohl ohne sich dessen bewusst zu sein, schränkt der Senat damit die Zulässigkeit formfreier Einzelfallabweichungen von Satzungsbestimmungen gegenüber der vorherigen Rechtsprechung ein. Nicht bloß Änderungen des abstrakt-generellen Inhalts der Satzung sollen den Änderungsvoraussetzungen gem. §§ 53 f. GmbHG genügen müssen, sondern jedweder zustandsbegründende Beschluss. Ebenso verändert sich der Begründungsansatz. Während zuvor im Wesentlichen die Verwirklichung der Privatautonomie als Argument für eine Abweichungsbefugnis zu verzeichnen war, stellt der Senat stattdessen jetzt dezidiert auf den Schutz des Rechtsverkehrs ab. Indem der Senat sich stark an Priester anlehnt, ist die Entscheidung inhaltlich zunächst derselben Kritik ausgesetzt, die vorstehend bereits an Priester zu üben war.127 Die Kategorien „punktuelle Wirkung“ und „Dauerzustand“ lassen keine eindeutige Abgrenzung zu. Bezeichnenderweise führt dies das Urteil selbst vor Augen, wenn der Beschluss deshalb unwirksam sein soll, weil er zum Ziel hatte „einen Zustand von jedenfalls nicht nur kurzer Dauer zu schaffen, der mit dem Inhalt der Satzung […] nicht zu vereinbaren war“.128 Wäre also bei einem Zustand von nur kurzer Dauer keine eigentliche Dauerwirkung und damit keine unzulässige Satzungsdurchbrechung anzunehmen gewesen? Was ist (noch) „kurz“? Die Passage zeigt, dass dem Senat selbst das Kriterium der dauerhaften Wirkung nicht treffsicher erschien, jedenfalls nicht in einem Maße, dass er es unqualifiziert hätte verwenden wollen. Um zu begründen, weshalb punktuelle Satzungsdurchbrechungen jedenfalls „nicht nichtig“ sind, verweist der Senat auf deren lediglich „gesellschaftsinterne Bedeutung“. Unabhängig von der Frage, ob die „Bedeutung“ eines Beschlusses überhaupt maßgeblich für die Frage sein kann, ob die §§ 53 f. GmbHG Anwendung finden,129 geht der Ansatz jedenfalls insoweit fehl, als dass auch eine bloß interne 126

BGH ebd. S. oben Kapitel 3 § 1 B. I. 2. b). 128 BGHZ 123, 15, 19 (Hervorhebung nur hier). Enger wohl OLG Düsseldorf NJW-RR 2017, 293 (unwirksam, selbst wenn Zustand auf bestimmte Dauer begrenzt); illustrativ auch OLG Nürnberg MDR 2010, 822: Befreiung von § 181 BGB im Hinblick auf einen einzigen Vertragspartner („punktuell“), gleichzeitig aber für unbegrenzten Zeitraum (dauerhaft) und deshalb ohne Satzungsänderung unwirksam. 129 Einen notwendigen Zusammenhang verneinend bereits oben, Kapitel 3 § 1 B. I. 1. b); das Gesetz macht die Anwendbarkeit der Satzungsänderungsvorschriften nicht von der Be127

C. Rechtsprechung

65

Bedeutung nichts darüber aussagt, ob eine formlose Abweichung von Satzungsbestimmungen zulässig sein kann – zumal die Ansichten darüber, was bloß gesellschaftsintern und was hingegen für Dritte relevant ist, wiederum deutlich auseinandergehen können.130 Als Beleg für die Unstimmigkeit dieser These kann erneut direkt auf die Entscheidung verwiesen werden. Ob ein Mitglied des Aufsichtsrats einer GmbH im Einzelfall für drei oder aber mehr Jahre bestellt wird, hat gesellschaftsinterne Bedeutung; dennoch hält der Senat eine formlose Abweichung für unzulässig. Dann kann es auf die Bedeutung des Beschlusses entweder nicht ankommen, oder aber der Senat hätte die Abweichung zumindest mit dieser Begründung für wirksam halten müssen. Doch selbst der Versuch, unter Beachtung dieser Rechtsprechung rechtssichere Aussagen zur Satzungsdurchbrechung zu treffen, ist weitgehend zum Scheitern verurteilt.131 Denn eine nähere Analyse ergibt, dass das Urteil entscheidende Fragen offenlässt. So bleiben die Folgen einer Satzungsdurchbrechung in großem Umfang unklar. Punktuell wirkende Beschlüsse sind nach Auffassung des Senats zwar nicht nichtig; ob sie aber anfechtbar sind, wird offengelassen.132 Ferner erweckt der Senat den Eindruck, die „Einhaltung der Formvorschriften“ könnte bei punktuellen Durchbrechungen entbehrlich sein. Welche er jedoch konkret für entbehrlich hält, wird nicht eindeutig geklärt. Aus der Begründung über Verkehrsschutzgesichtspunkte lässt sich ableiten, dass die Registereintragung für die Wirksamkeit einer punktuellen Satzungsdurchbrechung nicht erforderlich sein soll. Gleiches gilt aber wohl für die notarielle Beurkundung, denn auch sie fällt unter den Begriff der „formellen Voraussetzungen“ – auch diese Frage lässt der Senat mangels Entscheidungserheblichkeit jedoch ausdrücklich offen.133 deutung des Beschlusses, sondern davon abhängig, ob die Satzung geändert wird. Dass bestimmte „bedeutende“ Beschlüsse, wie die Änderung der Firma, nur durch Satzungsänderung möglich sind, ist nicht die unmittelbare und notwendige Folge ihrer Bedeutung, sondern der Tatsache, dass das Gesetz selbst sie nur durch Satzungsänderung zulässt. 130 Vgl. nur den Konflikt zwischen OLG Köln NZG 2019, 306 und UHL/Ulmer/Casper, § 53 Rn. 38. S. auch BGH NJW-RR 1991, 926, 927 f. 131 Vgl. Goette, RWS Forum 8, 113, 117, dessen Ansicht nach in der Entscheidung „keine Anerkennung dieser Rechtsfigur“ liege und der daran zweifelt, ob die Entscheidung den Schluss erlaubt, der Senat halte zumindest punktuelle Durchbrechungen für zulässig. 132 BGHZ 123, 15, 19; s. aber das obiter dictum in BGH NZG 2003, 127, 128, auch eine punktuelle Satzungsdurchbrechung sei „entsprechend § 243 Abs. 1 AktG jedenfalls anfechtbar“. Wie BGHZ 123, 15 wieder BGHZ 210, 186 = NZG 2016, 742, 743 („allenfalls“ anfechtbar). 133 BGHZ 123, 15, 19. Der Verweis („wie der Senat auch“) auf Hachenburg8/Ulmer, § 53 Rn. 32 geht insofern ins Leere, als Ulmer nicht dazu Stellung bezieht, ob punktuelle Satzungsdurchbrechungen zu ihrer Wirksamkeit wenigstens der notariellen Beurkundung bedürfen, sondern feststellt, dass diese der Anfechtbarkeit unterliegen, selbst wenn eine Beurkundung erfolgt ist. A.A. noch OLG Hamm GmbHR 1992, 807, Beurkundung unverzichtbar, sonst nichtig; das Erfordernis einer Beurkundung unter Berufung auf BGHZ 123, 15 verneinend OLG Nürnberg GmbHR 2000, 563, 564; s. auch OLG Nürnberg MDR 2010, 822, 823; unsicher OLG Düsseldorf NJW-RR 2017, 293 („jedenfalls zustandsbegründende“).

66

Kap. 3: Stand der Diskussion

Ungeachtet dieser dogmatischen und praktischen Schwierigkeiten ist diese Rechtsprechung des Senats mittlerweile fest etabliert und Referenzpunkt für die obergerichtliche Rechtspraxis geworden, die sich immer wieder mit der Thematik zu beschäftigen hatte.

II. Weitere Entwicklung der (obergerichtlichen) Rechtsprechung Zur Klärung offener Fragen haben die BGHZ 123, 15 nachfolgenden Entscheidungen nicht viel beigetragen. Festzuhalten ist, dass die in der Literatur vertretene Abgrenzung nach dem Willen der Gesellschafter in der Rechtsprechung durchweg auf Ablehnung gestoßen ist.134 Gleichzeitig darf es als gesichert gelten, dass nach Auffassung der Obergerichte „punktuelle“ Satzungsdurchbrechungen wirksam, aber anfechtbar sind.135 Darüber hinaus lässt sich der Rechtsprechung überwiegend Unsicherheit im Umgang mit Satzungsdurchbrechungen entnehmen. Zwar wird deren Wirksamkeit verlässlich nach den Kategorien „punktuell“ und „zustandsbegründend“ beurteilt,136 doch beseitigt dies die immanenten Abgrenzungsschwierigkeiten evident nicht. So hielt das OLG Dresden, entgegen der wohl überwiegenden Auffassung in der Literatur, in einem Einzelfall von den Satzungsvorgaben abweichende Gewinnverteilungsbeschlüsse für zustandsbegründende Satzungsdurchbrechungen und damit für unwirksam.137 Kein Gericht hat, soweit ersichtlich, in der jüngeren Vergangenheit je eine Satzungsdurchbrechung für wirksam erachtet.138 Diese Zurückhaltung mag auch darin begründet liegen, dass die Voraussetzungen für eine zulässige, weil punktuelle Satzungsdurchbrechung, weiterhin unklar sind. Während das OLG Hamm im Jahre 1992139 noch davon ausging, dass die notarielle Beurkundung bei jeder Satzungsdurchbrechung erforderlich sei, nahm das OLG Nürnberg etwas später die Gegenposition ein.140 In einer Entscheidung des OLG Düsseldorf aus dem Jahre 2016 findet sich sodann die bemerkenswerte Unsicherheit signalisierende Formulierung „jedenfalls zustandsbegründende Satzungsdurchbrechungen“ bedürften zu ihrer Wirksamkeit die Einhaltung sämtlicher Bestimmungen über die 134 OLG Dresden NZG 2012, 507 f. unter Berufung auf die insoweit aber nicht eindeutige Rechtsprechung des BGH in BGHZ 123, 15; ferner OLG Düsseldorf NJW-RR 2017, 293. 135 OLG Köln NZG 2019, 306, auf BGHZ 123, 15 verweisend, wo diese Frage jedoch offen gelassen wird; die Anfechtbarkeit bei Einstimmigkeit verneinend BGH NZG 2003, 127, 128. 136 S. nur OLG Köln NJW-RR 1996, 1439, 1441; OLG Nürnberg GmbHR 2000, 563, 564; OLG Nürnberg MDR 2010, 822, 823; OLG Hamm NZG 2015, 678, 680 f.; OLG Köln NZG 2019, 306; OLG Frankfurt GmbHR 2019, 1284, 1288. 137 OLG Dresden NZG 2012, 507, 508 dazu Tomat, GmbH-StB 2012, 75; Grever, RNotZ 2019, 1, 7 f.; a.A. Priester, ZHR 151 (1987), 40, 52; Lawall, DStR 1996, 1169, 1173; Lutter/ Hommelhoff17/Bayer, § 53 Rn. 31; Scholz/Priester, § 53 Rn. 29; UHL/Ulmer/Casper, § 53 Rn. 36; wohl auch Pöschke, DStR 2012, 1089, 1091 f. 138 Vgl. zuletzt OLG Köln NZG 2019, 306; OLG Frankfurt GmbHR 2019, 1284, 1288. 139 OLG Hamm GmbHR 1992, 807. 140 OLG Nürnberg GmbHR 2000, 563, 564; ebenso OLG Nürnberg MDR 2010, 822, 823.

D. Ergebnis zum Meinungsstand in der GmbH

67

Satzungsänderung.141 Dass die Verwirrung um die Satzungsdurchbrechung komplett ist, zeigt sich, wenn das Kammergericht der Auffassung zu sein scheint, eine punktuelle Durchbrechung sei nur bei Bestehen einer Öffnungsklausel zulässig142 – dabei liegt deren Funktion unter anderem gerade darin, nicht auf Satzungsdurchbrechungen rekurrieren zu müssen.143 Begründungen für all dies sucht man freilich vergebens. Die Rechtsprechung der letzten 25 Jahre hat wenig zur Klärung der Frage beigetragen, unter welchen Voraussetzungen eine Satzungsdurchbrechung wirksam sein kann. Im Gegenteil, die Unsicherheit scheint gestiegen. So nimmt es nicht Wunder, wenn zunehmend vom Versuch einer Satzungsdurchbrechung von vornherein abgeraten wird.144 Die Schwierigkeiten um die Umsetzung der Kriterien „zustandsbegründend“ und „punktuell“ belegen, dass das Konzept der Rechtsprechung den gegen Priesters Auffassung vorgebrachten theoretischen Bedenken auch in der Praxis nicht entrinnen kann.

D. Ergebnis zum Meinungsstand in der GmbH Über die Satzungsdurchbrechung besteht eine immense Verwirrung. Kaum zwei Beiträge scheinen sich mehr über Voraussetzungen einer wirksamen Durchbrechung einigen zu können. Das im Detail nur noch schwerlich zu überblickende Spektrum reicht von grundsätzlicher Ablehnung des Instituts bis hin zur Bejahung bloßer Anfechtbarkeit einer jeden Satzungsdurchbrechung. Leidtragender in diesem Meinungswirrwarr ist paradoxerweise der Gesellschafter, dem eine Abweichung unter erleichterten Voraussetzungen ursprünglich doch zu Gute kommen sollte.145 Dass sich Stimmen in der Literatur mittlerweile genötigt sehen, sieben Fallgruppen mit Ausnahmen und Rückausnahmen vorzuschlagen, um der Lage einigermaßen Herr zu werden, zeigt, dass die Problematik eine grundlegende Neukonzeption erfordert. Dass die Rechtsprechung recht einheitlich weiterhin nach punktueller und zustandsbegründender Beschlusswirkung differenziert, beseitigt den Revisionsbedarf nicht. Aus diesem Ansatz resultiert aufgrund seiner fehlenden Trennschärfe eine erhebliche Rechtsunsicherheit – weswegen er im Schrifttum mittlerweile großenteils abgelehnt wird. Eine die dahinterliegenden gesellschaftsrechtlichen, ja allgemein privatrechtlichen Grundlagen analysierende Auseinandersetzung findet hingegen in der Diskussion kaum statt. Nur ein solches Vorgehen erscheint aber noch in der Lage, 141 OLG Düsseldorf NJW-RR 2017, 293; zweifelnd darauf Bezug nehmend OLG Frankfurt GmbHR 2019, 1284, 1288. 142 KG NZG 2016, 787, 788. 143 Zu Öffnungsklauseln s. näher Kapitel 5 § 3. 144 Pöschke, WPg 2019, 533, 536; Otte-Gräbner, BB 2019, 595; Grever, RNotZ 2019 1, 7 f.; Leitzen, RNotZ 2010, 566, 573. 145 S. oben Kapitel 2 A.; vgl. auch OLG Düsseldorf NJW-RR 2017, 293, 294; OLG Köln NZG 2019, 306, 307.

68

Kap. 3: Stand der Diskussion

eine stringente, klare Lösung zu entwickeln. Dies wird umso deutlicher bei einer Analyse des Meinungsstands im Recht der Aktiengesellschaft, der sich – trotz beinahe wortgleicher Bestimmungen zur Satzungsänderung im GmbHG und AktG – deutlich anders darstellt.

§ 2 Meinungsstand zur Satzungsdurchbrechung im Aktienrecht A. Überblick Das Meinungsbild im Aktienrecht gestaltet sich weniger heterogen als im Recht der GmbH. Es lassen sich grob zwei Lager ausmachen. Der weit überwiegende Teil lehnt Satzungsdurchbrechungen im Grundsatz komplett ab, ein Teil der Literatur hingegen will mit Priester zwischen bloß anfechtbaren punktuellen und stets unwirksamen zustandsbegründenden Durchbrechungen differenzieren.146 Im Detail finden sich allerdings erhebliche Unterschiede, verschiedenste Auffassungen nehmen für sich in Anspruch, die „herrschende“ darzustellen. Nicht zuletzt um dieses Meinungsknäuel zu entwirren, soll das dediziert aktienrechtliche Spektrum im Folgenden umfassend analysiert und kritisiert werden.

B. Schrifttum I. Unwirksamkeit jedweder Satzungsdurchbrechung 1. Objektiver Ansatz Unabhängig von ihrer Wirkung oder dem Bewusstsein über die Abweichung hält eine Ansicht Satzungsdurchbrechungen in der AG für stets unwirksam.147 Zunächst finde sich für die These, § 181 AktG beanspruche in bestimmten Fällen keine Geltung, weder eine systematische, noch eine historische oder teleologische Grundlage.148 Die Aktionäre müssten sich aber darauf verlassen können, dass Hauptversammlungsbeschlüsse den gesetzlichen und statutarischen Erfordernissen entsprechen, Abweichungen nur unter den Voraussetzungen der §§ 179 ff. AktG 146 Einen hiervon stark abweichenden Ansatz verfolgt Leuschner, dazu bereits eingehend o. und Leuschner, ZHR 180 (2016), 422, 453 zu AG-spezifischen Modifikationen seines Modells. 147 Hüffer/Koch/Koch, § 179 Rn. 8; Grigoleit/Ehmann, § 179 Rn. 31; Hölters/Haberstock/ Greitemann, § 179 Rn. 36; Wachter/Wachter, § 179 Rn. 22, dies als h.M. bezeichnend; Goette, RWS Forum 8, 113, 116; Bergau, AG 2006, 769, 774; wohl auch Geßler/Hefermehl/Eckardt/ Kropff/Hefermehl/Bungeroth, § 179 Rn. 36 ff.; zweifelnd und von einem Versuch abratend Krieger, AG 2006, 355, 357. 148 Hüffer/Koch/Koch, § 179 Rn. 8; Hölters/Haberstock/Greitemann, § 179 Rn. 36.

B. Schrifttum

69

stattfinden.149 Zudem werde nicht überzeugend erklärt, weshalb das Kriterium „Wirkungsdauer“ Einfluss auf die Frage haben sollte, ob die §§ 179 ff. AktG einzuhalten sind.150 Die im besonderen Maße für die AG relevante Rechtssicherheit lasse sich nur mit einer Ablehnung der Satzungsdurchbrechung im Aktienrecht erreichen.151 Insoweit, als die Notwendigkeit einer Abgrenzung zur Satzungsverletzung auf dem Boden dieser Ansicht damit entfällt, bleibt offen, welcher Anwendungsbereich § 243 Abs. 1 Var. 2 AktG verbleiben soll.

2. Einschränkung mittels subjektiver Kriterien Erstaunlich weite Verbreitung hat im Aktienrecht die auf Habersack152 zurückgehende Abgrenzung nach dem Willen der Gesellschafter gefunden. Gemein ist den Vertretern dieser Auffassung, dass sie Satzungsdurchbrechungen zwar als unzulässig erachten.153 Erfolgt die Abweichung jedoch unbewusst, sei ein bloß nach § 243 Abs. 1 Var. 2 AktG anfechtbarer Beschluss, nicht aber dessen Unwirksamkeit anzunehmen.154 Die wesentlichen Argumente sind an anderer Stelle bereits eingehend dargestellt, umfassende Kritik ebendort geübt worden.155 Die Auffassung gelangt letztlich zu einer nicht schlüssig begründbaren Privilegierung „heimlicher“ Satzungsdurchbrechungen. Im Zusammenhang mit der AG kommt allerdings hinzu, dass die Feststellung des Aktionärswillens mehr noch als in der GmbH praktische Schwierigkeiten mit sich bringen wird. Einen differenzierteren Ansatz verfolgt Christoph Seibt. Bei „nichtkapitalmarktnahen“ Aktiengesellschaften seien punktuelle Satzungsdurchbrechungen zu149

Wachter/Wachter, § 179 Rn. 22. Hölters/Haberstock/Greitemann, § 179 Rn. 36. 151 Bergau, AG 2006, 769, 774; deutlich auch Hölters/Haberstock/Greitemann, § 179 Rn. 36. 152 Habersack, ZGR 1994, 354 ff., s. dazu ausführlich oben Kapitel 3 § 1 B. II. 1. 153 K. Schmidt/Lutter/Seibt, § 179 Rn. 20; MünchKommAktG/Stein, § 179 Rn. 40; Spindler/Stilz/Holzborn, § 179 Rn. 50; Bürgers/Körber/Körber, § 179 Rn. 9; Henssler/Strohn/ Strohn, § 179 AktG Rn. 6; GroßKommAktG/Wiedemann, § 179 Rn. 98 f.; Eberspächer, Nichtigkeit, S. 195; ähnlich MünchKommAktG/Hüffer/Schäfer, § 243 Rn. 21. 154 Spindler/Stilz/Holzborn, § 179 Rn. 53 f.; MünchKommAktG/Hüffer/Schäfer, § 243 Rn. 21, die unmittelbar auf Habersack, (ZGR 1994, 354 ff.) verweisen; MünchKommAktG/ Stein, § 179 Rn. 42, mit der Einschränkung, dass Unwirksamkeit eintritt, wenn die betreffende Regelung „ihrem Inhalt nach“ eine Satzungsänderung erfordert; K. Schmidt/Lutter/Seibt, § 179 Rn. 21, mit Ausnahme der in § 39 AktG genannten Gegenstände dürfe auch eine bezugnehmende Eintragung erfolgen, die Beifügung des um die Durchbrechung ergänzten Satzungstexts sei entbehrlich (dagegen aber jetzt OLG Köln NZG 2019, 306 zur GmbH); GroßKommAktG/ Wiedemann, § 179 Rn. 95; Henssler/Strohn/Strohn, § 179 AktG Rn. 7; Bürgers/Körber/Körber, § 179 Rn. 9, 11, der lediglich die bewusste Abweichung als Fall der „Satzungsdurchbrechung“ versteht. 155 S. oben Kapitel 3 § 1 B. II. 1. 150

70

Kap. 3: Stand der Diskussion

lässig, da die Rechtslage hier wertungsmäßig derjenigen im GmbH-Recht entspreche.156 Ein solcher Hauptversammlungsbeschluss unterliege daher lediglich der Anfechtbarkeit. Diese Differenzierung überzeugt nicht. Zunächst ist unklar, was unter einer „nichtkapitalmarktnahen“AG zu verstehen sein soll. Genügt es, dass die Gesellschaft nicht börsennotiert i.S.d. § 3 Abs. 2 AktG ist oder muss sie (zudem), um die wertungsmäßige Vergleichbarkeit herzustellen, einen dem Leitbild der GmbH entsprechenden kleinen Gesellschafterkreis besitzen? Gegen das Kriterium der Börsennotierung spricht, dass diese Abhängigkeit durch einen Verweis auf die Legaldefinition (§ 3 Abs. 2 AktG) hätte klargestellt werden können. Darauf nimmt Seibt aber gerade nicht Bezug. Dasselbe Argument trifft auf den Begriff der „kapitalmarktorientierten Kapitalgesellschaft“ i.S.d. § 264d HGB zu. Auch auf diesen gesetzlich umrissenen Begriff bezieht sich Seibt nicht. Der Begriff der „nichtkapitalmarktnahen“ AG bleibt unscharf und infolgedessen für den Rechtsanwender unpraktikabel. Auch die Begründung erscheint zweifelhaft. Seibt argumentiert, „Gründe der Rechtssicherheit, des Kapitalanlegerschutzes und der notwendigen registergerichtlichen Kontrolle“ seien bei nichtkapitalmarktnahen Gesellschaften nicht „in annähernd gleichem Maße berührt“ wie bei kapitalmarktnahen.157 Weshalb Aktionäre oder Dritte bloß wegen einer mangelnden „Nähe“ zum Kapitalmarkt von vornherein weniger Schutz verdienen, bleibt im Dunkeln. Das Gesetz selbst differenziert nach diesem Kriterium nicht, vielmehr stellen Aktien- und GmbH-Recht im Wesentlichen gleiche Anforderungen an Abweichungen von der Satzung. Zuletzt nützt die Ausnahme für „nichtkapitalmarktnahe“ Gesellschaften auch vom Ergebnis her betrachtet wenig. Denn Seibt rekurriert auf das Begriffspaar „punktuell – zustandsbegründend“, dessen Unzulänglichkeit bereits eingehend demonstriert wurde.158 Selbst wenn man also die unscharfe Differenzierung nach dem Kriterium der „Kapitalmarktnähe“ zum Erfolg führen könnte, endete der Versuch nur in einem weiteren schwammigen Kriterium, das ebenso infolge seiner fehlenden Trennschärfe zu verwerfen ist. Insgesamt birgt Seibts Unterscheidung nach der Kapitalmarktnähe somit sowohl in ihrer Konstruktion als auch hinsichtlich ihrer Anwendung und Ergebnisse zu viel Vagheit, als dass sich die Problematik der Satzungsdurchbrechung damit zufriedenstellend lösen ließe.

156 157 158

K. Schmidt/Lutter/Seibt, § 179 Rn. 20. K. Schmidt/Lutter/Seibt, ebd. S. oben Kapitel 3 § 1 B. I. 2.

B. Schrifttum

71

II. Differenzierung nach dem Beschlussinhalt Vereinzelt wird die Auffassung vertreten, der Inhalt des jeweiligen Beschlusses bestimme, ob die Satzungsdurchbrechung unwirksam oder lediglich anfechtbar sei. Trete die Durchbrechung offen zu Tage159 bzw. handele es sich um eine abstrakte, normative Regelung mit Geltungsanspruch für die Zukunft,160 sei ein solcher Beschluss als „ad-hoc Satzungsänderung“ nur unter Einhaltung aller hierfür geltenden Erfordernisse gültig, einschließlich der Eintragung. Andernfalls sei der Beschluss anfechtbar.161 Dies gelte unabhängig davon, ob ein Beschluss nur „punktuell“ wirke oder ob die Gesellschafter eine Durchbrechung wollten.162 Objektiv nach dem Beschlussinhalt zu differenzieren vermeidet die Probleme einer subjektiven Abgrenzung und setzt im Grunde an der richtigen Stelle an – dem Verhältnis zwischen Beschluss und Satzung. Doch die für das Aktienrecht vorgeschlagenen Kriterien, nach denen die (Un-)Wirksamkeit des Beschlusses beurteilt werden soll, treffen auf substanzielle Bedenken. Ob eine Durchbrechung offen zu Tage tritt oder nicht, kann nicht über die Beschlusswirksamkeit entscheiden. Es ist nicht erkennbar, weshalb einem Beschluss, der sich offen als Durchbrechung zu erkennen gibt, die Wirksamkeit versagt, demselben Beschluss, seine durchbrechende Natur verschleiernd, aber volle Gültigkeit zukommen soll.163 Auch die Abstraktheit des Beschlussinhalts taugt kaum als Kriterium. Geht man mit der heute allgemeinen Meinung davon aus, dass Satzungsänderungen für den Einzelfall zulässig sind,164 stellt sich die Frage, welchen Anwendungsbereich eine solche Satzungsänderung hätte, wenn eine jede Abweichung für einen konkreten Einzelfall auch formlos möglich wäre. Des Weiteren konfligiert diese Auffassung mit dem Grundprinzip, dass von zwingend korporativen Satzungsbestandteilen nur 159

KölnKommAktG2/Zöllner, § 179 Rn. 99. KölnKommAktG/Zetsche, § 179 Rn. 233; KölnKommAktG/Noack/Zetsche, § 243 Rn. 179; ähnlich für die GmbH Zöllner, FS Priester, 879, 884; Noack, GmbHR 1994, 349, 354; vgl. bereits Noack, Gesellschaftervereinbarungen, S. 140 f.; vgl. auch J. Müller, Statutenwidrige Verbandsbeschlüsse, S. 227, 229 f., der wie Zöllner (KölnKommAktG2 § 179 Rn. 92) dem durchbrechenden Beschluss einen Doppelinhalt zumisst. Die im Beschluss zum Ausdruck kommende Änderung des Statuts für den Einzelfall sei zwar nur unter Einhaltung der §§ 179 ff. AktG möglich; die zudem enthaltene Maßnahme sei hingegen als Satzungsverletzung lediglich anfechtbar (a.a.O., S. 231). Zur Problematik dieser Auffassung sogleich. 161 KölnKommAktG2/Zöllner, § 179 Rn. 99; KölnKommAktG/Zetsche, § 179 Rn. 233; KölnKommAktG/Noack/Zetsche, § 243 Rn. 179; J. Müller, Statutenwidrige Verbandsbeschlüsse, S. 231. 162 KölnKommAktG2/Zöllner, § 179 Rn. 98; KölnKommAktG/Zetsche, § 179 Rn. 225 f., 234, der aber an anderer Stelle (Rn. 227) konstatiert, eine Regelung könne „durch die konkrete Situation überholt“ sein und deshalb durch einen Beschluss „verdrängt“ werden. 163 Ähnlich KölnKommAktG/Zetsche, § 179 Rn. 234, anders noch KölnKommAktG2/ Zöllner, § 179 Rn. 99. 164 S. nur MünchKommAktG/Stein, § 179 Rn. 37 m.w.N. 160

72

Kap. 3: Stand der Diskussion

im Wege des förmlichen Änderungsverfahren (§§ 179 ff. AktG) abgewichen werden kann. Sie stellt eine Abänderung für Einzelfälle dem einfachen Gesellschafterbeschluss anheim.165 Im Übrigen erscheint die Differenzierung in sich unschlüssig. Denn die Vertreter der inhaltlichen Abgrenzung machen die Wirksamkeit einer Abweichung von der Satzung von der Eintragung des entsprechenden Beschlusses abhängig. Die Registereintragung sei in keinem Fall verzichtbar.166 Weshalb die Eintragung jeglicher Durchbrechungen zwar einerseits zwingend geboten, andererseits aber ihr Fehlen unter gewissen Umständen (fehlende Offenlegung, Abstraktheit des Beschlussinhalts) der Wirksamkeit des Beschlusses keinen Abbruch tut, erschließt sich nicht. Im Ergebnis liegt es nicht anders, als wenn eine formlose Abweichung von vornherein zulässig wäre. Effektiv kommt es zur Durchbrechung, ohne dass es auf die Einhaltung irgendwelcher Formerfordernisse ankäme. Auch die für das Aktienrecht vorgebrachten Lösungsvorschläge vermögen das Dilemma der Satzungsdurchbrechung nicht aufzulösen.

III. Anfechtbarkeit punktueller Satzungsdurchbrechungen Eine weitere Ansicht will auch im Aktienrecht zwischen punktuellen und zustandsbegründenden Satzungsdurchbrechungen differenzieren. Weitgehend Einigkeit besteht hinsichtlich des Ergebnisses, dass zustandsbegründende Durchbrechungen unwirksam167 oder nichtig168 seien, falls die Anforderungen an eine Satzungsänderung missachtet werden. Wirke der Beschluss hingegen lediglich punktuell, begründe die der Durchbrechung immanente Satzungsverletzung dessen Anfechtbarkeit.169 Die Anfechtbarkeit entfalle jedoch, wenn der Beschluss gleich einer Satzungsänderung gefasst und eingetragen werde.170 165 So ausdrücklich KölnKommAktG/Zetsche, § 179 Rn. 234, es sei „[u]nerheblich […], ob eine einfache oder qualifizierte Mehrheit zugestimmt“ habe. 166 KölnKommAktG/Zetsche, § 179 Rn. 211, 225 f. („allgemeine Auffassung“); J. Müller, Statutenwidrige Verbandsbeschlüsse, S. 219 ff.; für die Unverzichtbarkeit der Eintragung auch KölnKommAktG2/Zöllner, § 179 Rn. 98. 167 K. Schmidt/Lutter/Schwab, § 243 Rn. 22; Spindler/Stilz/Drescher, § 243 Rn. 52 f., § 241 Rn. 204 f.; Heidel/Wagner, § 179 Rn. 20; Hirte, KapGesR, Rn. 6.10 (S. 402); weiter wohl MünchHdbGesR-IV/Austmann, § 40 Rn. 76, halte ein im Einzelfall von der Satzung abweichender Beschluss die §§ 179 ff. AktG nicht ein, sei er als Satzungsverletzung anfechtbar. 168 GroßKommAktG/K. Schmidt, § 241 Rn. 16, 56, 111; K. Schmidt, GesR, § 30 I. 1., § 38 I. 1., dies ergebe sich aus § 241 Nr. 3 AktG bzw. aus einer Fortbildung der Nichtigkeitsgründe nach § 241 AktG; ein satzungswidriger Zustand könne selbst durch allseitige Zustimmung nicht rechtmäßig gemacht werden. 169 GroßKommAktG/K. Schmidt, § 241 Rn. 56, 111, § 243 Rn. 17; Spindler/Stilz/Drescher, § 243 Rn. 53; K. Schmidt/Lutter/Schwab, § 243 Rn. 22; K. Schmidt, GesR, § 30 I. 1., § 38 I. 1.; abweichend Heidel/Wagner, § 179 Rn. 19, fehlt die notarielle Beurkundung, führe dies „höchstens“ zur Anfechtbarkeit, eine Registereintragung sei im Anschluss an die h.M. im Recht der GmbH nicht erforderlich. Vgl. auch Ueberfeldt, Satzungsdurchbrechung, S. 18 f., der

C. Rechtsprechung

73

Dass diese Differenzierung sich als dogmatisch höchst zweifelhaft und praktisch kaum handhabbar erweist, wurde bereits eingehend dargelegt.171 Die rechtlichen und wirtschaftlichen Verflechtungen von typischerweise in Form der AG organisierten Großunternehmen machen umfassende Rechtssicherheit noch weniger verzichtbar. Für das Aktienrecht muss der Abgrenzung nach der Beschlusswirkung daher umso vehementer widersprochen werden.

C. Rechtsprechung Die Judikatur spezifisch zur Rechtslage im Aktienrecht ist wenig eindeutig. Entscheidungen, die Satzungsdurchbrechungen zum Gegenstand haben, sind rar, gelegentlich finden sich obiter dicta. So bemerkte der BGH, dass ein Antrag, von einem satzungsmäßig determinierten Wahlverfahren abzuweichen, „auf eine unzulässige Satzungsdurchbrechung“ hinauslaufe.172 Da es sich in jenem Fall um eine einmalige Abweichung ohne längerfristige Wirkung handelte, stützt die Entscheidung die Ansicht, nach welcher Satzungsdurchbrechungen im Aktienrecht stets unzulässig sind. Der II. Senat verweist im Übrigen auf die „zutreffenden Feststellungen“ der Vorinstanz, die Durchbrechungen – explizit unabhängig von punktueller oder zustandsbegründender Wirkung – für „rechtswidrig“ hielt, „sofern nicht […] das gesetzliche Satzungsänderungsverfahren eingehalten“ werde.173 Der Aktionär müsse „sich darauf verlassen können, dass die Entscheidungen im Rahmen der Satzung erfolgen“.174 Obgleich die Signifikanz dieser am Rande erfolgenden Bemerkungen begrenzt sein mag, sprechen diese Entscheidungen jedenfalls nicht für die Zulässigkeit von Satzungsdurchbrechungen im Aktienrecht. Demgegenüber war das OLG Frankfurt in einer Entscheidung aus dem Jahre 1985 der Auffassung, eine unter Abweichung von Satzungsvorgaben hinsichtlich der Amtszeit von Aufsichtsratsmitgliedern erfolgte Wahl solle „nach dem Willen des Gesetzgebers Bestand“ haben, sofern nicht deren klageweise Anfechtung (§ 251 Abs. 1 S. 1 AktG) erfolge.175 Die Aussagekraft dieser Entscheidung, die allein wegen der nachfolgenden Rechtsprechungsentwicklung kaum einer Verallgemeinerung zugänglich erscheint, ist im Hinblick auf die Zulässigkeit einer SatzungsdurchbreEinzelfallabweichungen auch im Recht der Aktiengesellschaft allgemein für „rechtswirksam“ hält, sofern dem Beschlussgegentand keine „große Bedeutung beizulegen“ sei. Unentschlossen zweifelnd Hirte, KapGesR, Rn. 6.10 (S. 402). 170 Spindler/Stilz/Drescher, § 243 Rn. 53; K. Schmidt/Lutter/Schwab, § 243 Rn. 22; MünchHdbGesR-IV/Austmann, § 40 Rn. 76. 171 S. oben Kapitel 3 § 1 B. I. 2. 172 BGHZ 180, 9, 25 = NZG 2009, 342, 347; s. auch BGH AG 2019, 176, 182. 173 OLG Frankfurt AG 2007, 672, 674, mit Verweis auf MünchKommAktG2/Stein, § 179 Rn. 41 f., der allerdings subjektiv abgrenzen will. 174 OLG Frankfurt ebd. 175 OLG Frankfurt NJW-RR 1987, 158, 159.

74

Kap. 3: Stand der Diskussion

chung deshalb beschränkt, weil eine solche weder Gegenstand der Entscheidung war, noch implizit vom Senat thematisiert wurde. Dennoch stimmt sie mit der Tendenz der früheren Rechtsprechung überein, formlose Abweichungen von der Satzung für im Grundsatz wirksam zu erachten. Das OLG Köln wiederum sah einen Beschluss unter Rückgriff auf Priesters Kriterien als zustandsbegründend an und versagte ihm demzufolge alle Wirksamkeit.176 Bemerkenswerterweise stellt der 26. Senat jedoch zusätzlich darauf ab, dass der Beschluss die Änderung des Unternehmensgegenstandes – also eines zwingend korporativen Satzungsbestandteils – beinhaltete, und deshalb nur als Satzungsänderung möglich gewesen sei.177 Führt man diesen Gedanken fort, gelangt man jedoch zur Unwirksamkeit jeglicher Abweichungen von korporativen Satzungsbestandteilen, unabhängig von der Beschlusswirkung. Dies wiederum legt nahe, dass es dem Senat zumindest Unbehagen bereitete, die Wirksamkeit des Beschlusses allein von seiner „punktuellen“ Wirkung abhängig zu machen. Mithin spricht die Entscheidung weniger für die potentielle Wirksamkeit von Satzungsdurchbrechungen im Aktienrecht, als für deren Unwirksamkeit. Insgesamt hat die Rechtsprechung, wie im GmbH-Recht, soweit ersichtlich, keinen Fall einer wirksamen oder zumindest anfechtbaren Durchbrechung feststellen können. Sie hält Satzungsdurchbrechungen auch im Aktienrecht für grundsätzlich unwirksam. Die jüngere Rechtsprechung gibt gar zur Vermutung Anlass, dass die Gerichte jegliche Art der Abweichung von der Satzung außerhalb des nach §§ 179 ff. AktG vorgesehenen Verfahrens für unwirksam halten.

D. Ergebnis zum Meinungsstand im Aktienrecht Während das Meinungsspektrum von umfassender Ablehnung der Möglichkeit einer wirksamen Satzungsdurchbrechung bis zur These der Wirksamkeit punktueller Durchbrechungen reicht, vertritt die überwiegende Ansicht im aktienrechtlichen Schrifttum eine subjektive Unterscheidung zwischen anfechtbarer Satzungsverletzung und unwirksamer Satzungsdurchbrechung. Damit weicht die Literatur zur AG erheblich von derjenigen im GmbH-Recht ab, wo sich diese Ansicht in der Minderheit befindet. Die Rechtsprechung zeigt sich wenig eindeutig. Während zum Teil die bereits für das GmbH-Recht fruchtbar gemachten Kriterien „punktuell-zustandsbegründend“ herangezogen werden, vereinzelt sogar eine formlose Abweichung von der Satzung möglich erscheint, stützen neuere Entscheidungen die These, dass die Rechtsprechung Satzungsdurchbrechungen im Aktienrecht umfassend ablehnt. Eine klare Einstellung ist in den Entscheidungen jedoch nicht zu erkennen. 176 177

OLG Köln AG 2001, 426 f. OLG Köln a.a.O., S. 427.

B. Schrifttum

75

§ 3 Meinungsstand zur Satzungsdurchbrechung im Vereinsrecht A. Überblick Das Meinungsbild zerfällt im Wesentlichen178 in zwei Teile. Während eine Ansicht davon ausgeht, dass Satzungsdurchbrechungen bei Vereinen stets unwirksam sind, befürworten neuere Stimmen, im Anschluss an die Rechtsprechung des BGH zum GmbH-Recht, die Wirksamkeit des Beschlusses nach den Kriterien „punktuell – zustandsbegründend“ zu beurteilen. Die subjektive Abgrenzung nach dem Willen der Gesellschafter vertritt im Vereinsrecht, jedenfalls explizit, niemand.179 Die Rechtslage im Vereinsrecht wird mithin durchaus unabhängig von den Strömungen im GmbH- und Aktienrecht bewertet. Dies mag eingedenk der konzeptionellen Verwandtschaft dieser Körperschaften verwundern, sind die Kapitalgesellschaften doch nichts anderes als Sonderformen des bürgerlich-rechtlichen Vereins („Kapitalvereine“).180 Aufgabe der folgenden Untersuchung des Meinungsstands soll daher nicht zuletzt sein zu ergründen, ob eine gesonderte Lösung speziell für den Verein gerechtfertigt oder sogar geboten sein könnte.

B. Schrifttum I. Unwirksamkeit jeglicher Satzungsdurchbrechung Der überwiegende Teil der Literatur hält Satzungsdurchbrechungen für unzulässig, gleich ob sie punktuell wirken oder die Gesellschafter sich einer Abweichung bewusst sind.181 Ein solcher Beschluss könne nur wirksam sein, wenn alle Voraussetzungen einer Satzungsänderung erfüllt seien – also insbesondere die qualifizierte 178

Abweichend im Grunde nur Leuschner, der die von ihm für das Aktien- und GmbHRecht vorgeschlagene Lösung im Grunde ebenso im Vereinsrecht vertritt, s. MünchKommBGB/Leuschner, § 33 Rn. 20 ff.; eingehend Leuschner, ZHR 180 (2016), 422 ff.; s. dazu bereits oben Kapitel 3 § 1 B. IV. 179 Mit subjektiven Tendenzen Staudinger2019/Schwennicke, § 33 Rn. 56 sowie MünchHdbGesR-V/J. Wagner, § 23 Rn. 42, die aber für die Frage der Zulässigkeit keine Rolle spielen. Ausdrücklich gegen eine subjektive Abgrenzung im Vereinsrecht MünchKommBGB/Leuschner, § 33 Rn. 18. 180 MünchKommGmbHG/Merkt, § 13 Rn. 12; MünchKommAktG/Heider, § 1 Rn. 13 ff.; MünchKommAktG/Hüffer/Schäfer, § 245 Rn. 54. 181 Staudinger2005/Weick, § 33 Rn. 11; BeckOGK-BGB/Notz, § 33 Rn. 65; NK-BGB/Heidel/Lochner, § 33 Rn. 3; P/W/W/Schöpflin, § 33 Rn. 1; Palandt/Ellenberger, § 33 Rn. 1, jedoch mit Verweis auf BGHZ 123, 15; S/S/W/Waldner/Wörle-Himmel, Teil 1 Rn. 134; MünchHdbGesR-V/J. Wagner, § 23 Rn. 42; wohl auch Erman/H. P. Westermann, § 33 Rn. 5; Reichert/ Wagner, Kap. 2 Rn. 646, 648 ff.; vgl. bereits Soergel11. Aufl./Schultze-v. Lasaulx, § 71 Rn. 1, selbst ein einstimmiger Beschluss könne die Eintragung nicht ersetzen.

76

Kap. 3: Stand der Diskussion

Mehrheit (§ 33 Abs. 1 S. 1 BGB) erreicht und der Beschluss eingetragen werde (§ 71 Abs. 1 S. 1 BGB). Die spärlich vorgetragenen Begründungen stellen hauptsächlich auf die Bindungswirkung der Satzung ab. Sofern sie nicht formgerecht geändert werde, müssten sich die Mitglieder darauf verlassen können, dass Satzungsrecht respektiert werde.182 Zudem stünde sie zur weitgehend unbeschränkten Disposition der Mehrheit, wenn man eine Abweichung sanktionslos außerhalb des Satzungsänderungsverfahrens ermöglichte.183 Schließlich werde sie ihrer „Unterrichtungsfunktion“ nicht gerecht, wenn Abweichungen nicht aus dem Register ersichtlich würden.184 Spezifisch vereinsrechtliche Erwägungen lassen diese Argumente nicht erkennen. Denn Aspekte wie die Bindungswirkung der Satzung oder das Informationsbedürfnis von Mitgliedern und Dritten sprechen ebenso gegen die Zulässigkeit der Satzungsdurchbrechung in anderen Rechtsformen. Weshalb sollte der Verein dann anders behandelt werden als AG und GmbH, wo zumindest ein gewisser Raum für Satzungsdurchbrechungen überwiegend – wenn auch mit abweichender Begründung – anerkannt ist? Der Grund wird in der unterschiedlichen Behandlung der Beschlussmängel zu finden sein. Die überwiegende Ansicht, nicht zuletzt der BGH, geht für das Vereinsrecht von der Nichtigkeit satzungsverletzender Beschlüsse aus.185 Ist ein satzungsverletzender Beschluss danach im Grundsatz nichtig, so gilt dies auch für den satzungsdurchbrechenden Beschluss, der per definitionem gegen Satzungsvorgaben verstößt.186 Die im GmbH- und Aktienrecht vertretene, auf § 243 Abs. 1 AktG (analog) basierende These, eine punktuelle Satzungsdurchbrechung sei wirksam, aber wegen der Satzungsverletzung anfechtbar, kann im Vereinsrecht somit nicht aufrechterhalten werden. Sanktion des Satzungsverstoßes ist hier grundsätzlich nicht die Anfechtbarkeit, sondern die Nichtigkeit des Beschlusses. Hält man die §§ 241 ff. AktG im Vereinsrecht für unanwendbar,187 ist daher zu erklären, weshalb ein Beschluss – trotz Satzungsverstoßes einerseits und fehlender Satzungsänderung andererseits – als Satzungsdurchbrechung überhaupt wirksam sein soll.188 Insofern ist eine spezifisch vereinsrechtliche Sichtweise gerechtfertigt. Vorsicht ist also geboten,

182

MünchHdbGesR-V/J. Wagner, § 23 Rn. 42. MünchHdbGesR-V/J. Wagner, ebd. 184 Staudinger2005/Weick, § 33 Rn. 11; MünchHdbGesR-V/J. Wagner, ebd. 185 St. Rspr., BGH NJW 1971, 879, 880 (insoweit bei BGHZ 55, 381 nicht abgedruckt); BGHZ 59, 369, 371 f. = NJW 1973, 235; BGH NJW 2008, 69, 71; Soergel/Hadding, § 32 Rn. 14, 37a; Palandt/Ellenberger, § 32 Rn. 9; NK-BGB/Heidel/Lochner, § 32 Rn. 24 m.w.N. 186 S. dazu bereits oben, Kapitel 2 B. I. sowie unten, Kapitel 4 § 2 A. IV., V. 187 So zu Recht die h.M., zum Meinungsstand näher unten, Kapitel 4 § 4 A. I 1. 188 Konsequent daher MünchKommBGB/Leuschner, § 32 Rn. 64 f., § 33 Rn. 20 ff., der die §§ 241 ff. AktG auch im Vereinsrecht für anwendbar hält und daher zur grundsätzlichen Anfechtbarkeit satzungsdurchbrechender Beschlüsse im Vereinsrecht gelangt. 183

B. Schrifttum

77

wenn zum GmbH- bzw. Aktienrecht entwickelten Positionen, wie die Folgende, auf das Vereinsrecht übertragen werden sollen.

II. Wirksamkeit von punktuell wirkenden Satzungsdurchbrechungen Eine sich in der Minderheit befindliche Auffassung geht davon aus, dass punktuell wirkende Satzungsdurchbrechungen wirksam sein können, selbst wenn eine Eintragung unterbleibt. Erschöpfe sich die Beschlusswirkung in der betreffenden Maßnahme, sei eine Eintragung „übertriebene Formalie“.189 Bei zustandsbegründenden Durchbrechungen seien hingegen stets alle Anforderungen an eine Satzungsänderung einzuhalten.190 Diese bereits aus dem GmbH- und Aktienrecht bekannte Differenzierung wird im Vereinsrecht allerdings teilweise dahingehend eingeschränkt, dass in jedem Fall das durch Gesetz (§ 33 Abs. 1 S. 1 BGB) oder Satzung (vgl. § 40 S. 1 BGB) zur Satzungsänderung befugte Organ den Beschluss fassen müsse.191 Beschlösse beispielsweise somit eine Delegiertenversammlung anstelle der zuständigen Mitgliederversammlung, wäre der Beschluss dieser Auffassung nach bereits aufgrund des Kompetenzverstoßes nichtig, ohne dass es auf seine Wirkungsweise ankäme. Das Begriffspaar „punktuell-zustandsbegründend“ stellt sich beim Verein nicht weniger problematisch dar als bei GmbH und AG, erlaubt es doch auch hier kaum je eine zweifelsfreie Einschätzung der Beschlusswirksamkeit.192 In dogmatischer Hinsicht kommt hinzu, dass dieser Ansatz das abweichende vereinsrechtliche Beschlussmängelrecht zu übersehen scheint.193 Denn, wie bereits gesehen, hält die ganz herrschende Meinung im Vereinsrecht einen satzungsverletzenden Beschluss für grundsätzlich nichtig. Weshalb der Beschluss dieser Nichtigkeit entgehen soll, wenn er punktuell wirkt, bleibt im Dunkeln. Gerade dies gälte es jedoch zu begründen. Denkbar wäre allenfalls eine teleologische Reduktion der Voraussetzungen zur Satzungsänderung, insbesondere des Eintragungserfordernisses nach § 71 Abs. 1 S. 1 BGB; dass diesen Normen jedoch ein überschießender Anwendungsbereich zukommt, der zu begrenzen wäre, leuchtet angesichts der eindeutigen, unqualifi-

189

Staudinger2019/Schwennicke, § 33 Rn. 62. Stöber/Otto, Rn. 951, 953 f.; Staudinger2019/Schwennicke, § 33 Rn. 56, 60 f.; wohl auch B/R/H/P/Schöpflin, § 33 Rn. 17; noch weitergehend MünchKommBGB/Leuschner, § 33 Rn. 20 ff., der Satzungsdurchbrechungen grundsätzlich für nach § 243 Abs. 1 AktG analog anfechtbar, jedoch ausnahmsweise für nichtig hält, wenn Gegenstände betroffen sind, die zwingend einer satzungsmäßigen Regelung unterliegen, s. näher bereits oben (Kapitel 3 § 1 B. IV.) sowie Leuschner, ZHR 180 (2016), 422 ff. 191 Stöber/Otto, Rn. 951, 954; s. auch Erman/H. P. Westermann, § 33 Rn. 5; Staudinger2019/ Schwennicke, § 33 Rn. 62. 192 Zur mangelnden Praktikabilität s. bereits oben Kapitel 3 § 1 B. I. 2. b). 193 Ähnlich BeckOGK-BGB/Notz, § 33 Rn. 65. 190

78

Kap. 3: Stand der Diskussion

zierten gesetzlichen Regelung jedenfalls nicht unmittelbar ein.194 Festzuhalten bleibt, dass sich auch im Vereinsrecht die Differenzierung zwischen wirksamen punktuellen und unwirksamen zustandsbegründenden Durchbrechungen als wenig zweckmäßig und schwach fundiert erweist.

C. Rechtsprechung Die Unterscheidung „punktuell-zustandsbegründend“ hat Eingang auch in die vereinsrechtliche Judikatur gefunden, wenngleich erst vergleichsweise kürzlich. Denn obwohl der BGH den Begriff „Satzungsdurchbrechung“ bereits in einer frühen Entscheidung verwendet, äußert sich der Senat nicht zu etwaigen Voraussetzungen – eine Durchbrechung er scheint gleichwohl für möglich zu halten.195 Expliziter wird das BayObLG, das die Wahl von Delegierten, die in Abweichung von der Satzung nicht im Wege der Einzel- sondern Blockwahl erfolgt war, für ungültig hielt.196 Selbst der Umstand, dass die Mitgliederversammlung mit der Blockwahl einverstanden war und den Beschlussantrag einstimmig annahm, änderte am Unwirksamkeitsverdikt nichts.197 Diese Entscheidung aber als Zustimmung zu der Ansicht zu verstehen, die eine Durchbrechung im Vereinsrecht für ausgeschlossen hält, ginge fehl. Denn der Senat stellt lediglich auf die Missachtung der satzungsmäßigen Kompetenzordnung ab – der Beschluss war durch eine Delegiertenversammlung anstelle der zuständigen Mitgliederversammlung gefasst worden –, um die Nichtigkeit der Satzungsdurchbrechung zu begründen.198 Sich auf das Kriterium der Zustandsbegründung stützend entschied, soweit ersichtlich, erstmals das OLG Zweibrücken im Jahre 2013,199 nachdem dieses Kriterium zwar zuvor Erwähnung gefunden hatte, aber nie entscheidungsrelevant geworden war.200 Eine satzungswidrige Blockwahl wäre nach Ansicht des Senats nur zulässig gewesen, „wenn sie in Abweichung von § 32 BGB gem. § 40 BGB in der Satzung des Vereins ausdrücklich vorgesehen“ worden wäre.201 Die „unter bestimmten Voraussetzungen als grundsätzlich zulässig in Be194

Dazu eingehend unten, Kapitel 4 § 4 B. II. BGH NJW 1975, 771, 775. 196 BayObLG NJW-RR 2001, 537; s. aber OLG Bremen NZG 2016, 1192, das in der satzungswidrigen Durchführung einer Blockwahl zwar einen Verfahrensverstoß erkannte, dem aber „keine Relevanz für die Ausübung der Mitwirkungsrechte“ zukomme, weshalb darauffolgende Beschlüsse nicht unwirksam seien. 197 BayObLG NJW-RR 2001, 537; ähnlich OLG Zweibrücken NZG 2013, 1236, 1237. 198 BayObLG a.a.O., S. 538; ebenso OLG Celle, Beschl. v. 28. 08. 2017 – 20 W 18/17, BeckRS 2017, 123497, dort Rz. 23 f., Durchbrechung der statutarischen Kompetenzverteilung unzulässig; s. hierzu auch bereits KG OLG-NL 2004, 101, 105 f. 199 OLG Zweibrücken NZG 2013, 1236. 200 Vgl. KG OLG-NL 2004, 101, 105 f.; LAG Hamburg, Urt. v. 08. 12. 2006 – 6 Sa 51/06, BeckRS 2009, 54539; OLG Bremen NZG 2011, 1192; s. auch LG Bonn, Beschl. v. 26. 02. 2009 – 4 T 64/09, BeckRS 2011, 19882. 201 OLG Zweibrücken NZG 2013, 1236, 1237. 195

D. Ergebnis zum Meinungsstand im Vereinsrecht

79

tracht kommende einmalige ,Satzungsdurchbrechung‘“ verhelfe dem Beschluss deshalb nicht zur Wirksamkeit, weil es sich im vorliegenden Fall nicht um eine punktuelle, sondern stets unwirksame zustandsbegründende Durchbrechung handele.202 Die Rechtsprechung beurteilt die Wirksamkeit satzungsdurchbrechender Beschlüsse im Vereinsrecht mithin im Grundsatz nach den Kriterien, die sie sich bereits für die GmbH zu eigen gemacht hat – wobei jedoch deutliche Zurückhaltung bis Unbehagen zu erkennen ist, sobald es darum geht, eine punktuelle Durchbrechung anzuerkennen. Entsprechend formulierte jüngst das OLG Celle: „Selbst wenn man [eine Satzungsdurchbrechung] bei punktuellen Maßnahmen grundsätzlich für möglich und zulässig erachtet […]“203, als ob die Rechtsprechung nicht bereits längst diese Möglichkeit als zulässig anerkannt hätte. In dieses die latente Unsicherheit und Verwirrung offenbarende Bild passt, dass die Beschlusswirkung überhaupt keine Rolle mehr spielt, sofern die satzungsmäßige Kompetenzverteilung missachtet wird.204 Unabhängig davon, ob er punktuell oder zustandsbegründend wirkt, soll ein solcher Beschluss stets nichtig sein. Auf die Beschlusswirkung allein scheint es nach allem doch nicht anzukommen. Damit setzt die Rechtsprechung für das Vereinsrecht im Übrigen andere Grenzen als im GmbHRecht, wo eine solche Einschränkungen nicht erkennbar ist.205

D. Ergebnis zum Meinungsstand im Vereinsrecht Der Meinungsstand im Vereinsrecht stellt sich anders dar als im GmbH- oder Aktienrecht. Ganz überwiegend sieht das Schrifttum jegliche Durchbrechung als unzulässig, einen entsprechenden Beschluss mithin grundsätzlich als nichtig an. Vereinzelte Stimmen in der Literatur, ebenso die jüngere Rechtsprechung, wollen hingegen die Zulässigkeit der Satzungsdurchbrechung anhand der im Kontext des GmbH-Rechts entwickelten Kriterien „punktuell-zustandsbegründend“ beurteilen – wobei allerdings erhebliche Unsicherheiten zu verzeichnen sind. Gewisse Einigkeit besteht dahingehend, dass die spontane Einführung von Blockwahlen sowie die Kompetenzüberschreitung per Durchbrechung unzulässig sein soll. Eine vereinsspezifische Beurteilung erscheint demgegenüber aber jedenfalls dann geboten, wenn man die aktienrechtliche Anfechtbarkeitsregelung (§ 243 Abs. 1 Var. 2 AktG) im Vereinsrecht nicht für entsprechend anwendbar hält.206 202

OLG Zweibrücken ebd.; s. bereits OLG Bremen NZG 2011, 1192, das die Frage jedoch offen lässt. 203 OLG Celle, Beschl. v. 28. 08. 2017 – 20 W 18/17, BeckRS 2017, 123497, dort Rz. 23. 204 BayObLG NJW-RR 2001, 537, 538; OLG Celle, Beschl. v. 28. 08. 2017 – 20 W 18/17, BeckRS 2017, 123497. 205 Zum Meinungsstand im GmbH-Recht s. oben, Kapitel 3 § 1 C. 206 Dazu eingehend unten, Kapitel 4 § 4 A.

80

Kap. 3: Stand der Diskussion

§ 4 Meinungsstand zur „Satzungsdurchbrechung“ in Personengesellschaften A. Überblick und Begriffsbestimmung Der Sache nach wird die „Satzungsdurchbrechung“ auch in den Personengesellschaften diskutiert, gemäß der diesem Gesellschaftstypus entsprechenden Terminologie unter dem Stichwort „Durchbrechung des Gesellschaftsvertrags“ oder knapper „Vertragsdurchbrechung“.207 Im Folgenden soll der Meinungsstand zu GbR, OHG und KG als praktisch wichtigsten Typen der Personengesellschaften analysiert und erörtert werden. Doch zuvor ist zu klären, was „Vertragsdurchbrechung“ im Kontext des Personengesellschaftsrechts im Einzelnen bedeutet.

I. Einordnung der Vertragsdurchbrechung Schrifttum und Rechtsprechung verstehen unter einer Durchbrechung des Gesellschaftsvertrags allgemein einen Gesellschafterbeschluss, der für einen Einzelfall vom Statut abweicht, ohne es für die Zukunft zu ändern.208 Unklar bleibt jedoch oft, ob es sich hierbei um eine (Einzelfall-)Änderung des Gesellschaftsvertrags209 oder einen einfachen Beschluss,210 möglicherweise sogar um eine spezielle Art von Beschluss211 handelt. Dies erklärt sich wohl daraus, dass bei Gesellschaften, die dem gesetzlichen Leitbild folgen, zwischen einfachen und vertragsändernden Be207 S. nur BGH NJW 1990, 2684, 2685; Baumbach/Hopt/Roth, § 105 Rn. 63; E/B/J/S/ Wertenbruch § 105 Rn. 120. Unter anderen verwendet K. Schmidt, die Bezeichnung „ad-hoc Abweichung“ (MünchKommHGB/K. Schmidt, § 105 Rn. 151), es findet sich auch der Begriff „Statutsdurchbrechung“ (J. Müller, Statutenwidrige Verbandsbeschlüsse, S. 6). 208 BGHZ 58, 115, 118 f. = NJW 1972, 623; BGH NJW 1990, 2684, 2685; Staub/Schäfer, § 105 Rn. 187, § 119 Rn. 86; Oetker/Lieder, § 105 Rn. 98; E/B/J/S/Wertenbruch, § 105 Rn. 120; K/K/R/D/Kindler, § 105 Rn. 51; Baumbach/Hopt/Roth, § 105 Rn. 63; NK-HGB/ Klimke, § 105 Rn. 59; Westermann/Wertenbruch/Westermann, HdbPersGesR Teil I. Rz. 478, 487; J. Müller, Statutenwidrige Verbandsbeschlüsse, S. 6; für die KG Oetker/Lieder, § 161 Rn. 159; MünchKommHGB/Grunewald, § 165 Rn. 22; für die GbR vgl. MünchKommBGB/ Schäfer, § 705 Rn. 56, § 709 Rn. 107. 209 BGH NJW 1972, 623, 624; Oetker/Lieder, § 105 Rn. 98, § 161 Rn. 159; MünchKommHGB/Grunewald, § 165 Rn. 22; Westermann/Wertenbruch/Westermann, HdbPersGesR I. Teil Rz. 478; vgl. auch NK-HGB/Klimke, § 105 Rn. 59; dagegen wohl Staub/Schäfer, Rn. 187; MünchKommBGB/Schäfer, § 705 Rn. 56, § 709 Rn. 107; Baumbach/Hopt/Roth, § 119 Rn. 25. 210 In dieser Tendenz wohl E/B/J/S/Wertenbruch, § 105 Rn. 120, jedoch dahingehend einschränkend, dass in einem solchen Beschluss „[i]dr […] eine konkludente Änderung zu sehen“ sei; ähnlich Röhricht/Graf v. Westphalen/Haas/Haas, § 119 Rn. 5 („ggf. auch eine informelle Änderung des Gesellschaftsvertrags im Bereich des Möglichen“). 211 So zu verstehen Baumbach/Hopt/Roth, § 105 Rn. 63, § 119 Rn. 25; MünchKommHGB/ K. Schmidt, § 105 Rn. 151; K/K/R/D/Kindler, § 105 Rn. 51; Staub/Schäfer, § 105 Rn. 187; MünchKommBGB/Schäfer, § 705 Rn. 56, § 709 Rn. 107.

B. Anerkennung der Möglichkeit einer Vertragsdurchbrechung

81

schlüssen nicht differenziert werden muss. Sie kommen unter denselben Voraussetzungen zustande (vgl. §§ 709 Abs. 1 BGB, 119 Abs. 1 HGB).212 Wenn aber ein Großteil der Literatur die Vertragsdurchbrechung im Zusammenhang mit Änderungen des Gesellschaftsvertrags behandelt,213 legt das den Schluss nahe, dass sie eine Durchbrechung als Vertragsänderung begreift oder diese zumindest hinsichtlich ihrer Voraussetzungen in diesem Kontext sieht.214 Die Folge wäre, dass alle (statutarischen) Voraussetzungen an eine Änderung des Gesellschaftsvertrags zur Wirksamkeit der Durchbrechung einzuhalten wären. Die Rechtsprechung jedenfalls scheint davon auszugehen.215 Es ist daher anzunehmen, dass der überwiegende Teil der Literatur und die Rechtsprechung einen Durchbrechungsbeschluss als Vertragsänderung deuten, obwohl eine definitive Aussage aufgrund der oberflächlichen Behandlung des Themas im Personengesellschaftsrecht kaum möglich erscheint.

II. Ergebnis Die Vertragsdurchbrechung wird nicht anders definiert als im Körperschaftsrecht. Nicht abschließend geklärt ist, ob sie einen einfachen Beschluss oder eine (spezielle) Art der Vertragsänderung darstellt. Der überwiegende Teil der Literatur, jedenfalls aber die Rechtsprechung, scheint sie für eine ad-hoc-Änderung des Gesellschaftsvertrags zu halten. Treffender wäre es dann, statt von einer „Durchbrechung“ im Personengesellschaftsrecht von einer Einzelfall- oder ad-hoc-Änderung zu sprechen.

B. Anerkennung der Möglichkeit einer Vertragsdurchbrechung I. Zulässigkeit im Grundsatz und Voraussetzungen im Besonderen 1. Grundsatz Eine Vertragsdurchbrechung bei Personengesellschaften ist nach allgemeiner Ansicht als Ausfluss der Privatautonomie grundsätzlich zulässig.216 Weshalb und unter welchen Voraussetzungen ein Durchbrechungsbeschluss möglich sein sollte, 212

Staub/Schäfer, § 105 Rn. 186; Hueck, OHG, § 11 I. 1., 2., S. 162 f. S. nur Oetker/Lieder, § 105 Rn. 98; E/B/J/S/Wertenbruch, § 105 Rn. 120; MünchKommBGB/Schäfer, § 705 Rn. 56; Habersack/Schäfer/Schäfer, OHG, § 109 Rn. 5. 214 Dahingehend auch Röhricht/Graf v. Westphalen/Haas/Haas, § 105 Rn. 32 („einvernehmlich […] hinwegsetzen“). 215 BGHZ 58, 115, 118 f. = NJW 1972, 623 f. 216 BGHZ 58, 115, 118 f. = NJW 1972, 623 f.; BGH NJW 1990, 2684, 2685; KG NJW-RR 1995, 1442, 1443; Oetker/Lieder, § 105 Rn. 98; Westermann/Wertenbruch/Westermann, HdbPersGesR I. Teil Rz. 478, 487; vgl. auch MünchKommHGB/K. Schmidt, § 105 Rn. 151; E/B/J/S/Wertenbruch, § 105 Rn. 120 [Fn. 356]; K/K/R/D/Kindler, § 105 Rn. 51; Habersack/ Schäfer/Schäfer, OHG, § 109 Rn. 5. 213

82

Kap. 3: Stand der Diskussion

beleuchtet man allerdings kaum. Zu vermuten ist, dass wegen der vergleichsweise einfachen Abänderbarkeit des Gesellschaftsvertrags von GbR, OHG und KG der Frage keine große Bedeutung beigemessen wird. Entscheidend für die Voraussetzungen einer Durchbrechung ist, wie bereits angemerkt, die dogmatische Einordnung des Durchbrechungsbeschlusses. Sieht man ihn als Vertragsänderung, gilt es die entsprechenden Voraussetzungen zu beachten. Unter Geltung des Einstimmigkeitsprinzips wird somit ein einstimmiger Beschluss erforderlich sein, ist für die Änderung des Gesellschaftsvertrags hingegen das Mehrheitsprinzip vereinbart, müsste auch die statutarisch festgelegte Mehrheit ausreichen. 2. Vertragsdurchbrechung nur bei Einstimmigkeit? Verwirren mag daher die in der Rechtsprechung, zum Teil auch in der Literatur zu findende Bemerkung, eine Abweichung sei möglich, sofern sie „einvernehmlich“217 oder „einstimmig“218 erfolge. Diese Formulierung geht auf eine Entscheidung des BGH zurück, in welcher der II. Senat konstatiert, „Gesellschafter einer Personengesellschaft“ könnten den Gesellschaftsvertrag „wirksam in der Weise durchbrechen, daß sie […] im allseitigen Einvernehmen für den Einzelfall eine abweichende Handhabung vereinbaren“.219 Eine solche „Vertragsänderung“ sei „nur einstimmig möglich“.220 Soweit hiermit Gesellschaften gemeint wären, in denen das Einstimmigkeitsprinzip herrscht, würde der Befund kaum verwundern, schildert er doch nur zutreffend die Rechtslage. Wahrhaft bemerkenswert aber erscheint das Urteil deshalb, weil der Gesellschaftsvertrag der betroffenen KG eine Stimmenmehrheit von lediglich 3/4 zur Änderung seines Inhalts verlangte. Hielt der Senat eine Durchbrechung also stets nur bei Einstimmigkeit für wirksam, selbst wenn der Gesellschaftsvertrag per Mehrheitsbeschluss abänderbar war? Aus dem Zusammenhang wird klar, dass die Aussage derart absolut, wie sie im Urteil erscheint, wohl nicht gemeint war. Zwar scheint der Senat für eine Abweichung von Formvorschriften, im dem BGH vorliegenden Fall die Beschlussfassung in einer Gesellschafterversammlung, „allseitige[s] Einvernehmen“ zu verlangen. Doch führt er an anderer Stelle aus, eine Vertragsdurchbrechung komme „formlos durch übereinstimmende Willenserklärungen aller Gesellschafter zustande, soweit sich aus dem Gesellschaftsvertrag nichts anderes ergibt“.221 Sind aber die Bestimmungen des Gesellschaftsvertrags maßgeblich, so gelten auch etwaige Absenkungen der Mehrheitsanforderungen. Es ist also keinesfalls ausgeschlossen, dass der Senat 217 KG NJW-RR 1995, 1442, 1443; OLG Jena, Urt. v. 21. 02. 2007 – 6 U 274/06, BeckRS 2012, 25200; Röhricht/Graf v. Westphalen/Haas/Haas, § 105 Rn. 32; Oetker/Lieder, § 105 Rn. 98; Westermann/Wertenbruch/Westermann, HdbPersGesR I. Teil Rz. 478 („einvernehmlich“). 218 LG Berlin RNotZ 2001, 288, 290. 219 BGHZ 58, 115, 119 = BGH NJW 1972, 623 f. 220 BGHZ 58, 115, 119 = BGH NJW 1972, 623, 624. 221 BGHZ 58, 115, 118 f. = BGH NJW 1972, 623, Hervorhebung nur hier.

B. Anerkennung der Möglichkeit einer Vertragsdurchbrechung

83

auch die im Gesellschaftsvertrag vorgesehene Mehrheit hätte ausreichen lassen. Er sah sich nur mit einem weiteren Problem befasst, das dazu führte, in diesem Fall ausschließlich Einstimmigkeit genügen zu lassen. 3. Einstimmigkeit zur Durchbrechung von Formvorschriften? Denn der Gesellschaftsvertrag sah als Formerfordernis vor, dass Beschlüsse in einer Gesellschafterversammlung oder in einem detailliert ausgestalteten, schriftlichen Verfahren zu fassen seien – was aber nicht beachtet worden war. Zu einer Abweichung davon, auch wenn grundsätzlich möglich, hätte es nach Auffassung des Senats einer einstimmigen Beschlussfassung bedurft.222 Denn selbst bei Beachtung der erforderlichen Mehrheit hätte es jedenfalls an den Formanforderungen gemangelt. Um sich auch über diese hinwegzusetzen, brauchte es damit einen einstimmigen Beschluss. Daraus ist abzuleiten, dass unabhängig davon, welche Mehrheit der Gesellschaftsvertrag für die Vertragsänderung vorsieht, der BGH im vorliegenden Fall eine Durchbrechung von Formvorschriften grundsätzlich nur bei Einstimmigkeit für zulässig hielt.223 Tatsächlich wird es auf den Einzelfall ankommen. Instruktiv ist dabei die Diskussion um die Abänderung einer sog. „doppelten Schriftformklausel“. Während eine einfache Schriftformklausel lediglich die Verschriftlichung des Rechtsgeschäfts zum Inhalt hat, sichert die doppelte Schriftformklausel den Bestand der einfachen ab, indem sie die einfache nur in Schriftform für abänderbar erklärt.224 Deshalb hält die Literatur die Durchbrechung einer doppelten Schriftformklausel nur bei Einstimmigkeit für wirksam.225 Abstrahiert man diesen Fall, ergibt sich Folgendes: Konstitutive Formvorschriften können nur einstimmig durchbrochen werden, dient die Form lediglich Ordnungs- oder Beweiszwecken, genügt jedenfalls eine vertragsändernde Mehrheit.226

222

So ausdrücklich BGHZ 58, 115, 119 = BGH NJW 1972, 623 f. Vgl. BGHZ 58, 115, 118 f. = BGH NJW 1972, 623 f.; vgl. auch OLG Düsseldorf NJW 1977, 2216, 2217 sowie BGH NJW 1990, 2684, 2685. 224 BAG NJW 2003, 3725, 3727; E/B/J/S/Wertenbruch, § 105 Rn. 117 f.; MünchKommBGB/Eisele, § 125 Rn. 71. 225 Erman/H. P. Westermann, § 705 Rn. 12; MünchKommHGB/K. Schmidt, § 105 Rn. 162; Staub/Schäfer, § 105 Rn. 188, mit der zusätzlichen Einschränkung, dass sich die Änderung ausdrücklich auch auf das Formerfordernis beziehen müsse; ähnlich MünchKommBGB/ Schäfer, § 705 Rn. 51; wohl noch weiter Staudinger2003/Habermeier, § 705 Rn. 11, Mehrheitsbeschluss ausreichend; strenger hingegen BGHZ 66, 378, 381 f. = NJW 1976, 1395; OLG Düsseldorf NJW 1977, 2216, 2217, Abweichung stets nur schriftlich möglich. 226 Ähnlich Staub/Schäfer, § 105 Rn. 178, 188. 223

84

Kap. 3: Stand der Diskussion

4. Ergebnis Gegen die grundsätzliche Zulässigkeit einer Vertragsdurchbrechung bestehen in Rechtsprechung und Schrifttum keine Bedenken. Die in der Literatur vertretene These, Vertragsdurchbrechungen seien stets nur einstimmig möglich, stützt die Rechtsprechung des BGH bei näherer Analyse nicht. Bezieht man die Diskussion um die Abänderbarkeit einer doppelten Schriftformklausel mit ein, ergibt sich folgendes Bild: Sofern man sie als Vertragsänderung einordnet, ist eine Vertragsdurchbrechung nur wirksam, wenn sie alle (statutarischen) Anforderungen an eine Änderung einhält. Erfolgt sie einstimmig, können sich die Gesellschafter von Personengesellschaften sogar über jegliche Anforderungen hinwegsetzen und für den Einzelfall eine andere Handhabe beschließen.

II. Kritik Selbst nach einer solchen Synthese von Literatur und Rechtsprechung bleiben entscheidende Fragen offen. Soweit Ansichten im Schrifttum nicht klarstellen, ob die Vertragsdurchbrechung einen einfachen Beschluss, eine Änderung des Gesellschaftsvertrags oder eine spezielle Beschlusskategorie darstellt, geben sie nicht nur zu formaler Kritik Anlass. Denn falls keine Vertragsänderung (für den Einzelfall) vorliegt, müsste erklärt werden, weshalb der Beschluss nicht nichtig ist. Verstößt ein Beschluss nämlich gegen Bestimmungen des Gesellschaftsvertrags, ist dieser nach immer noch ganz h.M. im Personengesellschaftsrecht grundsätzlich nichtig.227 Macht man damit ernst, wäre folglich jede Durchbrechung als Vertragsverstoß im Ausgangspunkt unwirksam. Zugleich wird aber universell davon ausgegangen, dass der Gesellschaftsvertrag wirksam durchbrochen werden kann.228 Auch im Personengesellschaftsrecht fehlt eine klare Angabe, wie die Vertragsdurchbrechung in die Rechtsbereiche „Änderung des Gesellschaftsvertrags“ und „Beschlussmängelrecht“ einzuordnen ist.229 Nur im Anschluss an eine präzise Verortung kann jedoch ihr Umfang zuverlässig bestimmt werden. Im Übrigen erscheint die Rechtsprechung nicht völlig widerspruchsfrei. Jedenfalls lässt eine Judikatur, die einerseits die Regel, dass die Beschlussfassung in einer Gesellschafterversammlung erfolgen muss, für einstimmig abänderbar auch außerhalb einer solchen erklärt,230 eine doppelte Schriftformklausel dann aber auch bei 227 S. nur Soergel/Hadding/Kießling, § 709 Rn. 44; MünchKommBGB/Schäfer, § 709 Rn. 105 ff.; Staub/Schäfer, § 119 Rn. 79 ff. m.w.N.; Wiedemann, GesR II, § 4 I 5b, S. 323. 228 S. bereits oben Kapitel 3 § 4 B. I. 1. 229 Im Gegensatz zu AG, GmbH und Verein ist in Bezug auf die Personengesellschaften eine nähere Untersuchung bisher meist unterblieben. Allein Müller (Statutenwidrige Verbandsbeschlüsse, S. 48 ff.) widmet sich dieser Thematik ausführlich, ohne aber auf Fragen des Beschlussmängelrechts einzugehen. 230 BGHZ 58, 115, 118 f. = BGH NJW 1972, 623 f.

C. Ergebnis zum Meinungsstand bei Personengesellschaften

85

Einstimmigkeit nur unter Voraussetzung der Schriftlichkeit ändern lassen will,231 wenig Konsequenz erkennen.232 Damit stellt sich für den Rechtsanwender die Frage, ob er sich einstimmig über jegliche statutarische Regelung hinwegsetzen kann,233 oder diese möglicherweise doch einzuhalten hat und somit eine „vereinfachte Durchbrechung“ letztlich gar nicht erreichbar ist. Selbst wenn man also mit der Rechtsprechung in der Vertragsdurchbrechung eine Änderung des Gesellschaftsvertrags erblickt, bleiben dogmatische wie praktische Details offen.

C. Ergebnis zum Meinungsstand bei Personengesellschaften Die Satzungsdurchbrechung des Körperschaftsrechts wird im Personengesellschaftsrecht unter dem Stichwort „Vertragsdurchbrechung“ diskutiert. Sie ist nach allgemeiner Meinung im Grundsatz zulässig. Eine nähere Betrachtung der Problematik erfolgt jedoch kaum. Nicht eindeutig geklärt ist daher, wie die Durchbrechung dogmatisch einzuordnen ist – in der Folge sind ihre Grenzen unklar. Dieser Missstand wirft keine Probleme auf, soweit es sich um Gesellschaften handelt, die dem gesetzlichen Leitbild der Übereinstimmung von Beschluss- und Änderungsvoraussetzungen entsprechen. Wo das Einstimmigkeitsprinzip jedoch zugunsten einer komplexeren Gestaltung aufgegeben wird – gerade in OHG und KG häufig der Fall –, stellen sich Wirksamkeitsfragen, die auf der Grundlage der bisherigen Dogmatik nicht zuverlässig zu beantworten sind. Es bedarf mithin einer schlüssigen Gesamtanalyse der Problematik, die nicht lediglich Einzelfragen beleuchtet, sondern mit deren Hilfe eine umfassende, allgemeine Lösung formuliert werden kann.234

231

BGHZ 66, 378, 382 = NJW 1976, 1395; vgl. auch BAG NJW 2003, 3725, 3727. Kritisch auch MünchKommBGB/Einsele, § 125 Rn. 70 f. 233 So zu verstehen OLG Celle NZG 2002, 823, 824 und KG NJW-RR 1995, 1442, 1443; in diesem Sinne auch Hueck, OHG, § 11 I. 1., 2., S. 162. 234 Mit einem solchen Versuch unten, Kapitel 4 § 5. 232

Kapitel 4

Die Zulässigkeit von Satzungsdurchbrechungen § 1 Die Zulässigkeit der Satzungsdurchbrechung als Frage des allgemeinen Verbandsrechts Es hat sich gezeigt, dass der Satzungsdurchbrechung per definitionem ein Widerspruch zu den Vorgaben der Satzung anhaftet. Ein ungeklärtes Grundproblem liegt deshalb in der Frage, in welchem Verhältnis der satzungsdurchbrechende Beschluss zum Beschlussmängelrecht steht, mit anderen Worten, was die beschlussmängelrechtliche Folge dieses Widerspruchs ist. Diese Frage soll zunächst abstrakt als Problem des allgemeinen Verbandsrechts beantwortet werden, bevor auf die Bedeutung dieses Ergebnisses für die verschiedenen Gesellschaftsformen eingegangen wird.

A. Grundlegung: Satzungsdurchbrechungen im allgemeinen Verbandsrecht Als ein aus der Praxis heraus entwickeltes Rechtsinstitut ist die Satzungsdurchbrechung Gesetz und allgemeinem Verbandsrecht als Kategorie fremd.1 Ersteres wie letzteres kennt nur Beschlüsse, die im Einklang mit Gesetz und Satzung stehen oder solche, die diesen zuwiderlaufen. Da sich die Satzungsdurchbrechung gerade dadurch auszeichnet, mit den Vorgaben der Satzung in Konflikt zu stehen, muss sie letzterer Kategorie zugeordnet werden. Zu klären ist daher, wie ein solcher Beschluss nach allgemeinem Verbandsrecht behandelt wird.

1 Aus der Entwicklung aus der Praxis heraus erklärt sich wohlmöglich auch, weshalb es seit ihrem Aufkommen an einem fundierten theoretischen Unterbau gefehlt hat.

A. Grundlegung: Satzungsdurchbrechungen im allg. Verbandsrecht

87

I. Ansichten in Rechtsprechung und Literatur 1. Nichtigkeitsdogma (h.M.) Nach bislang herrschender Meinung wird angenommen, dass grundsätzlich jeder Beschlussmangel zur Nichtigkeit des Beschlusses führe.2 Dies folge aus „allgemeinen Grundsätzen“, tiefergehende Begründungen für diesen Befund finden sich jedoch selten.3 Die Anfechtbarkeit eines Beschlusses (§ 243 Abs. 1 AktG) stelle daher eine im Verkehrsinteresse erfolgende Einschränkung dieser Grundregel dar.4 Nach dieser Auffassung wäre ein satzungsdurchbrechender Beschluss von vornherein nichtig, da ihm ein Satzungsverstoß, wie bereits erläutert, immanent ist. 2. Neuere Ansichten im Schrifttum Vor dem Hintergrund dieser scheinbar mangelnden Fundierung der h.M. sind in der Literatur neue Ansätze entwickelt worden.5 Ausgehend von der zutreffenden Feststellung, dass sich aus den die Nichtigkeitsfolge anordnenden Vorschriften des bürgerlichen Rechts (insbesondere §§ 134, 138 BGB) wenn überhaupt nur die Nichtigkeit einzelner weniger Beschlüsse herleiten lässt,6 gelangen diese neueren Stimmen vielfach zu einer differenzierten Behandlung von Beschlussmängeln nach Art des in Rede stehenden Mangels und nach dessen Bedeutung.7 Grundsätzlicher 2 BGHZ 11, 231, 242 f.; 104, 66, 70; Staudinger12/Coing, § 32 Rn. 24; Noack, Fehlerhafte Beschlüsse, S. 4; Köster, Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage, S. 3, 125 MünchKommAktG/ Hüffer/Schäfer, § 241 Rn. 6; MünchKommBGB/Leuschner, § 28 Rn. 7 für den Verein; Staub/ Schäfer, § 119 Rn. 75 für die OHG; MünchKommBGB/Schäfer, § 709 Rn. 104 f. für die GbR. 3 Noack, Fehlerhafte Beschlüsse, S. 13. 4 Habersack, Mitgliedschaft, S. 292 f.; Soergel/Hadding, § 32 Rn. 14, 37a; Köster, Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage, S. 3, 6, 22, 125, 135 f.; U. Huber, FS Coing, S. 168 f.; BGHZ 101, 113, 121 = NJW 1987, 2514, 2515. S. bereits v. Tuhr, BGB AT I, § 36 V, S. 517. 5 S. nur Noack, Fehlerhafte Beschlüsse; Casper, ZHR 163 (1999), 54 ff.; Fehrenbach, Fehlerhafter Gesellschafterbeschluss; Fluck, Fehlerhafte Vereinsbeschlüsse. 6 Casper, ZHR 163 (1999), 54, 66 ff.; Koch, Anfechtungsklageerfordernis, S. 43 ff.; Fehrenbach, Fehlerhafter Gesellschafterbeschluss, S. 196 ff.; MünchKommBGB/Leuschner, § 32 Rn. 59. Eine generelle Nichtigkeit wollen aus genannten Vorschriften hingegen u. a. ableiten Köster, Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage, S. 3, 6, 22; Däubler, GmbHR 1968, 4; Scholz, GmbHG (1928), § 45 Amn. IV 2 a); wohl auch RGZ 80, 330, 331. 7 So bspw. Noack, Fehlerhafte Beschlüsse, S. 49 ff., 64 ff. Verletzt ein Beschluss „verbandsinterne Anforderungen“, die weder für noch gegen Dritte wirken, sei er „intern nichtig“ und entfalte daher für die Verbandsmitglieder keine Wirkung. Der „Widerspruch“ eines Gesellschafters sei aber für die Geltendmachung der Nichtigkeit erforderlich (a.a.O., S. 71 ff.). Handelt es sich hingegen um einen „generell“ nichtigen Beschluss, also einen, der allgemeine Anforderungen der Rechtsordnung nicht einhält (so z. B. bei Verstoß gegen § 138 BGB), soll es zur „Herbeiführung“, nicht etwa nur der Geltendmachung, der Nichtigkeit auch einer Klage bedürfen (a.a.O., S. 64 f., 95 ff., 182). Im Ausgangspunkt ähnlich versucht Fluck ein vereinsrechtliches Beschlussmängelrecht im Wesentlichen mit Rückgriff auf die Vorschriften des allgemeinen Teils des BGB (§§ 125 S. 1, 134, 138) zu begründen (Fehlerhafte Vereinsbe-

88

Kap. 4: Die Zulässigkeit von Satzungsdurchbrechungen

argumentieren hingegen diejenigen, die, unter Rückgriff auf eine vom Reichsoberhandelsgericht geprägte Rechtsprechung,8 satzungsverletzende Beschlüsse als Verletzung des Anspruchs des Gesellschafters auf Einhaltung der Verbandsverfassung grundsätzlich für unwirksam9 halten.10

II. Unwirksamkeit der Satzungsdurchbrechung als Folge der Verletzung des übergeordneten Geltungsanspruchs des Statuts Wie im Folgenden zu sehen sein wird, muss ein fundiertes allgemeines Beschlussmängelrecht jedoch nicht notwendigerweise auf den Anspruch auf Einhaltung der Verbandsverfassung zurückgeführt werden. In der Literatur wird dies auch zum Teil erkannt,11 jedoch der Grund hierfür nicht ausreichend beleuchtet. Zutreffend ist der bereits in der Rechtsprechung des Reichsoberhandelsgerichts zu verzeichnende Gedanke, dass ein Beschluss, der Statut oder Gesetz zuwiderläuft, grundsätzlich keine Wirkung entfalten kann.12 Dies beruht aber auf einem Umstand, der als „Verletzung des übergeordneten Geltungsanspruchs“ bezeichnet werden soll. Soweit Verstöße gegen das Gesetz betroffen sind, ist ein übergeordneter Geltungsanspruch des Gesetzes wegen des hierarchischen Gefälles zwischen Beschluss und Rechtsnorm evident.13 Ein solches Gefälle herrscht jedoch auch im Verhältnis schlüsse, S. 24 ff.), sieht aber auch, dass das nicht genügen kann und stützt sich im Übrigen auf „allgemeine rechtsgeschäftliche Grundsätze“ (a.a.O., S. 36 ff.). 8 S. ROHGE 23, 273, 275; 25, 307, 311; Ansätze bereits in ROHGE 14, 354, 360; s. dazu Bekker, ZHR 17 (1872), 379 ff. 9 Eine Differenzierung zwischen den Begriffen „Unwirksamkeit“ und „Nichtigkeit“ muss an dieser Stelle nicht getroffen werden. Gemeint ist, dass der Rechtsakt keine Wirkung entfaltet, was mit „unwirksam“ am treffendsten ausgedrückt wird, ähnlich BGHZ 164, 249, 260 = BKR 2006, 217, 220. 10 Fehrenbach, Fehlerhafter Gesellschafterbeschluss, S. 199 ff., 214 ff. Auch Noack leitet seine These aus diesem Anspruch ab, Fehlerhafte Beschlüsse, S. 41 ff. 11 Fehrenbach, Fehlerhafter Gesellschafterbeschluss, S. 214 f.: Ein gesetzes- bzw. statutenwidriger Beschluss verletze die Mitgliedschaft des dissentierenden Gesellschafters, könne deshalb gegenüber diesem keine Wirksamkeit beanspruchen. Da der Beschluss aber die Gesellschaftergesamtheit, nicht nur die Mehrheit erfassen solle, müsse er unwirksam sein, da er diesen Geltungsanspruch nicht erfülle (a.a.O., S. 215). 12 A.A. wohl Fluck, wenn er konstatiert, fehlerhafte Beschlüsse seien nicht grundsätzlich nichtig und die Fehlerfolgen ausschließlich aus „rechtsgeschäftlichen Regeln“ abzuleiten (Fehlerhafte Vereinsbeschlüsse, S. 22 ff.). Dennoch hält er einen Beschluss, der die „Grenzen der Privatautonomie“ verlässt, für unwirksam, „weil er die Grenzen rechtsgeschäftlicher Verfügungsmacht“ überschreite (a.a.O., S. 26). 13 Hierzu mit ausführlicher Begründung unten, II. 2. a), b). An dieser Stelle soll ein kurzer Hinweis genügen: Dass im Rangverhältnis höhere Rechtsakte Niedrigrangigeren vorgehen, im Konfliktfall letztere keine Geltung beanspruchen können, darf als universelles Grundprinzip einer jeden systematischen Rechtsordnung gelten. Mangels abweichender gesetzlicher An-

A. Grundlegung: Satzungsdurchbrechungen im allg. Verbandsrecht

89

Statut – Beschluss.14 Auch das Statut einer Gesellschaft stellt einen dem einfachen Gesellschafterbeschluss übergeordneten Rechtsakt dar, auch zwischen diesen besteht ein Rangverhältnis. Weshalb dem so ist und weshalb daraus die Unwirksamkeit des dem Statut zuwiderlaufenden Beschlusses folgt, bedarf vertiefender Erläuterung. Dabei bietet es sich aufgrund ihrer konzeptionellen Unterschiede an, zwischen den Gesellschaftsverträgen der Personengesellschaften und den Satzungen der Körperschaften zu differenzieren. 1. Verletzung des Geltungsanspruchs in Personengesellschaften Zu begründen ist, weshalb es sich bei einem Gesellschaftsvertrag um einen dem Gesellschafterbeschluss höherrangigen Rechtsakt handelt, der im Konfliktfall wegen seines übergeordneten Geltungsanspruchs die Wirksamkeit des Beschlusses negiert. Ein Gesellschaftsvertrag ist Produkt der privatautonomen Ausgestaltung der Rechtsverhältnisse der beteiligten Parteien (Gesellschafter). Diesen gehen sie ein, um ein übergeordnetes Ziel, z. B. Gewinnerzielung, kollektiv, d. h. in Form einer Gesellschaft, besser, schneller oder effektiver zu erreichen, als dies allein möglich wäre. Um dieses Zweckes willen beschränken sie ihre Privatautonomie und unterwerfen sich den Bindungen, die sich aus dem Gesellschaftsverhältnis ergeben.15 Solche Bindungen können verschiedenste Formen annehmen. So unterliegen Gesellschafter ganz grundsätzlich der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht,16 aus der Wettbewerbsverbote erwachsen17 und die Grundlage von Schadensersatzansprüchen sein kann.18 Aber ebenso, wie ein Gesellschafter sich gebunden hat, den Zweck der Gesellschaft durch treuwidriges Verhalten nicht zu gefährden, hat er bei Geltung einer Mehrheitsklausel eingewilligt, sich einem Mehrheitsbeschluss zu beugen, diesen also mit Eingehung des Gesellschaftsvertrags für sich selbst für verbindlich erklärt. Der mehrheitliche Gesellschafterbeschluss bindet mithin alle Gesellschafter deshalb, weil alle dieser Bindung mit Eingehen eines Gesellschaftsvertrags mit ordnung (§ 243 Abs. 1 AktG) besitzt das Gesetz als hierarchisch übergeordnete Rechtsquelle dem Gesellschafterbeschluss gegenüber einen übergeordneten Geltungsanspruch. Ein Beschluss, der dem Gesetz widerspricht, hat als diesem gegenüber nachrangiger Rechtsakt mithin grundsätzlich keine Wirksamkeit. 14 Der Ausdruck „Statut“ möchte den Begriff des Gesellschaftsvertrags im weiteren Sinne, also sowohl die Gesellschaftsverträge der Personengesellschaften als auch die Satzungen der Körperschaften umfassen. 15 Dass durch eine vertragliche Bindung die Beschränkung der Privatautonomie der beteiligten Parteien eintritt, gilt für jeden Vertrag. Um des Vertragszwecks willen binden sich die Parteien an ihre Versprechen, vgl. Flume, BGB AT II, § 1 6. a), S. 7 f., § 33 4., S. 605 f.; Bork, BGB AT Rn. 21, 659, S. 10 f., 257 f. 16 Diese stellt einen Ausfluss der Zweckförderungspflicht (vgl. § 705 BGB) dar, s. Winter, Treuebindungen, S. 10 ff., 14; Lutter, AcP 180 (1980) 84, 97 ff. 17 S. nur Staudinger2003/Habermeier, § 705 Rn. 52; MünchKommBGB/Schäfer, § 705 Rn. 235 ff. jeweils m.w.N. 18 MünchKommBGB/Schäfer, § 705 Rn. 198, 242.

90

Kap. 4: Die Zulässigkeit von Satzungsdurchbrechungen

Mehrheitsklausel in Verwirklichung ihrer Privatautonomie zugestimmt haben. Ohne die Zustimmung zur Mehrheitsklausel wäre eine Bindung der Gesellschafter an einen Mehrheitsbeschluss nicht denkbar, denn eine Verkürzung der Rechtsposition eines Beteiligten kann vertraglich nur im Rahmen einer Einigung erfolgen, die er selbst eingegangen ist (Art. 2 Abs. 1 GG).19 Einen Gesellschaftsvertrag „zu Lasten Dritter“ kann es somit nicht geben.20 Diese Fundierung der Bindungswirkung des Gesellschaftsvertrags in der Privatautonomie bedeutet aber umgekehrt, dass sie nur soweit reichen kann, wie sie von dem in den Bestimmungen des Gesellschaftsvertrags zum Ausdruck kommenden Willen der Gesellschafter getragen ist. Ein Beschluss, der diesem Willen zuwiderläuft, besitzt demnach keine privatautonome Legitimation. Da, wie gesehen, ein Beschluss nur aufgrund dieser Legitimation bindet, sprich wirksam ist, hängt ein Beschluss, der nicht davon getragen ist, gleichsam in der Luft. Die erforderliche Legitimation kann freilich dadurch erreicht werden, dass in vertragsändernder Weise beschlossen wird. Dann liegt jedoch kein dem Vertag zuwiderlaufender, sondern ein ihn (möglicherweise nur für einen Einzelfall) ändernder Beschluss vor. In den Personengesellschaften ist dieses Verhältnis mit dem Begriff des übergeordneten Geltungsanspruchs gemeint. Der Gesellschaftsvertrag gibt den Rahmen der wirksam möglichen Entscheidungen vor, sofern nicht auf diesen selbst Einfluss genommen wird.21 Der Gesellschaftsvertrag ist (einfachen) Beschlüssen somit übergeordnet. Fallen Beschluss- und Änderungsquorum zusammen – wie im gesetzlichen Regelfall des Einstimmigkeitsprinzips –, wird diese Differenzierung nicht deutlich. Ein Verstoß gegen den Vertrag wird in praxi nie festzustellen sein, da der Beschluss immer als Änderung des Vertrags selbst ausgelegt werden können wird.22 Interessant wird es, wenn diese Quoren auseinanderfallen. Ein paar Beispiele mögen dies verdeutlichen. Die Gesellschafter einer OHG, in der das Einstimmigkeitsprinzip gilt, beschließen eine von den Bestimmungen des Gesellschaftsvertrags abweichende Gewinnverteilung für das Geschäftsjahr 2019. Der Beschluss ist trotz Widerspruchs zur Regelung des Gesellschaftsvertrags nicht 19

Flume, BGB AT II, § 1 6. a), S. 7 f.; A. Roth, FS Hadding, 253 f.; Maunz/Dürig/Di Fabio, Art. 2 Abs. 1 Rn. 107. So können sich beispielsweise Hauptschuldner und Gläubiger sich nicht darauf einigen, dass der Bürge ein zwischen ersteren vereinbartes pactum de non petendo entgegen § 768 I BGB nicht dem Gläubiger entgegenhalten könne, BGH NJW 2018, 701, 702. 20 Ebenso Fehrenbach, Fehlerhafter Gesellschafterbeschluss, S. 215, sowie BGHZ 104, 197, 203; 131, 228, 230. 21 Ähnlich Hueck, OHG, § 11 V. 2. a), S. 183; Staub/Schäfer, § 119 Rn. 87; vgl. auch Flume, BGB AT II, § 1 6. a), S. 7. 22 Als Rechtsgeschäft (heute beinahe unstr., s. nur Baumbach/Hopt/Roth, § 119 Rn. 25; MünchKommBGB/Schäfer, § 709 Rn. 51 m.w.N.) ist ein Gesellschafterbeschluss in Personengesellschaften grds. nach den Grundsätzen der §§ 133, 157 BGB auszulegen, MünchKommBGB/Schäfer, § 709 Rn. 52. Ein objektiver Dritter in der Person eines Gesellschafters wird den Beschluss interessen- und zweckgerecht als eine Vertragsanpassung (ggf. für den Einzelfall) verstehen müssen.

A. Grundlegung: Satzungsdurchbrechungen im allg. Verbandsrecht

91

zu beanstanden, da er als Einzelfalländerung dieser Bestimmung auszulegen sein wird.23 Dasselbe ergäbe sich, wenn sowohl für den einfachen Beschluss als auch für die Vertragsänderung ein Quorum von 75 % oder gar 50 % ausreichend wären.24 Ist nun aber bspw. für eine Vertragsänderung Einstimmigkeit, für einen einfachen Beschluss lediglich eine Mehrheit von 50 % erforderlich und wird mit weniger als Einstimmigkeit vorgenannte Abweichung beschlossen, ist der Beschluss nach den dargestellten Grundsätzen unwirksam.25 Der Beschluss vermag die Gesellschafter in ihrer Gesamtheit nicht zu binden, dazu wäre eine privatautonom legitimierte, d. h. vertragsändernde Entscheidung nötig. Der Gesellschaftsvertrag zeigt in diesem Fall seinen übergeordneten Geltungsanspruch und damit das Rangverhältnis zwischen einfachem Beschluss und Vertragsänderung – er gibt den Rahmen dessen vor, was in der Gesellschaft beschlusstechnisch möglich ist, ohne dass er selbst geändert wird. 2. Verletzung des übergeordneten Geltungsanspruchs in Körperschaften und körperschaftlich strukturierten Personengesellschaften Bei den Körperschaften tritt aufgrund der unterschiedlichen Rechtsnatur der Satzung dieser in der Privatautonomie zu verortende Bindungsgrund nicht hervor. Denn das Statut einer Körperschaft stellt jedenfalls keinen Vertrag i.S.d. § 311 Abs. 1 BGB dar.26 Die grundsätzliche Unwirksamkeit eines der Satzung zuwiderlaufenden Beschlusses lässt sich aber auch unter dieser Annahme mit der Verletzung des übergeordneten Geltungsanspruchs begründen, wenn auch unter einem anderen Blickwinkel. Denn auch zwischen Satzung und einfachem Beschluss besteht ein hierarchisches Gefälle, dem grundsätzlich niedrigerrangigen Beschluss kommt auch 23 Wollte ein Gesellschafter den vermeintlichen Beschlussmangel gerichtlich geltend machen, hätte er sich mit dem Einwand des venire contra factum proprium auseinanderzusetzen. Als Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben (vgl. § 242 BGB) kann dieser Einwand prinzipiell auch prozessuale Bedeutung erlangen, Stein/Jonas/Brehm, Vor § 1 ZPO Rn. 222. Die prozessuale Geltendmachung von Beschlussmängeln liegt jedoch jenseits des Rahmens der vorliegenden Untersuchung. 24 Dass Mehrheitsbeschlüsse grundsätzlich auch bezüglich Vertragsänderungen möglich sind, ist anerkannt, Baumbach/Hopt/Roth, § 119 HGB Rn. 34; MünchKommBGB/Schäfer, § 709 Rn. 82; Hueck, OHG, § 11 IV. 2., S. 177; näher zu vorliegend nicht relevanten Einschränkungen und Grenzen der Mehrheitsherrschaft ausführlich Staub/Schäfer, § 119 Rn. 32 ff. sowie MünchKommHGB/Enzinger, § 119 Rn. 63 ff. 25 Dass der Beschluss – gerade, wenn es um Gewinnverteilung geht – freilich auch wegen anderer Mängel (z. B. wegen Verstoßes gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz) unwirksam sein kann, steht außer Frage, ist aber nicht Gegenstand der vorliegenden Untersuchung. 26 So die Normentheorie (Erman/H. P. Westermann, § 25 Rn. 2; Meyer-Cording, Rechtsnormen, S. 83 f.; MünchKommBGB6/Reuter, § 25 Rn. 17 f. m.w.N.) und die noch vorherrschende modifizierte Normentheorie (s. bereits RGZ 86, 283, 284; st. Rspr., BGHZ 21, 370, 373 ff.; 47, 172, 179 f.; 49, 396, 398; 105, 306; Staudinger2005/Weick, § 25 Rn. 15 ff. m.w.N.; a.A. (Vertragstheorie) Soergel/Hadding, § 25 Rn. 11, 17 und jetzt auch MünchKommBGB/ Leuschner, § 25 Rn. 15 sowie Staudinger2019/Schwennicke, § 25 Rn. 33 f. jeweils m.w.N. Ordnet man das Statut von Körperschaften als Vertrag ein, kommt man freilich bereits mit dem für die Personengesellschaften Dargestellten zur Unwirksamkeit satzungsverletzender Beschlüsse.

92

Kap. 4: Die Zulässigkeit von Satzungsdurchbrechungen

hier ohne Weiteres keine satzungsderogierende Wirkung zu. Dies lässt sich für Körperschaften mit der Rechtsnormqualität der Satzung erklären.27 Seitdem diskutiert wird,28 ob bei einer nach dem Vorbild der Körperschaften erfolgenden Gestaltung des Gesellschaftsvertrags einer Personengesellschaft diesem Rechtsnormqualität zukommen kann, bietet es sich an, auch solche Gestaltungen in die Erörterung miteinzubeziehen. Bejahendenfalls könnte auch auf diese Weise die Unwirksamkeit den übergeordneten Geltungsanspruch verletzender Gesellschafterbeschlüsse begründet werden. a) Begriffsbestandteile der Rechtsnorm Eine Rechtsnorm zeichnet sich dadurch aus, dass sie abstrakt-generell, d. h. für eine unbestimmte Anzahl an Fällen und für einen breiten, unbestimmten Personenkreis, gilt.29 Dabei ist zu beachten, dass es dazu nicht auf die tatsächliche, sondern auf die zum Entstehungszeitpunkt mögliche Breitenwirkung ankommt.30 „Unbestimmt“ bedeutet hingegen nicht nur, dass es sich um eine Mehrzahl von potentiellen Adressaten handeln muss, sondern auch, dass diese zum Entstehungszeitpunkt noch nicht abschließend festgelegt sind. Eine Rechtsnorm richtet sich somit an eine bei Normentstehung potentiell mehrzählige, in Zukunft offene, nicht festgelegte Gruppe von Adressaten.31 Diese generelle Wirkung muss auch beabsichtigt (= final) sein, um bloß zufällig oder rein tatsächlich generell wirkende Rechtsakte von Rechtsnormen zu unterscheiden.32 Weiter ist erforderlich, dass die Regel nicht notwendigerweise wegen beiderseitigen Einverständnisses, sondern potentiell unabhängig vom Willen des Normadressaten gilt (sog. Heteronomität).33 Damit ist der Grundtypus der Rechtsnorm34 herausgearbeitet, an dem sich das Statut messen lassen muss.

27 Die hier verfolgte These der Rechtsnormqualität von Satzungsbestimmungen will zeigen, dass zwischen einfachem Beschluss und Satzung ein Rangverhältnis besteht, den Satzungsbestimmungen also ein übergeordneter Geltungsanspruch zukommt. Wie darüber hinaus die Rechtsnormqualität, so wie sie hier verstanden wird, einzuordnen und was davon abzuleiten sein mag, ist nicht Gegenstand der hiesigen Untersuchung (dazu Staudinger2019/Schwennicke, § 25 Rn. 31, 33 f.; RGRK/Steffen, § 25 Rn. 5. 28 Dazu eingehend Kirchhof, Private Rechtssetzung, S. 344 ff. 29 Ossenbühl, HdbStR III, § 61 Rn. 13; Kloepfer, VerfR I, § 10 Rn. 98; Bork, BGB AT, Rn. 10, S. 5; vgl. Wolf/Neuner, BGB AT, § 4 Rn. 23; s. auch Maunz/Dürig/Remmert, Art. 19 Abs. 1 Rn. 15. Nicht erforderlich ist indes, dass eine Rechtsnorm einen unbestimmten oder „großen“ Adressatenkreis besitzen müsste, näher Kirchhof, Private Rechtssetzung, S. 64 f. 30 Kirchhof, a.a.O., S. 65 f. 31 Kirchhof, a.a.O., S. 67 f.; Wiedemann, GesR I, § 3 II 1, S. 162. 32 Kirchhof, a.a.O., S. 71 f. 33 Kirchhof, a.a.O., S. 84 ff.; Wolf/Neuner, BGB AT, § 4 Rn. 21; Meyer-Cording, Rechtsnormen, S. 91 f.; Wiedemann, GesR I, § 3 II 1, S. 162. 34 Der Begriff Rechtsnorm ist keinesfalls mit dem des Gesetzes gleichzusetzen, s. MeyerCording, Rechtsnormen, S. 98 f.

A. Grundlegung: Satzungsdurchbrechungen im allg. Verbandsrecht

93

aa) Abstrakte Geltung Die Regeln einer Satzung gelten grundsätzlich abstrakt. So ist beispielsweise die Vorschrift, die Gewinnverteilung habe nach einer bestimmten quotalen Aufteilung zu erfolgen, für eine grundsätzlich unbestimmte Anzahl von Fällen bestimmt. Dasselbe gilt für die Bestimmungen von Gesellschaftsverträgen. bb) Generelle Geltung Weniger klar liegt es mit der generellen (also auf einen beabsichtigt zukünftig nicht festgelegten, potentiell mehrzähligen Personenkreis bezogenen) Geltung der Satzung. Denn sie gilt lediglich für Personen, die Mitglied des jeweiligen Verbandes sind. Der Einwand,35 dass die Geltung der Satzungsregeln von einem privaten Rechtsakt (Beitritt) abhinge, also nur für einen klar umrissenen Personenkreis gelte und ihr deshalb mangels genereller Geltung keine Normqualität zukommen könne, verfängt dennoch nicht.36 Tatsächlich sind die Beispiele, in denen Rechtsnormen nur für und gegen klar umrissene Personenkreise und nur unter bestimmten Voraussetzungen wirken, Legion. So gelten kommunale Satzungen nur für die Mitglieder der jeweiligen Gebietskörperschaft. Diese Mitgliedschaft wird durch die freie Entscheidung (Art. 11 Abs. 1 GG) über die Begründung des Wohnsitzes in deren Geltungsbereich erworben.37 Zweifel an der Rechtsnormqualität solcher Satzungen bestehen freilich keine.38 Der Beitritt bedeutet lediglich eine Veränderung im personellen Geltungsbereich der Rechtsnorm; ihre generelle Wirkung zeigt sich gerade in ihrem von dieser Veränderung unabhängigen Bestand.39 Private Körperschaften zeichnen sich dadurch aus, es ist eines ihrer Wesensmerkmale, dass auch sie im Bestand von ihren Mitgliedern unabhängig sind.40 Die Satzung, als Verkörperung der Körperschaft selbst, gilt somit unabhängig von etwaigen personellen Veränderungen des adressierten Personenkreises. Dieser Personenkreis ist, und darauf ist die Konzeption der Körperschaft gerade angelegt, nicht bei Errichtung der Satzung bereits für die Zukunft festgelegt, sondern kann sich durch vergleichsweise simplen Beitritt bzw. Übertragung der Mitgliedschaft jederzeit verändern. Und auch wenn die EinMann-Körperschaft seit geraumer Zeit in GmbH und AG gesetzlich anerkannt ist 35

Wolf/Neuner, BGB AT, § 4 Rn. 23; Larenz, BGB AT, S. 7 f.; so zu verstehen auch Köhler, BGB AT, S. 3. 36 Kirchhof, Private Rechtssetzung, S. 78 ff. 37 Vgl. Art. 15 Abs. 1 GO (Bayern). 38 Vgl. E/Z/B/K/Stock, § 214 BauGB Rn. 1 f., s. auch BVerwG NVwZ 2018, 340, 341. Ebenso besteht kein Zweifel über die generelle Natur des § 39 I BGB (Austrittsrecht), obwohl dessen Geltung den Beitritt in einen Verein voraussetzt (mit diesem Beispiel Kirchhof, Private Rechtssetzung, S. 79). 39 Kirchhof, Private Rechtssetzung, S. 79 f. 40 Für die GmbH Roth/Altmeppen/Altmeppen, § 13 Rn. 1; MünchKommGmbHG/Merkt, § 13 Rn. 5; UHL/Raiser, § 13 Rn. 2 ff.

94

Kap. 4: Die Zulässigkeit von Satzungsdurchbrechungen

(§ 2 AktG; § 1 GmbHG),41 ändert dies nichts daran, dass die Körperschaftsverfassung konzeptionell auf eine potentiell wechselnde Pluralität von Mitgliedern angelegt ist.42 Erkennbar kommt Satzungen also die vom Rechtsnormbegriff verlangte, generelle Wirkungsqualität zu. Im Ausgangspunkt anders liegt es bei den Personengesellschaften. Ihre vertragliche Grundlage löst sich nicht von den Gesellschaftern, der Bestand der Gesellschaft ist vielmehr grundsätzlich von den Gesellschaftern selbst abhängig (vgl. § 727 Abs. 1 BGB). Der Gesellschaftsvertrag ist eine individuelle Rechtsbeziehung zwischen den Gesellschaftern, was insbesondere in ihrer im Grundsatz nur einvernehmlichen Abänderbarkeit (vgl. §§ 311 Abs. 1, 705 BGB) zum Ausdruck kommt.43 Eine generelle Wirkung kommt dem Gesellschaftsvertrag von Personengesellschaften nach der gesetzlichen Konzeption also nicht zu.44 Unzweifelhaft ist hingegen auch, dass dem Gesellschaftsvertrag als Organisationsvertrag eine besondere „normative Wirkung“ zukommt, die über jene eines einfachen Vertrages deutlich hinausgeht.45 Dies ist freilich für die Annahme einer generellen Wirkung der Bestimmungen nicht ausreichend. Es fehlt vor allem an der finalen Offenheit des Adressatenkreises. Bei entsprechender, vom gesetzlichen Modell abweichender Gestaltung (§§ 311 Abs. 1, 705 BGB, §§ 109, 163 HGB) kann eine generelle Wirkung des Gesellschaftsvertrags jedoch ausnahmsweise auch bei Personengesellschaften erreicht werden. Dazu bedarf es einer Nachfolgeklausel oder der Zulassung der Abtretung des Geschäftsanteils als Verkehrsgeschäft.46 Bei einer Nachfolgeklausel (vgl. § 139 HGB) handelt es sich um eine Bestimmung des Gesellschaftsvertrags, die den Anteil zugunsten eines oder mehrerer 41 Anders im Verein, zu dessen Gründung allgemeiner Meinung nach mindestens zwei Personen erforderlich sind, Soergel/Hadding, § 25 Rn. 20; Staudinger2019/Schwennicke, § 21 Rn. 87 m.w.N. 42 MünchKommAktG/Heider, § 1 Rn. 13 f.; Hüffer/Koch/Koch, § 1 Rn. 2 jeweils zur AG; Baumbach/Hueck/Fastrich, Einleitung Rn. 3; Scholz/H. P. Westermann, Einleitung Rn. 4 f. jeweils zur GmbH; Staudinger2019/Schwennicke, § 21 Rn. 4; Soergel/Hadding, Vor § 21 Rn. 41 jeweils zum Verein. 43 Kirchhof, Private Rechtssetzung, S. 344 f. 44 So auch Kirchhof, Private Rechtssetzung, S. 344. 45 MünchKommHGB/K. Schmidt, § 105 Rn. 116, der ebenfalls die Frage aufwirft, ob auch der Gesellschaftsvertrag der OHG nicht eigentlich Satzung sei, dies aber nicht abschließend beantwortet. Deutlicher wird Baumbach/Hueck/Roth, § 105 Rn. 47, der Gesellschaftsvertrag bilde einen „korporativen Zusammenschluss“ und sei (deshalb) „nicht rein schuldrechtlich“. Fluck, (Fehlerhafte Vereinsbeschlüsse, S. 43) hingegen erkennt einen „objektivierenden, normähnlichen Charakter“, verneint aber die Rechtsnormqualität. 46 Kirchhof, Private Rechtssetzung, S. 348. Die Einführung einer Fortsetzungsklausel (§§ 727, 736 f. BGB, 131 Nr. 4, 138, 140 f., 171 HGB), d. h. die Bestimmung, dass die Gesellschaft bei Tod, Ausschluss, Kündigung oder Insolvenz eines der Gesellschafter mit den Verbliebenen identitätswahrend fortgeführt wird, genügt hierzu jedoch nicht. Denn durch diese wird die Geltung des Gesellschaftsvertrags nicht auf einen offenen Personenkreis erweitert, sondern lediglich die Weitergeltung unter den bestehenden Gesellschaftern erreicht, s. Kirchhof, a.a.O., S. 347.

A. Grundlegung: Satzungsdurchbrechungen im allg. Verbandsrecht

95

Nachfolger vererblich stellt.47 Benennt sie keine individuell bestimmten Erben, sondern eröffnet sie deren Bestimmung einer letztwilligen Verfügung, ist der Gesellschaftsvertrag darauf angelegt, für einen breiten, wechselnden Personenkreis – also generell – zu gelten.48 Denn der Wechsel ist von einem ungeplanten, bisweilen zufälligen Ereignis (Tod) abhängig, die Gruppe der zukünftigen Gesellschafter ist allenfalls zum Zeitpunkt des Todesfalls bestimmbar und kann sich ständig verändern und erweitern.49 Die Nachfolgeklausel öffnet in dieser Weise die Personengesellschaft einem zukünftig nicht festgelegten, potentiell breiten Personenkreis und erreicht die generelle Qualität einer Rechtsnorm. Der andere Fall, in dem der Gesellschaftsvertrag einer Personengesellschaft Rechtsnormqualität erreicht, tritt ein, wenn der Gesellschaftsvertrag die Übertragung des Anteils auf einen beliebigen oder einer bestimmten Gruppe angehörigen Dritten zulässt.50 Eine solche Regelung ist zulässig, wie sich aus der gesetzlichen Anerkennung von Nachfolgeklauseln in § 139 HGB ergibt.51 Die Übertragung des Anteils erfolgt durch Abtretung (§§ 398, 413 BGB), an welcher die anderen Gesellschafter nicht beteiligt sind und die die Gesellschaft selbst in ihrer Identität unberührt lässt.52 Sogar die vollständige und gleichzeitige Auswechslung aller Mitglieder unter Wahrung der Identität der Gesellschaft ist möglich.53 Die Gesellschaft besteht damit – wie eine Körperschaft – unabhängig vom Wechsel ihrer Mitglieder, der Gesellschaftsvertrag bleibt von diesem Wechsel unberührt. Sie öffnet sich damit einem zukünftig nicht festgelegten Personenkreis und ist somit auf potentielle Breitenwirkung angelegt.54 Zusammenfassend ist zur generellen Geltung des Gesellschaftsvertrags festzustellen: Die Satzungen der Körperschaften gelten allgemein generell, die Gesellschaftsverträge der Personengesellschaften ausnahmsweise dann, wenn der Vertrag eine Nachfolgeklausel oder die freie Abtretbarkeit der Anteile vorsieht.

47

MünchKommBGB/Schäfer, § 727 Rn. 28. Kirchhof, Private Rechtssetzung, S. 348 f. 49 Kirchhof, ebd. 50 Kirchhof, a.a.O. 51 Allg. Meinung, s. bereits BGHZ 13, 179, 184; 86, 367, 369; 98, 48; MünchKommHGB/ K. Schmidt, § 105 Rn. 217; Staudinger2003/Habermeier, § 719 Rn. 8; Soergel/Hadding/Kießling, § 719 Rn. 14; Erman/H. P. Westermann, § 719 Rn. 8; MünchKommBGB/Schäfer, § 719 Rn. 27; K. Schmidt, GesR § 45 III 2 d). Insbesondere stehen § 717 S. 1 und § 719 I Hs. 1 BGB dem nicht entgegen, MünchKommHGB/K. Schmidt, § 105 Rn. 213; s. auch Flume, BGB AT I/ 1, § 17 II, S. 348 ff. 52 MünchKommHGB/K. Schmidt, § 105 Rn. 210, 214. Die erforderliche Zustimmung ist bereits allgemein im Gesellschaftsvertrag durch die entsprechende Klausel erklärt. 53 MünchKommBGB/Schäfer, § 719 Rn. 26. 54 Kirchhof, Private Rechtssetzung, S. 351. 48

96

Kap. 4: Die Zulässigkeit von Satzungsdurchbrechungen

cc) „Heteronome“ Geltung Rechtsnormcharakter besitzt ein Statut aber nur, wenn es zudem heteronom wirkt, d. h. dessen Bestimmungen müssen den einzelnen Gesellschafter unabhängig von seinem Einverständnis binden können.55 Dazu genügt, dass die Bestimmungen des Gesellschaftsvertrags potentiell heteronom sind, sie also mit Wirkung für und gegen den Betroffenen getroffen werden können, ganz gleich, ob dieser ihnen zustimmt oder sie ohne oder gar gegen seinen Willen ergehen.56 Diese bloße Möglichkeit der Fremdbestimmung ist deshalb ausreichend, weil es nicht von der (zufälligen) Übereinstimmung des Adressaten mit dem Inhalt der Norm abhängen kann, ob sie ihn bindet – entscheidend ist, ob deren Entstehung von seiner Zustimmung abhängt oder nicht. Eine heteronome Bestimmung beansprucht Geltung für jene, die dagegen gestimmt, ja auch für jene, die überhaupt nicht an der Abstimmung teilgenommen haben.57 Solche Regeln entstehen, wenn eine Mehrheit mit Wirkung für die Gesamtheit Bestimmungen erlassen kann. Dies kann durch das gesetzliche oder durch Regelung im Gesellschaftsvertrag vorgesehene Mehrheitsprinzip, aber auch dadurch erfolgen, dass die Entscheidungskompetenz einem anderen Organ anvertraut ist, das zwar einstimmig entscheiden muss, dem aber nicht alle Gesellschafter angehören.58 Inwieweit die Bestimmungen des Gesellschaftsvertrags heteronome Geltung besitzen, wird im Folgenden in Bezug auf die Körperschaften einerseits und die Personengesellschaften andererseits untersucht. Nach dem gesetzlichen Modell der Körperschaft gilt die Satzung grundsätzlich potentiell heteronom. In AG, GmbH und Verein ist mit den §§ 179 Abs. 2 S. 1 AktG, 53 Abs. 2 S. 1 GmbHG, 33 Abs. 1 S. 1 BGB das Mehrheitsprinzip (sogar) zur Satzungsänderung gesetzlich vorgesehen. Durch Satzungsregelung kann aber auch das Einstimmigkeitsprinzip vorgesehen werden (§§ 179 Abs. 2 S. 2 AktG, 53 Abs. 2 S. 2 GmbHG, 40 S. 1 BGB).59 In diesem Fall fehlt es an dem der Körperschaft typischen Charakteristikum der Mehrheitsherrschaft und sie gleicht sich insoweit den

55

Kirchhof, Private Rechtssetzung, S. 84 ff., 267 ff. Kirchhof, a.a.O., S. 87. 57 Kirchhof, a.a.O., S. 84 ff., 90 f. Die Geltung wird nicht zwischen Normgeber und Adressaten vereinbart, sondern letzterem potentiell gegen seinen Willen auferlegt. 58 Kirchhof, a.a.O., S. 346. Konzeptionell setzt das zuständige Organ Recht für den gesamten Mitgliederkreis, indem es für die Gesellschaft selbst handelt, vgl. hierzu auch Kirchhof, a.a.O., S. 90 f. 59 Heute unstr., s. Soergel/Hadding, § 33 Rn. 6; Staudinger2019/Schwennicke, § 32 Rn. 113; § 33 Rn. 29, 33 f.; Roth/Altmeppen/Altmeppen, § 53 Rn. 31; MünchKommAktG/Stein, § 179 Rn. 95 jeweils m.w.N. Rechtsvergleichend betrachtet ist dies nicht zwingend. So kann nach überwiegender Ansicht in Italien in der Società per azioni keine Einstimmigkeit verlangt werden, da eine Blockierung der Gesellschaft befürchtet wird, s. nur Campobasso, S. 318 m.w.N. 56

A. Grundlegung: Satzungsdurchbrechungen im allg. Verbandsrecht

97

Personengesellschaften an. Es fehlt damit an der typischen potentiellen Heteronomität.60 Dass eine Mehrheitsentscheidung auch in Personengesellschaften zulässig ist, steht heute außer Frage.61 Das Gesetz selbst geht in den §§ 712, 715 BGB sowie in § 119 Abs. 2 HGB davon aus, dass die Mehrheit auch zur Entscheidung über Vertragsänderungen berufen sein kann. Um aber vollumfänglich potentielle Heteronomität zu erreichen, muss der Gesellschaftsvertrag die Änderung per Mehrheit für die Gesamtheit durch eine entsprechende Klausel (sog. Mehrheitsklausel) zulassen.62 Ist dies wirksam geschehen,63 besitzt auch der Gesellschaftsvertrag einer Personengesellschaft die für die Annahme der Rechtsnormqualität erforderliche Heteronomität. dd) Ergebnis Die Satzungen der Körperschaften sind nach dem hier verwendeten Rechtsnormbegriff gemäß gesetzlichem Leitbild und regelmäßiger Praxis Rechtsnormen, denn sie gelten abstrakt-generell für einen potentiell heteronomen Kreis von Personen.64 Die Gesellschaftsverträge der Personengesellschaften stellen nach dem gesetzlichen Grundmodell keine Rechtsnormen dar. Sie können aber zu solchen werden, wenn die Voraussetzungen der abstrakten, generellen und potentiell heteronomen Geltung erfüllt sind. Dies ist regelmäßig bei körperschaftlich strukturierten Personengesellschaften bzw. Publikumsgesellschaften der Fall.

60

Vgl. Kirchhof, Private Rechtssetzung, S. 268. Zu den Folgen s. unten b) bb). Deutlich bereits RGZ 91, 166, 167; st. Rspr., s. nur BGHZ 170, 283; 179, 13 = NJW 2009, 669; Baumbach/Hopt/Roth, § 119 Rn. 34; Staub/Schäfer, § 119 Rn. 31, 46 m.w.N. 62 Kirchhof, Private Rechtssetzung, S. 346. 63 Zur umstrittenen, aber im vorliegenden Zusammenhang nicht weiter zu verfolgenden Frage der zulässigen Reichweite von Mehrheitsklauseln, s. eingehend MünchKommHGB/ Enzinger, § 119 Rn. 78 ff.; Staub/Schäfer, § 119 Rn. 32 ff. 64 Satzungsbestimmungen sind also aufgrund ihrer Geltungsweise de facto-Rechtsnormen. Auf eine Herleitung über eine (nur schwerlich überzeugend zu begründende, s. Soergel/ Hadding, § 25 Rn. 14) quasi-staatliche Vereinsgesetzgebung kommt es deshalb nicht an (so aber MünchKommBGB6/Reuter, § 25 Rn. 11). Historisch betrachtet ist eine konzeptionelle Nähe zu staatlichen Organisationen eingedenk der Ursprünge der Aktiengesellschaft in den mit Hoheitsbefugnissen ausgestatteten Handelskompagnien indes nicht völlig von der Hand zu weisen, vgl. Rothweiler/Geyer, Aktienrecht im Wandel, S. 29 ff.; GroßKommAktG4/Assmann, Einleitung Rn. 17, 22 f., 27 ff. 61

98

Kap. 4: Die Zulässigkeit von Satzungsdurchbrechungen

b) Konsequenzen für die Wirksamkeit der Satzungsdurchbrechung aa) Grundsätzliche Behandlung konfligierender Rechtsquellen Aber was folgt nun aus der Rechtsnormqualität des jeweiligen Statuts für die Wirksamkeit der Satzungsdurchbrechung? War zuvor das hierarchische Gefälle zwischen diesem und einem einfachen Beschluss zwar intuitiv nachvollziehbar, tritt bei Annahme eines Rechtsnormcharakters das (gestörte) Rangverhältnis zwischen Statut und durchbrechendem Beschluss offen zu Tage. Erkennt man zudem, dass der Rechtsordnung allgemein das Prinzip immanent ist, dass ein Rechtsakt grundsätzlich keine Wirksamkeit beanspruchen kann, wenn er mit höherrangigem Recht in Konflikt steht,65 erklärt sich, weshalb eine Satzungsdurchbrechung nach allgemeinem Verbandsrecht unwirksam sein muss. Besonders deutlich führt dieses Prinzip das öffentlichen Recht vor Augen. Verfassungswidrige, also mit der Verfassung in Konflikt stehende Rechtsnormen sind im Grundsatz nichtig (sog. Nichtigkeitsdogma).66 Ebenso wird Landesrecht, das gegen gültiges Bundesrecht verstößt, durch dieses höherrangige Recht gebrochen (Art. 31 GG).67 Kommunale Satzungen, die sich im Widerspruch zu höherrangigem Recht befinden, sind grundsätzlich unwirksam.68 Aber auch das Privatrecht ist von diesem Grundsatz durchzogen. So ist ein Tarifvertrag – eine wie die Satzung rechtsgeschäftlich begründete Rechtsnorm69 –, der gegen zwingende Vorgaben des höherrangigen Kündigungsschutzgesetzes (z. B. § 15 KSchG) verstößt, unwirksam.70 § 134 BGB negiert die Wirksamkeit solcher Rechtsgeschäfte, die gegen gesetzliche, also gegenüber dem Rechtsgeschäft höherrangige, Verbotsnormen verstoßen. Allgemein lässt sich somit formulieren: stehen zwei Rechtsakte zueinander in Konflikt, entscheidet im Grundsatz deren hierarchisches Verhältnis über ihren

65

Grundlegend Merkl, JBl 1918, 425 ff.; ders., FS Kelsen, 252, 272 ff.; Kelsen, Reine Rechtslehre, S. 228 ff.; Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 88. 66 St. Rspr. seit BVerfGE 1, 14, 37; s. BVerfGE 61, 149, 151; 101, 54, 55; Maunz/SchmidtBleibtreu/Klein/Bethge/Bethge, § 31 Rn. 142; Schlaich/Korioth, Rn. 379. 67 Zu den Rechtsfolgen näher Maunz/Dürig/Korioth, Art. 31 Rn. 25 ff. 68 Kopp/Schenke/W.-R. Schenke/R.-P. Schenke, § 47 Rn. 120. Für Rechtsnormen gilt im öffentlichen Recht grundsätzlich das sogenannte Nichtigkeitsdogma: Die Fehlerfolge gegen höherrangiges Recht verstoßender Rechtsnormen ist grundsätzlich deren Nichtigkeit, Maunz/ Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, § 78 Rn. 7; kritisch Ossenbühl, NJW 1986, 2805, 2811 f. sowie Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, § 31 Rn. 142 ff. Bekannteste Ausnahme hierzu ist § 214 BauGB, der im Interesse der Rechtssicherheit den Grundsatz der Planerhaltung normiert, näher E/Z/B/K/Stock, § 214 BauGB Rn. 1 ff., 4. 69 ErfKomm/Franzen, § 1 TVG Rn. 19; Schaub/Treber, § 198 Rn. 3. 70 ErfKomm/Kiel, § 15 KSchG Rn. 2; Löwisch/Rieble, § 5 TVG Rn. 336; MünchKommBGB/Müller-Glöge, § 611 Rn. 353; Schaub/Treber, § 198 Rn. 9 ff.; s. auch BAGE 151, 235 = AP TVG § 3 Nr. 57 Rn. 44, 49.

A. Grundlegung: Satzungsdurchbrechungen im allg. Verbandsrecht

99

Vorrang bzw. Bestand.71 Folge ist, dass das höherrangige Recht dem niedrigerrangigem vorgeht, letzteres gegenüber ersterem also keine Geltung beanspruchen kann. Dieser Grundsatz ist nicht nur der deutschen Rechtsordnung zu eigen, es handelt sich vielmehr um ein sehr verbreitetes Prinzip.72 Der Grund hierfür ist leicht nachvollziehbar: das Bestehen einer Rechtsordnung, eines Rechtssystems ist nur unter der Voraussetzung möglich, dass Konflikte zwischen verschiedenen Rechtsquellen aufgelöst werden. Verworrene Zustände hinsichtlich Umsetzung und Anwendung des Rechts stünden zu befürchten, wenn das Verhältnis über Vorrang bzw. Bestand einzelner Rechtsquellen nicht eindeutig bestimmt wäre.73 Abseits expliziter Kollisionsregeln trifft die durch ihre Legitimation begründete Autorität der Rechtsquelle diese Entscheidung. Eine höherrangige Rechtsquelle hat Vorrang, wenn und weil sie in dem Verfahren zustande gekommen ist, das ihre Autorität legitimiert. Anschauliche Beispiele dieses Prinzips liefert das Verfassungsrecht: Ein Bundesgesetz, welches das Grundgesetz verletzt, ist nichtig, es sei denn, das – in der Verfassung selbst vorgesehene – zur Verfassungsänderung erforderliche Verfahren wurde eingehalten. Wurde das Verfahren aber eingehalten, besitzt das Gesetz dieselbe Legitimation wie die Verfassung, das Rangverhältnis ist eingeebnet, der Konflikt aufgelöst. Dass der Verfassung eo ipso die ultimative Legitimation und deshalb Autorität zukommt, ist letztlich nur rechtstheoretisch zu begründen.74 Sie selbst zeigt es aber dadurch an, dass sie an ihre Abänderung die Einhaltung besonderer, herausgehobener Voraussetzungen knüpft (Art. 79 GG). Dies stellt auch für die Verfassungen der Körperschaften den Regelfall dar (§§ 179 Abs. 2 S. 1, 181 Abs. 1 AktG, 53 Abs. 2 S. 1, 54 Abs. 1 GmbHG, 33 Abs. 1 S. 1, 71 Abs. 1 S. 1 BGB). Diese Bestimmungen führen vor Augen, was die Normqualität der Satzung beweist: Satzungsbestimmung und Beschluss sind konzeptionell nicht identisch, zwischen ihnen besteht vielmehr eine intrinsische Hierarchie, die nur aufgelöst werden kann, indem dem Beschluss dieselbe Legitimation wie der Satzung vermittelt wird. Dies geschieht durch Einhaltung des dazu erforderlichen Verfahrens.75 Fehlt es an der hierdurch zu erreichenden Gleichrangigkeit, besitzt die Satzung einen in ihrer Normqualität zum Ausdruck kommenden übergeordneten Geltungsanspruch und setzt sich gegenüber einem Beschluss durch. 71

So auch BVerfGE 26, 116, 135; Stern, StaatsR Bd. I, S. 720. Vgl. nur die Verfassung der Vereinigten Staaten, Art. 1, section 1; Art. 1, section 8, paragraph 18; art. 6 parargraph 2; sowie Amendment X.; Smith/Bailey/Gunn, S. 293 f., zur Rechtslage im Vereinigten Königreich. 73 Zippelius, Staatslehre, S. 43 f. 74 S. Kelsen, Reine Rechtslehre, S. 200 ff.; 204 ff., dazu Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, S. 303 ff; Hart, Concept of Law, S. 79 ff., 100 ff. 75 Vgl. dazu Marasà, Trattato Colombo/Portale, S. 43 f., der aufgrund ähnlicher Erwägungen das Recht der Hauptversammlung zur Satzungsdurchbrechung im italienischen Recht bestreitet, i.E. ebenso die wohl h.M. in Italien, s. nur Galgano, Dir. Civ. e Comm. III/2, S. 400; Petrazzini/Callegari/Cerrato/Cavanna, Trattato Rescigno, S. 258 jeweils m.w.N.; Guerrera, Trattato Ibba/Marasà, S. 224 (zur s.r.l.); vgl. auch Tantini, Modificazioni, S. 169 ff.; a.A. Speranzin, FS Abbadessa, 1959, 1968 (zur s.r.l.). 72

100

Kap. 4: Die Zulässigkeit von Satzungsdurchbrechungen

bb) Konsequenz für den Konflikt Statut – Beschluss Steht ein Gesellschafterbeschluss mit einer Bestimmung der Satzung in Konflikt, folgt aus den vorigen Überlegungen die Unwirksamkeit dieses Beschlusses als Position des allgemeinen Verbandsrechts. Als höherrangiges Recht geht die Satzung dem Beschluss grundsätzlich vor. Hält dieser nicht die Vorgaben ein, die die Satzung an die Gleichsetzung des Beschlusses mit ihr vorgibt, handelt es sich um niedrigerrangiges Recht, das im Konfliktfall keine Geltung beanspruchen kann. Soweit es sich bei den Bestimmungen um Rechtsnormen handelt (d. h. bei Körperschaften sowie ggf. körperschaftlich strukturierten Personengesellschaften, insbesondere Publikumsgesellschaften), tritt die Diskrepanz zwischen Beschluss und Statut offen zu Tage. Die Rechtsnorm Statut steht hierarchisch oberhalb des Rechtsgeschäfts Beschluss.76 Sofern dieser nicht die zur Auflösung der Diskrepanz erforderlichen Regeln einhält, sprich das Statut geändert wird, setzt übergeordnete Geltungsanspruch der Satzung sich gegenüber dem Beschluss durch. Wo Körperschaften dem Einstimmigkeitsprinzip unterliegen, ist eine differenziertere Betrachtung erforderlich. Trotz Satzungsverletzung ist der in einer dem Einstimmigkeitsprinzip unterliegenden Körperschaft getroffene Beschluss grundsätzlich wirksam, da hier die Geltung des Beschlusses einzig von der privatautonomen Entscheidung aller abhängt. Eine dem Einstimmigkeitsprinzip unterliegende Körperschaft unterscheidet sich insoweit fundamental von einer durch das Mehrheitsprinzip beherrschten, auch wenn bei letzterer freilich einstimmige Beschlüsse getroffen werden können. Denn der Beschluss gilt in der Mehrheitskörperschaft unabhängig davon, ob er einstimmig oder mehrheitlich zustande gekommen ist. Ist aber Einstimmigkeitsprinzip vereinbart, gilt jeder Beschluss und damit auch die Satzung deshalb und nur dann, wenn und weil sie vom Willen aller getragen ist. Mehr ist nach allgemeinem Körperschaftsrecht zur Beschlusswirksamkeit in diesem Fall auch nicht erforderlich. Denn die Änderung der Satzung einer Körperschaft verlangt im Grundsatz weder Beurkundung noch Registereintragung. Dies zeigt das Recht des nicht-rechtsfähigen Vereins (§ 54 S. 1 BGB), der Körperschaft ist, zur Wirksamkeit der Änderung seiner Satzung aber keiner Registereintragung bedarf.77 Die deutliche personalistischere Prägung, die die Körperschaft durch das Einstimmigkeitsprinzip erhält, birgt somit im Grundsatz eine Annäherung an die für die Personengesellschaften geltende Rechtslage – auch bei letzteren ist bei einstimmiger Beschlussfassung eine durch Vertragsverstoß begründete Unwirksamkeit nicht festzustellen.78 Unwirksam ist hingegen ein Beschluss, der die statutarisch auf Einstimmigkeit verschärfte Mehrheit zwar beachtet, sonstige Voraussetzungen (notarielle Beurkundung, Registereintragung) aber unterläuft. Hier sind die Voraussetzungen für eine 76 GroßKommAktG/K. Schmidt, § 243 Rn. 8: „Das Gesetz steht hierarchisch über der Satzung, und beide stehen über dem Mehrheitsbeschluss.“ 77 Reichert/Wagner, Kap. 2 Rn. 5050; Stöber/Otto, Rn. 1527. 78 S. oben, Kapitel 4 § 1 A. II. 1.

A. Grundlegung: Satzungsdurchbrechungen im allg. Verbandsrecht

101

Gleichrangigkeit nicht erfüllt. Wählen Gesellschafter nämlich die Rechtsform einer Körperschaft, in der an die Wirksamkeit der Satzungsänderung zusätzliche Voraussetzungen geknüpft sind (wie z. B. in AG, GmbH und Verein), unterwerfen sie sich mit Gründung bzw. Beitritt den für diese geltenden gesetzlichen Vorschriften, mithin auch diesen Voraussetzungen.79 Fassen die Gesellschafter nun einen einstimmigen Beschluss, der im Widerspruch zur Satzung steht, ohne die zu ihrer Veränderung erforderlichen Vorschriften zu beachten, wäre dies nur möglich, wenn diese Vorschriften abdingbar wären oder ein allgemeingültiger Grund, sie nicht zu beachten, erkennbar wäre – andernfalls erginge effektiv eine Einzelfallsatzungsänderung, ohne dass deren Wirksamkeit trotz Missachtung der Änderungsvorschriften erklärbar wäre.80 Die Vorschriften über die Satzungsänderung sind aber weder abdingbar, noch ist ihr Anwendungsbereich per se allgemein einzuschränken. Denn bei den Beurkundungs- und Eintragungserfordernissen (z. B. §§ 130, 181 Abs. 1 S. 1 AktG, §§ 53 Abs. 2 S. 1, 54 Abs. 1 S. 1 GmbHG, § 71 Abs. 1 S. 1 BGB) handelt es sich um ius cogens, das nicht zur Disposition der Gesellschafter steht.81 Ein tragfähiger Grund, die besonderen Änderungsvoraussetzungen global für Körperschaften für unbeachtlich zu halten – unbeschadet potentieller rechtsformspezifischer Einschränkungen –, ist nicht ersichtlich.82 Dies trotzdem zu tun, liefe auf eine prinzipielle Missachtung ausdrücklicher gesetzlicher Anordnungen entgegen Art. 20 Abs. 3 GG hinaus. Selbst in der Einstimmigkeitskörperschaft ist ein satzungsdurchbrechender Beschluss mithin unwirksam, sofern aufgrund gesetzlicher Regelung die Satzung der formfreien Verfügung der Mitglieder entzogen ist. Auch ihr kommt folglich ein übergeordneter Geltungsanspruch gegenüber dem einfachen Beschluss zu, auch hier ist der satzungsdurchbrechende Beschluss insoweit grundsätzlich unwirksam. cc) Ergebnis Satzungsdurchbrechende Beschlüsse sind als Satzungsverletzungen sowohl bei den Personengesellschaften als auch bei den Körperschaften nach allgemeinem Verbandsrecht grundsätzlich unwirksam. Sie versuchen den übergeordneten Geltungsanspruch des Statuts zu derogieren, das hierarchische Rangverhältnis zwischen einfachem Beschluss und Statut zu überwinden, ohne die dafür erforderlichen 79 Soergel/Hadding, § 25 Rn. 34; Staudinger2019/Schwennicke, § 25 Rn. 29 f., 32; s. bereits Staudinger2005/Weick, Vorbemerkung zu §§ 21 ff. Rn. 38, § 25 Rn. 9, 21; s. auch Baumbach/ Hueck/Fastrich, § 14 Rn. 11. 80 Dazu näher unten, Kapitel 4 § 2 A. IV. 2., V. 2. b) (im Kontext der AG). 81 MünchKommBGB/Leuschner, § 71 Rn. 6; Soergel/Hadding, § 71 Rn. 4 jeweils für den e.V.; Scholz/Priester, § 53 Rn. 86, § 54 Rn. 54; Baumbauch/Hueck/Zöllner/Noack, § 53 Rn. 62, 69a, § 54 Rn. 36 für die GmbH; Spindler/Stilz/Holzborn, § 179 Rn. 5; GroßKommAktG/Wiedemann, § 181 Rn. 4 für die AG. 82 Zu den Gründen, die Einhaltung der Satzungsänderungsvorschriften in den einzelnen Rechtsformen nicht zu verlangen, s. Kapitel 4 §§ 2 – 4.

102

Kap. 4: Die Zulässigkeit von Satzungsdurchbrechungen

Voraussetzungen einzuhalten. Nicht beantwortet ist damit freilich die Frage, was dieser Befund für die Behandlung der Satzungsdurchbrechung nach geltendem Beschlussmängelrecht bedeutet und inwieweit diese allgemeinen Prinzipien auch hier zur Anwendung gelangen können. Im Anschluss an einen kurzen Exkurs, der die vorstehenden Gedanken für das öffentliche Recht fruchtbar machen will, soll sich dieser Problematik zugewandt werden.

B. Exkurs: „Rahmenwirkung der Verfassung“ als rechtstheoretisches Begründungsmodell für Folgen von Normkonflikten im öffentlichen Recht Das Rangverhältnis der verschiedenen Rechtsquellen untereinander und die Parallelproblematik der Fehlerfolgen bei Normkonflikten lässt sich auch in Bezug auf das öffentliche Recht mit der für die Personengesellschaften entwickelten Theorie der Rahmenwirkung der Verfassung besser verstehen. Ebenso wie die oben betrachteten privatrechtlichen „Verfassungen“ der Gesellschaften sind auch und gerade Rechtsakte des öffentlichen Rechts an den Rahmen gebunden, der durch die jeweils maßgebliche Verfassung vorgegeben ist.83 Denn ein Rechtsakt, der aus diesem Rahmen herausfällt, fällt zugleich aus der demokratisch-gesellschaftsvertraglichen84 Legitimation heraus, die er nur deshalb besitzt, da er sich in den Grenzen der verfassungsmäßigen Ordnung befindet.85 Letztlich hat der verfassungsgebende Souverän grundsätzlich nur solcher Gesetzgebung durch die dazu berufenen Organe zugestimmt, die sich in den durch ihn vorgegebenen Grenzen (= der Verfassung)

83

Diese Verfassung stellt die „Entscheidung“ des verfassungsgebenden Souveräns für die in ihr umrissenen Bedingungen des Gesellschaftsvertrags dar, s. Carl Schmitt, Verfassungslehre, S. 23 ff. 84 Gesellschaftsvertrag meint hier den in der Staatstheorie gedanklich vorausgesetzten Vertrag, auf den in der Moderne v. a. Thomas Hobbes, (Leviathan, v. a. Chapter 18) und JeanJacques Rousseau, (Contrat social, v. a. I 6) hingewiesen haben (aber s. bereits Marsilius von Padua, Defensor pacis, I 12, § 3: „causam legis effectivam primam et propriam esse popolum“ [die eigentliche wirksame Ursache des Gesetzes ist das Volk]). Auf Grundlage dessen gibt das Volk seine Freiheiten unter gewissen Voraussetzungen gegenüber dem Staat preis, um Gegenzug die Vorteile einer staatlichen Ordnung (z. B. Sicherheit) genießen zu können. In demokratischen Rechtsstaaten dient er zugleich der Herrschaftslegitimation, Zippelius, Staatslehre, S. 111 ff.; s. auch Kersting, Gesellschaftsvertrag, S. 354. Auch im Grundgesetz klingt diese Konzeption an, wenn es in Art. 20 Abs. 4 GG positiviert, dass dem Volk ein Widerstandsrecht zusteht, wenn die in der Verfassung vereinbarte Ordnung beseitigt werden soll, s. Maunz/Dürig/Grzeszick, Art. 20 Abs. IV B) Rn. 3 ff. 85 Der Gesellschaftsvertrag legitimiert die staatliche Herrschaft durch Gesetz, s. Kersting, Gesellschaftsvertrag, S. 51, 351. Vgl. hierzu bereits Rousseau, Contrat social, II 6: „Le peuple, soumis aux lois, en doit être l’auteur; il n’appartient qu’à ceux qui s’associent de regler les conditions de la société“ (Das Volk, das den Gesetzen gehorcht, muss auch ihr Urheber sein; nur denen, die sich verbinden, kommt es zu, die Bedingungen ihrer Vereinigung zu bestimmen).

B. Exkurs: „Rahmenwirkung der Verfassung“

103

hält.86 Eine Rechtsnorm, die über diese Grenzen hinausgeht, kann deshalb ihm gegenüber keine Wirkung beanspruchen, ist unwirksam, weil sie ihrer Legitimation entbehrt. Man könnte insofern auch hier von einer „Überschreitung“ bzw. „Verletzung des Gesellschaftsvertrags“ sprechen. In einem demokratischen Rechtsstaat, der sich auf das Prinzip der Volkssouveränität (Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG) gründet, ist die Staatsgewalt eben nur unter der Voraussetzung legitimiert, dass der Staat die in der Verfassung zum Ausdruck kommenden Bedingungen dieser Übertragung einhält.87 Entbehrt ein Gesetz dieser Legitimation, mangelt es an dessen demokratisch-gesellschaftsvertraglichen Geltungsgrundlage. Was seiner Geltungsgrundlage entbehrt, kann aber nicht wirksam sein. Die Rahmenwirkung der Verfassung kann somit als Begründungsmodell für die Unwirksamkeit als grundsätzlicher Fehlerfolge verfassungskonträrer Rechtsakte sowohl des öffentlichen Rechts als auch des Privatrechts dienen.

§ 2 Die Zulässigkeit der Satzungsdurchbrechung in der Aktiengesellschaft Da die entsprechende Anwendung des aktienrechtlichen Beschlussmängelrechts mittlerweile im Zusammenhang mit beinahe allen Rechtsformen diskutiert wird,88 bietet es sich an, zunächst zu klären, wie die Satzungsdurchbrechung – vor dem Hintergrund der Ergebnisse zum allgemeinen Beschlussmängelrecht – in der AG zu behandeln ist.

86 Hier sind die Parallelen der dogmatischen Begründung der Bindungswirkung des Gesellschaftsvertrags als theoretisches Konstrukt des öffentlichen Rechts und praktischer Rechtswirklichkeit des Privatrechts geradezu verblüffend: beide finden ihren Ursprung in der Vorstellung, dass sich der Einzelne aufgrund der in seiner Privatautonomie zum Ausdruck kommenden natürlichen Freiheit einer vertraglichen Bindung unterwerfen kann, s. Koller, Sozialkontrakt, S. 12 ff. 87 S. Maunz/Dürig/Greszick, Art. 20 Abs. 1 Rn. 61; Maunz/Dürig/P. Kirchhof, Art. 3 Abs. 1 Rn. 114. 88 Für die GmbH ist die analoge Anwendbarkeit fast einhellige Meinung, s. nur Roth/ Altmeppen/Altmeppen, Anh. § 47 Rn. 1; UHL/Raiser, Anh. § 47 Rn. 3, 12; MünchKommGmbHG/Wertenbruch, Anh. § 47 Rn. 1 m.w.N. Entsprechendes wird nun vermehrt auch für den Verein (GroßKommAktG/K. Schmidt, Rn. 40 f.; ders., FS Stimpel, 217, 220 ff.; Grunewald, GesR § 8 Rn. 58; MünchKommBGB/Leuschner, § 32 Rn. 64 f.; ders., Konzernrecht des Vereins, S. 286 ff.; teilweise abweichend Fluck, Fehlerhafte Vereinsbeschlüsse, S. 72) und sogar für die Personengesellschaften (MünchKommHGB/Enzinger, § 119 Rn. 99; K. Schmidt, GesR § 15 II 3 b); ausführlich hierzu Staub/Schäfer, § 119 Rn. 76 m.w.N.) vertreten.

104

Kap. 4: Die Zulässigkeit von Satzungsdurchbrechungen

A. Einordnung der Satzungsdurchbrechung in das Beschlussmängelrecht (§§ 241 ff. AktG) I. Ausgangspunkt Wirksamkeit trotz Mangelhaftigkeit zu begründen, das ist das zentrale Anliegen des Instituts der Satzungsdurchbrechung. Als Beschluss, der von einer Satzungsbestimmung abweicht, mit ihr also in Konflikt steht, stellt eine Satzungsdurchbrechung stets eine Satzungsverletzung dar. Dennoch halten Einige den satzungsdurchbrechenden Beschluss nicht einmal für anfechtbar.89 Zu untersuchen ist, wie diese Verletzung beschlussmängelrechtlich tatsächlich einzuordnen ist und ob sich ein satzungsdurchbrechender Beschluss der Anwendung der §§ 241 ff. AktG entziehen könnte.

II. Beschlussmängelrechtliche Grundlagen Das Gesetz sanktioniert einen Beschluss, der gegen Satzung oder Gesetz verstößt, in Abweichung zum allgemeinen Verbandsrecht grundsätzlich mit dessen Anfechtbarkeit (§ 243 Abs. 1 AktG).90 Der Beschluss ist also wirksam, sofern ein Anfechtungsberechtigter (§ 245 AktG) nicht innerhalb eines Monats (§ 246 Abs. 1 AktG) Anfechtungsklage erhebt. Unterbliebt die Anfechtung, ist der Beschluss endgültig wirksam.91 Nichtig ist ein Beschluss hingegen nur in den vom Gesetz (z. B. in § 241 AktG) enumerierten Fällen.92 Mit Anfechtbarkeit und Nichtigkeit sind die Fehlerfolgen dargestellt, die das Gesetz an mangelhafte Beschlüsse knüpft.93 Inwieweit sich die Satzungsdurchbrechung der einen oder anderen Kategorie zuordnen lässt, soll die folgende Untersuchung klären.

89

S. nur Priester, ZHR 151 (1987), 40, 54; Ueberfeldt, Satzungsdurchbrechung, S. 18. Nach allgemeinem Verbandsrecht ist ein solcher Beschluss nichtig, s. eingehend oben Kapitel 4 § 1. 91 Spindler/Stilz/Drescher, § 243 Rn. 4. 92 Allg. Meinung, s. nur Hüffer/Koch/Koch, § 241 Rn. 7; K. Schmidt/Lutter/Schwab, § 241 Rn. 4 jeweils m.w.N. 93 MünchKommAktG/Hüffer/Schäfer, § 241 Rn. 1; KölnKommAktG/Noack/Zetsche, Vor § 241 Rn. 3 f. 90

A. Einordnung der Satzungsdurchbrechung in das Beschlussmängelrecht

105

III. Nichtigkeit (§ 241 AktG) 1. Infolge formeller Mängel a) Fehlende Beurkundung, § 241 Nr. 2 AktG Eine Satzungsdurchbrechung bedarf nach teilweise vertretener Auffassung keiner notariellen Beurkundung.94 Dies mag für das Recht der GmbH, das diese Voraussetzung nur für die Satzungsänderung vorsieht (§ 53 Abs. 2 S. 1 GmbHG), noch diskutabel erscheinen,95 trifft für das Aktienrecht aber jedenfalls nicht zu. Denn in der AG ist gem. § 130 Abs. 1 S. 1 AktG jeder Beschluss notariell zu beurkunden.96 Um Fälle der Satzungsdurchbrechung aus dem Anwendungsbereich der Norm herauszunehmen, bedürfte es folglich einer teleologischen Reduktion dieser Bestimmung. Nachzuweisen wäre, dass der Normzweck (bestimmte) Satzungsdurchbrechungen – im Gegensatz zu allen übrigen Hauptversammlungsbeschlüssen – nicht erfasse und diese deshalb nicht beurkundet werden müssten. Anhaltspunkte, die dafür sprächen, Satzungsdurchbrechungen gegenüber jedem anderem Hauptversammlungsbeschluss zu privilegieren, sind jedoch nicht zu erkennen. Vielmehr erscheint es abwegig, geringere Anforderungen an einen rechtswidrigen Beschluss zu stellen als an einen rechtmäßigen. Ein satzungsdurchbrechender Beschluss, dem es an der erforderlichen Beurkundung mangelt, ist daher nach § 241 Nr. 2 AktG nichtig. b) Weitere formelle Mängel Die typischen Charakteristika der Satzungsdurchbrechung – Satzungswiderspruch bei Nichteinhaltung der Satzungsänderungsvoraussetzungen – lassen als solche keinen Nichtigkeitsgrund per se einschlägig erscheinen, vom bereits erörterten Beurkundungsmangel abgesehen. Insofern gilt für satzungsdurchbrechende Beschlüsse, was für alle Beschlüsse gilt: liegt ein Nichtigkeitsgrund vor, stellt ein angerufenes Gericht die Nichtigkeit des Beschlusses fest, §§ 249 Abs. 1 S. 1, 248 Abs. 1 S. 1 AktG.97

94

Lawall, DStR 1996, 1169, 1173 f.; zum Meinungsstand s. Kapitel 3. Vgl. zu dieser Frage nur die divergierenden Auffassungen von Priester, ZHR 151 (1987), 40, 50 und Lawall, DStR 1996, 1169, 1173 f.; s. dazu auch unten, Kapitel 4 § 3 B. I. 1. 96 Für nicht-börsennotierten Gesellschaften i.S.d. § 3 Abs. 2 AktG besteht insofern eine Ausnahme, als dass nach § 130 Abs. 1 S. 3 AktG grundsätzlich eine vom Vorsitzenden des Aufsichtsrats unterzeichnete Niederschrift genügt. Ob dies für einen satzungsdurchbrechenden Beschluss ebenso gilt, oder ob das erhöhte Quorum nach § 130 Abs. 1 S. 3 AktG a.E. Anwendung findet, kann erst beantwortet werden, wenn die Rechtsnatur des satzungsdurchbrechenden Beschlusses geklärt ist (dazu sogleich). 97 MünchKommAktG/Hüffer/Koch, § 241 Rn. 14, 89. 95

106

Kap. 4: Die Zulässigkeit von Satzungsdurchbrechungen

2. Infolge inhaltlicher Mängel Auch hinsichtlich inhaltlicher Mängel besteht kein Grund, Satzungsdurchbrechungen anders als andere Beschlüsse zu behandeln. Eine sittenwidrige Satzungsdurchbrechung beispielsweise unterscheidet sich insofern nicht von jedem anderen sittenwidrigen Beschluss, mit entsprechenden Folgen (§ 241 Nr. 4 AktG). 3. Ergebnis Die Nichtigkeit der Satzungsdurchbrechung bestimmt sich nach denselben Kriterien, die für alle anderen Beschlüsse gelten. Liegt ein Nichtigkeitsgrund vor, ist der Beschluss nichtig.

IV. Anfechtbarkeit (§ 243 Abs. 1 AktG) 1. Grundsätzliche Anfechtbarkeit jedweder Satzungsdurchbrechung § 243 Abs. 1 AktG bestimmt: „Ein Beschluß der Hauptversammlung kann wegen Verletzung des Gesetzes oder der Satzung durch Klage angefochten werden.“ Jede Satzungsdurchbrechung, als Satzungsverletzung per definitionem, fällt somit unter die durch § 243 Abs. 1 AktG normierte Anfechtbarkeit, ganz gleich, ob Inhalt oder Form diese Anfechtbarkeit begründen. Das bedeutet aber auch: Der satzungsdurchbrechende Beschluss ist wirksam, sofern eine Anfechtung unterbleibt. 2. Nichtgeltung von § 243 Abs. 1 AktG? Will man nun aber erreichen, dass ein solcher Beschluss gerade nicht gem. § 243 Abs. 1 AktG anfechtbar, sondern uneingeschränkt wirksam sein soll,98 ist nach alldem zu erklären, in welcher Weise und mit welcher Begründung sich die Satzungsdurchbrechung über den klaren Wortlaut des Gesetzes hinwegsetzen können soll. a) Im Wege der teleologischen Reduktion Um den Anwendungsbereich einer Norm zu begrenzen, hält die juristische Methodik die teleologische Reduktion bereit. Eine nach ihrem Wortlaut auf einen bestimmten Fall anwendbare Regel wird in diesem Verfahren in den ihr nach der ratio legis zukommenden Anwendungsbereich eingegrenzt.99 Denkbar wäre also, § 243 Abs. 1 AktG teleologisch zu reduzieren und auf diese Weise die Fälle der Sat98 99

Priester, ZHR 151 (1987), 40, 54; Helmke, Satzungsdurchbrechung, S. 134. Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 210 f.; Canaris, Lücken im Gesetz, S. 192 f.

A. Einordnung der Satzungsdurchbrechung in das Beschlussmängelrecht

107

zungsdurchbrechung aus dem Anwendungsbereich des § 243 Abs. 1 AktG auszunehmen. Während die erste Voraussetzung – Erfassen des Falls der Satzungsdurchbrechung durch § 243 Abs. 1 AktG – vorläge, erscheint es zweifelhaft, den Regelungszweck des Anfechtungsrechts dahingehend zu verstehen, eine beinahe unüberschaubare Anzahl von Fällen möglicher Satzungsdurchbrechungen komplett aus dessen Anwendungsbereich auszunehmen. Wie könnte es der intendierten100 Rechtssicherheit und Rechtsklarheit zuträglich sein, wenn es vom (vermeintlichen) Vorliegen einer bereits begrifflich in ihren Einzelheiten hoch umstrittenen „Satzungsdurchbrechung“ abhinge, ob ein Beschluss gesichert Bestand hat oder nicht? Doch selbst wenn man § 243 Abs. 1 AktG für (bestimmte) Fälle der Satzungsdurchbrechung teleologisch reduzierte, wäre der Beschluss in der Folge nicht etwa wirksam. Mangels anderweitiger gesetzlicher Regelungen oder der Herausbildung einer spezifischen Fehlerfolgenlehre für Satzungsdurchbrechungen, unterfiele er der Fehlerfolgenlehre des allgemeinen Verbandsrechts. Denn nur, weil § 243 Abs. 1 AktG teleologisch reduziert sein mag, verliert der Beschluss nicht seine satzungsverletzende Eigenschaft. Ein satzungsverletzender Beschluss ist aber, wie eingehend dargestellt, nach allgemeinem Verbandsrecht unwirksam.101 Durch eine teleologische Reduktion wäre mithin das Gegenteil dessen erreicht, was die Vertreter des Instituts der Satzungsdurchbrechung bezwecken. Sofern der Versuch, eine Ausnahme zu § 243 Abs. 1 AktG im Wege der teleologischen Reduktion zu begründen, dazu dienen soll, der Satzungsdurchbrechung zur endgültigen Wirksamkeit zu verhelfen, führt er nicht zum Ziel. b) Durch Etablierung einer eigenen „Beschlusskategorie“ Möchte man dennoch zur Wirksamkeit satzungsdurchbrechender Beschlüsse gelangen, bestünde eine weitere Möglichkeit darin, außerhalb der gesetzlichen Kategorien (Satzungsverletzung – Satzungsänderung) zu suchen. Nichts Anderes versuchen Priester und ihm folgende Stimmen in der Literatur, wenn sie die Satzungsdurchbrechung als „Kategorie zwischen Satzungsänderung und Satzungsverletzung“ begreifen.102 Das damit verbundene Eingeständnis, im überkommenen methodischen Umgang mit dem Gesetz die Ziele der Satzungsdurchbrechung nicht erreichen zu können, wirft die Frage auf, ob eine solche Rechtsfortbildung praeter legem, ungeachtet ihrer methodischen Schwierigkeiten, überhaupt gerechtfertigt sein könnte. Denn ihr Urheber schwingt sich damit zum Gesetzgeber auf, eine Kompetenzanmaßung, die – sofern man sie überhaupt für zulässig erachtet – nur dort gerechtfertigt erscheint, wo ein dringendes, ja zwingendes praktisches Bedürfnis zu 100

GroßKommAktG/K. Schmidt, § 243 Rn. 1; MünchKommAktG/Hüffer/Koch, § 243 Rn. 5; Spindler/Stilz/Drescher, § 243 Rn. 3. 101 S. oben, Kapitel 4 § 1 A. 102 Priester, ZHR 151 (1987), 40, 55; Helmke, Satzungsdurchbrechung, S. 52 f., 141; ähnlich bereits Ueberfeldt, Satzungsdurchbrechung, S. 15 ff., 18.

108

Kap. 4: Die Zulässigkeit von Satzungsdurchbrechungen

befriedigen ist, das, unerfüllt, unzumutbare Härten hervorriefe.103 Von einer solchen Situation kann im Kontext der Satzungsdurchbrechung aber nicht die Rede sein. Die Abweichung von Satzungsbestimmungen ist nicht etwa prinzipiell ausgeschlossen, sodass sie erst im Wege der Rechtsfortbildung zugelassen werden müsste. Es darf vielmehr als gesichert gelten, dass Einzelfallabweichungen durch Satzungsänderung möglich sind.104 Zudem können Aktionäre formfrei von den Vorschriften der Satzung abweichen, wenn eine entsprechende Öffnungsklausel besteht.105 Bei einer Regelung außerhalb der Satzung, z. B. in Nebenabreden, ließe sich sogar der abstrakt-generelle Regelungsgehalt formfrei ändern.106 Stehen mannigfache Möglichkeiten bereit, das gewünschte Ergebnis zu erzielen, fehlt es am notwendigen praktischen Bedürfnis für eine Rechtsfortbildung. Die Voraussetzungen, um praeter legem eine eigenständige Kategorie der „Satzungsdurchbrechung“ anerkennen zu können, liegen also nicht vor. Der Versuch, die Unanfechtbarkeit satzungsdurchbrechender Beschlüsse rechtsfortbildend zu begründen, muss daher scheitern. Im Übrigen wäre vor einer Rechtsfortbildung zu prüfen, ob sich nicht derselbe Effekt in einer am Gesetz orientierten und methodisch nachvollziehbaren Weise erreichen ließe. Dem soll sich als Nächstes zugewandt werden. c) Privilegierte Satzungsänderung Ein der Satzungsdurchbrechung entsprechender Effekt ließe sich produzieren, wenn es sich bei dem Beschluss tatsächlich um eine Satzungsänderung handeln würde, an deren Anforderungen (s. nur §§ 179 ff. AktG) aber ausnahmsweise geringere Maßstäbe angelegt werden könnten. Der Widerspruch zwischen Beschluss und Satzung, der im Aktienrecht grundsätzlich die Anfechtbarkeit begründet (§ 243 Abs. 1 AktG), wäre durch eine echte (Einzelfall-)Satzungsänderung beseitigt – die Anfechtbarkeit entfiele. Bestünden also legitime Interessen, die Anforderungen an die Satzungsänderung für bestimmte Einzelfälle teleologisch zu reduzieren, könnte eine „effektive Satzungsdurchbrechung“ erzielt werden. Sie würde nichts Anderes als eine privilegierte Satzungsänderung für den Einzelfall darstellen. Der folgende Abschnitt widmet sich daher der Untersuchung, ob eine solches Vorgehen zum Ziel führt.

103

Vgl. Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 245 ff. Allg. Meinung, MünchKommAktG/Stein, § 179 Rn. 37; Spindler/Stilz/Holzborn, § 179 Rn. 39 m.w.N. 105 S. nur Roth/Altmeppen/Altmeppen, § 53 Rn. 57; eingehend dazu unten, Kapitel 5 § 3. 106 GroßKommAktG/Röhricht/Schall, § 23 Rn. 325; Spindler/Stilz/Limmer, § 23 Rn. 41; Zur Zulässigkeit solcher Nebenabreden s. MünchKommAktG/Pentz, § 23 Rn. 196; GroßKommAktG/Röhricht/Schall, § 23 Rn. 314 ff. sowie unten, Kapitel 5 § 2 B. III. 2. b). 104

A. Einordnung der Satzungsdurchbrechung in das Beschlussmängelrecht

109

aa) Notarielle Beurkundung, § 130 Abs. 1 S. 1 AktG Dass satzungsdurchbrechende Beschlüsse nicht gegenüber jedem anderen Hauptversammlungsbeschluss zu privilegieren sind, indem einzig sie vom Beurkundungserfordernis nach § 130 Abs. 1 S. 1 AktG ausgenommen werden, war bereits im Zusammenhang mit der Diskussion über die Nichtigkeit satzungsdurchbrechender Beschlüsse festzustellen.107 Auch für eine privilegierte Satzungsänderung kann keine geringere Anforderung gelten, als für jeden anderen Hauptversammlungsbeschluss. Eine Ausnahme könnte aber im Hinblick auf nicht-börsennotierte Gesellschaften (§ 3 Abs. 2 AktG) anzunehmen sein.108 Denn eine notarielle Beurkundung ist zur Wirksamkeit des Beschlusses (§ 241 Nr. 2 AktG) im Grundsatz nicht erforderlich, § 130 Abs. 1 S. 3 AktG. Soweit jedoch Beschlüsse gefasst werden, für die das Gesetz eine Dreiviertel- oder größere Mehrheit bestimmt – wie beispielsweise für die Satzungsänderung mit § 179 Abs. 2 S. 1 AktG – besteht weiterhin die Pflicht zur notariellen Beurkundung, § 130 Abs. 1 S. 3 AktG a.E. Wollte man also von dieser Verpflichtung absehen, müssten teleologische Anhaltspunkte bestehen, dass § 130 Abs. 1 S. 3 AktG a.E. in (bestimmten) Fällen der Satzungsänderung für den Einzelfall nicht gelten soll. Grund dafür, dass in Fällen, in denen mindestens eine Dreiviertelmehrheit gesetzlich vorgeschrieben ist, Beschlüsse auch bei nicht-börsennotierten Gesellschaften der notariellen Beurkundung bedürfen, ist, dass es sich hierbei stets um Beschlussgegenstände handelt, denen herausgehobene Signifikanz beigemessen wird.109 Dazu gehören unter anderem die Zustimmung zu Unternehmensverträgen (§ 293 Abs. 1 S. 2 AktG) sowie die Ausgabe von Schuldverschreibungen (§ 221 Abs. 1 S. 2 AktG).110 In diesen Fällen soll die Willensbildung im Interesse der Rechtssicherheit aller Beteiligten dokumentiert111 und die Einhaltung der gesetzlichen Verfahrensbestimmungen aufgrund der Anwesenheit eines Notars im erhöhtem Maße gewährleistet werden.112 Im Kern geht es also darum, ein hohes Maß an Rechtssicherheit zu garantieren, wenn über besonders signifikante Fragen zu entscheiden ist. Doch handelt es sich bei einer Satzungsänderung stets um eine solche „besonders signifikante Frage“, sodass es auch stets einer Beurkundung bedürfte? Das Satzungsänderungsverfahren ist nur dann einzuhalten, wenn auf die Geltung korporativer Satzungsbestandteile Einfluss genommen werden soll, bezüglich wel107

S. oben Kapitel 4 § 2 A. III. 1. a). S. hierzu K. Schmidt/Lutter/Seibt, § 179 Rn. 20, der für „nichtkapitalmarktnahe AG“ bei „punktuellen“ Durchbrechungen wohl auch vom Erfordernis der Eintragung absehen will. 109 MünchKommAktG/Kubis, § 130 Rn. 28 f. 110 MünchKommAktG/Kubis, § 130 Rn. 28. 111 Unstreitig, s. nur Hüffer/Koch/Koch, § 130 Rn. 1 m.w.N. 112 GroßkommAktG/Mülbert, § 130 Rn. 6; Spindler/Stilz/Wicke, § 130 Rn. 1; MünchKommAktG/Kubis, § 130 Rn. 1 m.w.N. 108

110

Kap. 4: Die Zulässigkeit von Satzungsdurchbrechungen

cher also entweder das Gesetz selbst einen Satzungsvorbehalt anordnet oder sich die Gesellschafter in Ausübung ihres Gestaltungswahlrechts für eine korporative Satzungsregelung entschieden haben.113 Das Gesetz ordnet einen Satzungsvorbehalt an, wenn es sich um Regelungsgegenstände handelt, die (wesentliche) Entscheidungen über die Gesellschaftsorganisation und Beziehungen zu Dritten betreffen.114 Es geht mithin um Gegenstände, die für die Gesellschaft selbst oder den Rechtsverkehr allgemein von besonderer Relevanz sind.115 Soweit das Gesetz den Gesellschaftern freistellt, ob sie eine korporative Regelung treffen (indifferente Satzungsbestandteile), spricht die Wahl der korporativen Form dafür, dass sie dem Gegenstand größere Bedeutung beimessen und gerade die erhöhte Rechtssicherheit anstreben.116 Andernfalls hätte eine individuelle Regelung, z. B. mittels einer schuldrechtlichen Nebenabrede, genügt. In der AG, in der jedenfalls Grundlagenentscheidungen wie die Ausgestaltung der Satzung nicht selten mit umfassender Rechtsberatung einhergehen dürften, wird davon auszugehen sein, dass die Wahl nicht zufällig erfolgt ist, zumal zur Einführung selbst das Änderungsverfahren einzuhalten ist. Satzungsänderungen betreffen mithin stets Gegenstände, denen das Gesetz oder die Gesellschafter eine erhöhte Signifikanz beimessen. Für diese Fällen will § 130 Abs. 1 S. 3 AktG a.E. aber gerade nicht-börsennotierten Gesellschaften ein erhöhtes Maß an Rechtssicherheit durch Dokumentation und Beratung gewähren. Daran ändert sich auch nichts, wenn es sich um einen Beschluss für einen Einzelfall handelt. Denn das Gesetz lässt keinen Anhaltspunkt erkennen, dass die Einhaltung des Beurkundungserfordernisses davon abhängig zu machen sei, ob ein Einzelfall oder eine Änderung des abstrakt-generellen Inhalts der Regelung ansteht. Entscheidend ist, wie gesehen, vielmehr die herausgehobene Signifikanz der Regelung, von welcher die Abweichung erfolgen soll. Diese Signifikanz besteht jedoch unabhängig vom Einzelfall. So ist beispielsweise die Frage, wie viele Mitglieder der Aufsichtsrat besitzt, nicht deshalb weniger bedeutend, weil darüber „bloß“ für einen Einzelfall entschieden werden soll.117

113 Hüffer/Koch/Koch, § 179 Rn. 4; MünchKommGmbHG/Harbarth, § 53 Rn. 24 m.w.N.; vgl. auch BGHZ 18, 205, 208 = NJW 1955, 1716; fehl geht die These, das Änderungsverfahren sei (auch) zur materiellen Änderung individueller Satzungsbestandteile einzuhalten, s. dazu Roth/Altmeppen/Altmeppen, § 53 Rn. 8 f. 114 KölnKommAktG/Arnold, § 23 Rn. 13; MünchKommAktG/Pentz, § 23 Rn. 40. 115 Vgl. GroßKommAktG/Wiedemann, § 179 Rn. 34, korporative Bestandteile legen „die Grund- und Lebensordnung des Verbands fest“ (Hervorhebung im Original); s. auch Reuter, ZHR 148 (1984), 523 ff. 116 Vgl. MünchKommAktG/Pentz, § 23 Rn. 45. 117 Vgl. dazu den Fall BGHZ 123, 15 = NJW 1993, 2246, der eine ähnliche Frage (Dauer des Aufsichtsratsmandats bei einer GmbH) zum Gegenstand hatte.

A. Einordnung der Satzungsdurchbrechung in das Beschlussmängelrecht

111

Der gesetzlichen Systematik sowie dem Zweck von § 130 Abs. 1 S. 3 AktG a.E. lässt sich somit entnehmen, dass Satzungsänderungen stets der vollen Richtigkeitsgewähr bedürfen, mögen sie Einzelfälle betreffen oder nicht. Eine hinsichtlich des Beurkundungserfordernisses privilegierte Satzungsänderung ist auch bei nichtbörsennotierten AG folglich ausgeschlossen. bb) Qualifizierte Mehrheit, § 179 Abs. 2 S. 1 AktG Doch könnten solche Einzelfallabweichungen möglicherweise hinsichtlich der Mehrheitsanforderung zu privilegieren sein. Grundsätzlich genügt zur Beschlussfassung in der Hauptversammlung die Mehrheit der abgegebenen Stimmen (einfache Stimmenmehrheit), § 133 Abs. 1 AktG.118 Zur Änderung der Satzung einer AG bedarf es hingegen einer Mehrheit, die mindestens drei Viertel des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals (qualifizierte Kapitalmehrheit) umfasst, § 179 Abs. 2 S. 1 AktG. Dies entspricht einer qualifizierten Stimmenmehrheit, sofern nicht ausnahmsweise Stimmgewicht und Kapitalbeteiligung auseinanderfallen.119 Zweck des verschärften Mehrheitserfordernisses ist, dass Entscheidungen, die aufgrund ihrer Bedeutung und Tragweite in die Satzung aufgenommen sind, nur mit einer dieser Bedeutung und Tragweite entsprechenden Unterstützung abgeändert werden können.120 Im Umkehrschluss wäre mithin denkbar, dass bei Entscheidungen, denen keine besondere Tragweite zukommt, das qualifizierte Mehrheitserfordernis teleologisch reduziert werden könnte. Denn wenn nach dem Normzweck des § 179 Abs. 2 S. 1 AktG die Bedeutsamkeit des zu treffenden Beschlusses die Grundlage für dessen erhöhte Mehrheitsanforderung darstellt, könnte – dieser Zielsetzung entsprechend – der Anwendungsbereich der Norm in Fällen geringerer Bedeutung zu beschneiden sein. Träfe dies zu, wäre nach § 133 Abs. 1 AktG die einfache Stimmenmehrheit ausreichend. Diese Schlussfolgerung geht jedoch aus mehreren Gründen fehl. (1) Fehlen eines trennscharfen Abgrenzungskriteriums Wollte man die Abgrenzung, ob eine qualifizierte Mehrheit erforderlich ist, danach vornehmen, dass die Bedeutung der Entscheidung den Ausschlag gibt, müsste

118 RGZ 125, 356, 359; Spindler/Stilz/Holzborn, § 179 Rn. 114; GroßKommAktG/Wiedemann, § 179 Rn. 112; MünchHdBGesR-IV/Austmann, § 40 Rn. 43. 119 Hüffer/Koch/Koch, § 179 Rn. 14; Spindler/Stilz/Holzborn, § 179 Rn. 116; MünchKommAktG/Stein, § 179 Rn. 85. 120 BGH NJW 1975, 212; MünchKommAktG/Stein, § 179 Rn. 81; Spindler/Stilz/Holzborn, § 179 Rn. 114; dem in der Kapitalbeteiligung zum Ausdruck kommenden Risiko steht nach gesetzlicher Konzeption also eine entsprechende Beteiligung an der Ausrichtung der AG gegenüber; vgl. auch Scholz/H. P. Westermann, Einl. Rn. 14 f.

112

Kap. 4: Die Zulässigkeit von Satzungsdurchbrechungen

sich klar zwischen „bedeutenden“ und „unbedeutenden“ Beschlussgegenständen differenzieren lassen. Dass bereits jede Einzelfallabweichung „unbedeutend“ sei und deshalb keiner erhöhten Mehrheit bedürfe, ginge mit der Unterstellung einher, der Gesetzgeber hätte den Fall der Satzungsänderung für den Einzelfall erstens gänzlich übersehen und ihn zweitens, hätte er ihn bedacht, einer einfachen Mehrheitsentscheidung anheimgestellt. Dafür bestehen aber keinerlei Anhaltspunkte.121 Der Wortlaut der §§ 179 ff. AktG lässt keine entsprechende Intention erkennen, § 179 Abs. 1 S. 1 AktG spricht von „jede[r] Satzungsänderung“. Auch die Normhistorie liefert keinerlei Grundlage, Änderungen für Einzelfälle vom Anwendungsbereich der Satzungsänderungsvorschriften auszunehmen.122 Nach wohl allgemeiner Ansicht richtet sich deshalb auch die Einzelfallsatzungsänderung nach den §§ 179 ff. AktG.123 Gilt damit die qualifizierte Mehrheit auch für solche Änderungen, die nur Einzelfälle betreffen, müssten weiterhin die „bedeutenden“ von den „unbedeutenden“ Fällen geschieden werden. Ein dazu geeignetes Kriterium zu finden, ist schon für das GmbH-Recht gescheitert, wie im Rahmen der Kritik an der Dichotomie „zustandsbegründend“ – „punktuell“ gezeigt werden konnte.124. Kern des Problems ist, dass es aus einer „gesetzesexternen“ Perspektive von der Einschätzung des jeweiligen Betrachters abhängt, welchen Beschlüssen eine ausreichend erhebliche Tragweite zukommt und welchen nicht. In der Folge wurde derselbe Beschlussgegenstand von manchen Stimmen als einer Satzungsdurchbrechung zugänglich erachtet, während andere diese Möglichkeit ablehnten.125 Die Frage, ob eine Einzelfallabweichung der qualifizierten Mehrheit bedarf, über ein gesetzesexternes Kriterium der Bedeutung zu lösen, erscheint nach alldem aussichtslos. Denn selbst wenn es Beschlussgegenstände geringerer Bedeutung gäbe, ließe sich nicht zweifelsfrei feststellen, welche das sind. Die Privilegierung der Mehrheitsanforderung sieht sich daher mit einem erheblichen Abgrenzungsproblem konfrontiert, was eine Differenzierung nach der „Tragweite“ des Beschlussgegenstands unter Praktikabilitätsgesichtspunkten ausschließt.

121

Hüffer/Koch/Koch, § 179 Rn. 8; Leuschner, ZHR 180 (2016), 422, 433 m.w.N. Vgl. die Begründung zum Regierungsentwurf der Aktienrechtsreform von 1965, BTDrs. IV/171, S. 92 ff., 191, wiedergegeben bei Kropff, Aktiengesetz, S. 290 f.; Hüffer/Koch/ Koch, § 179 Rn. 8; GroßKommAktG/Wiedemann, § 179 Rn. 1 f.; Spindler/Stilz/Holzborn, § 179 Rn. 7. 123 Hüffer/Koch/Koch, § 179 Rn. 8; GroßKommAktG/Wiedemann, § 179 Rn. 44; KölnKommAktG/Zetsche, § 179 Rn. 33, 212 m.w.N. 124 S. oben Kapitel 4 § 2 A. IV. 2. c) bb) (1). 125 Man beachte nur die divergierenden Ansichten zu der Frage, ob eine abweichende Gewinnverteilung punktuell oder zustandsbegründend wirkt, letzteres bejahend OLG Dresden NZG 2012, 507, dies verneinend hingegen Priester, ZHR 151 (1987), 40, 52; Lutter/Hommelhoff17/Bayer, § 53 Rn. 31. 122

A. Einordnung der Satzungsdurchbrechung in das Beschlussmängelrecht

113

(2) Systematische Unvereinbarkeit von teleologischer Reduktion und der Bedeutung korporativer Satzungsbestandteile (a) Zwingend korporative Satzungsbestandteile Ausgangsfrage war, ob (bestimmte) Fälle der Einzelfallabweichung von so geringer Tragweite existieren, dass sie durch eine qualifizierte Mehrheit nicht legitimiert zu werden bräuchten. Selbst wenn es solche Fälle gäbe, so stellte man fest, könnten diese aus „gesetzesexterner“ Perspektive nicht trennscharf identifiziert werden. Eine eindeutige Bestimmung nach der Beschlussbedeutung erschien aussichtslos. Das Gesetz selbst hält jedoch ein Kriterium bereit, in welchem die Bedeutung einer Bestimmung anklingt: den Satzungsvorbehalt. Sofern einem Regelungsgegenstand besondere gesellschaftliche Bedeutung zukommt, soll auf dessen Geltung nur unter den Voraussetzungen der §§ 179 ff. AktG Einfluss genommen werden können. Der Bedeutung wird insbesondere dadurch Rechnung getragen, dass eine Änderung nur mit erhöhter Legitimation erfolgen kann. Macht man sich bewusst, dass vielfach Grundlagen des Gesellschaftsverhältnisses betroffen sind (z. B. Dauer der Gesellschaft, § 39 Abs. 2 AktG, Anzahl der Vorstände, § 76 Abs. 2 S. 2 Hs. 2 AktG),126 nimmt das nicht Wunder. Was unter Satzungsvorbehalt fällt, legt das Gesetz selbst fest.127 Daraus folgt, dass eine entsprechende Legitimation in diesen Fällen durch das Gesetz selbst gefordert wird. Alle Regelungsgegenstände, die unter Satzungsvorbehalt fallen, d. h. alle zwingend-korporativen Satzungsbestandteile, sollen also gerade dem erhöhten Mehrheitserfordernis unterliegen. Erkennt man zudem, dass nicht nur Änderungen des abstrakt generellen Satzungsinhalts, sondern auch Einzelfalländerungen den §§ 179 ff. AktG unterstehen,128 bedeutet dies, dass auch Einzelfallabweichungen durch eine qualifizierte Mehrheit legitimiert werden sollen. Gilt der Satzungsvorbehalt also auch für Einzelfallabweichungen – Gegenteiliges wäre aufgrund fehlender Anhaltspunkte im Gesetz nachzuweisen – muss eine Beschränkung des Mehrheitserfordernis für die Fälle der Einzelfallabweichung ausscheiden. Allein wenn man noch weiterginge und verträte, dass Einzelfalländerungen nach dem Gesetz abstrakt-generellen Änderungen im Grundsatz zwar nicht nachstünden und deshalb ebenso legitimiert sein müssten, für bestimmte Arten der Einzelfalländerung aber dennoch eine Ausnahme zu machen sei, ließe sich noch zu einem Absehen vom qualifizierten Mehrheitserfordernis gelangen. Dieser Ansatz sähe sich 126 Vgl. auch Hüffer/Koch/Koch, § 23 Rn. 3; GroßKommAktG/Röhricht/Schall, § 23 Rn. 19 ff. 127 GroßKommAktG/Röhricht/Schall, § 23 Rn. 23, 177 ff., 185 ff. Schaffen die Gesellschafter einen korporativen Satzungsbestandteil, indem sie eine grds. indifferente Regelung als solchen regeln, gilt bezüglich dieser Bestimmung dann auch eine Art „gewillkürter Satzungsvorbehalt“. 128 Hüffer/Koch/Koch, § 179 Rn. 8; GroßKommAktG/Wiedemann, § 179 Rn. 44; KölnKommAktG/Zetsche, § 179 Rn. 212 m.w.N.; s. bereits o., IV. 2. c) bb) (1).

114

Kap. 4: Die Zulässigkeit von Satzungsdurchbrechungen

jedoch sofort mit der Abgrenzungsproblematik (welcher Typ Einzelfalländerung?) konfrontiert, die sich bereits als praktisch nicht zufriedenstellend lösbar erwiesen hat.129 Dass das verschärfte Mehrheitserfordernis durch Satzungsregelung abgesenkt werden kann (§ 179 Abs. 2 S. 2 AktG), deutet im Übrigen nicht etwa darauf hin, dass, wenn auch nur in Ausnahmefällen, davon abgewichen werden könnte. Die Vorschrift sagt lediglich aus, dass das Mehrheitserforderniss durch Satzungsregelung grundsätzlich absenkt werden kann. Über Einzelfälle trifft die Norm hingegen keinerlei Aussage. Die Abhängigkeit eines geringeren Mehrheitserfordernisses von dessen ausdrücklicher Einführung spricht eher noch dafür, dass, sofern von dieser Möglichkeit kein Gebrauch gemacht wurde, von einer erleichterten Abänderbarkeit gerade nicht auszugehen ist, das bestehende Mehrheitserfordernis also uneingeschränkt für die gesetzlich vorgesehenen Fälle gelten soll. Zusammenfassend ist festzustellen: § 179 Abs. 2 S. 1 AktG bezweckt, bei wichtigen Entscheidungen eine ausreichende Legitimation zu sichern. „Gesetzesextern“ lässt sich nicht klar ermitteln, wann eine solche Entscheidung gegeben ist. Das ist auch nicht nötig. Das Gesetz selbst gibt Aufschluss darüber, wann der Beschluss eine Tragweite besitzt, die erhöhter Legitimation bedarf, wann eine Entscheidung so bedeutend ist, dass die qualifizierte Mehrheit einzuhalten ist. Eine Auffassung, die postuliert, dass bei Einzelfällen diese Bedeutung grundsätzlich nicht erreicht sei, stünde dem entgegen. Sie hätte zu beweisen, dass Einzelfälle schon im Grundsatz eine geringere Bedeutung besäßen und sie deshalb von § 179 Abs. 2 S. 1 AktG nicht erfasst seien. Dafür bestehen aber keinerlei Anhaltspunkte. Die These, im Grundsatz seien Einzelfalländerungen zwar erfasst, Ausnahmen aber für bestimmte Fälle anzuerkennen, würde hingegen an der Identifikation dieser Ausnahmen scheitern. (b) Indifferente Satzungsbestandteile Damit bleibt zu untersuchen, ob nicht möglicherweise die Abweichung von indifferenten Satzungsbestandteilen hinsichtlich der zu erreichenden Mehrheit privilegiert werden könnte. Dem Änderungsverfahren nach §§ 179 ff. AktG und damit der Mehrheitsanforderung nach § 179 Abs. 2 S. 1 AktG unterliegen nur korporative Satzungsbestandteile.130 Die Klassifizierung als korporativ ist bei den indifferenten Satzungsbestandteilen von der Auslegung der betreffenden Bestimmung abhängig.131 Schon allein aufgrund der Tatsache, dass der Inhalt eines solchen Satzungsbestandteils 129

S. oben, Kapitel 4 § 2 A. IV. 2. c) bb) (1). Hüffer/Koch/Koch, § 23 Rn. 4 f.; GroßKommAktG/Röhricht/Schall, § 23 Rn. 15; Priester, DB 1979, 681, 684 f. 131 GroßKommAktG/Röhricht/Schall, § 23 Rn. 34; Hüffer/Koch/Koch, § 23 Rn. 5; MünchKommAktG/Pentz, § 23 Rn. 41, 43; Grigoleit/Vedder, § 23 Rn. 8; K. Schmidt/Lutter/ Seibt, § 23 Rn. 8 m.w.N. 130

A. Einordnung der Satzungsdurchbrechung in das Beschlussmängelrecht

115

wirksam ohne Weiteres auch außerhalb der Satzung hätte geregelt werden können, stattdessen aber Aufnahme in die Satzungsurkunde gefunden hat, liegt die Annahme einer korporativen Regelung gegenüber einer bloß individuellen Vereinbarung nahe.132 Im Übrigen sprechen Vertrauensinteressen Dritter, die von der Richtigkeit des publizierten Satzungsinhalts ausgehen müssen und von dessen Änderung andernfalls nichts erfahren würden, dafür, von einer korporativen Regelung auszugehen.133 Wurde ein prinzipiell indifferenter Bestandteil in die Satzungsurkunde aufgenommen, besteht daher eine Vermutung zugunsten eines korporativen Satzungsbestandteils, die nur bei Vorliegen eindeutiger Indizien des Gegenteils entkräftet werden kann.134 Gelingt es nicht, diese Vermutung zu widerlegen, ist eine Änderung von der Einhaltung des Satzungsänderungsverfahrens abhängig. Auch bei einer Einzelfalländerung wäre also die erhöhte Mehrheitsanforderung zu respektieren. Zu einer Ausnahme für (bestimmte) Einzelfälle würde man wiederum nur gelangen, wenn diese nicht von der Voraussetzung einer qualifizierten Mehrheit erfasst sein sollten. Doch ist zu erkennen, dass § 179 Abs. 2 S. 1 AktG auch und gerade in Bezug auf im Ursprung indifferente Satzungsbestandteile gilt. Denn haben sich die Aktionäre durch Ausübung ihres Gestaltungswahlrechts positiv für eine korporative Regelung – und damit eine verschärfte Mehrheit – entschieden, wäre es mit dieser Entscheidung inkompatibel, die Einflussnahme auf diese Regelung doch wieder der einfachen Mehrheit anheim zu stellen. Umgekehrt formuliert: Hätten die Aktionäre die Möglichkeit zur Abweichung mit einfacher Mehrheit für Einzelfälle gewollt, hätten sie diese per Öffnungsklausel schaffen oder aber die Bestimmung außerhalb der Satzung treffen können. Liegt keine solche Gestaltung vor, muss man die Entscheidung für eine korporative Bestimmung so verstehen, dass die Aktionäre ein besonderes Bestandsinteresse mit dem Inhalt der Regelung verbinden und sie deshalb keine flexible Abweichung davon ermöglichen wollten. Daraus ergibt sich zugleich, dass es sich bei einer Abweichung nach Vorstellung der Gesellschafter um eine Entscheidung handeln muss, die für sie nicht von untergeordneter Bedeutung ist, sondern die eine entsprechende Legitimation erfordern soll. Ist der Zweck des qualifizierten Mehrheitserfordernisses, Entscheidungen von besonderer Tragweite ihrer Bedeutung entsprechend zu legitimieren und haben die Aktionäre erklärt, dass es sich um eine solche Entscheidung handelt, schließt das die Ausnahme dieser Fälle aufgrund teleologischer Überlegungen aus. Eine Abweichung von im Ursprung indifferenten, korporativen Satzungsbestimmungen hat deshalb die qualifizierte Mehrheit nach § 179 Abs. 2 S. 1 AktG einzuhalten. 132 KölnKommAktG/Zetsche, § 179 Rn. 16, 170, 190; Spindler/Stilz/Holzborn, § 179 Rn. 37. 133 Roth/Altmeppen/Altmeppen, § 53 Rn. 8. 134 Priester, DB 1979, 681, 684; Grigoleit/Vedder, § 23 Rn. 8; GroßKommAktG/Röhricht/ Schall, § 23 Rn. 35; K. Schmidt/Lutter/Seibt, § 23 Rn. 8 m.w.N.; leicht abweichend MünchKommAktG/Pentz, § 23 Rn. 45, nur Indiz.

116

Kap. 4: Die Zulässigkeit von Satzungsdurchbrechungen

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 113 Abs. 1 S. 4 AktG, der diesen Eindruck jedoch vermitteln könnte. Die Vorschrift gestattet, eine als korporativer Satzungsbestandteil ausgestaltete135 Aufsichtsratsvergütung durch „Satzungsänderung […] mit einfacher Mehrheit“ herabzusetzen. Dies ließe sich als Argument dafür interpretieren, dass eine Satzungsänderung in Ausnahmefällen auch mit einfacher Mehrheit zulässig sein könnte. Ein solcher Schluss ginge jedoch fehl. Setzt das Gesetz die für eine Satzungsänderung vorausgesetzten Mehrheit für einen Ausnahmefall ausdrücklich herab, indiziert dies, dass – mangels abweichender, ausdrücklicher Bestimmung im Gesetz – bei einer Satzungsänderung die gesetzlichen Mehrheitsanforderungen einzuhalten sind. Das Gesetz ist sich wohl bewusst, dass eine einfache Mehrheit zur flexibleren Regelung bestimmter Fragen zweckmäßig sein kann und verringert in diesem Fall explizit die Mehrheitsanforderung.136 Dann aber liegt die Annahme nahe, dass in allen übrigen Fällen, in denen eine solche Verringerung nicht erfolgt, die qualifizierte Mehrheit einzuhalten ist. Doch lässt sich der Vorschrift des § 113 Abs. 1 S. 4 AktG Weiteres entnehmen. Denn danach, ob es sich bei der Herabsetzung der Vergütung um einen Einzelfall handelt oder die dauerhafte Änderung der Satzung betroffen ist, unterscheidet das Gesetz nicht.137 Sowohl die Herabsetzung als „punktueller“ Einzelakt, der sich in der Maßnahme erschöpft, als auch eine dauerhafte Herabsetzung werden als Satzungsänderungen begriffen, für die eine Ausnahme statuiert wird. Dies zeigt nicht nur einmal mehr, dass der unanfechtbare Einzelfallbeschluss im Widerspruch zur Satzung dem Gesetz als eigene Kategorie („Satzungsdurchbrechung“) völlig fremd und nicht damit zu vereinbaren ist,138 sondern auch, dass das Gesetz (stattdessen) mit der Satzungsänderung als Institut operiert und dieselben Anforderungen stellt, ganz gleich, ob es sich um eine Änderung für den Einzelfall oder eine dauerhafte Änderung handelt. (3) Ergebnis Es sind keine Anhaltspunkte erkennbar, weshalb § 179 Abs. 2 S. 1 AktG einen zu weiten Anwendungsbereich hätte, der folglich nach seinem „normativen Sinnzusammenhang“139 zweckorientiert auf den intendierten Umfang zurückgedrängt, sprich teleologisch reduziert werden müsste. Vielmehr sprechen neben dem Wortlaut 135 GroßKommAktG/Röhricht/Schall, § 23 Rn. 33; Spindler/Stilz/Spindler, § 113 Rn. 22; MünchKommAktG/Pentz, § 23 Rn. 44 m.w.N. 136 Vgl. auch MünchKommAktG/Habersack, § 23 Rn. 37, durch die Norm solle „eine rasche Anpassung an veränderte Umstände ermöglicht werden“. 137 MünchKommAktG/Habersack, § 23 Rn. 38, die Änderung könne generell für die Zukunft erfolgen, sich aber auch bloß auf einzelne Geschäftsjahre beziehen. 138 S. bereits o., IV. 2. b). Ein künftiger Wegfall der Norm berührt die Validität dieser Argumentation insoweit nicht, als der Gesetzgeber damit schlicht jede Satzungsänderung (!) von der Zustimmung einer qualifizierten Mehrheit abhängig machen will, s. Begr. Reg-E ARUG II, BT-Drs. 19/9739, S. 88. 139 Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 210 f.

A. Einordnung der Satzungsdurchbrechung in das Beschlussmängelrecht

117

der Norm systematische Erwägungen dafür, dass jede Abweichung von der Satzung – auch wenn sie Einzelfälle betrifft – nur unter Einhaltung des qualifizierten Mehrheitserfordernisses zulässig ist. Im Übrigen besteht rechtspraktisch gesehen keine Notwendigkeit, die Mehrheitsanforderung für (bestimmte) Einzelfälle zu verringern. Den Gesellschaftern ist es unbenommen, die zur Satzungsänderung erforderliche Mehrheit zu senken (§ 179 Abs. 2 S. 2 AktG) oder sich Öffnungsklauseln zu bedienen, um auf diese Weise den Interessen einer erleichterten Handhabe Rechnung zu tragen. cc) Registereintragung, § 181 AktG Die Wirksamkeit einer Satzungsänderung ist durch ihre Eintragung im Handelsregister bedingt, § 181 Abs. 3 AktG. Einige Stimmen in der Literatur halten aber gerade diese Eintragung bei satzungsdurchbrechenden Beschlüssen für entbehrlich, wenn und weil eine „punktuelle“ Durchbrechung vorliege, die Wirkung des Beschlusses sich also im Einzelfall erschöpfe.140 Eine methodisch nachvollziehbare Erklärung dieses Befundes sucht man oft vergeblich. Plausibel wäre dieses Ergebnis, wenn teleologische Gründe für eine Reduktion des § 181 AktG in bestimmten Fällen sprächen. Dies soll im Folgenden untersucht werden. Zunächst gilt es, Sinn und Zweck der Registereintragung zu ermitteln. § 181 Abs. 1 AktG möchte den in der Satzung befindlichen Bestimmungen Publizität verleihen.141 Jeder Aktionär soll sich über den geltenden Satzungstext jederzeit informieren können.142 Doch auch potentiellen Gesellschaftern und Gläubigern soll ein Einblick in die Verhältnisse in der AG möglich sein.143 Neben diesen Publizitätszwecken dient das Eintragungserfordernis der Rechtssicherheit, indem es den Änderungsbeschluss der registergerichtlichen Kontrolle unterwirft. Denn im Zuge des Eintragungsverfahrens prüft das Registergericht, ob die Anforderungen an eine wirksame Satzungsänderung erfüllt sind.144 Beschlüsse, für welche das Eintragungserfordernis über diese Zwecke hinausschösse und die deshalb aus dem Anwendungsbereich des § 181 AktG herauszunehmen wären, könnten die als „punktuelle Satzungsdurchbrechung“ bezeichneten Fälle darstellen. Bei näherer Untersuchung des Publizitätsinteresses, dem § 181 AktG dient, sowie des systematischen Zusammenhangs zwischen Eintragungserfordernis und Art des Satzungsbestandteils zeigt sich jedoch, dass auf die Eintragung 140

S. nur Priester, ZHR 151 (1987), 40, 54; s. i.Ü. oben, Kapitel 3 § 1 B. I. 2. Allg. Meinung, Hüffer/Koch/Koch, § 181 Rn. 1; MünchKommAktG/Stein, § 181 Rn. 1; Grigoleit/Ehmann, § 181 Rn. 1; Spindler/Stilz/Holzborn, § 181 Rn. 1. 142 GroßKommAktG/Wiedemann, § 181 Rn. 4. 143 GroßKommAktG/Wiedemann, § 179 Rn. 99; KölnKommAktG/Zetsche, § 179 Rn. 225. 144 Allg. Meinung, s. nur GroßKommAktG/Wiedemann, § 181 Rn. 4; MünchKommAktG/ Stein, § 181 Rn. 1; Spindler/Stilz/Holzborn, § 181 Rn. 1 m.w.N. Der Umfang des Prüfungsrechts ist allerdings im Einzelnen strittig, vgl. KölnKommAktG/Zetsche, § 181 Rn. 107 ff.; K. Schmidt/Lutter/Seibt, § 181 Rn. 22 ff.; MünchKommAktG/Stein, § 181 Rn. 38 f. 141

118

Kap. 4: Die Zulässigkeit von Satzungsdurchbrechungen

genauso wenig verzichtet werden kann wie auf notarielle Beurkundung und qualifizierte Mehrheit. (1) Umfang des Publizitätsinteresses Dass mit dem Eintragungserfordernis Satzungspublizität verfolgt wird, spricht zunächst ganz grundsätzlich dafür, die Erforderlichkeit der Eintragung auch in den Fällen „punktueller“ oder vermeintlich belangloser Abweichungen zu bejahen. Denn eine immanente Einschränkung enthält der Publizitätszweck nicht. Auch eine Analyse der Interessenlage lässt nicht erkennen, dass in (bestimmten) Fällen der Einzelfallabweichung die Eintragung unterbleiben dürfte. Sollen sich nämlich potentielle Gesellschafter über den Zustand innerhalb der Gesellschaft zuverlässig aus dem Inhalt des Handelsregisters informieren können, liefern auch, vielleicht gerade in Einzelfällen von der Satzung abweichende Entscheidungen klare Hinweise über die Verhältnisse in der Gesellschaft. Diese Informationsmöglichkeit Dritten zu nehmen, um eine vereinfachte Beschlussfassung zu ermöglichen, erscheint weder gerechtfertigt noch praktikabel. Denn das Gegenargument, das Register müsse nicht über jede Einzelabweichung informieren,145 bleibt eine bloße Behauptung im Widerspruch zum Gesetzeswortlaut, sofern nicht weitere Argumente aus Systematik oder Normhistorie, wenigstens aber berechtigte entgegenstehende Interessen angeführt würden, um diese Meinung zu stützen. Doch abgesehen von Praktikabilitätserwägungen zugunsten einer erleichterten Beschlussfassung und der These, das Register sei zur Abbildung „historischer Tatsachen“ einfach nicht gedacht,146 bleibt die Begründung dünn. Wollte man darauf abstellen, wie „relevant“ der Beschluss für Dritte ist, um einen am Publizitätsinteresse Dritter ausgerichteten Maßstab zu entwickeln, führte das nicht weiter. Denn im Kern stellt sich damit erneut die gesetzesextern nicht befriedigend zu beantwortende Abgrenzungsfrage zwischen „relevanten“, „bedeutenden“ oder „wichtigen“ und solchen Beschlüssen, die im Einzelfall diese Qualität nicht erreichen. Was für den Einen bei seiner Investitionsentscheidung unbedeutend erscheinen mag, ist für den Anderen signifikantes Indiz. Sofern also keine Anhaltspunkte ersichtlich sind, die eine Einschränkung der Registerpublizität fordern, erscheint es fast bevormundend, jedenfalls aber ungerechtfertigt, Dritten eine Informationsquelle von vornherein zu nehmen. Weitere Unterstützung findet die Annahme, dass auf eine Eintragung auch in Fällen der Einzelfallabweichung nicht verzichtet werden kann, in Überlegungen zum Verhältnis zwischen der Art des Satzungsbestandteils und der Notwendigkeit einer Eintragung. Die entscheidenden Argumente sind der Sache nach bereits im Zusammenhang mit der Frage erörtert worden, ob das Mehrheitserfordernis nach § 179

145

Zöllner, FS Priester, 879, 887. Boesebeck, NJW 1960, 2265, 2267; Priester, ZHR 151 (1987), 40, 53 (jeweils zur GmbH); wie hier GroßKommAktG/Wiedemann, § 179 Rn. 99. 146

A. Einordnung der Satzungsdurchbrechung in das Beschlussmängelrecht

119

Abs. 2 S. 1 AktG zu reduzieren wäre.147 Sie gilt es nun in Bezug auf das Eintragungserfordernis zu entwickeln. (2) Zusammenhang zwischen der Art des Satzungsbestandteils und der Erforderlichkeit einer Eintragung (a) Zwingend korporative Satzungsbestandteile Insofern, als ein sich auf einen Einzelfall beschränkender Beschluss im Widerspruch zu zwingend korporativen Satzungsbestandteilen überhaupt sinnvoll denkbar ist, legen bereits einige Beispiele nahe, dass vom Eintragungserfordernis in diesen Fällen nicht abgesehen werden kann. Abweichungen, die essentielle Fragen wie Firma (§ 4 AktG) oder Sitz (§ 5 AktG), den Anspruch auf Verbriefung (§ 10 Abs. 5 AktG) oder die Zahl der Aufsichtsratsmitglieder (§ 95 Abs. 1 S. 2 AktG) zum Gegenstand haben, müssen aus dem Handelsregister ersichtlich sein – auch wenn sie nur einen Einzelfall betreffen. Eine Einflussnahme auf diese Grundlagen soll aber nicht nur im Register einsehbar, sondern im Interesse der Rechtssicherheit auch von einer registergerichtlichen Kontrolle abhängig sein.148 Denn bei den in Rede stehenden Entscheidungen erscheint ein geordneter Rechtsverkehr ernsthaft gefährdet, würde die registergerichtliche Kontrollfunktion komplett umgangen. Dass aus dem Anwendungsbereich von § 181 AktG Einzelfallabweichungen bezüglich zwingend korporativer Satzungsbestandteile insgesamt nicht entfernt werden können, kann im Übrigen unter Rückgriff auf die Begriffsdefinition dieser Satzungsbestandteile belegt werden. Denn bei korporativen Satzungsbestimmungen handelt es sich um solche, die „nicht nur für die derzeitigen, bei Inkrafttreten der Bestimmung vorhandenen Gesellschafter oder einzelne von ihnen [gelten], sondern für einen unbestimmten Personenkreis, zu dem sowohl gegenwärtige als auch künftige Gesellschafter und/oder Gläubiger der Gesellschaft gehören, von Bedeutung“ sind.149 Sind korporative Satzungsbestandteile somit per definitionem für Dritte relevant, kann es der Publizitätsfunktion von § 181 Abs. 1 AktG nicht entsprechen, Beschlüsse, die auf ihre Geltung Einfluss nehmen, von der Eintragung auszuschließen. (b) Indifferente Satzungsbestandteile Die Relevanz der Publizität für Dritte könnte auch hinsichtlich indifferenter Satzungsbestandteile ein Kriterium für die Möglichkeit des Eintragungsverzichts darstellen. Ob indifferente Satzungsbestandteile für Dritte relevant sind, lässt sich pauschal nicht beantworten. Einerseits müssen sie nicht zu ihrer Wirksamkeit in der 147

S. oben, § 2 A. IV. 2. c) bb). GroßKommAktG/Wiedemann, § 179 Rn. 99, § 181 Rn. 4. 149 BGHZ 123, 347, 350 = NJW 1994, 51, 52 m.w.N. aus der Rechtsprechung; s. bereits BGHZ 116, 359, 364 = NJW 1992, 892, 893; ferner Hölters/Solveen, § 23 Rn. 4; MünchKommAktG/Pentz, § 23 Rn. 40 m.w.N. 148

120

Kap. 4: Die Zulässigkeit von Satzungsdurchbrechungen

Satzung geregelt sein150 und nehmen deshalb nicht unbedingt an der Registerpublizität teil – was gegen eine Drittrelevanz sprechen könnte. Andererseits erscheinen Regelungen zu Wettbewerbsverboten oder zur Gewinnbeteiligung von Vorstandsmitgliedern151 nicht schon im Grundsatz für potentielle Gesellschafter oder Gläubiger irrelevant. Erst recht wird dies gelten, wenn sie Teil einer öffentlich einsehbaren Satzung werden, von deren Zutreffen der Rechtsverkehr ausgehen muss. Die These, von einer Eintragung bei Abweichungen von im Ursprung indifferenten Bestandteilen könne stets bereits wegen fehlender Relevanz für Dritte abgesehen werden, ginge mithin fehl. Und zwar ungeachtet der Tatsache, dass die Eintragung gesetzlich vorgesehen ist und keine Anhaltspunkte dafür zu erkennen sind, dass dieses Eintragungserfordernis bei Satzungsänderungen für einen Einzelfall grundsätzlich keine Geltung beanspruchen soll.152 Wollte man deshalb nur bei bestimmten Einzelfallabweichungen auf deren Eintragung verzichten, müssten diese Fälle klar identifizierbar sein. Die Kategorie der unter Eintragungsverzicht wirksamen Abweichungen wäre weiter einzugrenzen. Doch mangelt es an einem trennscharfen Kriterium, mit dessen Hilfe sich rechtssicher differenzieren ließe.153 § 181 AktG selbst unterscheidet nicht zwischen „publizitätswürdigen“ und „publizitätsunwürdigen“ Beschlüssen. Der Versuch, deshalb „gesetzesextern“ zu beurteilen, welche Abweichungen für Dritte relevant sind, begegnet der Schwierigkeit, dass ein am Publizitätsinteresse orientiertes Kriterium zu unbestimmt ist, Zweifelsfälle treffsicher einzuordnen.154 Im Übrigen würde die Kompetenz zur Entscheidung darüber, was an der Registerpublizität teilnehmen darf, vom Gesetz weg verlagert. Doch Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber diese Entscheidung letztlich einer richterlichen Einschätzung überlassen wollte, fehlen. Insgesamt erscheint damit die Bestimmung der Fälle, in denen ein Eintragungsverzicht zulässig sein könnte, weder rechtssicher umsetzbar noch gesetzlich angelegt. Schließlich spricht die Entscheidung der Aktionäre, einen im Ursprung indifferenten Satzungsbestandteil korporativ geregelt zu haben, dafür, dass auf eine Eintragung auch bei Einzelfallabweichungen nicht verzichtet werden darf. So erscheint zwar ein Hauptversammlungsbeschluss, der eine andere als die satzungsmäßig vorgesehene Person zum Versammlungsleiter bestimmt, für Dritte wenig relevant.155 Auch eine registergerichtliche Kontrolle dieses Beschlusses mag man für entbehrlich halten. Denn in Ermangelung einer Satzungsregelung bestimmt die Hauptversammlung den Versammlungsleiter per Wahl, ohne dass dieser Beschluss einer 150

MünchKommAktG/Stein, § 179 Rn. 12; Spindler/Stilz/Holzborn, § 179 Rn. 37 f. KölnKommAktG/Arnold, § 23 Rn. 18; Priester, DB 1979, 681, 682 f.; vgl. auch Wicke, DNotZ 2006, 419, 436. 152 Dazu bereits oben, Kapitel 4 § 2 A. IV. 2. c) bb) (1). 153 Vgl. oben, Kapitel 4 § 2 A. IV. 2. c) cc) (1). 154 S. oben, Kapitel 4 § 2 A. IV. 2. c) cc). 155 Mit diesem Beispiel KölnKommAktG/Zetsche, § 179 Rn. 227. 151

A. Einordnung der Satzungsdurchbrechung in das Beschlussmängelrecht

121

solchen Kontrolle unterläge.156 Weshalb sollte es ihr dann bei einer entsprechenden Satzungsregelung bedürfen? Die Person des Versammlungsleiters kann durch Satzungsregelung, aber auch durch Bestimmung in einer Geschäftsordnung oder eben durch einfache Wahl erfolgen.157 Haben die Aktionäre eine ausdrückliche Regelung, die – nur so ist der Fall problematisch – selbst keine Abweichungsbefugnis vorsieht, in der Satzung statuiert, muss dies dahingehend gedeutet werden, dass die getroffene Personalentscheidung von erheblicher Bedeutung ist und eben nicht ad-hoc eine andere Person zum Versammlungsleiter bestimmt werden können soll. Die Annahme, die Aktionäre hätten gewissermaßen versehentlich eine starre Regelung eingeführt, ohne sich der daraus ergebenden Konsequenzen bewusst zu sein, ist bloße Unterstellung und bestreitet im Übrigen ihre in der Satzungsgestaltung zum Ausdruck kommende Privatautonomie. Denn diese umfasst die Anerkennung auch solcher Dispositionen, die ungünstig erscheinen mögen. Will man mit der Satzung flexibel umgehen können, so ist dieses Ziel nicht über die Einschränkung von Erfordernissen zu erreichen, die die Aktionäre für anwendbar erklärt haben. Es gilt vielmehr, die Satzung entsprechend zu gestalten. Die einfache Auswechslung des Versammlungsleiters ist im Vorhinein durch entsprechende Regelungen in Satzung (z. B. durch eine Öffnungsklausel) oder Geschäftsordnung zu ermöglichen, nicht nachträglich im Wege der Einführung von Ausnahmen zu § 181 AktG. Die Bestimmung des § 113 Abs. 1 S. 4 AktG weist in dieselbe Richtung. Obwohl die Norm das Mehrheitserfordernis zur Änderung einer korporativen Satzungsregelung reduziert (und damit die Frage aufwirft, ob nicht allgemein eine Verringerung in bestimmten Fällen gerechtfertigt sein könnte),158 hält sie die Eintragung wie selbstverständlich für erforderlich.159 Dabei handelt es sich bei der Höhe der Aufsichtsratsvergütung um einen Regelungsgegenstand, der vor allem interne Wirkung zeitigt, also einen, bei dem eine teleologische Reduktion nach Publizitätsgesichtspunkten noch am ehesten in Betracht kommen könnte. Hat der Gesetzgeber einen solchen Fall aber ausdrücklich und entgegengesetzt geregelt, kann ihm nicht unterstellt werden, ihn nicht bedacht zu haben. Dies aber wäre gerade Voraussetzung für eine teleologischen Reduktion.160 Geht das Gesetz davon aus, dass Abweichungen von im Ursprung indifferenten Satzungsbestandteilen, wenn als korporative Regelung in die Satzung aufgenommen, stets der Registereintragung bedürfen, bleibt wenig Basis für die gegenteilige Annahme. 156 MünchKommAktG/Kubis, § 119 Rn. 111; Hölters/Drinhausen, Anh. § 129 Rn. 2; Spindler/Stilz/Wicke, Anh. § 119 Rn. 3. 157 MünchKommAktG/Kubis, § 119 Rn. 108 f., 111; Spindler/Stilz/Wicke, Anh. § 119 Rn. 3; Hüffer/Koch/Koch, § 129 Rn. 20. 158 S. ausführlich dazu oben Kapitel 4 § 2 A. IV. 2. c) bb). 159 Allg. Meinung, Hüffer/Koch/Koch, § 113 Rn. 6; K. Schmidt/Lutter/Drygala, § 113 Rn. 25; MünchKommAktG/Habersack, § 113 Rn. 37; Semler/v. Schenck/v. Schenck, § 113 Rn. 153 ff. 160 Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 210 ff.

122

Kap. 4: Die Zulässigkeit von Satzungsdurchbrechungen

(3) Ergebnis Die Privilegierung der Satzungsänderung für den Einzelfall durch teleologische Reduktion des Eintragungserfordernisses (§ 181 Abs. 1 AktG) lässt sich nicht überzeugend begründen. Jede Abweichung von Satzungsbestimmungen ist deshalb einzutragen, auch wenn nur ein Einzelfall betroffen ist. Für Abweichungen von zwingend korporativen Satzungsbestandteilen folgt dies bereits aus ihrem Charakter als Bestimmungen, die für Dritte Relevanz besitzen. Die Untersuchung indifferenter Bestandteile ergab, dass auch sie für Dritte nicht etwa grundsätzlich irrelevant sind. Deshalb unter Publizitätsgesichtspunkten stets eine Eintragungsnotwendigkeit zu verneinen, ginge also fehl. Um dennoch auf die Registereintragung verzichten zu können, bedürfte es dann eines trennscharfen Kriteriums, um die „publizitätswürdigen“ von den „publizitätsunwürdigen“ Fällen zu scheiden. Mangels gesetzlicher Aussagen dazu, an welchen Abweichungen konkret kein Publizitätsinteresse bestehen könnte, bleibt nur ein Kriterium, dass das ohne Rückgriff auf das Gesetz operiert. Die damit notwendige Wertungsentscheidung erscheint jedoch kaum rechtssicher vorgenommen werden zu können, falls man diese Frage überhaupt einer externen Beurteilung für zugänglich hält. § 113 Abs. 1 S. 4 AktG belegt demgegenüber, dass der Gesetzgeber eine Eintragung auch bei Abweichungen mit geringer Drittrelevanz für erforderlich erachtet. Zuletzt war zu erkennen, dass ein Eintragungsverzicht der Entscheidung der Aktionäre für eine korporative Regelung zuwiderliefe, die nach § 181 Abs. 3 AktG der Eintragung bedarf, um wirksam zu werden. Auch hinsichtlich im Ursprung indifferenter Satzungsbestandteile kann die Satzungsänderung hinsichtlich des Eintragungserfordernisses mithin nicht privilegiert werden. dd) Sonstige Voraussetzungen Scheidet eine privilegierte Satzungsänderung als Lösungskonzept aus, bleibt zur Herbeiführung einer wirksamen Einzelfallabweichung die Satzungsänderung unter Einhaltung der dafür geltenden Anforderungen (§§ 179 ff. AktG). Für eine solche „normale“ Satzungsänderung sind konsequenterweise alle weiteren Voraussetzungen an eine diesbezüglich ordnungsgemäße Beschlussfassung einzuhalten. Insbesondere bedarf es der Einberufung unter Angabe der geplanten Änderung in der Tagesordnung nach § 124 Abs. 2 S. 3 AktG. Auch etwaige Zustimmungserfordernisse (z. B. § 180 Abs. 1 AktG oder § 101 Abs. 2 AktG) sind zu beachten. d) Ergebnis Der Versuch, die Satzungsdurchbrechung als privilegierte Satzungsänderung zu begreifen, um damit die Zulässigkeit einer erleichterten Möglichkeit zur Abweichung von Satzungsbestimmungen im Einzelfall zu begründen, misslingt. Die

A. Einordnung der Satzungsdurchbrechung in das Beschlussmängelrecht

123

§§ 179 ff. AktG sind auch dann voll anwendbar, wenn in einem Einzelfall von Satzungsbestimmungen abgewichen werden soll. Der gegenteiligen These mangelt es an Substanz. Sie kann nicht belegen, dass die Vorschriften über das Satzungsänderungsverfahren für Einzelfälle überhaupt nicht gelten sollen. Um dagegen lediglich bestimmte Fälle der Einzelfallabweichung aus dem Anwendungsbereich dieser Vorschriften herauszunehmen, sofern überhaupt zulässig, wäre ein zuverlässiges Abgrenzungskriterium nötig. Ein solches Kriterium ließ sich jedoch nicht ermitteln. Demgegenüber sprechen der Wortlaut, systematische Überlegungen zu den Satzungsbestandteilen sowie die Normzwecke der §§ 179 ff. AktG dafür, Einzelfallabweichungen nur unter den gesetzlichen Voraussetzungen einer Satzungsänderung zuzulassen. Für eine Satzungsdurchbrechung als erleichterte Form der Satzungsänderung bliebt damit kein Raum.

V. Folgen für den mangelhaften Beschluss Wie mit dem von der Hauptversammlung gefassten, satzungsverletzenden Beschluss umzugehen ist, ist damit jedoch noch nicht abschließend geklärt. Als Satzungsänderung wäre er zwar unwirksam. Ließe sich aber ein satzungsändernder von einem satzungsverletzenden Beschluss unterscheiden, könnte es Beschlüsse geben, die als anfechtbare Satzungsverletzungen (zumindest vorläufig) wirksam wären. Denn eine Satzungsänderung weicht wie eine Satzungsverletzung i.S.d. § 243 Abs. 1 AktG von der Satzung ab, ist jedoch unwirksam, sofern sie nicht ins Handelsregister eingetragen wird, § 181 Abs. 3 AktG. Ein nach § 243 Abs. 1 AktG anfechtbarer Beschluss ist hingegen wirksam, sofern die Anfechtung nicht erfolgt. Ein bloß anfechtbarer Beschluss entspräche in seiner praktischen Wirkung also dem durch die Satzungsdurchbrechung verfolgten Effekt der wirksamen Einzelfallabweichung. Zu untersuchen ist daher, wie Fälle der Satzungsänderung von Satzungsverletzungen differenziert werden könnten. 1. Differenzierung nach subjektiven Kriterien Zum einen ließe sich eine Abgrenzung nach dem Aktionärswillen versuchen. Danach läge eine missglückte Satzungsänderung vor, wenn die Aktionäre zwar die Satzung ändern wollen, aber beschließen, ohne die Voraussetzungen für eine Satzungsänderung einzuhalten. Ist hingegen festzustellen, dass sie gegen die Satzung verstoßen wollen, handelte es sich um einen anfechtbaren Beschluss.161 Einer solchen Abgrenzung begegnen jedoch Schwierigkeiten. Abgesehen von Beweispro161 So im Grunde der Ansatz Habersacks (ZGR 1994, 354, 368) und der ihm folgenden Stimmen, s. näher oben, Kapitel 3 § 1 B. II. 1.

124

Kap. 4: Die Zulässigkeit von Satzungsdurchbrechungen

blemen, die eine subjektive Abgrenzung gerade in der AG mit sich brächte,162 ergäbe sich die absurde Konsequenz, dass sich rechtswidrig, weil satzungsverletzend, verhaltende Aktionäre einen vorläufig – und mit Ende der Anfechtungsfrist endgültig – wirksamen Beschluss hervorbrächten, der, hätten sie ihn mit Intention zur Satzungsänderung gefasst, unwirksam wäre.163 Es wäre zudem unklar, wie der Fall zu behandeln wäre, in dem die Satzung nicht geändert werden soll, sich die Gesellschafter über einen Verstoß jedoch auch keine Gedanken gemacht haben, z. B. deshalb, weil ihnen der Widerspruch zur Satzung nicht aufgefallen ist. Subjektive Kriterien sind folglich wenig geeignet, eine treffende Abgrenzung zu ermöglichen. 2. Differenzierung nach objektiven Kriterien a) Grundlegendes Kriterium: Reichweite des Beschlussinhalts aa) Explizite Satzungsänderung Es kann somit nur eine objektive, d. h. dem Beschluss selbst zu entnehmende, Abgrenzung vorgenommen werden. Beschließen die Gesellschafter ausdrücklich eine Satzungsänderung (z. B. „§ 13 der Satzung wird wie folgt geändert: …“), ist der Beschluss bei Missachtung der hierzu einzuhaltenden Voraussetzungen unwirksam. Die Auffassung, es handele sich hierbei um eine anfechtbare Satzungsverletzung, erscheint ausgeschlossen.164 bb) Implizite Satzungsänderung Dass es sich um einen Änderungsbeschluss handelt und keine Satzungsverletzung, kann sich auch im Wege der Auslegung ergeben. Besitzt der Beschluss nämlich einen abstrakt-generellen Inhalt (z. B. „Der Aufsichtsrat besteht aus 21 Mitgliedern.“) und widerspricht dieser Inhalt einer korporativen Satzungsbestimmung, liegt dessen Einordnung als Änderungsversuch sehr nahe. Denn korporative Regelungen können kraft ihrer Natur nur per Satzungsänderung geändert werden – und was, abseits einer unzutreffenden Meinungsbekundung, sollte sonst Gegenstand des Beschlusses sein? Freilich lässt sich bereits die Einordnung dieser Konstellation als „Satzungsdurchbrechung“ negieren, da bei einer abstrakt-generellen Dauerregelung kaum von einer Einzelfallabweichung gesprochen werden kann.165 Diese Perspektive bestätigt jedoch lediglich, dass derartige Beschlüsse unwirksam sein müssen und nicht an162

Hüffer/Koch/Koch, § 179 Rn. 8. MünchKommAktG/Stein, § 179 Rn. 42; Leuschner, ZHR 180 (2016), 422, 434 f., s. dazu bereits oben, Kapitel 3 § 1 B. II. 1. 164 Vgl. KölnKommAktG/Zetsche, § 179 Rn. 233; Zöllner, FS Priester, 879, 884. 165 Vgl. KölnKommAktG/Zetsche, ebd.; KölnKommAktG/Noack/Zetsche, § 243 Rn. 179; Zöllner, FS Priester, 879, 882, 884. 163

A. Einordnung der Satzungsdurchbrechung in das Beschlussmängelrecht

125

fechtbar. Will der Beschluss in der Sache Einfluss auf den abstrakt-generellen Satzungsinhalt nehmen, so liegt – unabhängig von der konkreten Formulierung – eine unwirksame Satzungsänderung vor.166 b) Fälle der impliziten Einzelfallabweichung Nach allem stellt sich die eingangs aufgeworfene Abgrenzungsfrage nur für Beschlüsse, die, ohne sich selbst als Satzungsänderung auszuweisen, die Regelung von Einzelfällen zum Gegenstand haben. Hinsichtlich solcher „Einzelfallbeschlüsse“ scheint auf den ersten Blick einiges für deren bloße Anfechtbarkeit zu sprechen. Zunächst will das Gesetz in § 243 Abs. 1 AktG unzweideutig die Satzungsverletzung mit Anfechtbarkeit sanktionieren und gerade nicht mit Unwirksamkeit. Aber auch wertungsmäßig wirkt die Anfechtbarkeit auf den ersten Blick gerechtfertigt. Legt beispielsweise die Satzung die Amtszeit der Aufsichtsratsmitglieder (§ 102 AktG) auf zwei Jahre fest, beschließt die Hauptversammlung aber die Bestellung eines einzelnen Mitglieds für drei Jahre, verletzt ein solcher Beschluss die entgegenstehende Satzungsregelung. Nach Ablauf der Anfechtungsfrist wäre die satzungswidrige Bestellung wirksam. Interessen Dritter sind in diesem Zusammenhang nicht unmittelbar betroffen, handelt es sich doch um eine einmalige Maßnahme für einen Einzelfall. Weshalb sollte diese Aufsichtsratsbestellung – wo ihr doch niemand widerspricht – nicht wirksam sein? Soll aber andererseits der Satzungsvorbehalt, unter dem die Bestimmung der Amtszeit der Aufsichtsratsmitglieder steht,167 nicht in Bedeutungslosigkeit versinken, müsste die Unwirksamkeit des Beschlusses die Folge sein. Denn Anfechtbarkeit anzunehmen bewirkt, dass die Satzung effektiv für den Einzelfall mit dem Inhalt: „Aufsichtsratsmandat grundsätzlich zwei, in diesem Fall ausnahmsweise drei Jahre“ geändert wurde. Ratio legis des § 243 Abs. 1 AktG, der historisch vor allem eine Klarstellung des bereits lange anerkannten Rechts des Gesellschafters auf satzungskonforme Beschlussfassung darstellt,168 ist aber nicht, die Satzungsvorbehalte auszuschalten und auf diese Weise effektive Satzungsänderungen ohne Beachtung der hierfür geltenden gesetzlichen Vorschriften zu ermöglichen. So erscheint es zudem systemwidrig, dass durch mehrfache Abweichungen, freilich stets im Gewand des Einzelfalls, die Bestimmung sich effektiv abschaffen ließe. Könnten die Aktionäre die betroffene Satzungsregelung mit einfachem Beschluss stets außer Kraft setzen, würde sie zur leeren Hülle, die die Verhältnisse der Gesellschaft kaum mehr beeinflusst. Das erscheint aber nicht mit dem Grundkonzept 166 Insoweit zutreffend daher KölnKommAktG/Noack/Zetsche, § 243 Rn. 179; Zöllner, FS Priester, 879, 882; vgl. auch Noack, Gesellschaftervereinbarungen, S. 140 f. 167 K. Schmidt/Lutter/Drygala, § 102 Rn. 7; KölnKommAktG/Mertens/Cahn, § 102 Rn. 7 f.; Spindler/Stilz/Spindler, § 102 Rn. 10 m.w.N. 168 S. bereits ROHGE 23, 273, 275; Knobbe-Keuk, FS Ballerstedt, 239, 246 ff.; MünchKommAktG/Hüffer/Schäfer, § 243 Rn. 7.

126

Kap. 4: Die Zulässigkeit von Satzungsdurchbrechungen

der Satzung als „Verfassung der Gesellschaft“ vereinbar, über die nicht per einfachem Gesellschafterbeschluss disponiert werden kann.169 Dennoch bewertet das Gesetz den Satzungsverstoß, wie gesehen, als einen grundsätzlich die Anfechtbarkeit begründenden Mangel (§ 243 Abs. 1 AktG). Kern der Problematik liegt mithin in der Frage, ob dieser Wertung Vorrang eingeräumt werden muss gegenüber der konfligierenden Erkenntnis, dass nicht jeder satzungsverletzende Beschluss mangels Anfechtung in Wirksamkeit erwachsen kann. Im Rahmen einer Untersuchung des Normzwecks von § 243 Abs. 1 AktG lässt sich dieses Verhältnis ergründen. Sprächen dieser und die hiermit verfolgten Interessen dafür, bestimmte Fallgestaltungen aus dem Anwendungsbereich der Vorschrift herauszunehmen, setzt sich die Unwirksamkeitsthese durch. Scheitert der Versuch einer solchen Begründung, muss Anfechtbarkeit die Rechtsfolge sein. Erste Hürde dieser Analyse ist die Einteilung der möglichen Fallgestaltungen. Abstrakt zu überprüfen, ob eine teleologische Reduktion bei jeglicher Einzelfallregelung zu bejahen wäre, führt mangels Differenzierung nicht zum Ziel und wäre im Übrigen zu verneinen.170 Es braucht also ein Kriterium, anhand dessen Fälle danach unterschieden werden können, ob eine Einschränkung geboten, ein satzungsverletzender Beschluss also nicht bloß als anfechtbar, sondern als unwirksam zu klassifizieren sein könnte. Hier kann die Typisierung der Satzungsbestandteile von Nutzen sein. Jeder Satzungsbestandteil ist entweder als korporativ, individuell oder als grundsätzlich indifferent zu qualifizieren. Diese Einteilung hat, wie gesehen, grundsätzliche Bedeutung für die Frage, ob für die Einflussnahme auf eine Bestimmung die Vorschriften über die Satzungsänderung einzuhalten sind.171 Auch im vorliegenden Zusammenhang hilft sie, die grundlegenden Demarkationslinien aufzuzeigen. aa) Abweichungen von zwingend individuellen Satzungsbestandteilen Klar liegt es zunächst bei zwingend nicht-korporativen Satzungsbestandteilen. Da sie nicht Teil der Satzung i.S.d. §§ 179 ff. AktG oder der §§ 241 ff. AktG sind,172 stellt sich die Problematik nicht. bb) Abweichungen von zwingend korporativen Satzungsbestandteilen Deutlich schwieriger gestaltet sich der Versuch, eine umfassende Aussage hinsichtlich solcher Beschlüsse zu treffen, die (im Einzelfall) gegen notwendige, 169

Vgl. K. Schmidt/Lutter/Seibt, § 23 Rn. 2. Dass eine globale teleologische Reduktion von § 243 Abs. 1 AktG für jegliche Satzungsdurchbrechungen nicht zu begründen ist, wurde bereits gezeigt, s. oben Kapitel 4 § 2 A. IV. 2. a). 171 S. oben, Kapitel 2 B. II. 172 Hüffer/Koch/Koch, § 23 Rn. 4; MünchKommAktG/Pentz, § 23 Rn. 41 m.w.N. 170

A. Einordnung der Satzungsdurchbrechung in das Beschlussmängelrecht

127

zwingend korporative Satzungsbestanteile (vor allem § 23 Abs. 3 und 4 AktG) oder gegen sonstige zwingend korporative Satzungsbestandteile (wie Abweichungen vom Gesetz i.S.d. § 23 Abs. 5 S. 1 AktG) verstoßen. So betrifft der Beschluss, für einen Einzelfall vom Unternehmensgegenstand (§ 23 III Nr. 2 AktG) abzuweichen, einen notwendig zwingend korporativen Satzungsbestandteil und eine absolute, vielleicht die bedeutendste Grundlage der Gesellschaft. Die Unwirksamkeit, die sich in einem solchen Fall prinzipiell ergeben müsste, liegt darin begründet, dass Beschlüsse, die gegen korporative Satzungsbestandteile verstoßen, eigentlich nur unter einer vollen Einzelfallsatzungsänderung wirksam sein können. Denn jeder Beschluss, der nach seinem objektiven Inhalt der Satzung zuwiderläuft, bewirkt, wie bereits im Zusammenhang mit der Bestimmung eines verlängerten Aufsichtsratsmandats veranschaulicht, effektiv nichts Anderes als eine Satzungsänderung für einen Einzelfall.173 Inhalt des Beschlusses wäre, explizit ausformuliert: „Für den vorliegenden Einzelfall wird der Unternehmensgegenstand auf X erstreckt.“ Mangels Erfüllung der Anforderungen an eine Satzungsänderung müsste er folglich jedenfalls wegen § 181 Abs. 3 AktG unwirksam sein. Würde man Anfechtbarkeit und damit grundsätzliche Wirksamkeit annehmen, führte das die in den korporativen Bestimmungen zum Ausdruck kommenden Satzungsvorbehalte, integrale Garanten der aktienrechtlichen Formalität, ad absurdum. Jeder Beschlussinhalt könnte durch einfachen Gesellschafterbeschluss Wirksamkeit erlangen, sofern letzterer nicht angefochten wird. Das kann kaum, jedenfalls nicht in diesem Ausmaß, Intention eines Gesetzgebers gewesen sein, der durch die Anfechtbarkeit den Rechtsverkehr vor Rechtsunsicherheit schützen wollte.174 Anfechtbarkeit, in Abweichung zur Position des allgemeinen Verbandsrechts, als prinzipielle Konsequenz von Beschlussmängeln vorzusehen, soll sicherstellen, dass im Interesse sowohl der Funktionsfähigkeit der Gesellschaft selbst als auch des allgemeinen Rechtsverkehrs nach Ablauf der Anfechtungsfrist von der Gültigkeit des Beschlusses ausgegangen werden kann – also kein Damoklesschwert über den Aktivitäten der AG hängt.175 Wäre aber dieser Schutzzweck erreicht, wenn deshalb ein Parallelleben der Gesellschaft außerhalb von Satzung und Handelsregister ermöglicht werden würde? Im Übrigen geht der Verweis auf den Schutzzweck der Anfechtbarkeit am eigentlichen Problem vorbei. Im genannten Beispiel des Verstoßes gegen den Un173

S. oben Kapitel 4 § 2 A. V 2. b). Der Versuch, den Beschlussinhalt in die Bestellung als Aufsichtsrat und die Verlängerung der statutarischen Mandatsdauer aufzuspalten, hilft insoweit nicht weiter, da damit nicht geklärt ist, ob die Verlängerung nun wirksam ist oder nicht (mit ähnlichen Vorschlägen aber Leuschner, ZHR 180 (2016), 422, 436 ff.). Im Übrigen würde bei Annahme einer Unwirksamkeit eines Beschlussteils in diesen Fällen regelmäßig nach dem Gedanken des § 139 BGB insgesamt von der Unwirksamkeit des Beschlusses auszugehen sein, Spindler/Stilz/Drescher, § 243 Rn. 14. 174 MünchKommAktG/Hüffer/Schäfer, § 243 Rn. 5. 175 Unstreitig, s. nur GroßKommAktG/K. Schmidt, Rn. 1; Hüffer/Koch/Koch § 243 Rn. 1; MünchKommAktG/Hüffer/Schäfer, § 243 Rn. 5 m.w.N.

128

Kap. 4: Die Zulässigkeit von Satzungsdurchbrechungen

ternehmensgegenstand eine anfechtbare Satzungsdurchbrechung anzunehmen,176 mag der Rechtssicherheit dienen. Eine Geschäftsführungsmaßnahme des Vorstands wird legitimiert, man kann zur Tagesordnung übergehen. Doch erklärt diese eher praxisbezogene Erwägung nicht, weshalb – eingedenk der Erfassung von Einzelfallabweichungen durch § 179 ff. AktG – nun doch keine Relevanz für Dritte bestehen soll und deshalb von einer Eintragung abgesehen werden kann, der Beschluss nun doch keiner erhöhten Legitimation bedarf, obschon Grundfragen des Gesellschaftslebens betroffen sind. Das Abgrenzungsproblem ist mit dem Verweis auf den Schutzzweck nicht gelöst. Es ist den Befürwortern der Möglichkeit formloser Einzelfallabweichungen zuzugeben, dass manche Fälle nicht so „gravierend“ scheinen, als dass man zu deren endgültiger Wirksamkeit auf einer Satzungsänderung bestehen müsste. Einzig denkbare Alternative, angesichts der Tatsache, dass nicht jede Einzelfallabweichung als bloß anfechtbarer Beschluss möglich sein kann, wäre eine Beurteilung nach den Umständen des Einzelfalls. Jeder Beschluss, gleich welchen Inhalts, wäre darauf zu überprüfen, ob eine Anfechtbarkeit nach teleologischen und systematischen Gesichtspunkten gerechtfertigt erscheint. Der Rechtssicherheit diente ein solches Vorgehen allerdings am wenigsten. Denn bei jedem Beschlussgegenstand wäre zunächst unklar, ob es sich um einen Fall bloßer Anfechtbarkeit oder aber der völligen Unwirksamkeit bei Nichteinhaltung der Satzungsänderungsvoraussetzungen handeln würde. Mit einer klar den Vorgaben des Gesetzes folgenden Lösung, die bei Verstößen gegen korporative Satzungsbestimmungen die Unwirksamkeit des Beschlusses annimmt, ist der Rechtssicherheit am meisten gedient. Zugleich entspricht sie den Formalitätsanforderungen des Aktienrechts und den systematischen Erwägungen, vor allem der Bedeutung von Satzungsvorbehalten, am besten. cc) Abweichungen von indifferenten Satzungsbestandteilen (1) Systemwidrigkeit anfechtbarer Abweichungen Offen ist damit einzig die Behandlung indifferenter Satzungsbestanteile. Auch in Bezug auf diese besteht der Grundkonflikt zwischen der Anordnung des § 243 Abs. 1 AktG, nach der prinzipiell jedweder Satzungsverstoß lediglich die Anfechtbarkeit des Beschlusses begründet, und der Tatsache, dass eine Abweichung von korporativen Bestimmungen nur unter Einhaltung der Satzungsänderungsvoraussetzungen möglich ist. Ein Beispiel stellt die Wahl eines Aufsichtsratsmitglieds unter Verstoß gegen die in der Satzung enthaltenen besonderen persönlichen Voraussetzungen (§ 100 Abs. 4 AktG) dar. Hielte man den Beschluss für anfechtbar, könnten Aktionäre, falls sie mit dem Beschluss nicht einverstanden sind, diesen mit Verweis auf die Satzungsverletzung anfechten und auf diese Weise vernichten (§ 241 Nr. 5 AktG). Im Interesse der durch § 243 Abs. 1 AktG bezweckten Rechtssicherheit wäre 176 So etwa MünchKommAktG/Pentz, § 23 Rn. 86 [Fn. 258]; a.A. Leuschner, ZHR 180 (2016), 422, 438 f.

A. Einordnung der Satzungsdurchbrechung in das Beschlussmängelrecht

129

der Beschluss aber grundsätzlich wirksam. Indes spricht im Falle der indifferenten Satzungsbestandteile auch einiges dafür, Einzelfallbeschlüsse, die gegen solche Bestimmungen verstoßen, für unwirksam zu halten. Denn es handelt sich hierbei um Regelungen, die freiwillig und ausdrücklich in die Satzung aufgenommen wurden. Die Gesellschafter mussten solche Gegenstände grundsätzlich überhaupt nicht regeln und hätten, wenn sie eine Regelung wünschen, diesem Willen auch in Form von Nebenabreden, in einer Geschäftsordnung oder anderweitig wirksam Ausdruck verleihen können. Dann indiziert die Aufnahme in die Satzung aber, dass es sich um korporative Bestandteile handeln soll, auf deren Geltungsanspruch nur im Wege der Satzungsänderung Einfluss genommen werden kann. Dass der Gesetzgeber demgegenüber durch § 243 Abs. 1 AktG gewissermaßen eine „Einzelfallsatzungsänderung durch die Hintertür“ zugunsten solcher Gesellschaften ermöglichen wollte, die von der Option einer Öffnungsklausel oder einer Regelung außerhalb der Satzung keinen Gebrauch gemacht haben, erscheint zweifelhaft. Entgegen dem in der Satzungsregelung zum Ausdruck kommenden Willen der Gesellschafter und trotz der praktischen Möglichkeit, den bezweckten Erfolg rechtssicher zu erzielen, Anfechtbarkeit im Hinblick auf einen Gewinn an Rechtssicherheit anzunehmen, wirkt damit fragwürdig. Im Hinblick auf indifferente Satzungsbestimmungen scheint die Annahme der grundsätzlichen Wirksamkeit von Beschlüssen, die für den Einzelfall Ausnahmen von der Satzungsregelung statuieren wollen, die Privatautonomie der Aktionäre nicht hinreichend zu achten. (2) Vorrang des Anfechtungsrechts nach § 243 Abs. 1 AktG Auch wenn damit gute Gründe bestehen, § 243 Abs. 1 Var. 2 AktG in den Fällen der impliziten Einzelfallabweichung für nicht anwendbar zu halten, kann die Lösung darin letztlich nicht liegen.177 Die Norm erschiene eines zu wesentlichen Anwendungsbereichs beraubt, wenn keiner dieser Fälle je erfasst wäre. Das aber zeigt die Krux, die dieser Problematik eigentlich zugrunde liegt: Weil das Gesetz einerseits in § 243 Abs. 1 Var. 2 AktG die Anfechtbarkeit für Fälle der impliziten Einzelfallabweichung vorsieht, es andererseits diese Fälle aber nicht aus dem Anwendungsbereich der §§ 179 ff. AktG herausnimmt und zudem kein Kriterium bereitstellt, das eine zweifelsfreie Zuordnung ermöglichen würde,178 bleibt unklar, welcher der Vorschriften Vorrang einzuräumen ist. Die Bestimmungen des Gesetzes konfligieren in einer Weise, die keine Abgrenzung zulässt, ohne dass die eine oder die andere Vorschrift nur eingeschränkt zur Anwendung kommt. Schränkt man § 243 Abs. 1 Var. 2 AktG ein, wie es die mit §§ 179 ff. AktG verfolgten Interessen verlangen würden, bliebe der Vorschrift nur ein deutlich verringerter Anwendungsbereich. Dafür, dass andererseits Fälle der impliziten Einzelfallabweichung nicht von §§ 179 ff. AktG erfasst wären, bestehen keine Anhaltspunkte – vielmehr spricht 177

Dies ist aber zwingende Folge der Ansicht, die jede Art der Satzungsdurchbrechung im Aktienrecht den §§ 179 ff. AktG unterwerfen will, vgl. Wachter/Wachter, § 179 Rn. 22. 178 Vgl. Hüffer/Koch/Koch, § 179 Rn. 8, der mit dem Argument fehlender gesetzlicher Anknüpfung die Zulässigkeit einer subjektiven Abgrenzung zu Recht bezweifelt.

130

Kap. 4: Die Zulässigkeit von Satzungsdurchbrechungen

vieles dafür, eine Abweichung nur unter Einhaltung dieser Vorschriften zuzulassen.179 Diese mangelnde Abstimmung von Beschlussmängelrecht und dem Recht der Satzungsänderung macht die Abgrenzung praktisch unmöglich. Letztlich kann daher nur der Gesetzgeber die korrekte Differenzierung endgültig klarstellen. De lege lata empfiehlt sich aber folgender Ansatz. Will man der einen gesetzlichen Wertung zu größter Ausprägung verhelfen, ohne dass die damit in Konflikt stehende zu stark eingeschränkt wird, lässt sich dies anhand einer Abgrenzung auf Grundlage der Art des Satzungsbestandteils erreichen. Denn zwingend korporative Satzungsregelungen zeichnen sich dadurch aus, dass sie die (grundlegende) Organisation der Gesellschaft, sowie die Rechtsbeziehungen unter den Aktionären und zu Dritten betreffen.180 Damit sind sie für gegenwärtige und potentielle Aktionäre sowie für Dritte besonders relevant und zwingend satzungsmäßig zu regeln.181 Das spricht dafür, bei impliziten Einzelfallabweichungen hinsichtlich zwingend korporativer Satzungsbestandteile den §§ 179 ff. AktG den Vorrang einzuräumen.182 Wenn etwas zwingend nur auf Satzungsebene regelbar ist, weil besondere Rechtssicherheit, Legitimation und Publizität erfordernd, und Einzelfälle davon nicht ausgenommen sind, ist dem die Wertung zu entnehmen, dass eine solche Regelung nicht durch einfachen Beschluss wirksam vorgenommen werden kann. Im Hinblick auf indifferente Satzungsbestandteile liegt es anders. Auch wenn sie grundsätzlich Relevanz für Dritte besitzen können und ihre Änderung bei korporativer Regelung auch für Einzelfälle einer qualifizierten Mehrheit bedarf, kann der Umstand, dass sie wirksam auch außerhalb der Satzung regelbar sind, als Indiz dafür verstanden werden, dass hier die Annahme der Anfechtbarkeit nach § 243 Abs. 1 Var. 2 AktG den Zielen des §§ 179 ff. AktG nach gesetzlicher Wertung nicht übermäßig zuwiderläuft. Ein wesentliches Argument gegen die bloße Anfechtbarkeit von Abweichungen von indifferenten Satzungsbestanteilen war, dass dies das Recht der Aktionäre auf privatautonome Gestaltung des Gesellschaftsverhältnisses nicht ausreichend berücksichtigt. Erkennt man in § 243 Abs. 1 Var. 2 AktG aber die Wertung, dass diesen Gestaltungen im Hinblick auf implizite Einzelfallabweichungen weniger Gewicht zukommen soll, ließe sich annehmen, dass die §§ 179 ff. AktG insoweit hinter § 243 Abs. 1 Var. 2 AktG zurücktreten.183 179

Deshalb gegen eine Abweichungsbefugnis ohne Einhaltung der §§ 179 ff. AktG Hüffer/ Koch/Koch, § 179 Rn. 8; s. bereits oben, Kapitel 4 § 2 A. IV. 2. c). 180 K. Schmidt/Lutter/Seibt, § 23 Rn. 5; MünchKommAktG/Pentz, § 23 Rn. 40; Priester, DB 1979, 681 f. 181 BGHZ 116, 359, 364 = NJW 1992, 892, 893; BGHZ 123, 347, 350 = NJW 1994, 51, 52 m.w.N.; MünchKommAktG/Pentz § 23 Rn. 40; Priester DB 1979, 681, 682. 182 Im Ergebnis ebenso Henssler/Strohn/Gummert § 53 GmbHG Rn. 10 für die GmbH. 183 Bei zwingend korporativen Satzungsbestandteilen spielt dies naturgemäß keine Rolle, weil die Aktionäre nicht darüber befinden können, ob eine Regelung satzungsmäßig getroffen wird oder außerhalb der Satzung erfolgt.

B. Gesamtergebnis zur Möglichkeit der Satzungsdurchbrechung in der AG

131

Im Ergebnis ergibt sich folgendes Bild: Implizite Einzelfallabweichungen von zwingend korporativen Satzungsbestandteilen bedürfen stets der Einhaltung der Vorschriften über die Satzungsänderung. Betrifft die Abweichung hingegen im Grundsatz indifferente Bestimmungen, liegt eine anfechtbare Satzungsverletzung vor.184 3. Ergebnis zu der Frage der Anfechtbarkeit des mangelhaften Beschlusses Eine trennscharfe Abgrenzung von satzungsändernden und satzungsverletzenden Beschlüssen ist nach geltendem Recht im Detail höchst problematisch. Soweit von korporativen Satzungsbestandteilen abgewichen wird, war zu sehen, dass explizite Satzungsänderungen und solche, die implizit eine abstrakt-generelle Änderung beinhalten, nach den §§ 179 ff. AktG zu beurteilen und daher unwirksam sind, falls sie nicht die hierzu erforderlichen Voraussetzungen einhalten. Insoweit geht es um eine Auslegungsfrage. Gelangt man jedoch zu dem Schluss, dass eine implizite Einzelfallabweichung vorliegt, die sich also weder als Satzungsänderung für den Einzelfall ausweist, noch implizit auf den abstrakt-generellen Satzungsinhalt Einfluss nehmen will, ist unklar, ob eine anfechtbare Satzungsverletzung oder eine unwirksame Satzungsänderung anzunehmen ist. Das Gesetz selbst beschwört das Problem herauf, indem es die implizite Einzelfallabweichung weder klar aus dem Anwendungsbereich des § 243 Abs. 1 Var. 2 AktG herausnimmt, noch aus dem der §§ 179 ff. AktG. Die in diesen und anderen Bestimmungen zum Ausdruck kommenden gesetzlichen Wertungen erlauben aber, sinnvoll nach der Art des Satzungsbestandteils zu differenzieren. Danach liegt eine anfechtbare Satzungsverletzung vor, wenn eine implizite Einzelfallabweichung von einem im Ursprung indifferenten Satzungsbestandteil beschlossen wird.

B. Gesamtergebnis zur Möglichkeit der Satzungsdurchbrechung in der AG Die bisherige Untersuchung hat gezeigt, dass weder das Konzept einer selbstständigen „Beschlusskategorie“ noch das Verständnis der Satzungsdurchbrechung als privilegierte Satzungsänderung noch der Versuch, sie als einfachen, stets bloß anfechtbaren Beschluss zu begreifen, als Begründungsansätze für die Zulässigkeit einer Satzungsdurchbrechung überzeugen. Satzungsdurchbrechungen, ob „punktuell“ oder „zustandsbegründend“, ob „bedeutende“ oder „belanglose“ Satzungsbestanteile betreffend, sind im Grundsatz unwirksam. Diese Unwirksamkeit folgt aus § 181 Abs. 3 AktG, der nichts anderes als eine Positivierung des Grundsatzes des allgemeinen Beschlussmängelrechts darstellt, nach welchem Beschlüsse, die den 184

Ähnlich Henssler/Strohn/Gummert, § 53 GmbHG Rn. 11 für die GmbH.

132

Kap. 4: Die Zulässigkeit von Satzungsdurchbrechungen

übergeordneten Geltungsanspruch der Satzung verletzen, nicht ohne Weiteres wirksam sein können.185 Durch § 243 Abs. 1 Var. 2 AktG hat der Gesetzgeber diesen Grundsatz jedoch eingeschränkt. Nicht jeder diesen Geltungsanspruch verletzende Beschluss ist unwirksam. Gleichzeitig hat er das Recht zur Satzungsänderung jedoch nicht dieser Modifikation entsprechend angepasst. Der Versuch eines Ausgleichs dieser widerstreitenden Regelungskomplexe ergibt, dass der Effekt der Satzungsdurchbrechung insoweit erreichbar ist, als eine implizite Einzelfallabweichung von im Ursprung indifferenten Satzungsbestandteilen betroffen ist. Vor dem Hintergrund, dass aufgrund anderweitiger Gestaltungsmöglichkeiten keine praktische Notwendigkeit besteht, darüberhinausgehend Satzungsdurchbrechungen anzuerkennen, erscheinen zudem auch keine rechtspraktischen Erwägungen dieser der Rechtssicherheit dienlichen und der Formstrenge angemessenen Lösung entgegenzustehen.

§ 3 Die Zulässigkeit der Satzungsdurchbrechung in der GmbH Die Zulässigkeit der Satzungsdurchbrechung wird im GmbH-Recht vielerseits anders beurteilt als im Aktienrecht.186 Dies mag verwundern, handelt es sich doch in beiden Fällen um Kapitalgesellschaften, die auf den ersten Blick in einem recht ähnlichen Regelungs- und Interessengeflecht stehen.187 Der folgende Abschnitt soll deshalb untersuchen, ob Anhaltspunkte dafür erkennbar sind, dass eine gegenüber dem Aktienrecht abweichende Bewertung gerechtfertigt sein könnte. Bejahendenfalls wäre zu prüfen, in welchen Punkten deshalb der für die AG entwickelte Ansatz im Hinblick auf die besonderen Verhältnisse der GmbH anzupassen ist. Differenzen zwischen GmbH und AG können sich dabei prinzipiell auf zwei Ebenen ergeben. Zum einen sind Unterschiede auf Normebene denkbar, d. h. im Hinblick auf die gesetzlichen Vorschriften, die für die Beurteilung der Satzungsdurchbrechung relevant sind (Beschlussmängelrecht, Vorschriften über die Satzungsänderung). Zum anderen können sich die Gesellschaftstypen auch auf struktureller Ebene unterscheiden. Differieren Konzeption oder Strukturelemente der Gesellschaftsform bezüglich der für die Problematik relevanten Aspekte, ließen sich Vorschriften, wenngleich äußerlich ähnlich, rechtsformspezifisch auslegen.188 Aufgrund auch nicht unmittelbar im Normtext angelegter Unterschiede könnte also eine abweichende Bewertung erforderlich sein. Dies gilt es im Folgenden zu untersuchen.

185 186 187 188

S. oben Kapitel 4 § 1 A. II. 2. Eingehend dazu oben, Kapitel 3 § 1. Baumbach/Hueck/Fastrich, Einl. Rn. 4. UHL/Ulmer, Einl. A Rn. A 27; Scholz/H. P. Westermann, Einl. Rn. 1.

A. Differenzen zwischen GmbH und AG

133

A. Differenzen zwischen GmbH und AG hinsichtlich Struktur und gesetzlicher Regelung I. Regelungsunterschiede Eine von der AG abweichende Behandlung könnte sich aufgrund von konkreten Regelungsunterschieden rechtfertigen. Wichen die für die Bewertung der Zulässigkeit einer Satzungsdurchbrechung relevanten gesetzlichen Regelungskomplexe, Beschlussmängelrecht und die Vorschriften über die Satzungsänderung, erheblich voneinander ab, wäre allein dies ein Grund dafür, die für die AG gefundenen Erkenntnisse im Hinblick auf die GmbH einer Revision zu unterziehen. 1. Beschlussmängelrecht Das Aktiengesetz normiert mit den §§ 241 ff. AktG für die AG ein spezielles Beschlussmängelrecht. Eine entsprechende Regelung für die GmbH fehlt.189 Nach ganz überwiegender, fast allgemeiner Meinung findet das aktienrechtliche Beschlussmängelrecht jedoch auf Gesellschafterbeschlüsse in der GmbH analoge Anwendung, wobei rechtsformspezifische Besonderheiten zu berücksichtigen sind.190 Obgleich einiges gegen die Übertragung der aktienrechtlichen Regelung auf die GmbH spricht,191 ist die herrschende Auffassung zum einen in einem Maße gefestigt, dass die Lösung einer praxisrelevanten Problematik diese zugrunde zu legen hat, will sie nicht bereits im Ansatz am Rechtsleben vorbeigehen. Zum anderen ist diese Ansicht nicht derart unzutreffend, dass sich ihre Anwendung schlichtweg verböte. Die vorliegende Untersuchung folgt daher der h.M., dass die §§ 241 ff. AktG im GmbH-Recht entsprechend anwendbar sind. Finden die Regeln des Aktienrechts somit bis auf geringfügige Variationen, die für die Beurteilung satzungsdurchbrechender Beschlüsse prinzipiell keinen Unterschied machen (z. B. die Länge der Anfechtungsfrist), entsprechende Anwendung, sind insoweit zwischen GmbH und AG keine entscheidenden Differenzen auszumachen.

189

Roth/Altmeppen/Altmeppen, Anh. § 47 Rn. 1; M/H/L/S/Römermann, Anh. § 47 Rn. 1. BGHZ 11, 231, 235 = NJW 1954, 385 f.; BGHZ 51, 209, 210 f. = NJW 1969, 841, 842; BGH NZG 2008, 317, 318; MünchKommGmbHG/Wertenbruch, Anh. § 47 Rn. 1; UHL/Raiser, Anh. § 47 Rn. 3 jeweils m.w.N. 191 Eingehend Fehrenbach, Fehlerhafter Gesellschafterbeschluss, passim; Casper, ZHR 163 (1999), 54, 58, 78 ff.; s. auch M/H/L/S/Römermann, § 47 Rn. 12 ff.; Baumbach/Hueck/ Zöllner/Noack, Anh. nach § 47 Rn. 5 jeweils m.w.N. 190

134

Kap. 4: Die Zulässigkeit von Satzungsdurchbrechungen

2. Vorschriften über die Satzungsänderung Nahezu kein Unterschied besteht zudem zwischen den jeweiligen Vorschriften über die Satzungsänderung. Sowohl im GmbH- als auch im Aktienrecht ist zur Satzungsänderung ein notariell beurkundeter Beschluss erforderlich (§ 53 Abs. 2 S. 1 Hs. 1 GmbHG; § 130 Abs. 1 S. 1 bzw. § 130 Abs. 1 S. 3 i.V.m. § 179 Abs. 2 S. 1 AktG), der mit qualifizierter Mehrheit gefasst (§ 53 Abs. 2 S. 1 Hs. 2 GmbHG; § 179 Abs. 2 S. 1 AktG) und zu seiner Wirksamkeit in das Handelsregister eingetragen (§ 54 Abs. 3 GmbHG; § 181 Abs. 3 AktG) werden muss. 3. Ergebnisse Signifikante Regelungsunterschiede zwischen AG und GmbH, die nahelegen würden, dass die Figur der Satzungsdurchbrechung abweichend zu beurteilen wäre, sind nicht erkennbar. Im Gegenteil, die relevanten Regelungskomplexe erweisen sich als nahezu identisch.

II. Konzeptionelle Unterschiede und Gemeinsamkeiten 1. Körperschaftliche Struktur Die GmbH als „kleine Kapitalgesellschaft“ richtet sich nach der gesetzgeberischen Vorstellung an kleinere und mittlere Unternehmungen, die einen überschaubaren Gesellschafterkreis besitzen.192 Die Praxis folgt dem jedoch oft nicht, sodass gerade „personalistischere“ Familiengesellschaften in der Rechtsform der AG betrieben werden, während an der Spitze von Großunternehmen eine GmbH stehen kann.193 Schon dies darf als Indiz dafür gelten, dass im Hinblick auf die speziell körperschaftlichen Strukturen Unterschiede zwischen AG und GmbH eher unerheblich sind. Strukturell ist die GmbH, wie die AG, Körperschaft und juristische Person (vgl. § 13 Abs. 1 GmbHG; § 1 Abs. 1 AktG).194 Mitglieder und Verband sind getrennt, das Gesellschaftsvermögen ist von den Gesellschaftern verselbstständigt (vgl. § 13 Abs. 2 GmbHG; § 1 Abs. 2 AktG).195 Die Mehrheit herrscht, auch bezüglich Änderungen der satzungsmäßigen Grundlagen der Gesellschaft (§§ 47 Abs. 1 GmbHG, 53 Abs. 2 S. 1 Hs. 2 GmbHG; §§ 133 Abs. 1, 179 Abs. 2 S. 1 AktG).196 Drittorganschaft ist zulässig (§ 6 Abs. 3 S. 1 GmbHG; vgl. §§ 76 Abs. 2 u. 3, 84 Abs. 1 AktG).197 Viele der den Strukturtypus dieser Gesellschaften bestim192 193 194 195 196 197

Scholz/H. P. Westermann, Einl. Rn. 2. Scholz/H. P. Westermann, Einl. Rn. 2, 31. Roth/Altmeppen/Altmeppen, § 13 Rn. 2; MünchKommGmbHG/Fleischer, Einl. Rn. 5. Baumbach/Hueck/Fastrich, § 13 Rn. 5; Wiedemann, GesR I § 4 I 2 b), S. 198 f. Scholz/H. P. Westermann, Einl. Rn. 14; UHL/Hüffer/Schürnbrand, § 47 Rn. 1. Roth/Altmeppen/Altmeppen, § 6 Rn. 2.

A. Differenzen zwischen GmbH und AG

135

menden Merkmale stimmen bei GmbH und AG also überein.198 Aus diesen sich überwiegend aus der Rechtsnatur ergebenden Charakteristika lassen sich keine Anhaltspunkte dafür erkennen, dass die Rechtslage in der GmbH von vornherein abweichend von der AG zu beurteilen wäre. Die gesetzlich eingeräumte Möglichkeit, sie ähnlich einem personalistischen Verband auszugestalten, darf nicht zu der Annahme verleiten, die GmbH sei nichts weiter als eine Personengesellschaft, die für den Rechtsmarkt lediglich mit einer Haftungsbeschränkung versehen wurde.199 Sie stellt vielmehr eine „echte“ Körperschaft dar, die in ihren für die Frage der Zulässigkeit der Satzungsdurchbrechung relevanten körperschaftlichen Strukturen (von den Gesellschaftern gelöste Verbandsverfassung, Satzungsvorbehalte, höhere Publizitätsanforderungen) der AG stark ähnelt.

2. Satzungsautonomie Ein grundlegender konzeptioneller Unterschied liegt hingegen in der weitgehenden Gestaltungsfreiheit hinsichtlich des Satzungsinhalts, die das GmbH-Recht (vgl. § 45 GmbHG) im Gegensatz zum Aktienrecht (vgl. § 23 Abs. 5 AktG) ermöglicht. Doch ist zweifelhaft, ob deshalb die Zulässigkeit einer Satzungsdurchbrechung grundlegend anders zu beurteilen wäre. Indem das Gesetz größere Satzungsautonomie gewährt, erkennt es eine höhere rechtsgeschäftliche Regelungsbefugnis der Gesellschafter an. Doch bewegt sich die Ausübung auch dieser gestärkten Privatautonomie innerhalb der durch das Gesetz vorgegebenen Grenzen. So besitzen beispielsweise die Gesellschafter einer GmbH zwar die Kompetenz-Kompetenz, können sich also selbst Kompetenzen zuweisen und anderen Organen diese (wieder) nehmen.200 Doch hat dies nicht durch einfachen Beschluss, sondern im Wege der Satzungsänderung zu geschehen.201 Ein hohes Maß an freier Gestaltbarkeit der Rechtsverhältnisse geht also nicht mit der Befugnis einher, diese Gestaltungen mit einfacher Mehrheit treffen zu können. Vielmehr gilt für zwingend korporative Satzungsbestimmungen ein Satzungsvorbehalt, wie im Aktienrecht.202 Eine unmittelbare Antwort auf die Frage, ob und inwieweit für den Fall der impliziten Einzelfallabweichung die Vorschriften über die Satzungsänderung bei der GmbH zurückstehen müssten, ergibt sich aus der größeren Satzungsautonomie mithin nicht. Es ist zwar nicht zu verkennen, dass das GmbH-Recht der Verwirklichung der Privatautonomie der Gesellschafter im Grundsatz weitaus offener gegenübersteht als 198

UHL/Ulmer, Einl. A Rn. A 48, vgl. auch a.a.O. Rn. A 17 ff.; Baumbach/Hueck/Fastrich, Einl. Rn. 4; vgl. MünchKommGmbHG/Fleischer, Einl. Rn. 5 ff. 199 Vgl. Scholz/H. P. Westermann, Einl. Rn. 20. 200 MünchKommGmbHG/Liebscher, § 45 Rn. 81; Wicke, § 45 Rn. 2. 201 Roth/Altmeppen/Altmeppen, § 45 Rn. 5; M/H/L/S/Römermann, § 45 Rn. 25, § 46 Rn. 5 ff., 8. 202 MünchKommGmbHG/Wicke, § 3 Rn. 116 f.

136

Kap. 4: Die Zulässigkeit von Satzungsdurchbrechungen

das Aktienrecht. Mehr als ein Abwägungsfaktor bei der Beurteilung wertungsabhängiger Fragen, die nicht bereits anderweitig determiniert sind, kann sich daraus jedoch nicht ergeben. 3. Organisationsverfassung Eine weitere grundlegende Differenz hält die Organisationsverfassung der GmbH bereit. Im Unterschied zur Hauptversammlung der AG ist die Gesellschafterversammlung oberstes Organ und „Herrin der Gesellschaft“.203 Dies äußert sich unter anderem in ihrer Weisungsbefugnis gegenüber der Geschäftsführung (vgl. §§ 37 Abs. 1, 46 Nr. 6 GmbHG).204 Das Gesetz sieht in ihr das „Grundlagenorgan“205 und erkennt damit letztlich den (Mehrheits-)Willen der Gesellschafter als Zentrum und Quelle des gesellschaftlichen Lebens an. Eine unmittelbare Folge für die Frage der Zulässigkeit der Satzungsdurchbrechung, z. B. dass deshalb der Anwendungsbereich von §§ 53 f. GmbHG einzuschränken wäre, folgt aus dieser strukturellen Entscheidung hingegen wiederum nicht. Die These, dass dem Gesellschafterwillen in der Konzeption der GmbH größerer Stellenwert zukomme, mag sich bestärkt sehen. Über eine bloß indizielle Bedeutung hebt aber auch dieser Aspekt die Privatautonomie nicht hinaus, denn die Gesellschafterversammlung herrscht in den vom Gesetz vorgegebenen Grenzen. Ob und welche Konsequenzen dies dennoch für das Vorrangverhältnis von Anfechtungsregeln und Satzungsänderung haben könnte, muss eine Untersuchung selbiger Vorschriften zeigen. 4. Ergebnisse Zwischen AG und GmbH bestehen zwar in mancherlei Hinsicht erhebliche konzeptionelle Unterschiede. In Bezug auf ihre körperschaftliche Struktur und die sich daraus ergebenden, für die Beurteilung der Zulässigkeit der Satzungsdurchbrechung relevanten Merkmale ähneln sich die beiden Rechtsformen jedoch immens. Die Gestaltung der Rechtsverhältnisse nach dem Gesellschafterwillen erkennt das GmbH-Recht verglichen mit dem Aktienrecht hingegen aus seiner Konzeption heraus in höherem Maße an. Für die Satzungsdurchbrechung ergeben sich daraus jedoch keine unmittelbaren Konsequenzen. Sofern überhaupt maßgeblich, könnte die größere Bereitschaft im Recht der GmbH, privatautonome Gestaltungen anzuerkennen, bei der Auslegung von Vorschriften und in Abwägungsfragen Bedeutung erlangen.206

203 204 205 206

Scholz/K. Schmidt, § 45 Rn. 5 Roth/Altmeppen/Altmeppen, § 37 Rn. 3 ff. UHL/Hüffer/Schürnbrand, § 45 Rn. 7. Vgl. UHL/Ulmer, Einl. A Rn. A 27; Scholz/H. P. Westermann, Einl. Rn. 1.

B. Bedeutung dieser Differenzen

137

B. Bedeutung dieser Differenzen für die Zulässigkeit der Satzungsdurchbrechung in der GmbH Zu untersuchen ist, an welcher Stelle dies bei der Bewertung der Zulässigkeit der Satzungsdurchbrechung im GmbH-Recht eine Rolle spielen könnte.

I. Auswirkungen im Hinblick auf eine privilegierte Satzungsänderung 1. Notarielle Beurkundung, § 53 Abs. 2 S. 1 Hs. 1 GmbHG Das Gesetz fordert bei satzungsändernden Beschlüssen die notarielle Beurkundung, damit in für die Verfassung der Gesellschaft relevanten Fragen ein hohes Maß an Rechtssicherheit garantiert ist.207 Wann solche Fragen betroffen sind, so wurde für die AG festgestellt, legen entweder das Gesetz selbst oder aber die Gesellschafter durch korporative Regelung im Ursprung indifferenter Bestandteile fest.208 Nichts anderes gilt für die GmbH. Auch hier gibt es zwingend korporative Satzungsbestandteile, die zu ihrer Wirksamkeit einer Satzungsregelung bedürfen, sowie indifferente Regelungen, für die ein Gestaltungswahlrecht der Gesellschafter besteht.209 a) Zwingend korporative Satzungsbestandteile Insoweit als das Gesetz selbst einen Satzungsvorbehalt anordnet, kann auch bei besonderer Berücksichtigung der erhöhten privatautonomen Gestaltungsfreiheit in der GmbH keine Ausnahme vom Beurkundungserfordernis gewährt werden. Das GmbH-Gesetz verlangt, jeden satzungsändernden Beschluss zu beurkunden, § 53 Abs. 2 S. 1 Hs. 1 GmbHG. Für die Annahme, dass Einzelfalländerungen nicht erfasst sein sollten, bestehen, wie im Aktienrecht, keine Anhaltspunkte.210 Und selbst wenn bestimmte Fälle der Einzelfallabweichung einer Beurkundung nicht bedürfen sollten, ist kein Kriterium erkennbar, dass die trennscharfe und damit rechtssichere Abgrenzung zwischen beurkundungsbedürftigen und nicht-beurkundungsbedürftigen Beschlüssen erlauben würde. Mit Fragen der Privatautonomie oder Gestaltungsfreiheit hat all dies nichts zu tun. Soweit das Gesetz den Satzungsvorbehalt anordnet, können sich diese Aspekte nicht auswirken, denn insoweit ist die Gestaltungmöglichkeit den Gesellschaftern gerade entzogen. Für eine Ausnahme vom Beurkundungserfordernis in (bestimmten) Einzelfällen ist im Hinblick auf zwingend korporative Satzungsbestandteile auch im GmbH-Recht daher kein Raum. 207

BGHZ 105, 324, 338 = NJW 1989, 295, 298; M/H/L/S/Hoffmann, § 53 Rn. 2. Roth/Altmeppen/Altmeppen, § 2 Rn. 9, § 3 Rn. 44; Rowedder/Schmidt-Leithoff/ Schnorbus, § 53 Rn. 5; Wicke, DNotZ 2006, 419, 334 ff. 209 MünchKommGmbHG/Wicke, § 3 Rn. 114 ff. 210 MünchKommGmbHG/Harbarth, § 53 Rn. 44 m.w.N. 208

138

Kap. 4: Die Zulässigkeit von Satzungsdurchbrechungen

b) Indifferente Satzungsbestandteile Die Qualifikation eines Satzungsbestandteils als indifferent bedeutet, dass es den Gesellschaftern freisteht, eine Regelung korporativer oder individueller Natur zu treffen. Haben sie sich aber für eine korporative Regelung entschieden, unterwerfen sie deren Abänderung damit den §§ 53 f. GmbHG, d. h. insbesondere dem Erfordernis der notariellen Beurkundung. Dass für Einzelfälle eine Abweichung auch ohne Beachtung von Formalien möglich sein soll, hätten sie beispielsweise durch Einführung einer Öffnungsklausel deutlich machen können. Möchte man die Gestaltungsfreiheit der Rechtsverhältnisse in der GmbH besonders achten, spricht das gerade dafür, die Entscheidung der Gesellschafter für eine korporative Regelung ernst zu nehmen und eine Abweichung nur bei notarieller Beurkundung zuzulassen. Eine vom Aktienrecht abweichende Beurteilung lässt sich mithin nicht rechtfertigen. 2. Mehrheit, § 53 Abs. 2 S. 1 Hs. 2 GmbHG Dieselben Erwägungen treffen auf das Mehrheitserfordernis zu. Ordnet das Gesetz per Satzungsvorbehalt die Einhaltung der qualifizierten Mehrheit an, kann nicht aufgrund der bloß allgemein größeren Freiheit der Gesellschafter zur Ordnung ihrer Rechtsverhältnisse diese Anordnung eingeschränkt werden. Haben die Gesellschafter hingegen selbst durch korporative Regelung der Bestimmung die qualifizierte Mehrheitsanforderung für anwendbar erklärt, liegt es fern, (bestimmte) Einzelfälle wieder davon auszunehmen. 3. Eintragung, § 54 GmbHG Auch hinsichtlich des Eintragungserfordernisses rechtfertigt der höhere Stellenwert privatautonomer Rechtsgestaltung in der GmbH eine vom Aktienrecht abweichende Beurteilung nicht. Die Eintragung erfolgt auch und gerade im Interesse Dritter.211 Darüber hinaus soll durch die registergerichtliche Kontrolle des Änderungsbeschlusses die Rechtssicherheit gesteigert werden.212 Bei der Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Satzungsänderung im Hinblick auf das Eintragungserfordernis privilegiert werden könnte, spielt der Aspekt der Privatautonomie also keine Rolle. Dass sich der Wille von Gesellschaftern im GmbH-Recht grundsätzlich eher durchsetzen kann als im Aktienrecht, hat keinen Einfluss auf die Frage, inwieweit Dritte über Satzungsabweichungen informiert werden müssen oder der Beschluss der registergerichtlichen Kontrolle unterliegen soll.

211 Rowedder/Schmidt-Leithoff/Schnorbus, § 54 Rn. 1; vgl. MünchKommGmbHG/Harbarth, § 53 Rn. 49; Wicke, § 54 Rn. 1; Heckschen, NZG 2019, 1281, 1284. 212 M/H/L/S/Hoffmann, § 54 Rn. 2; Scholz/Priester, § 54 Rn. 1.

B. Bedeutung dieser Differenzen

139

4. Ergebnis Die konzeptionellen Unterschiede rechtfertigen nicht, im Unterschied zum Aktienrecht bei der GmbH von der Möglichkeit auszugehen, in bestimmten Einzelfällen sei die Satzungsänderung hinsichtlich ihrer Voraussetzungen zu privilegieren. Über die Konstruktion einer privilegierten Satzungsänderung für den Einzelfall kann mithin auch im GmbH-Recht nicht die Befugnis der einfachen Gesellschaftermehrheit zur formlos wirksamen Abweichung von Satzungsbestimmungen in (bestimmten) Einzelfällen begründet werden.

II. Auswirkungen im Hinblick auf die beschlussmängelrechtliche Behandlung der Abweichung Für das Aktienrecht war die Frage aufgeworfen worden, ob die Wirkung einer Satzungsdurchbrechung – wenn schon nicht im Wege einer privilegierten Einzelfallabweichung – durch die Annahme eines einfachen, anfechtbaren Beschlusses erreichbar wäre.213 Es hatte sich gezeigt, dass sich die Frage von vornherein nur für Fälle der impliziten Einzelfallabweichung stellt, d. h. bei Beschlüssen, die einerseits gegen Satzungsvorgaben verstoßen, andererseits aber nicht die Satzung (ausdrücklich) für einen Einzelfall ändern. Die weitere Untersuchung hatte sodann die Erkenntnis gebracht, dass für Abweichungen von zwingend korporativen Satzungsbestandteilen stets die §§ 179 ff. AktG einzuhalten sind. Soll hingegen von indifferenten Bestanteilen abgewichen werden, genügt ausnahmsweise ein einfacher Gesellschafterbeschluss, der aber der Anfechtung (§ 243 Abs. 1 Var. 2 AktG) unterliegt. Für die GmbH ist nun zu untersuchen, ob deren konzeptionelle Unterschiede zur AG ein anderes Ergebnis rechtfertigen. 1. Ausschluss der Anfechtbarkeit bei der Abweichung von zwingend korporativen Satzungsbestandteilen Keine abweichende Behandlung ist im Hinblick auf Einzelfallabweichungen von zwingend korporativen Satzungsbestandteilen angebracht. Wie im Aktienrecht soll eine Einflussnahme auf die Geltung zwingend korporativer Regelungen nach gesetzlicher Vorstellung nur unter Einhaltung der Satzungsänderungsvorschriften (§§ 53 f. GmbHG) erfolgen können. Das Gesetz impliziert damit ein erhöhtes Legitimations-, Publizitäts- und Rechtssicherheitsbedürfnis, dem die §§ 53 f. GmbHG Rechnung tragen. Einzelfälle nimmt es davon nicht aus. Zugleich ist ein satzungsverletzender Beschluss im Grundsatz nach § 243 Abs. 1 Var. 2 AktG analog anfechtbar. Das Vorrangverhältnis zwischen Anfechtungsregeln und Satzungsände213

S. dazu oben, Kapitel 4 § 2 A. V.

140

Kap. 4: Die Zulässigkeit von Satzungsdurchbrechungen

rungsvorschriften ist also im GmbH-Recht ebenso problematisch wie im Aktienrecht. Gesetzliche Anhaltspunkte, die zur Klärung dieses Verhältnisses führen könnten, sucht man auch im GmbHG vergeblich. Es bliebe somit nur die indizielle Wirkung der personalistischeren Konzeption der GmbH, um ein anderes Ergebnis zu begründen. Doch auch damit lässt sich letztlich keine abweichende Bewertung rechtfertigen. Das Zusammenspiel zwischen Satzungsvorbehalt und den §§ 53 f. GmbHG wird in Bezug auf zwingend korporative Satzungsbestandteile einzig durch das Gesetz determiniert und ist einem Einfluss der Gesellschafter nicht zugänglich. Unabhängig davon, wie die Gesellschafter solche Regelungen ausgestalten wollen, ist dazu – mangels anderer Anhaltspunkte auch in Einzelfällen – das Satzungsänderungsverfahren einzuhalten. Der bloße Tendenzen vorgebende höhere Stellenwert privater Gestaltungsmacht in der GmbH ist nicht in der Lage, zumindest nicht ohne weitere konkrete Anhaltspunkte im Gesetz, dieses gesetzlich vorgegebene Verfahren für bestimmte Fälle auszuschließen. Ebenso wenig liegt darin ein Argument, § 243 Abs. 1 Var. 2 AktG analog den Vorrang einzuräumen. Die Norm will nicht etwa die Durchsetzung des Gesellschafterwillens im Sinne einer freien Gestaltungsbefugnis der einfachen Mehrheit begünstigen, sondern im Interesse der Rechtsicherheit für eine erhöhte Bestandskraft auch satzungswidriger Beschlüsse sorgen.214 Die größere Gestaltungsfreiheit in der GmbH kann deshalb bei der Bestimmung ihres Anwendungsbereichs keine Rolle spielen. Um zu begründen, dass § 243 Abs. 1 Var. 2 AktG im Hinblick auf Abweichungen von zwingend korporativen Satzungsbestimmungen nicht gilt, ließe sich im GmbHRecht im Übrigen argumentieren, dass insoweit die für eine Analogie erforderliche planwidrige Regelungslücke fehlt. § 54 Abs. 3 GmbHG regelt danach die Fehlerfolge für Verstöße gegen zwingend korporative Satzungsbestandteile (Unwirksamkeit) und ordnet damit nichts anderes an, als was der Rechtslage nach allgemeinem Beschlussmängelrecht entspräche.215 Im Hinblick auf implizite Einzelfallabweichungen von zwingend korporativen Satzungsbestandteilen liegt es damit nicht anders als in der AG: Zu ihrer Wirksamkeit bedarf es der vollen Einhaltung des Satzungsänderungsverfahrens nach §§ 53 f. GmbHG. 2. Ausschluss der Anfechtbarkeit bei der Abweichung von indifferenten Satzungsbestandteilen Offen ist damit nur noch die Einordnung impliziter Einzelfallabweichungen von im Ursprung indifferenten Bestimmungen. Für die AG hatte sich ergeben, dass, obwohl einiges dafür spricht, die Abweichung von indifferenten Satzungsbestand214 GroßKommAktG/K. Schmidt, § 243 Rn. 1; M/H/L/S/Römermann, Anh. § 47 Rn. 17; U. Huber, FS Coing, 167, 168 f.; vgl. auch KölnKommAktG/Noack/Zetsche, Vor § 241 Rn. 7. 215 S. dazu oben, Kapitel 4 § 1 A.

C. Ergebnis zur Zulässigkeit der Satzungsdurchbrechung im GmbH-Recht

141

teilen ebenfalls nur unter Einhaltung des Satzungsänderungsverfahrens zuzulassen, § 243 Abs. 1 Var. 2 AktG ein zu geringer Anwendungsbereich verbliebe, würde man jeden Fall der Abweichung von Satzungsbestimmungen den §§ 179 ff. AktG unterstellen.216 Umgekehrt, so war zu erkennen, erscheinen indifferente Bestandteile einer formlosen Regelung tendenziell zugänglicher als zwingend korporative, weshalb es – eingedenk des Mangels de lege lata an weiteren Indizien – nicht völlig unangemessen wirkt, bei impliziten Einzelfallabweichungen von einer Anfechtbarkeit des entsprechenden Beschlusses auszugehen. Im GmbH-Recht wird man zum selben Ergebnis kommen müssen. In einer Rechtsform, die der flexiblen Gestaltung der Rechtsverhältnisse deutlich mehr Raum gibt als das Aktienrecht, erscheinen formlose Abweichungen von Bestimmungen, deren Geltung grundsätzlich nicht von der Einhaltung einer Form abhängt, gar weniger bedenklich. Die Abgrenzung führt auch und gerade in der GmbH zu einem zweckmäßigen Kompromiss, der den Anwendungsbereich keiner Vorschrift in vollkommen inakzeptabler Weise beschränkt. Eine in jeder Hinsicht zweifelsfreie Lösung lässt sich auf dem Boden der lex lata nicht entwickeln. 3. Ergebnis In Bezug auf die beschlussmängelrechtliche Behandlung von impliziten Einzelfallabweichungen gilt für die GmbH nichts anderes als für die AG. Während Abweichungen von zwingend korporativen Satzungsbestandteilen stets nur unter den Voraussetzungen der §§ 53 f. GmbHG möglich sind, ist ein Beschluss, der für einen Einzelfall von im Ursprung indifferenten Satzungsbestandteilen abweichen will, anfechtbar.

C. Ergebnis zur Zulässigkeit der Satzungsdurchbrechung im GmbH-Recht Trotz Differenzen im Hinblick auf die Konzeption von GmbH und AG unterscheiden sich die für die Beurteilung der Zulässigkeit von Satzungsdurchbrechungen maßgeblichen Faktoren nicht derart, dass eine andere rechtliche Bewertung gerechtfertigt wäre. Der Versuch, die Zulässigkeit der Satzungsdurchbrechung als Fall einer privilegierten Satzungsänderung für den Einzelfall zu erklären, scheitert auch für das GmbH-Recht. Den Abweichungsbeschluss hingegen stets als einfachen, bloß anfechtbaren Gesellschafterbeschluss zu verstehen, trifft ebenso auf schwerwiegende Bedenken. Vertretbar erscheint es jedoch, bei Einzelfallabweichungen von im Ursprung indifferenten Bestandteilen Anfechtbarkeit anzunehmen.

216

S. oben, Kapitel 4 § 2 A. V. 2. b) cc) (2).

142

Kap. 4: Die Zulässigkeit von Satzungsdurchbrechungen

§ 4 Die Zulässigkeit der Satzungsdurchbrechung im Verein Die Analyse des Meinungsstands zur Satzungsdurchbrechung im Vereinsrecht hat gezeigt, dass zu deren Anwendungsbereich und Voraussetzungen kaum Einigkeit, dafür aber einige Verwirrung besteht.217 Die Rechtsprechung meint, ihre für die GmbH entwickelten Thesen auf den Verein übertragen zu können.218 Der überwiegende Teil der Literatur hingegen erkennt die Möglichkeit einer Satzungsdurchbrechung nicht an.219 Ein schlüssiges Gesamtkonzept sucht man vergebens. Diese disparaten Auffassungen zur Satzungsdurchbrechung stehen in starkem Kontrast zu der Tatsache, dass AG, GmbH und Verein hinsichtlich ihres Gesellschaftstyps (Körperschaft) und der Regelungen zur Satzungsänderung (s. §§ 53, 54 GmbHG, 179 ff. AktG, 33, 71 BGB) sich stark ähneln.220 Ob eine differenzierende Beurteilung der Problematik dennoch gerechtfertigt ist oder ob nicht alle Körperschaften letztlich ähnlichen Grundsätzen folgen und deshalb gleich zu behandeln sind, soll der folgende Abschnitt klären. Dazu erscheint insbesondere eine Verortung der Problematik in das Beschlussmängelrecht des Vereins erforderlich.

A. Einordnung der Satzungsdurchbrechung ins Beschlussmängelrecht des Vereins Wie die Satzungsdurchbrechung als Problematik einzuordnen und zu behandeln ist, hängt in großem Maße davon ab, wie in der jeweiligen Gesellschaftsform mit satzungsverletzenden Beschlüssen umgegangen wird.221 Daher ist zunächst zu untersuchen, welche Folgen ein Satzungsverstoß im Vereinsrecht nach sich zieht.

I. Anwendbarkeit der §§ 241 ff. AktG? Im Gegensatz zum Aktien- und Genossenschaftsrecht (s. §§ 241 ff. AktG, § 51 GenG) sehen die gesetzlichen Vorschriften über den Verein kein spezielles Beschlussmängelrecht vor.222 Fehlerhafte Vereinsbeschlüsse sind daher nach allge-

217

Zum Meinungsstand eingehend oben, Kapitel 3 § 3. OLG Zweibrücken NZG 2013, 1236; OLG Celle, Beschl. v. 28. 08. 2017 – 20 W 18/17, BeckRS 2017, 123497, s. näher oben Kapitel 3 § 3 C. 219 S. nur Soergel/Hadding, § 32 Rn. 14, 37a, eingehend zum Schrifttum oben, Kapitel 3 § 3 B. 220 Vgl. Staudinger2019/Schwennicke, § 21 Rn. 7; Soergel/Hadding, Vor § 21 Rn. 15; Wilhelm, KapGesR Rn. 2, S. 1. 221 S. bereits oben, Kapitel 4 § 2 A. 222 Staudinger2019/Schwennicke, § 32 Rn. 129. 218

A. Einordnung der Satzungsdurchbrechung ins Beschlussmängelrecht des Vereins 143

meinem Beschlussmängelrecht zu behandeln, wenn nicht die analoge Anwendung der entsprechenden aktienrechtlichen Vorschriften geboten ist. 1. Meinungsstand a) Anwendung des allgemeinen Beschlussmängelrechts (h.M.) Die Rechtsprechung lehnt mit der überwiegenden Ansicht in der Literatur eine analoge Anwendung der §§ 241 ff. AktG ab.223 Der Gesetzgeber habe absichtlich von der Einführung einer Anfechtungsklage und damit von der Unterscheidung zwischen Anfechtbarkeit und Nichtigkeit abgesehen, da er aufgrund der „geringen vermögensrechtlichen Bedeutung“224 der Vereine keinen Anlass für eine komplexe Regelung sah.225 Im Übrigen würden sich die Vereine durch ihre Vielgestaltigkeit und der deshalb anders gelagerten rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse von der durch Formstrenge gekennzeichneten, gleichförmigeren AG unterscheiden, weswegen eine entsprechende Anwendung der §§ 241 ff. AktG nicht in Betracht komme.226 b) Anwendung der §§ 241 ff. AktG analog Dem ist entgegengehalten worden, dass die Verhältnisse in AG und Verein nicht so unterschiedlich seien, wie von den Vertretern der h.M. behauptet. Ein gerechtfertigtes Interesse am grundsätzlichen Bestand rechtswidriger Beschlüsse existiere auch beim Verein.227 Jedenfalls sei es inkonsequent, das aktienrechtliche Beschluss223 St. Rspr., BGH NJW 1971, 879, 880 (insoweit bei BGHZ 55, 381 nicht abgedruckt); BGHZ 59, 369, 371 f.; BGH NJW 2008, 69, 72; zuletzt OLG Hamm NJW-RR 2014, 472, 473; s. bereits Oertmann, JW 1925, 237, diese Auffassung als die „in Wissenschaft und Rechtsprechung herrschende“ bezeichnend; Soergel/Hadding, § 32 Rn. 14, 37a; Erman/H. P. Westermann, § 32 Rn. 5; RGRK/Steffen, Rn. 8; B/R/H/P/Schöpflin, § 32 Rn. 29; NK-BGB/Heidel/ Lochner, § 32 Rn. 24; Palandt/Ellenberger, § 32 Rn. 9; Reichert/Wagner, Kap. 2 Rn. 1916 ff.; Stöber/Otto, Rn. 862 f.; MünchHdbGesR-V/Gummert, § 68 Rn. 19; Prior, Fehlerhafte Vereinsbeschlüsse, S. 63 ff., 80; Nitschke, S. 206; im Grundsatz auch Staudinger2005/Weick, § 32 Rn. 26 f., der Nichtigkeit insbesondere bei inhaltlichen Verstößen gegen zwingende gesetzliche oder statutarische Bestimmungen sowie bei Verstößen gegen „wesentliche“ Verfahrensvorschriften annehmen will; differenzierend nach „heilbarer“ und „unheilbarer“ Nichtigkeit Staudinger2019/Schwennicke, § 32 Rn. 135 ff. Den Begriff der Anfechtbarkeit verwendend, in der Sache aber wohl eher der Konzeption der Rechtsprechung folgend, S/S/W/Waldner/WörleHimmel, Rn. 212 ff., 214a ff. 224 BGHZ 59, 369, 371 f. = NJW 1973, 235. 225 Mugdan I, S. 626 f., sich hierauf beziehend BGHZ 59, 369, 371 f. 226 BGH NJW 2008, 69, 72. Nicht weiter führt die a.a.O. als Begründung präsentierte Bemerkung, das Vereinsrecht unterscheide nicht zwischen rechtsgestaltender Beschlussanfechtung und deklaratorischer Feststellung. 227 Richert, NJW 1957, 1543, 1544; K. Schmidt, GesR, § 15 II 3. a); ders., AG 2009, 248, 252 f.; s. auch Koch, Gutachten für den 72. DJT, S. F 73.

144

Kap. 4: Die Zulässigkeit von Satzungsdurchbrechungen

mängelrecht in der GmbH heute bedenkenlos für anwendbar zu betrachten, wo es auch in dieser Rechtsform zu den mannigfaltigsten Gestaltungen kommen könne.228 Ferner halte die h.M. nicht jeden Beschluss für nichtig, sondern gelange infolge vieler Einschränkungen im Detail zu einem Beschlussmängelrecht, das jenem der AG nicht nur ähnele, sondern es an Komplexität noch übertreffe.229 Die angestrebte Rechtsklarheit sei deshalb nicht erreicht.230 Zudem lasse sich die Nichtigkeit von mängelbehafteten Vereinsbeschlüssen allgemein nicht begründen.231 Für eine umfassende Anwendung der §§ 241 ff. AktG ohne Einschränkungen plädieren aber wiederum nur wenige.232 Insgesamt bestehen auch bei jenen, die eine Anwendung der §§ 241 ff. AktG im Vereinsrecht für geboten halten, zahlreiche Uneinigkeiten hinsichtlich des Umfangs der Analogie.233 2. Stellungnahme Den Befürwortern einer Analogie zu den §§ 241 ff. AktG ist zuzugeben, dass ein Mehr an Rechtssicherheit und Rechtsklarheit einen Gewinn darstellt, sowohl für den normtypischen Kleinverein, als auch für Großvereine. Einig sind sich wohl Vertreter beider Grundströmungen hinsichtlich der Tatsache, dass es ein kompliziertes Beschlussmängelrecht gerade im Interesse von Kleinvereinen, die in aller Regel weder auf umfassende Rechtskenntnisse noch auf Rechtsberatung zurückgreifen können, zu vermeiden gilt. Möchte man deshalb hinsichtlich der Anwendbarkeit der §§ 241 ff. AktG differenzieren,234 bräuchte es klare Kriterien, die eine rechtssichere Einordnung erlauben. Ein Beschlussmängelrecht, das nach verschiedenen Arten von Vereinen unterscheidet, brächte jedoch erhebliche Abgrenzungsprobleme mit sich. Wollte man beispielsweise die Mitgliederzahl als Kriterium heranziehen, begegnete dies Be228

K. Schmidt, AG 1977, 243, 249; ders., FS Reuter, 345, 356. Reuter, ZHR 151 (1987), 355, 372; MünchKommBGB/Leuschner, § 32 Rn. 58, zurückgehend auf die dort (Rn. 56 ff.) bereits von Reuter in der 6. Auflage vertretene Meinung; BeckOGK-BGB/Notz, § 32 Rn. 205; Koch, Gutachten für den 72. DJT, S. F 72 f. 230 MünchKommBGB/Leuschner, § 32 Rn. 58; s. auch BeckOGK-BGB/Notz, § 32 Rn. 205. 231 Fluck, Fehlerhafte Vereinsbeschlüsse, S. 23; MünchKommBGB/Leuschner, § 32 Rn. 59; Noack, Fehlerhafte Beschlüsse, S. 33. 232 So z. B. Segna, Vorstandskontrolle, S. 241 f.; dagegen wohl MünchKommBGB6/Reuter, § 32 Rn. 59; s. auch MünchKommBGB/Leuschner, § 32 Rn. 65, „aktienrechtliche Regelung nur […] modifiziert zu übernehmen“; zur Kontroverse hinsichtlich der prozessualen Umsetzung der Anfechtung s. MünchKommHGB/Enzinger, § 119 Rn. 108. 233 S. nur die divergierenden Konzepte von Fluck, Fehlerhafte Vereinsbeschlüsse, S. 65 ff., 73 ff., 85 ff., der im Ergebnis vielfach doch wieder zur Nichtanwendbarkeit der § 241 ff. AktG gelangt, und MünchKommBGB/Leuschner, § 32 Rn. 64 f. 234 Fluck, Fehlerhafte Vereinsbeschlüsse, S. 65 ff., 73 ff., 85 ff.; MünchKommBGB6/Reuter, § 32 Rn. 59. 229

A. Einordnung der Satzungsdurchbrechung ins Beschlussmängelrecht des Vereins 145

denken, da die Festlegung einer bestimmten Zahl willkürlich erscheint. Stattdessen auf die „Annäherung an Kapitalgesellschaften“ oder eine Art Wirtschaftsnähe des Vereins abzustellen,235 führt ebenso nicht weiter, denn: wie sollte dies festzustellen sein – und wo wäre hier wiederum die Grenze? Soll die Ablehnung des Ansatzes der Rechtsprechung also nicht in ein Dickicht an kaum mehr überschaubaren Differenzierungen zwischen anfechtbaren, nichtigen und unwirksamen Beschlüssen führen, die sich wohl dem typischen Vereinsmitglied nicht mehr klar erschließen werden,236 käme im Interesse der angestrebten Rechtssicherheit und Rechtsklarheit nur eine im Umfang klare und damit im Wesentlichen uneingeschränkte Analogie zu den §§ 241 ff. AktG in Betracht. Dies würde die Übernahme der aktienrechtlichen Regelung ins Vereinsrecht bedeuten. Der Gesetzgeber hatte jedoch durchaus Gelegenheit, zuletzt bei der Vereinsrechtsreform 2009,237 ein vereinsspezifisches Beschlussmängelrecht einzuführen. Das Beschlussmängelrecht des Vereins ist seit langem Gegenstand einer kontroversen und noch immer aktuellen rechtswissenschaftlichen Diskussion, die Verfahrensweise der Rechtspraxis entgegen mancher Gegenstimme im Schrifttum wohlbekannt. Deshalb liegt der Schluss nahe, dass sich der Gesetzgeber der Problematik durchaus bewusst ist, die Handhabe der Rechtspraxis ihn aber (bisher) nicht dazu bewogen hat, einzugreifen.238 Unter diesen Umständen noch die – für den Analogieschluss unerlässliche239 – planwidrige Regelungslücke annehmen zu wollen, erscheint haltlos. Demgegenüber ist die Rechtslage infolge der gefestigten Rechtsprechung verhältnismäßig klar. Dass ein satzungswidriger Beschluss prinzipiell nichtig ist, lässt sich mit dem Rangverhältnis zwischen einfachem Beschluss und Satzung plausibel begründen.240 Einer Analogie zu den Vorschriften des Aktienrechts, selbst wenn man sie für methodisch vertretbar hielte, bedarf es mithin nicht. Dagegen eröffnet eine von vorherein vereinsspezifische Entwicklung des Beschlussmängelrechts die Möglichkeit, vereinsspezifischen Interessen unmittelbar Rechnung zu tragen.

235

S. Fluck, Fehlerhafte Vereinsbeschlüsse, S. 73 ff., der danach fragt, ob nicht die §§ 241 ff. AktG entsprechend anzuwenden seien, wenn der Verein materiell einer Kapitalgesellschaft gleichkommt und deshalb eine „Rechtsformverfehlung“ vorliege; ausdrücklich dagegen BGHZ 59, 369, 372 = NJW 1973, 235. 236 Vgl. Fluck, Fehlerhafte Vereinsbeschlüsse, S. 65 ff., 73 ff., 85 ff.; Staudinger2019/ Schwennicke, § 32 Rn. 135 ff., der nach „heilbarer“ und „unheilbarer“ Nichtigkeit differenzieren will; Noack, Fehlerhafte Beschlüsse, S. 49 ff. Der die Entstehung des Vereinsrechts prägende Typus des in seiner vermögensmäßigen Substanz zu vernachlässigenden, eine überschaubare Anzahl von Mitgliedern besitzenden und keine eingehende rechtliche Beratung erfordernden Vereins, ist nicht nur immer noch gesetzliches Leitbild, sondern auch praktische Realität, s. MünchKommBGB/Leuschner, Vor § 21 Rn. 122 ff. 237 Gesetz zur Erleichterung elektronischer Anmeldungen zum Vereinsregister und anderer vereinsrechtlicher Änderungen vom 24. 09. 2009, BGBl. 2009 I S. 3145. 238 So auch BeckOGK-BGB/Notz, § 32 Rn. 205; Morgenroth, ZStV 2014, 180, 181. 239 BVerfGE 118, 212, 243; Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 194 f. 240 Eingehend dazu oben, Kapitel 4 § 1 A.

146

Kap. 4: Die Zulässigkeit von Satzungsdurchbrechungen

II. Ergebnis Die §§ 241 ff. AktG sind im Vereinsrecht nicht anzuwenden. Konsequenz eines satzungsverletzenden Beschlusses ist deshalb grundsätzlich dessen Nichtigkeit gemäß der Regeln des allgemeinen Beschlussmängelrechts.

B. Behandlung der Satzungsdurchbrechung im Vereinsrecht I. Dogmatische Einordnung im Lichte des vereinsrechtlichen Beschlussmängelrechts Wie ein satzungsverletzender Beschluss der Mitgliederversammlung entfaltet auch eine nicht die dafür bestehenden Voraussetzungen (§§ 33, 71 BGB) einhaltende Satzungsänderung keine Wirkung. Beide Beschlüsse sind unwirksam. Somit muss zwischen verschiedenen Rechtsfolgen, die sich im Aktienrecht für satzungsverletzende Beschlüsse (grundsätzlich bloß anfechtbar) und missglückte Satzungsänderungen (immer unwirksam) ergeben, nicht differenziert werden.241 Dies ergibt sich als simple Konsequenz der Geltung des allgemeinen Beschlussmängelrechts. Sowohl satzungsändernder als auch satzungsverletzender Beschluss erlangen keine Wirksamkeit, weil sie die für die Gleichstellung seines Inhalts mit der Satzung erforderlichen Voraussetzungen nicht einhalten, den übergeordneten Geltungsanspruch der Satzung zu negieren versuchen, ohne die hierzu erforderliche Kraft zu besitzen. Für die Satzungsdurchbrechung bedeutet dies, dass sie im Vereinsrecht – abseits des abzulehnenden Kunstgriffs der eigenen Beschlusskategorie242 – nur als privilegierte Satzungsänderung denkbar ist.243 Als Abweichung von der Satzung, ob Satzungsverletzung oder Satzungsänderung, wäre sie immer unwirksam. Zu untersuchen bleibt mithin die Möglichkeit einer Privilegierung im Wege der teleologischen Reduktion der vereinsrechtlichen Vorschriften über die Satzungsänderung.

II. Satzungsdurchbrechung als privilegierte Änderung der Vereinssatzung Die Änderung der Vereinssatzung setzt, sowohl beim rechtsfähigen (§§ 21 f. BGB) als auch beim sog. nicht-rechtsfähigen Verein (§ 54 BGB),244 voraus, dass hierzu eine ordnungsgemäß einberufene Mitgliederversammlung (s. § 32 Abs. 1 S. 2 241

Soergel/Hadding, § 33 Rn. 14, 37a. Zur Ablehnung der Satzungsdurchbrechung als eigene „Beschlusskategorie“, s. bereits oben, Kapitel 4 § 2 A. IV. 2. b). 243 Vgl. Soergel/Hadding, § 33 Rn. 36. 244 Soergel/Hadding, § 33 Rn. 2; Reichert/Wagner, Kap. 2 Rn. 5051; Staudinger2019/ Schwennicke, § 33 Rn. 2 m.w.N. 242

B. Behandlung der Satzungsdurchbrechung im Vereinsrecht

147

BGB) einen Änderungsbeschluss mit drei Viertel der abgegebenen Stimmen fasst, § 33 Abs. 1 S. 1 BGB. Bei den (seltenen) konzessionierten Vereinen ist zudem eine behördliche Genehmigung erforderlich, § 33 Abs. 2 BGB. Nach § 71 Abs. 1 S. 1 wird die Änderung erst wirksam, sobald und sofern sie in das Vereinsregister eingetragen ist. Beim nicht-rechtsfähigen Verein ist eine Registereintragung naturgemäß schon nicht möglich.245 1. Keine Privilegierung von Beschlüssen mit abstrakt-genereller Wirkung und expliziter Einzelfalländerungen Ein Beschluss, der eine Änderung des abstrakt-generellen Inhalts der Satzung oder eine explizite Änderung – wenn auch nur für einen Einzelfall – beinhaltet, kann an einer Privilegierung hinsichtlich der Voraussetzungen nach §§ 33, 71 BGB nicht teilhaben.246 Alles andere würde auf eine unzulässige (Art. 20 Abs. 3 GG) Rechtsfortbildung contra legem hinauslaufen. Denn die Vorschriften über die Satzungsänderung haben gerade solche Änderungen im Blick. Die abstrakt-generellen Grundlagen des Vereins sollen nur unter diesen Voraussetzungen abänderbar sein. Im Hinblick darauf ist es nicht zu rechtfertigen, Fälle, die im engsten Anwendungsbereich der Vorschriften liegen, nicht darunter zu subsumieren. Einzig Fälle der impliziten Einzelfallabweichung erscheinen einer Privilegierung im Wege der teleologischen Reduktion somit überhaupt zugänglich. 2. Implizite Einzelfallabweichungen Ob eine implizite Einzelfallabweichung vorliegt, ergibt die objektive247 Auslegung (§§ 133, 157 BGB) des Beschlussinhalts. Steht danach fest, dass kein Einfluss auf den abstrakt-generellen Gehalt der Satzung genommen wird, stellt sich die Frage, ob und inwieweit eine solche Satzungsänderung hinsichtlich ihrer Voraussetzungen privilegiert werden könnte. a) Mehrheitsanforderung, § 33 Abs. 1 S. 1 BGB Zunächst ließe sich über eine teleologische Reduktion des Mehrheitserfordernisses nachdenken. Nach § 33 Abs. 1 S. 1 BGB bedarf es zur Annahme eines satzungsändernden Beschlussantrags grundsätzlich drei Viertel der abgegebenen Stimmen. Die Satzung kann höhere wie niedrigere Mehrheiten bestimmten, § 40 S. 1 BGB. Der Zweck dieses gegenüber der einfachen Beschlussfassung (§ 32 Abs. 1 S. 3 BGB) erhöhten Erfordernisses ist im Grunde derselbe wie bei AG und GmbH. Der 245 246 247

Reichert/Wagner, Kap. 2 Rn. 5050; MünchKommBGB/Leuschner, § 33 Rn. 8. Vgl. bereits oben, Kapitel 4 § 2 A. V. 2. a). MünchKommBGB/Busche, § 133 Rn. 40 m.w.N.

148

Kap. 4: Die Zulässigkeit von Satzungsdurchbrechungen

Satzung, der besonderes Gewicht als „Verfassung“248 des Vereins besonderes Gewicht zukommt, soll seitens der Mitglieder eine entsprechende Legitimation hinsichtlich ihres Inhalts verliehen werden.249 Mit anderen Worten: Minderheiten sollen davor geschützt werden, dass der Verein einen Charakter erhält, der nicht von der ganz überwiegenden Mehrheit der Mitglieder unterstützt wird. Zu untersuchen ist somit, ob die hier in Rede stehenden Fälle von den Normzwecken Legitimation bzw. Minderheitenschutz nicht erfasst sind, sodass die gesetzlich vorgesehene Mehrheit als für nicht erforderlich betrachtet werden kann. Einerseits scheinen Fälle der impliziten Einzelfallabweichung (z. B. die Bestellung eines Vorstandsmitglieds entgegen statutarischer Anforderungen) meist nicht Entscheidungen zu betreffen, die „Verfassungsrang“ besitzen. Die Grundlagen oder der „Charakter“ des Vereins scheinen deshalb weitestgehend formal betroffen, Legitimations- und Minderheitsinteressen in bloß geringem Maße tangiert. Andererseits gilt es auch und gerade im Vereinsrecht, die durch die Aufnahme einer Bestimmung in die Satzung getroffene Entscheidung über deren Bedeutung zu achten. Denn in der Vereinspraxis ist es möglich und äußerst üblich,250 Bestimmungen, die nicht in der Satzung getroffen werden müssen (indifferente Satzungsbestandteile),251 außerhalb der Satzung in Nebenordnungen, Vereinsordnungen oder Geschäftsordnungen nicht-satzungsrechtlicher Qualität zu regeln.252 Grund dafür ist unter anderem, dass eine Abweichung hiervon nicht im Verfahren der Satzungsänderung erfolgen muss.253 Dann wiederum spricht die bewusste Regelung in der Satzung dafür, dass eine Abweichung ausschließlich unter den einschlägigen Voraussetzungen, getragen von einem entsprechenden Willen möglich sein soll. Die gegenteilige Annahme setzt sich gar dem Vorwurf aus, die Privatautonomie der Mitglieder (Art. 2 Abs. 1, Art. 9 Abs. 1 GG) in verfassungswidriger Weise einzuschränken, weil sie die spezifische Ausgestaltung der Vereinsregeln durch die Mitglieder missachtet.254 Hinsichtlich indifferenter Satzungsbestandteile mangelt es mithin schon an einer praktischen Notwendigkeit, implizite Einzelfallabweichungen mit einer geringeren 248

S. die amtliche Überschrift zu § 25 BGB. Vgl. Soergel/Hadding, § 25 Rn. 3 f., 21, § 33 Rn. 1; Staudinger2019/Schwennicke, § 33 Rn. 1; vgl. auch Mugdan I, S. 622. 250 Stöber/Otto, Rn. 955 ff.; Reichert/Wagner, Kap. 2 Rn. 402, 409 ff. 251 Im Vereinsrecht ist auch die Bezeichnung „materielles Satzungsrecht im weiteren Sinne“ gebräuchlich, Soergel/Hadding, § 25 Rn. 10a; MünchKommBGB/Leuschner, § 25 Rn. 5. 252 Soergel/Hadding, § 25 Rn. 7; Reichert/Wagner, Kap. 2 Rn. 409. Zur nicht immer klaren begrifflichen Unterscheidung von Satzung und Nebenordnung, s. Lukes, NJW 1972, 121, 123 ff., 126 ff. 253 BGHZ 47, 172, 177 = NJW 1967, 1268, 1270; Soergel/Hadding, § 25 Rn. 7; Reichert/ Wagner, Kap. 2 Rn. 413; Stöber/Otto, Rn. 961; zu den Konsequenzen von Geschäftsordnungsverstößen Reichert/Wagner, Kap. 2 Rn. 433. 254 Vgl. Staudinger/Schwennicke, § 25 Rn. 5 f.; MünchKommBGB/Leuschner, Vor § 21 Rn. 130. 249

B. Behandlung der Satzungsdurchbrechung im Vereinsrecht

149

als der zur Satzungsänderung erforderlichen Mehrheit anzuerkennen – Vereinsordnungen außerhalb der Satzung sind gerade für flexiblere Bestimmungen geschaffen. Dogmatische Überlegungen sprechen zudem dagegen, die Abweichungsentscheidung einer einfachen Mehrheit zu überlassen, soweit auf zwingend-korporative Satzungsbestandteile255 Einfluss genommen wird. Solche Regelungen sind dadurch gekennzeichnet, dass sie wirksam nur in der Satzung getroffen werden können, d. h. unter Satzungsvorbehalt stehen.256 Das Gesetz ordnet diese Satzungsform an, da Grundentscheidungen über die Gestalt des Vereins und das Verhältnis zu den Mitgliedern, wie gesehen, nur durch eine dieser Bedeutung entsprechenden Mehrheit ausreichend legitimiert sind, um Geltung für alle Mitglieder beanspruchen zu können.257 Nach gesetzlicher Vorstellung sind diese Entscheidungen also gerade der satzungsändernden Mehrheit anheimgestellt. Den Normzweck der Mehrheitsanforderung dann dahingehend zu interpretieren, dass solche Entscheidungen nicht erfasst sein sollen, widerspricht dieser gesetzlichen Wertung. Dabei unterscheidet das Gesetz auch nicht danach, ob die Änderung für einen Einzelfall oder generell erfolgt. Das verwundert insofern kaum, da sich die grundsätzliche Bedeutung der Bestimmung nicht ändert, je nachdem, ob nur ein Einzelfall betroffen ist oder nicht. Jegliche Einflussnahme auf zwingend korporative Satzungsbestandteile ist daher nur durch eine satzungsändernde Mehrheit zulässig. Infolgedessen wäre beispielsweise die Wahl eines Mitglieds in den Vorstand über die satzungsmäßig vorgeschriebene Zahl an Vorstandsmitgliedern hinaus unwirksam, wenn und weil die zur Satzungsänderung erforderliche Mehrheit nicht erreicht wird. Eine teleologische Reduktion im Hinblick auf die Mehrheitsanforderungen einer Satzungsänderung scheidet also aus. Der Zweck der erhöhten Mehrheitsanforderungen spricht nicht dafür, dass die Norm für die Fälle der impliziten Einzelfallabweichung zu weit geraten und deshalb eingeschränkt werden müsste. Im Gegenteil, die Aufnahme in die Satzung zeigt mehr noch als bei AG und GmbH an, dass eine Abweichung nur bei entsprechender Legitimation möglich sein soll. b) Eintragung, § 71 Abs. 1 S. 1 BGB Die Satzung selbst wird zwar nicht ins Vereinsregister eingetragen, ihr aktueller Inhalt ist aber durch Einsichtnahme der vom Amtsgericht aufbewahrten Dokumente zu entnehmen (vgl. § 66 Abs. 2, 71, 79 BGB). Zu diesen Dokumenten gehört auch immer eine aktuelle Fassung der Vereinssatzung.258 Das geltende Satzungsrecht ist 255 In spezifisch vereinsrechtlicher Terminologie auch „materielles Satzungsrecht im engeren Sinne“, Soergel/Hadding, § 25 Rn. 10a; MünchKommBGB/Leuschner, § 25 Rn. 4. 256 Reichert/Wagner, Kap. 2 Rn. 372; Staudinger/Schwennicke, § 25 Rn. 14; s. auch BGHZ 47, 172, 177 = NJW 1967, 1268, 1270. 257 Eingehend dazu bereits oben, Kapitel 4 § 1 A. II. 258 MünchKommBGB/Leuschner, § 64 Rn. 5, § 71 Rn. 2; Reichert/Wagner, Kap. 2 Rn. 615 f.

150

Kap. 4: Die Zulässigkeit von Satzungsdurchbrechungen

somit auch bei nach § 3 S. 3 Nr. 4 lit. a VRV zulässigen, bloß bezugnehmenden Eintragungen (z. B. „Änderung des § 7, Höhe der Beiträge“259) immer leicht nachvollziehbar. Die Regelung ist damit derjenigen des Aktien- und GmbH-Rechts (§ 181 AktG bzw. § 54 GmbHG) nicht nur inhaltlich sehr ähnlich, sie besitzt auch eine entsprechende Zweckrichtung. So dient § 71 BGB dem Informationsbedürfnis des Rechtsverkehrs über die rechtlichen Verhältnisse des Vereins.260 Für (potentielle) Mitglieder und Dritte soll das jeweils geltende Satzungsrecht zweifelsfrei erkennbar sein.261 Zudem unterwirft die Norm Satzungsänderungen im Interesse Rechtssicherheit einer registergerichtlichen Prüfung.262 Indem die Vorschrift mittels dieser Prüfung sicherstellt, dass Rechtssicherheit im Hinblick auf die Gültigkeit des Satzungsinhalts besteht, schützt sie die Mitglieder vor unwirksamen Bestimmungen.263 Ähneln sich die konstitutiven Eintragungsvorschriften sowohl inhaltlich als auch im Hinblick auf ihre Zweckrichtung so stark, liegt der Schluss nahe, die Eintragung – wie im Aktien- und GmbH-Recht – als einer Privilegierung nicht zugänglich zu erachten. Doch steht zu bedenken, dass die Interessen von Mitgliedern und Dritten im Vereinsrecht durchaus anders gelagert sind. Auch wenn die Vereinsmitgliedschaft mit gewissem finanziellem Einsatz (Gebühren, Beiträge) einhergehen mag, stehen Investitionsentscheidungen, wie sie sich potentiellen Aktionären stellen, nicht in Rede. Im Übrigen verfolgen Personen durch ihre Vereinsmitgliedschaft ideelle Ziele („Idealverein“),264 keine Risikogeldanlage, wie dies bei Aktionären der Regelfall sein wird.265 Die Vereinsmitgliedschaft besitzt somit eine geringere wirtschaftliche Relevanz. Auch aus Gläubigerperspektive könnte die geringe wirtschaftliche Bedeutung des Idealvereins bei der Einschätzung des Informations- und Rechtssicherheitsbedürfnisses zu berücksichtigen sein. Denn das Gesetz selbst hält Vereinsgläubiger für weniger schutzwürdig, was sich nicht zuletzt daran zeigt, dass es für den Verein an einem ausgeprägten gesetzlichen Gläubigerschutzrecht im Gegensatz zu AG und GmbH fehlt.266 Während ein grundsätzliches Interesse an Information hinsichtlich des Satzungsinhalts seitens der Mitglieder und Dritter nicht in Abrede gestellt werden kann, scheinen diese Erwägungen dafür zu sprechen, dass, verglichen mit GmbH und AG, 259

MünchKommBGB/Leuschner, § 71 Rn. 5. MünchKommBGB/Leuschner, § 71 Rn. 1. 261 OLG Köln NJW 1964, 1575; MünchKommBGB/Leuschner, § 71 Rn. 1; Staudinger2019/ Schwennicke, § 71 Rn. 1. 262 Staudinger2019/Schwennicke, § 71 Rn. 1; MünchKommBGB/Leuschner, § 71 Rn. 1; zum Zweck der Eintragung des Vereins s. bereits RGZ 81, 206, 209. 263 Staudinger2019/Schwennicke, § 71 Rn. 1; vgl. auch RGZ 81, 206, 209. 264 Vgl. Staudinger2019/Schwennicke, § 21 Rn. 26, 28; Reichert/Wagner, Kap. 2 Rn. 60 ff. 265 Vgl. Raiser/Veil, § 4 Rn. 26, S. 21; Wilhelm, KapGesR, Rn. 18, 21, S. 13 f. 266 MünchKommBGB/Leuschner, §§ 21, 22 Rn. 8; vgl. Reichert/Wagner, Kap. 2 Rn. 56; MünchKommBGB/Leuschner, Vor § 21 Rn. 60. 260

B. Behandlung der Satzungsdurchbrechung im Vereinsrecht

151

beim Verein tatsächlich ein geringeres Informationsbedürfnis besteht – wodurch ein zumindest partieller Eintragungsverzicht gerechtfertigt sein könnte. Diese Schlussfolgerung geht jedoch fehl. Selbst wenn die Informationsinteressen der Mitglieder und der Gläubiger im Verein allgemein als geringwertiger gegenüber AG und GmbH zu bewerten wären, hat dies den Gesetzgeber nicht dazu bewogen, von einem konstitutiven Eintragungserfordernis abzusehen. Im Gegenteil, er hat mit § 71 BGB für das Vereinsrecht eine Vorschrift geschaffen, die mit den entsprechenden kapitalgesellschaftlichen Regelungen (§ 54 GmbHG, § 181 AktG) im Wesentlichen übereinstimmt. Der Gesetzgeber geht mithin nicht davon aus, dass, soweit die Verfassungen von Körperschaften betroffen sind, die Interessen an Information und Rechtssicherheit anders zu bewerten wären. Auf die tatsächliche Andersartigkeit des Vereins abzustellen, spricht bei näherer Analyse somit nicht für die Ausnahme von impliziten Einzelfallabweichungen von der Anordnung des § 71 Abs. 1 S. 1 BGB, dass zu ihrer Wirksamkeit eine Eintragung erfolgen muss. Die Gesichtspunkte, die für das Aktien- und GmbH-Recht demonstrierten, dass die Satzungsdurchbrechung als Satzungsänderung für den Einzelfall in den Anwendungsbereich der Eintragungserfordernisses fallen soll, greifen hingegen im Vereinsrecht ebenso Platz. Soweit zwingend korporative Satzungsbestandteile betroffen sind, indiziert der damit einhergehende Satzungsvorbehalt, dass das Gesetz die Abweichung von diesen Bestimmungen nur im Wege der Satzungsänderung zulassen will und nimmt die Eintragung davon nicht aus. Eingedenk der Tatsache, dass das Gesetz hinsichtlich der Erforderlichkeit einer Eintragung im Übrigen nicht nach vermögensrechtlicher Relevanz oder anderen Kriterien differenziert, mangelt es der These, dass Informations- und Rechtssicherheitsinteressen in Fällen der Einzelfallabweichung nicht ebenso betroffen sein sollten, an gesetzlichem Fundament. Eine nicht-formgebundene Abweichungsmöglichkeit mag praktisch erscheinen, doch liefert dieser Gesichtspunkt keine dogmatisch nachvollziehbare Erklärung dafür, weshalb bestimmte Beschlüsse von der klaren Regel des § 71 Abs. 1 S. 1 BGB ausgenommen sein sollen. Ein praktischer Vorteil allein erscheint kaum ausreichend, die Nichtanwendbarkeit einer Rechtsnorm zu begründen. Doch selbst wenn man eine Einzelfallabweichung unter Verzicht auf die Eintragung für grundsätzlich möglich erachten würde, wäre damit der Umfang dieser Befugnis zur „Satzungsdurchbrechung“ noch nicht klar umrissen. Im Vereinsrecht, in dem trotz seiner geringeren vermögensrechtlichen Relevanz das Gesetz die Eintragung eben unqualifiziert anordnet und damit offen lässt, was für Mitglieder und Gläubiger relevante Informationen darstellen, wird die Suche nach einem treffsicheren Unterscheidungskriterium vergeblich sein. Kehrseite dessen ist, dass, sofern ein solches Kriterium zur Anwendung kommt, die Mitglieder ein hohes Risiko eingehen, wenn sie sich darauf verlassen. Die Entscheidungen, die mit der Anwendung des Kriteriums „punktuell – zustandsbegründend“ bei Vereinen befasst waren, bestätigen dies durch die Unsicherheit und Unbeholfenheit, mit der sie mit

152

Kap. 4: Die Zulässigkeit von Satzungsdurchbrechungen

dem Kriterium umgehen.267 Selbst vermeintliche praktische Vorteile existieren in der Gesamtschau mithin nicht. Sofern ein Eintragungsverzicht bezüglich Abweichungen von indifferenten Satzungsbestandteilen in Rede steht, ist der Aspekt der Selbstbestimmung im Vereinsrecht besonders beachtenswert. Denn Regelungen außerhalb der Satzung sind, wie bereits bei der Frage der Mehrheitsanforderungen zu sehen war, nicht nur auch im Vereinsrecht anerkannt, sie finden beim Verein sogar besonders große Verbreitung.268 So ist der Entscheidung der Mitglieder speziell für eine Satzungsregelung umso mehr noch die Intention zu entnehmen, eine Bestimmung schaffen zu wollen, von der jede Abweichung nur unter Einhaltung aller Voraussetzungen, auch der Eintragung, möglich sein soll. Haben die Mitglieder in der Hand, welche Regelung an der Satzungspublizität teilnimmt, welche Information öffentlich sein soll, so ist diese Entscheidung anzuerkennen. Eine Abweichung für einen Einzelfall muss dann ebenso veröffentlich werden. Es damit festzustellen, dass die Argumente gegen eine Einschränkung des Wortlauts von § 71 Abs. 1 S. 1 BGB überwiegen. Die Vorschrift lässt sich nicht für Fälle der impliziten Einzelfallabweichung teleologisch reduzieren. c) Zwischenergebnis Die Untersuchung des Normzwecks der §§ 33 und 71 BGB ergibt, dass sich deren teleologische Reduktion nicht überzeugend begründen lässt. Mehrheits- und Eintragungserfordernis der Satzungsänderung sind mithin vollumfänglich zu erfüllen, um die Wirkung einer Satzungsdurchbrechung, die wirksame Abweichung von einer Satzungsbestimmung für einen Einzelfall, herbeizuführen.

III. Weitere Anforderungen Offen bleibt, wie es um die Anforderungen steht, die zur wirksamen Beschlussfassung im Übrigen bestehen bzw. die erst die Satzung statuiert. Angesprochen sind damit die Fragen, wie zu einer „Satzungsdurchbrechung“ im Vereinsrecht zu laden ist und wie Fälle zu behandeln sind, in denen die Satzung spezielle Voraussetzungen zu ihrer Änderung aufstellt.

267 268

Dazu eingehend oben, Kapitel 3 § 3 C. Stöber/Otto, Rn. 955 ff.; Reichert/Wagner, Kap. 2 Rn. 402 ff.

B. Behandlung der Satzungsdurchbrechung im Vereinsrecht

153

1. Anforderungen an die Einladung zur Mitgliederversammlung (§ 32 Abs. 1 S. 2 BGB) Aus § 32 Abs. 1 S. 2 BGB ergibt sich, dass die Einladung die zur Abstimmung zu stellenden Beschlussgegenstände zu bezeichnen hat. Im Einzelnen ist unklar, wie präzise diese Gegenstände in der Einladung anzugeben sind.269 Für Satzungsänderungen ist aber anerkannt, dass die Tatsache, dass die Satzung geändert werden soll, sowie der Gegenstand der Änderung anzugeben sind.270 Für einfache Beschlüsse werden auch bloß stichwortartige Angaben („interne Angelegenheiten [§ 7 der Satzung]“)271 für ausreichend gehalten.272 Was gilt nun für die Satzungsdurchbrechung? Ist eine implizite Einzelfallabweichung im Vereinsrecht nur im Wege der Satzungsänderung möglich, hat die Ladung den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Ankündigung einer Satzungsänderung zu entsprechen. Die Ladung muss mithin klarstellen, dass eine Satzungsänderung vorgenommen und von welcher Bestimmung abgewichen werden soll. Fehlt eine solche Angabe in der Einladung, kann in der Mitgliederversammlung keine Satzungsänderung erfolgen, selbst wenn die Satzung die Ergänzung der Tagesordnung zuließe.273 Dass § 32 Abs. 1 S. 2 BGB geringere Anforderungen nicht zulässt, ergibt auch eine wertende Betrachtung: Die Regeln über die Einberufung bezwecken, dass Mitglieder über die Notwendigkeit ihrer Teilnahme mit ausreichend zeitlichem Vorlauf entscheiden können und die Möglichkeit haben, sich angemessen auf die Versammlung vorzubereiten.274 Damit soll im Vereinsinteresse eine ordnungsgemäße Willensbildung gewährleistet werden.275 Diese Zwecke können nur erreicht werden, wenn die Mitglieder entsprechend der Bedeutung der anstehenden Tagesordnungspunkte informiert sind.276 Die Bedeutung einer Bestimmung hängt aber nicht davon ab, ob ihre Geltung einmalig oder dauerhaft negiert werden soll. Sie ergibt sich bereits aus dem Umstand, dass die Regelung Eingang in die Satzung gefunden hat. Denn entweder gehört sie als zwingend-korporativer Bestandteil zu 269 Ausführliche Kasuistik bei Staudinger2019/Schwennicke, § 32 Rn. 54 f.; vgl. auch OLG Schleswig NJW-RR 2002, 760. 270 BayObLG Rpfleger 1972, 132, 133; OLG Jena, Beschl. v. 17. 12. 2014 – 3 W 198/14 = npoR 2015, 108; Staudinger2019/Schwennicke, § 32 Rn. 53; MünchKommBGB/Leuschner, § 32 Rn. 17; Reichert/Wagner, Kap. 2 Rn. 554; Stöber/Otto, Rn. 706 ff.; S/S/W/Waldner/WörleHimmel, Rn. 178a m.w.N. 271 Reichert/Wagner, Kap. 2 Rn. 1344. 272 MünchKommBGB/Leuschner, § 32 Rn. 17; Staudinger2019/Schwennicke, § 32 Rn. 53; Reichert/Wagner, Kap. 2 Rn. 1342. 273 BGHZ 99, 119, 123 f. = NJW 1987, 1811, 1812; OLG München, Urt. v. 19. 05. 2010 – 20 U 1695/10, BeckRS 2010, 14562; NK-BGB/Heidel/Lochner, § 32 Rn. 16. 274 Staudinger/Schwennicke, § 32 Rn. 26; Soergel/Hadding, § 32 Rn. 12. 275 BGHZ 59, 369, 372 f. = NJW 1973, 235 f.; Soergel/Hadding, § 32 Rn. 15. 276 Vgl. MünchKommBGB/Leuschner, § 32 Rn. 17; Reichert/Wagner, Kap. 2 Rn. 1342.

154

Kap. 4: Die Zulässigkeit von Satzungsdurchbrechungen

den Bestimmungen, die das Gesetz selbst zu den Grundlagen der Gesellschaft zählt und deshalb eine dieser Bedeutung entsprechende, satzungsmäßige Regelung erzwingt. Oder aber die Mitglieder selbst haben sich für eine korporative Bestimmung entschieden und messen ihr folglich einen erhöhten Bedeutungsgehalt zu. In beiden Fällen stehen also Abweichungen von Bestimmungen in Rede, deren Bedeutungsgehalt eine Information der Mitglieder zur Entscheidung über Teilnahme und Vorbereitung wie im Falle von Änderungen des abstrakt-generellen Satzungsinhalts erfordert. Die Einladung hat diese Bedeutung zu reflektieren.277 Bei jeder Abweichung von korporativen Satzungsbestimmungen muss dieses Vorhaben folglich aus der Tagesordnung ersichtlich sein. Im Ergebnis stellt sich die Rechtslage hinsichtlich der Anforderung an die Ladungsformalitäten nicht anders dar als im Aktien- und GmbH-Recht bezüglich der Abweichung von zwingend korporativen Satzungsbestandteilen. Bei einer impliziten Einzelfallabweichung ist entsprechend der für Satzungsänderungen bestehenden Vorgaben einzuladen. 2. Abweichung von statutarischen Anforderungen Die Vereinssatzung kann weitere Voraussetzungen für die Satzungsänderung aufstellen, aber auch von gesetzlichen Vorgaben abweichen, § 40 BGB.278 So kann die Beschlusswirksamkeit beispielsweise vom Einhalten der Schriftform (vgl. § 126 BGB)279 oder dem Erreichen einer anderen als der gesetzlich vorgegebenen Dreiviertelmehrheit (§ 33 BGB) abhängig gemacht werden.280 Die Satzungsdurchbrechung ist der Versuch, unter erleichterten Voraussetzungen eine Satzungsänderung vorzunehmen – was die Frage aufwirft, ob von solchen wie den genannten statuarischen Anforderungen unter Umständen abgesehen werden kann. a) Abweichende Mehrheitserfordernisse Fordert die Satzung zu ihrer Änderung eine geringere oder größere als die gesetzlich vorausgesetzte Mehrheit, so ist diese auch in Fällen der impliziten Einzelfallabweichung einzuhalten. Denn ist, wie gesehen, eine solche Abweichung nur in Form der Satzungsänderung möglich und haben die Gesellschafter eine bestimmte Mehrheit für die Satzungsänderung vorgesehen, so haben sie entschieden, dass eine Satzungsänderung nur mit (mindestens) dieser Legitimation durch Mitglieder Geltungsanspruch für die Mitgliedergesamtheit besitzt.281 Gleich, ob das Mehrheitserfordernis unterhalb der gesetzlichen Regel – im Unterschied zum GmbH-Recht nach 277 278 279 280 281

Reichert/Wagner, Kap. 2 Rn. 1342. Soergel/Hadding, § 33 Rn. 6. Reichert/Wagner, Kap. 2 Rn. 1859; S/S/W/Waldner/Wörle-Himmel, Rn. 129. Soergel/Hadding, § 33 Rn. 6; Reichert/Wagner, Kap. 2 Rn. 558. S. dazu bereits oben, Kapitel 4 § 1 A. II, § 2 A. V.

B. Behandlung der Satzungsdurchbrechung im Vereinsrecht

155

§ 40 BGB zulässig282 – oder aber oberhalb angesetzt wird, kann daher auf die Einhaltung des statutarischen Mehrheitserfordernisses nicht verzichtet werden. Eine Privilegierung der Satzungsänderung als „Satzungsdurchbrechung“ scheidet mithin auch im Hinblick auf abweichende Mehrheitsanforderungen aus. b) Form- und Verfahrensbestimmungen Die Satzung kann verschiedenste Bestimmungen über Form und Verfahren der Beschlussfassung vorsehen.283 Verbreitet sind beispielsweise Regelungen zur Beurkundung von Beschlüssen der Mitgliederversammlung (vgl. § 58 Nr. 4 BGB).284 Da sich der Effekt einer Satzungsdurchbrechung nur im Wege der Satzungsänderung erreichen lässt, hat ein entsprechender Beschluss alle zur Satzungsänderung statutarisch für beachtlich erklärten Erfordernisse zu beachten. Insoweit, wie die Mitglieder besondere Anforderungen an die Gültigkeit der Satzungsänderung stellen, soll eine Änderung nach ihrem Willen eben nur unter diesen Voraussetzungen Gültigkeit beanspruchen können. Um wirksam für einen Einzelfall von der Satzung abweichen zu können, müssen also auch die statutarischen Anforderungen an Form und Verfahren eingehalten werden. Bei Verfahrensbestimmungen kann sich jedoch die Besonderheit ergeben, dass sich ein Verstoß nicht auf das Beschlussergebnis auswirkt.285 Dabei sei an den Fall gedacht, dass die Satzung zur Satzungsänderung eine Einberufung der Mitgliederversammlung per Brief vorschreibt, die Einberufung tatsächlich aber stattdessen per E-Mail erfolgt, die alle Mitglieder erhalten und daraufhin unter Rügeverzicht an der Versammlung teilnehmen.286 Solche Verstöße führen (ausnahmsweise) nicht zur Nichtigkeit des Beschlusses.287 Auch wenn dieses Ergebnis dem Effekt einer Satzungsdurchbrechung entspricht – der Beschluss ist trotz Abweichung von einer Satzungsbestimmung wirksam – handelt es sich dabei nicht um den Fall einer wirksamen Durchbrechung der Vereinsverfassung.288 Denn ausschlaggebend für dieses Ergebnis ist nicht die Frage, ob die Satzungsänderung für den Einzelfall von vornherein zu privilegieren ist, sondern wie sich die Missachtung satzungsmäßiger Verfahrensvorschriften (nachträglich) auswirkt. Es geht dabei also auch nicht um ein Problem speziell der Satzungsdurchbrechung, sondern um eine allgemeine beschlussmängelrechtliche Einschränkung, die für alle Beschlüsse gilt, die unter Verstoß gegen Verfahrensregeln zustande kommen. Die Frage, ob der Beschluss im 282

Reichert/Wagner, Kap. 2 Rn. 558 Soergel/Hadding, § 32 Rn. 13, 30. 284 S/S/W/Waldner/Wörle-Himmel, Rn. 127; Reichert/Wagner, Kap. 2 Rn. 1788, 1859. 285 S/S/W/Waldner/Wörle-Himmel, Rn. 212. 286 Vgl. OLG Zweibrücken FGPrax 2006, 229, 230. 287 BGHZ 59, 369, 375 f. = NJW 1973, 235, 236; OLG Zweibrücken FGPrax 2006, 229, 230; S/S/W/Waldner/Wörle-Himmel, Rn. 212; zur nicht immer schlüssigen Kasuistik s. Staudinger2019/Schwennicke, § 32 Rn. 137 f. 288 A.A. Leuschner, ZHR 180 (2016), 422, 444 f., für AG und GmbH. 283

156

Kap. 4: Die Zulässigkeit von Satzungsdurchbrechungen

Einzelnen wirksam ist, muss mithin unter Rückgriff der hierzu bereits in Rechtsprechung und Literatur entwickelten Grundsätze beantwortet werden.289 Maßgeblich ist danach, ob der Verfahrensmangel für die Ausübung der Mitwirkungsrechte durch ein objektiv urteilendes Mitglied relevant war.290 Während das Relevanzkriterium auch im Hinblick auf die Missachtung statutarischer Formanforderungen gilt,291 besteht eine weitere Möglichkeit, weshalb ein Beschluss trotz Missachtung der Form wirksam sein kann. Auch dies ist Folge einer beschlussmängelrechtlichen Überlegung, selbst wenn das Ergebnis so wirken mag, als sei die Satzung durchbrochen worden. Ist eine Formvorschrift nämlich dahingehend auszulegen, dass sie rein zu Ordnungs- oder Beweiszwecken besteht, dass sie, anders ausgedrückt, also nicht für die Beschlusswirksamkeit konstitutiv sein soll, begründet ein Verstoß beschlussmängelrechtlich nicht die Unwirksamkeit des Beschlusses.292 Dies nimmt nach der hier vertretenen Konzeption des Beschlussmängelrechts nicht Wunder: Der Grund, weshalb einem satzungsverletzenden Beschluss die Wirksamkeit versagt wird, ist, dass er den Willen der Mitglieder missachtet, an die Beschlusswirksamkeit bestimmte Voraussetzungen zu knüpfen. Geht der Wille der Mitglieder aber gar nicht dahin, die Beschlussfassung nur unter dieser Voraussetzung zuzulassen, erwächst daraus auch kein Bedürfnis, den Beschluss für unwirksam zu halten.293 Ob ein Beschluss nichtig ist oder nicht, erfordert somit eine Bewertung des Einzelfalls und kann nicht pauschal beantwortet werden. Unter Beachtung dieser Grundsätze lässt sich aber ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Achtung der Privatautonomie einerseits und Bestand von Beschlüssen andererseits wahren. Während die in der Satzung zum Ausdruck gekommene Entscheidung der Mitglieder respektiert wird, begründen formelle Fehler keine Nichtigkeit, ohne dass Mitgliederinteressen eine Beanstandung erfordern würden. Ist ein satzungsändernder Beschluss demnach trotz Verstoßes gegen Verfahrensoder Formvorschriften wirksam, mag dies auf den ersten Blick ein Fall einer wirksamen Satzungsdurchbrechung zu sein scheinen. Bei näherer Betrachtung stellt sich dieser Umstand jedoch nicht als Konsequenz einer privilegierten Art der Satzungsänderung heraus, sondern ergibt sich schlicht als Folge des vereinsrechtlichen Beschlussmängelrechts.

289

Dazu eingehend MünchKommBGB/Leuschner, § 32 Rn. 54 ff.; Staudinger2019/ Schwennicke, § 32 Rn. 129 ff. 290 BGH NJW 2008, 69, 73; OLG Bremen npoR 2016, 162; Staudinger2019/Schwennicke, § 32 Rn. 131 m.w.N. 291 Soergel/Hadding, § 32 Rn. 37; vgl. Staudinger2019/Schwennicke, § 32 Rn. 140. 292 Vgl. Reichert/Wagner, Kap. 2 Rn. 601, 1943. 293 Vgl. OLG Zweibrücken FGPrax 2013, 223, 224.

B. Behandlung der Satzungsdurchbrechung im Vereinsrecht

157

IV. Ergebnis Im Körperschaftsrecht gilt der Grundsatz, dass ein einfacher Beschluss Satzungsrecht nicht zu derogieren vermag, wenn und weil er die hierzu vom Gesetz aufgestellten Voraussetzungen nicht erfüllt. Das Aktien- und GmbH-Recht schränkt diesen Grundsatz ein, indem es durch die Anfechtungsmöglichkeit (§ 243 Abs. 1 AktG [analog]) satzungsverletzenden Beschlüssen zumindest vorläufige Wirksamkeit einräumt. Das Beschlussmängelrecht des Aktiengesetzes ist jedoch nicht auf den Verein zu übertragen. Ein Beschluss, der von der Satzung abweicht, ohne sie zu ändern, besitzt deshalb im Vereinsrecht grundsätzlich keine Geltung. Um zu einem wirksamen satzungsdurchbrechenden Beschluss zu gelangen, der zwar im Widerspruch zur Satzung steht, die Anforderungen an eine Satzungsänderung jedoch nicht einhält, müssten also die Anforderungen an eine bestimmte Art von Satzungsänderung reduzierbar sein. Die dazu notwendige teleologische Reduktion lässt sich jedoch nicht überzeugend begründen. Zum einen lässt sich nicht der Nachweis erbringen, dass der Normzweck der Vorschriften über die Satzungsänderung nur bestimmte Fälle der Änderung im Blick hätte. Zum anderen indiziert in einer Rechtsform, bei der flexible Regelungen außerhalb der Satzung besonders weit verbreitet sind, die Aufnahme einer Bestimmung in die Satzung, dass diese Bestimmung nur unter voller Einhaltung der hierfür bestehenden Vorschriften einzuhalten ist. Den Anwendungsbereich dieser Vorschriften derart zu beschränken, dass ein solcher Wille ins Leere geht, widerspricht einerseits der Privatautonomie der Mitglieder und findet andererseits keinen argumentativen Rückhalt jenseits einer vermeintlich größeren Flexibilität bei der Handhabe der Satzung. Doch selbst dieses letztere, rein praxisbezogene Argument geht fehl. Denn Kriterien, nach denen sich trennscharf beurteilen ließe, wann eine privilegierte Abweichung zulässig ist, sind auch im Vereinsrecht nicht erkennbar. Selbst wenn man also über den Mangel einer dogmatischen Basis hinwegsähe, bestimmte Abweichungen von der Satzung im Einzelfall von den Anforderungen des Gesetzes auszunehmen, würde eine solche Satzungsdurchbrechung in der Vereinspraxis scheitern. Um wirksame Satzungsdurchbrechungen handelt es sich nicht, wenn Beschlüsse trotz Abweichung von Verfahrens- oder Formvorschriften nicht für unwirksam gehalten werden, wenn und weil jenen Vorschriften lediglich Ordnungscharakter zukommt. Die Wirksamkeit ist Folge des Beschlussmängelrechts, nicht einer Privilegierung der Satzungsänderung. Dieser Abschnitt hatte zu Anfang die Frage aufgeworfen, ob die Rechtslage zur Satzungsdurchbrechung beim Verein möglicherweise anders als im Aktien- und GmbH-Recht zu beurteilen wäre. Fest steht nun: Zwischen AG, GmbH und Verein bestehen hinsichtlich der für die Zulässigkeit einer Satzungsdurchbrechung relevanten Gesichtspunkte zwar keine so wesentlichen Unterschiede, dass eine grundlegend abweichende Beurteilung geboten wäre. Doch braucht der Geltungsanspruch von § 243 Abs. 1 AktG mangels Anwendbarkeit der Vorschrift im Vereinsrecht nicht berücksichtigt werden, sodass sich die im Aktien- und GmbH-Recht virulente

158

Kap. 4: Die Zulässigkeit von Satzungsdurchbrechungen

Vorrangsproblematik nicht stellt. Für den Verein gilt daher umfassend, was bereits für die anderen beiden Körperschaften hinsichtlich zwingend korporativer Satzungsbestandteile festzustellen war: Die Abweichung von Satzungsbestimmungen im Einzelfall ist nur unter Einhaltung aller zur Satzungsänderung erforderlichen Voraussetzungen erreichbar.

§ 5 Die Zulässigkeit der „Satzungsdurchbrechung“ in den Personengesellschaften Die Erörterung des Meinungsstands zur Satzungsdurchbrechung hat gezeigt, dass diese Rechtsfigur der Sache nach auch im Hinblick auf Personengesellschaften diskutiert wird.294 Die allgemeine Ansicht geht davon aus, dass ein Beschluss, mit dem Gesellschafter für einen Einzelfall von einer Bestimmung des Gesellschaftsvertrags abweichen, grundsätzlich zulässig und wirksam ist. Doch bleiben etwaige Grenzen dieser Möglichkeit, vor allem aber eine präzise Formulierung der Voraussetzungen, vielfach im Dunkeln. Grund dafür ist die recht oberflächliche, auf Einzelfälle reduzierte Betrachtungsweise in Rechtsprechung und Literatur. Basierend auf den praktisch wohl relevantesten Erscheinungsformen der Personengesellschaft, GbR (§§ 705 ff. BGB), OHG (§§ 105 ff. HGB) und KG (§§ 161 ff. HGB), soll im Folgenden der Versuch unternommen werden, von allgemeinen zivilrechtsdogmatischen Grundüberlegungen ausgehend eine dogmatisch stimmige Lösung der Gesamtproblematik zu entwickeln. Im Hinblick auf die Behandlung von Beschlussmängeln, der Änderung des Gesellschaftsvertrags und der Rechtsnatur weisen GbR, OHG und KG keine derart gravierenden Unterschiede auf, dass eine gesonderte Beurteilung erforderlich wäre.295 Sie sollen daher im weiteren Verlauf der Analyse einheitlich als „Personengesellschaften“ betrachtet werden.

A. Einordnung der Vertragsdurchbrechung in das Beschlussmängelrecht der Personengesellschaften Steht zur Debatte, wie ein den Gesellschaftsvertrag „durchbrechender“ Beschluss zu behandeln ist, muss zunächst geklärt werden, wie vertragsverletzende Beschlüsse grundsätzlich zu behandeln sind. Denn ein Beschluss, der z. B. gegen ein statutarisches Schriftformerfordernis verstößt oder von der gesellschaftsvertraglich vorgesehenen Gewinnverteilung abweicht, verletzt dadurch den Gesellschaftsvertrag. Wie 294

S. oben, Kapitel 3 § 4. S. nur die das Personengesellschaftsrecht rechtsformunspezifisch betrachtende Arbeit von A. Schmitt, Beschlussmängelrecht, S. 5 f. und passim, vgl. auch § 105 Abs. 3 HGB und § 161 Abs. 2 HGB. 295

A. Einordnung der Vertragsdurchbrechung in das Beschlussmängelrecht

159

im Recht der GmbH und des Vereins regelt das Personengesellschaftsrecht die Folgen von Beschlussmängeln gesetzlich nicht. Mit im Wesentlichen denselben Argumenten, die bereits im Hinblick auf den bürgerlich-rechtlichen Verein Gegenstand der Diskussion waren, wird deshalb der Streit geführt, ob und inwieweit das Beschlussmängelrecht des Aktiengesetzes (§§ 241 ff. AktG) auf die Personengesellschaften zu übertragen sein könnte.

I. Meinungsstand Der Meinungsstand zerfällt grob in zwei sich gegenüberstehende Lager. Während eine Seite die Analogie zum Aktienrecht befürwortet, lehnt die h.M. sie ab. 1. Anwendung des spezifischen Beschlussmängelrechts (h.M.) Nach Rechtsprechung des BGH und der wohl noch überwiegenden Ansicht im Schrifttum gilt für die Personengesellschaften ein eigenes Beschlussmängelrecht, die §§ 241 ff. AktG sind weder direkt noch analog anzuwenden.296 Der historische Gesetzgeber hielt eine Regelung nicht für erforderlich, da sich die Fehlerfolgen aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen ergäben.297 Für eine entsprechende Anwendung der aktienrechtlichen Vorschriften fehle es an der planwidrigen Regelungslücke, denn die Entscheidung, dass fehlerhafte Beschlüsse nach dem Vorbild der kapitalgesellschaftsrechtlichen Anfechtungslösung zu behandeln seien, sei dem demokratisch legitimierten Gesetzgeber vorbehalten.298 Im Übrigen seien die Interessenlagen in den ihrer Rechtsnatur nach grundlegend unterschiedlichen Körperschaften und Personengesellschaften nicht ausreichend vergleichbar.299 Beschlüsse, die gegen den Gesellschaftsvertrag verstoßen, seien damit im Grundsatz nichtig.

296

BGH ZIP 1984, 59, 60; NJW 1987, 1262, 1263; ZIP 1995, 738, 743; s. bereits BGH BB 1966, 1169 sowie BGHZ 85, 350, 361; offengelassen in BGH WM 1990, 675, 676; Baumbach/ Hopt/Roth, § 119 Rn. 31; Staub/Schäfer, § 119 Rn. 75, 77 f.; Oetker/Lieder, § 119 Rn. 67 f.; K/ K/R/D/Kindler, § 119 Rn. 14; Heidel/Schall/Psaroudakis, § 119 Rn. 9; NK-HGB/Klimke, § 119 Rn. 76; Heymann/Emmerich, § 119 Rn. 10a; Schlegelberger/Martens, § 119 Rn. 10; Hueck, OHG, § 11 V. 2. a), S. 183 ff.; Wiedemann, GesR II, § 4 I 5b, S. 323 jeweils insbesondere für die OHG; MünchKommBGB/Schäfer, § 709 Rn. 105; Soergel/Hadding/Kießling, § 709 Rn. 44; Erman/H. P. Westermann, § 709 Rn. 37 f. jeweils insbesondere für die GbR; wohl auch Palandt/Sprau, Vorb. v. § 709 Rn. 17a f. („unwirksam“); Nitschke, Personengesellschaft, S. 206 ff.; A. Schmitt, Beschlussmängelrecht, S. 94 f., 138 ff.; differenzierend u. a. nach Art der Gesellschaft Staudinger2003/Habermeier, § 709 Rn. 26. 297 Als „prinzipiell rein obligatorisches Verhältnis“ (Mugdan II, S. 989), geregelt im Schuldrecht, sollten die für Schuldverhältnisse geltenden Regeln des allgemeinen Teils sowie allgemeine Grundsätze des Privatrechts bei der Behandlung von Beschlussmängeln greifen. 298 Oetker/Lieder, § 119 Rn. 67a; Staub/Schäfer, § 119 Rn. 77. 299 Staub/Schäfer, § 119 Rn. 77.

160

Kap. 4: Die Zulässigkeit von Satzungsdurchbrechungen

2. Anwendung der §§ 241 ff. AktG im Recht der Personengesellschaften Eine gewichtige Ansicht in der Literatur möchte – freilich mit zum Teil erheblichen Unterschieden im Detail – das Beschlussmängelrecht der AG entsprechend im Recht der Personengesellschaften anwenden.300 Zum einen mangele es in den Personengesellschaften andernfalls an Rechtssicherheit, da für mangelhafte Beschlüsse kein ausreichender Bestandsschutz bestehe.301 Zum anderen werde keine effektive Unterscheidung nach der Schwere des Mangels getroffen. Jeder Verstoß, ob geringfügig oder fundamental, werde gleichbehandelt, dies sei unverhältnismäßig.302 Dass mangelhafte Beschlüsse prinzipiell nichtig sein sollten, lasse sich außerdem, abgesehen von Fällen der §§ 125 S. 1, 134, 138 BGB, schon im Grundsatz nicht begründen.303 Des Weiteren bestünden prozessual motivierte Bedenken, da die Feststellung der Nichtigkeit durch Urteil nicht unbedingt gegen alle Gesellschafter wirke (vgl. § 325 Abs. 1 ZPO).304 Mangelhafte Beschlüsse seien daher im Wesentlichen anfechtbar, d. h. grundsätzlich wirksam, nur in Ausnahmefällen nichtig (§ 243 Abs. 1 bzw. § 241 AktG analog).

II. Stellungnahme Bereits die Herleitung der Anfechtungslösungen erscheint methodisch zweifelhaft. Grundannahme ist, dass der Gesetzgeber, trotz gegenteiliger Intention bei Konzeption des Personengesellschaftsrechts305 und trotz mehrfacher Gelegenheit im Laufe von über einem Jahrhundert,306 schlichtweg übersehen hat, ein Beschlussmängelrecht für GbR, OHG und KG doch noch zu normieren. Wer dies als kaum wahrscheinlich bezeichnet, untertreibt. Verneint man jedoch die Planwidrigkeit der Regelungslücke, bleibt für eine Analogie, die rechtsstaatlichen Maßstäben genügt,

300 K. Schmidt, AG 1977, 243, 251 ff.; ders., FS Stimpel, 217, 225, 237 ff.; ders., GesR, § 15 II 3 b), S. 448 f.; ders., ZGR 2008, 1, 26 f.; MünchKommHGB/Enzinger, § 119 Rn. 98 f., 107; Köster, Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage, S. 116 ff., 124 ff.; Priester, FS Hadding, 607, 617; Timm, FS Fleck, 365, 370 ff.; Scholz, WM 2006, 897, 904; im Grundsatz auch E/B/J/S/Freitag, § 119 Rn. 82; dahin tendierend Röhricht/Graf v. Westphalen/Haas/Haas, § 119 Rn. 8a. 301 MünchKommHGB/Enzinger, § 119 Rn. 98; Köster, Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage, S. 117 f., 121 f.; K. Schmidt, GesR, § 15 II 3 a); Scholz, WM 2006, 897, 904. 302 MünchKommHGB/Enzinger, § 119 Rn. 98. 303 Vgl. Fluck, Fehlerhafte Vereinsbeschlüsse, S. 22; Noack, Fehlerhafte Beschlüsse, S. 41 ff.; Casper, ZHR 163, 1999, 54, 66 ff. 304 MünchKommHGB/Enzinger, § 119 Rn. 98. 305 Vgl. Mugdan II, S. 989, und bereits den vorigen Abschnitt (A. I. 1.). 306 Beispielsweise im Zuge der großen Handelsrechtsreform durch das Gesetz zur Neuregelung des Kaufmanns- und Firmenrechts und zur Änderung anderer handels- und gesellschaftsrechtlicher Vorschriften (Handelsrechtsreformgesetz – HRefG) v. 22. 6. 1998, BGBl. I S. 1474.

A. Einordnung der Vertragsdurchbrechung in das Beschlussmängelrecht

161

kein Raum.307 Selbst wenn man diese Argumente als bloß historisch und den (vermeintlichen) Interessen der Gesellschafter nachrangig betrachtete, stünden einer Analogie zu §§ 241 ff. AktG immer noch grundlegende dogmatische Erwägungen entgegen. Wie bereits dargelegt, vermag ein Gesellschafterbeschluss alle Gesellschafter nur dann zu binden, wenn er den übergeordneten Geltungsanspruch des Gesellschaftsvertrags respektiert.308 Positiv-rechtlich lässt sich zudem der Gedanke der §§ 125 S. 2 und 154 Abs. 2 BGB heranziehen, nach welchem die Parteien an ein Rechtsgeschäft, für das sie gewisse Voraussetzungen (z. B. die Form) vereinbaren, nur gebunden sind, wenn diese Voraussetzungen auch eingehalten werden.309 Hielte man den Beschluss nun für lediglich anfechtbar – also für nur durch erfolgreiche Klage annullierbar im Sinne des § 243 Abs. 1 AktG310 – führte dies aber zu dessen grundsätzlicher Wirksamkeit und Bindung aller Gesellschafter. Die analoge Anwendung des aktienrechtlichen Beschlussmängelrechts würde damit zu einem den allgemeinen Grundsätzen entgegengesetzten Ergebnis führen, das, eingedenk der mangelnden gesetzlichen Grundlage, mit der Privatautonomie (Art. 2 Abs. 1 GG) schwer vereinbar erscheint. Dabei ist ein der aktienrechtlichen Anfechtbarkeit entsprechendes Ergebnis im Wege der Ausübung eben dieser Privatautonomie durchaus möglich. Der Gesellschaftsvertrag kann eine Schiedsklausel oder die Gesellschaft selbst als Beklagte vorsehen und auf diese Weise eine dem Anfechtungsurteil entsprechende ergaomnes-Wirkung erzielen.311 Im Übrigen kann eine Klagefrist nach Vorbild des § 246 Abs. 1 AktG vereinbart werden, die verspätet erhobene Klagen präkludiert.312 Vor allem aber kann der Gesellschaftsvertrag die Konsequenzen von Verstößen insgesamt oder für bestimmte Klauseln selbst festlegen.313 Abseits expliziter Regelung kann auch die Auslegung der Vertragsbestimmungen ergeben, was Folge der Ver-

307

BVerfGE 118, 212, 243; Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 194 f.; Canaris, Lücken im Gesetz, S. 16, 43 f.; vgl. Rüthers, Unbegrenzte Auslegung, S. 175 ff., 189 ff.; s. auch Heck, AcP 112 (1914) 1, 157 f., der den lückenfüllenden Richter als Diener, nicht Usurpator, des Gesetzgebers betrachtet. 308 S. oben Kapitel 4 § 1 A. II 1. 309 Vgl. Staub/Schäfer, § 119 Rn. 82; NK-HGB/Klimke, § 119 Rn. 75. 310 Teilweise scheint der Begriff im Zusammenhang mit Personengesellschaften abweichend im Sinne eines bloßen Geltendmachens des Mangels verstanden zu werden, s. Baumbach/Hopt/Roth, § 119 Rn. 31. 311 BGHZ 85, 350, 353 = NJW 1983, 1056, 1057; BGH NJW 2006, 2854, 2855; Oetker/ Lieder, § 119 Rn. 74; MünchKommBGB/Schäfer, § 709 Rn. 114; MünchKommHGB/ K. Schmidt, § 124 Rn. 23; Staub/Schäfer, § 109 Rn. 68 f., 75, § 119 Rn. 92 m.w.N. 312 St. Rspr., BGHZ 68, 212, 216; 112, 339, 344; BGH NJW 1995, 1218, 1219; BGH NJW 2006, 2854, 2855 sowie jüngst OLG Jena, Urt. v. 10. 08. 2016 – 2 U 500/14, BeckRS 2016, 16922; Staub/Schäfer, § 119 Rn. 93; Baumbach/Hopt/Roth, § 119 Rn. 32. 313 Dies folgt aus der Privatautonomie der Gesellschafter, s. A. Schmitt, Beschlussmängelrecht, S. 82; vgl. auch Hueck, OHG, § 11 V. 2. a), S. 183.

162

Kap. 4: Die Zulässigkeit von Satzungsdurchbrechungen

letzung der Vorschrift sein soll.314 Zudem bedarf es nicht zwangsläufig der Statuierung einer Klagefrist, um die Geltendmachung von Beschlussmängeln wegen Zeitablaufs auszuschließen. Macht der Gesellschafter die Unwirksamkeit nicht rechtzeitig geltend, verwirkt er sein Recht, sich auf die Unwirksamkeit zu berufen.315 Dies folgt zum einen aus dem Verbot des venire contra factum proprium (§ 242 BGB), zum anderen aus den Treuebindungen, denen der Gesellschafter unterliegt.316 Eine solche Vorgehensweise kommt der Konzeption der Personengesellschaften als Gesellschaftsverhältnisse kraft Vertrags, dessen Inhalt der Ausgestaltung der Parteien unterliegt, am nächsten. Sie entspricht ferner dem Grundsatz, dass Gesellschafter durch Beschlüsse nur insoweit gebunden werden, wie sich diese Bindung aus dem willentlich eingegangenen Gesellschaftsverhältnis ergibt. Bei alldem handelt es sich um nichts anderes als die Anwendung allgemeiner zivilrechtlicher Grundsätze, die die Problematik angemessen und rechtsformspezifisch lösen. Eine Analogie erübrigt sich einmal mehr. Die Anfechtungslösungen in der Literatur überzeugen somit weder methodisch noch dogmatisch. Bis zu einer anderweitigen gesetzlichen Regelung317 sind Beschlüsse, die gegen Bestimmungen des Gesellschaftsvertrags verstoßen, grundsätzlich unwirksam.318

B. Behandlung der „Satzungsdurchbrechung“ im Personengesellschaftsrecht I. Unwirksamkeit in der Theorie Eine Durchbrechung des Gesellschaftsvertrags, d. h. ein Beschluss, mit dem sich Gesellschafter für einen Einzelfall über den Gesellschaftsvertrag hinwegzusetzen versuchen, wäre somit entweder als Verstoß oder als missglückter Änderungsversuch im Personengesellschaftsrecht grundsätzlich unwirksam. Dass Unwirksamkeit die Folge eines Verstoßes gegen den Gesellschaftsvertrag darstellt, ist bereits vorstehend 314

Dazu ausführlich A. Schmitt, Beschlussmängelrecht, S. 81 ff. BGHZ 112, 339, 344; BGH NJW 1995, 1218, 1219; 1999, 3113; E/B/J/S/Freitag, § 119 Rn. 79; Staub/Schäfer, § 119 Rn. 89; K/K/R/D/Kindler, § 119 Rn. 17; Brandes, NZG 1999, 936. 316 OLG München DB 2001, 1408; vgl. Staub/Schäfer, § 119 Rn. 89. 317 Für eine allgemeine, uniforme Regelung des Beschlussmängelrechts de lege ferenda, Koch, Gutachten für den 72. DJT, S. F 74, F 109. Eine Reformzusage hinsichtlich des Personengesellschaftsrechts enthält der Koalitionsvertrag der aktuellen (Oktober 2019) Regierung, s. CDU/CSU/SPD, Koalitionsvertrag, S. 131. 318 Terminologisch passt der Begriff „Unwirksamkeit“ besser, ist aber effektiv nicht von der Nichtigkeit zu unterscheiden (s. oben Kapitel 4 Fn. 9). In Literatur und Rechtsprechung werden die Begriffe im Zusammenhang des Beschlussmängelrechts der Personengesellschaften oft synonym verwendet, s. nur Staub/Schäfer, § 119 Rn. 87 und BGH ZIP 1995, 738, 743. 315

B. Behandlung der „Satzungsdurchbrechung“ im Personengesellschaftsrecht

163

erörtert worden.319 Aber auch eine Änderung des Gesellschaftsvertrags ist unwirksam, wenn nicht die hierzu erforderlichen Voraussetzungen eingehalten sind. Hinsichtlich der Fehlerfolge muss bei den Personengesellschaften deshalb nicht zwischen Verstoß und missglückter Änderung unterschieden werden. In beiden Fällen ist Unwirksamkeit anzunehmen. Ein Beispiel: Der Gesellschaftsvertrag einer OHG verlangt für „einfache“ Beschlüsse eine Mehrheit von über 50 % der stimmberechtigten Mitglieder, für Änderungen des Gesellschaftsvertrags hingegen eine Mehrheit von mindestens 75 % sowie die Einhaltung der Schriftform. Beschließen die Gesellschafter nun mit einer Mehrheit von 60 % entgegen einer Bestimmung des Gesellschaftsvertrags, so liegt darin ein Verstoß gegen den Gesellschaftsvertrag, der zur Unwirksamkeit des Beschlusses führt. Für eine Änderung hätte es zumindest der Einhaltung der qualifizierten Mehrheit bedurft. Unabhängig davon, wie man den Beschluss einordnet, ist er unwirksam.

II. Dennoch: vorwiegende Wirksamkeit in der Praxis 1. Unter Geltung des Einstimmigkeitsprinzips a) Formlose Vertragsdurchbrechung Nichtsdestotrotz werden „Satzungsdurchbrechungen“ bei GbR, OHG und KG, sofern die Gestaltung des Gesellschaftsvertrags dem gesetzlichen Leitbild folgt, in der Regel wirksam sein. Denn an die Änderung des Gesellschaftsvertrags sind danach keine strengeren Voraussetzungen geknüpft, als an jeden anderen Beschluss. Sowohl Änderung als auch einfacher Beschluss bedürfen zu ihrer Wirksamkeit (lediglich) einer einstimmigen Beschlussfassung (vgl. §§ 709 Abs. 1 BGB, 119 Abs. 1 HGB).320 Beschließen die Gesellschafter also im Widerspruch zum Gesellschaftsvertrag, wird dieser Beschluss als (Einzelfall-)Änderung des Gesellschaftsvertrags auszulegen sein. Die Gegenthese, dass der Beschluss – als Vertragsverstoß – ebenso unwirksam sein könnte, vermag nicht zu überzeugen. Bereits eine Auslegung dahingehend, dass der Beschluss einen Verstoß darstelle, widerspricht der in der einstimmigen Beschlussfassung zum Ausdruck kommenden Intention der Gesellschafter, eine dem Beschlussinhalt entsprechende Rechtsfolge herbeizuführen. Ob ein solcher Beschluss also je als Verstoß ausgelegt werden kann, erscheint zweifelhaft. Entscheidend ist aber Folgendes: Indem die Gesellschafter mit vertragsändernder Kraft beschließen, heben sie das Gefälle zwischen Beschluss und Gesellschaftsvertrag auf, sodass ein Konflikt mit dem Gesellschaftsvertrag gar nicht mehr entstehen kann. Ein Verstoß kann begrifflich deshalb nicht mehr vorliegen, da Be319 320

161.

S. voriger Abschnitt Kapitel 4 § 5 B. I. sowie oben, Kapitel 4 § 1 A. II. Baumbach/Hopt/Roth, § 105 Rn. 60; MünchKommHGB/K. Schmidt, § 105 Rn. 158,

164

Kap. 4: Die Zulässigkeit von Satzungsdurchbrechungen

schluss und Gesellschaftsvertrag auf derselben Stufe stehen. Es besteht kein Rangverhältnis mehr, sondern ein ebenbürtiges Nebeneinander. Dies ist die eigentliche Erklärung für die einhellige Ansicht, dass die einstimmige „Durchbrechung“ bei Personengesellschaften grundsätzlich möglich ist. b) Strengere Anforderungen bei statutarischen Formerfordernissen? Abseits dieses Grundsatzes gilt es jedoch im Hinblick auf die konkreten Voraussetzungen einer wirksamen Abweichung zu differenzieren. Soweit Gesellschaften in Rede stehen, die dem gesetzlichen Leitbild folgen, ergeben sich keine Schwierigkeiten. Eine wirksame Beschlussfassung unterliegt keinem besonderen Formerfordernis,321 sodass eine Abweichung sowohl formlos als auch konkludent möglich ist.322 Schreibt der Gesellschaftsvertrag hingegen formelle Voraussetzungen, z. B. eine Schriftform, vor, so wirft das die Frage auf, ob es deren Einhaltung selbst bei einstimmiger Beschlussfassung bedarf. Zunächst kommt es auf die rechtliche Einordnung des Formerfordernisses an. Denn Formvorschriften können einerseits konstitutive Anforderungen begründen, andererseits lediglich ordnungshalber bzw. zu Beweiszwecken bestehen.323 Handelt es sich um eine bloße Ordnungsvorschrift, ist die Nichtbeachtung von vornherein unbeachtlich.324 Eine formlose Abweichung von der Formvorgabe ist mithin ohne weiteres möglich. Bei konstitutiven Formanforderungen soll die Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts hingegen gerade von der Einhaltung der Form abhängen.325 Was im Einzelnen gewollt und was somit Folge des Verstoßes sein soll, ergibt die Auslegung der konkreten Klausel nach §§ 133, 157 BGB.326 Für Schriftformerfordernisse ist anerkannt, dass, sofern sie sich auf Änderungen des Gesellschaftsvertrags beziehen, 321

Allg. Ansicht, s. nur Staub/Schäfer, § 105 Rn. 187, § 119 Rn. 22 m.w.N. Diese „Formfreiheit des Personengesellschaftsrechts“ ist i.Ü. der Grund, weshalb sich die Frage nach der Zulässigkeit einer privilegierten Änderung, wie sie im Rahmen der Körperschaften diskutiert wurde, bei den Personengesellschaften nicht stellt. Bei AG, GmbH und Verein war zu prüfen, ob von einer oder gar mehreren Voraussetzungen der Satzungsänderung unter teleologischen Gesichtspunkten dispensiert werden könnte. Doch geht es bei den Personengesellschaften nicht um gesetzliche, sondern statutarische Voraussetzungen, die sich die Gesellschafter selbst gegeben haben. Es stellt sich mithin nicht die Frage einer teleologischen Reduktion gesetzlicher Vorschriften (wie §§ 179 ff. AktG), sondern jene der Auslegung rechtsgeschäftlich begründeter Vorgaben (zu dieser Unterscheidung Canaris, Lücken im Gesetz, S. 53 f.). Eine allgemeine Privilegierung in Bezug auf gesetzliche Anforderungen, wie bei den Körperschaften, ist mithin gar nicht denkbar. 323 MünchKommBGB/Einsele, § 125 Rn. 69; Erman/Arnold, § 125 Rn. 25; Staudinger2017/ Hertel, § 125 Rn. 124; vgl. auch § 125 S. 2 BGB. 324 Soergel/Hadding/Kießling, § 705 Rn. 14, 17; MünchKommBGB/Einsele, § 125 Rn. 69; Erman/Arnold, § 125 Rn. 25; vgl. auch BGH NJW-RR 1996, 641, 642. 325 MünchKommBGB/Einsele, § 127 Rn. 4; Erman/Arnold, § 125 Rn. 25; vgl. Staudin2017 ger /Hertel, § 125 Rn. 120. 326 Baumbach/Hopt/Roth, § 105 Rn. 63; MünchKommBGB/Schäfer, § 705 Rn. 50; Jauernig/Mansel, § 125 Rn. 11. 322

B. Behandlung der „Satzungsdurchbrechung“ im Personengesellschaftsrecht

165

ihnen im Zweifel nicht lediglich Beweis-, sondern auch Warnfunktion zukommt.327 Um dieser Warnfunktion zu entsprechen, folgt bei deren Nichteinhaltung die Unwirksamkeit des Beschlusses.328 Verallgemeinernd lässt sich folgern: Immer wenn die Auslegung ergibt, dass ein Beschluss nur unter Einhaltung einer bestimmten Voraussetzung möglich sein soll, handelt es sich um eine konstitutive Bestimmung. Diese Auslegung ist letztlich nur die Bestimmung dessen, was die Gesellschafter durch privatautonome Regelung für sich als verbindlich anerkannt haben. Auch bei einstimmiger Beschlussfassung sind solche Formerfordernisse also prinzipiell beachtlich. Damit ist jedoch das letzte Wort noch nicht gesprochen. Denn auch ein Formerfordernis kann durch Vertragsänderung geändert oder aufgehoben werden.329 Im Kontext der Vertragsdurchbrechung fragt sich damit, ob ein einstimmiger Beschluss selbst bei konstitutiven Formanforderungen immer formlos möglich ist, weil er zugleich stets etwaige Formerfordernisse aufhebt – oder ob er doch die Einhaltung der Form zu seiner Wirksamkeit verlangt. Bei genauer Betrachtung reißt die Frage eine allgemeine, grundlegende Problematik an: Können sich Parteien dahingehend einigen, dass der Inhalt der Einigung ihrem Einfluss entzogen ist, dass also selbst bei übereinstimmendem Willen ein Formerfordernis nicht ohne dessen Einhaltung aufgehoben werden kann?330 Dafür spricht die andernfalls potentielle Bedeutungslosigkeit von Formvereinbarungen.331 Könnte beispielsweise die Schriftform stets einstimmig übergangen werden, stellte sich die Frage, zu welchem Zweck diese Klausel überhaupt dient. Sie würde zur leeren Hülle verkommen, zu einem bloßen Programmsatz, jeglicher Effektivität beraubt. Zudem scheint es vertragsrechtlichen Grundgedanken zu widersprechen, wenn von einem Teil des Vertrags keinerlei Bindungswirkung ausgehen

327 Soergel/Hefermehl, § 125 Rn. 34; MünchKommBGB/Schäfer, § 705 Rn. 50; MünchKommHGB/K. Schmidt, § 105 Rn. 162; Staub/Schäfer, § 119 Rn. 83; wohl auch Hueck, OHG, § 6 III. 4., S. 62; aber strittig, a.A. BGHZ 49, 364, 366 f. = NJW 1968, 1378, 1379, s. näher Staub/Schäfer, § 105 Rn. 178. Es kommt freilich auf die Auslegung der konkreten Bestimmung an, ebenso Hueck, DB 1968, 1207, 1209 f.; Soergel/Hefermehl, § 125 Rn. 32; Soergel/Hadding/ Kießling, § 705 Rn. 17. 328 Erman/H. P. Westermann, § 705 Rn. 12; MünchKommHGB/K. Schmidt, § 105 Rn. 162 m.w.N.; dass vor allem die Rechtsprechung bei Formverstößen ein Kausalitätskriterium (dazu näher MünchKommBGB/Schäfer, § 709 Rn. 106) heranzieht, um über die Folge des Beschlussmangels zu entscheiden, ist zu bedenken, hat aber mit der Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Durchbrechung positiv wirksam ist, nichts zu tun. 329 MünchKommBGB/Schäfer, § 705 Rn. 51; Erman/Arnold, § 125 Rn. 26; Flume, BGB AT II, § 15 III 2, S. 264 ff. 330 So BGHZ 66, 378, 382 = NJW 1976, 1395; BAG NJW 2003, 3725, 3727; 2009, 316, 318; Palandt/Ellenberger, § 125 Rn. 19; Erman/Arnold, § 125 Rn. 26; Wolf/Neuner, BGB AT, § 44 Rn. 85 zur doppelten Schriftformklausel. 331 Eingehend MünchKommBGB/Einsele, § 125 Rn. 70 f.

166

Kap. 4: Die Zulässigkeit von Satzungsdurchbrechungen

soll.332 Eine Vereinbarung als Vertrag anzuerkennen heißt gerade, dessen Inhalt als für die Parteien verbindlich zu betrachten.333 Die Gegenargumente wiegen jedoch schwerer. Denn es ist dogmatisch kaum zu erklären, weshalb eine privatautonome Bindung durch den übereinstimmenden Willen ihrer Begründer nicht aufgehoben werden kann.334 Die Vereinbarung müsste, ähnlich einer Art ius cogens, der späteren Disposition der Parteien entzogen sein. Im Gegensatz zu den Körperschaften, die eine eigenständige, im Grundsatz strikt von ihren Mitgliedern zu trennende Rechtsperson konstituieren (s. nur § 13 Abs. 1 Hs. 1 u. Abs. 2 GmbHG, § 1 Abs. 1 AktG), bleibt die Personengesellschaft ein vertragliches Konstrukt, das sich von den sie verkörpernden Gesellschaftern nicht scheidet. Das vertraglich geschaffene Recht erhält keinen anderen Rang, verändert nicht dadurch seine Rechtsnatur, dass es Teil des Gesellschaftsvertrages ist. Statutarische Formvorschriften bewegen sich damit nicht auf einer Ebene, die dem Zugriff der Gesellschafter entzogen wäre. Dann aber müssen sie auch nach dem Willen der Gesellschafter änderbar sein. Voraussetzung dieser Abänderbarkeit ist jedoch, dass ein entsprechender Änderungswille gerade in Bezug auf das Formerfordernis besteht.335 Ob ein solcher im Einzelfall vorliegt, muss die Auslegung ergeben. Der bloße Formmangel kann dabei freilich kein entscheidendes Indiz für einen Aufhebungswillen darstellen. Maßgeblich ist, dass sich die auf Abweichung gerichteten Willenserklärungen zumindest auch auf die (zeitweise) Aufhebung der Form bezieht. Denn wenn der gesellschafterliche Wille nicht dahingeht, vom Formerfordernis zu dispensieren, ist nicht erklärbar, weshalb das Erfordernis keine Geltung beanspruchen soll.336 Folge ist, dass simple Formverstöße zur Unwirksamkeit des Beschlusses führen. Denn Gesellschafter, die gegen die Formanforderung verstoßen, ohne sie positiv ändern zu wollen, können auch einstimmig dem Beschluss nicht zur Wirksamkeit verhelfen. Dem Risiko, dass Formanforderungen zu bedeutungslosen Programmsätzen verkommen, ist auf diese Weise gewisser Einhalt geboten, ohne dass im Zuge dessen unüberbrückbare dogmatische Schwierigkeiten zu bewältigen wären.

332

Staudinger2017/Hertel, § 125 Rn. 127 attestiert rechtsgeschäftlichen Formvereinbarungen daher lediglich „geringe Relevanz“. 333 Vgl. MünchKommBGB/Armbrüster, Vor § 116 Rn. 23. 334 S. dazu Flume, BGB AT II, § 15 III 2, S. 264 ff. 335 Staub/Schäfer, § 105 Rn. 188; so zum allgemeinen Vertragsrecht BGHZ 119, 283, 291 = BGH NJW 1993, 64, 65 f.; BFHE 181, 281 = NJW 1997, 1327, 1328; BGH NJW-RR 1991, 1289, 1290; strenger MünchKommBGB/Einsele, § 125 Rn. 70 f., stets nur unter Einhaltung der Form abänderbar. 336 Vgl. MünchKommBGB/Einsele, § 125 Rn. 70; MünchKommBGB/Armbrüster, Vor § 116 Rn. 23.

B. Behandlung der „Satzungsdurchbrechung“ im Personengesellschaftsrecht

167

c) Ergebnis Unterliegen Gesellschafterbeschlüsse in Personengesellschaften dem Einstimmigkeitsprinzip, ist eine Vertragsdurchbrechung grundsätzlich formlos möglich. Ist kraft Gesellschaftsvertrags zur wirksamen Beschlussfassung allerdings eine Form zu beachten, können Gesellschafter nur bei entsprechendem Willen von dieser Anforderung abweichen. 2. Zusammenfallen der Beschluss- und Vertragsänderungsquoren Diese Grundsätze gelten nicht lediglich für Personengesellschaften, die dem Einstimmigkeitsprinzip unterliegen, sondern auch für solche, deren Gesellschaftsvertrag an Beschluss und Änderung dieselben Voraussetzungen knüpft (z. B. ein Quorum von 75 %).337 Indem jeder Beschluss mit stets vertragsändernder Mehrheit zu fassen ist, nivellieren die Gesellschafter den Rangunterschied zwischen Beschluss und Gesellschaftsvertrag, sodass eine Unwirksamkeit wegen inhaltlicher Unvereinbarkeit mit dem Gesellschaftsvertrag ausscheidet. Vertragsdurchbrechungen sind insoweit also auch per Mehrheitsbeschluss möglich. Entgegen einer teilweise in der Literatur vorzufindenden Aussage338 ist bei Zusammenfallen von Beschluss- und Vertragsänderungsquorum aber auch zur Abweichung von Formerfordernissen keine Einstimmigkeit erforderlich. Es genügt, dass eine vertragsändernde Mehrheit die Abweichung beschließt, wenn und weil die Gesellschafter die Abänderbarkeit des Vertrags der Mehrheitsentscheidung unterstellt haben. Dies schließt das Einverständnis zur Änderung von Formvorschriften mit ein. Bei entsprechendem Willen ist eine formlose Abweichung auch durch Mehrheitsbeschluss zulässig. 3. Auseinanderfallen der Beschluss- und Vertragsänderungsquoren Problematischer scheinen auf den ersten Blick Vertragsdurchbrechungen in Gesellschaften, in denen unterschiedliche Voraussetzungen für „einfache“ Beschlüsse und Änderungen des Gesellschaftsvertrags gelten. Solche divergierenden Voraussetzungen können sich zum einen daraus ergeben, dass der Gesellschaftsvertrag unterschiedliche Mehrheiten (beispielsweise 75 % für Änderungen, 50 % für sonstige Beschlüsse) verlangt, zum anderen daraus, dass uneinheitliche (Form-) Erfordernisse bestehen. Nicht jeder Beschluss hat hier stets potentiell vertragsändernde Wirkung. Somit lässt sich fragen, ob – wie dies zum Teil für die Kapital337 Auch die Änderung des Gesellschaftsvertrags kann der Mehrheit anheimgestellt werden, s. nur BGH NZG 2013, 63, 63 f.; Baumbach/Hopt/Roth, § 105 Rn. 60, § 119 Rn. 34; E/B/J/S/ Wertenbruch, § 105 Rn. 119. 338 So zu verstehen Röhricht/Graf v. Westphalen/Haas/Haas, § 105 Rn. 32; Oetker/Lieder, § 105 Rn. 98; s. eingehend oben, Kapitel 3 § 4 B. I. 3.

168

Kap. 4: Die Zulässigkeit von Satzungsdurchbrechungen

gesellschaften vertreten wird – eine Durchbrechung derart denkbar ist, dass ein Beschluss der Gesellschafter unter Missachten der (statutarischen) Änderungsvoraussetzungen bei gleichzeitigem Verstoß gegen Bestimmungen des Gesellschaftsvertrags wirksam sein kann. a) Mehrheitsanforderung Da die Konsequenzen von Beschlussmängeln und fehlerhaften Vertragsänderungen identisch sind, gestaltet sich die Rechtslage im Hinblick auf die zur Durchbrechung erforderliche Mehrheit vergleichsweise klar. Ein Beschluss, der nicht die vertragsändernde Mehrheit erreicht, kann wegen des Verstoßes gegen den Gesellschaftsvertrag keine Wirkung beanspruchen. Er setzt sich nicht gegen den Gesellschaftsvertrag durch und ist unwirksam. Eine Vertragsdurchbrechung ist deshalb nur als Satzungsänderung möglich. Fallen Beschluss- und Vertragsänderungsquorum auseinander, kann von Bestimmungen des Gesellschaftsvertrags mithin nur bei Einhaltung der vertragsändernden Mehrheit abgewichen werden. b) Formanforderungen Steht die Beschlussfassung allgemein oder zumindest die Änderung des Gesellschaftsvertrags unter Formvorbehalt, kann diese Form nur bei deren Einhaltung durchbrochen werden, es sei denn, der Wille der Gesellschafter geht dahin, von der Formanforderung (für einen Einzelfall) zu dispensieren. Aber auch wenn nur bestimmte Gegenstände von einem konstitutiven Formerfordernis erfasst sind (z. B. Änderung der statutarischen Gewinnverteilungsabrede nur schriftlich), gilt das gleiche Prinzip. Denn hält der Beschluss nicht ein, was die Gesellschaftergesamtheit im Gesellschaftsvertrag – bis zu einer Änderung – zur Bedingung der Beschlussgeltung erhoben hat, kann er jedenfalls nicht als Gesellschafterbeschluss mit Wirkung für und gegen alle Gesellschafter wirksam sein. Vertragsdurchbrechung muss also auch insofern Vertragsänderung sein, sodass die jeweils dafür einschlägigen Anforderungen einzuhalten sind. Besteht eine Formvorgabe, ist die Abweichung nur durch Änderungsbeschluss möglich, mit dem Zusatz, dass sich der Wille der Gesellschafter (auch) auf die Nichtgeltung der Formvorschrift beziehen muss.

III. Ergebnis In den Personengesellschaften GbR, OHG und KG gilt ein rechtsformspezifisches Beschlussmängelrecht, die §§ 241 ff. AktG sind nicht analog anzuwenden. Daraus ergibt sich, dass zwischen anfechtbaren und nichtigen Beschlüssen nicht unterschieden werden muss. Gesellschafterbeschlüsse, die den Gesellschaftsvertrag verletzen, sind vielmehr im Grundsatz immer unwirksam.

B. Behandlung der „Satzungsdurchbrechung“ im Personengesellschaftsrecht

169

Gleichzeitig besteht zwischen einfachen und vertragsändernden Beschlüssen kein Gefälle hinsichtlich ihres jeweiligen Geltungsanspruchs, sofern die Wirksamkeitsvoraussetzungen beider identisch sind. Dies stellt den gesetzlichen Regelfall dar (§§ 709 Abs. 1 BGB, 119 Abs. 1 HGB). Bei einem Gleichlauf der Wirksamkeitsvoraussetzungen kann daher kein Konflikt zwischen Beschluss und Vertrag entstehen. Durchbrechungen des Gesellschaftsvertrags sind in diesen Fällen grundsätzlich ohne Weiteres wirksam. Eine Einschränkung erfährt dieser Grundsatz dort, wo zur Beschlussfassung eine besondere Form konstitutiv vorgeschrieben ist. Wird diese Vorgabe missachtet, ist erforderlich, dass sich der Wille der Gesellschafter (auch) auf die Abweichung von der Formvorgabe richtet. Fallen die Anforderungen an einfache und vertragsändernde Beschlüsse hingegen auseinander, so sind einfache Beschlüsse, die für einen Einzelfall von der Satzung abweichen, unwirksam. Es handelt sich um Verstöße gegen Bestimmungen des Gesellschaftsvertrags oder um missglückte Änderungen desselben, deren beider grundsätzliche Folge die Unwirksamkeit ist. Um den Verstoß aufzuheben setzt eine Durchbrechung daher voraus, dass der Beschluss mit vertragsändernder Mehrheit gefasst wird. Ist zur Änderung des Gesellschaftsvertrags oder einzelner Bestimmungen desselben eine bestimmte Form einzuhalten, ist diese auch bei einer Durchbrechung grundsätzlich beachtlich, es sei denn, die Gesellschafter besitzen auch diesbezüglich einen Willen zur Abweichung. Zusammenfassend lässt sich also Folgendes feststellen: Der mit der Figur der „Durchbrechung“ verfolgte Effekt, im Einzelfall von einer Bestimmung des Gesellschaftsvertrags wirksam abweichen zu können, ist prinzipiell nur unter Einhaltung der für die Vertragsänderung statuierten Voraussetzungen möglich.

Kapitel 5

Erhaltung und Ermöglichung satzungsdurchbrechender Beschlüsse Beschlüsse, die für einen Einzelfall von einer Satzungsbestimmung abweichen, ohne sie zu ändern, sind nach der hier vertretenen Auffassung grundsätzlich unwirksam. Besondere Relevanz erhält damit die Frage, ob eine solche Entschließung der Gesellschafter noch in irgendeiner Weise aufrechterhalten oder zumindest anderweitig ihr Inhalt erreicht werden könnte. So ließe sich zunächst an die Heilung des Beschlusses denken. Im Wege der Heilung erlangt ein nichtiges oder unwirksames Rechtsgeschäft nachträglich Wirksamkeit.1 Auf diese Weise könnte auch eine fehlgeschlagene Satzungsdurchbrechung doch noch wirksam werden. Des Weiteren könnte der Versuch einer Satzungsdurchbrechung der Umdeutung in eine schuldrechtliche Nebenabrede zugänglich sein. Wenn der Beschluss schon nicht Geltung für alle Gesellschafter beanspruchen kann, könnte er vielleicht zumindest als Vereinbarung der an der Beschlussfassung beteiligten Gesellschafter wirksam werden. Um die Gefahr der – möglicherweise endgültigen – Unwirksamkeit eines satzungsdurchbrechenden Beschlusses von vornherein auszuräumen, bietet sich eine Satzungsgestaltung an, die eine flexible Handhabe der Satzung zulässt. Bedienen sich Gesellschafter einer Öffnungsklausel, um von einer Bestimmung des Gesellschaftsvertrags unter erleichterten Voraussetzungen abweichen zu können, liegt in einem entsprechenden Beschluss keine Satzungsdurchbrechung.2 Das Ergebnis stellt sich jedoch so dar, als ob die Satzung erfolgreich durchbrochen worden wäre. Gewissermaßen kann eine Satzungsdurchbrechung also im Wege der Öffnungsklausel zugelassen werden. Unter welchen Voraussetzungen genau sich eine Satzung abweichenden Beschlüssen öffnen kann, inwieweit sich satzungsdurchbrechende Beschlüsse heilen oder umdeuten lassen, diesen Fragen soll sich das folgende Kapitel widmen.

1 Spindler/Stilz/Casper, § 242 Rn. 1; MünchKommAktG/Hüffer/Schäfer, § 242 Rn. 3; vgl. auch MünchKommBGB/Schäfer, § 709 Rn. 110; Soergel/Hadding/Kießling, § 709 Rn. 45; über die tatsächliche Geltung bestehen keine Zweifel, die dogmatische Einordnung ist jedoch str., s. näher Spindler/Stilz/Casper, § 242 Rn. 1. 2 S. bereits oben, Kapitel 2 C. IV.

B. Umfang

171

§ 1 Heilung A. Überblick Soweit man eine Satzungsdurchbrechung für unwirksam hält – und zwar unabhängig davon, wie man dies im Einzelnen beurteilt –, stellt sich die Frage der Heilung. Die folgenden Ausführungen verstehen daher die Satzungsdurchbrechung als den Fall, in welchem der Beschluss, der auf die Durchbrechung abzielt, keine Wirksamkeit erlangt hat, weil er die Anforderungen an eine Satzungsänderung, die er hätte einhalten müssen, nicht erfüllt.

B. Umfang I. Körperschaften 1. Nichterreichen der satzungsändernden Mehrheit Die Heilung des satzungsdurchbrechenden Beschlusses scheidet aus, sofern eine satzungsändernde Mehrheit (s. §§ 53 Abs. 2 S. 1 Hs. 2 GmbHG, § 179 Abs. 2 S. 1 AktG, § 33 Abs. 1 S. 1 BGB) nicht erreicht wurde.3 Sofern sich eine Einzelfallabweichung nur im Wege einer Satzungsänderung herbeiführen lässt, ist die Einhaltung der hierzu erforderlichen Mehrheit Mindestvoraussetzung. Es bedarf somit in jedem Falle eines erneuten satzungsändernden Beschlusses. Die nachträgliche Zustimmung der übrigen Gesellschafter genügt nicht.4 2. Ladungs- und Beurkundungsmängel Wurde eine satzungsändernde Mehrheit erreicht, fehlt es aber an der nach § 53 Abs. 2 S. 1 Hs. 1 GmbHG bzw. § 179 Abs. 2 S. 1 i.V.m. § 130 Abs. 1 S. 1 bzw. 3 AktG erforderlichen Beurkundung, ist die Heilung eines satzungsdurchbrechenden Beschlusses hingegen möglich.5 Dies folgt aus § 242 Abs. 1 AktG (analog). Danach kann eine durch mangelnde Beurkundung begründete Nichtigkeit (§ 241 Nr. 2 AktG [analog]) nicht mehr geltend gemacht werden, sofern der Beschluss in das Handelsregister eingetragen wird. Mit der Eintragung ist der Beurkundungsmangel geheilt.6 Unter den Voraussetzungen von § 242 Abs. 2 AktG (analog) sind Ladungsmängel heilbar. Wird der unter Verstoß gegen gesetzliche Ladungsformalitäten zustande 3

Roth/Altmeppen/Altmeppen, § 53 Rn. 64. Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, Anh. nach § 47 Rn. 77; Rowedder/Schmidt-Leithoff/ Koppensteiner/Gruber, § 47 Rn. 115. 5 UHL/Ulmer/Casper, § 54 Rn. 32; Roth/Altmeppen/Altmeppen, § 53 Rn. 64. 6 BGH NJW 1996, 257 f.; Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, Anh. nach § 47 Rn. 74. 4

172

Kap. 5: Erhaltung und Ermöglichung satzungsdurchbrechender Beschlüsse

gekommene Beschluss in das Handelsregister eingetragen, kann seine Nichtigkeit nicht mehr geltend gemacht werden, sofern seit der Eintragung drei Jahre verstrichen sind.7 Auf Vereinsbeschlüsse ist § 242 AktG nicht entsprechend anwendbar.8 Zur Heilung ist daher eine mangelfreie Wiederholung der Beschlussfassung nötig.9 3. Verstoß gegen die zu durchbrechende Bestimmung Ist der Beschluss mit satzungsändernder Mehrheit gefasst und beurkundet worden, hängt seine Wirksamkeit nur noch von der Registereintragung ab, § 54 Abs. 3 GmbHG, § 181 Abs. 3 AktG, § 71 Abs. 1 S. 1 BGB.10 Mit der Eintragung hebt sich der Verstoß gegen Satzungsvorgaben auf. Die Heilung, sofern man insoweit von Heilung sprechen will, besteht hier also genau genommen im Wirksamwerden der Satzungsänderung, die den Beschlussmangel beseitigt.11 Formelle wie inhaltliche Verstöße werden auf diese Weise unbeachtlich, selbst die Anfechtbarkeit entfällt.12

II. Personengesellschaften Da Änderungen des Gesellschaftsvertrags bei GbR, OHG und KG nach gesetzlichem Leitbild formlos, jedenfalls ohne Eintragung wirksam sind, wird der Heilung in diesen Gesellschaftsformen eine untergeordnete Bedeutung zukommen.13 Soweit eine Durchbrechung des Gesellschaftsvertrags aber ausnahmsweise nichtig sein sollte, muss ein inhaltsgleicher Beschluss in fehlerfreier Weise erneut gefasst werden, um den Mangel zu heilen.14 Dies setzt nach der hier vertretenen Ansicht eine Beschlussfassung voraus, die den Anforderungen an eine Änderung des Gesellschaftsvertrags genügt.15 Der Beschlussinhalt kann jedoch auch durch eine nachfolgende Praxis unter den für die konkludente Vertragsänderung geltenden Voraussetzungen zur Wirkung kommen, ohne dass es eines weiteren Beschlusses bedürfte.16 Kein Fall der Heilung, wenngleich mit identischem Resultat, liegt vor, wenn 7 BGHZ 80, 212, 216 = NJW 1981, 2125, 2126 f.; UHL/Ulmer/Casper, § 54 Rn. 32; Scholz/Priester, § 54 Rn. 57. 8 BeckOGK-BGB/Notz, § 32 Rn. 225 m.w.N.; vgl. auch BGH NJW 2008, 69, 73. 9 BGH NJW 2008, 69, 73. 10 UHL/Ulmer/Casper, § 54 Rn. 27. 11 Vgl. MünchKommGmbHG/Harbarth, § 53 Rn. 49; Roth/Altmeppen/Altmeppen, § 53 Rn. 64. 12 UHL/Ulmer/Casper, § 53 Rn. 38, § 54 Rn. 32; Roth/Altmeppen/Altmeppen, § 53 Rn. 64; Rowedder/Schmidt-Leithoff/Schnorbus, § 54 Rn. 43, 45; GroßKommAktG/Wiedemann, § 179 Rn. 100. 13 Vgl. oben, Kapitel 4 § 5 B. II. 14 Staub/Schäfer, § 119 Rn. 89; Soergel/Hadding/Kießling, § 709 Rn. 45. 15 S. oben, Kapitel 4 § 5 B. II., III. 16 MünchKommBGB/Schäfer, § 709 Rn. 110 m.w.N.

A. Überblick

173

Gesellschafter ihr Recht zur Beschlussanfechtung verwirkt (§ 242 BGB) haben (Beispiel: Berufen auf den Mangel, nachdem bereits ein zur Geltendmachung angemessener Zeitraum abgelaufen ist).17

C. Ergebnisse Der gescheiterte Versuch, die Satzung von AG oder GmbH zu durchbrechen, ist durch Registereintragung grundsätzlich heilbar. Sowohl Ladungs- und Beurkundungsmängel als auch der Verstoß gegen die zu durchbrechende Satzungsbestimmung haben auf die Beschlusswirksamkeit keinen Einfluss, sofern eine satzungsändernde Mehrheit eingehalten und sobald der Beschluss eingetragen ist. Beim Verein ist hingegen eine erneute fehlerfreie Beschlussfassung erforderlich. Ebenso ist bei Personengesellschaften über den Beschlussinhalt erneut unter Beseitigung des Mangels zu beschließen, um nichtige Durchbrechungen zu heilen.

§ 2 Umdeutung A. Überblick I. Relevanz im Kontext der Satzungsdurchbrechung Ist der Versuch einer Satzungsdurchbrechung gescheitert und konnte sie auch im Wege der Heilung nicht aufrechterhalten werden, stellt sich die Frage, ob dem Beschlussinhalt nicht möglicherweise durch Umdeutung Wirksamkeit verschafft werden könnte. Der Umdeutung kommt damit als letzter Möglichkeit, dem Willen der Gesellschafter noch Geltung zu verschaffen, eine besondere Bedeutung zu. Kein Wunder also, dass diese Frage bereits gewisse Beachtung in Rechtsprechung und Literatur gefunden hat.

17

A.A. MünchKommBGB/Schäfer, § 709 Rn. 110, der auch dies als einen Fall der Heilung zu begreifen scheint. Zur Verwirkung im Zusammenhang mit der Geltendmachung von Beschlussmängeln s. auch BGH WM 1991, 509, 510; Staub/Schäfer, § 119 Rn. 90; Westermann/ Wertenbruch/Westermann, HdbPersGesR I. Teil Rz. 552; Hueck, OHG, § 11 V. 1. d), 2. a), S. 182 ff.

174

Kap. 5: Erhaltung und Ermöglichung satzungsdurchbrechender Beschlüsse

II. Beurteilung der Zulässigkeit in Rechtsprechung und Schrifttum Die Umdeutung einer unwirksamen Satzungsdurchbrechung in eine schuldrechtliche Nebenabrede wird ganz überwiegend für grundsätzlich zulässig erachtet.18 Den genauen Voraussetzungen geht man jedoch wenig nach, sodass oft unklar bleibt, inwieweit die Umdeutung einer fehlgeschlagenen Durchbrechung doch noch zur Wirksamkeit verhelfen kann. So zieht die Rechtsprechung Grenzen für eine Umdeutung zwar dort, wo „organisationsrechtliche Regelung[en]“ betroffen sind;19 zugleich hegt sie aber keine Zweifel, den Beschluss zur dauerhaften Abweichung von einer statutarischen Abfindungsregelung durch eine Nebenabrede aufrechtzuerhalten.20 Einer gewichtigen Ansicht im Schrifttum zufolge sind Abweichungen von korporativen Satzungsbestandteilen nicht tauglich, den Gegenstand einer Nebenabrede zu bilden.21 Den Eindruck eines fundierten Ansatzes vermittelt all dies nicht. Den einzelnen Anforderungen an die Umdeutung wird bei alldem kaum Beachtung geschenkt. Hieran soll angesetzt werden, um im Folgenden zu analysieren, inwieweit die beabsichtigte Wirkung satzungsdurchbrechender Beschlüsse durch die Umdeutung in Nebenabreden erreicht werden könnte.

B. Voraussetzungen der Umdeutung I. Vorrang der Auslegung Nimmt man mit der herrschenden Meinung22 an, dass die Auslegung eines Rechtsgeschäfts von dessen Umdeutung zu unterscheiden ist, stellt sich die Frage, ob nicht bereits nach Ermittlung des wirklich Gewollten ein wirksames Rechtsgeschäft vorliegen könnte, sodass es auf eine Umdeutung gar nicht mehr ankäme. Denn im Gegensatz zur Umdeutung, die auf einem hypothetischen Willen der Parteien basiert, 18 BGHZ 123, 15, 20 = NJW 1993, 2246, 2247; NJW 2010, 3718, 3720; Roth/Altmeppen/ Altmeppen, § 53 Rn. 65; Scholz/Priester, § 53 Rn. 30; MünchKommGmbHG/Harbarth, § 53 Rn. 52; Rowedder/Schmidt-Leithoff/Schnorbus, § 53 Rn. 49; Lutter/Hommelhoff/Bayer, § 3 Rn. 65, § 53 Rn. 32; Leitzen, RNotZ 2010, 566, 573; Selentin, NZG 2020, 292, 297; Westermann, Nebenordnungen, S. 55 f.; Priester, FS Claussen, 319, 331; bejahend rechtsvergleichend Speranzin, FS Abbadessa, 1959, 1969 ff.; abweichend Wolff, WiB 1997, 1009, 1016 f.; Habersack, ZGR 1994, 354, 370; die Umdeutungsmöglichkeit von Beschluss in Nebenabrede grundsätzlich verneinend Milch, Schuldrechtliche Absprachen, S. 67. 19 BGHZ 123, 15, 20 = NJW 1993, 2246, 2247. 20 BGH NJW 2010, 3718, 3720. 21 Roth/Altmeppen/Altmeppen, § 53 Rn. 65; MünchKommAktG/Pentz, § 23 Rn. 196, 200 m.w.N.; vgl. auch GroßKommAktG/Röhricht/Schall, § 23 Rn. 296 ff.; a.A. Wicke, DNotZ 2006, 419, 430; Noack, Gesellschaftervereinbarungen, S. 128 ff., 132 ff. 22 BGH NJW 2001, 1217; 2006, 2284; Soergel/Hefermehl, § 140 Rn. 1; BeckOGK-BGB/ Beurskens, § 140 Rn. 5; MünchKommBGB/Busche, § 140 Rn. 3; Staudinger2015/Roth, § 140 Rn. 3, 7 m.w.N.; a.A. Hager, Gesetzes- und sittenkonforme Auslegung, S. 155.

B. Voraussetzungen der Umdeutung

175

stellt die Auslegung auf den tatsächlichen Willen der Beteiligten ab, der dem hypothetischen als unmittelbarer Ausdruck der parteilichen Rechtsgestaltungsintention vorrangig ist.23 Liegt unter Zugrundelegung dieses wirklichen Willens bereits ein wirksames Rechtsgeschäft vor, ist für eine Umdeutung kein Raum. Versuchen Gesellschafter die Satzung zu durchbrechen, wird eine Auslegung dieses Verhaltens jedoch kaum je den Schluss zulassen, der wirkliche Wille der Beteiligten habe etwas Anderes, Wirksames zum Gegenstand. Es handelt sich hier nicht um Fälle einer falsa demonstratio, in denen die Gesellschafter zwar eine bestimmte Bezeichnung gewählt, sich in bestimmter Weise verhalten haben, jedoch bei wertender Betrachtung von vornherein etwas Abweichendes wollten. Den Fall, in dem Gesellschafter z. B. zwar ausdrücklich einen „Beschluss“ zu einem entsprechenden Punkt der Tagesordnung fassen, tatsächlich aber bereits zu diesem Zeitpunkt eine schuldrechtliche Nebenvereinbarung vereinbaren wollen, darf man als unwahrscheinlich bezeichnen. Beschließen Gesellschafter die Abweichung von der Satzung für einen Einzelfall, so wird dies vielmehr in aller Regel als Fassung eines Gesellschafterbeschlusses auszulegen sein, dessen Wirksamkeit sich nach den dafür maßgeblichen Kriterien beurteilt. Die vorrangige Auslegung wird eine Umdeutung daher nur in den seltensten Fällen ausschließen.

II. Nichtiges Rechtsgeschäft 1. Rechtsgeschäft Rechtsgeschäft im Sinne des § 140 BGB sind Rechtsgeschäfte jeder Art.24 Der Gedanke, dass Gesellschafterbeschlüsse unter diesem Gesichtspunkt einer Umdeutung nicht zugänglich sein könnten, kommt daher nur auf, sofern man deren rechtsgeschäftliche Qualität in Zweifel zieht. So fasst die ganz überwiegende Auffassung, zurückgehend auf v. Thur,25 den Gesellschafterbeschluss zwar als Rechtsgeschäft (sui generis) auf.26 Eine sich im Vordringen befindliche Auffassung sieht im Beschluss jedoch einen „Organakt“, der von der allgemeinen Rechtsgeschäftslehre

23 BGHZ 19, 269, 273 = NJW 1956, 297; Soergel/Hefermehl, § 140 Rn. 1; Staudinger2015/ Roth, § 140 Rn. 7. 24 Soergel/Hefermehl, § 140 Rn. 2; BeckOGK-BGB/Beurskens, § 140 Rn. 21; Staudin2015 ger /Roth, § 140 Rn. 9. 25 BGB AT I, S. 514. 26 BGHZ 65, 93, 97 = NJW 1976, 49, 50; MünchKommAktG/Arnold, § 133 Rn. 5; Hüffer/ Koch/Koch, § 133 Rn. 3; UHL/Hüffer/Schürnbrand, § 47 Rn. 3; Scholz/K. Schmidt, § 45 Rn. 18; Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, § 47 Rn. 4; M/H/L/S/Römermann, § 47 Rn. 9; Wicke, § 47 Rn. 2; Soergel/Hadding/Kießling, § 709 Rn. 24; MünchKommBGB/Schäfer, § 709 Rn. 51 m.w.N.; Wolf/Neuner sehen daher den Beschluss ausdrücklich als von § 140 BGB erfasst an, BGB AT, § 57 Rn. 2, S. 681; s. auch BGH NJW 2007, 2801 zum Beschluss einer WEGGemeinschaft.

176

Kap. 5: Erhaltung und Ermöglichung satzungsdurchbrechender Beschlüsse

losgelöst erscheint.27 Dabei geht es den Vertretern der Organakttheorie primär darum, das Zustandekommen des Beschlusses zu erklären; eine abschließende Aussage über die Anwendbarkeit der Vorschriften des allgemeinen Teils des BGB treffen sie hingegen nicht. Auch die Qualifikation des Beschlusses als Rechtsgeschäft wird nicht kategorisch ausgeschlossen.28 Die Einordnung des Gesellschafterbeschlusses als Organakt steht der Anwendung von § 140 BGB also nicht von vornherein entgegen. Eine wertende Betrachtung ergibt zugleich, dass der Beschluss einer Umdeutung zugänglich sein soll. Zweck des § 140 BGB ist, dem Parteiwillen zum (wirtschaftlichen) Erfolg zu verhelfen, wenn dieser Erfolg mit dem gewählten Mittel aus rechtlichen Gründen nicht erreicht werden kann.29 Kommt dieser Wille in einem Beschluss zum Ausdruck, so erscheint er nicht weniger schutzwürdig, als wenn er z. B. Gegenstand eines Vertrages geworden wäre. In beiden Fällen soll durch privatautonome Rechtsgestaltung ein wirtschaftlicher Erfolg herbeigeführt werden. Unerheblich ist, ob diese Gestaltung von natürlichen Personen, Gesellschaftern oder dem Organ Gesellschafterversammlung als Ganzem (so die Organakttheorie)30 ausgeht. Dazu passt, dass deren Vertreter eine Umdeutung des satzungsdurchbrechenden Beschlusses in eine schuldrechtliche Nebenabrede für möglich halten – was ohne die Annahme eines Rechtsgeschäfts zumindest im hier verstandenen Sinne ausgeschlossen wäre.31 Satzungsdurchbrechende Beschlüsse sind somit als Rechtsgeschäfte im Sinne des § 140 BGB zu qualifizieren. 2. Nichtigkeit des ursprünglichen Rechtsgeschäfts a) Grundsätzliche Nichtigkeit satzungsdurchbrechender Beschlüsse Um den satzungsdurchbrechenden Beschluss umdeuten zu können, muss er nach dem Wortlaut des § 140 BGB „nichtig“ sein. Entscheidend ist, dass dem Rechtsgeschäft die Gültigkeit versagt wird, unabhängig von der terminologischen Einordnung.32 Soweit die Satzungsdurchbrechung unwirksam ist, ist sie damit „nichtig“ im Sinne des § 140 BGB.

27 Ernst, FS Leenen, 1, 39 ff.; Roth/Altmeppen/Altmeppen, § 47 Rn. 3 m.w.N.; kritisch dazu Noack, GmbHR 2017, 792, 793. 28 Ernst, FS Leenen, 1, 39 ff. 29 Staudinger2015/Roth, § 140 Rn. 1; Soergel/Hefermehl, § 140 Rn. 1; Bork, BGB AT Rn. 1228, S. 485. 30 Roth/Altmeppen/Altmeppen, § 47 Rn. 3; Ernst, FS Leenen, 1, 9 ff., 25 ff. 31 Roth/Altmeppen/Altmeppen, § 53 Rn. 65. 32 Erman/Arnold, § 140 Rn. 8; Soergel/Hefermehl, § 140 Rn. 3; Staudinger2015/Roth, § 140 Rn. 14; MünchKommBGB/Busche, § 140 Rn. 12; Bork, BGB AT Rn. 1228, S. 485.

B. Voraussetzungen der Umdeutung

177

b) Ausschluss der Umdeutung wegen Heilbarkeit des Beschlusses? Die Annahme der zur Umdeutung erforderlichen Nichtigkeit scheidet jedoch aus, solange das Rechtsgeschäft geheilt werden kann.33 Wie die bisherige Untersuchung bereits ergeben hat, ist eine Heilung vielfach möglich.34 Damit ist die Frage zum Verhältnis zwischen Heilung und Umdeutung einer Satzungsdurchbrechung aufgeworfen. Sofern eine satzungsändernde Mehrheit nicht erreicht wird, ist der Beschluss unwirksam, ohne dass er einer Heilung zugänglich wäre.35 Einer Umdeutung steht damit insoweit nichts im Wege. Mangelt es dem Beschluss hingegen an der Beurkundung oder war die Ladung fehlerhaft, so ist er zwar nach Maßgabe des § 241 AktG (analog) nichtig. Eine Eintragung beseitigt jedoch dessen Fehlerhaftigkeit unter den Voraussetzungen des § 242 Abs. 1 bzw. 2 S. 1 AktG (analog). Der Beschlussmangel wird geheilt. Zweifelhaft ist jedoch, ob diese Heilungsmöglichkeit einer Umdeutung entgegensteht. Denn der Registerrichter darf nichtige Beschlüsse nicht eintragen, selbst wenn dadurch der Mangel geheilt werden würde.36 Nähme man an, die Umdeutung verlange, dass erst mit der Zurückweisung des Eintragungsantrags aufgrund der Beschlussnichtigkeit eine „ausreichende Nichtigkeit“ erreicht sei, bedeutete dies, die Möglichkeit zur Umdeutung deshalb auszuschließen, weil es aufgrund von rechtswidrigem Verhalten des Registerrichters noch zu einer Heilung kommen könnte. Dies erscheint absurd und den Gesellschaftern nicht zumutbar, zumal eine Heilung – rechtmäßiges Verhalten unterstellt – bereits im Zeitpunkt der Antragsstellung ausgeschlossen ist. Die Heilbarkeit des Beschlusses nach § 242 AktG (analog) schließt eine Umdeutung mithin nicht aus. Zuletzt kann eine Satzungsdurchbrechung deshalb unwirksam, aber heilbar sein, weil ihre Wirksamkeit noch von der Registereintragung abhängt.37 Denn auch eine mit satzungsändernder Mehrheit gefasste und ordnungsgemäß beurkundete Einzelfallabweichung wird erst mit ihrer Eintragung wirksam (§ 181 Abs. 3 AktG; § 54 Abs. 3 GmbHG; § 71 Abs. 1 S. 1 BGB).38 Dennoch ist die zur Umdeutung erforderliche Nichtigkeit in diesen Fällen nicht anzunehmen. Denn sofern sich der mit dem Rechtsgeschäft bezweckte Erfolg noch mit dem gewählten rechtlichen Mittel erreichen lässt, sind die Beteiligten nicht schutzwürdig.39 Hängt die Wirksamkeit des 33 BGH WM 1972, 461, 462; Staudinger2015/Roth, § 140 Rn. 14; MünchKommBGB/Busche, § 140 Rn. 12 m.w.N. 34 S. oben, Kapitel 5 § 1 B. 35 S. oben, Kapitel 5 § 1 B. I. 1. 36 BayObLGZ 1972, 126, 129; Scholz/Priester, § 54 Rn. 38; UHL/Ulmer/Casper, § 54 Rn. 48; MünchKommGmbHG/Harbarth, § 54 Rn. 70 m.w.N. 37 S. oben, Kapitel 5 § 1 B. I. 3. 38 MünchKommAktG/Stein, § 181 Rn. 70; dazu bereits oben, Kapitel 5 § 1 B. I. 39 Vgl. MünchKommBGB/Busche, § 140 Rn. 13.

178

Kap. 5: Erhaltung und Ermöglichung satzungsdurchbrechender Beschlüsse

Beschlusses also (nur) noch von der Eintragung ab, kann das gewählte Mittel noch zum Erfolg führen. Einer Umdeutung bedarf es damit gar nicht. Dass der Beschluss Satzungsbestimmungen widerspricht, kann der Registerrichter – im Gegensatz beispielsweise zur mangelnden Beurkundung – im Übrigen nicht zum Anlass nehmen, die Eintragung abzulehnen.40 Wenn und weil der Beschluss durch Eintragung somit noch wirksam werden kann, ist für eine Umdeutung kein Raum.

III. Wirksamkeit des Ersatzgeschäfts 1. Ersatzgeschäft als Entsprechung des nichtigen Rechtsgeschäfts Die Umdeutung setzt zudem voraus, dass das nichtige Rechtsgeschäft den Erfordernissen eines anderen Rechtsgeschäfts entspricht, § 140 BGB. Dieses Ersatzgeschäft kann seiner Rechtsnatur nach gleicher, aber auch verschiedener Art sein.41 Dass sich die Nebenabrede als schuldrechtlicher Vertrag42 von einem Beschluss typologisch unterscheidet,43 schließt eine Umdeutung also nicht aus. Das Ersatzgeschäft muss zudem jedoch insoweit mit dem nichtigen Rechtsgeschäft kongruieren, dass es – wenn auch nicht vollständig in ihm enthalten44 – den angestrebten Erfolg erreicht, ohne in seinen Wirkungen über das ursprünglich gewollte Geschäft hinauszugehen.45 Als bloß schuldrechtliche Vereinbarung zwischen den jeweils Beteiligten geht eine Nebenabrede nicht über das gewollte Geschäft hinaus, in ihrer Wirkung bleibt sie aber hinter einem – für alle Gesellschafter geltenden – Beschluss zurück.46 Stünde dies möglicherweise der erforderlichen Kongruenz entgegen? Dass das Ersatzgeschäft die Wirkungen des nichtigen Rechtsgeschäfts vollkommen erreicht, setzt die Umdeutung nicht voraus.47 Sowohl Aliud als auch Minus zum ur40

MünchKommGmbHG/Harbarth, § 54 Rn. 68; UHL/Ulmer/Casper, § 54 Rn. 45. Staudinger2015/Roth, § 140 Rn. 19. 42 MünchKommAktG/Pentz, § 23 Rn. 198; Baumbach/Hueck/Fastrich, § 3 Rn. 56; Hüffer/ Koch/Koch, § 23 Rn. 46 m.w.N. 43 Auch wenn die Rechtsnatur des Beschlusses umstritten ist, so handelt es sich nach ganz überwiegender Ansicht nicht um einen schuldrechtlichen Vertrag, MünchKommGmbHG/ Drescher, § 47 Rn. 8; M/H/L/S/Römermann, § 47 Rn. 9; ebenso bereits v. Thur, BGB AT I, S. 514. 44 Staudinger2015/Roth, § 140 Rn. 21 m.w.N.; a.A. insbesondere die Rspr., s. RGZ 121, 99, 106; BGHZ 20, 363, 370 = NJW 1956, 1198, 1200. 45 Soergel/Hefermehl, § 140 Rn. 4 f.; Staudinger2015/Roth, § 140 Rn. 21 f.; Erman/Arnold, § 140 Rn. 11; Zeiss, WM 1963, 906, 908. 46 Baumann/Reiß, ZGR 2 (1989), 157, 158 f.; Wachter, ErbR 2016, 114, 116; a.A. wohl Habersack, ZGR 1994, 354, 371 f. 47 Erman/Arnold, § 140 Rn. 11; MünchKommBGB/Busche, § 140 Rn. 17; vgl. RGZ 124, 28, 30; Flume, BGB AT II, § 32 9. e), S. 596 zufolge ist ein solches Zurückbleiben gar Voraussetzung. 41

B. Voraussetzungen der Umdeutung

179

sprünglichen Rechtsgeschäft genügen, da § 140 BGB die Privatautonomie unabhängig von der Wirkung des jeweiligen Rechtsgeschäfts schützen will, sofern dies dem hypothetischen Willen der Parteien entspricht.48 Auch wenn die Nebenabrede sich in ihrer Rechtsnatur vom Beschluss unterscheidet und in ihren Wirkungen hinter diesem zurückbleibt, steht dies der von § 140 BGB verlangten Kongruenz somit nicht entgegen. 2. Bestehen der Gültigkeitsvoraussetzungen Neben dieser (abstrakten) Kongruenz müssen die für das Ersatzgeschäft bestehenden (konkreten) Gültigkeitsvoraussetzungen gegeben sein.49 a) Voraussetzungen des Ersatzgeschäfts Inwieweit fehlende Tatbestandsmerkmale im Rahmen einer Umdeutung fingiert werden können, ist umstritten.50 Doch selbst wenn man voraussetzte, dass das Ersatzgeschäft der Sache nach bereits mit dem nichtigen Geschäft vorgenommen sein müsste, also keine Fiktion zuließe, ergäben sich im Hinblick auf die Umdeutung des Beschlusses in eine Nebenabrede keine Schwierigkeiten. Denn der Abschluss einer schuldrechtlichen Nebenabrede setzt nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen voraus, dass sich die Beteiligten hinsichtlich ihres Inhalts einigen (§§ 145 ff. BGB).51 Einer solchen Willensübereinkunft entspricht die Zustimmung zum Beschlussantrag, zumal die einzelnen Stimmabgaben Willenserklärungen darstellen.52 Da eine besondere Form zum Abschluss der Nebenabrede nicht einzuhalten ist, kommt sie grundsätzlich mit der Einigung der Beteiligten zustande.53 Die Gültigkeitsvoraussetzungen der Nebenabrede als Ersatzgeschäft liegen somit im Grundsatz vor. 48 Erman/Arnold, § 140 Rn. 11; BeckOGK-BGB/Beurskens, § 140 Rn. 49; Flume, BGB AT II, § 32 9. c), e), S. 594, 596; vgl. auch RG JW 1910, 801; als Mittel zur Durchsetzung der Privatautonomie schlösse bei entsprechendem Willen selbst eine nur teilweise Zweckerreichung die Umdeutung nicht aus, Staudinger2015/Roth, § 140 Rn. 24; Flume, BGB AT II, § 32 9. c), S. 594 f. 49 Staudinger2015/Roth, § 140 Rn. 23; Erman/Arnold, § 140 Rn. 12. 50 Ausdrücklich gegen die Möglichkeit einer Fiktion BGH NJW-RR 2009, 979, 981; MünchKommBGB/Busche, § 140 Rn. 72; RGRK/Krüger-Nieland/Zöller, § 140 Rn. 15; vgl. bereits RG JW 1938, 44, 45; dafür wohl Staudinger2015/Roth, § 140 Rn. 21; Soergel/Hefermehl, § 140 Rn. 4 m.w.N. 51 M/H/L/S/J. Schmidt, § 3 Rn. 94; näher Schön, Gesellschaftervereinbarungen, S. 82 f. 52 Ganz h.M., BGHZ 48, 163, 173 = NJW 1967, 1963, 1966; MünchKommGmbHG/ Drescher, § 47 Rn. 31; UHL/Hüffer/Schürnbrand, § 47 Rn. 44; Baumbach/Hueck/Zöllner/ Noack, § 47 Rn. 7 m.w.N.; MünchKommAktG/Arnold, § 133 Rn. 23 m.w.N.; Soergel/Hadding, § 32 Rn. 25; abweichend Roth/Altmeppen/Altmeppen, § 47 Rn. 48; Ernst, FS Leenen, 1, 18 ff. 53 MünchKommGmbHG/Wicke, § 3 Rn. 134; UHL/Ulmer/Löbbe, § 3 Rn. 40, 122; Baumbach/Hueck/Fastrich, § 3 Rn. 56; MünchKommAktG/Pentz, § 23 Rn. 198.

180

Kap. 5: Erhaltung und Ermöglichung satzungsdurchbrechender Beschlüsse

b) Zulässigkeit des Ersatzgeschäfts Allerdings darf nur in eine rechtlich zulässige Vereinbarung umgedeutet werden.54 Dies wirft die Frage auf, inwieweit Nebenabreden den Inhalt satzungsdurchbrechender Beschlüsse zulässigerweise abbilden können. aa) Abweichung von korporativen Satzungsbestandteilen Hat der Beschluss eine Abweichung von korporativen Satzungsbestandteilen zum Inhalt, scheidet eine Umdeutung des Beschlusses aus. Denn unabhängig davon, wie man die Reichweite des Satzungsvorbehalts festlegt und dadurch bestimmt, inwiefern Regelungsgegenstände überhaupt Gegenstand schuldrechtlicher Vereinbarungen sein können,55 sind Nebenabreden, die bereits bestehenden korporativen Bestimmungen widersprechen, unzulässig. Grund für die Unzulässigkeit solcher von der Satzung abweichender Nebenabreden ist, dass andernfalls die gesetzlich angelegte Trennung von satzungsrechtlicher und schuldrechtlicher Ebene insoweit aufgegeben werden müsste. Denn die Nebenabrede müsste in der Lage sein, zumindest für einen Einzelfall, die Geltung der Satzungsbestimmung außer Kraft zu setzen und damit denselben, ja noch einen höheren Geltungsrang zu beanspruchen als die Satzungsregelung. Der Grundsatz, dass schuldrechtliche Vereinbarungen nicht in die gesellschaftliche Ebene hineinwirken können, wäre deshalb zu überwinden. Die Beseitigung dieses sog. Trennungsprinzips erscheint jedoch mit geltendem Recht unvereinbar.56 So trennt das Gesetz nicht nur bereits in der Konzeption der Körperschaften zwischen Verhältnissen der Gesellschaft und solchen der Gesellschafter (vgl. § 13 Abs. 1 GmbHG, § 1 Abs. 1 AktG), es sieht die Satzung auch konkret als Rege54

Staudinger2015/Roth, § 140 Rn. 23. S. dazu UHL/Ulmer/Löbbe, § 3 Rn. 124 ff.; MünchKommGmbHG/Wicke, § 3 Rn. 132, 147; Roth/Altmeppen/Altmeppen, § 3 Rn. 18, 44; M/H/L/S/J. Schmidt, § 3 Rn. 93; MünchKommAktG/Pentz, § 23 Rn. 196; Wicke, DNotZ 2006, 419, 426 ff.; eingehend Noack, Gesellschaftervereinbarungen, S. 122 ff., 128 ff., 132 ff.; Joussen, Gesellschafterabsprachen, S. 134 ff., 137 ff.; Priester, FS Claussen, 319, 328 ff., 332 ff.; vgl. auch BGHZ 18, 205, 207 f. = NJW 1955, 1716; BGHZ 123, 15, 20 = NJW 1993, 2246, 2247. 56 Ebenso UHL/Ulmer/Löbbe, § 3 Rn. 130; MünchKommGmbHG/Wicke, § 3 Rn. 144; M/ H/L/S/Römermann, § 47 Rn. 536; Lutter/Hommelhoff/Bayer, § 3 Rn. 68; Rowedder/SchmidtLeithoff/Schnorbus, § 53 Rn. 7; KölnKommAktG/Arnold, § 23 Rn. 181; K. Schmidt/Lutter/ Seibt, § 23 Rn. 65; Spindler/Stilz/Limmer, § 23 Rn. 41 ff.; MünchKommAktG/Pentz, § 23 Rn. 196; Jäger, DStR 1996, 1935, 1939 f.; Dürr, BB 1995, 1365, 1367; Ulmer, NJW 1987, 1849, 1854; ders., FS Röhricht, 633, 652 f.; Winter, ZHR 154 (1990), 259, 268 ff., 278 ff.; Milch, Schuldrechtliche Absprachen, S. 42 f.; im Grundsatz auch Hüffer/Koch/Koch, § 23 Rn. 47; vgl. auch BGHZ 123, 15, 20, „organisationsrechtliche Regelungen“ seien einer Umdeutung nicht zugänglich; a.A. Noack, Gesellschaftervereinbarungen, S. 101, 113 ff., 122 ff., 128 ff. 132 ff.; Selentin, NZG 2020, 292, 297; ders., Satzungsdurchbrechungen, S. 69 ff., 72; sympathisierend Westermann, Nebenordnungen, S. 34 f., 39 ff.; Zöllner, RWS Forum 8, S. 89, 99 ff., 103 ff.; Priester, FS Claussen, 319, 335. 55

B. Voraussetzungen der Umdeutung

181

lungsort der Rechtsverhältnisse vor, die alle Gesellschafter binden (sollen), besondere Relevanz für Dritte beanspruchen oder sonst besondere Bedeutung für die Gesellschaft besitzen (s. nur § 3 GmbHG, § 23 Abs. 2 u. 3 AktG). Aktuelle, aber auch künftige Gesellschafter und andere Dritte sollen sich auf diesen Inhalt verlassen können.57 Nicht zuletzt deshalb ordnet das Gesetz ein spezielles, besonders rechtssicheres Verfahren zur Änderung solcher Bestimmungen an (§§ 53 f. GmbHG bzw. §§ 179 ff. AktG).58 Ließe man aber zu, dass eine Änderung auch außerhalb der Satzung und ohne Einhaltung dieser Vorschriften erfolgen könnte, so wäre nicht nur das Informationspotential des Handelsregisters stark vermindert, die Vorschriften über die Satzungsänderung selbst wären praktisch obsolet. Anhaltspunkte dafür, dass es Gesellschaftern gleichsam freigestellt werden sollte, ob sie sich des formalen Änderungsverfahrens bedienen oder einfach schuldrechtlich Abweichendes regeln, sind nicht erkennbar. Dabei macht es im Übrigen keinen Unterschied, ob nur eine gewisse Anzahl an Gesellschaftern oder gar die Gesellschaftergesamtheit an der Nebenabrede beteiligt ist. Die konzeptionelle Trennung von Körperschaft und Gesellschaftern, die dem Gesetz entspringt, kann nicht durch privaten Willen aufgehoben werden, selbst wenn eine noch so große Anzahl an Gesellschaftern dies wünscht. Denn auch wenn das GmbH-Recht die privatautonome Gestaltung der Rechtsverhältnisse in hohem Maße zulässt, bleibt die Bestimmung der grundlegenden Attribute einer Rechtsform dem Gesetzgeber vorbehalten. Das Trennungsprinzip aufzuheben würde jedoch eine Annäherung der Körperschaften an die Personengesellschaften in einer Weise bedeuten, die mit der Umgestaltung grundlegender struktureller Unterschiede zwischen den beiden Grundtypen der Gesellschaftsformen einherginge.59 Sie lässt sich deshalb nicht im Wege einer einfachen Rechtsfortbildung auf Grundlage von Zweckmäßigkeitserwägungen verwirklichen. Soll eine schuldrechtliche Gestaltung der körperschaftlichen Rechtsverhältnisse möglich sein, so hätte dem eine Modifikation einiger zentraler Grundsätze des Körperschaftsrechts vorauszugehen. Geht man deshalb davon aus, dass schuldrechtliche Absprachen geltendes Satzungsrecht nicht zu derogieren vermögen,60 bedeutet dies nichts anderes als die

57

MünchKommGmbHG/Wicke, § 3 Rn. 144. UHL/Ulmer/Löbbe, § 3 Rn. 130; MünchKommGmbHG/Wicke, § 3 Rn. 144. 59 Ähnlich UHL/Ulmer/Löbbe, § 3 Rn. 130. 60 Ebenso LG Frankfurt a. M. NZG 2015, 482, 484; KölnKommAktG/Arnold, § 23 Rn. 181; MünchKommAktG/Pentz, § 23 Rn. 196; Spindler/Stilz/Limmer, § 23 Rn. 41b; UHL/Ulmer/ Löbbe, § 3 Rn. 131; Jäger, DStR 1996, 1935, 1939 f.; Wachter, ErbR 2016, 114, 115, 120; Weber, Privatautonomie und Außeneinfluss, S. 360; wohl auch MünchKommGmbHG/Wicke, § 3 Rn. 144; Wolff, WiB 1997, 1009, 1017; Goette, RWS Forum 8, 113, 120, hinsichtlich organisationsrechtlicher Regelungen; Winter, RWS Forum 8, 131, 139, bzgl. dauerhafter Überlagerung der Satzung; a.A. Joussen, Gesellschafterabsprachen, S. 98 f., 106; Koch, AG 2015, 213, 217 f.; ähnlich Bürgers/Körber/Westermann, § 60 Rn. 11 sowie Harbarth/Zeyher/Brechtel, 58

182

Kap. 5: Erhaltung und Ermöglichung satzungsdurchbrechender Beschlüsse

Unwirksamkeit entsprechender Nebenabreden. Stünde die Nebenabrede also mit der materiellen Satzung in Konflikt, scheidet eine Umdeutung aufgrund der Unzulässigkeit des Ersatzgeschäftes aus. Dabei besteht keine Grundlage, Einzelfallabweichungen von dieser Beurteilung auszunehmen. Das Trennungsprinzip und die für seine Durchsetzung vorgebrachten Argumente gelten unabhängig davon, ob die Nebenabrede einen Einzelfall betrifft oder eine generelle Regelung. Der Verweis auf die Einmaligkeit der Abweichung räumt die dogmatischen Einwände von sich schon nicht aus, zumal aus einem Einzelfall ohne weiteres eine praktisch dauerhafte Regelung entstehen kann, wenn und weil sich bei Bedarf stets auf diese „Ausnahme“ rekurrieren lässt. Ein etwaiger Begrenzungsversuch innerhalb korporativer Satzungsbestandteile ist zudem mangels trennscharfer Kriterien zum Scheitern verurteilt. Denn in der Sache steht kein anderer Sachverhalt zu beurteilten, als der, der schon im Rahmen der Frage um die Zulässigkeit der Satzungsdurchbrechung unter Rückgriff auf Kriterien wie die „punktuelle Beschlusswirkung“ nicht zufriedenstellend gelöst werden konnte.61 Unwirksamen Einzelfallabweichungen von korporativen Satzungsbestandteilen kann somit mangels zulässigem Ersatzgeschäft nicht im Wege der Umdeutung zum Erfolg verholfen werden.62 bb) Abweichungen von indifferenten und von individuellen Satzungsbestandteilen (1) Indifferente Satzungsbestandteile Implizite Einzelfallabweichungen von im Ursprung indifferenten Bestandteilen sind nach der hier vertretenen Auffassung lediglich anfechtbar, sodass es einer Umdeutung nicht bedarf. Doch selbst wenn man hier Unwirksamkeit annähme, wäre eine Umdeutung unzulässig. Denn steht die Abweichung von indifferenten Bestandteilen in Rede, kommt es zunächst auf die wirkliche Rechtsnatur der Satzungsregelung an. Haben die Gesellschafter ihr Gestaltungswahlrecht dahingehend ausgeübt, die Regelung mit korporativer Wirkung zu treffen – was die Aufnahme der Bestimmung in die Satzung indiziert63 –, scheidet eine Umdeutung aus den bereits genannten Gründen aus. Eine abweichende Beurteilung rechtfertigt sich nicht daraus, dass die Gesellschafter indifferente Satzungsbestandteile auch von vornherein als Nebenabreden AG 2016, 801, 807 f. bzgl. der Abweichung von einer satzungsmäßigen Gewinnverteilungsregelung; vgl. Noack, Gesellschaftervereinbarungen, S. 132 ff., 139 ff. 61 S. oben, Kapitel 3 § 1 B. I. 2.; vgl. auch Weber, Privatautonomie und Außeneinfluss, S. 361. 62 Ebenso Roth/Altmeppen/Altmeppen, § 53 Rn. 65; vgl. auch MünchKommGmbHG/ Harbarth, § 53 Rn. 52. 63 S. zu dieser Vermutung bereits o., Kapitel 2 B. II.

B. Voraussetzungen der Umdeutung

183

hätten regeln und deshalb formfrei hätten abweichen können. Haben sie sich für eine korporative Bestimmung entschieden und damit gerade gegen eine individuelle Regelung oder eine Nebenabrede, so kann die Ausübung dieses Gestaltungswahlrechts nicht dadurch konterkariert werden, dass eine abweichende Bestimmung als Nebenabrede Wirksamkeit erlangt.64 Es gilt somit festzuhalten: Die Statuierung einer korporativen Satzungsbestimmung sperrt die Vereinbarung einer Nebenabrede entsprechenden Inhalts, auch wenn es sich im Ausgangspunkt um einen indifferenten Regelungsgegenstand handelt. Eine unwirksame Abweichung lässt sich deshalb auch insoweit nicht in eine Nebenabrede umdeuten. (2) Individuelle Satzungsbestandteile Soll hingegen von einem individuellen Satzungsbestandteil abgewichen werden, ist eine Umdeutung möglich. Da individuelle Bestandteile per definitionem nicht unter Satzungsvorbehalt stehen,65 kann deren Inhalt stets Gegenstand einer Nebenabrede sein. Die Annahme eines wirksamen Ersatzgeschäfts scheitert hier also nicht bereits an der Art des Satzungsbestandteils. Der Kontext, in dem eine Umdeutung relevant werden könnte, stellt sich aber grundlegend anders dar als bei der Abweichung von korporativen Satzungsbestandteilen. Denn die Änderung von individuellen Bestandteilen vollzieht sich außerhalb der Satzung, in der Regel nach den für das betreffende Rechtsverhältnis geltenden Vorschriften.66 Für die Wirksamkeit des ursprünglichen Rechtsgeschäfts ist daher nicht maßgeblich, wie man die Zulässigkeit der Satzungsdurchbrechung beurteilt, sondern ob die für das betroffene Rechtsverhältnis geltenden Anforderungen eingehalten wurden.67 Soll z. B. von einer in die Satzungsurkunde aufgenommenen, schuldrechtlichen Vereinbarung abgewichen werden, beurteilt sich die Wirksamkeit dieser Abweichung vertraglichen Prinzipien entsprechend grundsätzlich nur danach, ob ein hinreichender Konsens gegeben war.68 Fehlt es daran, ist die

64 Vgl. bereits die Argumente unter B. III. 2. b) aa); vgl. auch M/H/L/S/Römermann, § 47 Rn. 536; MünchKommGmbHG/Wicke, § 3 Rn. 144. 65 BGHZ 18, 205, 208 = NJW 1955, 1716; MünchKommGmbHG/Wicke, § 3 Rn. 103 m.w.N. 66 Baumbach/Hueck/Fastrich, § 3 Rn. 54; MünchKommGmbHG/Wicke, § 3 Rn. 108; MünchKommGmbHG/Harbarth, § 53 Rn. 9, 24; M/H/L/S/J. Schmidt, § 3 Rn. 88; UHL/ Ulmer/Casper, § 53 Rn. 8, 31; Roth/Altmeppen/Altmeppen, § 53 Rn. 9; MünchKommAktG/ Stein, § 179 Rn. 31; Hüffer/Koch/Koch, § 23 Rn. 5 m.w.N.; MünchKommBGB/Leuschner, § 33 Rn. 4 m.w.N. 67 Vgl. Baumbach/Hueck/Fastrich, § 3 Rn. 54; MünchKommGmbHG/Wicke, § 3 Rn. 108; Wicke, DNotZ 2006, 419, 422; Priester, DB 1979, 681, 684; Wachter, ErbR 2016, 114, 116, 118. 68 Vorbehaltlich abweichender Vereinbarung gilt das Einstimmigkeitsprinzip, MünchKommGmbHG/Wicke, § 3 Rn. 134; Scholz/Priester, § 53 Rn. 17. Eine Form gilt es grds. nicht einzuhalten, Baumbach/Hueck/Fastrich, § 3 Rn. 54; Priester, DB 1979, 681, 684 f.

184

Kap. 5: Erhaltung und Ermöglichung satzungsdurchbrechender Beschlüsse

Abweichung bereits mangels Einigung unwirksam, ohne dass auf eine die Unwirksamkeit begründende Satzungsdurchbrechung ankäme. Für die Umdeutung eines Beschlusses, der die Abweichung von individuellen Satzungsbestandteilen zum Gegenstand hat, bedeutet dies Folgendes: Sofern sich der „Beschluss“ als Antrag zu einer Abweichung auslegen lässt, die bei Erreichen der Voraussetzungen wirksam ist, scheidet eine Umdeutung aus. Es fehlt bereits an einem „nichtigen Rechtsgeschäft“ im Sinne des § 140 BGB. Kommt die Abweichung hingegen deshalb nicht zu Stande, weil diesbezüglich kein hinreichender Konsens erreicht werden konnte, kann ihr auch im Wege der Umdeutung nicht zur Wirksamkeit verholfen werden.69 Denn wo es bereits an einer Willensübereinkunft fehlt, kann auch die Konversion eine solche nicht zustande bringen. Die Umdeutung erscheint daher allein in Fällen relevant, in denen nicht bereits durch Auslegung dem Rechtsgeschäft zur Wirksamkeit verholfen werden kann. cc) Zwischenergebnis Betrifft die Satzungsdurchbrechung korporative Satzungsbestandteile, ist eine Umdeutung des Beschlusses in eine Nebenabrede ausgeschlossen. Hinsichtlich individueller Bestandteile kommt die Anwendung von § 140 BGB zwar in Betracht. Ihr tatsächlicher Anwendungsbereich ist aber beschränkt, da sie einen bestehenden Konsens grundsätzlich nicht zum Erfolg zu führen braucht und einen fehlenden nicht zu substituieren vermag.

IV. Subjektive Voraussetzungen 1. Hypothetischer Wille der beteiligten Gesellschafter Auch wenn objektiv nichts der Wirksamkeit des Ersatzgeschäfts entgegensteht, so gilt dieses nur, wenn dessen Geltung von den Beteiligten bei Kenntnis der Nichtigkeit gewollt sein würde, § 140 BGB. Ein solcher hypothetischer Wille, der nach den Grundsätzen der ergänzenden Vertragsauslegung zu ermitteln ist,70 wird in Ermangelung entgegenstehender Anhaltspunkte anzunehmen sein, wenn das Ersatzgeschäft einen entsprechenden Erfolg zwischen den Beteiligten realisiert wie das nichtige Rechtsgeschäft.71 Was Gesellschafter gewollt haben würden, muss wie jede auslegende Betrachtung nach den Umständen des Einzelfalls beurteilen werden. Sofern aber die Zustimmenden zumindest die Geltung der Regelung untereinander gewollt haben würden, 69 BGH WM 1973, 67; Erman/Arnold, § 140 Rn. 9; Staudinger2015/Roth, § 140 Rn. 17; MünchKommBGB/Busche, § 140 Rn. 12, 14 m.w.N. 70 Palandt/Ellenberger, § 140 Rn. 8; Staudinger2015/Roth, § 140 Rn. 25. 71 Staudinger2015/Roth, § 140 Rn. 25.

B. Voraussetzungen der Umdeutung

185

also die Geltung der Regelung als solcher, unabhängig vom rechtlichen Mittel, steht der Umdeutung in einer Nebenabrede grundsätzlich nichts entgegen. Sieht man den erstrebten Erfolg im Bestehen der Bestimmung, wird er in entsprechender Weise auch in Form einer Nebenabrede realisiert.72 Finden sich aber entgegenstehende Anhaltspunkte, die darauf hindeuten, dass beispielsweise die Regelung nur in Form einer Satzungsbestimmung erfolgen sollte oder aber selbst die zustimmenden Gesellschafter eine Nebenabrede dieses Inhalts nicht vereinbart hätten, schließt dies eine Umdeutung aus.73 2. Keine Kenntnis der Nichtigkeit Kennen die Beteiligten die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts, ist eine Umdeutung ausgeschlossen.74 Die bei § 140 BGB anzustellende Betrachtung, was „bei Kenntnis der Nichtigkeit gewollt sein würde“, kann in diesem Fall schon gar nicht erfolgen. Des Weiteren sind die Beteiligten wertungsmäßig nicht schutzwürdig, wenn sie in vollem Bewusstsein der Unwirksamkeit das Geschäft trotzdem vornehmen.75 Ob eine die Umdeutung ausschließende Kenntnis im Einzelfall vorliegt, kann naturgemäß wiederum nicht pauschal beantwortet werden. Aber: Wer die Satzung zu durchbrechen sucht, wird zum Zeitpunkt der Beschlussfassung76 davon ausgehen, dass sie Erfolg haben wird, der Erfolg also eintreten wird. Inwiefern satzungsdurchbrechende Beschlüsse tatsächlich unwirksam sind, lässt sich aufgrund des verwirrenden Meinungsstands kaum erkennen. Dazu kommt, dass selbst ein Kennenmüssen um die Unwirksamkeit eine Umdeutung nicht ausschließt.77 Selbst wenn man also annähme, dass die Nichtigkeit der Satzungsdurchbrechung erkennbar wäre, stünde dies einer Umdeutung nicht entgegen, wenn man zu dem Schluss kommt, dass die Gesellschafter bei Beschlussfassung von der Rechtsmäßigkeit ihres Vorgehens ausgingen. An der Kenntnis der Nichtigkeit dürfte die Umdeutung einer Satzungsdurchbrechung daher regelmäßig nicht scheitern.

72 Die bloße Verpflichtung zur Satzungsänderung hat keinen entsprechenden unmittelbaren Erfolg, weshalb die Voraussetzung einer dahingehenden Umdeutung wohl selten vorliegen werden (dafür aber Leitzen, RNotZ 2010, 566, 573). 73 Vgl. Soergel/Hefermehl, § 140 Rn. 9. 74 Soergel/Hefermehl, § 140 Rn. 9; Staudinger2015/Roth, § 140 Rn. 28 m.w.N. 75 Erman/Arnold, § 140 Rn. 14. 76 Für den Zeitpunkt der Kenntnis ist die Vornahme des nichtigen Rechtsgeschäfts maßgeblich, BGHZ 40, 218, 233 = NJW 1964, 347, 348; Erman/Arnold, § 140 Rn. 14; Staudinger2015/Roth, § 140 Rn. 27. 77 Staudinger2015/Roth, § 140 Rn. 28.

186

Kap. 5: Erhaltung und Ermöglichung satzungsdurchbrechender Beschlüsse

C. Relevanz der Umdeutung für „Satzungsdurchbrechungen“ in Personengesellschaften Auch eine Durchbrechung des Gesellschaftsvertrags von Personengesellschaften ist denkbar. Ein entsprechender Beschluss wäre nach der hier vertretenen Ansicht unwirksam,78 sodass er die Voraussetzung des nichtigen Rechtsgeschäfts im Sinne des § 140 BGB erfüllen würde. Auch im Hinblick auf die Zulässigkeit des Ersatzgeschäfts stünde einer Umdeutung nichts entgegen, da zwischen der Sphäre der Gesellschaft und der Sphäre der Gesellschafter bei Personengesellschaften nicht differenziert zu werden braucht, sodass sich die erörterten Schwierigkeiten um die Zulässigkeit des Ersatzgeschäfts nicht stellen. Bei entsprechender Willensrichtung bestehen für das Personengesellschaftsrecht, im Unterschied zum Körperschaftsrecht, somit keine grundlegenden Vorbehalte gegen eine Umdeutung unwirksamer Beschlüsse. Bei genauerer Betrachtung besitzt § 140 BGB dennoch einen bloß geringen Anwendungsbereich, was Einzelfallabweichungen vom Gesellschaftsvertrag betrifft. Die Rechtslage ist mit der bei den individuellen Satzungsbestandteilen der Körperschaftssatzungen vergleichbar.79 Ist eine satzungsändernde Mehrheit nicht erreicht, hilft die Umdeutung nicht weiter, um den Beschluss für die Gesellschaftergesamtheit aufrechtzuerhalten. Wo sinnvoll, ist aber eine Erhaltung des Beschlussinhalts unter den Zustimmenden als „Nebenvertrag“ möglich. Scheitert der Beschluss an weiteren (statutarischen) Voraussetzungen, kann der Mangel nicht „weggedeutet“ werden. Denn die Umdeutung darf nicht dazu führen, dass ein Unwirksamkeitsgrund umgangen wird.80 Das Verschieben auf eine andere Ebene, auf der der Unwirksamkeitsgrund nicht greift – wie dies im Verhältnis Körperschaft – Gesellschafter zumindest denkbar ist –, ist unmöglich, da nur eine Ebene existiert. Vorstellbar ist daher wiederum allein, dass der gescheiterte Beschluss aller Gesellschafter als neuer (Gesellschafts-) Vertrag zwischen den Zustimmenden fortbesteht. Geht der hypothetische Wille der Zustimmenden dahin, kann entsprechend umgedeutet werden.

78

S. oben, Kapitel 4 § 5. Eine Differenzierung zwischen korporativen und individuellen Satzungsbestandteilen findet im Personengesellschaftsrecht nicht statt. Der gesamte Gesellschaftsvertrag besitzt stets „individuellen“ Charakter, Habersack/Schäfer/Schäfer, OHG, § 109 Rn. 5. 80 Vgl. Erman/Arnold, § 140 Rn. 12; Soergel/Hefermehl, § 140 Rn. 5 f. 79

D. Ergebnisse

187

D. Ergebnisse Der potentielle Anwendungsbereich81 von § 140 BGB auf Fälle der unwirksamen Satzungsdurchbrechung ist enger als wohl bisher vielfach vermutet. Steht die Abweichung von korporativen Satzungsbestandteilen in Rede, ist für eine Umdeutung kein Raum. Insoweit, als korporative Regelungen überhaupt Gegenstand einer schuldrechtlichen Vereinbarung sein können, bewirkt ihre Aufnahme in die Satzung die Unzulässigkeit entgegenstehender Nebenabreden – eine Umdeutung muss daher am Fehlen eines wirksamen Ersatzgeschäfts scheitern. Neben korporativen Bestimmungen kennt das Körperschaftsrecht nur individuelle Bestandteile. Diese sind einer Regelung in Nebenabreden zugänglich. Auch der Erfüllung der übrigen Voraussetzungen des § 140 BGB steht grundsätzlich nichts entgegen. Zu beachten ist jedoch, dass es in der Sache nicht um eine Durchbrechung der Satzung in dem Sinne geht, dass trotz Missachtung des Satzungsänderungsverfahrens eine wirksame Einzelfallabweichung herbeigeführt werden soll. Die Änderung individueller Bestandteile vollzieht sich außerhalb der Satzung nach entsprechenden Regeln, sodass es um die Frage geht, ob diese Änderungsvoraussetzungen erfüllt sind. Eine vorauszugehende Auslegung hat dabei zu ermitteln, welche Art von Regelung gewollt war und ob diese möglicherweise schon wirksam zustande gekommen ist. Bleibt es nach dieser Auslegung bei einem unwirksamen Rechtsgeschäft, sind die Voraussetzungen der Umdeutung zu prüfen. Einen Dissens kann sie dabei jedoch nicht überwinden. Bei den Personengesellschaften liegt es ähnlich. Sollte tatsächlich ein Fall der unwirksamen Vertragsdurchbrechung festzustellen sein, ist eine Umdeutung grundsätzlich möglich. Sie kann jedoch weder fehlende Mehrheiten ersetzen noch die Umgehung des Nichtigkeitsgrunds selbst bewirken. Eine fehlgeschlagene Einzelfallabweichung wird sich unter diesen Umständen allenfalls in eine schuldrechtliche Vereinbarung zwischen den zustimmenden Gesellschaftern umdeuten lassen.

81 Ob die Voraussetzungen einer Umdeutung vorliegen, lässt sich nicht pauschal beantworten (vgl. Jauernig/Mansel, § 140 Rn. 7). Bei einer Norm, deren konkrete Anwendung u. a. vom Willen der Beteiligten abhängt, kann eine Untersuchung nur deren möglichen Anwendungsbereich aufzeigen.

188

Kap. 5: Erhaltung und Ermöglichung satzungsdurchbrechender Beschlüsse

§ 3 Öffnungsklauseln A. Überblick In der Praxis sind Öffnungsklauseln seit langem weit verbreitet,82 neuerdings hatte sich auch die Rechtsprechung immer wieder mit diesen zu beschäftigen.83 Unter Öffnungsklausel wird gemeinhin eine Satzungsbestimmung verstanden, die Abweichungen von ihrer Regelung, gewöhnlich durch einfachen Gesellschafterbeschluss,84 zulässt.85 Solche Klauseln sind zum Dispens von gesellschaftsrechtlichen Wettbewerbsverboten oder zur statutsabweichenden Gewinnverteilung äußerst gebräuchlich, ebenso aber für die Einrichtung von Aufsichtsräten verbreitet.86 Im Zuge neuerer Entscheidungen des Kammergerichts war die zulässige Reichweite von Öffnungsklauseln vermehrt in die Diskussion geraten, insbesondere sollte eben genannte Einführung eines Aufsichtsrats auf Grundlage einer Öffnungsklausel nicht möglich sein.87 Wenngleich der BGH zumindest letzteren Streitpunkt jüngst klären konnte,88 bedarf es im Interesse der Rechtssicherheit näherer Untersuchung, ob sich die Zulässigkeit von Öffnungsklauseln nicht allgemein bestimmen lässt. Insoweit lassen sich auch noch nach der BGH-Entscheidung Defizite ausmachen, deren Beseitigung sich der folgende Abschnitt widmen will. Zunächst wird dazu die Entwicklung der Rechtsprechung nachgezeichnet, kritisiert und auf die darauf Bezug nehmende Literatur eingegangen. Darauf aufbauend hebt der Verfasser den Satzungsvorbehalt als den für die Reichweite von Öffnungsklauseln bestimmenden Faktor hervor, bevor ein die Erkenntnisse zusammenfassendes Fazit die Erörterung schließt.

82 Vgl. Lorz/Pfisterer/Gerber/Rombach, Formularbuch GmbH-Recht, C. II. 2.; Otto, GmbHR 2016, 19, 20; BGH NJW 2019, 3155, 3161. 83 S. BGH NJW 2019, 3155; KG GmbHR 2018, 361. 84 MünchKommGmbHG/Harbarth, § 53 Rn. 47; Scholz/Priester, § 53 Rn. 27a m.w.N.; s. auch BGHZ 80, 69 = NJW 1981, 1512, 1513; die Satzung kann Mehrheiten, Formalien und Verfahren zum Gebrauch der Öffnungsklausel freilich anderweitig regeln. 85 KG GmbHR 2018, 361; BayObLG GmbHR 2001, 728 f.; Scholz/Priester, § 53 Rn. 27a; Roth/Altmeppen/Altmeppen, § 53 Rn. 57; Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, § 53 Rn. 27; MünchKommGmbHG/Harbarth, § 53 Rn. 47; Rowedder/Schmidt-Leithoff/Schnorbus, § 53 Rn. 48; UHL/Ulmer/Casper, § 53 Rn. 40; Lutter/Hommelhoff/Bayer, § 53 Rn. 33; Henssler/ Strohn/Gummert, § 53 GmbHG Rn. 12; Wicke, § 53 Rn. 20; Priester, FS W. Müller, 113, 118. Zum wertungsmäßig vergleichbaren Problem der Mehrheitsklauseln im Personengesellschaftsrecht s. MünchKommHGB/Enzinger, § 119 Rn. 60 ff.; Baumbach/Hopt/Roth, Rn. 35 ff. 86 Vgl. Rowedder/Schmidt-Leithoff/Schnorbus, § 53 Rn. 48; Roth/Altmeppen/Altmeppen, § 53 Rn. 57; Lutter/Hommelhoff/Bayer, § 53 Rn. 33; Otto, GmbHR 2016, 19 f.; ders., GmbHR 2018, 367. 87 KG GmbHR 2016, 29 = NZG 2016, 787; KG GmbHR 2018, 361 = NZG 2018, 660. 88 BGH NJW 2019, 3155.

B. Entwicklung der Rechtsprechung und Echo in der Literatur

189

B. Entwicklung der Rechtsprechung und Echo in der Literatur Obwohl bereits Zweifel bezüglich der Frage bestanden, in welchem Umfang von Öffnungsklauseln zulässigerweise Gebrauch gemacht werden kann,89 gingen Rechtsprechung und Literatur in der Vergangenheit meist unkritisch von einem weiten Anwendungsbereich aus.90 In der einschlägigen Judikatur war durchweg (jedoch meist stillschweigend) von der Wirksamkeit solcher Klauseln ausgegangen worden, sofern die Frage überhaupt aufgeworfen wurde.

I. Rechtsprechung des Reichsgerichts So beschäftigt sich die wohl erste Entscheidung, ein Urteil des RG aus dem Jahre 1934,91 ausführlich mit der Frage, ob ein Aufsichtsrat deshalb schon gar nicht bestanden habe, weil ein vorgesehenes Mitglied seine Bestellung nicht angenommen hatte, nicht aber dem vorgelagerten Problem, ob ein Aufsichtsrat über eine Öffnungsklausel eingerichtet werden kann.92 Dabei bestehen einige Anzeichen, dass das RG die nachträgliche Einführung des Aufsichtsrats durch einfachen Beschluss für zulässig hielt.93 In diesem konkreten Fall war es so, dass § 8 des Gesellschaftsvertrags bereits detailliert die Rechte und Pflichten dieses Organs sowie das genaue Verfahren seiner Beschlussfassung bis hin zur Form der Stimmabgabe regelte.94 Zudem erfolgte die „Bildung“ des Aufsichtsrats durch einen Beschluss der Gesellschafterversammlung, der „in unmittelbarem Anschluss an den Gründungsvorgang“ gefasst wurde. Es ist aus der Entscheidung nicht klar ersichtlich, ob überhaupt über Einrichtung und Wahl getrennt Beschluss gefasst wurde oder besagte „Bildung“ nicht vielmehr nur die Wahl zum Gegenstand hatte.95 Eindeutige Aussagen lassen sich der Entscheidung letztlich nicht entnehmen.

89

Krit. bereits Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, 20. Aufl. 2013, § 53 Rn. 27. Vgl. BayObLG GmbHR 2001, 728; OLG München MittBayNot 2011, 416; MünchKommGmbHG/Harbarth, § 53 Rn. 47; Wicke, § 53 Rn. 20; Scholz/Priester, § 53 Rn. 27a; Lutter/Hommelhoff/Bayer, § 53 Rn. 33. 91 RG, Urt. v. 2. 11. 1934 – II 186/34 – RGZ 146, 145. 92 Vgl. RGZ 146, 145, 146 ff.; die Beklagten hatten selbst auch nicht die grundsätzliche Unzulässigkeit der Klausel moniert, sondern bloß darauf abgestellt, dass der Aufsichtsrat nie beschlussfähig gewesen sei, weil er nicht die vorgeschriebene Mindestmitgliederzahl erreicht habe. 93 RGZ 146, 145, 150, 154. 94 RGZ a.a.O., S. 146, 151. 95 RGZ a.a.O., S. 146. 90

190

Kap. 5: Erhaltung und Ermöglichung satzungsdurchbrechender Beschlüsse

II. Frühere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Bis zum Urteil vom 02. 07. 2019 war der BGH, soweit ersichtlich, in nur drei Entscheidungen mit Bestimmungen konfrontiert, die eine Abweichung von der Satzung zuließen. Er entschied in diesen Fällen wie das RG nicht zu der Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Öffnungsklausel zulässig ist. Im ersten Fall sah der II. Senat den Dispens von einem statutarischen Wettbewerbsverbot mit einfacher Mehrheit als zulässig an, da § 9 der GmbH-Satzung diese Möglichkeit vorsah.96 In einem kurz darauf ergangenen Urteil,97 das eine Abweichung von der Höhe des Vergütungsanspruchs von Beiratsmitgliedern zum Gegenstand hatte, interpretierte der II. Senat die Ausnahmebestimmung im Gesellschaftsvertrag nicht als Öffnungsklausel und sah im Übrigen ihre Voraussetzungen als nicht erfüllt an.98 Im dem dritten Urteil99 zugrunde liegenden Fall sah der Gesellschaftsvertrag vor, dass die Gesellschaft einen Aufsichtsrat durch Beschluss der Gesellschafterversammlung bilden konnte. Der Rechtsstreit drehte sich aber um die Amtszeit der einzelnen Mitglieder, nicht um die Einrichtung des Organs selbst. Der Senat scheint in seiner Entscheidung zwar vom Bestehen des Aufsichtsrats ausgegangen zu sein. Da die Frage, ob dieser jemals wirksam eingerichtet wurde, jedoch nicht aufgeworfen wird, ist der Entscheidung nichts zu den Voraussetzungen der Einrichtung eines Aufsichtsrats per Öffnungsklausel zu entnehmen. Bezeichnenderweise fällt der Begriff „Öffnungsklausel“ in keinem der drei Urteile. Konkrete Anhaltspunkte zur zulässigen Reichweite von Öffnungsklauseln enthalten diese Entscheidungen mithin nicht.100

III. Obergerichtliche Rechtsprechung Konkreter äußerten sich die Obergerichte. Das BayObLG entschied im Jahre 2001, dass eine Klausel, nach welcher der ausgeschüttete Gewinn den Gesellschaftern entsprechend ihrer Geschäftsanteile zustehen sollte, soweit sie nicht unter Zustimmung des Betroffenen etwas anderes beschlössen, entgegen der Auffassung der Vorinstanz zulässig und deshalb eintragungsfähig sei.101 Zwar werde zu Recht verlangt, dass die Satzung die Regelung selbst enthalten müsse; dies stehe aber der Zulässigkeit einer solchen Öffnungsklausel nicht entgegen. Eine eingehende Begründung dieses Ergebnisses erfolgt zwar nicht. Der Senat verweist aber darauf, dass 96 BGHZ 80, 69 = BGH NJW 1981, 1512, 1513. Dies stützt allenfalls die (wohl unumstrittene) These, dass für eine Abweichung auf Grundlage einer Öffnungsklausel grds. die einfache Mehrheit genügt, s. bereits dieses Kapitel 5, Fn. 84. 97 BGH ZIP 1981, 1205. 98 BGH a.a.O., S. 1206. 99 BGHZ 123, 15 = NJW 1993, 2246. 100 So bereits KG GmbHR 2016, 29, 30; Priester, NZG 2016, 774, 775. 101 BayObLG GmbHR 2001, 728.

B. Entwicklung der Rechtsprechung und Echo in der Literatur

191

ausreichende Publizität deshalb gewahrt sei, weil der Rechtsverkehr über die Möglichkeit einer abweichenden Verteilung durch Bestimmung der Gesellschafter informiert werde.102 Im Übrigen sei die Regelung auch hinreichend bestimmt, denn es handele sich um die Zulassung lediglich punktueller Abweichungen für die Gewinnverteilung eines jeweiligen Geschäftsjahres.103 Der Senat führt damit die im Rahmen der Satzungsdurchbrechung etablierten Kriterien104 (punktuell – zulässig; zustandsbegründend – unzulässig) zur Bewertung der Zulässigkeit einer Öffnungsklausel (erstmalig) ein. Quasi obiter bemerkt er, dass ein auf der Öffnungsklausel beruhender Beschluss auch keine Satzungsdurchbrechung darstelle, da deren „formale[n] Probleme“ durch Statuierung einer Öffnungsklausel gerade vermieden würden.105 Weshalb aber diese Kriterien auch hier Geltung beanspruchen könnten, bleibt im Dunkeln, zumal es nach Auffassung des Senats ja gerade nicht um eine Satzungsdurchbrechung ging. In einem Fall vor dem OLG München106 wurde eine sehr ähnliche Klausel erneut unter Rückgriff auf die nur „punktuelle“ Abweichungsbefugnis für zulässig gehalten. Minderheitsinteressen waren in jenem Fall schon deshalb nicht tangiert, da für die statutsabweichende Gewinnverteilung ein einstimmiger Beschluss erforderlich war. Das OLG München entschied im Jahre 2012 ein weiteres Mal im Zusammenhang mit einer Öffnungsklausel.107 Der Senat hielt die Einrichtung eines Beirats auf Grundlage einer Öffnungsklausel für wirksam. Einwände der Klägerin gegen die Zulässigkeit der hierzu in der Satzung vorgesehenen einfachen Mehrheit seien nicht begründet. Gleichwohl thematisieren weder Klägerin noch Senat die grundsätzliche Zulässigkeit einer Öffnungsklausel mit nur einem Wort.108 Obwohl diese Entscheidungen Öffnungsklauseln und deren Zulässigkeit explizit behandeln, erläutern sie nicht die Anforderungen an Reichweite und Umfang (wenn auch die grundsätzliche Erforderlichkeit einer Satzungsregelung ausdrücklich anerkannt wird). Vielmehr ordnet beispielsweise der Senat des BayObLG die streitgegenständliche Klausel als „Öffnungsklausel“ ein und begnügt sich mit der Leerformel, dass sich „die Probleme“ hier nicht stellten.109 Weshalb und inwieweit dem Satzungsvorbehalt, den er selbst anerkennt, Genüge getan ist, wird nicht begründet. Zusammenfassend ging die Rechtsprechung, ihr bisweilen unkritisch folgend ebenso die Literatur,110 von der grundsätzlichen Zulässigkeit von Öffnungsklauseln aus, 102

BayObLG a.a.O., S. 729. BayObLG a.a.O., S. 728 f. 104 Zu diesen eingehend oben, Kapitel 3 § 1 B. I. 2., C. I. 2. 105 BayObLG GmbHR 2001, 728, 729. 106 OLG München MittBayNot 2011, 416. 107 OLG München ZIP 2012, 1756. 108 OLG München a.a.O., S. 1757. 109 BayObLG GmbHR 2001, 728 f. 110 UHL/Ulmer/Casper, § 53 Rn. 40; MünchKommGmbHG/Harbarth, § 53 Rn. 47; Lutter/ Hommelhoff/Bayer, § 53 Rn. 33; Scholz/Priester, § 53 Rn. 27a; Wicke, § 53 Rn. 20. 103

192

Kap. 5: Erhaltung und Ermöglichung satzungsdurchbrechender Beschlüsse

ohne sich aber mit der Frage der Reichweite einer solchen Zulässigkeit näher zu beschäftigen.

IV. Die Entscheidungen des Kammergerichts 1. Gegenstand der Entscheidung und tragende Gründe Mit der Entscheidung des Kammergerichts vom 23. 07. 2015,111 bestätigt im Jahre 2017,112 war diese weit überwiegende Ansicht in Zweifel gezogen worden. Der 23. Senat hielt eine Öffnungsklausel, aufgrund welcher ein Aufsichtsrat durch einfachen Gesellschafterbeschluss eingeführt werden kann, für unwirksam. Im Urteil bezeichnet der Senat es als einen „Grundsatz, dass Beschlüsse, die dauerhaft einen von der Satzung abweichenden rechtlichen Zustand begründen, ohne Einhaltung der für eine Satzungsänderung geltenden Formvorschriften unwirksam“ seien und bezieht sich hierbei auf die Entscheidung des BGH zur Satzungsdurchbrechung aus dem Jahre 1993.113 Dementsprechend lasse die Rechtsprechung Öffnungsklauseln zu, wenn diese in ihrer Wirkung einer punktuellen Satzungsdurchbrechung entsprächen.114 Die bisherige obergerichtliche Rechtsprechung betreffe auch nur derartige Klauseln, also solche, die keine dauernde Änderung der Gesellschaftsverfassung, sondern nur punktuelle Abweichungen von der Satzung im Einzelfall zuließen.115 Da aber eine „tiefgreifende Änderung“ der Gesellschaftsverfassung wie die vorliegende stets eine den §§ 53 f. GmbHG unterliegende Satzungsänderung erfordere, sei eine wirksame Regelung nicht erfolgt.116 Denn die Ermächtigung zur Regelung durch Öffnungsklausel sei nicht die Regelung selbst. Die Einrichtung des Aufsichtsrats hätte somit einer (weiteren) Satzungsänderung bedurft und war in Ermangelung einer solchen unwirksam.117 2. Aufnahme der Entscheidungen des Kammergerichts im Schrifttum Neben teils vehementer Ablehnung,118 haben die Entscheidungen des Kammergerichts in der Literatur auch Zustimmung erfahren.119 Kritisiert wurde zum einen, 111

KG GmbHR 2016, 29. KG GmbHR 2018, 361. 113 BGHZ 123, 15 = NJW 1993, 2246. 114 KG GmbHR 2016, 29, 30 f. 115 KG a.a.O., S. 31. 116 KG ebd. 117 KG ebd.; s. auch KG GmbHR 2018, 361, 365 f. 118 Priester, NZG 2016, 774; Otto, GmbHR 2016, 19; ders., GmbHR 2018, 367; Reichard, GWR 2018, 271; Bayer/Selentin, GmbHR 2020, 1, 2. 119 Weiß, EWiR 2016, 267, 268: „zutreffend herausgearbeitet“; Schodder, EWiR 2018, 457: „gut nachvollziehbare Rechtsauffassung“; Lohr, GmbH-StB 2018, 302; M/H/L/S/Hoffmann, 112

B. Entwicklung der Rechtsprechung und Echo in der Literatur

193

dass der größeren Flexibilität, die Öffnungsklauseln erlauben, als praktischem Vorteil nicht genügend Gewicht eingeräumt worden sei.120 Der Senat verkenne zum anderen, dass auch mit einer Satzungsregelung, die einen Aufsichtsrat explizit und eindeutig vorsehe, dieser noch nicht bestehe, es immer noch eines Gesellschafterbeschlusses zu dessen Besetzung bedürfe, sofern diese nicht bereits zuvor entschieden worden sei.121 Die Gesellschafter hätten bereits die (zweifellos erforderliche) Satzungsgrundlage – unter Einhaltung der diesbezüglich bestehenden Formalvoraussetzungen – geschaffen, nur ob und wann sie davon Gebrauch machten, sei noch nicht festgelegt.122 Minderheitenschutz und Publizitätsanforderungen hinsichtlich des auf der Öffnungsklausel beruhenden Beschlusses seien durch die Vorgaben der Treuepflicht und § 52 Abs. 3 S. 2 GmbHG ausreichend gewährleistet.123 Diese Kritik hat das Kammergericht in seiner 2017 ergangenen Entscheidung umfänglich zurückgewiesen.124 Sie sei im Wesentlichen von Praktikabilitätserwägungen getragen, die bisherige Rechtsprechung des BGH stehe der Auffassung des Senats im Übrigen nicht entgegen.125 3. Kritik Die Entscheidung des Kammergerichts ist insoweit nachvollziehbar, als es an Kriterien fehlt, um die Zulässigkeit von Öffnungsklauseln präzise bestimmen zu können. Da bereits frühere Rechtsprechung einen Zusammenhang zwischen der Zulässigkeit von Öffnungsklauseln und der Satzungsdurchbrechung hergestellt hatte,126 mag es aus der Sicht des Senats nahegelegen haben, das Begriffspaar „punktuell – zustandsbegründend“ auch zur Beurteilung der Wirksamkeit von Beschlüssen heranzuziehen, die ebenso wie satzungsdurchbrechende Beschlüsse von der Satzung abzuweichen versuchen. Dennoch geht das Urteil bereits im Ansatz fehl. Mit Satzungsdurchbrechung ist der Fall gemeint, dass ein im Widerspruch zur Satzung stehender Beschluss unter speziellen Voraussetzungen wirksam sein soll. Durch Öffnungsklauseln wird ein solcher Widerspruch aber ausgeschlossen. Der auf § 53 Rn. 8; MünchKommBGB/Leuschner, § 25 Rn. 30; sympathisierend Baumbach/Hueck/ Zöllner/Noack, § 53 Rn. 27. 120 Priester, NZG 2016, 774, 775 f.; Otto, GmbHR 2016, 19, 20, 23; für die Praxis sorgte die Entscheidung freilich für große Rechtsunsicherheit, da die Wirksamkeit der Organeinrichtung und damit auch alle durch dieses Organ getroffenen Rechtshandlungen nun in Zweifel gezogen wurden. 121 Otto, GmbHR 2016, 19, 22; Priester, NZG 2016, 774, 776. 122 Priester, ebd. 123 Priester, ebd. 124 KG GmbHR 2018, 361, 366. 125 KG ebd. 126 BayObLG GmbHR 2001, 728, 728 f.; OLG München MittBayNot 2011, 416; s. bereits Kapitel 5 § 3 B. III.

194

Kap. 5: Erhaltung und Ermöglichung satzungsdurchbrechender Beschlüsse

Grundlage einer solchen Klausel gefasste Beschluss steht in Einklang mit der Satzung, denn sie selbst lässt die Abweichung ja gerade zu.127 In der Literatur werden Öffnungsklauseln deshalb empfohlen, um die Unsicherheiten hinsichtlich der heillos umstrittenen Voraussetzungen der Satzungsdurchbrechung zu vermeiden und so rechtssicher von der Satzung abweichen zu können.128 Setzte man nun auf Kriterien, deren Nutzen bereits in ihrem ursprünglichen Anwendungsbereich stark bezweifelt wird,129 schiene das weniger der Rechtssicherheit zu dienen, als die Verwirrung auf weitere Rechtsbereiche auszudehnen. Eine Übertragung der von der h.M. im GmbHRecht zur Beurteilung der Wirksamkeit einer Satzungsdurchbrechung maßgeblichen Voraussetzungen auf die Problematik der Öffnungsklauseln scheidet daher aus.

V. Die Entscheidung des BGH vom 02. 07. 2019 1. Tragende Gründe So sah es im Ergebnis auch der BGH und kassierte das Urteil des Kammergerichts. Die Bildung eines fakultativen Aufsichtsrats bedürfe zwar einer Satzungsregelung, da „eine Veränderung der Binnenstruktur der Gesellschaft nicht außerhalb des Gesellschaftsvertrags“ stattfinden könne.130 Doch nähmen die Gesellschafter diesen „Struktureingriff in Gestalt einer entsprechenden Öffnungsklausel […] vorweg“, sei die Organisationsstruktur bereits gesellschaftsvertraglich gebilligt, sodass keine weitere Satzungsänderung erforderlich sei.131 Vorbehaltlich strengerer Anforderungen im Gesellschaftsvertrag genüge deshalb ein einfacher Mehrheitsbeschluss.132 Grundsätzliche Einwände gegen die Zulässigkeit von Öffnungsklauseln erkennt der BGH somit nicht. Anforderung an die konkrete Klausel sei aber, dass sie „ausreichend bestimmt“ ist.133 Ausdrücklich nur im Hinblick auf die Einrichtung eines Aufsichtsrats erfolgt eine weitere Präzision. Die Klausel müsse „nicht jede Einzelheit regeln“, sondern könne „die nähere Ausgestaltung den Gesellschaftern überlassen“.134 Neben der 127

Vgl. Scholz/Priester, § 53 Rn. 27a; Rowedder/Schmidt-Leithoff/Schnorbus, § 53 Rn. 48; Otto, GmbHR 2016, 19, 23; Bayer/Selentin, GmbHR 2020, 1, 4; s. auch BayObLG GmbHR 2001, 728 f.: „die bezüglich satzungsdurchbrechender Beschlüsse bestehenden formalen Probleme werden vermieden.“ 128 UHL/Ulmer/Capser, § 53 Rn. 40; Bork/Schäfer/Arnold, § 53 Rn. 22; MünchHdbGesR-III/Marquardt, § 22 Rn. 100 m.w.N. 129 S. nur Henssler/Strohn/Gummert, § 53 GmbHG Rn. 9, eine befriedigende Lösung sei bisher nicht gefunden worden; zum Streitstand s. oben, Kapitel 3. 130 BGH NJW 2019, 3155, 3162. 131 BGH a.a.O., S. 3162 f. 132 BGH ebd. 133 BGH NJW 2019, 3155, 3162. 134 BGH ebd.

C. Die Zulässigkeit von Öffnungsklauseln als Frage des Satzungsvorbehalts

195

„wesentlichen Strukturentscheidung“ für einen Aufsichtsrat sei jedoch notwendig, dass dessen „Kompetenzen […] jedenfalls in Grundzügen schon in der Satzung aufgeführt“ seien und dass insbesondere die „wesentliche Aufgabe des Aufsichtsrats, die Überwachungsfunktion, eine Satzungsgrundlage“ besitze.135 2. Konsequenzen Geklärt ist damit hauptsächlich, wie nach Auffassung der Rechtsprechung eine Öffnungsklausel ausgestaltet sein muss, damit die Einführung eines Aufsichtsrats durch einfachen Mehrheitsbeschluss zulässig ist. Aufgrund des spezifischen Bezugs der Ausführungen zum Aufsichtsrat ist zweifelhaft, inwieweit die Entscheidung verallgemeinerungsfähig ist. Zudem: Die Feststellung des II. Senats, eine Öffnungsklausel müsse zu ihrer Wirksamkeit „ausreichend bestimmt“ sein, hilft nicht viel weiter. Sie hält der Rechtsprechung zwar die Möglichkeit offen, für jeden Einzelfall entscheiden zu können, ob die betreffende Klausel noch „ausreichend“ bestimmt ist. Konkrete Vorgaben oder ein Kriterium, nach welchem sich rechtssicher bestimmen ließe, unter welchen Voraussetzungen Öffnungsklauseln allgemein wirksam sind, gibt das Urteil dem Rechtsanwender jedoch nicht an die Hand. Mit der Entscheidung ist daher, abgesehen von der Klärung der Rechtssprechungskontroverse um die Einführung des Aufsichtsrats per Öffnungsklausel, insgesamt nicht viel gewonnen. Zusammenfassend lässt sich feststellen: Rechtsprechung und Literatur halten Öffnungsklauseln für grundsätzlich zulässig. Damit von ihnen wirksam Gebrauch gemacht werden kann, müssen sie nach Auffassung des BGH jedoch ausreichend bestimmt sein. Offen bleibt damit noch immer, ob sich nicht eine präzisere Einschätzung über die Zulässigkeit von Öffnungsklauseln treffen lässt.

C. Die Zulässigkeit von Öffnungsklauseln als Frage des Satzungsvorbehalts I. Zusammenhang zwischen Satzungsvorbehalt und Öffnungsklausel In der GmbH stehen wesentliche, vor allem organisationsrechtliche Entscheidungen unter Satzungsvorbehalt.136 Grundlagenentscheidungen, wie beispielsweise die Einrichtung eines Aufsichtsrats, müssen von den Gesellschaftern in der Satzung

135

BGH ebd. Wicke, DNotZ 2006, 419, 426 ff.; MünchKommGmbHG/Wicke, § 3 Rn. 116 mit zahlreichen Beispielen; MünchKommBGB/Leuschner, § 25 Rn. 16 für Geltung desselben beim Verein. 136

196

Kap. 5: Erhaltung und Ermöglichung satzungsdurchbrechender Beschlüsse

getroffen werden.137 Nun ist durch die Statuierung einer Öffnungsklausel, insbesondere wenn sie später durch Satzungsänderung eingeführt wird, die Satzung durch die Gesellschafter aber bereits im vorgesehenen Verfahren unter Einhaltung aller Formalien (§§ 53, 54 GmbHG) geändert worden. Insofern trifft es zu, wenn der BGH feststellt, die Gesellschafter nähmen den Struktureingriff durch die Öffnungsklausel bereits vorweg.138 Doch darf dies nicht zu der Vermutung verleiten, damit allein sei dem Satzungsvorbehalt stets Genüge getan, den dahinterliegenden Schutzinteressen (Publizität, Minderheitenschutz) bereits ausreichend Rechnung getragen.139 Dies ist nur richtig, wenn die Gesellschafter mit Einführung der Öffnungsklausel bereits in der Sache entschieden, sie also gewissermaßen die erforderlichen essentialia negotii bereits vereinbart haben.140 Ist Letzteres nicht der Fall, dient die Klausel effektiv nur der Abschaffung der zwingenden Hürden (Mehrheiten, Formalia) für Regelungen unter Satzungsvorbehalt, um später die eigentliche Sachentscheidung treffen zu können. In diesem Zusammenhang ist auch die Äußerung des Kammergerichts zu lesen, §§ 53, 54 GmbHG seien „zwingendes Recht“, das durch Öffnungsklauseln nicht außer Kraft gesetzt werden könne.141 Auch der BGH scheint das Problem zu erkennen, formuliert aber eher unglücklich und spricht davon, dass die „wesentliche Strukturentscheidung“ getroffen sein müsse. Nun wird man bei der Einführung eines Aufsichtsrats von einer Strukturentscheidung sprechen können, bei Abweichungen vom Wettbewerbsverbot oder vom satzungsmäßigen Gewinnverteilungsschlüssel erscheint der Begriff zur Abgrenzung hingegen weniger passend. Grundsätzlicher ist daher zu erkennen, dass eine Öffnungsklausel und darauf aufbauende Beschlüsse dann zulässig sind, wenn mit Einführung der Öffnungsklausel die Sachentscheidung bereits gefallen und damit dem Satzungsvorbehalt Genüge getan ist. Die Sache ist dann formwirksam determiniert, die Interessen des Minderheitenschutzes und Publizitätsanforderungen sind hinreichend gewahrt. Ist diese Voraussetzung jedoch nicht erfüllt, ist die Öffnungsklausel gegenstandslos.142 137 Unstreitig, Roth/Altmeppen/Altmeppen, § 52 Rn. 1 f.; Baumbach/Hueck/Zöllner/ Noack, § 52 Rn. 1, 22; MünchKommGmbHG/Spindler, § 52 Rn. 9. 138 BGH NJW 2019, 3155, 3161. 139 Vgl. Priester, NZG 2016, 774, 776. Im Übrigen ist zu bemerken, dass eine Öffnungsklausel immer zulasten der Minderheit wirkt; dies geschieht nur dann in nicht unzulässiger Weise, wenn der Satzungsvorbehalt gewahrt wurde. 140 Darauf hat zuerst Altmeppen (Roth/Altmeppen/Altmeppen, § 53 Rn. 58) zutreffend hingewiesen: die „maßgebliche Entscheidung“ muss durch die Öffnungsklausel getroffen sein. Nach der hier vertretenen Auffassung ist dies ein Problem des Satzungsvorbehalts. Welche essentialia der Satzungsvorbehalt im Einzelnen umfasst und welche deshalb festzusetzen sind, kann nur im Hinblick auf die betreffende Regelung bestimmt werden. Bei dieser Bestimmung erweisen sich bestimmte Indizien als hilfreich, dazu sogleich unter II. 141 KG GmbHR 2016, 29, 31; ebenso KG GmbHR 2018, 361, 365. 142 Dass eine dem Satzungsvorbehalt nicht genügende Klausel damit funktionslos ist, steht dem nicht entgegen. Das ist vielmehr zwingende Folge. Versagt das Recht einer Regelung – wie

C. Die Zulässigkeit von Öffnungsklauseln als Frage des Satzungsvorbehalts

197

So ist der jüngsten Entscheidung des BGH im Grundsatz beizupflichten, doch gilt es die Perspektive anzupassen und das Problem als Frage des Satzungsvorbehalts zu verstehen. Steht damit fest, dass es sich bei der Diskussion um die Zulässigkeit von Öffnungsklauseln in Wahrheit um eine Frage des Satzungsvorbehalts handelt, bleibt die Abgrenzung noch immer recht abstrakt. Wie ist zu ermitteln, ob der Satzungsvorbehalt gewahrt, die Entscheidung in der Sache getroffen ist?

II. Signifikanz der Regelungstiefe und der Art des Satzungsbestandteils für die Erfüllung des Satzungsvorbehalts Entscheidend für die Wahrung des Satzungsvorbehalts ist, dass die einfache Mehrheit nicht formlos Beschlüsse fassen kann, die nach dem Gesetz der Einhaltung der Satzungsänderungsvoraussetzungen unterliegen, insbesondere der qualifizierten Mehrheit übertragen sind. Eine besondere Rolle spielt dies im Recht der GmbH, da nach § 53 Abs. 2 S. 2 GmbHG im Unterschied zum Aktien- und Vereinsrecht selbst durch Satzungsregelung die zur Satzungsänderung erforderliche Mehrheit nicht verringert werden kann.143 Der Umgehungsgedanke gewinnt dadurch besondere Relevanz. Da eine Öffnungsklausel in der Regel jedoch die Entscheidung über die Abweichung von einer Satzungsregel einer verminderten Mehrheit übertragen will, geht es bei der Frage, ob dem Satzungsvorbehalt Genüge getan ist, vor allem darum, dass die Rechte der satzungsändernden Mehrheit gewahrt sind. Sie muss die Entscheidung in einem Umfang getroffen haben, die ihrer gesetzlich zugedachten Entscheidungskompetenz entspricht. Damit geht die Erkenntnis einher, dass hinsichtlich der Wirksamkeit von Öffnungsklauseln keine pauschale Einschätzung möglich ist. Tatsächlich hängt es von der Art der Entscheidung, die die Öffnungsklausel betrifft, ab, in welchem Maße die satzungsändernde Mehrheit den Sachverhalt geregelt haben muss, welche essentialia die Klausel also enthalten muss, damit von der Zulässigkeit der Übertragung an eine geringere Mehrheit ausgegangen werden kann. Ein zweiter Aspekt betrifft die mit der Registereintragung verfolgte Publizität. In der Sache liegt es ähnlich. Maßgeblich für die Zulässigkeit der Öffnungsklausel unter diesem Gesichtspunkt ist, inwiefern das Gesetz den Rechtsverkehr durch Publizität an der Regelung teilnehmen lassen will. Auch dazu kann keine umfassend gültige Aussage getroffen werden. Doch lassen sich Indizien ausmachen, anhand derer die Zulässigkeit der Öffnungsklausel in der Tendenz bestimmt werden kann.

hier – die Wirkung, gelangt sie selbstverständlich nicht deshalb zur Wirksamkeit, damit ihr ein Anwendungsbereich verbleibt. Zur „Rettung“ der Klausel durch Auslegung s. unten IV. 143 Unstreitig, s. Roth/Altmeppen/Altmeppen, § 53 Rn. 31; MünchKommGmbHG/Harbarth, § 53 Rn. 79, 123 m.w.N.

198

Kap. 5: Erhaltung und Ermöglichung satzungsdurchbrechender Beschlüsse

Je detaillierter die Öffnungsklausel die Abweichungsbefugnis regelt, desto wahrscheinlicher ist ihre Zulässigkeit. Denn je präziser die Klausel eine Regelung trifft, desto mehr begrenzt sie den der einfachen Mehrheit verbleibenden Entscheidungsspielraum. Dem folgt implizit auch der BGH, wenn er verlangt, dass „neben der Grundsatzentscheidung über die Möglichkeit der Einrichtung eines Aufsichtsrats die wesentliche Aufgabe des Aufsichtsrats, die Überwachungsfunktion, eine Satzungsgrundlage hat und, sofern weitere Kompetenzen übertragen werden sollen, diese jedenfalls in den Grundzügen schon in der Satzung aufgeführt sind“.144 Die Art des Satzungsbestandteils kann demgegenüber Aufschluss darüber geben, welche Regelungstiefe grundsätzlich mindestens erreicht sein muss. Zwingend korporative Satzungsbestandteile sind notwendig in der Satzung zu regeln, betreffen grundlegende Regelungen über das Gesellschaftsverhältnis und besitzen Bedeutung für Dritte. Nicht zuletzt aufgrund ihrer umfassenden Bindungswirkung haben sie für alle Gesellschafter besondere Relevanz. Hier wird man deshalb tendenziell höhere Anforderungen an die Regelungstiefe stellen und genau prüfen müssen, ob die Entscheidungsbefugnis der satzungsändernden Mehrheit verblieben und hinreichende Publizität durch die Registereintragung gesichert ist. Wie eine Abgrenzung anhand dieser Indizien umgesetzt werden könnte, soll im Folgenden an zwei Beispielen veranschaulicht werden.

III. Anwendungsbeispiele 1. Einrichtung eines fakultativen Aufsichtsrats Unterstellt eine Satzungsklausel die Einführung eines fakultativen Aufsichtsrats einem einfachen Gesellschafterbeschluss, ohne weitere Vorgaben zu treffen, wird der Nachweis, der Satzungsvorbehalt sei gewahrt worden, misslingen. Aus § 52 Abs. 1 GmbHG in Verbindung mit § 53 Abs. 2 S. 1 GmbHG ergibt sich, dass die Einführung eines solchen Aufsichtsrats in der GmbH einer Satzungsänderung mit Dreiviertelmehrheit bedarf.145 Es handelt sich also um eine zwingend korporative Bestimmung, sodass der Satzungsvorbehalt eine (tendenziell) höhere Regelungstiefe verlangt. Enthält die Satzung aber dann tatsächlich keinerlei nähere Regelung (Kompetenzen, Amtszeiten, Verfahren), indiziert dies, dass der Satzungsvorbehalt nicht hinreichend beachtet, die Rechte der qualifizierten Mehrheit und Publizitätsinteressen nicht ausreichend gewahrt sind. Im Ergebnis ähnlich argumentiert der BGH, wenn er verlangt, dass die Kompetenzen des Aufsichtsrats „jedenfalls in den Grundzügen schon in der Satzung“ ge144 BGH NJW 2019, 3155, 3162; ebenso bereits Priester, NZG 2016, 774, 776; Roth/ Altmeppen/Altmeppen, § 52 Rn. 1; s. auch Bayer/Selentin, GmbHR 2020, 1, 4. 145 Allg. Meinung, s. nur MünchKommGmbHG/Spindler, § 52 Rn. 34 m.w.N.

C. Die Zulässigkeit von Öffnungsklauseln als Frage des Satzungsvorbehalts

199

regelt sein müssten.146 Auch neuere Stimmen in der Literatur fordern zumindest die Niederlegung der Kompetenzen, gehen zum Teil aber weiter und setzen zudem Regelungen zur Ausgestaltung des Innenverhältnisses voraus.147 In der Sache liegt darin nichts anderes als die Anwendung der oben entwickelten Kriterien auf den Fall der Einführung eines Aufsichtsrats per Öffnungsklausel. Da es sich hierbei um eine grundlegende Strukturentscheidung handelt, sind hohe Anforderungen an die Öffnungsklausel zu stellen. 2. Vergütung der Aufsichtsratsmitglieder Eine deutlich weniger grundlegende Entscheidung betrifft hingegen die Vergütung der Aufsichtsratsmitglieder (§ 113 Abs. 1 S. 2 AktG). Besteht hierzu eine korporative Satzungsregelung, von der unkompliziert Abweichungen möglich sein sollen, bietet sich eine Öffnungsklausel an. An deren Regelungstiefe sind deutlich geringere Anforderungen zu stellen. Als Indiz dafür darf der Umstand gelten, dass es sich hierbei um eine im Ursprung indifferente Bestimmung handelt, was auf eine tendenziell geringere Relevanz für Gesellschaft und Dritte hindeutet. Der Satzungsvorbehalt verlangt daher weniger. So wird man nicht etwa voraussetzen müssen, dass die Klausel den Rahmen festlegt, innerhalb dessen die Abweichung erfolgen können soll. Sofern die Entscheidung, dass von der Regelung abgewichen werden darf, unter Einhaltung der für die Satzungsänderung bestehenden Vorschriften gefallen ist, genügt im Grundsatz die Bestimmung, dass eine Abweichung erfolgen kann.

IV. Weitere Lösungsmöglichkeit: Auslegung der „Öffnungsklausel“ Nach Lage des Falles kann es vorkommen, dass die Problematik um die Öffnungsklauseln bei näherer Betrachtung gar nicht relevant wird. Denn eine Satzungsbestimmung kann dahingehend auszulegen sein, dass die Entscheidung, z. B. über die Einrichtung des Aufsichtsrats, bereits getroffen ist, lediglich die Wahl seiner Mitglieder auf einen späteren Zeitpunkt fallen soll.148 Die Wahl des Aufsichtsrats unterliegt keinem Satzungsvorbehalt, sondern erfolgt grundsätzlich durch einfachen Mehrheitsbeschluss,149 sodass sich Zulässigkeitsprobleme gar nicht stellen. Dabei dürfte eine bereits abschließend getroffene Entscheidung wiederum umso eher an146

BGH NJW 2019, 3155, 3162. Priester, NZG 2016, 774, 776; MünchKommGmbHG/Spindler, § 52 Rn. 35; Roth/ Altmeppen/Altmeppen, § 52 Rn. 1; Bayer/Selentin, GmbHR 2020, 1, 4 („alle Kompetenzen […] in die Öffnungsklausel aufzunehmen“); vgl. auch Heckschen, NZG 2019, 1281, 1284, der die durch das Handelsregister gewährte Transparenz andernfalls in Gefahr sieht. 148 Weiß, EWiR 2016, 267, 268. 149 MünchKommGmbHG/Spindler, § 52 Rn. 111; Roth/Altmeppen/Altmeppen, § 52 Rn. 11; UHL/Heermann, § 52 Rn. 39 f. 147

200

Kap. 5: Erhaltung und Ermöglichung satzungsdurchbrechender Beschlüsse

zunehmen sein, je detaillierter die vermeintliche Öffnungsklausel die Verfassung des zu besetzenden Aufsichtsrats regelt (z. B. Anzahl der Mitglieder, Rechte, Pflichten, etc.).150 Diese Auslegungsfragen sind letztlich nach den Umständen des Einzelfalls zu beantworten.

D. Ergebnisse Die bisher weitgehend unkritische Behandlung von Öffnungsklauseln in großen Teilen von Rechtsprechung und Literatur ist problematisch. Bereits das praktische Bedürfnis an Rechtssicherheit fordert die Klärung der Reichweite und Zulässigkeit von Öffnungsklauseln. Das von der früheren Rechtsprechung aufgebrachte Konzept, die Zulässigkeit von Öffnungsklauseln nach den Kriterien für die Satzungsdurchbrechung zu beurteilen, ist unzutreffend. Es vermischt völlig verschiedene, ja entgegengesetzte Fragen und verfehlt den Kern des Problems. Entscheidend für die Wirksamkeit einer Öffnungsklausel ist, ob der Satzungsvorbehalt, den sie zu überwinden sucht, durch sie gewahrt wird. Das ist der Fall, wenn die zugrundeliegende, wesentliche Sachentscheidung unter Einhaltung des Satzungsänderungsverfahrens unzweideutig getroffen wurde. Mit anderen Worten: die Gesellschafter müssen sich mit der Öffnungsklausel auf die essentialia negotii der betreffenden Regelung geeinigt haben. Andernfalls ist die Bestimmung unwirksam und bedeutungslos. Auf diese Weise sind auch die Belange des Minderheitenschutzes und der Publizität gewahrt. Unter welchen Voraussetzungen eine Öffnungsklausel dem Satzungsvorbehalt genügt, kann nicht allgemein, sondern lediglich in Bezug auf die Regelung beantwortet werden, von der vereinfacht abgewichen werden soll. Der Regelungstiefe kommt dabei eine Schlüsselrolle zu. Je konkreter die Öffnungsklausel die Abweichungsbefugnis umreißt, umso eher wird davon auszugehen sein, dass die wesentliche Sachentscheidung bereits gefallen ist. Von indizieller Bedeutung für die Frage, welche Regelungstiefe grundsätzlich erreicht sein muss, um dem Satzungsvorbehalt zu entsprechen, kann die Art des Satzungsbestandteils sein. In Verbindung mit der tatsächlichen Regelungstiefe ist dann für den Einzelfall zu ermitteln, ob die Öffnungsklausel den Satzungsvorbehalt wahrt. Auch wenn die jüngste Entscheidung des BGH das Problem um die Zulässigkeit von Öffnungsklauseln noch nicht als Frage des Satzungsvorbehalts begreift, wendet sie in der Sache die hier propagierten Kriterien an. Ihr ist daher im Grundsatz zu folgen. 150 Auf Grundlage dieses Ansatzes ließe sich auch die Entscheidung des RG analysieren. Besetzung, Verfahren und weitere Details über die Verfassung des Organs waren in der Satzung bereits geregelt worden (RGZ 146, 145, 146, 151).

D. Ergebnisse

201

Lässt sich eine Öffnungsklausel im Übrigen dahingehend auslegen, dass die erforderliche Entscheidung bereits getroffen wurde, bloß die nähere Ausgestaltung der Regelung einem einfachen Gesellschafterbeschluss überlassen werden sollte, ist die Klausel ohne weiteres wirksam.

Kapitel 6

Zusammenfassung in Thesen 1. Die Wirksamkeit einer „Satzungsdurchbrechung“, d. h. eines Beschlusses, von einer Bestimmung des Gesellschaftsvertrags für einen Einzelfall abzuweichen, ohne dafür das Verfahren zur Satzungsänderung einzuhalten, lässt sich nicht mit dem Konstrukt einer „eigenen Beschlusskategorie“ begründen. Das Gesetz enthält dafür keinerlei Grundlage. Dieses kennt nur den Beschluss, der im Einklang mit der Satzung steht, oder den, der gegen sie verstößt. 2. Der Begründungsansatz, es handele sich bei einer wirksamen Satzungsdurchbrechung um eine privilegierte Satzungsänderung für den Einzelfall, geht fehl. Für die Privilegierung bestimmter Fälle der Einzelfallabweichung im Hinblick auf Anforderungen an die Satzungsänderung besteht weder ein dogmatisches Gebot noch erscheint sie praktisch umsetzbar. 3. Die Problematik der Satzungsdurchbrechung wird von der ganz überwiegenden Meinung bereits im Ansatz falsch eingeordnet. Es geht nicht etwa um die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Einzelfallabweichung von Satzungsbestimmungen unter Verzicht der Eintragung zulässig sein könnte. In Wahrheit liegt der gesamten Kontroverse die Abgrenzung von Satzungsänderung und Satzungsverletzung zugrunde. 4. Diese Abgrenzung bereitet keinerlei Problem, sofern sich der Beschluss selbst als Satzungsänderung ausweist („Die Satzung wird wie folgt geändert: …“). Es handelt sich um eine explizite (Einzelfall-)Änderung, die den Vorschriften über die Satzungsänderung unterliegt. Kann der Beschlussinhalt sinnvollerweise nur eine Änderung des abstrakt-generellen Satzungsinhalts bedeuten („Der Aufsichtsrat besteht aus 18 Mitgliedern“, wenn der aktuelle aus 15 besteht), liegt eine implizite Änderung vor, die ebenfalls nur unter Einhaltung der entsprechenden Voraussetzungen zulässig ist. 5. Das Abgrenzungsproblem stellt sich mithin nur in Fällen der impliziten Einzelfallabweichung („Die Gewinnverteilung für das Jahr 20XX erfolgt im Verhältnis 50:25:25“, wenn die satzungsmäßige Regelung einen anderen Verteilungsschlüssel vorsieht). Ein solcher Beschluss weist sich nicht als Satzungsänderung aus, könnte aber Satzungsänderung sein und steht mit geltendem Satzungsrecht in Konflikt. 6. Ordnete man die implizite Einzelfallabweichung stets als Satzungsänderung ein, so bliebe der Beschluss jedenfalls bis zu seiner Eintragung in das Handelsregister unwirksam (§§ 181 Abs. 3 AktG; § 54 Abs. 3 GmbHG; § 71 Abs. 1 S. 1 BGB).

Kap. 6: Zusammenfassung in Thesen

203

Erkennt man in ihr hingegen eine bloße Satzungsverletzung, ist der Beschluss wirksam, sofern er nicht erfolgreich angefochten wird (§ 243 Abs. 1 Var. 2 AktG [analog]). Problematisch erscheint, dass erstere Annahme eine erhebliche Einschränkung des Anwendungsbereichs von § 243 Abs. 1 Var. 2 AktG zur Folge hätte. Nicht minder problematisch wäre jedoch, stets von einer anfechtbaren Verletzung auszugehen. Eine Satzungsänderung für den Einzelfall wäre überflüssig, die Entscheidung über Einzelfälle immer der einfachen Mehrheit anheimgestellt. Gestünde man der einfachen Mehrheit eine Abweichungsbefugnis zu, wäre sie letztlich im Stande, nach Belieben über die Geltung der Satzungsbestimmung zu befinden. Das erscheint mit der gesetzlichen Grundvorstellung unvereinbar, dass der Einfluss auf die Geltung von Satzungsbestimmungen nur durch eine Satzungsänderung möglich sein soll. 7. Es besteht also ein dringendes Bedürfnis nach trennscharfer Differenzierung zwischen dem Anwendungsbereich von § 243 Abs. 1 Var. 2 AktG (analog) einerseits und den Vorschriften über die Satzungsänderung andererseits. Das Gesetz selbst löst die Überschneidung jedoch nicht auf. 8. Der Gesetzgeber hat diese Abgrenzungsproblematik übersehen. Ihr liegt die fehlende Abstimmung von Beschlussmängel- und Satzungsänderungsrecht in AG und GmbH zugrunde. Nach allgemeinem Verbandsrecht ist ein Beschluss, der gegen den Gesellschaftsvertrag verstößt, stets unwirksam, wenn und weil er nicht die Voraussetzungen erfüllt, um das Regelungsgefälle zwischen ihm und dem übergeordneten Gesellschaftsvertrag aufzuheben. Erfüllt er diese Voraussetzungen, kann kein Verstoß existieren, da sich die Regelungen auf derselben Rangebene befinden. Zwischen Änderung des Gesellschaftsvertrags und Behandlung der Beschlussmängel besteht ein Gleichlauf. § 243 Abs. 1 Var. 2 AktG, der satzungsverletzende Beschlüsse für grundsätzlich wirksam erklärt, stellt daher einen Fremdkörper dar. Lassen sich zugleich weder im Gesetz, noch in der Systematik, Normhistorie oder ratio legis Anhaltspunkte dafür erkennen, dass Einzelfallabweichungen aus dem Anwendungsbereich der Satzungsänderungsvorschriften ausgenommen sind und deshalb zu ihrer Wirksamkeit keiner Eintragung bedürfen, besteht ein Konflikt, der aufgrund fehlender Abstimmung zwischen den beiden Regelungen auf Grundlage des Gesetzes allein kaum lösbar scheint. 9. Um ein trennscharfes Abgrenzungskriterium zu erhalten, das nicht den Boden des Gesetzes völlig verlässt und damit letztlich persönliche Wertungen über die Notwendigkeit einer Registereintragung zu Rechtsgrundsätzen zu erheben versucht, bietet es sich an, nach der Art des von der Abweichung betroffenen Satzungsbestandteils zu differenzieren. 10. Implizite Einzelfallabweichungen hinsichtlich zwingend korporativer Satzungsbestandteile sind in AG und GmbH nur unter Einhaltung der für die Satzungsänderung bestehenden Voraussetzungen zulässig. Steht die Abweichung von im Ursprung indifferenten, korporativen Satzungsbestandteilen in Rede, genügt ein einfacher Beschluss, der jedoch der Anfechtbarkeit unterliegt.

204

Kap. 6: Zusammenfassung in Thesen

11. Für diese Unterscheidung spricht, dass sie den Anwendungsbereich in einer den gesetzlichen Wertungen angemessenen Weise demarkiert. Zwingend korporative Satzungsbestandteile besitzen nach Vorstellung des Gesetzgebers (grundlegende) Bedeutung für die Gesellschaft und Dritte. Deshalb können sie wirksam nur satzungsmäßig geregelt werden. Über ihre Geltung sollte dann nur im Wege der Satzungsänderung entschieden werden können. Indifferente Satzungsbestandteile sind zwar nicht etwa notwendigerweise für Dritte irrelevant. Doch ist dem Umstand, dass ihre Regelung auch außerhalb der Satzung möglich ist, in der Tendenz die Wertung zu entnehmen, dass eine Ausgestaltung dieser Rechtsverhältnisse auch ohne Einhaltung eines förmlichen Verfahrens zugelassen werden kann. Im Interesse der Rechtssicherheit wäre eine klare Lösung des Konflikts durch den Gesetzgeber wünschenswert. 12. Im Recht des eingetragenen Vereins erübrigt sich eine Differenzierung zwischen nichtigen und anfechtbaren Beschlüssen. Ein satzungsdurchbrechender Beschluss ist, da satzungsverletzend, stets nichtig, falls nicht alle Voraussetzungen für eine Satzungsänderung eingehalten sind. Im Vereinsrecht bestätigt sich damit die These, dass die fehlende Abstimmung zwischen Beschlussmängelrecht und den Vorschriften über die Satzungsänderung und die daraus entstehenden Abgrenzungsprobleme den Ursprung der Problematik der Satzungsdurchbrechung darstellt. 13. In Personengesellschaften sind ebenfalls stets alle Voraussetzungen an eine Vertragsänderung einzuhalten, um wirksam von einer Bestimmung des Gesellschaftsvertrags abweichen zu können. Da die Mehrheitsvoraussetzungen von einfachem Beschluss und Vertragsänderung im Personengesellschaftsrecht nach gesetzlichem Leitbild zusammenfallen, stellt sich die Durchbrechungsproblemtaik hier jedoch in deutlich geringerem Maße als im Körperschaftsrecht. 14. Durch Eintragung in das Handelsregister kann der fehlgeschlagene Versuch einer Satzungsdurchbrechung in AG und GmbH geheilt werden. Beim eingetragenen Verein ist demgegenüber stets eine erneute, fehlerfreie Beschlussfassung erforderlich, um der Abweichung zur Wirksamkeit zu verhelfen. Dasselbe gilt im Grundsatz für die Personengesellschaften, wobei nach allgemeinen Regeln auch konkludentes Verhalten, beispielsweise durch eine entsprechende Praxis, genügt. 15. Eine Umdeutung von unwirksamen Satzungsdurchbrechungen in schuldrechtliche Nebenabreden ist nicht möglich, sofern die Abweichung einen korporativen Satzungsbestandteil betrifft. Die gegenteilige Auffassung sähe sich dem Einwand ausgesetzt, dass damit eine schuldrechtliche Vereinbarung geltendes Satzungsrecht derogieren könnte. Dies wäre aber mit der Trennung von gesellschaftlicher und schuldrechtlicher Ebene, die nach geltendem Recht herrscht, unvereinbar. Die Umdeutung von Durchbrechungen im Ursprung indifferenter korporativer Bestandteile wäre aus demselben Grund unzulässig. Da nach der hier vertretenen Auffassung ein solcher Beschluss lediglich anfechtbar ist, kommt es auf eine Umdeutung jedoch nicht an, um dem Beschlussinhalt zur Wirksamkeit zu verhelfen. Steht eine Abweichung von individuellen Satzungsbestandteilen in Rede, lässt sich

Kap. 6: Zusammenfassung in Thesen

205

im Falle der Unwirksamkeit des Beschlusses grundsätzlich umdeuten. Auch in dieser Hinsicht ist das Anwendungspotential des § 140 BGB jedoch gering, da man in der Regel bereits im Wege der Auslegung zu einer wirksamen Vereinbarung kommen wird. 16. Um rechtssicher und doch in vereinfachter Form von einer Satzungsbestimmung im Einzelfall abweichen zu können, bietet sich die Einführung von Öffnungsklauseln an. Ihre Zulässigkeit – und damit die Wirksamkeit der auf ihr aufbauenden Beschlüsse – bestimmt sich danach, ob der Satzungsvorbehalt, den sie zu überwinden suchen, bereits durch ihre Regelung gewahrt wurde. Die wesentliche Sachentscheidung muss also unter Einhaltung des Satzungsänderungsverfahrens bereits getroffen, die essentialia vereinbart worden sein. Welche Anforderungen im Einzelfall an die konkrete Öffnungsklausel zu stellen sind, lässt sich nicht pauschal beantworten. Doch stehen mit dem Detailgrad der Abweichungsregelung sowie der Art des Satzungsbestandteils Indizien bereit, mit deren Hilfe sich beurteilen lässt, ob die Klausel dem spezifischen Satzungsvorbehalt hinreichend Rechnung trägt.

Literaturverzeichnis Anschütz, Gerhard: Die Verfassung des Deutschen Reichs vom 11. August 1919, 14. Aufl., Berlin 1933 (zitiert als: Anschütz, WRV). Anschütz, Gerhard/Thoma, Richard (Hrsg.): Handbuch des deutschen Staatsrechts, Bd. II, Tübingen 1932 (zitiert als: Anschütz/Thoma/Bearbeiter, Staatsrecht Bd. II). Bailey, S. H./Ching, J. P. L./Taylor, N. W.: Smith, Bailey and Gunn on the Modern English Legal System, 5. Aufl., London 2007 (zitiert als: Smith/Bailey/Gunn). Bamberger, Heinz Georg/Roth, Herberth/Hau, Wolfgang/Poseck, Roman (Hrsg.): Bürgerliches Gesetzbuch, Kommentar, Band 1: §§ 1 – 480, 4. Aufl., München 2019 (zitiert als: B/R/H/P/ Bearbeiter). Baumann, Horst/Reiß, Wilhelm: Satzungsergänzende Vereinbarungen – Nebenverträge im Gesellschaftsrecht, Eine rechtstatsächliche und rechtsdogmatische Untersuchung, ZGR 1989, S. 157 – 215. Baumbach, Adolf (Begr.): Baumbach/Hopt, Handelsgesetzbuch mit GmbH & Co., Handelsklauseln, Bank- und Kapitalmarktrecht, Transportrecht (ohne Seerecht), 38. Aufl., München 2018 (zitiert als: Baumbach/Hopt/Bearbeiter). Baumbach, Adolf/Hueck, Alfred (Begr.): Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, 20. Aufl., München 2013 (zitiert als: Baumbach/Hueck/Bearbeiter, 20. Aufl. 2013). Baumbach, Adolf/Hueck, Alfred (Begr.): Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, 22. Aufl., München 2019 (zitiert als: Baumbach/Hueck/Bearbeiter). Bayer, Walter/Selentin, Philipp: Treuwidrige Berufung auf die Legitimationswirkung der Gesellschafterliste und Ausnutzung einer Öffnungsklausel zur Bestellung eines Aufsichtsrats, GmbHR 2020, S. 1 – 8. Beck-Online Großkommentar zum Zivilrecht: Hrsg. v. Gsell, Beate/Krüger, Wolfgang/Lorenz, Stephan/Reymann, Christoph, Stand: 15. 09. 2018 (§§ 32, 33); 01. 06. 2019 (§ 140) (zitiert als: BeckOGK-BGB/Bearbeiter). Behrends, Okko/Knütel, Rolf/Kupisch, Berthold/Seiler, Hans Hermann (Hrsg.): Corpus Iuris Civilis I – Institutionen, 2. Aufl., Heidelberg 1997 (zitiert als: Iustinian, Inst.). Bekker, Ernst Immanuel: Beiträge zum Aktienrecht, ZHR 17 (1873), S. 379 – 465. Bergau, Torsten: Einführung von Aufsichtsratsvorbehalten durch Hauptversammlungsbeschluss, AG 2006, S. 769 – 777. Boesebeck, Ernst: „Satzungsdurchbrechung“ im Recht der AG und GmbH, NJW 1960, S. 2265 – 2267. Bonner Kommentar zum Grundgesetz: Hrsg. v. Kahl, Wolfgang/Waldhoff, Christian/Walter, Christian, Losebl. (Stand: Juli 2019) Heidelberg (zitiert als: BonnKommGG/Bearbeiter).

Literaturverzeichnis

207

Bork, Reinhard: Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Gesetzbuchs, 4. Aufl., Tübingen 2016 (zitiert als: Bork, BGB AT). Bork, Reinhard/Roth, Herberth (Hrsg.): Stein/Jonas, Kommentar zur Zivilprozessordnung, 23. Aufl., Band 1: Einleitung, §§ 1 – 77, Tübingen 2014 (zitiert als: Stein/Jonas/Bearbeiter). Bork, Reinhard/Schäfer, Carsten (Hrsg.): Kommentar zum GmbH-Gesetz, 4. Aufl., Köln 2019 (zitiert als: Bork/Schäfer/Bearbeiter). Brandes, Helmut: Anmerkungen zu BGH, Urt. v. 7. 6. 1999 – II ZR 278/98, NZG 1999, S. 935 – 936. Bürgers, Tobias/Körber, Torsten (Hrsg.): Heidelberger Kommentar Aktiengesetz, 4. Aufl., Heidelberg 2017 (zitiert als: Bürgers/Körber/Bearbeiter). Campobasso, Gian Franco: Diritto commerciale, Volume 2: Diritto delle società, 9. Aufl., Turin 2015 (zitiert als: Campobasso). Canaris, Claus-Wilhelm: Die Feststellung von Lücken im Gesetz, 2. Aufl., Berlin 1983 (zitiert als: Canaris, Lücken im Gesetz). Casper, Matthias: Das Anfechtungsklageerfordernis im GmbH-Beschlussmängelrecht, ZHR 163 (1999), S. 54 – 86. CDU/CSU/SPD: Ein neuer Aufbruch für Europa, Eine neue Dynamik für Deutschland, Ein neuer Zusammenhalt für unser Land, Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD, 2018, abrufbar unter: https://www.cdu.de/system/tdf/media/dokumente/koalitionsvertrag_2018. pdf?file=1, zuletzt abgrerufen am 31. 10. 2019 (zitiert als: CDU/CSU/SPD, Koalitionsvertrag). Colombo, G. E./Portale, G. B. (Hrsg.): Trattato delle società per azioni, Volume 6: Modificazioni statuarie – Recesso – Riduzione del capitale, Turin 1993 (zitiert als: Bearbeiter, Trattato Colombo/Portale). Däubler, Wolfgang: Fehlerhafte Gesellschafterbeschlüsse bei der GmbH im Lichte des neuen Aktienrechts, GmbHR 1968, S. 4 – 11. Dauner-Lieb, Barbara/Heidel, Thomas/Ring, Gerhard (Hrsg.): NomosKommentar BGB, – Band 1, Allgemeiner Teil, EGBGB, Bandherausgeber: Heidel, Thomas/Hüßtege, Rainer/ Mansel, Heinz-Peter/Noack, Ulrich, 3. Aufl., Baden-Baden 2016, – Band 2/2, Schuldrecht, Bandherausgeber: Dauner-Lieb, Barbara/Langen, Werner, 3. Aufl., Baden-Baden 2016 (zitiert als: NK-BGB/Bearbeiter). Dreier, Horst (Hrsg.): Grundgesetz, Kommentar, Bd. II: Art. 20 – 82, 3. Aufl., Tübingen 2015 (zitiert als: Dreier/Bearbeiter). Dürr, Martin: Nebenabreden und die Willensbildung in der GmbH, BB 1995, S. 1365 – 1370. Eberspächer, Friedemann: Nichtigkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen nach § 241 Nr. 3 AktG, Baden-Baden 2009; zugl. Diss. Münster 2008 (zitiert als: Eberspächer, Nichtigkeit). Ehmke, Horst: Verfassungsänderung und Verfassungsdurchbrechung, AöR 79 (1953/54), S. 385 – 418. Ensthaler, Jürgen/Füller, Jens Thomas/Schmidt, Burkhardt: Kommentar zum GmbH-Gesetz, 2. Aufl., Köln 2010 (zitiert als: E/F/S/Bearbeiter).

208

Literaturverzeichnis

Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht: Hrsg. v. Müller-Glöge, Rudi/Preis, Ulrich/Schmidt, Ingrid, 19. Aufl., München 2019 (zitiert als: ErfKomm/Bearbeiter). Erman, Walter (Begr.): Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Band I: §§ 1 – 761, 15. Aufl., Köln 2017 (zitiert als: Erman/Bearbeiter). Ernst, Werner/Zinkahn, Willy/Bielenberg, Walter (Begr.)/Krautzberger, Michael: Baugesetzbuch, Kommentar, München Losebl. (Stand: 1. Mai 2019 [Gesamtwerk]; Mai 2016 [§ 214 BauGB]) (zitiert als: E/Z/B/K/Bearbeiter). Ernst, Wolfgang: Der Beschluss als Organakt, in: Häublein, Martin (Hrsg.), Rechtsgeschäft, Methodenlehre und darüber hinaus, Liber amicorum für Detlef Leenen zum 70. Geburtstag am 4. August 2012, Berlin 2012, S. 1 – 42 (zitiert als: Ernst, FS Leenen). Fehrenbach, Markus: Der fehlerhafte Gesellschafterbeschluss in der GmbH, Allgemeines Beschlussmängelrecht und analoge Anwendung des Aktienrechts, Köln 2011; zugl. Diss. Passau 2011 (zitiert als: Fehrenbach, Fehlerhafter Gesellschafterbeschluss). Fleck, Hans-Joachim: Schuldrechtliche Verpflichtungen einer GmbH im Entscheidungsbereich der Gesellschafter, ZGR 17 (1988), S. 104 – 139. Fluck, Bernd: Fehlerhafte Vereinsbeschlüsse, Beschlussmängelfolgen und deren Geltendmachung, Tübingen 2017; zugl. Diss. Bayreuth 2016 (zitiert als: Fluck, Fehlerhafte Vereinsbeschlüsse). Flume, Werner: Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, Erster Band, Erster Teil, Die Personengesellschaft, Heidelberg u. a. 1977 (zitiert als: Flume, BGB AT I/1). Flume, Werner: Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, Zweiter Band, Das Rechtsgeschäft, 3. Aufl., Berlin u. a. 1979 (zitiert als: Flume, BGB AT II). Galgano, Francesco: Diritto Civile e Commerciale, Volume Terzo: L’impresa e le società, Tomo Secondo, Le società di capitali e le cooperative, 4. Aufl., Padua 2004 (zitiert als: Galgano, Dir. Civ. e Comm. III/2). Gehrlein, Markus/Born, Manfred/Simon, Stefan (Hrsg.): Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, Kommentar, 4. Aufl., Köln 2019 (zitiert als: Gehrlein/Born/ Simon/Bearbeiter). Geßler, Ernst/Hefermehl, Wolfang/Eckardt, Ulrich/Kropff, Bruno (Hrsg.): Aktiengesetz, Kommentar, Bd. IV: §§ 179 – 240, München 1988 (zitiert als: Geßler/Hefermehl/Eckardt/ Kropff/Bearbeiter). Goette, Wulf: Anmerkungen zu BGH, Urt. v. 07. 06. 1993 – II ZR 81/92, DStR 1993, S. 1302 – 1304. Goette, Wulf: Satzungsdurchbrechung und Beschlussanfechtung, in: Henze, Hartwig/Timm, Wolfram/Westermann, Harm Peter (Hrsg.), RWS Forum 8 Gesellschaftsrecht 1995, Köln 1996, S. 113 – 129 (zitiert als: Goette, RWS Forum 8). Grever, Sebastian: Disquotale Ausgestaltung von Gesellschafterrechten – zivilrechtliche Gestaltungsmöglichkeiten und steuerrechtliche Folgen, RNotZ 2019, S. 1 – 18. Grigoleit, Hans Christoph (Hrsg.): Aktiengesetz Kommentar, München 2013 (zitiert als: Grigoleit/Bearbeiter).

Literaturverzeichnis

209

Großkommentar Aktiengesetz: Hrsg. v. Hopt, Klaus J./Wiedemann, Herbert, – Erster Band: Einleitung; §§ 1 – 53, 4. Aufl., Berlin 2004, – Sechster Band: §§ 150 – 220, 4. Aufl. Berlin 2006, – Siebenter Band/Teil 2: §§ 241 – 277, 4. Aufl., Berlin 2013 (zitiert als: GroßKommAktG/Bearbeiter). Großkommentar Aktiengesetz: Hrsg. v. Hirte, Heribert/Mülbert, Peter O./Roth, Markus, Zweiter Band, Teilband 1: §§ 23 – 40, 5. Aufl., Berlin 2016 (zitiert als: GroßKommAktG/Bearbeiter). Grunewald, Barbara: Gesellschaftsrecht, 10. Aufl., Tübingen 2017 (zitiert als: Grunewald, GesR). Gummert, Hans: Anmerkungen zu BGH, Urt. v. 7. 6. 1993 – II ZR 81/92, WiB 1994, S. 25 – 26. Habersack, Mathias: Unwirksamkeit „zustandsbegründender“ Durchbrechungen der GmbHSatzung sowie darauf gerichteter schuldrechtlicher Nebenabreden, ZGR 1994, S. 354 – 374. Habersack, Mathias: Die Mitgliedschaft – subjektives und ”sonstiges” Recht, Tübingen 1996 (zitiert als: Habersack, Mitgliedschaft). Habersack, Mathias/Schäfer, Carsten: Das Recht der OHG – Kommentierung der §§ 105 bis 160 HGB, 2. Aufl., Berlin u. a. 2019 (zitiert als: Habersack/Schäfer/Bearbeiter OHG). Hachenburg, Max (Begr.)/Ulmer, Peter (Hrsg.) : Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG), Großkommentar, Band 3: §§ 53 – 85, Register, 8. Aufl., Berlin 1994 (zitiert als: Hachenburg8/Bearbeiter). Hager, Johannes: Gesetzes- und sittenkonforme Auslegung und Aufrechterhaltung von Rechtsgeschäften, München 1983; zugl. Diss. München 1981 (zitiert als: Hager, Gesetzesund sittenkonforme Auslegung). Harbarth, Stephan/Zeyher, Stefan/Brechtel, Micha: Gestaltung einer von der Satzung und dem gesetzlichen Regelfall abweichenden Gewinnauszahlungsabrede in der Aktiengesellschaft, AG 2016, S. 801 – 809. Hart, Herbert Lionel Adolphus: The Concept of Law, 3. Aufl., Oxford 2012 (zitiert als: Hart, Concept of Law). Häublein, Martin/Hoffmann-Theinert, Roland (Hrsg.): NomosKommentar HGB, Baden-Baden 2017 (zitiert als: NK-HGB/Bearbeiter). Heck, Philipp: Gesetzesauslegung und Interessenjurisprudenz, AcP 112 (1914), S. 1 – 318. Heckschen, Heribert: Öffnungsklauseln in GmbH-Satzungen – Zugleich Anmerkung zu BGH v. 2. 7. 2019 – II ZR 406/17, NZG 2019, 979, NZG 2019, S. 1281 – 1285. Heidel, Thomas (Hrsg.): NomosKommentar Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl., Baden-Baden 2014 (zitiert als: NK-AktG/Bearbeiter). Helmke, Britta: Satzungsdurchbrechungen bei der GmbH, Diss. Hamburg 2001 (zitiert als: Helmke, Satzungsdurchbrechungen). Henssler, Martin/Strohn, Lutz: Gesellschaftsrecht, 4. Aufl., München 2019 (zitiert als: Henssler/Strohn/Bearbeiter). Heymann, Ernst (Begr.)/Horn, Norbert (Hrsg.): Handelsgesetzbuch Kommentar, Band 2: Zweites Buch §§ 105 – 237, 2. Aufl., Berlin 1996 (zitiert als: Heymann/Bearbeiter). Hirte, Heribert: Kapitalgesellschaftsrecht, 8. Aufl., Köln 2016 (zitiert als: Hirte, KapGesR).

210

Literaturverzeichnis

Hobbes, Thomas: Leviathan or the Matter, Forme and Power of a Commonwealth Ecclesiasticall and Civil, hrsg. v. Gaskin, J. C. A., Oxford 2008 [1651] (zitiert als: Hobbes, Leviathan). Hölters, Wolfgang (Hrsg.): Aktiengesetz Kommentar, 3. Aufl., München 2017 (zitiert als: Hölters/Bearbeiter). Huber, Ulrich: Entstehungsgeschichte und aktuelle Auslegungsprobleme des § 241 Nr. 3 AktG, in: Horn, Norbert/Luig, Klaus/Söllner, Alfred (Hrsg.), Europäisches Rechtsdenken in Geschichte und Gegenwart, Festschrift für Helmut Coing zum 70. Geburtstag, Bd. II, München 1982, S. 167 – 192 (zitiert als: U. Huber, FS Coing). Hueck, Alfred: Formvorschriften für die Änderung von Gesellschaftsverträgen – zugleich eine Besprechung des Urteils des Bundesgerichtshofs vom 5. Februar 1968, DB 1968, S. 1207 – 1210. Hueck, Alfred: Das Recht der offenen Handelsgesellschaft, 4. Aufl., Berlin u. a. 1971 (zitiert als: Hueck OHG). Hüffer, Uwe (Begr.)/Koch, Jens: Aktiengesetz, 13. Aufl., München 2018 (zitiert als: Hüffer/ Koch/Bearbeiter). Ibba, Carlo/Marasà, Giorgio (Hrsg.): Trattato delle società a responsibilità limitata, Volume Quarto: Le decisioni dei soci, le modificazioni dell’atto costitutivo, Padua 2009 (zitiert als: Bearbeiter, Trattato Ibba/Marasà). Isensee, Josef/Kirchhof, Paul (Hrsg.): Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Band 3: Demokratie – Bundesorgane, 3. Aufl., Heidelberg 2005 (zitiert als: Bearbeiter, HdbStR III). Jäger, Axel: Schuldrechtliche Nebenabreden zum Gesellschaftsvertrag der GmbH, DStR 1996, S. 1935 – 1940. Jauernig, Othmar (Begr.): Bürgerliches Gesetzbuch, 17. Aufl., München 2018 (zitiert als: Jauernig/Bearbeiter). Jellinek, Georg: Verfassungsänderung und Verfassungswandlung, Berlin 1906 (zitiert als: G. Jellinek, Verfassungsänderung). Joost, Detlev/Strohn, Lutz (Hrsg.): Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, Handelsgesetzbuch, Band 1: §§ 1 – 342e, 4. Aufl., München 2020 (zitiert als: E/B/J/S/Bearbeiter). Joussen, Edgar: Gesellschafterabsprachen neben Satzung und Gesellschaftsvertrag, Köln 1995; zugl. Diss. Bonn 1994 (zitiert als: Joussen, Gesellschafterabsprachen). Jung-Senssfelder, Ottheinz: Die Erforderlichkeit einer Gesellschaftsvertragsänderung gem. § 53 GmbHG, Diss. Köln 1970 (zitiert als: Jung-Senssfelder, Gesellschaftsvertragsänderung). Kelsen, Hans: Reine Rechtslehre, 2. Aufl., Wien 1960 (zitiert als: Kelsen, Reine Rechtslehre). Kersting, Wolfgang: Die politische Philosophie des Gesellschaftsvertrags, Darmstadt 1994 (zitiert als: Kersting, Gesellschaftsvertrag). Kirchhof, Ferdinand: Private Rechtsetzung, Berlin 1987 (zitiert als: Kirchhof, Private Rechtssetzung). Kloepfer, Michael: Verfassungsrecht, Band I: Grundlagen, Staatsorganisationsrecht, Bezüge zum Völker- und Europarecht, München 2011 (zitiert als: Kloepfer, VerfR I).

Literaturverzeichnis

211

Knobbe-Keuk, Brigitte: Das Klagerecht des Gesellschafters einer Kapitalgesellschaft wegen gesetz- und satzungswidriger Maßnahmen der Geschäftsführung, in: Flume, Werner (Hrsg.), Beiträge zum Zivil- und Wirtschaftsrecht, Festschrift für Kurt Ballerstedt zum 70. Geburtstag am 24. Dezember 1975, Berlin 1975, S. 239 – 255 (zitiert als: Knobbe-Keuk, FS Ballerstedt). Koch, Christian: Das Anfechtungsklageerfordernis im GmbH-Beschlussmängelrecht, Frankfurt u. a. 1997, (zitiert als: Koch, Anfechtungsklageerfordernis). Koch, Jens: Höherrangiges Satzungsrecht vs. schuldrechtliche Satzungsüberlagerung, AG 2015, S. 213 – 222. Koch, Jens: Empfiehlt sich eine Reform des Beschlussmängelrechts im Gesellschaftsrecht?, Gutachten F, in: Verhandlungen des 72. Deutschen Juristentages, Band I: Gutachten, München 2018, S. F1-F110 (zitiert als: Koch, Gutachten für den 72. DJT). Köhler, Helmut: BGB Allgemeiner Teil, Ein Studienbuch, 42. Aufl., München 2018 (zitiert als: Köhler, BGB AT). Koller, Ingo/Kindler, Peter/Roth, Wulf-Henning/Drüen, Klaus-Dieter: Handelsgesetzbuch, Kommentar, 9. Aufl., München 2019 (zitiert als: K/K/R/D/Bearbeiter). Koller, Peter: Neue Theorien des Sozialkontrakts, Berlin 1987 (zitiert als: Koller, Sozialkontrakt). Kölner Kommentar zum Aktiengesetz: Hrsg. v. Zöllner, Wolfgang, Band 5/1: §§ 179 – 240 AktG mit Nachtrag zum Gesetz vom 2. August 1994, 2. Aufl., Köln u. a. 1995 (zitiert als: KölnKommAktG2/Bearbeiter). Kölner Kommentar zum Aktiengesetz: Hrsg. v. Zöllner, Wolfgang/Noack, Ulrich, – Band 1: §§ 1 – 75, 3. Aufl., Köln 2011, – Band 4 – 4. Teillieferung: §§ 179 – 181, 3. Aufl., Köln 2019, – Band 5: §§ 241 – 290, 3. Aufl., Köln 2018 (zitiert als: KölnKommAktG/Bearbeiter). Kopp, Ferdinand (Begr.)/Schenke, Wolf-Rüdiger (Hrsg.): Verwaltungsgerichtsordnung, Kommentar, 25. Aufl., München 2019 (zitiert als: Kopp/Schenke/Bearbeiter). Köster, Bernd Gisbert: Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage gegen Gesellschafterbeschlüsse bei OHG und KG, Göttingen 1981; zugl. Diss. Darmstadt 1980 (zitiert als: Köster, Anfechtungsund Nichtigkeitsklage). Krieger, Gerd: Abwahl des satzungsmäßigen Versammlungsleiters?, AG 2006, S. 355 – 363. Kropff, Bruno (Hrsg.): Aktiengesetz – Textausgabe des Aktiengesetzes vom 6. 9. 1965 und des Einführungsgesetzes zum Aktiengesetz vom 6. 9. 1965 mit Begründung des Regierungsentwurfs, Düsseldorf 1965 (zitiert als: Kropff, Aktiengesetz). Kübler, Friedrich/Assmann, Heinz-Dieter: Gesellschaftsrecht, 6. Aufl., Heidelberg 2006 (zitiert als: Kübler/Assmann). Laband, Paul: Das Staatsrecht des deutschen Reiches, Bd. II, 5. Aufl., Tübingen 1914 (zitiert als Laband, Staatsrecht Bd. II). Larenz, Karl: Der Allgemeine Teil des Bürgerlichen Rechts, 7. Aufl., München 1989 (zitiert als: Larenz, BGB AT).

212

Literaturverzeichnis

Larenz, Karl/Canaris, Claus-Wilhelm: Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl., Berlin u. a. 1995 (zitiert als: Larenz/Canaris, Methodenlehre). Lawall, Lars: Satzungsdurchbrechende Beschlüsse im GmbH–Recht, DStR 1996, S. 1169 – 1175. Leitzen, Mario: Neues zu Satzungsdurchbrechung und schuldrechtlichen Nebenabreden, RNotZ 2010, S. 566 – 573. Leuschner, Lars: Satzungsdurchbrechende Beschlüsse bei AG und GmbH, ZHR 180 (2016), S. 422 – 457. Loewenstein, Karl: Erscheinungsformen der Verfassungsänderung, Tübingen 1931 (zitiert als: Loewenstein, Verfassungsänderung). Lohr, Martin: Öffnungsklauseln in der Satzung – Zulässigkeit und Gestaltung, GmbH-StB 2018, S. 302. Lorz, Rainer/Pfisterer, Benedikt/Gerber, Olaf (Hrsg.): Beck’sches Formularbuch GmbHRecht, 1. Aufl., München 2010 (zitiert als: Lorz/Pfisterer/Gerber/Bearbeiter, Formularbuch GmbH-Recht). Löwisch, Manfred/Rieble, Volker: Tarifvertragsgesetz, Kommentar, 4. Aufl., München 2017 (zitiert als: Löwisch/Rieble). Lukes, Rudolf: Der Satzungsinhalt beim eingetragenen Verein und die Abgrenzung zu sonstigen Vereinsregelungen, NJW 1972, S. 121 – 128. Lutter, Marcus: Theorie der Mitgliedschaft, Prolegomena zu einem Allgemeinen Teil des Korporationsrechts, AcP 180 (1980), S. 84 – 150. Lutter, Marcus/Hommelhoff, Peter: GmbH-Gesetz Kommentar, 15. Aufl., Köln 2000 (zitiert als: Lutter/Hommelhoff15). Lutter, Marcus/Hommelhoff, Peter (Hrsg.): GmbH-Gesetz Kommentar, 17. Aufl., Köln 2009 (zitiert als: Lutter/Hommelhoff17/Bearbeiter). Lutter, Marcus/Hommelhoff, Peter (Hrsg.): GmbH-Gesetz Kommentar, 19. Aufl., Köln 2016 (zitiert als: Lutter/Hommelhoff19/Bearbeiter). Lutter, Marcus/Hommelhoff, Peter (Hrsg.): GmbH-Gesetz Kommentar, 20. Aufl., Köln 2020 (zitiert als: Lutter/Hommelhoff/Bearbeiter). Marsilius von Padua: Defensor pacis, hrsg. v. Scholz, Richard, Hannover 1932 [1324] (zitiert als: Marsilius von Padua, Defensor pacis). Maunz, Theodor (Begr.): Bundesverfassungsgerichtsgesetz Kommentar, Losebl. (Stand: Februar 2019 [§ 31]; Juni 2018 [§ 78]) München (zitiert als: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/ Bethge/Bearbeiter). Maunz, Theodor/Dürig, Günter (Begr.): Grundgesetz Kommentar, hrsg. v. Herzog, Roman/ Scholz, Rupert/Herdegen, Matthias/Klein, Hans H., Losebl. (Stand: Juli 2014) München (zitiert als: Maunz/Dürig/Bearbeiter). Merkl, Adolf: Das doppelte Rechtsantlitz, JBl. 1918, S. 425 – 463. Merkl, Adolf: Prolegomena einer Theorie des rechtlichen Stufenbaues, in: Verdross, Alfred (Hrsg.), Gesellschaft, Staat und Recht, Festschrift, Hans Kelsen zum 50. Geburtstage gewidmet, Wien 1931, S. 252 – 294 (zitiert als: Merkl, FS Kelsen).

Literaturverzeichnis

213

Meyer, Georg/Anschütz, Gerhard: Lehrbuch des deutschen Staatsrechts, 7. Aufl., Berlin 1919 (zitiert als: Meyer/Anschütz, Staatsrecht). Meyer-Cording, Ulrich: Die Rechtsnormen, Tübingen 1971 (zitiert als: Meyer-Cording, Rechtsnormen). Meyer-Landrut, Joachim/Miller, Georg/Niehus, Rudolf J.: Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) – Kommentar, Berlin u. a. 1987 (zitiert als: MeyerLandrut/Miller/Niehus/Bearbeiter). Michalski, Lutz (Begr.)/Heidinger, Andreas/Leible, Stefan/Schmidt, Jessica (Hrsg.): Kommentar zum Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, – Band I: Systematische Darstellungen §§ 1 – 34 GmbHG, 3. Aufl., München 2017, – Band II: §§ 35 – 88 GmbHG EGGmbHG, 3. Aufl., München 2017 (zitiert als: M/H/L/S/Bearbeiter). Milch, Patricia: Schuldrechtliche Absprachen in der GmbH – Zur Reichweite des Trennungsprinzips, Frankfurt a. M. 2004; zugl. Diss. München 2003 (zitiert als: Milch, Schuldrechtliche Absprachen). Morgenroth, Carsten: Anmerkungen zu OLG Hamm, Urt. v. 18. 12. 2013 – 8 U 20/13, ZStV 2014, S. 180. Mugdan, Benno (Hrsg.): Die gesammten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, – Band I: Einführungsgesetz und allgemeiner Teil, Berlin 1899, – Band II: Recht der Schuldverhältnisse, Berlin 1899 (zitiert als: Mugdan). Müller, Jörg: Statutenwidrige Verbandsbeschlüsse im Recht der Personengesellschaften und Körperschaften, Frankfurt a.M. u. a. 1994; zugl. Diss. Köln 1993 (zitiert als: J. Müller, Statutenwidrige Verbandsbeschlüsse). Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts: Band 1: BGB-Gesellschaft, Offene Handelsgesellschaft, Partnerschaftsgesellschaft, Partenreederei, EWIV, hrsg. v. Gummert, Hans/ Weipert, Lutz, 5. Aufl., München 2019 (zitiert als: MünchHdbGesR-I/Bearbeiter). – Band 3: Gesellschaft mit beschränkter Haftung, hrsg. v. Priester, Hans-Joachim/Mayer, Dieter/Wicke, Hartmut, 5. Aufl., München 2018 (zitiert als: MünchHdbGesR-III/Bearbeiter). – Band 4: Aktiengesellschaft, hrsg. v. Hoffmann-Becking, Michael, 4. Aufl., München 2015 (zitiert als: MünchHdbGesR-IV/Bearbeiter). – Band 5: Verein, Stiftung bürgerlichen Rechts, hrsg. v. Beuthien, Volker/Gummert, Hans/ Schöpflin, Martin, 4. Aufl., München 2016 (zitiert als: MünchHdbGesR-V/Bearbeiter). Münchener Kommentar zum Aktiengesetz: Hrsg. v. Goette, Wulf/Habersack, Mathias/Kalss, Susanne, – Band 1: §§ 1 – 75, 5. Aufl., München 2019, – Band 2: §§ 76 – 117, 5. Aufl., München 2019, – Band 3: §§ 118 – 178, 4. Aufl., München 2018, – Band 4: §§ 179 – 277, 4. Aufl., München 2018 (zitiert als: MünchKommAktG/Bearbeiter).

214

Literaturverzeichnis

Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch: Hrsg. v. Säcker, Franz Jürgen/Rixecker, Roland, Band 1: Allgemeiner Teil, §§ 1 – 240, ProstG, AGG, 6. Aufl., München 2012 (zitiert als: MünchKommBGB6/Bearbeiter). Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch: Hrsg. v. Säcker, Franz Jürgen/Rixecker, Roland/Oetker, Hartmut/Limperg, Bettina, – Band 1: §§ 1 – 240, 8. Aufl., München 2018, – Band 6: §§ 705 – 853, 7. Aufl., München 2017 (zitiert als: MünchKommBGB/Bearbeiter). Münchener Kommentar zum GmbH-Gesetz: Hrsg. v. Fleischer, Holger/Goette, Wulf, – Band 1: §§ 1 – 34, 3. Aufl., München 2018, – Band 2: §§ 35 – 52, 3. Aufl., München 2019, – Band 3: §§ 53 – 88, 3. Aufl., München 2018 (zitiert als: MünchKommGmbHG/Bearbeiter). Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch: Hrsg. v. Schmidt, Karsten, – Band 2: §§ 105 – 160, 4. Aufl., München 2016, – Band 3: §§ 161 – 237, 4. Aufl., München 2019 (zitiert als: MünchKommHGB/Bearbeiter). Nitschke, Manfred: Die körperschaftlich strukturierte Personengesellschaft, Bielefeld 1970; zugl. Habil. Münster 1966 (zitiert als: Nitschke, Personengesellschaft). Noack, Ulrich: Fehlerhafte Beschlüsse in Gesellschaften und Vereinen, Köln u. a. 1989; zugl. Diss. Tübingen 1988 (zitiert als: Noack, Fehlerhafte Beschlüsse). Noack, Ulrich: Gesellschaftervereinbarungen bei Kapitalgesellschaften, Tübingen 1994; zugl. Habil. Tübingen 1993 (zitiert als: Noack, Gesellschaftervereinbarungen). Noack, Ulrich: Zur Bindung des Erwerbers eines Geschäftsanteils an Beschlußlagen bei der GmbH, GmbHR 1994, S. 349 – 356. Noack, Ulrich: Der Versammlungsleiter im GmbH-Recht, GmbHR 2017, S. 792 – 800. Oertmann, Paul: Anmerkungen zum Urt. v. 20. Oktober 1924 – 989/23 IV. – Kassel, JW 1925, S. 237. Oetker, Hartmut (Hrsg.): Handelsgesetzbuch, Kommentar, 6. Aufl., München 2019 (zitiert als: Oetker/Bearbeiter). Ossenbühl, Fritz: Eine Fehlerlehre für untergesetzliche Normen, NJW 1986, S. 2805 – 2812. Otte-Gräbner, Sabine: Anmerkungen zu OLG Köln, Beschl. v. 24. 08. 2018 – 4 Wx 4/18, BB 2019, S. 595. Otto, Hans-Jochen: Einrichtung des fakultativen Aufsichtsrats durch Gesellschafterbeschluss kraft Satzungsermächtigung – zugleich Anmerkungen zur Entscheidung des Kammergerichts vom 23. 7. 2015 – 23 U 18/15, GmbHR 2016, S. 19 – 23. Otto, Hans-Jochen: Anmerkungen zu KG, Urt. v. 9. 11. 2017 – 23 U 67/15, GmbHR 2018, S. 367 – 368. Palandt, Otto (Begr.): Bürgerliches Gesetzbuch, 78. Aufl., München 2019 (zitiert als: Palandt/ Bearbeiter).

Literaturverzeichnis

215

Pöschke, Moritz: Satzungsdurchbrechende Beschlüsse in der GmbH – zugleich eine Besprechung der Entscheidung des OLG Dresden vom 9. 11. 2011, DStR 2012, S. 1089 – 1093. Pöschke, Moritz: Satzungsdurchbrechende Beschlüsse zu Gewinnverwendung und -verteilung in der GmbH, WPg 2019, S. 533 – 536. Preuß, Hugo: Verfassungsändernde Gesetze und Verfassungsurkunde, DJZ 1924, S. 649 – 654. Priester, Hans-Joachim: Nichtkorporative Satzungsbestimmungen bei Kapitalgesellschaften, DB 1979, S. 681 – 687. Priester, Hans-Joachim: Satzungsänderung und Satzungsdurchbrechung – Voraussetzungen und Grenzen satzungsdurchbrechender Beschlüsse, ZHR 151 (1987), S. 40 – 58. Priester, Hans-Joachim: Rechtskontrolle und Registerpublizität als Schranken satzungsgleicher Gesellschaftervereinbarungen bei der GmbH?, in: Martens, Klaus-Peter/Westermann, Harm Peter/Zöllner, Wolfgang (Hrsg.), Festschrift für Carsten Peter Claussen, Köln 1997, S. 319 – 335 (zitiert als: Priester, FS Claussen). Priester, Hans-Joachim: Öffnungsklauseln zur Gewinnverteilung in der GmbH-Satzung, in: Hommelhoff, Peter/Zätsch, Roger/Erle, Bernd (Hrsg.), Festschrift für Welf Müller zum 65. Geburtstag, München 2001, S. 113 – 124 (zitiert als: Priester, FS W. Müller). Priester, Hans-Joachim: Feststellung des Jahresabschlusses bei der Personenhandelsgesellschaft – Gesellschaftervereinbarung oder Organbeschluß?, in: Festschrift für Walther Hadding zum 70. Geburtstag am 8. Mai 2004, hrsg. v. Häuser, Franz/Hammen, Horst/ Hennrichs, Joachim/Steinbeck, Anja/Siebel, Ulf R./Welter, Reinhard, Berlin 2004, S. 607 – 619 (zitiert als: Priester, FS Hadding). Priester, Hans-Joachim: Aufsichtsrat per Öffnungsklausel, NZG 2016, S. 774 – 776. Prior, Hans-Peter: Fehlerhafte Vereinsbeschlüsse, Diss. Bonn 1972, (zitiert als: Prior, Fehlerhafte Vereinsbeschlüsse). Prütting, Hanns/Wegen, Gerhard/Weinreich, Gerd (Hrsg.): Bürgerliches Gesetzbuch – Kommentar, 14. Aufl., Köln 2019 (zitiert als: P/W/W/Bearbeiter). Raiser, Thomas/Veil, Rüdiger: Recht der Kapitalgesellschaften – Ein Handbuch für die Praxis und Wissenschaft, 6. Aufl., München 2015 (zitiert als: Raiser/Veil). Reichard, Michael : Gesellschafterbeschluss zur Errichtung eines Aufsichtsrats bei einer GmbH ist notariell zu beurkunden, GWR 2018, S. 271. Reichert, Bernhard (Begr.)/Schimke, Martin/Dauernheim, Jörg (Hrsg.): Handbuch Vereins- und Verbandsrecht, 14. Aufl., Köln 2018 (zitiert als: Reichert/Bearbeiter). Rescigno, Pietro (Hrsg.): Trattato di Diritto Privato, Volume 16: Impresa e lavoro, Tomo quarto, 2. Aufl., Turin 2012 (zitiert als: Bearbeiter, Trattato Rescigno). Reuter, Dieter: Die Verfassung des Vereins gem. § 25 BGB, ZHR 148 (1984), S. 523 – 554. Reuter, Dieter: 100 Bände BGHZ: Vereins- und Genossenschaftsrecht, ZHR 151 (1987), S. 355 – 395. Reuter, Dieter: Zur Vereinsrechtsreform 2009, NZG 2009, S. 1368 – 1373. RGRK-BGB: Das Bürgerliche Gesetzbuch mit besonderer Berücksichtigung der Rechtsprechung des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofes, hrsg. v. Mitgliedern des Bundesgerichtshofs, Band I: §§ 1 – 240, 12. Aufl., Berlin u. a. 1982 (zitiert als: RGRK/Bearbeiter).

216

Literaturverzeichnis

Richert, N. N.: Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis des Vereins-, Gesellschafts- und Genossenschaftsvorstandes nach Amtszeitablauf, NJW 1957, S. 1543 – 1546. Röhricht, Volker/Graf v. Westphalen, Friedrich/Haas, Ulrich (Hrsg.): Handelsgesetzbuch, Kommentar zu Handelsstand, Handelsgesellschaften, Handelsgeschäften, besonderen Handelsverträgen und Internationalem Vertragsrecht (ohne Bilanz-, Transport- und Seerecht), 5. Aufl., Köln 2019 (zitiert als: Röhricht/Graf v. Westphalen/Haas/Bearbeiter). Roth, Andreas: Zur Problematik des Vertrags zu Lasten Dritter, in: Häuser, Franz/Hammen, Horst/Hennrichs, Joachim/Steinbeck, Anja/Siebel, Ulf R./Welter, Reinhard (Hrsg.), Festschrift für Walter Hadding zum 70. Geburtstag am 8. Mai 2004, Berlin 2004, S. 253 – 270 (zitiert als: A. Roth, FS Hadding). Roth, Günther H. (Begr.)/Altmeppen, Holger: Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung Kommentar, 9. Aufl., München 2019 (zitiert als: Roth/Altmeppen/Bearbeiter). Rothweiler, Estelle/Geyer, Stefan: Von der Compagnie de commerce zur société anonyme: Die Geschichte der Aktiengesellschaft in Frankreich bis zum Code de commerce, in: Aktienrecht im Wandel, Bd. I, Entwicklung des Aktienrechts, hrsg. v. Bayer, Walter/Habersack, Mathias, Tübingen 2007 (zitiert als: Rothweiler/Geyer, Aktienrecht im Wandel). Rousseau, Jean-Jacques: Du contrat social/Vom Gesellschaftsvertrag, hrsg. v. Brockard, Hans, Stuttgart 2010 [1762] (zitiert als: Rousseau, Contrat social). Rowedder, Heinz (Begr.)/Schmidt-Leithoff, Christian (Hrsg.): Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung Kommentar, 6. Aufl., München 2017 (zitiert als: Rowedder/Schmidt-Leithoff/Bearbeiter). Rüthers, Bernd: Die unbegrenzte Auslegung, 5. Aufl., Heidelberg 1997 (zitiert als: Rüthers, Unbegrenzte Auslegung). Rüthers, Bernd/Fischer, Christian/Birk, Axel: Rechtstheorie, mit Juristischer Methodenlehre, 10. Aufl., München 2018 (zitiert als: Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie). Saenger, Ingo/Inhester, Michael (Hrsg.): GmbHG Handkommentar, 3. Aufl., Baden-Baden 2016 (zitiert als: Saenger/Inhester/Bearbeiter). Sauter, Eugen/Schweyer, Gerhard (Begr.): Der eingetragene Verein, 20. Aufl., München 2016 (zitiert als: S/S/W/Bearbeiter). Schaub, Günter (Begr.): Arbeitsrechtshandbuch, 18. Aufl., München 2019 (zitiert als: Schaub/ Bearbeiter). Scheuch, Silke: Anmerkungen zu BGH, Urt. v. 7. 6. 1993 – II ZR 81/92, EWiR 1993, S. 991 – 992. Schlaich, Klaus (Begr.)/Korioth, Stefan: Das Bundesverfassungsgericht, Stellung, Verfahren, Entscheidungen, Ein Studienbuch, 11. Aufl., München 2018 (zitiert als: Schlaich/Korioth). Schlegelberger, Franz (Begr.): Handelsgesetzbuch, Kommentar, 5. Aufl., München 1992 (zitiert als: Schlegelberger/Bearbeiter). Schmidt, Karsten: Fehlerhafte Beschlüsse in Gesellschaften und Vereinen (II) – Nichtigkeit, Anfechtbarkeit und Nichtigerklärung als Strukturprinzipien des inneren Verbandsrechts, AG 1977, S. 243 – 254.

Literaturverzeichnis

217

Schmidt, Karsten: Die Beschlußanfechtungsklage bei Vereinen und Personengesellschaften, in: Lutter, Marcus/Mertens, Hans-Joachim/Ulmer, Peter (Hrsg.), Festschrift für Walter Stimpel zum 68. Geburtstag am 29. November 1985, Berlin u. a. 1985, S. 217 – 243 (zitiert als: K. Schmidt, FS Stimpel). Schmidt, Karsten: Gesellschaftsrecht, 4. Aufl., Köln u. a. 2002 (zitiert als: K. Schmidt, GesR). Schmidt, Karsten: Mehrheitsbeschlüsse in Personengesellschaften – Stand und Fortbildung des Innenrechts der Personengesellschaften nach dem „Otto“-Urteil des Bundesgerichtshofs, ZGR 2008, S. 1 – 33. Schmidt, Karsten: Dogmatik und Rechtspolitik der Anfechtungsklagen für Heute und Morgen, AG 2009, S. 248 – 259. Schmidt, Karsten: Anfechtung von Versammlungsbeschlüssen in gegliederten Vereinen, in: Martinek, Michael/Rawert, Peter/Weitemeyer, Birgit (Hrsg.), Festschrift für Dieter Reuter zum 70. Geburtstag am 16. Oktober 2010, Berlin u. a. 2010, S. 345 – 364 (zitiert als: K. Schmidt, FS Reuter). Schmidt, Karsten/Lutter, Marcus (Hrsg.): Aktiengesetz Kommentar, – I. Band: §§ 1 – 149, 3. Aufl., Köln 2015, – II. Band: §§ 150 – 410, SpruchG, 3. Aufl., Köln 2015 (zitiert als: K. Schmidt/Lutter/Bearbeiter). Schmitt, Anne: Das Beschlussmängelrecht der Personengesellschaften, Frankfurt a. M. u. a. 1997; zugl. Diss. Saarbrücken 1996 (zitiert als: A. Schmitt, Beschlussmängelrecht). Schmitt, Carl: Verfassungslehre, 1. Aufl., Berlin 1928, 5. Nachdruck 1970 (zitiert als: Carl Schmitt, Verfassungslehre). Schodder, Thomas F. W.: Anmerkungen zu KG, Urt. v. 9. 11. 2017 – 23 U 67/15, EWiR 2018, S. 457 – 548. Scholz, Franz: Kommentar zum GmbH-Gesetz in seiner neuesten Fassung, Köln 1928 (zitiert als: Scholz, GmbHG [1928]). Scholz, Franz (Begr.): Kommentar zum GmbH-Gesetz, – I. Band: §§ 1 – 34, Anh. § 13 Konzernrecht, Anh. § 34 Austritt und Ausschließung eines Gesellschafters, 12. Aufl., Köln 2018, – II. Band: §§ 35 – 52, 11. Aufl., Köln 2014, – III. Band: §§ 53 – 85, 11. Aufl., Köln 2015 (zitiert als: Scholz/Bearbeiter). Scholz, Kai-Steffen: Beschlussmängelstreitigkeiten in Personengesellschaften – Verselbständigung auch im Innenverhältnis, WM 2006, S. 897 – 905. Schön, Amela: Schuldrechtliche Gesellschaftervereinbarungen in der Gesellschaft mit beschränkter Haftung unter besonderer Berücksichtigung der Rechtsnachfolge, Baden-Baden 2018; zugl. Diss. Tübingen 2016 (zitiert als: Schön, Gesellschaftervereinbarungen). Schöne, Torsten: Anmerkungen zu BGH, Urt. v. 7. 6. 1993 – II ZR 81/92, WuB II C § 53 GmbHG 1.94. Schwerdtfeger, Achim (Hrsg.): Gesellschaftsrecht Kommentar, 3. Aufl., Köln 2015 (zitiert als: Schwerdtfeger/Bearbeiter).

218

Literaturverzeichnis

Segna, Ulrich: Vorstandskontrolle in Großvereinen, Berlin 2002 (zitiert als: Segna, Vorstandskontrolle). Selentin, Philipp: Satzungsdurchbrechungen: Untersuchung zur Notwendigkeit eines Rechtsinstituts, Köln 2019; zugl. Diss. Jena 2019 (zitiert als: Selentin, Satzungsdurchbrechungen). Selentin, Phillip: Satzungsverletzung, Satzungsänderung – Satzungsdurchbrechung?, NZG 2020, S. 292 – 298. Semler, Johannes (Begr.)/v. Schenck, Kersten: Der Aufsichtsrat, Kommentar, 1. Aufl., München 2015 (zitiert als: Semler/v. Schenck/Bearbeiter). Seneca, Lucius Annaeus: Epistulae morales ad Lucilium – Briefe an Lucilius über Ethik, hrsg. v. Giebel, Marion, Stuttgart 2018 (zitiert als: Seneca, Epistulae morales). Soergel, Theodor (Begr.)/Siebert, Wolfgang u. a. (Hrsg.): Bürgerliches Gesetzbuch mit Einführungsgesetz und Nebengesetzen, – Band 1: Allgemeiner Teil §§ 1 – 240, 11. Aufl., Stuttgart u. a. 1978, – Band 1: Allgemeiner Teil 1 §§ 1 – 103, 13. Aufl., Stuttgart u. a. 2000, – Band 2: Allgemeiner Teil 2 §§ 104 – 240, 13. Aufl., Stuttgart u. a. 1999, – Band 11/1: Schuldrecht 9/1 §§ 705 – 758, 13. Aufl., Stuttgart 2012 (13. Aufl. zitiert als: Soergel/Bearbeiter; 11. Aufl. als Soergel11. Aufl./Bearbeiter). Speranzin, Marco: „Deroga“ all’atto costitutivo di s.r.l. in tema di liquidazione del socio receduto e conversione della decisione in patto parasociale, in: Campobasso, M./Cariello, V./Di Cataldo, V./Guerrera, F./Sciarrone Alibrandi, A. (Hrsg.), Società, banche e crisi d’impresa, Liber amicorum Pietro Abbadessa, Turin 2014, S. 1959 – 1976 (zitiert als: Speranzin, FS Abbadessa). Spindler, Gerald/Stilz, Eberhard: Kommentar zum Aktiengesetz, – Band 1: §§ 1 – 149, 4. Aufl., München 2019, – Band 2: §§ 150 – 410, SpruchG, SE-VO, 4. Aufl., München 2019 (zitiert als: Spindler/Stilz/Bearbeiter). Staub, Hermann (Begr.): Handelsgesetzbuch Großkommentar, hrsg. v. Canaris, Claus-Wilhelm/ Habersack, Mathias/Schäfer, Carsten, Band 3: §§ 105 – 160, 5. Aufl., Berlin 2009 (zitiert als: Staub/Bearbeiter). Staudinger, Julius v. (Begr.): J. von Staudingers Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch mit Einführungsgesetz und Nebengesetzen, – Erstes Buch: Allgemeiner Teil §§ 1 – 89; Verschollenheitsgesetz, 12. Aufl., Berlin 1980, – Buch 1: Allgemeiner Teil §§ 21 – 79 (Vereine), Berlin 2005, – Buch 1: Allgemeiner Teil §§ 21 – 79 (Vereine), Berlin 2019, – Buch 1: Allgemeiner Teil §§ 125 – 129; BeurkG (Formvorschriften AT; Beurkundung), Berlin 2017, – Buch 1: Allgemeiner Teil §§ 139 – 163 (Allgemeiner Teil 4 b), Berlin 2015, – Buch 2: Recht der Schuldverhältnisse §§ 705 – 740 (Gesellschaftsrecht), Berlin 2003 (zitiert als: StaudingerErscheinungsjahr/Bearbeiter). Stein, Phillip/Welbers, Laura Christin: Rechtliche Behandlung satzungsdurchbrechender Beschlüsse, NJW Spezial 2014, S. 655 – 656.

Literaturverzeichnis

219

Stern, Klaus: Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band I, Grundbegriffe und Grundlagen des Staatsrechts, Strukturprinzipien der Verfassung, 2. Aufl., München 1984 (zitiert als: Stern, StaatsR Bd. I). Stöber, Kurt/Otto, Dirk-Ulrich: Handbuch zum Vereinsrecht, 10. Aufl., Köln 2012 (zitiert als: Stöber/Otto). Stöhr, Dieter: Satzungsdurchbrechungen im GmbH-Recht, Diss. Mainz 1996 (zitiert als: Stöhr, Satzungsdurchbrechungen). Stöhr, Dieter: Durchbrechung der GmbH-Satzung ohne förmlichen Satzungsänderungsbeschluss, MittRhNotK 1996, S. 390 – 409. Tantini, Giovanni: Le modificazioni dell’atto costitutivo nella società per azioni, Padua 1973 (zitiert als: Tantini, Modificazioni). Thur, Andreas v.: Der allgemeine Teil des Deutschen Bürgerlichen Rechts, Erster Band: Allgemeine Lehren und Personenrecht, Berlin 1910 (zitiert als: v. Thur, BGB AT I). Tieves, Johannes: Satzungsverletzende und satzungsdurchbrechende Gesellschafterbeschlüsse – zugleich eine Besprechung des Urteils des Bundesgerichtshofs vom 7. Juni 1993, ZIP 1994, S. 1341 – 1347. Timm, Wolfram: Beschlußanfechtungsklage und Schiedsfähigkeit im Recht der personalistisch strukturierten Gesellschaften, in: Goerdeler, Reinhard/Hommelhoff, Peter/Lutter, Marcus/ Wiedemann, Herbert (Hrsg.), Festschrift für Hans-Joachim Fleck zum 70. Geburtstag am 30. Januar 1988, Berlin u. a. 1988, S. 365 – 381 (zitiert als: Timm, FS Fleck). Tomat, Oliver: Gesellschafterbeschluss: Eintragung eines satzungsdurchbrechenden Gewinnverwendungsbeschlusses im HR, GmbH-StB 2012, S. 75 – 76. Ueberfeldt, Werner: Satzungsänderung und Satzungsdurchbrechung im Vereinsrecht und Aktienrecht, Düsseldorf 1934; zugl. Diss. Köln 1933 (zitiert als: Ueberfeldt, Satzungsdurchbrechung). Ulmer, Peter: Verletzung schuldrechtlicher Nebenabreden als Anfechtungsgrund im GmbHRecht?, NJW 1987, S. 1849 – 1855. Ulmer, Peter: „Satzungsgleiche“ Gesellschaftervereinbarungen bei der GmbH? – Zum Für und Wider der Trennung zwischen Satzung und schuldrechtlichen Gesellschafterabreden, in: Crezelius, Georg/Hirte, Heribert/Vieweg, Klaus (Hrsg.), Festschrift für Volker Röhricht zum 65. Geburtstag, Köln 2005, S. 633 – 654 (zitiert als: Ulmer, FS Röhricht). Ulmer, Peter/Habersack, Mathias/Löbbe, Mark: Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) Großkommentar, – Band I: Einleitung; §§ 1 – 28, 2. Aufl., Tübingen 2013, – Band III: §§ 53 – 88 (sowie EGGmbHG), 2. Aufl., Tübingen 2016 (zitiert als: UHL/Bearbeiter). Wachter, Thomas: Gesellschaftervereinbarungen als Gestaltungsinstrument bei der Rechtsnachfolge in Familienunternehmen – Teil 1: Gesellschaftsrechtliche Zulässigkeit von Stimmbindungs- und Poolvereinbarungen, ErbR 2016, S. 114 – 121. Wachter, Thomas (Hrsg.): Kommentar zum Aktiengesetz, 3. Aufl., Köln 2018 (zitiert als: Wachter/Bearbeiter).

220

Literaturverzeichnis

Weber, Christoph: Privatautonomie und Außeneinfluß im Gesellschaftsrecht, Tübingen 2000, zugl. Habil. Mainz 1999 (zitiert als: Weber, Privatautonomie und Außeneinfluss). Weiß, Carsten: Anmerkungen zu KG, Urt. v. 23. 7. 2015 – 23 U 18/15, EWiR 2016, S. 267 – 268. Wertenbruch, Johannes: Gewinnausschüttung und Entnahmepraxis in der Personengesellschaft, NZG 2005, S. 665 – 667. Westermann, Harm Peter: Das Verhältnis von Satzung und Nebenordnungen in der Kapitalgesellschaft (Heidelberger Forum Band 90), Heidelberg 1994 (zitiert als: Westermann, Nebenordnungen). Westermann, Harm Peter/Wertenbruch, Johannes (Hrsg.): Handbuch Personengesellschaften – Gesellschaftsrecht, Steuerrecht, Sozialversicherungsrecht, Verträge und Formulare, Loseblatt, Stand: Oktober 2018 (zitiert als: Westermann/Wertenbruch/Bearbeiter, HdbPersGesR I. Teil). Wicke, Hartmut: Echte und unechte Bestandteile im Gesellschaftsvertrag der GmbH, DNotZ 2006, S. 419 – 437. Wicke, Hartmut: Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, Kommentar, 3. Aufl., München 2016 (zitiert als: Wicke). Wiedemann, Herbert: Gesellschaftsrecht – Ein Lehrbuch des Unternehmens- und Verbandsrechts, – Band I: Grundlagen, München 1980, – Band II: Recht der Personengesellschaften, München 2004 (zitiert als: Wiedemann, GesR). Wilhelm, Jan: Kapitalgesellschaftsrecht – Mit Grundzügen des Kapitalmarktrechts, 4. Aufl., Berlin u. a. 2018 (zitiert als: Wilhelm, KapGesR). Winter, Martin: Mitgliedschaftliche Treuebindungen im GmbH-Recht, München 1988; zugl. Diss. Heidelberg 1987 (zitiert als: Winter, Treuebindungen). Winter, Martin: Organisationsrechtliche Sanktionen bei Verletzung schuldrechtlicher Gesellschaftervereinbarungen?, ZHR 154 (1990), S. 259 – 283. Winter, Martin: Satzung und schuldrechtliche Gesellschaftervereinbarungen: Die Sicht der Praxis, in: Henze, Hartwig/Timm, Wolfram/Westermann, Harm Peter (Hrsg.), RWS Forum 8 Gesellschaftsrecht 1995, Köln 1996, S. 131 – 139 (zitiert als: Winter, RWS Forum 8). Wolf, Martin/Neuner, Jörg: Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 11. Aufl., München 2016 (zitiert als: Wolf/Neuner, BGB AT). Wolff, Lutz-Christian: Der Anwendungsbereich der Satzungsänderungsvorschriften im Aktienund GmbH-Recht, WiB 1997, S. 1009 – 1017. Zeiss, Walter: Die Umdeutung einer formnichtigen Bürgschaft in einen Kreditauftrag, WM 1963, S. 906 – 910. Zimmermann, Anton S.: Die Folgen der Rechtswidrigkeit von Rechtsnormen, JA 2018, S. 249 – 256. Zippelius, Reinhold: Allgemeine Staatslehre, 17. Aufl., München 2017 (zitiert als: Zippelius, Staatslehre).

Literaturverzeichnis

221

Zöllner, Wolfgang: Wechselwirkungen zwischen Satzung und Gesellschaftervereinbarungen, in: Henze, Hartwig/Timm, Wolfram/Westermann, Harm Peter (Hrsg.), RWS Forum 8 Gesellschaftsrecht 1995, Köln 1996, S. 89 – 111 (zitiert als: Zöllner, RWS Forum 8). Zöllner, Wolfgang: Satzungsdurchbrechung, in: Hommelhoff, Peter/Rawert, Peter/Schmidt, Karsten (Hrsg.), Festschrift für Hans-Joachim Priester zum 70. Geburtstag, Köln 2007, S. 879 – 893 (zitiert als: Zöllner, FS Priester).

Sachwortverzeichnis Aktiengesellschaft (AG) – nicht-börsennotierte 70, 110 – Meinungsstand 68 ff. – Voraussetzungen einer Satzungsdurchbrechung 123 ff. Anfechtbarkeit – Ausschluss durch allseitige Zustimmung 43, 51, 72, 91, 162 – satzungsdurchbrechender Beschlüsse 86 ff., 106 ff., 123 ff., 139 ff. Aufsichtsrat – Einrichtung per Öffnungsklausel 198 – Vergütung 199 Auslegung – Beschluss 34, 46, 147, 163 ff. – Öffnungsklausel 199 – Umdeutung 174 f.

Beschluss – Anfechtbarkeit bei Satzungsdurchbrechung 86 ff., 106 ff., 123 ff., 139 ff. – Eintragung in das Handelsregister siehe dort – Mangel siehe Beschlussmängelrecht – Mehrheitsanforderungen bei Satzungsdurchbrechung siehe dort – Nichtigkeit bei Satzungsdurchbrechung 87, 98 ff., 105 f., 125 ff. – notarielle Beurkundung siehe dort – satzungsauslegender 34 Beschlussmängelrecht – Aktiengesellschaft 104 – allgemeines 87 ff. – GmbH 133 – Personengesellschaften 159 ff. – Verein 142 ff. – Verhältnis zu den Satzungsänderungsvorschriften 128 ff. Beurkundung, notarielle siehe dort

BGB-Gesellschaft siehe Gesellschaft bürgerlichen Rechts Blockwahl 78 f. Eintragung in das Handelsregister – Aktiengesellschaft 117 ff. – Funktion 117 ff. – GmbH 138 Einzelfallabweichung – Anwendbarkeit der Satzungsänderungsvorschriften 48 f., 128 ff. – explizite 124 – implizite 124 ff. Geltungsanspruch, übergeordneter – Gesellschaftsvertrag 88 ff. – Satzung 91 ff. – Verfassung 102 f. Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) – Meinungsstand 80 ff. – Voraussetzungen einer Satzungsdurchbrechung 162 ff. Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) – Meinungsstand 37 ff. – Satzungsautonomie 135 f. – Voraussetzungen einer Satzungsdurchbrechung 137 ff. Gesellschaftsvertrag – Änderung in Personengesellschaften 163 – öffentliches Recht 102 – Rechtsnatur 88 ff., 91 ff. Gewinnverteilung – Öffnungsklausel 188, 191 – per Satzungsdurchbrechung 44, 66, 90, 112, 158 Grundgesetz (GG), Zulässigkeit einer Verfassungsdurchbrechung 26 f. Heilung 171 ff. – Körperschaften

171 f.

Sachwortverzeichnis – Personengesellschaften 172 f. Historie der Satzungsdurchbrechung

25 ff.

Kettendurchbrechung 125 f. Kommanditgesellschaft (KG) – Meinungsstand 80 ff. – Voraussetzungen einer Satzungsdurchbrechung 162 ff. Körperschaften – allgemeines Beschlussmängelrecht 88 f., 91 ff. – Zulässigkeit von Satzungsdurchbrechungen 98 ff. Mehrheitsanforderungen bei Satzungsdurchbrechung – Aktiengesellschaft 111 ff. – GmbH 138 – Personengesellschaften 163 f., 167 f. – Verein 147 ff. Meinungsstand – Heilung siehe dort – Öffnungsklauseln siehe dort – Satzungsdurchbrechung siehe dort – Umdeutung siehe dort Nebenabreden, schuldrechtliche – Alternative zur Satzungsdurchbrechung 35 – Umdeutung 173 ff. Nichtigkeit – als Fehlerfolge bei Beschlussmängeln nach allgemeinem Verbandsrecht 87 ff. – als Fehlerfolge im öffentlichen Recht 102 f. – Heilung siehe dort – satzungsdurchbrechender Beschlüsse 105 f. Nichtigkeitsdogma – allgemeines Beschlussmängelrecht 87 – öffentliches Recht 98, 102 f. notarielle Beurkundung – Aktiengesellschaft 109 ff. – GmbH 137 f. Offene Handelsgesellschaft (OHG) – Meinungsstand 80 ff.

223

– Voraussetzungen einer Satzungsdurchbrechung 162 ff. Öffnungsklauseln 34 f., 188 ff. – Anwendungsbereich 188 ff., 195 ff. – essentialia negotii 196 f. – Meinungsstand 189 ff. – Rechtsprechungsentwicklung 189 ff. – Verhältnis zur Satzungsdurchbrechung 35, 170 – Zulässigkeitsvoraussetzungen 195 ff. Personengesellschaften – Beschlussmängelrecht 89 ff., 158 ff. – Meinungsstand 80 ff. – Zulässigkeit von Satzungsdurchbrechungen 162 ff. Praxis, satzungswidrige 33 Rahmenwirkung – Gesellschaftsvertrag – Satzung 91 ff. – Verfassung 102 f.

89 ff.

Satzung – Änderung siehe Satzungsänderung – Bestandteile siehe Satzungsbestandteile – Rechtsnatur 91 ff. Satzungsänderung – Einzelfall 48 f., 108 ff., 112 – faktische 32 f. – privilegierte 108 ff., 137 ff., 146 ff. – Verhältnis zum Beschlussmängelrecht 128 ff. – Voraussetzungen 37, 68, 75 f., 108 Satzungsbestandteile 29 f. – indifferente 30 – individuelle 29 f. – korporative 29 f. – Relevanz für Satzungsdurchbrechung 31 f. – Vermutung zugunsten korporativer Natur 30, 114 f., 182 Satzungsdurchbrechung – Aktiengesellschaft 103 ff. – Behandlung nach allgemeinem Verbandsrecht 98 ff. – Definition 28 – GmbH 132 ff. – historischer Hintergrund 25 ff.

224

Sachwortverzeichnis

– implizite Einzelfallabweichung 125 ff. – mehrfache 125 f. – Meinungsstand siehe unter betreffender Rechtsform – Personengesellschaften 80 ff., 158 ff. – privilegierte Satzungsänderung 108 ff., 137 ff., 146 ff. – punktuelle 39 ff., 44 ff., 63 ff., 69 f., 72 f., 75 ff., 77 ff., 112, 117 f., 191 ff. – Rechtsfortbildung praeter legem 107 f. – subjektive Abgrenzung 44 ff., 69 f., 75, 123 f. – Verein 142 ff. – Verhältnis zur Satzungsänderung 100 ff., 128 ff. – Verhältnis zur Satzungsverletzung 86 ff., 104 ff., 123 ff. – wiederholte 125 f. – zustandsbegründende 39 ff., 72 f., 77 ff. Satzungsverletzung – Rechtsfolge nach allgemeinem Verbandsrecht 86 ff. – Verhältnis zur Satzungsänderung 123 ff., 128 ff. – Verhältnis zur Satzungsdurchbrechung 86 ff., 104 ff., 123 ff. Satzungsvorbehalt 30, 54, 110, 113, 125 ff., 135, 137 f., 149, 151, 180, 195 ff. satzungswidrige Praxis siehe Praxis Schriftformklausel 83 f., 164 ff. – doppelte 83 – einfache 83

Umdeutung 173 ff. – Auslegung, Vorrang der 174 f. – Ersatzgeschäft, zulässiges 178 ff. – individuelle Satzungsbestandteile 183 f. – korporative Satzungsbestandteile 180 ff. – Meinungsstand 174 – Voraussetzungen 174 ff. Verbandsrecht, allgemeines 86 ff. Verein – Eintragung von Satzungsdurchbrechungen 149 ff. – Mehrheitsanforderung 147 ff. – Meinungsstand 75 ff. – Zulässigkeit von Satzungsdurchbrechungen 146 ff. Verfassungsdurchbrechung 26 ff. – Grundgesetz 26 f. – Vergleich zur Satzungsdurchbrechung 26 f. – Weimarer Reichsverfassung 26 f. Versammlungsleiter 120 f. Verzicht – notarielle Beurkundung 109 ff., 137 f. – qualifizierte Mehrheit 111 ff., 138, 147 ff. – Registereintragung 117 ff., 138, 149 ff. Weimarer Reichsverfassung (WRV), 25 ff.