Satyrische Geschichten: Lateinisch - Deutsch [Annotated] 3050060166, 9783050060163

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Satyrische Geschichten: Lateinisch - Deutsch [Annotated]
 3050060166, 9783050060163

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S A M M L U N G

T U S C U L U M

In Tusculum, vor den Toren Roms, hatte Cicero sein Landhaus. In Zeiten der Muße, aber auch der politischen Isolation, zog er sich dorthin zurück. Tusculum wurde zum Inbegriff für Refugium, für Muße, für wertvolle Fluchten aus einem fordernden Alltag. In der ersten Phase des Rückzugs aus der Politik schrieb Cicero in Tusculum die sogenannten Tuskulanen, eine lateinische Einführung in die Welt der (griechischen) Philosophie.

Herausgeber: Niklas Holzberg Rainer Nickel Karl-Wilhelm Weeber Bernhard Zimmermann

PETRONIUS ARBITER

SATYRISCHE GESCHICHTEN SATYRICA

Lateinisch – deutsch Herausgegeben und übersetzt von Niklas Holzberg

AKADEMIE VERLAG

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © Akademie Verlag GmbH, Berlin 2013 Ein Wissenschaftsverlag der Oldenbourg Gruppe www.akademie-verlag.de Das Werk einschließlich aller Abbildungen ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Bearbeitung in elektronischen Systemen. Einbandgestaltung: Gabriele Burde, Berlin Satz: Dörlemann Satz, Lemförde Druck und Bindung: Pustet, Regensburg Dieses Papier ist alterungsbeständig nach DIN/ISO 9706. ISBN 978-3-05-006016-3

INHALT

Text und Übersetzung 7

Anhang Überlieferung und Textkritik 355 Inhaltsübersicht 364 Übersicht über die Metren der Verseinlagen 365 Erläuterungen 367 Einführung 407 Literaturhinweise 425 Nachwort 433

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* 1 (1) »num alio genere furiarum declamatores inquietantur, qui clamant: ›haec vulnera pro libertate publica excepi, hunc oculum pro vobis impendi; date mihi ducem qui me ducat ad liberos meos, nam succisi poplites membra non sustinent‹? (2) haec ipsa tolerabilia essent, si ad eloquentiam ituris viam facerent. nunc et rerum tumore et sententiarum vanissimo strepitu hoc tantum proficiunt, ut cum in forum venerint, putent se in alium orbem terrarum delatos. (3) et ideo ego adulescentulos existimo in scholis stultissimos fieri, quia nihil ex his quae in usu habemus aut audiunt aut vident, sed piratas cum catenis in litore stantes, sed tyrannos edicta scribentes quibus imperent filiis ut patrum suorum capita praecidant, sed responsa in pestilentiam data ut virgines tres aut plures immolentur, sed mellitos verborum globulos et omnia dicta factaque quasi papavere et sesamo sparsa.

2 (1) qui inter haec nutriuntur non magis sapere possunt quam bene olere qui in culina habitant. (2) pace vestra liceat dixisse, primi omnium eloquentiam perdidistis. levibus enim atque inanibus sonis ludibria quaedam excitando effecistis ut corpus orationis enervaretur et caderet. (3) nondum iuvenes declamationibus continebantur, cum Sophocles aut Euripides invenerunt verba quibus deberent loqui. (4) nondum umbraticus doctor ingenia deleverat, cum Pin-

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1 (1) (Enkolp:) »Werden die Deklamatoren etwa von einer anderen Art von Wahnsinn getrieben, die schreien: ›Diese Wunden habe ich mir im Kampf für die Freiheit unseres Staates zugezogen, dieses Auge habe ich für euch hingegeben; gebt mir einen Führer, auf dass er mich zu meinen Kindern führe, denn meine durchhauenen Kniekehlen tragen den Körper nicht mehr‹? (2) Dies wäre an sich erträglich, wenn es denen, die zur Beredsamkeit gelangen wollen, den Weg bereiten würde. So aber erreichen sie mit dem Schwulst ihrer Themen und dem völlig nichtigen Getöse ihrer Sentenzen lediglich dies, dass sie, wenn sie aufs Forum kommen, sich auf einen anderen Planeten versetzt glauben. (3) Und deshalb meine ich jedenfalls, dass die jungen Männer in den Schulen vollkommen verblöden, weil sie nichts von dem, was wir im täglichen Leben vorfinden, entweder hören oder sehen, sondern Seeräuber, die mit Ketten am Strand stehen, Tyrannen, die Verfügungen schreiben lassen, in denen sie Söhnen befehlen, den eigenen Vätern den Kopf abzuschlagen, Orakelsprüche, die zur Abwehr einer Seuche raten, drei oder mehr Jungfrauen zu opfern, Honigkuchen-Reden und lauter Worte und Taten, die gleichsam mit Mohn und Sesam bestreut sind. 2 (1) Die, welche in diesem Milieu genährt werden, können nicht mehr Geschmack haben, als diejenigen gut riechen können, die ständig in einer Küche hausen. (2) Mit eurer Erlaubnis lasst mich sagen: Ihr habt als Erste von allen die Beredsamkeit zugrunde gerichtet. Denn indem ihr aus oberflächlichem und inhaltsleerem Getöne irgendwelche Spielereien erzeugtet, habt ihr es dahin gebracht, dass der Körper der Rede erschlaffte und in sich zusammenfiel. (3) Früher wurden die jungen Männer noch nicht von den Deklamationen eingeengt, als ein Sophokles oder ein Euripides die Worte fanden, mit denen sie reden sollten. (4) Damals hatte noch kein Stubenge-

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darus novemque lyrici Homericis versibus canere timuerunt. (5) et ne poetas solum ad testimonium citem, certe neque Platona neque Demosthenen ad hoc genus exercitationis accessisse video. (6) grandis et ut ita dicam pudica oratio non est maculosa nec turgida, sed naturali pulchritudine exsurgit. (7) nuper ventosa istaec et enormis loquacitas Athenas ex Asia commigravit animosque iuvenum ad magna surgentes veluti pestilenti quodam sidere afflavit, semelque corrupta eloquentiae regula stetit et obmutuit. (8) ad summam, quis postea Thucydidis, quis Hyperidis ad famam processit? ac ne carmen quidem sani coloris enituit, sed omnia quasi eodem cibo pasta non potuerunt usque ad senectutem canescere. (9) pictura quoque non alium exitum fecit, postquam Aegyptiorum audacia tam magnae artis compendiariam invenit.«

3 (1) non est passus Agamemnon me diutius declamare in porticu quam ipse in schola sudaverat, sed »adulescens« inquit »quoniam sermonem habes non publici saporis et, quod rarissimum est, amas bonam mentem, non fraudabo te arte secreta. (2) nimirum in his exercitationibus doctores peccant, qui necesse habent cum insanientibus furere. nam nisi dixerint quae adulescentuli probent, ut ait Cicero, ›soli in scholis relinquentur‹. (3) sicut ficti adulatores cum cenas divitum captant nihil prius meditantur quam id quod putant gratissimum auditoribus fore (nec enim aliter impetrabunt quod

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lehrter die Talente zuschanden gemacht, als Pindar und die neun Lyriker sich scheuten, in homerischen Versen zu dichten. (5) Und um nicht nur Dichter als Zeugen anzuführen: Bestimmt haben weder Platon noch Demosthenes sich mit dieser Art von Übung abgegeben, das weiß ich. (6) Die erhabene und, um es einmal so auszudrücken, keusche Rede ist nicht voller Flecken und geschwollen, sondern richtet sich auf in natürlicher Schönheit. (7) Kürzlich ist diese aufgeblasene und maßlose Geschwätzigkeit aus Kleinasien nach Athen eingewandert und hat die sich zu Großem aufrichtenden Herzen der jungen Männer wie mit einem Pestgestirn angehaucht, und als der Standard der Beredsamkeit einmal verdorben war, erstarrte und verstummte er. (8) Kurz und gut: Wer hat sich später bis zum Ruhm eines Thukydides, wer bis zu dem eines Hypereides entwickelt? Und ebenso wenig hat eine Dichtung von gesunder Farbe ihren Glanz entfaltet, sondern nichts konnte, weil alles gleichsam mit derselben Kost gefüttert war, ein hohes Alter erreichen. (9) Auch die Malerei nahm kein anderes Ende, nachdem die Dreistigkeit der Ägypter für diese so hohe Kunst ein Schnellverfahren erfunden hatte.« 3 (1) Agamemnon ließ es nicht zu, dass ich länger in der Säulenhalle deklamierte, als er selbst in der Schule geschwitzt hatte, sondern sagte: »Junger Mann, da du eine Redeweise hast, die nicht nach dem einfachen Volk schmeckt, und, was sehr selten ist, gesunden Menschenverstand schätzt, will ich dir Geheimnisse unserer Kunst nicht vorenthalten. (2) Natürlich machen die Lehrer mit diesen Übungen einen Fehler, weil sie ja mit den Irren zusammen verrückt sein müssen. Denn wenn sie nicht sagen, was die jungen Männer gut finden, werden sie, wie Cicero bemerkt, ›allein in der Schule sitzen bleiben.‹ (3) Wie falsche Schmeichler, wenn sie nach Gastmählern bei reichen Leuten gieren, an nichts eher denken als an das, was ihrer Meinung nach für ihre Zuhörer am angenehmsten sein wird – denn

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petunt nisi quasdam insidias auribus fecerint), (4) sic eloquentiae magister, nisi tamquam piscator eam imposuerit hamis escam, quam scierit appetituros esse pisciculos, sine spe praedae moratur in scopulo. 4 (1) quid ergo est? parentes obiurgatione digni sunt, qui nolunt liberos suos severa lege proficere. (2) primum enim sic ut omnia, spes quoque suas ambitioni donant. deinde cum ad vota properant, cruda adhuc studia in forum impellunt et eloquentiam, qua nihil esse maius confitentur, pueris induunt adhuc nascentibus. (3) quod si paterentur laborum gradus fieri, ut studiosi iuvenes lectione severa irrigarentur, ut sapientiae praeceptis animos componerent, ut verba atroci stilo effoderent, ut quod vellent imitari diu audirent, !si persuaderent" sibi nihil esse magnificum quod pueris placeret, iam illa grandis oratio haberet maiestatis suae pondus. (4) nunc pueri in scholis ludunt, iuvenes ridentur in foro, et quod utroque turpius est, quod quisque perperam !di"dicit, in senectute confiteri non vult. (5) sed ne me putes improbasse schedium Lucilianae humilitatis, quod sentio et ipse carmine effingam:

5 artis severae si quis ambit effectus mentemque magnis applicat, prius mores frugalitatis lege poliat exacta. nec curet alto regiam trucem vultu

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nicht anders werden sie ihr Ziel erreichen als dadurch, dass sie den Ohren gewisse Fallen stellen –, (4) so bleibt der Lehrer der Redekunst, wenn er nicht wie ein Fischer den Köder an den Haken steckt, nach dem, wie er weiß, die Fischlein schnappen werden, ohne Aussicht auf Beute auf seiner Klippe sitzen. 4 (1) Wie ist also die Lage? Die Eltern verdienen Tadel, weil sie nicht wollen, dass ihre Kinder aufgrund strenger Vorgaben Fortschritte machen. (2) Zuerst nämlich opfern sie, so wie alles andere, auch ihre Hoffnungen dem Ehrgeiz. Wenn sie dann auf das gewünschte Ziel zueilen, stoßen sie die noch unfertigen Studien hinaus aufs Forum und stülpen die Rhetorik, die sie für das Allerhöchste erklären, den gerade auf die Welt kommenden Knaben über. (3) Wenn sie aber zuließen, dass die Lernarbeit schrittweise erfolgt, so dass die jungen Studierenden von gewissenhafter Lektüre bewässert würden, ihren Geist durch die Lehren der Philosophie formen, mit erbarmungslosem Griffel Wörter ausjäten und das, was sie nachahmen wollen, lange hören würden, wenn sie sich davon überzeugen ließen, nichts sei großartig, was Knaben gefällt – dann erst hätte jene ›erhabene Rede‹ das volle Gewicht ihrer Würde. (4) Jetzt spielen Knaben in den Schulen herum, junge Männer werden auf dem Forum ausgelacht und, was noch schlimmer ist als beides: Wer etwas falsch gelernt hat, will das im Alter nicht zugeben. (5) Damit du aber nicht glaubst, ich hätte Stegreifdichtung von der Schlichtheit eines Lucilius missbilligt, will auch ich selbst das, was ich denke, in Versen zum Ausdruck bringen:

5 Wenn jemand in einer ernsthaften Kunst etwas zu erreichen sucht und seinen Sinn Großem zuwendet, soll er erst seinen Charakter nach dem strengen Gesetz der Mäßigkeit formen. Er soll mit stolzer Miene nicht achten den drohenden Königspalast

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cliensque cenas impotentium captet, nec perditis addictus obruat vino mentis calorem, neve plausor in scaenam sedeat redemptus histrionis ad rictus. sed sive armigerae rident Tritonidis arces seu Lacedaemonio tellus habitata colono Sirenumve domus, det primos versibus annos Maeoniumque bibat felici pectore fontem. mox et Socratico plenus grege mittat habenas liber et ingentis quatiat Demosthenis arma. hinc Romana manus circumfluat et modo Graio vox onerata sono mutet suffusa saporem. interdum subducta foro det pagina cursum: et fortuna sonet celeri distincta meatu, dent epulas et bella truci memorata canore grandiaque indomiti Ciceronis verba minentur. his animum succinge bonis: sic flumine largo plenus Pierio defundes pectore verba.«

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noch als Klient nach den Gastmählern bei den Mächtigen gieren, nicht sich mit heruntergekommenen Leuten einlassen und mit Wein zuschütten seines Geistes Feuer und nicht als ein Claqueur, der fürs Theater gekauft ist, vor dem aufgerissenen Mund des Schauspielers sitzen.

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Nein, ob ihm zulächelt die Burg der waffentragenden Tritonis oder das von dem lakedämonischen Siedler bewohnte Land 10 oder der Sitz der Sirenen, er soll seine ersten Jahre der Verskunst weihen und glücklichen Herzens aus der mäonischen Quelle trinken. Bald soll er auch, von der sokratischen Herde gesättigt, frei die Zügel schießen lassen und des gewaltigen Demosthenes Waffen schwingen. Hierauf soll ihn die römische Schar umwogen, und seine eben noch vom griechischen 15 Tonfall belastete Stimme soll benetzt werden sowie seine Redeweise verändern. Bisweilen soll ihm Lektüre, die vom Forum entfernt ist, freien Lauf gestatten: Fortuna soll mit schnellem Gang unterschiedliche Töne erzeugen, und Nahrung sollen Kriege ihm geben, besungen in trotzigem Gesang und drohen sollen die großen Worte des unbezwungenen Cicero. 20 Mit diesen Gütern rüste den Geist aus! So wirst du, des gewaltigen Flusses voll, aus pierischer Brust deine Worte verströmen.«

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6 (1) dum hunc diligentius audio, non notavi mihi Ascylti fugam … et dum in hoc dictorum aestu motus incedo, ingens scholasticorum turba in porticum venit, ut apparebat, ab extemporali declamatione nescio cuius, qui Agamemnonis suasoriam exceperat. (2) dum ergo iuvenes sententias rident ordinemque totius dictionis infamant, opportune subduxi me et cursim Ascylton persequi coepi. (3) sed nec viam diligenter tenebam [quia] nec quo stabulum esset sciebam. (4) itaque quocumque ieram, eodem revertebar, donec et cursu fatigatus et sudore iam madens accedo aniculam quandam, quae agreste holus vendebat, 7 (1) et »rogo« inquam »mater, numquid scis ubi ego habitem?« delectata est illa urbanitate tam stulta et »quidni sciam?« inquit consurrexitque et coepit me praecedere. (2) divinam ego putabam et … subinde ut in locum secretiorem venimus, centonem anus urbana reiecit et »hic« inquit »debes habitare«. (3) cum ego negarem me agnoscere domum, video quosdam inter titulos nudasque meretrices furtim spatiantes. (4) tarde, immo iam sero intellexi me in fornicem esse deductum. execratus itaque aniculae insidias operui caput et per medium lupanar fugere coepi in alteram partem, cum ecce in ipso aditu occurrit mihi aeque lassus ac moriens Ascyltos; putares ab eadem anicula esse deductum. (5) itaque ut ridens eum consalutavi, quid in loco tam deformi faceret quaesivi. 8 (1) sudorem ille manibus detersit et »si scires« inquit »quae mihi acciderunt«. »quid novi?« inquam ego. (2) at ille de-

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6 (1) Während ich ihm allzu aufmerksam zuhörte, bemerkte ich nicht das Verschwinden Askylts … Und während ich, aufgewühlt angesichts dieser Flut von Worten, dahinschritt, kam eine riesige Schar gelehrter Leute in die Säulenhalle, anscheinend von der improvisierten Deklamation irgendeines Redners, der nach Agamemnons Suasorie das Wort ergriffen hatte. (2) Während also die jungen Männer über die Sentenzen lachten und über den Aufbau der ganzen Rede lästerten, ergriff ich die Gelegenheit, mich heimlich davonzumachen und eilends Askylt hinterherzugehen. (3) Doch ich kannte weder den Weg genau, noch wusste ich, wo unsere Absteige war. (4) Deshalb kam ich, wohin auch immer ich gegangen war, stets wieder ebendahin zurück, bis ich, vom Laufen erschöpft und von Schweiß schon triefend, an ein altes Weiblein herantrat, das Gemüse vom Lande zum Verkauf anbot, 7 (1) und fragte: »Bitte, Mütterchen, weißt du vielleicht, wo ich wohne?« Sie war amüsiert über diesen so dämlichen Witz, sagte: »Natürlich weiß ich das!«, stand auf und fing an, vor mir her zu gehen. (2) Ich hielt sie für eine Hellseherin und … als wir gleich darauf an einen ziemlich abgeschiedenen Ort gekommen waren, schlug die pfiffige Alte einen Vorhang zurück und sagte: »Hier musst du wohnen.« (3) Während ich noch sagte, ich würde das Haus nicht kennen, sah ich ein paar Männer zwischen Schildern und nackten Nutten verstohlen umherschleichen. (4) Spät, nein, viel zu spät begriff ich, dass ich in ein Bordell verschleppt worden war. Ich verfluchte daher die hinterhältige Aktion des alten Weibleins, verhüllte meinen Kopf und wollte mich mitten durch das Hurenhaus zur anderen Seite davonmachen, als mir – sieh an! – genau am Eingang, wie ich zu Tode erschöpft, Askylt in die Arme lief; man hätte meinen können, er sei von demselben alten Weiblein verschleppt worden. (5) Als ich ihn also lachend begrüßt hatte, fragte ich, was er an einem so anrüchigen Ort mache. 8 (1) Er wischte sich mit den Händen den Schweiß ab und sagte: »Wenn du wüsstest, was mir passiert ist!« »Was

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ficiens »cum errarem« inquit »per totam civitatem nec invenirem quo loco stabulum reliquissem, accessit ad me pater familiae et ducem se itineris humanissime promisit. (3) per anfractus deinde obscurissimos egressus in hunc locum me perduxit prolatoque peculio coepit rogare stuprum. (4) iam pro cella meretrix assem exegerat, iam ille mihi iniecerat manum, et nisi valentior fuissem, dedissem poenas« … adeo ubique omnes mihi videbantur satyrion bibisse * iunctis viribus molestum contempsimus * 9 (1) quasi per caliginem vidi Gitona in crepidine semitae stantem et in eundem locum me conieci … (2) cum quaererem numquid nobis in prandium frater parasset, consedit puer super lectum et manantes lacrimas pollice extersit. (3) perturbatus ego habitu fratris quid accidisset quaesivi. at ille tarde quidem et invitus, sed postquam precibus etiam iracundiam miscui, (4) »tuus« inquit »iste frater seu comes paulo ante in conductum accucurrit coepitque mihi velle pudorem extorquere. (5) cum ego proclamarem, gladium strinxit et ›si Lucretia es‹ inquit ›Tarquinium invenisti‹.« (6) quibus ego auditis intentavi in oculos Ascylti manus et »quid dicis« inquam »muliebris patientiae scortum, cuius ne spiritus purus est?« (7) inhorrescere se finxit Ascyltos, mox sublatis fortius manibus longe maiore nisu clamavit: (8) »non

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gibt es Neues?«, fragte ich. (2) Er aber, am Ende seiner Kräfte, sagte: »Als ich durch die ganze Stadt irrte und nicht herausfinden konnte, wo ich unsere Absteige verlassen hatte, trat ein Familienvater an mich heran und versprach sehr freundlich, mir den Weg zu zeigen. (3) Als er dann über stockdunkle Umwege marschiert war, führte er mich an diesen Ort, zog sein teures Ding raus und fing an, um perversen Sex zu bitten. (4) Schon hatte eine Nutte für ihr Zimmer einen As gefordert, schon hatte er Hand an mich gelegt, und wenn ich nicht stärker gewesen wäre, wäre ich abgestraft worden« … So kräftig schienen mir alle rundherum Satyrion getrunken zu haben * Mit vereinten Kräften wehrten wir den Lästigen ab * 9 (1) Wie durch einen Nebel sah ich Giton auf dem Gehsteig der Gasse stehen und stürzte ebendahin … (2) Als ich fragte, ob denn mein Brüderchen uns etwas zum Mittagessen bereitet habe, setzte sich der Knabe auf das Bett und wischte sich die Tränen, die ihm herabflossen, mit dem Daumen ab. (3) Ganz aus der Fassung gebracht durch den Zustand meines Brüderchens fragte ich, was passiert sei. Doch er sagte nur zögerlich und widerwillig und erst, nachdem ich in meine Bitten auch Zorn gemischt hatte: (4) »Dein Brüderchen da oder dein Kumpan kam kurz vorher in unsere Unterkunft gelaufen und wollte mir gewaltsam meine Keuschheit rauben. (5) Als ich um Hilfe rief, zückte er sein Schwert und sagte: ›Wenn du Lucretia bist, hast du deinen Tarquinius gefunden!‹« (6) Nachdem ich das gehört hatte, streckte ich meine Hände drohend gegen Askylts Augen aus und sagte: »Was sagst du, du Hure, der du dir’s wie eine Frau machen lässt und an dem nicht einmal der Atem rein ist?« (7) Askylt tat, als ob er einen Schreck bekomme, erhob dann seine Hände noch drohender und rief mit weit größerer Heftigkeit: (8) »Willst

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taces« inquit »gladiator obscene, quem de ruina harena dimisit? (9) non taces, nocturne percussor, qui ne tum quidem, cum fortiter faceres, cum pura muliere pugnasti, (10) cuius eadem ratione in viridario frater fui qua nunc in deversorio puer est?« »subduxisti te« inquam, »a praeceptoris colloquio«. 10 (1) »quid ego, homo stultissime, facere debui, cum fame morerer? an videlicet audirem sententias, id est vitrea fracta et somniorum interpretamenta? (2) multo me turpior es tu hercule, qui ut foris cenares poetam laudasti«. (3) itaque ex turpissima lite in risum diffusi pacatius ad reliqua secessimus *

(4) rursus in memoriam revocatus iniuriae »Ascylte« inquam »intellego nobis convenire non posse. itaque communes sarcinulas partiamur ac paupertatem nostram privatis quaestibus temptemus expellere. (5) et tu litteras scis et ego. ne quaestibus tuis obstem, aliquid aliud promittam; alioqui mille causae quotidie nos collident et per totam urbem rumoribus different«. (6) non recusavit Ascyltos et »hodie« inquit »quia tamquam scholastici ad cenam promisimus, non perdamus noctem. cras autem, quia hoc libet, et habitationem mihi prospiciam et aliquem fratrem«. (7) »tardum est« inquam »differre quod placet« *

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du wohl still sein, du schamloser Schwertkämpfer, den wegen deines Zusammenbruchs der Kampfplatz entlassen hat? (9) Willst du wohl still sein, nächtlicher Stoßkämpfer, der du nicht einmal damals, als du es noch tapfer machtest, mit einer anständigen Frau gerungen hast (10) und dessen Brüderchen ich im Grünen auf dieselbe Weise war, wie es jetzt in der Absteige der Knabe ist?« »Du hast dich«, sagte ich, »von der Diskussion mit dem Rhetoriklehrer heimlich davongemacht.« 10 (1) »Was hätte ich denn machen sollen, du Riesendummkopf, wo ich vor Hunger fast umkam? Ich hätte wohl die Sentenzen anhören sollen, und das heißt: Glasscherben und Traumdeutereien? (2) Viel schändlicher als ich bist du, beim Herkules, der du, um auswärts essen zu können, einem ›Poeten‹ gelobhudelt hast!« (3) So brachen wir gleich nach unserem abgrundtief hässlichen Streit in Gelächter aus und wandten uns wieder recht friedlich anderen Dingen zu * (4) Wieder rief ich mir das Unrecht in Erinnerung und sagte: »Askylt, ich sehe ein, dass wir nicht miteinander auskommen können. Lass uns deshalb die gemeinsamen Habseligkeiten teilen und versuchen, unsere Armut durch jeweils eigene Geschäfte zu vertreiben. (5) Du bist gebildet, und ich bin es auch. Damit ich deinen Geschäften nicht im Wege stehe, will ich mich zu irgendetwas anderem verpflichten; sonst werden uns täglich tausend Gründe aneinander geraten lassen und uns in der ganzen Stadt ins Gerede bringen.« (6) Askylt hatte nichts dagegen und sagte: »Weil wir heute in unserer Eigenschaft als Studenten für ein Abendessen zugesagt haben, wollen wir die Nacht nicht vergeuden. Morgen aber werde ich, da es so sein soll, nach einer Unterkunft für mich Ausschau halten und nach einem anderen Brüderchen.« (7) »Es wäre zu langwierig«, sagte ich, »etwas aufzuschieben, was man beschlossen hat« *

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hanc tam praecipitem divisionem libido faciebat; iam dudum enim amoliri cupiebam custodem molestum, ut veterem cum Gitone meo rationem reducerem * 11 (1) postquam lustravi oculis totam urbem, in cellulam redii osculisque tandem bona fide exactis alligo artissimis complexibus puerum fruorque votis usque ad invidiam felicibus. (2) nec adhuc quidem omnia erant facta, cum Ascyltos furtim se foribus admovit discussisque fortissime claustris invenit me cum fratre ludentem. risu itaque plausuque cellulam implevit, opertum me amiculo evolvit (3) et »quid agebas« inquit »frater sanctissime? quid? vesticontubernium facis?« (4) nec se solum intra verba continuit, sed lorum de pera solvit et me coepit non perfunctorie verberare, adiectis etiam petulantibus dictis: »sic dividere cum fratre nolito« *

12 (1) veniebamus in forum deficiente iam die, in quo notavimus frequentiam rerum venalium, non quidem pretiosarum sed tamen quarum fidem male ambulantem obscuritas temporis facillime tegeret. (2) cum ergo et ipsi raptum latrocinio pallium detulissemus, uti occasione opportunissima coepimus atque in quodam angulo laciniam extremam concutere, si quem forte emptorem splendor vestis posset adducere. (3) nec diu moratus rusticus quidam fa-

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Diese so überstürzte Trennung wurde von Geilheit bewirkt; schon längst nämlich hatte ich ein heftiges Bedürfnis, den lästigen Aufpasser aus dem Weg zu schaffen, um die alte Beziehung zu meinem Giton wiederaufnehmen zu können * 11 (1) Nachdem ich die ganze Stadt in Augenschein genommen hatte, kehrte ich in unser Zimmerchen zurück, forderte endlich ganz arglos Küsse, schloss den Knaben fest in meine Arme und genoss die erhofften seligen Wonnen, um die mich jeder beneidet hätte. (2) Und wir hatten noch nicht einmal alles gemacht, als Askylt sich heimlich an die Tür heranschlich, mit voller Kraft den Riegel aufsprengte und mich beim Liebesspiel mit meinem Brüderchen vorfand. So erfüllte er denn mit Lachen und Beifallsklatschen das Zimmerchen, wickelte mich aus dem Umhang, der mich bedeckte, (3) und sagte: »Was hast du da getrieben, allerkeuschestes Brüderchen? Was? Stellst du Deckenzeltgemeinschaft her?« (4) Und er beschränkte sich nicht auf diese Worte, sondern löste den Riemen von seinem Rucksack, fing an, mich nicht nur oberflächlich zu schlagen, und fügte noch frivole Sprüche hinzu: »Du sollst nicht so mit deinem Brüderchen teilen« * 12 (1) Wir kamen, als der Tag sich schon neigte, auf den Markt, wo uns eine große Menge zum Kauf angebotener Sachen auffiel; die waren zwar nicht wertvoll, aber von der Art, dass das Zwielicht der Tageszeit ihre auf wackligen Beinen daherkommende Qualität und Herkunft sehr leicht verdeckte. (2) Da nun auch wir selbst einen bei einer Diebestour geraubten Mantel mitgebracht hatten, ergriffen wir die äußerst günstige Gelegenheit und schüttelten ihn in einem Winkel, indem wir ihn am äußersten Zipfel packten, um zu sehen, ob der Glanz des Kleidungsstücks vielleicht einen Käufer anziehen würde. (3) Und es dauerte nicht lange, und ein Bauer, der

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miliaris oculis meis cum muliercula comite propius accessit ac diligentius considerare pallium coepit. (4) invicem Ascyltos iniecit contemplationem super umeros rustici emptoris ac subito exanimatus conticuit. (5) ac ne ipse quidem sine aliquo motu hominem conspexi, nam videbatur ille mihi esse qui tuniculam in solitudine invenerat. plane is ipse erat. (6) sed cum Ascyltos timeret fidem oculorum, ne quid temere faceret prius tamquam emptor propius accessit detraxitque umeris laciniam et diligentius temptavit. 13 (1) o lusum fortunae mirabilem! nam adhuc ne suturae quidem attulerat rusticus curiosas manus, sed tamquam mendici spolium etiam fastidiose venditabat. (2) Ascyltos postquam depositum esse inviolatum vidit et personam vendentis contemptam, seduxit me paululum a turba et »scis« inquit »frater, rediisse ad nos thesaurum de quo querebar? (3) illa est tunicula adhuc, ut apparet, intactis aureis plena. quid ergo facimus aut quo iure rem nostram vindicamus?« (4) exhilaratus ego non tantum quia praedam videbam, sed etiam quod fortuna me a turpissima suspicione dimiserat, negavi circuitu agendum, sed plane iure civili dimicandum, ut si nollet alienam rem domino reddere, ad interdictum veniret. 14 (1a) contra Ascyltos leges timebat et »quis« aiebat »hoc loco nos novit aut quis habebit dicentibus fidem?

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meinen Augen bekannt vorkam, trat in Begleitung eines Frauenzimmers näher heran und fasste den Mantel genauer ins Auge. (4) Askylt wiederum heftete seinen Blick auf die Schultern des bäurischen Kunden, er erschrak plötzlich furchtbar, und es verschlug ihm die Sprache. (5) Auch ich selbst sah den Mann nicht ohne eine gewisse Unruhe an; denn er schien mir der zu sein, der die Tunika an dem einsamen Ort gefunden hatte. Klar, er war es höchstselbst. (6) Doch weil Askylt an der Zuverlässigkeit seiner Augen zweifelte, trat er, um nichts unüberlegt zu tun, erst einmal, als ob er ein Käufer wäre, näher heran, zog dem Mann einen Zipfel von den Schultern und betastete diesen ziemlich sorgfältig. 13 (1) Welch wundersames Spiel des Glücks! Denn bisher hatte der Bauer noch gar nicht die Nähte mit neugierigen Händen untersucht, sondern bot die Tunika sogar naserümpfend zum Verkauf an, als ob es sich um die Beute eines Bettlers handle. (2) Nachdem Askylt erkannt hatte, dass die Einlage noch unangetastet und der Verkäufer keine ehrbare Person war, führte er mich von der Menge ein wenig beiseite und sagte: »Weißt du, Brüderchen, dass der Schatz, dessentwegen ich mich bei dir beklagt habe, zu uns zurückgekehrt ist? (3) Das da ist die anscheinend noch von unberührten Goldstücken volle Tunika. Was also tun wir, und nach welchem Recht erheben wir Anspruch auf unser Eigentum?« (4) Hoch erfreut, wie ich war – nicht nur, weil ich die Beute sah, sondern auch, weil das Glück mich von einem überaus schimpflichen Verdacht befreit hatte –, sagte ich, es dürfe nicht auf Umwegen gehandelt, sondern es müsse offen nach Zivilrecht gekämpft werden, so dass der Mann, wenn er das fremde Gut nicht dem Eigentümer zurückgeben wolle, zum Interdikt kommen müsse. 14 (1a) Askylt dagegen fürchtete die Gesetze und sagte: »Wer kennt uns an diesem Ort, und wer wird unseren Aussagen Glauben schenken?

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2) quid faciunt leges, ubi sola pecunia regnat aut ubi paupertas vincere nulla potest? ipsi qui Cynica traducunt tempora pera non numquam nummis vendere verba solent. ergo iudicium nihil est nisi publica merces, atque eques in causa qui sedet empta probat.

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(1b) mihi plane placet emere, quamvis nostrum sit, quod agnoscimus, et parvo aere recuperare potius thesaurum quam in ambiguam litem descendere.« (3) sed praeter unum dipondium [sicel] lupinosque quibus destinaveramus mercari, nihil ad manum erat. (4) itaque ne interim praeda discederet, vel minoris pallium addicere placuit et pretium maioris compendii leviorem facere iacturam.

(5) cum primum ergo explicuimus mercem, mulier aperto capite [quae cum rustico steterat] inspectis diligentius signis iniecit utramque laciniae manum magnaque vociferatione latrones tenere clamavit. (6) contra nos perturbati, ne videremur nihil agere, et ipsi scissam et sordidam tenere coepimus tunicam atque eadem invidia proclamare nostra esse spolia quae illi possiderent. (7) sed nullo genere par erat causa nostra, et cociones, qui ad clamorem confluxerant, nostram scilicet de more ridebant invidiam, quod pro illa parte vindica!ri vide"bant pretiosissimam vestem, pro hac pannuciam ne centonibus quidem bonis dignam. (8) hinc Ascyltos perite

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(2) Was richten Gesetze aus, wo allein das Geld regiert oder wo Armut keinesfalls den Sieg davontragen kann? Selbst die, welche mit dem Rucksack des Kynikers auf dem Rücken über die Zeiten spotten, verkaufen gerne zuweilen ihre Worte für bare Münze. Also ist ein Urteil nichts als eine öffentliche Ware, 5 und der Ritter, der über den Fall zu Gericht sitzt, billigt Gekauftes. (1b) Ich bin klar dafür, dass wir das kaufen, was wir, obwohl es uns schon gehört, wiedererkennen, und dass wir lieber für wenig Geld den Schatz zurückgewinnen, als dass wir uns auf einen unsicheren Prozess einlassen.« (3) Aber außer einer Zwei-As-Münze und Spielgeld, womit wir Einkäufe machen wollten, hatten wir nichts zur Hand. (4) Damit uns die Beute nicht inzwischen entgehe, beschlossen wir somit, den Mantel sogar für einen geringeren Preis loszuschlagen und um des größeren Gewinns willen einen kleineren Verlust in Kauf zu nehmen. (5) Sobald wir nun unsere Ware ausgebreitet hatten, enthüllte die Frau ihren Kopf, prüfte ziemlich sorgfältig die Stickerei, ergriff mit beiden Händen den Mantelzipfel und rief unter lautem Gekreische, sie halte Diebe fest. (6) Wir dagegen waren total verwirrt, und, damit es nicht so aussehe, als täten wir nichts, griffen wir auch unsererseits nach der zerrissenen und dreckigen Tunika und riefen mit derselben Empörung laut, uns gehöre die Beute, die jene besäßen. (7) Aber unser Streitwert war in keiner Weise gleich, und die Geschäftemacher, die auf das Geschrei hin zusammengeströmt waren, lachten natürlich auf ihre Art über unsere Empörung, weil sie sahen, dass auf der einen Seite ein höchst kostbares Gewand beansprucht wurde, auf der anderen ein Fetzen, der nicht einmal für gute Flicken brauchbar war. (8) Da machte Askylt dem Gelächter schlau ein Ende, indem er Ruhe herstellte

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risum discussit, qui silentio facto 15 (1) »videamus« inquit »suam cuique rem esse carissimam; reddant nobis tunicam nostram et pallium suum recipiant.« (2) etsi rustico mulierique iam paene placebat permutatio, advocati tamen nocturni, qui volebant pallium lucri facere, flagitabant uti apud se utraque deponerentur ac postero die iudex querellam inspiceret. (3) neque enim res tantum quae viderentur in controversiam esse, sed longe aliud quaeri, !quod" in utraque parte scilicet latrocinii suspicio haberetur. (4) iam sequestri placebant, et nescio quis ex cocionibus, calvus, tuberosissimae frontis, qui solebat aliquando etiam causas agere, invaserat pallium exhibiturumque crastino die affirmabat.

(5) ceterum apparebat nihil aliud quaeri nisi ut semel deposita vestis inter praedones strangularetur et nos metu criminis non veniremus ad constitutum … (6) idem plane et nos volebamus. itaque utriusque partis votum casus adiuvit. (7) indignatus enim rusticus, quod nos centonem exhibendum postularemus, misit in faciem Ascylti tunicam et liberatus querella iussit pallium deponere, quod solum litem faciebat. (8) et recuperato, ut putabamus, thesauro in deversorium praecipites abimus praeclusisque foribus ridere acumen non minus cocionum quam calumniantium coepimus, quod nobis ingenti calliditate pecuniam reddidissent.

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15 (1) und sagte: »Sehen wir doch ein, dass jedem sein Eigentum am teuersten ist; so sollen sie uns denn unsere Tunika wiedergeben und dafür ihren Mantel zurückbekommen.« (2) Obwohl dem Bauern und der Frau der Tausch schon beinahe recht war, verlangten zwielichtige Rechtsgelehrte, die mit dem Mantel Gewinn machen wollten, dennoch dringend, dass beide Sachen bei ihnen hinterlegt würden und am folgenden Tag ein Richter den Streitfall untersuchen solle. (3) Denn nicht nur die Sachen, die offensichtlich Streitobjekte seien, sondern noch etwas ganz anderes werde gerichtlich untersucht, da natürlich auf beiden Seiten Verdacht auf Diebstahl bestehe. (4) Schon beschloss man, Unparteiische zu ernennen, und irgendeiner von den Geschäftemachern, ein Glatzkopf mit zahllosen Pusteln an der Stirn, der die Gewohnheit hatte, zuweilen auch vor Gericht aufzutreten, hatte sich auf den Mantel gestürzt und versicherte, er werde ihn am folgenden Tag vorlegen. (5) Im Übrigen suchte man anscheinend nichts anderes zu erreichen, als dass das Gewand, wenn es einmal hinterlegt war, unter den Beutemachern zum Verschwinden gebracht würde und wir aus Angst vor Strafverfolgung nicht zum Gerichtstermin erscheinen würden … (6) Genau dasselbe wollten auch wir. Da kam dem Wunsch beider Seiten ein Zufall zu Hilfe. (7) Der Bauer nämlich, entrüstet darüber, dass wir verlangten, ein Fetzen müsse vorgelegt werden, warf Askylt die Tunika ins Gesicht und forderte, weil ihm die Anklage erspart war, uns auf, den Mantel zu hinterlegen, der allein noch den Streit ausmachte. (8) Und weil wir, wie wir glaubten, den Schatz zurückgewonnen hatten, liefen wir Hals über Kopf zu unserer Absteige davon und brachen, als wir die Tür verriegelt hatten, in Gelächter aus – nicht weniger über den Scharfsinn der Geschäftemacher als der falschen Ankläger, weil sie uns mit ihrer gewaltigen Schlauheit ja wohl das Geld wiedergegeben hatten.

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(9) nolo quod cupio statim tenere, nec victoria mi placet parata * 16 (1) sed ut primum beneficio Gitonis praeparata nos implevimus cena, ostium [non] satis audaci strepitu exsonuit impulsum. (2) cum et ipsi ergo pallidi rogaremus quis esset, »aperi« inquit »iam scies«. dumque loquimur, sera sua sponte delapsa cecidit reclusaeque subito fores admiserunt intrantem. (3) mulier autem erat operto capite, illa scilicet quae paulo ante cum rustico steterat, et »me derisisse« inquit »vos putabatis? ego sum ancilla Quartillae, cuius vos sacrum ante cryptam turbastis. (4) ecce ipsa venit ad stabulum petitque ut vobiscum loqui liceat. nolite perturbari. nec accusat errorem vestrum nec punit, immo potius miratur quis deus iuvenes tam urbanos in suam regionem detulerit.« 17 (1) tacentibus adhuc nobis et ad neutram partem assentationem flectentibus intravit ipsa, una comitata virgine, sedensque super torum meum diu flevit. (2) ac ne tunc quidem nos ullum adiecimus verbum, sed attoniti expectavimus lacrimas ad ostentationem doloris paratas.

(3) ut ergo tam ambitiosus detonuit imber, retexit superbum pallio caput et manibus inter se usque ad articulorum strepitum constrictis (4) »quaenam est« inquit »haec audacia, aut ubi fabulas etiam antecessura latrocinia didicistis? misereor mediusfidius vestri; neque enim impune quisquam quod non licuit adspexit. (5) utique

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(9) Ich will nicht, was ich begehre, sofort bekommen, noch gefällt mir ein leicht errungener Sieg * 16 (1) Aber sobald wir uns mit dem Abendessen gesättigt hatten, das Giton in seiner Güte zubereitet hatte, erdröhnte die Tür von heftigen und donnernden Schlägen. (2) Als wir deshalb, auch selbst schreckensbleich, fragten, wer da sei, kam die Antwort: »Öffne, dann wirst du es schon wissen!« Während wir noch sprachen, glitt der Riegel von alleine abwärts und fiel herunter, und die plötzlich offene Tür gewährte Einlass. (3) Nun, es war eine Frau mit verhülltem Kopf, offensichtlich die, welche kurz zuvor bei dem Bauern gestanden hatte, und sie sagte: »Habt ihr geglaubt, ihr hättet mich veralbern können? Ich bin die Magd der Quartilla, deren Ritual ihr vor der Krypta gestört habt. (4) Schau, da kommt sie selbst in die Absteige und bittet um die Erlaubnis, mit euch zu sprechen. Aber regt euch nicht auf ! Sie will euch nicht eure Verfehlung vorwerfen und euch nicht bestrafen, nein, sie fragt sich vielmehr, welcher Gott so feine junge Männer in ihre Gegend verschlagen hat.« 17 (1) Während wir noch schwiegen und unschlüssig waren, ob wir zustimmend reagieren sollten, trat sie in eigener Person ein, mit einem Mädchen als einziger Begleitung, setzte sich auf mein Bett und weinte lange. (2) Und wir sagten nicht einmal dann auch nur ein Wort dazu, sondern verharrten, wie vom Donner gerührt, und betrachteten die Tränen, die sie zur Demonstration von Schmerz in Bereitschaft gehalten hatte. (3) Sobald nun der gar so nach Effekt haschende Platzregen niedergeprasselt war, entblößte sie durch Zurückschlagen ihres Umhangs ein stolzes Haupt, presste die Hände eng zusammen, bis die Gelenke knackten, und sagte: (4) »Was ist denn das für eine Dreistigkeit, und wo habt ihr eure Gaunereien gelernt, die sogar erfundene Geschichten übertreffen? So wahr mir Gott helfe, ihr tut mir leid; denn noch niemand hat ungestraft zu sehen bekommen,

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nostra regio tam praesentibus plena est numinibus ut facilius possis deum quam hominem invenire. (6) ac ne me putetis ultionis causa huc venisse, aetate magis vestra commoveor quam iniuria mea. imprudentes enim, ut adhuc puto, admisistis inexpiabile scelus. (7) ipsa quidem illa nocte vexata tam periculoso inhorrui frigore ut tertianae etiam impetum timeam. et ideo medicinam somnio petii iussaque sum vos perquirere atque impetum morbi monstrata subtilitate lenire. (8) sed de remedio non tam valde laboro; maior enim in praecordiis dolor saevit, qui me usque ad necessitatem mortis deducit, ne scilicet iuvenili impulsi licentia quod in sacello Priapi vidistis vulgetis deorumque consilia proferatis in populum. (9) protendo igitur ad genua vestra supinas manus petoque et oro ne nocturnas religiones iocum risumque faciatis neve traducere velitis tot annorum secreta, quae vix mille homines noverunt.«

18 (1) secundum hanc deprecationem lacrimas rursus effudit gemitibusque largis concussa tota facie ac pectore torum meum pressit. (2) ego eodem tempore et misericordia turbatus et metu bonum animum habere eam iussi et de utroque esse securam: (3) nam neque sacra quemquam vulgaturum, et si quod praeterea aliud remedium ad tertianam deus illi monstrasset, adiuvaturos nos divinam providentiam vel periculo nostro. (4) hilarior post hanc pollicitationem facta mulier basiavit me spissius et ex lacrimis in risum

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was zu sehen nicht erlaubt war. (5) Besonders unsere Gegend ist so voll von allgegenwärtigen überirdischen Mächten, dass man leichter einem Gott als einem Menschen begegnen kann. (6) Und damit ihr nicht glaubt, um der Rache willen sei ich hierher gekommen: Ich bin mehr durch euer jugendliches Alter als durch die mir angetane Kränkung erregt. Denn unabsichtlich, wie ich noch immer glaube, habt ihr ein unsühnbares Verbrechen begangen. (7) Was mich selbst betrifft, bekam ich, heimgesucht von dem Geschehen jener Nacht, einen so gefährlichen Schüttelfrost, dass ich sogar eine Attacke des Wechselfiebers befürchte. Und deshalb habe ich im Traum um eine Medizin gebeten, und mir wurde befohlen, euch aufzuspüren und die Attacke der Krankheit durch die feinsinnige Methode, die mir verordnet wurde, zu lindern. (8) Doch um das Heilmittel sorge ich mich nicht sehr; denn ein größerer Schmerz wütet in meinem Herzen, der mich bis an die Schwelle des Todes führt: natürlich die Angst, dass ihr, getrieben von jugendlicher Zügellosigkeit, das, was ihr in dem Tempelchen Priaps gesehen habt, ausplaudert und so die Ratschlüsse der Götter unter die Leute bringt. (9) Ich strecke also die Hände nach oben gekehrt zu euren Knien und bitte und flehe euch an, nicht die nächtlichen Rituale zum Gegenstand von Scherz und Gelächter zu machen und nicht die altehrwürdigen Geheimnisse, die kaum tausend Menschen kennen, dem Spott preisgeben zu wollen.« 18 (1) Nach dieser flehenden Bitte ließ sie wieder ihre Tränen strömen und presste, von tiefen Seufzern erschüttert, ihr ganzes Gesicht und ihre Brust auf mein Bett. (2) Ich, gleichzeitig von Mitleid und Furcht beunruhigt, forderte sie auf, guten Mutes und um beides unbesorgt zu sein: (3) Denn niemand werde die Riten ausplaudern, und wenn der Gott ihr überdies ein anderes Heilmittel gegen das Wechselfieber verordnet habe, würden wir die göttliche Vorsehung unterstützen, sogar auf unsere eigene Gefahr hin. (4) Fröhlicher geworden nach diesem Versprechen, überhäufte die Frau mich

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mota descendentes ab aure capillos meos lenta manu duxit et (5) »facio« inquit »indutias vobiscum et a constituta lite dimitto. quod si non adnuissetis de hac medicina quam peto, iam parata erat in crastinum turba quae et iniuriam meam vindicaret et dignitatem:

(6) contemni turpe est, legem donare superbum: hoc amo, quod possum qua libet ire via. nam sane et sapiens contemptus iurgia nectit, et qui non iugulat, victor abire solet« *

(7) complosis deinde manibus in tantum repente risum effusa est ut timeremus. idem ex altera parte et ancilla fecit quae prior venerat, idem virguncula quae una intraverat. 19 (1) omnia mimico risu exsonuerant, cum interim nos, quae tam repentina esset mutatio animorum facta, ignoraremus ac modo nosmet ipsos modo mulieres intueremur * (2) »ideo vetui hodie in hoc deversorio quemquam mortalium admitti, ut remedium tertianae sine ulla interpellatione a vobis acciperem.« (3) ut haec dixit Quartilla, Ascyltos quidem paulisper obstupuit, ego autem frigidior hieme Gallica factus nullum potui

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mit Küssen, ging von den Tränen zu Gelächter über, strich meine von hinter dem Ohr herabfallenden Haare mit sanfter Hand glatt und sagte: (5) »Ich schließe einen Waffenstillstand mit euch und erlasse euch den Prozess, der beschlossene Sache war. Wenn ihr aber eure Zustimmung zu der Heilung, um die ich bitte, nicht gegeben hättet, so stand schon für morgen eine Truppe bereit, welche sowohl die mir angetane Kränkung als auch die Verletzung meiner Ehre rächen sollte: (6) Beleidigt zu werden ist eine schändliche, Straferlass zu gewähren eine stolze Sache; das gefällt mir, dass ich auf dem Weg gehen kann, auf dem ich will. Denn gewiss fängt auch der Weise, wenn er beleidigt wird, Streit an, und wer nicht den Hals abschneidet, pflegt als Sieger von dannen zu gehen« * (7) Darauf klatschte sie in die Hände und brach plötzlich in ein so lautes Gelächter aus, dass wir es mit der Angst bekamen. Dasselbe tat auf der anderen Seite auch die Magd, die vor ihr gekommen war, dasselbe das Mädchen, das gleichzeitig eingetreten war. 19 (1) Alles hallte wider von einem Gelächter nach Art der Schmierenkomödianten, während wir unterdessen nicht wussten, was dieser so plötzlich vollzogene Stimmungswechsel zu bedeuten hatte, und bald uns selbst, bald die Frauen ansahen * (2) »Deshalb habe ich untersagt, heute in diese Herberge irgendeinen Sterblichen eintreten zu lassen, damit ich das Heilmittel gegen das Wechselfieber ohne irgendwelche Störungen von euch empfangen kann.« (3) Als Quartilla dies gesagt hatte, war Askylt nur für eine Weile erstarrt, ich aber, in einen Zustand versetzt, der kälter war als der Winter in Gallien, konnte kein

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verbum emittere. (4) sed ne quid tristius expectarem, comitatus faciebat. tres enim erant mulierculae, si quid vellent conari, infirmissimae, scilicet contra nos, !quibus", si nihil aliud, virilis sexus esset. (5) at praecincti certe altius eramus. immo ego sic iam paria composueram, ut si depugnandum foret, ipse cum Quartilla consisterem, Ascyltos cum ancilla, Giton cum virgine *

(6) tunc vero excidit omnis constantia attonitis, et mors non dubia miserorum oculos coepit obducere * 20 (1) »rogo« inquam »domina, si quid tristius paras, celerius confice; neque enim tam magnum facinus admisimus ut debeamus torti perire« * (2) ancilla quae Psyche vocabatur lodiculam in pavimento diligenter extendit * sollicitavit inguina mea mille iam mortibus frigida * (3) operuerat Ascyltos pallio caput, admonitus scilicet periculosum esse alienis intervenire secretis * (4) duas institas ancilla protulit de sinu alteraque pedes nostros alligavit, altera manus *

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Wort herausbringen. (4) Doch dass ich nicht allzu Schlimmes erwartete, das bewirkte die Begleitung. Es waren ja nur drei Frauenzimmerchen, ganz und gar schwach, falls sie etwas versuchen wollten, jedenfalls gegen uns, die wir, wenn wir auch nichts anderes hatten, männlichen Geschlechts waren. (5) Und im Übrigen trugen wir die Kleidung hochgeschürzt. Ja, ich hatte sogar schon die Paare so zusammengestellt, dass, wenn bis zur Entscheidung gekämpft werden müsse, ich selbst gegen Quartilla antreten würde, Askylt gegen die Magd und Giton gegen das Mädchen * (6) Da aber waren wir wie vom Donner gerührt, alles Stehvermögen verließ uns, und unzweifelhafter Tod begann uns Armen den Blick zu verdunkeln * 20 (1) »Ich bitte dich, Herrin«, sagte ich, »wenn du etwas Schlimmeres im Sinn hast, bring es ganz schnell zu Ende; denn wir haben kein so großes Verbrechen begangen, dass wir unter Folterqualen zu sterben verdienen« * (2) Die Magd, die Psyche hieß, breitete sorgfältig eine Matte auf dem Fußboden aus * Sie stimulierte mein Glied, das von tausend Toden eiskalt war * (3) Askylt hatte sich mit seinem Mantel den Kopf verhüllt, da er sich offensichtlich erinnert sah, dass es gefährlich sei, geheime Handlungen zu stören * (4) Die Magd holte zwei Bänder aus ihrem Gewandbausch hervor und fesselte uns mit dem einen die Füße, mit dem anderen die Hände *

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(5) Ascyltos iam deficiente fabularum contextu »quid? ego« inquit »non sum dignus qui bibam?« (6) ancilla risu meo prodita complosit manus et »apposui quidem * adulescens, solus tantum medicamentum ebibisti?« (7) »itane est?« inquit Quartilla »quicquid satyrii fuit, Encolpius ebibit?« * non indecenti risu latera commovit * (8) ac ne Giton quidem ultimo risum tenuit, utique postquam virguncula cervicem eius invasit et non repugnanti puero innumerabilia oscula dedit * 21 (1) volebamus miseri exclamare, sed nec in auxilio erat quisquam, et hinc Psyche acu comatoria cupienti mihi invocare Quiritum fidem malas pungebat, illinc puella penicillo, quod et ipsum satyrio tinxerat, Ascylton opprimebat * (2) ultimo cinaedus supervenit myrtea subornatus gausapa cinguloque succinctus … modo extortis nos clunibus cecidit, modo basiis olidissimis inquinavit, donec Quartilla gallinaceam tenens virgam alteque succincta iussit infelicibus dari missionem *

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(5) Als uns schon der Gesprächsstoff ausging, sagte Askylt: »Wie? Ich verdiene nicht zu trinken?« (6) Die Magd, verraten durch mein Lachen, klatschte in die Hände und sagte: »Ich habe es doch hingestellt … Junger Mann, hast du allein die ganze Medizin ausgetrunken?« (7) »Ist es so?«, fragte Quartilla, »hat Enkolp alles, was von dem Satyrion da war, ausgetrunken?« * Sie bewegte die Hüften hin und her und lachte dabei nicht uncharmant * (8) Und schließlich konnte nicht einmal Giton das Lachen zurückhalten, besonders nachdem das junge Mädchen über seinen Hals hergefallen war und dem Knaben, ohne dass er sich dagegen sträubte, unzählige Küsse gegeben hatte * 21 (1) Wir Armen wollten schreien, aber es war niemand da, der hätte helfen können, und von der einen Seite stach Psyche mir, als ich die Quiriten zu Zeugen anrufen wollte, mit einer Haarnadel in die Wangen, von der anderen setzte das Mädchen mit einem Pinsel, den es auch noch mit Satyrion getränkt hatte, Askylt zu * (2) Zuletzt kam noch eine Tunte dazu, herausgeputzt mit einem myrtenfarbigen Wollumhang und mit einem Gürtel umwunden … bald bumste er uns mit seinen auseinandergezogenen Arschbacken, bald besudelte er uns mit besonders eklig stinkenden Küssen, bis Quartilla, einen Majoranzweig in der Hand und hoch aufgeschürzt, befahl, uns armen Kerlen die Begnadigung zu gewähren *

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(3) uterque nostrum religiosissimis iuravit verbis inter duos periturum esse tam horribile secretum * (4) intraverunt palaestritae complures et nos legitimo perfusos oleo refecerunt. (5) utcumque igitur lassitudine abiecta cenatoria repetimus et in proximam cellam ducti sumus, in qua tres lecti strati erant et reliquus lautitiarum apparatus splendidissime expositus. (6) iussi ergo discubuimus, et gustatione mirifica initiati vino etiam Falerno inundamur. (7) excepti etiam pluribus ferculis cum laberemur in somnum, »itane est?« inquit Quartilla »etiam dormire vobis in mente est, cum sciatis Priapi genio pervigilium deberi?« *

22 (1) cum Ascyltos gravatus tot malis in somnum laberetur, illa quae iniuria depulsa fuerat ancilla totam faciem eius fuligine longa perfricuit et non sentientis latera umerosque sopi[ti]onibus pinxit. (2) iam ego etiam tot malis fatigatus minimum veluti gustum hauseram somni; idem et tota intra forisque familia fecerat, atque alii circa pedes discumbentium sparsi iacebant, alii parietibus appliciti, quidam in ipso limine coniunctis manebant capitibus; (3) lucernae quoque umore defectae tenue et extremum lumen spargebant: cum duo Syri expilaturi [lagoenam] triclinium intrave-

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(3) Wir beide schworen mit feierlichsten Worten, dass dieses so schreckliche Geheimnis mit uns zweien ins Grab gehen werde * (4) Herein kamen mehrere Ringkampftrainer, übergossen uns mit Öl, das dazu geeignet war, und stellten uns wieder her. (5) Als also unsere Erschöpfung einigermaßen ausgetrieben war, holten wir wieder unsere Garderobe für das Abendessen hervor und wurden in das angrenzende Zimmer geführt, in dem drei Speisesofas zurechtgemacht und das weitere aufwendige Zubehör eines üppigen Festmahls höchst glanzvoll zur Schau gestellt waren. (6) Wir legten uns nun, als wir dazu aufgefordert wurden, zu Tisch, und nachdem wir mit einer wunderbaren Vorspeise angefangen hatten, tranken wir auch noch Ströme von Falerner. (7) Nachdem wir auch noch mit mehreren Gängen bewirtet worden waren und in Schlaf fielen, sagte Quartilla: »So ist das also? Auch noch Schlafen habt ihr im Sinn, wo ihr doch wisst, dass dem Genius Priaps ein nächtliches Ritual geschuldet wird?« * 22 (1) Als Askylt, niedergedrückt von so vielen Plagen, in Schlaf fiel, rieb ihm die Magd, die von ihm gewaltsam zurückgestoßen worden war, das ganze Gesicht in langen Streifen mit Ruß ein und bemalte, ohne dass er es merkte, seine Hüften und Schultern mit Schwänzen. (2) Auch ich hatte schon, von so vielen Plagen ermüdet, vom Schlaf sozusagen eine winzige Kostprobe zu mir genommen; dasselbe hatte drinnen und draußen die ganze Dienerschaft getan, und die einen ruhten verstreut neben den Füßen derer, die zu Tisch lagen, andere waren an die Wände gelehnt, einige befanden sich sogar Kopf an Kopf auf der Schwelle. (3) Auch die Lampen, denen das Öl ausgegangen war, verbreiteten ein schwaches, absterbendes Licht, als zwei Syrer, die das Triklinium ausrauben wollten, eintraten und, während sie,

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runt, dumque inter argentum avidius rixantur, diductam fregerunt lagoenam. (4) cecidit etiam mensa cum argento, et ancillae super torum marcenti excussum forte altius poculum caput fregit. ad quem ictum exclamavit illa pariterque et fures prodidit et partem ebriorum excitavit. (5) Syri illi qui venerant ad praedam postquam se deprehensos intellexerunt, pariter secundum lectum conciderunt, ut putares hoc convenisse, et stertere tamquam olim dormientes coeperunt.

(6) iam et tricliniarches experrectus lucernis occidentibus oleum infuderat, et pueri detersis paulisper oculis redierant ad ministerium, cum intrans cymbalistria et concrepans aera omnes excitavit. 23 (1) refectum igitur est convivium et rursus Quartilla ad bibendum revocavit !comissantes". adiuvit hilaritatem [comissantis] cymbalistria * (2) intrat cinaedus, homo omnium insulsissimus et plane illa domo dignus, qui ut infractis manibus congemuit, eiusmodi carmina effudit: (3) »huc huc convenite nunc, spatalocinaedi, pede tendite, cursum addite, convolate planta, femore facili, clune agili et manu procaces, molles, veteres, Deliaci manu recisi.«

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allzu begierig darauf, inmitten des Silbergeschirrs miteinander rauften, eine Flasche entzwei brachen. (4) Es fiel auch der Tisch mit dem Silbergeschirr um, und der Magd, die auf einem Polster schlief, verletzte ein zufällig von recht weit oben herabstürzender Becher den Schädel. So getroffen schrie sie auf, und gleichzeitig verriet sie dadurch die Diebe und weckte einen Teil der Betrunkenen auf. (5) Jene Syrer, die zum Beutemachen gekommen waren, fielen, nachdem sie begriffen hatten, dass sie ertappt waren, Seite an Seite neben dem Sofa nieder, so dass man hätte glauben können, sie hätten das verabredet, und schnarchten los, als ob sie schon seit einiger Zeit schliefen. (6) Schon war auch der Trikliniarch aufgewacht und hatte auf die Lampen, die gerade ausgingen, Öl gegossen, und die jungen Sklaven hatten sich kurz die Augen gerieben und waren zu ihrem Dienst zurückgekehrt, als eine Zimbelspielerin hereintrat und durch das Zusammenschlagen ihrer Becken alle aufweckte. 23 (1) Man nahm also das Gastmahl wieder auf, und wieder rief Quartilla die Zechenden zum Trinken zurück. Zur Fröhlichkeit trug die Zimbelspielerin bei * (2) Herein trat eine Tunte, der abgeschmackteste Mensch von allen und ganz und gar würdig dieses Hauses, der, als er mit seinen Händen geknackt und aufgeseufzt hatte, Versen dieser Art freien Lauf ließ: (3) »Hierher, hierher kommt jetzt, ihr Weicheiertunten, eilt mit den Füßen, beschleunigt den Lauf, fliegt mit den Fußsohlen, ihr mit den wendigen Schenkeln, den beweglichen Arschbacken und geil mit den Händen, ihr Weichlichen, ihr Alten, ihr von des Deliers Händen Kastrierten!«

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(4) consumptis versibus suis immundissimo me basio conspuit. mox et super lectum venit atque omni vi detexit recusantem. (5) super inguina mea diu multumque frustra moluit. profluebant per frontem sudantis acaciae rivi, et inter rugas malarum tantum erat cretae, ut putares detectum parietem nimbo laborare.

24 (1) non tenui ergo diutius lacrimas, sed ad ultimam perductus tristitiam »quaeso« inquam »domina, certe embasicoetan iusseras dari«. (2) complosit illa tenerius manus et »o« inquit »hominem acutum atque urbanitatis vern!ac"ulae fontem. quid? tu non intellexeras cinaedum embasicoetan vocari?« (3) deinde ne contubernali meo melius succederet, »per fidem« inquam »vestram, Ascyltos in hoc triclinio solus ferias agit?« (4) »ita« inquit Quartilla »et Ascylto embasicoetas detur«. ab hac voce equum cinaedus mutavit transituque ad comitem meum facto clunibus eum basiisque distrivit. (5) stabat inter haec Giton et risu dissolvebat ilia sua. itaque conspicata eum Quartilla, cuius esset puer, diligentissima sciscitatione quaesivit. (6) cum ego fratrem meum esse dixissem, »quare ergo« inquit »me non basiavit?« vocatumque ad se in osculum applicuit. (7) mox manum etiam demisit in sinum et pertractato vasculo tam rudi »haec« inquit »belle cras in promulside libidinis nostrae militabit; hodie enim post asellum diaria non sumo.«

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(4) Als er mit seinen Versen am Ende war, begeiferte er mich mit einem ganz ekelhaften Kuss. Kurz darauf kam er auf mein Sofa und deckte mich mit aller Gewalt auf, obwohl ich mich sträubte. (5) Er, oben über meinem Glied, walkte es lange und intensiv, aber vergeblich. In Strömen floss ihm über die Stirn, weil er schwitzte, Akazienessenz, und in den Runzeln seiner Wangen war so viel Kreide, dass man hätte glauben können, eine nicht abgedeckte Mauer leide unter einem Regenguss. 24 (1) Ich konnte daher die Tränen nicht länger halten, sondern war zu äußerster Niedergeschlagenheit getrieben und sagte: »Bitte, Herrin, du hattest doch eindeutig angeordnet, dass mir ein Betthupfer beschert würde.« (2) Sie klatschte ganz sanft in die Hände und sagte: »Du bist ein so schlauer Mensch und eine solche Quelle bauernschlauen Witzes! Was? Du solltest nicht verstanden haben, dass man eine Tunte Betthupfer nennt?« (3) Darauf sagte ich, damit es meinem Gefährten nicht besser ergehe: »Bei eurer Ehrenhaftigkeit, macht Askylt in diesem Triklinium sich als einziger einen freien Tag?« (4) »Also gut«, sagte Quartilla, »dann soll auch Askylt sein Betthupfer beschert werden.« Gleich nach diesen Worten wechselte die Tunte das Pferd, stieg auf meinen Kameraden um und zerrieb ihn mit den Arschbacken und mit Küssen. (5) Giton stand unterdessen da und schüttete sich aus vor Lachen. Daher erblickte Quartilla ihn und fragte voll eindringlicher Wissbegier, zu wem der Knabe gehöre. (6) Als ich gesagt hatte, er sei mein Brüderchen, sagte sie: »Warum hat er mich dann nicht geküsst?«, rief ihn zu sich und drückte ihn an sich, um einen Kuss zu bekommen. (7) Kurz darauf steckte sie auch noch ihre Hand unten in sein Gewand, befingerte sein noch so unausgereiftes Gießkännchen und sagte: »Dies wird morgen als Vorspeise für meine Lust schön seinen Dienst tun; denn heute will ich nach einem Eselsbraten keine einfache Kost.«

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25 (1) cum haec diceret, ad aurem eius Psyche ridens accessit, et cum dixisset nescio quid, »ita, ita« inquit Quartilla »bene admonuisti. cur non, quia bellissima occasio est, devirginatur Pannychis nostra?« (2) continuoque producta est puella satis bella et quae non plus quam septem annos habere videbatur, [et] ea ipsa quae primum cum Quartilla in cellam venerat nostram. (3) plaudentibus ergo universis et postulantibus nuptias [fecerunt] obstupui ego et nec Gitona, verecundissimum puerum, sufficere huic petulantiae affirmavi, nec puellam eius aetatis esse, ut muliebris patientiae legem posset accipere. (4) »ita« inquit Quartilla »minor est ista quam ego fui, cum primum virum passa sum? Iunonem meam iratam habeam, si umquam me meminerim virginem fuisse. (5) nam et infans cum paribus inquinata sum, et subinde procedentibus annis maioribus me pueris applicui, donec ad [hanc] aetatem perveni. (6) hinc etiam puto proverbium natum illud, [ut dicatur] posse taurum tollere, qui vitulum sustulerit.«

(7) igitur ne maiorem iniuriam in secreto frater acciperet, consurrexi ad officium nuptiale. 26 (1) iam Psyche puellae caput involverat flammeo, iam embasicoetas praeferebat facem, iam ebriae mulieres longum agmen plaudentes fecerant thalamumque incesta exornaverant veste, (2) cum Quartilla quoque iocantium libidine accensa et ipsa surrexit correptumque Gitona in cubiculum traxit. (3) sine dubio non repugnaverat puer, ac ne puella quidem

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25 (1) Als sie das sagte, näherte Psyche sich lachend ihrem Ohr, und als diese irgendetwas gesagt hatte, sprach Quartilla: »Ja, ja – gut, dass du mich daran erinnert hast. Warum soll, weil doch die Gelegenheit dazu wunderschön ist, unsere Pannychis nicht entjungfert werden?« (2) Und sofort wurde ein Mädchen vorgeführt, das hinreichend schön und offenbar nicht älter als sieben Jahre war, genau dasjenige, das zu Anfang mit Quartilla in unser Zimmer gekommen war. (3) Während also alle Beifall klatschten und den Vollzug der Hochzeit verlangten, erstarrte ich vor Schreck und sagte nachdrücklich, weder sei Giton, ein höchst schamhafter Knabe, zu dieser Obszönität imstande, noch sei das Mädchen schon alt genug, um der Pflicht der Frau zur Hingabe gewachsen sein zu können. (4) »Also«, sagte Quartilla, »jünger ist die da, als ich war, als ich zum ersten Mal einen Mann habe über mich kommen lassen? Den Zorn meiner Juno will ich mir zuziehen, wenn ich mich erinnern kann, dass ich jemals Jungfrau war! (5) Denn schon als kleines Kind habe ich mit Gleichaltrigen Schweinereien getrieben, und dann mit den fortschreitenden Jahren mich an ältere Burschen herangemacht, bis ich erwachsen war. (6) Daher stammt auch, wie ich glaube, das bekannte Sprichwort, den Stier könne tragen, wer ein Kalb getragen hat.« (7) Nun, damit mein Brüderchen nicht in meiner Abwesenheit größere Gewalt erleiden müsse, erhob ich mich zu dem Hochzeitszeremoniell. 26 (1) Schon hatte Psyche den Kopf des Mädchens mit dem Brautschleier verhüllt, schon trug der Betthupfer die Fackel voran, schon hatten sich die betrunkenen Frauen Beifall klatschend zu einem langen Zug formiert und das Brautbett mit einer durch Unzucht befleckten Decke geschmückt, (2) als auch Quartilla von der Geilheit derer, die sich diesen Spaß machten, entflammt wurde und sich ihrerseits erhob, Giton packte und ihn in das Schlafzimmer zog. (3) Ohne Zweifel hatte der Knabe sich nicht zur Wehr

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tristis expaverat nuptiarum nomen. (4) itaque cum inclusi iacerent, consedimus ante limen thalami, et in primis Quartilla per rimam improbe diductam applicuerat oculum curiosum lusumque puerilem libidinosa speculabatur diligentia. (5) me quoque ad idem spectaculum lenta manu traxit, et quia considerantium !co"haeserant vultus, quicquid a spectaculo vacabat, commovebat obiter labra et me tamquam furtivis subinde osculis verberabat *

(6) abiecti in lectis sine metu reliquam exegimus noctem * (7) venerat iam tertius dies, id est expectatio liberae cenae, sed tot vulneribus confossis fuga magis placebat quam quies. (8) itaque cum maesti deliberaremus quonam genere praesentem evitaremus procellam, unus servus Agamemnonis interpellavit trepidantes et (9) »quid? vos« inquit »nescitis, hodie apud quem fiat? Trimalchio, lautissimus homo … horologium in triclinio [et] bucinatore habet subornatum, ut subinde sciat quantum de vita perdiderit«. (10) amicimur ergo diligenter obliti omnium malorum, et Gitona libentissime servile officium tuentem usque hoc iubemus in balneo sequi …

27 (1) nos interim vestiti errare coepimus, immo iocari magis et circulis ludentum accedere, cum subito videmus senem calvum,

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gesetzt, und nicht einmal das Mädchen war traurig oder hatte Angst gehabt vor dem Wort »Hochzeit«. (4) Als sie nun hinter verschlossener Tür beieinander lagen, setzten wir uns vor die Schwelle des Brautgemachs, und vor allem Quartilla hatte ihr neugieriges Auge durch eine schamlos erweiterte Ritze näher herangebracht und beobachtete das kindliche Liebesspiel mit geiler Aufmerksamkeit. (5) Auch mich zog sie mit sanfter Hand zu demselben Schauspiel, und weil unsere Gesichter, während wir zusahen, eng zusammen waren, bewegte sie, wann immer sie vom Zuschauen Pause machte, beiläufig ihre Lippen und züchtigte mich regelrecht in einem fort mit verstohlenen Küssen * (6) Auf die Betten geworfen, verbrachten wir ohne Angst die restliche Nacht * (7) Es war schon der dritte Tag gekommen, das heißt, die Aussicht auf das Befreiungsmahl, aber weil wir von so vielen Wunden durchbohrt waren, war uns mehr nach raschem Davonkommen als nach Ausruhen. (8) Als wir daher betrübt überlegten, auf welche Weise wir dem gegenwärtigen Sturm ausweichen könnten, kam mitten in unsere Verwirrung hinein ein Sklave Agamemnons und sagte: (9) »Was ist? Wisst ihr nicht, bei wem heute etwas läuft? Trimalchio, ein sehr eleganter Mann … Eine Wasseruhr hat er in seinem Triklinium, die mit einem Trompeter ausgestattet ist, so dass er immer wieder weiß, wie viel er von seiner Lebenszeit verloren hat.« (10) Wir vergaßen also all unser Leid und kleideten uns sorgfältig an, und Giton, der bis jetzt sehr gerne die Pflichten eines Sklaven übernommen hatte, trugen wir auf, uns ins Bad zu folgen … 27 (1) Noch angezogen, begannen wir inzwischen herumzuschlendern, besser gesagt, wir trieben unseren Spaß und näherten uns Gruppen von Sportlern, als wir plötzlich einen glatzköpfigen alten Mann erblickten, der,

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tunica vestitum russea, inter pueros capillatos ludentem pila. (2) nec tam pueri nos, quamquam erat operae pretium, ad spectaculum duxerant, quam ipse pater familiae, qui soleatus pila prasina exercebatur. nec amplius eam repetebat quae terram contigerat, sed follem plenum habebat servus sufficiebatque ludentibus. (3) notavimus etiam res novas. nam duo spadones in diversa parte circuli stabant, quorum alter matellam tenebat argenteam, alter numerabat pilas, non quidem eas quae inter manus lusu expellente vibrabant, sed eas quae in terram decidebant. (4) cum has ergo miramur lautitias, accurrit Menelaus et »hic est« inquit »apud quem cubitum ponitis, et quidem iam principium cenae videtis«. (5) etiamnum loquebatur [Menelaus], cum Trimalchio digitos concrepuit, ad quod signum matellam spado ludenti subiecit. (6) exonerata ille vesica aquam poposcit ad manus, digitosque paululum adspersos in capite pueri tersit …

28 (1) longum erat singula excipere. itaque intravimus balneum, et sudore calfacti momento temporis ad frigidam eximus. (2) iam Trimalchio unguento perfusus tergebatur, non linteis, sed palliis ex lana mollissima factis. (3) tres interim iatraliptae in conspectu eius Falernum potabant, et cum plurimum rixantes effunderent, Trimalchio hoc suum propin esse dicebat. (4) hinc involutus coccina gausapa lecticae impositus est praecedentibus phaleratis cursoribus quattuor et chiramaxio, in quo deliciae eius vehebantur, puer vetulus, lip-

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bekleidet mit einer roten Tunika, unter langhaarigen jungen Sklaven Ball spielte. (2) Nicht so sehr die jungen Sklaven hatten uns zum Hinschauen verleitet – obwohl es sich lohnte –, wie der Hausherr selbst, der in Sandalen mit einem grünen Ball trainierte. Und er bemühte sich nicht weiter, diesen aufzuheben, wenn er den Boden berührt hatte, sondern ein Sklave hielt einen vollen Sack bereit und versorgte daraus die Spieler. (3) Wir bemerkten auch etwas Neuartiges. Denn auf der anderen Seite der Gruppe standen zwei Eunuchen, von denen der eine einen silbernen Nachttopf hielt, der andere die Bälle zählte, freilich nicht die, die im Eifer des Spiels von Hand zu Hand flogen, sondern die, die auf den Boden fielen. (4) Während wir nun diese Finessen bewunderten, kam Menelaus herbeigelaufen und sagte: »Das ist der, bei dem ihr dann den Ellenbogen aufstützt, und zwar seht ihr schon den Anfang des Gastmahls.« (5) Er sprach noch, als Trimalchio mit den Fingern schnipste, auf welches Zeichen hin der Eunuch ihm, während er weiterspielte, den Nachttopf unterhielt. (6) Als er seine Blase entleert hatte, verlangte er Wasser für die Hände, machte seine Finger ein wenig nass und trocknete sie an dem Kopf des jungen Sklaven ab … 28 (1) Es hätte zu lange gedauert, alle Einzelheiten wahrzunehmen. Daher betraten wir das Bad, und als uns vom Schwitzen heiß geworden war, gingen wir für einen kurzen Moment hinaus ins kalte Wasser. (2) Schon wurde Trimalchio, nachdem man ihn mit Salböl übergossen hatte, abgetrocknet, nicht mit Tüchern aus Leinen, sondern mit Decken aus weichster Wolle. (3) Drei Physiotherapeuten tranken inzwischen vor seinen Augen Falerner, und als sie sich zankten und sehr viel verschütteten, sagte Trimalchio immer wieder, das sei eine Trankspende zu seinem Gedächtnis. (4) Darauf wurde er in einen scharlachfarbenen Wollumhang eingewickelt und in eine Sänfte gesetzt, und dann gingen ihm vier Läufer mit Brustschilden voraus sowie ein kleiner Handwagen, in dem sein Liebling transportiert wurde, ein schon

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pus, domino Trimalchione deformior. (5) cum ergo auferretur, ad caput eius cum minimis symphoniacus tibiis accessit et tamquam in aurem aliquid secreto diceret, toto itinere cantavit. (6) sequimur nos admiratione iam saturi et cum Agamemnone ad ianuam pervenimus, in cuius poste libellus erat cum hac inscriptione fixus: (7) »quisquis servus sine dominico iussu foras exierit, accipiet plagas centum«. (8) in aditu autem ipso stabat ostiarius prasinatus, cerasino succinctus cingulo, atque in lance argentea pisum purgabat. (9) super limen autem cavea pendebat aurea, in qua pica varia intrantes salutabat. 29 (1) ceterum ego dum omnia stupeo, paene resupinatus crura mea fregi. ad sinistram enim intrantibus non longe ab ostiarii cella canis ingens, catena vinctus, in pariete erat pictus superque quadrata littera scriptum »cave canem«. (2) et collegae quidem mei riserunt, ego autem collecto spiritu non destiti totum parietem persequi.

(3) erat autem venalicium !cum" titulis pictum, et ipse Trimalchio capillatus caduceum tenebat Minervaque ducente Romam intrabat. (4) hinc quemadmodum ratiocinari didicisset deinque dispensator factus esset, omnia diligenter curiosus pictor cum inscriptione reddiderat. (5) in deficiente vero iam porticu levatum mento in tribunal excelsum Mercurius rapiebat. (6) praesto erat Fortuna cornu abundanti [copiosa] et tres Parcae aurea pensa torquentes. (7) notavi etiam in porticu gregem cursorum cum magistro se exercen-

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ältlicher Knabe, triefäugig, noch hässlicher als sein Herr Trimalchio. (5) Während er nun davongetragen wurde, trat ein Musiker mit einer winzigen Flöte an sein Haupt heran und blies auf dem ganzen Weg so, als ob er ihm etwas leise ins Ohr sage. (6) Wir, schon ganz voll Bewunderung, folgten und gelangten mit Agamemnon zur Haustür, an deren einem Pfosten ein Zettel mit folgender Aufschrift befestigt war: (7) »Jeder Sklave, der ohne Befehl des Herrn nach draußen geht, wird hundert Schläge kriegen.« (8) Am Eingang selbst aber stand ein Pförtner in grüner Kleidung, mit einem kirschfarbenen Gürtel gegürtet, und er war dabei, in einer silbernen Schüssel Erbsen zu schälen. (9) Über der Schwelle aber hing ein goldener Käfig, in dem eine scheckige Elster saß und die Eintretenden begrüßte. 29 (1) Nun, ich wäre, während ich über alles staunte, beinahe auf den Rücken gefallen und hätte mir die Beine gebrochen. Zur Linken für diejenigen, die eintraten, war nämlich nicht weit von der Kammer des Pförtners ein riesiger Hund, der mit einer Kette angebunden war, an die Wand gemalt, und darüber war in Großbuchstaben geschrieben: »Vorsicht, Hund!« (2) Meine Kumpanen lachten zwar, aber ich sammelte mich und ließ nicht davon ab, die ganze Wand zu durchmustern. (3) Da war nun ein Sklavenmarkt gemalt, mit den Preisschildern, und Trimalchio selbst, langhaarig, hielt den Merkurstab in der Hand und zog, von Minerva geleitet, in Rom ein. (4) Wie er hierauf das Rechnen gelernt hatte und dann Schatzmeister geworden war, das alles hatte der gewissenhafte Maler sorgfältig zusammen mit einem Begleittext wiedergegeben. (5) Aber schon am Ende der Säulenhalle riss ihn, der ein geglättetes Kinn hatte, Merkur empor zu einer Ehrentribüne. (6) Zur Stelle waren Fortuna mit ihrem überquellenden Füllhorn und die drei Parzen, die goldene Fäden spannen. (7) Ich bemerkte in der Säulenhalle auch eine Schar von Läufern, die mit

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tem. (8) praeterea grande armarium in angulo vidi, in cuius aedicula erant Lares argentei positi Venerisque signum marmoreum et pyxis aurea non pusilla, in qua barbam ipsius conditam esse dicebant … (9) interrogare ergo atriensem coepi, quas in medio picturas haberent. »Iliada et Odyssian« inquit »ac Laenatis gladiatorium munus«. 30 (1) non licebat multa iam considerare … nos iam ad triclinium perveneramus, in cuius parte prima procurator rationes accipiebat. et quod praecipue miratus sum, in postibus triclinii fasces erant cum securibus fixi, quorum imam partem quasi embolum navis aeneum finiebat, in quo erat scriptum: (2) »C.  Pompeio Trimalchioni, seviro Augustali, Cinnamus dispensator«. (3) sub eodem titulo et lucerna bilychnis de camera pendebat, et duae tabulae in utroque poste defixae, quarum altera, si bene memini, hoc habebat inscriptum: »III. et pridie kalendas Ianuarias C. noster foras cenat«, (4) altera lunae cursum stellarumque septem imagines pictas; et qui dies boni quique incommodi essent, distinguente bulla notabantur.

(5) his repleti voluptatibus cum conaremur in triclinium intrare, exclamavit unus ex pueris, qui supra hoc officium erat positus: »dextro pede«. (6) sine dubio paulisper trepidavimus, ne contra praeceptum aliquis nostrum limen transiret. (7) ceterum ut pariter movimus dextros gressus, servus nobis despoliatus procubuit ad pedes ac rogare coepit, ut se poenae eriperemus: nec magnum esse

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ihrem Lehrer trainierte. (8) Außerdem sah ich einen gewaltigen Wandschrank in der Ecke, in dessen offenem Fach silberne Laren aufgestellt waren, ein Venusstandbild aus Marmor und eine keineswegs winzige goldene Büchse, in der, wie man sagte, der Bart des Hausherrn aufbewahrt war … (9) Ich richtete also an den Hausmeister die Frage, welche Gemälde sie zur Besichtigung da hätten. »Die Ilias und die Odyssee«, antwortete er, »und die Gladiatorenspiele des Laenas.« 30 (1) Es war nicht möglich, noch viel zu betrachten … Wir waren schon zum Triklinium gelangt, in dessen vorderem Teil ein Buchhalter Rechnungen entgegennahm. Und was ich besonders bewunderte: An den Türpfosten des Trikliniums waren Rutenbündel mit Beilen befestigt, deren unteren Teil eine Art Schiffsschnabel aus Bronze abschloss, auf dem geschrieben stand: (2) »Dem C. Pompeius Trimalchio, Mitglied des Sechs-Männer-Kollegiums für den Augustuskult. Cinnamus, Schatzmeister.« (3) Mit derselben Inschrift darauf hing auch eine zweiflammige Lampe von der Decke herab, und zwei Tafeln waren an den beiden Türpfosten befestigt, von denen die eine, wenn ich mich recht erinnere, folgende Inschrift trug: »Am 30. und 31. Dezember speist unser Gaius auswärts«, (4) die andere zeigte die Bahn des Mondes und Bilder der sieben Planeten; und welche Tage günstig und welche ungünstig sind, wurde durch verschiedene Knöpfe markiert. (5) Als wir, von diesen herrlichen Dingen ganz erfüllt, in das Triklinium eintreten wollten, rief einer von den jungen Sklaven, der für dieses Amt angestellt war: »Mit dem rechten Fuß!« (6) Natürlich waren wir einen kurzen Moment nervös in unserer Angst, es könnte einer von uns vorschriftswidrig die Schwelle überschreiten. (7) Nun, als wir gleichzeitig den rechten Fuß vorwärts bewegten, warf ein entkleideter Sklave sich uns zu Füßen und fing an zu bitten, ihn vor seiner Strafe zu retten: Nicht groß

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peccatum suum, propter quod periclitaretur; (8) subducta enim sibi vestimenta dispensatoris in balneo, quae vix fuissent decem sestertiorum. (9) rettulimus ergo dextros pedes dispensatoremque in oecario aureos numerantem deprecati sumus, ut servo remitteret poenam. (10) superbus ille sustulit vultum et »non tam iactura me movet« inquit »quam neglegentia nequissimi servi. (11) vestimenta mea cubitoria perdidit, quae mihi natali meo cliens quidam donaverat, Tyria sine dubio, sed iam semel lota. quid ergo est? dono vobis eum«. 31 (1) obligati tam grandi beneficio cum intrassemus triclinium, occurrit nobis ille idem servus, pro quo rogaveramus, et stupentibus spississima basia impegit gratias agens humanitati nostrae. (2) »ad summam, statim scietis« ait »cui dederitis beneficium. vinum dominicum ministratoris gratia est«.

(3) tandem ergo discubuimus pueris Alexandrinis aquam in manus nivatam infundentibus aliisque insequentibus ad pedes ac paronychia cum ingenti subtilitate tollentibus. (4) ac ne in hoc quidem tam molesto tacebant officio, sed obiter cantabant. (5) ego experiri volui an tota familia cantaret, itaque potionem poposci. (6) paratissimus puer non minus me acido cantico excepit, et quisquis aliquid rogatus erat ut daret: (7) pantomimi chorum, non patris familiae triclinium crederes. (8) allata est tamen gustatio valde lauta; nam

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sei sein Vergehen, dessentwegen er bedroht sei; (8) ihm habe man nämlich die Kleider des Schatzmeisters im Bad heimlich entwendet, die kaum zehn Sesterze wert gewesen seien. (9) Wir zogen also den rechten Fuß wieder zurück und baten inständig den Schatzmeister, der in seinem Büro Goldstücke zählte, dem Sklaven die Strafe zu erlassen. (10) Arrogant hob der den Kopf und sagte: »Nicht so sehr der Verlust regt mich auf wie die Schlamperei dieses ganz und gar nichtswürdigen Sklaven. (11) Ihm ist meine Abendgarderobe abhanden gekommen, die mir an meinem Geburtstag einer von meinen Schutzbefohlenen geschenkt hatte, tyrischer Purpur natürlich, aber schon einmal gewaschen. Also was soll’s? Ich vergebe ihm um euretwillen.« 31 (1) Als wir, durch eine so großartige Wohltat verpflichtet, das Triklinium betreten hatten, kam uns eben jener Sklave entgegen, für den wir uns eingesetzt hatten, und bestürmte uns – wir waren ganz baff – mit Küssen in dichtester Folge, um uns für unsere Freundlichkeit zu danken. (2) »Kurz und gut, gleich werdet ihr wissen«, sagte er, »wem ihr eine Wohltat erwiesen habt. Der dem Hausherrn vorbehaltene Wein ist der Dank des Mundschenks.« (3) Endlich also legten wir uns zu Tisch, während junge Sklaven aus Alexandria uns schneegekühltes Wasser auf die Hände gossen und andere sich gleich darauf an unsere Füße machten und mit ungeheurer Präzision die Nietnägel entfernten. (4) Und nicht einmal bei dieser so mühseligen Dienstleistung waren sie still, sondern sangen nebenbei. (5) Ich wollte ausprobieren, ob die ganze Dienerschaft singe, und verlangte deshalb nach einem Getränk. (6) Höchst bereitwillig nahm ein junger Sklave gleichfalls mit einem schrillen Lied meine Bestellung auf, und so jeder, der gebeten wurde, etwas zu kredenzen: (7) Man hätte meinen können, man sei bei dem Chor eines Pantomimen, nicht in dem Triklinium eines Hausherrn. (8) Es wurde nun aber eine sehr delikate Vorspeise aufgetragen; denn schon hat-

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iam omnes discubuerant praeter unum Trimalchionem, cui locus novo more primus servabatur. (9) ceterum in promulsidari asellus erat Corinthius cum bisaccio positus, qui habebat olivas in altera parte albas, in altera nigras. (10) tegebant asellum duae lances, in quarum marginibus nomen Trimalchionis inscriptum erat et argenti pondus. ponticuli etiam ferruminati sustinebant glires melle ac papavere sparsos. (11) fuerunt et thumatula ferventia supra craticulam argenteam posita, et infra craticulam Syriaca pruna cum granis Punici mali. 32 (1) in his eramus lautitiis, cum Trimalchio ad symphoniam allatus est positusque inter cervicalia minutissima expressit imprudentibus risum. (2) pallio enim coccineo adrasum exeruerat caput circaque oneratas veste cervices laticlaviam immiserat mappam fimbriis hinc atque illinc pendentibus. (3) habebat etiam in minimo digito sinistrae manus anulum grandem subauratum, extremo vero articulo digiti sequentis minorem, ut mihi videbatur, totum aureum, sed plane ferreis veluti stellis ferruminatum. (4) et ne has tantum ostenderet divitias, dextrum nudavit lacertum armilla aurea cultum et eboreo circulo lamina splendente conexo. 33 (1) ut deinde pinna argentea dentes perfodit, »amici,« inquit »nondum mihi suave erat in triclinium venire, sed ne diutius absentivus morae vobis essem, omnem voluptatem mihi negavi. (2) permittitis tamen finiri lusum«. sequebatur puer cum tabula terebinthina et crystallinis

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ten sich alle zu Tisch gelegt mit Ausnahme allein von Trimalchio, dem entsprechend einem neuen Trend der erste Platz freigehalten wurde. (9) Nun, auf dem Tablett für die Vorspeise stand ein kleiner Esel aus korinthischer Bronze mit einem Doppelsack, der auf der einen Seite weiße, auf der anderen Seite schwarze Oliven trug. (10) Den kleinen Esel flankierten zwei Schüsseln, auf deren Rändern Trimalchios Name eingraviert war sowie das Gewicht des Silbers. Auch trugen kleine angelötete Brücken Haselmäuse, die von Honig und Mohn überzogen waren. (11) Da lagen auch heiße Würste auf einem Grill aus Silber, und unter dem Grill syrische Pflaumen mit Granatapfelkernen. 32 (1) Bei diesen Delikatessen waren wir, als Trimalchio zu musikalischer Begleitung herbeigetragen wurde, und, wie er da zwischen winzigen Kissen lag, uns, die wir das noch nicht kannten, ein Lachen herauspresste. (2) Denn aus seinem scharlachroten Mantel hatte er seinen kahl geschorenen Kopf hervorgestreckt und um den Nacken, auf dem das Manteltuch schwer auflag, eine Serviette mit breitem rotem Rand geschlagen, woran hier und dort Fransen hingen. (3) Auch hatte er am kleinen Finger der linken Hand einen gewaltigen, leicht vergoldeten Ring, am letzten Glied des Ringfingers dagegen einen kleineren aus, wie mir schien, purem Gold, der aber ganz mit einer Art von eisernen Sternen granuliert war. (4) Und um nicht nur diesen Reichtum zur Schau zu stellen, entblößte er seinen rechten Arm, woran ein goldenes Armband prangte sowie ein elfenbeinerner Reif, der durch eine glitzernde Metallplatte zusammengehalten wurde. 33 (1) Als er dann mit einer silbernen Nadel in den Zähnen herumgestochert hatte, sagte er: »Freunde, es war für mich noch nicht reizvoll, in das Triklinium zu kommen, aber um euch nicht länger durch meine Abwesenheit aufzuhalten, versagte ich mir jedes Vergnügen. (2) Ihr erlaubt doch trotzdem, dass das Spiel zu Ende geführt wird.« Darauf kam ein junger Sklave mit einem Spiel-

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tesseris, notavique rem omnium delicatissimam. pro calculis enim albis ac nigris aureos argenteosque habebat denarios. (3) interim dum ille omnium textorum dicta inter lusum consumit, gustantibus adhuc nobis repositorium allatum est cum corbe, in quo gallina erat lignea patentibus in orbem alis, quales esse solent quae incubant ova. (4) accessere continuo duo servi et symphonia strepente scrutari paleam coeperunt erutaque subinde pavonina ova divisere convivis. (5) convertit ad hanc scaenam Trimalchio vultum et »amici,« ait »pavonis ova gallinae iussi supponi. et mehercules timeo ne iam concepti sint; temptemus tamen, si adhuc sorbilia sunt.« (6) accipimus nos cochlearia non minus selibras pendentia ovaque ex farina pingui figurata pertundimus. (7) ego quidem paene proieci partem meam, nam videbatur mihi iam in pullum coisse. (8) deinde ut audivi veterem convivam: »hic nescio quid boni debet esse«, persecutus putamen manu pinguissimam ficedulam inveni piperato vitello circumdatam.

34 (1) iam Trimalchio eadem omnia lusu intermisso poposcerat feceratque potestatem clara voce, si quis nostrum iterum vellet mulsum sumere, cum subito signum symphonia datur et gustatoria pariter a choro cantante rapiuntur. (2) ceterum inter tumultum cum forte paropsis excidisset et puer iacentem sustulisset, animadvertit Trimalchio colaphisque obiurgari puerum ac proicere rursus

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brett aus Terebinthenholz und Würfeln aus Kristallglas, und ich bemerkte das Allerfeinste. Denn anstelle von weißen und schwarzen Steinchen hatte er goldene und silberne Denare. (3) Während er inzwischen beim Spiel alle Leineweberausdrücke verbrauchte, wurde uns, während wir noch die Vorspeise aßen, ein Tablett mit einem Korb aufgetragen, in dem eine Henne aus Holz mit kreisförmig ausgebreiteten Flügeln saß, wie sonst die, die brütend auf ihren Eiern sitzen. (4) Hinzu traten sofort zwei Sklaven, machten sich, während schrille Musik ertönte, an die Durchsuchung des Strohs, wühlten immer wieder Pfaueneier heraus und verteilten sie an die Gäste. (5) Trimalchio wandte sein Gesicht dieser Szene zu und sagte: »Freunde, ich habe angeordnet, der Henne Pfaueneier unterzulegen. Und, beim Herkules, ich fürchte, dass sie schon bebrütet sind; probieren wir trotzdem, ob man sie noch schlürfen kann.« (6) Wir bekamen Löffel, die nicht weniger als ein halbes Pfund wogen, und bohrten ein Loch in die Eier, die aus fettem Mehlteig geformt waren. (7) Ich freilich hätte beinahe meine Portion weggeworfen, denn sie schien mir schon zu einem Küken geworden zu sein. (8) Als ich dann aber einen Stammgast sagen hörte: »Hier muss etwas Gutes sein!«, durchsuchte ich die Schale mit der Hand weiter und fand eine richtig fette Feigendrossel, die von gepfeffertem Dotter umgeben war. 34 (1) Schon hatte Trimalchio sich nach Unterbrechung seines Spiels gleichfalls von allem geben lassen und mit lauter Stimme die Erlaubnis erteilt, dass jeder von uns, wenn er wolle, erneut Honigwein zu sich nehmen könne, als plötzlich vom Orchester ein Zeichen gegeben wurde und im gleichen Moment die Vorspeisenplatten von einer singenden Truppe weggerissen wurden. (2) Als nun in dem Durcheinander zufällig eine Schüssel hinuntergefallen war und ein junger Sklave sie vom Boden aufgehoben hatte, bemerkte es Trimalchio und befahl, den jungen Sklaven mit Ohrfei-

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paropsidem iussit. (3) insecutus est lecticarius argentumque inter reliqua purgamenta scopis coepit verrere. (4) subinde intraverunt duo Aethiopes capillati cum pusillis utribus, quales solent esse qui harenam in amphitheatro spargunt, vinumque dedere in manus; aquam enim nemo porrexit. (5) laudatus propter elegantias dominus »aequum« inquit »Mars amat. itaque iussi suam cuique mensam assignari. obiter et putidissimi servi minorem nobis aestum frequentia sua facient«.

(6) statim allatae sunt amphorae vitreae diligenter gypsatae, quarum in cervicibus pittacia erant affixa cum hoc titulo: »Falernum Opimianum annorum centum.« (7) dum titulos perlegimus, complosit Trimalchio manus et »eheu« inquit »ergo diutius vivit vinum quam homuncio. quare tangomenas faciamus. vinum vita est. verum Opimianum praesto. heri non tam bonum posui, et multo honestiores cenabant.« (8) potantibus ergo nobis et accuratissime lautitias mirantibus laruam argenteam attulit servus sic aptatam, ut articuli eius vertebraeque laxatae in omnem partem flecterentur. (9) hanc cum super mensam semel iterumque abiecisset et catenatio mobilis aliquot figuras exprimeret, Trimalchio adiecit:

(10) »eheu nos miseros, quam totus homuncio nil est! sic erimus cuncti, postquam nos auferet Orcus. ergo vivamus, dum licet esse bene.«

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gen zu bestrafen und die Schüssel wieder hinzuwerfen. (3) Dann kam der Sänftenträger und machte sich daran, mit einem Reisigbesen das Silbergeschirr unter den übrigen Abfall zu fegen. (4) Gleich darauf traten zwei langhaarige Äthiopier mit winzigen Schläuchen herein, so wie die, die immer den Sand im Amphitheater besprengen, und gossen uns Wein auf die Hände; Wasser reichte nämlich niemand. (5) Gelobt wegen seiner Finessen, sagte der Hausherr: »Mars liebt den Ausgleich. Deshalb habe ich befohlen, jedem seinen eigenen Tisch zuzuweisen. Und nebenbei ergibt sich, dass die grässlich stinkenden Sklaven uns weniger heiße Luft durch ihr Gedränge machen werden.« (6) Auf der Stelle brachte man Glasamphoren, die sorgfältig mit Gips versiegelt und an deren Hälsen Etiketten mit folgender Aufschrift befestigt waren: »Falerner aus dem Jahr des Opimius, hundertjährig.« (7) Während wir die Aufschriften durchlasen, klatschte Trimalchio in die Hände und sagte: »Oh weh, also lebt der Wein länger als ein Menschlein. Darum wollen wir uns zuprosten. Wein ist Leben. Echten Opimianer kredenze ich. Gestern habe ich keinen so guten vorgesetzt; dabei speisten viel vornehmere Leute bei mir.« (8) Während wir also tranken und sehr eingehend den raffinierten Luxus bewunderten, brachte ein Sklave ein silbernes Skelett herein, welches so zusammengesetzt war, dass man seine Glieder und sein Rückgrat, die locker angebracht waren, in jede Richtung biegen konnte. (9) Als er dieses ein, zwei Mal auf den Tisch geworfen hatte und der bewegliche Mechanismus allerlei Figuren bildete, bemerkte Trimalchio dazu: (10) »Ach wir Elenden, wie doch das ganze Menschelein nichts ist! So sein werden wir alle, nachdem uns der Orkus tät wegholn. Drum lasst uns leben, solang möglich das Wohlsein ist noch.«

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35 (1) laudationem ferculum est insecutum plane non pro expectatione magnum; novitas tamen omnium convertit oculos. (2) rotundum enim repositorium duodecim habebat signa in orbe disposita, super quae proprium convenientemque materiae structor imposuerat cibum: (3) super arietem cicer arietinum, super taurum bubulae frustum, super geminos testiculos ac rienes, super cancrum coronam, super leonem ficum Africanam, (4) super virginem steriliculam, super libram stateram in cuius altera parte scriblita erat, in altera placenta, super scorpionem  … [pisciculum marinum], super sagittarium lusciniam, super capricornum locustam marinam, super aquarium anserem, super pisces duos mullos. (5) in medio autem caespes cum herbis excisus favum sustinebat. (6) circumferebat Aegyptius puer clibano argenteo panem atque ipse etiam taeterrima voce de Laserpiciario mimo canticum extorsit.

(7) nos ut tristiores ad tam viles accessimus cibos, »suadeo« inquit Trimalchio »cenemus; hoc est ius cenae«. 36 (1) haec ut dixit, ad symphoniam quattuor tripudiantes procurrerunt superioremque partem repositorii abstulerunt. (2) quo facto videmus infra [scilicet in altero ferculo] altilia et sumina leporemque in medio pinnis subornatum, ut Pegasus videretur. (3) notavimus etiam circa angulos repositorii Marsyas quattuor, ex quorum utriculis garum piperatum currebat super pisces, qui quasi in euripo natabant. (4) damus omnes plausum a familia inceptum et res electissimas ridentes aggredimur. (5) non minus et Trimalchio eiusmodi methodio laetus »Carpe« inquit. (6) processit statim scissor et ad symphoniam

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35 (1) Auf die Lobrede folgte ein Gang, der deutlich nicht so groß war, wie wir erwartet hatten; das Neuartige lenkte dennoch die Augen aller auf ihn. (2) Denn ein rundes Tablett trug die in einem Kreis angeordneten zwölf Tierkreiszeichen, über die der Arrangeur je eine charakteristische und zum Bildmotiv passende Speise gelegt hatte: (3) über den Widder Widderkopferbsen, über den Stier ein Stück Rindfleisch, über die Zwillinge Hoden und Nieren, über den Krebs einen Kranz, über den Löwen eine afrikanische Feige, (4) über die Jungfrau die Gebärmutter einer ungedeckten Jungsau, über die Waage eine Standwaage, auf deren einer Schale ein Käsekuchen, auf deren anderer ein Honigkuchen lag, über den Skorpion einen … über den Schützen eine Nachtigall, über den Steinbock einen Seehummer, über den Wassermann eine Gans, über die Fische zwei Meerbarben. (5) In der Mitte aber trug ein mitsamt Kräutern darauf ausgestochenes Rasenstück eine Honigwabe. (6) Ein junger Sklave aus Ägypten reichte auf einer silbernen Pfanne Brot herum und quetschte auch noch mit einer ganz furchtbaren Stimme ein Lied aus dem Mimus »Der Silphiumhändler« heraus. (7) Als wir uns ziemlich verdrießlich an die so billigen Speisen machten, sagte Trimalchio: »Ich empfehle, dass wir essen; das ist das Souper-Gesetz.« 36 (1) Kaum hatte er das gesagt, liefen zu musikalischer Begleitung vier Tänzer in rhythmischem Dreischritt vor und nahmen den oberen Teil des Tabletts weg. (2) Als das geschehen war, sahen wir darunter Mastgeflügel, Saueuter und einen Hasen in der Mitte, der mit Federn geschmückt war, so dass er wie Pegasus aussah. (3) Wir bemerkten auch an den Ecken des Tabletts vier Marsyasfiguren mit kleinen Schläuchen, aus denen Pfeffertunke über Fische lief, die wie in einem Kanal schwammen. (4) Wir spendeten alle Beifall, mit dem die Sklavenschar angefangen hatte, und fielen lachend über die höchst exquisiten Sachen her. (5) Trimalchio, nicht weniger über einen derartigen Gag entzückt, rief: »Schneider!« (6) Hervor trat sogleich

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gesticulatus ita laceravit obsonium, ut putares essedarium hydraule cantante pugnare. (7) ingerebat nihilo minus Trimalchio lentissima voce: »Carpe, Carpe«. ego suspicatus ad aliquam urbanitatem totiens iteratam vocem pertinere, non erubui eum qui supra me accumbebat hoc ipsum interrogare. (8) at ille, qui saepius eiusmodi ludos spectaverat, »vides illum« inquit »qui obsonium carpit: Carpus vocatur. ita quotienscumque dicit ›Carpe‹, eodem verbo et vocat et imperat«.

37 (1) non potui amplius quicquam gustare, sed conversus ad eum, ut quam plurima exciperem, longe accersere fabulas coepi sciscitarique, quae esset mulier illa, quae huc atque illuc discurreret. (2) »uxor« inquit »Trimalchionis, Fortunata appellatur, quae nummos modio metitur. (3) et modo modo quid fuit? ignoscet mihi genius tuus, noluisses de manu illius panem accipere. (4) nunc, nec quid nec quare, in caelum abiit et Trimalchionis topanta est. (5) ad summam, mero meridie si dixerit illi tenebras esse, credet. (6) ipse nescit quid habeat, adeo saplutus est; sed haec lupatria providet omnia, et ubi non putes est. (7) sicca, sobria, bonorum consiliorum – tantum auri vides –, est tamen malae linguae, pica pulvinaris. quem amat, amat; quem non amat, non amat.

(8) ipse [Trimalchio] fundos habet, qua milvi volant, nummorum nummos. argentum in ostiarii illius cella plus iacet quam quisquam in fortunis habet. (9) familia vero babae babae, non mehercules puto decumam partem esse quae dominum suum noverit. (10) ad

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der Trancheur und zerschnetzelte, wobei er sich zur Musikbegleitung tänzelnd bewegte, das Gericht, so dass man hätte meinen können, ein Wagenkämpfer fechte, während einer auf einer Wasserorgel dazu spielt. (7) Nichtsdestoweniger rief Trimalchio immer wieder mit sehr lang anhaltendem Ton: »Schneid-er, Schneid-er!« Ich argwöhnte, das so oft wiederholte Wort beinhalte irgendeinen Witz, und schämte mich nicht, den, der oberhalb von mir lag, genau danach zu fragen. (8) Und er, der öfters derartige Späße erlebt hatte, sagte: »Du siehst den, der das Gericht vorschneidet: Schneider heißt er. Also jedes Mal, wenn er ›Schneid-er‹ sagt, ruft er ihn mit demselben Wort beim Namen und gibt ihm Anweisung.« 37 (1) Ich konnte nichts mehr essen, sondern wandte mich ihm zu, um möglichst viel zu erfahren, holte weit aus und fing an, mich zu erkundigen, wer die Frau da sei, die mal hierhin, mal dorthin laufe. (2) »Trimalchios Frau«, sagte er, »sie heißt Fortunata, und sie ist eine, die das Geld mit Scheffeln misst. (3) Und vor kurzem, vor kurzem, was war sie da? Dein Schutzgeist wird mir verzeihen: Da hättest du aus ihrer Hand kein Stück Brot nehmen wollen. (4) Jetzt, keine Ahnung, wie und warum, hat sie es nach ganz oben geschafft und ist Trimalchios everything. (5) Kurz und gut, wenn sie ihm am hellichten Tag sagt, es sei finstere Nacht, wird er es glauben. (6) Er selbst weiß nicht, was er besitzt, so very rich ist er; aber diese Dreifachnutte hat alles unter Kontrolle, auch da, wo du es nicht glauben würdest, ist sie. (7) Sparsam, nüchtern, mit guten Ideen – du siehst ja all das Gold –, aber sie hat eine böse Zunge, ist eine Tratschtante. Wen sie mag, mag sie; wen sie nicht mag, mag sie nicht. (8) Er selbst hat Grundstücke, so weit der Habicht fliegt, und Geld über Geld. Silbergeschirr liegt in der Kammer seines Pförtners, mehr als sonst einer an Vermögen hat. (9) Und dann die Dienerschaft – Mann, o Mann! –, beim Herkules, ich glaube, es ist nicht einmal der zehnte Teil von ihr, der

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summam, quemvis ex istis babaecalis in rutae folium coniciet. 38 (1) nec est quod putes illum quicquam emere. omnia domi nascuntur: la!i"na, credrae, piper; lacte gallinaceum si quaesieris, invenies. (2) ad summam, parum illi bona lana nascebatur: arietes a Tarento emit et eos culavit in gregem. (3) mel Atticum ut domi nasceretur, apes ab Athenis iussit afferri; obiter et vernaculae quae sunt, meliusculae a Graeculis fient. (4) ecce intra hos dies scripsit, ut illi ex India semen boletorum mitteretur. nam mulam quidem nullam habet quae non ex onagro nata sit. (5) vides tot culcitras: nulla non aut conchyliatum aut coccineum tomentum habet. tanta est animi beatitudo.

(6) reliquos autem collibertos eius cave contemnas. (7) valde sucos[s]i sunt. vides illum qui in imo imus recumbit: hodie sua octingenta possidet. de nihilo crevit. (8) modo solebat collo suo ligna portare. sed quomodo dicunt – ego nihil scio, sed audivi – cum Incuboni pilleum rapuisset, et thesaurum invenit. ego nemini invideo, si quid deus dedit. (9) est tamen sub alapa et non vult sibi male. (10) itaque proxime cenaculum hoc titulo proscripsit: ›C. Pompeius Diogenes ex kalendis Iuliis cenaculum locat; ipse enim domum emit‹. (11) quid ille qui libertini loco iacet, quam bene se habuit. non impropero illi. (12) sestertium suum vidit decies, sed male vacillavit. non puto illum capillos liberos habere, nec mehercules sua

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seinen Herrn kennt. (10) Kurz und gut, jeden von diesen Hampelmännern da wird der zum Krautwickel machen. 38 (1) Und glaube ja nicht, dass der irgendetwas kauft! Alles gedeiht auf seinem Grund und Boden: der Mastixbaum, Zredernöl, Pfeffer; wenn du Hühnermilch haben willst, wirst du sie dort finden. (2) Kurz und gut, ihm gedieh die Wolle nicht gut genug: Er kaufte Widder aus Tarent und ließ die in seine Herde hineinstoßen. (3) Damit attischer Honig auf seinem Grund und Boden gedeihe, ließ er Bienen aus Athen herbeischaffen; nebenbei bemerkt, auch die heimischen werden durch diese kleinen Griechen etwas besser werden. (4) Schau her, in diesen Tagen schrieb er, man solle ihm aus Indien Champignonsporen schicken. Und er hat keine Mauleselin, die nicht von einem Wildesel stammt. (5) Du siehst da so viele Krissen: Keines hat nicht entweder eine mit Purpur oder mit Scharlach gefärbte Füllung. So eine reiche und glückliche Seele ist er! (6) Aber auch die anderen hier, seine Mitfreigelassenen, hüte dich, die zu verachten! (7) Sie stehen in vollem Saft. Schau den da, der als letzter auf dem letzten Sofa liegt: Heute besitzt er seine Achthunderttausend. Aus dem Nichts ist er nach oben gekommen. (8) Vor kurzem noch trug er Tag für Tag Holz auf seinem Nacken. Aber wie man sagt – ich weiß nichts, aber ich habe es gehört: Als er einem Kobold die Filzkappe entrissen hatte, da hat er einen Schatz gefunden. Ich missgönne es keinem, wenn ein Gott ihm etwas gegeben hat. (9) Er ist jedoch in Behandlung wegen des Kobolds, und er will nicht, dass es ihm schlecht geht. (10) Deshalb hat er vor kurzem seine Etagenwohnung mit folgender Anzeige ausgeschrieben: ›C. Pompeius Diogenes vermietet ab 1. Juli seine Etagenwohnung; er selbst hat sich nämlich ein Haus gekauft.‹ (11) Ja, und der da, der auf dem Freigelassenenplatz liegt, wie gut hat es der gehabt! Ich mache ihm das nicht zum Vorwurf. (12) Seine Million sah er schon, aber er kam übel ins Straucheln. Ich glaube nicht, dass ihm seine eigenen Haare noch gehören, und das, beim Herkules, nicht

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culpa; ipso enim homo melior non est; sed liberti scelerati, qui omnia ad se fecerunt. (13) scito autem: sociorum olla male fervet, et ubi semel res inclinata est, amici de medio. (14) et quam honestam negotiationem exercuit, quod illum sic vides. libitinarius fuit. (15) solebat sic cenare quomodo rex: apros gausapatos, opera pistoria, avis, cocos, pistores. plus vini sub mensa effundebatur, quam aliquis in cella habet. phantasia, non homo. (16) inclinatis quoque rebus suis, cum timeret ne creditores illum conturbare existimarent, hoc titulo auctionem proscripsit: ›!C." Iulius Proculus auctionem faciet rerum supervacuarum‹.«

39 (1) interpellavit tam dulces fabulas Trimalchio; nam iam sublatum erat ferculum, hilaresque convivae vino sermonibusque publicatis operam coeperant dare. (2) is ergo reclinatus in cubitum »hoc vinum« inquit »vos oportet suave faciatis. pisces natare oportet. (3) rogo, me putatis illa cena esse contentum, quam in theca repositorii videratis? ›sic notus Ulixes?‹ quid ergo est? oportet etiam inter cenandum philologiam nosse. (4) patrono meo ossa bene quiescant, qui me hominem inter homines voluit esse. nam mihi nihil novi potest afferri, sicut ille fericulus talem habuit praxim, (5) caelus hic, in quo duodecim dii habitant, in totidem se figuras convertit, et modo fit aries. itaque quisquis nascitur illo signo, multa pecora habet, multum lanae, caput praeterea durum, frontem expudoratam, cornum acutum. plurimi hoc signo scholastici nascuntur et arietilli«.

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durch seine Schuld; kein Mensch ist besser als er, aber da sind die verbrecherischen Freigelassenen, die alles an sich gerafft haben. (13) Wisse jedoch: Der Topf von Gefährten kocht schlecht, und wenn einmal etwas schiefgeht, sind die Freunde ab durch die Mitte. (14) Und was für einen ehrbaren Beruf übte er aus, wenn du ihn so siehst! Er war Bestattungsunternehmer. (15) Er war es gewohnt, wie ein König zu speisen: Wildschweine im Borstenfell, Konditoreiwaren, Geflügel, Köche, Konditoren. Mehr Wein wurde bei ihm unter den Tisch gegossen, als sonst einer im Keller hat. Ein Märchen, kein Mensch. (16) Selbst als es mit seinem Vermögen bergab ging und er Angst hatte, die Gläubiger könnten annehmen, er sei bankrott, schrieb er mit folgender Anzeige eine Versteigerung aus: ›C. Iulius Proculus wird eine Versteigerung seiner überflüssigen Sachen machen.‹« 39 (1) So nette Geschichten unterbrach Trimalchio; denn der Gang war schon abgetragen worden, und vergnügt hatten sich die Gäste allmählich dem Wein und allgemeinen Gesprächen zugewandt. (2) Er also lehnte sich zurück auf den Ellenbogen und sagte: »Ihr müsst zeigen, dass ihr diesen Wein angenehm findet. Fische müssen schwimmen. (3) Ich frage: Glaubt ihr, ich bin mit dem Gericht zufrieden, das ihr auf dem Tafelaufsatz gesehen hattet? ›So kennt ihr Odysseus?‹ Was das hier soll? Man muss auch beim Essen seine Bildung parat haben. (4) Meinem Patron mögen die Knochen friedlich ruhen, ihm, der wollte, dass ich ein Mensch unter Menschen sei: Denn mir kann man mit nichts Neuem kommen; wie das Gang da es auf solche Weise gezeigt hat, (5) verwandelt sich der Firmament hier, in dem die zwölf Götter wohnen, in ebenso viele Bilder und wird erst mal ein Widder. Deshalb hat jeder, der unter diesem Zeichen geboren wird, viele Schafe, viel Wolle, außerdem einen harten Schädel, eine unverschämte Stirn, ein spitzes Horn. Sehr viele Schulmeister werden unter diesem Zeichen geboren und Streithammel.«

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(6) laudamus urbanitatem mathematici; itaque adiecit: »deinde totus caelus taurulus fit. itaque tunc calcitrosi nascuntur et bubulci et qui se ipsi pascunt. (7) in geminis autem nascuntur bigae et boves et colei et qui utrosque parietes linunt. (8) in cancro ego natus sum. ideo multis pedibus sto, et in mari et in terra multa possideo; nam cancer et hoc et illoc quadrat. et ideo iam dudum nihil supra illum posui, ne genesim meam premerem. (9) in leone cataphagae nascuntur et imperiosi; (10) in virgine mulierosi et fugitivi et compediti; in libra laniones et unguentarii et quicumque aliquid expendunt; (11) in scorpione venenarii et percussores; in sagittario strabones, qui holera spectant, lardum tollunt; (12) in capricorno aerumnosi, quibus prae mala sua cornua nascuntur; in aquario copones et cucurbitae; (13) in piscibus obsonatores et rhetores. sic orbis vertitur tamquam mola, et semper aliquid mali facit, ut homines aut nascantur aut pereant. (14) quod autem in medio caespitem videtis et super caespitem favum, nihil sine ratione facio. (15) terra mater est in medio quasi ovum corrotundata, et omnia bona in se habet tamquam favus«.

40 (1) »sophos« universi clamamus et sublatis manibus ad cameram iuramus Hipparchum Aratumque comparandos illi homines non fuisse, donec advenerunt ministri ac toralia praeposuerunt toris, in quibus retia erant picta subsessoresque cum venabulis et totus venationis apparatus. (2) necdum sciebamus, !quo" mitteremus suspiciones nostras, cum extra triclinium clamor sublatus est in-

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(6) Wir lobten seine geistreichen Kenntnisse in der Astrologie; deshalb fügte er hinzu: »Darauf wird der ganze Firmament ein kleiner Stier. Deshalb werden dann die Fußtrittausteiler geboren und die Ochsentreiber und die, die sich selbst ernähren. (7) Unter den Zwillingen aber werden Zweigespanne geboren und Ochsen und Hodensäcke und die, die beide Wände beschmieren. (8) Im Krebs bin ich geboren. Daher stehe ich auf vielen Füßen, und zu Wasser und zu Lande besitze ich viel; denn der Krebs passt hierhin und dorthin. Und daher habe ich schon lange nichts auf ihn legen lassen, damit ich den Stern, unter dem ich geboren bin, nicht belaste. (9) Unter dem Löwen werden Fresssäcke geboren und Herrschsüchtige, (10) unter der Jungfrau Weiberhelden und Ausreißer und Kettensklaven, unter der Waage Metzger und Parfümhändler und alle, die etwas auswiegen, (11) unter dem Skorpion Giftmischer und Meuchelmörder, unter dem Schützen Schieläugige, die auf den Kohl blicken und den Speck wegnehmen, (12) unter dem Steinbock Trübselige, denen wegen ihrer Leiden Hörner wachsen, unter dem Wassermann Gastwirte und Kürbisköpfe, (13) unter den Fischen Feinkostlieferanten und Rhetoren. So dreht sich der Erdkreis wie ein Mühlstein, und immer bewirkt irgendetwas Schlimmes, dass Menschen entweder geboren werden oder sterben. (14) Dass ihr aber in der Mitte ein Rasenstück seht und über dem Rasenstück eine Honigwabe – ich mache nichts ohne Überlegung: (15) Mutter Erde liegt in der Mitte, abgerundet wie ein Ei, und sie hat alle guten Dinge in sich wie eine Honigwabe.« 40 (1) »Genial!« riefen wir allesamt, und mit zur Zimmerdecke erhobenen Händen schworen wir, Hipparch und Arat seien keine ihm vergleichbaren Männer gewesen, bis Diener kamen und Decken vor die Speisesofas legten, auf denen Netze abgebildet waren und Jäger im Anstand mit Jagdspießen und das ganze Jagdgerät. (2) Und wir wussten noch nicht, in welche Richtung wir unsere Vermutungen lenken sollten, als sich außerhalb des Trikliniums

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gens, et ecce canes Laconici etiam circa mensam discurrere coeperunt. (3) secutum est hos repositorium, in quo positus erat primae magnitudinis aper, et quidem pilleatus, e cuius dentibus sportellae dependebant duae palmulis textae, altera caryotis altera thebaicis repleta. (4) circa autem minores porcelli ex coptoplacentis facti, quasi uberibus imminerent, scrofam esse positam significabant. et hi quidem apophoreti fuerunt. (5) ceterum ad scindendum aprum non ille Carpus accessit, qui altilia laceraverat, sed barbatus ingens, fasciis cruralibus alligatus et alicula subornatus polymita, strictoque venatorio cultro latus apri vehementer percussit, ex cuius plaga turdi evolaverunt. (6) parati aucupes cum harundinibus fuerunt et eos circa triclinium volitantes momento exceperunt.

(7) inde cum suum cuique iussisset referri Trimalchio, adiecit: »etiam videte, quam porcus ille silvaticus lotam comederit glandem«. (8) statim pueri ad sportellas accesserunt, quae pendebant e dentibus, thebaicasque et caryotas ad numerum divisere cenantibus. 41 (1) interim ego, qui privatum habebam secessum, in multas cogitationes diductus sum, quare aper pilleatus intrasset. (2) postquam itaque omnis bacalusias consumpsi, duravi interrogare illum interpretem meum, quid me torqueret. (3) at ille: »plane etiam hoc servus tuus indicare potest; non enim aenigma est, sed res aperta. (4) hic aper, cum heri summa cena eum vindicasset, a convivis dimissus; itaque hodie tamquam libertus in convivium revertitur«.

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ein ungeheurer Lärm erhob, und sieh da: Spartanische Hunde fingen dazu noch an, um den Tisch herum zu rennen. (3) Es folgte ihnen ein Servierbrett, auf dem ein Eber erster Größenordnung lag, und zwar mit einer Freiheitsmütze, von dessen Hauern zwei aus Palmbast geflochtene Körbchen herabhingen, das eine mit frischen syrischen, das andere mit getrockneten ägyptischen Datteln gefüllt. (4) Ringsherum aber waren ziemlich kleine, aus Biskuitteig gemachte Ferkel so gelegt, als ob sie sich nach den Zitzen drängten, und ließen es so aussehen, als sei ein Mutterschwein aufgetischt. Und sie waren als Giveaways gedacht. (5) Nun, zum Zerlegen des Wildschweins kam nicht Schneider, der das Geflügel tranchiert hatte, sondern ein bärtiger Hüne, der Wickelgamaschen trug und mit einem vielfädig gewirkten Jagdcape ausgestattet war, und der zückte sein Jagdmesser und stieß es mit Wucht in die Flanke des Wildschweins, aus dessen Wunde Drosseln herausflogen. (6) Es standen Vogelsteller mit Leimruten bereit, und sie fingen die überall im Triklinium herumflatternden Vögel augenblicklich ein. (7) Als Trimalchio daraufhin angeordnet hatte, jedem den Seinen zu bringen, fügte er hinzu: »Seht auch, welch feine Eicheln dieses Schwein aus dem Walde gefressen hat!« (8) Sofort traten junge Sklaven zu den Körbchen, die an den Hauern hingen, und verteilten die ägyptischen und die syrischen Datteln abgezählt an die Speisenden. 41 (1) Unterdessen verlor ich, der ich geistig abwesend war, mich in vielerlei Gedanken darüber, warum der Eber mit einer Freiheitsmütze hereingekommen war. (2) Nachdem ich nun alle albernen Kalauer ausgeschöpft hatte, war ich hartnäckig genug, jenen meinen Informanten nach dem zu fragen, was mich quäle. (3) Und der: »Allerdings kann dein Sklave auch dies vermelden; es ist nämlich kein Rätsel, sondern eine klare Sache. (4) Diesem Wildschwein ist, als das Hauptgericht es gestern für sich beanspruchen wollte, von den Gästen die Freiheit geschenkt worden; deshalb kehrt es heute, gleichsam als Freigelassener,

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(5) damnavi ego stuporem meum et nihil amplius interrogavi, ne viderer numquam inter honestos cenasse. (6) dum haec loquimur, puer speciosus, vitibus hederisque redimitus, modo Bromium, interdum Lyaeum Euhiumque confessus, calathisco uvas circumtulit et poemata domini sui acutissima voce traduxit. (7) ad quem sonum conversus Trimalchio »Dionyse« inquit »liber esto.« puer detraxit pilleum apro capitique suo imposuit. (8) tum Trimalchio rursus adiecit: »non negabitis me« inquit »habere Liberum patrem«. laudavimus dictum [Trimalchionis] et circumeuntem puerum sane perbasiamus.

(9) ab hoc ferculo Trimalchio ad lasanum surrexit. nos libertatem sine tyranno nacti coepimus invitare convivarum sermones. (10) Dama itaque primus cum pataracina poposcisset, »dies« inquit »nihil est. dum versas te, nox fit. itaque nihil est melius quam de cubiculo recta in triclinium ire. (11) et mundum frigus habuimus. vix me balneus calfecit. tamen calda potio vestiarius est. (12) staminatas duxi, et plane matus sum. vinus mihi in cerebrum abiit«.

42 (1) excepit Seleucus fabulae partem et »ego« inquit »non cotidie lavor; (2) baliscus enim fullo est, aqua dentes habet, et cor nostrum cotidie liquescit. sed cum mulsi pultarium obduxi, frigori laecasin dico. nec sane lavare potui; fui enim hodie in funus. (3) homo bellus, tam bonus Chrysanthus animam ebulliit. modo

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zum Gastmahl zurück.« (5) Ich verfluchte meine Dummheit und fragte nichts weiter, um nicht den Anschein zu erwecken, ich hätte noch nie unter ehrenwerten Leuten gespeist. (6) Während dieses Gespräches reichte ein auffallend hübscher junger Sklave, der, mit Weinlaub und Efeu bekränzt, bald als Bromius, dann wieder als Lyaeus und Euhius agierte, in einem Körbchen Trauben herum und gab Gedichte seines Herrn mit schriller Stimme zum Besten. (7) Auf diese Klänge hin wandte Trimalchio sich ihm zu und sagte: »Dionysus, du sollst LIBER sein.« Der junge Sklave zog dem Wildschwein die Freiheitsmütze herunter und setzte sie sich auf den eigenen Kopf. (8) Da fügte Trimalchio noch etwas hinzu: »Ihr werdet nicht bestreiten,« sagte er, »dass ich einen LIBER PATER habe.« Wir lobten den Witz und küssten den jungen Sklaven, während er reihum ging, so richtig ab. (9) Gleich nach diesem Gang stand Trimalchio auf, um auf die Toilette zu gehen. Weil wir Freiheit ohne einen Tyrannen erlangt hatten, fingen wir an, die Gäste zu Gesprächen anzuregen. (10) Als Dama daher als erster größere Weinbecher verlangt hatte, sagte er: »Ein Tag ist nichts. Bevor du dich umdrehen kannst, ist es Nacht. Deshalb ist nichts besser, als vom Schlafzimmer aus direkt ins Triklinium zu gehen. (11) Und eine saubere Kälte hatten wir. Der Bad hat mich kaum aufgewärmt. Doch ein warmer Trunk ist ein Kleiderkammer. (12) Ich habe die Humpen nur so reingezogen und bin ganz damisch. Das Wein ist mir ins Hirn gefahren.« 42 (1) Seleukus nahm den Gesprächsfaden auf und sagte: »Ich bade nicht täglich; (2) ein Bad ist nämlich ein Walker, Wasser hat Zähne, und unser Herz schmilzt täglich dahin. Aber immer wenn ich einen Becher Honigwein reingezogen habe, sage ich zur Kälte: ›Lutschn mir doch!‹ Und ich konnte wirklich nicht baden; denn ich war heute zu einer Beerdigung. (3) Ein hübscher Kerl, der so hochanständige Chrysanthus, hat seine Seele

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modo me appellavit. videor mihi cum illo loqui. (4) heu, eheu. utres inflati ambulamus. minoris quam muscae sumus, !muscae" tamen aliquam virtutem habent, nos non pluris sumus quam bullae. (5) et quid si non abstinax fuisset! quinque dies aquam in os suum non coniecit, non micam panis. tamen abiit ad plures. medici illum perdiderunt, immo magis malus fatus; medicus enim nihil aliud est quam animi consolatio. (6) tamen bene elatus est, vitali lecto, stragulis bonis. planctus est optime – manu misit aliquot – etiam si maligne illum ploravit uxor. (7) quid si non illam optime accepisset! sed mulier quae mulier milvinum genus. neminem nihil boni facere oportet; aeque est enim ac si in puteum conicias. sed antiquus amor cancer est«.

43 (1) molestus fuit, Philerosque proclamavit: »vivorum meminerimus. ille habet, quod sibi debebatur: honeste vixit, honeste obiit. quid habet quod queratur? ab asse crevit et paratus fuit quadrantem de stercore mordicus tollere. itaque crevit, quicquid tetigit, tamquam favus. (2) puto mehercules illum reliquisse solida centum, et omnia in nummis habuit. (3) de re tamen ego verum dicam, qui linguam caninam comedi: durae buccae fuit, linguosus, discordia, non homo. (4) frater eius fortis fuit, amicus amico, manu plena, uncta mensa. et inter initia malam parram pilavit, sed recorrexit costas illius prima vindemia: vendidit enim vinum, quantum ipse voluit. et quod illius mentum sustulit, hereditatem accepit, ex qua

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ausgeblubbert. Vor kurzem, vor kurzem hat er mich angesprochen. Ich sehe mich mit ihm noch reden. (4) Weh, o weh! Als aufgeblasene Schläuche laufen wir herum. Weniger wert sind wir als Fliegen, doch Fliegen haben noch ein bisschen Kraft in sich, wir sind nicht mehr wert als Wasserblasen. (5) Und er war durchaus enthaltsam! Fünf Tage hat er kein Wasser in seinen Mund geschüttet, kein Krümelchen Brot. Trotzdem ist er zur großen Armee abgegangen. Die Ärzte haben ihn zugrunde gerichtet, oder vielmehr sein böser Schicksal; ein Arzt ist nämlich nichts weiter als ein Seelentrost. (6) Trotzdem ist er anständig zu Grabe getragen worden, mit Paradebett, guten Bahrtüchern. Bejammert wurde er erstklassig – er hat einige freigelassen –, auch wenn seine Frau ihn nur sehr sparsam beweinte. (7) Er hat sie durchaus erstklassig behandelt! Aber Weib als Weib – eine Habichtsbrut. Man muss keine nichts Gutes tun; es ist nämlich das Gleiche, wie wenn du es in den Brunnen schüttest. Aber alte Liebe ist ein Krebsgeschwür.« 43 (1) Er begann lästig zu werden, und Phileros rief laut: »An die Lebenden wollen wir denken! Der hat, was sich ihm zustand: Anständig hat er gelebt, anständig ist er gestorben. Worüber hat er sich zu beklagen? Von einem As aus ist er hochgekommen und war bereit, einen Viertelas mit den Zähnen aus dem Dreck zu klauben. Deshalb wuchs alles, was er nur anrührte, wie eine Honigwabe. (2) Ich glaube, beim Herkules, er hat ganze Hunderttausend hinterlassen, und alles in barer Münze. (3) Doch zur Sache will ich die Wahrheit sagen, der ich eine Hundezunge gegessen habe: Er hatte ein böses Maul, war geschwätzig, die Zwietracht in Person, kein Mensch. (4) Sein Bruder war ein schneidiger Kerl, ein Freund seinen Freunden, gab mit vollen Händen, hatte einen üppig gedeckten Tisch. In seinen Anfängen hat er noch einen miesen Ziegenmelker gerupft, aber seine erste Weinernte hat ihm wieder Fleisch an die Rippen gebracht. Verkauft hat er nämlich seinen Wein für so viel, wie er selbst wollte. Und was ihm das Kinn in die Höhe

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plus involavit quam illi relictum est. (5) et ille stips, dum fratri suo irascitur, nescio cui terrae filio patrimonium elegavit. longe fugit, quisquis suos fugit. (6) habuit autem oricularios servos, qui illum pessum dederunt. numquam autem recte faciet, qui cito credit, utique homo negotians. tamen verum quod frunitus est, quam diu vixit, (7) cui datum est? non cui destinatum. plane Fortunae filius, in manu illius plumbum aurum fiebat. facile est autem, ubi omnia quadrata currunt. et quot putas illum annos secum tulisse? septuaginta et supra. sed corneolus fuit, aetatem bene ferebat, niger tamquam corvus. (8) noveram hominem olim oliorum, et adhuc salax erat. non mehercules illum puto in domo canem reliquisse. immo etiam puellarius erat, omnis Minervae homo. nec improbo, hoc solum enim secum tulit«.

44 (1) haec Phileros dixit, illa Ganymedes: »narratis quod nec ad caelum nec ad terram pertinet, cum interim nemo curat, quid annona mordet. (2) non mehercules hodie buccam panis invenire potui. et quomodo siccitas perseverat. iam annum esur!it"io fuit. (3) aediles male eveniat, qui cum pistoribus colludunt ›serva me, servabo te‹. itaque populus minutus laborat; nam isti maiores maxillae semper Saturnalia agunt. (4) o si haberemus illos leones, quos ego hic inveni, cum primum ex Asia veni. (5) illud erat vivere. !si" simila siligine inferior e!ra"t, larvas sic istos percolopabant, ut illis Iuppiter iratus esset. (6) sed memini Safinium: tunc habitabat ad

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hob: Er hat eine Erbschaft gemacht, aus der er mehr einstrich, als ihm hinterlassen war. (5) Und dieser Klotz hat, weil er auf seinen Bruder wütend war, irgendeinem Erdensohn sein Vermögen vermacht. Weit flieht jeder, der vor seinen Angehörigen flieht. (6) Er hatte aber Sklaven, die ihm in den Ohren lagen und ihn ins Verderben brachten. Nie aber wird einer es recht machen, der rasch etwas glaubt, zumindest nicht ein Geschäftsmann. Doch wahrhaftig, dass er es sich wohl sein ließ, solange er lebte, (7) wem wurde es gegeben? Nicht dem, für den es bestimmt war. Ganz klar ein Glückskind, in seiner Hand wurde Blei zu Gold. Das ist aber auch leicht, wo doch sogar alles Viereckige rollt. Und wie viele Jahre, glaubst du, trug er mit sich herum? Siebzig und drüber! Aber er war hart wie Horn, trug gut sein Alter, noch schwarz wie ein Rabe. (8) Ich kannte den Mann seit Urzeiten, und bis zuletzt war er geil. Beim Herkules, der hat, glaube ich, im Haus auch seine Hündin nicht ausgelassen. Ja, er war auch auf Kinder scharf, ein Mann für jedes Metier. Und ich finde das nicht schlecht: Das hat er nämlich als einziges mit sich davon genommen.« 44 (1) Dies sagte Phileros, das Folgende Ganymedes: »Ihr erzählt, was weder mit dem Himmel noch mit der Erde zu tun hat, und dabei kümmert sich niemand darum, wie der Getreidepreis an uns nagt. (2) Beim Herkules, ich konnte heute nicht einen Mundvoll Brot auftreiben. Und wie die Trockenheit anhält! Schon ein Jahr dauert das Hungern! (3) Zum Henker mit den Ädilen, die zusammen mit den Bäckern ihr Spiel treiben. ›Hilf mir, dann helf ich dir.‹ Deshalb geht es den kleinen Leuten schlecht; denn die aufgeblasenen Fresssäcke da feiern ständig Saturnalien. (4) Ach, wenn wir doch noch die Löwen hätten, die ich hier vorfand, als ich aus Kleinasien kam! (5) Das hieß noch leben! Wenn das Weizenmehl schlechter war als die feinste Sorte, prügelten sie diese Hampelmänner da so durch, als würde Jupiter ihnen grollen. (6) Und zwar erinnere ich mich da an Safinius: Damals wohnte

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arcum veterem, me puero, piper, non homo. (7) is quacumque ibat, terram adurebat. sed rectus, sed certus, amicus amico, cum quo audacter posses in tenebris micare. (8) in curia autem quomodo singulos [vel] pilabat [tractabat], nec schemas loquebatur sed derectum. (9) cum ageret porro in foro, sic illius vox crescebat tamquam tuba. nec sudavit umquam nec expuit, puto eum nescio quid assi [a dis] habuisse. (10) et quam benignus resalutare, nomina omnium reddere, tamquam unus de nobis. itaque illo tempore annona pro luto erat. (11) asse panem quem emisses, non potuisses cum altero devorare. nunc oculum bublum vidi maiorem.

(12) heu, heu, quotidie peius. haec colonia retroversus crescit tamquam coda vituli. (13) sed quare habemus aedilem non trium cauniarum, qui sibi mavult assem quam vitam nostram? itaque domi gaudet, plus in die nummorum accipit, quam alter patrimonium habet. (14) iam scio unde acceperit denarios mille aureos. sed si nos coleos haberemus, non tantum sibi placeret. nunc populus est domi leones, foras vulpes. (15) quod ad me attinet, iam pannos meos comedi, et si perseverat haec annona, casulas meas vendam. (16) quid enim futurum est, si nec dii nec homines huius coloniae miserentur? ita meos fruniscar, ut ego puto omnia illa !ab" aedilibus fieri. (17) nemo enim caelum caelum putat, nemo ieiunium servat, nemo Iovem pili facit, sed omnes opertis oculis bona sua computant. (18) antea stolatae ibant nudis pedibus in clivum, passis

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er beim Alten Tor, als ich noch ein kleiner Junge war, Pfeffer, kein Mensch! (7) Wo immer der hintrat, verbrannte er die Erde. Aber aufrecht, aber zuverlässig, ein Freund seinen Freunden, einer, mit dem du getrost im Dunkeln hättest knobeln können. (8) In der Kurie aber, wie hat er da jedem einzeln den Kopf rasiert, und er sprach nicht in Floskels, sondern gerade heraus. (9) Wenn er dann auf dem Forum agierte, schwoll seine Stimme an wie eine Trompete. Weder schwitzte er jemals noch spuckte er aus; ich glaube, er hatte so etwas Ausgekochtes. (10) Und wie freundlich war er, wenn er zurückgrüßte, jeden beim Namen nannte, wie einer von uns. Darum war zu jener Zeit der Getreidepreis ein Dreck. (11) Das Brot, das du für einen As gekauft hättest, hättest du nicht zusammen mit jemand anders verschlingen können. Heutzutage habe ich schon Ochsenaugen gesehen, die größer waren. (12) O weh, o weh, jeden Tag wird es schlimmer! Unser Städtchen wächst rückwärts wie ein Kalbsschwanz. (13) Aber warum haben wir einen Ädilen, der keine drei Feigen wert ist und dem ein As wichtiger ist als unser Leben? Darum hat er zu Hause seine Freude, bekommt an einem Tag mehr an Bargeld, als ein anderer Vermögen hat. (14) Ich weiß jetzt, woher er seine tausend Denare in Gold bekommen hat. Aber wenn wir Eier hätten, wäre er nicht so selbstgefällig. Heutzutage sind die Leute zu Hause Löwen, draußen Füchse. (15) Was mich angeht, ich habe meine Fetzen schon aufgezehrt, und wenn der jetzige Getreidepreis anhält, werde ich meine Hütte verkaufen. (16) Denn was soll werden, wenn weder Götter noch Menschen sich dieses Städtchens erbarmen? So wahr ich an den Meinen Freude haben möchte: Ich glaube, dass das alles von den Ädilen kommt. (17) Keiner nämlich glaubt noch, dass der Himmel der Himmel ist, keiner hält die Fastenzeit ein, keiner kümmert sich auch nur einen Dreck um Jupiter, sondern alle machen die Augen zu und rechnen ihr Hab und Gut zusammen. (18) Früher gingen die

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capillis, mentibus puris, et Iovem aquam exorabant. itaque statim urceatim plovebat: aut tunc aut numquam: et omnes redibant udi tamquam mures. itaque dii pedes lanatos habent, quia nos religiosi non sumus. agri iacent –« 45 (1) »oro te« inquit Echion centonarius »melius loquere. (2) ›modo sic, modo sic‹ inquit rusticus; varium porcum perdiderat. quod hodie non est, cras erit: sic vita truditur. (3) non mehercules patria melior dici potest, si homines haberet. sed laborat hoc tempore, nec haec sola. non debemus delicati esse, ubique medius caelus est. (4) tu si aliubi fueris, dices hic porcos coctos ambulare. et ecce habituri sumus munus excellente in triduo die festa; familia non lanisticia, sed plurimi liberti. (5) et Titus noster magnum animum habet et est caldicerebrius: aut hoc aut illud, erit quid utique. nam illi domesticus sum, non est mixcix. (6) ferrum optimum daturus est, sine fuga, carnarium in medio, ut amphitheater videat. et habet unde: relictum est illi sestertium trecenties, decessit illius pater. male ut quadringenta impendat, non sentiet patrimonium illius, et sempiterno nominabitur. (7) iam Manios aliquot habet et mulierem essedariam et dispensatorem Glyconis, qui deprehensus est, cum dominam suam delectaretur. videbis populi rixam inter zelotypos et amasiunculos.

(8) Glyco autem, sestertiarius homo, dispensatorem ad bestias dedit. hoc est se ipsum traducere. quid servus peccavit, qui coactus est

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Frauen in langen Gewändern barfuß aufs Kapitol mit offenem Haar und reinem Herzen und beteten zu Jupiter um Regen. Darum schüttete es auch sofort kübelweise – entweder gleich oder nie –, und alle kehrten nass wie die Mäuse zurück. Darum haben die Götter mit Wolle umwickelte Füße, weil wir auf sie keine Rücksicht mehr nehmen. Die Felder liegen brach –« 45 (1) »Ich bitte dich«, sagte Echion, Feuerlöschlappenhersteller, »etwas ohne schlechtes Omen zu sagen. (2) ›Bald so, bald so‹, sagte der Bauer; ein scheckiges Schwein hatte er verloren. Was heute nicht ist, wird morgen sein; so wird das Leben vorangetrieben. (3) Man kann, beim Herkules, keine bessere Heimatstadt nennen – wenn sie nur Männer hätte! Aber daran fehlt es ihr zurzeit, und nicht nur ihr. Wir dürfen nicht so heikel sein: Überall ist der Firmament uns gleich nahe. (4) Wenn du woanders gewesen bist, wirst du sagen, dass hier die Schweine gebraten herumspazieren. Und schau, in drei Tagen werden wir ein sensationöses Gladiatorenspiel haben, am Feiertag – keine professionell trainierte Mannschaft, sondern größtenteils Freigelassene. (5) Und unser Titus ist großzügig und ein Hitzkopf: entweder dies oder das; es wird jedenfalls was geben. Ich bin nämlich sein Intimus; der ist nicht für halbe Sachen. (6) Er wird besten Schwertkampf liefern, ohne feiges Entrinnen, Abschlachtung vor aller Augen, dass das ganze Amphitheater es sehen kann. Und er hat das Womit: Hinterlassen sind ihm dreißig Millionen, sein Vater ist gestorben. Auch wenn er zu seinem Schaden vierhunderttausend davon ausgibt, wird das sein Vermögen nicht spüren, und ewig wird man von ihm reden. (7) Er hat schon ein paar Johnnys und eine Frau auf einem Streitwagen und den Kassierer Glykons, der ertappt wurde, als er es seiner Herrin schön machte. Du wirst unter den Leuten einen Streit zwischen eifersüchtigen Ehemännern und Casanovas sehen. (8) Glykon aber, ein Kerl, der kaum einen Sesterz wert ist, hat seinen Kassierer für die wilden Tiere hergegeben. Das heißt sich selbst bloßstellen. Was

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facere? magis illa matella digna fuit quam taurus iactaret. sed qui asinum non potest, stratum caedit. (9) quid autem Glyco putabat Hermogenis filicem umquam bonum exitum facturam? ille milvo volanti poterat ungues resecare; colubra restem non parit. Glyco, Glyco dedit suas; itaque quamdiu vixerit, habebit stigmam, nec illam nisi Orcus delebit. sed sibi quisque peccat. (10) sed subolfacio, quia nobis epulum daturus est Mammea, binos denarios mihi et meis. quod si hoc fecerit, eripiet Norbano totum favorem. scias oportet plenis velis hunc vinciturum. (11) et revera, quid ille nobis boni fecit? dedit gladiatores sestertiarios iam decrepitos, quos si sufflasses cecidissent; iam meliores bestiarios vidi. occidit de lucerna equites, putares eos gallos gallinaceos; alter burdubasta, alter loripes, tertiarius mortuus pro mortuo, qui habe!ba"t nervia praecisa. (12) unus alicuius flaturae fuit Thraex, qui et ipse ad dictata pugnavit. ad summam, omnes postea secti sunt; adeo de magna turba ›adhibete‹ acceperant, plane fugae merae. (13) ›munus tamen‹ inquit ›tibi dedi‹: et ego tibi plodo. computa, et tibi plus do quam accepi. manus manum lavat.

46 (1) videris mihi, Agamemnon, dicere: ›quid iste argutat molestus?‹ quia tu, qui potes loquere, non loquis. non es nostrae fasciae, et ideo pauperorum verba derides. (2) scimus te prae litteras fatuum

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hat der Sklave angestellt, der gezwungen wurde, es ihr zu machen? Eher hätte sie, dieser Pisspott, es verdient, dass ein Stier sie auf die Hörner nimmt. Doch wer den Esel nicht hauen kann, haut den Sattel. (9) Warum aber hat Glykon geglaubt, dass es mit ihr, dem Unkraut des Hermogenes, je ein gutes Ende nehmen werde? Der konnte einem Habicht mitten im Flug die Krallen schneiden; eine Schlange bringt keinen Strick zur Welt. Ja, Glykon, Glykon hat sein Fett weg. Darum wird er, solange er lebt, sein Schandmal tragen, und nur der Orkus wird es tilgen. Doch jeder stellt etwas zu seinem eigenen Schaden an. (10) Doch ich habe so einen Riecher, dass Mammea uns etwas spendieren wird, mir und meinen Leuten je zwei Denare. Aber wenn er das tut, wird er dem Norbanus alle Wählergunst entreißen. Du musst wissen, dass er mit vollen Segeln siegen wird. (11) Und wahrhaftig, was hat der andere uns Gutes getan? Er hat Gladiatoren geboten, die kaum einen Sesterz wert und schon altersschwach waren; die wenn du angeblasen hättest, wären sie umgefallen; ich habe schon bessere Tierkämpfer gesehen. Er ließ berittene Gladiatoren töten, die von einer Lampe stammten, du hättest sie für Gockelhähne halten können; der eine Bohnenstange, der andere ein Humpelfuß, der dritte als Ersatz für einen Toten selbst ein Toter, der durchhauene Sehnen hatte. (12) Der einzige mit etwas Dampf war der Thraker, der aber auch seinerseits nur nach den Schulregeln kämpfte. Kurz und gut, alle wurden später ausgepeitscht; zu laut hatten sie von der großen Menge ›Gebt es ihnen!‹ zu hören bekommen, ganz klar ein reines Davonlaufen das Ganze! (13) ›Trotzdem habe ich dir‹, sagt er, ›ein Gladiatorenspiel geboten.‹ Und ich klatsche dir Beifall. Rechne nach, und ich biete dir mehr, als ich bekommen habe. Eine Hand wäscht die andere. 46 (1) Du siehst mir danach aus, Agamemnon, als wolltest du sagen: ›Was schwätzt der lästige Kerl da?‹ Weil du, der du reden kannst, nicht redest. Du bist nicht von unserem Schlag, und deshalb machst du dich über die Worte

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esse. quid ergo est? aliqua die te persuadeam, ut ad villam venias et videas casulas nostras? inveniemus quod manducemus, pullum, ova: belle erit, etiam si omnia hoc anno tempestas disparpallavit: inveniemus ergo unde saturi fiamus. (3) et iam tibi discipulus crescit cicaro meus. iam quattuor partis dicit; si vixerit, habebis ad latus servulum. nam quicquid illi vacat, caput de tabula non tollit. ingeniosus est et bono filo, etiam si in aves morbosus est. (4) ego illi iam tres cardeles occidi, et dixi quia mustella comedit. invenit tamen alias nenias, et libentissime pingit. (5) ceterum iam Graeculis calcem impingit et Latinas coepit non male appetere, etiam si magister eius sibi placens fit nec uno loco consistit. scit quidem litteras, sed non vult laborare. (6) est et alter non quidem doctus, sed curiosus, qui plus docet quam scit. itaque feriatis diebus solet domum venire, et quicquid dederis, contentus est. (7) emi ergo nunc puero aliquot libra rubricata, quia volo illum ad domusionem aliquid de iure gustare. habet haec res panem. nam litteris satis inquinatus est. quod si resilierit, destinavi illum artificium docere, aut tonstrinum aut praeconem aut certe causidicum, quod illi auferre non possit nisi Orcus. (8) ideo illi cotidie clamo: ›Primigeni, crede mihi, quicquid discis, tibi discis. vides Phileronem causidicum: si non didicisset, hodie famem a labris non abigeret. modo modo collo suo

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einfacher Leute lustig. (2) Wir wissen, dass du vor lauter Wissenschaft blöd bist. Was ist also? Könnte ich dir wohl eines Tages überreden, zu meinem Landgut zu kommen und meine Hütte anzusehen? Wir werden etwas zum Essen finden, ein Hähnchen, Eier; es wird nett sein, auch wenn dieses Jahr das Unwetter alles auseinander gestreut hat. Wir werden bestimmt etwas finden, wovon wir satt werden. (3) Und schon wächst dir als Schüler mein Sklavenknäblein heran. Schon sagt er dir, wie man durch vier teilt; wenn er am Leben bleibt, wirst du einen kleinen Diener zur Seite haben. Denn wann immer er frei hat, hebt er den Kopf nicht von der Schreibtafel hoch. Er ist intelligent, und es steckt was Gutes in ihm, auch wenn er verrückt nach Vögeln ist. (4) Ich habe ihm schon drei Distelfinken umgebracht und gesagt, dass ein Wiesel sie gefressen hat. Er entdeckte trotzdem andere Kindereien, und er malt sehr gern. (5) Im Übrigen hat er sich vom Griechischen schon verabschiedet und sich nicht übel ans Latein herangemacht, auch wenn sein Lehrer selbstgefällig wird und nicht an ein und demselben Ort bleibt. Er weiß zwar über seinen Vertrag Bescheid, aber er will nicht dementsprechend arbeiten. (6) Da ist noch ein anderer, zwar nicht gelehrt, aber eifrig; er lehrt mehr, als er weiß. Darum kommt er immer wieder an den Feiertagen ins Haus, und was auch immer man ihm gibt, er ist damit zufrieden. (7) Ich habe also jetzt dem Knaben ein paar juristische Büchers gekauft, weil ich will, dass er für den Hausgebrauch ein bisschen vom Jus kostet. Dies verschafft einem das Brot. Denn mit der Wissenschaft ist er schon zur Genüge eingeschmiert. Wenn er aber abspringt, habe ich ihn dazu bestimmt, dass man ihm ein Handwerk beibringt, entweder Frisör oder Auktionator oder wenigstens Advokat, was ihm niemand nehmen kann außer dem Orkus. (8) Daher rufe ich ihm täglich zu: ›Primigenius, glaube mir, alles, was du lernst, lernst du für dich. Sieh dir den Advokaten Phileros an: Wenn er nicht gelernt hätte, würde er heute den Hunger nicht von den Lippen verjagen. Vor

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circumferebat onera venalia, nunc etiam adversus Norbanum se extendit. litterae thesaurum est, et artificium numquam moritur‹.« 47 (1) eiusmodi fabulae vibrabant, cum Trimalchio intravit et detersa fronte unguento manus lavit spatioque minimo interposito (2) »ignoscite mihi« inquit »amici, multis iam diebus venter mihi non respondit. nec medici se inveniunt. profuit mihi tamen malicorium et taeda ex aceto. (3) spero tamen, iam veterem pudorem sibi imponit. alioquin circa stomachum mihi sonat, putes taurum. (4) itaque si quis vestrum voluerit sua re causa facere, non est quod illum pudeatur. nemo nostrum solide natus est. ego nullum puto tam magnum tormentum esse quam continere. hoc solum [vetare] ne Iovis potest. (5) rides, Fortunata, quae soles me nocte desomnem facere? nec tamen in triclinio ullum vetui facere quod se iuvet, et medici vetant continere. vel si quid plus venit, omnia foras parata sunt: aqua, lasani et cetera minutalia. (6) credite mihi, anathymiasis in cerebrum it et in toto corpore fluctum facit. multos scio sic periisse, dum nolunt sibi verum dicere«.

(7) gratias agimus liberalitati indulgentiaeque eius, et subinde castigamus crebris potiunculis risum. (8) nec adhuc sciebamus nos in medio [lautitiarum], quod aiunt, clivo laborare. nam commundatis ad symphoniam mensis tres albi sues in triclinium adducti sunt capistris et tintinnabulis culti, quorum unum bimum nomenculator esse dicebat, alterum trimum, tertium vero iam se!xen"nem. (9)

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kurzem, vor kurzem trug er noch schwere Ware auf seinem Nacken herum, jetzt macht er sich sogar gegenüber Norbanus breit. Wissenschaft ist ein Schatz, und Handwerk stirbt nie.‹« 47 (1) Derartige Geschichten schwirrten umher, als Trimalchio eintrat, sich die Stirn abwischte, mit Parfüm seine Hände wusch und nach einer ganz kurzen Pause sagte: (2) »Verzeiht mir, Freunde, schon viele Tage streikt mein Bauch. Auch die Ärzte finden sich nicht zurecht. Genützt haben mir trotzdem Granatapfelschale und ein Kienzäpfchen in Essig. (3) Ich hoffe trotzdem, er wird sich bald wieder seinen früheren Anstand auferlegen. Sonst dröhnt es mir in der Magengegend, man könnte meinen, es wäre ein Stier. (4) Wenn also einer von euch sein Geschäft machen will, gibt es keinen Grund, warum er sich schämen müsste. Keiner von uns ist ungelocht geboren. Ich meine, es gibt keine so große Folterqual, wie es zurückzuhalten. Das allein kann nicht einmal Jupiter. (5) Du lachst, Fortunata, die du mich ständig nachts schlaflos machst? Und trotzdem habe ich keinem im Triklinium verboten, zu machen, was ihm Erleichterung verschafft, und die Ärzte verbieten, es zurückzuhalten. Oder wenn etwas mehr kommt, steht draußen alles bereit: Wasser, Nachttöpfe und die übrigen Kleinigkeiten. (6) Glaubt mir, die Dämpfe gehen ins Gehirn und durchströmen den ganzen Körper. Viele, das weiß ich, sind so umgekommen, während sie sich die Wahrheit nicht eingestehen wollten.« (7) Wir dankten ihm für seine Großzügigkeit und Nachsicht, und in einem fort unterdrückten wir durch häufige Schlückchen das Lachen. (8) Aber wir wussten noch nicht, dass wir uns auf der Hälfte des Anstiegs, wie man sagt, abmühten. Denn als unter Musikbegleitung die Tische gereinigt worden waren, wurden drei weiße Schweine ins Triklinium gebracht, die mit Maulkörben und Glöckchen aufgeputzt waren und von denen das eine, wie der Ansager verkündete, zweijährig, das zweite dreijährig, das dritte aber

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ego putabam petauristarios intrasse et porcos, sicut in circulis mos est, portenta aliqua facturos; (10) sed Trimalchio expectatione discussa »quem« inquit »ex eis vultis in cenam statim fieri? gallum enim gallinaceum, penthiacum et eiusmodi nenias rustici faciunt: mei coci etiam vitulos aeno coctos solent facere«. (11) continuoque cocum vocari iussit, et non expectata electione nostra maximum natu iussit occidi, et clara voce: »ex quota decuria es?« (12) cum ille se ex quadragesima respondisset, »empticius an« inquit »domi natus?« »neutrum« inquit cocus »sed testamento Pansae tibi relictus sum.« (13) »vide ergo« ait »ut diligenter ponas; si non, te iubebo in decuriam viatorum conici.«

et quidem cocum potentiae admonitum in culinam obsonium duxit, 48 (1) Trimalchio autem miti ad nos vultu respexit et »vinum« inquit »si non placet, mutabo; vos illud oportet bonum faciatis. (2) deorum beneficio non emo, sed nunc quicquid ad salivam facit, in suburbano nascitur eo, quod ego adhuc non novi. dicitur confine esse Tarraciniensibus et Tarentinis. (3) nunc coniungere agellis Siciliam volo, ut cum Africam libuerit ire, per meos fines navigem. (4) sed narra tu mihi, Agamemnon, quam controversiam hodie declamasti? ego autem si causas non ago, in domusionem tamen litteras didici. et ne me putes studia fastiditum, tres bybliothecas

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schon sechsjährig war. (9) Ich glaubte, Akrobaten seien hereingekommen und die Schweine würden, wie es bei Straßenshows üblich ist, irgendwelche Kunststücke machen; (10) aber Trimalchio machte meine Erwartung zunichte und sagte: »Welches von ihnen soll nach eurem Wunsch auf der Stelle zu Essen werden? Denn einen Gockelhahn, Hackfleisch à la Pentheus und derartige Trivialitäten machen die Bauern: Meine Köche sind es gewohnt, sogar ganze Kälber im Kessel garzukochen.« (11) Sofort befahl er, den Koch herbeizurufen, und ohne unsere Wahl abzuwarten, befahl er ihm, das älteste zu schlachten, und fragte mit lauter Stimme: »Aus der wievielten Truppe bist du?« (12) Als der geantwortet hatte, er sei aus der vierzigsten, fragte er: »Gekauft oder im Haus geboren?« »Keines von beidem«, sagte der Koch, »sondern ich wurde dir von Pansa testamentarisch hinterlassen.« (13) »Sieh also zu, dass du sorgfältig auftischst; wenn nicht, werde ich dich in die Truppe der Laufboten stecken lassen.« Nun, den Koch, der so an die Macht seines Herrn erinnert worden war, führte sein Braten in die Küche, 48 (1) Trimalchio aber blickte mit freundlicher Miene wieder auf uns und sagte: »Wenn der Wein nicht schmeckt, werde ich ihn austauschen lassen; ihr müsst zeigen, dass ihr ihn gut findet. (2) Dank der Gnade der Götter muss ich nicht kaufen, sondern alles, was euch jetzt das Wasser im Munde zusammenlaufen lässt, gedeiht auf meinem Landgut vor der Stadt, und zwar auf dem, das ich noch nicht kenne. Man sagt, es grenze an meine Güter bei Tarracina und Tarent. (3) Jetzt will ich an meine Grundstückchen noch Sizilien anschließen, damit ich, wenn ich Lust habe, nach Afrika zu fahren, durch mein Gebiet segeln kann. (4) Aber erzähl du mir, Agamemnon, welchen Übungsstreitfall du heute vorgetragen hast. Auch wenn ich keine Prozesse führe, habe ich dennoch für den Hausgebrauch Lesen und Schreiben gelernt. Und damit du nicht glaubst, ich würde die Wissenschaft verschmähen: Drei Bibliotheken habe ich, und

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habeo, unam Graecam, alteram Latinam. dic ergo, si me amas, peristasim declamationis tuae«. (5) cum dixisset Agamemnon: »pauper et dives inimici erant«, ait Trimalchio »quid est pauper?« »urbane« inquit Agamemnon et nescio quam controversiam exposuit. (6) statim Trimalchio »hoc« inquit »si factum est, controversia non est; si factum non est, nihil est«. (7) haec aliaque cum effusissimis prosequeremur laudationibus, »rogo« inquit »Agamemnon mihi carissime, numquid duodecim aerumnas Herculis tenes, aut de Ulixe fabulam, quemadmodum illi Cyclops pollicem porclino extorsit? solebam haec ego puer apud Homerum legere. (8) nam Sibyllam quidem Cumis ego ipse oculis meis vidi in ampulla pendere, et cum illi pueri dicerent: Σίβυλλα, τί θέλεις; respondebat illa: ἀποθανεῖν θέλω.«

49 (1) nondum efflaverat omnia, cum repositorium cum sue ingenti mensam occupavit. (2) mirari nos celeritatem coepimus et iurare, ne gallum quidem gallinaceum tam cito percoqui potuisse, (3) tanto quidem magis, quod longe maior nobis porcus videbatur esse quam paulo ante apparuerat. deinde magis magisque Trimalchio intuens eum (4) »quid? quid?« inquit »porcus hic non est exinteratus? non mehercules est. voca, voca cocum in medio«. (5) cum constitisset ad mensam cocus tristis et diceret se oblitum esse exinterare, »quid? oblitus?« Trimalchio exclamat »putes illum piper et cuminum non coniecisse. despolia«. (6) non fit mora, despoliatur cocus atque inter duos tortores maestus consistit. deprecari tamen

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die eine davon ist eine griechische, eine andere eine lateinische. Sag mir also, sei so gut, das Sujet deines Vortrags!« (5) Als Agamemnon gesagt hatte: »Ein Armer und ein Reicher waren verfeindet«, sagte Trimalchio: »Was ist ein Armer?« »Witzig«, sagte Agamemnon und legte irgendeinen Übungsstreitfall dar. (6) Sogleich sagte Trimalchio: »Wenn dies wirklich geschehen ist, dann ist es kein Übungsstreitfall; und wenn es nicht geschehen ist, dann ist es nichts.« (7) Als wir dies und anderes mit überschwänglichen Lobsprüchen kommentierten, sagte er: »Ich frage dich, mein teuerster Agamemnon, ob du die zwölf mühsamen Arbeiten des Herkules im Kopf hast oder die Geschichte von Odysseus, wie ihm der Kyklop den Daumen mit Hilfe eines Rings ausgerissen hat? Immer wieder habe ich das als Knabe bei Homer gelesen. (8) Und was die Sibylle betrifft, habe ich sie in Cumae mit meinen eigenen Augen in einer Flasche schweben sehen, und wenn die Knaben zu ihr auf Griechisch sagten: ›Sibylle, was willst du?‹, antwortete sie stets: ›Sterben will ich.‹« 49 (1) Er hatte noch nicht alles hervorgesprudelt, als eine Platte mit dem riesigen Schwein den ganzen Tisch in Beschlag nahm. (2) Wir fingen an, über die Geschwindigkeit zu staunen und zu schwören, nicht einmal ein Gockelhahn hätte so schnell durchgebraten werden können, (3) und dies umso mehr, als das Schwein uns weit größer zu sein schien, als es sich uns kurz zuvor gezeigt hatte. Darauf betrachtete Trimalchio es näher und näher und sagte: (4) »Was? Was? Ist dieses Schwein nicht ausgenommen? Nein, beim Herkules, ist es nicht. Man rufe, ja rufe den Koch zur Stelle!« (5) Als der Koch bestürzt an den Tisch getreten war und sagte, er habe das Ausnehmen vergessen, schrie Trimalchio: »Was? Vergessen? Man möchte meinen, er hat nicht einmal Pfeffer und Kümmel dazugegeben! Man ziehe ihn aus!« (6) Augenblicklich wurde der Koch ausgezogen und stand bekümmert zwischen zwei Folterknechten. Doch alle fingen an, um Gnade

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omnes coeperunt et dicere: »solet fieri; rogamus, mittas; postea si fecerit, nemo nostrum pro illo rogabit«. (7) ego, crudelissimae severitatis, non potui me tenere, sed inclinatus ad aurem Agamemnonis »plane« inquam »hic debet servus esse nequissimus; aliquis oblivisceretur porcum exinterare? non mehercules illi ignoscerem, si piscem praeterisset«. (8) at non Trimalchio, qui relaxato in hilaritatem vultu »ergo« inquit »quia tam malae memoriae es, palam nobis illum exintera«.(9) recepta cocus tunica cultrum arripuit porcique ventrem hinc atque illinc timida manu secuit. (10) nec mora, ex plagis ponderis inclinatione crescentibus thumatula cum botulis effusa sunt.

50 (1) plausum post hoc automatum familia dedit et »Gaio feliciter« conclamavit. nec non cocus potione honoratus est, etiam argentea corona, poculumque in lance accepit Corinthia. (2) quam cum Agamemnon propius consideraret, ait Trimalchio: »solus sum qui vera Corinthea habeam.« (3) expectabam, ut pro reliqua insolentia diceret sibi vasa Corintho afferri. (4) sed ille melius: »et forsitan« inquit »quaeris, quare solus Corinthea vera possideam: quia scilicet aerarius, a quo emo, Corinthus vocatur. quid est autem Corintheum, nisi quis Corinthum habet? (5) et ne me putetis nesapium esse, valde bene scio, unde primum Corinthea nata sint. cum Ilium captum est, Hannibal, homo vafer et magnus stelio, omnes statuas aeneas et aureas et argenteas in unum rogum congessit et eas incendit; factae sunt in unum aera miscellanea. (6) ita ex hac massa

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für ihn zu bitten und zu sagen: »So etwas passiert immer wieder; wir bitten dich, lass ihn laufen; wenn er es noch einmal macht, wird keiner von uns für ihn bitten.« (7) Ich in meiner grausamen Strenge konnte nicht an mich halten, sondern neigte mich zu Agamemnons Ohr und sagte: »Das muss doch wohl ein absolut nichtsnutziger Sklave sein! Jemand soll vergessen können, ein Schwein auszunehmen? Beim Herkules, ich würde ihm nicht einmal verzeihen, wenn er es bei einem Fisch unterlassen hätte.« (8) Doch nicht so Trimalchio, der sein Gesicht zu einer heiteren Miene entspannte und sagte: »Also, weil du ein so schlechtes Gedächtnis hast, nimm es vor unseren Augen aus!« (9) Der Koch bekam seine Tunika zurück, ergriff sein Messer und schnitt den Bauch des Schweins hier und da mit behutsamer Hand auf. (10) Augenblicklich quollen aus den Schnitten, die dem Druck nachgaben und größer wurden, Brat- und Blutwürste hervor. 50 (1) Auf diesen Trick hin spendete die Dienerschaft Beifall und rief: »Hoch lebe Gaius!« Überdies wurde der Koch mit einem Trunk geehrt, auch mit einem silbernen Kranz, und er bekam den Becher auf einer Schale aus korinthischer Bronze. (2) Als Agamemnon sie näher betrachtete, sagte Trimalchio: »Ich bin der einzige, der echte Korintherbronze hat.« (3) Ich erwartete, dass er entsprechend seiner sonstigen Protzerei sagen würde, er bekomme seine Gefäße aus Korinth geliefert. (4) Aber er bot etwas Besseres: »Und vielleicht«, sagte er, »fragst du, warum ich allein echte Korinther besitze: weil nämlich der Kupferschmied, bei dem ich kaufe, Corinthus heißt. Was ist schon Korintherbronze, wenn man nicht einen Corinthus hat? (5) Und damit ihr nicht glaubt, ich bin ein Ignorant: Ich weiß sehr gut, wie Korintherbronzen erstmals entstanden sind. Als Ilium erobert worden war, hat Hannibal, ein schlauer Kerl und ein großer Gauner, alle Statuen aus Bronze, Gold und Silber auf einen Scheiterhaufen zusammengetragen und sie angezündet; sie wurden zusammen ein Gemisch aus Metallen. (6) Da

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fabri sustulerunt et fecerunt catilla et paropsides !et" statuncula. sic Corinthea nata sunt, ex omnibus in unum, nec hoc nec illud. (7) ignoscetis mihi quid dixero: ego malo mihi vitrea, certe non olunt. quod si non frangerentur, mallem mihi quam aurum; nunc autem vilia sunt. 51 (1) fuit tamen faber qui fecit phialam vitream, quae non frangebatur. (2) admissus erga Caesarem est cum suo munere. deinde fecit se porrigere Caesari et illam in pavimentum proiecit. (3) Caesar non pote valdius quam expavit. at ille sustulit phialam de terra; collisa erat tamquam vasum aeneum; (4) deinde martiolum de sinu protulit et phialam otio belle correxit. (5) hoc facto putabat se coleum Iovis tenere, utique postquam ille dixit: ›numquid alius scit hanc condituram vitreorum?‹ (6) vide modo. postquam negavit, iussit illum Caesar decollari: quia enim, si scitum esset, aurum pro luto haberemus. 52 (1) in argento plane studiosus sum. Habeo scyphos urnales plus minus … quemadmodum Cassandra occidit filios suos, et pueri mortui iacent sic ut vivere putes. (2) habeo capidem quam reliquit patronus !mihi" meus, ubi Daedalus Niobam in equum Troianum includit. (3) nam Hermerotis pugnas et Petraitis in poculis habeo, omnia ponderosa; meum enim intellegere nulla pecunia vendo.«

(4) haec dum refert, puer calicem proiecit. ad quem respiciens Trimalchio »cito« inquit »te ipsum caede, quia nugax es«. (5) statim puer demisso labro !ora"re. at ille »quid me« inquit »rogas? tam-

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haben von dieser Masse die Schmiede etwas weggenommen und daraus Schälchen, Schüsseln und Statuetten gemacht. So entstanden die Korinther, alles zusammen, nicht dies und nicht das. (7) Ihr werdet mir verzeihen, was ich sage: Ich persönlich habe lieber Glasgeschirr; jedenfalls stinkt es nicht. Wenn es nicht zerbrechlich wäre, wäre es mir lieber als Gold; so aber ist es billiges Zeug. 51 (1) Doch es gab einmal einen Meister, der eine Glasschale herstellte, die unzerbrechlich war. (2) Er wurde zum Kaiser vorgelassen mit seinem Geschenk. Dann tat er so, als würde er sie dem Kaiser reichen, und warf sie auf den Fußboden. (3) Der Kaiser hätte nicht erschrockener sein können. Doch der andere hob die Glasschale von der Erde auf; sie war zerbeult wie ein Bronzegefäß; (4) dann holte er ein Hämmerchen aus der Tasche hervor und brachte die Glasschale in Ruhe wieder prima in Form. (5) Aufgrund dieser Tat glaubte er, er habe Jupiter am Sack, zumal nachdem der andere gesagt hatte: ›Kennt sich denn sonst noch jemand mit dieser Methode der Glasherstellung aus?‹ (6) Und jetzt aufgepasst: Nachdem er nein gesagt hatte, ließ ihm der Kaiser den Kopf abschlagen: weil natürlich, wenn das bekannt wäre, wir Gold für Dreck halten würden. 52 (1) An Silbergeschirr bin ich äußerst interessiert. Ich habe an riesigen Humpen etwa … wie Kassandra ihre Söhne ermordet, und die toten Knaben liegen so da, dass du meinen könntest, sie leben. (2) Ich habe eine Henkelschale, die mir mein Patron hinterließ, wo Daedalus Niobe in das Trojanische Pferd einsperrt. (3) Ja, ich habe die Gladiatorenkämpfe des Hermeros und Petraites auf Pokalen, alle aus massivem Silber; mein Expertenwissen verkaufe ich wahrhaftig um keinen Preis.« (4) Während er das erzählte, ließ ein junger Sklave einen Kelch fallen. Trimalchio sah sich zu ihm um und sagte: »Schnell, verhau dich selbst, weil du ein Trottel bist!« (5) Sofort zog der junge Sklave die Mundwinkel nach

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quam ego tibi molestus sim. suadeo, a te impetres, ne sis nugax«. (6) tandem ergo exoratus a nobis missionem dedit puero. ille dimissus circa mensam percucurrit …

(7) et »aquam foras, vinum intro« clamavit. excipimus urbanitatem iocantis, et ante omnes Agamemnon qui sciebat quibus meritis revocaretur ad cenam. (8) ceterum laudatus Trimalchio hilarius bibit et iam ebrio proximus »nemo« inquit »vestrum rogat Fortunatam meam ut saltet? credite mihi: cordacem nemo melius ducit«. (9) atque ipse erectis supra frontem manibus Syrum histrionem exhibebat concinente tota familia: madeia perimadeia. (10) et prodisset in medium, nisi Fortunata ad aurem accessisset; et credo, dixerit non decere gravitatem eius tam humiles ineptias. (11) nihil autem tam inaequale erat; nam modo Fortunatam !verebatur", modo ad naturam suam revertebatur.

53 (1) et plane interpellavit saltationis libidinem actuarius, qui tamquam urbis acta recitavit: (2) »VII. kalendas sextiles: in praedio Cumano quod est Trimalchionis nati sunt pueri XXX, puellae XL; sublata in horreum ex area tritici millia modium quingenta; boves domiti quingenti. (3) eodem die: Mithridates servus in crucem actus est, quia Gai nostri genio male dixerat. (4) eodem die: in arcam relatum est quod collocari non potuit, sestertium centies. (5) eodem die: incendium factum est in hortis Pompeianis, ortum ex aedibus Nastae vilici«. (6) »quid?« inquit Trimalchio »quando mihi Pompeiani horti empti sunt?« (7) »anno priore« inquit actuarius

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unten und bat um Gnade. Doch der andere sagte: »Was bittest du mich? Als ob ich dir Ärger machen würde! Ich rate dir, erreiche bei dir selbst, dass du kein Trottel mehr bist.« (6) Schließlich also ließ er sich von uns durch Bitten erweichen und ließ den Knaben laufen. Der rannte, als er entlassen war, um den Tisch herum … (7) Und !Trimalchio" rief laut: »Wasser raus, Wein rein!« Wir nahmen die Raffinesse des Scherzenden mit Beifall auf, und allen voran Agamemnon, der wusste, für welche Verdienste man ihn wieder zum Gastmahl einladen würde. (8) Nun, Trimalchio trank, nachdem er so gelobt worden war, immer fröhlicher und sagte, schon fast betrunken: »Niemand von euch fordert meine Fortunata auf zu tanzen? Glaubt mir: Den Kordax bringt niemand besser.« (9) Und er selbst hob die Hände über die Stirn und mimte den Schauspieler Syrus, während die gesamte Dienerschaft »Madeia Perimadeia« sang. (10) Und er wäre in die Mitte vorgetreten, wenn Fortunata nicht an sein Ohr herangetreten wäre; und ich glaube, sie hat wohl gesagt, zu seiner Würde würden solche primitiven Albernheiten nicht passen. (11) Nichts aber war so wechselhaft: Denn mal erwies er Fortunata Respekt, mal kehrte er zu seinem Naturell zurück. 53 (1) Und ganz und gar bremste seine Tanzlust der Buchhalter, der wie aus dem Stadtanzeiger vorlas: (2) »26. Juli: Auf dem Landgut bei Cumae, das Trimalchio gehört, wurden geboren: 30  Knaben, 40  Mädchen; befördert in den Speicher aus der Tenne: 500 000  Scheffel Weizen; Ochsen abgerichtet: 500. (3) Am selben Tag: Der Sklave Mithridates wurde ans Kreuz geschlagen, weil er den Schutzgeist unseres Gaius geschmäht hatte. (4) Am selben Tag: An die Kasse wurde abgeführt, was nicht angelegt werden konnte: 10 000 000 Sesterzen. (5) Am selben Tag: Einen Brand gab es in den Pompeianischen Gärten, ausgebrochen im Haus des Verwalters Nasta.« (6) »Was?«, sagte Trimalchio, »wann wurden die Pompeianischen Gärten für

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»et ideo in rationem nondum venerunt«. (8) excanduit Trimalchio et »quicumque« inquit »mihi fundi empti fuerint, nisi intra sextum mensem sciero, in rationes meas inferri vetuo«. (9) iam etiam edicta aedilium recitabantur et saltuariorum testamenta, quibus Trimalchio cum elogio exheredabatur; (10) iam nomina vilicorum et repudiata a circ[um]itore liberta in balneatoris contubernio deprehensa et atriensis Baias relegatus; iam reus factus dispensator et iudicium inter cubicularios actum.

(11) petauristarii autem tandem venerunt. baro insulsissimus cum scalis constitit puerumque iussit per gradus et in summa parte odaria saltare, circulos deinde ardentes trans!il"ire et dentibus amphoram sustinere. (12) mirabatur haec solus Trimalchio dicebatque ingratum artificium esse. ceterum duo esse in rebus humanis quae libentissime spectaret, petauristarios et cornices; reliqua animalia acromata tricas meras esse. (13) »nam et comoedos« inquit »emeram, sed malui illos Atell!ani"am facere, et choraulen meum iussi Latine cantare.«

54 (1) cum maxime haec dicente eo puer … Trimalchionis delapsus est. conclamavit familia, nec minus convivae, non propter hominem tam putidum, cuius etiam cervices fractas libenter vidissent, sed propter malum exitum cenae, ne necesse haberent alienum mortuum plorare. (2) ipse Trimalchio cum graviter ingemuisset

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mich gekauft?« (7) »Im vorigen Jahr«, sagte der Buchhalter, »und deshalb sind sie noch nicht in die Bücher eingetragen.« (8) Trimalchio geriet in hitzige Erregung und sagte: »Was für Grundstücke auch immer für mich gekauft werden – wenn ich das nicht innerhalb von sechs Monaten weiß, verbiete ich, dass sie in meine Bücher eingetragen werden.« (9) Jetzt wurden sogar Erlasse der Ädilen vorgelesen und Testamente von Forstleuten, in denen Trimalchio per Klausel von der Erbschaft ausgenommen wurde, (10) jetzt die Schuldenbeträge der Verwalter und eine Freigelassene, die von einem Flurhüter verstoßen worden war, weil man sie in intimer Liaison mit einem Bademeister ertappt hatte, sowie ein nach Baiae verbannter Hausmeister; jetzt ein zur Anklage gebrachter Kassierer und ein zwischen Kammerdienern geführter Prozess. (11) Doch endlich kamen Akrobaten. Ein gänzlich witzloser Tölpel stellte sich mit einer Leiter hin und ließ einen Knaben auf den Sprossen und ganz oben zu Liedbegleitung tanzen, dann durch brennende Reifen springen und mit den Zähnen eine Amphore halten. (12) Bewunderung zollte dem einzig Trimalchio, und er sagte, es sei eine nicht genügend gewürdigte Kunst. Im Übrigen gebe es zweierlei in dieser Welt, was er sich am liebsten anschaue: Akrobaten und Hornisten; alles andere, Tiervorführungen, Ohrenschmäuse seien reine Lappalien. (13) »Denn auch ich hatte mir griechische Komödienschauspieler gekauft«, sagte er, »aber ich wollte lieber, dass sie Atellanen aufführten, und meinen griechischen Flötisten wies ich an, Lateinisch zu blasen.« 54 (1) Gerade als er dies sagte, stürzte der Knabe auf Trimalchios !Arm" herab. Die Dienerschaft schrie auf, ebenso die Gäste, nicht wegen des so widerwärtigen Kerls, dessen Genick sie sogar gerne gebrochen gesehen hätten, sondern weil ein übles Ende des Gastmahls drohte: Sie fürchteten, sie könnten gezwungen sein, einen fremden Toten zu beweinen. (2) Als Trimalchio

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superque bracchium tamquam laesum incubuisset, concurrere medici, et inter primos Fortunata crinibus passis cum scypho, miseramque se atque infelicem proclamavit. (3) nam puer quidem qui ceciderat circumibat iam dudum pedes nostros et missionem rogabat. pessime mihi erat, ne his precibus per ioculum aliquid catastropha quaereretur. nec enim adhuc exciderat cocus ille qui oblitus fuerat porcum exinterare. (4) itaque totum circumspicere triclinium coepi, ne per parietem automatum aliquod exiret, utique postquam servus verberari coepit, qui bracchium domini contusum alba potius quam conchyliata involverat lana. (5) nec longe aberravit suspicio mea; in vicem enim poenae venit decretum Trimalchionis quo puerum iussit liberum esse, ne quis posset dicere tantum virum esse a servo vulneratum.

55 (1) comprobamus nos factum et quam in praecipiti res humanae essent vario sermone garrimus. (2) »ita« inquit Trimalchio »non oportet hunc casum sine inscriptione transire« statimque codicillos poposcit et non diu cogitatione distorta haec recitavit:

(3) »quod non expectes, ex transverso fit et super nos Fortuna negotia curat. quare da nobis vina Falerna, puer«. (4) ab hoc epigrammate coepit poetarum esse mentio diuque summa carminis penes Mopsum Thracem memorata est, donec

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selbst heftig stöhnte und sich über seinen Arm legte, als ob er verletzt sei, rannten Ärzte herbei und allen voran Fortunata mit aufgelöstem Haar, einen Becher in der Hand, und sie erklärte sich laut für elend und unglücklich. (3) Was den Knaben betraf, der abgestürzt war, der lief schon längst um unsere Füße herum und bat um Gnade. Mir war ganz übel zumute in der Befürchtung, mit Hilfe dieser Bitten könnte durch irgendeinen Gag ein Komödienfinale gesucht werden. Denn bis jetzt war mir nicht jener Koch entfallen, der vergessen hatte, das Schwein auszunehmen. (4) Deshalb fing ich an, im ganzen Triklinium herumzuschauen, ob nicht durch die Wand irgendein Mechanismus hervorkäme, und das umso mehr, nachdem man angefangen hatte, den Sklaven auszupeitschen, der den gequetschten Arm seines Herrn mit weißer statt mit roter Wolle verbunden hatte. (5) Und mein Verdacht war nicht ganz abwegig; denn anstatt der Strafe erging ein Erlass Trimalchios, mit dem er befahl, der Knabe solle frei sein, damit nicht jemand sagen könne, ein so bedeutender Mann sei von einem Sklaven verletzt worden. 55 (1) Wir spendeten seiner Tat Beifall und plauderten mit verschiedenartigen Bemerkungen darüber, wie doch die menschliche Existenz ständig vom Absturz bedroht ist. (2) »Richtig«, sagte Trimalchio, »man darf über diesen Fall nicht ohne eine Aufschrift hinweggehen«, und sogleich verlangte er nach Schreibtäfelchen, zermarterte sich nicht lange den Kopf und trug dies vor: (3) »Was du nicht erwartest, unverhofft kommt es, und Fortuna treibt über uns ihre Geschäfte. Darum schenke uns ein, Bursche, falernischen Wein.« (4) Von diesem Epigramm aus kam die Rede auf Dichter, und lange sprach man darüber, dass das Höchste an Poesie bei dem Thraker Mopsus zu fin-

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Trimalchio (5) »rogo« inquit »magister, quid putas inter Ciceronem et Pub!li"lium interesse? ego alterum puto disertiorem fuisse, alterum honestiorem. quid enim his melius dici potest?

(6) ›luxuriae rictu Martis marcent moenia. tuo palato clausus pavo nascitur plumato amictus aureo Babylonico, gallina tibi Numidica, tibi gallus spado; ciconia etiam, grata peregrina hospita pietaticultrix gracilipes crotalistria, avis exul hiemis, titulus tepidi temporis, nequitiae nidum in caccabo fecit tuae. quo margaritam caram tibi, bacam Indicam? an ut matrona ornata phaleris pelagiis tollat pedes indomita in strato extraneo? zmaragdum ad quam rem viridem, pretiosum vitrum? quo Carchedonios optas ignes lapideos? nisi ut scintillet probitas e carbunculis. aequum est induere nuptam ventum textilem, palam prostare nudam in nebula linea?‹

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56 (1) quod autem« inquit »putamus secundum litteras difficillimum esse artificium? ego puto medicum et nummularium: (2) medicus, qui scit quid homunciones intra praecordia sua habeant et quando febris veniat, etiam si illos odi pessime, (3) quod mihi iubent saepe anatinam parari; nummularius, qui per argentum aes

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den sei, bis endlich Trimalchio sagte: (5) »Bitte, Professor, was, glaubst du, ist der Unterschied zwischen Cicero und Publilius? Ich glaube, der eine war redegewandter, der andere moralischer. Was nämlich könnte besser gesagt werden als dies? (6) ›Im Rachen des Luxus werden morsch die Mauern des Mars. Für deinen Gaumen wächst eingesperrt der Pfau heran, bekleidet mit gefiedertem goldenem Babylonier, für dich das Perlhuhn, für dich der Kapaun; auch der Storch, der willkommene Gast aus der Fremde, der kindsliebepflegende, schlankbeinige Klapperer, der vom Winter verbannte Vogel, Anzeichen warmen Wetters, hat im Kochtopf deiner Liederlichkeit sein Nest gebaut. Wozu brauchst du die teure Perle, die indische Muschelbeere? Damit die Ehefrau, geschmückt mit Geschmeide aus dem Meer, die Beine hebt zuchtlos auf fremdem Lager? Zu was brauchst du den grünen Smaragd, das kostbare Kristall? Wozu wünschst du dir karchedonische Feuersteine? Doch nur, damit Rechtschaffenheit aus den Rubinen glitzert! Ist es recht, dass eine Verheiratete einen Hauch von Kleid anzieht, dass sie sich öffentlich feilbietet, nackt in nebeldünnem Tüll?

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56 (1) Von welchem Handwerk aber«, sagte er dann, »glauben wir, es sei das schwierigste nach der Wissenschaft? Ich glaube, Arzt und Geldwechsler: (2) der Arzt, weil er weiß, was die Menschlein innendrin in ihrem Brustkorb haben und wann das Fieber kommt, auch wenn ich sie fürchterlich hasse, (3) weil sie oft anordnen, dass mir Entenfleisch vorgesetzt wird; der Geldwechsler, weil er durch die Silberplattierung hindurch das Kupfer sieht.

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videt. (4) nam mutae bestiae laboriosissimae boves et oves: boves, quorum beneficio panem manducamus; oves, quod lana illae nos gloriosos faciunt. (5) et facinus indignum, aliquis ovillam est et tunicam habet. (6) apes enim ego divinas bestias puto, quae mel vomunt, etiam si dicuntur illud a Iove afferre; ideo autem pungunt, quia ubicumque dulce est, ibi et acidum invenies«. (7) iam etiam philosophos de negotio deiciebat, cum pittacia in scypho circumferri coeperunt, (8) puerque super hoc positus officium apophoreta recitavit. »argentum sceleratum«: allata est perna, supra quam acetabula erant posita. »cervical«: offla collaris allata est. »serisapia et contumelia«: xerophagiae e sale datae sunt et contus cum malo. (9) »porri et persica«: flagellum et cultrum accepit; »passeres et muscarium«: uvam passam et mel Atticum. »canale et pedale«: lepus et solea est allata. »cenatoria et forensia«: offlam et tabulas accepit; »muraena et littera«: murem cum rana alligata fascemque betae. (10) diu risimus: sexcenta huiusmodi fuerunt, quae iam exciderunt memoriae meae.

57 (1) ceterum Ascyltos, intemperantis licentiae, cum omnia sublatis manibus eluderet et usque ad lacrimas rideret, unus ex conlibertis Trimalchionis excanduit – is ipse qui supra me discumbebat – et (2) »quid rides«, inquit, »vervex? an tibi non placent lautitiae domini mei? tu enim beatior es et convivare melius soles. ita tutelam huius loci habeam propitiam, ut ego si secundum illum discumberem, iam illi balatum clusissem. (3) bellum pomum, qui rideatur

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(4) Was die stummen Tiere betrifft, sind die arbeitsamsten die Ochsen und Schafe: die Ochsen, dank deren Wohltat wir unser Brot verzehren; die Schafe, weil sie uns durch ihre Wolle großartig erscheinen lassen. (5) Und es ist ein unwürdiges Verhalten, dass einer Lammfleisch isst und eine Tunika anhat. (6) Die Bienen halte ich ja für göttliche Tiere, weil sie Honig ausspucken, obwohl man sagt, dass sie ihn von Jupiter herbeischaffen; sie stechen aber deswegen, weil du überall dort, wo Süßes ist, auch Saures finden wirst.« (7) Schon war er dabei, auch die Philosophen aus ihrem Metier zu vertreiben, als man Lose in einem Becher herumzutragen begann (8) und der mit diesem Amt betraute junge Sklave die Aufschriften auf den Giveaways vorlas. »Silbergeschirr mit Bein«: Gebracht wurde eine Schweinekeule, auf der Essigkännchen standen. »Nackenpolster«: Ein Stück Halsfleisch wurde gebracht. »Opsimathie und Schimpf«: Obst und eine Matte wurden gereicht und Senf. (9) »Schnittlauch und Lolch«: der Gast bekam ein Messer und einen Dolch. »Tauben und Fliegenwedel«: Trauben und attischer Honig. »Etwas für den Hund und etwas für den Fuß«: Ein Hase und eine Sandale wurden gebracht. »Tafel- und Gerichtszeug«: einen Kloß und Schreibtafeln bekam der Gast. »Muskete und griechischer Buchstabe«: eine Maus an einer Kette und eine rote Bete. (10) Wir lachten lange. Von dieser Art gab es Tausenderlei, was mir inzwischen entfallen ist. 57 (1) Doch als Askylt in seiner hemmungslosen Ausgelassenheit die Arme erhob, sich über alles lustig machte und Tränen lachte, geriet einer von Trimalchios Mitfreigelassenen in hitzige Erregung – es war ebender, welcher oberhalb von mir zu Tisch lag –, und er sagte: (2) »Was lachst du, du Hammel? Gefallen dir die Raffinessen meines Herrn nicht? Klar, du bist reicher und bessere Gastmähler gewohnt. So wahr mir der Schutzgeist dieses Ortes gnädig sein möge: Läge ich neben dem da zu Tisch, hätte ich seinem Blöken schon längst ein Ende gesetzt. (3) Ein feines Früchtchen, das meint, es kön-

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alios; larifuga nescio quis, nocturnus, qui non valet lotium suum. ad summam, si circumminxero illum, nesciet qua fugiat. non mehercules soleo cito fervere, sed in molle carne vermes nascuntur. (4) ridet. quid habet quod rideat? numquid pater fetum emit lamna? eques Romanus es: et ego regis filius. ›quare ergo servivisti?‹ quia ipse me dedi in servitutem et malui civis Romanus esse quam tributarius. et nunc spero me sic vivere, ut nemini iocus sim. (5) homo inter homines sum, capite aperto ambulo; assem aerarium nemini debeo; constitutum habui numquam; nemo mihi in foro dixit ›redde quod debes‹. (6) glebulas emi, lamellulas paravi; viginti ventres pasco et canem; contubernalem meam redemi, ne quis in !capillis" illius manus tergeret; mille denarios pro capite solvi; sevir gratis factus sum; spero, sic moriar, ut mortuus non erubescam.

(7) tu autem tam laboriosus es, ut post te non respicias? in alio peduclum vides, in te ricinum non vides. (8) tibi soli ridicl[e]i videmur; ecce magister tuus, homo maior natus: placemus illi. tu lacticulosus, nec mu nec ma argutas, vasus fictilis, immo lorus in aqua, lentior, non melior. (9) tu beatior es: bis prande, bis cena. ego fidem meam malo quam thesauros. ad summam, quisquam me bis poposcit? annis quadraginta servivi; nemo tamen sciit utrum servus essem an liber. et puer capillatus in hanc coloniam veni; adhuc basilica non

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ne andere auslachen! Irgendein Ausreißer, ein Nachtvogel, der seine eigene Pisse nicht wert ist! Kurz und gut, wenn ich um den herumpinkle, wird er nicht wissen, wie er davonkommen kann. Beim Herkules, ich brause normalerweise nicht so schnell auf, aber in mürbes Fleisch bilden sich Maden. (4) Er lacht. Was hat er zu lachen? Hat etwa der Vater den Sprössling für seine Kohle gekauft? Du bist römischer Ritter – und ich ein Königssohn! ›Warum hast du dann als Sklave gedient?‹ Weil ich mich selbst in Sklaverei begeben habe und lieber römischer Bürger als zur Kopfsteuer verpflichtet sein wollte. Und jetzt hoffe ich so zu leben, dass niemand sich über mich lustig macht. (5) Ein Mensch unter Menschen bin ich, laufe, ohne mein Gesicht zu verstecken, herum; keinem schulde ich auch nur einen As, hatte nie einen Zahlungstermin, niemand hat zu mir auf dem Forum gesagt: ›Gib zurück, was du mir schuldest!‹ (6) Ein paar Stückchen Land habe ich gekauft, ein bisschen Kohle habe ich mir verschafft; zwanzig Mägen füttere ich und einen Hund; die mit mir liierte Sklavin habe ich freigekauft, damit niemand sich an ihren Haaren die Hände abtrocknet; tausend Denare habe ich für meine eigene Freilassung bezahlt; Mitglied des Sechs-Männer-Kollegiums wurde ich umsonst; ich hoffe, ich sterbe mal so, dass ich als Leiche nicht rot werden muss. (7) Du aber bist wohl so arbeitswütig, dass du nicht hinter dich schauen kannst? Bei einem anderen siehst du die kleine Laus, bei dir siehst du die Zecke nicht. (8) Dir allein kommen wir lächerlich vor; da, schau, dein Professor, ein älterer Mann: Dem gefallen wir! Du Milchbubi, sagst nicht mu noch ma, ein tönerner Nachttopf, ja mehr, ein Riemen im Wasser, aber schlaffer, nicht besser. (9) Du bist reicher als ich: Iss doch zweimal zu Mittag, zweimal zu Abend! Ich will lieber meinen Kredit als Schätze. Kurz und gut, hat jemand schon zweimal etwas von mir einfordern müssen? Vierzig Jahre war ich Sklave; trotzdem hat keiner gewusst, ob ich ein Sklave oder ein Freigeborener war. Und als Knabe mit langen Haaren bin ich in dieses

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erat facta. (10) dedi tamen operam ut domino satis facerem, homini maiesto et dignitos[s]o, cuius pluris erat unguis quam tu totus es. et habebam in domo qui mihi pedem opponerent hac illac; tamen – genio illius gratias – enatavi. (11) haec sunt vera athla; nam in ingenuum nasci tam facile est quam ›accede istoc‹. quid nunc stupes tamquam hircus in ervilia?«

58 (1) post hoc dictum Giton, qui ad pedes stabat, risum iam diu compressum etiam indecenter effudit. quod cum animadvertisset adversarius Ascylti, flexit convicium in puerum et (2) »tu autem« inquit »etiam tu rides, cepa cirrata? io Saturnalia, rogo, mensis december est? quando vicesimam numerasti? quid faciat crucis offla, corvorum cibaria? curabo, iam tibi Iovis iratus sit, et isti qui tibi non imperat. (3) ita satur pane fiam, ut ego istud conliberto meo dono; alioquin iam tibi depraesentiarum reddidissem. bene nos habemus, at isti nugae qui tibi non imperant. plane qualis dominus, talis et servus. (4) vix me teneo, nec sum natura caldicerebrius, !sed" cum coepi, matrem meam dupundii non facio. recte, videbo te in publicum, mus, immo terrae tuber: (5) nec sursum nec deorsum non cresco, nisi dominum tuum in rutae folium non conieci, nec tibi parsero, licet mehercules Iovem Olympium clames. curabo, longe tibi sit comula ista besalis et dominus dupunduarius. (6) recte,

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Städtchen gekommen; die Gerichtshalle war noch nicht gebaut. (10) Ich gab mir trotzdem Mühe, meinen Herrn zufriedenzustellen, einen vornehmen und würdiglichen Mann, dessen Fingernagel mehr wert war, als du es insgesamt bist. Und ich hatte Leute im Haus, die mir ein Bein stellten, da und dort. Dennoch – dem Schutzgeist meines Herrn sei Dank – schwamm ich obenauf. (11) Dies sind echte Troubles; denn in einen freien Menschen hineingeboren zu werden ist so leicht wie ›Komm mal her!‹ Was staunst du jetzt wie der Ziegenbock im Erbsenfeld?« 58 (1) Nach diesem Ausspruch ließ Giton, der zu unseren Füßen stand, seinem schon lange unterdrückten Lachen auf wirklich ungehörige Weise freien Lauf. Als das Askylts Widersacher bemerkte, richtete er sein Geschimpfe gegen den Knaben und sagte: (2) »Aber du, du lachst auch, kraushaarige Zwiebelknolle? Juhe, Saturnalien  – bitte, haben wir Dezember? Wann hast du die fünf Prozent bezahlt? Doch was kann so ein Galgenfutter, so ein Rabenaas schon zustande bringen? Ich werde dafür sorgen, dass Jupiter ja sauer auf dich ist und auf den da, der dich nicht unter Kontrolle hat. (3) So wahr ich von Brot satt werde: Ich verzeihe dies um meines Mitfreigelassenen willen; sonst hätte ich es dir auf der Stelle heimgezahlt. Wir fühlen uns wohl, doch die da sind Nichtsnutze, die dich nicht unter Kontrolle haben. Wirklich, wie der Herr, so auch der Sklave. (4) Kaum kann ich an mich halten, und doch bin ich von Natur aus kein Hitzkopf, aber wenn ich mal angefangen habe, ist mir meine eigene Mutter keinen Pfifferling mehr wert. Schon recht, aber ich werde dich ja draußen auf die Straße sehen, du Maus, vielmehr, du Trüffel! (5) Nicht nach oben, nicht nach unten will ich nicht wachsen, wenn ich nicht deinen Herrn nicht zum Krautwickel mache, und dich werde ich nicht verschonen haben, magst du, beim Herkules, auch nach dem olympischen Jupiter schreien. Ich werde dafür sorgen, dass dir deine acht Zoll langen Löckchen da nichts helfen und auch nicht dein Herr,

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venies sub dentem: aut ego non me novi, aut non deridebis, licet barbam auream habeas. (7) Athana tibi irata sit, curabo, et qui te primus ›deuro de‹ fecit. non didici geometrias, arithmeticas, astrologias, harmonias, sed lapidarias litteras scio, partes centum dico ad aes, ad pondus, ad nummum. (8) ad summam, si quid vis, ego et tu sponsiunculam: exi, defero lamnam. iam scies patrem tuum mercedes perdidisse, quamvis et rhetoricam scis. ecce

›qui de nobis longe venio, late venio? solve me.‹ (9) dicam tibi, qui de nobis currit et de loco non movetur; qui de nobis crescit et minor fit. curris, stupes, satagis, tamquam mus in matella. (10) ergo aut tace aut meliorem noli molestare, qui te natum non putat; nisi si me iudicas anulos buxeos curare, quos amicae tuae involasti. (11) Occuponem propitium. eamus in forum et pecunias mutuemur: iam scies hoc ferrum fidem habere. (12) vah, bella res est volpis uda. ita lucrum faciam et ita bene moriar ut populus per exitum meum iuret, nisi te ubique toga perversa fuero persecutus. (13) bella res et iste qui te haec docet, mufrius, non magister. !nos aliter" didicimus, dicebat enim magister: ›sunt vestra salva? recta domum; cave, circumspicias; cave, maiorem maledicas.‹ (14)

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der keinen Pfifferling wert ist. (6) Schon recht, aber du wirst mir unter die Zähne kommen: Entweder ich kenne mich nicht, oder du wirst dich nicht über mich lustig machen, magst du auch einen goldenen Bart haben. (7) Dass Athana sauer auf dich ist, dafür werde ich sorgen, und auf den, der dich als erster zu einem ›Na-komm-mal-her-du!‹ machte. Ich habe keine Geometrie, Arithmetik, Astrologie, Harmonie gelernt, aber Blockbuchstaben kenne ich, die Prozente kann ich angeben beim Kleingeld, beim Pfund, bei den Sesterzen. (8) Kurz und gut, wenn es dir recht ist, du und ich – ein Wettchen: Her mit dir, ich setze meine Kohle. Gleich wirst du erkennen, dass dein Vater das Schulgeld für dich vergeudet hat, auch wenn du dich in der Rhetorik auskennst. Hier: ›Wer bin ich an uns, ich komme lang, komm’ breit? Nun löse mich!‹ (9) Ich werde es dir sagen: einer, der von uns wegläuft und sich doch nicht vom Fleck bewegt; einer, der von uns wegwächst und doch kleiner wird. Ja, da läufst du weg, staunst, zappelst – wie die Maus im Nachttopf. (10) Also sei entweder still oder belästige nicht einen, der etwas Besseres ist und für den du nicht geboren bist; außer du meinst, ich mache mir etwas aus deinen Ringen aus gelbem Buchsbaumholz, die du deiner Freundin geklaut hast. (11) Fasserich sei mir gnädig! Gehen wir doch aufs Forum und leihen Geld: Gleich wirst du erkennen, dass dieser Eisenring Kredit hat. (12) Bah, was Feines ist ein begossener Pudel! So wahr ich Gewinn machen will und so in Ehren sterben möchte, dass die Leute bei meinem Abgang schwören, so gewiss werde ich dich überall mit umgewendeter Toga verfolgen. (13) Was Feines ist auch der da, der dir das beibringt, ein Doofkopf, kein Dozent. Bei uns lief das Lernen anders, denn der Lehrer sagte: ›Sind eure Sachen in Ordnung? Gleich nach Hause; glotz ja nicht herum; beschimpf ja keinen

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at nunc mera mapalia: nemo dupondii evadit. ego, quod me sic vides, propter artificium meum diis gratias ago.« 59 (1) coeperat Ascyltos respondere convicio, sed Trimalchio delectatus colliberti eloquentia »agite« inquit »scordalias de medio. suaviter sit potius, et tu, Hermeros, parce adulescentulo. sanguen illi fervet, tu melior esto. (2) semper in hac re qui vincitur vincit. et tu cum esses capo, cocococo, aeque cor non habebas. simus ergo, quod melius est, ut primitus hilares et Homeristas spectemus«. (3) intravit factio statim hastisque scuta concrepuit. ipse Trimalchio in pulvino consedit, et cum Homeristae Graecis versibus colloquerentur, [ut insolenter solent,] ille canora voce Latine legebat librum. mox silentio facto »scitis« inquit »quam fabulam agant? (4) Diomedes et Ganymedes duo fratres fuerunt. horum soror erat Helena. Agamemnon illam rapuit et Dianae cervam subiecit. ita nunc Homeros dicit quemadmodum inter se pugnent Troiani et Tarentini. (5) vicit scilicet et Iphigeniam, filiam suam, Achilli dedit uxorem. ob eam rem Aiax insanit et statim argumentum explicabit.« (6) haec ut dixit Trimalchio, clamorem Homeristae sustulerunt, interque familiam discurrentem vitulus in lance du!ce"naria elixus allatus est, et quidem galeatus. (7) secutus est Aiax strictoque gladio, tamquam insaniret, !vitulum" concidit, ac modo versa modo supina gesticulatus mucrone frust[r]a collegit mirantibusque [vitulum] partitus est.

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Erwachsenen!‹ (14) Aber jetzt  – die reine Katastrophe: Keiner, der von der Schule abgeht, ist einen Pfifferling wert. Ich, wie du mich hier so siehst, danke den Göttern für mein Wissen und Können!« 59 (1) Askylt hatte auf die Schimpfrede zu antworten begonnen, aber Trimalchio, der sich an der Beredsamkeit seines Mitfreigelassenen ergötzt hatte, sagte: »Los, weg mit den Streitereien. Es soll lieber friedlich zugehen, und du, Hermeros, verschone den jungen Mann! Dem kocht das Blut; sei du besser als er. (2) Immer siegt bei so etwas der, der sich besiegen lässt. Auch du hattest, als du noch ein junger Gockel warst – kikeriki! – gleichfalls keinen Verstand. Seien wir also – was besser ist – wie zu Anfang vergnügt und schauen wir uns die Homeristen an!« (3) Herein trat auf der Stelle eine Truppe und schlug mit den Lanzen an die Schilde. Trimalchio selbst setzte sich auf sein Stützpolster, und als die Homeristen in griechischen Versen ihre Wechselreden hielten, las er mit leiernder Stimme den Text auf Lateinisch vor. Bald wurde es still, und er sagte: »Wisst ihr, welche Geschichte sie darbieten? (4) Diomedes und Ganymedes waren zwei Brüder. Ihre Schwester war Helena. Agamemnon raubte sie und schob der Diana eine Hirschkuh unter. Hierauf sagt nun Homer, wie Trojaner und Tarentiner gegeneinander kämpfen. (5) Er siegte natürlich und gab Iphigenie, seine Tochter, dem Achill zur Frau. Deswegen ist Aiax wahnsinnig, und er wird sogleich die Geschichte szenisch verdeutlichen.« (6) Als Trimalchio dies gesagt hatte, erhoben die Homeristen ein Geschrei, und mitten durch die auseinanderlaufende Dienerschaft wurde auf einer zweihundert Pfund schweren Schüssel ein gesottenes Kalb hereingetragen, und zwar eines mit Helm. (7) Es folgte ein Aiax, und mit gezücktem Schwert zerhackte er, als ob er wahnsinnig wäre, das Kalb, und nachdem er einmal per Vorhand, dann wieder per Rückhand herumgefuchtelt hatte, sammelte er mit der Schwertspitze die Stücke auf und verteilte sie an die staunenden Gäste.

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60 (1) nec diu mirari licuit tam elegantes strophas; nam repente lacunaria sonare coeperunt totumque triclinium intremuit. (2) consternatus ego exsurrexi et timui, ne per tectum petauristarius aliquis descenderet. nec minus reliqui convivae mirantes erexere vultus, expectantes quid novi de caelo nuntiaretur. (3) ecce autem diductis lacunaribus subito circulus ingens, de cupa videlicet grandi excussus, demittitur, cuius per totum orbem coronae aureae cum alabastris unguenti pendebant. (4) dum haec apophoreta iubemur sumere, respiciens ad mensam … iam illic repositorium cum placentis aliquot erat positum, quod medium Priapus a pistore factus tenebat, gremioque satis amplo omnis generis poma et uvas sustinebat more vulgato. (5) avidius ad pompam manus porreximus, et repente nova ludorum commissio hilaritatem [hic] refecit. (6) omnes enim placentae omniaque poma etiam minima vexatione contacta coeperunt effundere crocum, et usque ad os molestus umor accidere. (7) rati ergo sacrum esse fericulum tam religioso apparatu perfusum, consurreximus altius et »Augusto, patri patriae, feliciter« diximus. quibusdam tamen etiam post hanc venerationem poma rapientibus et ipsi mappas implevimus, ego praecipue, qui nullo satis amplo munere putabam me onerare Gitonis sinum.

(8) inter haec tres pueri candidas succincti tunicas intraverunt, quorum duo Lares bullatos super mensam posuerunt, unus pateram vini circumferens »dii propitii« clamabat …

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60 (1) Doch lange zu staunen über so glänzende Tricks war uns nicht vergönnt; denn auf einmal fing die getäfelte Decke an zu knacken, und das ganze Triklinium erbebte. (2) Bestürzt sprang ich auf und fürchtete, durch das Dach werde irgendein Akrobat herabsteigen. Nicht weniger staunend reckten die übrigen Gäste die Hälse in Erwartung dessen, was da Neues vom Himmel herab verkündigt würde. (3) Und sieh da, plötzlich schob sich die Decke auseinander, und es wurde ein riesiger Reifen, offenbar von einem gewaltigen Fass abgeschlagen, herabgelassen, an dessen ganzer Rundung goldene Kränze mit Salbfläschchen hingen. (4) Während wir aufgefordert wurden, diese als Giveaways an uns zu nehmen, blickte ich zum Tisch zurück und … Schon war dort ein Tablett mit ein paar Kuchen aufgestellt worden, dessen Mitte ein vom Konditor gemachter Priap einnahm, und dieser trug auf seinem enorm ausgeweiteten Schurz Früchte aller Art und Weintrauben auf ordinäre Weise. (5) Ziemlich gierig streckten wir die Hände nach dem prachtvollen Arrangement aus, und auf einmal stellte die Inszenierung neuer Spielereien die Heiterkeit wieder her. (6) Denn alle Kuchen und alle Früchte begannen auch bei leichtestem Druck der Hand Safranwasser zu verspritzen, und der unangenehme Saft traf uns bis ins Gesicht. (7) Wir glaubten also, ein Gang, der mit einem so religiösen Ingredienz durchtränkt war, müsse etwas Heiliges sein, erhoben uns von unseren Plätzen und sprachen: »Hoch lebe Augustus, der Vater des Vaterlandes!« Als jedoch einige sogar nach dieser Huldigung Früchte an sich rafften, füllten auch wir unsere Servietten, vor allem ich, der ich glaubte, kein Geschenk sei groß genug, als dass ich nicht Gitons Gewandbausch damit vollstopfen könne. (8) Unterdessen traten drei junge Sklaven in hochgeschürzten weißen Tuniken ein; zwei von ihnen stellten Laren mit Amuletten um den Hals auf den Tisch, und einer rief, während er eine Schale mit Wein reihum trug: »Die Götter seien uns gnädig!« …

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aiebat autem unum Cerdonem, alterum Felicionem, tertium Lucrionem vocari. (9) nos etiam veram imaginem ipsius Trimalchionis, cum iam omnes basiarent, erubuimus praeterire. 61 (1) postquam ergo omnes bonam mentem bonamque valetudinem sibi optarunt, Trimalchio ad Nicerotem respexit et (2) »solebas« inquit »suavius esse in convictu; nescio quid nunc taces nec muttis. oro te, sic felicem me videas, narra illud quod tibi usu venit«. (3) Niceros delectatus affabilitate amici »omne me« inquit »lucrum transeat, nisi iam dudum gaudimonio dissilio, quod te talem video. (4) itaque hilaria mera sint, etsi timeo istos scholasticos, ne me [de]rideant. viderint: narrabo tamen; quid enim mihi aufert qui ridet? satius est rideri quam derideri«. (5) »haec ubi dicta dedit«, talem fabulam exorsus est:

(6) »cum adhuc servirem, habitabamus in vico angusto; nunc Gavillae domus est. ibi, quomodo dii volunt, amare coepi uxorem Terentii coponis: noveratis Melissam Tarentinam, pulcherrimum bacciballum. (7) sed ego non mehercules corporaliter !illam" [autem] aut propter res vene[ra]rias curavi, sed magis quod benemoria fuit. (8) si quid ab illa petii, numquam mihi negatum. fecit assem, semissem habui: in illius sinum demandavi, nec umquam fefellitus sum. (9) huius contubernalis ad villam supremum diem obiit. itaque per scutum per ocream egi aginavi, quemadmodum ad illam pervenirem: !scitis" autem, in angustiis amici apparent. 62 (1) forte

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!Trimalchio" sagte aber, der eine heiße Gewinnrich, der zweite Glückerich und der dritte Profiterich. (9) Als alle nun eine lebensechte Statue des Hausherrn Trimalchio küssten, scheuten auch wir uns, sie vorbeigehen zu lassen. 61 (1) Nachdem nun alle sich einen guten Verstand und gutes Befinden gewünscht hatten, blickte Trimalchio sich nach Nikeros um und sagte: (2) »Sonst warst du angenehmer in Gesellschaft; jetzt bist du seltsam still und machst keinen Mucks. Ich bitte dich, so wahr du mich glücklich sehen willst, erzähle mir das, was dir passiert ist.« (3) Nikeros, erfreut über die Nettigkeit seines Freundes, sagte: »Jeder Profit soll mir dahingehen, wenn ich nicht schon längst vor Begeisterung zerspringe, weil ich dich so gut drauf sehe. (4) Deshalb soll reine Heiterkeit herrschen, auch wenn ich die Studierten da fürchte, dass sie über mich lachen. Das ist ihr Problem: Ich werde dennoch erzählen; denn was nimmt mir einer weg, der lacht? Es ist besser, andere lachen über einen, als dass man ausgelacht wird. (5) »Da er denn also gesprochen«, begann er folgende Geschichte: (6) »Als ich noch Sklave war, wohnten wir in der Engen Gasse; jetzt gehört Gavilla das Haus. Dort, wie es die Götter halt so wollen, verliebte ich mich in die Frau des Gastwirts Terentius: Ihr kanntet sie ja, die Melissa aus Tarent, ein sehr hübsches Bacchusballerinchen. (7) Aber, beim Herkules, ich habe sie nicht körperlich oder von wegen dem ganzen Sex begehrt, sondern weil sie so schwer in Ordnung war. (8) Wenn ich was von ihr wollte, wurde mir das nie abgeschlagen. Machte sie einen As, hatte ich einen halben As: Ihr legte ich ihn in den Schoß, und niemals wurde ich abgezockt. (9) Für ihren Lebensgefährten war auf dem Landgut der letzte Tag gekommen. Deshalb hab ich auf Biegen und Brechen Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, um irgendwie zu ihr hinzukommen; ihr wisst ja, in Schwierigkeiten zeigt sich, was Freunde sind. 62 (1) Gerade war mein Herr auf Capua abgereist,

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dominus Capuae exierat ad scruta scita expedienda. (2) nactus ego occasionem persuadeo hospitem nostrum ut mecum ad quintum miliarium veniat. erat autem miles, fortis tamquam Orcus. (3) apoculamus nos circa gallicinia, luna lucebat tamquam meridie. (4) venimus inter monimenta: homo meus coepit ad stelas facere, sed ego !pergo" cantabundus et stelas numero. (5) deinde ut respexi ad comitem, ille exuit se et omnia vestimenta secundum viam posuit. mihi [in] anima in naso esse, stabam tamquam mortuus. (6) at ille circumminxit vestimenta sua, et subito lupus factus est. nolite me iocari putare; ut mentiar, nullius patrimonium tanti facio. (7) sed, quod coeperam dicere, postquam lupus factus est, ululare coepit et in silvas fugit. (8) ego primitus nesciebam ubi essem, deinde accessi, ut vestimenta eius tollerem: illa autem lapidea facta sunt. (9) qui mori timore nisi ego? gladium tamen strinxi et [matauitatau] umbras cecidi, donec ad villam amicae meae pervenirem. (10) in laruam intravi, paene animam ebullivi, sudor mihi per bifurcum volabat, oculi mortui, vix umquam refectus sum. (11) Melissa mea mirari coepit, quod tam sero ambularem, et ›si ante‹ inquit ›venisses, saltem nobis adiutasses; lupus enim villam intravit et omnia pecora !mactavit": tamquam lanius sanguinem illis misit. nec tamen derisit, etiam si fugit; servus enim noster lancea collum eius traiecit‹. (12) haec ut audivi, operire oculos amplius non potui, sed luce clara [hac] nostri domum fugi tamquam copo compilatus, et postquam veni in illum locum in quo lapidea vestimenta erant facta,

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um sein subtiles Trödelzeugs loszuwerden. (2) Ich ergriff die Gelegenheit und überredete einen von unseren Gästen, mit mir zum fünften Meilenstein zu kommen. Der war nämlich ein Soldat, stark wie Hölle. (3) Wir setzten unsere Ärsche um die Zeit in Bewegung, wo die Hähne krähen, der Mond schien hell, als wenn Mittag wäre. (4) Wir kamen mitten zwischen Grabmäler: Mein Mann fing an, an die Grabsteine zu machen, ich aber ging weiter, sang und zähle die Grabsteine. (5) Als ich mich dann nach meinem Gefährten umsah, zog der sich aus und legte alle seine Kleider längs des Weges hin. Mir saß die Seele in der Nase, ich stand da wie ein Toter. (6) Doch der pisste um seine Kleider herum, und plötzlich wurde er zum Wolf. Glaubt ja nicht, ich mache Witze. Lügen würde ich nicht um alles Geld der Welt. (7) Aber was ich sagen wollte: Nachdem er zum Wolf geworden war, heulte er los und rannte fort in die Wälder. (8) Ich wusste zuerst nicht, wo ich war, dann ging ich hin, um seine Kleider aufzuheben: Die aber waren zu Stein geworden. (9) Wer starb da vor Angst, wenn nicht ich? Trotzdem zog ich mein Schwert und haute auf die Schatten ein, bis ich zum Landhaus meiner Freundin hinkam. (10) Wie ein Gespenst trat ich ein, beinahe blubberte ich meine Seele raus, der Schweiß schoss mir durch die Arschkerbe, die Augen waren wie tot, kaum kam ich überhaupt wieder zu mir. (11) Meine Melissa geriet ins Staunen, weil ich so spät noch herumlief, und sagte: »Wenn du vorher gekommen wärst, hättest du wenigstens zu uns helfen können; denn ein Wolf drang in das Landgut ein und zerfleischte alle Schafe. Wie ein Metzger hat er ihnen das Blut abgelassen. Trotzdem hatte er nichts zu lachen, obwohl er davonrannte; denn unser Sklave hat mit einem Speer seinen Hals durchbohrt.« (12) Als ich das gehört hatte, konnte ich kein Auge mehr zutun, sondern als es heller Tag war, bin ich zum Haus unseres Herrn davongerannt wie der geprellte Gastwirt, und nachdem ich zu der Stelle gekommen war, wo die Kleider zu Stein geworden waren, fand ich nichts

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nihil inveni nisi sanguinem. (13) ut vero domum veni, iacebat miles meus in lecto tamquam bovis, et collum illius medicus curabat. intellexi illum versipellem esse, nec postea cum illo panem gustare potui, non si me occidisses. (14) viderint alii quid de hoc exopinissent; ego si mentior, genios vestros iratos habeam.« 63 (1) attonitis admiratione universis »salvo« inquit »tuo sermone« Trimalchio »si qua fides est, ut mihi pili inhorruerunt, quia scio Niceronem nihil nugarum narrare: immo certus est et minime linguosus. (2) nam et ipse vobis rem horribilem narrabo: asinus in tegulis. (3) cum adhuc capillatus essem, nam a puero vitam Chiam gessi, ipsimi nostri delicatus decessit, mehercules margaritum, catamitus et omnium numerum. (4) cum ergo illum mater misella plangeret et nostrum plures in tristimonio essemus, subito strigae coeperunt: putares canem leporem persequi. (5) habebamus tunc hominem Cappadocem, longum, valde audaculum et qui valebat [poterat] bovem iratum tollere. (6) hic audacter stricto gladio extra ostium procucurrit, involuta sinistra manu curiose, et mulierem tamquam hoc loco – salvum sit quod tango – mediam traiecit. audimus gemitum, et – plane non mentiar – ipsas non vidimus. (7) baro autem noster introversus se proiecit in lectum, et corpus totum lividum habebat quasi flagellis caesus, quia scilicet illum tetigerat mala manus. (8) nos cluso ostio redimus iterum ad officium, sed dum mater amplexaret corpus filii sui, tangit et videt manuciolum de stramentis factum. non cor habebat, non intestina, non

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außer Blut. (13) Als ich aber nach Hause gekommen war, lag da mein Soldat im Bett wie ein Ochse, und ein Arzt war dabei, seinen Hals zu behandeln. Ich begriff, dass er ein Werwolf war, und später konnte ich keinen Bissen Brot mit ihm zusammen essen, auch nicht, wenn man mich totgeschlagen hätte. (14) Sollen doch andere sehen, was sie davon glauben; wenn ich lüge, will ich den Zorn eurer Schutzgeister auf mich ziehen.« 63 (1) Alle waren starr vor Staunen, und Trimalchio sagte: »Deine Geschichte in allen Ehren! Ihr könnt mir glauben, wie mir die Haare zu Berge standen, weil ich weiß, dass Nikeros keinen Blödsinn erzählt. Im Gegenteil, er ist zuverlässig und überhaupt kein Schwätzer. (2) Ja, und ich selbst will euch eine gruselige Geschichte erzählen, eine wie ›Der Esel auf den Dachziegeln‹. (3) Als ich noch langhaarig war – denn ich habe von Kind an ein Leben als süßer Arsch geführt  –, starb der Liebling unseres Herrn, beim Herkules, eine Perle, ein geiler Junge und perfekt bei jeder Nummer. (4) Als ihn nun sein armes Mütterchen bejammerte und von uns mehr als einer in Trauer war, fingen plötzlich die Hexen an: Du hättest meinen können, dass ein Hund einen Hasen verfolgt. (5) Wir hatten bei uns damals einen Kerl aus Kappadokien, einen langen und tollkühnen, der einen wütenden Bullen hochstemmen konnte. (6) Der rannte kühn mit gezücktem Schwert vor die Tür hinaus, die linke Hand sorgfältig bandagiert, und bohrte eines von den Weibern quasi an dieser Stelle hier – heil bleibe, was ich berühre – mittendurch. Wir hören ein Stöhnen, doch – ich will echt nicht lügen – von ihnen selbst sahen wir nichts. (7) Unser Tölpel aber kehrte nach drinnen zurück und warf sich auf ein Bett, und er hatte den ganzen Körper grün und blau, als ob er mit Peitschen geschlagen worden wäre, klar, weil ihn eine böse Hand berührt hatte. (8) Wir schlossen die Tür ab und kehrten wieder zur Totenwache zurück, aber wie da die Mutter den Leichnam ihres Sohnes umarmen wollte, berührte und sah sie ein Bündel aus Stroh. Es hatte kein Herz,

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quicquam: scilicet iam puerum strigae involaverant et supposuerant stramenticium vavatonem. (9) rogo vos, oportet credatis, sunt mulieres plussciae, sunt Nocturnae, et quod sursum est, deorsum faciunt. (10) ceterum baro ille longus post hoc factum numquam coloris sui fuit, immo post paucos dies phreneticus periit«. 64 (1) miramur nos et pariter credimus, osculatique mensam rogamus Nocturnas ut suis se teneant, dum redimus a cena … (2) et sane iam lucernae mihi plures videbantur ardere totumque triclinium esse mutatum, cum Trimalchio »tibi dico« inquit »Plocame, nihil narras? nihil nos delectaris? et solebas suavius esse, canturire belle deverbia, adicere melica[m]. (3) heu heu, abistis dulces caricae«. »iam« inquit ille »quadrigae meae decucurrerunt, ex quo podagricus factus sum. alioquin cum essem adulescentulus, cantando paene tisicus factus sum. (4) quid saltare? quid deverbia? quid tonstrinum? quando parem habui nisi unum Apelletem?« (5) oppositaque ad os manu nescio quid taetrum exsibilavit, quod postea Graecum esse affirmabat. nec non Trimalchio ipse cum tubicines esset imitatus, ad delicias suas respexit, quem Croesum appellabat. (6) puer autem lippus, sordidissimis dentibus, catellam nigram atque indecenter pinguem prasina involvebat fascia panemque semissem ponebat supra torum [atque] ac nausea recusantem saginabat. (7) quo admonitus officio Trimalchio Scylacem iussit adduci »praesidium domus familiaeque«. nec mora, ingentis formae adductus est canis catena

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keine Eingeweide, nicht irgendwas. Klar, die Hexen hatten schon flugs den Knaben weggenommen und einen Wechselbalg aus Stroh untergeschoben. (9) Ich bitte euch, ihr müsst mir glauben, es gibt vielwissende Weiber, es gibt Nachtgespenster, und was oben ist, kehren sie nach unten. (10) Nun, unser langer Tölpel war nach diesem Ereignis niemals bei Farbe wie vorher, vielmehr wurde er nach wenigen Tagen wahnsinnig und ging drauf.« 64 (1) Wir staunten, und zugleich glaubten wir es, küssten den Tisch und baten die Nachtgespenster, an ihrem Ort zu bleiben, wenn wir von dem Gastmahl nach Hause gehen … (2) Und wahrhaftig kam es mir schon so vor, als würden mehr Lampen brennen und das ganze Triklinium sei verwandelt, als Trimalchio sagte: »He du, Plokamus, erzählst du nichts? Willst du uns gar nicht amüsieren? Sonst warst du ja auch angenehmer, trugst hübsch singend Dialogpartien vor, fügtest Lyrisches hinzu. (3) O weh, o weh, dahin seid ihr, süße Feigen!« »Jetzt«, sagte der, »sind meine Viergespanne ihr letztes Rennen gelaufen, seit ich die Fußgicht habe. Überhaupt, als ich noch ein junger Mann war, wurde ich durch Singen beinahe schwindsüchtig. (4) Ja, tanzen! Ja, Dialogpartien! Ja, die Frisörladennummer! Wann war mir einer ebenbürtig außer Apelles allein?« (5) Dann legte er eine Hand an den Mund und pfiff irgendetwas Abscheuliches, wovon er später behauptete, es sei etwas Griechisches. Als dann auch noch Trimalchio selbst Trompeter nachgemacht hatte, sah er sich nach seinem Liebling um, den er Croesus nannte. (6) Der Knabe nun, triefäugig und mit extrem schmutzigen Zähnen, war gerade dabei, ein schwarzes und unanständig fettes Schoßhündchen in ein grünes Band einzuwickeln, einen halben Brotlaib auf das Polster zu legen und es zu mästen, obwohl es sich vor Übelkeit dagegen sträubte. (7) Durch diese Tätigkeit auf eine Idee gebracht, ließ Trimalchio Skylax hereinführen, den »Hüter des Hauses und seiner Bewohner«. Unverzüglich wurde ein Hund von riesiger

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vinctus, admonitusque ostiarii calce ut cubaret, ante mensam se posuit. (8) tum Trimalchio iactans candidum panem »nemo« inquit »in domo mea me plus amat«. (9) indignatus puer, quod Scylacem tam effuse laudaret, catellam in terram deposuit hortatusque ut ad rixam properaret. Scylax, canino scilicet usus ingenio, taeterrimo latratu triclinium implevit Margaritamque Croesi paene laceravit. (10) nec intra rixam tumultus constitit, sed candelabrum etiam supra mensam eversum et vasa omnia crystallina comminuit et oleo ferventi aliquot convivas respersit. (11) Trimalchio ne videretur iactura motus, basiavit puerum ac iussit supra dorsum ascendere suum. (12) non moratus ille usus equo manuque plana scapulas eius subinde verberavit, interque risum proclamavit: »bucca, bucca, quot sunt hic?« (13) repressus ergo aliquamdiu Trimalchio camellam grandem iussit misceri !et" potiones dividi omnibus servis, qui ad pedes sedebant, adiecta exceptione: »si quis« inquit »noluerit accipere, caput illi perfunde. interdiu severa, nunc hilaria«. 65 (1) hanc humanitatem insecutae sunt matteae, quarum etiam recordatio me, si qua est dicenti fides, offendit. (2) singulae enim gallinae altiles pro turdis circumlatae sunt et ova anserina pilleata, quae ut comessemus, ambitiosissime !a" nobis Trimalchio petiit dicens exossatas esse gallinas.

(3) inter haec triclinii valvas lictor percussit, amictusque veste alba cum ingenti frequentia comissator intravit. (4) ego maiestate con-

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Gestalt hereingeführt, der an eine Kette gebunden war, und als ihm durch einen Fußtritt des Türstehers befohlen worden war, er solle sich hinlegen, platzierte er sich vor dem Tisch. (8) Da warf Trimalchio ihm Weißbrot zu und sagte: »Niemand in meinem Haus liebt mich mehr.« (9) Der Knabe war verärgert, weil er Skylax so überschwänglich lobte, setzte das Schoßhündchen auf die Erde und hetzte es, zu einer Rauferei zu sausen. Skylax, klar, der nutzte seinen Hundeverstand, erfüllte mit abscheulichstem Bellen das Triklinium und hätte die »Perle« des Croesus beinahe zerfleischt. (10) Überdies beschränkte sich der Tumult nicht auf die Rauferei, sondern brachte auch auf dem Tisch einen Leuchter zum Umstürzen, zertrümmerte alle Kristallgefäße und bespritzte einige Gäste mit siedendem Öl. (11) Um nicht den Eindruck zu erwecken, er sei über den Schaden verärgert, küsste Trimalchio den Knaben und ließ ihn auf seinen Rücken steigen. (12) Ohne zu zögern benutzte der ihn als Pferd, schlug ihm mit der flachen Hand immer wieder auf die Schulterblätter und schrie lachend: »Großmaul, Großmaul, wie viele stehen hier?« (13) Nachdem Trimalchio sich eine Weile so hatte niederdrücken lassen, ordnete er an, man solle Wein und Wasser in einer gewaltigen Schale mischen und den Trank an alle Sklaven verteilen, die zu unseren Füßen saßen, wobei er eine Klausel hinzufügte: »Wenn einer nicht nehmen will, gieß es ihm über den Kopf. Tagsüber Ernst, jetzt Spaß!« 65 (1) Auf diese Bekundung von Menschenfreundlichkeit folgten Leckerbissen, und schon die Erinnerung daran, wenn meine Worte irgend Glauben finden, bereitet mir Übelkeit. (2) Denn es wurden Masthühner, für jeden eines, anstelle von Drosseln herumgereicht sowie Gänseeier mit Mützen, was alles aufzuessen uns Trimalchio sehr eifrig aufforderte, wobei er sagte, die Hühner seien ausgebeint. (3) Unterdessen donnerte ein Liktor an die Türflügel des Trikliniums, und gekleidet in ein weißes Gewand trat mit riesigem Gefolge ein Nachtschwär-

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territus praetorem putabam venisse. itaque temptavi assurgere et nudos pedes in terram deferre. (5) risit hanc trepidationem Agamemnon et »contine te« inquit »homo stultissime. Habinnas sevir est idemque lapidarius, qui vide[re]tur monumenta optime facere.« (6) recreatus hoc sermone reposui cubitum, Habinnamque intrantem cum admiratione ingenti spectabam. (7) ille autem iam ebrius uxoris suae umeris imposuerat manus, oneratusque aliquot coronis et unguento per frontem in oculos fluente praetorio loco se posuit continuoque vinum et caldam poposcit. (8) delectatus hac Trimalchio hilaritate et ipse capaciorem poposcit scyphum quaesivitque quomodo acceptus esset. (9) »omnia« inquit »habuimus praeter te; oculi enim mei hic erant. et mehercules bene fuit. (10) Scissa lautum novendiale servo suo misello faciebat, quem mortuum manu miserat. et puto, cum vicensimariis magnam mantissam habet; quinquaginta enim millibus aestimant mortuum. (11) sed tamen suaviter fuit, etiam si coacti sumus dimidias potiones super ossucula eius effundere.« 66 (1) »tamen« inquit Trimalchio »quid habuistis in cena?« »dicam« inquit »si potuero; nam tam bonae memoriae sum, ut frequenter nomen meum obliviscar. (2) habuimus tamen in primo porcum botulo coronatum et circa sangunculum et gizeria optime facta et certe betam et panem autopyrum de suo sibi, quem ego malo quam candidum; et vires facit, et cum mea re causa facio, non ploro. (3) sequens ferculum fuit sc[i]rib[i]lita frigida et

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mer ein. (4) Ich geriet wegen seiner hoheitsvollen Erscheinung in Panik und glaubte, der Prätor sei gekommen. Deshalb versuchte ich aufzustehen und meine nackten Füße auf den Boden herab zu bringen. (5) Agamemnon lachte über meine Aufregung und sagte: »Reiß dich zusammen, du saudummer Kerl! Habinnas ist das, einer vom Sechs-Männer-Kollegium und zugleich Steinmetz, der, wie es scheint, Grabmäler sehr gut macht.« (6) Erleichtert durch diese Worte lehnte ich mich wieder zurück und musterte den eintretenden Habinnas mit riesiger Bewunderung. (7) Der nun war schon betrunken und hatte seiner Frau die Hände auf die Schultern gelegt, er war mit einigen Kränzen beladen, und während ihm Salböl über die Stirn in die Augen floss, ließ er sich auf dem Platz des Prätors nieder und verlangte sofort Wein und warmes Wasser. (8) Vergnügt über diese fröhliche Stimmung verlangte Trimalchio auch selbst einen Becher mit mehr Fassungsvermögen und fragte, wie der andere bewirtet worden sei. (9) »Alles hatten wir«, sagte der, »außer dir; denn meine Augensterne weilten hier. Und beim Herkules, es war prima. (10) Scissa richtete einen sauberen Leichenschmaus für seinen armen Sklaven aus, den er, als der im Sterben lag, freigelassen hatte. Und ich glaube, mit den Fünf-Prozent-Leuten hat er noch ein dickes Nachspiel; denn sie schätzen den Toten auf 50 000. (11) Aber trotzdem war es angenehm, auch wenn man uns nötigte, die Hälfte von jedem Trank über seine Gebeinchen zu gießen.« 66 (1) »Trotzdem«, sagte Trimalchio, »was hattet ihr bei dem Gastmahl?« »Ich will es dir sagen«, sagte er, »wenn ich kann; denn ich habe ein so gutes Gedächtnis, dass ich häufig meinen eigenen Namen vergesse. (2) Wir hatten jedenfalls beim ersten Gang ein mit Würsten bekränztes Schwein und darum herum Blutsoße und Gänseklein, sehr gut zubereitet, und natürlich rote Bete und hausgebackenes Brot aus grobem Weizenmehl, das ich lieber mag als weißes; es macht einerseits Kräfte, andererseits muss ich, wenn ich mein Geschäft mache, nicht heulen.

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supra mel caldum infusum excellente Hispanum. itaque de sc[i] rib[i]lita quidem non minimum edi, de melle me usque tetigi. (4) circa cicer et lupinum, calvae arbitratu et mala singula. ego tamen duo sustuli et ecce in mappa alligata habeo; nam si aliquid muneris meo vernulae non tulero, habebo convicium. (5) bene me admonet domina mea. in prospectu habuimus ursinae frust[r]um, de quo cum imprudens Scintilla gustasset, paene intestina sua vomuit; (6) ego contra plus libram comedi, nam ipsum aprum sapiebat. et si, inquam, ursus homuncionem comest, quanto magis homuncio debet ursum comesse? (7) in summo habuimus caseum mollem ex sapa et cocleas singulas et cordae frusta et hepatia in catillis et ova pilleata et rapam et senape et catillum concacatum, pax Palamedes. etiam in alveo circumlata sunt oxycomina, unde quidam etiam improbe ternos pugnos sustulerunt. nam pernae missionem dedimus.

67 (1) sed narra mihi, Gai, rogo, Fortunata quare non recumbit?« (2) »quomodo nosti« inquit »illam« Trimalchio »nisi argentum composuerit, nisi reliquias pueris diviserit, aquam in os suum non coniciet.« (3) »atqui« respondit Habinnas »nisi illa discumbit, ego me apoculo« et coeperat surgere, nisi signo dato Fortunata quater amplius a tota familia esset vocata. (4) venit ergo galbino succincta cingillo, ita ut infra cerasina appareret tunica et periscelides tortae

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(3) Der zweite Gang war Käsekuchen und, über heißen Honig gegossen, ein spitze Spanier. Deshalb aß ich von dem Käsekuchen zwar kein bisschen, aber langte beim Honig ständig zu. (4) Darum herum Kichererbsen und Wolfsbohnen, Haselnüsse frei nach Gusto und für jeden ein Apfel. Ich nahm trotzdem zwei und habe sie, schau, in meine Serviette gebunden; denn wenn ich meinem kleinen Haussklaven nicht irgendein Geschenk bringe, habe ich dann das Geschimpfe. (5) Gut, dass meine Frau und Gebieterin mich erinnert: Direkt vor Augen hatten wir eine Portion Bärenfleisch, und als Scintilla davon unvorsichtig kostete, erbrach sie beinahe ihre Eingeweide; (6) ich dagegen verschlang mehr als ein Pfund, denn es schmeckte genau wie Wildschwein. Und wenn, sage ich, ein Bär ein Menschlein verschlingt, wie viel mehr muss ein Menschlein einen Bären verschlingen? (7) Am Schluss hatten wir Weichkäse mit Most und jeder eine Schnecke, Kuttelstückchen und Leberhappen auf Schüsseln und Eier mit Mützen und Rüben und Senf und eine zusammengeschissene Ragoutschüssel – Basta, Palamedes! Auch wurde in einem Kübel in Essig eingemachter und dann wieder getrockneter Kümmel herumgereicht, wovon manche denn auch unverschämt drei Fäuste voll wegnahmen. Dem Schinken gewährten wir ja die Freilassung. 67 (1) Doch erzähle mir bitte, Gaius, warum liegt Fortunata nicht bei Tisch?« (2) »Du kennst sie doch«, sagte Trimalchio, »wenn sie nicht das Silbergeschirr eingeordnet, wenn sie nicht die Reste an die jungen Sklaven verteilt hat, wird sie kein Wasser in ihren Mund schütten.« (3) »Aber«, antwortete Habinnas, »wenn sie sich nicht zu Tisch legt, setze ich meinen Arsch in Bewegung.« Und er hätte sich auch erhoben, wenn nicht auf ein gegebenes Zeichen hin Fortunata viermal und öfter von der ganzen Dienerschaft gerufen worden wäre. (4) Sie kam also, das Gewand mit einem gelbgrünen Gürtelchen hochgeschürzt, so dass darunter eine kirschfarbene Tu-

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phaecasiaeque inauratae. (5) tunc sudario manus tergens, quod in collo habebat, applicat se illi toro, in quo Scintilla Habinnae discumbebat uxor, osculataque plaudentem »est te« inquit »videre?« (6) eo deinde perventum est, ut Fortunata armillas suas crassissimis detraheret lacertis Scintillaeque miranti ostenderet. ultimo etiam periscelides resolvit et reticulum aureum, quem ex obrussa esse dicebat. (7) notavit haec Trimalchio iussitque afferri omnia et »videtis« inquit »mulieris compedes: sic nos babaecalae despoliamur. sex pondo et selibram debet habere. et ipse nihilo minus habeo decem pondo armillam ex millesimis Mercurii factam«. (8) ultimo etiam, ne mentiri videretur, stateram iussit afferri et circumlatum approbari pondus. (9) nec melior Scintilla, quae de cervice sua capsellam detraxit aureolam, quam Felicionem appellabat. inde duo crotalia protulit et Fortunatae in vicem consideranda dedit et »domini« inquit »mei beneficio nemo habet meliora«. (10) »quid?« inquit Habinnas »excatarissasti me, ut tibi emerem fabam vitream. plane si filiam haberem, auriculas illi praeciderem. mulieres si non essent, omnia pro luto haberemus; nunc hoc est caldum meiere et frigidum potare.«

(11) interim mulieres sauciae inter se riserunt ebriaque iunxerunt oscula, dum altera diligentiam matris familiae iactat, altera delicias et indiligentiam viri. (12) dumque sic cohaerent, Habinnas furtim consurrexit pedesque Fortunatae correptos super lectum immisit.

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nika und geschwungene Beinringe sowie goldverzierte weiße Schühchen sichtbar waren. (5) Sodann wischte sie sich die Hände mit einem Schweißtuch ab, das sie am Hals trug, und legte sich auf das Polster, auf dem Scintilla lag, die Frau des Habinnas, und als die in die Hände klatschte, küsste sie sie und sagte: »Gibt’s das, dass man dich auch mal sieht?« (6) Dann kam es so weit, dass Fortunata die Spangen von ihren enorm dicken Armen abzog und Scintilla zeigte, die sie bewunderte. Schließlich nahm sie sogar ihre Beinringe ab und ein Haarnetz aus Gold, das, wie sie immer wieder sagte, 16  Karat hatte. (7) Trimalchio bemerkte dies, ließ sich alles bringen und sagte: »Da seht ihr die Fesseln einer Frau. So werden wir Hampelmänner ausgeplündert. Sechseinhalb Pfund müsste das haben. Und ich selbst habe gleichfalls eine zehn Pfund schwere Armspange, die nur ein Tausendstel der Zinsen aus meinem Vermögen gekostet hat.« (8) Schließlich ließ er sogar, um nicht als Lügner zu erscheinen, eine Waage bringen und reihum das Gewicht prüfen. (9) Auch nicht besser war Scintilla, die sich vom Hals ein goldenes Medaillon zog, das sie ihren Glücksbringer nannte. Daraus holte sie zwei Ohrgehänge hervor, gab sie ihrerseits Fortunata zum Betrachten und sagte: »Dank der Wohltat meines Herrn hat niemand bessere.« (10) »Was?« sagte Habinnas, »du hast mich bis aufs Blut gequält, dass ich dir gläserne Bohnen kaufen sollte! Wahrhaftig, wenn ich eine Tochter hätte, würde ich ihr die Ohrläppchen abschneiden. Wenn es keine Frauen gäbe, würden wir alles als Dreck ansehen; jetzt heißt es, warm pissen und kalt saufen.« (11) Inzwischen waren die Frauen schon schwer angeschlagen, lachten miteinander und gaben sich gegenseitig betrunkene Küsse, während die eine sich über ihre Gewissenhaftigkeit als Hausfrau ausließ, die andere über den Liebling und die Gleichgültigkeit ihres Mannes. (12) Während sie so aneinander hingen, erhob Habinnas sich heimlich, packte Fortunatas Füße und

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(13) »au au« illa proclamavit aberrante tunica super genua. composita ergo in gremio Scintillae incensissimam rubore faciem sudario abscondit. 68 (1) interposito deinde spatio cum secundas mensas Trimalchio iussisset afferri, sustulerunt servi omnes mensas et alias attulerunt, scobemque croco et minio tinctam sparserunt et, quod numquam ante videram, ex lapide speculari pulverem tritum. (2) statim Trimalchio »poteram quidem« inquit »hoc fericulo esse contentus; secundas enim mensas habetis. !sed" si quid belli habes, affer«. (3) interim puer Alexandrinus, qui caldam ministrabat, luscinias coepit imitari clamante Trimalchione subinde: »muta«. (4) ecce alius ludus. servus qui ad pedes Habinnae sedebat, iussus, credo, a domino suo proclamavit subito canora voce:

»interea medium Aeneas iam classe tenebat –.« (5) nullus sonus umquam acidior percussit aures meas; nam praeter errantis barbariae aut adiectum aut deminutum clamorem miscebat Atellanicos versus, ut tunc primum me etiam Vergilius offenderit. (6) lassus tamen cum aliquando desisset, adiecit Habinnas: »et num!quam« in"quit »didicit, sed ego ad circulatores eum mittendo erudibam. (7) itaque parem non habet, sive muliones volet sive circulatores imitari. desperatum valde ingeniosus est: idem su-

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warf sie über das Speisesofa hin. (13) »Huch, huch«, schrie sie auf, als ihr die Tunika über die Knie hochrutschte. Sie barg sich also in Scintillas Schoß und versteckte ihr Gesicht, das vor Schamröte heftigst glühte, mit ihrem Schweißtuch. 68 (1) Als dann nach einer Pause Trimalchio die Nach-Tische hatte bringen lassen, brachten die Sklaven alle Tische weg und brachten andere herbei, streuten mit Safran und Zinnober gefärbte Sägespäne und, was ich nie zuvor gesehen hatte, Pulver aus zerriebenem Spiegelstein. (2) Sogleich sagte Trimalchio: »Ich hätte es zwar bei diesem Gang gut sein lassen können; ihr habt da ja euren ›Nach-Tisch‹. Aber wenn noch etwas Nettes zu haben ist, her damit!« (3) Inzwischen begann ein junger Sklave aus Alexandria, der gerade warmes Wasser servierte, Nachtigallen nachzumachen, und Trimalchio rief immer wieder: »Jetzt was anderes!« (4) Da, schau, eine andere Spielerei: Der Sklave, der ständig Habinnas zu Füßen saß, schrie, angewiesen, glaube ich, von seinem Herrn, plötzlich in singendem Tonfall heraus: »Schon mit der Flotte hielt indessen Aeneas inmitten –.« (5) Kein Klang hat jemals schriller meine Ohren durchbohrt; denn abgesehen davon, dass er sein barbarisch hin und her schwankendes Geschrei entweder verstärkte oder dämpfte, mischte er Atellanenverse hinein, so dass mich da zum ersten Mal sogar Vergil abstieß. (6) Als er dann doch einmal erschöpft aufgehört hatte, bemerkte Habinnas etwas dazu: »Und nie«, sagte er, »hat er das richtig gelernt, sondern ich habe ihn dadurch ausgebildet, dass ich ihn immer wieder zu Straßenmusikanten schickte. (7) Deshalb hat er nicht seinesgleichen, ob er nun Maultiertreiber oder Straßenmusikanten imitieren will. Er ist zum Verzweifeln stark begabt: In einem

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tor est, idem cocus, idem pistor, omnis musae mancipium. (8) duo tamen vitia habet, quae si non haberet, esset omnium numerum: recutitus est et stertit. nam quod strabonus est, non curo: sicut Venus spectat. ideo nihil tacet, vix oculo mortuo umquam. illum emi trecentis denariis«. 69 (1) interpellavit loquentem Scintilla et »plane« inquit »non omnia artificia servi nequam narras. agaga est; at curabo, stigmam habeat«. (2) risit Trimalchio et »adcognosco« inquit »Cappadocem: nihil sibi defraudat, et mehercules laudo illum; hoc enim nemo parentat. tu autem, Scintilla, noli zelotypa esse. crede mihi, et vos novimus. (3) sic me salvum habeatis, ut ego sic solebam ipsumam meam debattuere, ut etiam dominus suspicaretur; et ideo me in vilicationem relegavit. sed tace, lingua, dabo panem«. (4) tamquam laudatus esset nequissimus servus, lucernam de sinu fictilem protulit et amplius semihora tubicines imitatus est succinente Habinna et inferius labrum manu deprimente. (5) ultimo etiam in medium processit et modo harundinibus quassis choraulas imitatus est, modo lacernatus cum flagello mulionum fata egit, donec vocatum ad se Habinnas basiavit, potionemque illi porrexit et »tanto melior« inquit »Massa, dono tibi caligas«.

(6) nec ullus tot malorum finis fuisset, nisi epidipnis esset allata, turdi siliginei uvis passis nucibusque farsi. (7) insecuta sunt Cydonia etiam mala spinis confixa, ut echinos efficerent. et haec quidem

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ist er Schuster, in einem Koch, in einem Konditor, ein Allround-Sklave. (8) Trotzdem hat er zwei Fehler; wenn er die nicht hätte, wäre er perfekt bei jeder Nummer: Er ist beschnitten, und er schnarcht. Denn dass er schieläugig ist, macht mir nichts aus: Wie Venus schaut er. Deswegen ist er nie still, fast immer sind seine Augen lebendig. Ich kaufte ihn für dreihundert Denare.« 69 (1) Scintilla unterbrach seine Worte und sagte: »Keineswegs alle Kunststücke dieses Schurken von einem Sklaven zählst du auf. Er ist ein Zuhälter; doch ich werde dafür sorgen, dass er gebrandmarkt wird.« (2) Trimalchio lachte und sagte: »Daran erkenne ich den Kappadokier. Er lässt sich keinen Profit entgehen, und, beim Herkules, ich lobe ihn; denn das alles kann ihm, wenn er tot ist, niemand mehr – geben. Du aber, Scintilla, sei nicht eifersüchtig. Glaube mir, auch euch kennen wir. (3) So wahr ihr mich als Gesunden haben möget: Ich habe immer wieder meine Herrin so durchgebumst, dass sogar mein Herr Verdacht schöpfte; und deshalb hat er mich in das Amt des Gutsverwalters abgeschoben. Doch schweige, meine Zunge: ich werde dir stattdessen Brot geben.« (4) Als ob er gelobt worden wäre, der Oberschurke von einem Sklaven, holte er eine Tonlampe aus der Tasche und machte länger als eine halbe Stunde Trompetenbläser nach, wobei Habinnas mitblies und seine Unterlippe mit der Hand herunterzog. (5) Schließlich trat er sogar in die Mitte vor, und jetzt imitierte er mit abgebrochenen Schilfrohren Flötenspieler, dann wieder spielte er im Kapuzenmantel mit einer Peitsche Szenen aus dem Leben von Maultiertreibern, bis Habinnas ihn zu sich rief, ihn küsste, ihm einen Trunk reichte und sagte: »Bravo, Massa, ich schenke dir Stiefel.« (6) Und es hätte kein Ende so vieler Qualen gegeben, wenn nicht das Dessert gebracht worden wäre: Drosseln aus Weizenteig, mit Rosinen und Nüssen gefüllt. (7) Es folgten auch noch Quitten, mit Dornen gespickt, so

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tolerabilia erant, si non fer[i]culum longe monstrosius effecisset ut vel fame perire mallemus. (8) nam cum positus esset, ut nos putabamus, anser altilis circaque pisces et omnium genera avium, »!amici,"« inquit Trimalchio »quicquid videtis hic positum, de uno corpore est factum«. (9) ego, scilicet homo prudentissimus, statim intellexi quid esset, et respiciens Agamemnonem »mirabor« inquam »nisi omnia ista de !cera" facta sunt aut certe de luto. vidi Romae Saturnalibus eiusmodi cenarum imaginem fieri«. 70 (1) necdum finieram sermonem, cum Trimalchio ait: »ita crescam patrimonio, non corpore, ut ista cocus meus de porco fecit. (2) non potest esse pretiosior homo. volueris, de vulva faciet piscem, de lardo palumbum, de perna turturem, de colepio gallinam. et ideo ingenio meo impositum est illi nomen bellissimum; nam Daedalus vocatur. (3) et quia bonam mentem habet, attuli illi Roma munus cultros Norico ferro«. quos statim iussit afferri inspectosque miratus est. etiam nobis potestatem fecit, ut mucronem ad buccam probaremus.

(4) subito intraverunt duo servi, tamquam qui rixam ad lacum fecissent; certe in collo adhuc amphoras habebant. (5) cum ergo Trimalchio ius inter litigantes diceret, neuter sententiam tulit decernentis, sed alterius amphoram fuste percussit. (6) consternati nos insolentia ebriorum intentavimus oculos in proeliantes notavimusque ostrea pectinesque e gastris labentia, quae collecta puer

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dass sie wie Seeigel wirkten. Und dies wäre gewiss erträglich gewesen, wenn nicht ein weit monströserer Gang bewirkt hätte, dass wir sogar lieber vor Hunger gestorben wären. (8) Denn als man, wie wir glaubten, eine Mastgans und um sie herum Fische sowie Vögel aller Art aufgetischt hatte, sagte Trimalchio: »Freunde, alles, was ihr hier aufgetischt seht, ist aus ein und demselben Stoff gemacht.« (9) Ich, halt ein sehr schlauer Mensch, begriff sofort, was los war, sah mich nach Agamemnon um und sagte: »Es sollte mich wundern, wenn nicht alles da aus Wachs gemacht ist oder gewiss doch aus Ton. Ich habe gesehen, dass in Rom während der Saturnalien eine Nachbildung dieser Art von Speisen gemacht wird.« 70 (1) Und ich hatte noch nicht zu Ende gesprochen, als Trimalchio sagte: »So wahr ich zunehmen möchte, an Vermögen, nicht an Leibesfülle: Das da hat mein Koch aus einem Schwein gemacht. (2) Es kann keinen wertvolleren Menschen geben. Wenn du willst, macht er aus dem Saumagen einen Fisch, aus dem Speck eine Ringeltaube, aus dem Schinken eine Turteltaube, aus dem Hüftstück eine Henne, und deshalb hat man ihm aufgrund einer genialen Idee von mir einen sehr hübschen Namen gegeben: Denn er wird Daedalus genannt. (3) Und weil er so einen guten Verstand hat, habe ich ihm aus Rom als Geschenk Messer aus norischem Stahl mitgebracht.« Diese ließ er sofort holen, betrachtete und bewunderte sie. Auch uns gab er die Möglichkeit, die Schneide an der Backe zu prüfen. (4) Plötzlich kamen zwei Sklaven herein, die so taten, als hätten sie am Brunnen einen Streit gehabt; jedenfalls trugen sie auf ihrem Nacken noch Amphoren. (5) Als nun Trimalchio zwischen den Streitenden die Entscheidung fällte, nahm keiner von beiden das Urteil des Richters an, sondern jeder zerschlug dem anderen mit einem Knüppel die Amphore. (6) Wir, ganz bestürzt über die Frechheit der beiden Betrunkenen, richteten die Augen auf die Raufenden und bemerkten, dass Austern und Kammmuscheln aus den

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lance circumtulit. (7) has lautitias aequavit ingeniosus cocus; in craticula enim argentea cochleas attulit et tremula taeterrimaque voce cantavit. (8) pudet referre quae secuntur: inaudito enim more pueri capillati attulerunt unguentum in argentea pelve pedesque recumbentium unxerunt, cum ante crura talosque corollis vinxissent. (9) hinc ex eodem unguento in vinarium atque lucernam aliquantum est infusum. (10) iam coeperat Fortunata velle saltare, iam Scintilla frequentius plaudebat quam loquebatur, cum Trimalchio »permitto« inquit »Philargyre [et Cario], etsi prasinianus es famosus, dic et Menophilae, contubernali tuae, discumbat«. (11) quid multa? paene de lectis deiecti sumus, adeo totum triclinium familia occupaverat. (12) certe ego notavi super me positum cocum, qui de porco anserem fecerat, muria condimentisque fetentem. (13) nec contentus fuit recumbere, sed continuo Ephesum tragoedum coepit imitari et subinde dominum suum sponsione provocare »si prasinus proximis circensibus primam palmam«.

71 (1) diffusus hac contentione Trimalchio »amici,« inquit »et servi homines sunt et aeque unum lactem biberunt, etiam si illos malus fatus oppresserit. tamen me salvo cito aquam liberam gustabunt. ad summam, omnes illos in testamento meo manu mitto. (2) Philargyro etiam fundum lego et contubernalem suam, Carioni quoque

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Bäuchen der Amphoren glitten, die ein junger Sklave aufsammelte und auf einer Schüssel herumreichte. (7) Mit diesen Finessen hielt der geniale Koch Schritt; denn auf einem silbernen Grill brachte er Schnecken und sang dabei mit tremolierender, höchst abscheulicher Stimme. (8) Ich schäme mich zu berichten, was dann folgte. Es war nämlich ganz unerhört: Langhaarige junge Sklaven brachten Salböl in einem silbernen Becken und salbten damit die Füße der bei Tisch Liegenden, nachdem sie zuvor die Schienbeine und Knöchel mit kleinen Kränzen umwunden hatten. (9) Dann wurde von demselben Salböl ziemlich viel in das Weingefäß und die Lampe gegossen. (10) Schon hatte Fortunata Lust zu tanzen gezeigt, schon klatschte Scintilla häufiger in die Hände als sie redete, als Trimalchio sagte: »Du bist zugelassen, Philargyrus, auch wenn du als Anhänger der Grünen bekannt bist, und sag auch deiner Partnerin Menophila, sie darf bei Tisch Platz nehmen.« (11) Was soll ich viel erzählen? Wir wurden fast von den Speisesofas herabgeworfen, so hatte die Dienerschaft das ganze Triklinium in Beschlag genommen. (12) Jedenfalls bemerkte ich, dass oberhalb von mir der Koch lag, der aus dem Schwein eine Gans gemacht hatte, und nach Fischsoße und Gewürzen stank. (13) Und es genügte ihm nicht, bei Tisch zu liegen, sondern er machte sich sogleich daran, den Tragödienschauspieler Ephesus zu imitieren und immer wieder seinen Herrn zu einer Wette aufzufordern, »ob Grün bei den nächsten Zirkusspielen den ersten Preis erringen« werde. 71 (1) Erheitert durch dieses Geplänkel sagte Trimalchio: »Freunde, auch Sklaven sind Menschen und haben einen und denselben Milch getrunken wie wir, auch wenn wohl ein böser Schicksal sie unterdrückt hat. Dennoch werden sie, so wahr es mir gut gehen möge, bald das Wasser der Freiheit kosten. Kurz und gut, ich lasse sie alle in meinem Testament frei. (2) Philargyrus vermache ich noch dazu ein Grundstück und seine Partnerin, Karion

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insulam et vicesimam et lectum stratum. (3) nam Fortunatam meam heredem facio, et commendo illam omnibus amicis meis. et haec ideo omnia publico, ut familia mea iam nunc sic me amet tamquam mortuum«. (4) gratias agere omnes indulgentiae coeperant domini, cum ille oblitus nugarum exemplar testamenti iussit afferri et totum a primo ad ultimum ingemescente familia recitavit. (5) respiciens deinde Habinnam »quid dicis« inquit »amice carissime? aedificas monumentum meum, quemadmodum te iussi? (6) valde te rogo ut secundum pedes statuae meae catellam pingas et coronas et unguenta et Petraitis omnes pugnas, ut mihi contingat tuo beneficio post mortem vivere; praeterea ut sint in fronte pedes centum, in agrum pedes ducenti. (7) omne genus enim poma volo sint circa cineres meos, et vinearum largiter. valde enim falsum est vivo quidem domos cultas esse, non curari eas, ubi diutius nobis habitandum est. et ideo ante omnia adici volo: ›hoc monumentum heredem non sequatur‹. (8) ceterum erit mihi curae ut testamento caveam ne mortuus iniuriam accipiam. praeponam enim unum ex libertis sepulcro meo custodiae causa, ne in monumentum meum populus cacatum currat. (9) te rogo ut naves etiam [monumenti mei] facias plenis velis euntes, et me in tribunali sedentem praetextatum cum anulis aureis quinque et nummos in publico de sacculo effundentem; scis enim quod epulum dedi binos denarios. (10) faciatur, si tibi videtur, et triclinia. facies et totum populum sibi

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überdies ein Mietshaus und die fünf Prozent und ein Bett mit Bettzeug. (3) Meine Fortunata mache ich ja zur Haupterbin, und ich empfehle sie allen meinen Freunden. Und dies alles gebe ich deshalb bekannt, damit mich meine Hausgemeinschaft schon jetzt so liebt, als wäre ich tot.« (4) Alle waren in Dankesbekundungen für die Großmut ihres Herrn ausgebrochen, als er, nicht mehr zu Scherzen aufgelegt, eine Abschrift seines Testaments bringen ließ und es ganz von Anfang bis Ende unter dem Geschluchze der Hausgemeinschaft vorlas. (5) Dann sah er sich nach Habinnas um und sagte: »Was meinst du, teuerster Freund? Baust du mein Grabmal, wie ich es dir aufgetragen habe? (6) Ich bitte dich sehr, dass du zu Füßen meiner Statue mein Schoßhündchen malst und Kränze und Salbölfläschchen und alle Kämpfe des Petraites, auf dass es mir dank deiner Wohltat vergönnt sei, nach dem Tode zu leben; außerdem, dass es an der Frontseite hundert Fuß, in der Tiefe zweihundert Fuß sind. (7) Jede Sorte Obstbäume nämlich, so will ich es, soll um meine Asche herum stehen und reichlich Weinstöcke. Es ist nämlich ganz falsch, dass man zwar, solange man lebt, gepflegte Häuser hat, aber sich nicht um die kümmert, wo wir länger wohnen müssen. Und deshalb will ich, dass vor allem hinzugesetzt wird: ›Dieses Grabmal soll nicht an einen Erben übergehen.‹ (8) Im Übrigen werde ich es mir angelegen sein lassen, durch mein Testament Vorsorge zu treffen, dass ich als Toter keine Beleidigung hinnehmen muss. Ich will nämlich einen von meinen Freigelassenen zur Bewachung vor meine Ruhestätte stellen lassen, damit nicht die Leute an mein Grabmal zum Kacken laufen. (9) Ich bitte dich, dass du auch Schiffe darstellst, die mit vollen Segeln dahinfahren, und mich, wie ich auf der Ehrentribüne sitze, in einer Toga mit Purpurbesatz und mit fünf goldenen Ringen, und wie ich in der Volksmenge Münzen aus einem Geldbeutel ausschütte; denn du weißt, dass ich ein Festmahl fürs Volk gegeben habe, zwei Denare pro Kopf. (10) Dargestellt werden sollen auch, wenn es

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suaviter facientem. (11) ad dexteram meam pones statuam Fortunatae meae columbam tenentem: et catellam cingulo alligatam ducat: et cicaronem meum, et amphoras copiosas gypsatas, ne effluant vinum. et unam licet fractam sculpas, et super eam puerum plorantem. horologium in medio, ut quisquis horas inspiciet, velit nolit, nomen meum legat. (12) inscriptio quoque vide diligenter si haec satis idonea tibi videtur: ›C. Pompeius Trimalchio Maecenatianus hic requiescit. huic seviratus absenti decretus est. cum posset in omnibus decuriis Romae esse, tamen noluit. pius, fortis, fidelis, ex parvo crevit; sestertium reliquit trecenties, nec umquam philosophum audivit. vale: et tu‹.«

72 (1) haec ut dixit Trimalchio, flere coepit ubertim. flebat et Fortunata, flebat et Habinnas, tota denique familia, tamquam in funus rogata, lamentatione triclinium implevit. (2) immo iam coeperam etiam ego plorare, cum Trimalchio »ergo« inquit »cum sciamus nos morituros esse, quare non vivamus? (3) sic vos felices videam, coniciamus nos in balneum, meo periculo, non paenitebit. sic calet tamquam furnus«. (4) »vero, vero« inquit Habinnas »de una die duas facere, nihil malo« nudisque consurrexit pedibus et Trimalchionem gaudentem subsequi. (5) ego respiciens ad Ascylton »quid cogitas?« inquam »ego enim si videro balneum, statim expirabo«. (6) »assentemur« ait ille »et dum illi balneum petunt, nos in turba exeamus«. (7) cum haec

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dir gut scheint, meine Triklinien. Du wirst auch die ganzen Leute darstellen, wie sie sich’s genüsslich machen. (11) An meine rechte Seite wirst du eine Statue meiner Fortunata mit einer Taube in der Hand stellen, und sie soll mein Schoßhündchen an ihrem Gürtel angeleint führen; und dann meinen Liebling und große Amphoren, mit Gips verschlossen, damit sie den Wein nicht herausfließen lassen. Und eine darfst du zerbrochen modellieren, und über ihr einen Knaben, wie er weint. Eine Uhr in der Mitte, so dass jeder, der nach der Stunde sieht, nolens volens meinen Namen liest. (12) Auch sieh genau zu, ob diese Inschrift dir passend genug erscheint: ›C. Pompeius Trimalchio Maecenatianus ruht hier. Ihm wurde der Sitz im Sechs-MännerKollegium in Abwesenheit zuerkannt. Obwohl er allen Dekurien Roms hätte angehören können, wollte er es doch nicht. Fromm, tapfer, treu; aus kleinen Verhältnissen stieg er auf; dreißig Millionen hat er hinterlassen, und niemals hat er einen Philosophen gehört. Lebe wohl! – Auch du!‹« 72 (1) Als Trimalchio dies gesagt hatte, weinte er heftig los. Es weinte auch Fortunata, es weinte auch Habinnas, die ganze Dienerschaft erfüllte schließlich, wie zum Begräbnis gebeten, mit Wehklage das Triklinium. (2) Ja, sogar ich hatte schon angefangen zu heulen, als Trimalchio sagte: »Also, da wir doch wissen, dass wir sterben werden, warum sollen wir nicht leben? (3) So wahr ich euch glücklich sehen möchte: Stürzen wir uns ins Bad, auf meine Verantwortung, ihr werdet es nicht bereuen. Es ist so heiß wie ein Ofen.« (4) »Richtig, richtig«, sagte Habinnas, »aus einem Tag zwei machen, nichts mag ich lieber«, stand mit nackten Füßen auf und folgte Trimalchio, der seine Freude daran hatte. (5) Ich sah mich nach Askylt um und sagte: »Was denkst du darüber? Denn, was mich betrifft – wenn ich das Bad nur sehe, gebe ich sofort den Geist auf.« (6) »Wir wollen mal ja dazu sagen«, antwortete er, »und während dann die da dem Bade zustreben, uns im Gedränge davonmachen.« (7) Als

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placuissent, ducente per porticum Gitone ad ianuam venimus, ubi canis catenarius tanto nos tumultu excepit, ut Ascyltos etiam in piscinam ceciderit. nec non ego quoque ebrius !et" qui etiam pictum timueram canem, dum natanti opem fero, in eundem gurgitem tractus sum. (8) servavit nos tamen atriensis, qui interventu suo et canem placavit et nos trementes extraxit in siccum. (9) et Giton quidem iam dudum se ratione acutissima redemerat a cane; quicquid enim a nobis acceperat de cena, latranti sparserat, at ille avocatus cibo furorem suppresserat. (10) ceterum cum algentes udique petissemus ab atriense ut nos extra ianuam emitteret, »erras« inquit »si putas te exire hac posse qua venisti. nemo umquam convivarum per eandem ianuam emissus est; alia intrant, alia exeunt«.

73 (1) quid faciamus homines miserrimi et novi generis labyrintho inclusi, quibus lavari iam coeperat votum esse? (2) ultro ergo rogavimus ut nos ad balneum duceret, proiectisque vestimentis, quae Giton in aditu siccare coepit, balneum intravimus, augustum scilicet et cisternae frigidariae simile, in quo Trimalchio rectus stabat. ac ne sic quidem putidissimam eius iactationem licuit effugere; nam nihil melius esse dicebat quam sine turba lavari, et eo ipso loco aliquando pistrinum fuisse. (3) deinde ut lassatus consedit, invitatus balnei sono diduxit usque ad cameram os ebrium et coepit Menecratis cantica lacerare, sicut illi dicebant qui linguam eius intellegebant. (4) ceteri convivae circa labrum manibus nexis currebant

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das beschlossene Sache war, kamen wir, von Giton durch die Säulenhalle geführt, zur Haustür, wo uns der Kettenhund mit so gewaltigem Lärm empfing, dass Askylt sogar in das Fischbassin fiel. Ja, und auch ich, betrunken und einer, der sogar vor einem gemalten Hund Angst gehabt hatte, wurde, als ich dem Schwimmenden zu helfen versuchte, in dieselbe Tiefe gezogen. (8) Es rettete uns dann doch der Hausmeister, der durch sein Einschreiten sowohl den Hund beruhigte als auch uns Zitternde aufs Trockene zog. (9) Und Giton hatte sich schon längst mit einer sehr schlauen Methode von dem Hund losgekauft; denn alles, was er durch uns vom Gastmahl bekommen hatte, hatte er dem Kläffer hingeworfen, und der hatte, von dem Futter abgelenkt, sofort seine Wut unterdrückt. (10) Aber als wir frierend und nass den Hausmeister baten, uns zur Tür hinauszulassen, sagte er: »Du irrst, wenn du glaubst, du kannst da hinausgehen, wo du hereingekommen bist. Keiner der Gäste wurde jemals durch dieselbe Tür hinausgelassen; durch die eine treten sie ein, durch die andere gehen sie hinaus.« 73 (1) Was sollten wir, eingesperrt in ein Labyrinth neuer Art, denn machen, wir ärmsten Kerle, für die Baden allmählich wünschenswert geworden war? (2) Also baten wir ihn freiwillig, uns zum Bad zu führen, warfen dann unsere Kleider ab, die Giton beim Eingang zu trocknen begann, und betraten das Bad, das natürlich stattlich und einer Kaltwasserzisterne ähnlich war und in dem Trimalchio aufrecht dastand. Und nicht einmal in dieser Situation war es möglich, seiner höchst widerwärtigen Angeberei zu entrinnen; denn er sagte gerade, es sei nichts besser, als ohne Gedränge zu baden, und an ebendiesem Ort sei einmal eine Backstube gewesen. (3) Als er sich dann erschöpft hingesetzt hatte, ließ er sich durch die gute Akustik des Baderaums dazu einladen, bis zur Decke seinen betrunkenen Mund aufzusperren und mit dem Verhunzen von Arien des Menekrates zu beginnen, wie diejenigen sagten, die mit seiner Aussprache zurechtkamen. (4) Die übrigen Gäste lie-

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et gingilipho ingenti clamore exsonabant. alii autem [aut] restrictis manibus anulos de pavimento conabantur tollere aut posito genu cervices post terga flectere et pedum extremos pollices tangere. (5) nos, dum illi sibi ludos faciunt, in solium, quod Trimalchioni pervaporabatur, descendimus. ergo ebrietate discussa in aliud triclinium deducti sumus, ubi Fortunata disposuerat lautitias [suas ita ut supra]  … lucernas aeneolosque piscatores notavimus et mensas totas argenteas calicesque circa fictiles inauratos et vinum in conspectu sacco defluens. (6) tum Trimalchio »amici,« inquit »hodie servus meus barbatoriam fecit, homo praefiscini frugi et micarius. itaque tangomenas faciamus et usque in lucem cenemus«. 74 (1) haec dicente eo gallus gallinaceus cantavit. qua voce confusus Trimalchio vinum sub mensa iussit effundi lucernamque etiam mero spargi. (2) immo anulum traiecit in dexteram manum et »non sine causa« inquit »hic bucinus signum dedit; nam aut incendium oportet fiat, aut aliquis in vicinia animam abiciet. (3) longe a nobis. itaque quisquis hunc indicem attulerit, corollarium accipiet«. (4) dicto citius [de vicinia] gallus allatus est, quem Trimalchio iussit ut aeno coctus fieret. (5) laceratus igitur ab illo doctissimo coco, qui paulo ante de porco aves piscesque fecerat, in caccabum est coniectus. dumque Daedalus potionem ferventissimam haurit, Fortunata mola buxea piper trivit.

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fen, sich an den Händen haltend, um den Beckenrand herum und ließen mit lautem Geschrei ein schallendes Gelächter ertönen. Andere dagegen versuchten mit auf dem Rücken verschränkten Armen Ringe vom Boden hochzukriegen oder auf Knien den Nacken nach hinten zu biegen und die Zehenspitzen zu berühren. (5) Wir stiegen, während sie ihre Spiele machten, in das Becken, das für Trimalchio zum Sieden gebracht wurde. Als nun die Betrunkenheit ausgetrieben war, wurden wir in ein anderes Triklinium geführt, wo Fortunata prächtige Gegenstände zur Schau gestellt hatte … Uns fielen Lampen und kleine Fischerstatuen aus Bronze auf und Tische ganz aus Silber, darum herum vergoldete Tonbecher und Wein, der vor unseren Augen durch einen Tuchfilter abfloss. (6) Da sagte Trimalchio: »Freunde, heute hat einer meiner Sklaven das Fest der ersten Bartschur gefeiert, ein  – toi, toi, toi  – anständiger Mensch und ein Pfennigfuchser. Darum wollen wir uns zuprosten und bis zum Tagesanbruch schmausen.« 74 (1) Während er dies sagte, krähte ein Gockelhahn. Durch diesen Schrei verstört, ließ Trimalchio Wein unter den Tisch gießen und dazu die Lampe mit ungemischtem Wein besprengen. (2) Ja, er steckte sogar einen Ring an die rechte Hand um und sagte: »Nicht ohne Grund hat dieser Trompeter ein Zeichen gegeben; denn entweder muss nun ein Brand ausbrechen, oder irgendjemand in der Nachbarschaft wird seine Seele heraustreiben. (3) Das sei weit von uns! Deshalb wird, wer auch immer diesen Künder herbeibringt, ein Trinkgeld bekommen.« (4) Schneller, als er das gesagt hatte, brachte man den Hahn herbei, den Trimalchio in einem Bronzekessel zu kochen befahl. (5) Er wurde also von dem hochtalentierten Koch zerlegt, der kurz zuvor aus einem Schwein Vögel und Fische gemacht hatte, und in einen Kochtopf geworfen. Und während Daedalus die siedend heiße Fleischbrühe herausschöpfte, mahlte Fortunata Pfeffer in einer Handmühle aus Buchsbaumholz.

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(6) sumptis igitur matteis respiciens ad familiam Trimalchio »quid? vos« inquit »adhuc non cenastis? abite, ut alii veniant ad officium«. (7) subiit igitur alia classis, et illi quidem exclamavere: »vale Gai«, hi autem: »ave Gai«. (8) hinc primum hilaritas nostra turbata est; nam cum puer non inspeciosus inter novos intrasset ministros, invasit eum Trimalchio et osculari diutius coepit. (9) itaque Fortunata, ut ex aequo ius firmum approbaret, male dicere Trimalchionem coepit et purgamentum dedecusque praedicare, qui non contineret libidinem suam. (10) ultimo etiam adiecit: »canis«. Trimalchio contra offensus convicio calicem in faciem Fortunatae immisit. (11) illa tamquam oculum perdidisset exclamavit manusque trementes ad faciem suam admovit. (12) consternata est etiam Scintilla trepidantemque sinu suo texit. immo puer quoque officiosus urceolum frigidum ad malam eius admovit, super quem incumbens Fortunata gemere ac flere coepit. (13) contra Trimalchio »quid enim?« inquit »ambubaia non meminit se? de machina illam sustuli, hominem inter homines feci. at inflat se tamquam rana, et in sinum suum non spuit, codex, non mulier. (14) sed hic qui in pergula natus est aedes non somniatur. ita genium meum propitium habeam, curabo domata sit Cassandra caligaria. (15) et ego, homo dipundiarius, sestertium centies accipere potui. scis tu me non mentiri. Agatho unguentarius [here] proxime seduxit me et ›suadeo‹ inquit ›non

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(6) Nachdem dann die Leckerbissen eingenommen worden waren, sah Trimalchio sich nach der Dienerschaft um und sagte: »Was? Ihr habt noch nicht zu Abend gegessen? Marschiert ab, damit andere zum Dienst kommen können.« (7) Es rückte also eine andere Truppe nach, und die einen riefen: »Lebe wohl, Gaius!«, die anderen aber »Sei gegrüßt, Gaius!« (8) Dann wurde zum ersten Mal unsere Heiterkeit getrübt. Denn als ein nicht unansehnlicher junger Sklave unter den neuen Dienern eingetreten war, fiel Trimalchio über ihn her und begann, ihn längere Zeit zu küssen. (9) Deshalb begann Fortunata, Trimalchio zu beschimpfen, um die Gültigkeit von »Gleiches Recht für alle!« zu beweisen, und ihn als »Müllhaufen« und »Schandfleck«, der seine Geilheit nicht beherrschen könne, zu titulieren. (10) Schließlich fügte sie sogar »Du Hund!« hinzu. Trimalchio dagegen, durch die Beschimpfung gekränkt, warf Fortunata einen Becher ins Gesicht. (11) Sie schrie auf, als hätte sie ein Auge verloren, und hielt die zitternden Hände vors Gesicht. (12) Aus der Fassung gebracht war auch Scintilla, und sie bedeckte die Bebende mit dem Bausch ihres Gewandes. Ja, sogar ein junger Sklave hielt ihr diensteifrig einen eiskalten kleinen Krug an die Wange, und Fortunata, die ihren Kopf darauf legte, jammerte und weinte los. (13) Trimalchio dagegen sagte: »Ja, wie denn? Die Straßenflötistin erinnert sich nicht? Vom Sklavenverkaufsstand habe ich sie weggeholt, zu einem Menschen unter Menschen gemacht. Doch sie bläht sich auf wie ein Frosch und spuckt sich dabei nicht ins Gewand, ein Holzklotz, keine Frau. (14) Aber wer in einer Bretterbude geboren ist, kann von einem vornehmen Haus nicht einmal träumen. So wahr mir mein Schutzgeist gnädig sein möge, ich werde dafür sorgen, dass sie gebändigt ist, die Soldatenstiefel-Kassandra. (15) Und ich, ich strohdummer Kerl, hätte zehn Millionen Sesterzen kriegen können. Du weißt, dass ich nicht lüge. Agatho, der Parfümhändler, hat mich erst vor kurzem beiseite genommen und gesagt: ›Ich rate dir, lass nicht

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patiaris genus tuum interire‹. (16) at ego dum bonatus ago et nolo videri levis, ipse mihi asciam in crus impegi. (17) recte, curabo me unguibus quaeras. et ut depraesentiarum intellegas quid tibi feceris: Habinna, nolo statuam eius in monumento meo ponas, ne mortuus quidem lites habeam. immo, ut sciat me posse malum dare, nolo me mortuum basiet«.

75 (1) post hoc fulmen Habinnas rogare coepit ut iam desineret irasci et »nemo« inquit »nostrum non peccat. homines sumus, non dei«. (2) idem et Scintilla flens dixit ac per genium eius Gaium appellando rogare coepit ut se frangeret. (3) non tenuit ultra lacrimas Trimalchio et »rogo« inquit »Habinna, sic peculium tuum fruniscaris: si quid perperam feci, in faciem meam inspue. (4) puerum basiavi frugalissimum, non propter formam, sed quia frugi est: decem partes dicit, librum ab oculo legit, thraecium sibi de diariis fecit, arcisellium de suo paravit et duas trullas. (5) non est dignus quem in oculis feram? (6) sed Fortunata vetat. ita tibi videtur, fulcipedia? suadeo bonum tuum concoquas, milva, et me non facias ringentem, amasiuncula: alioquin experieris cerebrum meum. (7) nosti me: quod semel destinavi, clavo trabali fixum est. sed vivorum meminerimus. (8) vos rogo, amici, ut vobis suaviter sit. nam ego quoque tam fui quam vos estis, sed virtute mea ad hoc perveni. cor-

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zu, dass dein Geschlecht ausstirbt!‹ (16) Doch ich, weil ich mich gutmütig zeige und nicht als leichtsinnig gelten will, habe mir selbst die Axt ins Bein gehauen. (17) Na gut, aber ich werde dafür sorgen, dass du mit den Fingernägeln nach mir graben sollst. Und damit du augenblicklich begreifst, was du dir da eingebrockt hast: Habinnas, ich will nicht, dass du eine Statue von ihr auf mein Grabmal stellst, damit ich wenigstens als Toter keine Streitereien habe. Und mehr noch: Damit sie weiß, dass ich wehtun kann, ist mein Wille, dass sie meine Leiche nicht küssen darf.« 75 (1) Nach diesem Blitzschlag begann Habinnas ihn zu bitten, doch jetzt von seinem Zorn abzulassen, und sagte: »Niemand von uns macht keine Fehler. Wir sind Menschen, keine Götter.« (2) Dasselbe sagte weinend auch Scintilla, und indem sie ihn Gaius nannte, begann sie ihn bei seinem Schutzgeist zu bitten, sich zu bezähmen. (3) Trimalchio konnte die Tränen nicht länger zurückhalten und sagte: »Bitte, Habinnas, so wahr du dein Vermögen genießen mögest: Wenn ich etwas falsch gemacht habe, spuck mir ins Gesicht! (4) Den äußerst genügsamen Knaben habe ich geküsst, ja, aber nicht wegen seiner Schönheit, sondern weil er genügsam ist: Er kann durch zehn teilen, ein Buch vom Blatt lesen, eine Gladiatorenausrüstung hat er sich von seinem Tagelohn verschafft, einen Lehnstuhl und zwei Schöpfkellen aus eigenen Ersparnissen erstanden. (5) Verdient er nicht, mein Augenstern zu sein? (6) Aber Fortunata verbietet es. Denkst du so, Hochhackige? Ich rate dir, bedenke, wie gut es dir geht, du Raubvogel, und bringe mich nicht dazu, dass ich die Zähne fletsche, mein kleiner Liebling, sonst wirst du erfahren, was ich für ein Hitzkopf bin. (7) Du kennst mich: Was ich einmal beschlossen habe, steht niet- und nagelfest. Aber wir wollen an die Lebenden denken. (8) Ich bitte euch, Freunde, dass ihr es euch gemütlich sein lasst. Denn auch ich war einmal so dran, wie ihr es seid, aber durch meine Tüchtigkeit habe ich es bis hierher gebracht. Köpfchen ist es, was den Mann

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cillum est quod homines facit, cetera quisquilia omnia. (9) ›bene emo, bene vendo‹; alius alia vobis dicet. felicitate dissilio. tu autem, sterteia, etiamnum ploras? iam curabo fatum tuum plores. (10) sed, ut coeperam dicere, ad hanc me fortunam frugalitas mea perduxit. tam magnus ex Asia veni quam hic candelabrus est. ad summam, quotidie me solebam ad illum metiri, et ut celerius rostrum barbatum haberem, labra de lucerna ungebam. (11) tamen ad delicias [femina] ipsimi [domini] annos quattuordecim fui. nec turpe est quod dominus iubet. ego tamen et ipsimae [dominae] satis faciebam. scitis quid dicam: taceo, quia non sum de gloriosis. 76 (1) ceterum, quemadmodum di volunt, dominus in domo factus sum, et ecce cepi ipsimi cerebellum. (2) quid multa? coheredem me Caesari fecit, et accepi patrimonium laticlavium. (3) nemini tamen nihil satis est. concupivi negotiari.

ne multis vos morer, quinque naves aedificavi, oneravi vinum – et tunc erat contra aurum – misi Romam. (4) putares me hoc iussisse: omnes naves naufragarunt, factum, non fabula. uno die Neptunus trecenties sestertium devoravit. (5) putatis me defecisse? non mehercules mi haec iactura gusti fuit, tamquam nihil facti. alteras feci maiores et meliores et feliciores, ut nemo non me virum fortem diceret. (6) sc!it"is, magna navis magnam fortitudinem habet. oneravi rursus vinum, lardum, fabam, seplasium, mancipia. (7) hoc loco Fortunata rem piam fecit; omne enim aurum suum, om-

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macht, alles andere ist Krimskrams. (9) ›Gut kaufen, gut verkaufen‹: Jeder wird euch etwas anderes sagen. Ich platze vor Erfolg. Du aber, Schnarchtante, heulst du immer noch? Ich werde schon noch dafür sorgen, dass du über dein Schicksal heulst. (10) Doch was ich sagen wollte: Zu diesem Wohlstand hat mich meine Genügsamkeit gebracht. So groß, wie der Leuchter hier ist, bin ich aus Kleinasien gekommen. Kurz und gut, jeden Tag wieder habe ich mich an ihm gemessen, und um schneller einen bärtigen Schnabel zu haben, rieb ich mir immer die Lippen mit Lampenöl ein. (11) Dennoch war ich für die Lüste meines Herrn vierzehn Jahre lang da. Und es ist keine Schande, was der Herr befiehlt. Aber auch die Herrin habe ich immer wieder befriedigt. Ihr wisst, was ich meine: Ich schweige, weil ich nicht einer von den Angebern bin. 76 (1) Nun, wie es die Götter halt so wollen, wurde ich zum Herrn im Haus, und, sieh da, ich nahm das Hirnchen meines Herrn ganz in Beschlag. (2) Was soll ich viel sagen? Zum Miterben neben Caesar machte er mich, und ich bekam ein Vermögen mit Purpurbesatz. (3) Doch niemandem ist nichts genug. Ich hatte Lust, Geschäfte zu machen. Um euch nicht mit vielen Worten aufzuhalten: Fünf Schiffe ließ ich bauen und Wein laden – und damals wog der Gold auf – und schickte sie nach Rom. (4) Man hätte meinen können, ich hätte es so befohlen: Alle Schiffe erlitten Schiffbruch. Tatsache, keine Story. An einem einzigen Tag verschlang Neptun dreißig Millionen. (5) Meint ihr, ich gab auf ? Beim Herkules, dieser Verlust machte mir nichts aus, so als wäre gar nichts geschehen. Ich ließ andere bauen, größere und bessere und ertragreichere, so dass keiner mich nicht einen leistungsfähigen Mann nannte. (6) Ihr wisst, ein großes Schiff hat große Leistungsfähigkeit. Ich ließ wiederum Wein, Speck, Bohnen, Parfüm, Sklaven laden. (7) Bei dieser Gelegenheit tat Fortunata ein liebevolles Werk; denn sie verkaufte ihren ganzen Goldschmuck, ihre

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nia vestimenta vendidit et mi centum aureos in manu posuit. (8) hoc fuit peculii mei fermentum. cito fit quod di volunt. uno cursu centies sestertium corrotundavi. statim redemi fundos omnes, qui patroni mei fuerant. aedifico domum, venalicia coemo, iumenta; quicquid tangebam, crescebat tamquam favus. (9) postquam coepi plus habere quam tota patria mea habet, manum de tabula: sustuli me de negotiatione et coepi !per" libertos faenerare.

(10) et sane nolentem me negotium meum agere exhortavit mathematicus, qui venerat forte in coloniam nostram, Graeculio, Serapa nomine, consiliator deorum. (11) hic mihi dixit etiam ea quae oblitus eram; ab acia et acu mi omnia exposuit; intestinas meas noverat; tantum quod mihi non dixerat quid pridie cenaveram. putasses illum semper mecum habitasse. 77 (1) rogo, Habinna – puto, interfuisti –: ›tu dominam tuam de rebus illis fecisti. tu parum felix in amicos es. nemo umquam tibi parem gratiam refert. tu latifundia possides. (2) tu viperam sub ala nutricas‹ et, quod vobis non dixerim, etiam nunc mi restare vitae annos triginta et menses quattuor et dies duos. praeterea cito accipiam hereditatem. hoc mihi dicit fatus meus.

(3) quod si contigerit fundos Apuliae iungere, satis vivus pervenero. (4) interim dum Mercurius vigilat, aedificavi hanc domum. ut scitis, casa erat; nunc templum est. habet quattuor cenationes, cubicula viginti, porticus marmoratos duos, susum cellationem, cubiculum

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ganzen Kleider und legte mir hundert Golddenare in die Hände. (8) Das war die Hefe für mein Vermögen. Schnell geschieht, was die Götter wollen. Mit einer einzigen Tour machte ich volle zehn Millionen. Sofort kaufte ich alle Grundstücke zurück, die meinem Herrn gehört hatten. Ich baute mir ein Haus, kaufte eine Sklavenschar und Zugtiere zusammen; was ich auch anfasste, wuchs wie eine Honigwabe. (9) Als ich allmählich mehr hatte, als meine ganze Vaterstadt hat  – Hände vom Tisch! Ich zog mich aus dem Handelsgeschäft zurück und fing an, mit Hilfe von Freigelassenen Geld gegen Zinsen zu verleihen. (10) Und tatsächlich: Als ich meinen Handel nicht mehr treiben wollte, hat mir ein Astrologe zugeredet, der zufällig in unser Städtchen gekommen war, ein Griechelchen, Serapa mit Namen, Berater der Götter. (11) Der sagte mir sogar Dinge, die ich vergessen hatte; nach Strich und Faden setzte er mir alles auseinander; er konnte meine Eingeweide sehen; es fehlte nur, dass er mir gesagt hätte, was ich am Tag zuvor gegessen hatte. Man hätte meinen können, er habe immer mit mir zusammengewohnt. 77 (1) Bitte, Habinnas – ich glaube, du warst dabei: ›Du hast dir deine Frau und Gebieterin mit Hilfe deines Vermögens beschafft. Du hast zu wenig Glück mit deinen Freunden. Niemand stattet dir jemals gebührenden Dank ab. Du besitzt große Landgüter. (2) Du nährst eine Schlange an deinem Busen.‹ Und, was ich euch eigentlich nicht sagen würde: dass mir jetzt vom Leben noch dreißig Jahre, vier Monate und zwei Tage bleiben. Außerdem soll ich bald eine Erbschaft machen. Das sagt mir mein Horoskop. (3) Wenn es mir gelingt, meine Landgüter an Apulien anzuschließen, werde ich es zu Lebzeiten genügend weit gebracht haben. (4) Inzwischen habe ich, während Merkur über mich wachte, dieses Haus gebaut. Wie ihr wisst, war es eine Hütte; jetzt ist es ein Tempel. Es hat vier Speisesäle, zwanzig Schlafräume, zwei Säulenhallen aus Marmor, oben eine Reihe von Kam-

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in quo ipse dormio, viperae huius sessorium, ostiarii cellam perbonam; hospitium hospites !C" capit. (5) ad summam, Scaurus cum huc venit, nusquam mavoluit hospitari, et habet ad mare paternum hospitium. et multa alia sunt, quae statim vobis ostendam. (6) credite mihi: assem habeas, assem valeas; habes, habeberis. sic amicus vester, qui fuit rana, nunc est rex. (7) interim, Stiche, profer vitalia, in quibus volo me efferri. profer et unguentum et ex illa amphora gustum, ex qua iubeo lavari ossa mea.«

78 (1) non est moratus Stichus, sed et stragulam albam et praetextam in triclinium attulit iussitque nos !Trimalchio" temptare an bonis lanis essent confecta. (2) tum subridens »vide tu« inquit »Stiche, ne ista mures tangant aut tineae; alioquin te vivum comburam. ego gloriosus volo efferri, ut totus mihi populus bene imprecetur«. (3) statim ampullam nardi aperuit omnesque nos unxit et »spero« inquit »futurum ut aeque me mortuum iuvet tamquam vivum«. (4) nam vinum quidem in vinarium iussit infundi et »putate vos« ait »ad parentalia mea invitatos esse«.

(5) ibat res ad summam nauseam, cum Trimalchio ebrietate turpissima gravis novum acroama, cornicines, in triclinium iussit adduci, fultusque cervicalibus multis extendit se supra torum extremum et »fingite me« inquit »mortuum esse. dicite aliquid belli«. (6) consonuere cornic!in"es funebri strepitu. unus praecipue servus libitinarii illius, qui inter hos honestissimus erat, tam valde intonuit,

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mern, ein Schlafzimmer, in dem ich selbst schlafe, das Wohnzimmer dieser Schlange, eine sehr schöne Kammer für den Pförtner; der Gästetrakt fasst hundert Gäste. (5) Kurz und gut, immer wenn Scaurus hierher kam, wollte er nirgendwo lieber einquartiert werden, und dabei hat er am Meer ein vom Vater geerbtes Quartier. Und es gibt noch vieles andere, was ich euch gleich zeigen werde. (6) Glaubt mir: Hast du einen As, giltst du einen As; hast du was, giltst du was. So ist euer Freund, der ein Frosch war, jetzt ein König. (7) Inzwischen, Stichus, bringe die Totengewänder her, in denen ich zu Grabe getragen werden will. Bringe auch das Salböl her und eine Kostprobe aus jener Amphore, aus der, wie ich befehle, meine Gebeine gewaschen werden sollen.« 78 (1) Stichus zögerte nicht, sondern brachte ein weißes Leichentuch und eine Toga mit Purpurbesatz in das Triklinium, und Trimalchio forderte uns auf, zu fühlen, ob sie aus guter Wolle hergestellt seien. (2) Dann sagte er lächelnd: »Sieh zu, Stichus, dass keine Mäuse hinkommen oder Motten; sonst lasse ich dich bei lebendigem Leibe verbrennen. Ich will prunkvoll zu Grabe getragen werden, so dass alle Leute mir dabei Gutes wünschen.« (3) Sogleich öffnete er das Fläschchen mit Nardenöl, bestrich uns alle damit und sagte: »Ich hoffe, es kommt so, dass mich das als Toten ebenso erquickt wie als Lebenden.« (4) Ja, er ließ sogar Wein in einen Weinbehälter gießen und sagte: »Stellt euch vor, dass ihr zu meinen Parentalien eingeladen seid.« (5) Die Sache wurde endgültig zum Kotzen, als Trimalchio, überwältigt von höchst widerlicher Betrunkenheit, als neuen Ohrenschmaus Hornbläser in das Triklinium bringen ließ, gestützt auf viele Kissen sich der Länge nach über das Speisesofa ausstreckte und sagte: »Tut so, als wäre ich tot. Spielt etwas Nettes!« (6) Die Hornisten ließen sich laut mit einem Trauermarsch vernehmen. Einer vor allem, ein Sklave des erwähnten Bestattungs-

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ut totam concitaret viciniam. (7) itaque vigiles, qui custodiebant vicinam regionem, rati ardere Trimalchionis domum effregerunt ianuam subito et cum aqua securibusque tumultuari suo iure coeperunt. (8) nos occasionem opportunissimam nacti Agamemnoni verba dedimus raptimque tam plane quam ex incendio fugimus …

79 (1) neque fax ulla in praesidio erat, quae iter aperiret errantibus, nec silentium noctis iam mediae promittebat occurrentium lumen. (2) accedebat huc ebrietas et imprudentia locorum etiam interdiu obfutura. (3) itaque cum hora paene tota per omnes scrupos gastrarumque eminentium fragmenta traxissemus cruentos pedes, tandem expliciti acumine Gitonis sumus. (4) prudens enim puer, cum luce etiam clara timeret errorem, omnes pilas columnasque notaverat creta, quae lineamenta evicerunt spississimam noctem et notabili candore ostenderunt errantibus viam. (5) quamvis non minus sudoris habuimus etiam postquam ad stabulum pervenimus. (6) anus enim ipsa inter deversitores diutius ingurgitata ne ignem quidem admotum sensisset. et forsitan pernoctassemus in limine, ni tabellarius Trimalchionis intervenisset εὐάρματος. (7) non diu ergo tumultuatus stabuli ianuam effregit et nos tandem per eandem fenestram admisit *

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unternehmers, der unter ihnen den höchsten Rang hatte, ließ es so mächtig ertönen, dass er die ganze Nachbarschaft in Unruhe versetzte. (7) Deshalb glaubten die Feuerwehrleute, die den Nachbarbezirk überwachten, es brenne Trimalchios Haus, brachen plötzlich die Haustür auf und fingen an, entsprechend ihrer Amtsbefugnis mit Wasser und Beilen herumzulärmen. (8) Wir ergriffen die äußerst günstige Gelegenheit, gebrauchten eine Ausrede gegenüber Agamemnon und liefen schleunigst davon, ganz so wie vor einem Brand … 79 (1) Aber uns bot keine einzige Fackel Schutz, die uns den Weg hätte weisen können, als wir herumirrten, und die Stille der schon angebrochenen Mitternachtsstunde ließ auch nicht auf entgegenkommende Leute mit einem Licht hoffen. (2) Dazu kam unsere Betrunkenheit und unsere mangelnde Ortskenntnis, die uns auch tagsüber hinderlich gewesen wäre. (3) Als wir daher fast eine ganze Stunde lang über jeden spitzen Stein und jede scharfkantig aufragende Topfscherbe unsere blutigen Füße geschleppt hatten, wurden wir endlich durch Gitons Scharfsinn erlöst. (4) Denn der schlaue Knabe hatte, weil er auch am hellichten Tage fürchtete, sich zu verirren, alle Pfeiler und Säulen mit Kreide markiert, und diese Striche besiegten das dichteste Dunkel der Nacht und zeigten mit ihrem gut sichtbaren Weiß uns Herumirrenden den Weg. (5) Gleichwohl hatten wir auch nicht weniger zu schwitzen, nachdem wir bei der Absteige angelangt waren. (6) Die Alte hatte nämlich ebenfalls zusammen mit ihren Gästen ziemlich lange gebechert und hätte nicht einmal ein Feuer unterm Hintern bemerkt. Und vielleicht hätten wir auf der Schwelle übernachtet, wenn nicht ein Kurier Trimalchios darüber hin gekommen wäre, der einen schönen Wagen hatte. (7) Ohne nun lange herumzulärmen, brach er die Tür der Absteige auf und ließ uns durch ebendiese Öffnung ein *

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(8) qualis nox fuit illa, di deaeque, quam mollis torus. haesimus calentes et transfudimus hinc et hinc labellis errantes animas. valete, curae mortalis. ego sic perire coepi.

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(9) sine causa gratulor mihi. nam cum solutus mero remisissem ebrias manus, Ascyltos, omnis iniuriae inventor, subduxit mihi nocte puerum et in lectum transtulit suum, volutatusque liberius cum fratre non suo, sive non sentiente iniuriam sive dissimulante, indormivit alienis amplexibus oblitus iuris humani. (10) itaque ego ut experrectus pertrectavi gaudio despoliatum torum …

si qua est amantibus fides, ego dubitavi an utrumque traicerem gladio somnumque morti iungerem. (11) tutius dein secutus consilium Gitona quidem verberibus excitavi, Ascylton autem truci intuens vultu »quoniam« inquam »fidem scelere violasti et communem amicitiam, res tuas ocius tolle et alium locum quem polluas quaere.« (12) non repugnavit ille, sed postquam optima fide partiti manubias sumus, »age« inquit »nunc et puerum dividamus«. 80 (1) iocari putabam discedentem. at ille gladium parricidali manu strinxit et »non frueris« inquit »hac praeda, super quam solus incumbis. partem meam necesse est vel hoc gladio contemptus abscidam«.

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(8) Welch eine Nacht war das, ihr Götter und Göttinnen, wie weich war das Lager! Heiß waren wir aneinander gepresst und ließen, er in mich und ich in ihn, hinüberfließen mit den Lippen die trunken-schwärmenden Seelen. Lebt wohl, ihr Menschensorgen. So begann ich zu vergehen.

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(9) Ohne Grund beglückwünschte ich mich. Denn als ich, vom ungemischten Wein geschwächt, meine betrunkenen Hände zurückgezogen hatte, entführte mir Askylt, der Erfinder jeder Art von Untat, heimlich in der Nacht den Knaben, trug ihn in sein Bett hinüber, wälzte sich allzu freizügig mit dem Brüderchen herum, das ihm nicht gehörte – entweder nahm es den Gewaltakt nicht wahr oder gab vor, ihn nicht wahrzunehmen –, und schlief ein in ehebrecherischer Umarmung, ohne an menschliches Recht zu denken. (10) Als ich daher erwachte und das seiner Freuden beraubte Lager abtastete … Wenn man Liebenden auch nur irgendwie glauben kann – ich schwankte, ob ich die beiden mit meinem Schwert durchbohren und ihren Schlaf mit dem Tod vereinen sollte. (11) Dann führte ich einen ungefährlicheren Plan aus und riss Giton mit Prügeln aus dem Schlaf, aber Askylt sah ich mit grimmiger Miene an und sagte: »Weil du durch dein Verbrechen das Vertrauen und den Bund unserer Freundschaft verletzt hast, pack schleunigst deine Sachen und such dir einen anderen Ort, den du beflecken kannst.« (12) Er widersetzte sich nicht, aber nachdem wir in bestem Einvernehmen unser Diebesgut geteilt hatten, sagte er: »Los, jetzt wollen wir auch den Knaben teilen!« 80 (1) Ich glaubte, er mache beim Weggehen einen Witz. Doch der zückte mit mörderischer Hand sein Schwert und sagte: »Du wirst keine Freude haben an dieser Beute, auf die du dich allein versteifst. Ich muss, weil du mich despektierlich behandelt hast, sogar meinen Anteil

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(2) idem ego ex altera parte feci et intorto circa bracchium pallio composui ad proeliandum gradum. (3) inter hanc miserorum dementiam infelicissimus puer tangebat utriusque genua cum fletu petebatque suppliciter ne Thebanum par humilis taberna spectaret neve sanguine mutuo pollueremus familiaritatis clarissimae sacra. (4) »quod si utique« proclamabat »facinore opus est, nudo ecce iugulum, convertite huc manus, imprimite mucrones. ego mori debeo, qui amicitiae sacramentum delevi«. (5) inhibuimus ferrum post has preces, et prior Ascyltos »ego« inquit »finem discordiae imponam. puer ipse quem vult sequatur, ut sit illi saltem in eligendo fratre salva libertas«. (6) ego !qui" vetustissimam consuetudinem putabam in sanguinis pignus transisse, nihil timui, immo condicionem praecipiti festinatione rapui commisique iudici litem. qui ne deliberavit quidem, ut videretur cunctatus, verum statim ab extrema parte verbi consurrexit !et" fratrem Ascylton elegit. (7) fulminatus hac pronuntiatione sic ut eram sine gladio in lectulum decidi, et attulissem mihi damnatus manus, si non inimici victoriae invidissem. (8) egreditur superbus cum praemio Ascyltos et paulo ante carissimum sibi commilitonem fortunaeque etiam similitudine parem in loco peregrino destituit abiectum.

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mit diesem Schwert abhauen.« (2) Dasselbe tat ich meinerseits, wickelte den Mantel um meinen Arm und ging in Kampfstellung. (3) Während wir Armen uns so wahnsinnig aufführten, berührte der todunglückliche Knabe weinend uns beide an den Knien und bat flehentlich, dass die schäbige Absteige nicht das thebanische Paar zu sehen bekommen solle und dass wir nicht durch wechselseitiges Blutvergießen das Heiligtum unseres strahlenden Freundschaftsbundes beflecken sollten. (4) »Wenn aber unbedingt«, rief er laut, »eine Gewalttat vonnöten ist, sieh da, ich entblöße meine Kehle, lenkt hierher eure Hände, stoßt eure Klingen hinein! Ich habe zu sterben verdient, der ich den heiligen Freundschaftsschwur zerstört habe.« (5) Wir ließen das Schwert sinken nach diesen Bitten, und Askylt sagte als erster: »Ich will dem Streit ein Ende setzen. Der Knabe selbst soll dem folgen, den er will, damit wenigstens er bei der Wahl seines Brüderchens unverbrüchliche Freiheit hat.« (6) Ich, weil ich glaubte, unsere uralte Beziehung sei uns beiden in Fleisch und Blut übergegangen, hatte nicht die geringste Angst, ja, ich nahm den Vorschlag sogar überstürzt und voreilig an und überließ das Urteil über den Streitfall dem Richter. Der überlegte nicht einmal, um den Anschein des Zögerns zu erwecken, sondern erhob sich sofort nach der letzten Silbe dessen, was gesagt war, und wählte als Brüderchen Askylt. (7) Wie vom Blitz getroffen durch diese Urteilsverkündung, sank ich so, wie ich dastand, ohne mein Schwert aufs Bett, und ich hätte, verurteilt wie ich war, Hand an mich angelegt, wenn ich nicht meinem Gegner seinen Sieg missgönnt hätte. (8) Von dannen marschierte stolz mit seiner Trophäe Askylt und ließ den, der ihm kurz zuvor noch der liebste Kamerad und obendrein noch durch ein ähnliches Schicksal gleich war, an einem fremden Ort verstoßen zurück.

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(9) nomen amicitiae sic, quatenus expedit, haeret; calculus in tabula mobile ducit opus. dum fortuna manet, vultum servatis, amici; cum cecidit, turpi vertitis ora fuga. –––––– grex agit in scaena mimum: pater ille vocatur, filius hic, nomen divitis ille tenet. mox ubi ridendas inclusit pagina partes, vera redit facies, assimulata perit. ––––––

81 (1) nec diu tamen lacrimis indulsi, sed veritus ne Menelaus etiam antescholanus inter cetera mala solum me in deversorio inveniret, collegi sarcinulas locumque secretum et proximum litori maestus conduxi. (2) ibi triduo inclusus redeunte in animum solitudine atque contemptu verberabam aegrum planctibus pectus et inter tot altissimos gemitus frequenter etiam proclamabam: (3) »ergo me non ruina terra potuit haurire? non iratum etiam innocentibus mare? effugi iudicium, harenae imposui, hospitem occidi, ut inter !tot" audaciae nomina mendicus, exul, in deversorio Graecae urbis iacerem desertus? et quis hanc mihi solitudinem imposuit? (4) adulescens omni libidine impurus et sua quoque confessione dig-

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(9) Das Wort »Freundschaft« hat so lange Bestand, wie es von Nutzen ist; der Stein auf dem Brett führt seine flinke Tätigkeit aus. Solange das Glück anhält, wahrt ihr das Gesicht, Freunde; wenn es zu Boden gesunken ist, wendet ihr eure Mienen ab in schändlicher Flucht. –––––– Eine Schauspieltruppe führt auf der Bühne einen Mimus auf: Der eine wird »der Vater« genannt, der andere »der Sohn«, ein weiterer trägt den Namen »der Reiche«. Wenn bald darauf das Textbuch die komischen Rollen in sich verschließt, kommt das echte Gesicht wieder, das vorgetäuschte ist dahin. ––––––

81 (1) Doch nicht lange gab ich mich meinen Tränen hin, sondern in meiner Angst, es könnte zu allem Unglück auch noch der Schulgehilfe Menelaus mich allein in der Herberge vorfinden, packte ich meine Habseligkeiten zusammen und mietete mir in meinem Kummer ein abgeschiedenes Quartier in nächster Nähe des Strandes. (2) Dort schloss ich mich drei Tage lang ein, und weil mir meine Einsamkeit und die Demütigung immer wieder ins Bewusstsein kamen, schlug ich ständig meine von den Schlägen schmerzende Brust und rief unter so vielen abgrundtiefen Seufzern auch noch dies häufig aus: (3) »Also konnte die Erde sich nicht auftun und mich verschlingen? Auch nicht das Meer, das sogar gegen Unschuldige wütet? Dem Gerichtsurteil habe ich mich entzogen, der Arena bin ich durch Trug entkommen, den Gastfreund habe ich erschlagen, nur um ungeachtet so vieler Beweise meiner Kühnheit als Bettler, als Geächteter in der Herberge einer griechischen Stadt verlassen herumzuliegen? Und wer hat mir diese Einsamkeit aufgebürdet? (4) Ein junger Kerl, durch jede Art von sexuellen Ex-

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nus exilio, stupro liber, stupro ingenuus, cuius anni ad tesseram venierunt, quem tamquam puellam conduxit etiam qui virum putavit. (5) quid ille alter? qui [tamquam] die togae virilis stolam sumpsit, qui ne vir esset a matre persuasus est, qui opus muliebre in ergastulo fecit, qui postquam conturbavit et libidinis suae solum vertit, reliquit veteris amicitiae nomen et, pro pudor, tamquam mulier secutuleia unius noctis tactu omnia vendidit. (6) iacent nunc amatores adligati noctibus totis, et forsitan mutuis libidinibus attriti derident solitudinem meam. sed non impune. nam aut vir ego liberque non sum, aut noxio sanguine parentabo iniuriae meae«.

82 (1) haec locutus gladio latus cingor, et ne infirmitas militiam perderet, largioribus cibis excito vires. mox in publicum prosilio furentisque more omnes circumeo porticus. (2) sed dum attonito vultu efferatoque nihil aliud quam caedem et sanguinem cogito frequentiusque manum ad capulum, quem devoveram, refero, notavit me miles, sive ille planus fuit sive nocturnus grassator, et (3) »quid? tu,« inquit »commilito, ex qua legione es aut cuius centuria?« cum constantissime et centurionem et legionem essem ementitus, »age ergo« inquit ille »in exercitu vestro phaecasiati milites ambulant?« (4) cum deinde vultu atque ipsa trepidatione mendacium prodidissem, ponere iussit arma et malo cavere. despoliatus ergo, immo

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zessen befleckt und auch nach seinem eigenen Eingeständnis der Ächtung würdig, beim Sex ein Freier, beim Sex ein Freigeborener, dessen junge Jahre für eine Essensmarke käuflich waren, den als Mädchen auch der mieten konnte, der ihn für einen Mann hielt. (5) Und der andere da? Der an dem für das Anlegen der Männertoga bestimmten Tag ein Frauenkleid anzog, der sich von seiner Mutter dazu überreden ließ, kein Mann zu sein, der im Arbeitshaus die weibliche Rolle spielte, der, nachdem er das Revier seiner Geilheit in Unruhe versetzt und gewechselt hatte, sich von dem Wort »alte Freundschaft« verabschiedet und – pfui Schande! – wie ein mannstolles Weib für den Sex einer einzigen Nacht alles verkauft hat! (6) Jetzt liegen die beiden Liebhaber ganze Nächte lang eng umschlungen, und vielleicht spotten sie, wenn sie durch die geilen Exzesse miteinander ganz aufgerieben sind, über meine Einsamkeit. Aber nicht ungestraft! Denn entweder bin ich kein Mann und nicht frei, oder ich werde mit ihrem verbrecherischen Blut das Unrecht, das ich erlitten habe, rächen.« 82 (1) Als ich das gesagt hatte, gürtete ich mein Schwert an die Seite, und damit nicht Schwäche meinen militärischen Einsatz zunichte werden ließ, weckte ich meine Kräfte durch eine ausgiebigere Mahlzeit. Bald darauf sprang ich hervor auf die Straße und machte wie ein Rasender eine Runde durch alle Säulenhallen. (2) Doch während ich mit verzerrter und wilder Miene auf nichts anderes als auf Mord und Blutvergießen sann und öfter die Hand an den Schwertgriff legte, den ich den Unterweltsgöttern geweiht hatte, bemerkte mich ein Soldat, ob der nun ein Betrüger oder ein nächtlicher Bandit war, und sagte: (3) »Was ist das hier? Du, Kamerad, aus welcher Legion bist du und aus wessen Zenturie?« Als ich ganz unbeirrt sowohl den Zenturio als auch die Legion erlogen hatte, sagte er: »Aha! Und laufen in eurer Truppe die Soldaten mit weißen Slippern herum?« (4) Als ich daraufhin durch meine Miene und allein schon durch mein Zittern die

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praecisa ultione retro ad deversorium tendo paulatimque temeritate laxata coepi grassatoris audaciae gratias agere *

(5) non bibit inter aquas poma aut pendentia carpit Tantalus infelix, quem sua vota premunt. divitis haec magni facies erit, omnia cenans qui timet et sicco concoquit ore famem * (6) non multum oportet consilio credere, quia suam habet fortuna rationem * 83 (1) in pinacothecam perveni vario genere tabularum mirabilem. nam et Zeuxidos manus vidi nondum vetustatis iniuria victas, et Protogenis rudimenta cum ipsius naturae veritate certantia non sine quodam horrore tractavi. (2) iam vero Apellis quem [Graeci] monocnemon appellant, etiam adoravi. tanta enim subtilitate extremitates imaginum erant ad similitudinem praecisae, ut crederes etiam animorum esse picturam. (3) hinc aquila ferebat caelo sublimis Idaeum, illinc candidus Hylas repellebat improbam Naida. damnabat Apollo noxias manus lyramque resolutam modo nato flore honorabat. (4) inter quos [etiam pictorum] amantium vultus tamquam in solitudine exclamavi: »ergo amor etiam deos tangit. Iuppiter in caelo suo non invenit quod eligeret, et peccaturus in terris nemini tamen iniuriam fecit.

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Lüge verriet, befahl er mir, die Waffen abzulegen, damit mir kein Unglück passiere. Somit der Rüstung entkleidet, ja der Rache beraubt, strebte ich zurück zur Herberge, und als meine Verwegenheit allmählich nachgelassen hatte, begann ich dem Banditen für seine Dreistigkeit dankbar zu sein * (5) Nicht trinkt mitten im Wasser oder pflückt das hängende Obst der unglückliche Tantalus, den seine Gelüste bedrängen. Dieses Bild bietet der Steinreiche, der beim Essen alles fürchtet und mit trockenem Mund seinen Hunger schluckt * (6) Man soll nicht sehr auf einen Plan vertrauen, weil das Schicksal sein eigenes Konzept hat * 83 (1) Ich kam in eine Bildergalerie, die mit verschiedenartigen Gemälden Staunen erregte. Denn ich sah die Meisterwerke des Zeuxis, die ihre Kraft noch nicht durch die Unbill der Zeit verloren hatten, und die frühen Arbeiten des Protogenes, die mit der Natur selbst an Realismus wetteiferten, berührte ich nicht ohne ein gewisses Erschauern. (2) Aber erst das Bild des Apelles mit dem, den man den »Mann auf einem Bein« nennt, davor ging ich sogar auf die Knie! Mit solcher Präzision waren nämlich die Konturen der Figuren lebensecht ausgeführt, dass man hätte glauben können, selbst ihre Seelen erfasse das Gemälde. (3) Auf der einen Seite trug der Adler den vom Ida hoch oben zum Himmel empor, auf der anderen Seite stieß der schimmernde Hylas die lüsterne Najade zurück. Es verwünschte Apollo seine schuldigen Hände, und er schmückte seine abgespannte Lyra mit der gerade entstandenen Blume. (4) Umgeben von diesen Gesichtern Liebender rief ich, als wäre ich allein: »Also rührt die Liebe auch Götter an! Jupiter fand in seinem Himmel nichts, was er hätte wählen können, und während

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(5)Hylan Nympha praedata imperasset amori suo, si venturum ad interdictum Herculem credidisset. Apollo pueri umbram revocavit in florem, et omnes fabulae quoque habuerunt sine aemulo complexus. (6) at ego in societatem recepi hospitem Lycurgo crudeliorem«.

(7) ecce autem, ego dum cum ventis litigo, intravit pinacothecam senex canus, exercitati vultus et qui videretur nescio quid magnum promittere, sed cultu non proinde speciosus, ut facile appareret eum !ex" hac nota litteratorum esse, quos odisse divites solent. (8) is ergo ad latus constitit meum … »ego« inquit »poeta sum et ut spero non humillimi spiritus, si modo coronis aliquid credendum est, quas etiam ad imperitos deferre gratia solet. (9) ›quare ergo‹ inquis ›tam male vestitus es?‹ propter hoc ipsum. amor ingenii neminem umquam divitem fecit.

(10) qui pelago credit, magno se faenore tollit; qui pugnas et castra petit, praecingitur auro; vilis adulator picto iacet ebrius ostro, et qui sollicitat nuptas, ad praemia peccat: sola pruinosis horret facundia pannis atque inopi lingua desertas invocat artes.

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84 (1) non dubie ita est: si quis vitiorum omnium inimicus rectum iter vitae coepit insistere, primum propter morum differentiam

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er es auf Erden trieb, tat er doch niemandem etwas zuleide. (5) Die Nymphe, die den Hylas raubte, hätte ihre Liebe unterdrückt, wenn sie geglaubt hätte, dass Herkules Einspruch erheben werde. Apollo ließ den Schatten des Knaben in der Blume wieder leben, und vor allem kennen alle Mythen die Liebesvereinigung, ohne dass ein Rivale im Spiel ist. (6) Doch ich habe in einen Kameradschaftsbund einen Gastfreund aufgenommen, der grausamer ist als Lykurg.« (7) Aber sieh da: Während ich mit Winden kämpfte, betrat die Bildergalerie ein grauhaariger alter Mann mit vom Leben gezeichnetem Gesicht und von der Art, dass er etwas Bedeutendes zu verheißen schien, aber in seinem Aufzug nicht gerade ansehnlich, so dass leicht ersichtlich war, dass er von der Sorte derjenigen Intellektuellen war, welche den Reichen gewöhnlich zuwider sind. (8) Der also stellte sich neben mich hin … »Ich«, sagte er, »bin ein Dichter und, wie ich hoffe, von keineswegs unbedeutendem Talent, jedenfalls wenn man auf Ehrenkränze etwas geben darf, die pure Gefälligkeit freilich auch immer wieder Dilettanten verleiht. (9) ›Warum also‹, sagst du nun, ›bist du so schlecht gekleidet?‹ Eben deswegen. Liebe zu geistiger Tätigkeit hat noch keinen jemals reich gemacht. (10) Wer dem Meer vertraut, schwingt sich auf mit großem Gewinn; wer Schlachten und das Heerlager begehrt, umgürtet sich mit Gold; der nichtsnutzige Schmeichler liegt betrunken auf besticktem Purpur, und wer verheirateten Frauen nachstellt, wird für sein Vergehen bezahlt Allein die Wortgewandtheit erschauert in vom Reif starren Lumpen, 5 und mit ohnmächtiger Zunge beschwört sie die im Stich gelassenen Künste.

84 (1) Zweifellos ist es so: Wenn jemand, der ein Feind aller Laster ist, den rechten Lebensweg betreten hat, wird er erst einmal wegen seines anders-

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odium habet; quis enim potest probare diversa? (2) deinde qui solas extruere divitias curant, nihil volunt inter homines melius credi quam quod ipsi tenent. (3) insectantur itaque, quacumque ratione possunt, litterarum amatores, ut videantur illi quoque infra pecuniam positi« * (4) »nescio quo modo bonae mentis soror est paupertas« * (5) »vellem tam innocens esset frugalitatis meae hostis, ut deliniri posset. nunc veteranus est latro et ipsis lenonibus doctior« * 85 (1) [Eumolpus] »in Asiam cum a quaestore essem stipendio eductus, hospitium Pergami accepi. ubi cum libenter habitarem non solum propter cultum aedicularum, sed etiam propter hospitis formosissimum filium, excogitavi rationem, qua non essem patri familiae suspectus [amator]. (2) quotiescumque enim in convivio de usu formosorum mentio facta est, tam vehementer excandui, tam severa tristitia violari aures meas obsceno sermone nolui, ut me mater praecipue tamquam unum ex philosophis intueretur. (3) iam ego coeperam ephebum in gymnasium deducere, ego studia eius ordinare, ego docere ac praecipere, ne quis praedator corporis admitteretur in domum *

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artigen Charakters gehasst; wer nämlich kann gutheißen, was von seinem Wesen verschieden ist? (2) Ferner wollen die, welche einzig Reichtümer aufzuhäufen bemüht sind, dass nichts unter den Menschen für besser gehalten wird als das, was sie selbst besitzen. (3) Deshalb verunglimpfen sie auf jede Weise, die ihnen möglich ist, die Liebhaber der literarischen Bildung, damit man sieht, dass auch diese unterhalb des Geldes eingeordnet sind« * (4) »Irgendwie ist Armut die Schwester einer braven Gesinnung« * (5) »Ich wollte, der Gegner meiner Genügsamkeit wäre so harmlos, dass man ihn besänftigen kann. Nun ist er aber ein altgedienter Gauner und schlauer sogar als die Zuhälter« * 85 (1) (Eumolp:) »Als ich vom Quästor in seinem Stab nach Kleinasien mitgenommen wurde, bekam ich ein Quartier in Pergamon. Weil ich dort gerne wohnte, nicht nur wegen der gepflegten Räumlichkeiten, sondern auch wegen des bildschönen Sohnes meines Gastgebers, dachte ich mir eine Methode aus, wie ich für den Familienvater unverdächtig sein könnte. (2) Sooft man nämlich beim Symposion auf Sex mit schönen Knaben zu sprechen kam, geriet ich so heftig in Rage und weigerte mich mit so strengem Ernst, meine Ohren durch ein unanständiges Gespräch kränken zu lassen, dass mich besonders die Mutter als einen von den Philosophen betrachtete. (3) Schon hatte ich damit begonnen, den Epheben zum Sportplatz zu begleiten, ich, seine Studien zu organisieren, ich, ihn zu lehren und zu unterweisen, damit nicht irgendjemand, der seinen Körper zu seiner Beute machen könnte, Zutritt zu dem Haus erhalte *

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(4) forte cum in triclinio iaceremus, quia dies sollemnis ludum adiuverat pigritiamque recedendi imposuerat hilaritas longior, fere circa mediam noctem intellexi puerum vigilare. (5) itaque timidissimo murmure votum feci et ›domina‹ inquam ›Venus, si ego hunc puerum basiavero ita ut ille non sentiat, cras illi par columbarum donabo‹. (6) audito voluptatis pretio puer stertere coepit. itaque aggressus simulantem aliquot basiolis invasi. contentus hoc principio bene mane surrexi electumque par columbarum attuli expectanti ac me voto exsolvi.

86 (1) proxima nocte cum idem liceret, mutavi optionem et ›si hunc‹ inquam ›tractavero improba manu et ille non senserit, gallos gallinaceos pugnacissimos duos donabo patienti‹. (2) ad hoc votum ephebus ultro se admovit et, puto, vereri coepit ne ego obdormissem. (3) indulsi ergo sollicito, totoque corpore citra summam voluptatem me ingurgitavi. deinde ut dies venit, attuli gaudenti quicquid promiseram. (4) ut tertia nox licentiam dedit, consurrexi !et" ad aurem male dormientis ›dii‹ inquam ›immortales, si ego huic dormienti abstulero coitum plenum et optabilem, pro hac felicitate cras puero asturconem Macedonicum optimum donabo, cum hac tamen exceptione, si ille non senserit‹. (5) numquam altiore somno ephebus obdormivit. itaque primum implevi lactentibus papillis manus, mox basio inhaesi, deinde in unum omnia vota coniunxi. (6) mane sedere in cubiculo coepit

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(4) Als wir einmal im Triklinium lagen, weil ein Feiertag Spiel und Spaß begünstigt und die länger anhaltende freudige Stimmung uns so träge gemacht hatte, dass wir uns nicht zurückzogen, bemerkte ich etwa um Mitternacht, dass der Knabe noch wach war. (5) Also tat ich ganz vorsichtig murmelnd ein Gelübde und sagte: ›Herrin Venus, wenn ich diesen Knaben so küssen kann, dass er es nicht merkt, werde ich ihm morgen ein Taubenpaar schenken.‹ (6) Als der Knabe den Preis für meine Lust gehört hatte, begann er zu schnarchen. Also rückte ich dem Heuchler auf den Leib und überfiel ihn mit einigen Küssen. Zufrieden mit diesem Anfang stand ich schön früh auf, brachte ihm ein erlesenes Taubenpaar – er wartete schon darauf – und löste so mein Gelübde ein. 86 (1) Da mir in der nächsten Nacht das Gleiche möglich war, änderte ich meinen Wunsch und sagte: ›Wenn ich den da mit schamloser Hand berühren kann und er es nicht merkt, werde ich ihm dafür, dass er sich mir hingibt, zwei ganz besonders kampflustige Gockelhähne schenken.‹ (2) Auf dieses Gelübde hin rückte der Ephebe von selbst heran und bekam, glaube ich, Angst, ich könnte eingeschlafen sein. (3) Ich war also dem Erregten zu Willen und berauschte mich an seinem ganzen Körper, noch ohne die höchste Lust auszukosten. Als dann der Tag kam, brachte ich ihm zu seiner Freude genau das, was ich versprochen hatte. (4) Als die dritte Nacht alles erlaubte, stand ich auf und sagte am Ohr des keineswegs Schlafenden: ›Unsterbliche Götter, wenn ich mir von dem da, während er schläft, den vollen und befriedigenden Beischlaf erschleichen kann, werde ich für diese Seligkeit morgen dem Knaben einen erstklassigen makedonischen Hengst schenken, freilich unter der Bedingung, dass er es nicht merkt.‹ (5) Nie fiel der Ephebe in einen tieferen Schlaf. Also ließ ich zuerst von seinen milchweißen Brüsten meine Hände ausfüllen, hing bald darauf mit einem Kuss an seinen Lippen und vereinte schließlich alle meine Wünsche in einem. (6) Am

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atque expectare consuetudinem meam. scis quanto facilius sit columbas gallosque gallinaceos emere quam asturconem, et praeter hoc etiam timebam ne tam grande munus suspectam faceret humanitatem meam. (7) ergo aliquot horis spatiatus in hospitium reverti nihilque aliud quam puerum basiavi. at ille circumspiciens ut cervicem meam iunxit amplexu, ›rogo‹ inquit ›domine, ubi est asturco?‹ * 87 (1) cum ob hanc offensam praeclusissem mihi aditum quem feceram, iterum ad licentiam redii. interpositis enim paucis diebus cum similis nos casus in eandem fortunam rettulisset, ut intellexi stertere patrem, rogare coepi ephebum ut reverteretur in gratiam mecum, id est ut pateretur satis fieri sibi, et cetera quae libido distenta dictat. (2) at ille plane iratus nihil aliud dicebat nisi hoc: ›aut dormi, aut ego iam dicam patri‹. (3) nihil est tam arduum quod non improbitas extorqueat. dum dicit: ›patrem excitabo‹, irrepsi tamen et male repugnanti gaudium extorsi. (4) at ille non indelectatus nequitia mea, postquam diu questus est deceptum se et derisum traductumque inter condiscipulos, quibus iactasset censum meum, (5) ›videris tamen‹ inquit ›non ero tui similis. si quid vis, fac iterum‹. (6) ego vero deposita omni offensa cum puero in gratiam redii, ususque beneficio eius in somnum delapsus sum. (7) sed non fuit contentus iteratione ephebus plenae maturitatis

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Morgen blieb er im Schlafzimmer sitzen und wartete auf das, was er von mir gewohnt war. Du weißt, wie viel leichter es ist, Tauben und Gockelhähne zu kaufen als einen Hengst, und außerdem hatte ich auch Angst, ein so großes Geschenk werde meinen freundlichen Umgang mit ihm verdächtig machen. (7) Also spazierte ich einige Stunden auf und ab, kehrte dann ins Quartier zurück und gab dem Knaben nichts weiter als einen Kuss. Doch der hielt nach allen Seiten Ausschau und sagte, nachdem er mir die Arme um den Hals geschlungen hatte: ›Bitte, mein Herr, wo ist mein Hengst?‹ * 87 (1) Obwohl ich mir aufgrund dieser Verstimmung den geschaffenen Zugang versperrt hatte, kehrte ich dazu zurück, mir alles bei ihm zu erlauben. Als nämlich wenige Tage verstrichen waren, uns ein ähnlicher Zufall wieder in dieselbe glückliche Lage gebracht hatte und ich merkte, dass der Vater schnarchte, fing ich an, den Epheben zu bitten, sich mit mir wieder zu versöhnen, das heißt, zuzulassen, dass ihm Befriedigung verschafft werde, und sagte, was sonst noch die bis zum Platzen gespannte Geilheit zu sagen befiehlt. (2) Doch der sagte voller Wut immerzu nichts anderes als dies: ›Schlaf, oder ich werd’s gleich dem Vater sagen!‹ (3) Nichts ist so schwierig, dass Schamlosigkeit es nicht erringen könnte. Während er noch sagte: ›Ich werde den Vater aufwecken‹, kroch ich dennoch auf ihn und errang von ihm, der keineswegs Widerstand leistete, die Erfüllung meiner Lust. (4) Und er, nicht unerfreut über meine Ruchlosigkeit, sagte, nachdem er lange gejammert hatte, er sei betrogen und verspottet worden und seinen Mitschülern vorgeführt, denen gegenüber er mit meinen finanziellen Mitteln angegeben hatte: (5) ›Du sollst trotzdem sehen, dass ich nicht so einer bin wie du. Wenn du willst, mach’s nochmal!‹ (6) Ich aber versöhnte mich, nachdem die ganze Verstimmung beigelegt war, mit dem Knaben, machte von seiner Wohltat Gebrauch und sank dann in Schlaf. (7) Doch nicht zu-

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et annis ad patiendum gestientibus. itaque excitavit me sopitum et ›numquid vis?‹ inquit. (8) et non plane iam molestum erat munus. utcumque igitur inter anhelitus sudoresque tritus, quod voluerat accepit, rursusque in somnum decidi gaudio lassus. (9) interposita minus hora pungere me manu coepit et dicere ›quare non facimus?‹ (10) tum ego totiens excitatus plane vehementer excandui et reddidi illi voces suas: ›aut dormi, aut ego iam patri dicam‹« *

88 (1) erectus his sermonibus consulere prudentiorem coepi !ac rogare ut" aetates tabularum et quaedam argumenta mihi obscura simulque causam desidiae praesentis excutere!t", cum pulcherrimae artes perissent, inter quas pictura ne minimum quidem sui vestigium reliquisset. (2) tum ille »pecuniae« inquit »cupiditas haec tropica instituit. priscis enim temporibus, cum adhuc nuda virtus placeret, vigebant artes ingenuae summumque certamen inter homines erat, ne quid profuturum saeculis diu lateret. (3) itaque hercule herbarum omnium sucos Democritus expressit, et ne lapidum virgultorumque vis lateret, aetatem inter experimenta consumpsit. (4) Eudoxos [quidem] in cacumine excelsissimi montis consenuit, ut astrorum caelique motus deprehenderet, et Chrysippus, ut ad inventionem sufficeret, ter elleboro animum detersit. (5) verum ut ad

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frieden war mit der einen Wiederholung der Ephebe, der in seiner vollen Sexualreife und in dem Alter stand, das danach lechzt, genommen zu werden. Also weckte er mich aus dem Schlaf und sagte: ›Du willst es doch?‹ (8) Und noch war mir seine Gefälligkeit durchaus nicht unangenehm. Recht und schlecht erhielt er also, von mir unter Stöhnen und Schwitzen abgewetzt, was er gewollt hatte, und ich fiel wieder in Schlaf, von der Erfüllung der Lust erschöpft. (9) Als weniger als eine Stunde verstrichen war, fing er an, mich mit der Hand zu stupsen und zu sagen: ›Wieso machen wir’s nicht?‹ (10) Da geriet ich, so oft aufgeweckt, ganz heftig in Rage und gab ihm seine eigenen Worte zurück: ›Schlaf, oder ich werd’s gleich dem Vater sagen‹« * 88 (1) Aufgerichtet durch diese Gespräche begann ich, den besseren Kenner zu befragen und ihn zu bitten, das Alter der Gemälde, einige für mich dunkle Bildinhalte und zugleich die Ursache für den gegenwärtigen Verfall zu erörtern, weil doch die herrlichsten Künste untergegangen seien, darunter die Malerei, die auch nicht die geringste Spur von sich selbst hinterlassen habe. (2) Da sagte er: »Geldgier hat diese Veränderungen herbeigeführt. Denn in alten Zeiten, als noch die reine Tüchtigkeit Gefallen fand, blühten die freien Künste, und unter den Menschen herrschte der heftigste Wetteifer mit dem Ziel, dass nichts, was künftigen Generationen werde nützen können, lange verborgen bleibe. (3) Deshalb, beim Herkules, hat Demokrit die Säfte aller Pflanzen herausgepresst und, damit nicht die Kraft der Steine und Sträucher verborgen bleibe, sein Leben mit Experimenten verbracht. (4) Eudoxos wurde auf dem Gipfel eines mächtig hohen Berges alt, um die Bewegungen der Gestirne und des Himmels erfassen zu können, und Chrysipp hat, um seiner Forschungstätigkeit gewachsen zu sein, dreimal mit Nieswurz seinen Geist gereinigt. (5) Um mich aber den Bildhauern zuzuwenden: Den

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plastas convertar, Lysippum statuae unius lineamentis inhaerentem inopia extinxit, et Myron, qui paene animas hominum ferarumque aere comprehenderat, non invenit heredem. (6) at nos vino scortisque demersi ne paratas quidem artes audemus cognoscere, sed accusatores antiquitatis vitia tantum docemus et discimus. (7) ubi est dialectica? ubi astronomia? ubi sapientiae †consultissima† via? quis umquam venit in templum et votum fecit, si ad eloquentiam pervenisset? quis, si philosophiae fontem attigisset? (8) ac ne bonam quidem mentem aut bonam valitudinem petunt, sed statim antequam limen Capitolii tangant, alius donum promittit, si propinquum divitem extulerit, alius, si thesaurum effoderit, alius, si ad trecenties sestertium salvus pervenerit. (9) ipse senatus, recti bonique praeceptor, mille pondo auri Capitolio promittere solet, et ne quis dubitet pecuniam concupiscere, Iovem quoque peculio exornat. (10) noli ergo mirari, si pictura defecit, cum omnibus diis hominibusque formosior videatur massa auri quam quicquid Apelles Phidiasque, Graeculi delirantes, fecerunt.

89 sed video te totum in illa haerere tabula, quae Troiae halosin ostendit. itaque conabor opus versibus pandere: iam decuma maestos inter ancipites metus Phrygas obsidebat messis et vatis fides Calchantis atro dubia pendebat metu, cum Delio profante [ferro] caesi vertices

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Lysipp brachte, weil er in die Konturen einer einzigen Statue vertieft war, Entkräftung um, und Myron, der geradezu die seelischen Regungen von Menschen und Tieren in Bronze eingefangen hatte, fand keinen Nachfolger. (6) Doch wir, in Wein und Huren versunken, sind nicht einmal Manns genug, uns mit den zur Verfügung stehenden Kunstfertigkeiten vertraut zu machen, sondern als Kritiker des Alten lernen und lehren wir nur Fehler. (7) Wo ist die Dialektik? Wo die Astronomie? Wo der … Weg zur Weisheit? Wer ist jemals in einen Tempel gekommen und hat ein Gelübde abgelegt für den Fall, dass er es zu Eloquenz bringen werde? Wer für den Fall, dass er zur Quelle der Philosophie gelangen werde? (8) Und nicht einmal um guten Verstand oder gutes Befinden betet man, sondern noch bevor man die Schwelle des Kapitols berührt, gelobt der eine ein Geschenk für den Fall, dass er einen reichen Verwandten zu Grabe tragen werde, der andere für den Fall, dass er einen Schatz ausgraben, der dritte für den Fall, dass er es bei voller Gesundheit zu dreißig Millionen Sesterzen bringen werde. (9) Selbst der Senat, Lehrmeister des Rechten und Guten, pflegt dem Kapitol tausend Pfund Gold zu geloben, und damit niemand Bedenken trägt, gierig nach Geld zu sein, stattet er auch Jupiter mit einer Geldsumme aus. (10) Wundere dich also nicht, wenn es mit der Malerei abwärts gegangen ist, wo doch für alle Götter und Menschen ein Klumpen Gold schöner aussieht als alles, was Apelles und Phidias, diese verrückten Griechelchen, geschaffen haben. 89 Aber ich sehe dich ganz vertieft in das Gemälde da, das die Eroberung Trojas zeigt. Also werde ich versuchen, das Werk in Versen zu erschließen: Schon der zehnte Sommer belagerte die betrübten Phryger inmitten zwiefacher Ängste, und die Glaubwürdigkeit des Sehers Kalchas war ungewiss infolge schwarzer Angst, als auf des Deliers Geheiß abgehauene Wipfel

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Idae trahuntur scissaque in molem cadunt robora, minacem quae figurabunt equum. aperitur ingens antrum et obducti specus, qui castra caperent. huc decenni proelio irata virtus abditur, stipant graves Danai recessus, in suo voto latent. o patria, pulsas mille credidimus rates solumque bello liberum: hoc titulus fero incisus, hoc ad furta compositus Sinon firmabat et mens semper in damnum potens. iam turba portis libera ac bello carens in vota properat. fletibus manant genae mentisque pavidae gaudium lacrimas habet. quas metus abegit. namque Neptuno sacer crinem solutus omne Laocoon replet clamore vulgus. mox reducta cuspide uterum notavit, fata sed tardant manus, ictusque resilit et dolis addit fidem. iterum tamen confirmat invalidam manum altaque bipenni latera pertemptat. fremit captiva pubes intus, et dum murmurat, roborea moles spirat alieno metu. ibat iuventus capta, dum Troiam capit, bellumque totum fraude ducebat nova. ecce alia monstra: celsa qua Tenedos mare dorso replevit, tumida consurgunt freta

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des Ida herabgeschleppt werden und, gespalten, auf einen großen Haufen fallen die Eichenhölzer, die ein bedrohliches Pferd formen werden. Geöffnet werden eine gewaltige Höhle und verborgene Gewölbe, die ein Heerlager fassen sollen. Hier versteckt sich von zehn Jahre währendem Kampf ergrimmter Mannesmut, es drängen sich die schwerbewaffneten Danaër in die Winkel, sind verborgen im eigenen Weihgeschenk. O Vaterland, vertrieben glaubten wir die tausend Schiffe und unseren Boden vom Krieg frei: Dies hat die Inschrift, in das Untier eingeschnitten, dies der zum Trug unterwiesene Sinon beglaubigt und der Sinn, der stets Unheil zu bringen vermag. Schon eilt die Menge, von den Toren frei und vom Krieg erlöst zu der Weihgabe. Vom Weinen sind feucht die Wangen, und die Freude des bangen Sinns bringt Tränen hervor. Diese vertrieb Angst. Denn, dem Neptun geweiht, das Haar gelöst, erfüllt Laokoon das ganze Volk mit Schreien. Bald darauf holte er aus mit dem Speer und zielte auf den Unterleib, doch das Verhängnis hemmt seine Hand, der Stoß prallt ab und verleiht dem Trugwerk Glaubwürdigkeit. Wieder jedoch macht er seine kraftlose Hand stark und prüft die hohen Flanken mit der Doppelaxt. Es stöhnt die gefangene Mannschaft drinnen, und indem er dumpf ertönt, schnaubt der Koloss aus Eichenholz in fremder Angst. Hinein zog die Truppe gefangen, wo sie doch Troja gefangen nahm, und führte den ganzen Krieg mit nie da gewesenem Betrug zu Ende. Da, ein anderes Wunder: Wo das aufragende Tenedos das Meer mit seinem Rücken füllte, erheben sich schwellend Fluten

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undaque resultat scissa tranquillo eminus, qualis silenti nocte remorum sonus longe refertur, cum premunt classes mare pulsumque marmor abiete imposita gemit. respicimus: angues orbibus geminis ferunt ad saxa fluctus, tumida quorum pectora rates ut altae lateribus spumas agunt. dat cauda sonitum, liberae ponto iubae consentiunt luminibus, †fulmineum† iubar incendit aequor sibilisque undae fremunt. stupuere mentes. infulis stabant sacri Phrygioque cultu gemina nati pignora Lauconte. quos repente tergoribus ligant angues corusci. parvulas illi manus ad ora referunt, neuter auxilio sibi, uterque fratri: transtulit pietas vices morsque ipsa miseros mutuo perdit metu. accumulat ecce liberum funus parens, infirmus auxiliator. invadunt virum iam morte pasti membraque ad terram trahunt. iacet sacerdos inter aras victima terramque plangit. sic profanatis sacris peritura Troia perdidit primum deos. iam plena Phoebe candidum extulerat iubar minora ducens astra radianti face, cum inter sepultos Priamidas nocte et mero

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und die gespaltene Woge hallt wider im stillen Meer von fern, wie in schweigender Nacht das Klatschen der Ruder weithin getragen wird, wenn die Flotte auf dem Meer lastet und geschlagen der Meeresspiegel unter dem auf ihm liegenden Tannenholz stöhnt. Wir blicken hin: In doppelten Windungen treiben zwei Schlangen 35 Fluten zu den Klippen, und ihre schwellende Brust wühlt Gischt auf wie hohe Schiffe mit den Bordwänden. Es klatscht der Schwanz, die von der Meeresflut unberührten Kämme passen zu ihren Augen, ihr … Leuchten lässt die Meeresfläche feurig glänzen, und von ihrem Zischen rauschen die Wogen. 40 Starr waren unsere Sinne. Mit Stirnbinden standen da, geweiht und in phrygischer Tracht, die beiden Pfänder, die Söhne des Laokoon. Diese umschlingen schnell mit ihren Leibern die funkelnden Schlangen. Die kleinen Händchen heben sie vor die Gesichter, keiner zur Hilfe für sich selbst, 45 jeder für den Bruder: Bruderliebe ließ sie zärtliche Gesten tauschen, und der Tod selbst vernichtet die Armen, die um einander fürchten. Da, zum Sterben der Kinder fügt das eigene der Vater, ein ohnmächtiger Helfer. Sie stürzen sich auf den Mann, schon vom Tod gelabt, und zerren seine Glieder zur Erde. 50 Es liegt der Priester zwischen den Altären als Opfer und schlägt auf die Erde. So hat, da die Heiligtümer entweiht waren, das dem Untergang geweihte Troja erstmals die Götter verloren. Schon hatte Phoebe in ihrer Fülle ihr schimmerndes Licht erhoben und die kleineren Gestirne mit strahlender Fackel angeführt, 55 als mitten unter den von Nacht und purem Wein begrabenen Priamiden

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Danai relaxant claustra et effundunt viros. temptant in armis se duces, ceu vi solet nodo remissus Thessali quadrupes iugi cervicem et altas quatere ad excursum iubas. gladios retractant, commovent orbes manu bellumque sumunt. hic graves alius mero obtruncat et continuat in mortem ultimam somnos, ab aris alius accendit faces contraque Troas invocat Troiae sacra.«

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90 (1) * ex is, qui in porticibus spatiabantur, lapides in Eumolpum recitantem miserunt. at ille, qui plausum ingenii sui noverat, operuit caput extraque templum profugit. (2) timui ego ne me !quoque" poetam vocare!n"t. itaque subsecutus fugientem ad litus perveni, et ut primum extra teli coniectum licuit consistere, (3) »rogo« inquam »quid tibi vis cum isto morbo? minus quam duabus horis mecum moraris, et saepius poetice quam humane locutus es. (4) itaque non miror, si te populus lapidibus persequitur. ego quoque sinum meum saxis onerabo, ut quotiescumque coeperis a te exire, sanguinem tibi a capite mittam«. (5) movit ille vultum et »o mi« inquit »adulescens, non hodie primum auspicatus sum. immo quotiens theatrum, ut recitarem aliquid, intravi, hac me adventicia excipere frequentia solet. (6) ceterum ne et tecum quoque habeam

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die Danaër die Riegel lösen und die Männer herausströmen lassen. Es versuchen sich in den Waffen die Heerführer, wie kraftvoll, von den Fesseln gelöst, der Hengst des thessalischen Hochlandes den Nacken und die lange Mähne zu schütteln pflegt, um dann loszusprengen. Erneut ziehen sie die Schwerter, schwingen die Schilde in der Hand und nehmen den Kampf auf. Hier metzelt der eine die vom puren Wein Schweren nieder und lässt in die Todesstunde übergehen ihren Schlaf, an den Altären zündet ein anderer seine Fackeln an und gegen die Troer ruft er Trojas Heiligtümer.«

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90 (1) !Einige" von denen, die in den Säulenhallen herumspazierten, warfen Steine nach dem rezitierenden Eumolp. Doch er, der den Applaus für sein Genie schon kannte, bedeckte seinen Kopf und floh aus dem Tempelbezirk. (2) Ich hatte Angst, sie könnten auch mich einen Dichter nennen. Deshalb folgte ich dem Flüchtigen auf den Fersen und gelangte zum Strand, und sobald man außer Reichweite der Wurfgeschosse stehen bleiben konnte, sagte ich: (3) »Bitte, was soll das mit deiner Spinnerei da? Weniger als zwei Stunden bist du mit mir zusammen und hast öfters wie ein Dichter als wie ein Mensch geredet. (4) Deshalb wundert es mich nicht, wenn die Leute dich mit Steinen verfolgen. Auch ich werde meinen Gewandbausch mit Steinen vollpacken, damit ich dir, so oft du in Ekstase gerätst, am Kopf Blut ablassen kann.« (5) Er verzog das Gesicht und sagte: »Ach, lieber junger Mann, das war heute nicht mein erster Auftritt. Im Gegenteil, sooft ich ein Theater betrete, um etwas vorzutragen, pflegt mich die Menge mit einem solchen »Willkommensgruß« zu empfangen. (6) Doch damit ich nicht auch noch mit dir zu streiten habe, werde ich mich

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rixandum, toto die me ab hoc cibo abstinebo«. »immo« inquam ego »si eiuras hodiernam bilem, una cenabimus« * (7) mando aedicularum custodi cenulae officium * 91 (1) video Gitona cum linteis et strigilibus parieti applicitum tristem confusumque. scires non libenter servire. (2) itaque ut experimentum oculorum caperem … convertit ille solutum gaudio vultum et »miserere« inquit »frater. ubi arma non sunt, libere loquor. eripe me latroni cruento et qualibet saevitia paenitentiam iudicis tui puni. satis magnum erit misero solacium, tua voluntate cecidisse«. (3) supprimere ego querellam iubeo, ne quis consilia deprehenderet, relictoque Eumolpo  – nam in balneo carmen recitabat  – per tenebrosum et sordidum egressum extraho Gitona raptimque in hospitium meum pervolo. (4) praeclusis deinde foribus invado pectus amplexibus et perfusum os lacrimis vultu meo contero. (5) diu vocem neuter invenit; nam puer etiam singultibus crebris amabile pectus quassaverat. (6) »o facinus« inquam »indignum, quod amo te quamvis relictus, et in hoc pectore, cum vulnus ingens fuerit, cicatrix non est. quid dicis, peregrini amoris concessio? dignus hac iniuria fui?« (7) postquam se amari sensit, supercilium altius sustulit …

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den ganzen Tag dieser Speise enthalten.« »Nein«, sagte ich, »wenn du für heute deinem Wahnsinn abschwörst, werden wir zusammen zu Abend essen« * (7) Ich gab der Hausmeisterin den Auftrag, für ein kleines Abendessen zu sorgen * 91 (1) Ich sah Giton mit leinenen Badetüchern und Schabeisen an der Wand lehnen, bekümmert und verstört. Es war leicht zu erkennen, dass er nicht gerne als Sklave diente. (2) Um also zu prüfen, ob ich meinen Augen trauen könne … Er wandte mir sein vor Freude entspanntes Gesicht zu und sagte: »Hab Erbarmen, Brüderchen! Hier, wo keine Waffen vorhanden sind, rede ich frei heraus. Entreiße mich dem blutrünstigen Gauner und bestrafe, so grausam du willst, deinen reumütigen Richter. Ein hinreichend großer Trost wird es mir Armem sein, dahin gegangen zu sein, weil du es gewollt hast.« (3) Ich forderte ihn auf, sein Jammern zu unterdrücken, damit niemand unsere Pläne entdecken könne, ließ Eumolp allein zurück – er trug nämlich gerade im Bad ein Gedicht vor –, zog Giton durch einen finsteren und schmutzigen Ausgang hinaus und flog hastig zu meiner Herberge. (4) Dann schloss ich die Tür zu, bestürmte mit Umarmungen seine Brust und rieb seine tränenüberströmten Wangen mit meinem Gesicht trocken. (5) Lange fand keiner von uns beiden ein Wort; denn der Knabe hatte auch noch durch häufiges Seufzen seine liebliche Brust erschüttert. (6) »Ach, welch unwürdiges Verhalten«, sagte ich, »dass ich dich liebe, obwohl ich verlassen wurde, und dass in meiner Brust, obwohl die Wunde riesig war, keine Narbe ist. Sag doch, du Eingeständnis eines Seitensprungs: Habe ich diese Untat verdient?« (7) Als er gemerkt hatte, dass er noch geliebt wurde, zog er die Augenbraue höher …

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»nec amoris arbitrium ad alium iudicem !de"tuli. sed nihil iam queror, nihil iam memini, si bona fide paenitentiam emendas«. (8) haec cum inter gemitus lacrimasque fudissem, detersit ille pallio vultum et »quaeso« inquit »Encolpi, fidem memoriae tuae appello: ego te reliqui an tu !me" prodidisti? equidem fateor et prae me fero: cum duos armatos viderem, ad fortiorem confugi«. (9) exosculatus pectus sapientia plenum inieci cervicibus manus, et ut facile intellegeret redisse me in gratiam et optima fide reviviscentem amicitiam, toto pectore adstrinxi.

92 (1) et iam plena nox erat mulierque cenae mandata curaverat, cum Eumolpus ostium pulsat. (2) interrogo ego: »quot estis?« obiterque per rimam foris speculari diligentissime coepi, num Ascyltos una venisset. (3) deinde ut solum hospitem vidi, momento recepi. ille ut se in grabatum reiecit viditque Gitona in conspectu ministrantem, movit caput et »laudo« inquit »Ganymedem. oportet hodie bene sit«. (4) non delectavit me tam curiosum principium timuique ne in contubernium recepissem Ascylti parem. (5) instat Eumolpus, et cum puer illi potionem dedisset, »malo te« inquit »quam balneum totum« siccatoque avide poculo negat sibi umquam acidius fuisse. (6) »nam et dum lavor« ait »paene vapulavi, quia conatus sum circa solium sedentibus carmen recitare, at postquam de balneo [tamquam de theatro] eiectus sum, circuire omnes angulos coepi et clara voce Encolpion clamitare. (7) ex altera parte

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»Und ich habe die Entscheidung über unsere Liebe keinem anderen Richter übertragen. Aber ich beklage mich über nichts mehr, behalte nichts mehr in Erinnerung, wenn du aufrichtig deine bereute Schuld wiedergutmachst.« (8) Als ich dies unter Seufzern und Tränen hatte hervorströmen lassen, trocknete er mit seinem Mantel mein Gesicht und sagte: »Bitte, Enkolp, ich appelliere an die Zuverlässigkeit deines Gedächtnisses: Habe ich dich verlassen, oder hast du mich verraten? Ich jedenfalls gestehe und bekenne offen: Als ich zwei in Waffen sah, nahm ich Zuflucht zu dem Stärkeren.« (9) Da küsste ich ihm die Brust ab, die so voller Weisheit war, schlang meine Hände um seinen Hals, und damit er ohne Weiteres verstand, dass ich mich mit ihm versöhnt hatte und in bestem Vertrauen unsere Freundschaft wieder aufleben ließ, drückte ich ihn heftig an meine Brust. 92 (1) Und schon war es ganz dunkel, und die Frau hatte, wie bestellt, für das Abendessen gesorgt, als Eumolp an die Tür klopfte. (2) Ich fragte: »Wie viele seid ihr?« und begann zugleich genauestens durch eine Türritze zu erspähen, ob Askylt mitgekommen sei. (3) Als ich ihn dann als einzigen Gast sah, ließ ich ihn augenblicklich herein. Als er sich auf das Bett hatte fallen lassen und Giton vor seinen Augen servieren sah, bewegte er seinen Kopf hin und her und sagte: »Ich lobe mir den Ganymedes. Da muss es mir ja heute gut gehen.« (4) Mir behagte gar nicht dieser so raffinierte Auftakt, und ich fürchtete, einen zweiten Askylt in unseren Freundesbund aufgenommen zu haben. (5) Eumolp ließ nicht locker, und als der Junge ihm einen Trunk gereicht hatte, sagte er: »Du bist mir lieber als das ganze Bad«, leerte gierig den Becher und erklärte, ihm sei es niemals übler ergangen. (6) »Denn sogar beim Baden wäre ich beinahe verprügelt worden, weil ich versuchte, denen, die um das Becken herum saßen, ein Gedicht vorzutragen; und nachdem ich dann aus dem Bad hinausgeworfen worden war, begann ich alle Winkel zu durchsuchen und mit lauter Stimme immer wieder: ›Enkolp!‹ zu rufen.

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iuvenis nudus, qui vestimenta perdiderat, non minore clamoris indignatione Gitona flagitabat. (8) et me quidem pueri tamquam insanum imitatione petulantissima deriserunt, illum autem frequentia ingens circumvenit cum plausu et admiratione timidissima. (9) habebat enim inguinum pondus tam grande, ut ipsum hominem laciniam fascini crederes. o iuvenem laboriosum: puto illum pridie incipere, postero die finire. (10) itaque statim invenit auxilium; nescio quis enim, eques Romanus ut aiebant infamis, sua veste errantem circumdedit ac domum abduxit, credo, ut tam magna fortuna solus uteretur. (11) at ego ne mea quidem vestimenta ab officioso !custode" recepissem, nisi notorem dedissem. tanto magis expedit inguina quam ingenia fricare.« (12) haec Eumolpo dicente mutabam ego frequentissime vultum, iniuriis scilicet inimici mei hilaris, commodis tristis. (13) utcumque tamen, tamquam non agnoscerem fabulam, tacui et cenae ordinem explicui *

93 (1) »vile est quod licet, et animus errore laetus iniurias diligit.

(2) ales Phasiacis petita Colchis atque Afrae volucres placent palato, quod non sunt faciles: at albus anser et pictis anas involuta pennis plebeium sapit. ultimis ab oris

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(7) Auf der anderen Seite verlangte ein nackter junger Mann, dem seine Kleider abhanden gekommen waren, mit nicht weniger lautstarker Empörung heftig nach einem Giton. (8) Und mich verspotteten die Knaben wie einen Verrückten durch rotzfreches Nachäffen, ihn aber umringte eine riesige Menge, wobei sie Beifall klatschte und ihn mit größter Scheu bewunderte. (9) Er hatte nämlich ein so gewaltiges Pfundsding von einem Genitale, dass man den Kerl selbst für einen Auswuchs seines Schwanzes halten konnte. Was für ein leistungsfähiger Jüngling! Ich glaube, der fängt gestern an und hört übermorgen auf. (10) Daher fand er auch sofort Hilfe; denn irgendjemand, ein römischer Ritter von üblem Ruf, wie es hieß, umhüllte den Herumirrenden mit seinem Mantel und schleppte ihn nach Hause ab, ich glaube, um ein Glück von solcher Größe allein zu genießen. (11) Doch ich hätte nicht einmal meine eigenen Kleider von dem pflichteifrigen Garderobier zurückbekommen, wenn ich nicht einen Bürgen meiner Identität beigebracht hätte. So viel mehr nützt es, sein Genitale abzumühen als sein Genie.« (12) Während Eumolp dies sagte, wechselte ich sehr häufig die Miene, natürlich froh über die Schädigung meines Feindes, aber betrübt über seine Erfolge. (13) Jedenfalls schwieg ich, als ginge die ganze Geschichte mich nichts an, dennoch still und erläuterte die Speisenfolge * 93 (1) »Als verächtlich gilt, was erlaubt ist, und der über eine Verfehlung frohe Sinn liebt unrechtmäßige Handlungen. (2) Der Vogel, der von den am Phasis lebenden Kolchern hergeholt wird, und afrikanische Vögel gefallen dem Gaumen, weil sie nicht leicht zu bekommen sind. Doch die weiße Gans und die Ente, eingehüllt in das bunte Federkleid, schmecken ordinär. Der von den fernsten Küsten 5

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attractus scarus atque arata Syrtis si quid naufragio dedit, probatur: mullus iam gravis est. amica vincit uxorem. rosa cinnamum veretur. quicquid quaeritur, optimum videtur.«

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(3) »hoc est« inquam »quod promiseras, ne quem hodie versum faceres? per fidem, saltem nobis parce, qui te numquam lapidavimus. nam si aliquis ex is, qui in eodem synoecio potant, nomen poetae olfecerit, totam concitabit viciniam et nos omnes sub eadem causa obruet. miserere et aut pinacothecam aut balneum cogita.« (4) sic me loquentem obiurgavit Giton, mitissimus puer, et negavit recte facere, quod seniori conviciarer simulque oblitus officii mensam, quam humanitate posuissem, contumelia tollerem, multaque alia moderationis verecundiaeque verba, quae formam eius egregie decebant *

94 (1) [Eumolpus ad Gitonem] »o felicem« inquit »matrem tuam, quae te talem peperit: macte virtute esto. raram fecit mixturam cum sapientia forma. itaque ne putes te tot verba perdidisse, amatorem invenisti. (2) ego laudes tuas carminibus implebo. ego paedagogus et custos etiam quo non iusseris sequar. nec iniuriam Encolpius accipit, alium amat.« (3) profuit etiam Eumolpo miles ille, qui mihi abstulit gladium; alioquin quem animum adversus Ascylton sump-

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herbeigeschleppte Papageifisch und was die durchpflügte Syrte um den Preis eines Schiffbruchs hergegeben hat, werden geschätzt. Die Barbe hat man schon über. Die Geliebte sticht die Ehefrau aus, die Rose hat Ehrfurcht vor dem Zimtöl: Alles, was gesucht werden muss, wird als das Beste angesehen.«

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(3) »Das ist es«, sagte ich, »was du versprochen hast, heute keinen Vers zu machen? Um Himmels willen, verschone wenigstens uns, die wir dich niemals gesteinigt haben! Denn wenn einer von denen, die in demselben Gasthaus zechen, von dem Wort ›Dichter‹ Wind bekommt, wird er die ganze Nachbarschaft aufwiegeln und uns alle aus ein und demselben Grund mit Steinen bedecken. Hab Erbarmen und denk entweder an die Gemäldegalerie oder an das Bad!« (4) Weil ich so redete, machte Giton, der äußerst einfühlsame Knabe, mir Vorwürfe und sagte, es sei nicht recht von mir, einen Älteren zu beschimpfen und zugleich, ohne an meine Gastgeberpflicht zu denken, die Tafel, die ich in meiner Freundlichkeit hergerichtet hätte, durch Beleidigungen aufzuheben, und er sagte noch viele andere Worte voll Mäßigung und Anstand, die vorzüglich zu seiner Schönheit passten * 94 (1) (Eumolp zu Giton:) »O wie glücklich deine Mutter, die einen Sohn wie dich gebar! Hoch lebe deine Tugendhaftigkeit! Eine seltene Verbindung mit Weisheit ist Schönheit hier eingegangen. Damit du also nicht glaubst, du hättest so viele Worte vergeudet: Einen Liebhaber hast du gefunden! (2) Ich werde deinen Lobpreis in meinen Gedichten ausführlich zur Sprache bringen. Ich werde dir als Lehrer und Beschützer folgen, auch wohin du nicht willst. Und kein Unrecht erleidet damit Enkolp, er liebt einen anderen.« (3) Von Nutzen war auch Eumolp jener Soldat, der mir das Schwert wegnahm; sonst hätte ich die Wut, die ich gegen Askylt in mir angesammelt

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seram, eum in Eumolpi sanguinem exercuissem. (4) nec fefellit hoc Gitona. itaque extra cellam processit tamquam aquam peteret, iramque meam prudenti absentia extinxit. (5) paululum ergo intepescente saevitia »Eumolpe« inquam »iam malo vel carminibus loquaris quam eiusmodi tibi vota proponas. et ego iracundus sum et tu libidinosus: vide quam non conveniat his moribus. (6) puta igitur me furiosum esse, cede insaniae, id est ocius foras exi«. (7) confusus hac denuntiatione Eumolpus non quaesiit iracundiae causam, sed continuo limen egressus adduxit repente ostium cellae meque nihil tale expectantem inclusit, exemitque raptim clavem et ad Gitona investigandum cucurrit.

(8) inclusus ego suspendio vitam finire constitui. et iam semicinctio !lecti" stantis ad parietem spondam vinxeram cervicesque nodo condebam, cum reseratis foribus intrat Eumolpus cum Gitone meque a fatali iam meta revocat ad lucem. (9) Giton praecipue ex dolore in rabiem efferatus tollit clamorem, me utraque manu impulsum praecipitat super lectum !et" (10) »erras« inquit »Encolpi, si putas contingere posse ut ante moriaris. prior coepi; in Ascylti hospitio gladium quaesivi. (11) ego si te non invenissem, petiturus praecipitia fui. et ut scias non longe esse quaerentibus mortem, specta invicem quod me spectare voluisti«. (12) haec locutus mercennario Eumolpi novaculam rapit et semel iterumque cervice

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hatte, an Eumolp blutig ausgelassen. (4) Giton entging das nicht. Deshalb begab er sich aus dem Zimmer nach draußen, als wollte er Wasser holen, und brachte meinen Zorn durch kluge Abwesenheit zum Erlöschen. (5) Während also meine wilde Wut ein kleines Bisschen abkühlte, sagte ich: »Eumolp, lieber will ich schon, dass du sogar in Versen sprichst, als dass du dir derartige Wünsche in den Kopf setzt. Und ich bin jähzornig, und du bist geil: Sieh doch, wie schlecht diese Charaktere miteinander auskommen! (6) Stell dir also vor, ich sei tobsüchtig, weiche meinem Wahnsinn, also mach dich schleunigst zur Tür hinaus!« (7) Bestürzt über diese Eröffnung, fragte Eumolp nicht nach dem Grund meines Jähzorns, sondern machte sofort einen Schritt über die Schwelle, zog blitzschnell die Zimmertür zu und sperrte mich ein, der ich mit so etwas in keiner Weise gerechnet hatte, zog hastig den Schlüssel ab und lief, um Giton aufzuspüren. (8) Eingesperrt, wie ich war, beschloss ich, durch Erhängen mein Leben zu beenden. Und schon hatte ich mit einem Gürtel das Gestell des an die Wand gelehnten Bettes umschlungen und war gerade dabei, meinen Hals in der Schlinge zu bergen, als die Tür aufgesperrt wurde, Eumolp mit Giton hereintrat und mich von der bereits in den Tod weisenden Wendemarke zum Lebenslicht zurückrief. (9) Giton insbesondere geriet vor Schmerz in rasende Wut, erhob ein Geschrei, stieß mich mit beiden Händen, warf mich so kopfüber auf das Bett und rief: (10) »Du irrst, Enkolp, wenn du glaubst, es könne geschehen, dass du vor mir stirbst. Ich habe den ersten Schritt getan; in Askylts Herberge habe ich nach einem Schwert gesucht. (11) Wenn ich dich nicht gefunden hätte, wäre ich bereit gewesen, mich in einen Abgrund zu stürzen. Und damit du weißt, dass der Tod nicht weit entfernt ist für diejenigen, die ihn suchen, sieh deinerseits mit an, was du mich mit ansehen lassen wolltest.« (12) Als er das gesagt hatte, entriss er dem Lohndiener Eumolps ein Rasiermesser, durchstieß einmal und noch

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percussa ante pedes collabitur nostros. (13) exclamo ego attonitus, secutusque labentem eodem ferramento ad mortem viam quaero. (14) sed neque Giton ulla erat suspicione vulneris laesus neque ego ullum sentiebam dolorem. rudis enim novacula et in hoc retusa, ut pueris discentibus audaciam tonsoris daret, instruxerat thecam. (15) ideoque nec mercennarius ad raptum ferramentum expaverat nec Eumolpus interpellaverat mimicam mortem.

95 (1) dum haec fabula inter amantes luditur, deversitor cum parte cenulae intervenit, contemplatusque foedissimam iacentium volutationem (2) »rogo« inquit »ebrii estis an fugitivi an utrumque? quis autem grabatum illum erexit, aut quid sibi vult tam furtiva molitio? (3) vos mehercules ne mercedem cellae daretis fugere nocte in publicum voluistis. sed non impune. iam enim faxo sciatis non viduae hanc insulam esse sed M. Mannicii.« (4) exclamat Eumolpus »etiam minaris?« simulque os hominis palma excussissima pulsat. (5) ille tot hospitum potionibus liber urceolum fictilem in Eumolpi caput iaculatus est solvitque clamantis frontem et de cella se proripuit. (6) Eumolpus contumeliae impatiens rapit ligneum candelabrum sequiturque abeuntem et creberrimis ictibus supercilium suum vindicat. (7) fit concursus familiae hospitumque ebriorum frequentia. ego autem nactus occasionem vindictae Eumolpum excludo, redditaque scordalo vice sine aemulo scilicet et cella utor et nocte.

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einmal seinen Hals und brach vor unseren Füßen zusammen. (13) Entsetzt schrie ich auf, stürzte gleichfalls nieder und suchte mit demselben Eiseninstrument den Weg in den Tod. (14) Doch weder zeigte Giton das geringste Anzeichen einer Verletzung, noch spürte ich irgendeinen Schmerz. Denn ein ungeschliffenes Rasiermesser, und zwar dafür stumpf gemacht, damit es den jungen Lehrlingen den Mut des Barbiers verlieh, hatte in dem Etui gesteckt. (15) Deshalb war weder der Lohndiener erschrocken, als ihm das Eisending entrissen wurde, noch hatte Eumolp bei dem Selbstmordmimus interveniert. 95 (1) Während diese Liebestragödie gespielt wurde, trat der Wirt mit einem Teil des Abendessens dazwischen, betrachtete die abscheuliche Wälzerei der am Boden Liegenden und sagte: (2) »Bitte, seid ihr betrunken oder Halunken oder beides? Wer hat denn nur das Bett da hochgestellt, und was soll überhaupt so heimliches Getue? (3) Beim Herkules, um nicht die Zimmermiete zahlen zu müssen, wolltet ihr in der Nacht auf die Straße fliehen. Aber nicht ungestraft! Gleich werde ich euch wahrhaftig deutlich machen, dass dieses Mietshaus nicht einer Witwe, sondern Marcus Mannicius gehört!« (4) Da schrie Eumolp: »Du drohst auch noch?« Und gleichzeitig schlug er dem Kerl mit weit ausholender Hand ins Gesicht. (5) Aufgrund der so vielen Trinkgelage mit seinen Gästen enthemmt, schleuderte er Eumolp einen kleinen Tonkrug an den Kopf, verletzte ihm, der aufschrie, die Stirn und stürzte aus dem Zimmer. (6) Eumolp ließ sich die Misshandlung nicht gefallen, ergriff einen hölzernen Leuchter, folgte dem Davonlaufenden und rächte seine Augenbraue mit zahlreichen Hieben. (7) Es gab einen Auflauf der Dienerschaft und ein Gedränge der betrunkenen Gäste. Ich aber ergriff die Gelegenheit zur Rache an Eumolp und sperrte ihn aus, und nachdem ich so dem Streithahn Gleiches mit Gleichem vergolten hatte, nutzte ich sowohl das Zimmer als auch die Nacht – klar, ohne Rivalen.

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(8) interim coctores insulariique mulcant exclusum et alius veru extis stridentibus plenum in oculos eius intentat, alius furca de carnario rapta statum proeliantis componit. anus praecipue lippa, sordidissimo praecincta linteo, soleis ligneis imparibus imposita, canem ingentis magnitudinis catena trahit instigatque in Eumolpon. (9) sed ille candelabro se ab omni periculo vindicabat. 96 (1) videbamus nos omnia per foramen valvae, quod paulo ante ansa ostioli rupta laxaverat, favebamque ego vapulanti. (2) Giton autem non oblitus misericordiae suae reserandum esse ostium succurrendumque periclitanti censebat. (3) ego durante adhuc iracundia non continui manum, sed caput miserantis stricto acutoque articulo percussi. (4) et ille quidem flens consedit in lecto. ego autem alternos opponebam foramini oculos iniuriaque Eumolpi velut quodam cibo me replebam advocationemque commendabam, cum procurator insulae Bargates a cena excitatus a duobus lecticariis in mediam rixam prefertur; nam erat etiam pedibus aeger. (5) is ut rabiosa barbaraque voce in ebrios fugitivosque diu peroravit, respiciens ad Eumolpon (6) »o poetarum« inquit »disertissime, tu eras? et non discedunt ocius nequissimi servi manusque continent a rixa?« *

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(8) Inzwischen verprügelten Küchengehilfen und Mieter den Ausgesperrten, und der eine ging mit einem Bratspieß voller brutzelnder Innereien auf seine Augen los, ein anderer griff sich eine Gabel aus der Fleischkammer und nahm Kampfposition ein. Besonders tat sich eine triefäugige Alte hervor: Umgürtet mit einem total schmutzigen Leinentuch und auf ungleichen Holzsandalen stehend, schliff sie einen Hund von ungeheurer Größe an der Kette daher und hetzte ihn auf Eumolp. (9) Doch der versuchte, sich mit einem Leuchter vor aller Gefahr zu schützen. 96 (1) Wir sahen alles durch eine kleine Öffnung im Türflügel, die kurz zuvor der herausgebrochene Türgriff freigelegt hatte, und ich feuerte ihn an, während er verprügelt wurde. (2) Giton aber, der nicht vergaß, wie er Mitleid gezeigt hatte, war der Meinung, wir müssten die Tür entriegeln und ihm in seiner gefährlichen Lage zu Hilfe kommen. (3) Ich konnte, weil mein Zorn noch andauerte, meine Hand nicht zurückhalten, sondern schlug ihm, weil er mitleidig war, mit spitzem Knöchel hart auf den Kopf. (4) Da setzte er sich weinend aufs Bett. Ich aber legte bald das eine, bald das andere Auge an die Öffnung, labte mich an den Gewalttätigkeiten gegen Eumolp wie an einer Speise und empfahl ihm juristischen Beistand, als plötzlich Bargates, der Verwalter des Mietshauses, vom Abendessen weggeholt, durch zwei Sänftenträger mitten in die Streitszene getragen wurde; denn er hatte unter anderem ein Fußleiden. (5) Als der mit wütender und ausländisch klingender Stimme lange auf die Trunkenbolde und Halunken eingeredet hatte, blickte er auf Eumolp und sagte: (6) »O aller Poeten Wortgewaltigster, du warst das? Und da verschwinden nicht schleunigst die äußerst nichtsnutzigen Sklaven und halten ihre Hände vom Streit zurück?« *

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(7) [Bargates procurator ad Eumolpum] »contubernalis mea mihi fastum facit. ita, si me amas, maledic illam versibus, ut habeat pudorem« * 97 (1) dum Eumolpus cum Bargate in secreto loquitur, intrat stabulum praeco cum servo publico aliaque sane !non" modica frequentia, facemque fumosam magis quam lucidam quassans haec proclamavit: (2) »puer in balneo paulo ante aberravit, annorum circa XVI, crispus, mollis, formosus, nomine Giton. si quis eum reddere aut commonstrare voluerit, accipiet nummos mille.« (3) nec longe a praecone Ascyltos stabat amictus discoloria veste atque in lance argentea indicium et fidem praeferebat. (4) imperavi Gitoni ut raptim grabatum subiret annecteretque pedes et manus institis, quibus sponda culcitam ferebat, ac sic ut olim Ulixes †pro† arieti adhaesisset, extentus infra grabatum scrutantium eluderet manus. (5) non est moratus Giton imperium momentoque temporis inseruit vinculo manus et Ulixem astu simillimo vicit. (6) ego ne suspicioni relinquerem locum, lectulum vestimentis implevi uniusque hominis vestigium ad corporis mei mensuram figuravi.

(7) interim Ascyltos ut pererravit omnes cum viatore cellas, venit ad meam, et hoc quidem pleniorem spem concepit quo diligentius oppessulatas invenit fores. (8) publicus vero servus insertans commissuris securem claustrorum [in]firmitatem laxavit. (9) ego ad genua Ascylti procubui et per memoriam amicitiae perque societatem miseriarum petii ut saltem ostenderet fratrem. immo ut fidem habe-

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(7) (Der Verwalter Bargates zu Eumolp:) »Meine Bettpartnerin behandelt mich mit Verachtung. Also, wenn du so lieb sein willst, schmähe sie in Versen, damit sie sich schämt« * 97 (1) Während Eumolp mit Bargates unter vier Augen sprach, betrat die Absteige ein Ausrufer mit einem Gemeindediener und einem anderen nicht gerade kleinen Haufen von Leuten, und eine mehr qualmende als leuchtende Fackel schwingend gab er Folgendes bekannt: (2) »Knabe in Bad vor kurzem abhanden gekommen, circa 16  Jahre alt, lockig, feminin, schön, Giton mit Namen. Falls jemand ihn zurückgeben oder seinen Verbleib anzeigen will, wird er tausend Sesterzen bekommen.« (3) Und nicht weit von dem Ausrufer stand Askylt, bekleidet mit einem farbenfrohen Gewand, und präsentierte auf einer silbernen Schale Finderlohn und Beglaubigungsschreiben. (4) Ich befahl Giton, schnell unter das Bett zu kriechen, seine Füße und Hände an die Riemen zu klammern, vermittelst derer das Bettgestell die Matratze trug, und so, wie sich einst Odysseus  … an den Widder gehängt habe, ausgestreckt unter dem Bett den Händen der nach ihm Suchenden auszuweichen. (5) Unverzüglich gehorchte Giton dem Befehl, steckte augenblicklich seine Hände in das Geflecht und übertrumpfte Odysseus mit einem sehr ähnlichen Trick. (6) Ich überhäufte, um Verdacht auszuräumen, das kleine Bett mit Kleidungsstücken und formte den Abdruck eines einzigen Menschen von meiner Körpergröße. (7) Als Askylt unterdessen zusammen mit dem Gemeindekurier alle Zimmer durchstreift hatte, kam er zu meinem und schöpfte umso größere Hoffnung, als er die Tür besonders sorgfältig verriegelt fand. (8) Der Gemeindediener aber zwängte in die Fugen ein Beil und sprengte die festen Verschlüsse auf. (9) Ich fiel vor Askylt auf die Knie und bat ihn um der Erinnerung an unsere Freundschaft und der Leidensgenossenschaft willen, er

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rent fictae preces, »scio te« inquam »Ascylte, ad occidendum me venisse. quo enim secures attulisti? itaque satia iracundiam tuam: praebeo ecce cervicem, funde sanguinem, quem sub praetextu quaestionis petisti.« (10) amolitur Ascyltos invidiam et se vero nihil aliud quam fugitivum suum dixit quaerere, nec mortem hominis concupisse [nec] supplicis, utique eius quem !etiam" post fatalem rixam habuisset carissimum. 98 (1) at non servus publicus tam languide agit, sed raptam cauponi harundinem subter lectum mittit omniaque etiam foramina parietum scrutatur. subducebat Giton ab ictu corpus et retento timidissime spiritu ipsos sciniphes ore tangebat …

(2) Eumolpus autem, quia effractum ostium cellae neminem poterat excludere, irrumpit perturbatus et »mille« inquit »nummos inveni; iam enim persequar abeuntem praeconem et in potestate tua esse Gitonem meritissima proditione monstrabo«. (3) genua ego perseverantis amplector, ne morientes vellet occidere, et »merito« inquam »excandesceres, si posses propositum ostendere. nunc inter turbam puer fugit, nec quo abierit suspicari possum. per fidem, Eumolpe, reduc puerum et vel Ascylto redde«. (4) dum haec ego iam credenti persuadeo, Giton collectione spiritus plenus ter continuo ita sternutavit ut grabatum concuteret. (5) ad quem motum Eumolpus conversus salvere Gitona iubet. remota etiam

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solle mir mein Brüderchen wenigstens zeigen. Ja, damit meine geheuchelten Bitten glaubwürdig seien, sagte ich: »Ich weiß, dass du, Askylt, zu meiner Ermordung gekommen bist. Denn wozu sonst hast du Beile mitgebracht? Also sättige deinen Jähzorn: Sieh da, ich halte meinen Nacken hin, vergieß mein Blut, auf das du unter dem Vorwand einer Haussuchung aus warst.« (10) Askylt wies die Unterstellung von sich, und er sagte, er suche wahrhaftig nichts anderes als seinen entlaufenen Sklaven, nicht habe er den Tod eines bittflehenden Menschen begehrt, auf keinen Fall desjenigen, den er auch nach dem verhängnisvollen Streit als den ihm liebsten angesehen habe. 98 (1) Doch der Gemeindediener verhielt sich nicht so lax, sondern entriss dem Kneipenwirt einen Stock, ließ den unter das Bett fahren und durchsuchte auch alle Löcher in den Wänden. Giton entzog seinen Körper dem Stoß, und während er den Atem überängstlich anhielt, berührte er sogar die Bettwanzen mit dem Gesicht … (2) Eumolp aber drang, weil die aufgebrochene Zimmertür niemanden aussperren konnte, ganz außer sich ein und rief: »Die tausend Sesterzen sind mein Finderlohn. Ich werde nämlich gleich hinter dem davonziehenden Ausrufer her laufen und ihm durch Verrat, den du nur zu sehr verdienst, anzeigen, dass Giton in deiner Gewalt ist.« (3) Weil er hartnäckig dabei blieb, umschlang ich seine Knie, flehte, er möchte doch Sterbende nicht töten, und sagte: »Mit Recht würdest du dich aufregen, wenn du auf den Gesuchten zeigen könntest. Nun aber hat sich der Knabe in dem Durcheinander davongemacht, und ich kann nicht ahnen, wohin er gegangen ist. Um Himmels willen, Eumolp, bring den Knaben zurück oder gib ihn meinetwegen Askylt wieder!« (4) Während ich ihm dieses einzureden versuchte und er es schon glaubte, musste Giton, voll mit aufgestautem Atem, dreimal hintereinander so heftig niesen, dass er das Bett erbeben ließ. (5) Auf diese Bewegung hin drehte Eumolp sich um und wünschte Giton Gesundheit.

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culcita videt Ulixem, cui vel esuriens Cyclops potuisset parcere. (6) mox conversus ad me »quid est« inquit »latro? ne deprehensus quidem ausus es mihi verum dicere. immo ni deus quidam humanarum rerum arbiter pendenti puero excussisset indicium, elusus circa popinas errarem« *

(7) Giton longe blandior quam ego, primum araneis oleo madentibus vulnus, quod in supercilio factum erat, coartavit. mox palliolo suo laceratam mutavit vestem, amplexusque iam mitigatum osculis tamquam fomentis aggressus est et (8) »in tua« inquit »pater carissime, in tua sumus custodia. si Gitona tuum amas, incipe velle servare. (9) utinam me solum inimicus ignis hauriret vel hibernum invaderet mare. ego enim omnium scelerum materia, ego causa sum. si perirem, conveniret inimicis« *

99 (1) [Eumolpus] »ego sic semper et ubique vixi, ut ultimam quamque lucem tamquam non redituram consumerem« * (2) profusis ego lacrimis rogo quaesoque ut mecum quoque redeat in gratiam: neque enim in amantium esse potestate furiosam aemulationem. daturum tamen operam ne aut dicam aut faciam amplius quo possit offendi. tantum omnem scabitudinem animo tamquam bonarum artium magister delevet sine cicatrice. (3) »incultis asperisque regionibus diutius nives haerent, ast ubi aratro domefacta tel-

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Als er auch die Matratze entfernt hatte, sah er einen Odysseus, den sogar der hungrige Kyklop hätte verschonen können. (6) Dann drehte er sich zu mir um und sagte: »Was soll das, du Gauner? Nicht einmal, als du ertappt warst, hast du dir ein Herz gefasst, mir die Wahrheit zu sagen. Ja, wenn nicht irgendein Gott, der über die menschlichen Angelegenheiten waltet, dem Knaben, wie er da hing, das Omen entlockt hätte, würde ich, von dir auf den Arm genommen, in den Kneipen herumirren« * (7) Giton, der weit besser schmeicheln konnte als ich, schloss als erstes mit ölgetränkten Spinnweben die Wunde, die an der Augenbraue entstanden war. Bald darauf vertauschte er das zerfetzte Gewand mit seinem Mäntelchen, umarmte den schon Besänftigten, bestürmte ihn mit Küssen, die wie lindernde Umschläge waren, und sagte: (8) »Unter deinem, liebster Vater, unter deinem Schutz stehen wir! Wenn du deinen Giton liebst, so wolle uns nun retten. (9) Wenn mich allein doch ein feindseliges Feuer verschlänge oder stürmisches Meer über mich herfiele. Denn ich bin der Anlass zu allen Verbrechen, ich bin der Grund. Wenn ich umkäme, würden die Feinde miteinander auskommen« * 99 (1) (Eumolp:) »Ich habe immer und überall so gelebt, dass ich am Ende jedes Tages das Licht so auskostete, als würde es nicht wiederkehren« * (2) Ich vergoss Ströme von Tränen und bat und bettelte, er möge sich auch mit mir wieder versöhnen. Denn Liebende hätten keine Macht über rasende Eifersucht. Ich wolle mir jedoch Mühe geben, des Weiteren weder etwas zu sagen noch zu tun, wodurch er verletzt werden könnte. Nur möge er als Meister der schönen Künste allen Wundschorf in seiner Seele narbenlos glätten. (3) »In unbebauten und rauen Gegenden bleibt der Schnee län-

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lus nitet, dum loqueris levis pruina dilabitur. similiter in pectoribus ira considit: feras quidem mentes obsidet, eruditas praelabitur.« (4) »ut scias« inquit Eumolpus »verum esse quod dicis, ecce etiam osculo iram finio. itaque, quod bene eveniat, expedite sarcinulas et vel sequimini me vel, si mavultis, ducite«. (5) adhuc loquebatur, cum crepuit ostium impulsum, stetitque in limine barbis horrentibus nauta et »moraris« inquit »Eumolpe, tamquam †propudium† ignores«. (6) haud mora, omnes consurgimus, et Eumolpus quidem mercennarium suum iam olim dormientem exire cum sarcinis iubet; ego cum Gitone quicquid erat in iter compono et adoratis sideribus intro navigium *

100 (1) »molestum est quod puer hospiti placet. quid autem? non commune est quod natura optimum fecit? sol omnibus lucet. luna innumerabilibus comitata sideribus etiam feras ducit ad pabulum. quid aquis dici formosius potest? in publico tamen manant. solus ergo amor furtum potius quam praemium erit? immo vero nolo habere bona nisi quibus populus inviderit. unus, et senex, non erit gravis; etiam cum voluerit aliquid sumere, opus anhelitu prodet.« (2) haec ut infra fiduciam posui fraudavique animum dissidentem, coepi somnum obruto tunicula capite mentiri.

(3) sed repente quasi destruente fortuna constantiam meam eiusmodi vox super constratum puppis congemuit: »ergo me derisit?«

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ger liegen, doch wo Erde, die vom Pflug gezähmt ist, fett glänzt, zerschmilzt, noch während du redest, der flüchtige Raureif. Ähnlich setzt sich in unserer Brust der Zorn fest: Er sucht jedenfalls wilde Gemüter heim, gleitet aber von gebildeten ab.« (4) »Damit du weißt«, sagte Eumolp, »dass wahr ist, was du sagst, schau, auch noch mit einem Kuss beende ich meinen Zorn! Alles Gute denn, macht euer Gepäck fertig, und entweder folgt mir oder geht, wenn ihr das lieber wollt, voraus.« (5) Er sprach noch, als an die Tür gestoßen wurde, so dass sie knarrte, und es stand auf der Schwelle mit struppigem Bart ein Seemann und sagte: »Du bummelst, Eumolp, als ob du nicht wüsstest …« (6) Unverzüglich erhoben wir uns alle, und Eumolp befahl nun seinem schon längst schlafenden Lohndiener, mit dem Gepäck hinauszugehen; ich stellte zusammen mit Giton alle unsere Habseligkeiten für die Reise zusammen und betrat, nachdem ich zu den Gestirnen gebetet hatte, das Schiff * 100 (1) (Enkolp:) »Es ist ärgerlich, dass der Knabe meinem Gast gefällt. Doch was soll’s? Ist nicht Gemeingut, was die Natur vollkommen gemacht hat? Die Sonne leuchtet für alle. Der Mond, von unzähligen Sternen begleitet, führt auch die wilden Tiere zur Futterstelle. Was könnte man schöner nennen als die Gewässer? Dennoch fließen sie in aller Öffentlichkeit. Soll also allein die Liebe eher Diebesgut als ein Geschenk für alle sein? Trotzdem, ich will nur Güter besitzen, um die mich die Leute beneiden. Ein einziger, noch dazu ein alter Mann, wird kein schweres Problem sein; auch wenn er sich etwas herausnehmen sollte, wird er sein Treiben durch Keuchen verraten.« (2) Als ich diese These ohne echte Überzeugung aufgestellt und mein mit sich selbst im Streit liegendes Herz betrogen hatte, vergrub ich den Kopf unter meiner billigen Tunika und begann, Schlaf vorzutäuschen. (3) Doch plötzlich – es war, als machte Fortuna meine standhafte Haltung zunichte – seufzte über das Achterdeck eine Stimme etwa dies: »Also hat

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(4) et haec quidem virilis et paene auribus meis familiaris animum palpitantem percussit. ceterum eadem indignatione mulier lacerata ulterius excanduit et »si quis deus manibus meis« inquit »Gitona imponeret, quam bene exulem exciperem«. (5) uterque nostrum tam inexpectato ictus sono amiserat sanguinem. ego praecipue quasi somnio quodam turbulento circumactus diu vocem collegi tremebundisque manibus Eumolpi iam in soporem labentis laciniam duxi et »per fidem« inquam »pater, cuius haec navis est, aut quos vehat dicere potes?« (6) inquietatus ille moleste tulit et »hoc erat« inquit »quod placuerat tibi, ut subter constratum navis occuparemus secretissimum locum, ne nos patereris requiescere? (7) quid porro ad rem pertinet, si dixero Licham Tarentinum esse dominum huiusce navigii, qui Tryphaenam exulem Tarentum ferat?« 101 (1) intremui post hoc fulmen attonitus, iuguloque detecto »aliquando« inquam »totum me, Fortuna, vicisti«. nam Giton quidem super pectus meum positus diu animam egit. (2) deinde ut effusus sudor utriusque spiritum revocavit, comprehendi Eumolpi genua et »miserere« inquam »morientium, id est pro consortio studiorum commoda manum; mors venit, quae nisi per te !non" licet, potest esse pro munere« *

(3) inundatus hac Eumolpus invidia iurat per deos deasque se neque scire quid acciderit nec ullum dolum malum consilio adhibuisse, sed mente simplicissima et vera fide in navigium comites induxisse, quo ipse iam pridem fuerit usurus. (4) »quae autem

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er mich zum Narren gehalten?« (4) Und die nun, eine männliche Stimme und meinen Ohren nur zu bekannt, erschütterte heftig mein bebendes Herz. Überdies geriet eine Frau, die von derselben Empörung zerrissen war, noch ärger in Rage und rief: »Wenn irgendein Gott mir Giton in die Hände fallen ließe, wie nett würde ich den Ausreißer aufnehmen!« (5) Jedem von uns beiden wich, als wir von diesem so unerwarteten Klang getroffen wurden, das Blut aus dem Gesicht. Besonders ich, gleichsam von irgendeinem wirren Traum herumgejagt, rang lange nach Worten, zog dann mit zitternden Händen Eumolp, der bereits in Schlaf sank, am Gewandzipfel und sagte: »Um Himmels willen, Väterchen, wem gehört dieses Schiff, oder kannst du sagen, welche Leute es befördert?« (6) In seiner Ruhe gestört, war der verärgert und sagte: »Das war es, warum du es gut fandest, dass wir unter Deck den abgeschiedensten Platz belegten, damit du uns nicht zur Ruhe kommen lässt? (7) Was bedeutet es außerdem schon, wenn ich sage, dass Lichas aus Tarent der Besitzer dieses Schiffes ist, der Tryphaena, eine Verbannte, nach Tarent bringt?« 101 (1) Ich erzitterte nach diesem Blitzschlag entgeistert, entblößte meine Kehle und sagte: »Endlich, Fortuna, hast du mich ganz niedergezwungen!« Was Giton betrifft, hatte er sich mir an die Brust geworfen, und er rang lange nach Luft. (2) Als dann ein Schweißausbruch uns beiden die Sinne wiederbelebt hatte, ergriff ich Eumolps Knie und sagte: »Hab Erbarmen mit uns Todgeweihten, also leih uns im Namen unserer Studiengemeinschaft deine Hand; der Tod naht, der – es sei denn, du gestattest es nicht – wie ein Geschenk sein kann« * (3) Unter der Flut dieser Anschuldigungen schwor Eumolp bei Göttern und Göttinnen, er wisse weder, was geschehen sei, noch habe er mit Absicht irgendeine üble List angewandt, sondern uns mit reinstem Gewissen und wahrer Treue als Begleiter auf das Schiff geführt, das er selbst schon

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hic insidiae sunt« inquit »aut quis nobiscum Hannibal navigat? Lichas Tarentinus, homo verecundissimus et non tantum huius navigii dominus quod regit, sed fundorum etiam aliquot et familiae negotiantis, onus deferendum ad mercatum conducit. (5) hic est Cyclops ille et archipirata, cui vecturam debemus; et praeter hunc Tryphaena, omnium feminarum formosissima, quae voluptatis causa huc atque illuc vectatur.« (6) »hi sunt« inquit Giton »quos fugimus« simulque raptim causas odiorum et instans periculum trepidanti Eumolpo exponit. (7) confusus ille et consilii egens iubet quemque suam sententiam promere et »fingite« inquit »nos antrum Cyclopis intrasse. quaerendum est aliquod effugium, nisi naufragium ponimus et omni nos periculo liberamus.« (8) »immo« inquit Giton »persuade gubernatori ut in aliquem portum navem deducat, non sine praemio scilicet, et affirma ei impatientem maris fratrem tuum in ultimis esse. poteris hanc simulationem et vultus confusione et lacrimis obumbrare, ut misericordia permotus gubernator indulgeat tibi.« (9) negavit hoc Eumolpus fieri posse, »quia magna« inquit »navigia portubus se curvatis insinuant, nec tam cito fratrem defecisse veri simile erit. (10) accedit his quod forsitan Lichas officii causa visere languentem desiderabit. vides quam valde nobis expediat ultro dominum ad fugientes accersere. (11) sed finge navem ab ingenti posse cursu deflecti et Licham non utique circumiturum aegrorum cubilia: quomodo possumus egredi nave, ut

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längst habe benützen wollen. (4) »Was gibt es denn hier für einen Hinterhalt«, sagte er, »beziehungsweise welcher Hannibal segelt mit uns? Lichas aus Tarent, ein höchst ehrenwerter Mann und nicht nur Besitzer dieses Schiffes, dessen Kapitän er ist, sondern auch einiger Ländereien und eines Großhandelsunternehmens, hat zu einem bestimmten Preis Ware geladen, um sie auf den Markt zu bringen. (5) Der ist der Kyklop und Oberseeräuber, dem wir die Überfahrt verdanken; und außer ihm ist da Tryphaena, die schönste aller Frauen, die zum Vergnügen hierhin und dorthin fährt.« (6) »Genau die sind es«, rief Giton, »vor denen wir fliehen!«, und legte zugleich hastig Eumolp, der dabei unruhig hin und her lief, die Gründe für ihren Hass und die drohende Gefahr dar. (7) Der, verstört und ratlos, forderte jeden auf, die eigene Meinung zu äußern, und sagte: »Tut so, als hätten wir die Höhle des Kyklopen betreten. Wir müssen irgendeinen Ausweg suchen – es sei denn, wir inszenieren einen Schiffbruch und befreien uns so von jeder Gefahr.« (8) »Nein«, sagte Giton, »überrede lieber den Steuermann, das Schiff in irgendeinen Hafen zu lenken, natürlich nicht ohne Belohnung, und versichere ihm, dein Brüderchen vertrage das Meer nicht und liege in den letzten Zügen. Du kannst diesen Schwindel durch ein verstörtes Gesicht und Tränen vertuschen, so dass der Steuermann, von Mitleid getrieben, dir nachgibt.« (9) Eumolp bestritt, dass dies geschehen könne, »weil große Schiffe«, wie er sagte, »nur in runde Hafenbecken einlaufen und es auch nicht wahrscheinlich sein wird, dass mein Brüderchen so schnell entkräftet ist. (10) Hinzu kommt, dass Lichas vielleicht, um seine Pflicht zu erfüllen, wünschen wird, nach dem Kranken zu sehen. Überlege dir, wie sehr es uns nützt, freiwillig den Herrn zu den Ausreißern zu holen! (11) Aber nimm mal an, das Schiff könne in seiner ungestümen Fahrt auf einen anderen Kurs gebracht werden und Lichas werde nicht auf jeden Fall die Runde bei den Krankenbetten machen: Wie können wir das Schiff

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non conspiciamur a cunctis? opertis capitibus an nudis? opertis, et quis non dare manum languentibus volet? nudis, et quid erit aliud quam se ipsos proscribere?« 102 (1) »quin potius« inquam ego »ad temeritatem confugimus et per funem lapsi descendimus in scapham praecisoque vinculo reliqua fortunae committimus? (2) nec ego in hoc periculum Eumolpon arcesso. quid enim attinet innocentem alieno periculo imponere? contentus sum, si nos descendentes adiuverit casus.« (3) »non imprudens« inquit »consilium« Eumolpos »si aditum haberet. quis enim non euntes notabit? utique gubernator, qui pervigil nocte siderum quoque motus custodit. (4) et utcumque imponi vel dormienti posset, si per aliam partem navis fuga quaereretur: nunc per puppim, per ipsa gubernacula delabendum est, a quorum regione funis descendit [qui scaphae custodiam tenet]. (5) praeterea illud miror, Encolpi, tibi non succurrisse, unum nautam stationis perpetuae interdiu noctuque iacere in scapha, nec posse inde custodem nisi aut caede expelli aut praecipitari viribus. (6) quod an fieri possit interrogate audaciam vestram. nam quod ad meum quidem comitatum attinet, nullum recuso periculum quod salutis spem ostendit. (7) nam sine causa [quidem] spiritum tamquam rem vacuam impendere ne vos quidem existimo velle. (8) videte numquid hoc placeat: ego vos in duas iam pelles coniciam vinctosque loris inter vestimenta pro sarcinis habebo, apertis scilicet aliquatenus labris, quibus et spiritum recipere possitis et cibum. (9) conclamabo

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verlassen, ohne von allen erblickt zu werden? Mit verhüllten Köpfen oder mit bloßen? Mit verhüllten – und wer wird nicht den Kranken helfend die Hand reichen wollen? Mit bloßen – und was wird das anderes sein, als sich selbst für vogelfrei zu erklären?« 102 (1) »Warum«, sagte ich, »nehmen wir nicht lieber zu einem Wagnis Zuflucht, gleiten am Tau herab, steigen in das Beiboot, kappen das Seil und überlassen das Übrige Fortuna? (2) Aber ich will nicht Eumolp in diese Gefahr hineinziehen. Denn was bringt es, einen Unschuldigen fremder Gefahr auszusetzen? Ich bin zufrieden, wenn uns beim Herabsteigen der Zufall hilft.« (3) »Kein unkluger Plan«, sagte Eumolp, »wenn er Aussicht auf Erfolg hätte. Denn wer wird nicht bemerken, wenn wir abziehen? Auf jeden Fall der Steuermann, der, ständig wach während der Nacht, sogar auf die Bewegungen der Sterne ein wachsames Auge hat. (4) Und auch für den Fall, dass er schläft, könnte er höchstens getäuscht werden, wenn man die Flucht an einer anderen Stelle des Schiffes versuchen würde. Nun aber muss man beim Heck herabgleiten, direkt beim Steuerruder, in dessen Bereich das Tau nach unten hängt. (5) Außerdem wundere ich mich darüber, Enkolp, dass dir nicht in den Sinn kam, dass ein Matrose als ständige Wache bei Tag und bei Nacht in dem Beiboot liegt und dass dieser Posten von dort nur vertrieben werden kann, wenn man ihn entweder erschlägt oder gewaltsam über Bord wirft. (6) Ob das geschehen kann, fragt euren Wagemut! Denn was zumindest meine Mitwirkung betrifft, verweigere ich mich keiner Gefahr, die Hoffnung auf Rettung erkennen lässt. (7) Denn grundlos das Leben opfern, als wäre es etwas Nichtiges, wollt, wie ich glaube, auch ihr nicht. (8) Schaut, ob euch etwa Folgendes zusagt: Ich werde euch gleich in zwei Felle stecken, mit Riemen verschnüren und unter den Kleidungsstücken als Gepäckstücke verwahren, wobei natürlich einige Säume so weit offen sind, dass ihr durch sie atmen und Nahrung aufnehmen könnt. (9) Ich werde dann

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deinde nocte servos poenam graviorem timentes praecipitasse se in mare. deinde cum ventum fuerit in portum, sine ulla suspicione pro sarcinis vos efferam.« (10) »ita vero« inquam ego »tamquam solidos alligaturus, quibus non soleat venter iniuriam facere? an tamquam eos qui sternutare non soleamus nec stertere? an quia hoc genus furti semel [mea] feliciter cessit? (11) sed finge una die vinctos posse durare: quid ergo si diutius aut tranquillitas nos tenuerit aut adversa tempestas? quid facturi sumus? (12) vestes quoque diutius vinctas ruga consumit, et chartae alligatae mutant figuram. iuvenes adhuc laboris experts statuarum ritu patiemur pannos et vincula? *

(13) adhuc aliquod iter salutis quaerendum est. inspicite quod ego inveni. Eumolpus tamquam litterarum studiosus utique atramentum habet. hoc ergo remedio mutemus colores a capillis usque ad ungues. ita tamquam servi Aethiopes et praesto tibi erimus sine tormentorum iniuria hilares et permutato colore imponemus inimicis.« (14) »quidni?« inquit Giton »etiam circumcide nos, ut Iudaei videamur, et pertunde aures, ut imitemur Arabes, et increta facies, ut suos Gallia cives putet: tamquam hic solus color figuram possit pervertere et non multa una oporteat consentiant, ut omni ratione mendacium constet. (15) puta infectam medicamine faciem diutius durare posse; finge nec aquae asperginem imposituram ali-

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schreien, in der Nacht hätten meine Sklaven sich aus Furcht vor zu schwerer Strafe ins Meer gestürzt. Ist man dann in einen Hafen gekommen, werde ich euch, ohne irgendwelchen Verdacht zu erregen, als Gepäckstücke von Bord schaffen lassen. (10) »Ja, wahrhaftig«, sagte ich, »um uns dann, als ob wir ungelocht wären, zu umschnüren, weil uns ja der Bauch gewöhnlich kein Malheur bereitet? Oder als ob wir Leute wären, die weder zu niesen noch zu schnarchen pflegen? Oder weil diese Art von Schmuggelei einmal glücklich verlief ? (11) Doch nimm an, wir könnten einen Tag lang verschnürt durchhalten: Was aber, wenn entweder Windstille uns länger festhält oder ein Unwetter? Was sollen wir dann tun? (12) Auch Kleider, die länger verschnürt sind, verderben Falten, und Papyrusblätter, die umschnürt sind, verändern ihre Form. Wir jungen Männer, die wir Strapazen noch nicht kennen, sollen uns wie Statuen Lappen und Stricke gefallen lassen? * (13) Noch immer müssen wir irgendeinen Weg zur Rettung suchen. Seht euch mal an, was ich ersonnen habe: Eumolp hat als Literaturbeflissener jedenfalls Tinte bei sich. Lasst uns denn durch dieses Mittel unsere Farbe von den Haaren bis zu den Zehennägeln verändern. So werden wir als äthiopische Sklaven sowohl dir vergnügt zur Verfügung stehen, ohne Folterqualen erleiden zu müssen, als auch durch unsere gänzlich veränderte Farbe unsere Feinde täuschen.« (14) »Klar, warum nicht?«, sagte Giton, »beschneide uns auch, damit wir wie Juden aussehen, und durchbohre uns die Ohren, damit wir den Arabern gleichen, und mach unsere Gesichter mit Kreide weiß, damit uns Gallien für seine Bürger hält: Als ob diese Farbe allein die äußere Erscheinung gänzlich verändern könnte und nicht vieles miteinander übereinstimmen müsste, damit der Schwindel in jeder Hinsicht gesichert ist. (15) Nimm an, das mit Farbstoff beschmierte Gesicht könnte ein Weilchen durchhalten; stell dir vor, weder Wasserspritzer brächten irgendeinen

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quam corpori maculam nec vestem atramento adhaesuram, quod frequenter etiam non accersito ferrumine infigitur: age, numquid et labra possumus tumore taeterrimo implere? numquid et crines calamistro convertere? numquid et frontes cicatricibus scindere? numquid et crura in orbem pandere? numquid et talos ad terram deducere? numquid !et" barbam peregrina ratione figurare? color arte compositus inquinat corpus, non mutat. (16) audite quid timenti succurrerit: praeligemus vestibus capita et nos in profundum mergamus.« 103 (1) »nec istud dii hominesque patiantur« Eumolpus exclamat »ut vos tam turpi exitu vitam finiatis. immo potius facite quod iubeo. mercennarius meus, ut ex novacula comperistis, tonsor est: hic continuo radat utriusque non solum capita sed etiam supercilia. (2) sequar ego frontes notans inscriptione sollerti, ut videamini stigmate esse puniti. ita eaedem litterae et suspicionem declinabunt quaerentium et vultus umbra supplicii tegent.«

(3) non est dilata fallacia, sed ad latus navigii furtim processimus capitaque cum superciliis denudanda tonsori praebuimus. (4) implevit Eumolpus frontes utriusque ingentibus litteris et notum fugitivorum epigramma per totam faciem liberali manu duxit. (5) unus forte ex vectoribus, qui acclinatus lateri navis exonerabat stomachum nausea gravem, notavit sibi ad lunam tonsorem intempestivo inhaerentem ministerio, execratusque omen, quod imitaretur

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Flecken auf unseren Körper noch blieben die Kleider an der Tinte hängen, die häufig festklebt, auch wenn kein Gummi dazu genommen wird – nun denn, können wir etwa auch die Lippen durch abscheuliche Wülste anschwellen lassen? Und etwa auch die Haare mit der Brennschere verändern? Etwa auch unsere Stirnen durch Narben zerschlitzen? Etwa auch die Beine o-förmig spreizen? Etwa auch die Knöchel bis zum Boden reichen lassen? Etwa auch den Bart nach ausländischer Mode zurechtstutzen? Künstlich aufgetragene Farbe beschmiert den Körper, verändert ihn nicht. (16) Hört, was mir in meiner Angst eingefallen ist: Lasst uns unsere Köpfe mit den Kleidern umwickeln und in die Tiefe tauchen.« 103 (1) »Das mögen Götter und Menschen nicht zulassen«, rief Eumolp aus, »dass ihr durch einen so elenden Tod euer Leben beendet! Nein, tut lieber, was ich anordne. Mein Lohndiener ist, wie ihr an seinem Rasiermesser gemerkt habt, Barbier: Der soll euch beiden sofort nicht nur die Köpfe, sondern auch die Augenbrauen rasieren. (2) Dann komme ich und beschreibe eure Stirnen mit kunstreich angefertigter Aufschrift, so dass ihr wie die ausseht, die durch ein Brandmal bestraft wurden. So werden dieselben Buchstaben sowohl den Verdacht der Leute, die euch suchen, ablenken als auch eure Gesichtszüge unter dem dunklen Schein einer Strafaktion verbergen.« (3) Das Täuschungsmanöver wurde nicht aufgeschoben, sondern wir gingen heimlich vor zur Bordwand des Schiffes und überließen unsere Köpfe zusammen mit den Augenbrauen dem Barbier zur Glattrasur. (4) Eumolp malte uns beiden die Stirn mit riesigen Buchstaben voll und zog uns mit frei ausgreifender Hand die bei entlaufenen Sklaven geläufige Aufschrift über das ganze Gesicht. (5) Zufällig bemerkte einer von den Passagieren, der sich an die Bordwand des Schiffes lehnte und seinen von Seekrankheit befallenen Magen erleichterte, im Mondschein den Barbier, der sich zur Unzeit ganz seinem Handwerk hingab, verwünschte das Vorzeichen, weil es dem

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naufragorum ultimum votum, in cubile reiectus est. (6) nos dissimulata nauseantis devotione ad ordinem tristitiae redimus, silentioque compositi reliquas noctis horas male soporati consumpsimus * 104 (1) [Lichas] »videbatur mihi secundum quietem Priapus dicere: ›Encolpion quod quaeris, scito a me in navem tuam esse perductum‹.« (2) exhorruit Tryphaena et »putes« inquit »una nos dormiisse; nam et mihi simulacrum Neptuni, quod Bais !in" tetrastylo notaveram, videbatur dicere: ›in nave Lichae Gitona invenies‹.« (3) »hinc scies« inquit Eumolpus »Epicurum hominem esse divinum, qui eiusmodi ludibria facetissima ratione condemnat« … (4) ceterum Lichas ut Tryphaenae somnium expiavit, »quis« inquit »prohibet navigium scrutari, ne videamur divinae mentis opera damnare?« … (5) is qui nocte miserorum furtum deprehenderat, Hesus nomine, subito proclamat: »ergo illi [qui] sunt, qui nocte ad lunam radebantur pessimo medius fidius exemplo? audio enim non licere cuiquam mortalium in nave neque ungues neque capillos deponere nisi cum pelago ventus irascitur«. 105 (1) excanduit Lichas hoc sermone turbatus et »itane« inquit »capillos aliquis in nave praecidit, et hoc nocte intempesta? attrahite ocius nocentes in medium, ut sciam quorum capitibus debeat navigium lustrari«. (2) »ego« inquit Eumolpus »hoc iussi. nec in eodem futurus navigio auspicium mihi feci, sed quia [nocentes] horridos longosque habebant capillos, ne

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letzten Gelübde Schiffbrüchiger glich, und fiel in seine Koje zurück. (6) Wir überhörten den Fluch des Seekranken und wandten uns wieder der gewohnten Misere zu, legten uns still nieder und verbrachten die übrigen Nachtstunden schlaflos * 104 (1) (Lichas:) »Es schien mir unmittelbar nach dem Einschlafen, dass Priap sagte: »Was deine Suche nach Enkolp betrifft, wisse, dass er von mir auf dein Schiff gebracht wurde.« (2) Tryphaena erschauerte und sagte: »Man könnte glauben, wir hätten zusammen geschlafen. Denn auch mir schien, dass die Statue Neptuns, die ich in Baiae im Tetrastyl bemerkt hatte, sagte: ›Auf dem Schiff des Lichas wirst du Giton finden‹.« (3) »Daraus kann man ersehen«, sagte Eumolp, »dass Epikur ein göttlicher Mensch ist, wenn er Albernheiten dieser Art auf die witzigste Weise verurteilt« … (4) Als nun Lichas den Traum Tryphaenas entsühnt hatte, sagte er: »Wer hindert mich, das Schiff zu durchsuchen, damit es nicht den Anschein hat, wir würden das Wirken eines göttlichen Geistes missachten?« … (5) Der, welcher uns Unselige in der Nacht bei unserer Betrugsaktion ertappt hatte, Hesus mit Namen, schrie plötzlich los: »Also das sind die, die sich in der Nacht bei Mondschein rasieren ließen, weiß Gott, auf übelste Art? Ich habe nämlich gehört, dass es keinem Sterblichen erlaubt ist, sich auf einem Schiff Nägel oder Haare abzunehmen, außer wenn der Wind dem Meer grollt.« 105 (1) Beunruhigt durch diese Worte geriet Lichas in Rage und rief: »Wirklich, die Haare hat sich jemand auf dem Schiff schneiden lassen, und das in tiefster Nacht? Schafft mir schleunigst die Schuldigen vor Augen, damit ich weiß, mit wessen Köpfen das Schiff entsühnt werden muss.« (2) »Ich«, sagte Eumolp, »habe das angeordnet. Und ich habe, da ich mich ja auf demselben Schiff befinden würde, mir kein böses Vorzeichen verschafft, sondern weil sie struppige und lange Haare hatten, habe ich, damit es nicht

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viderer de nave carcerem facere, iussi squalorem damnatis auferri; simul ut notae quoque litterarum non obumbratae comarum praesidio totae ad oculos legentium acciderent. (3) inter cetera apud communem amicam consumpserunt pecuniam meam, a qua illos proxima nocte extraxi mero unguentisque perfusos. ad summam, adhuc patrimonii mei reliquias olent« … (4) itaque ut tutela navis expiaretur, placuit quadragenas utrique plagas imponi. nulla ergo fit mora: aggrediuntur nos furentes nautae cum funibus temptantque vilissimo sanguine tutelam placare. (5) et ego quidem tres plagas Spartana nobilitate concoxi. ceterum Giton semel ictus tam valde exclamavit, ut Tryphaenae aures notissima voce repleret. (6) non solum ea turbata est, sed ancillae etiam omnes familiari sono inductae ad vapulantem decurrunt. (7) iam Giton mirabili forma exarmaverat nautas coeperatque etiam sine voce saevientes rogare, cum ancillae pariter proclamant: »Giton est, Giton, inhibete crudelissimas manus; Giton est, domina, succurre«. (8) deflectit aures Tryphaena iam sua sponte credentes raptimque ad puerum devolat. (9) Lichas, qui me optime noverat, tamquam et ipse vocem audisset, accurrit et nec manus nec faciem meam consideravit, sed continuo ad inguina mea luminibus deflexis movit officiosam manum et »salve« inquit »Encolpi«. (10) miretur nunc aliquis Ulixis nutricem post vicesimum annum cicatricem invenisse originis indicem, cum homo prudentissimus confusis

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den Anschein hat, ich würde aus dem Schiff ein Gefängnis machen, angeordnet, den Verurteilten den Unrat zu entfernen; zugleich sollten auch die Buchstaben, nicht überschattet von den sie abschirmenden Haaren, ganz zu lesen sein und in die Augen fallen. (3) Unter anderem haben sie mein Geld bei einer gemeinsamen Geliebten verbraucht, bei der ich sie letzte Nacht herausgeholt habe, mit purem Wein und Parfüms begossen, wie sie waren. Kurz und gut, noch jetzt riechen sie nach den Resten meiner Finanzen« … (4) Damit nun die Schutzgöttin des Schiffes entsühnt werde, beschloss man, dass jedem von uns beiden vierzig Hiebe verabreicht würden. Also gab es keinen Aufschub: Wütend gingen die Matrosen mit Tauen auf uns los und versuchten, mit dem gemeinen Blut die Schutzgöttin zu besänftigen. (5) Und ich zumindest verdaute drei Hiebe mit spartanischem Edelmut. Doch Giton schrie, als er nur einmal geschlagen worden war, so laut auf, dass er mit seiner wohlbekannten Stimme tief in Tryphaenas Ohren drang. (6) Nicht nur sie wurde in Aufregung versetzt, sondern auch ihre Mägde liefen, von dem vertrauten Klang angezogen, zu dem hin, der da geprügelt wurde. (7) Schon hatte Giton mit seiner wunderbaren Schönheit die Matrosen entwaffnet und auch ohne Worte die Wutentbrannten anzuflehen begonnen, als die Mägde alle zugleich schreien: »Giton ist es, Giton, zügelt eure brutalenpp Hände; Giton ist es, Herrin, eile zu Hilfe!« (8) Tryphaena wandte ihre Ohren hin, die es schon von selbst glaubten, und kam hastig zu dem Knaben geflogen. (9) Lichas, der mich bestens kannte, lief, als ob auch er selbst eine Stimme gehört hätte, zu mir und betrachtete weder meine Hände noch mein Gesicht, sondern senkte sofort seine Augen herab auf mein Genitale, bewegte seine diensteifrige Hand darauf zu und sagte: »Sei gegrüßt, Enkolp!« (10) Jetzt soll sich einer wundern, dass die Amme des Odysseus nach zwanzig Jahren die Narbe als Abstammungsnachweis entdeckte, wo doch dieser erzgescheite Kerl, obwohl alle Konturen meines Körpers und

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omnibus corporis indiciorumque lineamentis ad unicum fugitivi argumentum tam docte pervenerit. (11) Tryphaena lacrimas effudit decepta supplicio – vera enim stigmata credebat captivorum frontibus impressa – sciscitarique submissius coepit, quod ergastulum intercepisset errantes, aut cuius tam crudeles manus in hoc supplicium durassent. meruisse quidem contumeliam aliquam fugitivos, quibus in odium bona sua venissent. 106 (1) concitatus iracundia prosiliit Lichas et »o te« inquit »feminam simplicem, tamquam vulnera ferro praeparata litteras biberint. utinam quidem hac se inscriptione frontis maculassent: haberemus nos extremum solacium. nunc mimicis artibus petiti sumus et adumbrata inscriptione derisi«.

(2) volebat Tryphaena misereri, quia non totam voluptatem perdiderat, sed Lichas memor adhuc uxoris corruptae iniuriarumque, quas in Herculis porticu acceperat, turbato vehementius vultu proclamat: (3) »deos immortales rerum humanarum agere curam, puto, intellexisti, o Tryphaena. nam imprudentes noxios in nostrum induxere navigium, et quid fecissent admonuerunt pari somniorum consensu. ita vide ut possit illis ignosci, quos ad poenam ipse deus deduxit. quod ad me attinet, non sum crudelis, sed vereor ne quod remisero patiar«. (4) tam superstitiosa oratione Tryphaena mutata negat se interpellare supplicium, immo accedere etiam iustissimae

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seiner Merkmale verwischt waren, zu dem einzigen Erkennungszeichen des Ausreißers so geschickt vordrang! (11) Tryphaena vergoss Tränen, getäuscht durch die Strafe – denn für echt hielt sie die den Stirnen der Gefangenen aufgepressten Brandmale – und begann uns mit leiser Stimme auszufragen, welches Arbeitshaus uns beim Herumvagabundieren aufgegriffen habe und wessen so grausame Hände sich für diese Strafe gestählt hätten. Freilich hätten wir Ausreißer irgendeine entehrende Behandlung verdient, weil wir ihre Wohltaten satt gehabt hätten. 106 (1) Zornentbrannt sprang Lichas vor und sagte: »O du einfältiges Weib, als ob hier mit dem Eisen beigebrachte Wunden Buchstaben aufgesogen hätten! Hätten sie sich doch wenigstens mit dieser Aufschrift auf der Stirn wirklich stigmatisiert; dann hätten wir letztlich doch noch Genugtuung! So aber wurden wir zur Zielscheibe von Mimenkünsten und haben uns durch diese bloß hinschattierte Aufschrift lächerlich machen lassen.« (2) Tryphaena wollte Erbarmen zeigen, weil sie ihr Verlangen nach Sex nicht ganz verloren hatte, aber Lichas dachte noch an die Verführung seiner Frau und die Kränkungen, die er in der Säulenhalle des Herkules erlitten hatte, und mit heftig verzerrtem Gesicht rief er aus: (3) »Dass die unsterblichen Götter für die menschlichen Angelegenheiten Sorge tragen, hast du, glaube ich, gemerkt, liebe Tryphaena. Denn sie haben die Missetäter, ohne dass die das ahnten, auf unser Schiff geführt und uns auf das, was diese taten, durch die Übereinstimmung von Träumen doppelt hingewiesen. Also sieh zu, wie man wohl denen verzeihen kann, die ein Gott selbst ihrer Strafe zugeführt hat. Was mich betrifft, bin ich nicht grausam, aber ich fürchte, ich muss das, was ich ihnen erlasse, selbst erleiden.« (4) Von einer so abergläubischen Rede umgestimmt, erklärte Tryphaena, sie interveniere nicht gegen eine Bestrafung, im Gegenteil, sie schließe sich sogar einer höchst berechtigten Racheaktion an. Und sie sei durch eine nicht weniger große Kränkung

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ultioni. nec se minus grandi vexatam iniuria quam Licham, cuius pudoris dignitas in contione proscripta sit * 107 (1) [Eumolpus] »me, ut puto, hominem non ignotum, elegerunt ad hoc officium petieruntque ut se reconciliarem aliquando amicissimis. (2) nisi forte putatis iuvenes casu in has plagas incidisse, cum omnis vector nihil prius quaerat quam cuius se diligentiae credat. (3) flectite ergo mentes satisfactione lenitas, et patimini liberos homines ire sine iniuria quo destinant. (4) saevi quoque implacabilesque domini crudelitatem suam impediunt, si quando paenitentia fugitivos reduxit, et dediticiis hostibus parcimus. (5) quid ultra petitis aut quid vultis? in conspectu vestro supplices iacent iuvenes, ingenui honesti, et quod utroque potentius est, familiaritate vobis aliquando coniuncti. (6) si mehercules intervertissent pecuniam vestram, si fidem proditione laesissent, satiari tamen potuissetis hac poena quam videtis. servitia ecce in frontibus cernitis et vultus ingenuos voluntaria poenarum lege proscriptos.« (7) interpellavit deprecationem Lichas et »noli« inquit »causam confundere, sed impone singulis modum. (8) ac primum omnium, si ultro venerunt, cur nudavere crinibus capita? vultum enim qui permutat, fraudem parat, non satisfactionem. (9) deinde, si gratiam te legato moliebantur, quid ita omnia fecisti, ut quos tuebaris absconderes? ex quo apparet casu incidisse noxios in plagas et te artem quaesisse, qua

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heimgesucht worden als Lichas, da ihre weibliche Ehre und Würde vor versammeltem Volk an den Pranger gestellt worden seien * 107 (1) (Eumolp:) »Mich haben sie als einen nicht unbekannten Mann, wie ich glaube, für dieses Amt gewählt und gebeten, sie mit ihren besten Freunden von einst wieder zu versöhnen. (2) Ihr glaubt doch nicht etwa, dass die jungen Männer durch Zufall in diese Netze geraten sind, wo doch jeder Passagier sich nach nichts eher erkundigt als danach, wessen Achtsamkeit er sich anvertraut. (3) Lasst also eure Herzen durch Abbitte erweichen und umstimmen und gestattet, dass sie als freie Menschen unverletzt dorthin reisen, wohin zu gelangen sie sich vorgenommen haben. (4) Auch grimmige und unerbittliche Herren halten ihre Grausamkeit zurück, wenn einmal Reue die entlaufenen Sklaven zurückgebracht hat, und Feinde, die sich ergeben haben, verschonen wir. (5) Was verlangt ihr noch mehr, und was wollt ihr? Vor euren Augen liegen bittflehend die jungen Männer, freigeboren, ehrenwert und, was bedeutender ist als beides, euch einst in Freundschaft verbunden. (6) Wenn sie, beim Herkules, euer Geld unterschlagen hätten, wenn sie euer Vertrauen durch Verrat missbraucht hätten, dann hättet ihr euch dennoch mit der Strafe, die ihr da seht, zufrieden geben können. Da, Sklavenmale seht ihr auf ihren Stirnen, und die Gesichter von Freigeborenen durch die freiwillig erlittene Strafe geächtet!« (7) Lichas unterbrach das Plädoyer und sagte: »Bring kein Durcheinander in den Fall, sondern grenze jeden einzelnen Punkt vom anderen ab! (8) Doch zuallererst: Wenn sie aus freien Stücken gekommen sind, warum haben sie sich die Köpfe glattrasieren lassen? Denn wer sein Aussehen verändert, plant Betrug, nicht Abbitte. (9) Ferner: Wenn sie mit dir als Vermittler Versöhnung erwirken wollten, warum hast du alles getan, um die, deren Interessen du vertratest, zu verstecken? Daraus erhellt, dass die Missetäter durch Zufall in die Netze

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nostrae animadversionis impetum eluderes. (10) nam quod invidiam facis nobis ingenuos honestosque clamando, vide ne deteriorem facias confidentia causam. quid debent laesi facere, ubi rei ad poenam confugiunt? (11) at enim amici fuerunt nostri: eo maiora meruerunt supplicia; nam qui ignotos laedit, latro appellatur, qui amicos, paulo minus quam parricida.« (12) resolvit Eumolpos tam iniquam declamationem et »intellego« inquit »nihil magis obesse iuvenibus miseris quam quod nocte deposuerunt capillos: hoc argumento incidisse in navem videntur, non venisse. (13) quod velim tam candide ad aures vestras perveniat quam simpliciter gestum est. voluerunt enim antequam conscenderent exonerare capita molesto et supervacuo pondere, sed celerior ventus distulit curationis propositum. (14) nec tamen putaverunt ad rem pertinere, ubi inciperent quod placuerat ut fieret, quia nec omen nec legem navigantium noverant.« (15) »quid« inquit Lichas »attinuit supplices radere? nisi forte miserabiliores calvi solent esse. quamquam quid attinet veritatem per interpretem quaerere? quid dicis tu, latro? quae [sola] salamandra supercilia tua excussit? cui deo crinem vovisti? pharmace, responde.«

108 (1) obstupueram ego supplicii metu pavidus, nec quid in re manifestissima dicerem inveniebam. turbatus et deformis … praeter spoliati capitis dedecus superciliorum etiam aequalis cum fronte calvities, ut nihil nec facere deceret nec dicere. (2) ut vero spongia

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geraten sind und dass du einen Trick gesucht hast, um der Wucht unserer Strafmaßnahme auszuweichen. (10) Denn was das betrifft, dass du uns in ein schlechtes Licht rückst, indem du sie lautstark freigeboren und ehrenwert nennst, sieh zu, dass du deine Sache nicht durch Dreistigkeit schlechter machst. Was sollen Geschädigte tun, wenn die Schuldigen zur Strafe Zuflucht nehmen? (11) Gut, aber sie waren unsere Freunde: Umso härtere Strafen haben sie verdient; denn wer ihm Unbekannte schädigt, wird Gauner genannt, wer Freunde, nicht viel weniger als Verwandtenmörder.« (12) Eumolp versuchte die so feindselige Deklamation zu entkräften und sagte: »Ich merke, dass den armen jungen Männern nichts mehr schadet, als dass sie sich nachts ihre Haare abnehmen ließen: Aufgrund dieser Beweislage sind sie in deinen Augen auf das Schiff geraten, nicht gekommen. (13) Dies nun, so wünschte ich, möge als so harmlos zu euren Ohren gelangen, wie es ohne Schuld geschehen ist. Sie wollten nämlich, bevor sie an Bord gingen, von ihren Köpfen den lästigen und überflüssigen Ballast abladen, aber der Wind war schneller und verschob die geplante kosmetische Aktion. (14) Freilich glaubten sie nicht, es habe etwas zu bedeuten, wo sie anfangen würden, was sie zu tun beschlossen hatten, weil sie weder Vorzeichen noch Gesetze der Seefahrer kannten.« (15) »Was hatte es für einen Sinn«, sagte Lichas, »sie als Bittflehende zu rasieren? Es sei denn, Kahlköpfe sind immer bemitleidenswerter. Gleichwohl, was hat es für einen Sinn, durch einen Mittelsmann nach der Wahrheit zu suchen? Was sagst du dazu, Gauner? Welcher Feuersalamander hat dir die Augenbrauen ausfallen lassen? Welchem Gott hast du dein Haar geweiht? Halunke, antworte!« 108 (1) Ich war erstarrt, bebend in meiner Angst vor der Bestrafung, und ich kam auf nichts, was ich hätte sagen sollen angesichts der glasklaren Sachlage. Verwirrt und hässlich … außer der Schmach des enthaarten Kopfes die Kahlheit meiner jetzt an die Stirn angeglichenen Augenbrauen, so dass

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uda facies plorantis detersa est et liquefactum per totum os atramentum omnia scilicet lineamenta fuliginea nube confudit, in odium se ira convertit. (3) negat Eumolpus passurum se, ut quisquam ingenuos contra fas legemque contaminet, interpellatque saevientium minas non solum voce sed etiam manibus. (4) aderat interpellanti mercennarius comes et unus alterque infirmissimus vector, solacia magis litis quam virium auxilia. (5) nec quicquam pro me deprecabar, sed intentans in oculos Tryphaenae manus usurum me viribus meis clara liberaque voce clamavi, ni abstineret a Gitone iniuriam mulier damnata et in toto navigio sola verberanda. (6) accenditur audacia mea iratior Lichas, indignaturque quod ego relicta mea causa tantum pro alio clamo. (7) nec minus Tryphaena contumelia saevit accensa totiusque navigii turbam diducit in partes. (8) hinc mercennarius tonsor ferramenta sua nobis et ipse armatus distribuit, illinc Tryphaenae familia nudas expedit manus, ac ne ancillarum quidem clamor aciem destituit, uno tantum gubernatore relicturum se navis ministerium denuntiante, si non desinat rabies libidine perditorum collecta. (9) nihilo minus tamen perseverat dimicantium furor, illis pro ultione, nobis pro vita pugnantibus. multi

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es nicht gepasst hätte, irgendetwas zu tun oder zu sagen. (2) Als mir aber mit einem nassen Schwamm das Gesicht abgewischt worden war, wobei ich weinte, und die Tinte, die sich im ganzen Gesicht verflüssigt hatte, natürlich alle Gesichtszüge mit einem rußigen Schleier entstellte, verwandelte sich der Zorn in Hass. (3) Eumolp erklärte, er werde nicht dulden, dass irgendjemand sich gegen Sitte und Gesetz an Freigeborenen vergreife, und versuchte den Drohungen der Wutentbrannten nicht allein mit Worten, sondern auch mit den Händen entgegenzuwirken. (4) Dabei standen ihm der ihn begleitende Lohndiener und der eine oder andere Passagier, alle sehr schwächlich, zur Seite, mehr moralische Unterstützung im Streit als kampfkräftige Hilfe. (5) Und ich bat mit keiner Silbe für mich, sondern streckte Tryphaenas Augen meine Fäuste entgegen und schrie ebenso laut wie frei heraus, ich würde von meinen Kräften Gebrauch machen, wenn sie nicht Gewalt von Giton fernhalte, das verdammte und als einzige Person auf dem Schiff Prügel verdienende Weib. (6) Durch meine Dreistigkeit wurde der ohnehin schon reichlich erzürnte Lichas von Wut entbrannt, und er war empört, weil ich meine Sache aufgegeben hatte und nur für einen anderen ein Geschrei machte. (7) Und nicht weniger tobte Tryphaena von Wut entbrannt aufgrund der Beschimpfung, und sie spaltete die Besatzung des ganzen Schiffes in zwei Parteien. (8) Auf der einen Seite verteilte der in Lohn genommene Barbier seine Eiseninstrumente an uns und war auch selbst bewaffnet, auf der anderen machte die Dienerschaft Tryphaenas sich mit bloßen Fäusten kampfbereit, und nicht einmal das Geschrei der Mägde fehlte der Schlachtreihe, wobei einzig und allein der Steuermann drohte, er werde seinen Dienst auf dem Schiff quittieren, wenn die Raserei, die von dem geilen Gesindel entfacht sei, nicht aufhöre. (9) Doch dessen ungeachtet hielt das Toben der Kämpfenden an, wobei die anderen für ihre Rache, wir um unser Leben kämpfen. Also fielen viele auf beiden Seiten, ohne gleich zu

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ergo utrimque sine morte labuntur, plures cruenti vulneribus referunt veluti ex proelio pedem, nec tamen cuiusquam ira laxatur. (10) tunc fortissimus Giton ad virilia sua admovit novaculam infestam, minatus se abscisurum tot miseriarum causam, inhibuitque Tryphaena tam grande facinus non dissimulata missione. (11) saepius ego cultrum tonsorium super iugulum meum posui, non magis me occisurus, quam Giton quod minabatur facturus. audacius tamen ille tragoediam implebat, quia sciebat se illam habere novaculam, qua iam sibi cervicem praeciderat. (12) stante ergo utraque acie, cum appareret futurum non tralaticium bellum, aegre expugnavit gubernator, ut caduceatoris more Tryphaena indutias faceret. (13) data ergo acceptaque ex more patrio fide praetendit ramum oleae a tutela navigii raptum, atque in colloquium venire ausa

(14) »quis furor« exclamat »pacem convertit in arma? quid nostrae meruere manus? non Troius heros hac in classe vehit decepti pignus Atridae, nec Medea furens fraterno sanguine pugnat. sed contemptus amor vires habet. ei mihi, fata hos inter fluctus quis raptis evocat armis? cui non est mors una satis? ne vincite pontum gurgitibusque feris alios immittite fluctus.«

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sterben, noch mehr zogen sich, aus Wunden blutend, wie aus einem Gefecht zurück, und doch ließ bei keinem der Zorn nach. (10) Da führte in höchster Tapferkeit Giton an seine Geschlechtsteile das gefährliche Rasiermesser, drohte, er werde sich die Ursache so vieler Leiden abschneiden, und Tryphaena versuchte, ein so großes Verbrechen zu verhindern, wobei sie kein Hehl daraus machte, dass die Begnadigung folgen werde. (11) Ich setzte öfters ein Barbiermesser an meine Kehle, war aber ebenso wenig bereit, mich zu töten, wie Giton bereit war, das zu tun, was er drohte. Doch der konnte seine Tragödie frecher spielen, weil er wusste, dass er eben das Rasiermesser hielt, mit dem er sich schon in den Hals geschnitten hatte. (12) Als nun beide Schlachtreihen kampfbereit standen und deutlich war, dass es kein alltäglicher Krieg sein werde, setzte der Steuermann mit Mühe durch, dass Tryphaena in der Art eines Herolds mit einem Stab einen Waffenstillstand bewerkstelligen solle. (13) Nachdem wir nun gemäß dem Brauch der Väter uns gegenseitig die Treue garantiert hatten, streckte sie einen Ölzweig vor sich aus, den sie der Schutzgöttin des Schiffes entrissen hatte, und trat beherzt in die Versammlung. Und (14) »Was für ein Wahnsinn«, rief sie, »hat den Frieden in einen Waffengang verwandelt? Was haben unsere Hände verschuldet? Nicht führt der troische Held auf diesem Schiff die Gattin des betrogenen Atriden mit sich, noch kämpft Medea in ihrem Wahnsinn mithilfe des Blutes ihres Bruders. Nein, verschmähte Liebe setzt Gewalt ein. Weh mir, das Schicksal, 5 wer fordert es heraus mitten in diesen Fluten, nachdem er zu den Waffen gegriffen hat? Wem ist nicht der eine Tod genug? Übertrumpft nicht das Meer und gießt nicht in die wilden Strudel andere Fluten!

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109 (1) haec ut turbato clamore mulier effudit, haesit paulisper acies, revocataeque ad pacem manus intermisere bellum. utitur paenitentiae occasione dux Eumolpos et castigato ante vehementissime Licha tabulas foederis signat, quis haec formula erat: (2) »ex tui animi sententia, ut tu, Tryphaena, neque iniuriam tibi factam a Gitone quereris, neque si quid ante hunc diem factum est obicies vindicabisve aut ullo alio genere persequendum curabis; ut tu nihil imperabis puero repugnanti, non amplexum, non osculum, non coitum venere constrictum, nisi pro qua re praesentes numeraveris denarios centum. (3) item, Licha, ex tui animi sententia, ut tu Encolpion nec verbo contumelioso insequeris nec vultu, neque quaeres ubi nocte dormiat, aut si quaesieris pro singulis iniuriis numerabis praesentes denarios ducenos.« (4) in haec verba foederibus compositis arma deponimus, et ne residua in animis etiam post iusiurandum ira remaneret, praeterita aboleri osculis placet. (5) exhortantibus universis odia detumescunt, epulaeque ad certamen prolatae conciliant hilaritate concordiam. (6) exsonat ergo cantibus totum navigium, et quia repentina tranquillitas intermiserat cursum, alius exultantes quaerebat fuscina pisces, alius hamis blandientibus convellebat praedam repugnantem. (7) ecce etiam per antemnam pelagiae consederant volucres, quas textis harundinibus peritus artifex tetigit;

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109 (1) Als dies mit aufgewühlter Stimme die Frau ihrem Mund hatte entströmen lassen, kam die Schlacht für ein Weilchen ins Stocken, und zurück zum Frieden gerufen, ließen die Hände ab vom Krieg. Da nutzte die Gelegenheit, die der Stimmungsumschwung ihm bot, unser Heerführer Eumolp, machte erst Lichas die heftigsten Vorwürfe und setzte dann den Friedensvertrag auf, der folgenden Wortlaut hatte: (2) »Auf Ehre und Gewissen schwörst du, Tryphaena, dass du weder wegen des dir von Giton getanen Unrechts Klage erheben wirst, noch dass du, wenn etwas vor dem heutigen Tag von ihm getan worden sein sollte, ihm dies vorwerfen oder es ahnden oder danach trachten wirst, es auf irgendeine andere Art gerichtlich zu verfolgen; dass du dem Knaben nichts abverlangen wirst, wogegen er sich weigert, keine Umarmung, keinen Kuss, keinen Beischlaf in Sexualverstrickung, außer du entrichtest in jedem der genannten Fälle hundert Denare in bar. (3) Desgleichen schwörst du, Lichas, auf Ehre und Gewissen, dass du Enkolp weder mit beleidigenden Worten noch Blicken verfolgen noch auskundschaften wirst, wo er nachts schläft oder, wenn du es auskundschaftest, für jede einzelne Untat zweihundert Denare in bar entrichten wirst.« (4) Nachdem der Friedensvertrag auf diese Worte festgelegt war, legten wir die Waffen nieder, und damit kein Rest von Groll in den Herzen auch noch nach dem Eidschwur zurückblieb, beschlossen wir, das Vergangene durch Küsse zu annullieren. (5) Weil alle gemeinsam dazu ermahnten, schwollen die Hassgefühle ab, und die um die Wette herbeigeschafften Speisen stellten mithilfe von guter Laune die Eintracht wieder her. (6) Also tönte von Liedern das ganze Schiff, und weil eine plötzliche Windstille unsere Fahrt unterbrochen hatte, zielte der eine mit einem Dreizack nach emporspringenden Fischen, der andere zog mit verlockenden Haken sich sträubende Beute herauf. (7) Und sieh da, auf der Rahe hatten sich Seevögel niedergelassen, die ein erfahrener Fachmann mit ineinander geflochtenen Stäben

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illae viscatis illigatae viminibus deferebantur ad manus. tollebat plumas aura volitantes, pinnasque per maria inanis spuma torquebat.

(8) iam Lichas redire mecum in gratiam coeperat, iam Tryphaena Gitona extrema parte potionis spargebat, cum Eumolpus et ipse vino solutus dicta voluit in calvos stigmososque iaculari, donec consumpta frigidissima urbanitate rediit ad carmina sua coepitque capillorum elegidarion dicere:

(9) »quod solum formae decus est, cecidere capilli, vernantesque comas tristis abegit hiemps. nunc umbra nudata sua iam tempora maerent, areaque attritis ridet adusta pilis. o fallax natura deum: quae prima dedisti aetati nostrae gaudia, prima rapis« *

(10) »infelix, modo crinibus nitebas Phoebo pulchrior et sorore Phoebi. at nunc levior aere vel rotundo horti tubere, quod creavit unda, ridentes fugis et times puellas. ut mortem citius venire credas, scito iam capitis perisse partem.«

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berührte; sie klebten an den mit Leim bestrichenen Ruten fest und wurden bis in Greifweite heruntergeholt. Ein Lüftchen trug den herumflatternden Flaum davon, und eine sanfte Dünung wirbelte die Federn über das Meer dahin. (8) Schon hatte Lichas begonnen, sich mit mir zu versöhnen, schon besprengte Tryphaena Giton mit dem letzten Schluck aus ihrem Becher, als Eumolp, auch selbst vom Wein entspannt, Lust bekam, Bonmots gegen Kahlköpfe und Gebrandmarkte abzufeuern, bis er seinen frostigen Witz verbraucht hatte, zu seinen Versen zurückkehrte und eine Kurzelegie auf die Haare aufzusagen begann: (9) »Das, was der Schönheit einziger Schmuck ist, sie fielen, die Haare, und die im Frühling entsprossenen Locken trug der grimmige Winter davon. Schon trauern jetzt die Schläfen, ihres Schattens beraubt, und die kahle Fläche glänzt sonnenverbrannt, da die Haare entschwunden sind. O trügerisches Wesen der Götter! Die Freuden, die du als erste unserer Jugend geschenkt hast, raffst du als erste hinweg« * (10) »Unglückseliger, eben noch prangtest du mit Haaren, schöner als Phoebus und die Schwester des Phoebus. Doch nun glatter als Erz oder als die runde Gartentrüffel, die das Regennass hervorbrachte, fliehst du und fürchtest dich vor den lachenden Mädchen. Damit du glaubst, dass der Tod schleunigst kommt, wisse, dass schon ein Teil deines Kopfes dahin ist.«

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110 (1) plura volebat proferre, credo, et ineptiora praeteritis, cum ancilla Tryphaenae Gitona in partem navis inferiorem ducit corymbioque dominae pueri adornat caput. (2) immo supercilia etiam profert de pyxide sciteque iacturae lineamenta secuta totam illi formam suam reddidit. (3) agnovit Tryphaena verum Gitona, lacrimisque turbata tunc primum bona fide puero basium dedit. (4) ego etiam si repositum in pristinum decorem puerum gaudebam, abscondebam tamen frequentius vultum intellegebamque me non tralaticia deformitate esse insignitum, quem alloquio dignum ne Lichas quidem crederet. (5) sed huic tristitiae eadem illa succurrit ancilla, sevocatumque me non minus decoro exornavit capillamento; immo commendatior vultus enituit, quia flavum corymbion erat * (6) ceterum Eumolpos, et periclitantium advocatus et praesentis concordiae auctor, ne sileret sine fabulis hilaritas, multa in muliebrem levitatem coepit iactare: (7) quam facile adamarent, quam cito etiam filiorum obliviscerentur, nullamque esse feminam tam pudicam, quae non peregrina libidine usque ad furorem averteretur. (8) nec se tragoedias veteres curare aut nomina saeculis nota, sed rem sua memoria factam, quam expositurum se esse, si vellemus audire. conversis igitur omnium in se vultibus auribusque sic orsus est: 111 (1) »matrona quaedam Ephesi tam notae erat pudicitiae, ut vicinarum quoque gentium feminas ad spectaculum sui evocaret. (2) haec ergo cum virum extulisset, non contenta vulgari more funus

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110 (1) Er wollte noch mehr vortragen, glaube ich, und noch Alberneres als das Bisherige, als eine Magd Tryphaenas Giton unter Deck führte und mit einer Perücke ihrer Herrin den Kopf des Knaben schmückte. (2) Ja, sogar Augenbrauen holte sie aus einer Büchse, und indem sie geschickt den verlorenen Konturen folgte, gab sie ihm seine ganze Schönheit zurück. (3) Da erkannte Tryphaena den wahren Giton, und in Tränen aufgelöst, gab sie jetzt erst ganz aufrichtig dem Knaben einen Kuss. (4) Wenn ich mich auch freute, dass der Knabe in seiner früheren Anmut wiederhergestellt war, versteckte ich dennoch häufiger mein Gesicht und begriff, dass ich von einer nicht alltäglichen Hässlichkeit gezeichnet war, wenn nicht einmal Lichas mich einer freundlichen Anrede für wert hielt. (5) Aber diesem Kummer half ebenjene Magd ab, rief mich beiseite und schmückte mich mit einer nicht weniger prächtigen Perücke; ja, mein Gesicht glänzte umso ansehnlicher, weil die Perücke blond war * (6) Nun, Eumolp, Anwalt der von Gefahr Bedrohten und Stifter der gegenwärtigen Eintracht, begann, damit die gute Laune nicht verstummte, ohne dass Geschichten erzählt wurden, viel gegen die weibliche Wankelmütigkeit vorzubringen: (7) wie leicht sie sich verlieben würden, wie schnell sie sogar ihre Söhne vergäßen und wie keine Frau so sittsam sei, dass sie sich nicht durch geiles Verlangen nach einem anderen bis zur Raserei gehen lasse. (8) Er habe da keine Tragödien von früher im Sinn oder über die Jahrhunderte berühmte Namen, sondern eine Begebenheit, die in seiner eigenen Zeit geschehen sei; die werde er erzählen, wenn wir sie hören wollten. Als sich nun die Augen und Ohren aller auf ihn richteten, begann er so: 111 (1) »Eine Matrone in Ephesus war so bekannt für ihre Sittsamkeit, dass sie sogar Frauen aus benachbarten Völkern zur Betrachtung ihrer Person anlockte. (2) Als diese nun ihren Mann zur Bestattung tragen ließ, begnügte

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passis prosequi crinibus aut nudatum pectus in conspectu frequentiae plangere, in conditorium etiam prosecuta est defunctum, positumque in hypogaeo Graeco more corpus custodire ac flere totis noctibus diebusque coepit. (3) sic afflictantem se ac mortem inedia persequentem non parentes potuerunt abducere, non propinqui; magistratus ultimo repulsi abierunt, complorataque singularis exempli femina ab omnibus quintum iam diem sine alimento trahebat. (4) assidebat aegrae fidissima ancilla, simulque et lacrimas commodabat lugenti et quotienscumque defecerat positum in monumento lumen renovabat.

(5) una igitur in tota civitate fabula erat, solum illud affulsisse verum pudicitiae amorisque exemplum omnis ordinis homines confitebantur, cum interim imperator provinciae latrones iussit crucibus affigi secundum illam casulam, in qua recens cadaver matrona deflebat. (6) proxima ergo nocte cum miles, qui cruces asservabat ne quis ad sepulturam corpus detraheret, notasset sibi [et] lumen inter monumenta clarius fulgens et gemitum lugentis audisset, vitio gentis humanae concupiit scire quis aut quid faceret. (7) descendit igitur in conditorium, visaque pulcherrima muliere primo quasi quodam monstro infernisque imaginibus turbatus substitit. (8) deinde ut et corpus iacentis conspexit et lacrimas consideravit faciemque unguibus sectam, ratus scilicet id quod erat, desiderium extincti

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sie sich nicht damit, nach gewöhnlichem Brauch dem Toten mit offenen Haaren das Geleit zu geben oder sich auf die entblößte Brust im Angesicht einer großen Menge zu schlagen, sondern gab dem Dahingeschiedenen sogar das Geleit bis in die Gruft, und als in einer unterirdischen Kammer nach griechischer Sitte beigesetzt war der Leichnam, begann sie, ihn zu bewachen und zu beweinen ganze Tage und Nächte hindurch. (3) Wie sie sich auf solche Weise abhärmte und den Tod durch Verzicht auf Nahrung suchte, vermochten nicht die Eltern sie wegzubringen, nicht die Verwandten; Magistratsbeamte gingen schließlich zurückgewiesen davon, und von allen beweint als Frau von einzigartiger Vorbildlichkeit, brachte sie schon den fünften Tag ohne Nahrung zu. (4) Es saß der Armen eine überaus treue Magd zur Seite und lieh ebenso der Trauernden ihre Tränen wie sie, sooft die in dem Grabmal aufgestellte Lampe auszugehen drohte, das Öl erneuerte. (5) So gab es nur ein einziges Gesprächsthema im ganzen Stadtstaat: Allein sie sei erstrahlt als wahres Vorbild für Sittsamkeit und Liebe, bekannten Menschen jeden Standes, als unterdessen der Statthalter der Provinz Räuber ans Kreuz schlagen ließ in der Nähe jener kleinen Wohnstätte, in der die Matrone den frischen Leichnam beweinte. (6) Als nun in der nächsten Nacht der Soldat, der die Kreuze bewachte, damit niemand eine Leiche abnehme, um sie zu bestatten, ein Licht inmitten der Grabmäler bemerkte, das hell strahlte, und das Wehklagen der Trauernden hörte, ergriff ihn aufgrund einer dem Menschengeschlecht eigenen Schwäche das Verlangen zu wissen, wer da was treibe. (7) Er stieg also in die Gruft hinab, und als er eine bildschöne Frau erblickte, blieb er zuerst stehen, wie wenn er von einem Ungeheuer und unterirdischen Schatten aus der Fassung gebracht worden wäre. (8) Als er dann die Leiche liegen sah und die Tränen bemerkte und das von den Fingernägeln zerkratzte Gesicht, dachte er natürlich, was auch der Fall war – dass die Frau ihre Sehnsucht nach dem Verstorbenen nicht

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non posse feminam pati, attulit in monumentum cenulam suam coepitque hortari lugentem ne perseveraret in dolore supervacuo ac nihil profuturo gemitu pectus diduceret: omnium eundem esse exitum [sed] et idem domicilium, et cetera quibus exulceratae mentes ad sanitatem revocantur. (9) at illa ignota consolatione percussa laceravit vehementius pectus ruptosque crines super corpus iacentis imposuit. (10) non recessit tamen miles, sed eadem exhortatione temptavit dare mulierculae cibum, donec ancilla vini odore corrupta primum ipsa porrexit ad humanitatem invitantis victam manum, deinde refecta potione et cibo expugnare dominae pertinaciam coepit et (11) ›quid proderit‹ inquit ›hoc tibi, si soluta inedia fueris, si te vivam sepelieris, si antequam fata poscant, indemnatum spiritum effuderis?

(12) id cinerem aut manes credis sentire sepultos? vis tu reviviscere? vis discusso muliebri errore, quam diu licuerit, lucis commodis frui? ipsum te iacentis corpus admonere debet ut vivas.« (13) nemo invitus audit, cum cogitur aut cibum sumere aut vivere. itaque mulier aliquot dierum abstinentia sicca passa est frangi pertinaciam suam, nec minus avide replevit se cibo quam ancilla quae prior victa est.

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ertragen konnte –, brachte in das Grabmal seine Essensration und begann, die Trauernde zu ermahnen, sie möge doch nicht in vergeblichem Schmerz verharren und nicht ihre Brust mit Wehklage zerreißen, die nichts nützen werde: Für alle sei gleich das Ende und gleich die Ruhestätte  – und Weiteres, wodurch wunde Herzen zum Wohlbefinden zurückgeführt werden. (9) Doch sie, von der Tröstung durch einen Unbekannten erschüttert, zerfleischte sich umso heftiger die Brust, raufte sich die Haare aus und legte sie auf die Leiche dessen, der da lag. (10) Dennoch trat der Soldat nicht den Rückzug an, sondern wiederholte seinen Zuspruch und versuchte, dem Weiblein Essen zu reichen, bis die Magd, vom Duft des Weines verführt, zuerst selbst auf die freundliche Einladung hin die besiegte Hand hinstreckte, dann, wieder zu Kräften gekommen durch Trank und Speise, dazu ansetzte, die Hartnäckigkeit ihrer Herrin im Sturm zu besiegen, und sagte: (11) ›Was wird dir das nützen, wenn du durch Verzicht auf Nahrung aufgerieben bist, wenn du dich lebendig begräbst, wenn du, bevor das Schicksal es fordert, deinen Geist, ohne dass der Spruch gefällt ist, wegwirfst? (12) Glaubst du, darum kümmern sich Asche und Tote im Grabe? Willst du nicht ins Leben zurückkehren? Willst du nicht abschütteln weibliche Verblendung und, so lange es erlaubt ist, die Freuden des Daseins genießen? Gerade die Leiche dessen, der da liegt, sollte dich mahnen zu leben.‹ (13) Niemand hört es ungern, wenn er genötigt wird, entweder Speise zu sich zu nehmen oder doch zu leben. Daher ließ die vom mehrtägigen Fasten ausgedörrte Frau zu, dass ihre Hartnäckigkeit gebrochen wurde, und sie stopfte sich nicht weniger gierig mit Speise voll als ihre Magd, die sich vorher hatte besiegen lassen.

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112 (1) ceterum scitis quid plerumque soleat temptare humanam satietatem. quibus blanditiis impetraverat miles ut matrona vellet vivere, isdem etiam pudicitiam eius aggressus est. (2) nec deformis aut infacundus iuvenis castae videbatur, conciliante gratiam ancilla ac subinde dicente:

›placitone etiam pugnabis amori? [nec venit in mentem, quorum consederis arvis?]‹ quid diutius moror? ne hanc quidem partem corporis mulier abstinuit, victorque miles utrumque persuasit. (3) iacuerunt ergo una non tantum illa nocte qua nuptias fecerunt, sed postero etiam ac tertio die, praeclusis videlicet conditorii foribus, ut quisquis ex notis ignotisque ad monumentum venisset, putaret expirasse super corpus viri pudicissimam uxorem. (4) ceterum delectatus miles et forma mulieris et secreto, quicquid boni per facultates poterat coemebat et prima statim nocte in monumentum ferebat. (5) itaque unius cruciarii parentes ut viderunt laxatam custodiam, detraxere nocte pendentem supremoque mandaverunt officio. (6) at miles circumscriptus dum desidet, ut postero die vidit unam sine cadavere crucem, veritus supplicium, mulieri quid accidisset exponit: nec se expectaturum iudicis sententiam, sed gladio ius dicturum ignaviae suae. commodaret modo

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112 (1) Nun wisst ihr ja, was meist einen Menschen in Versuchung zu führen pflegt, wenn er gesättigt ist. Mit denselben Verlockungen, mit denen der Soldat erreicht hatte, dass die Matrone leben wollte, attackierte er auch ihre Sittsamkeit. (2) Und weder hässlich noch im Reden ungeschickt erschien der junge Mann der Keuschen, und die Magd verschaffte ihm ihre Gunst und sagte immer wieder: ›Auch willkommener Liebe willst du widerstreiten?‹

Was soll ich hier länger verweilen? Auch diesen Körperteil ließ die Frau nicht fasten, und als Sieger erreichte der Soldat durch Überredung beide Ziele. (3) Sie lagen also nicht nur in jener Nacht beieinander, in der sie Hochzeit feierten, sondern auch am folgenden und am dritten Tag, nachdem sie natürlich die Tür der Gruft verschlossen hatten, so dass jeder von den Bekannten und Fremden, die zum Grabmal kamen, glaubte, ihre Seele habe ausgehaucht über der Leiche ihres Mannes die allersittsamste Gattin. (4) Nun, der Soldat hatte seine Freude sowohl an der Schönheit der Frau als auch an dem heimlichen Treiben, und was er sich an guten Dingen leisten konnte, kaufte er immer wieder zusammen und brachte es gleich bei Anbruch der Nacht in das Grabmal. (5) Als daher die Eltern eines der Gekreuzigten merkten, dass die Bewachung nachlässig geworden war, nahmen sie nachts den Herabhängenden ab und erwiesen ihm den letzten Liebesdienst. (6) Doch als der Soldat, der hintergangen worden war, während er die Hände in den Schoß legte, am folgenden Tag sah, dass ein Kreuz ohne Leiche war, fürchtete er sich vor der Todesstrafe und erzählte der Frau, was geschehen war; und er wolle das Urteil des Richters nicht abwarten, sondern mit dem Schwert seine Nachlässigkeit bestrafen. Sie möge ihm nur

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illa perituro locum et fatale conditorium familiari ac viro sacraret. (7) mulier non minus misericors quam pudica ›nec istud‹ inquit ›dii sinant, ut eodem tempore duorum mihi carissimorum hominum duo funera spectem. malo mortuum impendere quam vivum occidere.‹ (8) secundum hanc orationem iubet ex arca corpus mariti sui tolli atque illi quae vacabat cruci affigi. usus est miles ingenio prudentissimae feminae, posteroque die populus miratus est qua ratione mortuus isset in crucem.«

113 (1) risu excepere fabulam nautae, erubescente non mediocriter Tryphaena vultumque suum super cervicem Gitonis amabiliter ponente. (2) at non Lichas risit, sed iratum commovens caput »si iustus« inquit »imperator fuisset, debuit patris familiae corpus in monumentum referre, mulierem affigere cruci«. (3) non dubie redierat in animum Hedyle expilatumque libidinosa migratione navigium. (4) sed nec foederis verba permittebant meminisse, nec hilaritas, quae occupaverat mentes, dabat iracundiae locum.

(5) ceterum Tryphaena in gremio Gitonis posita modo implebat osculis pectus, interdum concinnabat spoliatum crinibus vultum. (6) ego maestus et impatiens foederis novi non cibum, non potionem capiebam, sed obliquis trucibusque oculis utrumque spectabam. (7) omnia me oscula vulnerabant, omnes blanditiae, quascumque mulier libidinosa fingebat. nec tamen adhuc sciebam utrum magis puero irascerer, quod amicam mihi auferret, an amicae,

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einen Platz zum Sterben gewähren und die verhängnisvolle Gruft dem Freund und dem Mann weihen. (7) Die Frau, nicht weniger mitleidig als sittsam, sagte: »Nein, das sollen die Götter nicht zulassen, dass ich zur gleichen Zeit von den zwei mir liebsten Menschen zwei Begräbnisse sehen soll. Ich will lieber den Toten drangeben als den Lebenden töten.« (8) Gleich nach diesen Worten ordnete sie an, den Leichnam ihres Gatten aus dem Sarg zu heben und an das Kreuz zu schlagen, das leer war. Der Soldat zog Nutzen aus dem genialen Einfall der allerklügsten Frau, und am folgenden Tag fragten sich die Leute, auf welche Weise wohl der Tote auf das Kreuz hinaufgekommen war.« 113 (1) Mit Gelächter nahmen die Matrosen die Geschichte auf, während Tryphaena nicht wenig errötete und ihr Gesicht zärtlich an Gitons Nacken legte. (2) Doch Lichas lachte nicht, sondern schüttelte sein zorniges Haupt und sagte: »Wenn der Statthalter gerecht gewesen wäre, hätte er den Leichnam des Hausherrn in das Grabmal zurückbringen und die Frau ans Kreuz schlagen lassen.« (3) Ohne Zweifel waren ihm wieder Hedyle und das während der aus Geilheit ergriffenen Flucht geplünderte Schiff in den Sinn gekommen. (4) Doch die Satzung des Bündnisses erlaubte nicht, sich an so etwas zu erinnern, und die gute Laune, die sich unserer Herzen bemächtigt hatte, gab dem Jähzorn keinen Raum. (5) Nun, Tryphaena, die sich auf Gitons Schoß platziert hatte, bedeckte bald seine Brust mit Küssen, dann wieder versuchte sie, seinen der Haare beraubten Kopf zurechtzumachen. (6) Ich, traurig und unfähig, dieses neue Bündnis zu ertragen, nahm nicht Speise, nicht Trank, sondern schaute auf beide mit schiefen und wilden Blicken. (7) Alle Küsse verletzten mich, alle Zärtlichkeiten, welche auch immer die geile Frau unter dem Schein wahrer Liebe schenkte. Doch ich wusste noch nicht, ob ich mehr auf den Knaben wütend sein sollte, weil er mir die Freundin wegnahm, oder auf die Freun-

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quod puerum corrumperet: utraque inimicissima oculis meis et captivitate praeterita tristiora. (8) accedebat huc quod neque Tryphaena me alloquebatur tamquam familiarem et aliquando gratum sibi amatorem, nec Giton me aut tralaticia propinatione dignum iudicabat aut, quod minimum est, sermone communicabat, credo, veritus ne inter initia coeuntis gratiae recentem cicatricem rescinderet. (9) inundavere pectus lacrimae dolore paratae, gemitusque suspirio tectus animam paene submovit * (10) in partem voluptatis temptabat admitti, nec domini supercilium induebat, sed amici quaerebat obsequium * (11) [Ancilla Tryphaenae ad Encolpium] »si quid ingenui sanguinis habes, non pluris illum facies quam scortum. si vir fueris, non ibis ad spintriam« * (12) me nihil magis pudebat quam ne Eumolpus sensisset, quicquid illud fuerat, et homo dicacissimus carminibus vindicaret *

(13) iurat Eumolpus verbis conceptissimis

*

114 (1) dum haec taliaque iactamus, inhorruit mare nubesque undique adductae obruere tenebris diem. discurrunt nautae ad officia trepidantes velaque tempestati subducunt. (2) sed nec certus fluc-

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din, weil sie den Knaben verführte: Beides war meinen Augen höchst verhasst und bitterer als die Gefangenschaft vorher. (8) Hinzu kam, dass weder Tryphaena mich als ihren Freund und als den ihr einst willkommenen Liebhaber ansprach noch Giton mich entweder eines ganz gewöhnlichen Zuprostens für wert hielt oder, was das Mindeste gewesen wäre, mich in ein Gespräch zog – aus Angst, glaube ich, er könnte mitten im Entstehen eines versöhnlichen Miteinander die frische Narbe wieder aufreißen. (9) Meine Brust überschwemmten Tränen, die mir der Schmerz verursachte, und ein von Seufzern überdecktes Stöhnen trieb mir beinahe die Seele heraus * (10) Er versuchte, Anteil am Vergnügen gestattet zu bekommen und nahm nicht die strenge Miene des Herrn an, sondern suchte die Nachgiebigkeit eines Freundes * (11) (Eine Magd Tryphaenas zu Enkolp:) »Wenn du auch nur etwas vom Blut eines Freigeborenen hast, wirst du ihn nicht höher schätzen als einen Strichjungen. Wenn du ein Mann bist, wirst du nicht zu einer Tunte gehen« * (12) Für mich war nichts beschämender als die Angst, Eumolp könnte es gemerkt haben, was auch immer es gewesen war, und der Kerl mit seinem äußerst beißenden Witz könnte sich durch seine Verse rächen * (13) Eumolp schwor mit den feierlichsten Worten

*

114 (1) Während wir uns über dieses und Ähnliches unterhielten, wogte die See auf, und Wolken, die von allen Seiten aufzogen, hüllten den Tag in Finsternis. Die Matrosen liefen aufgeregt in alle Richtungen zu ihren Posten und refften vor dem Sturm die Segel. (2) Doch der Wind hatte, aus unbe-

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tus ventus impulerat, nec quo destinaret cursum gubernator sciebat. (3) Sicilia modo ventum dabat, saepissime Italici litoris aquilo possessor convertebat huc illuc obnoxiam ratem, et quod omnibus procellis periculosius erat, tam spissae repente tenebrae lucem suppresserant, ut ne proram quidem totam gubernator videret. (4) itaque hercules postquam * manifesta convaluit, Lichas trepidans ad me supinas porrigit manus et (5) »tu« inquit »Encolpi, succurre periclitantibus, id est vestem illam divinam sistrumque redde navigio. per fidem, miserere, quemadmodum quidem soles«. (6) et illum quidem vociferantem in mare ventus excussit, repetitumque infesto gurgite procella circumegit atque hausit. (7) Tryphaenam autem prope iam !peremptam" fidelissimi rapuerunt servi, scaphaeque impositam cum maxima sarcinarum parte abduxere certissimae morti …

(8) applicitus cum clamore flevi et »hoc« inquam »a diis meruimus, ut nos sola morte coniungerent. sed non crudelis fortuna concedit. (9) ecce iam ratem fluctus evertet, ecce iam amplexus amantium iratum dividet mare. igitur, si vere Encolpion dilexisti, da oscula, dum licet, ultimum hoc gaudium fatis properantibus rape«. (10) haec ut ego dixi, Giton vestem deposuit, meaque tunica contectus exeruit ad osculum caput. et ne sic cohaerentes malignior fluctus distraheret, utrumque zona circumvenienti praecinxit et (11) »si nihil aliud, certe diutius« inquit »iuncta nos mors feret, vel si vo-

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stimmter Richtung kommend, die Fluten hochgepeitscht, und der Steuermann wusste nicht, welchen Kurs er halten sollte. (3) Dann wieder schickte Sizilien einen Wind, aber am häufigsten drehte der Nordwind, Herr der italischen Küste, das ihm ausgelieferte Schiff hierhin und dorthin, und was gefährlicher war als alle Sturmböen: So dichte Finsternis hatte plötzlich das Licht verdrängt, dass der Steuermann nicht einmal den ganzen Bug sehen konnte. (4) Nachdem also, beim Herkules, … deutlich stärker geworden ist, streckte Lichas aufgeregt die Hände nach oben gekehrt zu mir aus und rief: (5) »Du, Enkolp, komm uns in unserer Not zu Hilfe, gib also das göttliche Gewand und das Sistrum dem Schiff zurück. Um Himmels willen, erbarme dich, wie du es ja auch sonst tust.« (6) Und ihn stieß nun, während er schrie, ein Windstoß ins Meer, wieder und wieder wurde er von einem gefährlichen Strudel erfasst, und eine Sturmbö drehte ihn im Kreis herum und ließ ihn versinken. (7) Tryphaena aber, mit der es schon fast zu Ende war, ergriffen ihre treuesten Sklaven, setzten sie mit dem größten Teil ihres Gepäcks in das Beiboot und entrissen sie dem sicheren Tod … (8) !An Giton" gepresst weinte ich laut und rief: »Das haben wir von den Göttern verdient, dass sie uns erst im Tod vereinen! Aber die grausame Fortuna lässt es nicht zu. (9) Schau, gleich wird die Flut das Schiff zum Kentern bringen, schau, gleich wird das erzürnte Meer die Umarmung der Liebenden trennen. Darum, wenn du Enkolp wahrhaft geliebt hast, gib ihm Küsse, solange es noch möglich ist, und raube diese letzte Freude dem sich rasch nahenden Verhängnis.« (10) Als ich das gesagt hatte, legte Giton sein Gewand ab, schlüpfte unter meine Tunika und streckte den Kopf zum Kuss heraus. Und damit die so Aneinanderhängenden nicht eine allzu missgünstige Woge auseinanderreiße, schlang er um uns beide seinen Gürtel, band uns zusammen und sagte: (11) »Wenn es auch sonst nichts nützt, wird uns sicher der Tod, weil wir verbunden sind, länger dahintragen, und wenn er

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luerit misericors ad idem litus expellere, aut praeteriens aliquis tralaticia humanitate lapidabit, aut quod ultimum est iratis etiam fluctibus, imprudens harena componet«. (12) patior ego vinculum extremum, et veluti lecto funebri aptatus expecto mortem iam non molestam. (13) peragit interim tempestas mandata fatorum omnesque reliquias navis expugnat. non arbor erat relicta, non gubernacula, non funis aut remus, sed quasi rudis atque infecta materies ibat cum fluctibus * (14) procurrere piscatores parvulis expediti navigiis ad praedam rapiendam. deinde ut aliquos viderunt qui suas opes defenderent, mutaverunt crudelitatem in auxilium * 115 (1) audimus murmur insolitum et sub diaeta magistri quasi cupientis exire beluae gemitum. (2) persecuti igitur sonum invenimus Eumolpum sedentem membranaeque ingenti versus ingerentem. (3) mirati ergo quod illi vacaret in vicinia mortis poema facere, extrahimus clamantem iubemusque bonam habere mentem. (4) at ille interpellatus excanduit et »sinite me« inquit »sententiam explere; laborat carmen in fine«. (5) inicio ego phrenetico manum iubeoque Gitona accedere et in terram trahere poetam mugientem *

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uns voll Mitleid an denselben Strand treiben lassen will, wird entweder irgendjemand, der vorbeigeht, uns aus Menschlichkeit, wie sie üblich ist, mit Steinen zudecken, oder zu allerletzt wird uns, auch wenn die Fluten noch so erzürnt sind, ahnungslos der Sand begraben.« (12) Ich erduldete die letzte Fesselung, und wie für die Bahre fertiggemacht erwartetete ich den schon nicht mehr unangenehmen Tod. (13) Unterdessen vollzog der Sturm den Auftrag des Schicksals und eroberte alle Überreste des Schiffes. Kein Mastbaum war mehr da, kein Steuer, kein Tau oder Ruder, sondern gleichsam rohes und unbehauenes Holz trieb mit den Wogen dahin * (14) Fischer in kleinen Booten kamen rasch herangefahren, um Beute zu ergattern. Als sie dann Leute erblickten, die bereit waren, ihre Habe zu verteidigen, verwandelten sie ihre Grausamkeit in Hilfsbereitschaft * 115 (1) Wir hörten ein seltsames Gemurmel und unter der Kajüte des Kapitäns ein Jaulen wie von einem Raubtier, das ausbrechen will. (2) Wie gingen also dem Geräusch nach und fanden Eumolp, wie er dasaß und auf ein riesiges Pergament Verse warf. (3) Da staunten wir, weil er in Todesnähe Zeit hatte, ein poetisches Werk zu verfassen, und zogen ihn, obwohl er schrie, heraus und forderten ihn auf, vernünftig zu sein. (4) Er aber, so unterbrochen, geriet in Rage und rief: »Lasst mich meinen Satz zu Ende bringen; meine Dichtung ist am Ende noch holprig.« (5) Ich legte Hand an den Madman und forderte Giton auf, dazuzukommen und den brüllenden Dichter an Land zu ziehen *

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(6) hoc opere tandem elaborato casam piscatoriam subimus maerentes, cibisque naufragio corruptis utcumque curati tristissimam exegimus noctem. (7) postero die cum poneremus consilium cui nos regioni crederemus, repente video corpus humanum circumactum levi vertice ad litus deferri. (8) substiti ergo tristis coepique umentibus oculis maris fidem inspicere et (9) »hunc forsitan« proclamo »in aliqua parte terrarum secura expectat uxor, forsitan ignarus tempestatis filius aut pater; utique reliquit aliquem, cui proficiscens osculum dedit. (10) haec sunt consilia mortalium, haec vota [magnarum cogitationum]. en homo quemadmodum natat.« (11) adhuc tamquam ignotum deflebam, cum inviolatum os fluctus convertit in terram, agnovique terribilem paulo ante et implacabilem Licham pedibus meis paene subiectum. (12) non tenui igitur diutius lacrimas, immo percussi semel iterumque manu pectus et »ubi nunc est« inquam »iracundia tua, ubi impotentia tua? (13) nempe piscibus beluisque expositus es, et qui paulo ante iactabas vires imperii tui, de tam magna nave ne tabulam quidem naufragus habes. (14) ite nunc mortales, et magnis cogitationibus pectora implete. ite cauti, et opes fraudibus captas per mille annos disponite. (15) nempe hic proxima luce patrimonii sui rationes inspexit, nempe diem etiam, quo venturus esset in patriam, animo suo fixit. dii deaeque, quam longe a destinatione sua ia-

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(6) Nachdem diese anstrengende Aktion endlich erledigt war, betraten wir niedergeschlagen eine Fischerhütte, und, von Speisen, die beim Schiffbruch verdorben waren, einigermaßen gestärkt, verbrachten wir eine sehr traurige Nacht. (7) Als wir am folgenden Tag einen Plan aufstellten, welcher Gegend wir uns anvertrauen sollten, sah ich plötzlich, wie ein menschlicher Körper, von leichter Dünung im Kreis gedreht, an den Strand getragen wurde. (8) Da blieb ich traurig stehen und verfiel mit feuchten Augen in Betrachtungen über die Verlässlichkeit des Meeres, und ich rief aus: (9) »Den erwartet vielleicht in irgendeinem Teil der Welt sorglos seine Frau, vielleicht, ohne etwas von dem Sturm zu wissen, sein Sohn oder sein Vater; jedenfalls ließ er irgendjemanden zurück, dem er bei seinem Aufbruch einen Kuss gab. (10) Das sind sie, die Pläne der Sterblichen, das ihre Wünsche. Schau an, wie er dahin treibt, der Mensch!« (11) Noch beweinte ich ihn wie einen Unbekannten, als die Welle sein unversehrtes Gesicht dem Land zudrehte, und ich erkannte den kürzlich noch fürchterlichen und unversöhnlichen Lichas, der mir fast zu Füßen lag. (12) Da konnte ich nicht länger die Tränen zurückhalten, nein, ich schlug mir wieder und wieder mit der Hand an die Brust und rief: »Wo ist jetzt dein Zorn, wo deine Unmäßigkeit? (13) Tja, Fischen und Raubtieren bist du ausgeliefert, und hast du kürzlich noch mit deiner Befehlsgewalt angegeben, so besitzt du nun als Schiffbrüchiger nicht einmal eine Planke deines so großen Schiffes. (14) Geht nur hin, ihr Sterblichen, und mit großen Gedanken lasst eure Brust anschwellen! Geht nur hin, ihr auf Vorsorge Bedachten, und legt eure Schätze, die ihr durch Betrügereien ergattert habt, auf tausend Jahre an! (15) Tja, der hier hat noch am gestrigen Tag seine Vermögensbilanzen betrachtet, tja, auch den Tag, an dem er in die Heimat kommen würde, hat er im Geist festgelegt. Götter und Göttinnen, wie weit von seinem Ziel liegt er da! (16) Aber nicht nur

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cet. (16) sed non sola mortalibus maria hanc fidem praestant. illum bellantem arma decipiunt, illum diis vota reddentem penatium suorum ruina sepelit. ille vehiculo lapsus properantem spiritum excussit, cibus avidum strangulavit, abstinentem frugalitas. si bene calculum ponas, ubique naufragium est. (17) at enim fluctibus obruto non contingit sepultura. tamquam intersit, periturum corpus quae ratio consumat, ignis an fluctus an mora. (18) quicquid feceris, omnia haec eodem ventura sunt. ferae tamen corpus lacerabunt. tamquam melius ignis accipiat; immo hanc poenam gravissimam credimus, ubi servis irascimur. (19) quae ergo dementia est, omnia facere, ne quid de nobis relinquat sepultura?« *

(20) et Licham quidem rogus inimicis collatus manibus adolebat. Eumolpus autem dum epigramma mortuo facit, oculos ad arcessendos sensus longius mittit * 116 (1) hoc peracto libenter officio destinatum carpimus iter ac momento temporis in montem sudantes conscendimus, ex quo haud procul impositum arce sublimi oppidum cernimus. (2) nec quid esset sciebamus errantes, donec a vilico quodam Crotona esse cognovimus, urbem antiquissimam et aliquando Italiae primam. (3) cum deinde diligentius exploraremus qui homines inhabitarent nobile solum quodve genus negotiationis praecipue probarent post attri-

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die Meere zeigen den Sterblichen diese Verlässlichkeit. Den einen lassen, während er kämpft, seine Waffen im Stich, den anderen, der den Göttern gerade Gelübde einlöst, begraben unter sich die Trümmer seines Hauses. Der da fällt vom Wagen und treibt seine danach drängende Seele aus, Essen erstickt den Fressgierigen, den Fastenden seine Enthaltsamkeit. Wenn man richtig nachrechnet, herrscht überall Schiffbruch. (17) Nun gut, aber denen, die in Fluten versenkt werden, wird keine Bestattung zuteil. Als ob es etwas ausmachen würde, welches Mittel den Körper, der ja doch vergehen wird, zersetzt, Feuer oder Wasser oder verstreichende Zeit! (18) Was auch immer du tust, all das läuft auf dasselbe hinaus. Wilde Tiere werden den Leichnam dennoch zerfetzen. Als ob Feuer sie besser empfinge; ja, diese Strafe halten wir für die schwerste, wenn wir auf Sklaven wütend sind. (19) Was für ein Wahnsinn ist es also, alles zu tun, dass die Bestattung nichts von uns übrig lässt!« * (20) Nun, Lichas verbrannte der Scheiterhaufen, der von den Händen seiner Gegner zusammengetragen worden war. Eumolp aber ließ, während er eine Grabaufschrift für den Toten verfasste, seine Blicke auf der Suche nach Inspiration in die Ferne schweifen * 116 (1) Als wir diese Pflicht bereitwillig erfüllt hatten, machten wir uns auf den Weg, den wir uns vorgenommen hatten, und bestiegen in kürzester Zeit schwitzend einen Berg, von dem aus wir nicht weit entfernt auf einer Anhöhe eine Stadt liegen sahen. (2) Aber welche es war, wussten wir nicht, da wir ja umherirrten, bis wir von einem Gutsverwalter erfuhren, es sei Kroton, die sehr alte und einst in Italien führende Stadt. (3) Als wir uns daraufhin genauer erkundigten, welche Leute den berühmten Boden bewohnten und welche Art von Gewerbe sie besonders schätzten, nachdem ihr Reichtum

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tas bellis frequentibus opes, (4) »o mi« inquit »hospites, si negotiatores estis, mutate propositum aliudque vitae praesidium quaerite. (5) sin autem urbanioris notae homines sustinetis semper mentiri, recta ad lucrum curritis. (6) in hac enim urbe non litterarum studia celebrantur, non eloquentia locum habet, non frugalitas sanctique mores laudibus ad fructum perveniunt, sed quoscumque homines in hac urbe videritis, scitote in duas partes esse divisos. (7) nam aut captantur aut captant. in hac urbe nemo liberos tollit, quia quisquis suos heredes habet, non ad cenas, non ad spectacula admittitur, sed omnibus prohibetur commodis, inter ignominiosos latitat. (8) qui vero nec uxores umquam duxerunt nec proximas necessitudines habent, ad summos honores perveniunt, id est soli militares, soli fortissimi atque etiam innocentes habentur. (9) adibitis« inquit »oppidum tamquam in pestilentia campos, in quibus nihil aliud est nisi cadavera quae lacerantur aut corvi qui lacerant« *

117 (1) prudentior Eumolpus convertit ad novitatem rei mentem genusque divinationis sibi non displicere confessus est. (2) iocari ego senem poetica levitate credebam, cum ille »utinam quidem sufficeret largior scaena, id est vestis humanior, instrumentum quod latius praeberet mendacio fidem: non mehercules rapinam istam differrem, sed continuo vos ad magnas opes ducerem. (3) atquin promitto« …

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vermindert worden sei durch häufige Kriege, sagte er: (4) »Ach, ihr lieben Fremdlinge, wenn ihr Geschäftsleute seid, ändert euer Vorhaben und sucht euch einen anderen Lebensunterhalt. (5) Wenn ihr es aber als Männer von feinerem Schlage auf euch nehmt, immer zu lügen, dann lauft ihr geradewegs auf Profit zu. (6) Denn in dieser Stadt werden nicht Bildung und Wissenschaft gepflegt, hat die Beredsamkeit keine Stätte, gelangen nicht Genügsamkeit und lauterer Charakter dadurch, dass sie gelobt werden, zu ihrem Lohn, sondern was ihr an Menschen in dieser Stadt seht, die, so sollt ihr wissen, spalten sich in zwei Parteien auf. (7) Denn sie sind entweder Opfer von Erbschleichern oder selbst Erbschleicher. In dieser Stadt zieht niemand Kinder groß, weil jeder, der seine eigenen Erben hat, nicht zu Gastmählern, nicht zu Schauspielen zugelassen, sondern von allem Angenehmen ausgeschlossen wird und unter Verfemten im Verborgenen lebt. (8) Wer aber weder jemals eine Frau geheiratet hat noch nahe Verwandte besitzt, gelangt zu höchsten Ehrenämtern und gilt somit allein als kriegstauglich, allein als höchst tapfer und auch als unbescholten. (9) Ihr werdet«, sagte er, »mit dieser Stadt ein Gebiet wie zu Pestzeiten betreten, in dem es nichts anderes gibt als Leichen, die zerfleischt werden, und Raben, die sie zerfleischen« * 117 (1) Als der Klügere richtete Eumolp seine Aufmerksamkeit auf das Neuartige der Situation und gestand, dass ihm eine solche Art der Prophezeiung keineswegs missfalle. (2) Ich glaubte schon, der Alte mache in seinem Dichterleichtsinn einen Witz, als er sagte: »Wenn doch wenigstens ein reichlicherer Aufzug zur Verfügung stünde, also ein menschenwürdigeres Gewand, eine Ausstattung, die einem Schwindel größere Glaubwürdigkeit verleihen würde. Beim Herkules, ich würde so einen Raubzug nicht aufschieben, sondern euch sofort zu großen Schätzen führen. (3) Und doch verspreche ich« …

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quicquid exigeret, dummodo placeret vestis, rapinae comes, et quicquid Lycurgi villa grassantibus praebuisset. nam nummos in praesentem usum deum matrem pro fide sua reddituram …

(4) »quid ergo« inquit Eumolpus »cessamus mimum componere? facite ergo me dominum, si negotiatio placet.« (5) nemo ausus est artem damnare nihil auferentem. itaque ut duraret inter omnes tutum mendacium, in verba Eumolpi sacramentum iuravimus: uri, vinciri, verberari ferroque necari, et quicquid aliud Eumolpus iussisset. tamquam legitimi gladiatores domino corpora animasque religiosissime addicimus. (6) post peractum sacramentum serviliter ficti dominum consalutamus, elatumque ab Eumolpo filium pariter condiscimus, iuvenem ingentis eloquentiae et spei, ideoque de civitate sua miserrimum senem exisse, ne aut clientes sodalesque filii sui aut sepulcrum quotidie causam lacrimarum cerneret. (7) accessisse huic tristitiae proximum naufragium, quo amplius vicies sestertium amiserit; nec illum iactura moveri, sed destitutum ministerio non agnoscere dignitatem suam. (8) praeterea habere in Africa trecenties sestertium fundis nominibusque depositum; nam familiam quidem tam magnam per agros Numidiae esse sparsam, ut possit vel Carthaginem capere. (9) secundum hanc formulam imperamus Eumolpo ut plurimum tussiat, ut sit

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!Wir versprachen ihm" alles, was er verlangen würde, wenn ihm nur das Gewand zusage, der Komplize unseres Raubzuges, und alles, was Lykurgs Landgut uns beim Herumstreifen verschafft habe. Denn Geld für den momentanen Bedarf werde die Göttermutter mit der ihr eigenen Zuverlässigkeit gewähren … (4) »Warum also«, sagte Eumolp, »zögern wir noch, einen Mimus zu inszenieren? Macht mich also zu eurem Gebieter, wenn euch das Geschäft zusagt.« (5) Niemand wagte sich so weit hervor, dass er einen Coup verworfen hätte, der niemandem etwas wegnehmen würde. Deshalb schworen wir, damit unter uns allen der Schwindel auf Dauer ungefährdet sei, nach Worten Eumolps einen Eid: uns brennen, fesseln, auspeitschen und mit einem Schwert töten zu lassen, und was Eumolp sonst alles befehlen würde. Wie regelrechte Gladiatoren verpflichteten wir uns unserem Gebieter höchst feierlich mit Leib und Seele. (6) Nach dem Ablegen des Eids spielten wir die Sklavenrolle und begrüßten unseren Gebieter, und wir lernten gemeinsam die Lektion, zu Grabe getragen worden sei von Eumolp dessen Sohn, ein junger Mann von gewaltiger Beredsamkeit, der zu großen Hoffnungen berechtigte, und deshalb sei der alte Mann todunglücklich aus seinem Stadtstaat fortgegangen, um weder die Klienten und Freunde seines Sohnes noch dessen Grab täglich als Grund für seine Tränen sehen zu müssen. (7) Hinzugekommen zu diesem Trauerfall sei jüngst ein Schiffbruch, durch den er mehr als zwei Millionen Sesterzen verloren habe; und er sei nicht durch den Schaden erschüttert, sondern erkenne sich nach dem Verlust seiner Dienerschaft in seinem wahren Rang nicht wieder. (8) Außerdem habe er in Afrika dreißig Millionen in Grundstücken und Darlehen angelegt; denn seine Dienerschaft zumindest sei in so großer Zahl über die Felder Numidiens verstreut, dass er damit sogar Karthago einnehmen könne. (9) Diesen Richtlinien entsprechend hielten wir Eumolp dazu an, sehr viel zu

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!modo astrictioris" modo solutioris stomachi cibosque omnes palam damnet; loquatur aurum et argentum fundosque mendaces et perpetuam terrarum sterilitatem; (10) sedeat praeterea quotidie ad rationes tabulasque testamenti omnibus !mensibus" renovet. et ne quid scaenae deesset, quotiescumque aliquem nostrum vocare temptasset, alium pro alio vocaret, ut facile appareret dominum etiam eorum meminisse, qui praesentes non essent. (11) his ita ordinatis, »quod bene feliciterque eveniret« precati deos viam ingredimur. sed neque Giton sub insolito fasce durabat, et mercennarius Corax, detractator ministerii, posita frequentius sarcina male dicebat properantibus affirmabatque se aut proiecturum sarcinas aut cum onere fugiturum. (12) »quid? vos« inquit »iumentum me putatis esse aut lapidariam navem? hominis operas locavi, non caballi. nec minus liber sum quam vos, etiam si pauperem pater me reliquit.« nec contentus maledictis tollebat subinde altius pedem et strepitu obsceno simul atque odore viam implebat. (13) ridebat contumaciam Giton et singulos crepitus eius pari clamore prosequebatur *

118 (1) »multos«, inquit Eumolpus »o iuvenes, carmen decepit. nam ut quisque versum pedibus instruxit sensumque teneriore verborum ambitu intexuit, putavit se continuo in Heliconem venisse. (2) sic forensibus ministeriis exercitati frequenter ad carminis tranquillitatem tamquam ad portum feliciorem refugerunt, credentes facilius poema extrui posse quam controversiam sententiolis vib-

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husten, bald Verstopfung, bald Durchfall zu haben und alle Speisen ganz offen zu bemäkeln; er solle von Gold und Silber reden und von trügerischen Grundstücken und von permanenter Unfruchtbarkeit seiner Ländereien; (10) er solle außerdem täglich an seinen Bilanzen sitzen und seine testamentarischen Aufzeichnungen alle Monate neu machen. Und damit der Inszenierung nichts fehle, solle er jedes Mal, wenn er einen von uns rufen wolle, mal den einen, mal den anderen rufen, damit leicht deutlich werde, dass der Gebieter auch an die denke, die nicht anwesend sind. (11) Als dies so arrangiert war, beteten wir »Möge es gut und glücklich ausgehen!« zu den Göttern und machten uns auf den Weg. Doch Giton hielt es unter dem ungewohnten Bündel nicht lange aus, und der Lohndiener Korax, ein Sklavendienstverweigerer, legte häufiger das Gepäck ab, fluchte über unsere Eile und versicherte, er werde entweder das Gepäck hinwerfen oder sich mit seiner Last davonmachen. (12) »Was?« rief er »Glaubt ihr, ich bin ein Lasttier oder Frachter für Steine? Die Arbeit eines Menschen habe ich euch vermietet, nicht die eines Gauls! Und ich bin nicht weniger ein freier Mann als ihr, auch wenn mein Vater mich in Armut zurückgelassen hat.« Und nicht zufrieden mit seinen Flüchen hob er immer wieder das Bein etwas hoch und erfüllte ebenso mit unanständigem Knattern wie mit Gestank den Weg. (13) Giton lachte über die Frechheit und begleitete jeden einzelnen Knaller von ihm mit gleichem Krach * 118 (1) »Viele, ihr jungen Leute«, sagte Eumolp, »hat die Poesie getäuscht. Denn jeder meinte, sobald er eine Zeile mit Versfüßen ausgestattet und einen Gedanken in eine recht weiche Wortperiode eingewoben hatte, sei er sofort auf den Helikon gekommen. (2) So nahm man, nachdem man sich mit Gerichtsdienst abgemüht hatte, häufig Zuflucht zur Friedlichkeit der Poesie wie zu einem mehr Glück verheißenden Hafen, weil man

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rantibus pictam. (3) ceterum neque generosior spiritus vanitatem amat, neque concipere aut edere partum mens potest nisi ingenti flumine litterarum inundata. (4) refugiendum est ab omni verborum, ut ita dicam, vilitate et sumendae voces a plebe semotae, ut fiat ›odi profanum vulgus et arceo‹. (5) praeterea curandum est ne sententiae emineant extra corpus orationis expressae, sed intexto vestibus colore niteant. Homerus testis et lyrici Romanusque Vergilius et Horatii curiosa felicitas. ceteri enim aut non viderunt viam qua iretur ad carmen, aut visam timuerunt calcare. (6) ecce belli civilis ingens opus quisquis attigerit nisi plenus litteris, sub onere labetur. non enim res gestae versibus comprehendendae sunt, quod longe melius historici faciunt, sed per ambages deorumque ministeria et fabulosum sententiarum tormentum praecipitandus est liber spiritus, ut potius furentis animi vaticinatio appareat quam religiosae orationis sub testibus fides: tamquam, si placet, hic impetus, etiam si nondum recepit ultimam manum« *

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glaubte, ein Gedicht lasse sich leichter bauen als eine mit schwungvollen Sentenzchen aufgeputzte Streitrede. (3) Doch weder liebt ein edlerer Geist sinnentleertes Getue, noch kann der Intellekt empfangen oder gebären, wenn er sich nicht von einem gewaltigen Strom literarischer Kenntnisse hat überschwemmen lassen. (4) Sich flüchten muss man, um es so auszudrücken, vor allem Billigen bei der Ausdrucksweise und Wörter nehmen, die den einfachen Leuten entrückt sind, damit zur Wirklichkeit wird das: ›Ich hasse den ungeweihten Pöbel und halte ihn fern.‹ (5) Außerdem muss man Sorge tragen, dass die Sentenzen nicht aus dem Körper der formulierten Aussage herausstechen, sondern in einer den Kleidern eingewobenen Farbe glänzen. Zeugen sind Homer und die Lyriker und der Römer Vergil und Horazens fruchtbare Sorgfalt. Denn die übrigen haben den Weg entweder nicht gesehen, auf dem man zur Poesie hätte gelangen können, oder sie sahen ihn und scheuten sich, ihn zu betreten. (6) Sieh da: Jeder, der die gewaltige Arbeit an einem ›Bürgerkrieg‹ anrührt, wird, wenn er nicht voller literarischer Kenntnisse steckt, unter der Last zusammenbrechen. Denn nicht die geschichtlichen Ereignisse sind in Verse zu fassen – das machen weit besser die Historiker –, sondern durch Abschweifungen, das Eingreifen der Götter und die sich in den Einfällen ausdrückende wundersame Verzückungsqual muss ein frei gestaltender Geist dahinstürmen, so dass eher die prophetische Offenbarung eines ekstatischen Geistes in Erscheinung tritt als die bezeugte Glaubwürdigkeit einer gewissenhaften Aussage, wie, falls es recht ist, dieser meines Dranges Wurf, obwohl er noch nicht die letzte Hand erfahren hat« *

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119 »orbem iam totum victor Romanus habebat, qua mare, qua terrae, qua sidus currit utrumque. nec satiatus erat. gravidis freta pulsa carinis iam peragebantur; si quis sinus abditus ultra, si qua foret tellus, fulvum quae mitteret aurum, hostis erat, fatisque in tristia bella paratis quaerebantur opes. non vulgo nota placebant gaudia, non usu plebeio trita voluptas. aes Ephyre captum laudabat miles; in ima quaesitus tellure nitor certaverat ostro; hinc Numidae attulerant, illinc nova vellera Seres, atque Arabum populus sua despoliaverat arva. ecce aliae clades et laesae vulnera pacis. quaeritur in silvis auro fera, et ultimus Hammon Afrorum excutitur, ne desit belua dente ad mortes pretiosa; fremens premit advena classes tigris et aurata gradiens vectatur in aula, ut bibat humanum populo plaudente cruorem. heu, pudet effari perituraque prodere fata:

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119 »Den ganzen Erdkreis schon besaß der siegreiche Römer, wo es Meer, wo es Länder gab, wo beide Gestirne ihre Bahn ziehen. Aber gesättigt war er nicht. Schon wurden die Meere gepeitscht, durchfurcht von beladenen Kielen; wenn es irgendeine in der Ferne versteckte Bucht, irgendein Land gab, das das funkelnde Gold hätte liefern können, 5 war es der Feind, und wenn das Schicksal bereit war zu bitteren Kriegen, suchte man nach Schätzen. Keinen Gefallen fanden mehr die der Menge vertrauten Vergnügungen, nicht mehr die dem Pöbel zur alltäglichen Gewohnheit gewordenen Genüsse. Bronze, in Ephyre erobert, pries der Soldat; in tiefster Erde gesuchter Glanz war mit dem Purpur in Wettbewerb getreten. 10 Von der einen Seite hatten die Numidier, von der anderen die Serer neuartige Wollstoffe herbeigeschafft, und das Volk der Araber hatte schon seine Felder geplündert. Sieh da, anderes Unheil und Wunden, dem verletzten Frieden geschlagen: Für Gold sucht man in den Wäldern wilde Tiere, und Hammons Heiligtum im fernsten Gebiet der Afrikaner wird durchstöbert, damit nicht fehlt das Untier, das mit seinen Zähnen 15 für das Morden wertvoll ist. Der knurrende Tiger aus der Fremde lastet drückend auf dem Schiff, und in vergoldetem Käfig schreitend wird er transportiert, damit er Menschenblut trinkt, während die Leute Beifall klatschen. Ach, man schämt sich, es auszusprechen und zu enthüllen zum Untergang führendes Verhängnis:

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Persarum ritu male pubescentibus annis surripuere viros exsectaque viscera ferro in venerem fregere, atque ut fuga mobilis aevi circumscripta mora properantes differat annos. quaerit se natura nec invenit. omnibus ergo scorta placent fractique enervi corpore gressus et laxi crines et tot nova nomina vestis, quaeque virum quaerunt. ecce Afris eruta terris citrea mensa greges servorum ostrumque renidens ponitur ac maculis imitatur vilius aurum, quae sensum trahat. hoc sterile ac male nobile lignum turba sepulta mero circum venit, omniaque orbis praemia correptis miles vagus esurit armis. ingeniosa gula est. Siculo scarus aequore mersus ad mensam vivus perducitur, atque Lucrinis eruta litoribus vendunt conchylia cenas, ut renovent per damna famem. iam Phasidos unda orbata est avibus, mutoque in litore tantum

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Nach dem Brauch der Perser hat man, wenn noch kaum ihre Jahre heranreiften, 20 Männer entführt, ihre Hoden mit dem Eisen abgeschnitten und ihnen die Kraft gebrochen, damit sie weiblich lieben und damit das Dahinfliehen der rasch sich vorwärts bewegenden Jugendzeit, im Zaum gehalten für eine Weile, das Eilen der Jahre aufschiebe. Die Natur sucht sich selbst und findet sich nicht. Allen also gefallen diese Huren und ihr mit kraftlosem Gang weibischer Körper 25 und das wallende Haar und so viele neumodische Namen für ihre Kleidung, und was sonst die Männer suchen. Sieh da, herausgerissen aus afrikanischen Ländern, der Tisch aus Zitrusholz, der Scharen von Sklaven und Purpur widerspiegelt, wird aufgestellt und imitiert mit seiner Maserung das Gold, das er an Wert übertrifft, weil er die Sinne reizt. Dieses nicht mehr fruchtbare und gar nicht edle Holz 30 umlagert eine vom Wein begrabene Schar, und nach allen Gütern des Erdkreises lechzt der umherschweifende Soldat, wenn er zu den Waffen gegriffen hat. Einfallsreich ist der Gaumen. Der Papageifisch, verborgen im Sizilischen Meer, wird noch lebendig zu Tisch gebracht, und den Ufern des Lukrinersees entrissene Austern machen Gastmähler kostspielig, 35 um durch hohen Geldverlust den Appetit wiederzubeleben. Schon sind die Wellen des Phasis ihrer Vögel beraubt, und an dem stummen Ufer hauchen nur noch

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solae desertis adspirant frondibus aurae. nec minor in campo furor est, emptique Quirites ad praedam strepitumque lucri suffragia vertunt. venalis populus, venalis curia partum, est favor in pretio. senibus quoque libera virtus exciderat, sparsisque opibus conversa potestas, ipsaque maiestas auro corrupta iacebat. pellitur a populo victus Cato; tristior ille est, qui vicit, fascesque pudet rapuisse Catoni. namque – hoc dedecoris populo morumque ruina – non homo pulsus erat, sed in uno victa potestas Romanumque decus. quare tam perdita Roma ipsa sui merces erat et sine vindice praeda. praeterea gemino deprensam gurgite praedam faenoris ingluvies ususque exederat aeris. nulla est certa domus, nullum sine pignore corpus, sed veluti tabes tacitis concepta medullis intra membra furens curis latrantibus errat. arma placent miseris, detritaque commoda luxu vulneribus reparantur. inops audacia tuta est.

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einsam die Lüfte im verlassenen Laub. Nicht geringer ist auf dem Marsfeld der Wahnsinn, und die Quiriten, bereit, sich zu verkaufen, richten ihre Wählerstimme nach Beutegeld und klingendem Profit aus. 40 Käuflich ist das Volk, käuflich die Kurie der Väter, Gunst hat ihren Preis. Auch den alten Herren war die Tugend der Freiheit entglitten, und weil Reichtümer ausgestreut wurden, war ihre Macht gestürzt, und selbst ihr hohes Ansehen lag, vom Gold bestochen, darnieder. Zurückgewiesen vom Volk wird der besiegte Cato; doch trauriger ist der, 45 der ihn besiegt hat, und er schämt sich, weil er einem Cato die Rutenbündel entrissen hat. In der Tat – dies und der Sittenverfall geschahen dem Volk zur Schande – wurde nicht ein Mensch zurückgewiesen, sondern in einem einzigen Menschen besiegt die Macht und Ehre Roms. Daher war das so korrupte Rom sich selbst eine Ware und eine schutzlose Beute. 50 Außerdem hatte ein doppelter Strudel die Beute erfasst und diese der Schlund des Wuchers und die Geldverschwendung aufgezehrt. Kein Haus ist sicher, kein Körper ist nicht verpfändet, nein, gleichsam eine Seuche, die im verschwiegenen Mark ausbrach, verbreitet sich in den Gliedern und wütet mit brüllenden Qualen. 55 Waffen gefallen den Unglückseligen, und den Wohlstand, der durch Verschwendung aufgezehrt ist, versuchen sie durch Wunden wiederzugewinnen. Verwegenheit, eingegeben durch Armut, ist sicher vor Gefahr.

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hoc mersam caeno Romam somnoque iacentem quae poterant artes sana ratione movere, ni furor et bellum ferroque excita libido? 120 tres tulerat Fortuna duces, quos obruit omnes armorum strue diversa feralis Enyo. Crassum Parthus habet, Libyco iacet aequore Magnus, Iulius ingratam perfudit sanguine Romam, et quasi non posset tellus tot ferre sepulcra, divisit cineres. hos gloria reddit honores. est locus exciso penitus demersus hiatu Parthenopen inter magnaeque Dicarchidos arva, Cocyti perfusus aqua; nam spiritus, extra qui furit effusus, funesto spargitur aestu. non haec autumno tellus viret aut alit herbas caespite laetus ager, non verno persona cantu mollia discordi strepitu virgulta loquuntur, sed chaos et nigro squalentia pumice saxa gaudent ferali circum tumulata cupressu. has inter sedes Ditis pater extulit ora bustorum flammis et cana sparsa favilla, ac tali volucrem Fortunam voce lacessit: ›rerum humanarum divinarumque potestas, Fors, cui nulla placet nimium secura potestas,

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Rom, das versunken war in diesem Schlamm und im Schlaf lag – welche Fähigkeiten hätten es aufrütteln können auf vernünftige Weise, wenn nicht Wahnsinn, Krieg und vom Schwert aufgereizte Gier? 60 120 Drei Führer hatte Fortuna hervorgebracht, die alle begrub unter einem Waffenhaufen weit voneinander entfernt die todbringende Enyo. Crassus hat der Parther, im libyschen Meer liegt Magnus, Iulius überströmte mit seinem Blut das undankbare Rom. Und als ob die Erde nicht so viele Gräber hätte tragen können, 65 hat sie die Asche verteilt. Solche Ehren verleiht der Ruhm! Es gibt einen Ort, der versunken liegt in einem tief einschneidenden Schlund zwischen Parthenope und den Feldern der großen Dikarchis, überschwemmt vom Wasser des Kokytus; in der Tat verbreitet sich sein Dampf, der sich nach außen verströmt mit Ungestüm, in todbringenden Schwaden. 70 Nicht ergrünt diese Erde im Herbst oder nährt Gräser auf einem Rasen ein fruchtbares Feld, nicht schwatzen, vom Frühlingsgezwitscher durchklungen, geschmeidige Sträucher mit anders tönendem Klang, sondern gähnende Leere und Felsen, die von schwarzem Bimsstein starren, freuen sich, ringsum zu Grabhügeln aufgetürmt, an Totenzypressen. 75 Zwischen diesen Stätten erhob Vater Ditis sein Antlitz, das von den Flammen der Leichenbrandstätten und grauer Asche besprengt war, und hetzte mit folgenden Worten die geflügelte Fortuna auf: ›Du Macht über die Welt der Menschen und Götter, Fors, der keine allzu sichere Macht gefällt, 80

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quae nova semper amas et mox possessa relinquis, ecquid Romano sentis te pondere victam, nec posse ulterius perituram extollere molem? ipsa suas vires odit Romana iuventus et quas struxit opes, male sustinet. aspice late luxuriam spoliorum et censum in damna furentem. aedificant auro sedesque ad sidera mittunt, expelluntur aquae saxis, mare nascitur arvis, et permutata rerum statione rebellant. en etiam mea regna petunt. perfossa dehiscit molibus insanis tellus, iam montibus haustis antra gemunt, et dum vanos lapis invenit usus, inferni manes caelum sperare fatentur. quare age, Fors, muta pacatum in proelia vultum Romanosque cie ac nostris da funera regnis. iam pridem nullo perfundimus ora cruore, nec mea Tisiphone sitientis perluit artus, ex quo Sullanus bibit ensis et horrida tellus extulit in lucem nutritas sanguine fruges.‹

121 haec ubi dicta dedit, dextrae coniungere dextram conatus rupto tellurem solvit hiatu. tunc Fortuna levi defudit pectore voces: ›o genitor, cui Cocyti penetralia parent, si modo vera mihi fas est impune profari,

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die du immer das Neue liebst und Besitz bald fahren lässt, bemerkst du, dass du von Roms Gewicht niedergezwungen bist und nicht weiter heben kannst den zum Untergang bestimmten Koloss? Selbst hasst ihre eigene Stärke die Jugend Roms, und die Schätze, die sie aufgehäuft hat, erträgt sie nicht. Sieh weithin 85 die Verschwendung der Kriegsbeute und das Vermögen, wie es ins Verderben rast. Sie bauen Häuser aus Gold und lassen sie bis zu den Sternen reichen, verdrängt werden Gewässer von Steinen, aus Feldern wird Meer, und sie stiften Aufruhr, indem sie den Standort der Dinge verändern. Sieh nur, sogar mein Reich attackieren sie. Es klafft ausgeschachtet 90 in Blöcken von irrsinnigem Ausmaß die Erde, schon klagen, weil Berge ausgehöhlt wurden, die Stollen, und während der Marmor sinnlose Verwendung findet, bekennen die unterirdischen Totengeister, sie würden auf das Himmelsblau hoffen. Darum auf jetzt, Fors, wende deine friedliche Miene zu Krieg, die Römer stachle auf und gib Leichen unserem Reich. 95 Schon lange haben wir nicht mehr mit Blut unsere Kehlen gespült, hat meine Tisiphone nicht mehr ihre lechzenden Glieder gebadet seit der Zeit, als Sullas Schwert trank und schauerlich die Erde ans Licht brachte von Blut genährte Früchte.‹ 121 Als er diese Worte gesprochen hatte, versuchte er mit ihrer Rechten zu vereinen seine Rechte 100 und öffnete dabei die Erde durch einen klaffenden Riss. Da ließ Fortuna aus ihrem unbeständigen Herzen Worte verströmen: ›O Vater, dem des Kokytus innere Tiefen gehorchen, wenn ich nur die Wahrheit ungestraft verkünden darf:

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vota tibi cedent; nec enim minor ira rebellat pectore in hoc leviorque exurit flamma medullas. omnia, quae tribui Romanis arcibus, odi muneribusque meis irascor. destruet istas idem, qui posuit, moles deus. et mihi cordi quippe cremare viros et sanguine pascere luxum. cerno equidem gemina iam stratos morte Philippos Thessaliaeque rogos et funera gentis Hiberae et Libyae; cerno tua, Nile, gementia claustra Actiacosque sinus et Apollinis arma timentes. iam fragor armorum trepidantes personat aures. pande, age, terrarum sitientia regna tuarum atque animas accerse novas. vix navita Porthmeus sufficiet simulacra virum traducere cumba; classe opus est. tuque ingenti satiare ruina, pallida Tisiphone, concisaque vulnera mande: ad Stygios manes laceratus ducitur orbis.‹

122 vixdum finierat, cum fulgure rupta corusco intremuit nubes elisosque abscidit ignes. subsedit pater umbrarum, gremioque reducto telluris pavitans fraternos palluit ictus. continuo clades hominum venturaque damna

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Deine Wünsche sollen sich dir erfüllen; denn nicht weniger Aufruhr stiftet der Zorn 105 in meiner Brust und nicht weniger beständig lässt eine Flamme mein Inneres entbrennen. Alles, was ich den Hügeln Roms schenkte, hasse ich, und meinen Gaben zürne ich. Niederreißen wird diesen Koloss derselbe Gott, der ihn errichtete. Und mir ist es wichtig, ja wirklich, dass ich seine Männer verbrenne und ihre Schwelgerei mit Blut nähre. 110 Ja, ich erblicke schon das mit doppeltem Tod bedeckte Philippi und Thessaliens Scheiterhaufen und die Leichen der Völker Spaniens 112 und Libyens; ich erblicke deine klagenden Mündungen, Nil, 114 und die Bucht von Aktium und die vor Apollos Bogen sich Fürchtenden. 115 Schon dröhnt das Klirren der Waffen in bebenden Ohren. 113 Auf denn, öffne die lechzenden Reiche deiner Länder 116 und hole dir neue Seelen. Kaum wird der Fährmann Porthmeus allein imstande sein, die Schatten der Männer in seinem Kahn überzusetzen; eine Flotte wird benötigt. Und du sättige dich an dem gewaltigen Untergang, bleiche Tisiphone, und iss von den geschlagenen Wunden: 120 Zu den stygischen Totengeistern wird zerfleischt der Erdkreis geführt.‹ 122 Kaum hatte sie geendet, als vom zuckenden Blitzstrahl zerrissen die Wolke erzitterte und das herausgestoßene Feuer abtrennte. Es bückte sich der Vater der Schatten, verschloss wieder den Schoß der Erde und erbleichte in seiner Angst vor den Schlägen des Bruders. 125 Sogleich wurden das Unheil der Menschen und kommende Verluste

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auspiciis patuere deum. namque ore cruento deformis Titan vultum caligine texit: civiles acies iam tum spectare putares. parte alia plenos extinxit Cynthia vultus et lucem sceleri subduxit. rupta tonabant verticibus lapsis montis iuga, nec vaga passim flumina per notas ibant morientia ripas. armorum strepitu caelum furit et tuba Martem sideribus tremefacta ciet, iamque Aetna voratur ignibus insolitis et in aethera fulmina mittit. ecce inter tumulos atque ossa carentia bustis umbrarum facies diro stridore minantur. fax stellis comitata novis incendia ducit, sanguineoque recens descendit Iuppiter imbre. haec ostenta brevi solvit deus. exuit omnes quippe moras Caesar, vindictaeque actus amore Gallica proiecit, civilia sustulit arma. Alpibus aeriis, ubi Graio numine pulsae descendunt rupes et se patiuntur adiri, est locus Herculeis aris sacer. hunc nive dura claudit hiemps canoque ad sidera vertice tollit: caelum illinc cecidisse putes. non solis adulti

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durch die Vorzeichen der Götter offenbar. Denn durch ein blutrotes Antlitz entstellt bedeckte der Titan seine Miene mit Finsternis: Man hätte glauben können, er sehe jetzt schon die Heere des Bürgerkrieges. Auf der anderen Seite löschte Cynthia ihr volles Antlitz aus 130 und entzog dem Verbrechen ihr Licht. Geborsten erdröhnten die Bergrücken, als ihre Gipfel herabgestürzt waren, und es erstarben die weithin schweifenden Ströme und flossen nicht mehr an den gewohnten Ufern vorbei. Durch das Waffengeklirr gerät der Himmel in Raserei, und die Trompete, zu den Sternen schmetternd, weckt Mars, und schon wird der Ätna verschlungen 135 von ungewohnten Feuern und schickt Blitze zum Äther. Sieh da, zwischen Grabhügeln und unbestatteten Gebeinen drohen Schattengestalten mit grässlichem Geheule. Ein Komet, von neuen Sternen begleitet, bringt Feuersbrünste, und jetzt gerade steigt Jupiter in blutigem Regen herab. 140 Diese Vorzeichen löste der Gott bald ein. Denn es brach Caesar jedes Verweilen ab, und von Verlangen nach Rache getrieben warf er die gallischen Waffen hin und erhob die für den Bürgerkrieg. In den himmelhohen Alpen, wo die von dem griechischen Gott betretenen Felsen sich senken und den Zugang dulden, 145 gibt es eine durch Herkules’ Altäre geweihte Stätte. Diese umschließt mit hartem Schnee der Winter und erhebt sie mit weißem Gipfel zu den Sternen: Man könnte meinen, dort sei der Himmel herabgestürzt. Nicht durch der erstarkten Sonne

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mansuescit radiis, non verni temporis aura, sed glacie concreta rigent hiemisque pruinis: totum ferre potest umeris minitantibus orbem. haec ubi calcavit Caesar iuga milite laeto optavitque locum, summo de vertice montis Hesperiae campos late prospexit et ambas intentans cum voce manus ad sidera dixit: ›Iuppiter omnipotens, et tu, Saturnia tellus, armis laeta meis olimque onerata triumphis, testor, ad has acies invitum arcessere Martem, invitas me ferre manus. sed vulnere cogor, pulsus ab urbe mea, dum Rhenum sanguine tingo, dum Gallos iterum Capitolia nostra petentes Alpibus excludo, vincendo certior exul. sanguine Germano sexagintaque triumphis esse nocens coepi. quamquam quos gloria terret, aut qui sunt qui bella vetent? mercedibus emptae ac viles operae, quorum est mea Roma noverca. at reor, haud impune, nec hanc sine vindice dextram vinciet ignavus. victores ite furentes, ite mei comites, et causam dicite ferro. namque omnes unum crimen vocat, omnibus una

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Strahlen wird er weich, nicht durch die Lüfte der Frühlingszeit, nein, alles starrt von festem Eis und dem Schnee des Winters. 150 Den ganzen Erdkreis könnte er auf ragenden Schultern tragen. Als Caesar diese Bergrücken mit seinem freudig bereiten Heer betreten und den Lagerplatz gewählt hatte, blickte er vom höchsten Gipfel des Berges weithin auf Hesperiens Fluren, erhob beide Hände zusammen mit der Stimme zu den Sternen und sprach: 155 ›Allmächtiger Jupiter und du, saturnische Erde, froh über meine Waffen und einst überladen von meinen Triumphen, ich rufe euch zu Zeugen an, dass ich zu dieser Schlacht gegen seinen Willen Mars hole, gegen ihren Willen die Hände erhebe. Aber durch die Kränkung werde ich dazu gezwungen, ich, von meiner Stadt verstoßen, während ich den Rhein mit Blut färbte, 160 während ich die Gallier, die es erneut auf unser Kapitol abgesehen hatten, von den Alpen fernhielt, durch Siegen umso sicherer ein Verbannter. Durch Germanenblut und sehr viele Triumphe begann ich schuldig zu werden. Indes, wer sind die, die mein Ruhm schreckt, oder die meine Kriege verbieten? Gegen Lohn gekaufte 165 und nichtswürdige Helfershelfer, für die mein Rom nur die Stiefmutter ist. Doch nicht ungestraft, glaube ich, und diese meine Rechte wird nicht ungerächt ein Feigling fesseln. Geht hin als rasende Sieger, geht hin als meine Kameraden und sprecht für meine Sache mit dem Schwert. Denn uns alle ruft ein und dieselbe Anklage, allen droht ein und dasselbe 170

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impendet clades. reddenda est gratia vobis, non solus vici. quare, quia poena tropaeis imminet et sordes meruit victoria nostra, iudice Fortuna cadat alea. sumite bellum et temptate manus. certe mea causa peracta est: inter tot fortes armatus nescio vinci.‹ haec ubi personuit, de caelo Delphicus ales omina laeta dedit pepulitque meatibus auras. nec non horrendi nemoris de parte sinistra insolitae voces flamma sonuere sequenti. ipse nitor Phoebi vulgato laetior orbe crevit et aurato praecinxit fulgure vultus. 123 fortior ominibus movit Mavortia signa Caesar et insolitos gressu prior occupat ausus. prima quidem glacies et cana vincta pruina non pugnavit humus mitique horrore quievit. sed postquam turmae nimbos fregere ligatos et pavidus quadrupes undarum vincula rupit, incaluere nives. mox flumina montibus altis undabant modo nata, sed haec quoque – iussa putares – stabant, et vincta fluctus stupuere ruina,

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Unheil. Erstatten muss ich euch Dank, nicht alleine habe ich gesiegt. Deshalb möge, weil Strafe unseren Siegeszeichen droht und unser Sieg uns Schande eingebracht hat, nach Fortunas Richterspruch der Würfel fallen. Nehmt den Krieg auf und erprobt eure Hände! Meine Sache ist gewiss siegreich vollendet 175 Gewappnet unter so vielen Tapferen kann ich nicht besiegt werden.‹ Als er dies laut verkündet hatte, gab vom Himmel der delphische Vogel günstige Vorzeichen und durchstieß im Flug die Lüfte. Und von der linken Seite eines schaurigen Hains ertönten nie gehörte Stimmen, und eine Flamme folgte. 180 Sogar der Glanz des Phoebus erstrahlte heller als die gewohnte Scheibe und umgab mit goldenem Glanz sein Antlitz. 123 Tapferer durch die Vorzeichen setzte die Standarten des Mars in Bewegung Caesar, marschiert voran und nimmt ungewöhnliche Unternehmungen in Angriff. Zuerst zwar setzten das Eis und der vom weißen Schnee gefesselte 185 Erdboden sich nicht zur Wehr und ruhten in friedlicher Starre. Aber nachdem die Reiterscharen die festgefrorenen Eiskrusten zerbrochen und die ängstlichen Rosse das Gefängnis der Wassermassen gesprengt hatten, schmolzen erwärmt die Schneemassen. Bald ergossen sich Ströme von den hohen Bergen herab, die gerade entstanden waren, doch auch sie – auf Kommando, wie man hätte glauben können – 190 standen still, und ihre Fluten erstarrten, weil ihr Sturz in Fesseln geschlagen wurde,

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et paulo ante lues iam concidenda iacebat. tum vero male fida prius vestigia lusit decepitque pedes; pariter turmaeque virique armaque congesta strue deplorata iacebant. ecce etiam rigido concussae flamine nubes exonerabantur, nec rupti turbine venti derant aut tumida confractum grandine caelum. ipsae iam nubes ruptae super arma cadebant, et concreta gelu ponti velut unda ruebat. victa erat ingenti tellus nive victaque caeli sidera, victa suis haerentia flumina ripis; nondum Caesar erat, sed magnam nixus in hastam horrida securis frangebat gressibus arva, qualis Caucasea decurrens arduus arce Amphitryoniades, aut torvo Iuppiter ore, cum se verticibus magni demisit Olympi et periturorum disiecit tela Gigantum. dum Caesar tumidas iratus deprimit arces, interea volucer motis conterrita pinnis Fama volat summique petit iuga celsa Palati atque hoc Romanos tonitru ferit omnia fingens: iam classes fluitare mari totasque per Alpes

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und dann lag, was kurz zuvor noch Schneewasser war, bald zum Zerschlagen da. Dann aber trieb es sein Spiel mit der schon vorher nicht verlässlichen Gehspur und täuschte die Füße; zugleich lagen Reiterscharen, Männer und Waffen in einem Haufen zusammengeballt bejammernswert da. 195 Sieh da, auch noch die Wolken, erschüttert von eisigem Wehen, entluden sich, und Winde, vom Wirbelsturm zersprengt, fehlten nicht, noch ein von strotzenden Hagelkörnern zerborstener Himmel. Sogar die zersprengten Wolken fielen jetzt auf die Waffen, und Wasser, vom Frost verdichtet, stürzte wie Meeresflut herab. 200 Bezwungen war von gewaltigem Schnee die Erde, bezwungen waren des Himmels Sterne, bezwungen die zwischen ihren Ufern steckenden Ströme.; Caesar war es noch nicht, sondern auf eine lange Lanze gestützt durchbrach er die starren Gefilde mit sicheren Schritten, wie von der Höhe des Kaukasus erhaben herablief 205 der Sohn des Amphitryon oder wie mit finsterer Miene Jupiter, als er herabstürzte vom Gipfel des gewaltigen Olymp und die Geschosse der dem Untergang geweihten Giganten zertrümmerte. Während Caesar grimmig die vom Schnee strotzenden Höhen bezwingt, fliegt unterdessen verschreckt mit in Bewegung versetzten Schwingen geflügelt 210 Fama dahin, strebt zum ragenden Gipfel des hohen Palatin und trifft mit folgendem Donnerton die Römer, alles erdichtend: Flotten würden schon auf dem Meer wogen, und über die ganzen Alpen

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fervere Germano perfusas sanguine turmas. arma, cruor, caedes, incendia totaque bella ante oculos volitant. ergo pulsata tumultu pectora perque duas scinduntur territa causas. huic fuga per terras, illi magis unda probatur et patria pontus iam tutior; est magis arma qui temptare velit fatisque iubentibus uti. quantum quisque timet, tantum fugit. ocior ipse hos inter motus populus, miserable visu, quo mens icta iubet, deserta ducitur urbe. gaudet Roma fuga, debellatique Quirites rumoris sonitu maerentia tecta relinquunt. ille manu pavida natos tenet, ille penates occultat gremio deploratumque relinquit limen et absentem votis interficit hostem. sunt qui coniugibus maerentia pignora iungant, grandaevosque patres, onerisque ignara iuventus id pro quo metuit, tantum trahit. omnia secum hic vehit imprudens praedamque in proelia ducit. ac velut ex alto cum magnus inhorruit auster et pulsas evertit aquas, non arma ministris, non regimen prodest, ligat alter pondera pinus, alter tuta sinus tranquillaque litora quaerit: hic dat vela fugae Fortunaeque omnia credit.

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würden, von Germanenblut überströmt, die Reiterscharen schwärmen. Waffen, Blut, Mord, Brände und ganze Kriege 215 schwirren vor den Augen. Also werden erschüttert von Unruhe die Herzen, und erschreckt in zwei Parteien gespalten. Vom einen wird die Flucht zu Lande, vom anderen mehr die Woge gutgeheißen, und schon ist das Meer sicherer als die Heimaterde; es gibt auch solche, die es lieber mit Waffen versuchen und dem Befehl des Schicksals gehorchen wollen. 220 Je mehr einer sich fürchtet, desto eher flieht er. Allzu schnell lässt mitten in diesen Wirren das Volk selbst – ein jammervoller Anblick – die Stadt im Stich und lässt sich führen, wohin die Panik es treibt. Rom gefällt das Davonlaufen, und die Quiriten, niedergerungen vom Ertönen eines Gerüchts, lassen ihre trauernden Häuser zurück. 225 Einer hält an bebender Hand seine Kinder, der versteckt die Penaten im Schoß, lässt die von ihm beklagte Schwelle zurück und tötet den abwesenden Feind mit Verwünschungen. Einige vereinen mit der Gattin ihre trauernden Kinder und den hochbetagten Vater, und die jungen Leute, die nicht gewohnt sind, Lasten zu tragen, 230 schleppen nur das mit sich, worum sie fürchten. Alles mit sich transportiert unklug der hier und führt so Beute ins Gefecht. Und wie wenn von der hohen See her der gewaltige Südwind schaurig braust und das Wasser peitscht und aufwühlt, nicht Takelung der Mannschaft, nicht das Steuer nützt, der eine die Fracht des Schiffes festzurrt, 235 der andere eine sichere Bucht und ein ruhiges Gestade sucht, so refft der hier die Segel zur Flucht und vertraut Fortuna alles an.

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quid tam parva queror? gemino cum consule Magnus, ille tremor Ponti saevique repertor Hydaspis et piratarum scopulus, modo quem ter ovantem Iuppiter horruerat, quem fracto gurgite Pontus et veneratus erat submissa Bosphoros unda, pro pudor, imperii deserto nomine fugit, ut Fortuna levis Magni quoque terga videret.

124 ergo tanta lues divum quoque numina vicit, consensitque fugae caeli timor. ecce per orbem mitis turba deum terras exosa furentes deserit atque hominum damnatum avertitur agmen. Pax prima ante alias niveos pulsata lacertos abscondit galea victum caput atque relicto orbe fugax Ditis petit implacabile regnum. huic comes it submissa Fides et crine soluto Iustitia ac maerens lacera Concordia palla. at contra, sedes Erebi qua rupta dehiscit, emergit late Ditis chorus, horrida Erinys et Bellona minax facibusque armata Megaera Letumque Insidiaeque et lurida Mortis imago. quas inter Furor, abruptis ceu liber habenis,

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Doch was klage ich über so Geringes? Mit den beiden Konsuln ist Magnus, er, der Schrecken des Pontus, Entdecker des wilden Hydaspes und Felsklippe der Piraten, vor dessen drei Triumphen eben noch 240 Jupiter erschauert war, dem der Pontus, nachdem sein Strudel gebändigt worden war, und der Bosporus mit unterwürfiger Woge gehuldigt hatten, o Schande, geflohen, nachdem er den Titel ›Imperator‹ im Stich gelassen hatte, so dass die unbeständige Fortuna auch den Rücken des ›Großen‹ sah. 124 Also besiegte eine so große Katastrophe auch den Willen der Götter, 245 und mit der Flucht stimmte die Angst des Himmels überein. Sieh da, über den Erdkreis hin lässt die milde Götterschar voll Abscheu die rasenden Länder im Stich und verschmäht das verworfene Menschenheer. Pax als erste vor den anderen Göttinnen, die schneeweißen Arme zerpeitscht, verbirgt ihr besiegtes Haupt mit einem Helm, verlässt 250 die Erde und eilt auf der Flucht in das unerbittliche Reich des Ditis. Mit ihr schreitet Fides unterwürfig als Begleiterin einher, und, das Haar aufgelöst, Iustitia und, trauernd mit zerfetztem Mantel, Concordia. Doch gegenüber, wo der Sitz des Erebus geborsten klafft, taucht in breiter Front der Reigen des Ditis empor, die schaurige Erinye 255 und die drohende Bellona und die mit Fackeln bewaffnete Megaera, Mord, Hinterlist und das fahle Bild des Todes. Unter ihnen hebt Furor, wie aus zerrissenen Zügeln frei,

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sanguineum late tollit caput oraque mille vulneribus confossa cruenta casside velat; haeret detritus laevae Mavortius umbo innumerabilibus telis gravis, atque flagranti stipite dextra minax terris incendia portat. sentit terra deos mutataque sidera pondus quaesivere suum; namque omnis regia caeli in partes diducta ruit. primumque Dione Caesaris arma sui ducit, comes additur illi Pallas et ingentem quatiens Mavortius hastam. Magnum cum Phoebo soror et Cyllenia proles excipit ac totis similis Tirynthius actis. intremuere tubae ac scisso Discordia crine extulit ad superos Stygium caput. huius in ore concretus sanguis, contusaque lumina flebant, stabant aerati scabra rubigine dentes, tabo lingua fluens, obsessa draconibus ora, atque inter torto laceratam pectore vestem sanguineam tremula quatiebat lampada dextra. haec ut Cocyti tenebras et Tartara liquit, alta petit gradiens iuga nobilis Appennini, unde omnes terras atque omnia litora posset aspicere ac toto fluitantes orbe catervas, atque has erumpit furibundo pectore voces: ›sumite nunc, gentes, accensis mentibus arma,

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weithin sein blutiges Haupt empor und verhüllt sein Gesicht, das von tausend Wunden durchfurcht ist, mit seinem blutigen Helm. 260 Es hängt abgenutzt an seiner linken Seite der Schild des Mars, von unzähligen Geschossen schwer, und mit brennendem Scheit bringt seine drohende Rechte den Ländern Feuersbrünste. Es spürt die Erde die Götter, und verändert suchten die Sterne ihr Gewicht; denn die ganze Königsburg des Himmels 265 stürzte, in zwei Parteien gespalten, herab. Und als erste führt Dione die Armee ihres Caesar, beigegeben als Gefährten sind ihr Pallas und Mavortius, der eine gewaltige Lanze schüttelt. Magnus schließen sich Phoebus mit seiner Schwester und der Kyllenier an und der ihm in so vielen Taten ähnliche Tirynthier. 270 Es schmetterten die Trompeten, und Discordia erhob mit zerrissenem Haar ihr stygisches Haupt zu den Himmlischen. In ihrem Gesicht hatte sie geronnenes Blut, ihre zerstoßenen Augen weinten, es standen aufrecht ihre von schmutzigem Rost bedeckten ehernen Zähne; Eiter floss von der Zunge; das Gesicht von Schlangen besetzt 275 und die Brust gewickelt in ein zerfetztes Gewand, schüttelte sie eine blutrote Fackel in der zitternden Rechten. Als sie die Finsternis des Kokytus und den Tartarus verlassen hatte, strebte sie dahinschreitend zu den hohen Bergrücken des berühmten Apennin, von wo aus sie alle Länder und alle Küsten erblicken 280 konnte und die über den ganzen Erdkreis dahinflutenden Heerscharen, und diese Worte stieß sie aus ihrer rasenden Brust hervor: ›Greift nun, ihr Völker, mit entflammten Herzen, zu den Waffen,

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sumite et in medias immittite lampadas urbes. vincetur, quicumque latet; non femina cesset, non puer aut aevo iam desolata senectus; ipsa tremat tellus lacerataque tecta rebellent. tu legem, Marcelle, tene. tu concute plebem, Curio. tu fortem ne supprime, Lentule, Martem. quid porro tu, dive, tuis cunctaris in armis, non frangis portas, non muris oppida solvis thesaurosque rapis? nescis tu, Magne, tueri Romanas arces? Epidamni moenia quaere Thessalicosque sinus humano sanguine tingue.‹ factum est in terris, quicquid Discordia iussit.«

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(2) cum haec Eumolpos ingenti volubilitate verborum effudisset, tandem Crotona intravimus. ubi quidem parvo deversorio refecti, postero die amplioris fortunae domum quaerentes incidimus in turbam heredipetarum sciscitantium quid genus hominum aut unde veniremus. (3) ex praescripto ergo consilii communis exaggerata verborum volubilitate, unde aut qui essemus, haud dubie credentibus indicavimus. qui statim opes suas summo cum certamine in Eumolpum congesserunt … (4) certatim omnes heredipetae muneribus gratiam Eumolpi sollicitant *

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greift zu den Fackeln und werft sie mitten in die Städte. Besiegt werden wird jeder, der sich versteckt; zaudern soll nicht die Frau, 285 nicht der Knabe oder das infolge der hohen Jahre schon vereinsamte Greisenalter; die Erde selbst soll erzittern und zerstückelte Häuser sollen sich erheben. Du, Marcellus, halte fest an dem Gesetzesantrag! Du rüttle das einfache Volk auf, Curio! Du halte nicht den tapferen Mars zurück, Lentulus! Ferner: Was zögerst du, Göttlicher, in deinen Waffen, 290 brichst nicht auf die Tore, löst nicht die Städte von ihren Mauern und raubst nicht den Schatz? Weißt du, Magnus, nicht zu beschützen die römischen Hügel? Suche die Mauern von Epidamnus auf und färbe die thessalischen Schluchten mit Menschenblut!‹ Es geschah auf Erden alles, was Discordia befahl.« 295 (2) Als Eumolp dies in einem gewaltigen Wortschwall hatte herausströmen lassen, betraten wir endlich Kroton. Sobald wir uns in einer kleinen Herberge erholt hatten, suchten wir uns am nächsten Tag ein Haus gehobeneren Standes und gerieten in eine Schar von Erbschleichern, die wissen wollten, was für eine Art von Leuten beziehungsweise woher wir seien. (3) Gemäß den Instruktionen für unseren gemeinsamen Plan gaben wir also mit gesteigertem Wortschwall an, woher beziehungsweise wer wir seien, und zweifellos glaubten sie uns. Sie überhäuften sofort Eumolp in gewaltigem Wettstreit mit ihren Schätzen. … (4) Um die Wette suchten alle Erbschleicher Eumolp durch Geschenke zu einer sie begünstigenden Haltung zu bewegen *

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125 (1) dum haec magno tempore Crotone aguntur … et Eumolpus felicitate plenus prioris fortunae esset oblitus [statum] adeo ut [suis] iactaret neminem gratiae suae ibi posse resistere impuneque suos, si quid deliquissent [in ea urbe], beneficio amicorum laturos. (2) ceterum ego, etsi quotidie magis magisque superfluentibus bonis saginatum corpus impleveram putabamque a custodia mei removisse vultum Fortunam, tamen saepius tam consuetudinem meam cogitabam quam causam, et (3) »quid« aiebam »si callidus captator exploratorem in Africam miserit mendaciumque deprehenderit nostrum? quid, si etiam mercennarius praesenti felicitate lassus indicium ad amicos detulerit totamque fallaciam invidiosa proditione detexerit? (4) nempe rursus fugiendum erit et tandem expugnata paupertas nova mendicitate revocanda. dii deaeque, quam male est extra legem viventibus: quicquid meruerunt, semper expectant« *

126 (1) [Chrysis ancilla Circes ad Polyaenum] »quia nosti venerem tuam, superbia !pecunia"m captas vendisque amplexus, non commodas. (2) quo enim spectant flexae pectine comae, quo facies medicamine attrita et oculorum quoque mollis petulantia, quo incessus arte compositus et ne vestigia quidem pedum extra mensuram aberrantia, nisi quod formam prostituis ut vendas? (3) vides me: nec auguria novi nec mathematicorum caelum curare soleo, ex

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125 (1) Während dies über einen großen Zeitraum in Kroton geschah … und Eumolp, der im Glück schwelgte, seine früheren Vermögensverhältnisse so weit vergessen hatte, dass er prahlte, niemand dort könne seiner Beliebtheit widerstehen, und straflos würden seine Leute, falls sie etwas Strafbares täten, dank der Gefälligkeit seiner Freunde ausgehen. (2) Nun, obwohl ich mir mit täglich mehr und mehr im Überfluss der vorhandenen guten Sachen den Leib gemästet und vollgestopft hatte und glaubte, Fortuna habe ihre Augen von der Kontrolle über mich abgewandt, dachte ich dennoch öfter ebenso über meine Lebensweise wie über deren Ursache nach und sagte immer wieder: (3) »Was wäre, wenn ein schlauer Erbschleicher einen Spion nach Afrika schicken und unseren Betrug entdecken würde? Was wäre, wenn auch noch der Lohndiener, vom gegenwärtigen Glück abgeschlafft, bei den Freunden Anzeige machen und den ganzen Schwindel durch gehässige Verräterei enthüllen würde? (4) Tja, dann muss wieder davongerannt und zu der jetzt endlich überwundenen Armut durch erneutes Betteln zurückgekehrt werden. Ihr Götter und Göttinnen, wie schlecht geht es doch denen, die außerhalb der Legalität leben: Alles, was sie verdienen, haben sie ständig zu erwarten« * 126 (1) (Circes Sklavin Chrysis zu Polyaenus:) »Weil du weißt, wie attraktiv du bist, erschleichst du dir durch dein stolzes Getue Geld und verkaufst deine Umarmungen, statt sie leicht zu gewähren. (2) Was nämlich bezwecken deine mit dem Kamm gekräuselten Haare, was dein mit Schminke eingeriebenes Gesicht und die weichliche Dreistigkeit selbst in deinen Blicken, was der kunstvoll einstudierte Gang und was, dass nicht einmal das Aufsetzen der Füße von der geltenden Mode abweicht? Doch nur, dass du deine hübsche Gestalt zur Schau stellst, um sie zu verkaufen! (3) Schau mich an: Von Augurien verstehe ich nichts und pflege mich nicht um den Himmel der As-

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vultibus tamen hominum mores colligo, et cum spatiantem vidi, quid cogitet scio. (4) sive ergo nobis vendis quod peto, mercator paratus est, sive, quod humanius est, commodas, effice ut beneficium debeamus. (5) nam quod servum te et humilem fateris, accendis desiderium aestuantis. quaedam enim feminae sordibus calent, nec libidinem concitant, nisi aut servos viderint aut statores altius cinctos. (6) harena aliquas accendit aut perfusus pulvere mulio aut histrio scaenae ostentatione traductus. (7) ex hac nota domina est mea: usque ab orchestra quattuordecim transilit et in extrema plebe quaerit quod diligat.«

(8) itaque oratione blandissima plenus »rogo« inquam »numquid illa, quae me amat, tu es?« multum risit ancilla post tam frigidum schema et (9) »nolo« inquit »tibi tam valde placeas. ego adhuc servo numquam succubui, nec hoc dii sinant, ut amplexus meos in crucem mittam. (10) viderint matronae, quae flagellorum vestigia osculantur; ego etiam si ancilla sum, numquam tamen nisi in equestribus sedeo.« (11) mirari equidem tam discordem libidinem coepi atque inter monstra numerare, quod ancilla haberet matronae superbiam et matrona ancillae humilitatem.

(12) procedentibus deinde longius iocis rogavi [ancillam] ut in platanona perduceret dominam. placuit puellae consilium. itaque

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trologen zu kümmern, doch aus den Gesichtern der Menschen erschließe ich ihren Charakter, und wenn ich einen daherspazieren sehe, weiß ich, was er denkt. (4) Wenn du uns also verkaufst, was ich haben möchte, ist der Käufer bereit, wenn du es aber, was menschlicher wäre, leicht gewährst, lass uns für die Wohltat in deiner Schuld stehen. (5) Denn dadurch, dass du dich offen als Sklaven und Mann niedrigen Standes präsentierst, setzt du das Verlangen einer Frau, die für dich erglüht, in Flammen. Manche Frauen nämlich werden durch das Ordinäre heiß und wecken ihre Liebeslust nur, wenn sie entweder Sklaven sehen oder hochgeschürzte Leibdiener. (6) Andere setzt die Kampfarena in Flammen oder ein staubbedeckter Maultiertreiber oder ein Schauspieler, der sich durch seine Show auf der Bühne bloßstellt. (7) Von dieser Sorte ist meine Herrin: Von der Orchestra aus überspringt sie die ersten vierzehn Sitzreihen und sucht sich ganz hinten beim Pöbel etwas zum Lieben.« (8) Da sagte ich, von der höchst schmeichelhaften Rede ganz erfüllt: »Sag doch bitte: Die, die mich liebt, bist das etwa du?« Heftig lachte die Sklavin nach dieser unterkühlten Formulierung und sagte: (9) »Ich will nicht, dass du dir selbst so sehr gefällst. Ich habe mich bisher noch nie unter einen Sklaven gelegt, und das mögen die Götter nicht zulassen, dass ich meine Umarmungen an einen Galgenvogel verschleudere. (10) Das überlasse ich den Matronen, die Narben von Peitschenhieben küssen; ich sitze, auch wenn ich nur eine Sklavin bin, trotzdem immer nur auf den Plätzen der Ritter.« (11) Nun, ich fing an, mich über eine solche Diskrepanz im Bereich der Liebeslust zu wundern und es unter die Ungeheuerlichkeiten dieser Welt zu rechnen, dass eine Sklavin den Stolz einer Matrone und eine Matrone die ordinäre Art einer Sklavin habe. (12) Als sich unsere Neckerei dann noch länger hinzog, bat ich sie, ihre Herrin in den Platanenhain zu führen. Das Mädchen war mit dem Vorschlag

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collegit altius tunicam flexitque se in eum daphnona, qui ambulationi haerebat. (13) nec diu morata dominam producit e latebris laterique meo applicat, mulierem omnibus simulacris emendatiorem. (14) nulla vox est quae formam eius possit comprehendere, nam quicquid dixero, minus erit. (15) crines ingenio suo flexi per totos se umeros effuderant, frons minima et quae radices capillorum retro flexerat, supercilia usque ad malarum curvaturam currentia et rursus confinio luminum paene permixta, (16) oculi clariores stellis extra lunam fulgentibus, nares paululum inflexae et osculum quale Praxiteles habere Dianam credidit. (17) iam mentum, iam cervix, iam manus, iam pedum candor intra auri gracile vinculum positus: Parium marmor extinxerat. (18) itaque tunc primum Dorida vetus amator contempsi *

quid factum est, quod tu proiectis, Iuppiter, armis inter caelicolas fabula muta iaces? nunc erat a torva submittere cornua fronte, nunc pluma canos dissimulare tuos. haec vera est Danae. tempta modo tangere corpus, 5 iam tua flammifero membra calore fluent * 127 (1) delectata illa risit tam blandum, ut videretur mihi plenum os extra nubem luna proferre. mox digitis gubernantibus vocem »si non fastidis« inquit »feminam ornatam et hoc primum anno

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einverstanden. So raffte sie ihre Tunika ein wenig höher und bog in den Lorbeerhain ein, der dicht bei der Promenade lag. (13) Und ohne lange zu verweilen, führte sie ihre Herrin aus dem Versteck hervor und stellte sie an meine Seite, eine Frau, makelloser als alle Werke der bildenden Kunst. (14) Es gibt keine Worte, die ihre Schönheit erfassen könnten, denn alles, was ich sage, wird zu wenig sein. (15) Das Haar hatte sich in natürlichem Geringel ganz über ihre Schultern ergossen; die Stirn war sehr niedrig und hatte eingeringelte Haaransätze; die Augenbrauen liefen bis zum Rund der Wangen und gingen wiederum an der Grenzscheide der Augen fast ineinander über; (16) die Augen strahlten heller als die Sterne in mondloser Nacht; die Nase war leicht gekrümmt und das Mündchen so, wie nach Meinung des Praxiteles Diana eines hatte. (17) Dann ihr Kinn, dann ihr Nacken, dann die Hände, dann der Schimmer ihrer Füße, die in zierliche Goldspangen eingefasst waren: Parischem Marmor hatte das den Glanz genommen! (18) So verschmähte ich jetzt zum ersten Mal Doris als ihr alter Liebhaber * Was ist geschehen, dass du, Jupiter, die Waffen weggeworfen hast und unter den Himmelsbewohnern als stummer Mythos liegst? Jetzt gälte es, an der finsteren Stirn Hörner wachsen zu lassen, jetzt, mit einem Federkleid deine grauen Haare zu tarnen! Dies ist die wahre Danaë! Versuche nur ihren Körper zu berühren, 5 schon werden deine Glieder in flammender Glut schmelzen * 127 (1) Vor Entzücken lachte sie so liebreizend, dass es mir schien, als lasse der Mond sein volles Antlitz aus einer Wolke hervorscheinen. Dann sagte sie, wobei sie ihren Worten mit den Fingern Nachdruck verlieh: »Wenn du eine Frau nicht verschmähst, die elegant aufgemacht ist und in diesem Jahr zum ersten Mal Erfahrungen mit einem Mann gemacht hat, führe ich dir,

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virum expertam, concilio tibi, o iuvenis, sororem. (2) habes tu quidem [et] fratrem, neque enim me piguit inquirere, sed quid prohibet et sororem adoptare? eodem gradu venio. tu tantum dignare et meum osculum, cum libuerit, agnoscere.« (3) »immo« inquam ego »per formam tuam te rogo ne fastidias hominem peregrinum inter cultores admittere. invenies religiosum, si te adorari permiseris. ac ne me iudices ad hoc templum [Amoris] gratis accedere, dono tibi fratrem meum.« (4) »quid? tu« inquit illa »donas mihi eum sine quo non potes vivere, ex cuius osculo pendes, quem sic tu amas, quemadmodum ego te volo?« (5) haec ipsa cum diceret, tanta gratia conciliabat vocem loquentis, tam dulcis sonus pertemptatum mulcebat aëra, ut putares inter auras canere Sirenum concordiam. itaque mirabiliter toto mihi caelo clarius nescio quid relucente libuit deae nomen quaerere. (6) »ita« inquit »non dixit tibi ancilla mea me Circen vocari? non sum quidem Solis progenies, nec mea mater, dum placet, labentis mundi cursum detinuit; habebo tamen quod caelo imputem, si nos fata coniunxerint. immo iam nescio quid tacitis cogitationibus deus agit. (7) nec sine causa Polyaenon Circe amat: semper inter haec nomina magna fax surgit. sume ergo amplexum, si placet. neque est quod curiosum aliquem extimescas: longe ab hoc loco frater est.« (8) dixit haec Circe, implicitumque me bracchiis mollioribus pluma deduxit in terram vario gramine indutam.

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junger Mann, ein Schwesterchen zu. (2) Du hast zwar ein Brüderchen – es hat mir nämlich nichts ausgemacht, das auszukundschaften –, aber was hindert dich, auch ein Schwesterchen anzunehmen? Ich komme auf gleicher Stufe. Halte doch du es nur für wert, auch meinen Kuss, falls du Lust hast, gelten zu lassen.« (3) »O nein«, sagte ich, »bei deiner Schönheit bitte ich dich, verschmähe du es nicht, einen fremden Menschen zum Kreis deiner Verehrer zuzulassen. Du wirst in mir einen ehrfürchtigen Anhänger finden, wenn du gestattest, angebetet zu werden. Und damit du nicht meinst, ich würde mich diesem Tempel mit leeren Händen nahen, schenke ich dir mein Brüderchen.« (4) »Was?« sagte sie, »du schenkst mir den, ohne den du nicht leben kannst, von dessen Küssen du abhängig bist, den du so liebst, wie ich es mir von dir wünsche?« (5) Während sie das genau so sagte, verzauberte so große Anmut ihre Stimme beim Sprechen, streichelte ein so süßer Klang die entzückte Luft, dass man hätte meinen können, in den Lüften ertöne der harmonische Gesang der Sirenen. Als mir da auf wundersame Weise der ganze Himmel irgendwie heller erstrahlte, bekam ich Lust, nach dem Namen der Göttin zu fragen. (6) »So hat dir denn«, sagte sie, »meine Sklavin nicht gesagt, dass ich Circe heiße? Ich bin freilich nicht ein Spross des Sonnengottes, und meine Mutter hat nicht, wenn es ihr gefiel, den Lauf des dahingleitenden Weltalls aufgehalten; dennoch werde ich etwas haben, was ich dem Himmel zuschreiben kann, falls uns das Schicksal vereint. Ja doch, schon hat ein Gott in seinen heimlichen Überlegungen etwas vor. (7) Nicht ohne Grund liebt Circe den Polyaenus: Stets wächst zwischen diesen Namen große Liebesglut. Umarme mich also, wenn du magst. Und es besteht kein Grund, dass du dich vor irgendeinem Lauscher fürchtest: Dein Brüderchen ist weit weg von diesem Ort.« (8) So sprach Circe, umschlang mich mit ihren Armen, die weicher waren als Flaumfedern, und zog mich hinunter auf die Erde, die mit einem bunten Rasen bekleidet war.

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(9) Idaeo qualis fudit de vertice flores terra parens, cum se concesso iunxit amori Iuppiter et toto concepit pectore flammas: emicuere rosae violaeque et molle cyperon, albaque de viridi riserunt lilia prato: talis humus Venerem molles clamavit in herbas, candidiorque dies secreto favit amori.

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(10) in hoc gramine pariter compositi mille osculis lusimus, quaerentes voluptatem robustam * 128 (1) [Circe ad Polyaenum] »quid est?« inquit »numquid te osculum meum offendit? numquid spiritus ieiunio marcens? numquid alarum neglegens sudor? aut si haec non sunt, numquid Gitona times?« (2) perfusus ego rubore manifesto etiam si quid habueram virium perdidi, totoque corpore velut laxato »quaeso« inquam »regina, noli suggillare miserias. veneficio contactus sum« *

(3) [Circe] »dic, Chrysis, sed verum: numquid indecens sum? numquid incompta? numquid ab aliquo naturali vitio formam meam excaeco? noli decipere dominam tuam. nescio quid peccavimus.« (4) rapuit deinde tacenti speculum, et postquam omnes vultus temptavit, quos solet inter amantes risus fingere, excussit vexatam solo vestem raptimque aedem Veneris intravit. (5) ego contra damnatus

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(9) Wie vom Gipfel des Ida herab Blumen verstreute Mutter Erde, als sich mit seiner rechtmäßigen Geliebten vereinte Jupiter und mit seiner ganzen Brust Flammen in sich aufnahm – es schossen hervor Rosen und Veilchen und weiches Zypergras, und weiße Lilien lachten herab von der grünen Wiese –, so rief die Flur Venus herbei auf das weiche Gras und strahlender als sonst begünstigte der Tag heimliche Liebe.

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(10) Auf diesem Rasen legten wir uns miteinander hin, spielten herum mit tausend Küssen und hatten Verlangen nach heftiger Liebeslust * 128 (1) (Circe zu Polyaenus:) »Was ist?«, sagte sie, »erregt etwa mein Kuss Anstoß bei dir? Etwa ein vom Fasten zersetzter Atem? Etwa ein vernachlässigter Achselschweiß? Oder, wenn es das nicht ist, hast du etwa vor Giton Angst?« (2) Ich, von deutlich sichtbarer Schamröte übergossen, verlor auch das, was ich vielleicht noch an Potenz hatte und sagte, als ich am ganzen Körper gleichsam erschlafft war: »Bitte, meine Königin, verhöhne nicht mein Unglück! Ich bin durch ein Zaubermittel verhext worden« * (3) (Circe:) »Sag, Chrysis, aber sag die Wahrheit: Bin ich etwa hässlich? Etwa ungepflegt? Lasse ich etwa von irgendeinem Naturfehler meine Schönheit entstellen? Täusche nicht deine Herrin! Irgendetwas haben wir falsch gemacht.« (4) Die andere schwieg, worauf sie ihr den Spiegel entriss, und nachdem sie alle Gesichtsausdrücke ausprobiert hatte, die unter Liebenden das Lächeln zu formen pflegt, schüttelte sie ihr Gewand aus, das am Erdboden gelitten hatte, und betrat rasch den Venustempel. (5) Ich dagegen, schuldig gesprochen und wie durch eine Geistererscheinung in einen

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et quasi quodam visu in horrorem perductus interrogare animum meum coepi, an vera voluptate fraudatus essem. (6) nocte soporifera veluti cum somnia ludunt errantes oculos effossaque protulit aurum in lucem tellus: versat manus improba furtum thesaurosque rapit; sudor quoque perluit ora et mentem timor altus habet, ne forte gravatum excutiat gremium secreti conscius auri: mox ubi fugerunt elusam gaudia mentem veraque forma redit, animus quod perdidit optat atque in praeterita se totus imagine versat *

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(7) [Giton ad Encolpion] »itaque hoc nomine tibi gratias ago, quod me Socratica fide diligis. non tam intactus Alcibiades in praeceptoris sui lectulo iacuit« * 129 (1) [Encolpius ad Gitonem] »crede mihi, frater, non intellego me virum esse, non sentio. funerata est illa pars corporis, qua quondam Achilles eram« * (2) veritus puer, ne in secreto deprehensus daret sermonibus locum, proripuit se et in partem interiorem aedium fugit * (3) cubiculum autem meum Chrysis intravit codicillosque mihi dominae suae reddidit, in quibus haec erant scripta: (4) »Circe Po-

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Angstschauder versetzt, begann mein Herz zu fragen, ob ich um echte Liebeslust betrogen worden sei. (6) Wie wenn in Schlaf bringender Nacht Träume die irrenden Augen foppen und, aufgewühlt, Gold hervorbringt ans Licht die Erde – es dreht hin und her die ruchlose Hand das Diebesgut und raubt die Schätze; Schweiß überströmt dabei das Gesicht, und tief drin erfasst Angst die Seele, es könnte vielleicht den schwerbeladenen 5 Schoß überprüfen ein Mitwisser des heimlichen Goldfundes –, bald, wenn die Freuden dem gefoppten Geist entflohen sind und die wahre Gestalt zurückgekehrt ist, die Seele, was sie verloren hat, wünscht und sich ganz und gar dreht und wendet in dem entschwundenen Bild * (7) (Giton zu Enkolp:) »Also danke ich dir deswegen, weil du mich mit der Redlichkeit eines Sokrates liebst. So unberührt lag Alkibiades nicht im Bett seines Lehrers« * 129 (1) (Enkolp zu Giton:) »Glaub mir, Brüderchen, ich erkenne nicht mehr, dass ich ein Mann bin, ich empfinde es nicht mehr. Abgetötet ist der Körperteil, mit dem ich einst Achill war« * (2) Weil der Knabe fürchtete, an verschwiegenem Ort ertappt zu werden und Gerede Raum zu geben, lief er davon und floh ins Innere des Hauses * (3) Mein Schlafzimmer aber betrat Chrysis und gab mir Brieftäfelchen ihrer Herrin, auf denen Folgendes geschrieben war: (4) »Circe grüßt Polyaenus.

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lyaeno salutem. si libidinosa essem, quererer decepta; nunc etiam languori tuo gratias ago. (5) in umbra voluptatis diutius lusi. quid tamen agas, quaero, et an tuis pedibus perveneris domum; negant enim medici sine nervis homines ambulare posse. (6) narrabo tibi, adulescens, paralysin cave. numquam ego aegrum tam magno periculo vidi: medius [fidius] iam peristi. (7) quod si idem frigus genua manusque temptaverit tuas, licet ad tubicines mittas. (8) quid ergo est? etiam si gravem iniuriam accepi, homini tamen misero non invideo medicinam. si vis sanus esse, Gitona ne roga. recipies, inquam, nervos tuos, si triduo sine fratre dormieris. (9) nam quod ad me attinet, non timeo ne quis inveniatur cui minus placeam. nec speculum mihi nec fama mentitur. vale, si potes.«

(10) ut intellexit Chrysis perlegisse me totum convicium, »solent« inquit, »haec fieri, et praecipue in hac civitate, in qua mulieres etiam lunam deducunt * (11) itaque huius quoque rei cura agetur. rescribe modo blandius dominae animumque eius candida humanitate restitue. verum enim fatendum est: ex qua hora iniuriam accepit, apud se non est.« (12) libenter quidem parui ancillae verbaque codicillis talia imposui: 130 (1) »Polyaenos Circae salutem. fateor me, domina, saepe peccasse; nam et homo sum et adhuc iuvenis. numquam tamen ante hunc diem usque ad mortem deliqui. (2) habes confitentem reum: quicquid iusseris, merui. proditionem feci, ho-

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Wenn ich lüstern wäre, würde ich mich beklagen, weil ich enttäuscht wurde; jetzt danke ich Dir sogar für Deine Schwäche: (5) Im Schatten der Liebeslust konnte ich das Spiel länger betreiben. Doch wie es Dir geht, frage ich, und ob Du auf Deinen eigenen Füßen nach Hause gelangt bist; die Ärzte behaupten nämlich, Männer ohne Fähigkeit zur Erektion könnten nicht zu Fuß gehen. (6) Ich will Dir mal was erzählen, junger Mann: Nimm Dich vor einer Lähmung in Acht! Niemals sah ich einen Kranken in so großer Gefahr! In der Mitte bist Du schon tot! (7) Wenn aber dieselbe Erkaltung Deine Knie und Hände angreift, darfst Du nach den Trompetern schicken. (8) Was also nun? Auch wenn ich eine schwere Kränkung hinnehmen musste, missgönne ich dennoch nicht einem armen Menschen ein Heilmittel. Wenn Du gesund sein willst, erbitte es nicht von Giton! Du wirst, sage ich, Deine Fähigkeit zur Erektion wiederbekommen, wenn Du drei Tage nicht mit Deinem Brüderchen schläfst. (9) Denn was mich betrifft, habe ich keine Angst, dass sich jemand findet, dem ich weniger gefalle. Weder mein Spiegel noch mein Renommee lügen. Lebe wohl, falls Du kannst.« (10) Als Chrysis merkte, dass ich die Schmähung ganz durchgelesen hatte, sagte sie: »So etwas geschieht immer wieder, und besonders in dieser Stadt, in der die Frauen sogar den Mond herabziehen … (11) Also wird auch in dieser Angelegenheit Abhilfe geschaffen werden. Schreib meiner Herrin nur recht einschmeichelnd zurück und stelle ihre gute Laune durch aufrichtige Freundlichkeit wieder her. Denn man muss die Wahrheit gestehen: Seit der Stunde, in der sie die Kränkung hinnehmen musste, ist sie außer sich.« (12) Wirklich gern folgte ich der Sklavin und setzte folgende Worte auf die Täfelchen: 130 (1) »Polyaenus grüßt Circe. Ich gestehe, Herrin, dass ich oft Fehler gemacht habe; denn ich bin auch nur ein Mensch und noch dazu jung. Niemals jedoch habe ich bis zu diesem Tag ein todeswürdiges Verbrechen begangen. (2) Hier hast Du einen geständigen Angeklagten: Was auch

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minem occidi, templum violavi: in haec facinora quaere supplicium. (3) sive occidere placet, !cum" ferro meo venio, sive verberibus contenta es, curro nudus ad dominam. (4) illud unum memento, non me sed instrumenta peccasse. paratus miles arma non habui. (5) quis hoc turbaverit nescio. forsitan animus antecessit corporis moram, forsitan dum omnia concupisco, voluptatem tempore consumpsi. non invenio quod feci. (6) paralysin tamen cavere iubes: tamquam ea maior fieri possit quae abstulit mihi per quod etiam te habere potui. summa tamen excusationis meae haec est: placebo tibi, si me culpam emendare permiseris« *

(7) dimissa cum eiusmodi pollicitatione Chryside curavi diligentius noxiosissimum corpus, balneoque praeterito modica unctione usus, mox cibis validioribus pastus, id est bulbis cochlearumque sine iure cervicibus, hausi parcius merum. (8) hinc ante somnum levissima ambulatione compositus sine Gitone cubiculum intravi. tanta erat placandi cura, ut timerem ne latus meum frater convelleret. 131 (1) postero die, cum sine offensa corporis animique consurrexissem, in eundem platanona descendi, etiam si locum inauspicatum timebam, coepique inter arbores ducem itineris expectare Chrysidem. (2) nec diu spatiatus consederam, ubi hesterno die fueram,

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immer Du befiehlst, ich habe es verdient. Ich habe einen Verrat begangen, ich habe einen Menschen umgebracht, ich habe einen Tempel geschändet: Für diese Untaten suche nach einer Strafe! (3) Falls Du beschließt, mich zu töten, komme ich mit meinem Schwert, falls Du mit Prügeln zufrieden bist, laufe ich nackt zur Herrin. (4) Dies eine bedenke, dass nicht ich einen Fehler gemacht habe, sondern meine Werkzeuge. Obwohl ich ein kampfbereiter Soldat war, hatte ich keine Waffen. (5) Wer diesen Ärger angerichtet hat, weiß ich nicht. Vielleicht ist der seelische Drang der körperlichen Verzögerung vorausgeeilt, vielleicht habe ich, während ich mir alles wünschte, meine Liebeslust vorzeitig aufgebraucht. Ich kann nicht herausfinden, was ich getan habe. (6) Doch Du hältst mich dazu an, mich vor einer Lähmung in Acht zu nehmen. Als ob die größer werden könnte als die, die mir das wegnahm, wodurch ich sogar Dich hätte haben können! Doch das Fazit meiner Entschuldigung ist dies: Ich werde Dir Lust bereiten, wenn du gestattest, dass ich mein Versagen wiedergutmache« * (7) Als ich Chrysis mit einem solchen Versprechen entlassen hatte, pflegte ich recht sorgfältig meinen äußerst schuldigen Körper, machte, als ich das Bad hinter mir hatte, in Maßen von Parfüm Gebrauch, verzehrte dann stärkende Speisen, und zwar Zwiebeln und Schneckenkämme ohne Tunke, und schluckte recht sparsam puren Wein. (8) Danach vor dem Schlafengehen durch einen wohltuenden Spaziergang zur Ruhe gekommen, betrat ich ohne Giton mein Schlafzimmer. So sehr war ich um Versöhnung bemüht, dass ich Angst hatte, mein Brüderchen würde mir den Unterleib zerrütten. 131 (1) Am nächsten Tag, als ich ohne Beschwerden an Leib und Seele aufgestanden war, stieg ich zu demselben Platanenhain hinab, obwohl ich mich vor dem Unglücksort fürchtete, und begann unter den Bäumen auf Chrysis, die Geleiterin auf meinem Wege, zu warten. (2) Und ich hatte mich, nach-

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cum illa intervenit comitem aniculam trahens. (3) atque ut me consalutavit, »quid est« inquit »fastose, ecquid bonam mentem habere coepisti?« … (4) illa de sinu licium protulit varii coloris filis intortum cervicemque vinxit meam. mox turbatum sputo pulverem medio sustulit digito frontemque repugnantis signavit … (5) hoc peracto carmine ter me iussit expuere terque lapillos conicere in sinum, quos ipsa praecantatos purpura involverat, admotisque manibus temptare coepit inguinum vires. (6) dicto citius nervi paruerunt imperio manusque aniculae ingenti motu repleverunt. (7) at illa gaudio exultans »vides« inquit »Chrysis mea, vides, quod aliis leporem excitavi?« *

(8) nobilis aestivas platanus diffuderat umbras et bacis redimita Daphne tremulaeque cupressus et circum tonsae trepidanti vertice pinus. has inter ludebat aquis errantibus amnis spumeus et querulo vexabat rore lapillos. dignus amore locus: testis silvestris aedon atque urbana Procne, quae circum gramina fusae et molles violas cantu sua rura colebant.

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(9) premebat illa resoluta marmoreis cervicibus aureum torum myrtoque florenti quietum !aera" verberabat. (10) itaque ut me

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dem ich nicht lange auf und ab gegangen war, dort hingesetzt, wo ich am Vortag gewesen war, als sie kam, wobei sie ein altes Weiblein mit sich zog. (3) Und als sie mich begrüßt hatte, sagte sie: »Was ist nun, du Spröder, bist du dabei, einen klaren Kopf zu bekommen?« … (4) Die andere holte aus ihrem Gewandbausch ein Band, das mit verschiedenfarbigen Fäden durchzogen war, und wickelte es um meinen Hals. Dann vermischte sie Staub mit Speichel, nahm es mit dem Mittelfinger auf und machte mir damit, obwohl ich mich sträubte, ein Zeichen auf die Stirn … (5) Als sie diesen Zauberspruch beendet hatte, befahl sie mir, dreimal auszuspucken und dreimal Kieselsteinchen in den Gewandbausch zu stecken, die sie selbst durch ihre Zaubersprüche geweiht und in Purpur eingewickelt hatte, näherte sich mit ihren Händen und begann, die Kraft meines Geschlechtsteils zu prüfen. (6) Blitzschnell gehorchte mein Schwanz dem Befehl und füllte die Hände des alten Weibleins mit einer gewaltigen Erektion aus. (7) Da machte sie einen Freudensprung und sagte: »Siehst du, meine Chrysis, siehst du, dass ich für andere einen Hasen aufgescheucht habe?« * (8) Die edle Platane hatte sommerliche Schatten verbreitet, so auch die mit Beeren bekränzte Daphne und zitternde Zypressen und ringsum geschorene Pinien mit schwankendem Wipfel. Zwischen ihnen spielte mit ziellos streifenden Wellen ein schäumender Bach und plagte die Kieselsteinchen im klagenden Nass. 5 Ein für die Liebe würdiger Ort! Zeugin ist die Waldbewohnerin Nachtigall und die Städterin Prokne, die um die Gräser flogen und um sanfte Veilchen und mit Gesang ihre Fluren ehrten. (9) Sie schmiegte entspannt ihren marmorweißen Nacken in das goldene Polster und fächelte mit einem blühenden Myrtenzweig die stille Luft. (10)

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vidit, paululum erubuit, hesternae scilicet iniuriae memor; deinde ut remotis omnibus secundum invitantem consedi, ramum super oculos meos posuit, et quasi pariete interiecto audacior facta »quid est« inquit »paralytice? ecquid hodie totus venisti?« (11) »rogas« inquam ego »potius quam temptas?« totoque corpore in amplexum eius immissus non praecantatis usque ad satietatem osculis furor * 132 (1) [Encolpius de Endymione puero] ipsa corporis pulchritudine me ad se vocante trahebat ad venerem. iam pluribus osculis collisa labra crepitabant, iam implicitae manus omne genus amoris invenerant, iam alligata mutuo ambitu corpora animarum quoque mixturam fecerant * (2) manifestis matrona contumeliis verberata tandem ad ultionem decurrit vocatque cubicularios et me iubet catomizari. (3) nec contenta mulier tam gravi iniuria mea convocat omnes quasillarias familiaeque sordidissimam partem ac me conspui iubet. (4) oppono ego manus oculis meis, nullisque precibus effusis, quia sciebam quid meruissem, verberibus sputisque extra ianuam eiectus sum. (5) eicitur et Proselenos, Chrysis vapulat, totaque familia tristis inter se mussat quaeritque quis dominae hilaritatem confuderit …

(6) itaque pensatis vicibus animosior verberum notas arte contexi,

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Als sie mich nun sah, errötete sie ein wenig, natürlich in Erinnerung an die gestrige Kränkung; als sich dann alle entfernt hatten und ich, von ihr dazu eingeladen, mich neben sie gesetzt hatte, legte sie mir den Zweig über die Augen und sagte, mutiger geworden, weil eine Art Wand zwischen uns gezogen war: »Was ist nun, du Lahmer? Ob du heute wohl als ganzer Mann gekommen bist?« (11) »Du fragst lieber«, sagte ich, »als dass du es überprüfst?«, warf mich mit meinem ganzen Körper in ihre Arme und genoss Küsse, die nicht bis zum Überdruss durch Zaubersprüche geweiht waren * 132 (1) (Enkolp über den Knaben Endymion:) Gerade die Schönheit seines Körpers lockte mich zu ihm, und er zog mich hin zum Liebesspiel. Schon pressten sich unter mehreren Küssen unsere Lippen geräuschvoll aufeinander, schon hatten die ineinander verschlungenen Hände jede Art von Liebeslust entdeckt, schon hatten sich unsere Körper in gegenseitiger Umarmung verstrickt und eine Vermischung auch der Seelen vollzogen * (2) Von den offenkundigen Kränkungen schwer getroffen, ging die Matrone endlich zur Bestrafung über, rief ihre Kammerdiener und befahl, dass ich auf den Hintern geschlagen werde. (3) Und nicht zufrieden mit einer so schweren Misshandlung, rief die Frau alle Spinnerinnen und das ordinärste Volk aus ihrer Dienerschaft zusammen und befahl, dass ich bespuckt würde. (4) Ich hielt die Hände vor meine Augen, ohne Bitten zu verströmen, weil ich wusste, was ich verdient hatte, und ich wurde verprügelt und bespuckt zur Tür hinausgeworfen. (5) Hinausgeworfen wurde auch Proselenos, Chrysis bekam Schläge, und die ganze Dienerschaft tuschelte betrübt und fragte sich, wer der Herrin die gute Laune verdorben habe … (6) So dachte ich über die Wechselfälle des Schicksals nach, fasste wieder etwas Mut und verbarg geschickt die von den Prügeln herrührenden Strie-

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ne aut Eumolpus contumelia mea hilarior fieret aut tristior Giton. (7) quod solum igitur salvo pudore poteram, contingere languorem simulavi, conditusque lectulo totum ignem furoris in eam converti, quae mihi omnium malorum causa fuerat:

(8) ter corripui terribilem manu bipennem, ter languidior coliculi repente thyrso ferrum timui, quod trepido male dabat usum. nec iam poteram, quod modo conficere libebat; namque illa metu frigidior rigente bruma confugerat in viscera mille operta rugis. ita non potui supplicio caput aperire, sed furciferae mortifero timore lusus ad verba, magis quae poterant nocere, fugi.

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(9) erectus igitur in cubitum hac fere oratione contumacem vexavi: »quid dicis« inquam »omnium hominum deorumque pudor? nam ne nominare quidem te inter res serias fas est. (10) hoc de te merui, ut me in caelo positum ad inferos traheres? ut traduceres annos primo florentes vigore senectaeque ultimae mihi lassitudinem imponeres? rogo te, mihi apodixin !non" defunctoriam redde.« (11) haec ut iratus effudi,

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men, damit durch meine Schmach weder Eumolp fröhlicher noch Giton betrübter wurde. (7) Weil ich nun einzig dies tun konnte, ohne mich schämen zu müssen, täuschte ich einen Anfall von Schwäche vor, verkroch mich im Bett und wandte das ganze Feuer meiner Wut gegen den, der die Ursache aller meiner Leiden gewesen war: (8) Dreimal ergriff ich mit der Hand die schreckliche Doppelaxt, dreimal, schlaffer plötzlich als der Stengel des Kohls, fürchtete ich mich vor dem Eisen, das mir, dem Zitternden, nicht den Gebrauch gestattete. Nicht mehr vermochte ich, was zu vollenden ich gerade noch Lust hatte; denn der, vor Furcht kälter als starrender Winterfrost, 5 war tief in den Unterleib geflohen und nun von tausend Runzeln bedeckt. So konnte ich ihm nicht zur Vollstreckung das Haupt entblößen, sondern nahm, von der Todesangst des Galgenstricks gefoppt, zu Worten, die mehr schaden konnten, Zuflucht. (9) Ich stützte mich also auf den Ellbogen und quälte mit etwa folgender Rede den Störrischen: »Was hast du zu sagen«, sprach ich, »du Verursacher der Scham bei allen Menschen und Göttern? Denn nicht einmal deinen Namen zu nennen im Zusammenhang mit ernsten Dingen ist statthaft. (10) Das habe ich von dir verdient, dass du mich, der ich an den Himmel versetzt war, in die Unterwelt gezerrt hast? Dass du meine in der ersten Lebensfrische blühenden Jahre dem Spott preisgibst und mir die Schlaffheit des höchsten Greisenalters auferlegst? Ich bitte dich, liefere mir keine oberflächliche Argumentation!« (11) Als ich dies zornig herausgeschleudert hatte,

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illa solo fixos oculos aversa tenebat, nec magis incepto vultum sermone movetur quam lentae salices lassove papavera collo. (12) nec minus ego tam foeda obiurgatione finita paenitentiam agere sermonis mei coepi secretoque rubore perfundi, quod oblitus verecundiae meae cum ea parte corporis verba contulerim, quam ne ad cognitionem quidem admittere severioris notae homines solerent. (13) mox perfricata diutius fronte »quid autem ego« inquam »mali feci, si dolorem meum naturali convicio exoneravi? aut quid est quod in corpore humano ventri male dicere solemus aut gulae capitique etiam, cum saepius dolet? quid? non et Ulixes cum corde litigat suo, et quidam tragici oculos suos tamquam audientes castigant? (14) podagrici pedibus suis male dicunt, chiragrici manibus, lippi oculis, et qui offenderunt saepe digitos, quicquid doloris habent in pedes deferunt:

(15) quid me constricta spectatis fronte Catones damnatisque novae simplicitatis opus? sermonis puri non tristis gratia ridet, quodque facit populus, candida lingua refert. nam quis concubitus, Veneris quis gaudia nescit? quis vetat in tepido membra calere toro?

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hielt er abgewandt den Blick auf den Boden geheftet und, als ich anhob’ zu reden, verzog nicht mehr er die Miene als die biegsame Weide und Mohn mit erschlaffendem Halse. (12) Nicht weniger kam es auch bei mir, als ich meine so hässliche Schimpfrede beendet hatte, dazu, dass ich Reue über meine Ausdrucksweise empfand und von heimlicher Schamröte übergossen wurde, weil ich meinen Anstand vergessen und Worte mit dem Körperteil gewechselt hatte, den Menschen von strengerer Wesensart nicht einmal zur Kenntnis zu nehmen pflegen. (13) Dann rieb ich mir längere Zeit heftig die Stirn und sagte: »Was aber habe ich Schlimmes getan, wenn ich meinem Schmerz durch ganz natürliches Schimpfen Erleichterung verschafft habe? Oder wie ist es damit, dass wir am menschlichen Körper den Bauch immer wieder beschimpfen oder die Kehle oder sogar den Kopf, wenn er häufiger wehtut? Was denn? Streitet nicht auch Odysseus mit seinem Herzen, und beschimpfen nicht manche Gestalten der Tragödie ihre Augen, als könnten die es hören? (14) An Podagra Erkrankte beschimpfen ihre Füße, an Chiragra Leidende ihre Hände, Triefäugige ihre Augen, und die, die sich oft die Zehen anstoßen, legen allen Schmerz, den sie haben, den Füßen zur Last: (15) Was blickt ihr mich an mit gerunzelter Stirn, ihr Catones, und verdammt das Werk einer neuen Aufrichtigkeit? Es lächelt die keineswegs mürrische Anmut einer ungeschminkten Redeweise, und was die Leute treiben, berichtet eine aufrichtige Zunge. Denn wer würde die Liebesvereinigung, wer die Freuden der Venus nicht kennen? 5 Wer würde verbieten, dass auf einem warmen Bett die Glieder erglühen?

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ipse pater veri doctos Epicurus amare iussit et hoc vitam dixit habere τέλος« * (16) »nihil est hominum inepta persuasione falsius nec ficta severitate ineptius« * 133 (1) hac declamatione finita Gitona voco et »narra mihi« inquam »frater, sed tua fide: ea nocte, qua te mihi Ascyltos subduxit, usque in iniuriam vigilavit an contentus fuit vidua pudicaque nocte?« (2) tetigit puer oculos suos conceptissimisque iuravit verbis sibi ab Ascylto nullam vim factam * positoque in limine genu sic deprecatus sum numen aversum:

(3) »Nympharum Bacchique comes, quem pulcra Dione divitibus silvis numen dedit, inclita paret cui Lesbos viridisque Thasos, quem litus adorat septifluum templumque tuis imponit Hypaepis: huc ades, o Bacchi tutor Dryadumque voluptas, et timidas admitte preces. non sanguine tristi perfusus venio, non templis impius hostis admovi dextram, sed inops et rebus egenis attritus facinus non toto corpore feci. quisquis peccat inops, minor est reus. hac prece quaeso,

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Selbst der Vater der Wahrheit, Epikur, hat den Weisen zu lieben befohlen und gesagt, dies habe das Leben als Telos« * (16) »Nichts ist verkehrter als dumme Voreingenommenheit von Menschen und nichts dümmer als vorgetäuschte Sittenstrenge« * 133 (1) Nach dem Ende dieser Deklamation rief ich Giton und sagte: »Erzähl mir, Brüderchen, aber in voller Ehrlichkeit: Blieb in der Nacht, in der er dich mir entführte, Askylt wach, um sich an dir zu vergehen, oder war er zufrieden mit einer Nacht ohne Sex und in Keuschheit?« (2) Der Knabe berührte seine Augen und schwor mit den feierlichsten Worten, ihm sei von Askylt keine Gewalt angetan worden * Ich setzte das Knie auf die Schwelle und betete, wie folgt, inständig zu der Gottheit, die sich von mir abgewandt hatte: (3) »Begleiter der Nymphen und des Bacchus, den die schöne Dione üppigen Wäldern als Gottheit gab, dem das berühmte Lesbos gehorcht und das grüne Thasos, den das siebenfach durch flossene Gestade anbetet und dem den Tempel er stellt in dein Hypaipa: Komm hierher, Beschützer des Bacchus und Wonne der Dryaden und erhöre meine ängstlichen Bitten! Nicht von grässlichem Blut überströmt komme ich, nicht habe ich an Tempel als ruchloser Feind Hand angelegt, sondern bedürftig und von Armut geschwächt beging ich einen Frevel nicht mit dem ganzen Leibe. Jeder, der sich als Bedürftiger vergeht, ist weniger schuldig. Mit diesem Gebet bitte ich,

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exonera mentem culpaeque ignosce minori, et quandoque mihi fortunae arriserit hora, non sine honore tuum patiar decus. ibit ad aras, sancte, tuas hircus, pecoris pater, ibit ad aras corniger et querulae fetus suis, hostia lactens. spumabit pateris hornus liquor, et ter ovantem circa delubrum gressum feret ebria pubes« *

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(4) dum haec ago curaque sollerti deposito meo caveo, intravit delubrum anus laceratis crinibus nigraque veste deformis, extraque vestibulum me iniecta manu duxit * 134 (1) [Proselenos anus ad Encolpium] »quae striges comederunt nervos tuos, aut quod purgamentum in nocte calcasti trivio aut cadaver? (2) nec a puero quidem te vindicasti, sed mollis, debilis, lassus tamquam caballus in clivo, et operam et sudorem perdidisti. nec contentus ipse peccare, mihi deos iratos excitasti« *

(3) ac me iterum in cellam sacerdotis nihil recusantem perduxit impulitque super lectum et harundinem ab ostio rapuit nihilque respondentem mulcavit. (4) ac nisi primo ictu harundo quassata

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nimm mir die Last vom Herzen und verzeih eine geringere Schuld, und wenn dereinst die Stunde des Glücks mir zulacht, werde ich nicht dulden, dass deine Würde ohne Ehrung bleibt. Kommen wird zu deinem Altar, Heiliger, ein Bock, der Vater der Herde, kommen wird zu deinem Altar ein Widder und das Junge einer jammernden Sau, ein noch saugendes Opfertier. 15 Schäumen wird in den Schalen das heurige Nass, und dreimal wird mit Jauchzen um dein Heiligtum den Tanzschritt lenken die betrunkene Jugend« * (4) Während ich dies betrieb und mich mit erfinderischer Sorgfalt meines Darniederliegenden annahm, betrat das Heiligtum die Alte, von zerzausten Haaren und einem schwarzen Gewand entstellt, legte mir die Hand auf und führte mich zur Vorhalle hinaus * 134 (1) (Die alte Proselenos zu Enkolp:) »Welche Hexen haben deine Erektionsfähigkeit aufgezehrt, oder auf welchen Abfall bist du in der Nacht am Dreiweg getreten oder auf welchen Kadaver? (2) Und nicht einmal von dem Knaben hast du dir Entschädigung geholt, sondern weich, schwach und schlaff wie ein Gaul am Steilhang hast du Mühe wie Schweiß vergeudet. Und nicht damit zufrieden, selbst dich zu vergehen, hast du gegen mich die Götter zum Zorn aufgestachelt« * (3) Und zum zweiten Mal führte sie mich, ohne dass ich in irgendeiner Weise widerstrebte, in die Kammer der Priesterin, stieß mich aufs Bett, riss einen Rohrstock von der Tür und verprügelte mich, ohne dass ich etwas dagegen sagte. (4) Und wenn nicht beim ersten Hieb der Rohrstock zerbro-

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impetum verberantis minuisset, forsitan etiam bracchia mea caputque fregisset. (5) ingemui ego utique propter mascarpionem, lacrimisque ubertim manantibus obscuratum dextra caput super pulvinum inclinavi. (6) nec minus illa fletu confusa altera parte lectuli sedit aetatisque longae moram tremulis vocibus coepit accusare, donec intervenit sacerdos …

(7) »quid? vos« inquit »in cellam meam tamquam ante recens bustum venistis? utique die feriarum, quo etiam lugentes rident« … (8) [Proselenos ad Oenotheam sacerdotem Priapi de Encolpio] »o« inquit »Oenothea, hunc adulescentem quem vides, malo astro natus est; nam neque puero neque puellae bona sua vendere potest. (9) numquam tu hominem tam infelicem vidisti: lorum in aqua, non inguina habet. ad summam, qualem putas esse qui de Circes toro sine voluptate surrexit?« (10) his auditis Oenothea inter utrumque consedit motoque diutius capite »istum« inquit »morbum sola sum quae emendare scio. (11) et ne putetis perplexe agere, rogo ut adulescentulus mecum nocte dormiat … nisi illud tam rigidum reddidero quam cornu:

(12) quicquid in orbe vides, paret mihi. florida tellus, cum volo, siccatis arescit languida sucis, cum volo, fundit opes, scopulique atque horrida saxa Niliacas iaculantur aquas. mihi pontus inertes

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chen wäre und ihr Ungestüm beim Prügeln vermindert hätte, hätte sie mir vielleicht sogar meine Arme und meinen Kopf zertrümmert. (5) Ich stöhnte, besonders weil sie es mir jetzt mit der Hand machte, und als meine Tränen reichlich flossen, schirmte ich mit der Rechten meinen Kopf ab und ließ ihn auf das Kissen sinken. (6) Und nicht weniger brach auch sie in heftiges Weinen aus, setzte sich auf die andere Seite des Bettes und erhob mit tremolierender Stimme Anklage gegen ihr hohes Alter, das sich so lang hinzog, bis die Priesterin dazwischentrat … (7) »Was ist? Seid ihr«, sagte sie, »in meine Kammer wie vor einen frischen Scheiterhaufen gekommen? Noch dazu an einem Feiertag, an dem sogar die lachen, die Trauer tragen?« … (8) (Proselenos zur Priap-Priesterin Oenothea über Enkolp:) »Ach, Oenothea,« sagte sie, »dieser junge Mann, den du hier siehst, ist unter einem bösen Stern geboren. Denn weder einem Knaben noch einem Mädchen kann er seine guten Sachen verkaufen. (9) Noch nie hast du einen so unglückseligen Menschen gesehen: einen Riemen im Wasser, keinen Penis hat er. Kurz und gut, wie schätzt du jemanden ein, der von Circes Bett ohne Lustgewinn aufgestanden ist?« (10) Als Oenothea dies gehört hatte, setzte sie sich zwischen uns beide, schüttelte eine Zeitlang den Kopf und sagte: »Dies Leiden da, ich allein bin es, die es zu heilen weiß. (11) Und damit ihr nicht glaubt, dass ich auf undurchschaubare Weise zu Werk gehe, soll bitte das Jüngelchen heute Nacht bei mir schlafen … !Ich will des Todes sein," wenn ich den da nicht so steif mache wie Horn: (12) Alles, was du auf dem Erdkreis siehst, gehorcht mir. Die blühende Erde, wenn ich will, verdorrt sie erschlafft, nachdem ihre Säfte vertrocknet sind; wenn ich will, spendet sie Reichtum, und Klippen und starre Felsen lassen nilartige Fluten hervorschießen. Mir lässt das Meer die Wogen

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submittit fluctus, zephyrique tacentia ponunt ante meos sua flabra pedes. mihi flumina parent Hyrcanaeque tigres et iussi stare dracones. quid leviora loquor? lunae descendit imago carminibus deducta meis, trepidusque furentes flectere Phoebus equos revoluto cogitur orbe. tantum dicta valent. taurorum flamma quiescit virgineis extincta sacris, Phoebeia Circe carminibus magicis socios mutavit Ulixis, Proteus esse solet quicquid libet. hic ego callens artibus Idaeos frutices in gurgite sistam et rursus fluvios in summo vertice ponam.«

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135 (1) inhorrui ego tam fabulosa pollicitatione conterritus, anumque inspicere diligentius coepi … (2) »ergo« exclamat Oenothea »imperio parete« … detersisque curiose manibus inclinavit se in lectulum ac me semel iterumque basiavit … (3) Oenothea mensam veterem posuit in medio altari, quam vivis implevit carbonibus, et camellam etiam vetustate ruptam pice temperata refecit. (4) tum clavum, qui detrahentem secutus cum camella lignea fuerat, fumoso parieti reddidit. mox incincta quadrato pallio cucumam ingentem foco apposuit, simulque pannum de carnario detulit furca, in quo faba erat ad usum reposita et sincipitis vetustissima particula mille plagis dolata. (5) ut solvit ergo

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reglos sich unterwerfen, und die Westwinde lassen ihr Wehen sich 5 stumm vor meine Füße legen. Mir gehorchen die Ströme, hyrkanische Tiger, und auf meinen Befehl erstarren Schlangen. Was rede ich von leichteren Sachen? Das Bild des Mondes steigt herab, von meinen Zaubersprüchen herabgezogen, und ängstlich lässt Phoebus sich zwingen, die wilden Pferde zu wenden, wenn ich die Erdscheibe habe rückwärts rollen lassen. 10 So viel vermögen meine Worte. Die Flammen der Stiere ersterben, ausgelöscht durch die Zaubereien der Jungfrau, die Tochter des Phoebus, Kirke, verwandelte durch magische Sprüche die Gefährten des Odysseus, Proteus pflegt alles zu sein, was er will. Ich, erfahren in diesen Künsten, werde das Strauchwerk des Ida in den Meeresstrudel stellen 15 und andererseits Flüsse auf den höchsten Gipfel verlegen.«

135 (1) Ich erschauerte, erschreckt durch eine so märchenhafte Verheißung, und begann die Alte genauer zu betrachten … (2) »Also«, schrie Oenothea, »gehorcht meinem Befehl!« … Sie wischte sich sorgfältig die Hände ab, ließ sich auf das Bett sinken und küsste mich ein ums andere Mal … (3) Oenothea stellte mitten auf den Altar einen alten Tisch, auf den sie glühende Kohlen häufte, und sie flickte auch eine Schale, die alt und löchrig war, mit leicht erhitztem Pech. (4) Dann schlug sie den Nagel, der, als sie die hölzerne Schale herunterholte, mitgegangen war, wieder in die rußgeschwärzte Wand. Darauf schürzte sie sich mit einem viereckigen Tuch, stellte einen riesigen Kochtopf auf den Herd und holte zugleich mit einer Fleischgabel einen Sack oben aus der Räucherkammer, in der Bohnen auf Vorrat aufbewahrt waren sowie ein uraltes Stückchen Schweinskopf, das von tausend

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licio pannum, partem leguminis super mensam effudit iussitque me diligenter purgare. servio ego imperio granaque sordidissimis putaminibus vestita curiosa manu segrego. (6) at illa inertiam meam accusans ipsa fabas tollit, dentibusque folliculos pariter spoliat atque in terram [veluti] museorum imagines despuit *

(7) mirabar equidem paupertatis ingenium singularumque rerum quasdam artes: (8) non Indum fulgebat ebur, quod inhaeserat auro, nec iam calcato radiabat marmore terra muneribus delusa suis, sed crate saligna impositum Cereris vacuae nemus et nova terrae pocula, quae facili vilis rota finxerat actu. hinc mollis tiliae lacus et de caudice lento vimineae lances maculataque testa Lyaeo. at paries circa palea satiatus inani fortuitoque luto clavos numerabat agrestes, et viridi iunco gracilis pendebat harundo. praeterea quae fumoso suspensa tigillo conservabat opes humilis casa, mitia sorba inter odoratas pendebat texta coronas et thymbrae veteres et passis uva racemis:

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Messerhieben zerhauen war. (5) Als sie nun den Sack aufgeschnürt hatte, schüttete sie einen Teil der Hülsenfrüchte auf den Tisch und befahl mir, sie sorgfältig zu schälen. Ich kam diensteifrig dem Befehl nach und trennte die Kerne von den sie umgebenden schmutzstarrenden Schalen mit sorgfältiger Hand. (6) Doch sie tadelte meine Trägheit, nahm selbst die Bohnen, und gleichzeitig riss sie die Schoten mit den Zähnen auf und spuckt sie als Mosaikbilder auf den Boden * (7) Ich staunte jedenfalls über den Einfallsreichtum der Armut und über eine gewisse Feinheit jedes einzelnen Gegenstandes: (8) Kein indisches Elfenbein glänzte, das in Gold eingefasst war, nicht erstrahlte jetzt vom Marmor, der von den Füßen getreten wurde, der Boden, getäuscht von den eigenen Gaben, sondern auf ein Gestell aus Weidengeflecht gestellt waren ein Hain leerer Halme und neue Becher aus Tonerde, die mit leichtem Schwung eine schlichte Scheibe geformt hatte. 5 Hier ein Bottich aus weichem Lindenholz und aus biegsamer Korbweide geflochtene Schalen und ein fleckiger Krug mit Lyaeus-Trank. Doch die Wand ringsum war vollgestopft mit leerer Spreu und zählte im wahllos verschmierten Lehm die ländlichen Nägel, und da hing ein zierliches Rohr aus grünem Schilf. 10 Was außerdem am rußigen Balken aufgehängt als Schätze die niedrige Hütte aufbewahrte, milde Arlesbeeren, die hingen verflochten zwischen duftenden Kränzen, und alter Saturei und Beeren getrockneter Trauben:

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qualis in Actaea quondam fuit hospita terra digna sacris Hecale, quam Musa loquentibus annis Battiadae veteris mirandam tradidit aevo *

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136 (1) dum illa carnis etiam paululum delibat … et dum coaequale natalium suorum sinciput in carnarium furca reponit, fracta est putris sella, quae staturae altitudinem adiecerat, anumque pondere suo deiectam super foculum mittit. (2) frangitur ergo cervix cucumulae ignemque modo convalescentem restinguit. vexat cubitum ipsa stipite ardenti faciemque totam excitato cinere perfundit. (3) consurrexi equidem turbatus anumque non sine risu erexi …

statimque, ne res aliqua sacrificium moraretur, ad reficiendum ignem in viciniam cucurrit … (4) itaque ad casae ostiolum processi … cum ecce tres anseres sacri qui, ut puto, medio die solebant ab anu diaria exigere, impetum in me faciunt foedoque ac veluti rabioso stridore circumsistunt trepidantem. atque alius tunicam meam lacerat, alius vincula calceamentorum resolvit ac trahit; unus etiam, dux ac magister saevitiae, non dubitavit crus meum serrato vexare morsu. (5) oblitus itaque nugarum pedem mensulae extorsi coepique pugnacissimum animal armata elidere manu. nec satiatus defunctorio ictu, morte me anseris vindicavi:

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Wie im attischen Land einst war die Gastgeberin, 15 würdig der Opfer, Hekale, über welche die Muse des alten Battiaden, wovon die Jahre noch sprechen, zur Bewunderung seinem Zeitalter berichtete * 136 (1) Während sie auch ein bisschen von dem Fleisch kostete … Und während sie den Schweinskopf, der altersmäßig der Zahl ihrer Geburtstage entsprach, mit der Fleischgabel in die Räucherkammer zurücklegte, brach der morsche Stuhl zusammen, der ihrer Körpergröße Höhe hinzugefügt hatte, brachte die Alte aus ihrem Gleichgewicht und warf sie auf den Herd. (2) So zerbrach der obere Teil des Kochtöpfchens und löschte das gerade auflodernde Feuer aus. Sie selbst verletzt sich den Ellbogen an einem brennenden Scheit und überzog sich das ganze Gesicht mit der aufgewirbelten Asche. (3) Ich erhob mich wahrhaftig verwirrt und richtete die Alte auf, nicht ohne dabei zu lachen … Und sofort rannte sie, damit nicht irgendetwas das Opfer verzögere, in die Nachbarschaft, um das Feuer wieder zu entfachen … (4) So trat ich an die kleine Tür der Hütte … als, sieh da, drei verfluchte Gänse, die, wie ich glaube, mittags immer von der Alten ihre Tagesration forderten, einen Angriff auf mich machten und mich mit grässlichem und gleichsam tobsüchtigem Zischen umzingelten, so dass mir angst wurde. Und die eine zerriss mir die Tunika, die andere lockert die Riemen meiner Sandalen und zog daran; und die dritte, Anführerin und Meisterin in der Grausamkeit, hatte noch dazu keine Hemmungen, mein Schienbein mit ihrem sägeartigen Schnabel zu traktieren. (5) Da verstand ich keinen Spaß mehr, drehte dem Tischchen einen Fuß heraus und begann auf das kampflustigste Tier mit bewaffneter Hand einzuschlagen. Und nicht zufrieden mit einem leichten Hieb, rächte ich mich durch den Tod der Gans:

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(6) tales Herculea Stymphalidas arte coactas ad caelum fugisse reor caenoque fluentes Harpyias, cum Phineo maduere veneno fallaces epulae. tremuit perterritus aether planctibus insolitis, confusaque regia caeli *

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(7) iam reliqui evolutam passimque per totum effusam pavimentum collegerant fabam, orbatique, ut existimo, duce redierant in templum, cum ego praeda simul [atque] ac vindicta gaudens post lectum occisum anserem mitto vulnusque cruris haud altum aceto diluo. (8) deinde convicium verens abeundi formavi consilium, collectoque cultu meo ire extra casam coepi. (9) necdum liberaveram cellulae limen, cum animadverto Oenotheam cum testo ignis pleno venientem. (10) reduxi igitur gradum proiectaque veste, tamquam expectarem morantem, in aditu steti. (11) collocavit illa ignem quassis harundinibus collectum, ingestisque super pluribus lignis excusare coepit moram, quod amica se non dimisisset nisi tribus potionibus e lege siccatis. »quid porro tu« inquit »me absente fecisti, aut ubi est faba?« (12) ego qui putaveram me rem laude etiam dignam fecisse, ordine illi totum proelium exposui, et ne diutius tristis esset, iacturae pensionem anserem obtuli. (13) quem anus ut vidit, tam magnum acremque clamorem sustulit, ut putares iterum anseres

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(6) So flohen, von Herkules’ List gezwungen, die stymphalischen Vögel zum Himmel, glaube ich, und so die von Unrat triefenden Harpyien, als von dem Geifer, der für Phineus bestimmt war, durchtränkt waren die trügerischen Speisen. Es bebte heftig erschrocken der Äther von ungewohntem Flügelschlag, und die Himmelsburg, entsetzt 5 * (7) Schon hatten die übrigen die geschälten und über den ganzen Boden ausgeschütteten Bohnen aufgepickt und waren, weil sie, wie ich glaube, sich ihrer Anführerin beraubt sahen, in den Tempel zurückgekehrt, als ich, zugleich über die Beute und die Rache froh, die getötete Gans hinter das Bett warf und die nicht tiefe Wunde am Schienbein mit Essig ausspülte. (8) Dann entwarf ich, weil ich vor einer Scheltrede Angst hatte, einen Plan für meinen Abgang, sammelte mein Zeug zusammen und machte mich auf den Weg zur Hütte hinaus. (9) Doch ich hatte noch nicht die Schwelle der kleinen Kammer überschritten, als ich bemerkte, wie Oenothea mit einem Tongefäß voll Feuerbrand daherkam. (10) Da hemmte ich meine Schritte, warf mein Obergewand hin und stellte mich an den Eingang, als ob ich wartete, weil sie verspätet war. (11) Sie brachte den Feuerbrand, den sie mit abgebrochenen Rohrstöcken aufgefangen hatte, an seinen Ort, häufte mehrere Holzscheite darauf und entschuldigte ihre Verspätung damit, dass ihre Freundin sie nur weggelassen habe, nachdem sie drei Becher nach der Trinksatzung geleert hatten. »Was hast übrigens du«, sagte sie, »in meiner Abwesenheit getan, und wo sind überhaupt die Bohnen?« (12) Ich, der ich geglaubt hatte, ich hätte sogar etwas Ruhmwürdiges getan, schilderte ihr der Reihe nach das ganze Gefecht und präsentierte ihr, damit sie nicht länger betrübt sei, als Entschädigung für den Verlust die Gans. (13) Als die Alte sie sah, erhob sie ein so lautes und schrilles Geschrei, dass man hätte meinen

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limen intrasse. (14) confusus itaque et novitate facinoris attonitus quaerebam quid excanduisset aut quare anseris potius quam mei misereretur. 137 (1) at illa complosis manibus »scelerate« inquit »et loqueris? (2) nescis quam magnum flagitium admiseris: occidisti Priapi delicias, anserem omnibus matronis acceptissimum. itaque ne te putes nihil egisse, si magistratus hoc scierint, ibis in crucem. (3) polluisti sanguine domicilium meum ante hunc diem inviolatum, fecistique ut me quisquis voluerit inimicus sacerdotio pellat« *

(4) »rogo« inquam »noli clamare: ego tibi pro ansere struthocamelum reddam« * (5) dum haec me stupente in lectulo sedet anserisque fatum complorat, interim Proselenos cum impensa sacrificii venit, visoque ansere occiso sciscitata causam [tristitiae] et ipsa flere vehementius coepit meique misereri tamquam patrem meum, non publicum anserem, occidissem. (6) itaque taedio fatigatus »rogo« inquam »expiare manus pretio liceret, si vos provocassem, etiam si homicidium fecissem. ecce duos aureos pono, unde possitis et deos et anseres emere.« (7) quos ut vidit Oenothea, »ignosce« inquit »adulescens, sollicita sum tua causa. amoris est hoc argumentum, non malignitatis. (8) itaque dabimus operam ne quis hoc sciat. tu modo deos roga ut illi facto tuo ignoscant.«

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können, die Gänse seien wieder über die Schwelle hereingekommen. (14) Verwirrt und erstaunt darüber, dass hier eine neue Art von Verbrechen vorliege, fragte ich, warum sie in Rage geraten sei und weshalb die Gans ihr mehr leid tue als ich. 137 (1) Doch sie schlug die Hände zusammen und rief: »Du Frevler, du sagst es auch noch? (2) Du weißt nicht, was du für eine große Schandtat begangen hast: Erschlagen hast du Priaps Liebling, die Gans, die allen Matronen am höchsten willkommen ist. Damit du also nicht glaubst, du hättest nichts getan: Wenn die Behörde dies erfährt, wirst du ans Kreuz marschieren. (3) Befleckt mit Blut hast du mein Heim, das vor dem heutigen Tag frei von Gewalt war, und hast bewirkt, dass jeder mir feindlich Gesinnte, wenn er will, mich aus dem Priesteramt jagen kann« * (4) »Bitte«, sagte ich, »schrei nicht! Ich werde dir für die Gans einen Straußenvogel geben« * (5) Während sie auf dem Bett saß und das Schicksal der Gans beweinte und ich mich darüber wunderte, kam unterdessen Proselenos mit dem Zubehör für das Opfer, und als sie die erschlagene Gans gesehen und sich nach dem Grund erkundigt hatte, begann sie ihrerseits recht heftig zu weinen und mich zu bemitleiden, als hätte ich meinen Vater, nicht eine gewöhnliche Gans, erschlagen. (6) Da sagte ich, von Überdruss ganz erledigt: »Bitte, meine Hände durch eine Geldsumme zu entsühnen, wäre erlaubt, wenn ich euch provoziert hätte, sogar wenn ich einen Mord begangen hätte. Sieh da, zwei Goldstücke lege ich hin, womit ihr euch sowohl Götter als auch Gänse kaufen könnt.« (7) Als Oenothea die sah, sagte sie: »Verzeih, junger Mann, ich bin besorgt deinetwegen. Das ist ein Beweis von Liebe, nicht von Böswilligkeit. (8) So werden wir uns Mühe geben, dass niemand dies erfährt. Du bitte nur die Götter, dass sie dir deine Tat verzeihen.«

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(9) quisquis habet nummos, secura navigat aura fortunamque suo temperat arbitrio. uxorem ducat Danaen ipsumque licebit Acrisium iubeat credere quod Danaen. carmina componat, declamet, concrepet omnes et peragat causas sitque Catone prior. iurisconsultus »parret, non parret« habeto atque esto quicquid Servius et Labeo. multa loquor: quod vis nummis praesentibus opta, et veniet. clausum possidet arca Iovem *

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(10) infra manus meas camellam vini posuit, et cum digitos pariter extensos porris apioque lustrasset, avellanas nuces cum precatione mersit in vinum. et sive in summum redierant sive subsederant, ex hoc coniecturam ducebat. nec me fallebat inanes scilicet ac sine medulla [ventosas] nuces in summo umore consistere, graves autem et plenas integro fructu ad ima deferri *

(11) recluso pectore extraxit fartissimum iecur et inde mihi futura praedixit. (12) immo, ne quod vestigium sceleris superesset, totum anserem laceratum verubus confixit epulasque etiam lautas paulo ante, ut ipsa dicebat, perituro paravit … (13) volabant inter haec potiones meracae *

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(9) Jeder, der Geld hat, segelt mit sicherer Brise und lenkt sein Glück nach seinem Willen. Danaë darf er heiraten und selbst Akrisius darf er glauben machen, was er Danaë glauben machte. Gedichte darf er verfassen, deklamieren, laut ertönen lassen und alle 5 Prozesse siegreich führen und Cato übertreffen. Als Rechtsgelehrter darf er sein »Es ist bewiesen, es ist nicht bewiesen« haben, und er darf alles sein, was Servius und Labeo sind. Ich rede zu viel! Was du willst, wünsche dir, wenn Bargeld da ist, und es wird sich erfüllen. Die Geldkiste besitzt Jupiter eingeschlossen 10 * (10) Unter meine Hände stellte sie eine Schale Wein, und als sie meine Finger, die ich alle auf einmal spreizte, mit Lauchblättern und Sellerie entsühnt hatte, tauchte sie Haselnüsse, während sie ein Gebet sprach, in den Wein. Und je nachdem, ob sie an die Oberfläche zurückgekehrt oder zu Boden gesunken waren, zog sie daraus ihre Schlüsse. Aber es entging mir nicht, dass natürlich die tauben Nüsse ohne Kern an der Oberfläche der Flüssigkeit blieben, die schweren aber und die mit einem intakten Kern gefüllten, nach unten sanken * (11) Als sie ihr die Brust geöffnet hatte, riss sie eine gut gemästete Leber heraus und prophezeite mir daraus die Zukunft. (12) Ja, sie zerstückelte sogar, damit keine Spur des Verbrechens übrig bleibe, die ganze Gans, steckte sie auf Bratspieße und bereitete mir ein prächtiges Mahl, nachdem ich kurz zuvor, wie sie selbst immer wieder sagte, hätte sterben sollen … (13) Währenddessen kreiste geschwind ein Becher mit purem Wein *

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138 (1) profert Oenothea scorteum fascinum, quod ut oleo et minuto pipere atque urticae trito circumdedit semine, paulatim coepit inserere ano meo … (2) hoc crudelissima anus spargit subinde umore femina mea * nasturcii sucum cum habrotono miscet perfusisque inguinibus meis viridis urticae fascem comprehendit omniaque infra umbilicum coepit lenta manu caedere * (3) aniculae quamvis solutae mero ac libidine essent, eandem viam temptant et per aliquot vicos secutae fugientem »prende furem« clamant. (4) evasi tamen omnibus digitis inter praecipitem decursum cruentatis * (5) »Chrysis, quae priorem fortunam tuam oderat, hanc vel cum periculo capitis persequi destinat« * (6) »quid huic formae aut Ariadne habuit aut Leda simile? quid contra hanc Helene, quid Venus posset? ipse Paris, dearum litigantium iudex, si hanc in comparatione vidisset tam petulantibus oculis, et Helenen huic donasset et deas. (7) saltem si permitteretur osculum capere, si illud caeleste ac divinum pectus amplecti, forsitan rediret hoc corpus ad vires et resipiscerent partes veneficio, credo, sopitae. (8) nec me contumeliae lassant: quod verberatus

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138 (1) Oenothea holte einen ledernen Phallus hervor, den sie, als sie ihn rundum mit Öl, gestoßenem Pfeffer und geriebenem Brennnesselsamen bestrichen hatte, nach und nach in mein Arschloch einzuführen begann … (2) Mit dieser Flüssigkeit besprengt die höchst grausame Alte dann meine Oberschenkel * Sie mischte Kressensaft mit Stabwurz, goss das über meine Geschlechtsteile, ergriff ein Bündel frischer Brennnesseln und fing an, alles unterhalb meines Bauchnabels langsam mit der Hand zu schlagen * (3) Obwohl die alten Weiblein berauscht waren von purem Wein und ihrer Geilheit, schlugen sie denselben Weg ein, folgten mir auf meiner Flucht durch einige Gassen und schrien: »Haltet den Dieb!« (4) Ich entkam trotzdem, wobei ich mir, während ich Hals über Kopf davonrannte, alle Zehen blutig stieß * (5) »Chrysis, die dein früheres Schicksal hasste, ist entschlossen, diesem sogar unter Lebensgefahr nachzufolgen« * (6) (Enkolp:) »Was hatte Ariadne oder Leda mit dieser Schönheit für eine Ähnlichkeit? Was könnte Helena, was Venus gegen sie ausrichten? Selbst Paris, der Richter der streitenden Göttinnen, hätte, wenn er sie im Vergleich gesehen hätte mit ihren so kecken Augen, für sie sowohl Helena als auch die Göttinnen hergeschenkt. (7) Wenn es doch wenigstens erlaubt wäre, ihr einen Kuss zu rauben, diese himmlischen und göttlichen Brüste zu umfassen, dann würde vielleicht mein Körper wieder zu Kräften kommen, und die von der Verhexung betäubten Teile würden sich, glaube ich, erholen. (8) Und die Schmach macht mich nicht schlaff: Dass ich verprügelt wurde,

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sum, nescio; quod eiectus sum, lusum puto. modo redire in gratiam liceat« * 139 (1) torum frequenti tractatione vexavi, amoris mei quasi quandam imaginem * (2) »non solum me numen et implacabile fatum persequitur. prius Inachia Tirynthius ora exagitatus onus caeli tulit, ante profanus Laomedon gemini satiavit numinis iram, Iunonem Pelias sensit, tulit inscius arma 5 Telephus et regnum Neptuni pavit Ulixes. me quoque per terras, per cani Nereos aequor Hellespontiaci sequitur gravis ira Priapi« * (3) quaerere a Gitone meo coepi num aliquis me quaesisset. »nemo« inquit »hodie. sed hesterno die mulier quaedam haud inculta ianuam intravit, cumque diu mecum esset locuta et me accersito sermone lassasset, ultimo coepit dicere te noxam meruisse daturumque serviles poenas, si laesus in querella perseverasset« * (4) nondum querellam finieram, cum Chrysis intervenit amplexuque effusissimo me invasit et »teneo te« inquit »qualem speraveram: tu desiderium meum, tu voluptas mea, numquam finies hunc ignem, nisi sanguine extinxeris« *

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weiß ich nicht mehr; dass ich hinausgeworfen wurde, halte ich für einen Scherz. Dürfte ich nur ihre Gunst zurückgewinnen« * 139 (1) Ich fiel über das Bett her und bearbeitete es häufig als eine Art Abbild meiner Geliebten * (2) »Nicht nur mich verfolgen eine Gottheit und ein unversöhnliches Schicksal. Früher trug der Tirynthier, vom inachischen Gestade fortgetrieben, die Last des Himmels, vorher stillte der ruchlose Laomedon den Zorn der zwei Gottheiten, Junos Macht bekam Pelias zu spüren, ahnungslos trug Waffen 5 Telephus, und vor Neptuns Reich erzitterte Odysseus. Auch mich verfolgt durch die Lande, durch das Meer des grauen Nereus der schwere Zorn des hellespontischen Priap« * (3) Ich begann meinen Giton zu fragen, ob jemand nach mir gefragt habe. »Heute«, sagte er, »niemand. Aber am gestrigen Tag kam eine nicht unelegante Frau zur Tür herein, und als sie lange mit mir gesprochen und mich mit ihrem weit hergeholten Gerede ermüdet hatte, ging sie schließlich dazu über zu sagen, du habest dir etwas zuschulden kommen lassen und würdest wie ein Sklave bestraft werden, wenn der Geschädigte bei seiner Klage bleibe« * (4) Noch hatte ich meine Klage nicht beendet, als Chrysis dazukam, mit einer stürmischen Umarmung über mich herfiel und rief: »Ich halte dich so fest, wie ich es erhofft hatte: Du, mein Verlangen, du, meine Lust, wirst niemals meinem Feuer ein Ende bereiten, wenn du es nicht mit Blut auslöschst« *

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(5) unus ex noviciis servulis subito accurrit et mihi dominum iratissimum esse affirmavit, quod biduo iam officio defuissem. recte ergo me facturum, si excusationem aliquam idoneam praeparassem. vix enim posse fieri, ut rabies irascentis sine verbere consideret *

140 (1) matrona inter primas honesta, Philomela nomine, quae multas saepe hereditates officio aetatis extorserat, tum anus et floris extincti, filium filiamque ingerebat orbis senibus, et per hanc successionem artem suam perseverabat extendere. (2) ea ergo ad Eumolpum venit et commendare liberos suos eius prudentiae bonitatique … credere se et vota sua. illum esse solum in toto orbe terrarum, qui praeceptis etiam salubribus instruere iuvenes quotidie posset. (3) ad summam, relinquere se pueros in domo Eumolpi, ut illum loquentem audirent … quae sola posset hereditas iuvenibus dari. (4) nec aliter fecit ac dixerat, filiamque speciosissimam cum fratre ephebo in cubiculo reliquit simulavitque se in templum ire ad vota nuncupanda. (5) Eumolpus, qui tam frugi erat ut illi etiam ego puer viderer, non distulit puellam invitare ad pigiciaca sacra. (6) sed et podagricum se esse lumborumque solutorum omnibus dixerat, et si non servasset integram simulationem, periclitabatur totam paene tragoediam evertere. (7) itaque ut constaret mendacio fides, puellam quidem exoravit ut sederet super commendatam bonitatem, Coraci autem imperavit ut lectum, in quo ipse iacebat, subiret

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(5) Einer von den neu angestellten Sklaven kam plötzlich herbeigelaufen und versicherte mir, der Herr sei heftig erzürnt, weil ich schon zwei Tage lang dem Dienst ferngeblieben sei. Ich würde also gut daran tun, wenn ich mir im Voraus irgendeine passende Entschuldigung ausdenken würde. Denn es sei kaum möglich, dass die Raserei des Erzürnten sich lege, ohne dass es Prügel gebe * 140 (1) Eine ehrenwerte Matrone aus den ersten Kreisen, Philomela mit Namen, die oftmals viele Erbschaften unter Einsatz ihres Jugendalters herausgepresst hatte, jetzt eine alte Frau und verblüht, pflegte ihren Sohn und ihre Tochter kinderlosen alten Männern zuzuführen und setzte mit dieser Nachfolgeinstitution ihr Gewerbe dauerhaft fort. (2) Die nun kam zu Eumolp und empfahl ihre Kinder seiner Klugheit und Güte  … sich und ihre Wünsche anzuvertrauen. Er sei der einzige auf dem ganzen Erdkreis, der mit seinen Lehren, noch dazu heilsamen, täglich junge Leute unterweisen könne. (3) Kurz und gut, sie lasse ihre Kinder im Haus Eumolps, damit sie seine Worte hörten  … diese Erbschaft könne man jungen Leuten einzig geben. (4) Und sie machte nichts anderes, als sie gesagt hatte, ließ ihre bildschöne Tochter mit deren Bruder, einem Epheben, im Schlafzimmer zurück und gab vor, sie gehe in einen Tempel, um Gelübde abzulegen. (5) Eumolp, der so ein Biedermann war, dass sogar ich für ihn noch als Knabe galt, lud unverzüglich das Mädchen zu den analusischen Mysterien ein. (6) Doch er hatte allen gesagt, er sei sowohl podagrakrank als auch lahm am Unterleib, und falls er diese Verstellung nicht uneingeschränkt aufrechterhalten hätte, wäre er Gefahr gelaufen, beinahe die ganze Inszenierung zum Scheitern zu bringen. (7) Damit also unserem Schwindel die Glaubwürdigkeit erhalten blieb, bat er nun das Mädchen, sich auf seine empfohlene »Güte« zu setzen, und Korax befahl er, unter das Bett, in

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positisque in pavimento minibus dominum lumbis suis commoveret. (8) ille lente parebat imperio puellaeque artificium pari motu remunerabat. (9) cum ergo res ad effectum spectaret, clara Eumolpus voce exhortabatur Coraca ut spissaret officium. sic inter mercennarium amicamque positus senex veluti oscillatione ludebat. (10) hoc semel iterumque ingenti risu, etiam suo, Eumolpus fecerat. (11) itaque ego quoque, ne desidia consuetudinem perderem, dum frater sororis suae automata per clostellum miratur, accessi temptaturus an pateretur iniuriam. nec se reiciebat a blanditiis doctissimus puer, sed me numen inimicum ibi quoque invenit *

(12) »dii maiores sunt qui me restituerunt in integrum. Mercurius enim, qui animas ducere et reducere solet, suis beneficiis reddidit mihi quod manus irata praeciderat, ut scias me gratiosiorem esse quam Protesilaum aut quemquam alium antiquorum.« (13) haec locutus sustuli tunicam Eumolpoque me totum approbavi. at ille primo exhorruit, deinde ut plurimum crederet, utraque manu deorum beneficia tractat * (14) »Socrates, deorum hominumque !iudicio sapientissimus", gloriari solebat, quod numquam neque in tabernam conspexerat nec ullius turbae frequentioris concilio oculos suos credide-

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dem er selbst lag, zu kriechen, die Hände auf den Boden zu stützen und mit dem eigenen Unterleib seinen Herrn in Bewegung zu setzen. (8) Der kam dem Befehl in langsamem Tempo nach, und die Geschicklichkeit des Mädchens leistete im gleichen Bewegungsrhythmus den Gegendienst. (9) Als es nun so aussah, er werde zum Ziel kommen, forderte Eumolp mit lauter Stimme Korax auf, seinen Dienst zu intensivieren. So hatte der alte Mann in seiner Position zwischen Lohndiener und Freundin seinen Spaß wie in einer Schaukel. (10) Dies hatte Eumolp einmal, zweimal unter gewaltigem Gelächter, auch seinem eigenen, vollzogen. (11) Da machte auch ich, um nicht durch Untätigkeit aus der Übung zu kommen, mich, während der Bruder die marionettenartigen Bewegungen seiner Schwester durch das Schlüsselloch bewunderte, an diesen heran, um zu testen, ob er sich eine Verführung gefallen lasse. Und der überaus gewitzte Knabe entzog sich nicht meinen Zärtlichkeiten, aber auch hier fand mich die feindliche Gottheit * (12) »Die mächtigeren Götter sind es, die mich wieder ganz hergestellt haben. Merkur nämlich, der die Seelen hinunter- und wieder zurückzuführen pflegt, gab mit durch seine Wohltat zurück, was die zornige Hand mir genommen hatte, so dass du nun weißt, dass ich begnadeter bin als Protesilaus oder irgendjemand anderes von den Menschen in alter Zeit.« (13) Als ich dies gesagt hatte, zog ich meine Tunika hoch und bewies mich Eumolp als ganzer Mann. Doch der erschrak zuerst, dann nahm er, um es voll und ganz glauben zu können, die Wohltat der Götter in beide Hände * (14) »Sokrates, nach dem Urteil von Göttern und Menschen der größte Weise, rühmte sich immer wieder, dass er nie in ein Wirtshaus hineingeschaut und nie eine Versammlung irgendeiner größeren Menge seines

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rat. adeo nihil est commodius quam semper cum sapientia loqui« … (15) »omnia« inquam »ista vera sunt; nec ulli enim celerius homines incidere debent in malam fortunam, quam qui alienum concupiscunt. unde plani autem, unde levatores viverent, nisi aut locellos aut sonantes aere sacellos pro hamis in turbam mitterent? sicut muta animalia cibo inescantur, sic homines non caperentur, nisi spei aliquid morderent« * 141 (1) »ex Africa navis, ut promiseras, cum pecunia tua et familia non venit. captatores iam exhausti liberalitatem imminuerunt. itaque aut fallor aut fortuna communis coepit redire ad paenitentiam suam« * (2) »omnes qui in testamento meo legata habent praeter libertos meos hac condicione percipient quae dedi, si corpus meum in partes conciderint et astante populo comederint« * (3) »apud quasdam gentes scimus adhuc legem servari, ut a propinquis suis consumantur defuncti, adeo quidem ut obiurgentur aegri frequenter, quod carnem suam faciant peiorem. (4) his admoneo amicos meos ne recusent quae iubeo, sed quibus animis devorarint spiritum meum, eisdem etiam corpus consumant« …

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Blickes gewürdigt habe. Es ist eben nichts angemessener, als sich immer mit der Weisheit zu unterhalten« … (15) »All dies«, sagte ich, »ist wahr; und kein Mensch sollte schneller ins Unglück geraten als der, welcher fremdes Eigentum begehrt. Wovon aber würden Vagabunden, wovon Taschendiebe leben, wenn sie nicht entweder Kästchen oder Beutelchen mit klingenden Münzen wie Angelhaken in die Menge werfen würden? Wie stumme Tiere mit Futter geködert werden, so würden Menschen nicht gefangen werden, wenn sie nicht irgendetwas an Hoffnung zu beißen bekämen« * 141 (1) »Aus Afrika ist das Schiff, das du versprochen hattest, mit deinem Geld und der Dienerschaft nicht gekommen. Die Erbschleicher sind schon ausgesaugt und haben ihre Freigebigkeit reduziert. Entweder also täusche ich mich, oder unser gemeinsames Glück hat angefangen, seine Huld wieder zu bereuen« * (2) »Alle, die in meinem Testament mit einem Legat bedacht sind, mit Ausnahme meiner Freigelassenen, werden, was ich gebe, nur unter der Bedingung erhalten, dass sie meinen Leichnam in Stücke schneiden und im Beisein der Leute aufessen« * (3) »Bei gewissen Völkern wird, wie wir wissen, bis heute das Gesetz befolgt, dass die Verstorbenen von ihren Verwandten verzehrt werden, was sogar so weit geht, dass man Kranken häufig vorwirft, sie würden die Qualität ihres Fleisches vermindern. (4) Hiermit fordere ich meine Freunde auf, nicht zu verweigern, was ich anordne, sondern mit derselben Gesinnung, mit der sie meinen Geist in sich aufgesogen haben, auch meinen Leichnam zu verzehren« …

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(5) excaecabat pecuniae ingens fama oculos animosque miserorum … Gorgias paratus erat exsequi * (6) »de stomachi tui recusatione non habeo quod timeam. sequetur imperium, si promiseris illi pro unius horae fastidio multorum bonorum pensationem. (7) operi modo oculos et finge te non humana viscera sed centies sestertium comesse. (8) accedit huc quod aliqua inveniemus blandimenta, quibus saporem mutemus. neque enim ulla caro per se placet, sed arte quadam corrigitur et stomacho conciliatur averso. (9) quod si exemplis quoque vis probari consilium, Saguntini obsessi ab Hannibale humanas edere carnes nec hereditatem expectabant. (10) Petelini idem fecerunt in ultima fame, nec quicquam aliud in hac epulatione captabant, nisi tantum ne esurirent. (11) cum esset Numantia a Scipione capta, inventae sunt matres quae liberorum suorum tenerent semesa in sinu corpora« *

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(5) Es verblendete der gewaltige Ruhm seines Geldes Augen und Sinne der Unglücklichen … Gorgias war zur Ausführung bereit * (6) »Was eine Auflehnung deines Magens betrifft, habe ich keinen Grund zu Befürchtungen. Er wird deinem Befehl folgen, wenn du ihm für den Ekel einer einzigen Stunde Entschädigung durch viele gute Dinge versprichst. (7) Schließe nur die Augen und stell dir vor, du würdest nicht menschliche Innereien, sondern zehn Millionen Sesterzen aufessen. (8) Hinzu kommt, dass wir irgendwelche Gewürze ausfindig machen werden, mit denen wir den Geschmack verbessern können. Denn kein Fleisch schmeckt von sich aus gut, sondern wird durch eine gewisse Kunstfertigkeit verfeinert und dem widerstrebenden Magen schmackhaft gemacht. (9) Wenn du aber meinen Rat auch durch Beispiele belegt haben möchtest: Die von Hannibal belagerten Saguntiner aßen Menschenfleisch und hatten doch keine Erbschaft zu erwarten. (10) Die Peteliner taten dasselbe in äußerster Hungersnot, und sie waren doch bei diesem Schmaus auf nichts anderes aus, als dass sie nur nicht hungern mussten. (11) Als Numantia von Scipio eingenommen worden war, fand man Mütter, welche die halb aufgegessenen Leichen ihrer Kinder im Schoß hielten« *

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ANHANG

ÜBERLIEFERUNG UND TEXTKRITIK Die auf uns gekommenen Fragmente von Kap. 1–141 der Satyrica stammen aus einem verlorenen, noch für das 9. Jahrhundert nachweisbaren Kodex, der mindestens die Bücher 14 bis etwa 20 enthielt. Daraus schrieb irgendwann im Mittelalter jemand die Cena Trimalchionis (26,6–78,8) vollständig ab. Eine (nicht sehr verlässliche) Abschrift, die einzige erhaltene, entdeckte man 1650 in Traù (Kroatien); sie wird heute in Paris aufbewahrt (Cod. Lat. 7989) und mit der Sigle H bezeichnet. Alle übrigen Bruchstücke und wenige aus der Cena sind uns nur in Auszügen überliefert. Bei den Textzeugen unterscheidet man zwei Gruppen: die »kurzen Exzerpte« der Handschriften B, R und P, zusammengefasst unter der Sigle O – darin finden sich überwiegend Verseinlagen sowie Äußerungen über Literatur aus Kap. 1–26,5, 55 und 80,9–137,9 – und die »langen Exzerpte« L, die alles von dem uns kenntlichen Text außerhalb der Cena sowie von diesem Textstück Kap. 27,1–37,5 und 55 bieten. Hierbei handelt es sich um ein Konglomerat aus einer verlorenen älteren Exzerptsammlung Λ, das nur von schlechten Handschriften und Drucken repräsentiert wird; für diese stehen als Siglen Kleinbuchstaben. Außer Λ kopierte der Schreiber von L einen verlorenen Kodex der Gruppe O sowie Florilegien, die auf einen verlorenen Archetyp mit der Sigle φ zurückgehen. Wie lückenhaft auch diese Auszüge sind, zeigt der Vergleich von Kap.  27–37,5 mit dem entsprechenden Textabschnitt in H. Der lateinische Text der vorliegenden Bilingue beruht auf der Teubner-Ausgabe von Konrad Müller (Berlin 52003), die als die

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bisher beste zu gelten hat. Diesen Text habe ich jedoch an all den Stellen, die in der nachfolgenden Liste zusammengestellt sind, geändert. Das schien mir erforderlich, weil Müllers Text von dem der ersten Auflage von 1965 nur wenig abweicht, obwohl zahlreiche seit damals erschienene Untersuchungen zu Überlieferung, Sprache und Inhalt der Satyrica Erkenntnisse erbrachten, die dazu raten, den Wortlaut nicht weniger Passagen zu überdenken und in manchen Fällen eine andere Entscheidung zu treffen als Müller. Der von mir jeweils bevorzugten Lesart ist immer ein kurzer Hinweis auf die Quelle beigegeben, also entweder eine auf den handschriftlichen Befund verweisende Sigle, die mit dem Zeichensystem bei Müller übereinstimmt – ich habe darüber oben nur so viel gesagt, wie für ein erstes Verständnis meiner Liste notwendig ist  –, oder der Name eines Forschers, der die Lesart als Konjektur vorlegte. Die Nachweise dazu findet man in der Bibliographie, vor allem in Sektion 3, allerdings nur für Untersuchungen, die nach der Publikation der ersten modernen textkritischen Edition Franz Büchelers in der durch Wilhelm Heraeus besorgten sechsten Auflage von 1922 erschienen; dort möge man sich über ältere Textkritiker informieren.

1,1 2,5 2,7 3,2 4,2 4,3 5,16

Müller

Diese Ausgabe

[ducem] ne … [quidem] regula … stetit nil mirum !si" [im]pellunt Attico †exonerata†

ducem (LO) ne … solum (Bücheler) regula stetit (LO) nimirum (LO) impellunt (LO) atroci (LO) vox onerata (Scheidweiler)

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5,20 6,3 9,6 9,8 10,2 f. 11,3 14,2 14,3 14,7 14,8 15,1 15,2 15,7 16,1 16,3 17,3 17,9 18,3 19,4

19,5 21,2 22,1 22,2 22,5 23,1

23,2 23,3,1 23,3,3 23,5 24,1

nach 16 quod ne … !quidem" †de ruina† laudasti’. … itaque †verti† contubernium nach descendere: [sicel] !quo" lupinos[que quibus] [nostra] †pene† videmus tamen [iam pene] nocturni liberatos Lücke nach faciebat Lücke nach impulsum [illa … steterat] detumuit tres prudentiam infirmissimae scilicet; contra nos, si sexus. sed et ballaenaceam larga marcebant [Syri] revocavit. adiuvit hilaritatem comissantis cymbalistria !e cantus" concrepuit huc !cito" femore !o" [et] [per]fluebant ego

nach 19 (LφO) quo (LO) ne (L) de ruina (L) laudasti’. itaque (L) vesticontubernium (Turnebus) nach fidem? [sicel] lupinosque quibus (Schmeling) nostra (L) perite (Leary) videamus (L) mulierique iam paene placebat (Vannini) liberatus (Vannini) keine Lücke (L) keine Lücke (LO) illa … steterat (LO) detonuit (LO) mille (LO) providentiam (rtp) infirmissimae, scilicet contra nos, !quibus", si (Dousa) sexus esset. (L) at (l) gallinaceam (Neumann) longa (L) manebant (l) Syri (L) revocavit !comissantes". adiuvit hilaritatem [comissantis] cymbalistria (Vannini) congemuit (L) huc (L) femore (L) et (pt) profluebant (pt) ergo (Vannini)

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24,3 25,2 26,2 26,9 26,10 27,1 27,4 27,5 29,6 30,1 30,3 30,7 32,2 34,3 34,4 34,8 35,4 35,6 37,6 38,1 38,5 38,8 38,9 38,15 39,4

41,2 41,4 41,9

ut [nostram] [et … nostram] [quoque] ›quid vos?‹ inquit et bucinatorem [usque hoc] balneum ludentium miraremur Menelaus !cum" cornu †multaciam† pendebat. !erant" et [dextros] excluserat !supel"lecticarius everrere !eorum" qui luxatae oclopetam panem … atque est ubi putes. est lana citrea culcit[r]as [et] subalapa avis, … cocos esse. nam … afferri, sicut … fer[i]culus †ta mel† habuit praxim. quod dimissus !est" invitare … [convivarum sermones]

ne (Goldast) vestram (Dousa) [et] … nostram (Bücheler, LO) quoque (LO) ›quid? vos‹ inquit (Schmeling) [et] bucinatore (Magnusson) usque hoc (H) balneo (H) ludentum (H -tem) miramur (H) [Menelaus] (Vannini) cornu (HL) multa iam (Anton) pendebat, et (HL) dextros (H) exeruerat (Stöcker) lecticarius (HL) verrere (HL) qui (H) laxatae (HL) lusciniam (Ammannati) panem atque (HL) et ubi (H) putes est. (Vannini) la!i"na (George) credrae (H) culcitras (H) et (H) sub alapa (H) avis, cocos (Bücheler) esse: nam … afferri, sicut … fericulus talem habuit praxim, (Vannini, Vine) quid (H) dimissus (H) invitare convivarum sermones (H)

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41,10 42,2 43,7 43,8 44,5 44,6 44,9 44,16 45,6 46,2 47,4 47,5 47,13 48,4 48,7 50,1 50,7 51,2

51,5 52,10 53,12

54,3 55,3,1 55,3,2 55,6,2 57,11 58,2 58,3 58,7 59,3

†pataracina† balniscus vixit. †cui datum est, pullarius †similia sicilia interiores† et [sed] a dis a diibus pater. male! ut depravavit vetare vetuo cocum quidem etiam II †poricino† est et[iam] quod ergo munere … deinde reporrigere Caesarem solium [et] credo cornic!in"es [animalia] acroamata !rid"iculum fit !ubique, nostra" et supra pascitur [in] ingenuum numerasti? … quid [qui tibi non imperant] et !ei" qui critica et alogas menias ut insolenter solent,

pataracina (H) baliscus (H) vixit, cui datum est? (Conte) puellarius (H) !si" simila siligine inferior e!ra"t, (Sullivan) sed (H) [a dis] (Schmeling) !ab" aedilibus (Schmeling + H) pater. male ut (Labate) disparpallavit (Cholodniak) [vetare] (Kaibel) vetui (H) quidem cocum (H) autem (H) tres (H) porclino (Gilmore) est, etiam (H) quid (H) erga (Glei) munere. deinde (H) se porrigere (Petersmann) Caesari (H) coleum (H) et credo (H) cornices (H) animalia (H) acromata (Petersmann) ioculum (Öberg) fit (HLφ) et super (HLφ) nascitur (HLO) in ingenuum (H) numerasti? quid (H) qui tibi non imperant (H) et qui (H) arithmeticas, astrologias, harmonias (Daniel) [ut insolenter solent,] (Cucchiarelli)

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60,7 61,8 62,9 62,11 62,12 63,5 64,6 64,9 64,12 67,7 68,2 71,10 71,11 72,4 73,2 73,5 74,6 74,9 74,13 75,7 77,4 78,1 79,6 79,7 79,8,5 80,5 80,7 82,3 83,4 85,4 86,4 88,1 88,5 88,8

fer[i]culum negatum. … fecit. assem et †matauitatau† umbras pecora …: †hac nostri† valebat: poterat semesum hortatusque !est" usus !est" barcalae fer[i]culo faciantur facias ponas subsequi !coepit" angustum !tem"perabatur ›quid vos‹ inquit Trimalchioni meminit? [se] tabulari †cusuc† attulit … iussitque nos temptare *†vehiculis dives† †per eandem terram† mortales [salva] [sine gladio] ›quid tu‹ inquit [etiam] pictorum †artaverat† consurrexi … ad coepi … excutere comprehendit [Capitolii]

fericulum (H) negatum. fecit assem, (H) et [matauitatau] umbras (Vannini) pecora !mactavit": (Vannini) [hac] nostri (Schmeling) valebat [poterat] (Schmeling) semissem (H) hortatusque (H) usus (H) babaecalae (Heinsius) fericulo (H) faciatur (H) facies (H) pones (H) subsequi (H) augustum (Woodman bei Frischer) pervaporabatur (Frischer) ›quid? vos‹ inquit (Schmeling) Trimalchionem (H) meminit se? (H) trabali (Scheffer) casa (Corbett) attulit iussitque (H) nos !Trimalchio" temptare (Öberg) εὐάρματος (Zawadzka/Kwapisz) per eandem fenestram (Schmeling) mortalis (L) salva (rtp) sine gladio (L) ›quid? tu,‹ inquit (Schmeling) [etiam pictorum] (Fraenkel bei Müller) adiuverat (Vannini) consurrexi !et" ad (Fraenkel bei Müller) coepi !ac rogare ut" (Habermehl) excutere!t" (Habermehl) comprehenderat (L) Capitolii (LφO)

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89,31 89,39 90,2 90,6 92,6 95,5

†minor† luminibus … fulmineum †poetam vocaret† ne [et] et postquam †tot hospitum potionibus liber† 98,3 perditum 101,2 f. munere‹. inundatus 101,7 †ponimus† 102,4 vel !nil" dormienti 102,12 vincla 105,6 ergo !ea" 105,11–106,1 venissent … concitatus 107,1 officium [legatum] 107,7 deprecationem [supplicis] 107,15 exussit 108,2 f. convertit. … negat 108,8 [tonsor] 108,13 protendit 109,3 [si quaesieris] 111,10 vini [certum ab eo] odore 112,6 conditorium !commune" familiari ac viro faceret 113,1 [et] erubescente 113,8 communi vocabat 114,3 †Siciliam modo ventus dabat† saepissime [in oram] Italici 114,7 !exanimatam" 114,11 voluerit !mare" misericors 115,12 manibus 116,2 quod 117,2 lautius quod 117,12 ›quid vos‹ inquit 118,6 †sententiarum tormentum† 119,9 †cum†

eminus (Courtney bei Habermehl) luminibus, †fulmineum† (Habermehl) !quoque" poetam vocare!n"t (Fuchs) ne et (L) at postquam (L) tot hospitum potionibus liber (LO) propositum (Habermehl) munere‹. * inundatus (rtp1) ponimus (L) vel dormienti (L) vincula (rtp) ea (Vannini) venissent. concitatus (L) officium (rp) deprecationem (rtp1) excussit (L) convertit. negat (L) tonsor (L) praetendit (Muret) si quaesieris (LO) vini odore (φltv) conditorium familiari ac viro sacraret (Vannini) erubescente (lrp) communicabat (Vannini) Sicilia modo ventum dabat (Vannini) saepissime Italici (lrp) !peremptam" (Vannini) voluerit misericors (L) manu (rtp) quid (L) quod latius (Vannini) ›quid? vos‹ inquit (Schmeling) sententiarum tormentum (LO) captum (Magnelli)

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119,11 119,14 119,17 119,22 119,23 119,47 119,49 119,51 123,221

†accusatius† Tauri aerata nobilis annos … [namque … ruina] iam plebem nach 237 [quantum … ipse] 123,229 pectora 123,230 = 230a und 230b 123,233–237 nach 220 124,2 quod 126,1 superbiam 126,15 †scripturam† 127,5 miranti †et 128,6,4 [thesaurosque … ora] 129,8 Gitonem relega 131,8,8 †sua rura colebant† … 133,3,3 f. Lydus … †semper flavius† 134,1 [in] nocte 134,2 ne 134,7 ›quid vos‹ inquit 134,12,11–16 [tantum … ponam.] 135,3 [et]iam 135,6 veluti muscarum 135,8,4 terrae … 135,8,13 f. et … racemis / inter … coronas … 135,8,16 †loquentibus annis† 135,8,17 †Bachineas veteres mirando† 136,4 [sacri] 137,1 etiam loqueris 137,6 liceat … si 137,10 [plenas] 139,2,2 Inachiae … ira

attulerant (Fuchs) auro (LO) aurata (LO) mobilis (mehrere Hss.) annos. (LO) namque – hoc … ruina – (LO) tam (LO außer t) praedam (LO) nach 220 (LO) quantum … ipse (LO) pignora (Tandoi) = 230 (LO) nach 232 (LO) quid (LO) superbia !pecunia"m (Courtney) curvaturam (Fraenkel bei Müller) mirabiliter (Müller 21978) thesaurosque … ora (LφO) Gitona ne roga (Boschius) sua rura colebant. (LO) litus … septifluum (Fiaccadori) in nocte (L) nec (L) ›quid? vos‹ inquit (Schmeling) tantum … ponam. (LO) etiam (L) [veluti] museorum (Neumann) terrae (LO) inter … coronas / et … racemis: (LO) loquentibus annis (LO) Battiadae veteris mirandam (Setaioli) sacri (LO) et loqueris (O) liceret, si (Vannini) plenas (L) Inachia … ora (rt)

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139,2,4 140,5 141,4 141,8

†tulit inscius arma† Aphrodisiaca devoverint corrumpitur

tulit inscius arma (L) pigiciaca (L) devorarint (Conte) corrigitur (Conte)

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INHALTSÜBERSICHT 1–5: 6–11: 12–15: 16–26,6: 26,7–78:

79–82: 83–90:

91–99: 100–115: 116–124:

125–139: 140 f.:

Enkolp und der Rhetoriklehrer Agamemnon unterhalten sich über den Verfall der Beredsamkeit. Enkolp und Askylt rivalisieren um die Gunst Gitons. Marktszene: Tausch von Diebesgut gegen Diebesgut. Sexualorgie bei Quartilla. Gastmahl des Trimalchio. Exposition (26,7–30,11): Vorstellung Trimalchios. Steigende Handlung (31,1–52,9): Unbeschwerter Genuss und allgemeine Bewunderung der Tafelfreuden. 1. Peripetie (52,10 f.): Fortunata ermahnt Trimalchio. Fallende Handlung Teil 1 (53,1–65,2): Erste Störungen der Tafelfreuden. 2. Peripetie (65,3–7): Späte Ankunft des Habinnas. Fallende Handlung Teil 2 (65,8-72,1): Das Gastmahl geht allmählich in ein Totenmahl über. Retardation (72,2–73,5a): Die Gäste im Bad. Finale (73,5b-78,8): Das Gastmahl als »Generalprobe« für das Totenmahl an dem Tag, an dem Trimalchio sterben wird. Enkolp und Askylt rivalisieren um die Gunst Gitons. Begegnung Enkolps mit dem Dichter Eumolp in einer Bildergalerie. 85–87: Novelleneinlage: Der Ephebe von Pergamon. 89: Längere Verseinlage: Die Eroberung Trojas. Neue Rivalitäten wegen Giton. Seefahrt mit Lichas und Tryphaena, Sturm und Schiffbruch. 111 f.: Novelleneinlage: Die Matrone von Ephesus. Ankunft Enkolps, Gitons und Eumolps in Kroton, der Stadt der Erbschleicher. 119–124: Längere Verseinlage: Der Bürgerkrieg. Enkolp ist bei Circe impotent; Oenothea versucht, ihn zu heilen. Eumolp und die Erbschleicher von Kroton.

ÜBERSICHT ÜBER DIE METREN DER VERSEINLAGEN Alle von Petron verwendeten Metren werden hier in der Reihenfolge vorgestellt, in der sie im Text jeweils erstmals erscheinen. Dabei steht immer am Anfang eine Liste der Verseinlagen, in denen das Metrum verwendet ist; darauf folgen das metrische Schema und (gegebenenfalls) kurze Bemerkungen dazu. 1. HINKIAMBUS (CHOLIAMBUS): 5,1–8. hjfjhjfjfjjh In V. 8 beginnt der erste Versfuß statt mit einer Länge oder Kürze mit zwei Kürzen. 2. DAKTYLISCHER HEXAMETER: 5,9–22; 68,4; 83,10; 108,14; 111,12; 112,2; 119–124,1; 127,9; 128,6; 131,8; 132,11; 133,3; 134,12; 135,8; 136,6; 139,2. jhjhjhjhjhjhjhjhjhjhjh 3. ELEGISCHES DISTICHON: 14,2; 18,6; 34,10 (hier folgt auf zwei Hexameter ein Pentameter); 55,3 (2 [unvollständige] Hexameter + 1 Pentameter); 80,9; 82,5; 109,9; 126,18; 132,15; 137,9. jhjhjhjhjhjhjhjhjhjhjh jhjhjhjhjejffjffj 4. HENDECASYLLABUS (ELFSILBLER) ODER PHALAECEUS: 15,9; 79,8; 93,2; 109,10. jjjffjfjfjf 5. SOTADEEN: 23,3 (V. 1 und 3 verkürzt überliefert); 132,8. gjgjffejjffejfgjgfjj ejfjfe Wenn man in V. 1 von 23,3 mit Lucian Müller zwischen huc huc und convenite ergänzt (so in der Ausgabe von K. Müller), wird das mittlere Metrum, wie oben in der zweiten Zeile gezeigt, ditrochäisch gemessen, was durchaus möglich ist.

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Ü B E R S I CH T Ü B E R D I E M ET R E N D E R V E R S E I N L AG E N

6. IAMBISCHER SENAR: 55,6; 89. g jggjgg jggjggf jggjggf jggjggj ef f fggjgfg In dem Trojagedicht (Kap.89) sind die Senare »moderner« gebaut als die dem Publilius zugeschriebenen in 55,6: Eumolp misst das dritte und siebte Element immer kurz und das neunte Element nur entweder lang oder als Doppelkürze. 7. TROCHÄISCHER SEPTENAR: 58,8; hier in dieser Varante: jjjjjjffjjjffjjfj

ERLÄUTERUNGEN Vorbemerkung: * bezeichnet im lateinischen Text eine durch die Handschriftenüberlieferung eindeutig angezeigte Textlücke. Was in dem ausgefallenen Text gestanden haben könnte, wird nur angesprochen, wenn es für das Verständnis des Zusammenhangs unbedingt notwendig erscheint. In Cruces († … †) gesetzte Wörter sind, wenn sie offensichtlich keinen Sinn ergeben, nicht ins Deutsche übertragen, weshalb dort wie bei Lücken innerhalb eines Satzes nur … erscheint. Auch nicht übersetzt habe ich alles, was in eckigen Klammern steht; diese zeigen an, dass der darin enthaltene Text als nicht von Petron stammender Zusatz eines Redaktors oder Abschreibers zu gelten hat. 1,1

1,2 1,3

2,1 2,2

(Enkolp:): Der Ich-Erzähler (zum Namen zu 20,7) redet gerade den Rhetoriklehrer Agamemnon an. Deklamatoren: Redner in einer Rhetorenschule. Dort liegen den Redeübungen, wie Enkolp im Folgenden in (offenbar scherzhafter) Anlehnung an zeitgenössische Klagen über den Verfall der Beredsamkeit darlegt, Themen zugrunde, die nichts mit der Gerichtspraxis zu tun haben. ›Diese Wunden …‹: Enkolp fingiert die Übungsrede eines Deklamators, der sich in einen im Dienste des Vaterlandes verwundeten Soldaten versetzt; diesen lässt er unfreiwillig komisch sprechen, da durchhauene Kniekehlen als Schande galten. Sentenzen: Sie wurden besonders gerne in Übungsreden eingelegt. Forum: als Ort für Gerichtsverhandlungen. Seeräuber  …: Wie man sieht, liegen den »Fällen« fiktive Ereignisse zugrunde, die man in Mythos und romanhafter Erzählung finden konnte; Enkolp übersteigert sie hier sogar ins Groteske. Antike Sammlungen solcher »Fälle« inspirierten zeitgenössische und spätere Erzähler bis hin zu den mittelalterlichen Gesta Romanorum (»Die Taten der Römer«). mit Ketten: um sie ihren Gefangenen anzulegen. Mohn und Sesam: Gewürze für römische Honigkuchen. Geschmack haben: Die andere Bedeutung von sapere (»Verstand haben«) will mitgehört sein. Ihr habt  …: Gemeint sind der Rhetoriklehrer Agamemnon, den Enkolp direkt anspricht, und seine Kollegen. erschlaffte und in sich zusammenfiel: Das von Enkolp gebrauchte, durchaus

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2,3

2,4

2,5

2,6

2,7

gängige Bild von der Rede als einem Körper, hier einem, der seine Kraft verloren hat, wird erweitert durch die Vorstellung von einem erigierten Glied (lat. nervus), das erschlafft ist. Sophokles  … Euripides: Zwei der drei bedeutendsten Tragiker des 5.  Jahrhunderts v. Chr. (497/96–406/05 bzw. 485/80–406) stehen hier für eine »gute alte« Zeit, in der, wie Enkolp behauptet, ohne Rücksicht auf die Vorgaben der Rhetorenschule frei formuliert wurde. Pindar: Chorlyriker (um 520-nach 446 v. Chr.), der innerhalb des von alexandrinischen Gelehrten des 3.  Jahrhunderts v. Chr. zusammengestellten Kanons der neun »klassischen« griechischen Lyriker (außer ihm Alkaios, Sappho, Anakreon, Alkman, Stesichoros, Ibykos, Simonides und Bakchylides) als der größte Dichter galt; gemeint ist also: »P. und die anderen, die mit ihm zu den neun Lyrikern zählen.« Wie die beiden vorher genannten Tragiker bedienen sich auch diese Lyriker einer eigenen Diktion, indem sie nicht die des großen Epikers Homer (Mitte 8. Jh. v. Chr.) – seine Verse sind im Metrum des Hexameters geschrieben – verwenden. Platon  … Demosthenes: Der Philosoph (um 427-um 347 v. Chr.) und der Redner (384–322 v. Chr.) sind hier als die beiden führenden griechischen Prosaiker genannt. Die erhabene  …: Wie in 2,2 haben wir das Bild von der Rede als einem Körper, diesmal einem weiblichen: Die ideale Frau in der Antike war großgewachsen – »erhaben« ist aber auch zusammen mit »mittel« und »schlicht« Bezeichnung eines bestimmten Stilniveaus  –, sexuell enthaltsam und weder befleckt (z. B. durch Schminke oder im moralischen Sinne) noch aufgedunsen. Kürzlich: Die Konkurrenz zwischen »asianischer« Rhetorik, die sprachlich auf dem in Westkleinasien gebräuchlichen Griechisch fußt, und dem Attizismus, der auf den Athener Dialekt des 5./4. Jahrhunderts v. Chr. rekurriert, ist hier nicht zeitlich exakt bestimmt – sie beginnt im 1. Jahrhundert v. Chr. –, sondern nuper ist einfach als ein »jetzt« der dekadenten Moderne gegenüber der »guten alten Zeit« zu lesen. sich zu Großem aufrichtend: surgere wird auch für das »sich Erheben« eines Penis verwendet (zu 2,2). Pestgestirn: Man glaubte in der Antike, dass Sterne das Leben der Menschen lenkten und ihnen u. a. Krankheiten schickten. Der Standard … erstarrte und verstummte: Durch die etwas gekünstelte Metapher stellt Enkolp seine Kritik am Asianismus (unbewusst?) in Frage.

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2,8

2,9 3,1

3,2 4,2

4,3

4,5

5,1

5,5

Thukydides … Hypereides: Der Geschichtsschreiber (um 455–400 v. Chr.) und der Redner (389–322 v. Chr.) sind hier als Meister der attischen Prosa genannt. von gesunder Farbe … ein hohes Alter: zu 2,2 und 6. Schnellverfahren: Welche Maltechnik Enkolp hier meint, lässt sich nicht eindeutig bestimmen. Agamemnon: vermutlich ein Freigelassener; mit dem gleichnamigen Heerführer der Griechen im Kampf um Troja teilt er einen gewissen Opportunismus: Wie diesem Prestige und persönliche Ehre wichtiger sind als die Erhaltung der optimalen Schlagkraft seiner Armee (Homer, Ilias 1,1 ff.), so liegt dem Rhetoriklehrer das persönliche Wohlbefinden mehr am Herzen als die optimale Unterweisung seiner Schüler. deklamierte: Enkolps Rede erinnert stilistisch an eine Deklamation (zu 1,1), während Agamemnon vorher »schwitzend« tatsächlich eine hielt, wie man erschließen darf. Cicero: der berühmte römische Redner (106–43 v. Chr.), aus dessen Rede Für Caelius Agamemnon zitiert (41). Hoffnungen: d. h. ihre Kinder, auf die sie ihre Hoffnungen setzen. stoßen … aufs Forum: d. h. sie verlegen übereilt die Studien der Kinder, die noch im Stadium des Elementarunterrichts sind, auf das Forum (zu 1,2), wo dieser nicht hingehört. Wörter ausjäten: aus der mit Wachs beschichteten Schreibtafel, also Metapher für »radikal entfernen«. ›erhabene Rede‹: Agamemnon zitiert Enkolps Formulierung in 2,6. Lucilius: Verfasser von (bis auf Fragmente verlorenen) Satiren in Versen, über die Horaz in seinen Satiren 1,4 und 1,10 schreibt, sie seien nicht sorgfältig ausgearbeitet. Also kann Agamemnon ein Stegreifgedicht in der Art des Lucilius vortragen. Vielleicht antwortet er damit auf eines, das Enkolp ihm in dem vor Kap. 1 verlorenen Text darbot. Wenn jemand …: Im Folgenden entwickelt Agamemnon sein Bildungsprogramm für den Rhetorikschüler, zunächst in Hinkjamben (1–8) die moralischen, dann in Hexametern (9–22) die literarischen Voraussetzungen für den optimalen Unterricht. Klient: Im römischen Gesellschaftssystem ein römischer Bürger, der einen besonders einflussreichen und wohlhabenden Mitbürger, seinen Patron, politisch und finanziell unterstützt, wofür er von ihm Rechtsschutz erhält.

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5,9–11

5,12 5,13 5,14 5,15

5,17

5,20

5,22 6,1

6,2 7,3

8,2 8,3

die Burg …: Gemeint sind die Akropolis in Athen (die Stadt der Tritonis = Pallas Athene), das von Lakedämoniern (= Spartanern) gegründete Tarent und Neapel, wo Parthenope, eine der Sirenen (= Mischwesen aus Frau und Vogel, die mit ihrem Gesang die an ihren Klippen vorbeifahrenden Seeleute betören, so dass diese Schiffbruch erleiden; vgl. Homer, Odyssee 12,158 ff.), begraben sein soll, als Studienorte. mäonisch: Adjektiv zu Mäonien (= Lydien), woher Homer (zu 2,4) stammen soll. sokratische Herde: die Schüler des Philosophen Sokrates (469–399 v. Chr.), darunter Platon (zu 2,5), die man zur Sprachschulung studierte. Demosthenes: zu 2,5. die römische Schar: gemeint ist wohl die römische Öffentlichkeit auf dem Forum (zu 1,2), mit der im Umgang der im Griechischen geschulte Rhetor für seine lateinische Rhetorik profitieren soll. Lektüre …: Mit schnellem Gang bewegt sich der jambische Trimeter, der Sprechvers der Tragödie, die von den Wechselfällen des Schicksals handelt, von Kriegen erzählt das Heldenepos. Cicero: zu 3,2. Er steht hier für vorbildliche Rhetorik, und »unbezwungen« ist er, weil er sich seinem politischen Gegner Marcus Antonius als Redner nicht beugte. pierisch: Adjektiv zu Pierios, der in bestimmter mythischer Überlieferung Vater der neun Pieriden (= Musen) ist. ihm: vermutlich Agamemnon, aber vor et dum dürfte Text ausgefallen sein, in dem man mehr über Askylts Flucht und darüber erfuhr, warum Enkolp Grund hat, ihm dann so rasch zu folgen. Nach fugam fehlt auf jeden Fall etwas. Askylt: wahrscheinlich von griech. áskyltos »unermüdlich«. Suasorie: Übungsrede, mit der sich der Sprecher in eine bestimmte Person versetzt, z. B. wenn diese etwas zu entscheiden hat oder in einer Streitfrage ihren Standpunkt vertritt. Sentenzen: zu 1,2. Schilder: Sie hingen über den Türen zu den Zimmern jeder Prostituierten und zeigten an, wie sie hieß und ob sie gerade verfügbar war, vielleicht auch, was sie bot und wie viel sie dafür verlangte. Familienvater: gemeint ist ein respektabler Herr. sein teures Ding: Peculium bedeutet »Besitz, Vermögen«, ist aber auch eines von vielen Wörtern für das männliche Glied.

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8,4

9,1

9,2 9,5

9,6

9,8

einen As gefordert: Sie ist also bereit, ihr Zimmer an den »Familienvater« kurzfristig zu vermieten. As ist eine Kupfermünze. abgestraft: euphemistisch für »gewaltsam penetriert«. So kräftig …: Der Satz dürfte nicht mehr zu Askylts Bericht gehören. Das darin erwähnte Satyrion, ein Aphrodisiakum, würde zu dem Bordell passen, von dem vorher die Rede war, ubique weist aber eher auf einen Ortswechsel. Nach der Textlücke ist zusammenhangslos offenbar erneut von sexueller Nötigung (Askylts? Enkolps?) die Rede. Anschließend fehlt der Bericht über den Ausgang der Szene mit dem »Lästigen« und darüber, wie Askylt und Enkolp, bevor dieser zunächst allein in seine Unterkunft zurückkommt, wieder auseinander geraten. Wie durch …: Vorher muss erzählt worden sein, wie es zwischen Askylt und dem Knaben Giton (von griech. geíton »Nachbar«, hier als der Geliebte Enkolps, in dessen Nähe er sich meist aufhält) zu einem Sexualakt kommt. Giton begibt sich danach wohl auf die Gasse, um nach Enkolp zu suchen, und wird von ihm dort erblickt. mein Brüderchen: Bezeichnung entweder für einen Freund (»Kumpel«) oder für einen Sexualpartner, was hier auf Giton – er ist der Knabe – zutrifft. zückte er sein Schwert: Die Waffe kann auch metaphorisch für das männliche Glied stehen. Lucretia: Sie wird der (eher mythischen) Überlieferung zufolge von Sextus Tarquinius, dem Sohn des letzten römischen Königs Tarquinius, vergewaltigt. Der von Giton geschilderte Geschehensablauf ist an demjenigen in der Darstellung des Titus Livius (Ab urbe condita 1,58) orientiert (stellenweise sogar im Wortlaut), aber auf komische Weise in ein niedriges Milieu transponiert. Denn Giton hat im Gegensatz zu Lucretia keine »Keuschheit«, die man ihm rauben könnte. streckte ich …: Drohgebärde. nicht einmal der Atem rein: Von einem Mann, der einen anderen fellierte – das wird Askylt hier implizit unterstellt –, sagte man in der Antike, er rieche schlecht aus dem Mund. Schwertkämpfer (= wörtl. für gladiator): Schwerlich wird Askylt konkret als Gladiator beschimpft, so dass die wörtliche Bedeutung »den die Arena vom finanziellen Ruin erlöst hat« (Hinweis von Dániel Kiss) metaphorisch zu verstehen und entsprechend zu übersetzen ist (vgl. zu 9,5). Der »Ruin« wäre dann ein Zusammenbruch vor oder beim Koitus, also Impotenz, die zur Entlassung aus dem »Kampfplatz« Bett führt.

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9,9

10,1 10,2

10,4

10,6

11,2 11,4

12,2 12,5 13,2 13,4

14,2

Stoßkämpfer: Es folgen weitere Kampfmetaphern mit sexueller Konnotation, die Wiederholung des Vorwurfs, Enkolp sei impotent – die »anständige Frau« ist eine, die im Gegensatz zu einer Prostituierten nicht Potenzhilfe durch fellatio leistet (zu 9,6) – und der Verweis darauf, dass Askylt auch schon Enkolps »Brüderchen« (zu 9,2) war. Glasscherben und Traumdeutereien: übertragen für Lappalien und leeres Gerede. Herkules: der bekannte Held, der nach seinem Tod unter die Götter aufgenommen wird. der du …: Enkolp hat Agamemnon, der ja auch Verse vortrug, insofern zumindest implizit »gelobhudelt«, als er mit ihm über den Verfall der Beredsamkeit diskutierte. Vielleicht hat er dadurch erreicht, dass der Rhetor ihn zum Gastmahl des Trimalchio mitnehmen wird (vgl. 26,8). Aber das ist ganz unsicher (zu 10,6). das Unrecht: Askylts Sache mit Giton oder seine beleidigenden Worte, also wohl nichts, was in dem zwischen 10,3 und 4 ausgefallenen Text stand. Geschäfte: Vermutlich ist Prostitution gemeint. Abendessen: Es kann nicht mit der cena bei Trimalchio identisch sein, da diese nicht »heute« stattfindet (vgl. 26,7). Wenn die Freunde als »Studenten« eingeladen sind – dass Enkolp als solcher gelten darf, hat er gegenüber Agamemnon gezeigt –, hat der Rhetor ihnen vielleicht schon diese Einladung vermittelt (zu 10,2). Umhang: Amiculo ist Ablativ zu amiculum, aber auch zu amiculus (»Freundchen«); das Wortspiel lässt sich im Deutschen nicht nachahmen. teilen: Rückbezug auf die Teilung der Habseligkeiten in 10,4, aber auch doppeldeutig: dividere kann euphemistisch für pedicare (»in den Arsch ficken«) stehen. In dem nach diesen Worten Askylts ausgefallenen Text muss er sich mit Enkolp irgendwie versöhnt und wieder zusammengetan haben. Diebestour: ein nur in Konturen rekonstruierbares Abenteuer. Tunika: knielanges römisches Untergewand. Was es mit dem Kleidungsstück auf sich hat, wissen wir nicht. die Einlage: das eingenähte Gold. bei dir beklagt: Offenbar war Enkolp schuld am Verlust der Tunika. Interdikt: Prozess, bei dem der Richter rasch entscheidet, welcher von zwei sich um den Besitz einer Sache streitenden Parteien diese zuzusprechen ist. Was richten Gesetze aus …: Die im Original aus drei elegischen Distichen

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14,2,2 14,2,3

14,2,6 14,3 14,5

15,2

15,5 15,8

15,9 16,2 16,3

bestehende Verseinlage folgt in den Handschriften auf Enkolps Vorschlag, man solle den Rechtsweg gehen. Sie passt jedoch mit ihrer Klage über die Korruption der Gerichte nicht zu Enkolps Worten, weshalb sie von den Herausgebern hinter Askylts Gegenvorschlag gestellt werden; auch dort fügt sie sich freilich nicht glatt ein. Gedanklich direkt schließt sie an fidem? an; daher ist sie in dieser Ausgabe dahinter gesetzt. den Sieg davontragen: vor Gericht. Kyniker: Vertreter einer philosophischen Schule, die, im 4.  Jahrhundert v. Chr. in Griechenland begründet, das Glück von Bedürfnislosigkeit abhängig macht. Die Kyniker waren für ihren ärmlichen Aufzug – dazu gehörte der Rucksack – und ihren moralkritischen Spott bekannt. Ritter: Angehöriger des zweiten Standes in Rom, der wie der erste, derjenige der Senatoren, Richter stellte. Zwei-As-Münze: zu 8,4. die Stickerei: Eine solche ist vermutlich eher gemeint als »Kennzeichen« (welche sollten das sein?); sie war wohl in dem vorausgegangenen (verlorenen) Text erwähnt. zwielichtige Rechtsgelehrte: Wer sie sein könnten, ist umstritten. Am plausibelsten scheint der Vorschlag von Breitenstein (2009, 203): Die Geschäftemacher (14,7; 15,4) oder eine Untergruppe, die sich nach der Rede Askylts (15,1) geprellt sehen, »spielen sich mit juristischen Argumentationen als ›Advokaten‹ auf.« Beutemacher: die als Rechtsgelehrte auftretenden Geschäftemacher. wie wir glaubten: erster Hinweis darauf, dass das Gold sich nicht mehr in der Tunika befand? Wir kennen den Ausgang des Abenteuers nicht, aber ein solcher wäre gut denkbar, da der Roman auch sonst immer wieder vom Missgeschick der Protagonisten erzählt. falsche Ankläger: offensichtlich der Bauer und die Frau. Ich will nicht …: im Original zwei Verse in Hendekasyllaben (Elfsilblern). von alleine: Dafür gibt es sicher eine natürliche Erklärung, aber die Szene soll offenbar eine Epiphanie (»Göttererscheinung«) evozieren. bei dem Bauern: vgl. 12,3. Habt ihr geglaubt: aus dem erhaltenen Text nicht verständlich. Ritual … vor der Krypta: 17,8 zufolge zu Ehren Priaps, des Gartengottes mit dem überdimensionalen Phallus. Die hier und 17,8 erwähnte Störung ist für Quartilla vermutlich nur Vorwand für die 20 ff. erfolgenden »Sexualstrafen«.

373

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17,4 17,7

17,9

18,3 18,6 19,1 19,5 20,1

20,2

20,5

20,7

21,2

21,6 21,7

22,3

Gaunereien: offenbar Anspielung auf den Manteldiebstahl (12–15). im Traum: Darin erschien ihr, von ihr herbeigewünscht, vermutlich Priap; die von ihm empfohlene »feinsinnige Methode« ist Sex – er galt als Heilmittel gegen Fieber – mit den jungen Männern. Ich strecke …: Quartilla verbindet hier auf amüsante Weise zwei Gebetshaltungen, die schwerlich gleichzeitig einzunehmen sind. kaum tausend Menschen: Man hat tres (»drei«) konjiziert (M könnte durch Verschreibung aus III entstanden sein). Aber da es sich bei den nächtlichen Ritualen um Sexorgien handelt, bei denen Quartilla es mit vielen Männern getrieben haben dürfte, ist es doch wohl ein komischer Versprecher, durch den sie sich verrät. der Gott: Priap (zu 17,7). Beleidigt zu …: im Original Gedicht in elegischen Distichen. Schmierenkomödianten: wörtl. Schauspieler in einem Mimus (= komischer Sketch). hochgeschürzt: zum Ringkampf gut vorbereitet. »Ich bitte dich, Herrin …: Es beginnt die Sühnung des vermeintlichen Sakrilegs gegen Priap (16,3; 17,8) in Form von Sexualstrafen im Rahmen einer dreitägigen Orgie. Psyche: vermutlich identisch mit der Magd in Kap. 16. Sie stimulierte mein Glied: ob manuell oder oral, ist unklar. Jedenfalls erscheint Enkolp hier erstmals impotent wie später erneut in Kap. 128 ff. Gesprächsstoff: Die Bedeutung von deficiente fabularum contextu ist unsicher. Es könnten auch obszöne Mimen (zu 19,1) gemeint sein, die gerade aufgeführt worden und nun beendet waren. Enkolp: Der Name (»der, welcher am Busen liegt«) fällt hier zum ersten Mal. Satyrion: zu 8,4. mit besonders eklig stinkenden Küssen: zu 9,6. Majoranzweig: Der wilde Majoran (oreganum vulgare) wurde als Aphrodisiakum verwendet. Falerner: edler Weißwein aus Kampanien. Genius: normalerweise der Schutzgeist eines Menschen, der ihn durchs Leben begleitet. Man opfert ihm, besonders an Geburtstagen. Hier und auch sonst wird er mit einer Gottheit in Verbindung gebracht. Triklinium: römisches Speisezimmer mit (meist) drei Speisesofas um einen Esstisch.

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22,6 23,3

23,3,4 23,5

24,1

24,7

25,1 26,7

26,9

26,10 27,1 27,4

Trikliniarch: der Arrangeur des Mahles. Hierher …: im Original ein Gedicht in Sotadeen, die im überlieferten Text metrisch nicht einwandfrei gebaut sind; es ist jedoch fraglich, ob Emendation nicht etwas korrigiert, was vielleicht unfertig klingen soll. des Deliers: des auf Delos geborenen Heilgottes Apollo, der imstande sein sollte, besonders fachmännisch zu kastrieren. oben über meinem Glied: Wie das erzwungene molere (»heftig reiben, mahlen«) erfolgt, ob manuell oder dadurch, dass der Mann sich auf Enkolp setzt und ihn zum Analverkehr zwingt, bleibt offen. Akazienessenz: Man verwendete sie zum Färben der Haare. Kreide: Schminke. Betthupfer: Mit diesem von W. Ehlers gewählten Wort lässt sich die doppelte Bedeutung von embasicoeta wenigstens andeuten: 1. Becher für einen Nachttrunk; 2. wörtl. »einer, der ins Bett geht«, also Tunte, Schwuchtel. nach einem Eselsbraten: Eselsfüllen servierte der reiche Maecenas seinen Gästen (Plinius, Naturgeschichte 8,70), und asellus nannte man auch einen besonders wohlschmeckenden Fisch. Es könnte aber ebenso ein besonders großer Penis – eher derjenige Askylts (vgl. 92,7–9) als derjenige Enkolps, der ja impotent ist (zu 20,2) – gemeint sein. Gleichfalls denkbar wäre eine Anspielung auf den Esel als Opfertier Priaps: »Ich will den Gott nach einem Opfer nicht auf gewöhnliche Weise ehren« (vgl. Habash 2007). Pannychis: Der Name, der von pannychízein (»die ganze Nacht feiern«) abgeleitet werden kann, passt gut zu pervigilium (21,7). Befreiungsmahl: Libera cena bezeichnet wahrscheinlich eine Mahlzeit für Gladiatoren, die sie bekamen, bevor sie aus dem Dienst in die Freiheit entlassen wurden. Hier dürfte ein Essen gemeint sein, mit dem die Orgie bei Quartilla endete, nicht das Gastmahl des Trimalchio. Trimalchio: Der Name ist vermutlich teilweise semitischen Ursprungs (»Dreifachkönig«). Er selbst bezeichnet sich in 77,6 als rex. mit einem Trompeter: in der Art einer Kuckucksuhr mit einer Figur, die in diesem Fall regelmäßig die Zeit ansagt. ins Bad: Dort befindet sich ein Raum für Sport und Spiel, in dem die in Kap. 27 geschilderte Szene zu denken ist. langhaarige junge Sklaven: Langhaarige Knaben galten als sexuell besonders attraktiv (zu 29,5). Menelaus: Agamemnons Assistent, der nicht zufällig wie der Bruder des mythischen Agamemnon heißt.

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28,3

29,3

29,5

29,6

29,8

29,9 30,1

30,2

30,4

den Ellenbogen: d. h. den linken, den man während des Essens auf das Speisesofa stützte. Falerner: zu 21,6. Trankspende zu seinem Gedächtnis: Wenn Wein auf den Boden geschüttet wurde (vgl. z. B. Vergil, Aeneis 5,77 f.), diente er als Weihgabe für einen Verstorbenen. Das inszenierte Begräbnis am Ende des Gastmahls wirft bereits hier seine Schatten voraus. Merkurstab: zum Zeichen, dass Trimalchio ein erfolgreicher Geschäftsmann werden sollte, der unter dem Schutz des für den Handel zuständigen Gottes Merkur stand. Minerva: Auf die Gunst dieser Göttin führt Trimalchio offensichtlich seine Beherrschung der Rechenkunst zurück. geglättetes Kinn: Das und die langen Haare sollen Trimalchio vermutlich als einst von Männern geliebten Knaben charakterisieren und andeuten, dass er als solcher Karriere machte (wobei er, wie man aus »geglättet« schließen darf, sich noch nach der ersten Bartschur [zu 29,8] zur Verfügung stellte). Ehrentribüne: Dort saßen in Rom die Magistrate. Fortuna: die Glücksgöttin. die drei Parzen: Klotho, die den Lebensfaden spinnt, Lachesis, die ihn zuteilt, und Atropos, die ihn abschneidet. Laren: Hausgötter. der Bart: Nach der ersten Bartschur wurde er festlich den Göttern geweiht. Die Ilias und die Odyssee: die beiden berühmten Epen Homers (zu 2,4). Laenas: vermutlich der Magistrat, der die abgebildete Show organisierte. Rutenbündel mit Beilen: Diese Insignien römischer Amtsgewalt – hier für Trimalchio als sevir Augustalis (zu 30,2) –, und ein Schiffsschnabel als Symbol eines zur See errungenen Erfolges findet man normalerweise auf Grabmälern; wieder also bekommen wir einen versteckten Vorverweis auf Trimalchios »geprobte« Bestattungsfeierlichkeiten am Ende des Gastmahls (zu 28,3). Sechs-Männer-Kollegium: ein in vielen Städten Italiens und der Provinzen beheimatetes Gremium, das für den Kult des vergöttlichten Augustus zuständig war. sieben Planeten: Sonne, Mond, Mars, Merkur, Jupiter, Venus und Saturn, die für die sieben Wochentage stehen. Trimalchios Glaube an die Astrologie kündigt sich an.

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30,5 30,7 30,8 30,11 31,7 31,8

Mit dem rechten Fuß: Mit ihm einen Weg zu beginnen galt als gutes Omen. entkleidet: zur Auspeitschung. Sesterze: Der Sesterz (zunächst 2 ½, dann 4 As) ist die wichtigste römische Münze. tyrischer Purpur: In der phönizischen Hafenstadt Tyrus hergestellt, galt er als der kostbarste. eines Pantomimen: Ein solcher ließ sich entweder von einem Chor oder einem Orchester begleiten. der erste Platz: Statt Platz Nr. 1 nahm der Gastgeber normalerweise Nr. 7 ein. Hier die Platzverteilung nach dem Kommentar von Schmeling (S. 82):

Habinnas Fortunata und Scintilla I M U S

Proculus Diogenes (imus in imo)

31,9 32,2 32,3 33,2 33,3 34,4

M ED IUS Askylt oder Agamemnon

Enkolp (summus in medio) Hermeros Askylt oder Agamemnon Trimalchio (summus in summo)

S U M M U S

aus korinthischer Bronze: zu 50,1. mit breitem rotem Rand: An der Toga war ein solcher Senatoren vorbehalten, aber Trimalchio hat ihn lächerlicherweise wenigstens hier zu bieten. einen … leicht vergoldeten Ring …: Einen Ring aus purem Gold trugen nur freigeborene Angehörige des Ritterstandes. das Spiel: Welches gemeint ist, lässt sich nicht entscheiden. Denar: römische Silbermünze, ursprünglich zehn As, später 16. alle Leineweberausdrücke: Kraftausdrücke. langhaarige Äthiopier: Entweder ist die doch wohl schwarze Körperfarbe aufgemalt, oder sie tragen Perücken.

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34,5

34,6

34,10

35,1

35,2 35,4

35,6

35,7 36,2 36,3 36,6

Mars: der Kriegsgott. Offensichtlich leitet Trimalchio aus der Wendung aequo Marte pugnare (»unentschieden kämpfen«) unsinnigerweise ab, Mars liebe es, wenn ein Kampf unentschieden ausgeht. aus dem Jahr des Opimius: Wenn der Falerner (zu 21,6) wirklich aus dem Jahr 121 v. Chr. stammt, in dem Opimius Konsul war (aber dagegen spricht, dass Glasamphoren erst in der Kaiserzeit aufkamen), dürfte er mittlerweile ungenießbar sein. nichts ist: so, wenn man est von esse (»sein«) ableitet. Est als Kurzform von edit (»er isst«) darf mitgehört werden, und dann meint Trimalchio mit dem »Menschelein« das Skelett; auch esse in V. 3 kann »essen« bedeuten. Die hier ausnahmsweise metrisch übersetzten Verse (zwei daktylische Hexameter und ein Pentameter) sind im lateinischen Original gleichfalls in jeder Hinsicht stümperhaft, aber vielleicht will Trimalchio dadurch sein albernes Wortspiel unterstreichen. Lobrede: Ein Beifall der Gäste für die Verse ist schwerlich gemeint; das wäre ausführlicher gesagt (vgl. 40,1; 48,7). Will man keine Lücke zwischen 34,10 und 35,1 ansetzen, ist laudatio auf das Epigramm zu beziehen, am ehesten im Sinne von laudatio funebris (»Lobrede auf einen Verstorbenen«); sie würde dann auf das Skelett gehalten, das ja implizit zur Lebensfreude aufruft. passende Speise: Trimalchio gibt in Kap. 39 Erklärungen. Nachtigall: Das im lateinischen Text stehende ominöse oclopetam, für das es zahllose Erklärungsversuche gibt, emendiert Ammannati (2006) überzeugend zu oclo paetam (»schielend; mit dem Auge blinzelnd«) und fasst es als Glosse auf, die vielleicht ein ursprünglich im Text enthaltenes lusciniam (»Nachtigall«) verdrängte. Ist es so – und ich halte das für sehr wahrscheinlich – dann hätte Trimalchio ein Wortspiel mit luscus (»einäugig«) gemacht und zum Ausdruck gebracht, dass ein Schütze beim Zielen ein Auge schließt (vgl. auch 39,11). »Der Silphium-Händler«: In diesem Mimus (zu 19,1) trat offenbar jemand auf, der das stark riechende Silphium zum Kauf anbot und durch den von ihm verbreiteten Gestank Gelächter auslöste. Souper-Gesetz: Das Wortspiel mit ius (1. Recht; 2. Suppe, Sauce) ist im Deutschen nicht nachzumachen. Pegasus: das geflügelte Musenross der Dichter. Marsyas: ein Walddämon, der, wenn er als Brunnenfigur dargestellt wurde, einen Weinschlauch trug. Wagenkämpfer: ein von einem Kampfwagen aus fechtender Gladiator.

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36,7

37,2 37,3 37,4

37,10 38,1

38,3 38,5 38,7 38,9

38,11 38,13 38,15

39,2 39,3 39,4

Schneid-er: meines Wissens auf Otto Weinreich zurückgehender Versuch, das Wortspiel mit Carpe, dem Vokativ zu Carpus, und carpe, dem Imperativ zu carpere (»tranchieren«) nachzuahmen. der oberhalb von mir lag: der Freigelassene Hermeros (zu 31,8). Fortunata: »die vom Glück Begünstigte«. Schutzgeist: zu 21,7. everything: entspricht griech. tò pân bzw. tà pánta, das hier als Jargonwort verwendet wird, wie wir es heute mit englischen Wörtern machen. Entsprechendes gilt für saplutus von griech. záploutos in 37,6. zum Krautwickel machen: jemanden ganz und gar einwickeln, in die Tasche stecken. Zredernöl: Das im lateinischen Text zusätzliche r lässt sich ohne weiteres als Solözismus eines Ungebildeten erklären; man vergleiche »Montorrad«, das Karl Valentin in dem Sketch In der Apotheke verwendet. Im Folgenden werden Sprachschnitzer im Deutschen nachgeahmt, freilich nur dann, wenn es eine Entsprechung gibt. attischer Honig: Er galt als der beste. Krissen: statt Kissen (zu 38,1). Sie stehen in vollem Saft: Sie sind steinreich. letzter auf dem letzten Sofa: Diogenes (zu 31,8). in Behandlung wegen des Kobolds: Das lateinische Incubo bedeutet wörtlich »Obenauflieger«, d. h., der Geist, dem Diogenes mit List den Schatz entwendet hat, übt zur Vergeltung einen Zauber auf ihn aus und bereitet ihm Alpträume, wovon der Mann durch ein Reinigungsritual befreit werden muss; auch deshalb zieht Diogenes offenbar um (vgl. Cueva 2001). Freigelassenenplatz: Proculus nimmt vermutlich den mittleren der unteren Plätze ein (zu 31,8). Der Topf von Gefährten kocht schlecht: Gemeint dürfte sein: Wer sein Eigentum bewahren will, soll Partnern nicht trauen. Geflügel, Köche: Der Mann kann es sich, wie Hermeros in komischer Übertreibung zum Ausdruck bringt, leisten, erst die Speisen, dann diejenigen, die sie zubereitet haben, zu verzehren. Fische müssen schwimmen: im Wein. ›So kennt ihr Odysseus?‹: Schluss des Hexameters Vergil, Aeneis 2,44; dort im Sinne von »So schlecht kennt ihr Odysseus?« das Gang: Hier und an anderen Stellen verwenden Trimalchio und die übrigen Freigelassenen das falsche grammatische Geschlecht eines Wortes.

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39,7

39,8 39,10

39,12

40,1

40,2 40,3

40,4 41,6 41,7

42,5 42,7 43,1 43,3

43,4

Trimalchio sagt statt ferculum, indem er das Wort überdies durch ein »i« erweitert (zu 38,1), fericulus. Hodensäcke: Griech. dídymoi bedeutet »Zwillinge« und »Hoden«. die, die beide Wände beschmieren: sprichwörtlich vielleicht im Sinne von »die, die auf beiden Schultern tragen«, also opportunistisch zwischen zwei Parteien hin und her wechseln. damit ich … nicht belaste: Deshalb liegt darüber nur ein Kranz (35,3). Weiberhelden: Sie wurden, da nach römischer Auffassung ein Mann nur dann wirklich als solcher gelten konnte, wenn er sich zu beherrschen wusste, der Kategorie »weiblich« zugerechnet. Hörner wachsen: offenbar Metapher für »Willenskraft, die wieder erwächst«. Kürbisköpfe: Dummköpfe, die, wie man glaubte, Wasser im Hirn hatten. Hipparch: bedeutender griechischer Astronom des 2. Jahrhunderts v. Chr. Arat: Verfasser des Lehrgedichts Phainomena (»Himmelserscheinungen«), der ca. 310–245 v. Chr. lebte. Spartanische Hunde: Sie galten als besonders gut geeignet für die Jagd. Freiheitsmütze: Eine solche trugen Sklaven nach der Freilassung und Freie während des Saturnalienfestes Ende Dezember, bei dem Herr und Diener die Rollen tauschten. Giveaways: Wiedergabe von apophoreti ! griech. apophóreta (»Geschenke zum Mitnehmen«). Bromius  … Lyaeus  … Euhius: Dionysos/Bacchus als lärmender, sorgenlösender und Freudenrufe ausstoßender Gott. LIBER: Wortspiel mit lat. liber (»frei!geboren"«) und Liber, einem der Namen des Weingottes. Dementsprechend bedeutet me … habere Liberum patrem in 41,8 »dass ich den Vater Liber/einen Freien zum Vater habe«. Vgl. auch libertatem sine tyranno in 41,9. sein böser Schicksal: Seleukus sagt fatus statt fatum. ein Krebsgeschwür: unheilbar. As: zu 8,4. der ich eine Hundezunge gegessen habe: »und seitdem die Wahrheit spreche«, »das Gras wachsen höre« oder »frei rede wie ein Kyniker« (von griech. kýōn)? Eine überzeugende Deutung wurde bis heute nicht gefunden. hat er noch einen miesen Ziegenmelker gerupft: Gemeint ist wieder Chrysanthus (42,3). Der Ziegenmelker ist ein Nachtvogel, der mit seinem Schnabel große Beute verschlingen kann.

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43,5 43,8 44,3 44,4 44,14 44,18

45,5 45,7 45,9

45,10 45,11

46,3

46,7 47,8

Erbschaft: nicht als Alleinerbe, sondern mit der Auflage, die Erbteile auszuzahlen. Erdensohn: ein Niemand. auch seine Hündin: In Franken gibt es die doppeldeutige Redensart: »In einen Haus, wou Ordnung herrscht, dou werd sogar des Hindla berscht.« Ädil: ein Munizipialbeamter, der u. a. die Aufsicht über Maße, Gewichte und die Getreideversorgung hatte. die Löwen: metaphorisch für »echte Kerle« der »guten alten Zeit«. Denar: zu 33,2. mit Wolle umwickelte Füße: Die offenbar sprichwörtliche Wendung erfuhr schon in der Antike verschiedene Deutungen; keine will so recht befriedigen. unser Titus: ein Munizipialbeamter der Stadt, in der Trimalchios Gastmahl stattfindet. ein paar Johnnys: im Original »Maniusse«; was mit dem Namen assoziiert wurde, ist unklar. Unkraut des Hermogenes: wörtl. filex (»Farnkraut«) statt filia (»Tochter«) Hermogenis. Der konnte …: Hermogenes konnte das Unmögliche leisten. eine Schlange  …: Das entspricht offensichtlich unserem »Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm«. Norbanus: wohl ein Rivale Mammeas bei der Bewerbung um ein städtisches Amt. Gladiatoren … die von einer Lampe stammten: also solche, die als Figuren eine Lampe verzierten. Ersatz für einen Toten: Der tertiarius war Ersatzmann für einen getöteten Gladiator. Sklavenknäblein: Der Freigelassene Echion hat wahrscheinlich einen Sklavenjungen adoptiert; cicaro (vgl. 71,11) deutet darauf hin, dass er eine sexuelle Beziehung mit ihm hat. vom Jus: zu 35,7. Maulkörbe und Glöckchen: Solcher Schmuck hatte religiöse Bedeutung; er diente, wie man hoffte, der Abwehr von Bösem. Speziell die Maulkörbe, die zu Schweinen nicht passen, sollen diese vielleicht als Gladiatoren bzw. wilde Tiere für die Arena stilisieren. Wenn das Schwein dann in 47,13 den Koch in die Küche zurückführt, könnte das den zeitgenössischen Leser an Pferde erinnert haben, die eine Kutsche aus der Arena zogen (Panayotakis 1995, 79).

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47,10 47,11 48,1 48,2

48,4

48,5

48,6

48,7

48,8

Ansager: Er nennt dem Hausherrn normalerweise Namen von Personen. Pentheus: König von Theben, der dem Mythos zufolge Bacchantinnen bei ihrer Orgie beobachtet, entdeckt und zerstückelt wird. Truppe: Eine decuria besteht aus zehn Mann. dass ihr ihn gut findet: Vgl. 39,2. Tarracina und Tarent: Das heutige Terracina nördlich von Neapel ist etwa 150 Meilen von Tarent in Kalabrien entfernt. Die Bemerkung Trimalchios impliziert also, dass er größere Teile von Süditalien besitzt. Das ist sicherlich weit übertrieben, aber er will offenbar andeuten, dass ihm die Gegenden gehören, in denen zwei der besten italienischen Weine, Caecuber und Falerner, angebaut werden. Drei Bibliotheken: Trimalchio nennt nur zwei, aber da diese Zahl überliefert ist, sollte man nicht einfach in duas oder II ändern. Denn er könnte entweder einfach behaupten, er besitze eine mehr, als Reiche normalerweise haben, oder eine weitere mit Literatur in oskischer Sprache meinen – sie wurde in der Gegend gesprochen, in der das Gastmahl spielt –, und dann dürfte, dass er sie nicht nennt, einen Komplex verraten: Zu seiner Zeit hatte neben Griechisch und Latein keine weitere Sprache eine Existenzberechtigung. Es könnte aber auch einfach tertiam Oscam im Text ausgefallen sein (vgl. Adamik 2005). Was ist ein Armer?: Was wie eine in der Rhetorik übliche Frage nach einer Definition aussieht, ist zugleich impliziter Hinweis Trimalchios darauf, dass er zu reich ist, um sich Armut vorstellen zu können. Übungsstreitfall: zu 1,1. Wenn dies wirklich geschehen ist …: Das kann man bei einem Streitfall, wie er in der Rhetorenschule behandelt wird, in der Regel nicht voraussetzen, d. h., auch dieser hier dürfte fiktiv sein. Odysseus: Folklore erzählt ergänzend zu der bekannten Geschichte von Odysseus und Polyphem (Odyssee 9,319 ff.), der bereits seines Auges beraubte Kyklop habe dem Helden einen Zauberring geschenkt, der diesen nach dem Anlegen zu dem Ruf »Hier bin ich« zwingt; Odysseus muss daher seinen Finger abreißen oder abschneiden (Stöcker 1969, 80–84). Das für poricino in den Text gesetzte porclino ist nicht belegtes Diminutiv zu porculo (Gilmore 1976). Sibylle: Die Sibylle von Cumae, eine Wahrsagerin, bittet dem Mythos zufolge Apollon, der ihr einen Wunsch freistellt, um so viele Lebensjahre, wie der Sand in ihrer Hand Körner enthält, vergisst aber, die ewige Jugend einzu-

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50,1

50,5

51,1

51,5 52,1

52,2

52,3 52,6

52,8 52,9 53,3 53,5 53,9

beziehen und schrumpft deshalb im Alter immer mehr zusammen, bis sie in eine Flasche passt. Die Knaben äffen also die Frage Apollos an sie nach, und sie gibt nun nicht mehr zur Antwort, sie wünsche sich die ewige Jugend. aus korinthischer Bronze: Sie galt als sehr wertvoll, weil sie besonders widerstandsfähig gegen Grünspan war. Da Trimalchios Bronze schlecht riecht, ist sie offenbar mit Fett eingerieben und dürfte kein »echter Korinther« sein. Ilium: Troja. Es wurde natürlich nicht von dem karthagischen Feldherrn Hannibal (247/46–183 v. Chr.) erobert; Korinth, an das Trimalchio vielleicht im Zusammenhang mit der Bronze unterschwellig denkt, zerstörten die Römer im selben Jahr wie Karthago (146 v. Chr.). es gab einmal einen …: Varianten der hier ganz im Stil Trimalchios erzählten Geschichte bieten Plinius der Ältere (Naturgeschichte 36,195) und Cassius Dio (57,21); dort heißt der Kaiser Tiberius. Jupiter am Sack: d. h. in seiner Gewalt; der Kaiser wurde mit Jupiter gleichgesetzt. wie Kassandra ihre Söhne ermordet: offensichtlich eine Verwechslung mit Medea (zu 108,14,2 und 134,12,11). dass du meinen könntest, sie leben: Das Kunstideal der Antike, dem zufolge ein Bild oder eine Statue das Objekt so lebensecht wie möglich abbilden sollte, wird hier auf komische Weise ad absurdum geführt. Niobe: vielleicht eine Verwechslung mit Pasiphaë, die, in einen Stier verliebt, von Daedalus, dem großen Erfinder des griechischen Mythos, in eine von ihm aus Holz gefertigte Kuh gesteckt wird, damit sie sich so dem Stier hingeben kann. Hermeros und Petraites: Die Namen sind für Gladiatoren des 1. Jahrhunderts n. Chr. inschriftlich bezeugt. Der rannte … Und !Trimalchio" rief laut: Vielleicht veranschaulichte Trimalchio hier, wo offensichtlich eine Textlücke vorliegt, sein Motto durch die Tat, und ein Abschreiber ließ das weg. Kordax: ein Tanz, über den wir nur wissen, dass er mit obszönen Bewegungen verbunden war. Madeia Perimadeia: Die Bedeutung der beiden Worte konnte nach wie vor nicht geklärt werden. Schutzgeist: zu 21,7. die Pompeianischen Gärten: Sie gehörten offenbar dem Patron Trimalchios, C. Pompeius. Ädilen: zu 44,3. Hier sind Trimalchios Gutspolizisten gemeint.

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53,10 53,13

55,2

55,3

55,3,3 55,4

55,6

55,6,1 55,6,3

55,6,13 56,3 56,8

Klausel: Normalerweise erhielt der Herr vom Erbe seiner Untergebenen einen Pflichtteil, aber Trimalchio will zum Ausdruck bringen, dass er mit seinem Reichtum darauf nicht angewiesen ist. Baiae: Badeort am Golf von Neapel. Komödienschauspieler: in einem griechischen Stück. Trimalchio setzt sie in einer Atellane ein, einem altitalischen Sketch mit feststehenden Charaktertypen, und sein choraules (griech. wie comoedia!) soll in Italien komponierte Melodien blasen. Fall: casus, als Unfall wie als Zufall verstanden und überdies konkret auf den Sturz des Knaben bezogen, daher auch vorher in praecipiti (»am Abgrund, in Gefahr«). Aufschrift: offenbar wörtliche Übersetzung von epigramma, dem dann vom Ich-Erzähler in 55,4 verwendeten Begriff. »Was du …: im Original zwei (jeweils defekte) Hexameter und ein Pentameter. Anders als in 34,10 improvisiert Trimalchio diesmal sein Epigramm; der Sturz des Akrobaten war also wohl nicht inszeniert. Wahrscheinlich deshalb fehlen dem ersten Hexameter drei Silben am Ende, dem zweiten fehlt eine, und der Pentameter ist besonders plump. Die metrische Übersetzung versucht das nachzuahmen. falernischer Wein: zu 21,6. der Thraker Mopsus: Er ist nicht nachweisbar, aber Musaios und der Thraker Orpheus; Mopsus heißt ein singender Hirte in Vergils Ekloge 5. Cicero: zu 3,2. Publilius: Im 1. Jahrhundert Verfasser von (verlorenen) Mimen (zu 19,1). Im Rachen …: im lateinischen Text iambische Senare. Die Verse sind vermutlich nicht Originalzitat, sondern ein Publilius-Imitat Trimalchios, das aber wörtlich nur in Prosa wiedergegeben werden kann. Mauern des Mars: Mauern Roms. gefiederter … Babylonier: ein farbenprächtiger orientalischer Wandteppich. plumatus bezieht sich in der Bedeutung »gefiedert« auf den Pfau, in der Bedeutung »gestickt« auf den Wandteppich. karchedonisch: karthagisch. Feuersteine: Karfunkel, Rubine. Entenfleisch: schwerlich eine Diät. Giveaways: zu 40,4; mit »Aufschriften« werden sie in Martials zwölftem Epigrammbuch präsentiert. Diese enthalten hier Wortspiele, die sich auf die Gegenstände beziehen und die man im Deutschen kaum nachahmen

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57,1 57,2

57,3

57,4 57,6 57,8

57,9 57,10 57,11

kann. Bei meinem Versuch der Wiedergabe biete ich, das weiß ich, nichts Überzeugendes. Aber ich habe mich bemüht, möglichst viel vom Wortmaterial des Originals beizubehalten; im Einzelnen: Bei sceleratum soll man wohl an griech. skélos (»Bein«) denken, die Essigkännchen waren offenbar aus Silber; serisapia ist lat. für griech. opsimathía (»Spätzünderei«), contumelia (»Schimpf«) wird mit contus (»Stange«) und malum (»Apfel«) zusammengebracht, porrum !sectile" (»Schnittlauch«) mit flagellum (»Peitsche«), weil secare außer »schneiden« auch »schlagen« heißt, und aus persica (»Pfirsiche«) kann man per (»durch«) und sica (»Dolch«) heraushören; passeres (»Sperlinge«) klingt an uva passa (»Rosine«) an, das muscarium (»Fliegenwedel«) lässt an den Honig denken, auf dem Fliegen sitzen; mit muraena wird mus cum rana alligata (»eine Maus mit daran gebundenem Frosch«) assoziiert, die in einer Äsop-Fabel (Vita Aesopi 133) zusammengebunden sind. ebender: Hermeros (zu 36,7). meines Herrn: nichts weiter als eine formelhafte Höflichlichkeitsbekundung gegenüber Trimalchio. seinem Blöken  … ein Ende gesetzt: d. h., ihn für immer zum Schweigen gebracht (wie der Metzger ein Schaf ). wenn ich um den herumpinkle: Umharnen schuf dem Aberglauben zufolge einen magischen Kreis. in mürbes Fleisch: in herabgehangenem Fleisch (Hermeros bildet den falschen Ablativ molle (»weich«) statt molli); vermutlich ist Askylt gemeint, den Hermeros später implizit als impotent bezeichnet (zu 57,8). selbst in Sklaverei begeben: Nach der dadurch bald zu erhoffenden Freilassung winkte auch Steuerfreiheit. Sechs-Männer-Kollegium: zu 30,2; für die Aufnahme wurde normalerweise eine bestimmte Geldsumme verlangt. mu und ma: Silben, die nach dem Alphabet in der Elementarschule gelernt wurden. ein tönerner Nachttopf, ja mehr, ein Riemen im Wasser: beides wohl doppeldeutig im Sinne der Unterstellung, dass Askylt sich anal penetrieren lasse und impotent sei. als Knabe mit langen Haaren: zu 27,1. zufriedenzustellen: offenbar auch in sexueller Hinsicht. Troubles: athla (»Mühen«) aus der damaligen Modesprache Griechisch hier in unsere Modesprache Englisch übertragen.

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58,1 58,2

58,3 58,5 58,6 58,7

58,8

58,10 58,11 58,12

58,13 59,2 59,3

wie der Ziegenbock im Erbsenfeld: dem angesichts der Fülle seiner Lieblingsspeise die Augen übergehen. zu unseren Füßen: Giton spielt bei dem Gastmahl den Sklaven (vgl. 26,10). Saturnalien: zu 40,3. fünf Prozent: von der Summe, die ein Freigelassener als Sklave gekostet hatte. Sie mussten von ihm oder seinem Herrn an den Staat gezahlt werden. meines Mitfreigelassenen: Trimalchios. zum Krautwickel: zu 37,10. deine acht Zoll langen Löckchen: zu 27,1. einen goldenen Bart: wie ein als Statue dargestellter Gott. Aber Hermeros dürfte auch auf den Haarflaum am Kinn Gitons anspielen (zu 29,5). Athana: Hermeros gebraucht die dorische Form des Namens Athene. zu einem ›Na-komm-mal-her-du!‹: zum Sexualobjekt. Geometrie, Arithmetik, Astrologie, Harmonie: Auf das Trivium Grammatik, Dialektik und Rhetorik aufbauend, bildeten zusammen mit ihm diese vier »Zahlenwissenschaften« als Quadrivium die »Sieben freien Künste« des antiken und mittelalterlichen Schulsystems. Wer bin ich an uns …?: das männliche Glied oder der Schatten, wenn man die beiden folgenden Hinweise dazunimmt; fasst man die Reihe als drei Rätsel auf, ist auch die Lösung »Fuß, Auge, Haar« denkbar. Das Rätsel ist in Original und Wiedergabe ein trochäischer Septenar. Ringe: Ein goldener Ring war »Abzeichen des Ritterstandes« (zu 32,3); dass auch Askylt einen solchen trägt, darf man aus 57,4 folgern. Fasserich: Der Name des »Gottes« Occupo ist von occupare (»in Besitz nehmen, erfassen«) abgeleitet. schwören: im Sinne von: »So wahr ich so ehrenvoll sterben möge wie Hermeros …« mit umgewendeter Toga: Eine solche trug der Richter beim Verkünden eines Todesurteils. der da: Agamemnon. Homeristen: Schauspieler, die Szenen aus den Epen Homers und wohl auch denen seiner Epigonen nachspielten. Geschichte: Ihr Verlauf und die Namen der Akteure sind ganz und gar durcheinandergebracht. Ob das Trimalchios mangelnde Bildung verrät oder ob er sich über Bildungsbürger, die sich mit dergleichen schmücken, lustig macht, sollte man vielleicht dahingestellt sein lassen.

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59,5

60,4

60,6

60,7 60,8

61,5 61,6

62,5 62,6 62,11 62,12

63,2

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Aiax: Als er aus Enttäuschung darüber, dass nicht er, sondern Odysseus nach Achills Tod von den griechischen Heerführern dessen Rüstung und Waffen erhalten hat, ein Blutbad im Lager anrichten will, straft ihn Athene mit Wahnsinn, so dass er über seine Schafherde herfällt. Priap: zu 16,3. auf ordinäre Weise: Wie immer man es sich vorzustellen hat – es dürfte gemeint sein, dass der riesige erigierte Phallus des Fruchtbarkeitsgottes mit Obst und Weintrauben drapiert ist. begannen … Safranwasser zu verspritzen: Die Kombination von inszenierter Ejakulation und dem in religiösen Kulten verwendeten Safran gibt Gelegenheit zu der Parodie einer Huldigung an den Kaiser. Augustus: Beiname aller römischen Kaiser. Laren: zu 29,8. Amuletten: Freigeborene Kinder erhielten ein Amulett, das sie beim Übertritt ins Erwachsenenalter den Laren weihten. Profiterich  …: wohl nicht die Namen der Laren (von griech. kérdos »Gewinn«], lat. felix [»glücklich«] und lat. lucrum [»Gewinn«]), sondern der drei Sklaven, die in der Rolle dieser drei für Trimalchio besonders wichtigen »Götter« auftreten. »Da er denn also gesprochen«: Anfang eines daktylischen Hexameters, der in lateinischen Epen verwendet wurde. Bacchusballerinchen: Versuch einer Wiedergabe des allein hier verwendeten Wortes, das vermutlich aus bacchari (»bacchantisch rasen«) und ballare (»tanzen«) zusammengesetzt ist. Mir saß die Seele in der Nase: »Ich war dem Tod nahe.« Nach antiker Vorstellung verlässt die Seele den Körper durch eine Öffnung. pisste: zu 57,3. zum Wolf: zum Werwolf (! germ. *wër »Mann«, verwandt mit lat. vir). zu uns helfen: im Original verbindet sie adiuvare mit dem Dativ, statt mit dem Akkusativ. wie der geprellte Gastwirt: Vielleicht Anspielung auf die Fabel von Dieb und Wirt (Aesopica 419 Perry; Deutsch in: Antike Fabeln, übers. v. L. Mader, Zürich 1951, 117 f.). ›Der Esel auf den Dachziegeln‹: bis heute nicht befriedigend erklärt; möglicherweise sprichwörtlich für die Geschichte von einem unglaubwürdigen Ereignis. ein Leben als süßer Arsch: wörtlich »ein chiisches Leben«. Laut Martial 12,96

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63,5 64,1 64,4 64,12

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konnte man den After eines Knaben als Chia (»Feige aus Chios«, einer Ägäis-Insel) bezeichnen. perfekt bei jeder Nummer: ein Tausendsassa, auch in jeder »Nummer« im Bett. Kappadokien: Landschaft in Kleinasien. küssten den Tisch: abergläubische Geste zur Abwehr von Unheil. Apelles: zur Zeit Kaiser Caligulas (37–41 n. Chr.) bekannter Schauspieler. Großmaul …: Kinderspiel, bei dem offenbar geraten wird, wie viele Finger jeweils erhoben sind. Falls bucca auch »Ziege« heißen konnte, wäre »Bock, Bock, wieviel Hörner hab ich?« denkbar, und Croesus würde sein »Reittier« als Bock anreden. Gänseeier mit Mützen: vermutlich gekocht und oben geschält oder bemalt. Liktor: Amtsdiener, der Habinnas als einem Mitglied des Sechs-MännerKollegiums (zu 30,2) zur Verfügung steht. Prätor: Enkolp fürchtet diesen wohl in dessen Eigenschaft als Richter, also etwa im Hinblick auf die Mantelgeschichte (Kap.  12–15). Immerhin hat Habinnas dann wegen seines Amtes Anspruch auf den für einen solchen Würdenträger reservierten Ehrenplatz. Augensterne: Lieblinge, beste Freunde. Fünf-Prozent-Leute: Die Eintreiber der zu 58,2 genannten Summe, die diese anscheinend auch für einen toten Sklaven verlangen. Basta, Palamedes: Der Ausruf lässt sich nicht als ganzer erklären. warm pissen und kalt saufen: offenbar sprichwörtlich für »weit mehr investieren als zurückbekommen«. ›Nach-Tisch‹: Das lateinische secundae mensae gestattet dieses Wortspiel. »Jetzt was anderes!«: muta (»verändere!«) ist vielleicht Wortspiel mit muta (»stumm«): Dem Mythos zufolge entstand die Nachtigall, die ja eher summt als singt, aus der Metamorphose Philomelas, der Tereus, nachdem er sie vergewaltigt hatte, die Zunge abschnitt; vgl. auch zu 131,8,7. »Schon mit …«: Vergil, Aeneis 5,1 (in Original und Wiedergabe ein daktylischer Hexameter). Da mit dem zitierten Vers ein Satz angefangen wird, ist wohl davon auszugehen, dass der Sklave einen längeren Abschnitt singt. Atellanenverse: zu 53,13. perfekt bei jeder Nummer: zu 63,3. Er ist beschnitten, und er schnarcht: Habinnas verrät sich, denn das dürfte er durch ein intimes Verhältnis erfahren haben. Wie Venus: Die Göttin der Liebe stellte man sich mit Silberblick vor.

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69,1 69,2

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71,10 71,12

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Zuhälter: Es spricht mehr dafür, dass agaga dies hier bedeutet und nicht »Schürzenjäger«. Kappadokier: zu 63,5. Sie galten als stark und sittlich verkommen. niemand mehr – geben: Im Deutschen würde man »nehmen« erwarten; das macht den spezifisch römischen Witz einigermaßen verständlich. Gemeint ist, dass dem Mann seine Reichtümer niemand nach der Totenfeier (parentalia; zu 78,4) mehr geben kann. Doch schweige … geben: offenbar redensartlich für »Jetzt will ich mir lieber selbst den Mund stopfen.« Saturnalien: zu 40,3. Daedalus: zu 52,2. aus norischem Stahl: Die römische Provinz Noricum, etwa der heutigen Steiermark entsprechend, war bekannt für ihre Eisenindustrie. Anhänger der Grünen: einer der vier Parteien, die im Zirkus jeweils zu den durch die Farben rot, blau, grün und weiß markierten Gespannen hielten. denselben Milch … böser Schicksal: zu 39, 4 und 42,5. fünf Prozent: zu 58,2. Petraites: zu 52,3. Toga mit Purpurbesatz: Sie war Würdenträgern, den Mitgliedern des SechsMänner-Kollegiums (zu 30,2), aber vor allem Senatoren vorbehalten. Ringe: zu 32,3. wie sie sich’s genüsslich machen: doppeldeutig, also sowohl »wie sie es sich gut gehen lassen« als auch »wie sie es miteinander treiben«. Dekurie: aus zehn Mann bestehende Körperschaft niederer Beamter. Lebe … du: Trimalchios Inschrift inszeniert einen Dialog des Toten mit dem (laut lesenden) Betrachter seines Grabmals. Kaltwasserzisterne: Eine solche konnte eine Fläche von 12,5 m × 12,5 m haben. Menekrates: prominenter Lyraspieler und Sänger zur Zeit des Kaisers Nero (54–68 n. Chr.). Fest der ersten Bartschur: zu 29,5 und 8. »Du Hund!«: Das könnte im Sinne von »Du Schwanz!« gemeint sein. spuckt sich dabei nicht ins Gewand: zur Abwendung von Bösem, das aus Überheblichkeit entstehen könnte. Soldatenstiefel-Kassandra: eine Schwarzseherin wie die gleichnamige Tochter des Königs von Troja und ein ordinäres Mannweib. zehn Millionen: durch Mitgift.

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75,10

76,2 76,4

76,9 77,5 78,1 78,4 79,8,1 79,8,3

79,8,5 79,12 80,3

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um schneller einen bärtigen Schnabel zu haben: weil es als ungehörig galt, wenn jemand mit einem Knaben nach dessen erster Bartschur ein Sexualverhältnis unterhielt. vierzehn Jahre lang: also etwa vom 11. bis zum 25. Lebensjahr und damit offenbar länger, als seine »Bartwuchstherapie« es hätte gestatten sollen (zu 29,5). Zum Miterben neben Caesar: Der Kaiser wurde oft testamentarisch bedacht. mit Purpurbesatz: das Vermögen eines Senators (zu 71,9). Man hätte meinen können, ich hätte es so befohlen: offenbar, weil dieser Anfangsverlust später durch einen um so größeren Gewinn aufgewogen wurde. Neptun: der Meergott, der hier für das Meer steht. Hände vom Tisch!: soviel wie »Schluss mit der Arbeit!« Scaurus: einer der Aemilii Scauri, einer Senatorenfamilie, die 34 n. Chr. ausstarb; vermutlich betreibt Trimalchio Name-dropping. Toga mit Purpurbesatz: zu 71,9. Parentalien: Totengedenkfest (13.–21. Februar). Welch eine Nacht …: Das im Original in Hendekasyllaben verfasste Gedicht klingt an Catull 8 und Properz 2,15 an. ließen  … hinüberfließen  … die  … Seelen: Das in Antike und Renaissance mehrfach verwendete Motiv des Einsaugens der Seele beim Kuss ist uns erstmals bei Meleager von Gadara (um 100 v. Chr.) überliefert: Griechische Anthologie 12,133,5 f. begann ich zu vergehen: offensichtlich näherte er sich dem Orgasmus, der petite mort. Diebesgut: die gemeinsame Beute; vgl. Kap. 12–15. das thebanische Paar: die beiden Brüder Eteokles und Polyneikes, die sich beim Kampf der Sieben gegen Theben gegenseitig töten. Der Mythos, mehrfach auf der antiken Bühne dargestellt, wird auch hier als Bühnenspiel evoziert. Das Wort »Freundschaft« …: Es folgen zwei Gedichte (oder »Strophen« eines Gedichtes?), im Original in elegischen Distichen, die das Thema »Glückswechsel« gemeinsam haben. Im ersten geht es um die Unbeständigkeit der Freundschaft, im zweiten wird die Veränderung des Glücks in der Veränderung der Gesichter von Mimenschauspielern (zu 19,1) nach der Aufführung gespiegelt. In beiden Gedichten wechseln Mienen. Dem Gerichtsurteil …: Anspielung auf Abenteuer, von denen die nicht erhaltenen früheren Kapitel des Romans berichteten und die sich nicht rekonstruieren lassen.

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81,5

82,3 82,5,2

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griechische Stadt: Die meisten Petron-Forscher nehmen an, dass Puteoli, eine Hafenstadt am Golf von Neapel, gemeint ist. der andere: Giton. Anlegen der Männertoga: rituelle Handlung, meist am Liberalienfest (17. März) vollzogen, die 15/16jährige Knaben offiziell in den Status eines erwachsenen Mannes überführte. kein Mann: einer, der in mann-männlichen Beziehungen die passive, Frauen zugewiesene Rolle übernimmt. Arbeitshaus: eine Art Gefängnis für widerspenstige oder auf Flucht bedachte Sklaven, wo Giton sich laut Enkolp prostituierte. Zenturie: Hundertschaft. Tantalus: im griechischen Mythos ein Frevler gegen die Götter, der für seine Untaten in der untersten Unterwelt ewig büßen muss: Er steht in einem Teich und kann seinen Durst nicht löschen, weil das Wasser, sobald er trinken will, zurückweicht; die schönsten Früchte hängen über ihm, doch wenn er nach ihnen greift, treibt ein Windstoß die Zweige fort. Bildergalerie: in einem Tempel. Zeuxis: griechischer Maler (ca. 435–390 v. Chr.). Protogenes: griechischer Maler und Bildhauer (Ende 4. Jh. v. Chr.). Apelles: griechischer Maler (1. Hälfte 4. Jh. v. Chr.), dessen Werke wie die des Zeuxis und Protogenes verloren sind. »Mann auf einem Bein«: Es ist unklar, welches Bild gemeint ist. Deswegen kann man auch nicht sagen, ob die Bemerkung über »die Konturen der Figuren« sich noch auf dieses Bild beziehen. der vom Ida: Ganymedes, ein trojanischer Prinz, den Zeus, als er auf dem Ida-Gebirge bei Troja Schafe hütet, durch seinen Adler entführen lässt, um ihn zu seinem Geliebten und Mundschenken zu machen. Hylas: von Herkules geliebter Knabe, der von Najaden (= Nymphen, die in Gewässern wohnen) entführt wird. Apollo: Er tötet versehentlich den von ihm geliebten Knaben Hyakinthus, den er dann in die Hyazinthe verwandelt. Jupiter: Der oberste Gott vergewaltigt mehrfach sterbliche Frauen. Enkolps Äußerung über erotische Mythen stimmt also weder hier noch sonst mit dem, was die Göttersagen erzählen, ganz überein. Einspruch erheben werde: Offenbar wird mit dem Gedanken gespielt, dass der Mythos vom Raub des Hylas (zu 83,3) in der Rhetorenschule als Rechtsfall behandelt werden konnte.

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83,6

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84,4 f. 85,1

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88,5 88,7 88,8 88,10 89

Lykurg: Wahrscheinlich ist der grausame mythische Thrakerkönig geeint, der sich dem Weingott Dionysos widersetzt. Die Bemerkung kann sich aber auch auf den Lykurg beziehen, der in 117,3 erwähnt wird und dessen Landgut offenbar von Enkolp und seinen Freunden ausgeraubt wurde. mit Winden: Wir würden sagen: »mit Windmühlenflügeln«, also mit einem nicht existierenden Gegner. ein grauhaariger alter Mann: Eumolp, dessen Name der erhaltene Text erstmals in 90,1 nennt. Wer dem Meer …: im Original Gedicht in daktylischen Hexametern, das mit seiner Priamel (vgl. Horaz, Ode 1,1) sozusagen den Prolog zu den im Folgenden »zitierten« Werken Eumolps bildet. Irgendwie …: Es ist unklar, wer die beiden Sätze jeweils spricht. Quästor: Für die Finanzverwaltung einer Provinz wie Kleinasien zuständig, begleitete er den Statthalter dorthin, und zu dessen oder seinem Stab konnten befreundete Intellektuelle gehören. Symposion: Gastmahl. Kap. 85–87 spielen permanent auf den Abschnitt im Symposion Platons (427–347 v. Chr.) an, in dem vom Verhältnis des Alkibiades zu seinem Lehrer Sokrates die Rede ist (217a-219d). Ephebe: griechischer Begriff für einen jungen Mann zwischen 14 und 20. Demokrit: griechischer Naturphilosoph (ca. 460–370 v. Chr.). Eudoxos: griechischer Geograph, Mathematiker und Astronom (ca. 390– 340 v. Chr.). Chrysipp: stoischer Philosoph (ca. 280–206 v. Chr.). Nieswurz galt als Heilmittel gegen Wahnsinn und wurde auch zur Stärkung der Geisteskraft eingenommen. Lysipp: griechischer Bronzebildhauer (4. Jh. v. Chr.). Myron: griechischer Bronzebildhauer (5. Jh. v. Chr.). Dialektik …: zu 58,7. Kapitol: einer der sieben Hügel Roms mit großem Jupiterheiligtum. Apelles: zu 83,2. Phidias: griechischer Bildhauer (5. Jh. v. Chr.). die Eroberung Trojas: Die im Folgenden von Eumolp vorgetragene »Bildbeschreibung«, im Original in jambischen Senaren, dem Sprechvers der römischen Tragödie, und einer manierierten Diktion deckt sich in V. 1–53 inhaltlich, wenn man von einigen Abweichungen absieht, mit Vergil, Aeneis 2,1–249; V. 54–65 geben einen Ausblick auf das im restlichen Buch erzählte Geschehen.

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89,1 89,2 89,3 89,4 89,5 89,8 89,10

89,13 89,19 89,29 89,34 89,42 89,54 89,56 90,1 91,1 91,7 92,3 92,9 93,2 93,2,1 93,2,2 93,2,6 94,15 97,3 98,2

Phryger: Trojaner. zwiefache Ängste: sowohl vor einer Fortführung der Belagerung durch die Griechen als auch vor der Eroberung der Stadt. Kalchas: Seher im Heer der Griechen, der ihnen für das zehnte Kriegsjahr die Eroberung Trojas prophezeit hat. der Delier: Apollo. Ida: zu 83,3. ein Heerlager: die Griechenmannschaft, die sich im Trojanischen Pferd verbirgt. Danaër: Griechen. Weihgeschenk: das Pferd, von dem der sich fälschlich als Feind der Griechen präsentierende Sinon behauptet, es sei eine Gabe für Athene. Sinon: zu 89,10. Laokoon: trojanischer Priester, der dem »Danaërgeschenk« (vgl. Verg. Aen. 2,49) misstraut. Tenedos: Insel vor der Küste Trojas. Tannenholz: Schiffe oder Ruder. die beiden Pfänder: Unterpfänder der Liebe, die eine solche garantieren. Phoebe: die Mondgöttin. Priamiden: die Trojaner als Untertanen des Königs Priamus. Eumolp: »schön Singender«. Schabeisen: Damit reinigte man sich vom Öl und Staub der Ringschule. zog er die Augenbraue höher: zum Zeichen stolzer Übelegenheit. Ganymedes: zu 83,3. Ich glaube …: Anspielung auf die Bedeutung von Askylts Namen (zu 6,1). Der Vogel …: im Original Gedicht in Hendekasyllaben (Elfsilblern). Phasis: Fluss, der ins östliche Schwarze Meer mündet und nach dem der Fasan benannt ist. afrikanische Vögel: Perlhühner. Syrte: Bucht vor der nordafrikanischen Küste mit gefürchteten Untiefen. Selbstmordmimus: offenbar Anspielung auf verwandte Szenen in zeitgenössischen Mimen (zu 19,1). Beglaubigungsschreiben: Es bescheinigt Askylts Anspruch auf den entlaufenen Sklaven. Eumolp aber …: Vorher dürfte erzählt worden sein, dass die Suchaktion beendet wurde und Askylt abzog; im erhaltenen Romantext taucht er nicht mehr auf.

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99,6 100,1 100,7

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102,12 102,15 103,2

104,1 104,2

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104,4 105,4 105,9 105,10

zu den Gestirnen: zu den Dioskuren Kastor und Pollux, den Schutzpatronen der Seefahrt. meinem Gast: Er meint vermutlich Eumolp. Lichas: gleichnamig mit dem Mann, der im Herkules-Mythos dem Helden das Nessushemd überbringt, von diesem ins Meer geschleudert wird und ertrinkt; beide Männer erleiden also denselben Tod. Tarent: zu 48,2. Tryphaena: zu griech. tryphân (»schwelgen, lüstern sein«). leih uns … deine Hand: als Beihilfe zum Selbstmord. Hannibal: zu 50,5; er galt den Römern als Inbegriff der Arglist und Treulosigkeit. weil … einmal glücklich verlief: vielleicht Anspielung darauf, dass Kleopatra sich in einem Bettsack zu Caesar in den Palast in Alexandria einschmuggeln ließ (Plutarch, Caesar 49,1 f.). gefallen lassen?: Wenn die von einer der Handschriften nicht angezeigte Lücke überhaupt eine solche ist, dürfte nur ganz wenig ausgefallen sein. bis zum Boden reichen lassen: d. h., so gehen, dass die Knöchel dabei den Boden berühren. durch ein Brandmal bestraft: Entlaufene Sklaven wurden meist durch eine auf die Stirn tätowierte oder dort eingebrannte Inschrift gekennzeichnet. Priap: zu 16,3. zusammen geschlafen: Man glaubte, Personen die nebeneinander schlafen – so ist es hier offenbar gemeint –, hätten dieselben Träume. Neptun: zu 76,4. Baiae: zu 53,10. Tetrastyl: Tempel mit vier Säulen an der Frontseite. Epikur: griechischer Philosoph (341–270 v. Chr.), für den Träume wie alles andere, was der Mensch wahrnimmt, nicht von Göttern geschickt sind, sondern sich aus kleinsten Teilen, den Atomen, zusammensetzen. entsühnt: Das durch den Traum vielleicht zum Ausdruck gebrachte negative Vorzeichen wird mit einem Reinigungsritual abgewehrt. Schutzgöttin: Repräsentiert durch ein Standbild am Heck, wird sie rituell von der Befleckung durch die nächtliche »Untat« gereinigt; zu 114,5. diensteifrige Hand: Sonst schüttelt der Kapitän damit offiziell einem Passagier die Hand, hier seinem Ex-Geliebten den Penis. Amme des Odysseus: Eurykleia, die ihren von Athene in einen Bettler ver-

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106,1 106,2

107,12 108,14 108,14,2

108,14,7 108,14,8 109,7 109,9 109,10 109,10,2 111,1 111,12

113,3 113,10 114,5

116,2 117,3

wandelten Herrn an dessen Narbe über dem Knie wiedererkennt (Homer, Odyssee 19,361 ff.). Mimenkünste: zu 19,1. die Verführung  …: implizite Hinweise auf die uns verlorenen früheren Abschnitte des Romans, über die man nur spekulieren kann; so auch in 106,4. Deklamation: zu 1,1. »Was für …: im Original daktylische Hexameter. der troische Held: Paris, der Helena, die Frau des Atreus-Sohnes Menelaus, aus Sparta nach Troja entführt. Medea: Mit Jason (zu 134,12,11) auf der Flucht vor ihrem Vater, dem König von Kolchis, ermordet sie ihren Bruder Apsyrtus, zerstückelt ihn und lenkt den Verfolger ab, indem sie die Leichenteile überall verstreut. der eine Tod: der, der auf dem Meer droht. andere Fluten: Blut. mit verlockenden Haken: d. h., mit Angelhaken, an denen ein Köder befestigt war. Das, was …: im Original elegische Distichen. Unglückseliger …: im Original Hendekasyllaben (Elfsilbler). Phoebus: Apollo, der mit langem Haar dargestellt zu werden pflegt; seine Schwester ist die Jagdgöttin Diana. Matrone: ehrbare verheiratete Frau. Glaubst du …: Vergil, Aeneis 4,34 (im Original und hier daktylischer Hexameter). Diesen und den Vers 4,38b, den die Magd in 112,2 zitiert, spricht in dem Epos Anna, die ihre Schwester Dido dazu zu überreden versucht, sich von ihrem verstorbenen Gatten Sychaeus loszusagen und ihrer Leidenschaft für Aeneas nachzugeben. Hedyle: Worauf angespielt wird, ist nicht rekonstruierbar. Er: vermutlich Lichas. das göttliche Gewand und das Sistrum: offenbar ein Gewand der ägyptischen Göttin Isis, die vermutlich mit der bisher mehrfach erwähnten Schutzgöttin des Schiffes identisch ist, und eine Klapper, wie sie beim Kult verwendet wurde. Der Bezug auf ein früheres Ereignis muss unklar bleiben. Kroton: von Griechen gegründete Stadt in Unteritalien an der Ostküste, heute Crotone; hier ist sie nur Namensgeberin für einen fiktiven Ort. Lykurg: zu 83,6. Göttermutter: Kybele, die »Große Mutter«, deren Anhänger laut Apuleius,

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117,4 117,11

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119,2 119,9 119,11 119,14 119,15 119,16 119,21 119,22 119,34 119,36

Metamorphosen 8,27–9,10 auch wohl als Bettelpriester auf Beutezüge gingen. Hier wäre aber ebenso an Isis als die Schutzgöttin des untergegangenen Schiffes zu denken. Mimus: zu 19,1. Korax: Vielleicht erscheint der Name, der »Rabe« bedeutet (griech. kórax), erstmals hier; das würde zu dem mit Kap. 116 beginnenden »ErbschleicherMimus« passen (vgl. 116,9 corvi). Helikon: der Berg der Musen in Böotien. wenn er sich nicht … hat überschwemmen lassen: Literaturkenntnisse als Voraussetzung für Intertextualität. ›Ich hasse …: Horaz, Ode 3,1,1, ein Bekenntnis zu elitärer Dichtung in der Tradition des Kallimachos (um 320-nach 245 v. Chr.). Homer … Lyriker: zu 2,4. Vergil: P. Vergilius Maro (70–19 v. Chr.), Verfasser von Bucolica, Georgica und Aeneis. Horaz: Q. Horatius Flaccus (65–8 v. Chr.)., Verfasser von Satiren, Epoden, Oden, Episteln und Carmen saeculare. Verzückungsqual: Eumolp setzt den Dichter der vergilischen Sibylle gleich, die ihre Sehersprüche in Raserei und unter den damit verbundenen Qualen von sich gibt. Den ganzen Erdkreis …: Das hier beginnende Kurzepos über den Bürgerkrieg zwischen Caesar und Pompeius (zu 120,63 und 64) ist im Original in daktylischen Hexametern verfasst. beide Gestirne: eher Sonne und Mond als die auf- und untergehende Sonne. Ephyre: alter Name Korinths; zu 50,1. Numidier: Bewohner des heutigen Tunis. Serer: ostasiatisches Volk. Hammon: Libyscher Gott mit Heiligtum in einer Oase, bei der sich wilde Tiere sammelten. das Untier: offensichtlich der Löwe. für das Morden: bei den Tierkämpfen in der Arena. Männer: Gemeint sind Knaben in den Jahren vor der Pubertät. weiblich lieben: Kastrierte Knaben ordnete man in der Antike dem weiblichen Geschlecht zu, da sie von Männern penetriert wurden. Lukrinersee: bei Baiae, dem Badeort in Kampanien. Phasis: zu 93,2,1.

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119,39

119,41 119,42 119,44 119,45

119,46 120,62 120,63

120,64

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120,97

Marsfeld: Ebene am Tiber in Rom, Ort für Wahlversammlungen und spätestens seit der augusteischen Zeit gewissermaßen das Vergnügungsviertel Roms mit Einkaufszentrum, Theatern usw. Quiriten: Römer, nach Quirinus, dem neuen Namen des unter die Götter versetzten Stadtgründers Romulus. Kurie der Väter: das Versammlungshaus der Senatoren Roms. Auch den alten Herren: den Senatoren; zu lat. senex (»alter Mann«). ihr hohes Ansehen: das der Senatoren. Cato: M. Porcius Cato (95–46 v. Chr.), republikanisch gesinnter Anhänger der Senatspartei und Gegner Caesars, nahm er sich nach dessen Bürgerkriegssieg bei Thapsus in Utica das Leben. »Zurückgewiesen« zielt offensichtlich auf seine Wahlniederlage gegenüber M. Claudius Marcellus bei der Bewerbung um das Konsulat 51 v. Chr. Rutenbündel: zusammen mit einem Beil Exekutionswaffen der Liktoren, die hohen Staatbeamten als eine Art Polizei dienten. Enyo: Kriegsgöttin, die den Kriegsgott Mars begleitet. Crassus: M. Licinius Crassus (115–53 v. Chr.), reicher und einflussreicher römischer Senator, der 60 v. Chr. zusammen mit Caesar und Pompeius das (55 v. Chr. erneuerte) Machtkartell des sogenannten Triumvirats (»Dreimännerbund«) bildete. Er fiel in der Schlacht bei Carrhae gegen die Parther im Gebiet des heutigen Persien. Magnus: Cn. Pompeius Magnus (»der Große«; 106–48 v. Chr.), der, Hauptgegner Caesars im Bürgerkrieg 49/48, nach seiner Niederlage in der Schlacht bei Pharsalus auf seiner Flucht nach Ägypten auf Befehl Ptolemaios XIII. ermordet wurde. Iulius: C. Iulius Caesar (100–44 v. Chr.), der, nach seiner siegreichen Beendigung des Bürgerkrieges zum Diktator ernannt, am 15. März 44 in Rom ermordet wurde. Parthenope: Neapel. Dikarchis: Puteoli (heute Pozzuoli) am Golf von Neapel. Kokytus: ein Unterweltsstrom. Ditis: der Unterweltsherrscher Pluton. Fors: anderer Name für die Schicksalsgöttin Fortuna. verdrängt werden …: durch Errichtung von ins Meer reichenden Molen, auf die man Villen baute. aus Feldern wird Meer: durch Anlegen von Fischteichen mit Meerwasser. Tisiphone: eine der drei Furien (»Mordrächerin«).

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120,98

Sulla: L. Cornelius Sulla (138–78 v. Chr.), römischer Diktator, der viele seiner politischen Gegner proskribieren (»auf eine Todesliste setzen«) und umbringen ließ. 121,109 derselbe Gott: Mars, der Kriegsgott und Vater der Romgründer Romulus und Remus. 121,111 Philippi: Stadt im westlichen Thrakien, in deren Nähe Oktavian, der spätere Kaiser Augustus (63 v.-14 n. Chr.), 42 v. Chr. zusammen mit Marcus Antonius in zwei Schlachten die Caesarmörder besiegte. 121,112 Thessalien: Dort lag Pharsalus, wo Caesar 48 v. Chr. Pompeius besiegte. Spanien: Dort besiegte Caesar die Anhänger des Pompeius 45 v. Chr. bei Munda. 121,114 Libyen: Nordafrika, wo Caesar 46 v. Chr. ein Heer der Senatspartei bei Thapsus (zu 119,45) besiegte. Nil: In Pelusium nahe der östlichen Nilmündung wurde Pompeius ermordet. Bald darauf begann der Alexandrinische Krieg Caesars gegen die Anhänger des Getöteten. 121,115 Aktium: Stadt an der Westküste Griechenlands, in deren Nähe Oktavian (zu 121,111) am 2. September 31 v. Chr. zur See Marcus Antonius und Königin Kleopatra von Ägypten besiegte. Apollo: Der Gott soll Oktavian zum Sieg verholfen haben. 121,117 Porthmeus: Charon, der die Seelen der Toten über den Unterweltsfluss Acheron setzt. 121,121 stygisch: Adjektiv zu Styx, einem Unterweltsfluss. 122,125 des Bruders: Jupiters, der Blitz und Donner schickt. 122,128 Titan: der Sonnengott als Sohn des Titanen (= Riesen) Hyperion. 122,130 Cynthia: die Mondgöttin, hier gleichgesetzt mit Diana, die der Sage nach zusammen mit ihrem Bruder Apollo auf dem Berg Kynthos auf Delos geboren wurde. 122,144 griechischer Gott: der nach seinem Tod unter die Götter aufgenommene Held Herkules, der als einziger vor Hannibal die Alpen überquert haben soll. 122,154 Hesperien: Italien (von griech. hésperos »Abend, Westen«). 122,156 saturnische Erde: Italien, wo Saturn, der Vater Jupiters, nach seiner Flucht vor diesem während des Goldenen Zeitalters geherrscht haben soll. 122,159 die Kränkung: Caesar (zu 120,64), nach seinem Konsulat 59 v. Chr. Statthalter im bereits eroberten Teil Galliens und Eroberer des restlichen Gebietes, wollte sich nach zehn Jahren erneut um das Konsulat bewerben, wofür er

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122,163 122,174

122,177 122,181 123,206 123,208 123,211 123,224 123,226 123,238 123,239

123,240

123,242 123,243 123,244

erst dann wieder Rom hätte betreten dürfen. Der Senat befahl ihm jedoch per Notverordnung schon Anfang 48 v. Chr., sein Heer zu entlassen, was er als Kränkung seiner Würde empfand. Er überschritt deshalb kurz nach Erhalt des Befehls den kleinen Fluss Rubikon nördlich von Rom, den er mit seinem Heer nicht hätte überschreiten dürfen, und eröffnete so den Bürgerkrieg gegen die Senatspartei und ihren Führer Pompeius. Eumolp ersetzt den Rubikon mit Rücksicht auf episches Pathos durch die Alpen und erinnert damit an Hannibal (zu 50,5 und 101,4), der 218 v. Chr. mit seinem Heer über die Alpen nach Italien einmarschierte. Germanenblut: Caesar führte während des Gallischen Krieges auch mehrfach Kämpfe gegen Germanen. der Würfel: Anspielung auf Caesars berühmten Ausspruch am Rubikon (zu 122,159), den Sueton als iacta est alea (»Der Würfel ist gefallen.«) zitiert (Caesar 32). der delphische Vogel: der Rabe, der dem in Delphi seine Orakel verkündenden Gott Apollo heilig ist. Phoebus: hier als der Sonnengott (zu 109,10,2). der Sohn des Amphitryon: Herkules, der den am Kaukasus festgeschmiedeten Titanen Prometheus befreit. Giganten: erdgeborene Riesen, die den Olymp zu erstürmen versuchen, aber von den Göttern besiegt und vernichtet werden. Fama: das personifizierte Gerücht. Palatin: einer der sieben Hügel Roms. Quiriten: zu 119,39. Penaten: Hausgötter. Magnus: zu 120,63. Pontus: Am Pontus, dem Schwarzen Meer, besiegte Pompeius 64 v. Chr. König Mithridates. Hydaspes: Fluss im heutigen Pakistan, den Pompeius im Gegensatz zu Alexander dem Großen allerdings nicht erreichte. Piraten: Pompeius vernichtete sie 67 v.Chr überall im Mittelmeer. drei Triumphe: nach Siegen in Afrika 79 v. Chr., in Spanien 71 v. Chr. und am Pontus 61 v. Chr. Bosporus: Meerenge zwischen Europa und Kleinasien, die das Marmarameer mit dem Schwarzen Meer verbindet. Imperator: Feldherr mit besonderer Vollmacht. des ›Großen‹: Magnus (zu 120,63).

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124,249 124,251 124,252 124,253 124,254 124,255 124,256 124,258 124,264 124,266 124,268 124,269

124,270 124,271 124,272 124,278 124,279 124,288

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124,290

Pax: die Friedensgöttin. Ditis: zu 120,76. Fides: die personifizierte Treue. Iustitia: Gerechtigkeit. Concordia: Eintracht. Erebus: die Unterwelt. Erinye: eine Rachegöttin. Bellona: die Kriegsgöttin. Megaera: eine Furie. Furor: die personifizierte Raserei. verändert … Gewicht: Nach dem Weggang der Götter aus dem Himmel sind die Sterne aus dem Gleichgewicht geraten. Dione: sonst Mutter der Venus, hier Venus selbst, die als Mutter des Aeneas und Großmutter des Iulus Stammutter des Iuliers Caesar ist. Pallas: Athene. Mavortius: Mars. Schwester: Diana. Kyllenier: Merkur, der der Sage nach in dem arkadischen Gebirge Kyllene geboren wurde. Tirynthier: Herkules. Seine Mutter Alkmene wurde der Sage nach in Tiryns, einer Stadt in der Argolis, geboren. Discordia: die Göttin der Zwietracht. stygisch: zu 121,121. Kokytus: zu 120,69. Tartarus: Ort der Büßer in der Unterwelt. Apennin: von Genua bis Messina sich erstreckendes Gebirge Italiens. Marcellus: zu 119,45. Er hatte zunächst den Antrag gestellt, dass Caesar seine Truppen abgeben müsse (zu 122,159), später aber beantragt, den Beschluss zurückzuhalten, bis der Senat über ein Caesars Truppen gewachsenes Heer verfüge. Curio: C. Scribonius Curio, Volkstribun 50 v. Chr., erst Gegner Caesars, dann zu ihm übergewechselt, forderte er, dass außer Caesar auch Pompeius sein militärisches Kommando niederlegen müsse. Lentulus: L. Cornelius Lentulus Crus, Konsul 49 v.Chr, Caesar-Gegner und Kriegstreiber. Göttlicher: Caesar, dem nach seinem Tod göttliche Ehren zuteil wurden (was Discordia vorwegnimmt).

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124,292 den Schatz: Anspielung darauf, dass Caesar sich 49 v. Chr. nach seinem Einmarsch in Rom der Staatskasse bemächtigte. 124,293 Epidamnus: hier statt Dyrrhachium in Illyrien, wohin Pompeius vor Caesar floh, wahrscheinlich weil römische Ohren damnum (»Schaden«) heraushörten. 124,294 die thessalischen Schluchten: In Thessalien lag Pharsalus (zu 121,112). 126,1 Circes … Polyaenus: Die hier beginnende Episode spielt auf die Kirke-Episode in Buch 10 von Homers Odyssee an. Odysseus, bei Homer viermal als polýainos (»vielgepriesener«) angeredet (Il. 9,673; 10,544; 11,430; Od. 12,184) – daher der von Enkolp in der Rolle eines Sklaven Eumolps angenommene Name  –, hat eine Zeitlang ein Liebesverhältnis mit der Zauberin Kirke, einer Tochter des Sonnengottes und der Perse (von der Circe in 127,6 behauptet, auch sie sei eine Zauberin gewesen). 126,3 Augurien: Weissagungen aufgrund der Beobachtung des Vogelflugs. 126,4 uns: der Herrin, in deren Auftrag die Sklavin spricht. 126,7 Orchestra: die erste Reihe im Theater, in der die Senatoren saßen; daran schlossen sich 14 Reihen für die Ritter an. 126,10 Matrone: zu 111,1. Ich sitze … auf den Plätzen der Ritter: zu 126,7; vermutlich Anspielung auf die »Reiterstellung«, bei der die Frau auf dem Mann sitzt. 126,16 Praxiteles: athenischer Bildhauer des 4. Jahrhunderts v. Chr. 126,17 Parischer Marmor: Der weiße Marmor von der Kykladeninsel Paros war besonders begehrt. 126,18 Doris: Sie wird im Roman sonst nicht genannt. Was ist …: im Original Gedicht in elegischen Distichen. Jupiter: In Anspielung darauf, dass er in Gestalt eines Stiers mit Europa, in der eines Schwans mit Leda und in Form eines Goldregens mit Danaë schlief, fragt (offensichtlich) Enkolp, warum der Gott es nicht auch mit Circe versucht. 127,7 Circe … Polyaenus: zu 126,1. 127,9 Wie …: im Original Gedicht in daktylischen Hexametern. 127,9,1 Ida: zu 83,3. 127,9,3 Jupiter: Anspielung auf die Szene in Homers Ilias, in der Zeus/Jupiter, verführt von Hera/Juno (hier als seine »rechtmäßige Geliebte« bezeichnet), mit ihr schläft und so von der Beobachtung des Kampfes abgehalten wird (14, 376 ff.). 128,6 Wie wenn …: im Original Gedicht in daktylischen Hexametern, offenbar unvollständig.

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128,7

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130,4 131,2 131,7 131,8 131,8,2 131,8,7

132,1

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Sokrates: Wie Alkibiades (um 450–404 v. Chr.), der athenische Politiker und Feldherr, in Platons Gastmahl erzählt, verweigert Sokrates (zu 5,13) sich ihm (219 c-d). Achill: Der größte unter den griechischen Helden im Kampf um Troja. Brieftäfelchen: Briefe schrieb man auf Täfelchen, die mit Wachs überzogen und zusammengebunden waren. Im Schatten der Liebeslust: »beim Vorspiel«. nach den Trompetern schicken: die Bestattungsmusik bestellen; vgl. dazu Kap. 78. den Mond herabziehen: eine von mehreren Künsten, die Abergläubische in der Antike Hexen zutrauten. einen Verrat …: zu 81,3. Im vorliegenden Zusammenhang klingt es eher so, als habe Enkolp all das, was er als einstige Vergehen aufführt, nicht begangen, sondern spiele sich hier nur vor Circe auf; die genannten Untaten dürften also metaphorisch auf das Sexualversagen bezogen sein. Werkzeuge … Waffen: euphemistisch für die Genitalien. Weiblein: offensichtlich Proselenos, wie auch die andere in 131,4; vgl. 132,5. einen Hasen: ein Phallussymbol in der Antike. Die edle …: im Original Gedicht in daktylischen Hexametern. Daphne: der Lorbeer (griech. dáphnē), in den der Sage nach die von Apollo verfolgte Nymphe Daphne verwandelt wurde. Prokne: die Schwalbe, in die im Mythos die athenische Königstochter Prokne verwandelt wird, nachdem sie zusammen mit ihrer Schwester Philomela – diese wird dann zur Nachtigall – Proknes Sohn Itys seinem Vater Tereus, dem König von Thrakien, zum Mahl vorgesetzt haben; dieser, der dann zum Wiedehopf wird, hatte Philomela vergewaltigt; vgl. auch zu 68,3. Endymion: der Sage nach von der Mondgöttin geliebter Knabe. Warum Enkolp ihn oder einen gleichnamigen von ihm geliebten Knaben nennt oder – falls die Handschrift hier eine falsche Angabe macht – von Giton spricht, lässt sich nicht feststellen. Vermischung … der Seelen: zu 79,8,3 Kränkungen: Vorher muss Enkolp wieder impotent gewesen sein. Proselenos: die alte Frau, die erstmals in Kap. 131 auftritt. Der Name bedeutet »Älter als der Mond«. Dreimal ergriff …: im Original Gedicht in Sotadeen. das Haupt: caput steht auch für die Eichel des Penis.

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132,11

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132,15 132,15,1 132,15,7

133,2 133,3 133,3,1 133,3,3

133,3,4 133,3,5 133,4 134,8 134,12 134,12,7 134,12,10 134,12,11

hielt er  …: Die beiden ersten Verse entsprechen wörtlich 6,469 f. in der Aeneis Vergils – dort wendet sich Dido von Aeneas ab –, und der dritte Vers ist aus Ekloge 5,16 und Aen. 9,436 zusammengebaut (und setzt das Vorherige reichlich unsinnig fort, während Enkolp dann, wie Vergil nach der DidoSzene mit V. 475 nec minus Aeneas mit nec minus ego fortfährt). Daher sind die drei daktylischen Hexameter hier metrisch wiedergegeben. Odysseus: Er führt ein »Gespräch« mit seinem Herzen in Homers Odyssee, 20,18 ff. In der Tragödie beschimpft vor allem Ödipus seine Augen (Sophokles, König Ödipus 1271 ff.). Was blickt ihr …: im Original Gedicht in elegischen Distichen. Catones: M. Porcius Cato Censorinus (234–139 v. Chr.), aber auch der »jüngere« Cato (zu 119,45) galten als besonders sittenstrenge Römer. Epikur: zu 104,3. Enkolp, der offenbar die von ihm an seinen Penis gerichtete Schimpfrede rechtfertigt – sie wäre dann in V. 2 mit dem »Werk« gemeint – vereinnahmt Epikur für sein Bekenntnis zu obszönem Sprechen, indem er ihm fälschlich unterstellt, seine Lehre vertrete das Lustprinzip im sexuellen Bereich. Telos wird auch im Deutschen als philosophischer Begriff für »Ziel« verwendet. Gottheit: Priap (zu 16,3), dessen Zürnen Enkolp für seine Impotenz verantwortlich macht. Begleiter der …: im Original Gedicht in daktylischen Hexametern. Dione: zu 124,266. Thasos: wie Lesbos Insel in der Ägäis. das siebenfach durchflossene Gestade: das Nildelta mit den sieben Mündungen. Hypaipa: lydisches Städtchen am südlichen Abhang des Bergs Tmolus. Dryaden: Baumnymphen. meines Darniederliegenden: seines Penis. die Alte: Proselenos (zu 132,5). Oenothea: »Weingöttin«. Alles, was …: im Original Gedicht in daktylischen Hexametern. hyrkanisch: Hyrkanien war eine Landschaft südöstlich des Kaspischen Meeres. Phoebus: der Sonnengott. Flammen: Als Jason in Kolchis mit Stieren pflügen muss, die Flammen aushauchen, nimmt die ihn liebende Zauberin Medea (zu 108,14,2) ihnen diese Kraft.

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134,12,12 134,12,14 134,12,15 135,8

Kirke: zu 126,1; sie verwandelt die Gefährten des Odysseus in Schweine. Proteus: Gott, der sich in alle Gestalten verwandeln kann. Ida: zu 83,3. Kein indisches Elfenbein  …: Die (in daktylischen Hexametern verfasste) poetische Beschreibung von Oenotheas Hütte erinnert an diejenige der Lebensverhältnisse Philemons und der Baukis in Ovids Metamorphosen (8,637 ff.) und diese wiederum an die Beschreibung der Hütte des alten Mütterchens Hekale in dem nach ihr benannten (nur fragmentarisch erhaltenen) Kleinepos des Kallimachos (zu 118,4). 135,8,7 Lyaeus-Trank: zu 41,6. 135,8,9 zählte … die ländlichen Nägel: Wohl in Anlehnung daran, dass in Rom einst der Prätor durch Einschlagen von Nägeln in die rechte Wand des JupiterTempels die Jahre zählte, geschah dies auch auf dem Lande. 135,8,16 Hekale: zu 135,8. Battiade: Kallimachos als Sohn des Battos. 136,6 So flohen …: im Original Gedicht in daktylischen Hexametern, vermutlich nicht vollständig überliefert. 136,6,1 die stymphalischen Vögel: Raubvögel in einem Sumpf bei Stymphalos in Arkadien, die mit ihren ehernen Federn Mensch und Tier wie mit Pfeilen töten und von Herkules aus dem Sumpf verjagt werden. 136,6,3 Harpyien: Mischwesen mit Mädchenköpfen und Vogelleibern, die König Phineus zur Strafe dafür, dass er die Verstümmelung seiner Kinder zuließ, die Speise verunreinigen. 137,2 Priaps Liebling: Als von Priap (zu 16,3) besonders geschätztes Tier lässt die Gans sich nicht nachweisen, und warum sie verheirateten Frauen lieb sein soll, ist nicht recht klar – in beiden Fällen könnte die phallische Form des Halses eine Rolle spielen. Wahrscheinlich behauptet Oenothea beides, um Enkolp besonders für eine finanzielle Entschädigung bereit zu machen. 137,9 Jeder, der …: im Original Gedicht in elegischen Distichen. 137,9,3 Danaë: zu 126,18. Hier wird scherzhaft vorausgesetzt, der, der mit Danaë schläft, habe sich ihr gegenüber nur als Jupiter ausgegeben und auch (mit Geld) ihren Vater Akrisius davon überzeugt, er sei es. 137,9,6 Cato: zu 132,15,1. 137,9,8 Servius und Labeo: bedeutende Rechtsgelehrte zur Zeit Ciceros (zu 3,2). 138,5 Chrysis …: Der Satz ist unklar – was ist mit fortuna gemeint? –, scheint sich aber zunächst auf die Episode mit Chrysis und dann darauf zu beziehen, dass sie nun doch noch Enkolp liebt.

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138,6

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Ariadne: Tochter des kretischen Königs Minos, die dem attischen Prinzen Theseus hilft, den Minotaurus zu töten. Leda: Jupiter vergewaltigt sie in Gestalt eines Schwans. dieser Schönheit: offenbar derjenigen Circes. Helena: zu 108,14,2. Paris wird sie von Venus versprochen, als er die Liebesgöttin in der Rolle des Schiedsrichters im Schönheitswettbewerb mit Juno und Minerva zur Siegerin erklärt hat. »Nicht nur mich …: im Original Gedicht in daktylischen Hexametern. Tirynthier: zu 124,270. Herkules nimmt dem Titanen Atlas die Last des Himmels ab, solange dieser für ihn die Äpfel aus dem Garten der Hesperiden holt. inachisch: argivisch; nach König Inachos von Argos. Pelias: König von Iolkos in Thessalien, der Juno bei einem Opfer übergeht, worauf sie veranlasst, dass er von Medea (zu 108,14,2) ermordet wird. Laomedon: König von Troja, der sich von Apollo und Neptun die Mauern seiner Stadt erbauen lässt, die beiden Götter aber um ihren Lohn prellt und dafür von ihnen bestraft wird. Telephus: mysischer König auf der Seite Trojas, der von Achill verwundet wird. Worauf der Text anspielt, ist unklar. Odysseus: Ihn verfolgt Poseidons (= Neptuns) Zorn auf dem Meer, weil er dessen Sohn Polyphem das Auge ausgestochen hat. Nereus: der greise Vater der Meernymphen. Priap: zu 16,3. Sein Heiligtum befand sich in Lampsakus am Hellespont. der Geschädigte: Über ihn wissen wir nichts. Philomela: über die gleichnamige Frau im Mythos vgl. zu 68,3 und 131,8,7. Auch diese Trägerin des Namens opfert ein Kind, ja sogar zwei Kinder, persönlichen Interessen. Ephebe: zu 85,3. analusische Mysterien: Das (vielleicht von Petron gebildete) Adjektiv pigiciacus (oder pygesiacus?) gehört offensichtlich zu griech. pygē´ (»Arsch«) und soll wohl an eine Ortsbezeichnung anklingen; ich habe versucht, das nachzuahmen. Mysterien waren in der Antike im Verborgenen begangene religiöse Handlungen. Merkur: Der Gott wird hier als der Geleiter der Toten in den Hades (und aus dem Hades zurück zur Oberwelt) genannt. Protesilaus: der erste Grieche, der nach der Landung in der Troas getötet wurde. Die Götter ließen ihn, da seine Frau Laodamia untröstlich war in

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ihrem Schmerz, für drei Stunden zu ihr zurückkehren. Enkolp will also offensichtlich sagen, sein »verstorbener« Penis, nun wieder »lebendig«, werde dies auch bleiben. Sokrates: zu 128,7. »Alle, die …: Es spricht eindeutig Eumolp. Hannibal: zu 50,5. Die spanische Stadt Sagunt wurde von ihm im Herbst 219 v. Chr. erobert, nachdem er sie etwa ein halbes Jahr lang belagert hatte. Petelia, das nicht weit von Kroton lag, ergab sich ihm nach längerer Belagerung 216 v. Chr. Das spanische Numantia eroberte P. Cornelius Scipio Africanus 133 v. Chr., wofür er den Beinamen Numantinus erhielt.

EINFÜHRUNG Der Roman Satyrica ist vielleicht derjenige unter allen nur fragmentarisch erhaltenen antiken Texten, den man am allerliebsten vollständig kennen würde – oder provokant ausgedrückt: Es gibt sehr viele lückenlos überlieferte Werke von Autoren des klassischen Altertums, die ich, wenn das möglich wäre, gerne als ganze, ja sogar im Dutzend herschenken würde, um dafür die kompletten Satyrica einzutauschen (Titel werden hier natürlich nicht genannt). Warum? Weil das unter dem Namen eines Petronius Arbiter überlieferte Opus von allen griechischen und römischen Vertretern seines Genres dem neuzeitlichen Roman als der Gattung, die im Literaturspektrum der Gegenwart bei weitem die größte Rolle spielt, am nächsten verwandt ist. Ja, wenn die Satyrica nicht eindeutig in kaiserzeitlichem Latein geschrieben und ohne jeden Zweifel vor 200 v. Chr. entstanden wären – diesen Terminus ante quem liefert der christliche Autor Tertullian (ca. 150–230)  –, könnte man meinen, es handle sich um einen modernen Roman in der Nähe etwa des Ulysses oder der Blechtrommel. Und bei welchem anderen Klassiker der alten Griechen und Römer würde man wohl solche Texte assoziieren? Das literarische Erbe der Antike gilt heute vielen als veraltet, moralinsauer und inhaltlich wie sprachlich extrem schwer zugänglich, z. B. halbwüchsigen Pennälern, die Latein lernen müssen. Deshalb ist mancher Lehrer, der das Fach unterrichtet, heilfroh, wenn er mit den unwilligen Eleven wenigstens vorübergehend dieses Werk lesen kann, das nicht nur ganz und gar amoralisch ist, sondern in dem auch Leute auftreten, die in kurzen Sätzen der Umgangssprache

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über Alltagsdinge plaudern und persuadere (»überreden«) nicht wie Caesar und Cicero mit dem Dativ, sondern wie im Deutschen mit dem Akkusativ verbinden; man bedenke, dass noch bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts hinein ein Gymnasiast, der denselben »Fehler« machte, sich dafür eine Maulschelle einfangen konnte. Petrons Roman – das ist geradezu eine Revolution gegen edle Einfalt und stille Größe, an der sich brave Humanisten in der Regel erbauen möchten. Aber wir wissen zu wenig über das Gesamtkonzept der Satyrica und möglicherweise gar nichts über den Verfasser, der sich hinter dem Ich-Erzähler Enkolp versteckt – »the hidden author«, wie G.B. Conte ihn im Titel seiner Petron-Monographie nennt. Oder wissen wir doch etwas, vielleicht sogar mehr als über manch anderen antiken Schriftsteller? In den Annalen des Tacitus (16,17,1; 18–20,1) erfahren wir einiges zu einem Petronius, der, vormaliger Statthalter von Bithynien und Konsul, im engsten Kreis Neros dessen »oberste Instanz in Fragen des feinen Geschmacks« (elegantiae arbiter) gewesen sei und ein überwiegend dem Genuss geweihtes Leben geführt habe. Beim Kaiser 66 n. Chr. in Ungnade gefallen, habe er sich durch Aufschneiden der Pulsadern umgebracht, seinen Tod aber durch vorübergehendes Abbinden der Wunden hinausgezögert und sei, nachdem er statt eines philosophischen Vortrages über die Unsterblichkeit der Seele lockeren Liedern und oberflächlichen Versen gelauscht und dann gegessen habe, im Schlaf gestorben. Und dieser Petron habe Nero ein Verzeichnis von dessen sexuellen Ausschweifungen sowie der daran beteiligten Knaben und Frauen hinterlassen. Als Autor der Satyrica präsentiert der Historiker den elegantiae

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arbiter nicht. Aber dass dieser den Roman schrieb, nimmt man allgemein an, weil seine Lebensweise dem Treiben Enkolps und seiner Freunde ähnelt und vieles dafür spricht, dass wir in ihnen Untertanen Neros sehen sollen. Um nur zwei Indizien anzuführen: Der protzige Gastgeber Trimalchio trägt Züge, die ihn als Karikatur des Kaisers erscheinen lassen, und die beiden größeren Verseinlagen »Der Untergang Trojas« (Kap.  89) und »Der Bürgerkrieg« (Kap. 119–124), die bei Petron der Dichter Eumolp rezitiert, kann man als Parodien auf Verse der neronischen Autoren Seneca und Lucan lesen. Aber ebenso gut könnten wir es mit Persiflagen pathetischer Poesie der Flavierzeit, also des späten 1.  Jahrhunderts n. Chr., zu tun haben. Und wer zeigen will, dass Trimalchio an Nero erinnert, muss sich vor allem auf die flavischen und nachflavischen Autoren Sueton, Tacitus, Plinius, Martial und Juvenal berufen, von denen, genauso wie wir, auch ein Petron des 2. Jahrhunderts sein Bild des Kaisers bezogen haben kann. Überdies besitzen wir sonst nur aus dieser Epoche Texte, die sowohl der Gattung »Roman« zuzuordnen als auch inhaltlich und sprachlich den Satyrica vergleichbar sind; erstmals erwähnt wird das Werk ja, wie gesagt, um 200. Petrons Spielart der Gattung bezeichnet man als »komischrealistischen« Roman, um ihn von dem »idealisierenden« Roman abzugrenzen. Dessen Vertreter erzählen von einem schönen jungen Mann aus gutem Hause, der eine ebenfalls vornehme, schöne und junge Frau liebt, aber, bevor er sich an einer friedlichen ehelichen Zweisamkeit erfreuen kann, mit ihr auf einer Reise durch die Länder des östlichen Mittelmeeres Bedrohungen durch Räuber, Piraten und andere Übles sinnende Personen ausgesetzt ist, denen gegenüber die beiden sich tapfer behaupten und vor allem immer wie-

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der die Liebe zueinander bewähren müssen. Mit einer feindlichen Welt werden auch Enkolp und der von ihm geliebte Knabe Giton konfrontiert. Aber sie haben nicht wie das Paar im idealisierenden Roman einen integren Charakter und agieren schon gar nicht entsprechend einer solchen Wesensart, sondern sind vagabundierende Strolche, die schmarotzen, stehlen, betrügen und in der Liebe einander nicht die Treue bewahren. Man hat gesagt, der Autor der Satyrica parodiere den idealisierenden Roman, und diejenigen, die ihn mit Neros elegantiae arbiter identifizieren, gehen davon aus, dass die Art von fiktionaler Erzählung, über die Petron sich lustig macht, in Rom in der Mitte des 1. Jahrhunderts n. Chr. bereits so bekannt war, dass man den Spaß zu goutieren vermochte. Das kann jedoch keineswegs als sicher gelten. Neuere Untersuchungen haben überzeugend gezeigt, dass der sehr wahrscheinlich erste Text vom Typus des idealisierenden Romans nicht viel früher als um 50 v. Chr. entstanden sein dürfte. Es handelt sich dabei um die Geschichten über Kallirhoe des Griechen Chariton, der noch dazu im kleinasiatischen Aphrodisias lebte und für das dortige Publikum schrieb. Natürlich ist nicht auszuschließen, dass dieses Werk rasch nach Rom kam und dort sofort viele Leser fand, die dann auch Petron ansprach. Aber muss er in den Szenen der Satyrica, die mit Szenen bei Chariton motivisch verwandt und ihnen gegenüber ins Komische verzerrt sind, genau diese evozieren? Nehmen wir ein Beispiel: die wechselseitige Wiedererkennung von Personen, die sich lange nicht sahen. Wenn Lichas bei Petron erst in dem Moment gewahr wird, dass er Enkolp vor sich hat, als er dessen Penis erblickt (105,9 f.), liest sich das wie die Parodie auf analoge Szenen in den Geschichten über Kallirhoe, die keinen Anlass zum Schmunzeln

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geben. Doch bereits in Homers Odyssee findet sich das Wiedererkennungsmotiv in einem »seriösen« Kontext: in der Szene, in welcher der heimgekehrte Held sich bei Eurykleia durch eine Narbe an seinem Bein verrät. Und im Petron-Text wird sogar ausdrücklich auf diese Passage des Epos hingewiesen. Wie man sieht, darf man nicht ohne weiteres voraussetzen, dass der Autor der Satyrica diese unter Nero verfasste und Charitons Roman parodierte. Deutlich zu bemerken ist dagegen, dass beide Formen der fiktionalen Erzählung eines gemeinsam haben: Sie stellen intertextuelle Bezüge zu zahlreichen literarischen Werken her, und sowohl Chariton als auch Petron knüpfen speziell an folgende Traditionen an: 1. die der erotischen Novelle, 2. des komischen Dramas und 3. des Prosatextes mit Verseinlagen. Die unter Nr. 1 genannte Gattung inspirierte Chariton zweifellos am stärksten durch die um 100 v. Chr. von einem Aristides in Milet, also nicht weit von Aphrodisias geschriebenen Milesiaka (»Milesische Geschichten«), die verloren sind, aber offenbar eine Sammlung in der Art von Boccaccios Decamerone waren. Als Nr. 2 erkennt man bei beiden Romanautoren aufgrund ihrer Vorliebe für lebendige Dialoge und Schilderung bewegter Szenen die attische Komödie der hellenistischen Epoche und insbesondere in den Satyrica den Mimus, eine Art von Sketch oft erotischen Inhalts. Und Nr. 3, das Prosimetrum, wurde in der ersten Hälfte des 3. Jahrhunderts v. Chr. durch Menippos von Gadara für (heute verlorene) satirische Texte verwendet, die vermutlich u. a. narrativen oder dialogischen Charakter hatten. Bei den Griechen war es höchstwahrscheinlich Chariton, der, abgesehen davon, dass er sich mit dem Erzählen einer längeren Geschichte an das Epos anlehnte, vor allem durch Integration der

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drei gerade angesprochenen literarischen Formen in einen narrativen Prosatext den Roman als neue Gattung schuf. Er regte nicht wenige hellenische Autoren des 1.–3. Jahrhunderts zum Verfassen von Werken desselben Genres in verschiedenen Varianten an. Aber wenn Chariton nicht schon durch sehr frühe Abschriften seiner Geschichten um Kallirhoe auf den Autor der Satyrica wirkte, in welchem literarischen Umfeld könnten wir uns dann die Genese dieses Textes vorstellen? Da ist nun auf mehrere Romane und Romanfragmente zu verweisen, die, inhaltlich mit den Satyrica enger verwandt als mit Charitons Text, aber alle von diesem als dem Archetypus der Gattung abhängig sind und bis auf eine Ausnahme im griechischen Sprachraum zwischen der Mitte des 1. und dem Ende des 2. Jahrhunderts entstanden: die Metamorphosen des Lukios von Patrai, die lateinische Bearbeitung dieses Textes unter demselben Titel durch Apuleius, die Wunder jenseits von Thule des Antonios Diogenes, die Phoinikika des Lollianos sowie der Iolaos-, der Tinuphis- und der Protagoras-Roman. Wie in diesen Texten tragen die in den Satyrica auftretenden Personen griechische Namen, aber nur Petron lässt die Handlung in Italien spielen und vergegenwärtigt die römische Kultur der Ära Neros. Sollte eine solche Sonderform des komisch-realistischen Romans wirklich als der älteste Vertreter dieses Gattungstyps von einem römischen Senator kreiert worden sein? Meines Erachtens spricht mehr dafür, dass der Autor sich wie sein Lateinisch schreibender »Kollege« Apuleius von griechischen Texten wie den gerade genannten anregen ließ, also frühestens unter den Flaviern, eher jedoch unter einem der direkt nachfolgenden Kaiser, etwa um 120 n. Chr. Dann wäre der Name Petronius Arbiter ein mit Blick auf

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den elegantiae arbiter gewähltes Pseudonym. Die historische Gestalt, die Neros Sexorgien aufgelistet haben soll, passt viel zu gut zum Romantext. Ein fiktiver Petron, der die Epoche des Kaisers komischrealistisch verlebendigt, ist besser denkbar, zumal in einer Zeit, in die viele Pseudepigraphen zu datieren sind. So erschienen mindestens drei idealisierende Romane des 1. bis 3. Jahrhunderts n. Chr. unter dem Namen eines Xenophon, und zwar doch wohl deswegen, weil der bekannte Xenophon von Athen zu Anfang des 4. Jahrhunderts v. Chr. mit seiner Kyropädie einen vielgelesenen romanhaften Text verfasst hatte. Bereits die Kyropädie stellt eine fiktionale Erzählung vor einen historischen Hintergrund, und so verfahren auch Charitons Geschichten über Kallirhoe sowie weitere idealisierende Romane. Bei ihm z. B. beginnt das Geschehen im Syrakus des späten 5. Jahrhunderts v. Chr. und bezieht vorübergehend den Hof eines Perserkönigs namens Artaxerxes ein, mit dem vermutlich Artaxerxes II. gemeint ist (404–360 v. Chr.). Wenn es also zutrifft, dass ein unbekannter Autor des frühen 2. Jahrhunderts n. Chr. unter dem Pseudonym Petronius Arbiter die Handlung seines Romans in die Epoche Neros legt, wäre das ein römisches Pendant zu dieser Art von Fiktion bei Chariton und seinen direkten Nachfolgern. Mehrere griechische Romanautoren brachten den fiktiven Anspruch, dass sie über historische Ereignisse berichteten, schon im Titel dadurch zum Ausdruck, dass sie – offenkundig in Anspielung auf Xenophons Geschichtswerk Hellenika (»Griechische Angelegenheiten«) – ihre Werke mit Ephesiaka, Babyloniaka oder Aithiopika überschrieben. Petron dürfte das mit Satyrica evozieren. Und er will durch die Bezeichnung seiner Geschichte als »Angelegenheit von Satyrn« wohl

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von vornherein darauf hinweisen, dass seine Protagonisten, ebenso wie die mythischen Begleiter des Dionysos mit ihrem großen Phallus, ein bewegtes Leben im Rahmen von Wein, Weib und Gesang führen. Gleichzeitig aber spielt der Autor sehr vermutlich mit dem lateinischen Adjektiv satiricus, das, abgeleitet von satira (»Satire«; ursprünglich satura), beide Bedeutungen dieses erstmals von den Römern verwendeten Gattungsbegriffes aufruft: zum einen »bunte Mischung« – denn das Wort dürfte ursprünglich für eine Speise mit bunt gemischter Füllung, eine Art Pastete, gestanden haben –, zum anderen »Satire« insofern mit der heutigen Konnation, als »satirische« Beobachtung des Welttheaters in der Regel komischrealistisch das »Sein« menschlichen Denkens und Handelns hinter dem oft zur Schau gestellten Schein aufdeckt. So geschieht es immer wieder in Petrons Roman, und wenn man nun versucht, »satyrhaft« und »satirisch« in einer einigermaßen adäquaten Wiedergabe des Titels Satyrica gemeinsam zum Ausdruck zu bringen, kommt man meines Erachtens zwangsläufig auf »Satyrische Geschichten«. Wie bereits angesprochen, sind es drei literarische Traditionsstränge, die in die Satyrica einmünden, die der erotischen Novelle, des Dramas und des Prosimetrums. Sie haben den Roman so stark geprägt, dass schon ein erster Blick auf ihre Präsenz im Text Wichtiges über Form und Gehalt erkennbar macht; die Satyrica seien also jetzt kurz als Erbe von Milesiaka, Komödie bzw. Mimus und menippeischer Satire betrachtet. Im überlieferten Text der Satyrica kann man zwölf Episoden unterscheiden (vgl. die Inhaltsübersicht Seite 364), die nicht sehr

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stringent verknüpft sind und deshalb wie aneinandergereihte Novellen wirken. Dieser Eindruck wird zwar auf den ersten Blick dadurch erzeugt, dass die Kodizes meist an den Übergängen von Episode zu Episode Textlücken aufweisen, aber auch wenn wir genau wüssten, wie die Handlung jeweils fortgesetzt wurde, hätten wir beim Lesen nicht das Gefühl, dass sie sich so und nicht anders weiterentwickeln musste. So schließt Petron z. B. die Episode »Enkolp, Giton und Askylt beim Gastmahl des Trimalchio« nicht in der Weise ab, dass er die weiteren Abenteuer der drei spätestens unmittelbar vor dem Ende der Cena gezielt vorbereitet. Im Gegenteil: Er lässt das laufende Geschehen jäh abbrechen, indem er rasch erzählt, wie die drei Freunde die Flucht ergreifen, als Feuerwehrleute in der irrigen Meinung, bei Trimalchio brenne es, die Haustür aufbrechen und in den Speisesaal stürmen (78,8 f.). Blitzschnell wird also die Szene gewechselt, und wenn wir das Terzett nach einer Lakuna, die nicht groß sein kann, auf einer dunklen Gasse nach ihrer Herberge suchen sehen, ist von der doch so imposanten Cena nicht mehr die Rede. Nietzsche hat Petrons »Geschwindigkeit«, die sich hier exemplarisch zeigt – auch an anderen Stellen des Romans fliehen die agierenden Personen »von der Bühne« – in Jenseits von Gut und Böse treffend charakterisiert (Kritische Studienausgabe, Bd. 5, München 31993, S. 47): »Petronius […], der mehr als irgend ein grosser Musiker bisher, der Meister des presto gewesen ist, in Erfindungen, Einfällen, Worten: – was liegt zuletzt an allen Sümpfen der kranken, schlimmen Welt, auch der ›alten Welt‹, wenn man, wie er, die Füsse eines Windes hat, den Zug und den Athem, den befreienden Hohn eines Windes, der Alles gesund macht, indem er Alles laufen macht!«

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Man bedenke angesichts des schnellen Szenenwechsels, dass der gesamte Roman, aus dem uns Reste der Bücher 13 bis 21 erhalten sind, vielleicht wie die beiden großen homerischen Epen Ilias und Odyssee mit ihrem Geschehenskontinuum 24 Bücher umfasste! Da fragt man sich schon, ob Petron das uns kenntliche episodische Erzählen über eine so lange Strecke in der Weise zu gestalten imstande war, dass man stets gerne, ja sogar mit Spannung weiterlas. Oder hatte er ein alle Episoden miteinander verklammerndes Leitthema, das zu sehen uns die fragmentarische Überlieferung verwehrt? Auf der Suche nach einem solchen hat man aus einigen Textstellen dies erschlossen: Wie Odysseus während seiner Irrfahrten nach dem Abenteuer mit Polyphem und wie Aeneas während seiner gesamten Reise von Troja nach Latium sei Enkolp während seiner Abenteuer von einer zürnenden Gottheit verfolgt worden, ja, es ist vom Zorn des Priap, des Gartengottes mit dem riesigen Phallus, die Rede, der auch zu den Satyrica bestens passt. Aber das ist auf zwei Episoden beschränkt, die Szenen mit Quartilla (16–26,6) und diejenigen mit Circe und Oenothea (125–139), und deshalb sollte man eher annehmen, Petron habe das epische Motiv lediglich punktuell verwendet. Passagen, in denen der Romanautor motivisch auf typische Handlungselemente des Epos rekurriert, finden sich in den auf uns gekommenen Partien der Satyrica mehrfach. Das Spektrum solcher Anspielungen wird durch Intertextualität mit literarischen Werken mehrerer anderer Gattungen erweitert. In dem Roman entsteht Komik besonders oft dadurch, dass Enkolp sich auf lächerliche Art mit Figuren in »Klassikern« identifiziert, etwa wenn er wie Catull in Hendekasyllaben von seiner Liebe spricht, in seinem Falle von

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der zu Giton (79,8). Oder wenn er, nachdem Askylt ihm den Knaben entführt hat, pathetisch zum Schwert greift und wie Aeneas in Buch 2 des vergilischen Epos blutrünstig durch die Straßen streift (82,1 f.). Stets wird der »Held« in seiner literarischen Pose jäh in die Realität des Alltags zurückgeholt: im ersten der beiden genannten Fälle dadurch, dass Askylt Giton aus dem Bett Enkolps in das eigene hinüberzieht, im zweiten, weil er in seiner Kämpferpose einem Soldaten begegnet, der ihn wegen seines unmilitärischen Schuhwerks auslacht und ihm das Schwert abnimmt. Schein und Sein stoßen beide Male wie auch sonst oft im Roman hart aufeinander. Nicht nur in den einzelnen Episoden des Hauptgeschehens, sondern auch in den kürzeren und längeren Novellen, die in die Handlung eingelegt sind, spielt das intertextuelle Aufrufen von Szenen in Dichtung und Prosa, die Petron bei seinen Lesern als bekannt voraussetzen darf, eine wichtige Rolle. So fungiert z. B. in der »Matrone von Ephesos« (111 f.) ein Soldat als »Antityp« zu einem elegisch Liebenden, wie er uns aus den Gedichtsammlungen des Tibull, Properz und Ovid vertraut ist: Muss dort der innamorato oft als »Ausgeschlossener« die Nacht vor der Tür seiner Angebeteten verbringen, so sieht sich dieser hier »eingeschlossen«, weil er eine Witwe, die sich in der Grabkammer ihres Mannes zu Tode hungern will, nicht nur zum Essen und zum Trinken, sondern auch zum Beischlaf überredet und das Treiben der beiden vor der Welt verborgen bleiben soll. Die Magd, die sich bei der Witwe aufhält, vermittelt zwischen ihr und dem Soldaten und zitiert dabei aus Vergils Epos Worte Annas, mit denen diese ihre Schwester Dido in deren Liebe zu Aeneas bestärkt; gleichzeitig spricht sie wie Horaz, wenn er dazu auffordert, den Tag zu nutzen, aber auch wie die Kupplerin in

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einer Komödie, ja sie evoziert zudem intratextuell eine Szene in der Cena, in der Trimalchio im Angesicht des Todes zum vivere mahnt (34,8–10). Der Episodencharakter des bei Petron erzählten Romangeschehens kann, wie die Beispiele des »catullischen« Abschnitts  79,8 und des »vergilischen« Abschnitts  82,1 f. zeigen, dadurch unterstrichen werden, dass im Hintergrund einer Szene eine solche aus einem bekannten literarischen Werk »mitgelesen« sein will. Hinzu kommt: Mehrere Handlungsabschnitte werden so lebendig vergegenwärtigt, dass sie wie eine Bühnenszene wirken, und diesen Eindruck verstärkt Petron wiederum dadurch, dass er sich immer wieder Mimen zum Vorbild wählt. Einzelne Momente, ja sogar längere Phasen des Romangeschehens sind also regelrecht »inszeniert«, und das gilt insbesondere für die Cena. Hier setzt der Autor sogar von Anfang an einen »Regisseur« ein: den Gastgeber Trimalchio, der die Präsentation der einzelnen Speisen als theatralische Überraschungseffekte gestaltet und uns am Ende der Episode die Generalprobe seiner Beerdigung zum Besten gibt. Er hat den Geschehensverlauf offenbar sehr sorgfältig geplant, und wohl deshalb kann man den Bericht über die Cena wie ein klassisches Drama in fünf Akte mit Exposition, aufsteigender und fallender Handlung, Peripetien und grande finale gliedern (vgl. die Inhaltsübersicht Seite 364). In dem »Theaterstück«, bei dem Petron uns zu Zuschauern macht, werden Überlegungen zum Geschehen, wie wir als Publikum sie anstellen könnten, gelegentlich geradezu suggeriert. Denn der vom Autor geschaffene Ich-Erzähler spricht nicht, wie wir es bei einer solchen Figur in der neuzeitlichen Literatur öfters finden, aus der Rückschau, die ihm Distanz zum Geschehen ermöglicht,

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sondern nimmt alles, was sich irgendwann einmal während seiner Teilnahme an der Cena abgespielt hat, meist in der Weise wahr, als würde er es hautnah erleben; nur ganz selten lässt er sich in den erhaltenen Passagen der Satyrica als »auktorialer« Berichterstatter vernehmen. So erreicht Petron, dass die von Trimalchio inszenierten Überraschungen auf die Leser in vollem Maße als solche wirken. Zugleich verhindet er aber so gut wie ganz, dass sein Ich-Erzähler Ansichten äußert, die aus einer nachträglichen Betrachtung des von diesem Erlebten gewonnen sind. Auf solche Weise erschwert Petron es uns noch mehr als ohnehin schon dadurch, dass er »hidden author« ist, die Frage zu beantworten, die man selbstverständlich jedem literarischen Text stellen darf: ob der Verfasser irgendeine »Botschaft« an uns sendet, also etwa ein bestimmtes Welt- und Menschenbild zum Ausdruck bringen möchte. Das hiermit zusammenhängende Problem ist eng verbunden mit der Frage, die ich nach meinen Bemerkungen über das Verhältnis der Satyrica zu Novelle und Drama abschließend kurz zu beantworten versuche: Welchen Einfluss hatte die menippeische Satire auf Petrons Roman? Sie erhebt sich deswegen in diesem Kontext, weil Satire meist eine message vermitteln will. Das ist jedenfalls, soweit wir das anhand der Reste von satirischen Texten im Prosimetrum, die Petron rezipiert haben kann und die uns noch kenntlich sind, beurteilen können, für diese Texte vorauszusetzen. Von Menipp selbst ist zwar so gut wie nichts erhalten, aber wir besitzen Fragmente der Menippeen des M. Terentius Varro (116–27 v. Chr.) und können uns mit Hilfe der menippeischen Dialoge Lukians (ca. 120–180) ein gewisses Bild von dessen Vorlagen machen. Daraus ergibt sich insgesamt: Die Vertreter dieser Gattung erheben, auch

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wenn sie lachend die Wahrheit sagen, dezidiert zum Zweck der Moralkritik den Zeigefinger. Das ist freilich nicht ihre einzige Intention, und deshalb sei erst einmal festgestellt, dass die durch manche Verspartien bei Petron transportierte Parodie von Vorlagen dieser metrischen Texte mit hoher Wahrscheinlichkeit vor allem von menippeischen Satiren angeregt wurde. Ich jedenfalls halte es für schwer denkbar, dass z. B. Eumolps 295 Hexameter über den Bürgerkrieg – egal, ob wir hier eine zeitgenössische Antwort auf Lucans Pharsalia oder eine um 120 n. Chr. entstandene Auseinandersetzung mit dem nachvergilischen Epos als Ganzem vor uns haben – einen ernst zu nehmenden Beitrag zur Gattung leisten möchte. Dazu ist das Gedicht denn doch zu pathetisch wie auch zu manieriert in der poetischen Diktion und wird zu deutlich als das Werk eines lächerlichen Dichterlings präsentiert. Und dessen zweifelhafter Charakter macht es für mich unmöglich, die negative Meinung über römisches Besitzstreben und Genusssucht in der späten Republik, die Eumolps poetisches Ich in dem Gedicht zum Ausdruck bringt, als implizite Artikulation von Sittenkritik durch den Autor der Satyrica zu lesen. Aber das schließt keineswegs aus, dass Petron, wenn er uns so ausgesprochen lebendig und wirklichkeitsnah etwa das ausschweifende Essen und Trinken an Trimalchios Tafel oder Eumolps betrügerisches Auftreten gegenüber den Erbschleichern in Kroton vor Augen führt, damit an unsere Bereitschaft zur moralischen Verurteilung solcher Verhaltensweisen appellieren möchte. Möchte er das aber tatsächlich? Wir können ihn nicht selbst fragen, aber seine Form der Schilderung von moralisch bedenklichem menschlichen Handeln analysieren. Als Beispiel diene die schon

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kurz erwähnte Szene, die in Kap.  34 geschildert wird: Trimalchio lässt ein silbernes Skelett mit beweglichen Gliedern auf den Tisch werfen und bemerkt dazu in einem selbstverfassten Epigramm, wir alle seien elend dran angesichts der Tatsache, dass das Menschlein ein Nichts sei und wir alle so aussehen würden wie das Skelett, wenn der Orkus uns wegholt; deshalb müssten wir leben, so lange gestattet sei, es sich wohlsein zu lassen. Das hört sich zunächst nach der Verbindung von memento mori und Aufforderung zum Genuss des noch verbleibenden Daseins aus dem Munde eines EpikurAnhängers an. Aber Trimalchio versteht unter »Wohlsein« keineswegs entsprechend der Lehre des Philosophen eine genügsame Existenz, sondern Streben nach Reichtümern und hemmungslosen Genuss aller Sinnenfreuden. Und sein (doch wohl auch an ihn selbst gerichtetes) memento mori äußert sich gerade nicht darin, dass er statt auf den Tod auf ein erfülltes Hier und Jetzt blickt, sondern er probt ja dann am Ende der Cena seine Bestattung und das mit ihr verbundene Totenmahl. Wer den Widerspruch wahrnimmt – und er ist ganz evident –, darf darauf durchaus mit Missbilligung reagieren, weil bei dieser Lebenshaltung das Sein sich sehr weit vom Schein unterscheidet und deshalb heuchlerisch klingt, was Trimalchio sagt. Eine solche Interpretation würde den Textabschnitt als moralkritisch begreifen, und sie ist durchaus möglich. Es ist freilich eines zu bedenken: Die Szene ist so absurd und komisch zugleich, dass man den, der in ihr dominiert, eher jenseits von Gut und Böse ansiedeln als an sein Verhalten die Maßstäbe unseres abendländischen Sittenkodex anlegen sollte. Allein schon die miserablen Verse als Vehikel für ein pathetisch klingendes philosophisches Diktum sind mehr als

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komisch. Und man muss einfach nur noch lachen, wenn man sich klar macht, dass homuncio nil est außer »das Menschlein ist nichts« auch »das Menschlein isst nichts« bedeuten kann, Trimalchio also einfach nur sagen will: Das vor ihm auf dem Tisch liegende »Menschlein« bestehe nur aus Knochen, weil es keine Nahrung zu sich nehme, und deshalb müsse man jetzt gut essen, so lange es noch geht. Für jemanden, der sich als sein memento mori ein Skelett aus Silber anfertigen lässt und bei dessen Betrachtung einen derart albernen Kalauer von sich gibt, existieren überhaupt keine ethischen Kategorien. Liest man die Satyrica unter diesem Aspekt, findet man dort auf Schritt und Tritt Szenen, die, gemessen an der heute ebenso wie in der Antike für das menschliche Miteinander gültigen Norm, dermaßen aberwitzig sind, dass man auf sie ausschließlich mit Heiterkeit reagieren kann. Und dass man besser nicht darüber nachgrübelt, ob moralisch akzeptabel ist, was da jeweils abläuft, oder nicht. Da lesen wir von drei befreundeten »Brüderchen«, die nicht nur zusammen stehlen, sondern sich auch gegenseitig skrupellos die Treue brechen. Oder von einer Witwe, die zu Lebzeiten als Wunder an Keuschheit angestaunt wird und dann in der Grabkammer ihres Mannes verhungern will, um bald darauf dann doch mit dem erstbesten Verehrer neben dem Leichnam dessen zu schlafen, dem sie in den Tod folgen wollte. Oder von einem verlotterten Poetaster, der sich vor Erbschleichern als reich ausgibt und in seinem Testament nur diejenigen bedenken will, die bereit sind, seinen Leichnam in Stücke zu schneiden und im Beisein der Leute aufzuessen. Sollen wir über dieses und anderes, wovon Petrons Roman erzählt, wirklich sittlich empört sein? Ich meine, wenn dem Autor daran ge-

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legen gewesen wäre, diesen reader response bei uns hervorzurufen, hätte er uns von wahrhaft üblen und empörenden Taten berichtet und nicht von solchen mehr als grotesken Absurditäten. Also ein durch und durch amoralisches, gewissermaßen in einem Niemandsland, eben dem der Satyrn, angesiedeltes Werk. Und zu einem solchen passt das Latein, in dem die Prosa-Abschnitte geschrieben sind. Wie bereits angedeutet, weicht es von der durch Caesar und Cicero vorgegebenen Norm der »klassischen« Latinität nicht unerheblich ab. Man kann neben der anspruchsvollen poetischen Diktion der Verseinlagen bei der Prosa zwei Stilebenen differenzieren, den sermo urbanus der Gebildeten, also vor allem Enkolps und seiner Freunde, des Dichters Eumolps und des Rhetors Agamemnon, und den sermo vulgaris Trimalchios, der Freigelassenen an seiner Tafel sowie weiterer Personen aus den unteren sozialen Schichten. Während sich hier in Wortwahl, Wortformen und Syntax zahlreiche Abweichungen von unseren Schulgrammatiken finden und gelegentlich schon Verwandtschaft mit den romanischen Sprachen zu bemerken ist, stimmt der sermo urbanus im wesentlichen mit der literarischen Prosa der frühen Kaiserzeit, der Epoche der »Silbernen Latinität«, überein; allerdings stößt man auch hier auf nicht wenige Worte und Wendungen des sermo vulgaris. Wir müssen freilich davon ausgehen, dass damals weder die Gebildeten genauso geredet haben wie Enkolp noch die sogenannten einfachen Leute wie die Freigelassenen. Auch hier besteht wie bei den im Roman geltenden Moralvorstellungen ein gewisser Unterschied zwischen fiktiver und zeitgenössischer Realität. Insgesamt gilt für Menschenbild und Sprache, dass wir einerseits ständig das

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Gefühl haben, wir läsen einen modernen, die Wirklichkeit abbildenden Roman, auf der anderen Seite aber immer wieder feststellen, dass die Welt, in welche uns die Satyrica versetzen, nicht nur etwa 2000 Jahre von uns entfernt ist, sondern überdies geradezu ein eigener Planet ist, ein monde à l’envers.

LITERATURHINWEISE 1. BIBLIOGRAPHIEN UND FORSCHUNGSBERICHTE Schmeling, G. (1970 ff.; Hg.): The Petronian Society Newsletter, Gainesville, Florida. – /J.H. Stuckey (1977): A Bibliography of Petronius, Leiden (Mnemosyne Supplementum 39). Vannini, G. (2007): Petronius 1975–2004: bilancio critico e nuove proposte, Lustrum 49, 7–511. Fedeli, P. (2009): Il romanzo petroniano: bilanci e prospettive, in: Gasti 2009 (s. 4. Monographien …), 13–29. Holzberg, N. (2009): Antike fiktionale Erzählprosa. Eine Bibliographie, www.niklasholzberg.com/Homepage/Bibliographien.html 2. TEXTKRITISCHE AUSGABEN, ÜBERSETZUNGEN, KOMMENTARE UND KONKORDANZ Bücheler, F./G. Heraeus (61922): Petronii Saturae et Liber Priapeorum, recensuit F.B. Adiectae sunt Varronis Satirae et Senecae Saturae similesque reliquiae. Editionem sextam curavit G.H., Berlin. Giardina, G.C./R. Cuccioli Melloni (1995): Petronii Arbitri Satyricon, Torino (Corpus Scriptorum Latinorum Paravianum). Müller, K. (52003): Petronius, Satyricon reliquiae. Editio iterata correctior editionis quartae (MCMXCV), München/Leipzig (Bibliotheca Teubneriana); Nachdruck Berlin 2009. Öberg, J. (1999): Cena Trimalchionis: A New Critical Edition, Stockholm (Acta Universitatis Stockholmiensis. Studia Latina Stockholmiensia 42). Müller, K./W. Ehlers (52004): Petronius, Satyrica – Schelmengeschichten. Lateinisch-Deutsch. Mit einer Bibliographie von N. Holzberg, München (Sammlung Tusculum). Schönberger, O. (1992): Satyrgeschichten. Lateinisch und Deutsch, Berlin (Schriften und Quellen der alten Welt 40). Steinmann, K. (2004): Petronius: Satyricon. Ein antiker Schelmenroman. Aus dem Lateinischen übersetzt und mit einem Nachwort, Zürich (Manesse Bibliothek der Weltliteratur).

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NACHWORT Die der vorliegenden Bilingue vorausgegangene Tusculum-Ausgabe der Satyrica von Konrad Müller und Wilhelm Ehlers, erstmals 1965, dann 1978 und 1983 in jeweils verbesserten Fassungen sowie 1995 und 2000 als bibliographisch erweiterte Nachdrucke der dritten Auflage erschienen, wandte sich mehr an ein Fachpublikum als an gebildete Laien, die doch normalerweise an einer Bilingue interessiert sind. Deshalb bot das Buch außer einer links neben die Übersetzung gestellten editio mit genauem Nachweis der für die einzelnen Abschnitte des Romans jeweils herangezogenen Handschriften am Textrand und dem kritischen Apparat am Seitenende dreißig außerhalb der Petron-Kodizes überlieferte Satyrica-Fragmente, ebenfalls zweisprachig und mit Apparat, sowie einen größtenteils wissenschaftlichen Anhang von 163  Seiten. Darin findet man ein umfangreiches Kapitel zur Textüberlieferung, ein auch nicht gerade kurzes zum Prosarhythmus, vier Seiten »Zum Text dieser Ausgabe«, die »Explicatio siglorum«, ein Verzeichnis der im Apparat genannten Gelehrten, eine Werkeinführung, Erläuterungen, die viele Kenntnisse voraussetzen und denen in den ersten drei Auflagen nur wenige Literaturangaben vorausgeschickt waren, sowie ein Nachwort zur Übersetzung. Solange der kritisch edierte lateinische Text, der einen großen Fortschritt gegenüber allen Petron-Ausgaben darstellte, nur innerhalb einer Bilingue der Sammlung Tusculum vorlag, war es sinnvoll, ihn dort zu belassen. Aber schon 1995 wurde er leicht überarbeitet zusammen mit einer lateinischen Praefatio, doch ohne Übersetzung und Anhang in einem Band der Bibliotheca Teubneriana und dort

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nochmals geringfügig überarbeitet wiederum 2003 nachgedruckt. So war der Weg frei für eine neue, den Bedürfnissen eines breiteren Leserkreises angemessene Tusculum-Ausgabe, die hier nun vorgelegt wird. Sie fußt auf Müllers Teubneriana, der Bilingue von Müller/Ehlers und den dort nicht mehr berücksichtigten wissenschaftlichen Erkenntnissen der Petron-Forschung seit dem Ende der 70er Jahre des 20. Jahrhunderts. Diese schlugen sich in über 200 Änderungen an der Müllerschen Textredaktion sowie darin nieder, dass ich den Text neu übersetzt habe, wobei ich mich anders als mein Vorgänger um eine möglichst wörtliche Wiedergabe bemüht habe, nicht zuletzt auch im Bereich der erotischen Passagen. Auf die nicht in den Satyrica-Handschriften enthaltenen Fragmente wurde verzichtet, da sich nur Spezialisten mit ihnen beschäftigen dürften, denen der Abdruck in der Teubneriana genügt. Natürlich bot Ehlers’ Übersetzung viele hilfreiche Anregungen; außerdem habe ich neben zahlreichen Monographien und einem Heer von Aufsätzen die inzwischen erschienenen Kommentare von Arragosti/Costi/ Cotrozzi, Breitenstein, Habermehl, Schmeling und Vannini mit größtem Gewinn herangezogen. Im Übrigen wurde der Anhang vollkommen verändert. Er beginnt mit einer möglichst kurzen allgemeinverständlichen Darlegung der Überlieferungslage und verzeichnet dann alle Stellen, an denen der vorliegende Text von demjenigen Müllers abweicht. Es folgen eine Übersicht zum Inhalt des Romans sowie eine zu den in den Verseinlagen verwendeten Metren, Erläuterungen, die vor allem den Bedürfnissen von Laien Rechnung zu tragen versuchen, aber zugleich Erkenntnisse der neueren Petron-Forschung einbringen, eine Einführung und eine relativ ausführliche Bibliographie.

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Ich hoffe, dass das neue Konzept Anklang findet. Ansonsten bleibt mir nur noch, mich bei allen meinen Freunden und Helfern zu bedanken, die wichtige Hinweise lieferten: Chiara Battistella, Daniél Kiss, Tamara Eisenhut, Regina Höschele, Vincent Hunink, Stefan Merkle, Margot Neger, Costas Panayotakis und Giulio Vannini. Dank gebührt auch Silvia Mayr, Julia Schwendner und insbesondere Stephanie Seibold, die das Manuskript mit größter Sorgfalt durchsahen. München, im September 2012

Niklas Holzberg

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