Sarx und Soma bei Paulus: Der Mensch zwischen Destruktivität und Konstruktivität 9783666539664, 9783525539668

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Sarx und Soma bei Paulus: Der Mensch zwischen Destruktivität und Konstruktivität
 9783666539664, 9783525539668

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Novum Testamentum et Orbis Antiquus / Studien zur Umwelt des Neuen Testaments Herausgegeben von Max Küchler, Peter Lampe und Gerd Theißen

Band 67

Vandenhoeck & Ruprecht

Lorenzo Scornaienchi

Sarx und Soma bei Paulus Der Mensch zwischen Destruktivität und Konstruktivität

Vandenhoeck & Ruprecht

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISBN 978-3-525-53966-8

© 2008, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen. www.v-r.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Hinweis zu § 52a UrhG: Weder das Werk noch seine Teile dürfen ohne vorherige schriftliche Einwilligung des Verlages öffentlich zugänglich gemacht werden. Dies gilt auch bei einer entsprechenden Nutzung für Lehr- und Unterrichtszwecke. Printed in Germany. Druck und Bindung: b Hubert & Co, Göttingen Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier.

Vorwort

Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2006/07 von der theologischen Fakultät der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg als Dissertation angenommen. Für die Unterstützung des Dissertationsprojekts, für viele Ratschläge, den dauernden Ansporn während der Entstehungszeit und nicht zuletzt für die Annahme in der Reihe NTOA des Verlags Vandenhoeck & Ruprecht möchte ich meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Gerd Theißen, herzlich danken. Die Arbeit ist in zwei zentralen Punkten mit der Forschung von Gerd Theißen verbunden. Theißens soziologische Analyse wird in der Beschreibung der kollektiven Bedeutung von UYOC weiterentwickelt. Seine Untersuchungen zu den psychologischen Aspekten der paulinischen Theologie dienen als Ausgangspunkt für die Definition von UCTZ als Sitz der Affekte und der Destruktivität. Die Promotion konnte dank der Unterstützung des Hermann-GunkelStipendiums der Theologischen Fakultät Heidelberg (2001–2003) und der Stiftung Villigst (2004) finanziert werden, denen ich an dieser Stelle herzlich danken möchte. Für die Finanzierung der Drucklegung danke ich der Johannes-a-LascoBibliothek sowie deren Leiter Dr. h.c. Walter Schulz, der EvangelischLutherischen Kirche in Bayern, der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD) und der „Frau Dorothea und Dr. Dr. Richard Zantner-Busch-Stiftung“ an der Universität Erlangen-Nürnberg. Für die Korrekturarbeit am deutschen Manuskript möchte ich mich bei Frau Dr. Iris Plack, Heidelberg, und Frau Prof. Dr. Oda Wischmeyer, Erlangen, bedanken. Für die Vorbereitung zum Druck danke ich Frau cand. phil. et theol. Nina Irrgang, Erlangen. Lorenzo Scornaienchi

Erlangen, im Advent 2007

Inhalt Inhalt Inhalt Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Kapitel I: Überblick über die Forschungsgeschichte zu UCTZ und UYOC 1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die These von H. Lüdemann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Die idealistische Exegese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Die Anthropologie des Paulus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die These von E. Käsemann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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3.1 Die neuen Ansätze der Religionsgeschichtlichen Schule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Das neue Thema: Der Leib Christi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Leib und Leib Christi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4 Die Reaktionen auf Käsemanns These . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.5 Die Suche nach einer jüdischen Erklärung von „Leib Christi“ . . .

4. Die These von R. Bultmann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Die Revision E. Käsemanns und die heutige Forschung . . . . . . . 5.1 Die Arbeiten vor der Revision . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2 Käsemanns Paulinische Perspektiven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3 Die Folgen der Revision Käsemanns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

6. Anliegen der aktuellen Forschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.1 Die Forschung über „Leib Christi“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2 Studien zur Anthropologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Kapitel II: Aufgabe und Methodik der Arbeit 1. Wesentliche Fragestellungen und Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . 2. Destruktivität und Konstruktivität: Elemente einer Methodik . . .

53 56 2.1 Grundlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 2.2 Destruktivität und Konstruktivität in der antiken Ethik . . . . . . . . 57 2.3 Destruktivität und Konstruktivität: Aggressivitätstheorie und methodische Überlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 2.4 Destruktivität und Konstruktivität als biographisches Erlebnis des Paulus . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 2.5 Destruktivität und Konstruktivität als paulinische Begriffe . . . . . 64

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Inhalt

2.6 Destruktivität – Konstruktivität und die Differenzierung UCTZ – UYOC . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66

Kapitel III: Das UYOC des Einzelnen 1. Die Definition von UYOC im Griechischen . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1 1.2 1.3 1.4

Die Septuaginta . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die nichtpaulinischen Stellen des Neuen Testaments Ansätze zu einer Definition des UYOC bei Paulus . . . Der Gebrauch von UYOC bei Paulus . . . . . . . . . . . .

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2. Das UYOC als Grenze eines bindungslosen Freiheitsverständnisses: Exegese von 1Kor 6,12–20 . . . . . . . . . 2.1 2.2 2.3 2.4

Literarische Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . GXZQWUKC und UWOHGTQP . . . . . . . . . . . . . . . . Das UYOC gehört dem Herrn . . . . . . . . . . . . Sexualethische Argumente gegen die RQTPGKC

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3. UYOC als Gegenüber im ethischen Kontext . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1. 1Kor 9,27 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 1Kor 13,3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4. UYOC als Ort der Offenbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1 2Kor 4,10–11 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Phil 1,20 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3 Gal 6,17 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

5. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Kapitel IV: Das UYOC der Gemeinschaft 1. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 2. Analyse von 1Kor 10,14–22 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 2.1 Der Kontext . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 2.2 Literarische Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 2.3 Gliederung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 2.4 Der Begriff MQKPYPKC . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 2.5 MQKPYPKC in der griechischen Philosophie . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 2.6 Die Opfer und Opfermahle: kultur- und religionsgeschichtliche Hintergründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 2.7 G?P UYOC und MQKPYPKC . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141

3. Analyse von 1Kor 11,17–34 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 3.1 Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 3.2 Kontext . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 3.3 Literarische Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 3.4 Gliederung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 3.5 Der Hintergrund: Rekonstruktionsmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . 149

Inhalt

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3.6 Die Abendmahltradition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 3.7 /J FKCMTKPYP VQ UYOC: Die Paränese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 3.8 Konstruktive Gemeinschaft versus liminale communitas . . . . . . . 164

4. Analyse von 1Kor 12,1–31 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 4.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 4.2 Literarische Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 4.3 Gliederung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 4.4 Die Grundlinien der Forschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 4.5 1Kor 12,12–13 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 4.6 Die Wirklichkeit des UYOC . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 4.7 Die tria genera corporum Systematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 4.8 Die Theorie der Mischungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 4.9 UWORCSGKC . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 4.10 Der Einfluss auf Paulus: eine Evaluation . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 4.11 Die Leib-Metaphorik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 5. Analyse von Röm 12,3–8 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 Exkurs: evn &TKUVY . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 6. Die Entwicklung des Motivs in der nachpaulinischen Literatur . . 214 Exkurs: Die Philosophie in Kolossä . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 6.1 MGHCNJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 6.2 CWZJUKL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 6.3 QKXMQFQOJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 7. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 Kapitel V: Anthropologie und Eschatologie 1. Einleitung: Das Problem der paulinischen Eschatologie . . . . . . . 231 2. Analyse von 1Kor 15,34–49 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 2.1 Die Auseinandersetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 2.2 Die Struktur von 1Kor 15 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 2.3 Literarische Analyse von 15,34–49 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 2.4 Gliederung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 2.5 Die Saatkornmetaphorik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 2.6 UCTZ und UYOC aus kosmologischer Perspektive . . . . . . . . . . . . . 242 2.7 Adam-Christus-Typologie: ein antithetischer Parallelismus . . . . . 247 2.8 UYOC RPGWOCVKMQP und UYOC [WEKMQP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 2.9 Schluss und Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 3. Analyse von 2Kor 5,1–10 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 3.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 3.2 Literarische Analyse und Gliederung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 3.3 Kontext: Die Polemik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 3.4 Die Bildersprache im Text . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266

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Inhalt

4. Schlussbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 Kapitel VI: Die Destruktivität des Menschen als UCTZ 1. Die Definition von UCTZ  1.1 1.2 1.3 1.4 1.5 1.6

Die Bedeutung von UCTZ im Griechischen . . . . . . . . . . . . . . . . . UCTZ in der Septuaginta . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . UCTZ in den nichtpaulinischen Schriften des Neuen Testaments . . . Die Definition von UCTZ bei Paulus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Verhältnis der UCTZ zur Sünde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Dualismus UCTZ und RPGWOC . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

2. Analyse von Röm 7,7–25 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 2.6 2.7 2.8

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Kontext . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Syntaktische Struktur und Gliederung . . . . . . . . . . Die Frage des Gesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Affektenlehre in der philosophischen Diskussion UCTZ und die Affekte bei Paulus: Das Medea-Motiv . GZY CPSTYRQL und GUY CPSTYRQL . . . . . . . . . . . . . . Das „Ich“ in Röm 7 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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3. UCTZ und Destruktivität: Anthropologische Ergebnisse . . . . . . . . 4. Analyse von Gal 5,13–23 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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280 281 285 287 292 296 298 298 299 301 302 307 323 330 333 342 346

Schlussbetrachtung: Der Mensch zwischen Konstruktivität und Destruktivität . . . . . . . . . . 352 Literatur 1. Primärquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355 2. Hilfsmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359 3. Sekundärliteratur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 360 Register 1. Moderne Autoren . . . . . . . . . . . . . 2. Biblische Bücher . . . . . . . . . . . . . 3. Griechische und römische Autoren 4. Frühjüdische Literatur . . . . . . . . . 5. Patristische Quellen . . . . . . . . . . .

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Einleitung Einleitung Einleitung Considerate la vostra semenza, fatti non foste a viver come bruti, ma per seguir virtute e canoscenza (Dante, Inf. XXVI, 118–120)

Mit diesen Worten beschreibt Dante in der göttlichen Komödie die letzte, entscheidende Aufforderung des alten Odysseus an seine Mannschaft, die Grenze der bekannten Welt, die Säulen des Herkules, zu überschreiten. Die Legende erzählt, dass der alte Odysseus – nicht zufrieden damit, in der neu gewonnenen Heimat zu verweilen – eine letzte Fahrt ans Ende der Welt unternahm. „Der Mensch wurde nicht geschaffen, um als wildes Tier zu leben, sondern um nach Tugend und Erkenntnis zu streben.“ Das schlagende Argument, mit dessen Hilfe Dante zufolge die Mannschaft mit großem Eifer in das waghalsige Unternehmen geführt wird, berührt die Frage nach dem Menschsein und dessen Grenzen. Für den mittelalterlichen Menschen kann es keine „Tugend und Erkenntnis“ geben, wenn sich der Mensch nicht in die Struktur der verborgenen Welt hineindenkt. Die Frage nach dem Menschsein und seinen Grenzen, nach der Erkenntnis und der Tugend stellt sich in jeder Epoche neu. Dieser Fragestellung will die vorliegende Untersuchung in den paulinischen Briefen nachgehen, um das Verständnis des Paulus vom Menschsein herauszuarbeiten. Im Mittelpunkt der Analyse stehen die beiden Begriffe UCTZ und UYOC, die rein aufgrund der statistischen Häufigkeit ihres Vorkommens eine zentrale Rolle in den Paulusbriefen spielen. Mit der Definition dieser Termini steht und fällt die Auslegung der gesamten paulinischen Anthropologie. Wenn man einmal von der immer wieder bemühten Vorstellung einer asystematischen Denkweise bei Paulus absieht, so gibt es zwei Hauptansätze, mit denen die beiden Begriffe in der gegenwärtigen Fachli-teratur erklärt werden, nämlich die existentiale und die soziologischkul-turanthropologische Interpretation. Beiden Interpretationsmodellen unterliegt ein unterschiedliches Verständnis von der paulinischen Anthropologie. Die existentiale Auslegung der paulinischen Termini, die auf R. Bultmann zurückgeht, konzentriert sich auf das Herz der Existenz: das Erlangen eines eigentlichen Lebens. Aus dieser Perspektive gewinnt UYOCdie in der

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Einleitung

damaligen Welt unvorstellbare Bedeutung des „Seinkönnens“ und der menschlichen Fähigkeit zur Selbstreflexion. UCTZ wird aus der existentialen Perspektive entweder als eine Option des Individuums (im Mittelpunkt steht den Ausdruck MCVCUCTMC), als mehr oder weniger bewusste Entscheidung des Individuums für das Vorfindliche, oder aber als übermenschliche Größe erfasst, die wie ein gnostischer Äon die Menschen bestimmt. Die existentiale Auslegung von R. Bultmann bestimmt die Exegese insofern weiter, als immer noch gilt: UYOC ist positiv, UCTZ negativ; der Mensch ist UYOC und nicht: der Mensch hat ein UYOC. Diese Definition ist darüber hinaus nicht unproblematisch: Zunächst ist die Anwendung philosophischer Kategorien unserer Gegenwart auf Paulus methodisch zweifelhaft, da dies eine tief greifende Veränderung der damals üblichen Bedeutung vom UYOC einschließt: UYOC werde als positive Eigenschaft des Menschen, sich selbst zu bestimmen, aufgefasst. In dem für die Zeit des Paulus üblichen Sprachgebrauch ist UYOC in seinen verschiedenen Bedeutungen (Körper, Objekt, Sklave, Leichnam) im Gegenteil fremdbestimmt. Ein weiteres Problem der existentialen Interpretation ist die Schwierigkeit, anhand dieser ausschließlich individuumsbezogenen Definition von UYOC den kollektiven Gebrauch des Begriffes bei Paulus zu erklären, also die Vorstellung von der Kirche als UYOC &TKUVQW in den Proto- und Deuteropaulinen. Dieses Syntagma wird in der Regel nur als gängige Metapher betrachtet oder als sakramentale, christologische Konzeption, die aber in keinem Zusammenhang mit der eigentlichen Semantik von UYOCsteht. Der Versuch, diese Auslegung auf die kollektive Anwendung des UYOC bei Paulus zu beziehen, kann aber als gescheitert betrachtet werden. Die Auslegung, die sich in den letzten Jahrzehnten aus der Kulturanthropologie und der Soziologie als Alternative zu Bultmann entwickelt hat, setzt hingegen den Schwerpunkt auf die Peripherie der Existenz, auf ihre äußeren Bedingungen. Nicht mehr die Begriffe als solche, sondern die mit ihnen einhergehenden kulturellen, sozialen und religiösen Phänomene werden analysiert. Diese anthropologische Methodik basiert auf einer Verallgemeinerung kultureller Phänomene und deren Anwendung auf das paulinische Menschenbild. Der Ansatz stellt allgemeine Begriffe wie Ehre und Scham oder eine einheitliche mediterrane Kultur in den Mittelpunkt. Nach dieser Auslegung werden UCTZ und UYOC als Synonyme betrachtet, mit ein und demselben semantischen Gehalt der Leiblichkeit. Die Ergebnisse dieser Interpretation können so zusammengefasst werden: Postuliert wird eine leibfeindliche Einstellung bei Paulus, ähnlich der in der hellenistischen Umwelt verbreiteten Anschauung, zudem eine strenge, frauenfeindliche Ethik und eine repressive Sexualmoral. Diese Interpretation stellt vor allem die kollektive Bedeutung des UYOC aus soziologischer Sicht dar. Die grundsätzliche leibfeindliche Einstellung des Paulus erbringt aber einen besonde-

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ren Ertrag in der Definition der paulinischen Gemeinschaft. Diese sei nach einer hierarchischen Ordnung konstituiert. Paulus vertrete demnach in seiner Ekklesiologie die hierarchisch geprägte Ideologie der höheren Schichten der kaiserlichen Gesellschaft. Diese leibfeindliche und hierarchische Vorstellung von UYOC kann aber die Konzeption von der Auferstehung des UYOC nicht adäquat erklären, denn in der Regel setzt die hellenistische Philosophie in ihrer Leibfeindlichkeit dem Tod die Unsterblichkeit der Seele entgegen und nicht die Auferstehung mit einem UYOCRPGWOCVKMQP. Es ergibt sich hier also kein homogenes Bild. Beide Modelle der Interpretation der anthropologischen Begriffe des Paulus weisen deutliche Probleme auf. Hier setzt die vorliegende Untersuchung an. Ziel dieser Untersuchung ist es, eine neue Systematik der beiden genannten Termini sowie der paulinischen Anthropologie insgesamt zu entwerfen. Dabei soll der semantische Gehalt der Gräzität und speziell derjenige in den paulinischen Briefen den Ausgangspunkt bilden. Auf dieser Basis wird in Kapitel III UYOC bei Paulus neu bestimmt, in Kapitel VI dann UCTZ. Die doppelte These dieser Untersuchung lautet: Paulus übernimmt aus seiner Umwelt die Vorstellung von UYOC als inaktiv, die in den Wortbedeutungen „Sklave“ und „Leichnam“ enthalten ist. UCTZ ist bei Paulus die aktive Seite des Menschen, der beseelte und lebendige Mensch. In Kapitel VI werden Röm 7 und Gal 6 ausgelegt und das Aktiv-Sein der UCTZ in Beziehung zur Affektenlehre der Antike gesetzt. Darin deckt UCTZ einige Funktionen ab, die in der griechischen Philosophie als typisch für die Seele gelten. Als Sitz der Affekte erweist sich UCTZ als destruktiv, und als aktive Macht versklavt sie auch das passive UYOC. Dieses anthropologische Bild wird aber erst durch die Dynamik der Erlösung des Mensch13n vervollständigt, die in den oben genannten Ansätzen gefehlt hat. Der Mensch als UYOC ist inaktiv und neigt dazu, von beliebigen Mächten versklavt zu werden. Seine Erlösung basiert auf dem Tod und der Auferstehung Christi: Das UYOC wird lebendig und Christus bezahlt mit seinem Tod den Preis der Emanzipation des UYOC. Das Leben in der neu gewonnen Freiheit wird aber als Dienst an Christus, dem neuen und wahren Herrn, verstanden – das Wesen des UYOC als Sklave und als inaktive Größe bleibt dabei bestehen. Erst die Erlösung bewirkt eine neue Herrschaft, die zu einem konstruktiven Leben führt. Dies ist die Basis, auf die sich die kollektive Vorstellung vom UYOC gründet, denn der destruktive Mensch (MCVCUCTMC) ist nicht in der Lage, eine Gemeinschaft zu bilden. Konstruktivität bedeutet für Paulus zudem die ethische Charakterisierung des Leibes als Tempel Gottes und seiner Auferstehung. Diese Thematik wird in Kapitel VI, „Das UYOC der Gemeinschaft“, sowie in Kapitel V, „Anthropologie und Eschatologie“, behandelt.

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Einleitung

Die aktive Kraft der UCTZ und die destruktive Wirkung ihrer Affekte wird nicht durch ethische Anstrengung, sondern allein durch die Erlösung überwunden. Paulus vertritt in der Diskussion über die Affekte die stoische Auffassung, dass diese nicht gemäßigt, sondern völlig beseitigt werden sollen. Zur Erläuterung spricht er von Tötung oder Kreuzigung der UCTZ, die allerdings nicht durch den Verstand, sondern allein durch den Geist Gottes erfolgen kann, der eine aktive, konstruktive Kraft im Menschen schafft. Die zwei Haupttermini, die diese Dynamik beschreiben, werden in Kapitel II diskutiert, gemeinsam mit der Methodik, die dieser Arbeit zugrunde liegt. Die Opposition zwischen Zerstören und Aufbauen, die vermutlich aus der Rede der Propheten stammt, verbindet sich bei Paulus mit der Diskussion über die Affekte und deren destruktiven Charakter. Konstruktivität und Destruktivität sind keine neuen Bezeichnungen: Das von E. Fromm eingeführte Wort „Destruktivität“ (destructiveness) erklärt diese menschliche Neigung zum destruktiven Handeln, die für Paulus kennzeichnend für die Affekte und die UCTZ ist. „Konstruktivität“ basiert auf dem paulinischen Begriff QXXKMQFQOJ/QKMQFQOGKP. Der Mensch befindet sich nach Paulus in diesem Zwiespalt zwischen destruktivem und konstruktivem Handeln. Sogar der Christ, der doch von der Macht der UCTZ befreit wurde, kann wieder in sein destruktives Tun zurückfallen. Die christliche Gemeinde kann so wieder zu einem Ort werden, an dem unheilbare Konflikte entstehen, wie Paulus in Gal 5,15 sagt. Der vorchristliche Paulus, der als Eiferer die Kirche vernichten wollte, strebte wie Dantes Odysseus ein Idealbild vom Menschen und von der Menschheit an und wollte sich von jeglicher Abweichung von diesem Idealbild abgrenzen. Die Anthropologie, die auf Kreuz und Auferstehung Christi fußt, stellt die Kraft Gottes in den Mittelpunkt, Menschen wie Sklaven zu befreien und vom Tode aufzuerwecken. Darin liegt ihre Stärke.

Kapitel I: Überblick über die Forschungsgeschichte zu UCTZ und UYOC Überblick über die Forschungsgeschichte

1. Einleitung Innerhalb des überaus komplexen Forschungspanoramas zur paulinischen Anthropologie eine Zusammenfassung zu entwerfen, kann zu einem schwierigen Unternehmen werden, wenn man sich nicht auf einige wenige besondere Aspekte konzentriert. Das Interesse dieser Untersuchung gilt dem Entwurf einer systematischen Darstellung der paulinischen Anthropologie, ausgehend von der Beziehung der Begriffe UCTZ und UYOC. Den Unterschied zwischen diesen beiden Begriffen zu definieren gehört m.E. zu den wichtigsten und gleichzeitig schwierigsten Anliegen der anthropologischen Forschung bei Paulus. Das Faszinierende daran ist eine scheinbare Aporie: Die enge, bis zur Synonymität reichende Verwandtschaft der beiden Begriffe einerseits und ihr radikaler, unvereinbarer Gegensatz andererseits. Die Verwandtschaft oder sogar der synonyme Gebrauch der beiden Begriffe ist offensichtlich und kann gleich doppelt belegt werden: Zum einen in der biblischen Tradition und vor dem linguistischen Hintergrund der LXX, wo dasselbe hebräische Wort, rf'B', abwechselnd mit UCTZ und mit UYOC übersetzt wird,1 zum anderen vor dem philosophischen Hintergrund der Zeit (und vielleicht auch dem allgemeinen Empfinden der römisch – hellenistischen Welt), wo UCTZ und UYOC, wie immer man diese deuten mag, beide zu der dem Psychischen entgegengesetzten Sphäre des Leiblichen gehören und als solche austauschbar sind. Aber gerade die Komplexität dieser Sachverhalte bei Paulus führt immer wieder zu einer fragmentierten Lektüre der paulinischen Anthropologie und einer asystematischen Erklärung aus verschiedenen Ansätzen. Hierzu gehören die Erklärungsmodelle des religiösen und mystischen Charakters der Paulusbriefe, des situationsbedingten Wandels seiner theologischen Aussagen in der Auseinandersetzung mit seinen Gegnern oder die Beschränkung auf einen isoliert betrachteten Terminus oder einen theologischen Begriff wie z.B. Leib Christi, sodass kein anthropologischer Gesamtüberblick gewonnen werden kann. Diese Tendenz scheint mir in den neue-

1 Siehe H.W. Park, Die Kirche als Leib Christi bei Paulus, 52–60, und besonders D. Lys, L’arrière-plan et les connotations vétérotestamentaires de UCTZ et de UYOC, 47–70.

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Überblick über die Forschungsgeschichte

ren Ansätzen über das UYOC in der englischsprachigen Fachliteratur wieder an Aktualität zu gewinnen. In der folgenden Darstellung der Forschungsgeschichte ragen besonders die Versuche einer systematischen Differenzierung bei H. Lüdemann, E. Käsemann und R. Bultmann2 heraus. Die Zusammenfassung dieser drei Positionen bildet die Struktur dieses Kapitels. Lüdemann verwendet die These der idealistischen Exegese von F.Chr. Baur und C. Holsten, während R. Bultmann und E. Käsemann sich auf die Erkenntnisse und Methoden der religionsgeschichtlichen Schule stützen. Die Auseinandersetzung mit den Thesen von Bultmann und Käsemann bleibt ein notwendiges Unternehmen und dient daher als Ausgangspunkt für diese Untersuchung.

2. Die These von H. Lüdemann H. Lüdemanns These 2.1 Die idealistische Exegese Die Arbeit H. Lüdemanns aus dem Jahr 1872 ist die erste systematische Behandlung der paulinischen Anthropologie in der modernen Exegese. Der kulturelle Hintergrund, in dem seine Thesen verwurzelt sind, ist die von Hegel beeinflusste Exegese von F.Chr. Baur, C. Holsten und B. Weiss. Unter dem Einfluss der hegelschen Philosophie ist das Zentrum der paulinischen Theologie nach Baur das objektive Bewusstsein, das RPGWOC im Menschen schafft, d.h., die „Identität des subjektiven Geistes mit dem Geist an sich ist der höchste Ausdruck für die Absolute Wahrheit dessen, was das christliche Bewusstsein als seinen unmittelbaren Inhalt aussagt“.3 Der objektive Geist nach idealistischem Verständnis gilt als „Princip“ des Christentums und wirkt im Menschen, indem er alles Relative, Endliche beseitigt. Da der Mensch von Natur aus Fleisch ist, erfährt er in sich selbst einen Zwiespalt zwischen Geist und Fleisch. Unter „Fleisch“ ist nach Baur nicht ein Teil des Menschen, sondern seine Natur, sein Wesen4 zu verstehen. Im Menschen befindet sich aber ein höheres Prinzip, der PQWL oder der innere Mensch, der die UCTZ aber nicht besiegen kann und unerfüllter Wille bleibt. Der Geist kann das Fleisch, den Sitz der Sünde, töten, „alles Particuläre, Individuelle, Selbstische ist in ihm aufgehoben und zur Allgemeinheit eines geistigen Princips“ geworden.5 Das objektive Bewusstsein befähigt zur 2 Man könnte vielleicht als dritten Entwurf die Arbeit von J.A.T. Robinson, The Body, anführen, und dies nicht wegen ihrer systematischen Leistung, sondern wegen ihrer Wirkung im englischsprachigen Raum. 3 F.Chr. Baur, Paulus, 137. 4 F.Chr. Baur, Paulus, 152. 5 F.Chr. Baur, Paulus, 181.

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Gemeinschaft mit Christus und ermöglicht die Überwindung der Individualität. C. Holsten entwickelt den Ansatz von Baur weiter und bildet so die Basis für Lüdemanns Thesen. Die paulinische Anthropologie entfaltet sich um die Begriffe RPGWOC, PQWL, [WEJ, UCTZ und UYOC.6 UCTZ ist „die irdischematerielle substanz des tierischen organismus“;7 sie unterscheidet sich von der Materie, weil sie als von der [WEJ belebte Materie gedacht wird. UYOC ist „die daseinsform der zu einem gegliederten organismus gestalteten lebendigen substanz d.h. leib“.8 Diese Bedeutung von UYOC als Form wird in 1Kor 15 bestätigt, wo mit demselben Begriff himmlische und irdische Organismen bezeichnet und nur in der Substanz unterschieden werden. Unter RPGWOC ist zunächst der göttliche Geist zu verstehen, der im Gegensatz zu UCTZ steht. Es handelt sich bei Paulus ebenso wie bei Johannes um einen metaphysischen Gegensatz zwischen UCTZ und RPGWOC, „da kein dem wesen gottes, dem RPGWOC, gleiches wesenselement zur menschlichen natur gehört, der gegensatz zwischen RPGWOC und UCTZ also auch für Paulus kein anthropologischer, sondern metaphysischer [...] ist“.9 Der Gegensatz erklärt sich durch den Zusammenhang der UCTZ mit der Sünde, „die UCTZ ist daher als die sinnlichkeit der lebendigen materiellen substanz des menschen zugleich das böse“.10 Holsten definiert UCTZ zudem als „prinzip des irrtums“.11 Dabei steht das Subjekt im Mittelpunkt der beiden Mächte des Endlichen und des Unendlichen. Auch der innere Mensch als PQWL steht im Gegensatz zur UCTZ. Der PQWL ist aber nach Röm 7 nur Form, zum subjektiven Bewusstsein kommt ein absoluter Inhalt, der PQOQL RPGWOCVKMQL, hinzu. Das menschliche RPGWOC kann sich nicht gegen die UCTZ durchsetzen, sondern bleibt ein „receptives organ des göttlichen RPGWOC“.12 Die Wirkung des Geistes ist im sittlichen Leben die Tötung des Fleisches, und im Eschaton wird Gott dem RPGWOC einen neuen Leib13 geben. H. Lüdemanns These

6 C. Holsten, Die bedeutung des wortes 5$4:, 392, „Die wesentlichen elemente des menschen an sich sind für Paulus nur UCTZ, [WEJ, PQWL, welche in dem UYOC, der organischen form für die substanz der UCTZ, die erscheinung eines individuellen ich haben.“ 7 C. Holsten, Die bedeutung des wortes 5$4:, 375. 8 C. Holsten, Die bedeutung des wortes 5$4:, 376. 9 C. Holsten, Die bedeutung des wortes 5$4:, 392. 10 C. Holsten, Die bedeutung des wortes 5$4:, 396. 11 C. Holsten, Die bedeutung des wortes 5$4:, 394. Der Zusammenhang der UCTZ mit der Sünde bleibt im Grunde unerklärt. Der Berührungspunkt ist durch den Begriff „Sinnlichkeit“ erklärt, was direkt auf die Eigenschaft der Materie zurückgeführt werden kann. 12 C. Holsten, Die bedeutung des wortes 5$4:, 392. 13 C. Holsten, Die bedeutung des wortes 5$4:, 445: „diesem RPGWOC der gläubigen wird daher Gott in der parusie ein neues UYOC geben.“

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Überblick über die Forschungsgeschichte

2.2 Die Anthropologie des Apostels Paulus Ausgangspunkt von Lüdemanns Untersuchung ist die Unterscheidung einer physischen und einer ethischen Anthropologie in den Paulusbriefen. Die Arbeit kann als eine systematische Synthese der oben genannten idealistischen Thesen gelten. Innerhalb der physischen Anthropologie zerfällt der Mensch nach Paulus in einen GUY CPSTYRQL (die Interiorität) und einen GZY CPSTYRQL (das biologische Leben und die Leiblichkeit). Anders als PQWL, MCTFKC und RPGWOC gehören UCTZ und UYOC zum äußeren Menschen und werden wie folgt definiert: UYOC als „Form“ und UCTZ als „Stoff, Materie“ des Leibes.14 Die Bedeutung der zwei Termini wird von Lüdemann stark gegeneinander abgegrenzt, und ein synonymer Gebrauch bei Paulus wird abgelehnt. In der physischen Anthropologie vertritt Paulus ein monistisches Menschenbild, das aus dem alttestamentlichen Gegensatz zwischen Gott und Welt hergeleitet ist, während er sich in der ethischen Anthropologie den hellenistischen Dualismus UCTZ – RPGWOC zu eigen macht, der in den Werken Philos eine Parallele findet. Das RPGWOC VQW CXPSTYRQW gehört zum inneren Menschen und wird in der physischen Anthropologie als Gegensatz zu UYOC verwendet (1Kor 5,3; 7,34, 6,16.17). In 1Kor 5,5 steht das menschliche RPGWOC im „religiösen Gegensatz“ zur UCTZ, jedoch in keinem Dualismus.15 Innerhalb dieses radikalen Dualismus bekommt UCTZ eine neue Bedeutung als „böses“ Prinzip, das mit der Sünde in Zusammenhang steht:16 „die CBBOCTVKC ist eine objektive Beschaffenheit des Fleischstoffes“17, die überwunden und durch das RPGWOC getötet werden muss. In diesem Dualismus erfährt sich der Mensch als Gegenstand „eines erbitterten Streits zwischen jenen beiden Potenzen“.18 Die Passivität des Menschen in dem Streit wird ausdrücklich in Gal 5,17 betont: JB ICT UCTZ GXRKSWOGK MCVC VQW RPGWOCVQL VQ FG RPGWOC MCVC VJL UCTMQL VCWVC ICT CXNNJNQKL CXPVKMGKVCK K=PC OJ C? GXCP SGNJVG VCWVC RQKJVG. In Analogie zur physischen Anthropologie, bei der die UCTZ zur HSQTC führt, kann sie in der ethischen Anthropologie als Sitz der Sünde durch ihre Lebendigkeit den Menschen, ja sogar sein RPGWOC töten, 14 H. Lüdemann, Die Anthropologie des Apostels Paulus und ihre Stellung innerhalb seiner Heilslehre nach den vier Hauptbriefen, Kiel 1872, 7. Die Stellen, die diese Definition stützen, sind 1Kor 15,35–50 und der Organismusgedanke in 1Kor 12,12–13. 15 H. Lüdemann, Die Anthropologie, 43, erklärt die Worte K=PC VQ RPGWOC UYSJ^ so: „1) Dieses RPGWOC ist mit dem göttlichen RPGWOC nicht identisch, 2) diesem RPGWOC eignet seiner Natur nach im Sinne des Apostels keine Unzerstörbarkeit, 3) aber diesem RPGWOC eignet seiner Natur nach auch nicht die HSQTC.“ 16 H. Lüdemann, Die Anthropologie, 59:„wir müssen vielmehr dabei bleiben, dass Paulus die Sünde in einem zunächst thatsächlichen, natürlichen Zusammenhang mit der Fleischmaterie gesehen hat.“ 17 H. Lüdemann, Die Anthropologie, 124. 18 H. Lüdemann, Die Anthropologie, 51.

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wenn es nicht gerettet wird (1Kor 5,5). Nach der Analyse von Röm 7,14–24 zeigt sich, dass der Mensch die UCTZ als „ein nicht sich gehörendes, in ihm und an ihm fremdes Element“19 empfindet und aus diesem inneren Zwiespalt einen Schrei nach Erlösung ausstößt. Das RPGWOC SGKQP ist das Gegenprinzip, das der UCTZ die GXRKSWOKCK, die sündigen Energien, raubt. Die UCTZ wird in der Taufe zerstört durch die Verleihung des Geistes. Das unterstreicht den Gedanken, dass der Mensch eine Form ist, die mit dem Inhalt des Geistes gefüllt wird. Das RPGWOC reagiert auf das menschliche RPGWOC durch eine Steigerung seines Vermögens, auf den PQWL mit einer Erneuerung desselben zur Erkenntnis von Gottes Willen (Röm 12,2), auf die MCT FKC durch den Schrei zu Gott „Abba“, Vater. Die Auferstehung erfolgt auch nach dem Schema Form – Materie, das menschliche RPGWOC bleibt nackt (2Kor 5,3), und der Leib als Form wird durch den Geist erfüllt und wird zum UYOC RPGWOCVKMQP, während die UCTZ in die Erde gelegt wird. Die Besonderheit dieser Erklärung von Lüdemann liegt gerade in ihrem Verzicht auf eine vollständige Systematik und in der Annahme einer Doppelnatur der paulinischen Anthropologie und Theologie, in einer unaufgelösten Spaltung zwischen alttestamentlichem Erbe und jüdisch-hellenistischer Kultur. Käsemann beurteilt diese Doppelnatur der paulinischen Gedanken mit folgenden Worten: „aus nicht verlassenem idealistischen Aspekt ergab sich so etwas wie eine paulinische Schizophrenie“.20 O. Pfleiderer vertritt zwar ähnliche Thesen, aber mit einigen originellen Unterscheidungen: UCTZ ist nicht die Sünde selbst, und sie ist nicht der ganze Mensch, sondern nur einer seiner Aspekte. Die von Lüdemann postulierte radikale Unterscheidung von UCTZ und UYOC wird von Pfleiderer relativiert: Obgleich UYOC die Form des Fleisches bezeichnet, nähert seine Bedeutung als materieller Leib sich dem Begriff UCTZ an und wird zu seinem Synonym.21

19 H. Lüdemann, Die Anthropologie, 95. 20 E. Käsemann, Zur paulinischen Anthropologie, 17. 21 O. Pfleiderer, Paulinismus, 49–50: „Hieraus erhellt sich das Verhältnis der beiden Begriffe UYOC und UCTZ mit voller Klarheit: die UCTZ ist der Stoff des (irdischen) Leibes, der Leib ist die organisirte Form, in welcher dieser Stoff als konkretes irdisches Individuum existirt. Nun ist klar, inwiefern beide Begriffe verwechselt werden können und inwiefern sie doch auch weiter auseinanderfallen. Sofern der Leib zu seiner materiellen Substanz das Fleisch hat, die irdische verwesliche, dem Himmlischen und Geistigen entgegengesetze Materie, insofern kann er die Prädikate des Fleisches theilen, kann als Leib des Todes und der Sünde bezeichnet werden; sofern er hingegen das Organ eines Ich ist, das nicht vom Fleisch, sondern vom Geist beherrscht zu werden die Bestimmung hat und als christliches Ich auch vom Geist (Gottes) bestimmt wird: insofern soll der Leib Werkzeug und Tempel des heiligen Geistes sein.“

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3. Die These von E. Käsemann Käsemanns Systematik von UCTZ und UYOC basiert auf der Annahme eines gnostischen Einflusses auf die paulinische Christologie. Da die These einige Jahrezehnte lang die neutestamentliche Forschung dominiert hat und ihre Revision Anlass zu lebhaften Diskussionen gegeben hat, ist es unabdingbar, an dieser Stelle ihre religionsgeschichtlichen Voraussetzungen sowie den Beginn des neuen Themas „Leib Christi“ darzulegen, zumal diese für Käsemanns Arbeit von zentraler Bedeutung sind. E. Käsemanns These 3.1 Die neuen Ansätze der Religionsgeschichtlichen Schule Die Religionsgeschichtliche Schule stellt die iranische Religion als Quelle der christlichen Erlösungsvorstellung und der Christologie dar. Die vorher starre Alternative zwischen jüdischem und hellenistischem Einfluss, die auch zur Definition anthropologischer Begriffe wie insbesondere UCTZ herangezogen wurde, wird dadurch relativiert. H. Gunkel definiert das Christentum als eine synkretistische Religion, bei der sich orientalische und hellenistische Motive miteinander verbinden.22 Über das Judentum, das ebenfalls als synkretistische Religion betrachtet wird, werden dem Christentum synkretistsche Inhalte aus der parsischen und babylonischen Religion vermittelt. Bei der Aufzählung einzelner biblischer Motive, die in der orientalischen Religion ihren Ursprung haben, verwendet auch Gunkel den paulinischen Begriff UCTZ. Er leitet den Begriff nicht aus dem alttestamentlichen rf'B' her, sondern versteht ihn vielmehr als „das böse Prinzip im Menschen, ausgestattet mit einer widergöttlichen Energie“,23 vergleichbar mit der orientalischen dualistischen Anthropologie. Doch trotz der Fülle an Motiven steht im Mittelpunkt der Untersuchung der religionsgeschichtlichen Schule die Christologie bei Paulus und Johannes. W. Bousset behandelt das Thema der Christologie und sieht einen Zusammenhang zwischen der paulinischen und der gnostischen Vorstellung vom Erlöser, der somit vom Bild des historischen Jesus unterschieden wird. Die religionsgeschichtliche Basis für die Erklärung der Erlösung und des christologischen Ereignisses bei Paulus aus dem gnostischen Mythos heraus bietet die Forschung von R. Reitzenstein. Reitzenstein beginnt seine Untersuchung mit der Analyse des ersten Traktats des Corpus Hermeticum, 22 H. Gunkel, Zum religionsgeschichtlichen Verständnis des NT, 95. 23 H. Gunkel, Zum religionsgeschichtlichen Verständnis des NT, 87 zu einer Herleitung aus dem AT: „Kein grösserer Fehler konnte wohl gemacht werden als der, die Methode aufzustellen, dass man die neutestamentliche Spekulation aus dem A.T. erklären solle.“

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Poimandres,24 das den Mythos des Urmenschen enthält. Der Mythos, der vom Fall des Urmenschen in die Materie, von der Befreiung aus seinem Zustand der Gefangenschaft und des Schlafs durch eine andere himmlische Figur und seine Rückkehr in den ursprünglichen Stand handelt,25 wurde nach der Naassenerpredigt bei Hippolyt26 von den Völkern Mesopotamiens übernommen. Nach Reitzenstein ist zunächst Ägypten der Entstehungsort27 dieses Mythos. Die assyrische Gottheit Onanes, von der Hippolyt zufolge dieser Mythos stammt, ist nach Reitzenstein das Spiegelbild des ägyptischen Gottes Thot, dessen Ursprung auf die Zeit vor Alexander dem Großen zurückgeht. Das rege Interesse an diesem Mythos zeigt sich auch in dem Werk von W. Bousset: In seiner Arbeit über die Gnosis sieht dieser den Ursprung des Mythos im indo-iranischen Raum und dessen ältestes Zeugnis im Purushaliede des Rigveda.28 Spuren dieses Mythos fänden sich nicht nur in gnostischen Systemen und in den manichäischen und mandäischen Schriften, sondern auch in der jüdischen Apokalyptik (in der Person des Henoch, des Menschensohns oder des Metatron) sowie in der persischen (Gayo-maretan oder Gayomard) und der indischen Religion (Purusha). Diese weite Verbreitung des Mythos ermöglicht es Bousset, seine Entwicklung zu rekonstruieren: Der Urmenschen-Mythos war ursprünglich mit der Schöpfung verbunden und wurde im Kontakt mit der griechischen Kultur zu einem FGWVGTQL SGQL, der in die Materie fällt. Im Judentum ist der Anthropos ausschließlich eine eschatologische und eine messianische Figur, doch seine Verbindung mit der Schöpfung lässt sich noch bei Autoren wie Philo erkennen. Boussets These vom iranischen Ursprung des UrmenschenMythos wurde später auch von Reitzenstein vertreten, im Anschluss an die Entdeckung einiger neuer manichäischer Fragmente in Turfan, in der chinesischen Provinz Xinjiang.29 24 R. Reitzenstein, Poimandres. Studien zur griechischen-ägyptischen und frühchristlichen Literatur, Leipzig 1904. 25 Reitzenstein, Poimandres, 81, spricht im Fall von Poimandres von einer „unvollständigen“ Form dieses Mythos bei Poimandres. 26 Der Text findet sich bei Hippol. Haer. V,7,3–9,8. 27 Reitzenstein, Poimandres, 109. Er spricht von einer „Gemeinde von Poimandres“ (S. 248), die von einem ägyptischen Priester gegründet wurde und anschließend nach Rom zog, wo sie in die hermetische Gemeinde integriert wurde. Die ägyptische Erklärung des Mythos widerspricht einigen Behauptungen in dem Text, wie C. Colpe, Die Religionsgeschichtliche Schule, 14, bemerkt. Auf S. 68–69 heißt es bei Reitzenstein: „Nicht-ägyptisch ist vor allem, was von dem ersten, dem himmlischen Menschen berichtet wird“. 28 W. Bousset, Hauptprobleme der Gnosis, 215: „Es hat einen uralten Mythos […] gegeben, in welchem berichtet wurde, dass die Welt durch das Opfer des Urmenschen entstanden und aus seinem Leibe gebildet sei. Der Mythos ist vielleicht arischer, jedenfalls indoiranischer Herkunft. In seiner originalen Gestalt liegt der Mythos bereits im Purushaliede des Rigveda vor.“ 29 Besonders wichtig sind die zwei Texte, die einen iranischen Ursprung des Mythos annehmen, Reitzenstein R. und Schaeder H.H., Studien zum antiken Synkretismus aus Iran und

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Die neuen Erkenntnisse über den Mythos sowie die Bestätigung der Existenz einer Konzeption vom „erlösten Erlöser“ von der iranischen Religion bis hin zur Gnosis hat sich die spätere neutestamentliche Forschung zunutze gemacht, um daraus eine Erklärung für die Identität zwischen Christus und der Kirche abzuleiten. Sie boten eine solide Basis für die Annahme, dass mit dem Begriff „Leib Christi“ gleichzeitig der Erlöser (Christus) und die Erlösten (die Christen) gemeint sein könnten, ja dass diese Identität eine religionsgeschichtliche Notwendigkeit hatte, die sich in allen Erlösungsreligionen wieder findet. H. Schlier ist der erste, der die religionsgeschichtlichen Thesen auf die Exegese der Ekklesiologie in den Ignatiusbriefen und den Deuteropaulinen anwendet. Die Pointe seiner Habilitationsschrift30 liegt gerade in dieser besonderen Verbindung der Kirche mit Christus, die sich in dem Syntagma „Leib Christi“ ausdrückt. Im Mythos vom „erlösten Erlöser“ sieht er den Schlüssel zur Erklärung der ekklesiologischen und christologischen Aussagen.31 Die gemeinsamen Elemente der Christologie im Epheserbrief und des gnostischen Mythos sind die Himmelfahrt des Erlösers, die ein dualistisches Weltbild voraussetzt, die Erwähnung der Mauer (OGUQVQKEQP VQW HTCIOQW) in Eph 2,14, die auch nach der Gnosis32 vom Erlöser durchbrochen wird, und die Identität des Erlösers mit den Erlösten, die einen himmlischen Bau bilden oder als himmlische Syzygie definiert werden. Nach dem Schema des gnostischen Mythos fährt auch Christus gen Himmel und zerbricht so die Trennmauer zwischen Heiden und Juden, um alle Erlösten in seinem Leib zu vereinen. Die religionsgeschichtliche Forschung von Reitzenstein und Schaeder, deren Schlussfolgerungen eine Schlüsselrolle für die gesamte Untersuchung zukommt, ermöglichen es Schlier, alle Elemente im Epheserbrief, die das Verhältnis Christi zur Kirche beschreiben, in einem einGriechenland, Berlin 1926, und R. Reitzenstein, Das iranische Erlösungsmysterium. Religionsgeschichtliche Untersuchungen, Bonn 1921. Besonders in diesem Buch unterstreicht Reitzenstein, dass der Mythos schon in der iranischen Religion vorlag. Indizien hierfür finden sich im Zarathustra-Fragment der manichäischen Texte von Turfan (M 7), in dem das Erlösungsschema der gnostischen Texte vorkommt. Die zwei Mythen der Erlösung des gefangenen Gottes und der Schöpfung aus dem Urmenschen wurden dabei als Teil des einzigen Mythos angesehen (Reitzenstein, Das iranische Erlösungsmysterium, 2–42). 30 H. Schlier, Christus und die Kirche im Epheserbrief, Tübingen 1930. Mit denselben gnostischen Begriffen hat er bereits die Ekklesiologie in den Ignatiusbriefen erklärt, Religionsgeschichtliche Untersuchungen zu den Ignatiusbriefen, Gießen 1928. 31 H. Schlier, Christus und die Kirche, 48, sieht eine „vollständige Übereinstimmung der Vorstellung des Epheserbriefes mit den angeführten Gedanken hellenistischer und gnostischer Schriften“. 32 Als gnostische Parallele wird den Begriff der valentinischen Gnosis von Q=TQL oder von UVCWTQL (hier einfach mit der Bedeutung von „Pfahlmauer“) angeführt, der als letztes Hindernis vor der Ankunft der Erlösten im Reich Gottes überwunden wird; vgl. Schlier, Christus und die Kirche, 25–26.

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heitlichen mythologischen Konstrukt zusammenzufassen – und darin lag bis vor Kurzem die eigentümliche Kraft der gnostischen These in der neutestamentlichen Forschungsgeschichte. 3.2 Das neue Thema: Der Leib Christi Mit seiner postum veröffentlichten Studie zum Begriff „Leib Christi“ als kollektive Anwendung des Leibes eröffnet T. Schmidt eine neue Perspektive in der Diskussion über den „Leib“, der bis dahin in der idealistischen Exegese immer als individuelle Größe betrachtet wurde.33 Bei der Herkunftsbestimmung dieses Syntagmas stellt er die Kernfrage seiner Arbeit, nämlich wie eine individuelle Größe wie „Leib“ seine kollektive Valenz beibehalten kann und wie diese kollektive Größe zugleich die Kirche und den verklärten Leib Christi bezeichnen kann. Um diese Fragen zu beantworten, folgt Schmidt in seiner Untersuchung zwei Richtungen: Zum einen die Bedeutung von UYOC, zum anderen die Frage, wie UYOC als Metapher für eine Kollektivität gelten kann, die einen Leib oder eine Gesamtpersönlichkeit bezeichnet. UYOC bezeichnet nach idealistischer Sichtweise die Form und Gestalt des Außenmenschen, während UCTZ dessen Stoff und Substanz meint.34 Neben dem natürlichen UYOC, das Schmidt angesichts Kol 1,22 und 2,11 UYOC VJL UCTMQL nennt, gibt es auch ein UYOC GXRQWTCPKQP, das dem Leib des erhöhten Christus entspricht und aus FQZC besteht.35 Der zweite Bereich der Untersuchung ist die Definition der Kollektivität. Grundlegend für die paulinische Ekklesiologie ist die jüdische Vorstellung von einer „Gesamtpersönlichkeit“,36 d.h. die Personifizierung einer Kollektivität und das hellenistische Bild vom Volk als Leib. Die jüdische Vorstellung von einer Gesamtpersönlichkeit drückt sich in der Gestalt des Knechtes Jahwes, des Menschensohnes und des Messias, aus, sowie in der Vorstellung von einem Stammvater, aus dem das Volk hervorgegangen ist und von dem es bestimmt wird. Der Umstand, dass Christus als zweiter Adam bezeichnet wird, aus dem die neue Menschheit hervorgeht, ist der Beweis dafür, dass er diese jüdische Begriff33 T. Schmidt, Der Leib Christi (UYOC &TKUVQW). Eine Untersuchung zum urchristlichen Gemeindegedanken. Leipzig 1919. Das Buch ist die veröffentlichte Fassung der 1914 abgelegte Habilitationsschrift von T. Schmidt, der kurz vor Ende des ersten Weltkrieges an der Front gefallen ist. 34 T. Schmidt, Der Leib Christi, 7. 35 T. Schmidt, Der Leib Christi, 20, versteht den Ausdruck in Phil 3,21 als Bezechung des Stoffes des Leibes. Dieser Leib besteht aber nicht aus RPGWOC, was eigentlich Gottes Kraft bezeichnet – trotz des Begriffs UYOC RPGWOCVKMQP – sondern aus FQZC. Siehe S. 34 „So ist nicht das Pneuma, sondern vielmehr, wie wir schon sahen, die Doxa der Stoff des himmlischen Leibes Christi.“ 36 Die Erwähnung dieses Begriffs (126–128) ist meines Wissens die erste überhaupt in der neutestamentlichen Literatur, jedenfalls vor der englischen „corporate personality“.

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lichkeit übernimmt.37 Hellenistisch ist nach Schmidt die Vorstellung von einem himmlischen Urmenschen,38 die Himmel und Erde umfasst und die Paulus auf Christus anwendet. Die Verbindung dieser zwei Gedanken ist auf Paulus zurückzuführen, wenn sie nicht schon im Judentum in der Messiasidee vorgenommen wurde. Die Vorstellung vom Himmelsmenschen und ihre Anwendung auf Christus entstammt nicht etwa einem kosmologischen Interesse des Paulus, sondern „aus seiner persönlichen religiösen Erfahrung, aus dem Bewußtsein, daß er wie jeder Gläubige in Christus lebt und Christus in ihm“.39 Paulus’ persönliche Erfahrungen in Damaskus, seine Mystik, ermöglichen es, eine Verbindung zwischen seiner Anthropologie und seiner Ekklesiologie herzustellen, und erklären die Vorstellung vom Leib Christi. Das Ergebnis der Untersuchung liegt für Schmidt darin, dass das konkrete Erscheinen Christi in der Gemeinde letztendlich den kollektiven Charakter des Christentums unterstreicht, der sich vom modernen Individualismus abhebt – was Schmidt mit der damals unüblichen Bezeichnung „Sozialismus“ ausdrückt.40 3.3 Leib und Leib Christi E. Käsemann schlägt in seiner Dissertation „Leib und Leib Christi“, eine neue Systematik für die Analyse der beiden paulinischen Termini vor. Dass der gnostische Mythos der neutestamentlichen Christologie zugrunde lag, galt als bereits nachgewiesen,41 unklar war nur, inwiefern auch Paulus sich derselben Begrifflichkeit bediente. Anders als H. Schlier, der den gnostischen Mythos vom Urmenschen bzw. vom „erlösten Erlöser“ der Interpretation der Ekklesiologie des Epheserbriefes und nicht der der echten 37 T. Schmidt, Der Leib Christi, 223–228. 38 T. Schmidt, 240 wendet sich gegen die ersten Forschungsergebnisse von Reitzenstein und Bousset. Er behauptet, dass nicht der Inhalt des Mythos, sondern seine Gestalt eine Analogie zu Paulus darstellt. Einen weiteren Kritikpunkt bildet das Postulat von der unklaren Herkunft des Mythos und seiner Einheitlichkeit. T. Schmidt, Der Leib Christi, 240–241: „Die Herkunft und die ursprüngliche Bedeutung dieser Gedanken sind dunkel. Und selbst das ist ungewiß, ob hier ein einheitlicher Gedanke vorliegt, oder ob verschiedene Vorstellungen zusammengewachsen sind.“ Wichtig ist für ihn die Figur des himmlischen Menschen, die die Anthropologie und die Kosmologie verbindet. 39 T. Schmidt, Der Leib Christi, 247. 40 T. Schmidt. Der Leib Christi, 252: „Der Sozialismus des Paulus aber hängt auf engste zusammen mit seinem Supranaturalismus.“ 41 Käsemann erwähnt trotzdem die wissenschaftlichen Entdeckungen von Reitzenstein auf S. 59–94 seiner Arbeit. In diesem religionsgeschichtlichen Teil betont er einige Aspekte, die relevant für die Untersuchung sind: die Identität des Erlösers mit dem Erlösten in der Gnosis, die Vorstellung vom Erlöser als GKXMYP der Seele, die zugleich das UYOC darstellt, in dem alle Erlösten gesammelt werden; das Gewand des Erlösers, das gleichzeitig als sein UYOC gedacht wird.

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Paulinen zugrunde legt, bezieht Käsemann die gnostische Begrifflichkeit auf die paulinische Theologie selbst. Er schreibt ihr die Funktion zu, die gesamte paulinische Theologie und insbesondere die Anthropologie zu erklären. So entsteht eine neue, kohärente Systematik der paulinischen Theologie. Die gnostische Begrifflichkeit dient als einheitliche Basis zur Erläuterung des Ursprungs der beiden Termini UCTZ und UYOC in ihrer kollektiven Bedeutung, die neben der individuellen Bedeutung vorhanden ist. Von dieser Basis aus lässt sich die religionsgeschichtliche Spaltung erklären, die Lüdemann bei Paulus findet. Käsemann kritisiert Lüdemanns Definition von UCTZ als „Stoff“ und von UYOC als „Form“ und deren idealistische Hintergründe. Beide Begriffe drücken die Weltlichkeit, die Geschöpflichkeit des Menschen aus und bezeichnen die ganze Person. sCTZ bezeichnet die ganze Person und nicht nur die Materie.42 Die Definition von UYOC als Form nach H. Lüdemann wird ebenfalls kritisiert. Diese Bedeutung als „Form des Fleisches“ kommt nur in 1Kor 15,35 vor. UYOC kann Person bedeuten (1Kor 6,13 im Wechsel mit WBBOGKL), die irdische Sphäre als solche (2Kor 5,6ff), während UCTZ für das Weltliche, die Geschöpflichkeit des Menschen steht. Die Wendungen GXP UCTMK und MCVC UCTMC implizieren eine kosmische Bedeutung. Danach ist der Mensch gedacht als „Zankapfel“ zwischen Geist und Fleisch.43 Käsemann korrigiert anhand der gnostischen Äon-Anschauung Lüdemanns Erklärung von Fleisch als Prinzip des Bösen und als Sinnlichkeit: „‚Fleisch‘ ist nach Paulus so etwas wie ein gnostischer Aeon“,44 d.h. man befindet sich in ihm, man „hat es“ also weder, noch ist man es. Ein wichtiger Punkt dieser Systematik ist die metaphysische Valenz des Begriffes „Fleisch“ und zugleich seine geschichtliche Bedeutung als „Balancierung“45 nach dem AT, wie in 1Kor 15,39–41. Metaphysisch und geschichtlich sind ebenfalls die Attribute Sünde und Tod, im Zusammenhang mit der Adamssünde (objektiver Kausalgrund) und der einzelnen, subjektiven Übertretung. Auch RPGWOC ist wie UCTZ nach Gal 5,17 eine Art Aeon,46 wo hinein man durch die Taufe gestellt und durch das Abendmahl bestärkt wird. Das RPGWOC kann aber neben dieser metaphysischen Eigenschaft auch einen geschichtlichen Aspekt besitzen, zumal „das ganze christliche Leben 42 Das Beispiel ist auf Seite 101 Röm 7,18 GXP GXOQK gleicht GXP VJ^ UCTMK OQW oder 2Kor 7,5. 43 E. Käsemann, Leib und Leib Christi, 104: „Fleisch und Geist sind hier so schroff dualistisch dem Menschen übergeordnet, daß er nicht als Subjekt, sondern als Objekt des Kampfes zweier Welten erscheint“. 44 E. Käsemann, Leib und Leib Christi, 105. 45 Die Doppelbedeutung wird auch im Sinne einer Balancierung von Extremen aufgefasst: „Röm 7 sichert die Anthropologie vor der Auflösung in Metaphysik, wie Röm 5 vor der Auflösung in Psychologie“ (Käsemann, Leib und Leib Christi, 113). Darin liegt nach Käsemann der Unterschied Paulus’ zur Gnosis, wo die Anthropologie sich in Kosmologie auflöst. 46 E. Käsemann, Leib und Leib Christi, 126.

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als pneumatisch eschatologisch verstanden“47 und durch die Vergabe von ECTKUOCVC gekennzeichnet wird. In der Beschreibung des RPGWOC-Äons finden sich die meisten Berührungspunkte mit dem gnostischen Mythos des Urmenschen-Erlösers. Das RPGWOC ist der himmlische Christus-Anthropos selbst (1Kor 15,45), das UYOC RPGWOCVKMQP ist die Eikon, die nach dem gnostischen Gedanken getragen wird. Selbst die CXICRJ, die das höchste aller Charismen ist, ist nach 1Kor 13 auf Erkenntnis und Vollendung bezogen und wird mit der gnostischen Äon-Terminologie erklärt. Die Teilhabe am Leib Christi erfolgt durch die Sakramente: „Auch im sakramentalen Mahl geht das Pneuma-Christus, der als solcher der Aion ist, in den Menschen ein.“48 Der Wert dieser These besteht in der Berücksichtigung aller Aspekte von UYOC und UCTZ, dem kollektiven und individuellen Gebrauch, dem anthropologischen, ethischen, ekklesiologischen und ethischen Zusammenhang. Die These kommt ohne eine Fragmentierung der Begriffe aus. 3.4 Die Reaktionen auf Käsemanns These Die Reaktionen auf die These E. Käsemanns richten sich hauptsächlich gegen die ihr zugrunde liegenden religionsgeschichtlichen Thesen. Bei den kritischen Stellungsnahmen besteht ein Haupteinwand in der Datierung der manichäischen Quellen, die den Urmenschen-Erlöser-Mythos enthalten. Reitzenstein ging von der Annahme aus, dass sich in den späteren Quellen der uralte iranische Mythos vollständig widerspiegelte. Die Arbeit von A. Wikenhauser,49 dem ersten katholischen Exegeten, der sich diesem Thema widmete, enthält eine positive Beurteilung der gnostischen Hypothese. Allerdings behandelt die Arbeit ausschließlich ekklesiologische Fragen, wie z.B. den charismatischen Charakter der Kirche, die paulinische Polemik gegen die Jerusalemer Kirche und den Vorrang der Zwölf. Wikenhausers Schlussfolgerungen lassen seine katholische Prägung erkennen. In den paulinischen Briefen weist er die Anerkennung der Autorität der Jerusalemer Gemeinde und der Apostel, die Vorrangsstellung des Petrus über die Apostel50 sowie die Präsenz von Ämtern innerhalb der pau47 E. Käsemann, Leib und Leib Christi, 128. 48 E. Käsemann, Leib und Leib Christi, 176. 49 A. Wikenhauser, Die Kirche als der mystische Leib Christi nach dem Apostel Paulus, Münster 1937. 50 A. Wikenhauser, Die Kirche als der mystische Leib Christi, 68–73. Die Kollekte ist der Beweis für die Anerkennung des Primats von Jerusalem. S. 72–73: „Paulus hat die Vorrangstellung des Petrus innerhalb des Kollegiums der Urapostel gekannt und anerkannt“. Das Primat von Petrus geht aus der Liste der Erscheinungen (1Kor 15,4) und der Heraushebung von Petrus aus der Reihe der übrigen Apostel in 1Kor 9,5 und Gal 1,18 hervor.

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linischen Gemeinde nach. Der Vorstellung von Gemeinden als „vom Geist regierten Demokratien“ hingegen widerspricht er.51 Die Bezeichnung „Leib Christi“ für die Kirche verweist auf den realen Leib Christi, mit dem eine mystisch-sakramentale Gemeinschaft konstituiert wird.52 Das hellenistische Bild vom Organismus, das sich in 1Kor 12,3–14 und Röm 12,3–8 findet, kann dabei als nebensächlich betrachtet werden. Ausgehend von der Behandlung der religionsgeschichtlichen Frage gelangt Wikenhauser zu einer Bewertung der These von Käsemann und Schlier. Sein Urteil fällt insgesamt positiv aus, er ist etwa der Ansicht, dass durch die gnostische Hypothese „die rätselhafte Vorstellung vom Leibe Christi unserem Denken verständlich gemacht werden kann“.53 Zu überdenken aber sei die kritiklose Übernahme von Reitzensteins Thesen durch die beiden Exegeten, die als Schwäche der These gilt.54 Paulus habe im Grunde nur die Sprache der Gnosis verwendet, ohne jedoch deren Inhalt zu übernehmen. Die weitere Diskussion reduziert sich auf einen einzigen Aspekt, den religionsgeschichtlichen Ursprung und die ekklesiologische Bedeutung des paulinischen Syntagmas „Leib Christi“, ohne dass der Versuch unternommen wird, die paulinische Vorstellung von UYOC begrifflich systematisch zusammenzufassen. Diese ekklesiologische Beschränkung wurde durch das römisch-katholische Interesse an dieses Thema noch verstärkt, das mit der 1943 veröffentlichten Enzyklika „Mystici corporis“ offiziell legitimiert wurde. Der katholische Theologe W. Goossens, der das wiedererwachte Interesse der katholischen Kirche als eine Neuentdeckung der Kirche definiert,55 bezieht in seiner Behandlung des Themas klar Stellung gegen die gnostische Hypothese von Käsemann und Schlier. Eine gnostische Erklärung ist nach Goossens überflüssig. Die Vorstellung vom Leib Christi lasse sich einfach 51 A. Wikenhauser, Die Kirche als der mystische Leib Christi, 73: „Die paulinischen Gemeinden waren keine von Geist regierten Demokratien“, sie waren von Paulus und vom Leiter der Gemeinde regiert. Am Ende seines Lebens wählt sogar Paulus selbst „monarchische Bischöfe“, wie etwa Titus und Timotheus (S. 83). 52 A. Wikenhauser, Die Kirche als der mystische Leib Christi, 112. 53 A. Wikenhauser, Die Kirche als der mystische Leib Christi, 239. 54 A. Wikenhauser, Die Kirche als der mystische Leib Christi, 239–240. Wikenhausers Kritik an diesem Punkt ist sehr berechtigt: „Zweifellos hat Reitzenstein das Alter und die Bedeutung der mandäischen Schriften sehr überschätzt. Seine Auffassung von Manichäismus, in dem er überall altiranisches Gut witterte, wird heute in weiten Kreisen als im Prinzip überwunden angesehen.“ 55 Er führt unter anderem die Arbeiten von L. Deimel, Leib Christi: Sinn und Grenzen einer Deutung des innerkirchlichen Lebens, Freiburg 1940, E. Mersch,: Le corps mystique du Christ: études de théologie historique, Bd. 1–2: - Ecriture, tradition grecque; Bd. 3: Tradition occidentale, Louvain 1951, F. Jürgensmeier, Der mystische Leib Christi als Grundprinzip des Aszetik; Aufbau des religiösen Lebens und Strebens aus dem Corpus Corpus Christi mysticum, Paderborn 71938, E. Mura, Le Corps mystique du Christ. Sa nature et sa vie divine d’après S. Paul et la théologie. Synthèse de théologie dogmatique, ascétique et mystique, Paris 1934.

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durch die Kombination der hellenistischen Organismus-Metaphorik mit der Lehre von der mystischen Union der Christen mit Christus in der Eucharistie erklären.56 Seine Beurteilung der gnostischen Hypothese besteht in einer klaren Ablehnung: „Nous estimons avec de nombreux auteurs, que cette hypothèse de l'influence du mythe gnostique de l'Anthropos Sauveur sur la doctrine paulienne n'est pas recevable“.57 Erneut wird hier die Grundlage der Hypothese, nämlich die Thesen Reitzensteins,58 in Frage gestellt, da sie einer genaueren Prüfung nicht standhalten. 3.5 Die Suche nach einer jüdischen Erklärung von „Leib Christi“ Die Behandlung dieser religionsgeschichtlichen Frage und der Versuch einer Erklärung der Vorstellung vom Leib Christi ist Thema zahlreicher neutestamentlicher Forschungsbeiträge. Hier wird der Versuch unternommen, die Grundzüge der bis in die Gegenwart reichenden Forschung nachzuzeichnen. Die beiden Forschungsansätze, die sich gegen Käsemanns gnostische Thesen richten, sind zum einen die mystisch-religiöse Erklärung der paulinischen Theologie und die Betonung der mystischen Größe des Leibes Christi in Zusammenhang mit der Formel GXP &TKUVY^ und zum anderen der Versuch, eine alternative mythologische Vorstellung zu definieren, die sich nicht aus der Gnosis, sondern aus dem Judentum ableitet und das Konzept des „erlösten Erlösers“ durch die Spekulationen über Adam ersetzt. Beide Ansätze waren bereits in der Arbeit von T. Schmidt enthalten, sind allerdings nicht in einen Zusammenhang gebracht worden. Eine weitere Forschungsrichtung geht von einer metaphorischen Erklärung von Leib Christi aus und postuliert eine vollständige Abhängigkeit der paulinischen Gedanken vom hellenistischen Organismusgedanken. Der Entwurf einer alternativen religionsgeschichtlichen Erklärung der Vorstellung vom Leib Christi wurde gleich im Anschluss an Käsemanns Arbeit unternommen. N.A. Dahl59 (1941) schlägt mit der jüdischen Vorstellung von der „Gesamtpersönlichkeit“ eine alternative Erklärung zum Ur56 W. Goossens, L’Église corps du Christ d’après saint Paul, 86, „la comparaison hellénistique, la doctrine paulienne de l’union mystique des fidèles au Christ et la doctrine eucharistique expliquent donc intégralement comment saint Paul fut amené à concevoir l’Église comme le corps du Christ.“ 57 W. Goossens, L’Église corps du Christ, 94–95. 58 W. Goossens, L’Église corps du Christ, 96. Die Hypothese ist auf Sand gebaut, auf dem „sable mouvant de conjecture bien fragile“, nicht auf den „Fels“ des Textes: „il (Reitzenstein) exagère manifestemment l’âge et l’importance des documents mandeéns et estime à tort que les sources manichéennes reflectent partout les conceptions de l’ancient Iran.“ 59 N.A. Dahl, Das Volk Gottes. Eine Untersuchung zum Kirchenbewusstsein des Urchristentums, Oslo 1941.

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menschen-Mythos vor. Der mystische Leib Christi gründet sich auf die Einheit des Messias mit der Gemeinde. Einige jüdische Texte sprechen von der Zusammenkunft aller Menschen im Leib Adams. Dass diese Vorstellung die gnostische Hypothese ersetzen sollte, ergibt sich klar aus Dahls Formulierung, obwohl er nicht auf das Wort Gnosis verzichtet: „Wir müssen also mit der Möglichkeit rechnen, dass hinter dem mystischen Begriff „Leib Christi“ eine jüdische, messianologische Gnosis steckt“.60 Eine ähnliche These wird von W.D. Davies61 vertreten. Seiner Meinung nach ist der Gegensatz zwischen Adam und Christus erklärbar aus dem engen Zusammenhang der Vorstellung vom Leib Christi mit den rabbinischen AdamSpekulationen.62 In den rabbinischen Texten hatte Adam vor dem Fall einen riesigen Leib, der danach nur noch eine Größe von hundert Metern hatte.63 In Adam vereinigt sich die ganze Menschheit, weil sie den lebendigen Hauch Adams teilt, während die neue Menschheit in Christus durch den Heiligen Geist zusammengefasst wird. Ein weiterer Ansatz, der die Vorstellung vom Leib Christi als mystische Größe deutet, wird besonders von E. Percy (1942) und von E. Best (1955) vertreten. E. Percy erklärt die Vorstellung vom Leib Christi ausgehend von Röm 12,5 als eine Abwandlung der Formel GXP &TKUVY^. Anders als Deißmann erklärt Percy die Formel nicht aus dem Geist-Sein von Christus und sieht sie nicht als Äquivalent zu GXP RPGWOCVK.64 Das Sein in Christus ist kein mystisches Erlebnis, sondern eine reale Teilhabe am Heil, das der Tod und die Auferstehung Christi gebracht haben.65 Die Thesen von Schlier und Käsemann werden von Percy nicht übernommen, denn die Gnosis und das System von Valentinian sind von Paulus abhängig und nicht umgekehrt. Der religionsgeschichtliche Ursprung der Vorstellung vom Leib Christi hingegen liegt in der alttestamentlich-jüdischen Vorstellung vom Stammvater, aus der sich die spätjüdische Konzeption von Adams Leib als Ursprung aller Geschlechter entwickelt hat.66 Diese religionsgeschichtliche Erklärung ersetzt die gnostische These

60 N.A. Dahl, Das Volk Gottes, 228. 61 W.D. Davies, Paul and Rabbinic Judaism. Some Rabbinic Elements in Pauline Theology, London 1948. 62 W.D. Davies, Paul and the Rabbinic Judaism, 53: „In his development of the idea of the Church as the Body of Christ, Paul is largely influenced by the Rabbinic idea about Adam“. 63 W.D. Davies, Paul and the Rabbinic Judaism, 45, erwähnt R. Meir Pesahtah 1 b und spricht von 100 yards. 64 E. Percy, Der Leib Christi, 23: „ X(P RPGWOCVK hat eine ethische, GXP &TKUVY^ hingegen eine heilgeschichtliche Bedeutung.“ 65 E. Percy, Der Leib Christi, 32, behauptet, dass die Formel, „reale Teilnahme an Tod und Auferstehung Jesu und damit auch an jenem neuen Leben, das er als Auferstandener lebt, bedeutet.“ 66 E. Percy, Der Leib Christi, 41: „Dagegen ist diese Vorstellungsweise offensichtlich im Umkreis des Alten Testaments und des Judentums beheimatet. Wir brauchen hier nur an die Art,

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in ihrer Gesamtheit, ohne dabei deren Kerngedanken zu verändern, nämlich den realen Gehalt des Begriffs Leib Christi als tatsächlicher, realer Leib des erhöhten Christus. „Die paulinische Ekklesiologie ist daher nichts anderes als Christologie“,67 was auch in den Deuteropaulinen fortgeführt wird. Die Studie von J.A.T. Robinson kann als eine Gesamtbetrachtung über die Leiblichkeit bei Paulus gelten und hat in der angelsächsischen Welt den Stellenwert einer ganz neuen, selbstständigen Interpretation des Begriffs. Ermöglicht wird dies dadurch, dass „Leib“ nach Robinson ein Schlüsselbegriff für die gesamte paulinische Theologie ist – ein einzigartiges Phänomen in den Schriften des Neuen Testaments.68 Die drei Hauptteile der Arbeit – a) Anthropologie, b) Erlösungslehre c) Ekklesiologie und Eschatologie – lassen sich aus dem Leib herleiten. Unter „body“ versteht Robinson beide Termini, UCTZ und UYOC, die für ihn eine ähnliche Bedeutung haben, da sie in der Sprache der Septuaginta das gleiche Wort rf'B' übersetzen. In der Anthropologie stellt Robinson eine grundlegende Übereinstimmung69 der beiden Termini im paulinischen Gebrauch fest. Beide bezeichnen nämlich die ganze Person und die Körperlichkeit; die Unterscheidung Form – Substanz lässt sich nicht beweisen. Der Unterschied liegt in der Bewertung des Paulus: UYOC ist neutral, während UCTZ keine Macht ist, sondern eine Kraft,70 durch die sich der Mensch von Gott entfernt. Die Unterscheidung klingt wie ein Postulat, das nicht die Überzeugungskraft einer allgemeinen Erkenntnis besitzt: „While UCTZ stands for man, in the solidarity of creation, in his distance from God, UYOC stands for man in the solidarity of creation, as made for God“.71 Der Teil zur Erlösungslehre („The Body of the Cross“) wird eingeleitet von dem Paulus-Wort „Der Herr ist für den Leib“ (1Kor 6,13). Jesus nimmt den Leib (UCTZ) und die menschliche Natur auf sich und unterwirft sich dadurch der Macht der Sünde. Durch seinen Tod am Kreuz wird die Befreiung des Menschen möglich. Nach Röm 7,4 geschieht die Befreiung vom Gesetz durch den Leib Christi, und die ganze Erlösung lässt sich mit Paulus’ Worten in Kol 1,21 zusammenfassen, wonach die Versöhnung im Leib wie im Alten Testaments die Vorstellungen von Stammvater und Stamm oft ineinander verfliessen, zu erinnern.“ 67 E. Percy, Der Leib Christi, 45. 68 J.A.T. Robinson, The Body, 9: „One could say without exaggeration that the concept of the Body forms the keystone of Paul’s theology“. Siehe auch J.A.T. Robinson, The Body, 48: „Thus the concept of the Body supplies the lynch-pin of Paul’s thought. For we are here at the very pivotal point on which the whole of his theology turns, and by virtue of which also it is distinctive in the New Testament.“ 69 J.A.T. Robinson, The Body, 30: „The identification of UYOC and UCTZ seems complete.“ Ein Beweis ist der Ausdruck von Kol 2,11 VQ UYOC VJL UCTMQL. 70 J.AT. Robinson, The Body, 22. 71 J.A.T. Robinson, The Body, 31.

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seines Fleisches durch den Tod stattfindet (GXP VY^ UYOCVK VJL UCTMQL CWXVQW FKC VQW SCPCVQW). Der Leib der Versöhnung ist nun nach Robinson der fleischliche Leib Jesu und auch der Leib der Kirche, der durch die Gemeinschaft der Gläubigen gebildet wird. Diese Überlegungen führen direkt zum dritten Teil der Arbeit, der sich mit der Ekklesiologie und der Eschatologie beschäftigt. Im Mittelpunkt steht der Leib der Auferstehung, der identisch ist mit dem Leib der Kirche. Leib Christi ist daher nicht korporativ zu verstehen als eine Zusammenkunft von Menschen, sondern als Christus selbst.72 Die ausführliche Diskussion über den religionsgeschichtlichen Ursprung der Vorstellung vom Leib Christi verliert ihre primäre Bedeutung, da das Syntagma nach Robinson aus der Christologie her erklärt werden muss und nicht aus einer der vorhandenen religionsgeschichtlichen Vorstellungen.73 Paulus erfährt die mystische und ekklesiologische Dimension Christi im Damaskus-Erlebnis, wo derselbe Christus sich mit der verfolgten Kirche identifiziert. E. Best sieht in der Vorstellung von der „corporate personality“ eine mögliche Erklärung für verschiedene paulinische Wendungen, die die Einheit zwischen Christus und den Christen betonen, so z.B. die Formel GXP &TKUVY^, UWP &TKUVY^ und GKXL &TKUVQP oder die Metapher von der Kirche als „Leib Christi“, als „Gebäude“ und als „Braut Christi“. Diese verschiedenen Begriffe beschreiben dieselbe Idee einer corporate personality, einer Persönlichkeit, die von Christus und den Christen gebildet wird, ähnlich wie verschiedene geographische Karten die Erde unterschiedlich abbilden.74 Dementsprechend wird das Syntagma Leib Christi metaphorisch betrachtet, was eigentlich unter den Anhängern der These einer corporate personality unüblich ist. Bei „Leib Christi“ handelt es sich allerdings nach E. Best um eine besondere Metapher, bei der nach jüdischem Verständnis Wirklichkeit und symbolische Formulierung sehr nahe beieinander liegen.75 Durch die Vorstellung von einer corporate personality wird einerseits die mystische Beziehung der Christen mit Christus und andererseits eine Vermittlung der Erlösung der Christen durch Christus ausgedrückt. Das ist in der AdamSpekulation begründet, in der Solidarität von Adam mit der Menschheit. 72 J.A.T. Robinson, The Body, 50. Wichtig ist Robinsons Unterscheidung zwischen „corporate“ und „corporal“. Die Kirche ist „something corporal“. Der Beweis für diese Identifikation von Christus und der Kirche ist 1Kor 12,13, aber auch die Stellen wo die Kirche als die Braut Christi bezeichnet wird, wie 2Kor 11,2 und Eph 5,23 oder auch 1Kor 6,13–20, wo das Verb MQNNCUSCK benutzt wird. 73 J.A.T. Robinson, The Body, 48, „it should be axiomatic that it has to be elucidated and interpreted not primarily in terms of these sources, but in terms of his own Christology.“ 74 E. Best, One Body in Christ, 100: „In a very similar way the different phrases ‚Body of Christ‘, ‚in Christ‘, etc. are projections of the fundamental idea of corporate personality of Christ and believers.“ 75 E. Best, One Body in Christ, 99.

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Jedoch verwirft E. Best Davies’ Thesen, nach denen das Motiv vom Leib Christi aus der Einheit der Menschheit im Leibe Adams stammt. Hinsichtlich des religionsgeschichtlichen Hintergrundes beschränkt sich E. Best auf den Begriff einer Gesamtpersönlichkeit und verzichtet auf die Spekulation über die Bezeichnung „Leib Adams“, die nicht in den Quellen nachzuweisen ist.76 Gleichzeitig widerspricht er auch den Thesen von Percy, nach denen „Leib Christi“ aus der Formel GXP &TKUVY^ herzuleiten ist. In seiner Schlussfolgerung wiederholt Best seine Hauptthese: „Both ideas (d.h. Leib Christi und GXP &TKUVY^) go back to a common basis in the conception of Christ as an inclusive or corporate personality“.77 Die Versuche eine alternative Erklärung zur gnostischen Theorie von „Leib Christi“ zu entwerfen, kommen mit der Arbeit von J.J. Meuzelaar von 196178 an ihr Ende. Wie bei den anderen Arbeiten der vorigen Jahre legt Meuzelaar den Schwerpunkt auf die Vorstellung vom Stammvater und von der Gesamtpersönlichkeit. Seine Konzeption wird aber durch eine Vorstellung vom Messias beherrscht, weil „Christus“ eigentlich „Messias“ bedeutet: Leib Christi ist bei Paulus nichts anderes als der Leib des Messias. Was die jüdische Religion über den Messias gedacht hat, wird von Paulus auf Christus und auf die Kirche übertragen. Der Messias ist der neue Mensch schlechthin, der die Menschheit in seinem Leibe79 vereinigt. Die Heiden und die Juden sind nach dem Epheserbrief versöhnt in einem Leib, leben in gegenseitiger Erbauung und wachsen auf den Messias, das Haupt des Leibes, hin, um dessen Vollkommenheit zu erreichen.80 Meuzelaar sieht im Gebrauch der Vorstellung vom Leib Christi hauptsächlich eine „praktische“ Funktion,81 die existentielle Identifikation mit dem Messias und die Einheit der Kirche, die er als Argument gegen eine mystische oder mythologische Auslegung benutzt. Die Diskussion um eine Alternative zur gnostischen Hypothese findet ihren Abschluss in der Überprüfung der religionsgeschichtlichen Voraussetzung der Hypothese und der Überprüfung der Quellen, die Reitzenstein 76 E. Best, One Body in Christ, 92. 77 E. Best, One Body in Christ, 93. 78 J.J. Meuzelaar, Der Leib des Messias. Eine exegetische Studie über den Gedanken vom Leib Christi in den Paulusbriefen, Assen 1961. 79 J.J. Meuzelaar, Der Leib des Messias, 79: „Nach paulinischer Auffassung hat aber der Leib des Messias der Ort, die Gemeinschaft, zu sein, wo Juden und Gojim, Sklaven und Freie, Männer und Weiber das Gesetz Gottes erfüllen.“ 80 Der Hauptteil des Buches von Meuzelaar besteht gerade in dem Versuch alle diese Elemente des Epheserbriefes als besondere Motive der Messias-Vorstellung zu definieren. Das ist ein Versuch durch die Behauptung der Echtheit des Kolosser- und Epheserbriefs ein einheitliches Bild der Vorstellung vom Leib Christi zu entwerfen. 81 J.J. Mezelaar, Der Leib des Messias, 173: „Auch bei dem Begriff vom Haupt-AnfangErstgeborenen bei Paulus kann nicht von einer mystischen Identifikation die Rede sein, sondern nur von einer existentiellen und also praktischen Identifikation oder Repräsentation.“

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nicht direkt im Original lesen konnte. Eine Gleichsetzung des Urmenschen mit dem Erlöser ist nach neueren Erkenntnissen nicht nachweisbar, sie wird erst später durch den Manichäismus vorgenommen. C. Colpe hat gezeigt, auf welcher Basis Reitzenstein seine These entwickelte. Die Formel „Urmensch-Erlöser“ weist Colpe in einigen späteren Quellen nach, sie ist „aber im Grunde ein modernes Interpretament, das sich [...] in den Quellen nicht findet“.82 H.M. Schenke untersucht in seiner ein Jahr darauf erschienenen Arbeit83 die verschiedenen Texte, in denen die Begriffe Unmensch und Anthropos vorkommen. Seine Schlussfolgerung gleicht den Thesen von Colpe: Die Vorstellung vom göttlichen Anthropos, die aus der gnostischen Interpretation von Gen 1,26f stammt, unterscheidet sich vom göttlichen Äon, aus dem die Welt gebildet wird. Die zwei Gestalten werden erst später im Manichäismus vereinigt. Schenke kommt zu folgendem Schluss: „Damit heisst es, Abschied zu nehmen von den so interessanten Theorien Schliers und Käsemanns“.84 Dies rief in der neutestamentlichen Forschung eine Erschütterung hervor, und die These einer jüdischen oder rabbinischen Ableitung des Begriffs vom Leib Christi und von der gesamten Christologie blieb die einzig mögliche Lösung. An diesem Punkt begann eine Phase der Forschung zur Definition der paulinischen Ekklesiologie und Christologie, die bis in die heutige Zeit reicht und noch nicht zu einem Abschluss gekommen ist. R. Bultmanns These

4. Die These von R. Bultmann Rudolf Bultmanns Darstellung der paulinischen Theologie erhielt in der Diskussion eine neue Überzeugungskraft, vielleicht gerade weil ihre Systematik der existentialen Philosophie entstammt und damit eine gewisse Unabhängigkeit von einer religionsgeschichtlichen Herleitung ermöglicht. Die Krise der gnostischen Erklärung scheint mir deswegen der beste Punkt zu sein, um Bultmanns Konzeption der paulinischen Theologie darzustellen, besonders wegen ihres unerwarteten Erfolgs in der späteren Forschung. Kernpunkt ist das existentielle Verständnis der gesamten paulinischen Theologie und auch der Termini UCTZ und UYOC. Das wird möglich, weil Paulus Gott und Mensch nicht als essentielle, sondern als relationale Größen versteht. Der Mensch steht vor Gott, und Gott wendet sich an den 82 C. Colpe, Die religionsgeschichtliche Schule, 174. 83 H.M. Schenke, Der Gott „Mensch“ in der Gnosis. Ein religionsgeschichtlicher Beitrag zur Diskussion über die paulinische Anschauung von der Kirche als Leib Christi, Göttingen 1962. 84 H.M. Schenke, Der Gott Mensch in der Gnosis, 155.

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Menschen, und damit lasst sich die Theologie „als Anthropologie darstellen“.85 Laut Bultmann ist allerdings der Mythos des Urmenschen-Erlösers grundlegend86 für die christologischen Aussagen des Paulus und ihre ekklesiologischen und sakramentalen Implikationen, aber gerade durch sein Entmythologisierungsprogramm gewinnt das Mythologische ausschließlich existentiale Bedeutung.87 Paulus selber wandelt Bultmann zufolge die kosmologischen Begriffe der Gnosis in geschichtliche Kategorien um, die eine Entscheidung des Glaubens zum Ziel haben.88 Diesem existentialen Programm folgend gelangt Bultmann zu der wichtigen Erkenntnis, dass die anthropologischen Termini nicht menschliche Teile oder Organe, sondern den ganzen Menschen unter einem bestimmten Aspekt oder besser gesagt eine „Möglichkeit seines Seins“ bezeichnen.89 UYOC nimmt den wichtigsten Platz in der paulinischen Anthropologie ein. In seiner Definition distanziert sich Bultmann von der idealistischen Vorstellung von UYOC als „Form“ oder „Gestalt“ des Menschen und betont die ganzheitliche Bedeutung90 im Sinne von „Person“ oder „Persönlichkeit“ oder vom eigentlichen Ich des Menschen, „sodaß man sagen kann: der Mensch hat nicht ein UYOC, sondern er ist ein UYOC“.91 Die wesenhafte Dimension des UYOC wird durch den Begriff von Geschichtlichkeit erklärt. Dieser aus der existentialen Philosophie übernommene Begriff wird von Bultmann auf die paulinische Theologie angewandt. Mit Geschichte ist die Geschichte des Einzelnen und sein Ver85 R. Bultmann, Art. Paulus, RGG2, 1031. Diese Definition wird übernommen in R. Bultmann, Theologie des Neuen Testaments, 191–192: „Jeder Satz über Gott ist zugleich ein Satz über den Menschen und umgekehrt. Deshalb und in diesem Sinne ist die paulinische Theologie zugleich Anthropologie“. 86 Es finden sich zahlreiche Stellen, wo Bultmann zur Funktion des gnostischen UrmenschMythos Stellung bezieht. Aus diesen haben sich für seine Schüler wichtige Impulse ergeben. Einige Beispiel finden sich bei R. Bultmann, Zur Geschichte der Paulus-Forschung, 43. Nach einer Erklärung des Mythos heißt es dort: „ Es erscheint unausweichlich, dass die Christologie des Paulus diesen Mythos voraussetzt“. Vgl. auch R. Bultmann, Karl Barths Die Auferstehung der Toten, 55 (1Kor 15,20–22 baut seiner Meinung nach auf dem Mythos auf) sowie R. Bultmann, Das Urchristentum, 214–215. 87 R. Bultmann, Neues Testament und Mythologie, 22. 88 R. Bultmann, Das Urchristentum, 221: „Wohl bringt Paulus seine Vorstellung vom Leib Christi in den Kategorien kosmologischen Denkens zum Ausdruck, tatsächlich aber ist von ihm das Kosmologische ins Geschichtliche transponiert worden.“ Die Eingliederung in den Leib Christi geschieht durch die Sakramente, aber der Glauben hat die wichtigste Rolle. „Der Glaube aber ist echte geschichtliche Entscheidung.“ 89 R. Bultmann, Art. Paulus, RGG2, 1032: „Sie bezeichnen nicht Teile des Menschen, einzelne Glieder oder Organe, sondern sie meinen immer den ganzen Menschen hinsichtlich einer bestimmten Möglichkeit seines Seins.“ 90 R. Bultmann, Art. Paulus, RGG², 1034: Ein Beweis für ein nicht dualistisches Verständnis des UYOC liegt in der Behauptung einer Auferstehung des Leibes und in der Angst vor Leiblosigkeit. 91 R. Bultmann, Theologie des Neuen Testaments, 195.

R. Bultmanns These

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hältnis zu sich selbst gemeint und nicht die Geschichte eines Volkes. Die Geschichte ist aus existentialer Perspektive kein Kontinuum von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, sondern der Augenblick der Entscheidung, der das Sein-Können verwirklicht. Das zentrale Ereignis dieser Geschichte ist die Begegnung mit Christus92 und die Möglichkeit ein eigentliches Leben zu realisieren. „Der Mensch hat ein Verhältnis zu sich selbst, er kann sich selbst zum Objekt seines Tuns machen und er kann sich selbst als Subjekt von Widerfahrnissen erleben. Er hat die Möglichkeit, in Einheit oder in Zwiespalt mit sich selbst zu leben. Dies findet seinen Ausdruck im paulinischen Begriff ‚Leib‘ (soma)“.93 Diese Aspekte beinhaltet die Definition von UYOC in dem Artikel „Paulus“ für die RGG2: „Leib ist der Mensch in seiner Zeitlichkeit und Geschichtlichkeit“.94 Diese Definition wird zudem in der „Theologie des Neuen Testaments“ weitergeführt: der Mensch ist UYOC, „sofern er sich selbst zum Objekt seines Tuns machen kann oder sich selbst als Subjekt eines Geschehens, eines Erleidens erfährt. Er kann also UYOC genannt werden, sofern er ein Verhältnis zu sich selbst hat, sich in gewisser Weise von sich selbst distanzieren kann“.95 Gerade die Definition von Sein – Können als Basis für sein Verhältnis zu sich selbst impliziert notwendigerweise eine neutrale Bewertung96 des Begriffs UYOC im Gegensatz zu UCTZ. UCTZ ist nun für Bultmann als gottfeindliche Macht gedacht und bezeichnet nicht nur das irdisch-vergängliche Sein des Menschen. Sie ist zwar der Mensch selbst, „so wie er vorfindlich ist, als gesund oder krank, als Angehöriger einer Nation oder einer Familie“,97 aber sie kann zu einer Macht werden, die das Verhalten des Menschen bestimmt, den Menschen versklavt und ihn zu einem „uneigentlichen Leben“ führt, wenn der Mensch auf sie vertraut.98 Auf diese Weise steht UCTZ neben anderen Mächten wie Gesetz, Sünde, Tod und Welt mit dem RPGWOC im Widerstreit um die Beherrschung des Menschen. Für diese Auslegung spielt der Ausdruck MCVC UCTMC eine zentrale Rolle, der das Verhalten beschreibt, der das Vertrauen und das Wandeln unter der Beherrschung des Fleisches beinhaltet. Die Wirkung der UCTZ zeigt sich im Begehren (GXRKSWOGKP), auch im Sorgen 92 Die Begegnung mit Christus macht auch das Grundschema der paulinischen Anthropologie aus. In der bultmannschen Theologie des Neuen Testaments gliedert sie sich in die Phase vor und die Phase in der Pistis. 93 R. Bultmann, Geschichte und Eschatologie im Neuen Testament, 102. 94 R. Bultmann, Art. Paulus, RGG², 1033. 95 R. Bultmann, Theologie des Neuen Testaments, 169. 96 R. Bultmann, Theologie des Neuen Testaments, 199, „Sein UYOC-Sein ist an sich weder etwas Gutes noch etwas Böses“. 97 R. Bultmann, Art. Paulus, RGG², 1034. 98 R. Bultmann, Das Urchristentum, 209: „Dieser Bereich (d.h. Fleisch) aber wird zu einer gleichsam dämonischen Macht, wenn der Mensch sich von ihm abhängig macht, wenn er nach dem Fleisch lebt.“

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(OGTKOPCP), im Sich-Rühmen (MCWECUSCK), und die Erlösung ist eine Befreiung von allen dämonischen Mächten, zu denen auch das Fleisch gehört. E. Käsemanns Revision und die heutige Forschung

5. Die Revision E. Käsemanns und die heutige Forschung 5.1 Die Arbeiten vor der Revision Die Krise des Urmenschen-Erlöser-Mythos als Erklärung des Begriffes Leib Christi und sein allmähliches Verschwinden steht am Anfang einer Neudefinition des Syntagmas. Käsemann selbst versucht sich in den paulinischen Perspektiven an einer neuen Definition der Anthropologie, doch trotz ihrer wichtigen Funktion für die spätere Forschung führten seine Ausführungen lediglich zu einigen Versuchen, die Thesen von Bultmann zu revidieren und zu ergänzen. Die Darstellung dieser Revision ist unerlässlich um die Lage der heutigen Forschung zu verstehen. Zwischen dem Widerruf der gnostischen These und der Revision von Käsemann liegt eine Zeitspanne, in der die religionsgeschichtliche Erklärung des Leibes Christi in entscheidender Weise mit der jüdischen Stammvatervorstellung verbunden ist. In diesen Jahren erscheinen die Artikel über UCTZ und UYOC von E. Schweizer und die Bücher von A. Sand und E. Brandenburger über UCTZ. E. Schweizer bringt keine neuen Erkenntnisse für die Forschung seiner Zeit, fasst aber die wesentlichen Ergebnisse zusammen, über die danach Konsens herrschte. UYOC hat für Paulus die ganzheitliche Bedeutung von „Person, Persönlichkeit und Individualität“.99 Bei der Formulierung dieser Definition kann man Bultmanns Ansatz erkennen, allerdings ohne dass auf den Zusammenhang zwischen Leib und Verhältnis zu sich selbst eingegangen wird. Dementsprechend wird UYOC die Eigenschaft eines handelnden Subjekts zugeschrieben: „Dabei wird deutlich, daß Paulus mit dieser Verwendung von UYOC auch das Besitzverhältnis [...] betont, in das hinein der Menschen seinen Leib gibt“.100 Kurz darauf wird dieser Aspekt noch klarer formuliert: „UYOC ist der Ort, an dem der Glaube lebt, an dem sich der Mensch in die Herrschaft Gottes gibt. So wird UYOC der Bereich, in dem der Mensch dient“.101 Der religionsgeschichtliche Hintergrund des Syntagmas „Leib Christi“ wird in der Vorstellung von Adam-Stammvater gesehen, was zur Behauptung einer Identität des gekreuzigten und erhöhten Leibes mit der Kirche führt. Das Ergebnis ist nicht die Vision der Kirche als Heilsstätte, sondern eine Betonung der Einheit des Erhöhten mit der Kirche, wie sie 99 E. Schweizer, Art. UYOC, ThWNT VII, 1063. 100 E. Schweizer, Art. UYOC, ThWNT VII, 1062. 101 E. Schweizer, Art. UYOC, ThWNT VII, 1063.

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sich aus dem ähnlichen Bild des Weinstocks in Joh 15 ergibt. Entsprechende Bemerkungen gelten für die Definition von UCTZ. Das Neue Testament ist vom alttestamentlichen, ganzheitlichen Gebrauch des Terminus bestimmt. Er bezeichnet die irdische Sphäre. Die negative Bedeutung der UCTZ ergibt sich aus der Tatsache, dass sie Gegenstand des Vertrauens wird: „Sündig ist also nicht die UCTZ, sondern das Vertrauen auf sie“.102 Dadurch wendet sich Schweizer gegen die gnostische Vorstellung von einer dualistischen Konzeption von zwei Mächten, UCTZ und RPGWOC, die das menschliche Handeln bestimmen. UCTZ ist keine aktive und wirkende Macht, sie ist eher eine Richtung, die der handelnde Mensch einschlägt. Anders als Schweizer beschreibt E. Brandenburger den Dualismus UCTZ – RPGWOC bei Paulus als radikale Konfrontation zweier Mächte, die das Verhalten des Menschen bestimmen,103 und versucht eine alternative religionsgeschichtliche Erklärung zum gnostischen Äon-Dualismus zu finden. Das Verhältnis der beiden Größen ist formell wie beim gnostischen Dualismus, dabei kann aber der Ursprung dieser Begrifflichkeit aus Gründen der Datierung nicht die Gnosis sein. Ein alternativer religionsgeschichtlicher Hintergrund ist die dualistische alexandrinische Weisheit, wie sie aus den Schriften Philons von Alexandrien hervorgeht. Die Monographie von A. Sand104 über UCTZ versucht die verschiedenen Bedeutungen des Terminus bei Paulus durch eine genaue Analyse aller entsprechenden Stellen zu beschreiben. Er unterscheidet einen natürlichen, biologischen Gebrauch von „Fleisch“, der meist auf das Individuum bezogen ist, und einen kollektiven Gebrauch für das Volk Israel bzw. die gesamte Menschheit. Was sich als problematisch erweist, ist die Definition von UCTZ im Zusammenhang mit der Sünde, („Fleisch als Bestimmung des der Sünde versklavten Menschen“).105 Dabei steht diese Bedeutung nicht in Zusammenhang mit dem alttestamentlichen, natürlichen Verständnis des Begriffs. In Gal 5 wird UCTZ nicht als eine Macht beschrieben, sondern ebenso wie RPGWOC als eine Richtung des menschlichen Verhaltens.106 In Gal 5 und in Röm 7 und 8 bezeichnet UCTZ auf radikale Weise den Menschen in seiner Existenz gegen Gott.107 Aus dem Vergleich all dieser Bedeutungen ergibt sich die Unmöglichkeit, den paulinischen Gebrauch des Begriffs 102 E. Schweizer, Art. UCTZ, ThWNT VII, 129. 103 E. Brandeburger, Fleisch und Geist, 45: Sarx und Pneuma sind „kosmische Mächte, die Menschheit insgesamt bestimmend und ihrer Verfügung entzogen“. 104 A. Sand, Der Begriff „Fleisch“ in den paulinischen Hauptbriefen, BU 2, Regensburg 1967. 105 A. Sand, Der Begriff „Fleisch“, 183–217. 106 A. Sand, Der Begriff „Fleisch“, 212. 107 A. Sand, Der Begriff „Fleisch“; 215: „Fleisch“ bezeichnet also nicht den natürlichen Menschen, noch weniger einen Teil des Menschen, sondern das „Fleisch“ ist der Mensch ohne das Pneuma, der Mensch in seiner gegen Gott gerichteten Existenz“.

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systematisch einzuordnen: „Die Exegese und Interpretation der den Begriff ‚Fleisch‘ enthaltenden Stellen in den paulinischen Hauptbriefen zeigte, dass Paulus keine systematische ‚Anthropologie‘ vorlegt, dass er nicht psychologisierend über den Menschen als solchen, über seine Bestandteile, seine Natur, seine Funktionen redet, sondern dass er – zwar mit Hilfe des einen zentralen Begriffes ‚Fleisch‘, jedoch nicht mit einer damit verbundenen Sinngebung, noch weniger in streng logischer Gedankenführung – vom Menschen in verschiedener Hinsicht spricht“.108 Diese a-systematischen Hypothesen basieren entweder auf dem konkreten Charakter der paulinischen Briefe und auf der Vorstellung von Paulus als Nicht-Theologem oder aber auf der unreflektierten Kombination verschiedener kulturgeschichtlicher Richtungen. Sand wählt sozusagen einen dritten Weg, indem er die vom Alten Testament und vom Judentum abweichende Vorstellung von UCTZ (der sündige Mensch) als Produkt der paulinischen Christologie und Soteriologie betrachtet.109 Die hellenistische Vorstellung von der UCTZ, die eine negative und sündige Valenz hat, kann nicht als Vergleich herangezogen werden, da sie nach Sand im Zusammenhang mit dem bösartigen Charakter der Materialität steht, was bei Paulus nicht der Fall ist. 5.2 Käsemanns Paulinische Perspektiven Unter dem Titel „Paulinische Perspektiven“ stellt E. Käsemann 1969 die Koordinaten einer neuen Lektüre der paulinischen Theologie vor. Ohne die Einheit des gnostischen Mythos ist keine einheitliche Betrachtung der paulinischen Anthropologie mehr möglich. Das Thema der Anthropologie und das Syntagma „Leib Christi“ werden in zwei verschiedenen Aufsätzen diskutiert.110 Die anthropologischen Fragen betreffen fast ausschliesslich das Wort UYOC, insbesondere vor dem Hintergrund der Thesen von Bultmann, während UCTZ von der Revision überhaupt nicht tangiert wird. Man gewinnt den Eindruck, dass UCTZ unter dem allgemeinen Begriff Leiblichkeit subsumiert wird und seine frühere Bedeutung als gnostische Macht verliert. Die Thesen von Käsemann hinterlassen eine markante Spur in der Forschung der folgenden Jahre, zumal die Exegeten sich ausschließlich deshalb mit Bultmanns Thesen zum UYOC beschäftigten, um sie durch Käsemanns These zu korrigieren, und dabei kaum ihre Aufmerksamkeit auf UCTZ und eine Systematik der beiden Begriffe richteten. 108 A. Sand, Der Begriff “Fleisch“, 216–217. 109 A. Sand, Der Begriff „Fleisch“, 303–304. 110 E. Käsemann, Das theologische Problem des Motivs vom Leibe Christi, in: ders. Paulinische Perspektiven, Tübingen 21972, 178–210; und E. Käsemann, Zur paulinischen Anthropologie, in: ders., Paulinische Perspektiven, 9–51.

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In seinem Aufsatz über die paulinische Anthropologie unternimmt Käsemann hauptsächlich eine kritische Analyse der anthropologischen Thesen von R. Bultmann. Seine Darstellung der paulinischen Theologie und Anthropologie orientiert sich ausschließlich am Individuum, der Mensch erscheint als isoliertes Wesen ohne Verbindung mit der Schöpfung. Selbst die Vernunft und das Gewissen, denen Paulus eine gewisse Urteilskraft über den Zustand des Menschen zuschreibt, verleihen dem Menschen keine selbstständige Position. „Unser Selbstverständnis gibt uns nicht die Möglichkeit selbst zu transzendieren“.111 Eine Abgrenzung des Menschen von der Welt entspricht nicht der paulinischen Vorstellung.112 Im Mittelpunkt von Bultmanns Spekulation steht aus Käsemanns Sicht der „innere Mensch“,113 der im Verhältnis zu sich selbst zu seiner Eigentlichkeit und zur Entweltlichung gelangt. Die Kritik von Käsemann wird an diesem Punkt sehr scharf; er spricht vom „Erbe und Verhängnis des Idealismus“ bei Bultmann.114 Nicht aus der Geschichte, sondern aus der existentialen Philosophie übernimmt Bultmann den Begriff „Geschichtlichkeit“, der ausschließlich auf das Individuum bezogen bleibt. Die neutestamentliche Theologie ist nach Bultmann am Individuum orientiert, „die personalen Relationen bestimmen das Gesamtbild und lassen auch den christlichen Dienst im Rahmen einer Individualethik beschreiben“.115 Das wesentliche Argument von Käsemann gegen diese Sicht Bultmanns ist der Begriff UYOC. Mit diesem Wort bezeichnet Paulus nach Käsemann die Realität der Geschöpflichkeit, die Weltbezogenheit der menschlichen Existenz. Die Wiedergabe von UYOC mit „Person“ oder „Persönlichkeit“116 ist daher unpassend und der griechischen Vorstellung fremd. Unter dieser Prämisse wird auch Bultmanns Definition von „Leib“ in Frage gestellt. Nach Bultmann ist der Mensch UYOC „sofern er sich selbst zum Objekt seines Tuns machen kann, 111 E. Käsemann, Zur paulinischen Anthropologie, 36. 112 E. Käsemann, Zur paulinischen Anthropologie, 36: „Es ist deshalb nicht erlaubt, ihn als in sich ruhendes, von der übrigen Welt zutiefst abgrenzbares Individuum zu verstehen. Das ergibt sich aus dem wichtigsten und umstrittensten anthropologischen Begriff, nämlich ‚Leib‘.“ Käsemann hingegen spricht von Verweltlichung. 113 Dieser Kern in dem Menschen Bild wird von Bultmann wie auch von den idealistischen Exegeten in Röm 7 und in der Vorstellung von 1Kor 5,5, wo man von einem bleibenden Geist im Gegenteil zu Fleisch die Rede ist. 114 E. Käsemann, Zur paulinischen Anthropologie, 25: „Es rächt sich an der heutigen deutschen Theologie, dass sie dem Erbe und Verhängnis des Idealismus immer stärker verfallen ist, als sie wahrhaben möchtel.“ 115 E. Käsemann, Zur paulinischen Anthropologie, 25. 116 E. Käsemann, Zur paulinischen Anthropologie, 37: „Man sollte sich wenigstens bewusst sein, welche folgenreiche Entscheidung man trifft, wenn man aus solchen Wechsel fast überall die Grundbedeutung ‚Person‘ oder gar ‚Persönlichkeit‘ für den paulinischen Begriff des Leibes ableitet. Es scheint mir keineswegs sicher, dass der Ausdruck das im Griechischen bezeichnen kann.“

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oder sich als Subjekt eines Geschehens, eines Erleidens erfährt“,117 d.h. sofern er sich von sich distanzieren und unter die Herrschaft fremder Mächte geraten kann. Diese Definition setzt voraus, dass der Mensch über sich selbst verfügen kann, wohingegen ein solcher Zustand neutraler Äquidistanz dem Bild des Menschen in der Bibel nicht entspricht. Zudem ist „Leib“ nicht wertneutral,118 der Mensch als Leib ist potentiell nicht in einer Position, in der er über sich selbst verfügen kann. „Gerade das kommt der Kreatur niemals zu und wird dem Glaubenden nicht gewährt, der seinem Herrn lebt und stirbt und sich selbst nicht weniger als der Sünder unter der Herrschaft der Mächte entzogen bleibt“.119 Die ganze Schöpfung ist nach Paulus der Knechtschaft der Sünde unterworfen. Die „Leiblichkeit“ wird von Käsemann als Weltbezogenheit und Kreatürlichkeit und Fähigkeit zur Kommunikation definiert. Der Aufsatz über das Motiv vom Leib Christi versucht, auch ohne den gnostischen Urmensch-Erlöser-Mythos die Realität120 der Vorstellung beizubehalten. „Leib Christi“ ist nach Käsemann mehr als nur eine kollektive Bezeichnung, die dem Begriff „Gottesvolk“ entsprechen würde. Der Begriff bezeichnet vielmehr die neue Welt, die neue Schöpfung, die in Christus konstituiert ist. Dies sind zugleich auch Argumente gegen die Erklärung des Motivs aus der Stammvater-Vorstellung, der keine soteriologische und kosmische Dimension zukommen kann.121 Käsemann diskutiert schließlich noch einen weiteren Zusammenhang, die eucharistische Bedeutung vom Leib Christi und dessen Verhältnis zum ekklesiologischen Leib, durch das der reale Charakter des Leibes unterstrichen wird. Wegen dieser eucharistischen Wurzeln kann das Motiv vom Leib Christi als „genuine christliche Schöpfung“122 betrachtet werden. Der religionsgeschichtliche Ursprung von „Leib Christi“ wird also durch die Annahme einer Verbindung des Anthro117 R. Bultmann, Theologie des Neuen Testaments, 196. 118 E. Käsemann, Zur paulinischen Anthropologie, 40. 119 E. Käsemann, Zur paulinischen Anthropologie, 42. 120 E. Käsemann, Das theologische Problem, 182. 121 E. Käsemann, Das theologische Problem, 189: „Die von Christus beanspruchte und in seinem Leibe bereits sich manifestierende Weltherrschaft ist der Wirklichkeit eines Stammvater letztlich nicht vergleichbar.“ 122 E. Käsemann, Das theologische Problem, 192–193: „Auf diese Weise lässt sie sich als genuin christliche Schöpfung erklären, welche aus dem religionsgeschichtlichen Zusammenhang mit dem Mythos vom himmlischen, die Welt umgreifenden Anthropos gelöst werden kann“. Aus diesem Zitat ist ersichtlich, wie stark die Vorstellung eines kosmischen Anthropos in der Analyse von Käsemann präsent ist. Der Unterschied zur alten Theorie ist gerade die Behauptung der Identität dieses Anthropos mit dem Erlöser, was in den gnostischen Systemen zu finden ist. Die religionsgeschichtliche Lösung für Käsemanns Revision besteht nun in diesem Zusammenspiel von sakramentaler Vorstellung und Anthropos-Mythos, die sich nicht ausschließen: „Der sakramentale Kontext schaltet den Anthropos-Mythos nicht aus, sondern setzt ihn voraus“ (E. Käsemann, Das theologische Problem, 194).

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pos-Mythos mit der eucharistischen Vorstellung erklärt. Käsemanns neue Konzeption basiert auf der analogischen Kontinuität des individuellen Leibes mit dem ekklesiologischen Leib. Wie schon im Aufsatz über die Anthropologie umschreibt der Begriff Leib die „Notwendigkeit und Wirklichkeit der Kommunikation im freundlichen und feindlichen Sinne“.123 Die Konzeption entsteht durch dieses Stichwort der Kommunikation. Die Kirche als Leib Christi ist der Bereich der Kommunikation Christi mit den Seinigen durch Wort, Sakrament und Glauben. Die Analogie von Mensch und Kirche unter dem Begriff „Kommunikation“124 führt aber zu einer besonderen Vermittlerrolle der Kirche, durch die Christus mit der Welt kommuniziert. Dieses Modell wird von Käsemann angeführt, um die Vorstellung von der Kirche als „Prolongation“125 der Inkarnation zu bekämpfen. Eine klare Abgrenzung von dieser Vorstellung kann allerdings nur erfolgen, wenn auch die Identität von Christus und Kirche sowie der realistische Charakter des Syntagmas „Leib Christi“ im Sinne der Person Christi selbst in Frage gestellt wird. Ausgehend von seinem realen Sakramentalismus bleibt Käsemann im Gegenteil fest von der Identität der Kirche mit Christus überzeugt, mit der Folge, dass seine Kritik der an „Prolongation“ unwirksam bleibt. 5.3 Die Folgen der Revision Käsemanns Käsemanns Thesen spielen eine wichtige Rolle in der Forschung, nicht nur, weil von ihr neue Arbeiten zur paulinischen Anthropologie ausgingen, sondern auch, weil sie die Methode der weiteren Untersuchungen bestimmen. Die Forschung zum „Leib Christi“ bleibt dementsprechend einerseits völlig von der Anthropologie getrennt, anderseits versuchte man in den folgenden Jahren Bultmanns Leib-Definition durch eine kollektive Semantik zu erweitern. Das Hauptziel der Dissertation K.A. Bauers126 liegt darin, Bultmanns Leib-Begriff im Sinne Käsemanns zu erweitern, und zwar in Bezug auf die verschiedenen Bedeutungen des Wortes in den paulinischen Briefen. Sein Entwurf gründet sich auf die Wiederaufnahme der Thesen von A. Schlatter, der im Begriff „Leib“ die Verbundenheit des Menschen mit der Schöpfung 123 E. Käsemann, Das theologische Problem, 198. 124 E. Käsemann, Das theologische Problem, 204: „Wie der menschliche Leib die Notwendigkeit und Wirklichkeit der Kommunikation ist, so erscheint die Kirche als Möglichkeit und Wirklichkeit der Kommunikation zwischen dem Auferstandenen und unserer Welt und heißt insofern sein Leib“. 125 E. Käsemann, Das theologische Problem, 196. 126 K.A. Bauer, Leiblichkeit. Das Ende aller Werke Gottes. Die Bedeutung der Leiblichkeit des Menschen bei Paulus, Gütersloh 1971.

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sah, sowie auf einer Harmonisierung mit Bultmanns Thesen, der sich im Gegensatz dazu auf das „Selbstverhältnis“ konzentrierte. In der Analyse der paulinischen Texte, in denen das Wort UYOC vorkommt, stellt Bauer eine Dialektik zwischen der Definition von Persönlichkeit und Körperlichkeit fest. Das Thema der Auferstehung, wie es in 1Kor 15 behandelt wird, ist für Bauer der Beweis dafür, dass bei Paulus UYOC den Menschen in seiner Bezogenheit zum endzeitlichen Schöpfer und in Solidarität zur Schöpfung meint. Anders als bei Bultmann ist das Ziel der Anthropologie (oder überhaupt „das Ziel und Ende aller Wege Gottes“) nicht die Identität mit sich selbst oder die Eigentlichkeit, sondern „die in Christus grundgelegte und getragene eschatologische Gemeinschaft des Schöpfers mit seiner Schöpfung“.127 Sie führt zur Überwindung der Dialektik von Leib und Person im Eschaton durch die CXRQNWVTYUKL VQW UYOCVQL.128 UYOC heißt zugleich Person und Natur, „ist der anthropologische Schnittpunkt von Geschichte und Natur“.129 Seine Definition von Leib am Schluss der Arbeit ist noch sehr von Bultmanns Begrifflichkeit abhängig und ohne die Grundidee eines Selbstverhältnisses kaum nachvollziehbar: „Der Mensch heißt UYOC, sofern er sich im Zeit-Raum Jesu Christi von sich selbst zu differenzieren und zum Objekt eines Geschehens oder Erleidens zu werden vermag.“ Im gleichen Jahr (1971) erschien eine Arbeit über die paulinische anthropologische Terminologie, in der eine a-systematische Betrachtung der Anthropologie vertreten wird, „Paul’s Anthropological Terms“ von R. Jewett. Jewett verzichtet auf eine einheitliche Definition der verschiedenen Termini:130 Er sieht diese ausschliesslich in Konfliktsituationen. Seine These beruht auf der Tatsache, dass die paulinischen Schriften situationsbezogene und eben keine philosophischen Schriften sind, was von der aktuellen Forschung unterstrichen wird. Nun muss diese Situationsbezogenheit m.E. nicht unbedingt bedeuten, dass Paulus keine einheitliche Vorstellung von 127 K.A. Bauer, Leiblichkeit, 105. 128 K.A. Bauer, Leiblichkeit, 177. K.A. Bauer, Leiblichkeit, 160–161 übernimmt das Schema von Bultmann in der Exegese von Röm 7, die Spaltung zwischen Ich und Ich, aber interpretiert sie als eine Spaltung von Ich und Leib. Bultmanns Definition des Zwiespalts „sub specie der Eigentlichkeit“ ersetzt er durch die Definition von Zwiespalt „sub specie Jesu Christi“, vgl. K.A. Bauer, Leiblichkeit, 161 Anm 22. 129 K.A. Bauer, Leiblichkeit, 185. 130 R. Jewett, Paul’s Anthropological Terms, 2 gibt als Beispiel seiner Methodik gerade die Termini UCTZ und UYOC, die mit vielen Variationen benutzt werden. „How to define the anthropological terms in face of such variations has been a baffling task for researchers.“ Sein Schluss lautet deswegen: „the anthropological terms should be analyzed in relation to the historical situation which is being addressed.“ (R. Jewett, Paul’s Anthropological Terms, 7.) Man muss allerdings sagen, dass man trotz der Konfliktsituationen zu einer Grundbedeutung gelangen muss, die die Basis für eine Kommunikation bildet. Der Streit über die Irrlehren, von dem die paulinischen Briefe zeugen, kann aber nicht als Argument gelten, wodurch eine Systematik der Anthropologie in Frage gestellt wird.

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seinen Begriffen hat. Nach Jewett spielen UCTZ und UYOC eine Rolle in der Polemik gegen die Gnostiker und die Missionare, die sich als göttliche Männer darstellten („divine man missionaries“). Ihm zufolge hatten die gnostischen Gegner in Korinth eine antisomatische Vorstellung, verwarfen eine leibliche Auferstehung und die Präsenz Christi im Sakrament und verachteten den leiblichen Jesus.131 Entgegen dieser These benutzt Paulus den Begriff Leib in Brief A als Metapher der Einheit (1Kor 10,17 und 1Kor 6,19), und in Brief B redet er von der Auferstehung des Leibes und vom Leib Christi nach der hellenistischen Vorstellung von Gemeinschaft. In Brief C übernimmt Paulus einige Vorstellungen seiner gnostischen Gegner, um sie auf seine Theologie umzumünzen, wie z.B. die Verben GXPFJOJUCK und GXMFJOJUCK in Bezug auf den Leib in 2Kor 5,6, die eine dualistische Anthropologie voraussetzen.132 In Brief D dient der Leib als Argument gegen die Missionare, die die Herrlichkeit der Gottgesandten gegen die äußerliche Schwäche des Paulus ins Feld führten. In 2Kor 12,2–3 wird die ekstatische Erfahrung der Missionare angedeutet, die glaubten durch ihre Tätigkeit körperlich verherrlicht zu werden. Den Begriff der Geschichtlichkeit macht sich S. Heine in ihrer Dissertation133 zunutze, um eine neue Interpretation entsprechend der Anregungen Käsemanns in Auseinandersetzung mit den Thesen von Bultmann zu entwickeln. „Leiblichkeit“ steht in engem Zusammenhang mit „Geschichtlichkeit“, wobei man aber bei „Geschichte“ nicht primär an Bultmanns individuumsbezogene Interpretation von der freien Entscheidung des Individuums denken darf. S. Heine schließt den Aspekt des Sozialen mit ein.134 Beide Größen können nicht im Sinne einer „schlechten“ Metaphysik verstanden werden: „Leib“ definiert den konkreten Leib eines bestimmten Individuums, und „Geschichte“ ist immer konkrete Geschichte, die von „leibhaftigen Menschen“ gestaltet wird. Glaube ist immer geschichtlich, leibhaft; er kann Glauben an den Auferstandenen oder Glauben an die Äußerlichkeit des Fleisches sein; und auch der Geist Gottes gilt nicht als eine Größe an sich, sondern ebenfalls in konkreten Erfahrungen.135 Die Leiblich131 R. Jewett, Paul’s Anthropological Terms, 279, findet diese Stellungnahme der Korinther die extremste antisomatische Vorstellung, mit der Paulus sich auseinander setzt. Eine antisomatische Position vertraten auch die Libertinisten und die Enthusiasten von Thessalonika, Galatien und Philippi. 132 R. Jewett, Paul’s Anthropological Terms, 274–275. Der Grund für Paulus’ Rückgriff auf die gnostische Terminologie ist die Feststellung bei seinem Besuch, dass die Gnostiker die Voraussetzung der Vorstellung vom Leib Christi nicht verstünden. Diskussionsschwerpunkt wird die Theorie der Gnostiker von einem Aufstieg des nackten Geistes in den Himmel. 133 S. Heine, Leibhafter Glaube. Ein Beitrag zum Verständnis der theologischen Konzeption des Paulus, Wien 1976. 134 S. Heine, Leibhafter Glaube, 41. 135 S.Heine, Leibhafter Glaube, 99: „Der Geist Gottes wird immer nur in bestimmten, den menschlichen Möglichkeiten entsprechenden Erfahrungen leibhaftig, wirklich, wirksam.“

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keits-Systematik ist von fünf Wesensmerkmalen geprägt: Ganzheit, Gemeinschaft, Sichtbarkeit, Begrenztheit und Geschichtssetzung. Diese werden zuerst philosophisch erörtert und dann auf die Thesen von Paulus angewendet. Trotz der dichotomischen und trichotomischen Aussagen, die aber einen populären Gebrauch ohne einen effektiven Dualismus voraussetzen, ist Leiblichkeit bei Paulus ein ganzheitlicher Begriff.136 Es ist allerdings anzumerken, dass der Begriff „Leiblichkeit“ in Heines Arbeit beide Termini – UYOC und UCTZ – einschließt. Auf diese Weise wird ihnen eine gewisse Synonymität zugeschrieben, ohne dass eine genauere Unterscheidung gelingt. Die einzige Differenzierung wird dadurch möglich, dass UCTZ immer eine „Art und Weise des Verhaltens“,137 ja sogar eine Glaubenshaltung impliziert. Diese ethische Erklärung ist eine klare Stellungnahme gegen die Vorstellung von UCTZ als einer übermenschlichen Macht. Sie ist keine Macht, „sondern ein geschichtlicher Begriff, der auch dort, wo er nicht im Zusammenhang mit der Formel ‚nach dem Fleisch wandeln‘ vorkommt, eine Glaubensrichtung bezeichnet“.138 Da das Interesse der Autorin darin besteht, über die Leiblichkeit im Allgemeinen zu sprechen, bleibt die Definition von UYOC unpräzis und dient, wie die meisten Beiträge der Zeit, eher zu einer Erweiterung der Definition Bultmanns: UYOC wird definiert als „der Mensch der in einem unlösbaren geschichtlichen Wechselbezug zu seiner Mitwelt steht“.139 Die Komplexität von Käsemanns Thesen blieb jedoch unerreicht. Der Zusammenhang zwischen leiblicher Existenz und Leib der Gemeinde wird in diesen Dissertationen nicht vertieft oder nur in der theoretischen Größe der Geschichtlichkeit angedeutet. Eine letzte Arbeit aus dieser Zeit bleibt zu nennen, nämlich R.H. Gundrys Untersuchung über UYOC. Gundrys Hauptziel besteht darin, Bultmanns These von einer ganzheitlichen Vorstellung des Leib-Begriffes und seiner Wiedergabe mit „Person“ anhand von Beispielen aus der griechischen Literatur zu widerlegen. Als überzeugend und wertvoll erweist sich seine Methode die Thesen von Bultmann philologisch zu überprüfen. Sein Blick in die griechische Literatur führt zu der wichtigen Erkenntnis, dass UYOC nicht die frei handelnde Person meinte, sondern den Menschen, der beinahe zum Objekt geworden ist, ähnlich einem Sklaven oder Gefangenen,140 oder den physischen Leib. Die polemische Zuspitzung der Arbeit 136 S. Heine, Leibhafter Glaube, 79. 137 S. Heine, Leibhafter Glaube, 113. 138 S. Heine, Leibhafter Glaube, 123. Dasselbe gilt für RPGWOC. Die Glaubenshaltung ist immer gemeint als „leibhaftige Wirklichkeit“, d.h. in konkreten Situationen und nicht als eine Haltung an sich, vgl. S. 124. 139 S. Heine, Leibhafter Glaube, 53. 140 R.H. Gundry, Soma in biblical Theology, 10–15.

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führt Gundry allerdings zu einer kritischen Haltung auch der ganzheitlichen anthropologischen Vorstellung gegenüber,141 die nach Bultmann die paulinische Theologie kennzeichnet und über die ein gewisser Konsens in der Forschung herrschte. Wegen der dezidiert physischen Definition von UYOC muss Gundry eine Dualität142 in der paulinischen Anthropologie feststellen und keinen Dualismus, d.h. eine Einheit von Teilen anstatt einer monadischen Einheit. Dank dieser Formel der Dualität kann Gundry solche Stellen erklären, an denen die geistliche Seite des Menschen im Gegensatz zur äußerlichen steht, wie etwa der Gegensatz zwischen innerem und äußerem Menschen (2Kor 4,16 und in Röm, 7,22–23; 2Kor 12,2–3 und 1Kor 5,3–5). Ein weiteres Beispiel vom Vorliegen einer Dualität ist 2Kor 5,1–10. Die Bedeutungskomponente des physischen Leibes ist nach Gundry in den Vorstellungen von der leiblichen Auferstehung und von der Kirche als Leib Christi enthalten. Gerade auf dieser Ebene der Materialität liegt Gundrys Beitrag zur Debatte über den überindividuellen Charakter von UYOC, was wiederum als eine Korrektur von Bultmanns Thesen gilt: „Not only is physical individuality lost to the common materiality of all mankind; it is also lost to the common materiality of ‚nature‘ or ‚the rest of creation‘.“143 1986 wiederholte Käsemann in einer in Rom gehaltenen Vorlesung144 noch einmal die Thesen seines oben genannten Aufsatzes und zeigte, wie aktuell sie trotz der inzwischen erschienenen Arbeiten noch für die Exegese waren. Käsemanns Artikel fasst seine mehr als fünfzig Jahre lange Beschäftigung mit dem Thema Leib bei Paulus zusammen. Das Besondere dieses Beitrags liegt in der Wiederaufnahme des Zusammenhangs von individuellem und ekklesiologischem Leib bei Paulus.145 Leiblichkeit wird hier erneut mit dem Begriff „Kommunikation“ erklärt, diesmal aber ausdrücklich in 141 R.H. Gundry, Soma in biblical Theology, 79: „we conclude that in neither the Pauline epistles, nor the literature of the NT outside those epistles, nor the LXX, nor extra-Biblical ancient Greek literature does the definition ‚whole person‘ find convincing support.“ 142 R.H. Gundry, Soma in biblical Theology, 83. Durch das Wort „duality“ – „hybrid of dual and unity“ – soll nach Gundry der Unterschied zwischen Paulus und der platonischen Anthropologie gewahrt werden. Es ist eine Synthese der Einheit des Menschen aus dem Judentum und der dualistischen Vorstellung aus dem hellenistischen Milieu. 143 R.H. Gundry, Soma in biblical Theology, 218. An diesem Punkt zitiert Gundry die These von K.A. Bauer. Beim Vergleich von UCTZ und UYOC entscheidet sich auch Gundry für eine gewisse Synonymität der beiden Termini, die fast keine Unterscheidung zulässt: „flesh denotes man in his weakness and consequent subjection to the powers of sin and death. Because of its synonymy, soma can do the same. But it is not bound to do so.“ Er verwirft Robinsons Unterscheidung zwischen Leib als für Gott geschaffen und Fleisch als von Gott entfernt. 144 Die Vorlesung vom 12.4.1986 an der Waldenserfakultät in Rom ist in italienischer Übersetzung erschienen: E. Käsemann, La nozione di „corpo“ nella teologia di Paolo, Protest. 1987/1, 1–17. 145 E. Käsemann, La nozione di „corpo“, 5: „Mi sembra che la cosa ancora oggi più importante nella mia dissertazione […] sia il fatto di non aver esaminato isolatamente il problema del ‚corpo di Cristo‘.“

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Abhängigkeit von einem Kontext oder von einem Herrscher definiert.146 Käsemann kommt zu dem wichtigen Schluss, dass die Relationalität, die Bultmann mit UYOC verbindet, zwar wichtig ist, aber im Sinne einer Abhängigkeit von den Mächten zu verstehen ist.147 Die Erlösung bildet nach Käsemann das Bindeglied zwischen Anthropologie und Ekklesiologie. Der einzelne Christ in seinem somatischen Sein wird befreit und der Herrschaft Christi unterstellt. Der befreite Christ wird durch die Sakramente der Taufe und des Abendmahls mit dem Leib Christi verbunden. Die Kirche als Leib Christi ist der Ort auf Erden, wo die Herrschaft Christi waltet.148 Anliegen der aktuellen Forschung

6. Anliegen der aktuellen Forschung 6.1 Die Forschung über „Leib Christi“ Es ist nun sinnvoll, einen kurzen Blick auf die Behandlung anthropologischer Thematiken in der aktuellen Forschung zu werfen. Ein erstes Gebiet ist nach wie vor die Untersuchung über die Vorstellung vom Leib Christi. Es muss allerdings gesagt werden, dass auf eine Einbettung dieses Themas in die gesamte paulinische Anthropologie verzichtet wird. Entscheidend bleibt die Bestimmung des religionsgeschichtlichen oder kulturgeschichtlichen Hintergrunds, der sich auf die hellenistische Organismus-Metaphorik oder auf die Vorstellung der Gesamtpersönlichkeit beschränkt.149 G.L. Yorke plädiert für eine strenge Unterscheidung zwischen dem „Leib Christi“ und der auf die Gemeinde angewendeten Metapher des Leibes.150 Der Geni146 E. Käsemann, La nozione di „corpo“, 10–12. Diese Thesen werden in den nächsten Kapiteln vertieft, weil sie wichtig für diese Untersuchung sind. 147 E. Käsemann, La nozione di „corpo“, 9. 148 E. Käsemann, La nozione di „corpo“, 12. „Nel mondo nuovo, di cui già sulla terra Cristo soltanto è Signore, si è inseriti sacramentalmente, e i sacramenti mediano la partecipazione al corpo crocifisso del Cristo glorificato.“ Auf derselben Seite wird erneut das Thema des Christus prolongatus aufgenommen. Die Kirche ist zwar der Leib des erhöhten Christus, aber das kann nicht bedeuten, dass die kirchliche Autorität das Recht beanspruchen kann die Herrschaft Christi auf Erden zu verkörpern. Die Kirche gründet sich auf dem Gehorsam gegenüber dem Wort Christi, und dieser Gehorsam kann auch bedeuten sich gegen die Strukturen der Kirche zu wenden. Dieses Argument ist aber nicht ganz überzeugend, weil das sakramentale, realistische Modell der Identität Christi und der Kirche zum dynamischen Modell der Kirche, das sich auf das Wort gründet, nicht ganz passt. 149 Eine Ausnahme ist die Position von E. Brandenburger, dessen Hauptthese die Herleitung des Syntagmas vom Leib Christi aus der eucharistischen Konzeption des Leibes und des Blutes Christi ist. 150 G.L.O.R. Yorke, The Church as the Body of Christ, 21: „A sufficient clear distinction between UYOC as referring to church and UYOC as referring to Christ himself has not beeen made and mantained.“

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tiv &TKUVQW ist nach Yorke nur ein possessivus. Die Kraft der Metapher ist eine entschiedene Behauptung der Einheit, Christus selbst bewirkt die Einheit der Gemeinde, deren Mitglieder ihm gehören wie ein Leib.151 M. Walter152 legt das Syntagma Leib Christi konsequent als Metapher aus, die Paulus aus dem hellenistischen politischen Gebrauch auf die Kirche anwendet. Seine Analyse konzentriert sich sprachwissenschaftlich auf die kommunikative Funktion der Metapher. Wie jede Metapher ist auch die des Leibes vielseitig und auf verschiedene Situationen anwendbar. Nach Walter besteht Paulus’ Absicht im I Korintherbrief darin, die Hingabe Christi an die Christen zu betonen, und so wird die Metapher zu einem Symbol, das die Korinther zur gegenseitigen Hingabe auffordert.153 Diese Auslegung erklärt die Unterschiede zum Gebrauch der Metapher im Römerbrief, in den Deutoropaulinen und bei den Apostolischen Vätern. Während in 1Kor 12 mit UYOC &TKUVQW der Akzent auf Christus liegt, wird in Röm 12 durch den Ausdruck G?P UYOC GXP &TKUVY^ das Wort UYOC betont, sodass der „körperschaftliche Aspekt“ im Mittelpunkt steht.154 Diese breite Anwendbarkeit der Metapher des Leibes basiert auf ihrer weiten Verbreitung im römisch-griechischen Raum, wo auch Paulus selbst sie aufgegriffen hatte. H.W. Park (1992) vertritt in seiner Dissertation einen zweiten Ansatz: die Herleitung der Vorstellung vom Leib Christi aus der jüdischen Konzeption der Gesamtpersönlichkeit. Im Mittelpunkt seiner Untersuchung steht die Figur Adams als Stammvater, die von Paulus als Gegenbild zu Christus in der Adam-Christus-Typologie benutzt wird. Park führt diesen Gedanken weiter und sieht in dem Motiv „Leib Christi“ die Kombination des heilsgeschichtlichen Gegensatzes Christus-Adam mit der eschatologischen Vor151 G.L.O.R. Yorke, The Church as the Body of Christ, 44. Interessant ist die Auslegung der schwierigen Stelle von 1Kor 12,12: „Like the human body of v. 12a which enjoys its oneness or unity in the face of its many members, Christ, too preserve His oneness or intergrity in the face of the Corinthians who now belong to him.“ 152 M. Walter, Gemeinde als Leib Christi. Untersuchungen zum Corpus Paulinum und zu den „Apostolischen Vätern“, NTOA 49, Göttingen/Fribourg 2001. 153 M. Walter, Gemeinde als Leib Christi, 145: „Was Christus an/mit seinem UYOC, neben der soteriologischen Bedeutung seines Todes, als ethische Vorgabe präfiguriert, soll sich in der Gemeinschaft derer, die sich darauf berufen, im gemeinschaftlichen ‚Alltag‘ realisieren.“ Wichtig ist die Beobachtung des paulinischen und deuteropaulinischen Gebrauchs der Metapher im Unterschied zur antiken politischen Theorie. Anders als bei den paganen Quellen, wo die Metapher die Anpassung an die gesellschaftliche Ordnung ermöglichen sollte, gewinnt die Metapher in den neutestamentlichen Texten eine gewisse Dynamik. Für Paulus wird die hierarchische Ordnung auf den Kopf gestellt, und für die Deuteropaulinen ist der Körper keine stabile Größe, sondern er wächst. Vgl. M. Walter, Gemeinde als Leib Christi, 312. 154 M. Walter, Gemeinde als Leib Christi, 151. Auf ähnliche Weise wird die Entwicklung der Metapher im Kolosser- und im Epheserbrief erklärt. Andere Themen, wie die Gefährdung der Existenz der Kirche in der Welt und die Spaltungen zwischen Juden und Heiden, können mit der Leib-Metaphorik ausgeräumt werden. Die Vorstellung von Christus als Haupt des Leibes verleiht der neuen Situation eine gewisse Stabilität.

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stellung von der Kirche als Braut Christi. Im Ergebnis versteht er „Leib Christi“ als eine „eschatologische Entsprechung zum ersten Menschenpaar“.155 Die Präsenz Evas (quasi eine Eva-Kirche-Typologie) wird nach Park durch das Zitat von Gen 2,24 in 1Kor 6,15, in 1Kor 11,2ff und in Eph 5,22–23 deutlich. Das Ehe-Bild ist darüber hinaus in Gal 4,21–31 zu finden. In Gal 4,26 wird das obere Jerusalem „unsere Mutter“ genannt und steht im Zusammenhang mit Sarah. Das Paar Abraham-Sarah stellt hier eine Analogie zum Verhältnis Christi zur Kirche dar.156 Als weitere Argumente für seine Hauptthese einer Übernahme der Genesistradition des ersten Paares erwähnt Park den Gebrauch des Begriffs QKXMQFQOJ, der in den jüdischen Literatur in Zusammenhang mit der Erschaffung von Eva aus der Rippe Adams steht. Im Bericht ihrer Erschaffung in Gen 2,22 wird nämlich das Verb hn"B' (LXX QKXMQFQOGKP) verwendet. Ein weiteres wichtiges Argument bei Park ist die Sinaitradition des Bundes zwischen Gott und dem Volk Israel. Die Kirche ist nach Paulus das neue Volk Gottes, das durch das Opfer Christi konstituiert wird,157 wie die Abendmahlstexte betonen. Anders als die meisten Exegeten, die die These der Gesamtpersönlichkeit vertreten, behält der kollektive Leib bei Park letztendlich eine metaphorische Bedeutung, ihm wird kein realistischer Gehalt zugeschrieben. Bleibt noch die Arbeit von H.W. Son über die paulinische Anthropologie158 anzuführen, die den Begriff Leib Christi erneut aus der Formel GXP &TKUVY^ erklären will und mit der Konzeption einer „corporate personality“ verbindet. Damit erhält der Begriff eine hauptsächlich lokative Bedeutung, indem er die Existenz der Christen im „corporate Christ“ kennzeichnet. Eine mystische, individualistische Interpretation in Sinne A. Deißmanns ist nach Son abzulehnen, weil der Gemeinschaft mit Christus eine kollektive Dimension zukommt.159 Die „Einverleibung“ in Christus geschieht durch die Taufe (Röm 6,3–6), jedoch ohne dass dadurch die Individualität des Einzelnen verloren geht. Dieser Gedanke einer „corporate personality“ wird nach Son in der Adam-Christus Typologie in 1Kor 15,20–28 und 42–49 fortgeführt: Die Menschen befinden sich im lokativen Sinne GXP X$FCO oder GXP &TKUVY^. Nach dieser Definition sind Adam und Christus zugleich Individuen und Vertreter einer entsprechenden Menschheit. In Röm 5,12–21 sind beide Stellvertreter verantwortlich für das Geschick ihres jeweiligen 155 H.W. Park, Die Kirche als Leib Christi, 161. 156 H.W. Park, Die Kirche als Leib Christi, 254: „Dem Ehepaar Abraham – Sara entspricht die Beziehung zwischen Christus und dem oberen Jerusalem […], die in der christlichen Gemeinde realisiert wird.“ 157 H.W. Park, Die Kirche als Leib Christi, 272–273. 158 S.-W. Son, Corporate Elements in Pauline Anthropology. A Study of Selected Terms, Idioms, and Concepts in the Light of Paul’s Usage and Background, An Bib 148, Rom 2001. 159 S.-W. Son, Corporate Elements in Pauline Anthropology, 28: „The GXP &TKUVY^ formula, therefore, denotes a relationship of many believers with one Christ.“

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Gefolges.160 Die Vorstellung vom Leib Christi leitet sich aus diesen Prämissen ab. 1Kor 12,12 zeigt, dass UYOC keine Metapher ist, sondern Christus selbst. Aus der Analyse der Stellen, an denen die Rede vom Leib Christi ist, zieht Son allerdings den Schluss, dass es keine vollständige Identität der Kirche mit Christus geben kann. Der individuelle Christus bleibt immer unabhängig vom Leib der Kirche existent: Although Paul identifies the church with Christ, he always maintains a distinction between them. For him, Christ is always an individual person with a physical body. […] Thus, it must be concluded that whereas for Paul the church is identified with the body of Christ, it (the church) is not identical to the individual physical body of Christ.161

6.2 Studien zur Anthropologie Die Studien, die in den letzen Jahren das Thema Leib und Leiblichkeit behandelt haben, sind zahlreich.162 Jedoch bleiben die Probleme, die Käsemann aufgeworfen hat, praktisch ungelöst. Unter den Untersuchungen zum Thema sind besonders die von D.B. Martin und von H. Tiedemann hervorzuheben. D.B. Martin163 untersucht den paulinischen Gebrauch von „Leib“ in den korinthischen Briefen, indem er die Theorie der britischen Soziologin Mary Douglas darauf anwendet. Nach Douglas gilt der Leib als Symbol für die Definition und die Gestaltung der Gesellschaft. Einer strengen Kontrolle des Leibes und seiner Öffnungen entspricht eine geschlossene, isolierte Gruppenkontrolle. Eine erste Rezeption dieser Theorie findet sich bei Jerome H. Neyrey, der in einem Artikel164 den neuen Ansatz vorstellt. Ausge160 Im Fall Adams spricht S.-W. Son, Corporate Elements in Pauline Anthropology, 61 von „corporate sin in Adam“: „Thus Paul states that whereas Adam’s disobedience brought humanity under the reign of sin, death and law, Christ’s obedience resulted in the reign of righteousness, life and grace. He also indicates that the whole humanity now exists corporatively either in Adam or in Christ.“ 161 S.-W. Son, Corporate Elements in Pauline Anthropology, 109. 162 Ich nenne einige Arbeiten, die an dieser Stelle nur erwähnt werden sollen, um in der späteren Textanalyse zum Teil berücksichtigt zu werden: U. Schnelle, Neutestamentliche Anthropologie. Jesus–Paulus–Johannes, BThSt 18, Neukirchen-Vluyn 1991; P. Müller, Der Soma-Begriff bei Paulus, Studien zum paulinischen Menschbild und seine Bedeutung für unsere Zeit, Stuttgart 1988; M. Krieger; H. Weder, Leiblichkeit, ThSt 128, Zürich 1983, V. Scaturchio, Tempio e corporeità: lo spirito santo e il corpo del cristiano, Roma 1998. Die Aufsätze des französichen Exegeten, V.Guénel (Hg.), Le corps et le corps du Christ dans la première épître aux Corinthiens, (Congrès de l’ACFEB, Tarbes 1981), Lectio divina 114, Paris 1983. 163 Dale B. Martin, The Corinthian Body, New Haven/London 1995. 164 Jerôme H. Neyrey, Body Language in 1 Corinthians: The Use of Anthropological Models for Understanding Paul and his Opponents, Semeia 35 (1986), 129–169.

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hend von der Bedeutung des Begriffes UYOC ist es möglich, die Ideologie des Paulus und seiner Gegner sowie die Konfrontation von Starken und Schwachen in der korinthischen Gemeinde zu rekonstruieren. Nach Mary Douglas gibt es zwei Grundmodelle für die Vorstellung vom Leib: eine Kosmologie des unkontrollierten Leibes (weak group) und eine Kosmologie des kontrollierten Leibes (strong group). Der nach diesem Modell rekonstruierte Paulus plädiert für eine strenge Kontrolle des Leibes und seiner Öffnungen in allen umstrittenen ethischen Fragen. Dieser Kontrolle entspricht notwendigerweise eine repressive und geschlossene Vorstellung von der christlichen Gemeinde, die sich mit der Außenwelt nicht vermischen darf. Neyrey gibt dem Artikel den Charakter einer neuen Methodik. 165 D.B. Martin erkennt in eben dieser Vorstellung und Definition vom Leib den Kernpunkt der Auseinandersetzung des Paulus mit den Korinthern. Ausgehend von einer sorgfältigen Analyse der griechisch-römischen Quellen unternimmt Martin die historische Anwendung der Thesen von M. Douglas, indem er die Analogie Körper – Gesellschaft als grundlegend für die „upper-class ideology“ betrachtet. Die herrschenden Schichten in der römischen Gesellschaft rekurrierten gerade auf die Leib-Ideologie, um im Grunde ihre Machtposition zu verstärken oder zu rechtfertigen.166 Nach Martin orientiert sich die paulinische Vorstellung vom Leib und konsequenterweise auch seine Argumentation an dieser Ideologie. Die Zweiteilung seines Buches in 1. „the hierarchical body“ und 2. „the polluted body“ bildet die zwei Eckpfeiler der paulinischen Argumentation. Die Grundvorstellung des Paulus (im Sinne der Ideologie der höheren Schicht) ist, dass der Leib eine unüberwindbare hierarchische Struktur besitzt. Nach dieser konservativen Ideologie kann man nur mit Rhetorik und Verhandlungsgeschick versuchen den unteren Schichten diese Tatsache nahe zu bringen. Paulus selbst beabsichtigt mit seiner Homonia-Rede in 1Kor 1–4, die Einheit des sozialen Leibes der Gemeinde zu sichern. In der Homonoia-Rede wird den unteren Schichten der Gesellschaft scheinbar Gehör geschenkt, aber ihre Forderungen nach dem Prinzip des gemeinsamen Guten bleiben in der Tat unerfüllt.167 In der Homonoia-Rede tritt häufig die Metapher des 165 J.H. Neyrey, Body Language in 1 Corinthians, 129: „Douglas’ ideas on bodily control offer a cross-cultural model for appreciating Paul’s strong sense of custom, structure and order in his churches, a model applicable not only to 1 Corinthians, but to all of his letters.“ 166 Diese Leib-Ideologie stellt D.B. Martin, The Corinthian Body, 93 sehr deutlich dar: „the conservative ideological benefits to be derived from the use of the body analogy are obvious. Conceiving the social group as a body is a strong strategy for establishing the givenness of the current order and hierachy.“ 167 D.B. Martin, The Corinthian Body, 41–42: „In homonia speech the point is sometimes made that those of higher status may need to yield in some matter to those of lower status and accommodate their demands to the needs of the ‚weaker‘ for the sake of concord and the good of the whole.“

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Körpers auf; sie beruht dort auf einer Analogie von Körper und Gesellschaft. Ein Beispiel hierfür ist die Rede des Menenius Agrippa an die Plebejer in Rom, durch die der Frieden zwischen Aristokratie und Volk wiederhergestellt wurde. Nach Martin benutzt Paulus, der aus einer gehobenen sozialen Schicht stammt und über eine rhetorische Ausbildung verfügt, den gleichen „benevolent patrirchalism“168 wie Dion Chrysostomos, einen Mittelweg gegen die Exzesse der radikalen Demokratie. Dieser Ansatz geht nach Martin aus den weiteren Argumenten des Paulus im 1Korintherbrief hervor. Paulus akzeptiert im Grunde die hierarchische Ordnung der Gesellschaft und des Leibes, so etwa, wenn er durch sein Beispiel von Verzicht die hohe gesellschaftliche Stellung der Reichen anerkennt (1Kor 9), wenn er die Gemeinde mit einem Leib vergleicht (1Kor 12,14–25) oder wenn er im Fall des Zungenredens die platonische Hierarchie RPGWOC – PQWL (1Kor 14,14–17) akzeptiert und für ein Zusammenspiel plädiert. Auch in der Auseinandersetzung über die Auferstehung (1Kor 15) steht die hierarchische Struktur der Welt im Hintergrund, wie in 1Kor 15,39–49 nachzulesen ist.169 Auch die apokalyptischen Argumente, die sich in Paulus’ Kreuzestheologie finden, sowie die Umkehr der Werte und der Strukturen der Welt dienen nach Martin dieser hierarchischen Ordnung der Welt.170 Im zweiten Teil zeigt Martin, worin der eigentliche Kontrast zwischen Paulus und den Starken in Korinth besteht, nämlich in der Vorstellung, dass der Leib (und damit die Gemeinde) ein von außen angreifbares, verderbliches System ist.171 Dies ist die Basis der Diskussion über die Sexualität und das Essen in diesem Brief. Die Starken, die zwar eine Askese praktizierten (siehe 1Kor 7,1), dachten im Gegensatz zu Paulus dennoch, dass Sexualität und Nahrung dem Leib und der Gemeinde nichts anhaben können. Die Thesen von D.B. Martin müssen überprüft werden, insbesondere auf die daraus abgeleitete Annahme hin, dass Paulus im Grunde eine aristokratische und dualistische Anthropologie vertritt. 168 D.B. Martin, The Corinthian Body, 41–43. 169 D.B. Martin, The Corinthian Body, 127: „the constrasts in the chapter are those of hierarchy and status, not ontology, as is clear when the various terms are juxtapposed.“ 170 D.B. Martin, The Corinthian Body, 60: „The apocalyptic world is not one in which hierarchies are dissolved into equality but one in which the values of the Greco-Roman world are acknowledged but then turned on their heads.“ Das scheint mir einer der Schwachpunkte von Martins Argumentation zu sein. Es ist zwar wahr, dass ein „Auf-den-Kopf-Stellen“ keine Garantie für Gleichheit ist, sondern oft sogar die Bestätigung der bekämpften Ordnung darstellt, aber im Falle des Paulus kann man nicht nur von einer apokalyptischen Denkweise reden, sondern man muss den Paradigmenwechsel, den die Kreuzestheologie mit sich bringt, mit bedenken. 171 D.B. Martin, The Corinthian Body, 168: „The Body […] is a permeable entity susceptible to attack by demonic agent. Protection from attack is possible only by means of the powerful action of God.“

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Die Dissertation von H. Tiedemann172 ist eine kritische Untersuchung der paulinischen Sexualethik und umfasst indirekt auch die Begriffe UCTZ und UYOC. Nach Tiedemann, der die Methodik des französischen Philosophen M. Foucault anwendet, ist die paulinische Sexualethik ein „Konglomerat“173 von verschiedenen, heterogenen Vorstellungen und keine ausgearbeitete Ethik. Ausgehend von diesem asystematischen Ansatz kritisiert er die These W. Schrages von einer christologischen Begründung der paulinischen Ethik und ihrer innovativen Instanzen.174 Auf der Basis der christologischen Aussagen kennt die paulinische Ethik auch Grauzonen und tabuisierte Argumente, wo christologische Argumente gar keinen Platz haben, wie bei dem Inzestfall in 1Kor 5, oder der Homosexualität oder den Geschlechterrollen. Die Diskussion streift nur am Rande die anthropologischen Begriffe. „Mit dem Fleisch ist der Mensch in einen Unheilszusammenhang eingebunden, der vom Fall Adams bis in die Gegenwart reicht [...]. Der Mensch ‚hat nicht Fleisch‘ sondern „das Fleisch hat die Menschheit“.175 Nach Tiedemann dringen durch das Fleisch dämonische Mächte in den Körper ein, aber es wird nicht klar, was hier mit „Körper“ gemeint ist. Er übernimmt die Thesen von D.B. Martin über die Verletzbarkeit des Leibes und eine ideologische Funktion des Leibes.176 Tiedemanns Ziel bleibt eine kontingente, asystematische Darstellung der paulinischen Ethik und der damit verbundenen anthropologischen Begriff.

172 H. Tiedemann, Die Erfahrung des Fleisches. Paulus und die Last der Lust, Stuttgart 1998. 173 H. Tiedemann, Die Erfahrung des Fleisches, 281: „Wie für die andere Sexualethik seiner Zeit (und vermutlich jede andere) ist für die paulinische eine Gemengelage, ein Konglomerat, das sich in größter Nähe zu jüdischen Bestimmungen befindet, sodann wieder stoischen oder mitteplatonischen Anschauungen zuneigt.“ 174 H. Tiedemann, Die Erfahrung des Fleisches, 306. Die Christologie ist nach Tiedemann nur ein von viele Ansatzpunkten der Ethik bei Paulus. „Faßt man alles unter der Überschrift ‚Christologie‘ zusammen, droht aus dem Begriff ein ‚Passepartout-Wort‘ zu werden, das, letztlich inhaltslos, auf die Texte gelegt wird und deren Ränder unsichtbar werden lässt. Nebeneffekt dieser ‚Christo-Manie‘: Es wird überall Revolution vermutet, wo doch nur – im Vergleich mit den Zeitgenossen des Paulus – gediegener Konservativismus vorliegt.“ Auch bei Tiedeman ist das Ergebnis der Untersuchung wie bei D.B. Martin die Feststellung einer konservativen Ideologie bei Paulus. 175 H. Tiedemann, Die Erfahrung des Fleisches, 303. 176 H. Tiedemann, Die Erfahrung des Fleisches, 343.

Kapitel II: Aufgabe und Methodik der Arbeit Wesentliche Fragestellungen und Aufgaben

1. Wesentliche Fragestellungen und Aufgaben Aus dem im vorherigen Kapitel dargestellten Forschungsbericht ergeben sich folgende Fragen und Aufgaben, die die vorliegende Untersuchung behandeln wird: Aufgabe und Methodik der Arbeit: 1) Eine Definition von UCTZ und von UYOC soll klären, worin die beiden Termini sich unterscheiden und welche anthropologische Aspekte sie beschreiben. Paulus ist sich sehr wohl bewusst, dass seine Adressaten sie als Synonyme betrachten, weshalb ein wichtiger Punkt seiner Argumentation in der Begriffsdifferenzierung liegt. Diese Tendenz, die beiden Begriffe getrennt voneinander zu definieren, führt nicht nur zu einem partiellen, unvollständigen Bild, sondern lässt auch einen wichtigen Zusammenhang unberücksichtigt, der zentral für das Verständnis der paulinischen Anthropologie ist. Die vorliegende Untersuchung beruht auf der Überzeugung, dass gerade die gemeinsame Betrachtung der beiden Termini und die Frage nach ihrer Differenzierung der Ausgangspunkt einer systematischen Betrachtung der Anthropologie bei Paulus ist. Bei der Suche nach einer Definition müssen auch solche Thesen kritisch diskutiert werden, die den beiden Termini einen unterschiedlichen Wert beimessen. Es hat sich die Meinung etabliert, nach der UYOC als positiv oder neutral zu bewerten ist, wohingegen UCTZ einen negativen Wert als bösartiges Element und als Synonym der Sünde hat. Wie können aber im Menschen eine neutrale und eine radikal bösartige Seite koexistieren? Die Notwendigkeit eines wertneutralen UYOC, die in Bultmanns Systematik als Spielraum für das menschliche Selbstverhältnis verstanden wird, kann mit der Existenz einer negativen UCTZ vereinbart werden, indem der UCTZ die mythologische Valenz einer übermenschlichen Macht zugeschrieben wird. So wird sie für das Individuum als Richtschnur für sein Verhalten relevant. Auf diese Weise verliert UCTZ m.E. die Bedeutung eines anthropologischen Terminus und wird praktisch zum Synonym der Sünde. 2) Beide Termini haben bei Paulus eine individuelle und eine kollektive Bedeutung. UYOC kann den einzelnen Menschen und zugleich die christliche Gemeinde bezeichnen. CCTZ bezeichnet in alttestamentlichen Ausdrücken wie RCUC UCTZ oder UCTZ MCK CKOC neben dem Individuum auch die gesamte

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Aufgabe und Methodik der Arbeit

Menschheit und sogar die ganze Tierwelt. Im Fall von UYOC stellt sich die zentrale Frage, wie und unter welchen Voraussetzungen aus der individuellen Bezeichnung eine kollektive Größe wird. Hier ist besondere Aufmerksamkeit notwendig. Die bisherigen Interpretationsvorschläge lassen Fragen offen. Die natürliche Beschaffenheit des UYOC und seine naturhafte Verbindung zur gesamten Schöpfung als Anhaltspunkte zu nennen erscheint mir unzureichend. Die Leiblichkeit wird damit zum Schnittpunkt des Einzelnen mit der Schöpfung. Diese Methode wurde von K.A. Bauer zur Erweiterung der existentialen, individuums-bezogenen Definition von Bultmann angewendet. Obgleich der kollektive Gebrauch von UYOC in der heidnischen Umwelt als natürliche Gegebenheit betrachtet wird, ähnlich wie etwa die politische und kosmische Einheit des UYOC nach stoischer Auffassung, ist bei Paulus nur die Kollektivität der UCTZ ein natürliches Phänomen. Die Zugehörigkeit zur christlichen Gemeinde (und Kirche), auf die sich die Rede vom kollektiven Leib konzentriert, ist nicht naturgegeben, denn diese erlangt man nicht einfach durch die leibliche Existenz. Selbst die Vorstellung von einem kommunikativen Potential, das dem Leib als solchem eingeschrieben ist, wie Käsemann betont, ist keine Vorbedingung für die Entstehung einer Gemeinschaft. Die Gemeinschaft kann auf der Basis der christlichen Verkündigung, des Todes und der Auferstehung Christi konstituiert werden, die eine Erneuerung des Menschen bewirken und ihn zu einem mitmenschlichen Leben befähigen. Gerade die Reflexion über die Gemeinschaft zeigt, wie schwierig diese zu realisieren ist, da die Macht der Sünde und des Todes in der Isolierung des Einzelnen ebenso wie in der Destruktivität des Zusammenlebens wirken. Einen weiteren Ansatz zur Verbindung des individuellen und des kollektiven Gebrauchs von UYOC liefert die sakramental-christologische Vorstellung, nach der die Gemeinde als Leib durch die sakramentale Handlung konstituiert wird. Der einzelne Mensch als UYOC wird durch die Taufe und das Abendmahl (ebenfalls ein Ausdruck des Leibes Christi) zu einem Glied des Leibes Christi, des Erhöhten. Der Schwachpunkt dieser Erklärung liegt in der Identifikation der Kirche mit Christus, die damit eine Rolle bei der Erlösung spielt. In diesem Fall liegt der Akzent auf dem objektiven Gehalt des UYOC, das zugleich Leib Christi im Sakrament und identisch mit der Kirche selbst ist. Die Bezeichnung des Individuums als UYOC wird dabei allerdings nicht genügend berücksichtigt: Es bleibt offen, warum auch das Individuum mit diesem Begriff gekennzeichnet wird. Diese Arbeit befasst sich ausdrücklich auch mit dieser Thematik. Aufgabe und Methodik der Arbeit Neuere Studien im englischen Sprachraum auf der Grundlage der Theorie von M. Douglas scheinen ein neues Verständnis der Gemeinschafts-The-

Wesentliche Fragestellungen und Aufgaben

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matik bei Paulus einzuleiten: Gerade die Kontinuität zwischen „Leib des Einzelnen“ und „Leib der Gemeinde“ wird hier zum Hauptthema. Zwischen den beiden Begriffen besteht eine Analogie: Der Leib wird zum Symbol des mitmenschlichen Lebens und der Gemeinschaft insofern, als die Einheit der verschiedenen Glieder auf einer hierarchischen Struktur aufbaut. Der Leib wird nach Douglas’ Schema als geschlossenes System angesehen, das von der Außenwelt permanent bedroht wird. Dieser Gefährdung begegnet er mit einer starken Kontrolle der Öffnungen nach außen hin. Bei der Anwendung dieses Schemas auf die Anthropologie des Paulus wird allerdings nicht die Dynamik der Erlösung berücksichtig, die sein Verständnis vom Leib kennzeichnet. „Leib“ ist bei Paulus kein starres System. Grundlegend ist das Verhältnis Christi zum „Leib“, sodass UYOC nicht mehr der passive Sklave oder die zum Tode bestimmte Menschheit, sondern der Christ und die konstruktive Menschheit ist. Aus dieser Perspektive ist die Gemeinde der Raum, in dem die Herrschaft Christi waltet und die UYOCVC Glieder Christi sind. Der Unterschied der Gemeinde zur Außenwelt liegt nicht in einer ethischen Qualität, sondern in der Anerkennung dieser Herrschaft, die sich im Eschaton auflösen wird, wenn alle Christus als den Herrn erkennen werden. Die christliche Gemeinde erhält aus dieser dynamischen Perspektive eine missionarische Funktion. Und dies ist auch der Grund, weshalb in der Gemeinde eine verständliche Sprache verwendet werden muss, da ja Menschen von außen anwesend sein könnten.1 Bei Paulus Reinheitsvorschriften finden zu wollen, ist ein methodischer Fehler. Nicht das Essen an sich macht unrein, die Verschmutzungsmetaphorik beschreibt nicht die bloße Gefahr der Kontamination der Gemeinde, sondern eine Art Rückfall in das Alte, von dem man befreit ist.2 3) Die Analogie Leib – Gemeinschaft muss daher durch die Dynamik der Erlösung ergänzt werden. Die Erlösung ist die Befreiung des UYOC durch Christi Tod und Auferstehung und die Eingliederung in die neue Gemeinschaft. Die Semantik des Substantivs UYOC muss den folgenden Prozess abbilden: UYOC bezeichnet den einzelnen Menschen in seiner Abhängigkeit von den Mächten, und UYOC ist das Mittel der Erlösung (das Opfer Christi (Röm 7,4) und die neue Gemeinschaft, die Christus gehört, sowie die zu1 1Kor 14,24 berücksichtig gerade den Fall, wenn ein Ungläubiger und Unkundiger in die Versammlung eintritt (GKXUGNSJ^ FG VKL CRKUVQL J KXFKYVJL). Das zeigt, dass die Gemeinde kein geschlossenes System ist und das „Von-Außen-Eintreten“ keine Gefahr darstellt, sondern eine Gelegenheit zur Weltmission. 2 Hier lassen sich einige Beispiele anführen. Die Gemeinde ist der Tempel Gottes, der nicht verdorben werden darf (1Kor 3,17), aber dieser Zustand ist das Ergebnis einer Befreiung und einer Reinigung (1Kor 6,11: MCK VCWVC VKPGL JVG> CXNNC CXRGNQWUCUSG CXNNC JBIKCUSJVG CXNNC GXFKMCKYSJVG GXP VY^ QXPQOCVK VQW MWTKQW 8,JUQW &TKUVQW MCK GXP VY^ RPGWOCVK VQW SGQW JBOYP), es handelt sich nicht um die Abgrenzung Außen-Innen, sondern um die Trennung Vergangenheit-Gegenwart.

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Aufgabe und Methodik der Arbeit

künftige Existenz des Menschen. Eine Erklärung der Kontinuität von Leib und Gemeinschaft, die sich ausschließlich auf UYOC als Symbol konzentriert, kann die paulinische Rede über UCTZ nicht in das metaphorische Schema einordnen. UCTZ lässt sich aber wieder aufnehmen, wenn man in der Anthropologie die Ethik und die Eschatologie berücksichtigt. Selbst die Sprache in 1Kor 12, wo die christliche Gemeinschaft beschrieben wird, ist nicht rein metaphorisch. Paulus unterstreicht den realen Charakter dieses Leibes der Gemeinschaft durch Theorien aus der alten Physik, die erklären sollen, wie das Teil sich zum Ganzen verhält. Diese Argumentation geht von der Wirklichkeit des UYOC aus. 4) Es herrscht ein gewisser Konsens hinsichtlich des Postulats, dass die anthropologischen Begriffe bei Paulus nicht Teile oder Organe des Menschen bezeichnen, sondern jeweils den ganzen Menschen mit bestimmten Eigenschaften oder Fähigkeiten. Dieses ganzheitliche Bild muss noch durch eine Dynamik ergänzt werden. Der Mensch ist keine stets konstant bleibende Größe (wie in der griechischen Ontologie), sondern nach biblischem Verständnis ein Wesen, das im Dialog mit Gott steht und daher im Werden begriffen ist. Die paulinischen anthropologischen Begriffe beinhalten diese Dynamik und zugleich den menschlichen Zustand und seine Errettung, die ethischen Folgen und die eschatologische Perspektive. Ohne diese Dynamik wären auch UCTZ und UYOC nicht verständlich. Die vorliegende Untersuchung beabsichtigt die Dynamik der Erlösung als notwendigen Bestandteil paulinischer anthropologischer Termini darzustellen. Destruktivität und Konstruktivität: Elemente einer Methodik

2. Destruktivität und Konstruktivität: Elemente einer Methodik 2.1 Grundlegung Ausgehend von den obigen Beobachtungen wird deutlich, dass neben der semantischen Definition der einzelnen anthropologischen Begriffe auch die gesamte Perspektive zu berücksichtigen ist, die die Termini mit der Ethik und der Eschatologie verbindet. Damit werden die anthropologischen Begriffe dynamisch und können nicht mehr statisch als immerwährende Teile des Menschen angesehen werden. Dieser Prozess lässt sich als teleologische Dynamik bezeichnen, d.h. er impliziert das Verständnis vom Menschen als einer Person, deren Handeln und Eigenschaften stets eine zielgerichtete Perspektive zugrunde liegt. Letztendlich antwortet die Anthropologie nicht nur auf die Frage: „Was ist der Mensch?“, sondern es steht vielmehr die Fragestellung im Mittelpunkt: „Wozu wirkt der Mensch?“, anders gesagt: Was ist die Zielrichtung seines Denkens, Handelns und Wollens? Lüdemanns Unterteilung in eine

Destruktivität und Konstruktivität: Elemente einer Methodik

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physische, eine ethische und eine eschatologische Anthropologie hat zu einer isolierten Betrachtung eigentlich zusammenhängender Aspekte geführt. Die Aufteilung der Anthropologie nach R. Bultmann in die beiden Kategorien „der Mensch vor der RKUVKL“ und „der Mensch unter der RKUVKL“ scheint diesen Zusammenhang aufgegriffen zu haben, allerdings, wie bereits erwähnt, aus einer individuellen Perspektive. Paulus’ ethische und soteriologische Dynamik beschreibt den Menschen aber nicht als in sich selbst zurückgezogenes, isoliertes Individuum, sondern als Teil einer neuen Gemeinschaft, in der er in einer aktiven Symbiose eine Aufgabe übernimmt. Die paulinische Anthropologie bewegt sich zunächst auf einer allgemein menschlichen Ebene, die ein breites Identifikationspotential hat, um dann auf die Auswirkungen der Erlösung auf diese natürlichen menschlichen Prozesse zu sprechen zu kommen. Die teleologische Dynamik soll hier durch die einander entgegen gesetzten Begriffe Konstruktivität und Destruktivität dargestellt werden. Diese Begriffe bieten den Vorteil einer breiten Anwendbarkeit sowohl auf individueller als auch auf gesamtgesellschaftlicher Ebene. Durch die Verwendung dieser beiden Kategorien kann man nicht nur die Spaltung zwischen der individualistischen und der kollektivistischen Auslegung von Paulus’ Anthropologie auflösen, sondern auch den Zusammenhang zwischen Ethik, Eschatologie und Anthropologie darstellen. Im Folgenden soll zunächst die Bedeutung dieser Begriffe erklärt und anschließend ihre Verwurzelung im paulinischen Gedanken erläutert werden. 2.2 Destruktivität und Konstruktivität in der antiken Ethik Eine erste Ebene bildet die antike Ethik im Allgemeinen. Dass im Men-schen destruktive und konstruktive Energien wirken (bzw. wirken können), abwechselnd oder im offenen Widerspruch zueinander, ist Paulus ebenso wie den antiken Philosophen klar. Die Affektenlehre ist ein wichtiger Teil der antiken Ethik und Anthropologie, wobei die Selbstkontrolle, die Kontrolle der Aggression sowie die Überwindung destruktiver Energien die wichtigsten Ziele sind. Seneca und Plutarch sind Beispiele dafür.3 Plutarch legt in seinem Werk De cohibenda ira dar, wie man durch fortwährende Erziehung und Zähmung der irrationalen Teile der Seele Leiden3 Der Diskussion über die Affektenlehre in der Antike ist ein Kapitel dieser Arbeit gewidmet. Dort werden auch einige wichtige Zusammenhänge der paulinischen Anthropologie mit der Ethik der Antike aufgezeigt. An dieser Stelle reicht es aus, nur methodisch in die Diskussion einzuführen und besonders die Verwendung der Begriffe „Konstruktivität“ und „Destruktivität“ zu erläutern. Plutarch und Seneca sind Beispiele der zeitgenössischen Diskussion, die mit diesen Begriffen argumentieren.

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schaften und Wut überwinden kann. In diesem Zusammenhang ist auch das Waltenlassen einer gewissen Milde gegenüber Frau, Freunden und Sklaven erkennbar, ebenso wie das widerspruchslose Annehmen aller Gerichte, die bei Tisch serviert werden. Von besonderem Interesse scheint mir ein Satz in diesem Werk zu sein, der deutlich macht, dass in der antiken Ethik innerhalb dieser Hauptdiskussion ein deutliches Bewusstsein für konstruktives oder destruktives Handeln vorhanden war. Plutarch referiert den geschichtlichen Fall von der Zerstörung Olynths durch Philippus den Makedonier, wobei sich folgender Satz über die Wut findet, der die Destruktivität des Zorns aufzeigt: „Man sagte nach der Zerstörung Olynths, Philipp könne eine solche Stadt nie wieder aufbauen“; so kann man vom Zorn sagen: „Vernichten, zerstören und niederwerfen kannst du, aber wieder aufbauen, retten und schonen und standhaften Sinnes ausharren kannst du nicht, denn dazu gehören Männer wie Camillus, Metellus, Aristides und Sokrates. Aber Ameisen und Mäuse klammern sich an und verbeißen sich.“4 Wichtig scheint mir an diesem Beispiel, wie die Zerstörung einer Stadt im Krieg zu einem Muster für allgemeine Destruktivität werden kann, das auf die Ethik anwendbar ist, und wie der Gegensatz zwischen Konstruktivität und Destruktivität eine grundlegende Rolle spielt. Die Destruktivität des Zornes wird der Konstruktivität einiger ethisch beispielhafter Figuren gegenübergestellt. Paulus scheint sich mit dieser verbreiteten Betrachtung auseinander zu setzen. Für ihn wird aber die Konstruktivität durch die Erlösung Christi und das Wirken des heiligen Geistes realisierbar und nicht durch die Vernunft oder durch das Gesetz. Somit bekommt die Auseinandersetzung mit der jüdischen Vorstellung besonderes Gewicht, die das Gesetz in den Mittelpunkt eines konstruktiven Lebens stellt. Paulus kennt auch die Konflikte, die innerhalb der Gemeinden entstehen können. Aufschlussreich erscheint mir Gal 5,15, wo ein Anklang an das Motiv des unvernünftigen, destruktiven „gegenseitigen Beißens“ erkennbar ist: GKX FG CXNNJNQWL FCMPGVG MCK MCVGUSKGVG DNGRGVG OJ WBR8 CXNNJNYP CXPCNYSJVG. Paulus zeigt mit einer Reflexion über die menschlichen Affekte, dass die Konstruktivität allein durch das Gesetz nicht realisierbar ist. Auch Seneca unterscheidet im Dialog De 4 Plu. Mor. (De cohibenda ira) 458c. Besonders interessant scheint mir der gegen Ende zitierte Ausspruch: VQ F8GOHWPCK MCK FCMGKP OWTOJMYFGL MCK OWYFGL. Dasselbe Beispiel findet sich bei Sen. Dial. (De ira) IV,2,34: „Pusilli hominis et miseri est repetere mordentem: mures formicaeque, si manum admoueris, ora conuertunt; inbecillia se laedi putant, si tanguntur.“ Bei Seneca wird es verwendet, um auf eine zornige Vergeltung zu verzichten, die dem Menschen nicht angemessen ist. Die Symbolik des Beißens oder des gegenseitigen Beißens steht für eine unkontrollierte und zerstörerische Reaktion. Das Thema findet sich auch in anderen Werken, wo das Motiv des Zornes erörtert wird, z.B. Sen. Clem. I,5,5. Die scheußlichsten Tiere beißen die schon am Boden liegenden Opfer: „Muliebre est furere in ira, ferarum vero nec generosarum quidem praemordere et urguere proiectos. Elephanti leonesque transeunt, quae inpulerunt; ignobilis bestiae pertinacia est.“

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ira konstruktives und destruktives Verhalten. Seine These ist, dass der Zorn nicht eine natürliche Eigenschaft des Menschen ist, der nach stoischer Sicht der Gemeinschaft dient, sondern vielmehr ganz im Gegenteil eine destruktive Kraft, die es zu überwinden gilt. „Der Mensch ist zur gegenseitigen Hilfe geschaffen, der Zorn zur Zerstörung. Der Mensch will in Gemeinschaft leben, der Zorn isoliert ihn, der eine will nützlich sein, der andere schaden, der eine auch den Unbekannten helfen, der andere selbst die Nahestehendsten angreifen, der eine ist bereit, sich für den Vorteil der anderen zu opfern, der andere setzt sich Gefahren aus, um die anderen zu erniedrigen“.5 Auch bei Seneca sind diese zwei Pole eines destruktiven und eines konstruktiven Verhaltens erkennbar. Die Aufgabe der Ethik besteht nun darin zu zeigen, wie man zur Konstruktivität gelangen kann. 2.3 Destruktivität und Konstruktivität: Aggressivitätstheorie und methodische Überlegungen Die Rede über Destruktivität und Konstruktivität ist in aktuellen psychologischen Studien Teil der Aggressionstheorie.6 Destruktivität ist nach E. Fromms „Anatomie der menschlichen Destruktivität“7 eine „bösartige Ag5 Sen. Dial. (De ira) III,5,2: „Homo in adiutorium mutuum genitus est, ira in exitium; hic congregari vult, illa discedere, hic prodesse, illa nocere, hic etiam ignotis succurrere, illa etiam carissimos petere; hic aliorum commodis vel inpendere se paratus est, illa in periculum, dummodo deducat, descendere.“ 6 Ich nenne insbesondere das monographische Heft der Zeitschrift „Psyche“ 55 (2001). Von besonderem Interesse für diese Untersuchung sind die zwei Beträge: R. Vogt, „Der „Todestrieb“, ein notwendiger, möglicher oder unmöglicher Begriff?“, 878–905, und R. Krause, Affektenpsychologische Überlegungen zur menschlichen Destruktivität, 934–960, sowie die Arbeit von Peter Boppel, Demütigung und Destruktivität – Foltern –Spezialsoldaten – Ausbildung in psychopolitischer Perspektive, Göttingen 2003. 7 Die Arbeit von E. Fromm dient hier als Beweis für die Aktualität der Rede über die Destruktivität in der Psychologie. Einige methodische Bemerkungen des Textes, wie z.B. die Definition von „Destruktivität“ und deren Ursachen, werden methodisch berücksichtigt und mit den Aussagen von Paulus verglichen. Die einzelnen Ergebnisse des Textes werden allerdings nicht übernommen. Im Folgenden eine Synthese seiner Thesen und Ergebnisse: Fromms Ansatz ist eine kritische Überprüfung des Instinktivismus, nach dem die Aggression wie bei allen Tieren eine angeborene Neigung ist (K. Lorenz), und des Behaviourismus, wonach die Aggression in einem besonderen Kontext erlernt wird. Er wählt einen Mittelweg zwischen diesen beiden Theorien: Er unterscheidet zwischen einer natürlichen, „guten“ Aggression, die angeboren und typisch für alle Tiere ist, und einer bösartigen Aggression, der Destruktivität, die eine spezifisch menschliche Erscheinung ist. Erstere ist die defensive Aggression, die sich als Reaktion auf alle Formen vitaler Bedrohung zeigt und erlischt, sobald die Gefährdung vorbei ist. Die bösartige, destruktive Aggression ist nicht phylogenetisch programmiert und entsteht durch negative Umwelteinflüsse: Sie kann daher durch die Erziehung beseitigt werden. Fromms Ziel ist die Ausarbeitung einer biophilen Ethik. Seine grundlegende Vorstellung ist, dass der Mensch in der Lage ist, aus eigener Kraft zum Guten zu gelangen. Gerade dieses optimistische Menschenbild

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gression“ des Menschen, die durch sadistische und nekrophile Tendenzen verursacht wird. Diese kann aus einem Gefühl der Machtlosigkeit und Isolation entstehen, das sich in „tranceartigen Zuständen der Ekstase“ äußert.8 Der destruktiv wirkende Sadismus ist „die Leidenschaft, absolute und uneingeschränkte Herrschaft über ein lebendes Wesen auszuüben, ob es sich um ein Tier, ein Kind, einen Mann oder eine Frau handelt“.9 Er erfolgt wie eine Verwandlung der „Ohnmacht in das Erlebnis der Allmacht“.10 Der zweite Faktor der Destruktivität ist die Nekrophilie, die Fromm allgemein mit als „die Leidenschaft, lebendige Zusammenhänge mit Gewalt entzweizureißen“ definiert. So beschreibt er die Denkweise eines nekrophilen Charakters, der dazu neigt, in der Vergangenheit zu leben, wie folgt: „Das, was gewesen ist, beherrscht das Leben: Institutionen, Gesetze, Traditionen und Besitztümer. Kurz gesagt, die Dinge beherrschen den Menschen, das Haben beherrscht das Sein; das Tote beherrscht das Lebendige“.11 Fromm verfolgt damit das Ziel, exemplarisch einige historische Figuren zu charakterisieren, die besonders destruktiv gewirkt haben, so etwa Stalin, Himmler und Hitler. Nach der Studie von W. Schmidbauer12 ist das radikale und perfektionistische Streben nach einem Ideal ein Faktor, der zur Destruktivität führt, was Schmidbauer anhand verschiedener Beispiele aus dem Alltagsleben belegt. Interessant ist zudem die anthropologische Unterscheidung zwischen drei verschiedenen Gesellschaftssystemen, die Fromm anhand seiner Analyse verschiedener Eingeborenenkulturen vornimmt: A) lebensbejahende Gesellschaften, B) nichtdestruktive, jedoch aggressive Gesellschaften, C) destruktive Gesellschaften. Die Unterschiede betreffen die Gesellschaftsstruktur, die Beziehung zwischen Mann und Frau sowie die zwischen Erwachsenen und Kindern und die Kooperation der Personen untereinander. Eine hierarchische, patriarchale und individualistische Gesellschaft bildet den Nährboden für Angst, Zerstörungswut und Grausamkeit. Nach R. Krause unterscheidet sich die menschliche Destruktivität von der tierischen Aggression durch das Narzisstische der Scham-Wut-Erscheinung.13 scheint aber problematisch: Dass der Mensch an sich gut ist und somit in der Lage eine biophile Gesellschaft zu bilden, ist nicht mit Paulus’ Vorstellung vereinbar, nach der eine Erlösung vom Bösen notwendig ist. Entscheidend aber ist bei diesem Text die Definition der menschlichen Destruktivität, die maßgebend für andere Beiträge ist, sowie die Differenzierung zwischen konstruktivem und destruktivem Verhalten. 8 E. Fromm, Anatomie der menschlichen Destruktivität, 249. 9 E. Fromm, Anatomie der menschlichen Destruktivität, 262. 10 E. Fromm, Anatomie der menschlichen Destruktivität, 263. 11 E. Fromm, Anatomie der menschlichen Destruktivität, 307. Die Kursivierungen entstammen dem Originaltext. 12 W. Schmidbauer, Alles oder Nichts. Über die Destruktivität von Idealen, Reinbek 1980. 13 R. Krause, Affektenpsychologische Überlegungen zur menschlichen Destruktivität, 949– 950: „Es liegt nahe, in der narzisstischen Scham-Wut die spezifischen Formen der menschlichen Destruktivität im Gegensatz zur tierischen Aggressivität zu suchen.“

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Dass sich aus den Primäraffekten Freude, Neugier, Angst, Wut, Trauer, Verachtung und Ekel eine chronische Wut entwickelt, ist die Folge der Scham-Wut. Die Aufhebung der Scham enthält ein destruktives Potential, was nach Krause folgende Konsequenzen hat: Zerstörung der bestehenden Welt und Aufhebung aller Unterschiede, Wiederkehr des idealisierten Objekts, Fusionierung der erwählten Beschämten mit dem idealisierten Objekt.14 Die Aggressionstheoretiker untersuchen die kulturellen Faktoren, die beim destruktiven Verhalten eine Rolle spielen. Voraussetzung für jede Form von Destruktivität beim Menschen ist die Etablierung und Aufrechterhaltung einer Kluft zwischen Täter und Opfer oder auch Jäger und Beute, die durch einen Prozess der Desidentifikation ermöglicht wird. Erforscht wird mehr die gesellschaftliche Bedingtheit des destruktiven Verhaltens als die endogenen Faktoren. Die US-amerikanischen Forscher Mosher und Tomkins15 haben das Verhalten von Jugendlichen in Städten der USA untersucht und die Herausbildung einer Machokultur, bedingt durch die Verstärkung geschlechtsspezifischer Affekte, festgestellt. Die männlichen Jugendlichen bekennen sich zu Wut, Verachtung und Ekel und distanzieren sich zugleich von typisch weiblichen Affekten wie Furcht, Scham, Unbehagen und kontemplativer Freude.16 Dies ist ein Beispiel für Desidentifikation, in der die Identität des Machos auf Kosten des weiblichen Gegenbildes aufgebaut wird. Aber gerade diese Desidentifikation dient als Mittel zur Überwindung eines Minderwertigkeitsgefühls und wirkt als treibende Kraft für die narzisstische Verletzung des Opfers. P. Boppel beschäftigt sich mit der Frage, wie destruktives Verhalten entsteht, insbesondere bei Folterern und Spezialsoldaten. Ähnlich der Argumentation von Fromm nimmt er an, dass die destruktive Aggression nicht angeboren ist, sondern durch eine besondere Konditionierung entsteht, nämlich durch eine spezielle, strenge Ausbildung, durch die der Aggressor einen Autonomieverlust erleidet und sich völlig mit dem Ausbilder und der zugrunde liegenden Ideologie identifiziert. Situationen des Elends und der Entwurzelung, Gewalterfahrungen in Entwicklungsländern oder auch familiäre Umstände wirken als Risikofaktoren, die ein destruktives Verhalten begünstigen. 14 R. Krause, Affektenpsychologische Überlegungen, 949. 15 Mosher D./Tomkins S.S., Skripting the macho man. Hypermasculine socialisation and enculturation, 191–221, zitiert von R. Krause, Affektenpsychologische Überlegungen, 953–954. 16 R. Krause, Affektenpsychologische Überlegungen, 954, listet die Hauptpunkte der Untersuchung von Mosher und Tomkins auf: 1) Umwandlung von Schmerzen in Wut; 2) Umwandlung von Angst in Erregung; 3) Scham führt zu Antischamreaktionen; 4) Stolz auf das aggressive männliche Verhalten erzeugt Verachtung und Ekel für alles Weibliche; 5) Erregung der interpersonalen Kontrolle durch Wut; 6) Erzeugung von Schreck und Überraschung als interpersoneller Stil; 7) Erregung als wichtiger Aspekt von Freude betrachtet.

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Ausgehend von diesen theoretischen Überlegungen lassen sich eine Reihe von Beobachtungen anstellen, die fruchtbar für die Analyse der paulinischen Texte sind: Destruktivität entsteht in einer Situation der Ohnmacht, die sich in Allmacht verwandelt. Als wichtiges Element in der konstruktiven Gemeinschaft sieht Paulus die Fähigkeit der einzelnen Glieder zur nüchternen Selbstreflexion. Die Beispiele in Röm 12,3–8 und 1Kor 11,28, die Selbstprüfung vor der Teilnahme am gemeinsamen Mahl, betonen die Überwindung der Wertunterschiede zwischen den Christen in den Gemeinden. Das Problem der Trennung zwischen Reich und Arm, Mann und Frau u.s.w. sowie die konfliktuale Desidentifikation wird überwunden durch das Postulat einer Gemeinschaft, in der alle Unterschiede aufgehoben sind. Alle können sich mit Christus identifizieren („wir sind einer in Christus“), der auch als „neuer Adam“ verstanden wird. Die destruktive Gemeinschaft ist eine Gemeinschaft voller Unterschiede und Hierarchien; die konstruktive Gemeinschaft hingegen ist ein Ort, an dem die hierarchischen Ordnungen – die Unterschiede zwischen Mann und Frau sowie zwischen sozialen Gruppen und Nationalitäten – gewissermaßen aufgehoben sind. Destruktivität ist – wie Fromm es fasst – eine Form der Nekrophilie, auch im Sinne eines Festhaltens an Gesetz und Traditionen. Der vorchristliche Paulus als Verfolger bezeichnet sich selbst als Eiferer für die Traditionen der Väter. In seiner Überlegung wird der \JNQL für das Gesetz immer negativ gewertet als Werk des Fleisches. Anstelle des Eifers spricht Paulus von der Liebe, die gleichzeitig eine Offenheit für die Zukunft beinhaltet. Der Eifer ist ein destruktives Ideal des vorchristlichen Paulus. Das Gesetz der Tradition wird ersetzt durch das neue Gesetz des Eschaton. 2.4 Destruktivität und Konstruktivität als biographisches Erlebnis des Paulus Paulus spricht in seinen Briefen oft und mit unterschiedlicher rhetorischer Funktion von seiner vorchristlichen Erfahrung als Verfolger der christlichen Kirche. In Gal 1,13–14 erinnert er sich an diese Zeit und seine Absicht, die Kirche zu zerstören: „Denn ihr habt ja gehört von meinem Leben früher im Judentum, wie ich über die Maßen die Gemeinde Gottes verfolgte und sie zu zerstören suchte und übertraf im Judentum viele meiner Altersgenossen in meinem Volk weit und eiferte über die Maßen für die Satzungen der Väter“ (Q=VK MCS8 WBRGTDQNJP GXFKYMQP VJP GXMMNJUKCP VQW SGQW MCK GXRQTSQWP CWXVJP). Das griechische Verb RQTSGY gehört zum Jargon der Destruktivität und kommt nur hier so klar zum Ausdruck, verglichen mit den anderen Texten, in denen der Apostel von seiner Vergangenheit als Verfolger

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spricht: 1Kor 15,9 GXFKYZC VJP GXMMNJUKCP VQW SGQW und Phil 3,6 MCVC \JNQL FKYMYP VJP GXMMNJUKCP. In Phil 3,6 findet sich die Bezeichnung \JNQL, die wie \JNYVJL in Gal 1,14 als Grund für die Verfolgung angeführt wird: der religiöse Eifer für das Gesetz und die Traditionen, das Festhalten an Vergangenem und das Ablehnen neuer Entwicklungen.17 Welches der Grund für die Verfolgung18 der Christen durch die Juden ist und wie die Konversion des Paulus verstanden werden soll, ist umstritten. Die paulinischen Texte enthalten keine klaren Hinweise auf Paulus’ Verfolgungsmethoden. Douglas R.A. Hare weist darauf hin, dass die Christen von den Juden verfolgt wurden, weil sie die Hauptsymbole der jüdischen Religion in Frage stellten.19 Bei der Bestimmung von Paulus’ Methoden ist Hare jedoch sehr vorsichtig: Anhand der allgemeinen Hinweise der Texte sieht er in Paulus’ Wirken das zerstörerische Tun eines Polemikers. Die Tätigkeit des vorchristlichen Paulus sei mit der eines spanischen Inquisitors vergleichbar, denn er wolle nicht lediglich Einzelpersonen ausrotten, sondern die Kirche in ihrer Gesamtheit und insbesondere deren „irrsinnige Lehre“ zerstören.20 U. Schnelle hingegen ist der Ansicht, dass die Aktivität des Paulus mit Gewaltausübung verbunden war, denn das Verb RQTSGY lässt sich nur schwer mit der Polemik gegen eine Irrlehre vereinbaren.21 Ohne zu 17 T.L. Donaldson, Zealot and Convert, 672–674, sieht im Mittelpunkt der paulinischen Verfolgung den Begriff \JNQL, mit dem im damaligen Judentum die Bereitschaft gemeint war, für das Gesetz zu sterben und zu töten, um die Rechtgläubigkeit der Gemeinschaft zu bewahren. Die Unvereinbarkeit Christi mit dem Gesetz – die Motivation für Paulus’ Verfolgungsbestrebungen – ist die Quelle für die spätere Erhebung des Paulus über das Gesetz. F.E. Udoh, Paulus’s view on the Law, 217, sieht hingegen im Wort „Eiferer“ keinen spezifischen Begriff, sondern eine allgemeine Bezeichnung der Zeit. Der Ursprung der negativen Stellung über das Gesetz bei Paulus ist nicht seine Vergangenheit als Verfolger, sondern die Krise in Galatien (237). Nur in Galatien erfuhr Paulus das Eindringen einer Form von Nomismus in die christlichen Gemeinden. 18 R. Schäfer, Paulus bis zum Apostelkonzil, 78, sieht im Eifer den Grund für die Verfolgungstätigkeit des Paulus. Aber eine genauere Bestimmung kann nicht vorgenommen werden: s. 87, „was genau zur frühen Ablehnung und Zerstörungswut des Paulus in Übereinstimmung mit seinen „elterlichen Überlieferungen“ führte, bleibt in unserer Notiz ungenannt.“ Chr. Burchard, Der dreizehnte Zeuge, 49–50, ist der Ansicht, dass die lukanische Abbildung von Paulus als Verfolger in Apg 9,1 und 22,19 auf der Grundlage von Paulus’ Selbstbeschreibung konstruiert ist. S. 51 „Er verfolgt in Konsequenz seines Judentums und bleibt im Rahmen der Legalität.“ 19 D.R.A. Hare, The Theme of Persecution of Christians, 3ff, listet vier Hauptgründe für die Verfolgung auf: 1) Die Christen stellten die Symbole der jüdischen Religion (Torah, Tempel und heilige Stadt) in Frage; 2) Sie stellten den jüdischen Nationalismus in Frage; 3) Sie hatten eine andere Haltung den Heiden gegenüber; 4) Sie billigten das Wesen und die Strukturen der jüdischen Gemeinde nicht. 20 D.R.A. Hare, The Theme of Persecution of Christians, 59–60: „Convinced that the doctrines of Christianity were inimical to the Judaism upon which the national life of Israel was based, Paul the zelous Pharisee vigorously denounced those who preached Christ to Jews and Gentiles in the Diaspora.“ 21 U. Schnelle, Paulus, 73–74. Er führt als Beweis den Gebrauch des Verbs bei Josephus (J. BJ IV, 405) an.

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einem abschließenden Urteil22 über die schwierige Diskussion zur vorchristlichen Zeit des Paulus zu kommen, bleibt doch Folgendes festzuhalten: Diese Erfahrung scheint zu der klaren Erkenntnis geführt zu haben, dass der Eifer eines religiösen Menschen für das Gesetz keine Garantie für konstruktives Handeln ist. Im Gegenteil, gerade ein Eintreten für das Gesetz hat destruktive Folgen. Paulus wird sich hier eines Widerspruchs bewusst: In Gal 1,13f will er zeigen, dass seine Abkehr vom destruktiven Handeln und seine Hinwendung zur apostolischen Tätigkeit nicht durch menschliche Belehrung oder durch irgendeine menschliche Verbindung bewirkt wurde, sondern mithilfe einer von Gott gesteuerten Verwandlung. Es ist möglich, dass dieser biographische Übergang vom destruktiven zum konstruktiven Handeln dazu beigetragen hat, den Gegensatz weiterzuentwickeln und darzustellen. Es ist auch möglich, dass bei dem Zwiespalt des in die Destruktivität geratenen Menschen in Röm 7,14–21 autobiographische Elemente des ehemaligen Verfolgers eine Rolle gespielt haben. Der Christ Paulus scheint Konflikte und Auseinandersetzungen zu scheuen (Röm 12,18: „Soweit es euch möglich ist, haltet mit allen Menschen Frieden!“). 2.5 Konstruktivität und Destruktivität als paulinische Begriffe Die beiden Hauptkategorien der Konstruktivität und Destruktivität müssen nicht von außen an Paulus herangetragen werden, sondern kommen in seinem eigenen Sprachgebrauch vor. In 2Kor 13,10 definiert Paulus sein 22 Grundlegend über die vorchristliche Zeit des Paulus sind die Aufsätze von M. Hengel, Der vorchristliche Paulus, in: M. Hengel/U. Heckel, Paulus und das antike Judentum, WUNT I 58, Tübingen 1991, 177–293, und von G. Theißen, Judentum und Christentum bei Paulus. Sozialgeschichtliche Überlegungen zu einem beginnenden Schisma, 331–359. M. Hengel diskutiert gründlich die Frage der Verfolgungstätigkeit gegen die christlichen Gemeinden des vorchristlichen Paulus. Er soll auf eigene Initiative aus Gehorsam für das Gesetz diese Verfolgung unternommen haben. Ein Punkt in Hengels Aufsatz scheint mir wichtig zu diskutieren. Die Erwähnung des \JNQL in Phil 3,6 (MCVC \JNQL) wird von Hengel objektiv als Eifer für das Gesetz betrachtet: „Dieser MCVC \JNQL meint nicht primär wie das deutsche „im Eifer“ den subjektiv-emotionalen Charakter seines Vorgehens (diesen betont dagegen Lukas in Apg 9,1), sondern den objektiven Tatbestand des ‚Eifers für das Gesetz‘.“ (273) Dazu muss aber gesagt werden, dass Paulus im Rückblick diesen \JNQL doch als einen Affekt versteht, wie es in der ethischen Relevanz dieses Begriffs zu erkennen ist und vor allem aus der Liste in Gal 5,20. Die radikale Umkehrung der Werte des christlichen Paulus ist nach Hengel nicht psychologisch feststellbar: „Wir wissen einfach zu wenig, um hier die heute allgegenwärtige psychologische Sonde anzusetzen, und das ist gut so.“ (284) Man kann allerdings die Wende des Paulus durch die Perspektive der antiken Diskussion über die Affekte erklären. Paulus wird bewusst, dass der Eifer für das Gesetz anstatt konstruktiv zu wirken, was per definitionem der Funktion des Gesetzes entsprechen sollte, destruktiv wirkt. Der Eifer ist dann ein destruktiver Affekt, der das Gesetz wirkungslos macht. Dieses spätere Bewusstsein eines tiefen Widerspruchs ist m.E. grundlegend für die paulinischen Definition von UCTZ und für die Vorstellung der Gesetzes. Das wird in der Exegese von Röm 7 und Gal 5 erläutert.

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Apostolat als eine GXZQWUKC GKXL QKXMQFQOJP MCK QWXM GKXL MCSCKTGUKP, als „eine von Gott erhaltene Macht zum Aufbauen – nicht zum Zerstören“. Das oben Gesagte scheint sich darin widerzuspiegeln. Die gleiche Formel findet man in 2Kor 10,823 in einem Kontext, in dem vom Rühmen die Rede ist. Ph. Vielhauer betont in seiner noch aktuellen Arbeit über QKXMQFQOJ den prophetischen Ursprung dieses Gegensatzes besonders bei Jeremia (Jer 1,10; 24,6).24 Die apostolische Funktion des Paulus besteht in der Konstruktivität, der Errichtung einer konstruktiven Gemeinschaft durch die Verkündigung. In 2Kor 12,19 wird diese konstruktive Funktion der Verkündigung WBRGT VJL WBOYP QKXMQFQOJL mit der Befürchtung des Apostels verbunden, in der Gemeinde die entgegengesetzte Situation vorzufinden. Interessant ist der Lasterkatalog in V. 20 GTKL \JNQL SWOQK GXTKSGKCK MCVCNCNKCK [KSWTKUOQK HWUKYUGKL CXMCVCUVCUKCK „Streit, Eifersucht, Zornesausbrüche, Ehrgeiz, Verleumdungen, üble Nachrede, Überheblichkeit, allgemeine Verwirrung“ – besonders angesichts der Tatsache, dass einige dieser Begriffe in der Liste der Werke der UCTZ enthalten sind (Gal 5,19–21). Dies ist ein erstes Argument dafür, dass Paulus einen Zusammenhang zwischen der UCTZ und dem destruktiven Handeln sieht. Das bestätigt auch 1Kor 3: In 3,1–3 werden die Korinther als UCTMKPQK oder UCTMKMQK bezeichnet, und zwar mit der Begründung, in der Gemeinde herrschten „Streit und Eifersucht“, die nach 2Kor 12,19 die Gegenpole zur Konstruktivität bilden. 1Kor 3,3 schreibt Paulus: GVK ICT UCTMKMQK GXUVG. Q=RQW ICT GXP WBOKP \JNQL MCK GTKL QWXEK UCTMKMQK GXUVG MCK MCVC CPSTYRQP RGTKRCVGKVG; Im weiteren Verlauf des Kapitels wird von der Gemeinde als QKXMQFQOJ gesprochen, in der jeder seinen Beitrag zum „Aufbau“ (GXRQKMQFQOGKP) leisten solle, 3,9–12. Die Verbindung zwischen UYOC und QKXMQFQOJ wird in 1Kor 12–14 dargestellt. Diese Zusammenhänge müssen noch näher untersucht werden, an dieser Stelle reicht es aus, methodisch auf das Vorhandensein der beiden Kategorien bei Paulus hinzuweisen und deren Wechselwirkungen mit UCTZ und UYOC zu beleuchten.

23 Es bleibt festzustellen, dass Paulus sich in 2Kor 10,3–6 ausnahmsweise einer kriegerischen, destruktiven Sprache bedient. Das Apostolat ist die von Gott erhaltene Autorität, die Festungen des NQIKUOQL zu zerstören, die sich gegen die Erkenntnis Gottes richten. Das ist nicht als Widerspruch in der paulinischen Begrifflichkeit zu verstehen. Paulus’ konstruktives Apostolat beinhaltet aber auch das entschiedene Verwerfen aller menschlichen Festungen. Nicht alle Konstruktionen sind positiv. Darin spiegelt sich die prophetische Dialektik des Zerstörens und Aufbauens wider, die die Verkündigung kennzeichnet: Jer 1,10 KXFQW MCVGUVCMC UG UJOGTQP GXRK GSPJ MCK DCUKNGKCL GXMTK\QWP MCK MCVCUMCRVGKP MCK CXRQNNWGKP MCK CXPQKMQFQOGKP MCK MCVCHWVGWGKP. Jer 38,28 MCK GUVCK Y=URGT GXITJIQTQWP GXR8 CWXVQWL MCSCKTGKP MCK MCMQWP QW=VYL ITJIQTJUY GXR8 CWXVQWL VQW QKXMQFQOGKP MCK MCVCHWVGWGKP HJUKP MWTKQL. Der prophetische Gebrauch bildet die Basis der paulinischen Begrifflichkeit, die aber eine eschatologische Bedeutung annimmt. Die Implikationen von 2Kor 10,3–6, die paulinische Stellungsnahme gegen den Logismos sowie der Bezug auf das Fleisch werden später diskutiert. 24 Ph. Vielhauer, Oikodome, 73.

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Zudem ist es wichtig zu betonen, dass für Paulus die Konstruktivität (ebenso wie die Destruktivität) eine individuelle und eine gemeinschaftliche Bedeutung erhält: Dies wird in 1Kor 14,4 deutlich, wo zwischen dem Aufbau der eigenen Person durch Zungenreden und dem Aufbauen der Kirche durch die Verkündigung unterschieden wird: QB NCNYP INYUUJ^ GBCWVQP QKXMQFQOGK> QB FG RTQHJVGWYP GXMMNJUKCP QKXMQFQOGK. Ein letzter wichtiger Aspekt für den paulinischen Gebrauch von Konstruktivität und Destruktivität scheint mir die Betonung einer Diskontinuität zwischen den beiden Polen zu sein. Dieser Schluss lässt sich aus dem umstrittenen Vers Gal 2,18 ziehen: „Denn wenn ich das, was ich abgebrochen habe, wieder aufbaue, so stelle ich mich selbst als Übertreter hin“. Dies bezieht sich auf die Unterscheidung zwischen Judenchristen und Heidenchristen und auf Petrus’ Wiedereinführung dieser Unterscheidung.25 In diesen Worten liegt m.E. aber auch ein idiomatischer, weisheitlicher Gehalt, der wichtig für die Diskontinuität zwischen den beiden Gegenpolen ist. Der Übergang von der Destruktivität zur Konstruktivität ist nur möglich als Konsequenz einer Verwandlung durch den Geist Gottes. 2.6 Destruktivität – Konstruktivität und die Differenzierung UCTZ – UYOC Diese Untersuchung geht von dem Ansatz aus, dass die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der beiden Termini UCTZ und UYOC durch die Begriffe Destruktivität und Konstruktivität erklärt werden können. Bei Paulus versteht sich Destruktivität als Ergebnis aller menschlichen Bestrebungen und nicht nur als ein besonders pervertiertes Verhalten. Der Mensch in seiner Gesamtheit steht unter der Macht der Sünde und des Todes, und das Ziel seines Handelns und Denkens ist die HSQTC.26 Beide Termini, sowohl UCTZ als auch UYOC, haben an diesem Zustand teil und können insofern sogar als Synonyme betrachtet werden. Konstruktivität ist also keine Eigenschaft, die dem UYOC zugesprochen werden kann und dieses von der UCTZ unterscheidet. Sie meint ausschließlich die Wirkung des Heils Gottes auf den Menschen, eine Kraft, die sich stets auf die Erschaffung des Lebens und gegen den Tod richtet.27

25 Ph. Vielhauer, Oikodome, 84–85. 26 Das Wort bezeichnet gleichzeitig die Vergänglichkeit des Menschen (1Kor 15,42.50) und das moralische Verderben (Gal 6,8) und wird zum Wesensmerkmal des menschlichen Zustandes. 27 Wichtig erscheint mir der Ausdruck in Röm 6,13 YBL GXM PGMTYP \YPVCL, der die Christen bezeichnet und die ethische Anweisung begründet, dass sie ihre eigenen „Glieder“ der Gerechtigkeit darbieten sollen.

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Warum steht dann aber Konstruktivität eindeutig im Zusammenhang mit UYOC? Im Griechischen kommt UYOC semantisch gesehen ein grundlegend passiver Gehalt zu, der Terminus kann – abgesehen von „Leib“ – sogar mit der Bedeutung „Leiche“, „Sklave“ oder „Gefangener“ verwendet werden. Die Erlösung wird als eine „Verlebendigung“ des UYOC oder auch als eine Befreiung verstanden, ähnlich dem Sklavenkauf. Im Mittelpunkt steht die Auferstehung Jesu Christi, die proleptisch die Konstruktivität einschließt. So erfüllt sich die Handlung Gottes auch für das Volk Gottes, wie am Beispiel Abrahams zu sehen ist, der an die Verheißung Gottes glaubte, einen Nachkommen zu bekommen, obgleich sein UYOC schon gestorben war.28 Durch die Handlung Gottes kann UYOC eine neue, positive Bedeutung erlangen, etwa als Tempel des heiligen Geistes (1Kor 6,19), als Instrument zum Lob Gottes (1Kor 6,20, Röm 12,2) oder als Leib der Auferstehung (UYOC VJL FQZJL Phil 3,21; oder UYOC RPGWOCVKMQP 1Kor 15,44) – eine Bedeutung, die sonst nicht nachvollziehbar wäre. Diese positive Umwertung des UYOC und des Humanums geht einher mit der Entdeckung der Gemeinschaft. Hier kann Paulus an die hellenistische Metapher des Leibes als Gemeinschaft anknüpfen. Für Paulus ist diese Vorstellung ähnlich wie bei den Stoikern keine bloße Metapher, sondern die logische Konsequenz aus der Neuentdeckung von UYOC: Konstruktivität meint damit das konstruktive Handeln der Christen und das Zusammenkommen in der Gemeinschaft als dem UYOC. Der Begriff UCTZ unterscheidet sich in seiner Kernbedeutung grundsätzlich von UYOC. Er bezeichnet nicht nur eine materielle Substanz, sondern immer das durch die [WEJ belebte Fleisch, also den aktiven Menschen, der denkt, begehrt und ein Ziel verfolgt. Die Aktivität der UCTZ besteht darin, den Menschen MCVC UCTMC zu führen, die menschliche Perspektive ad absolutum zu setzen und alle erdenklichen Konflikte und destruktiven Verhaltensweisen zu verursachen. Durch ihre aktive Funktion wird die UCTZ zum Subjekt der menschlichen Destruktivität, die sich gegen sich selbst und gegen die Mitmenschen richtet. Sie ist keine übermenschliche Macht, sondern verkörpert das Humanum im Konflikt mit und in Konkurrenz zu Gott. Diese aktive Kraft gilt es zu beseitigen und durch den Geist Gottes zu ersetzen. Ethisch betrachtet ist der Mensch der Wechselwirkung dieser beiden Kräfte ausgesetzt.

28 In Röm 4,19–24 besteht ein Zusammenhang zwischen dem Glauben Abrahams, der gegen jede Evidenz daran glaubt, durch die Gnade Gottes einen Nachkommen zu bekommen, und dem Glauben der Christen, die an den Gott glauben, der Christus erweckt hat. Im Mittelpunkt steht in beiden Fällen der Leben schaffende Gott.

Kapitel III: Das UYOC des Einzelnen Die Definition des Begriffs im Griechischen

1. Die Definition von UYOC im Griechischen Ausgangspunkt dieser Untersuchung ist die Frage nach einer Definition des UYOC als individueller Größe, die sich aber auch mit der Kollektivität verbinden lässt. Die Basis für eine Definition des Begriffes bei Paulus ist zweifellos der Gebrauch des Wortes in der griechischen Literatur, wobei die Ergebnisse im Anschluss mit dem Befund bei Paulus konfrontiert werden sollen. Auf dieser Ebene lassen sich die Definitionen überprüfen, die in der neutestamentlichen Theologie aufgestellt wurden. Im griechischen Gebrauch hat UYOC, abgesehen von den verschiedenen philosophischen Richtungen, vier Hauptbedeutungen:1 1) Leiche (von Menschen und Tieren) 2) Organismus, lebendiger Leib; 3) Körper (in der Physik) 4) Individuum (Sklaven oder Gefangene). Mit dem Sinn „Leiche“ wird der Begriff in der ältesten Literatur angewendet, wie etwa bei Homer, wo UYOC ausschließlich diese Bedeutung2 hat. An zwei Stellen der Ilias3 benutzt Hektor die Wendung UYOC FG QKMCF8 GXOQP FQOGPCK um seinem Wunsch Ausdruck zu verleihen, nachdem er im Kampf gefallen ist, seinen Leichnam der Familie zu übergeben. Der homerische Mensch wird nur als Toter mit einem umfassenden Begriff bezeichnet,

1 Dieses Schema berücksichtigt die Definition der verschiedenen Lexika, konzentriert sich aber auf die Hauptbedeutungen. Liddell/Scott, 1749, listet ebenfalls vier Hauptbedeutungen auf, die aber als Varianten der Hauptbedeutung „body“ bezeichnet werden: I) body II) periphr. person III) body, corporeal substance IV) the whole of a thing. Es scheint mir wichtig, zwischen „Leib“ und „Leichnam“ zu unterscheiden (für Liddell/Scott steht alles unter Punkt I) und die Bedeutung von „Ganzes“ als eine Ableitung der Vorstellung von Organismus zu verstehen, sowie von der paulinischen Vorstellung der Kirche als einem Leib. Auch die Unterscheidung von „Person“ und „Sklave“ scheint mir sehr wichtig, in Anlehnung auch an die Definition von Preisigke, 566. Für die römische und byzantinische Zeit – Sophocles, 1065 – lauten die Bedeutungen: I) sakramentales Brot II) Sklave, III) euphemistisch für die Schamteile IV) „corporate body“. Man kann zudem die patristischen Definitionen heranziehen, die im Wesentlichen den vorliegenden Schemata entsprechen. Es werden nur christologische und ekklesiologische Themen eingeführt, die von Paulus abhängen; vgl. Lampe, 1362–1366 und Dizionario patristico I, Art. „corpo“, 786–788. 2 Schon Aristarch bemerkt, dass bei Homer UYOC nie ein lebendiges Lebewesen bezeichnet. Für die lebendigen Menschen benutzt Homer das Wort FGOCL: bei Apollon. Soph. Lex. (ed. I. Bekker) S. 148.; G. Reale, Corpo, anima e salute, 16; E. Schweizer, Art. UYOC, ThWNT VII, 1025. 3 Hom. Il. VII,75 und XXII,342. Aristarch erwähnt im Zitat bei Apollonius zudem Hom. Il. III,23.

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denn, wie G. Reale erklärt,4 nur als Leichnam verschwinden die verschiedenen Funktionen der Organe, die den lebendigen Menschen charakterisieren. Die Bedeutung „Leiche“ findet man auch bei Herodot,5 wo UYOCVC die Leichen der zu opfernden Tiere bezeichnet. Die zweite Bedeutung von UYOC als Bezeichnung für lebendige Menschen und Tiere6 lässt eine semantische Entwicklung des Wortes erkennen. Diese zeigt sich erstmals deutlich in den Schriften von Plato.7 Die Grundvorstellung ist, dass der Leib eine Einheit bildet, die alle Lebensfunktionen des Leibes umfasst.8 Eben aus dieser Bezeichnung für den lebendigen Menschen erklärt sich der Gebrauch von UYOC für das Individuum „als Umschreibung der Person, freilich meist so, dass sie als Objekt betrachtet wird, über das einer verfügt“.9 Es bleiben noch einige Ausdrücke anzuführen, bei denen dieser Begriff für „Individuum“ oder „Person“ verwendet wird, so etwa bei VQ UYOC UY^\GKP im Sinne von „das Leben retten“,10 RGTK VQW UYOCVQL CXIQPK\GKP „um sein Leben kämpfen“ sowie, bezogen auf die Gesundheit, VQ UYOC MCMYL bzw. GW GEGKP „gesund bzw. krank sein“.  4 G. Reale, Corpo, anima e salute, 17: Im Tod verlässt den Menschen die Mannigfaltigkeit seiner Tätigkeiten, „e quindi si identificano nel non essere più ciò che erano, irrigidendosi e quindi confondendosi nell’immobilità della morte“. Um dieses Menschenbild zu erklären, bezieht sich Reale auf die Kunst der archaischen Zeit in Griechenland, die sich von der klassischen Kunst unterscheidet, weil sie den menschlichen Leib nicht als eine harmonische Gestalt darstellt, sondern als eine geometrische und kubistische Figur. Nach der Definition von G. Krahmer, Figur und Raum in der ägyptischen und griechisch-archaischen Kunst, Halle 1931, 28, der eine Analogie zur Linguistik herstellt, stellt die archaische Kunst den Menschen hypotaktisch und parataktisch dar. 5 Hdt. VII,167. Auch Poseidonius spricht von UYOC hinsichtlich der Leiche Alexanders des Großen, vgl. Frg. 14. 6 Vgl. Pl. Phlb. 29 a: UYOC wird hier auf \Y^QP bezogen, was Menschen und Tiere einschließt. Pl. Plt. 564 a: Hier wird UYOC im Plural gebraucht und von den Pflanzen unterschieden und bezeichnet allgemein die Tiere. Die Ausdehnung der Bedeutung von UYOC auf Pflanzen wird von Liddell/Scott, 1749 nur bei Paulus in 1Kor 15,38 festgestellt; der Zusammenhang ist allerdings klar, es handelt sich um ein Bild für die Auferstehung, und die Erweiterung lässt sich leicht aus der Logik dieser Metaphorik heraus erklären. 7 E. Schweizer, Art UYOC, ThWNT VII, 1028. 8 Pl. Phlb. 29b; Pl. Phdr. 266a–b: Die Einteilung der Rede in zwei Teile ist parallel zur Aufteilung des Leibes in eine linke und eine rechte Seite, wobei beide letztendlich eine Einheit bilden. Bei Pl. Cra. 423a–b wird UYOC klar als eine Einheit aus verschiedenen Gliedern verstanden. 9 E. Schweizer, Art. UYOC, ThWNT VII, 1029. Er zitiert als Beispiele einige Stellen aus Aen. Tact. 1,1; 2,1; 32,8; 40,4, wo UYOC tatsächlich nur ein Bild für die Taktik in einer Stadt ist und keine selbständige Person. Bei Xen. An. II,1,12 und V,5,13 bedeutet UYOC genau dasselbe, in V,5,13 steht UYOCVC parallel zu Q=RNC (Waffen) und ETJOCVC (Güter) J=MQOGP CXICRYPVGL Q=VK VC UYOCVC FKGUYUCOGSC MCK VC Q=RNC> QWX ICT JP FWPCVQP C=OC VG ETJOCVC CIGKP MCK HGTGKP MCK VQKL RQNGOKQKL OCEGUSCK 10 D. XX 55. Die freien Männer können im Gegensatz zu den Sklaven ihr Leben (UYOC) retten. 11 Lys. V, 1. 12 Vgl. Xen. Mem. III,12,1: VQ UYOC MCMYL GEGKP und kurz darauf KFKYVKMYL VQ UYOC GEGKP, Xen. Mem. III,12,4 GW VC UYOCVC GEGKP. Der Zusammenhang zeigt allerdings, dass UYOC sich eigentlich auf den Leib bezieht und dass im Grunde die Ausdrücke nicht allgemein auf eine

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Trotz dieser Bedeutungserweiterung steht das UYOC nach wie vor in Zusammenhang mit dem Tod, und zwar auf zwei Arten, die beide in der platonischen Philosophie zu finden sind: a) es ist sterblich, im Gegensatz zur unsterblichen Seele; b) es ist ein Hindernis für ein sinnvolles Leben des Menschen: Der Philosoph muss, um die wahre Erkenntnis und die echte Moral zu erreichen, die Dimension des Leibes überwinden. So ist gerade der Tod eine Befreiung vom Leib, die der Philosoph „im Voraus erleben“ muss. Die deutlichsten Beispiele hierfür finden sich eben bei Plato: Sie galten in der griechischen Philosophie als maßgebend.13 Im Phaidon ist das UYOC ein Gefängnis der Seele,14 im Kratylos übernimmt Plato für die Etymologie15 von UYOC die Thesen des Orphismus, nach denen UYOC als UJOC Grab oder als Gefängnis betrachtet wird, das die Seele gefangen hält, bis der Mensch seine Schulden bezahlt hat: Der Leib ist ein Grab, die Menschen sind bereits tot aufgrund der Wirklichkeit des UYOC.16 Aus erkenntnistheoretischer Perspektive ist der Leib ein Hindernis auf dem Weg zur wahren Erkenntnis und zur Wahrheit. Der Leib verursacht viele Sorgen, ist Krankheiten unterworfen und die Ursache aller Kriege. Der Philosoph beschäftigt sich am wenigsten mit dem Leib und betrachtet gar den Tod als eine Befreiung vom Leiblichen. Im Leben muss er den Zustand der Leiblosigkeit methodisch anstreben, wie Sokrates beispielhaft lehrt.17 Gerade dieser Gebrauch für den lebendigen Organismus macht den Begriff UYOC zum Sinnbild für eine Einheit in der Politik und in der Kosmologie. Plato redet von VQ UYOC VQW RCPVQL und VQW MQUOQW.18 Doch der bildliche Gebrauch des Leibes für eine Einheit findet in den verschiedensten Bereichen Anwendung, von der Medizin bis zur Anatomie – etwa bei Aristoteles gesunde oder kranke Person bezogen werden, sondern eher auf einen untrainierten, in schlechter Verfassung befindlichen Leib. 13 Die Bewertung der Thesen Platos ist umstritten. Nach G. Reale, Corpo, anima e salute, 209–210, ist Platos Missachtung des Leibes eine „provozierende Stellungnahme“. Als Beweis lässt sich die Betonung der Einheit von Leib und Seele in seinen letzen Werken anführen. Die spätere Interpreten von Plato und Plotin haben die Thesen des Meisters verschärft und sind zu einer Art „Leibfeindlichkeit“ gelangt. 14 Pl. Phd. 62 b. 15 Pl. Cra. 400c. Plato nennt drei Möglichkeiten für die Etymologie von UYOC: 1) UYOC = UJOC („Grab“) wie die Orphik, weil der Leib für die Seele schon in diesem Leben wie ein Grab ist; 2) UYOC = UJOC („Zeichen“, aus UJOCKPGKP), weil die Seele sich durch den Leib äußert, 3) UYOC als Ableitung von UY^\GKP „retten“, „aufbewahren“. Der Vorteil dieser Etymologie liegt nach Plato darin, dass man keinen Buchstaben verändern muss. Die letztgenannte etymologische Erklärung nähert sich der Vorstellung vom Leib als Gefängnis der Seele an. 6QWVQ FG RGTKDQNQP GEGKP K=PC UY^\GVCK FGUOYVGTKQW GKXMQPC> GKPCK QWP VJL [WEJL VQWVQ Y=URGT CWXVQ QXPQOC\GVCK G=YL C P GXMVGKUJ^ VC QXHGKNQOGPC VQ UYOC MCK QWXFGP FGKP RCTCIGKP QWXF8 G=P ITCOOC 16 Pl. Grg. 492e–493a. 17 Pl. Phd. 67a–c. 18 Pl. Tim. 31b und 32c.

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und Galen,19 um die Ganzheit eines Organs zu beschreiben, in der Rhetorik, für die Ganzheit der Redeführung20 oder für die Gesamtheit eines Textes.21 Eine dritte Bedeutung von UYOC scheint mir die Bezeichnung eines Gegenstandes zu sein, wie einer dreidimensionalen geometrischen Figur oder eines physikalischen Objektes.22 Mit Ausnahme der stoischen Physik, wo UYOC definiert wird als alles was wirkt und was leidet, hat UYOC in der Physik eine passive Konnotation. Schließlich wird UYOC auch zur Bezeichnung von Sklaven und Gefangenen verwendet. Gerade diese Bedeutung gilt es zu betonen, nicht nur aufgrund der Häufigkeit ihres Vorkommens in den griechischen Texten und Inschriften, sondern auch, weil dadurch der Begriff eine klare Kontur bekommt. Das Individuum als UYOC ist von daher nicht der frei handelnde Mensch, sondern der Mensch, der fast zum Zustand eines Objekts entwertet und von anderen bestimmt wird. Für diese Bedeutung kann UYOC entweder mit einem qualifizierenden Adjektiv, das sich auf den Sklaven bezieht, oder absolut benutzt werden.23 Bei Polybios’ Historiae wird die Parallele zwischen UYOCVC und ETJOCVC, die man im Krieg beschlagnahmt, häufig verwendet, um Gefangene oder Sklaven oder einfach Menschen als eine zählbare Menge zu beschreiben.24 Derselbe Autor unterscheidet VC GXNGWSGTC und VC FQWNKMC UYOCVC,25 die unterschiedlich behandelt werden, und gibt ein wichtiges Beispiel für den absoluten Gebrauch des UYOC als Sklave.26 19 Die Beispiele sind zahlreiche: Vgl z.B. Arist. PA 671b, VQ UYOC VYP PGHTYP; Arist. GA 744a, UYOC VYP CKXUSJVJTKYP. Bei Galen kommt oft die Ausdrücke VQ UYOC VJL ICUVTQL (Gal. De nervorum dissectione II,842; Gal. De locis affectis VI,8,39; Gal. De symptomatum causis, III,7,217); und VQ UYOC VJL MQKNKCL (Gal. UP. III,281,18; Gal. De locis affectis VI,8,37; Gal. De symptomatum causis III,7,217) vor. 20 Arist. Rh. 1354 VQ UYOC VJL RKUVGYL. 21 Cic. Att. II,1,3, „totum UYOC curabo ut habeas“. 22 Einige Beispiele sind bei Aristoteles zu finden. In Arist. Ph. 265b, redet er über das CVQOQL UYOC, das bewegt wird; in Arist. Ph. 193b ist von den HWUKMC UYOCVC die Rede: MCK ICT GXRKRGFC MCK UVGTGC GEGK VC HWUKMC UYOCVC MCK UVKIOCL RGTK YP UMQRGK QBB OCSJOCVKMQL. In Arist. Top. 142b, wird als Definition von UYOC angeführt: alles, was drei Dimensionen hat. 1KQP QBB VQW UYOCVQL QBBTKUOQL VQ GEQP VTGKL FKCUVCUGKL, vgl auch Arist. Metaph. 1020a. 23 Nach Liddell/Scott, 1749, ist der absolute Gebrauch eine spätere Entwicklung. Es ist realistisch sie sich als eine Assimilation des Adjektivs, das den Sklaven bezeichnet, mit dem Substantiv UYOC vorzustellen. Das wird allerdings erst durch die Tatsache ermöglicht, dass UYOC etwas Inaktives bezeichnet – erst dies rechtfertigt den Gebrauch, ob nun mit oder ohne Adjektiv. 24 Plb. III,17,10: UYOCVC und ETJOCVC werden verteilt; Plb. IV,75,7; XXI,39,9: UYOCVC CXPCIMCKC, ist zu ETJOCVC parallel. Der gleiche Parallelismus findet sich z.B. bei D. XX,6. Siehe auch Anm. 9. 25 Plb. II,6,6: VC OGP GXNGWSGTC UYOCVC MCK VJP RQNKP CXRQNWVTYUCPVGL CWXVQKL VC FG FQWNKMC MCK VJP NQKRJP UMGWJP CXPCNCDQPVGL GKXL VQWL NGODQWL. Interessant ist nicht nur die unterschiedliche Behandlung von Sklaven und Freien, sondern auch die Gleichstellung von Sklaven und UMGWJ. Vgl auch Plb. II,62,10. Weitere Beispiele für die Bedeutung von UYOC als Sklave sind D. XX,77 VTKUEKNKC F8 CKXEOCNYVC UYOCVC sowie Aeschin. I,16 VC QKMGVKMC UYOCVC. 26 Plb. XII,16,5: GM ICT VJL QKXMKCL VJL GXMGKPQW VQ UYOC RTQL VJP CXTEJP J=MGKP CXRCIQOGPQP. Die gleiche Person ist in Plb. XII, 16,3 FQWNQL genannt. Der gleiche Gebrauch ist bei Diodorus

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Zusammenfassend kann man sagen, dass im griechischen Gebrauch UYOC die Konnotation von etwas Inaktivem enthält, obwohl das Wort im Laufe der Zeit auch den lebendigen Leib bezeichnen kann. Die Lebendigkeit ist dabei eine gewisse Qualität, die nicht dem Leib selbst angehört, sondern von einem anderen Prinzip abhängig ist. Die Bedeutung von UYOC als Leib oder Organismus enthält besonders die Qualität einer Einheit verschiedener Teile oder Organe. Zu dieser Bedeutung gehören alle Nuancen, die von UYOC als einer zusammengesetzten Ganzheit sprechen, beispielsweise sozialer, politischer oder sogar logischer oder rhetorischer Natur. UYOC kann auch ohne eine klare Bewertung das Individuum, die einzelne Person bezeichnen. In dieser Hinsicht wiegt die Bedeutung „Sklave“ besonders schwer, da sie sicherlich dem Terminus eine negative Konnotation verleiht. Hinzu kommt die Bedeutung eines materiellen Körpers, die besonders in der Physik verwendet wird und ebenfalls die Nuance einer inaktiven, von außen bestimmten und bewegten Größe enthält. 1.1 Die Septuaginta Ein Blick auf den Gebrauch von UYOC in der Septuaginta zeigt eine wesentliche Kontinuität zur oben gezeigten Definition in der paganen Literatur. An einigen Stellen wird UYOC im Sinne von „Leiche“ absolut oder in einigen Ausdrücken wie VC UYOCVC PGMTC (2Kön 19,35 und Jer 37,36) mit qualifizierendem Adjektiv verwendet. Die meisten Stellen weisen die allgemeine Bedeutung „Leib“ auf. Die rituellen Vorschriften der Bücher von Numeri und Leviticus beschreiben die rituellen Waschungen des Leibes (Lev 14,3; 15,11.21.27; 16,4.24 etc.), das Rasieren (Num 8,7) oder das Anziehen (Num 6,3). In den Makkabäerbüchern steht der Leib im Mittelpunkt der Martyriumserzählung als Objekt der verschiedensten Qualen, die der Gerechte aushalten muss: etwa als Objekt des Folterns (2Makk 9,7; 4Makk 11,11) oder als Opfer von Verstümmelung oder Beschneidung (4Makk 10,20), des Martyriums allgemein (2Makk 7,7) oder von Verbrennung (Dan 3,94.95). Der Gerechte erfährt eine Art Spaltung: das Erleiden enormer Schmerzen am Leib einerseits und der starke Wille der Seele, die gerne Siculus feststellbar. UYOCVC wird absolut benutzt um die Personen zu bezeichnen, die als Sklaven verkauft werden, D.S. XXIII,9 MCK VC UYOCVC VC RNGKQPC -COCTKPCKPYP GXRYNJUGP. In D.S. XXXII, 22 werden FQWNC UYOCVC GBBMCVQP genannt. Interessant scheint mir für diese semantische Untersuchung von UYOC auch das Substantiv UYOCVQVTQHGKQP, das den Ort bezeichnet, an dem die Sklaven gehalten werden; D.S. XXXIV,2. Im gleichen Werk wird der Leib als Sklave der Seele mit unterworfenen Personen identifiziert: D.S. XXIX, 19: MCSCRGT ICT VQ UYOC VJL [WEJL GXUVK FQWNQP QW?VYL CKBB OGICNCK FWPCOGKL VJ^ VYP JBBIGOQPYP WBBRGKMQWUKP HTQPJUGK; die Analogie findet sich auch in D.S. XXIX,19, wo die Gehorchenden die Soldaten sind.

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alles erträgt, andererseits (2Makk 6,30; 4Makk 3,18; 6,7). Ein weiteres Verwendungsgebiet des Begriffes ist die Gesundheit. Der Leib kann gesund sein, was besser ist als Reichtum (Sir 30,15.16), oder er kann krank sein (Sir 30,14). Der Leib ist das Vergängliche am Menschen (Spr 5,11, SapSal 2,3). Er wird gar als eine „Ansammlung verdorbener Würmer“ definiert (Hi 7,5) (HWTGVCK FG OQW VQ UYOC GXP UCRTKC^ UMYNJMYP), die vergänglich ist und aus Erde besteht (Hi 13,12 UYOC RJNKPQP). Aber der Unbarmherzige verdirbt sich seinen Körper im Gegensatz zum Barmherzigen, der seiner Seele Gutes tut. Das körperlichen Leiden wird im Buch Hiob als Pfeil Gottes im Leib (DGNJ ICT MWTKQW GXP VY^ UYOCVK OQW Hi 6,4; vgl auch Hi 20,25) beschrieben. Bemerkenswert sind ferner Ausdrücke wie QXRKUY VQW UYOCVQL TBBKRVGKP Ez 23,25 und Neh 9,26 im Sinne von „vergessen“ oder das Wortpaar UYOC und [WEJ, das den vollkommenen Einsatz des Menschen, z.B. für das Gesetz, unterstreicht (2Makk 7,37; 14,39; 15,30). In 1Chr 28,1 findet die Versammlung aller Beamten Israels um den König David statt, RGTK VQ UYOC VQW DCUKNGYL, womit nicht die Person des Königs selbst, sondern seine leibliche Präsenz und die Macht, die diese ausstrahlt, gemeint ist. Relevant ist auch die Bedeutung von UYOC als „Sklave“. Sie findet sich in absoluter Form an sieben Stellen: Gen 34,29; 36,6; 47,18; Neh 9,37; Tob 10,10; 2Makk 8,11 (2x). Zudem sei auf den Bezug von UYOC auf die Geschlechtsteile des Mannes (Lev 15,3) und der Frau (Lev 15,19) verwiesen. Dass es sich um einen Teil des Leibes handelt, wird durch die Anmerkung in Lev 15,16 bestätigt, wo es heißt, man soll RCP VQ UYOC waschen. 1.2 Die nichtpaulinischen Stellen des Neuen Testaments Der Gebrauch von UYOC in den nichtpaulinischen Schriften des Neuen Testaments folgt dem oben dargestellten semantischen Schema. UYOC bezeichnet den menschlichen Leib als eine Einheit (Q=NQP VQ UYOC) aus verschiedenen Gliedern (Mt 5,29–30; Mt 6,22//Lk 11,34–36 und Jak 2,16; 3,3.6), den Leib als Objekt verschiedener Handlungen (kleiden: Mt 6,25//Lk 12,22–23; salben: Mt 26,16//Mk 14,2; töten: Mt 12,28//Lk 12,4;27 lieben: Eph 5,28; unter strenger Disziplin halten: Kol 2,23 und waschen: Hebr 10,22). Die Salbung Jesu ist eine Prämisse seines Todes, weil sie die Salbung einer 27 Auffällig ist der Unterschied zwischen den zwei Parallelstellen. Der Dualismus in Mt 12,28 zwischen dem UYOC das getötet werden kann, und der [WEJ, die nicht getötet werden kann (außer in der Gehenna), wird in Lk 12,4 beigelegt: OJ HQDJSJVG CXRQ VYP CXRQMVGKPQPVYP VQ UYOC MCK OGVC VCWVC OJ GXEQPVYP RGTKUUQVGTQP VK RQKJUCK.

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Leiche symbolisiert. An vielen Stellen der Passionsgeschichte in den vier Evangelien bedeutet UYOC ausschließlich „Leiche“ (Mk 15,43; Mt 27,52. 58.59; Lk 23,52.53; 24,3.23; Joh 19,38.40; 20,12). Das Johannesevangelium verwendet den Begriff nur mit dieser Bedeutung, mit Ausnahme von Joh 2,21, wo der Spruch aus der Tradition des PCQL VQW UYOCVQL zitiert wird, was wiederum auf Tod und Auferstehung Jesu hindeutet. Die Bedeutung „Leiche“ oder „Opferleib“ ist auch an anderen Stellen zu finden (Apg 9,40; Kol 1,20; Hebr 10,5.10; Jak 2,26; 1Petr 2,24, Jud 1,9). In der Formel des letzten Abendmahls Jesu mit seinen Jünger weist UYOC auf den Leichnam Jesu hin, der geopfert wird. In Lk 17,37 sind auch Leichen von Tieren gemeint, ebenso in Hebr 13,11. In Hebr 13,3 begründet das Sein GXP UYOCVK der Christen die Solidarität gegenüber Gefangenen und Misshandelten. In Apk 18,13 werden mit UYOCVC Sklaven in einer Liste von Waren und Besitztümer bezeichnet, in Mk 5,29 die Gebärmutter. Die Leibmetaphorik hinsichtlich der Kirche in den Deuteropaulinen geht auf Paulus zurück. 1.3 Ansätze zu einer Definition des UYOC bei Paulus Die Definition des UYOC bei Paulus und seine Relevanz für die paulinische Theologie bleibt trotz der langen Diskussion in einigen Punkten den Thesen Bultmanns verhaftet. Vor allem herrscht ein gewisser Konsens hinsichtlich der Vorstellung, dass UYOC im Gegensatz zu UCTZ neutral oder gar positiv zu bewerten ist.28 Ein erster Diskussionspunkt ist nun diese neutrale Behandlung von UYOC. Die neutrale Bewertung leitet sich aus der anthropologischen Erklärung bei Bultmann ab, nach der das UYOC der neutrale Raum ist, in dem die existentielle Entscheidung über die Eigentlichkeit des menschlichen Seins stattfindet. Die Kritik Käsemanns an Bultmanns Interpretation leitet sich aus der allgemeinen Erkenntnis her, dass kein Bereich des Humanums nach biblischer Sicht neutral sein kann, sondern dieses als Ganzes böse ist. Das UYOC partizipiert an der Sündhaftigkeit des Menschen und kann keine Ausnahme bilden. Käsemanns Argument gründet sich allerdings auf eine allgemeine biblische Vorstellung und hat keine philologische Basis, weder bei Paulus noch in seiner Umwelt.29 Käsemanns Kritik wurde eigentlich nicht rezipiert. Die Revision von Bultmanns Thesen in den 70er 28 Vgl. z.B. F. Lange, die Briefe an die Korinther, 85: „Leiblichkeit und Sexualität sind positiv gewertete und mit Dank empfangene Gottesgaben“. Paulus’ Position basiert nach Lange auf dem Schöpfungsgedanken, wodurch er die Extreme einer Vergöttlichung bzw. eine Verteufelung des Leibes vermeiden kann. Gott ist der Schöpfer (und kein Demiurg), aber er unterscheidet sich von seinem Geschöpf. 29 Ein Grund dafür, dass Käsemanns Kritik in diesem Punkt nicht rezipiert wurde, ist m.E. auch eine gewisse Inkonsistenz in der Argumentation.

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Jahren beschränkte sich auf die individuelle Dimension des Begriffs. Die Wiedergabe von UYOC als „Person“ oder „Persönlichkeit“, die sich auf diese Bewertung stützt, ist auch in der aktuellen Forschung sehr verbreitet. U. Schnelle unterscheidet einen neutralen Gebrauch30 von UYOC als körperlicher Beschaffenheit, einen negativen (z.B. Röm 6,6) und einen positiven (1Kor 6,13 der Leib ist mehr als das Essen). Die Frage, weshalb derselbe Begriff drei verschieden Konnotationen haben kann, eine neutrale, eine positive und eine negative – was die eigentliche Kernfrage bei der Definition von UYOC ist – beantwortet Schnelle mit der Vorstellung von einem Verderben des UYOC durch die sündige UCTZ: „UYOC ist der Mensch selbst, die UCTZ hingegen eine fremde, ihn beanspruchende Macht“.31 J. Dunn bezieht eine ähnliche Position, in der die radikale Unterscheidung von UYOC und UCTZ als entgegengesetze Größen die notwendige Bedingung für eine Erklärung des paulinischen Gebrauchs ist. „Paul, however, made a clear distinction between the two words. In simplifying terms, the spectrum of meaning for soma is for the most part morally neutral, the spectrum of meaning of sarx for the most negative“.32 Wenn die Neutralität des UYOC postuliert wird, folgt daraus eine „Verschlechterung“ unter dem Einfluss der UCTZ. Dies entspricht erneut dem Schema, das zunächst die idealistische Exegese und anschließend R. Bultmann vertreten haben. Bultmann korrigiert die Unterscheidung von UYOC und UCTZ als Form und Substanz und ersetzt diese durch die Definition von UYOC als Verhältnis zu sich selbst. Nach R. Bultmann ist der Mensch UYOC, „sofern er sich selbst zum Objekt seines Tuns machen kann oder sich selbst als Subjekt eines Geschehens, eines Erleidens erfährt“.33 Nicht nur der Spielraum dieses Selbstverhältnisses und das Loslösen von jeglicher Determinierung, sondern auch die Subjekt-Objekt-Beziehung erfordern eine Überprüfung anhand der paulinischen Texte und der griechischen Literatur. Bultmann selbst versteht seine Definition mehr als hermeneutische Interpretation und als Versuch vom heutigen Menschen zu sprechen, denn als historische Rekonstruktion des paulinischen Gedankens. Eine Schwäche der bultmannschen Definition liegt in eben dieser Distanz zur Begrifflichkeit der Antike. Die einzige Studie, die Bultmanns Thesen philologisch verteidigt, kommt von K. Grobel. Da eine neutrale Bewertung des UYOC in den griechisch-paganen Texten schwer zu beweisen ist, sucht er in der Septuaginta nach Beispielen für das Vorkommen von UYOC. Darin unterscheidet er 30 U. Schnelle, Paulus, 566–568 und Neutestamentliche Anthropologie, 66. 31 U. Schnelle, Paulus, 568, und wörtlich auch ders., Neutestamentliche Anthropologie, 67. 32 J. Dunn, The Theology of Paul the Apostle, 71. Dies wird schematisch auf S. 72 dargestellt: UYOC ist einem Bereich des Positiven und UCTZ einem Bereich des Negativen zugeordneten, die sich in der Mitte kreuzen. 33 R. Bultmann, Theologie des Neuen Testaments, 196.

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drei Hauptbedeutungen von UYOC: 1) „Leiche“ von Menschen und von Tieren; 2) „Leib“ des Menschen (mit Ausnahme von Hi 40,27.32; 41,15, wo der Begriff den Leib des Leviathan bezeichnet); 3) „Person“, „Selbst“. Als Beispiele für letztere Bedeutung erwähnt er die Stellen, in denen UYOC „Sklave“ bedeutet (Gen 36,6, Tob 10,1034 (B) 3Kön 14,9). In Hi 36,28 ist der Satz FKCNNCUUGVCK UQW JB MCTFKC CXRQ UYOCVQL nach Grobel ein Beweis für das „cognitional extrangement of the self from itself“,35 wobei das UYOC sich als Objekt von der MCTFKC entfremdet fühlt. Es erscheint mir aber wahrscheinlicher, dass hier anstelle dieser Entfremdung des Selbst eine bildliche Beschreibung der Bewunderung, in der das Herz sich vom gesamten Leib trennt, dargestellt ist. Grobels Ziel ist es zu beweisen, dass UYOC in der LXX im Sinne von „Person“ benutzt wird, was in einigen Fällen zutrifft. Die Frage ist allerdings nicht, ob der Begriff das Individuum als solches und nicht seinen Leib bezeichnet, sondern, ob dieses Individuum als autonomes, frei handelndes Wesen angesehen wird. Selbst die Tatsache, dass UYOC hier parallel zu einem Personalpronomen verwendet wird, ist kein überzeugendes Argument. Auch in diesem Fall ist die mit UYOC bezeichnete Person meist von anderen abhängig und wird als Objekt verstanden.36 R.H. Gundry stellt in der LXX dieselbe Vorstellung von UYOC fest, die in den übrigen griechischen Schriften vorherrscht: Es bezeichnet den Menschen als Objekt und als Sklaven, meint den physischen Leib, nicht aber die Person.37 Indem Gundry jedoch die ausschließlich physische und 34 Tob 10,10: CXPCUVCL FG 4CIQWJN GFYMGP CWXVY^ 5CTTCP VJP IWPCKMC CWXVQW MCK VC J=OKUW VYP WBRCTEQPVYP UYOCVC MCK MVJPJ MCK CXTIWTKQP. Diese Version aus dem Codex Vaticanus unterscheidet sich vom Sinaiticus, der an dieser Stelle von UYOCVC RCKFCL MCK RCKFKUMCL spricht, was aber semantisch eine Bestätigung der Bedeutung von UYOC als Sklave ist. 35 K. Grobel, 5YOC als „Self“, „Person“ in the Septuagint, 57–58. 36 Beispiele im Fall der LXX sind Gen 47,18 und Neh 9,37. An beiden Stellen steht UYOC parallel zu einem Personalpronomen, aber der Zusammenhang zeigt, dass UYOC eine besondere Valenz hat. In Gen 47,19 bietet Joseph dem Pharao das Land MVJUCK JBOCL MCK VJP IJP JBOYP CXPVK CTVYP MCK GXUQOGSC JBOGKL MCK JB IJ JBOYP RCKFGL )CTCY.und sich selbst als Sklaven an (parallel zu UYOC in Gen 47,18). R. H. Gundry, Soma in Biblical Theology, 17, beobachtet, dass das hebräische Original für UYOC im Sinne von „Leiche“ oft WnteÞY"wIG verwendet wird. In Neh 9,37 steht der Begriff in einem Kontext, in dem die Situation der Knechtschaft Israels beschrieben wird. Ein weiterer Beweis, dass UYOC den Sklaven bezeichnet: Neh 9,36–37 KXFQW GXUOGP UJOGTQP FQWNQK MCK JB IJ J?P GFYMCL VQKL RCVTCUKP JBOYP HCIGKP VQP MCTRQP CWXVJL VQKL DCUKNGWUKP QKL GFYMCL GXH8 JBOCL GXP CBOCTVKCKL JBOYP MCK GXRK VC UYOCVC JBOYP GXZQWUKC\QWUKP MCK GXP MVJPGUKP JBOYP YBL CXTGUVQP CWXVQKL MCK GXP SNK[GK OGICNJ^ GXUOGP. K. Grobel, 5YOC als „Self“, „Person“ in the Septuagint, 56, zitiert beide Stellen als Beweis für eine ganzheitliche Bedeutung des Begriffes im Sinne von „Person“, lässt aber die passive Bedeutung des Terminus dabei außer Acht. Dieser passive Gehalt passt nicht zu Bultmanns Vorstellung, nach der der Mensch als UYOC zu einer autonomen Entscheidung fähig sein muss. 37 R.H. Gundry, Soma in Biblical Theology, 16–23. Er analysiert die von Grobel angeführten Stellen und findet keinen Anlass zu einer Übersetzung mit „Person“, vgl. 23: „we conclude that the LXX offers no convincing support for a definition of soma as the whole person“.

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materielle Bedeutung des UYOC bei Paulus in den Mittelpunkt stellt, lässt er die wichtige Bedeutung von UYOC als unselbständiger Person außer Acht. UYOC bezeichnet ohne Zweifel den materiellen Leib des Menschen, aber bei Paulus steht neben der materiellen Beschaffenheit des Leibes der wichtigere Aspekt der Abhängigkeit und der Passivität, der im Begriff „Leib“ enthalten ist. Hier ist ferner die Definition von H. Weder zu nennen, die ebenso wie die oben genannten Beispiele von einer positiven Konnotation des Leibes ausgeht. Nach Weder teilt Paulus nicht die Vorstellung von einer Abwertung des Leibes, wie sie im dichotomischen und trichotomischen Menschenbild vorherrscht, sondern hat eine neutrale Vorstellung. Auch seine Definition gründet sich auf Bultmanns Definition; er versucht, an die Stelle des Verhältnisses des Menschen zu sich selbst ein Verhältnis des Menschen zu Gott zu setzen: „Leib ist der Mensch, sofern er ein Verhältnis zu Gott hat, beziehungsweise richtiger gesagt: sofern Gott ein Verhältnis zu ihm hat“.38 In dieser Hinsicht ist Bultmanns Individualismus nicht völlig reziprok, weil seiner Definition ein Bezug zu den Mitmenschen fehlt. In Weders Lösungsvorschlag wird dem Leib grundsätzlich eine kognitive Valenz zugeschrieben, die durch die Kategorie des Wortes Gottes erläutert wird. Die Hauptpunkte seiner Interpretation sind folgende: „Der Leib Jesu ist das reine Wort Gottes“,39 und „die Kirche ist der Leib Christi, sofern sie der Raum ist, in welchem das Hören auf das Wort Gottes stattfindet“.40 Das Hören auf das Wort Gottes ist nach Weder hilfreich, wenn man den Unterschied des gegenwärtigen Leibes zum auferstandenen ausdrücken will. Die wahre Leiblichkeit, die der Mensch bei der Auferstehung erhalten wird, wird verwirklicht, wenn man das „reine Wort Gottes dereinst ungestört vernehmen kann“;41 die gegenwärtige Leiblichkeit hingegen beinhaltet ein durch die weltlichen Verhältnissen bedingtes Vernehmen des Wortes Gottes. Diese kognitive Definition der Leiblichkeit erweist sich als fraglich, wenn aber man die paulinischen Ausdrücke von der Erlösung vom Leib und von der Niedrigkeit des Leibes berücksichtigt. Nach Weder liegt die Niedrigkeit des Leibes in dem Versuch, sich durch Selbstbeherrschung von der Bedingtheit des Leibes zu befreien.42 38 M. Krieg/H. Weder, Leiblichkeit, 45. 39 M. Krieg/H. Weder, Leiblichkeit, 39. 40 M. Krieg/H. Weder, Leiblichkeit, 47. 41 M. Krieg/H. Weder, Leiblichkeit, 46. 42 M. Krieg/H. Weder, Leiblichkeit, 46: „Die Niedrigkeit des gegenwärtigen Leibes besteht vielmehr in der gelungenen oder versuchten Körperbeherrschung, welche mir den Wahn ermöglicht, von der Bedingtheit losgekommen zu sein und loskommen zu müssen“. Diese Definition, die im Rahmen des kognitiven Verständnisses formuliert wird, scheint mir aber zu theoretisch und entspricht nicht dem Sinn der paulinischen Begrifflichkeit. Weders Thesen erweisen sich mehr als eine systematische

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Als letztes Beispiel für eine positive Bewertung des UYOC bei Paulus scheint mir R. Kirchhoffs Definition geeignet, die UYOC als Status der männlichen Christen betrachtet, der als ethische Pflicht angesehen wird.43 Diese Definition wird in der Exegese von 1Kor 6,12–20 formuliert, um das ethische Verbot des Paulus gegen den Verkehr mit Prostituierten zu bekräftigen. Eine Parallele zum paulinischen „gegen den Leib sündigen“ findet Kirchhoff bei Aeschines (I,195). Diese Definition sowie die Stelle bei Aeschines werde ich bei der Exegese der paulinischen Stelle im Einzelnen diskutieren. Ein zweiter wichtiger Aspekt der Definition von UYOC bei Paulus ist sein Bezug auf die Gemeinschaft. Käsemann versuchte den Individualismus der Definition Bultmanns durch ein wichtiges Konzept zu überwinden, indem er von UYOC in Sinne von Kommunikation mit der Schöpfung und der Menschheit redete: Will man das ontologisch definieren, ist festzustellen, Leiblichkeit sei das Wesen des Menschen in seiner Notwendigkeit, am Kreatürlichen zu partizipieren, und in seiner Fähigkeit zur Kommunikation im weitesten Sinne, nämlich seiner Bezogenheit auf eine ihm jeweils vorgegebene Welt.44

Der Begriff „Kommunikation“ wird von J. Becker kritisiert und als zu modern und nicht nützlich für die Exegese der paulinischen Texte betrachtet.45 Die Vorstellung von Leiblichkeit als Selbstverhältnis verwirft Becker ebenfalls als eine neuzeitliche Konzeption. Für ihn ist Leiblichkeit „besonderer Ausdruck seiner Geschöpflichkeit […], weil das heißt […] der Mensch in seiner Leiblichkeit ist eingebunden in den Gegensatz von Gehorsam und Ungehorsam, Leben und Tod“. Kurz darauf schreibt Becker noch: „Leiblichkeit scheint also Signal grundlegender Abhängigkeit (1Kor 4,7) und daraus eigentlich geschuldetem antwortenden Gehorsams zu sein“.46 In Beckers Definition ist aber letzterer Aspekt problematisch. Der Gehorsam und daher die Hingabe des Leibes an den Herrn gründet sich bei Paulus nicht auf eine Qualität der Leiblichkeit selbst, sondern basiert theologisch auf dem neu erworbenen Zustand des durch Christus befreiten Menschen. Wenn man, wie Becker es tut, in der Leiblichkeit als solcher die Dialektik Leben – Tod, Gehorsam – Ungehorsam sieht, betrachtet man erneut den Leib als neutralen Raum, in dem sich entgegengesetzte Mächte bekämpfen. Interpretation der anthropologischen Begriffe denn als historische und philologische Darstellung der paulinischen Gedanken. 43 Die Definition findet sich bei R. Kirchhoff, Die Sünden gegen den Leib, 140. 44 E. Käsemann, Zur paulinischen Anthropologie, 43. 45 J. Becker, Paulus, 408: „Der Ansatz ist zu unspezifisch: nicht Kommunikation überhaupt ist des Paulus Sache, sondern der Stand des Menschen vor Gott ist sein Thema.“ 46 J. Becker, Paulus, 408.

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Für das Empfinden des ersten Jahrhunderts n.Chr. ist eine solche Neutralität unvorstellbar. UYOC beinhaltet die negative Konnotation von Passivität, Abhängigkeit und Tod, und so wird es von Paulus rezipiert und in seiner Theologie neu formuliert als eine Art Metamorphose, die durch Christus bewirkt wird. Was Käsemann allerdings mit Kommunikation meint, ist in seinen letzen Beiträgen eher durch eine passive Bedeutung gekennzeichnet, so etwa als Zugehörigkeit zu einem Kontext und als konsequente Bedingtheit der Existenz: „Leiblichkeit ist im weitesten Sinne der Stand in Kommunikation, konkreter die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Welt und den in ihr herrschenden Mächten.“47 Die Bedeutung von UYOC definiert Käsemann dann radikal im Sinne von Abhängigkeit im Gegensatz zur Selbstbestimmung. Der Mensch ist immer von jemandem oder von etwas beherrscht. Jeder kann in der Wirklichkeit seines Lebens nur einem Herrn gehören. So ist umgekehrt kein Mensch Herr im eigenen Haus. In der Sphäre der Leiblichkeit und nur in ihr entscheidet sich, was jeweils unser Herr ist. In Wahrheit ist also Selbstbestimmung eine Utopie. Niemand ist an sich und für sich da, niemand kann im Kampf um die Welt sich neutral verhalten, niemand sich emanzipieren. […] Der Mensch ist konstitutiv nie mündig, immer und überall fremdbestimmt.48

Die vorliegende Untersuchung vertieft durch philologische und semantische Belege den Ansatz Käsemanns, allerdings erweist sich das Stichwort „Kommunikation“ als inadäquat für UYOC, selbst wenn man den Sinn zu erweitern versucht. Kommunikation setzt eine aktive Handlung voraus, durch die das Individuum mit anderen in einer Wechselbeziehung steht. UYOC aber besitzt nicht diese aktive Funktion. 1.4 Der Gebrauch von UYOC bei Paulus In den paulinischen Briefen bezeichnet sw/ma zuerst die individuelle, leibliche Anwesenheit (1Kor 5,3; 2Kor 10,6), wie sie in alltäglichen Begegnungen zu erfahren ist. Nur ein besonderes Ereignis wie etwa eine Entrückung wirft die Frage auf, ob es sich um eine leibliche oder eine nicht leibliche Erfahrung handelt (2Kor 12,2–3). Ansonsten ist der Leib in seiner Realität die Basis für jede Kommunikation mit den Mitmenschen und für jedes konkreten Wirken. 1Kor 5,3 spricht von einer „leiblichen“ Abwesenheit 47 Der Text wird aus dem deutschen Originalmanuskript zitiert, die italienische Übersetzung findet sich in: E. Käsemann, La nozione di „corpo“, S. 10: „[…] corporeità, nel senso più ampio, è una situazione di comunicazione, più concretamente è l’appartenenza a un determinato mondo e alle potenze che in esso hanno il dominio.“ 48 E. Käsemann, La nozione di „corpo“, 11.

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und von einer „geistlichen“ Anwesenheit: CXRYP VY^ UYOCVK RCTYP FG VY^ RPGWOCVK. Die Anwesenheit im Geiste ist daher eine unvollkommene Art, in der Gemeinde zu wirken und sich den von ihr gestellten Fragen zu stellen. 2PGWOC und UYOC stehen hier nicht in einem dualistischen Gegensatz zueinander, sondern beschreiben zwei Aspekte des menschlichen Seins: Dies bestätigt auch 1Kor 7,34: CBIKC MCK VY^ UYOCVK MCK VY^ RPGWOCVK ist ein Anspruch auf Vollkommenheit. Auch das trichotomische Schema in 1Thess 5,23 mit seiner Unterscheidung von RPGWOC [WEJ und UYOC ist nicht als hierarchische Einordnung der anthropologischen Teile des Menschen zu interpretieren, sondern ist vielmehr eine in der Umwelt verbreitete Unterscheidung, die die Totalität des Menschen ausdrückt: QBNQMNJTQP WBOYP. Die Besonderheit des paulinischen Gebrauchs von UYOC liegt in der Verbindung der Anthropologie mit der Eschatologie, der Ekklesiologie und der Ethik. Das erschwert die Aufgabe einer Einordnung der verschiedenen Bedeutungen. Eine zentrale Stellung nimmt die Antithese zwischen der irdischen Existenz und dem Zustand im Eschaton ein, die beide mit dem Begriff UYOC gekennzeichnet werden: VQ UYOC VJL VCRGKPYUGYL JBOYP/ VQ UYOC VJL FQZJL CWXVQW (Phil 3,21) und UYOC [WEKMQP/ UYOC RPGWOCVKMQP (1Kor 15,44).49 Die einzigen Beispiel für eine beinahe dualistische Distanzierung vom UYOC bilden die Ausdrücke GXMFJOJUCK GXM VQW UYOCVQL (für das postmortale Geschehen) (2Kor 5,6) und GXPFJOJUCK GXP UYOCVK (irdischer Zustand) (2Kor 5,8). Dies bedeutet aber kein Ausschließen der Dimension des UYOC aus dem Auferstehungsgeschehen. In 2Kor 5,1–10 liegt dieselbe qualitative Steigerung vor wie bei den oben genannten Stellen (Phil 3,21; 1Kor 15,44), die die leibliche Existenz betreffen (metaphorisch: Zelt – Gebäude; Anziehen – Überziehen). Die Nacktheit der Seele, die eine dualistische Anthropologie voraussetzen würde, wird von Paulus an dieser Stelle bekämpft. Dass UYOC im Mittelpunkt der Antithese zwischen der Existenz in der Gegenwart und der Existenz im Eschaton steht, ist nicht als eine Eigenschaft des UYOC anzusehen. Die Lösung, die die idealistische Exegese und Bultmanns existentiale Auslegung anbieten, liegt in der Sichtweise von UYOC als neutralem Begriff, der als „Form“ oder als „eigentliches Ich“ eine Kontinuität zwischen irdischer und postmortaler Existenz gewährleistet. Jedoch betont Paulus ausdrücklich, dass eine somatische Existenz im Eschaton allein durch das Wirken Gottes ermöglicht wird und auf der leiblichen Auferstehung Jesu Christi basiert. Das UYOC als solches ist hingegen sterblich. 49 Dies ist die synthetische Formulierung einer Antithese, die das gesamte Kapitel charakterisiert, z.B. auch durch analogische Aussagen wie die Metaphorik Samen – Pflanze (Leib) oder die Polarität UYOCVC GXRKIGKC und UYOCVC GXRQWTCPKC sowie letztendlich durch die Adam-ChristusTypologie.

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Diese Interpretation erklärt die Stellen, an denen UYOC in Zusammenhang mit dem Tod steht: Sie wurden bisher von der idealistischen Exegese als unklar betrachtet, waren aber in der Sprache und Denkweise der Griechen selbstverständlich, da UYOC eigentlich „Leiche“ bedeutet. Die Stellen finden sich im Römerbrief: Röm 6,12 GXP VY^ SPJVY^ WBOYP UYOCVK; Röm 7,24 GXM VQW UYOCVQL VQW SCPCVQW VQWVQW; Röm 8,10 VQ UYOC PGMTQP; Röm 8,11 VC SPJVC UYOCVC WBOYP. Sie beinhalten neben der allgemeinen Erkenntnis der Macht des Todes über den Leib (die sich klar in der Bedeutung „Leiche“ widerspiegelt) den wunderbaren Charakter der Erlösung, die diese Macht besiegt. Auch in Röm 4,19 ist wieder die gleiche Dynamik zu finden – obwohl VQ GBCWVQW UYOC PGPGMTYOGPQP hier die Zeugungsfähigkeit Abrahams bezeichnet. Abraham glaubt gegen alle Vernunft an die Wirkungskraft Gottes, der den sterblichen Leib überwindet. Der Ausgangspunkt der Definition von UYOC ist eben dieser: Der Begriff beschreibt den Menschen als sterblich und inaktiv, der aber durch die Erlösung ein neues Verständnis erhält. Die Basis für die paulinische Definition von UYOC ist daher nicht positiv, sondern gemäß der Kultur seiner Zeit eher negativ; der Unterschied besteht in der Dynamik der Erlösung, in dessen Mittelpunkt der Tod und die Auferstehung Christi stehen, und dies ermöglicht eine für die Antike radikal neues Verständnis von UYOC. Die inaktive Bedeutung von UYOC ist verknüpft mit dem Bedeutungsgehalt des Sklaven. Dieser liegt auch 1Kor 6,12–20 zugrunde, wo der Leib des Menschen als Eigentum Christi bezeichnet wird (1Kor 6,13 VQ UYOC VY^ MWTKY^) und ein „Loskaufen“ des Menschen angedeutet wird (1Kor 6,20). Aber auch die Argumente in Röm 6 und die Bezeichnung UYOC VJL CBBOCTVKCL wären nicht verständlich, wenn nicht ein Besitzanspruch auf den Menschen ähnlich wie auf einen Sklaven vorausgesetzt würde. Eine Besonderheit des paulinischen Gebrauchs des Begriffs im Vergleich zur Septuaginta ist die kollektive Bedeutung des UYOC für die Kirche, die sich der hellenistischen Leibmetaphorik annähert. Grundlegend ist hier der Ausdruck G?P UYOC, der eine Einheit von zwei oder mehreren Teilen bezeichnet (1Kor 6,16; 10,17; Röm 12,5). Die ekklesiologische Bedeutung lässt sich in Röm 12; 1Kor 10,17; 1Kor 11,29; 1Kor 12 feststellen. Sie macht in der nachpaulinischen Literatur eine besondere Entwicklung durch, wo sie die anthropologische Überlegung völlig ersetzt. Die eucharistischen Texte, in denen UYOC eigentlich den am Kreuz geopferten Leib Christi bezeichnet50 (1Kor 10,16; 11,24; 11,27), dienen Paulus als semantische 50 Grundlegend für diese Bedeutung ist Röm 7,4, wo VQ UYOC VQW &TKUVQW ohne Zweifel den Opferleib Christi bezeichnet, unter dem Gesichtspunkt des stellvertretenden Todes. Die Verbindung zwischen diesem Text und den Abendmahlstexten scheint mir gerade in 1Kor 11,24 zu liegen, nämlich in dem Ausdruck VQ UYOC VQ WBRGT WBOYP.

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Brücke zwischen dem Tod Christi und der konstituierten Gemeinde, die sich zur Abendmahlfeier versammelt. Zusammenfassend lässt sich sagen: Paulus übernimmt die semantische Konnotation der Antike, nach der UYOC etwas Inaktives und Unselbstständiges ist. Wenn der Mensch als UYOC bezeichnet wird, geschieht dies, um seine Abhängigkeit zu betonen, den Zustand der Abhängigkeit von anderen, die über ihn wie über einen Sklaven oder einen Soldaten bestimmen. Die Häufigkeit, mit der das semantische Feld der Sklaverei bei Paulus vorkommt, zeigt, wie ernst er den Aspekt des Fallens unter die Abhängigkeit von etwas oder von jemandem nimmt. Der Mensch als UYOC läuft stets Gefahr, von irgendwelchen Mächten bestimmt zu werden. Dies ist der Ausgangspunkt jeder Rede über die Freiheit. Die Besonderheit des paulinischen Denkens im Vergleich zu den antiken Autoren liegt aber in der Perspektive der Verwandlung dieser Beschaffenheit des UYOC. Der Mensch als sterbliches und versklavtes Wesen kann befreit werden und konstruktiv handeln. Dies geschieht mit der Erlösung durch Christus, die einen weiteren Aspekt mit sich bringt: die Konstruktivität des UYOC. Exegese von 1Kor 6, 12–20

2. Das UYOC als Grenze eines bindungslosen Freiheitsverständnisses: Exegese von 1Kor 6,12–20 Das Thema der Perikope ist der Umgang mit Prostituierten,51 eine in der antiken Ethik kontrovers diskutierte Gewohnheit,52 die aber anscheinend 51 Die Bedeutung von RQTPGKC in diesem Text ist umstritten; der Begriff wird als „umfassende Bezeichnung für verbotene sexuelle Handlung“ definiert (zitiert aus: Kirchhoff, Die Sünde, 35; siehe auch Dautzenberg, )GWIGVG VJP RQTPGKCP, 285), wie es in der jüdischen Ethik üblich war, oder als Verkehr mit Prostituierten. Weitere Hypothesen, die kürzlich wieder vorgeschlagen worden sind, legen RQTPGKC als Tempelprostitution oder mit Bezug auf die Unzucht in 1Kor 5,1–5 aus. B.S. Rosner, Temple Prostitution, versteht RQTPGKC wegen der vielen Hinweise in den paulinischen Texten auf sakrale Terminologie und auf die Gefahr des Götzendienstes als Tempelprostitution. Einleuchtend sind für ihn das Zitat in 1Kor 10,7–8 von Ex 32,6, in dem die RQTPGKC als Götzendienst gebrandmarkt wird, und der Parallelismus der Imperative in 6,18 und in 10,14. Eine solche Form der Prostitution fand bei den Gastmahlen im Tempel statt. Es gibt aber keine historischen Belege, die diese Hypothese unterstützen. Mit RQTPGKC ist hier in 1Kor 6,12–20 in erster Stelle der Verkehr mit einer Prostituierten gemeint und nicht allgemein jede „moralwidrige sexuelle Beziehung“. Sehr originell ist der Versuch von W. Deming, The Unity of 1 Corinthians 5–6, die Themen der zwei Kapitel auf den einzigen Fall in 5,1–5 zurückzuführen (einschließlich der Gerichtsverfahren in 1Kor 6,1–11). Er beantwortet so die Frage nach der Bedeutung der RQTPGKC: „the answer may simply be that the stepmother was selling her services as a prostitute“ (306). Die nachweisbaren Belege dafür, dass das Wort in der jüdischen Paränese eine weitere Bedeutungspalette hatte, die auch bei Paulus zu finden sei, können nicht als Argumente für eine weiter gefasste Bedeutung von RQTPGKC gebraucht werden. Zwei Gründe scheinen mir überzeugend, um diesen Text als Streitgespräch über die Prostitution zu bewerten: 1) der Bezug auf den Sklavenkauf (die

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von den meisten Korinthern als CXFKCHQTQP angesehen wurde oder zumindest keine große Schwierigkeit bereitete. In der Hafenstadt Korinth war, ebenso wie in allen größeren Städten, der Besuch von Prostituierten angeblich für alle Schichten der Gesellschaft normal. Ihre Berühmtheit als Stadt der sakralen Prostitution im Tempel der Aphrodite mit tausend Hierodulen, von der Strabo53 berichtet, ist allerdings als eine zum Teil unglaubwürdige Nachricht zu betrachten. Auch die Stellungnahme des Paulus spricht eher dagegen, denn er polemisiert hier nicht gegen den Götzendienst, sondern argumentiert vielmehr ohne einen Ton des Tadels und ohne die Prostituierten als listige Verführerinnen zu brandmarken, mit ruhiger Argumentationskraft, um die konkreten Folgen solchen Verhaltens aufzuzeigen.54 Die wichtigste Frage, vor die dieses Kapitel den Exegeten stellt, betrifft die Bedeutung des häufig vorkommenden Wortes UYOC in diesem Zusammenhang und dessen Einordnung in das paulinische Menschenbild. Da der Begriff UYOC eine wichtige Rolle in der Argumentation des Paulus spielt, ist es gerade durch die Analyse dieses Textes möglich, sich einer Definition anzunähern. Die paulinische Grundthese, auf die die Argumente sich beziehen, ist folgende: Das UYOC gehört nicht der RQTPGKC, es ist nicht gleichgültig, was mit dem Leib und dem Leiblichen geschieht. 2.1 Literarische Analyse 2.1.1 Kontext Die Perikope ist mit dem Kontext durch zwei Hauptthemen verbunden, die im Text zusammenfließen. Das erste Thema, das 1Kor 6,12–20 mit den vorangehenden Kapiteln verknüpft, ist die Heiligkeit der Gemeinde und die Gefahr, diese anzutasten. Schon in 1Kor 3,16 ist die Auffassung enthalten, dass die Gemeinde als PCQL SGQW nicht verdorben (HSGTGKP) werden kann. Korinther angesichts eines Einzelfalls von sexueller Verfehlung in der meisten Prostituierten waren Sklavinnen), 2) Die Erwähnung eines Preises (als Pendant zu dem Preis, den man für den Verkehr bezahlen musste). 52 Die unklare Haltung der griechisch-römischen Kultur gegenüber der Prostitution wird von V. Vanoyeke, La prostitution, 77, prägnant zusammengefasst: „Comme les Grecs, les Latins considèrent la prostitution comme une nécessité, un remède pour la sécurité de leurs épouses. Les prostituées préservent la morale et la fidélité des matrones. Les Romains encouragent une institution dont ils pensent qu’elle est l’un des meilleurs garants de l’honneur et de la famille“. 53 Str. VIII, 6,20. 54 J. Weiß, Der erste Korintherbrief, 156–7, unterstellt einen Unterschied zu 5,1–6,11, wo ein tadelnder Ton vorherrsche. Er sieht darin ein Argument dafür, dass man sie als Teile von verschiedene Briefen betrachten muss. Ich denke hingegen, dass dieser Unterschied ein Merkmal von zwei Teilen ein und desselben Briefes ist. Mit 6,12 beginnt meiner Meinung nach eine komplexere Diskussion über die GXZQWUKC als einem konkreteren Fall von Immoralität.

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Gemeinde aufgefordert werden, „den alten Sauerteig zu reinigen“, denn auch eine kleine Portion kann auf den ganzen Teig wirken. Nach dem Lasterkatalog 1Kor 6,11 kehrt die kultische Sprache mit den Worten „gewaschen“ und „geheiligt“ durch Jesus Christus wieder. Diese kultischen Vorstellungen finden sich auch in unserem Text in einer neuen Anwendung der Metapher des Tempels Gottes auf das UYOC. Der zweite Punkt betrifft die Bedeutung der Begriffe GXZQWUKC GXNGWSGTKC, die den Text mit den folgenden Kapiteln verknüpfen. Die Diskussion über die Freiheit umfasst zwei Bereiche, von denen oft in den ethischen Traktaten der damaligen Zeit die Rede ist, Nahrung und Sexualität. Die zwei Bereiche stehen schon in V. 13 nebeneinander55 und laufen in den folgenden Kapiteln immer parallel. Gleich im Anschluss an den Satz in V. 12 RCPVC OQK GZGUVKP werden in V. 13 die zwei Bereiche, in denen sich die GXZQWUKC manifestiert, dargestellt: die Nahrung (MQKNKC – DTYOCVC) und die Sexualität (UYOC – RQTPGKC). Die Inkompatibilität zwischen diesen beiden Größen ist das Thema der Argumente in V. 15–20. In 1Kor 7 ist die Rede von GXZQWUKC in der Ehe, wobei sich die Reziprozität der GXZQWUKC unter den Ehepartnern verwirklichen soll. In 1Kor 8 und 10 kommt in verschiedenen Akzentuierungen erneut das Thema der Freiheit hinsichtlich der Nahrung und der Teilnahme an den Götzenmählern vor. Im 1Kor 9 treffen sich in der paulinischen Apologie die beiden Bereiche der Freiheit hinsichtlich des Essens und hinsichtlich der Sexualität: Unter dem Stichwort Essen wird hier vom Unterhalt des Apostels gesprochen: „Haben wir keine Vollmacht zu essen und zu trinken? Haben wir etwa keine Vollmacht, eine Schwester als Ehefrau mitzuführen …?“ (1Kor 9,4–5a). Diese Zusammenhänge und Variationen des gleichen Themas zeigen, dass mit 1Kor 6,12 ein neuer Briefteil anfängt, der bis 1Kor 11,1 geht. Die Wiederholung des Satzes RCPVC OQK GZGUVKP 1Kor 10,23 markiert das Ende des Briefteils und bildet mit 6,12 eine inclusio. 1Kor 10,21–11, 1 ist ein neuer Kommentar zum Begriff des Nützlichen (UWOHGTQP). 2.1.2 Syntaktische Analyse Die syntaktische Gestalt des Textes lässt sich in drei klar begrenzte Abschnitte unterteilen: I) V. 12 Die zweimalige Wiederholung des Satzes RCPVC OQK GZGUVKP sowie die zwei CXNN8 QWXM-Sätze sind parallel formuliert und bilden eine in sich geschlossene Einheit.

55 Einige Exegeten fragen sich, warum Paulus hier von der Nahrung spricht, so z.B. A. Lindemann, Der erste Korintherbrief, 146; die meisten halten dies für ein Zitat einer in der korinthischen Gemeinde verbreiteten Parole.

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II) V. 13–14. Die Verse sind chiastisch aufgebaut; zwei Größen werden – ohne Verb – in eine wechselseitige Relation gesetzt, darauf folgt ein Satz im Futur mit dem Subjekt Gott. Von dem engen Parallelismus hebt sich störend der Satz VQ FG UYOC QWX VJ^ RQTPGKC^ CXNNC ab, der sich als Beweisthema erweist. III) V. 15–20. Die Verse bilden die eigentliche Argumentation des Paulus gegen die RQTPGKC. Sie bilden eine untrennbare syntaktischen Einheit,56 die strukturell aus einer Kette rhetorischer Fragen (QWXM QKFCVG Q=VK) aufgebaut ist. Die Argumente werden durch rhetorische Fragen eingeführt, anschließend erweitert oder durch ein Zitat bestätigt und durch eine ethische Konsequenz im Imperativ abgeschlossen. Obgleich jedes Argument unterschiedlich gebildet ist, lassen sich dennoch alle unter demselben formalen Muster subsumieren:57 Einleitung QWXM QKFCVG Q=VK

QWXM QKFCVG Q=VK

J QWXM QKFCVG Q=VK

Argumente VC UYOCVC WBOYP OGNJ &TKUVQW GXUVKPq QB MQNNYOGPQL VJ^ RQTPJ^ G?P UYOC GXUVKPq

Erweitertes Argument CTCL QWP VC OGNJ VQW &TKUVQW RQKJUY RQTPJL OGNJ; (UQPVCK ICT HJUKP QKB FWQ GKXL UCTMC OKCP  (V. 17 QB FG MQNNYOGPQL VY^ MWTKY^ G?P RPGWOC GXUVKPq)

VQ UYOC WBOYP PCQL JXIQTCUSJVG ICT VKOJL> VQW GXP WBOKP CBIKQW RPGWOCVQL GXUVKP QW GEGVG CXRQ 3GQW MCK QWXM GXUVG GXCWVYP 

Imperative/Schluss OJ IGPQKVQ

HGWIGVG VJP RQTPGKCP (V. 18 RCP CBOCTVJOC Q? GXCP RQKJUJ^ CPSTYRQL GXMVQL VQW UYOCVQL GXUVKP> QB FG RQTPGWYP GKXL VQ KFKQP UYOC CBOCTVCPGK ) FQZCUCVG FJ VQP SGQP GXP VY^ UYOCVK WBOYP

56 Gegen R. Kirchhoff, Die Sünde, 106–108, die trotz einer genauen Textanalyse die V. 15– 20 in zwei Teile trennt: V. 15–17 und V. 18–20, und zwar mit folgender Begründung: „Der Imperativ HGWIGVG führt den dritten Argumentationsgang ein, den ein zweiter Imperativ (FQZCUCVG) in 20b schließt“ (108). Siehe auch B.N. Fisk, PORNEYEIN as Body Violation, 552: „Paul’s proihibitions of sexual immorality are sometimes blunt and negative (OJ IGPQKVQ 15c; HGWIGVG VJP RQTPGKCP 18a) and sometimes more subtle (FQZCUCVG FJ VQP SGQP 20b)“. Obwohl keine Konjunktion V. 18 mit V. 17 verbindet, liegt kein Bruch in der Argumentation vor, sondern das Asyndeton „insures a maximum rhetorical impact“ (553). 57 B. Fisk, PORNEYEIN, 551, schlägt eine ähnliche Gliederung der paulinischen Argumente vor: 1) V. 15; 2)V. 16–18; 3)V. 19–20. Auch bei ihm weist jedes Argument die gleiche Struktur auf: a) introd. statement/rhetorical question; b) Subject/predicate nominative; c) verb of Q=VK; d) explanation; e) inferential conjunction; f) inference/conclusion.

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MCK QWXM GXUVG GBCWVYP kann als eine vierte rhetorische Frage in kürzerer Form betrachtet werden, die sehr eng mit der vorangehenden Frage verbunden ist, die aber den Gedanken des Sklavenkaufes in Zusammenhang mit der kultischen Sprache (PCQL und FQZC\GKP) bringt. Die Behauptung, nach der die RQTPGKC eine Sünde gegen den eigenen Leib ist, hängt vom Imperativ ab und bekräftigt die imperativische Mahnung, der RQTPGKC zu entfliehen. Der paulinische Stil folgt dem Stil der Diatribe, wie die rhetorischen Fragen und der Ausdruck OJ IGPQKVQ beweisen. Interessant ist die von Fisk vorgeschlagene thematische Ausschilderung der drei Argumente: I) 6,15 „vertical inclusion with Christ“; II) 6,16–18 „horizontal unification with another“; III) 6,19–20 „internal occupation by the Spirit“. 2.1.3 Gliederung Die oben genannten syntaktischen Bemerkungen führen zu der folgenden Gliederung: V. 12 Überschrift über die GXZQWUKC V. 13–14 Beweisthema: Der Leib gehört dem Herrn (und der Herr ist für den Leib), nicht der Prostitution Argumente: 1) V. 15 Glieder Christi – indirekte Frage – OJ IGPQKVQ 2) V. 16–18 ein Fleisch/ein Leib - Zitat aus Gen 2,24 – Negativer Imperativ – („Fliehet …“) Sünde gegen das UYOC 3) V. 19–20 UYOC: Tempel des heiligen Geistes – Positiver Imperativ – („verherrlicht …“) 4) V. 19b Eigentum/Kauf 2.2 GXZQWUKC und UWOHGTQP Die Vermutung, nach der Paulus einige in der korinthischen Gemeinde verbreitete Parolen zu widerlegen beabsichtigt, ist trotz ihrer großen Akzeptanz in der Exegese58 unwahrscheinlich und in der Exegese nicht zu belegen. Näher liegt, dass Paulus hier wie in der ganzen Perikope ein rhetorisches Spiel mit konstruierten Parolen in dialogischer Form macht, um konkrete Umstände der Gemeinde darzustellen und zu bekämpfen. Es ist ihm 58 Im Text werden verschiedene Slogans der Korinther rekonstruiert: Der Satz RCPVC OQK GZGUVKP, die Gleichsetzung Nahrung – Geschlechtsverkehr, und auch die Behauptung, dass alle Sünde außerhalb des UYOC ist. Nach J.Murphy-O’Connor, Corinthian Slogans in 1 Cor 6,12–20, bestimmen die Slogans die Struktur des Textes.

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wichtig, im V. 12 die unerlässliche Dialektik einzuführen, die sein Freiheitsverständnis kennzeichnet, nämlich die zwischen einer Handlung als Ausdruck von Freiheit und den zu berücksichtigenden Konsequenzen für die Gemeinschaft und die Person selbst. Dieser letzte Aspekt wird durch den Gebrauch einer Passivform des Verbs GXZQWUKC\GKP verdeutlicht,59 die die Gefahr ausdrückt, sich von Menschen oder Dingen versklaven zu lassen. Während diese Passivform ohne Belege im griechischen Sprachgebrauch ist und daher eine paulinische Schöpfung sein könnte, zeugt die Erwähnung des UWOHGTGKP eindeutig von der Übernahme eines Terminus aus der stoischen Philosophie.60 Nach der stoischen Vorstellung wird das UWOHGTQP durch den rationalen Menschen erkannt, der, anders als die Tiere, die Welt als eine von Gott verwaltete Einheit betrachten kann, innerhalb derer er ein OGTQL61 ist. Das Zuträgliche und das Gute gehören in der ethischen Sphäre oft zusammen, wie schon Sokrates lehrte, ja es kann ohne das UWOHGTQP62 keine Frömmigkeit geben. Epiktet betont die rationale Fähigkeit des Menschen, das Nützliche zu erkennen und – im Gegensatz zu den Tieren – den Status eines RQNKVJL VQW MQUOQW MCK OGTQL63 zu erlangen. Daraus folgt mit Notwendigkeit, dass man nicht nach dem eigenen Nutzen sehen soll, sondern nach dem streben muss, was der ganzen Gemeinschaft zuträglich ist. An dieser Stelle verwendet Epiktet die Metapher des menschlichen Körpers und die hypothetische Vorstellung von einer Hand oder einem Fuß, die sich ohne Zweifel für den Dienst am ganzen Körper entscheiden würden.64 Das UWOHGTQP wird hier als gemeinsamer Nutzen verstanden, doch die Neigung des Menschen zum Eigennutz wird nicht verschwiegen – im Gegenteil, es wird eine Fülle von Beispielen gegeben, in denen Menschen ihren eigenen

59 Das Spiel GZGUVKP – GXZQWUKCUSJUQOCK ist eine Paronomasie, G. Hotze, Paradoxien bei Paulus, 73, der Gebrauch der ersten Person eine „simulatio“, 77. 60 W. Schrage, 1Korintherbrief, Bd. II, 19, vertritt die Ansicht, es handele sich um einen allgemein verbreiteten Begriff, der quer durch die meisten philosophischen Systeme und auch in jüdischen Schriften zu finden ist. So auch K. Weiß, Art. UWOHGTY, ThWNT IX, 71–77. Trotz der vielen Belege auch in anderen philosophischen Schulen sind allerdings die Stoiker diejenigen, die das Thema UWOHGTQP systematisch in Ethik, Politik und Kosmologie als Verhältnis des Teils zum Ganzen behandeln. 61 Epict. Diss. IV,7,7–8. 62 Epict. Diss. I,20,14. 63 Epict. Diss. II,10, 3. 64 Epict. Diss. II,10,4–5: VKL QWP GXRCIIGNKC RQNKVQW OJFGP GEGKP KBBFKC^ UWOHGTQP RGTK OJFGPQL DQWNGWGUSCK YBL CXRQNWVQP CXNN’ Y=URGT CP, GXK JBB EGKT J QB RQWL NQIKUOQP GKEQP MCK RCTJMQNQWSQWP VJ^ HWUKMJ^ MCVCUMGWJ^, QWXFGRQV’ C P CNNYL YBTOJUCP J YBTGESJUCP J GXRCPGPGIMQPVGL GXRK VQ Q=NQP („Was ist also die Forderung an einen Bürger? Nichts nach dem eigenen Nutzen betrachten, nichts erwägen, als sei man nicht in eine Gemeinschaft eingebunden, sondern handeln wie eine Hand oder ein Fuß, die, wenn sie Verstand hätten, der natürlichen Ordnung folgen und nichts anderes tun würden, als auf das Ganze zuzustreben, es zu erreichen zu suchen und zu ihm zurückzukehren zu wollen.“) In dem Zitat wird deutlich, dass der NQIKUOQL zum Ganzen führt.

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Nutzen verfolgen65 oder zumindest zu verfolgen glauben.66 Die Frage ist also: Worin liegt das Ich67 des Menschen, und wovon wird sein gesamtes Verhalten bestimmt? Das UWOHGTQP ist ebenfalls ein wichtiger Begriff in der Politik. Plutarch lobt Arat68 als hervorragenden Politiker, weil dieser unter Anderem mehr nach dem gemeinsamen Wohl des hellenischen Bundes als nach dem Wohl seiner eigenen Heimat gestrebt hat. Auch in diesem politischen Zusammenhang wird Arats Vorstellung von der Solidarität innerhalb des peloponnesischen Bundes mit der Metapher des menschlichen Körpers erklärt.69 Cicero betont in seinem Werk De officiis ebenso die politische Relevanz des gemeinsamen utile, während hingegen das Streben nach dem eigenen Wohl gegen die Natur sei und der ganzen Gesellschaft mehr schade als Tod, Armut und Schmerzen.70 Wie lässt sich dieser paulinische Gebrauch bewerten? Für D. Martin gilt: „Paul’s use of sympheron should be compared with the function of to sympheron in the rhetorical context dealing with homonoia.“71 Paulus’ Argumente werden von Martin mit den rhetorischen Mahnungen vieler hellenistischer Autoren wie Dio Chrysostomos verglichen, die nach einer Homonoia streben, mit der eigentlich eine paternalistische Lösung aller sozialen Konflikte zugunsten der höheren Schichten gemeint ist. Martin ist der Ansicht, dass gerade die Metapher des menschlichen Körpers dazu benutzt wird, die Macht der Starken über die Schwachen zu wahren.72 Diese These kann nur bewertet werden, wenn man die Folgen des ganzheitlichen paulinischen Menschenbildes für das Sozialverhalten berücksichtigt. Anders als bei den von Martin aufgelisteten hellenistischen Autoren bekommt das 65 Epict. Diss. I,21,13: Aus dieser Suche nach dem eigenen Wohl entstehen alle Kriege und Konflikte zwischen den Menschen. 66 Epict. Diss. II,26,1–4, führt als Beispiel für diesen Widerspruch einen Diebstahl an. Die Absicht des Diebes ist es, zu seinem Nutzen (VQ CWBVY^ UWOHGTQP) zu stehlen, doch wie es bei jedem CBOCTVJOC geschieht, macht er nicht das, was er eigentlich will, sondern RYL Q= SGNGK QWB RQKGK MCK Q= OJ SGNGK RQKGK (II,26,4–5). Der Bezug auf Paulus ist hier sehr klar und wird später noch diskutiert. 67 Epict. Diss. II,22,19: Q=RQW ICT C P VQ GXIY MCK VQ GXOQP GXMGK CXPCIMJ TBGRGKP VQ \Y^QP. Es gibt drei Orte, die das Verhalten bestimmen: 1) GXP UCTMK, 2) GXP RTQCKTGUGK 3) GXP VQKL GMVQL. Die Bedeutung von UCTZ wird hier nicht vertieft. 68 Plu. Arat. X,1. 69 Plu. Arat. XXIV,5. 70 Cic. Off. III,5,21: „detrahere igitur alteri aliquid et hominem hominis incommodo suum commodo augere magis est contra natura, quam mors, paupertas, dolor […]“. Das Thema des utile/commodus wird durch die Metapher des Organismus erklärt. Dazu Cic. Off. III, 5,22: „Ut, si unum quodque membrum sensum haberet, ut posse putaret se valere, si proximi membri valitudinem ad se traduxisset, debilitari et interire totum corpus necesse, sic si unus quisque nostrum ad se rapiat commoda aliorum detrahatque quod cuique possit emolumenti sui gratia, societas hominum et communitas evertatur necesse est.“ 71 D. Martin, Slavery as Salvation, 143. 72 D. Martin, The Corinthian Body, 38–48.

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UYOC bei Paulus durch die Erlösung einen positiven Wert. Die Gemeinde wird so zum Ort der Solidarität unter gleichwertigen Gliedern, die sich zueinander konstruktiv verhalten. Das UWOHGTQP bezieht sich daher bei Paulus auf die Gemeinde und basiert auf der Erkenntnis der einzelnen Glieder, Teil eines Ganzes zu sein und miteinander in Zusammenhang zu stehen. Diese Erkenntnis ist nicht wie bei den Stoikern eine natürliche Angelegenheit, sondern sie wird erst durch den Geist Gottes ermöglicht (1Kor 12,7), der auch das konstruktive, solidarische Verhältnis untereinander bewirkt. 1Kor 10,23 enthält ausdrücklich den wichtigen Bezug auf das QKXMQFQOGKP. Das individualistische Verhalten der Korinther charakterisiert diese nicht als RPGWOCVKMQK, sondern als UCTMKMQK. Die christliche Freiheit muss daher diese Suche nach dem Gemeinsamen, nach der Konstruktivität des Verhaltens implizieren. 2.3 Das UYOC gehört dem Herrn UYOC wird in V. 14 von MQKNKC unterschieden, dem Organ der Nahrungsaufnahme, das in enger Beziehung zu den Speisen steht. Es handelt sich natürlich nicht um eine anthropologische, naturbedingte Unterscheidung,73 sondern um eine Unterscheidung, die durch das Handeln Gottes in der eschatologischen Zukunft möglich wird. Es ist auszuschließen, dass hier MQKNKC ein Euphemismus für die Sexualorgane ist, denn die Ernährung, die enge Beziehung der Speisen zum Magen und die Freiheit den Speisen gegenüber sind zentrale Themen des Briefes. Die zukünftige Handlung Gottes, die den Magen und die Speisen vernichten wird, bestimmt schon jetzt den ethisch irrelevanten Charakter der Speisevorschriften. Anders als die Sexualität wird die Freiheit, alle Speisen zu verzehren, von Paulus anerkannt, jedoch mit Rücksicht auf die Folgen für die eigene Freiheit, die damit verbunden sein könnten. Das UYOC ist nicht gleichgültig, und es ist nicht – wie Magen und Speisen – zur Vernichtung bestimmt: Es gehört zum Herrn, es ist für den Herrn. Die Bedeutung der hier vorkommenden Dative lässt sich nicht genau bestimmen, da beide Interpretationen, die als dativus commodi und die als dativus possessivus, möglich sind.74 Entscheidend für eine genauere Bestimmung ist der Kontext, der durch die vielen genitivi possessivi den Ge73 R. Jewett, Paul’s Anthropological Terms, 259: „We cannot imagine the body without the MQKNKC, especially in the light that the latter includes in Greek and Jewish traditions not only the digestive system but also the male and female sexual organs.“ 74 So auch C.K. Barrett, A Commentary on the First Corinthians, 147, der in der Übersetzung beide Varianten für möglich hält. „But the body is not for fornication, but it belongs to the Lord and the Lord belongs to (or is for) the body.“

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danken der Zugehörigkeit verstärkt. Auch in der Beziehung zwischen UYOC und MWTKQL setzt Paulus eine Wechselseitigkeit voraus, die oft nicht genug beachtet oder sogar als problematisch75 betrachtet wird: MCK QB MWTKQL VY^ UYOCVK. Die Erklärung dieser Reziprozität von UYOC und MWTKQL wird möglich, wenn man den gesamten Heilsplan Gottes im Blick hat. Der Schlüssel zu ihrem Verständnis liegt im zweiten Teil, QBB MWTKQL VY^ UYOCVK, der die Hingabe Christi an die gesamte Menschheit beinhaltet. Christus ist der Herr, der sich unterwirft und zum Sklaven wird, wie im Hymnus Phil 2,7 klar zum Ausdruck kommt: CXNNC GBCWVQP GXMGPYUGP OQTHJP FQWNQW NCDYP. Die Erniedrigung Jesu und sein Tod erklären die unübliche Wendung „der Herr gehört dem Leibe“: Damit ist nicht nur der „Körper eines Individuums“, sondern die „Leiblichkeit“ gemeint. Durch diese Erniedrigung gewinnt der Begriff UYOC eine theologische Relevanz: Mit Christi Tod erwirbt der Herr ein Recht auf das UYOC. Die Argumente in V. 15–20 sind unverständlich, wenn man nicht das neue Verständnis von UYOC als „Besitz des Herrn“ voraussetzt. Solche Zusammenhänge sind nur deshalb möglich, weil die Bedeutung von UYOC als Sklave in den Hintergrund tritt. Die existentiale Bedeutung Bultmanns umfasst nicht die grundlegende Dynamik der Befreiung des Christen als Übergang unter die Herrschaft Christi. Die Konzeption vom Individuum, das in der Lage ist, über sich selbst zu bestimmen, ist nach Paulus illusorisch. Der Mensch wird als UYOC bezeichnet, weil er sich in Abhängigkeit von anderen Mächten oder Menschen befindet, die sein Verhalten bestimmen. Das erklärt die Diskussion über die GXZQWUKC (die sich scheinbar die Korinther zuschrieben) sowie die von Paulus durch die Passivform des Verbs GXZQWUKC\GKP dargestellte Gefahr, von irgendeiner Macht versklavt zu werden. Der Begriff UYOC besitzt den semantischen Gehalt der Passivität und zeugt daher von einer Abhängigkeit. Auch die Erlösung durch Christus ist nichts anderes als die Errichtung einer Herrschaft über den Menschen. Ebenfalls relevant ist die weitere Bedeutung von UYOC als „Leiche“, die wieder zum Leben erweckt werden soll. Dies zeigt 1Kor 6,14: Gott wird „uns“ auferwecken, wie er auch Christus auferweckt hat. Das Ersetzen von UYOC (UYOCVC) durch das Pronomen JBBOGKL spricht dafür, dass UYOC hier wie meist bei Paulus als ganzheitlicher Begriff verwendet wird. Dies bedeutet aber nicht, dass der Mensch als UYOC eine frei handelnde Person ist, ganz im Gegenteil, er ist ein abhängiges, fremdbestimmtes Individuum. 75 J.A.T. Robinson, The Body, 124, bezeichnet den Ausdruck als „an enigmatic phrase“. Dazu J. Murphy-O’Connor, Corinthian Slogans, 398: „The sole alternative to such desperate expedients is the recognition that the phrase has a purely formal function. It exists only to balance other parallelism.“

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2.3.1 UYOCVC und OGNJ &TKUVQW Die erste rhetorische Frage sowie das erste Argument des Paulus lautet: die UYOCVC sind OGNJ &TKUVQW. Die Erwähnung des Begriffs „Glieder“ hat zwei Implikationen, das heißt zunächst, dass die Adressaten als Eigentum Christi angesprochen werden und zugleich als Teile einer von Christus gestifteten Einheit. Unter OGNJ versteht Paulus keine aktiv wirkende Größe, etwa metonymisch den handelnden Menschen, sondern ein Instrument des Handelns. Das deutlichste Beispiel dafür findet sich bei Röm 6,13–14. Dort sind die OGNJ einfach Q=RNC, die der Gerechtigkeit oder der Ungerechtigkeit dienen, je nachdem welche Macht den Menschen beherrscht. Der Duktus in Röm 6,12–19 gibt Aufschluss über einen wichtigen Zusammenhang. Das SPJVQP UYOC, die inaktive Person von V. 12, steht parallel zu den OGNJ, die der Gerechtigkeit oder Ungerechtigkeit dienen (V. 13a), OGNJ wiederum wird durch die Pronomina GBBCWVQWL in V. 13b und WBBOYP in V. 14 ersetzt, wenn die Handlung Gottes betont werden soll. Aber V. 12 steht parallel zu V. 14, und parallel stehen auch das Subjekt „der tote Leib“ und das Pronomen „euch“. Der zweite Teil, V. 15–19, enthält die Sklaven-Metaphorik: In V. 15 spricht Paulus von GBBCWVQWL FQWNQWL, und in V. 19 werden die OGNJ direkt als VC OGNJ WBBOYP FQWNC bezeichnet. Dies zeigt zweifelsohne, dass den OGNJ eine inaktive Rolle zukommt (parallel zu „toter Leib“) und dass sie als Objekte betrachtet werden, die wie Sklaven dienen und gehorchen. Diese passive Bedeutung wird auch in V. 15 durch den Verbgebrauch bestätigt – CKTGKP und RQGKGP –, wobei die Glieder eine passive Rolle spielen. Aber auch die aktive Rolle des Subjekts, das die Glieder gebraucht, wird durch diese Argumentation ausgeschlossen. OGNJ steht zudem für den Teil eines Ganzen. Dieses Argument setzt ebenfalls die paulinische Metapher der Gemeinde als Leib voraus,76 in dem alle Christen Glieder sind. Außerdem wird hier die paulinische Rede über das UWOHGTQP klarer, die auch in 1Kor 12,7 erneut auftritt, sowie deren ekklesiologische Relevanz. Die Korinther sollen ihre Freiheit durch die Suche nach dem Zuträglichen ausüben, d.h. sie sollen – wie die stoischen Beispiele zeigen – den Zusammenhang erkennen, der sie nicht nur zu OGTQL, sondern zu OGNJ eines Körpers macht. Im Gegensatz zu dieser von Christus abhängigen Gemeinschaft spricht Paulus von der beständigen Möglichkeit, das eigene soziale Leben von anderen bestimmen zu lassen, in diesem Fall von der Beziehung zu einer Dirne. Die UYOCVC können zu OGNJ RQTPJL werden;77 76 Gegen A. Lindemann, Der erste Korintherbrief, 148: „ein ekklesiologischer Aspekt ist hier überhaupt nicht vorhanden.“ 77 CTCL ist eine lectio difficilior, im Vergleich zu CTC, Die Bedeutung ist nicht ganz klar: Weiß, Der erste Korintherbrief, 163, „als Glieder Christi damit aufheben, austilgen“; nach Horst, Art. OGNQL, ThWNT IV, 569 „die Glieder dem Christus fortnehmen und damit Glieder der Dirne

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ein Ausdruck, der als Oxymoron78 wirkt und die Adressaten zu einem klaren OJ IGPQKVQ bewegen soll. Die absurde Perspektive, OGNJ RQTPJ zu werden, soll also abschreckend wirken. 2.3.2 Sklavenkauf und Erlösung des Leibes Hinter dem Eigentumsgedanken, der oft durch genitivi possessivi (im Text, aber auch im 1Kor 3,20, „Ihr seid aber Christi“) zum Ausdruck kommt, steht die Vorstellung vom Sklavenkauf bzw. vom Loskauf durch Zahlung einer bestimmten Summe als Metapher für die Erlösung, durch die Christus ein Eigentumsrecht auf die Christen erwirbt. Die Vorstellung passt sehr gut in den Zusammenhang: Die Prostituierten waren meistens Sklavinnen,79 die zu einem bestimmten Preis zu erwerben waren. Martial berichtet mit einer Prise Ironie vom Verkauf einer Sklavin und Prostituierten parvo cum pretio.80 Paulus kehrt diesen Gedanken des Zahlens für den Erwerb einer Prostituierten um, indem er zeigt, dass sich die Christen selbst in der Situation von Sklaven befinden, die durch die Zahlung eines Preises befreit werden konnten. Das Wort UYOC spielt auch in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle, da es in der hellenistischen Terminologie den Sklaven81 bezeichnete. UYOC meint nicht, wie Bultmann behauptet, den Menschen, der über sich selbst verfügen kann, sondern den Menschen, der sich in seinen Beziehungen als abhängig erweist. Während unter den Exegeten über den Bezug auf einen Sklavenloskauf Konsens herrscht, ist der konkrete sozialgeschichtliche Ursprung des Bildes umstritten. A. Deißmann82 versuchte die Freilassung als sakrale manumissio zu erklären, indem er auf die delphischen Inschriften verwies. Nach den Inschriften wurde der Sklave von seinem Herrn in den Tempel gebracht, wo machen“; Lietzmann, An die Korinther, 26: „nehmen“. Das ließe sich vielleicht interpretieren als „nehmen“ im Sinne von „das Eigentum Christi wegnehmen“. 78 J. Weiß, Der erste Korintherbrief, 163: „Das fast blasphemische Oxymoron OGNJ &TKUVQW RQTPJL (OGNJ) wird mit dem entrüsteten OJ IGPQKVQ zurückgewiesen.“ 79 B.E. Stumpp, Prostitution in der Antike, 25–60, untersucht die soziale Herkunft der Prostituierten, die entweder Sklavinnen oder Dirnen für die oberen Schichten waren; L. Schumacher, Sklaverei in der Antike, 230–238, D. Chr. VII, 133: Die Prostituierten sind: CKXEOCNYVC UYOCVC IWPCKMYP J RCKFYP J CNNYL CXTIWTYPJVC 80 Mart. Epigr. 6,66: „famae non nimium bonae puellam, quales in media sedent Subura, vendebat modo preaco Gellianus, parvo cum pretio diu liceret, dum puram cupit adprobare cunctis, attraxit prope se manu negantem et bis tetraque quateraque basiavit. Quid profecerit osculo requiris? sescentos modo qui dabant, negavit.“ 81 L. Schumacher, Sklaverei in der Antike, 58–59: „Wie der griechische Infinitiv GXZCPSTYRQFK\GKP im Sinne von versklaven = entmenschlichen betont UYOC vor allem die körperliche Existenz des versklavten Menschen. Dieser Befund deckt sich inhaltlich mit der anthropologischen Qualifizierung der Sklaven als lebende Tote.“ Andere Beispiele, bei denen UYOC für „Sklave“ steht, finden sich etwa bei D.Chr. VII, 133; D.Chr. VII,134: %CTDCTKMC UYOCVC; D.Chr. VII,138: CVKOC MCK FQWNC UYOCVC. 82 A. Deißmann, Licht von Osten, 270–281.

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er die zu seiner Freilassung notwendigen Ersparnisse in der Kasse der Gottheit deponiert hatte. Da der Sklave nicht über das Recht verfügte, Verträge zu schließen, spielte Apoll die Rolle seines Vertreters. Der fiktive Kauf fand in Anwesenheit einiger Zeugen statt, wurde protokolliert und besaß damit Rechtsgültigkeit. Was nach Deißmann in der paulinischen Metaphorik an den delphischen Freilassungsvorgang erinnert, sind die Erwähnung eines Preises (VKOJL)83 und der Ausdruck GXR8 GXNGWSGTKC^. Diese Hypothese rief einige Einwände hervor:84 1) In den delphischen Inschriften wird das Verb RTKCUSCK benutzt, das im NT nie vorkommt, der paulinische Begriff CXIQTC\GKP hingegen bedeutet „auf dem Markt kaufen“. 2) GXR8 GXNGWSGTKC^ steht bei Paulus nicht in Verbindung mit „kaufen“. Eine alternative Deutung des paulinischen Gedankens des Sklavenloskaufes liefert W. Elert:85 Er verweist auf die redemptio ab hostibus, den Loskauf von Kriegsgefangenen, woraus früher eine große Anzahl von Sklaven rekrutiert wurde. Elert fand Deißmanns Erklärung sachlich unvereinbar mit der paulinischen Vorstellung, nach der der Kaufpreis nicht vom Sklaven selbst, sondern allein von Christus bezahlt wird. Ein redemptor ab hostibus bezahlte die Summe des Loskaufs, behielt sich aber eine Art Pfandrecht auf den Befreiten vor, den er in potestate haben konnte, obwohl er bereits freigesprochen war. Elert erkennt auch die Grenzen dieses sozialgeschichtlichen Vergleichs: Streng durchführen lässt sich keine (Analogie), weil ein Kauf oder Loskauf, der, wie es nach Paulus durch Christus geschah, mit dem Tode bezahlt werden müsste, im bürgerlichen Leben überhaupt nicht vorstellbar ist.86

Als letzter Versuch einer kulturgeschichtlichen Erklärung ist die Arbeit von W. Haubeck zu nennen.87 Haubeck verfolgt und vertieft die These von E. Pax, nach der der Ursprung der paulinischen Loskauf-Vorstellung im Alten Testament zu finden ist. Grundlegend für die alttestamentliche Konzeption sind die Befreiung Israels aus Ägypten (Ex 15,1–18) und die Befreiung aus dem babylonischen Exil (Jes 62,16), die als Loskauf durch Gott dargestellt werden und die zugleich zu einem Besitzerwechsel führten. Wichtig ist, dass dieser Kauf wie bei Paulus gleichzeitig als Sühne (CXRQNWVTYUKL) ver-

83 VKOJL (genitivus pretii) heißt eigentlich „um die Bezahlung eines Preises“ und nicht, wie die Vulgata übersetzt, magno pretio. Lietzmann, An die Korinther I II, 27. W. Elert, Redemptio ab hostibus, 267, hingegen meint dazu: „[…] und zwar wie Luther, wenn auch nicht wörtlich, so doch sinngemäß richtig übersetzt, einen teuren Preis.“ 84 S.S. Bartchy, /$..10 &4+5$,, 124–125. 85 W. Elert, Redemptio ab hostibus, 265–270. 86 W. Elert, Redemptio ab hostibus, 270. 87 W. Haubeck, Loskauf durch Christus. Herkunft, Gestalt und Bedeutung des paulinischen Loskaufmotivs Gießen (u.a.) 1985.

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standen wird. Die Vorstellung von einem Loskauf wird im Alten Testament allerdings nicht auf den Einzelnen angewendet. Diese verschiedenen Erklärungsversuche des konkreten sozialgeschichtlichen Hintergrundes des Loskaufs können kaum zu einem klaren Ergebnis führen. Eine Schwierigkeit lässt sich beheben: Zunächst scheint es schwer vorstellbar, dass ein Sklave trotz seiner Befreiung noch von einem Herrn abhängig ist. Aber genau so war es: Der Freigelassene war noch immer zu Diensten verpflichtet. Dennoch war der Schritt in die Freiheit eine wesentliche Statusverbesserung. Die paulinische Konstruktion ist auf jeden Fall auch aus seiner Anthropologie erklärbar. Paulus geht von dem allgemeinen Fall aus, dass ein Sklave gekauft wird oder befreit wird oder dass der Tod seiner Knechtschaft ein Ende setzt, ohne eine besondere Form der Befreiung vorauszusetzen. Für unsere Untersuchung ist es wichtig, dass sich im Begriff UYOC die konkrete, begrenzte Vorstellung der Erlösung als Loskauf und die allgemeine Anthropologie kreuzen. Jeder Mensch ist UYOC, und als UYOC gerät er notwendigerweise in einen Zustand der Abhängigkeit von äußeren Mächten, die über ihn bestimmen, und hat deswegen eine Befreiung nötig. Gerade die Annahme, dass jeder Mensch UYOC ist, macht die Sklavenmetaphorik allgemein anwendbar, also auch auf Menschen, die mit dem Zustand eines Sklaven nichts gemein haben. Das Dasein des Sklaven ist nach O. Patterson mit dem „sozialen Tod“88 vergleichbar, die Befreiung ist wie eine Wiedergeburt. Die Sklavenmetaphorik89 wird deswegen bei 88 Die These wird von I.A.H. Combes, The Metaphor of Slavery, 22, zitiert: „The slave is one who has figuratively died at the hand of his or her master, but continues to exist, for the benefit of the master alone, in the state of social death. To become a slave is to die; to be set free is to be reborn again into society.“ 89 Eine weitere Frage ist die, welche Position Paulus gegenüber der Sklaverei vertritt. Die Grundeinstellung, dass jeder Mensch als UYOC sich in einer Situation der Abhängigkeit befindet, mindert nicht die Tragik des Zustandes eines Sklaven. An erster Stelle steht allerdings die Erlösung durch Christus, die für jeden aktuell ist. Paulus befürwortet nicht die Abschaffung der Sklaverei, sondern sieht innerhalb der Gemeinde eine reale (nicht fiktive oder rituelle) Möglichkeit zur Überwindung des Verhältnisses Herr – Sklave und der Relation Freier – Sklave. Das Leben in der Gemeinde, in der Christus der Herr ist, ist die reale Alternative zur weltlichen Ordnung. Sehr umstritten ist 1Kor 7,21, genauer gesagt die Bedeutung von OCNNQP ETJUCK. Die Debatte ist nicht abgeschlossen; Einige sehen hierin den Ratschlag des Paulus, die Sklaven mögen sich mit ihrem Zustand abfinden: Vgl. I.A.H. Combes, The Metaphor of Slavery, 57–58; D. Lührmann, Wo man nicht mehr Sklave oder Freier ist, 62–63, D. Martin, Slavery as Salvation, 65. Doch scheint es mir angemessener OCNNQP ETJUCK als eine Aufforderung des Paulus zu betrachten. Er lädt sie dazu ein, die Gelegenheit zur Emanzipation zu ergreifen. Der Tenor der Textstelle ist aber, dass Paulus die Sklaven über ihren Zustand trösten will (OJ UQK OGNGVY). In diesem Fall ist die adversative Funktion von OCNNQP auf das Sorgen bezogen und nicht auf die Gelegenheit befreit zu werden. Die Bedeutung von 1Kor 7,22 liegt nicht nur in der Gleichstellung von Freien und Sklaven coram deo, sondern auch in der Behauptung, dass in einer Gemeinde, wo Christus der Herr ist, die sozialen Unterschiede aufgehoben sind. Daher gibt es hier keinen Raum zum paternalistischen Lob der Sklaven, wie etwa D. Martin, Slavery as Salvation, 65, meint. Dies bestätigt das in dieser Arbeit

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Paulus theologisch und anthropologisch untermauert und entfernt sich dadurch von den realen gesellschaftlichen Verhältnissen, wo nur ein Teil der Menschen im Zustand des Sklaven lebt. Die Erlösung durch Christus ist ein Loskauf des UYOC und ein Übergang unter die Herrschaft Christi, wodurch erst ein konstruktives Leben ermöglicht wird. Durch die Erlösung bekommt das UYOC eine ethische Dimension und ein soziales Leben, das es zur Gemeinschaft hinführt. Die Befreiung findet nach folgendem Schema statt: Sklave der Mächte (Sünde, Tod, Gesetz, Menschen) – Befreiung durch Christus – Sklave Christi bzw. zu freiem Handeln Befähigter.90 Das Eigentumsrecht Christi bildet die Basis für die echte Freiheit und für den wahren Gottesdienst. Die Befreiung kommt durch die Bezahlung eines Lösegeldes zustande (1Kor 6,20; 7,29; Gal 3,13). In Röm 8,23 ist von CXRQNWVTYUKL VQW UYOCVQL die Rede, was unter die gleiche Begrifflichkeit fällt, obwohl hier die vollständige Verwirklichung des Befreiungsprozesses im Eschaton gemeint ist. Die zweite Art, auf die sich die Manumission realisiert, ist der Tod des Sklaven. Beide Möglichkeiten werden von Paulus auf den Tod Christi bezogen. In Röm 6,6–791 bewirkt das „Mitgekreuzigtsein“ des Menschen mit Christus die Zerstörung des Leibes der Sünde (UYOC VJL CBBOCTVKCL): Dies meint nicht die Zerstörung des Leibes, sondern die Ablösung der Abhängigkeit des UYOC von der Sünde, wie der exegetische Zusatz in 6,6b erläutert: VQW OJMGVK FQWNGWGKP JBBOCL VJ^ CBBOCTVKC^. Wie in 1Kor 6,14 und Röm 6,13.14 wird hier erneut das Substantiv UYOC durch ein Personalpronomen ersetzt, um den Aufstieg durch die Erlösung – quasi von einem Objekt zu einer Person – zu signalisieren. 2.4 Sexualethische Argumente gegen die RQTPGKC 2.4.1 G?P UYOC und OKC UCTZ Paulus argumentiert auch ethisch gegen den Umgang mit Prostituierten, aber seine Argumente unterscheiden sich stark von der jüdischen Literatur. Im Buch der Zwölf Patriarchen begegnet das Thema der RQTPGKC häufig. Sie ist eine der sieben Geister, die dem Menschen92 feindlich gesonnen sind; sie vorgeschlagene Bild von der christliche Gemeinde als einer konstruktiven Gemeinschaft, das zugleich als Protest gegen eine hierarchische Gesellschaftsstruktur fungiert. 90 I.A.H. Combes, The Metaphor of Slavery, 84, schlägt ein ähnliches Schema vor, auf der Basis der Argumentation im Galaterbrief: „slave of not-god – slave of God – son of God“. 91 Dies ist nicht der Sühnecharakter des Todes als solcher, wie P. Stuhlmacher, Der Brief an die Römer, 86, anhand eines jüdischen Zitats annimmt, sondern hier steht eher die juristische Vorstellung im Mittelpunkt, dass der Tod das Eigentumsrecht an einem Sklaven beendet. Derselbe Gedanke findet sich auch in Röm 7,3–4. 92 TestRub II, 3, siehe auch CD IV,15–17.

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verdirbt die Seele und führt zu den Götzen.93 Auch in diesem Text findet man wie bei Paulus die Mahnung, der Hurerei zu entfliehen, jedoch mit anderen Akzenten Inhalt. Hurerei ist jede außereheliche Beziehung,94 und jede Frau ist eine Verführerin,95 von der ein junger Mann sich fernhalten muss. Paulus weist die Korinther darauf hin, dass es die Folge des Verkehrs mit Prostituierten ist, mit ihnen ein UYOC zu werden. GP UYOC zu sein heißt konkret, eine für menschliche Verhältnisse durchaus enge Gemeinschaft zu bilden. Der Ausdruck kommt auch in Röm 12,7 vor, wo die christliche Gemeinschaft beschrieben wird, die aber wie in diesem Fall nicht durch natürliche Neigung, sondern durch den Geist Gottes hervorgebracht wird. UYOC heißt der Mensch in seiner Weltbezogenheit, in seiner konkreten Beziehung zu den Mitmenschen. „Ein Leib zu werden“, eine enge Beziehung einzugehen, ist im Fall des Verhältnisses von Mann und Frau ein allgemein menschliches Phänomen, das den ganzen Menschen betrifft und das letztendlich auf die von Gott in der Schöpfung geschaffene Ordnung zurückgeht. Bestärkt wird dies durch das Zitat von Gen 2,24. 2.4.1.1 Traditionsgeschichte von Gen 2,24 Der zitierte Satz befindet sich unmittelbar nach dem Schöpfungsbericht des Menschen und handelt96 primär vom „Drang der Geschlechter“ zueinander, der als wesentlicher Faktor des Zusammenlebens zwischen Mann und Frau betrachtet wird. Gen 2,24 betont, dass selbst die familiären und sozialen Bedingungen sowie die Institution der Ehe, die doch in der hebräischen Gesellschaft entscheidend waren, keine wesentliche Rolle spielen. Sie sind kultur- und gesellschaftsbedingte Größen, die zu der wesentlichen Tatsache der Anziehung zwischen Mann und Frau hinzukommen. C. Westermann erklärt den ursprünglichen Sinn dieses Verses so: „Der Mann verlässt seine Eltern […], um seinen Hausstand zu gründen, und er ‚hängt seiner Frau an‘, d.h. er tritt in eine feste Lebensgemeinschaft mit ihr auf Grund seiner Liebe 93 TestRub IV,6: „Ein Verderben ist der Seele die Hurerei. Sie trennt von Gott und führt zu den Götzen. Denn sie ist’s, die den Verstand und die Erkenntnis in die Irre leitet, und junge Männer führt sie hinab in den Hades vor ihrer Zeit. Denn viele hat die Hurerei ins Verderben gebracht: Denn mag einer ein Greis, mag er wohlgeboren sein, mag einer reich, mag er arm sein, zu Schmach macht sie ihn und zum Gespött bei Beliar und den Menschen.“ Vgl. dazu TestJud XVIII,2–3. 94 TestIss VII, 2 „Außer meiner Frau erkannte ich keine andere. Ich hurte nicht durch Erheben meiner Augen.“ 95 TestRub IV,1: „Gebt nun keine Acht auf der Frauen Schönheit, noch merkt auf ihre Unternehmungen, sondern wandelt in Herzenseinfalt.“ TestRub V,1: „Böse sind die Frauen, meine Kinder, da sie keine Macht oder Gewalt über den Mann haben, setzen sie listig (ihr schönes) Aussehen ein, damit sie ihn zu sich hinzuziehen. Und wen sie durch (ihr schönes) Aussehen nicht behexen können, den besiegen sie durch Intrige.“ 96 C. Westermann, Genesis I, 317–318.

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zu ihr“. Wesentlich ist die Kraft des Zueinanderhingezogenseins, nicht das Bedürfnis der Fortpflanzung oder die Antwort auf eine soziale Institution wie die Ehe. Zu einem Fleisch werden ist für Westermann kein bestimmter Hinweis auf den Geschlechtsverkehr des Paares, noch bedeutet es, wie von Rad meinte, die Zeugung eines Kindes. In der Tradition ist Gen 2,24 grundlegende Bedeutung für die Deutung der Ehe und der Beziehung zwischen Mann und Frau zugeschrieben worden. In Jub 3,7 wird der Text fast wörtlich in der Wiedergabe des Schöpfungsberichtes übernommen. Darauf folgt allerdings eine Erläuterung des Reinheitsgesetzes, das unterschiedliche Maßnahmen für Mann und Frau vorsieht. In die ansonsten objektive Wiedergabe des Schöpfungsberichts wird ein diskriminierendes Element zwischen den Geschlechtern eingefügt: Adam muss 40 Tage auf der Erde bleiben, bevor er in den Garten Eden eintreten kann, während Eva als Frau 80 Tage dort bleiben muss.97 Der Schöpfungsbericht wird durch das levitische Reinheitsgesetz vollendet. Philo zitiert Gen 2,24 in einem Kontext, in dem die unterlegene Stellung der Frau stark betont wird.98 Die Stelle selbst dient dazu, die ursprüngliche Ungleichheit zwischen den Geschlechtern zu untermauern. Der Mann (und nicht die Frau) in seinem „dominicus principatus“99 verlässt die Eltern, und sein „impetus“ wird in den Dienst der Vereinigung mit seiner Frau gestellt. Das wird mit der Absicht betont, den Mann als aktives Prinzip in der Vereinigung und damit als Träger der Verantwortung und der potestas darzustellen. Die Bedeutung des „Zu-einem-Fleisch-Werdens“ ist konkret und führt zu einer engen Gemeinschaft, zu einem Mitfühlen, ja mehr noch zum gemeinsamen Denken.100 Im NT wird Gen 2,24 vor allem von Jesus in der gesetzlichen Debatte über den Ehebruch zitiert, und hier besonders gegen das Recht des Mannes, seine Frau in einigen Fällen zu entlassen, um sich scheiden zu lassen: Mk 10,7f//Mt 19,5. Jesus will der von Menschenhand gemachten Scheidungsgesetzgebung die ursprüngliche Schöpfungsordnung Gottes entgegenset97 Es wird hier das Gesetz von Lev. 12,1–8 angewendet: Die Schöpfung von Mann und Frau ist ausgelegt wie die Geburt eines Kindes, und die zwei erste Menschen tragen selbst die Unreinheit. Das Gesetz spricht von 7 Tagen + 33 = 40 der Unreinheit im Falle der Geburt eines Knaben und von 14 + 66 = 80 im Falle der Geburt eines Mädchens. G. Dautzenberg, )GWIGVG VJP RQTPGKCP, 279, legt das Verb „verbinden“ im Text, wie eine geschlechliche Vereinigung aus, doch das scheint mir nicht sehr naheliegend. 98 Philo QG I,29. 99 Im Text finden sich zahlreiche Hinweise auf die überlegene Stellung des Mannes. Ähnlich Philo QG I,30 „Maxime quod ipse dominico principatu gaudens, verendus est de fastu: mulier autem servitii sumen ordinem, probata est assentiri consorti vitae.“ 100 Philo QG I,30: „Duos vero carnem una dicit, indicat nimium tangibilem ac sensibilem esse, in qua dolore affici et voluptate frui consistit, ut pote eadem gaudent, doleant sentiaque, imo et magis cogitent.“

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zen.101 Mk 10,10–12 spricht gar von der Möglichkeit, dass die Frau sich scheiden lässt; das wird allerdings von Mt 19,9 und Lk 16,18 korrigiert. Die Anwendung von Gen 2,24 im Eph 5,25–33 geschieht in Kontinuität mit der jüdischen Tradition von Jubiläen und Philo. Der Mann ist der Frau überlegen und ist aufgefordert, die Frau zu lieben wie VC GCXWVYP UYOCVC, denn niemand hasst seine UCTZ. UCTZ und UYOC werden an dieser Stelle als Synonyme benutzt. Das Vorkommen der beiden Termini in 1Kor 6 wird vom Autor des Epheserbriefes als Indiz für eine gewisse Entsprechung der beiden Begriffe angesehen. In der Intention des Autors ist eine genaue Differenzierung der anthropologischen Termini unwichtig. Der ungleichen Beziehung zwischen Mann und Frau entspricht analogisch die Beziehung von Christus als dem Herrn zur Kirche. Das Zitat von Gen 2,24 hat eigentlich einen ekklesiologischen Zweck, denn es beweist die Verbundenheit Christi mit der Kirche und gleichzeitig die Überlegenheit Christi gegenüber der Kirche, wie auch in der Ehe die Überlegenheit des Mannes als selbstverständlich angesehen wird. Paulus stellt sich in 1Kor 6 in Kontinuität zu Jesu Auslegung, indem er im Sinne des ursprünglichen Textes eine gewisse Gleichberechtigung postuliert. Gen 2,24 ist aber nicht in erster Linie ein Plädoyer für die Institution der Ehe, sondern in seiner ursprünglichen Bedeutung eine allgemeine Schöpfungsordnung in der Beziehung zwischen Mann und Frau, die eine sehr enge Gemeinschaft (G?P UYOC) bilden können. Paulus legt in seiner Begrifflichkeit das Wort UCTZ von Gen 2,24 als UYOC aus. Man solte die beiden Begriffe nicht als Synonyme betrachten, sondern einen bewussten Wechsel eines unpassenden Wortes erkennen. Anstelle des für griechische Leser unklaren UCTZ OKC verwendet Paulus die sehr verbreitete Wendung G?P UYOC. Paulus benutzt die zwei Begriffe also nicht synonym – UCTZ wird in diesem Zusammenhang nie erwähnt –, sondern er tauscht sie bewusst aus, damit seine Adressaten Zitat nicht als störend empfinden. Es bleibt noch Folgendes zu bemerken: Gen 2,24 wird nun in Bezug auf den Umgang mit Prostituierten erwähnt, d.h. auch das Verhältnis mit einer Prostituierten lässt sich in die Schöpfungsordnung Gottes einordnen.103 Eine Prostituierte ist kein Objekt, das man einfach erwerben kann, keine Sklavin ohne Würde. Sie bekommt durch dieses Zitat die Würde einer Frau, mit der 101 Vgl. R. Batey, The MIA SARX Union of Christ and the Church, 277, der allerdings die dauerhafte „Union“ betont. 102 1Kor 6,17 zeigt eine qualitative Steigerung in der Gemeinschaft mit dem Herrn: G?P RPGWOC. Es scheint mir überzeugend, dass gerade diese pneumatische Union ein gutes Argument gegen den Sakramentalismus und gegen eine sakramentale Auslegung von „Leib Christi“ ist. 103 Einige Exegeten finden das Zitat im Zusammenhang nicht ganz passend: H.J. Klauck, 1Korintherbrief, 48; R.Batey, The /,$ 5$4: Union, 278: „Paul uses the concept, surprising as it may seem, in referring to the union of a man with a harlot.“

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man ein UYOC wird. Das Verhältnis zwischen Mann und Frau führt zu einer engen Gemeinschaft, die alle Menschen naturgemäß betrifft; die Beziehung zu Gott ist ein pneumatisches Ereignis, das über das Naturhafte hinausgeht. Das G?P UYOC der Gemeinde wird möglich durch die Wirkung des heiligen Geistes. Das Verb MQNNCUSCK104 drückt beide Formen der Vereinigung aus, ohne jedoch einen besonderen sexuellen Charakter zu haben. In der Antike war es allerdings schwer zu vermitteln, warum freie Männer keine Prostituierte besuchen dürften. Einschränkungen gab es dagegen, und zwar in erster Linie für verheiratete Frauen: Sie waren (anders als ihre Männer) zu konsequenter sexueller Treue verpflichtet. Paulus sieht im Grunde alle Christen gegenüber Christus in der Rolle der Frau:105 Sie werden mit ihm ein „Geist“ (wie Mann und Frau in Gen 2,24 LXX „ein Fleisch“ werden). Für sie gilt die strenge Moral der Ehefrau. Eine zweite Einschränkung konnte sich aus dem Standesunterschied ergeben: Wenn sich ein hochgestellter Mann mit Prostituierten aus der Unterschicht einließ, war das nicht von der sexuellen, sondern eher von der „Standesmoral“ her anrüchig. Durch die Erlösung erhält das sonst bedeutungslose UYOC das Privileg, dem konstruktiven Handeln zu dienen und Gott zu loben; daher kann es nicht im Zusammenhang mit Prostitution gebraucht werden. Dies soll im Folgenden diskutiert werden. 2.4.2 Die Sünde gegen das eigene UYOC Die Interpretation vom V 18 hat in der Geschichte der Exegese stets Probleme bereitet. Was als besonders störend empfunden wird, ist die Spannung zwischen den zwei Sätzen RCP CBOCTVJOC Q? […] GXMVQL VQW UYOCVQL GXUVKP> und QB FG RQTPGWYP GKXL VQ KFKQP UYOC CBOCTVCPGK und die sich daraus ergebende Einzigartigkeit der RQTPGKC als Sünde gegen das UYOC. „Gegen diesen Satz hat sich mannigfaltige Kritik erhoben“,106 sagt J. Weiß, indem er auch andere Sünden wie Völlerei und Selbstmord erwähnt, die sich ebenso schädlich auf den Leib auswirken. Seine Auslegung kann er mit dem Paulus-Text nur in Einklang bringen, indem er UYOC als „Persönlichkeit“ deutet, die durch Prostitution stärker als durch andere Sünden verletzt werden kann. H. Conzelmann denkt an eine „ad hoc-Formulierung“107 mit der Funk104 Im NT kommt das Verb zumeist in den lukanischen Schriften vor, und zwar mit der Bedeutung „Jünger werden“. Dabei hat es niemals eine sexuelle Valenz. Auch Sir 19,2 kann allgemein als Euphemismus betrachtet werden. Gegen W. Schrage, Der erste Brief an die Korinther, 26–27. 105 Das wird auch in 2Kor 11,1 ausdrücklich gesagt, wo die Gemeinde als eine RCTSGPQL CBBIPJ für Christus dargestellt wird. 106 J. Weiß, Der erste Korintherbrief, 165. 107 H. Conzelmann, 135: „Die begründete These, daß nur die Unzucht ein Vorgehen gegen den eigenen Leib sei, ist natürlich ad hoc formuliert“. B.N. Fisk, PORNEYEIN as Body Violation, 542, hat die wichtigsten Thesen schematisch dargestellt und in drei Gruppen zusammengefasst: 1)

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tion, die Unzucht als äußerst destruktive Sünde zu brandmarken. Ein anderer Versuch besteht darin, den Vers als Antwort auf einen Slogan der Korinther108 zu deuten, der angeblich lautet: „Alle Sünden, die der Mensch begeht, sind außerhalb seines Leibes.“109 Diese Hypothese wird aber der Problematik des Verses nicht gerecht, wie Fisk richtig bemerkt: „The chief advantage of this view is obvious: a notorious Pauline crux becomes a mere Corinthian quirk.“110 Die Schärfe der paulinischen Stellungnahme kann besser eingeschätzt werden, wenn man sie in die ethisch-philosophische Debatte seiner Zeit über die Prostitution einordnet. So lässt sich eine Lösung der Frage nach der Interpretation dieses Verses finden. Da die Prostituierten meistens Sklavinnen waren, konnten die Herren auch sexuell über sie verfügen, ohne dass sie sich verweigern konnten.111 Ethisch dagegen zu argumentieren hieße praktisch, der Sklavin das Recht zuzusprechen, das Eigentumsrecht ihres Herrn sowie die Institution der Sklaverei überhaupt in Frage zu stellen. In der römischen Gesellschaft war die Prostitution allgemein akzeptiert und sogar als probates Mittel gegen den Ehebruch angesehen. Die Antwort des Palinurus in Plautus Komödie Curculio spiegelt das allgemeine Empfinden der römischen Gesellschaft wider: „Niemand verbietet noch verwehrt dir zu erwerben, was öffentlich zu kaufen ist, wenn du das Geld dafür hast. Niemand verbietet einem anderen, auf einer öffentlichen Straße zu laufen. Solange du nicht auf einem Pfad durch einen umzäunten Acker gehst, solange du dich von Ehefrauen, Witwen, Jungfrauen, Jugendlichen und freien Knaben fern hältst, lieb’ alles was du willst.“112 Die Bildersprache von Plautus ist besonders interessant: Verkehr mit Prostituierten ist wie eine öffentliche Straße im Gegensatz zu anderen unerlaubten Beziehungen, die wie ein schmaler Pfad in einem umzäunten Grundstück sind. Eine ähnliche Denkweise ist bei Horaz zu finden. Er rät dazu, keine Ehefrau (matrona) zu begehren, weil dies nur Nachteile und widrige Umstände mit sich bringt. Eine Prostituierte (togata) Qualitativer Unterschied zwischen sexuellen Sünden und anderen Sünden, 2) Quantitativer Unterschied und 3) 1Kor 6,18 als Slogan der Korinther. 108 Die Hypothese ist von R. Kempthorne, Incest and the Body of Christ, 571, eingeführt worden und hat Befürworter in der englischsprachigen Fachliteratur gefunden, wie Gundry, Soma, 73–74, J. Murphy-O’Connor, Corinthian Slogans in 1 Cor 6,12–20, aber auch H. Merklein, Der erste Brief an die Korinther, 78. 109 J. Murphy-O’Connor, Corinthian Slogan, 395: „There can be little doubt, but it also must be attributed to the Corinthians.“ 110 B.N. Fisk, „PORNEYEIN as Body Violation“, 540. 111 Petron. 77: Trimalchio erzählt, er hätte sich nicht verweigern können, seiner Herrin auch sexuelle Dienste zu leisten. 112 Plaut. Curc. 33: „Nemo hinc prohibet nec vetat, quin quod palam est venale, si argentum est, emas. Nemo ire quemquam publica prohibet via, dum ne per fundum saeptum facias semitam, dum tede abstines nupta, vidua, virgine, iuventute et pueris liberis, ama quid libet.“

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ist nicht nur attraktiver als sie, sondern sie stellt ihre Ware ohne Falschheit zur Schau, sie zeigt offen was zu verkaufen ist.113 Sie ist eine „parabilis facilisque venus“, die das sexuelle Begehren auf einfache Art stillen kann.114 Besonders jungen Männern wird der Umgang mit Prostituierten erlaubt, ja sogar geraten. Cicero behauptet in der Verteidigung des Caelius, den Jugendlichen die meretricii amores zu verbieten, sei eine strenge Maßnahme, die die „Moral (licentia) dieser Zeit, aber auch die Gewohnheit und die Zugeständnisse der Alten“ obsolet erscheinen lassen.115 In jedem Fall gab es neben dieser relativen Rechtfertigung der Prostitution eine strengere Auffassung in der Antike, nach der solch unmoralisches Verhalten der ganzen Person schaden konnte. Im letzten Abschnitt geht es um die moralischen Vorbehalte gegenüber Männern aus höheren Schichten, die sich mit Prostituierten einlassen. Aischines’ Rede gegen Trimarchos zeugt von eben dieser Einstellung. Das Hauptziel von Aischines ist es, Trimarchos wegen seines moralischen Verhaltens, das auch RQTPGWGKP und GBBVCKTGKP einschließt, politisch zu diskreditieren. Ähnlich wie Paulus verwendet Aischines in verschiedenen Varianten den Ausdruck CBBOCTVCPGKP GKXL VQ UYOC, um ein solches unmoralisches Verhalten zu brandmarken.116 Wer nach Aischines gegen seinen Leib „sündigt“ oder kein Rücksicht nimmt – gemeint ist ein Mann aus einer höheren Schicht –, der ist auch nicht mehr in der Lage, in der Politik sinnvoll zu handeln, und wird auch in der Verwaltung des Gemeinwesens scheitern. Er beruft sich auf ein altes athenischen Gesetz, nach dem einem Mann, der mit Prostituierten verkehrt (RQTPGWY), das Recht abgesprochen wird, in den Kreis der neun Archonten gewählt zu werden. Die Grundthese von Aischines, die in verschiedenen Variationen 113 Hor. Sat. I, 2,77–85. 114 Hor. Sat. I, 2,114–119: „Num, tibi cum urit sitis, aurea quaeris pocula? num esuriens fastidis omnia praeter pavonem rhombumque? tument tibi cum inguina, num si ancilla aut verna est praesto puer, impetus in quem continuo fiat, malis tentigine rumpi? non ego; namque parabilem amo venerem facilemque.“ Das Zitat ist auch ein wichtiger Beleg dafür, dass sexuelle Misshandlung der Sklaven durch ihre Herren üblich war. 115 Cic. Cael. 48. Cicero will beweisen, dass Caelius keine Verschwendung betrieben hat. Die Beziehung zu einer Dirne ist nur dann eine Schande, wenn sie das Vermögen angreift. Siehe auch W. Kroll, Römische Erotik, 110. Vgl. Ter. Ad. 101–103: „Non est flagitium, mihi crede, adolescentulum scortari neque potare, non est, neque fores effringere“. Das Verb „scortare“ stammt von dem Wort „scortum“, wörtlich „Pelz“, mit dem eine Hure bezeichnet wurde. In diesem Passus kommt ein Vater zu Wort, der den Umgang mit Prostituierten als normales Vorrecht der Jugend bezeichnet. Vgl. auch Ter. Ad. 119: „Amat? Dabitur a me argentum, dum erit commodum; ubi non erit, fortasse excludetur foras“. Bis zu einem bestimmten Punkt will der Vater dieses teilweise unsinnige Verhalten sogar unterstützen und die Kosten dafür übernehmen. Das gilt allerdings nur für die Jugend. 116 Aischines verwendet äquivalente Ausdrücke, die das Hauptthema wiederholen: Aeschin. I, 22: GKXL VC GBBCWVYP UYOCVC GXZCOCTVCPGKP; Aeschin. I, 31: MCVCIGNCUVYL OGP MGETJOGPQW VY^ GBBCWVQW UYOCVK. Aeschin. I,39: VQ UYOC VQ GBBCWVQP JBBOCTVJMGP. Aeschin. I,40: MCVCKIEWPYP VQ UYOC VQ GBCWVQW. Aeschin. I,94: JBBOCTVJMGPCK VK RGTK VQ UYOC. Aeschin. I,195: GKXL VC UYOCVC JBBOCTVJMQVCL.

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wieder aufgenommen wird, lautet: Wer den eigenen Leib schändet, wird auch die Güter des Staates verschwenden und verwüsten.117 Im Mittelpunkt steht der Status des Mannes, der ihn verpflichtet, eine entsprechende Haltung in der Sexualethik einzunehmen. Dass das UYOC eigentlich Objektcharakter hat, was die grundlegende Einstellung des Menschen beeinflusst, ist auch Aischines’ Kommentar zu einem Gesetz gegen Gewaltanwendung gegenüber Sklaven zu entnehmen. Auch einem Sklaven gegenüber muss ein Mann aus einer höheren Schicht eine gewisse Kontrolle üben.118 R. Kirchhoff baut aus der Rede von Aischines ihre Definition von UYOC als einer Statusbezeichnung auf: „Denn UYOC nennt Paulus die christlichen Männer, die aufgrund der Taufe neue Fähigkeit, Privilegien, Pflichten haben. Eine Metonymie, die wie UYOC einen Menschen nach seinem Status benennt, mit dem Ziel ihn auf seine Verpflichtung anzusprechen, ist ein Verpflichtungsname“.119 Nach Kirchhoffs These enthält der Ausdruck GKXL VQ KFKQP UYOC CBOCTVCPGKP eine Anspielung auf diese Anweisung für Männer aus einer höheren sozialen Schicht. Auch für Paulus werden die Christen als Erwählte angesprochen. Was aber bei Kirchhoffs These korrigiert werden muss, ist die Vorstellung von UYOC als Statusbezeichnung. In 1Kor 6,12–20 legt Paulus der Tatsache besondere Bedeutung bei, dass UYOC im Zusammenhang mit dem Sklavenkauf steht. In der Abhängigkeit der Christen von Christus vollzieht sich die Befreiung und zugleich der soziale Aufstieg, sodass die Christen als Menschen aus höheren Schichten betrachtet werden können. Der Mensch als UYOC wird allerdings in seiner Abhängigkeit gesehen: Selbst wenn er durch Christus einen Status gewinnt, bleibt er grundsätzlich und wesentlich in einem Zustand der Abhängigkeit von äußeren Mächten und läuft stets Gefahr, von anderen bestimmt zu werden. Unter den philosophischen Schulen des ersten Jahrhunderts gab es nur unter den Anhängern der Stoa einige Stimmen gegen die Prostitution, während Epikuräer und Kyniker sexual-ethischen Themen gegenüber eine entspanntere Einstellung hatten.120 Dio Chrysostomos fordert die Abschaffung der Geschäfte mit Prostitution (RQTPQDQUMKC), weil es nicht gerecht sei, mit einer Vereinigung ohne Liebe Geld zu verdienen, die dazu führe, dass Menschen wie die Tiere verkauft werden – eine unvollendete und unfruchtbare Vereinigung, die Zerstörung und kein Leben bringt.121 Dios Argumente 117 Aeschin. I, 29. 118 Aeschin. I,16–17. Aischines betont, dass der Gesetzgeber nicht den Sklaven schützen will, der keine Rechte besitzt. Im Mittelpunkt steht der agierende Mann. Das gilt analog auch für das UYOC. 119 R. Kirchhoff, Die Sünde, 140–141. 120 B.E. Stumpp, Die Prostitution in der römischen Antike, 271–292. 121 D.Chrys. VII,134: GXR8 CXVGNGK MCK CXMCTRY^ UWORNQMJ^ UYOCVYP HSQTCP OCNNQP J IGPGUKP CXRQVGNQWUJ.

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gegen Prostitution sind einerseits die Würde, die allen Menschen durch Gott gegeben ist122 und die bei der Prostitution missachtet wird, andererseits die in der Duldung solch immoralischer Gewohnheiten enthaltene Gefahr, keine Grenze mehr zu kennen.123 Mit letzterem Argument widerspricht er der allgemeinen Auffassung der Herrschenden, die Prostitution sei ein wunderbares Heilmittel,124 das für Enthaltsamkeit in den Städten sorge. Ein anderer Stoiker, Musonius Rufus, argumentiert ähnlich wie Paulus gegen den Umgang mit Prostituierten, indem er sich nicht nur allgemein gegen die Prostitution ausspricht, sondern sich auch direkt an die Männer wendet, die ein solches Verhältnis eingehen. Im Stil der Diatribe widerlegt er die allgemein verbreitete Meinung, nach der der Verkehr mit einer Dirne keine CBOCTVJOC verursacht und niemandem schadet. Wer solche Beziehungen hat, sündigt und schadet, wenn nicht einem Ehemann oder einem Vater, so doch sich selbst. An die Person der Prostituierten wird nicht gedacht, denn sie gilt in der Antike wegen ihres Status außerhalb einer Familie und ohne die potestas eines pater familias als rechtlose Person. PJ 'KC> HJUKP CXNN’QWXE Y=URGT QBB OQKEGWYP CXFKMGK VQP CPFTC VJL FKGHSCTOGPJL IWPCKMQL QWXE QW=VYL MCK QBB VJ^ GBBVCKTC^^ UWPYP CXFKMGK VKPC J PJ 'KC VJ^ OJ GXEQWUJ^ CPFTC> QWXFG ICT GXNRKFC RCKFYP QWXFGPQL FKCHSGKTGK QWVQL GXIY F’GXRGEY OGP NGIGKP YBBL RCL Q=UVKL CBBOCTVCPGK MCK CXFKMGK GWXSWL GKX MCK OJFGPC VYP RGNCL CXNN’CWXVQP IG RCPVYL EGKTQPC CXRQHCKPYP MCK CVXKOQVGTQP 126

Paulus wie Musonius reden von einem CBBOCTVCPGKP gegen sich selbst. Während Musonius das Ideal der Sittlichkeit in Gefahr sieht, versteht Paulus die Sünde gegen das UYOC als Angriff auf das soziale Leben des Menschen, auf die durch Christus ermöglichte Perspektive einer konstruktiven und solidarischen Gemeinschaft, zu der der Mensch als UYOC beitragen soll.

122 D.Chrys. VII,138: J^ MQKPJ^ VQ CXPSTYRKPQP IGPQL CRCP GPVKOQP MCK QBOQVKOQP WBRQ VQW HWUCPVQL SGQW VCWXVC UJOGKC MCK UWODQNC GEQP VQW VKOCUSCK FKMCKYL. Die Gleichheit bleibt aber sehr oberflächlich und stellt die Sklaverei selbst keineswegs in Frage, wie es die alte Stoa tut. 123 D.Chrys. VII,138: QBVK ECNGRQP W=DTGK VTGHQOGPJ^ FK’ GXZQWUKCP Q=TQP VKPC GWTGKP Q?P QWXM C P GVK VQNOJUCK FKC HQDQP WBRGTDCKPGKP. Hier wird die Freiheit im sexuellen Bereich GXZQWUKC genannt. 124 D.Chrys. VII,140: […] YBL FJ VK SCWOCUVQP GWBTGMQVGL VCKL RQNGUKP WBOGKL UYHTQUWPJL HCTOCMQP. 125 Das Wort kommt oft in der stoischen Diatribe vor, vgl. B.E. Stumpp, Die Prostitution in der römischen Antike, 280. Es heißt eigentlich „Sündentat“, im Gegensatz zu CBOCTVKC („Sünde“). 126 „Beim Zeus! – sagt einer – wer mit einer Hetäre verkehrt, weil sie – beim Zeus – keinen Ehemann hat, tut doch niemandem Unrecht und er zerstört niemandes Hoffnung auf (eheliche) Kinder, nicht so wie der Ehebrecher dem Ehemann der verführten Frau Unrecht tut. Ich möchte aber feststellen: Jeder, der sich so verhält, fehlt ja und tut Unrecht, wenn auch nicht gegenüber einen Mitmenschen, so doch gegen sich selbst, weil er sich gänzlich als allzu unmoralisch und wertlos erweist“.

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2.4.3 UYOC als PCQL SGQW Auf der religiös-kultischen Ebene argumentiert Paulus mit der Anwendung der Tempel-Metapher auf das UYOC. Diese Metapher findet sich häufig in der jüdischen und jüdisch-hellenistischen Literatur, und zwar mit einem sehr breiten Spektrum an Varianten. In den Qumranschriften wird sie, wie auch bei Paulus in 1Kor 3,16, auf die Gemeinde angewendet, die sich als wahres Israel gegenüber dem von vielen Sünden besudelten Volk sowie gegenüber der Tempelinstitution und ihren Priestern betrachtet.127 Die Gemeinde versteht sich als Trägerin eines neuen Bundes, als „heiliges Haus“, als „das Allerheiligste und ein Haus für Israel“.128 Nicht zu übersehen ist die polemische Zuspitzung gegen die offizielle Tempelinstitution in Jerusalem. Jedoch ist nicht der Tempel an sich der Kritik ausgesetzt, sondern sein Missbrauch durch die Priester Jerusalems. Daher wäre es nicht korrekt, von einer Spiritualisierung129 des Kultes und des Tempels zu sprechen, weil die Kritik doch von einer Verschärfung der Reinheitsgebote angesichts einer allgemeinen Laxheit im Volke zeugt. Im Florilegium wird ausgehend von 2Sam 7,10–14 und Ex 15,17 von einem von Gott selbst gegründeten Heiligtum gesprochen, das von Fremden nicht zerstört werden kann. Kurz danach wird vom Tempel als Tempelbau der Menschen gesprochen: „Und er sagte, dass man ihnen ein Heiligtum unter den Menschen130 bauen soll, in dem sie als Rauchopfer vor ihm Taten des Gesetzes darbringen sollen.“131 Dort wird als unrein geltenden Personen der Zutritt verwehrt. Kurz danach wird der Tempel allerdings als Tempelbau des Menschen beschrieben. Das gleiche Thema eines eschatologischen Tempels, der von Gott selbst gebaut wurde, ist in der Tempelrolle enthalten. J.R. Lanci versucht den Unterschied zwischen einem menschlichen und einem göttlichen Tempelbau in den Qumranschriften durch die Differenzierung von drei Tempeln in drei verschiedenen Epochen zu klären: 1. Tempel Salomos 2. Gemeinde von Qumran 3. Tempel der Endzeit.132 Die Qumran-Texte können damit mit der Tradition

127 CD XX, 22–23. 128 1QS IX, 5b siehe auch 1QS XI,7. 129 R.J.Mc Kelvey, The New Temple, versucht durch den Begriff „Spiritualisierung“ den bildlichen Gebrauch des Tempels in jüdisch-hellenistischer Zeit zu beschreiben. Er unterscheidet (S. 42) eine „naive Spiritualisierung“ (Propheten, Psalmen, Apokryphen) und eine „reflektierte Spiritualisierung“ (Stoiker, Philo). 130 B. Gärtner, The Temple, 34, zieht die wörtliche Übersetzung „a temple of men, i.e. consisting of men“ der anderen möglichen Übersetzung „das Heiligtum unter den Menschen“ vor (siehe die oben zitierte Übersetzung von E. Lohse, Die Texte von Qumran, 257). Dies ist ein Beweis dafür, dass sich die Gemeinde als eschatologischer Tempel versteht. Nach Gärtner, 36– 42, beansprucht die Gemeinde für sich alle messianischen Prophetien, die kollektiv ausgelegt werden. 131 Flor I,2–6. 132 J.R. Lanci, A Temple for Corinth, 14–17.

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verbunden werden, die den endgültigen Tempel als Bau Gottes und als von Gottes Hand errichtet ansieht, auf der Basis von Ex 15,17b–18 und Ps 102,17–26. Das Motiv findet man im Äth. Henoch, wo es heißt, Gott werde sein altes Haus abreißen und ein neues an seiner Stelle errichten.133 Die Tradition wird von der christlichen Polemik übernommen – typisch sind Apg 7,2–53 und Apg 17,24 – und durch die Betonung des Schöpfergottes sowie durch Motive aus der jüdischen Götzenpolemik (etwa der Begriff CX-EGKTQRQKJVQL)134 gegen die Vorstellung vom Tempelgebäude als Wohnung Gottes verwendet. Die Polemik zieht sich durch die Schriften des Neuen Testaments bis zu den apostolischen Vätern. Im Barnabasbrief wird nachträglich die jüdische Tempelvorstellung attackiert, in einer Zeit, in der der Tempel bereits nicht mehr existiert. „Sie haben auf das Gebäude gehofft, als wäre es das Haus Gottes, nicht auf Gott, der sie gemacht hat. Denn fast wie die Heiden haben sie ihn im Tempel geehrt.“135 In diesem Zitat tritt das Bewusstsein des historischen Geschehens klar hervor, das Wissen um den Krieg, durch den die Feinde den Tempel zerstörten, um aus christlicher Sicht den Willen Gottes zu erfüllen. Die Frage nach der Existenz eines Tempels Gottes wird positiv beantwortet, indem man doch auf die Behausung des Herzens verweist. (VQ MCVQKMJVJTKQP VJL MCTFKCL 16,7). Bevor der Mensch zum Glauben kam, war das menschliche Herz „tatsächlich wie ein Tempel von Hand gebaut, denn er war voll von Götzendienst und wegen seines Tuns war es ein Haus der Dämonen“. Durch die Sündenvergebung und die Hoffnung auf Gottes Namen werden die Christen „neu und wieder von Anfang an geschaffen“. (MCKPQK, RCNKP GXZ CXTEJL MVK\QOGPQK).136 An dieser Textstelle konzentrieren sich alle Topoi der christlichen Polemik gegen den Tempel: die Bewertung der jüdischen Tempelvorstellung als heidnisch (die auch das Adjektiv CXEGKTQRQKJVQP impliziert), die Vorstellung von einem Schöpfergott, dessen Präsenz sich nicht lokal auf einen Tempel reduzieren lässt, und die anthropologische bzw. ekklesiologische Auslegung der Prophetien über den neuen Tempel.

133 1Hen 90,28–29: „Then I stood still, looking at the ancient house being transformed: All pillars and all the columns were pulled out, and the ornaments of that house were packed and taken out together with them and abandonend in a certain place in the South of the land. I went on seeing until the Lord of the sheep brought about a new house, greater and loftier than the first one, and set it up in the first location which had been covered up – all its pillars were new, the columns new, and the ornaments new as well and greater than those of the first, (that is) the old (house) which was gone.“ (aus: J. Charlesworth, 71). 134 G. Faßbeck, Der Tempel der Christen, 90–91. 135 Barn 16,2. 136 Barn 16,8.

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Der zweite Clemensbrief weist eine anthropologische Lektüre auf, bei der der Tempel mit der UCTZ identifiziert wird. Man muss sie ebenso hüten wie den Tempel Gottes.137 In den Werken Philos ist die Metapher des Tempels auf die Seele des Menschen bezogen, die in seinem vertikalen Weltbild der einzige Ort ist, der mit Gott in Berührung kommen kann,138 und daher rein und schön erhalten werden muss. Paulus gebraucht das Bild nicht in polemischer Absicht. Seine Übernahme der Tempelterminologie und des Adjektivs CXEGKTQRQKJVQL in 2Kor 5,1 muss in der Nachfolge der apokalyptischen Tradition gesehen werden, die von einem von Gott errichteten Tempel sprach, jedoch ohne polemischen Unterton, sondern vielmehr als Ausdruck der Hoffnung. Er will in positiver Form auf die von Gott geschaffene Gemeinschaft hinweisen, in der jeder eine konstruktive Funktion hat. Der Einzelne als Teil dieser Gemeinschaft wird ebenso als Tempel bezeichnet. Ein direkter polemischer Bezug auf den Tempel in Jerusalem wäre kein überzeugendes Argument für Menschen gewesen, die größtenteils aus dem Heidentum stammten.139 Die Tempelmetaphorik bezieht sich bei Paulus auf das UYOC des Einzelnen (was im hellenistischen dualistischen Menschenbild unvorstellbar ist) und gleichzeitig auf die Gemeinde (1Kor 3,16), die analog als Organismus mit vielen Gliedern gedacht ist. Das zeigt den engen Zusammenhang bei Paulus zwischen der Rede über den Menschen als Einzelnen und der Rede über die Gemeinde. Im Hintergrund dieser anthropologischen Anwendung des Bildes, wie in 1Kor 3,16–17, steht die Gefahr des HSGTGKP, der Profanierung des Tempels Gottes, was im Zusammenhang von 1Kor 3 nicht auf eine Reinheitsvorschrift hinweist, sondern vielmehr auf die Gefahr, aus einer eigennützigen Haltung heraus nicht am Tempelbau teilzunehmen. Die Rede vom Bau des Tempels als kollektivem Produkt vieler Handwerker war auch in Korinth ein wirksames und eindrucksvolles rhetorisches Mittel. Der Tempel ist wie jedes öffentliche Gebäude ein Bauwerk mit repräsentativer Funktion für die ganze Gesellschaft, für das die besten Handwerker und Materialien benötigt 137 2Clem 9,3: FGK QWP JBBOCL YBBL PCQP SGQW HWNCUUGKP VJP UCTMC. Als Beweis für diese bildliche Übertragung auf die UCTZ gilt 9,1, wo von der Auferstehung der UCTZ die Rede ist – was von Paulus’ Gedankengang weit entfernt ist. 138 Philo Somn. I,62: VKL ICT QKMQL RCTC IGPGUGK FWPCKV8 CP CXZKQRTGRGUVGTQL GWBBTGSJPCK SGY^ RNJP [WEJL VGNGKYL MGMCTSCTOGPJL Philo Somn. I,149: 5RQWFC\G QWP, Y [WEJ, SGQW QKMQL IGPGUSCK, KBBGTQP CBBIKQP GXPFKCKVJOC MCNNKUVQP . Philo Cher. 98–100; 98: 8(RGKFJ VQKPWP CQXTCVQL VQFG VJL [WEJL EYTKQP GKXUFWGVCK RCTCUMGWC\YOGP VQP VQRQP GXMGKPQP YBL GPGUVK MCNNKUVQP GXPFKCKVJOC SGQW IGPJ UQOGPQP. 139 J.R. Lanci, A Temple for Corinth, 134, beobachtet mit Recht, dass Paulus kein Interesse daran hatte, das Bild des Jerusalemer Tempels anzuwenden: „Paul’s goal is not to replace the Jerusalem Temple, but to provide powerful imagenery that will engage emotions of audience and kindle in the imagination a different way of looking at the community“.

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werden, wobei auch nicht wertvolle Materialien wichtig sind. Eine ähnliche Auflistung verschiedener Baumaterialien, wie 1Kor 3,12, und Handwerker, die am Bau beteiligt sind, findet man bei Plutarch, der den Bau öffentlicher Tempel und Paläste des Perikles in Athen beschreibt. Die Mannigfaltigkeit der Materialien und das Geschick der Bauleute trägt dazu bei, die Schönheit des Gebäudes und das organisatorische Geschick des Perikles hervorzuheben, der alle beteiligten Arbeitskräfte, von den Handwerkern bis zu den Trasportleuten, Hand in Hand arbeiten lässt: Q=RQW ICT W=NJ OGP JP NKSQL ECNMQL GXNGHCL ETWUQL GDGPQL MWRCTKUUQL CKBB FG VCWVJP GXMRQPQWUCK MCK MCVGTIC\QOGPCK VGEPCK VGMVQPGL RNCUVCK ECNMQVWRQK NKSQWTIQK DCHGKL ETWUQW OCNCMVJTGL GXNGHCPVQL \YITCHQK RQKMKNVCK VQTGWVCK RQORQK FG VQWVYP MCK MQOKUVJTGL GORQTQK MCK PCWVCK MCK MWDGTPJVCK MCVC SCNCVVCP QKBB FG MCVC IJP CBBOCZQRJIQK MCK \GWIQVTQHQK MCK JBBPKQEQK MCK MCNYUVTQHQK MCK NKPQWTIQK MCK UMWVQVQOQK MCK QBBFQRQKQK MCK OGVCNNGKL140

Wichtig ist auch die abschließende Bemerkung, dass eine solche gemeinschaftliche Beschäftigung Menschen aller Schichten zu mehr Reichtum verhilft, also nicht nur dazu dient, die Schönheit der Stadt Athen zu vergrößern, die in der ganzen Welt Bewunderung auslöst. Dieses Bild vom Bau des Tempels wird in der nachpaulinischen Literatur entwickelt (Eph 2,11– 22; 1Petr 2,4–7). In 1Kor 6,9–11 wird neben diesem Gedanken des Aufbaus die kultisch- rituelle Bedeutung des HSGTGKP der Heiligkeit durch ein moralwidriges Verhalten aufgezeigt, das als überwundene Vergangenheit der Korinther dargestellt wird. Das UYOC des Einzelnen ist ebenfalls ein Tempel Gottes, damit also heilig. Es läuft Gefahr, durch den Verkehr mit Prostituierten verdorben zu werden. Als Tempel Gottes ist der Leib der Ort, wo der Dienst an Gott stattfinden muss. Das ist keine Spiritualisierung der Tempelvorstellung und des Gottesdienstes, sondern ein profanes Verständnis des Gottesdienstes. Die Tatsache, dass Gott das UYOC zu seinem Tempel erwählt, schließt aus, dass es ein höherer Teil des menschlichen Seins und, parallel dazu, der menschlichen Gesellschaft sein darf, der spezifisch für den Gottesdienst zuständig ist. Der „logische Gottesdienst“141 bedeutet die 140 Plu. Per. 159b–c: „Vielerlei Materialien wurden benötigt, Steine, Erz, Elfenbein, Gold, Eben- und Zypressenholz, und zu ihrer Bearbeitung brauchte es mancherlei Handwerk, so Zimmerleute, Bildhauer, Kupferschmiede, Steinmetzen, Färber, Goldarbeiter, Elfenbeinschnitzer, Maler, Sticker, Graveure. Die Transporte zur See brachten den Reedern, den Matrosen und Steuerleuten Beschäftigung, diejenigen zu Lande den Wagenbauern, Pferdehaltern und Fuhrleuten, den Seilern, Leinewebern, Sattlern, Straßenbauern und Bergknappen.“ Die Übersetzung zur Stelle folgt W. Wuhrmann in Ziegler, Konrat (Hg.), Plutarchus, Frankfurt 1957. In dem Werk wird Perikles mit einem UVTCVJIQL verglichen, der sein Heer zusammenstellt – all dies wird wiederum durch ein Bild des Körpers ausgedrückt: QTICPQP MCK UYOC VJL WBBRGTGUKCL IKPQOGPQP. 141 W. Schrage, Der erste Brief an die Korinther II, 36: „Durch dieses Soma aber soll der Lobpreis Gottes erfolgen. Damit ist nicht allein der kultische Lobpreis gemeint, sondern FQZC\GKP ist ganzheitlich zu verstehen und umfasst zugleich Gottesdienst im Alltag und in der Profanität der

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Das UYOC des Einzelnen

Hingabe des ganzen lebendigen UYOC, wie in Röm 12, 1 dargelegt wird. An dieser Stelle zeigt sich wieder das neue Verständnis der Anthropologie und des Kultes bei Paulus durch die Erlösung des UYOC. Anstelle eines Tieropfers verlangt Gott für die Erlösung des UYOC das lebendige Opfer des zum konstruktiven Leben berufenen Leibes. 2.4.4 Exkurs: Die Sexualethik des Paulus Die Analyse von 1Kor 6,12–20 trägt dazu bei, die Sexualethik des Paulus zu definieren, ein aktuelles und umstrittenes Thema der Exegese. Die Bewertung der paulinischen Argumentation, die zu verschiedenen Modelle führen kann, geschieht oft anhand eines restriktiven, strengen Schemas, das eine Aktualisierung der jüdischen Vorschriften darstellt. G. Dautzenberg schließt seinen Aufsatz über 1Kor 6,18 mit der Bemerkung, dass Paulus in seiner Vorstellung völlig mit der jüdischen Sexualethik übereinstimmt142, was anhand der wörtlichen Übernahme der mahnenden Bemerkung zum Thema der Prostitution aus den Testamenten der zwölf Patriarchen in 1Kor 6,18 deutlich wird. Eine solche Abhängigkeit zeigt die Grenzen der paulinischen Ausagen auf, die schwerlich auf die Probleme der heutigen Menschen übertragbar sind. Nach diesem Schema würde Paulus eine ebensolche Strenge der Reinheitsgesetze im Judentum vertreten sowie die unterlegene Rolle der Frau in der Beziehung zum Mann proklamieren. J.H. Neyrey wendet für seine Analyse der paulinischen Anthropologie die soziologische Methode von Mary Douglas143 an, um die Ideologie des Paulus und seiner Gegner, ihre jeweilige Vorstellung von der Kirche und die Konfrontation von Starken und Schwachen in der korinthischen Gemeinde zu bestimmen. Nach Mary Douglas ist der Leib ein Symbol der Gesellschaftsordnung, bei der man zwischen zwei Grundmodellen unterscheidet: einer Kosmologie des unkontrollierten Leibes („weak group“) und einer Kosmologie des kontrollierten Leibes („strong group“). Paulus vertritt im ersten Korintherbrief eine strenge Kontrolle des Körpers und seiner Öffnungen, der eine strenge Kontrolle des Leibes der Gemeinde entspricht. Nach diesem strengen Schema sind die sexuellen Ausschweifungen eine Übertretung der festen Grenzen des Körpers und des ganzen kontrollierten Systems144. Welt.“ Dieser Interpretation, die m.E. korrekt ist, widerspricht der Aorist, was gegen eine kontinuierliche Handlung spricht. Siehe H. Merklein, Der erste Brief an die Korinther II, 81. 142 G. Dautzenberg, )GWIGVG VJP RQTPGKCP, 296: „Zwischen Paulus und dem Frühjudentum besteht weitgehende, wenn nicht völlige materielle Übereinstimmung auf dem Gebiet der Sexualethik“. 143 J.H. Neyrey, Body Language in 1 Corinthians, 129: „Douglas’ ideas on bodily control offer a cross-cultural model for appreciating Paul’s strong sense of custom, structure and order in his churches, a model applicable not only to 1 Corinthians, but to all of his letters.“ 144 J.H. Neyrey, 140. Die gleichen Thesen sind im Text von J. Neyrey, Paul in other Words, 102–146 enthalten. Ähnliche Argumente mit denselben theoretischen Hindergründen werden von

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Die Ethik dient dann einer klaren und rigiden Abgrenzung gegen die äußere Welt, ja fast einer sektiererischen Abkapselung, die für die Gemeinde allgemein gilt und zu einer repressiven, die Freiheit beschränkenden Haltung führt. Für Paulus ist auch die Sexualität, wie jeder Aspekt des menschlichen Lebens, konstruktivem oder destruktivem Verhalten unterworfen. Wenn er für sich selbst eine strenge Disziplin beobachtet, so liegt die Sexualethik auch innerhalb der allgemeinen ethischen Vorstellung eines konstruktiven Verhaltens, das dem Lobe Gottes dient. Das Gegenteil findet sich bei Röm 1,24: Die Menschen werden den Begierde überlassen und schänden ihre Leiber.145 Der Leib steht wiederum im Mittelpunkt in den Überlegungen zur Ehe, wo die konstruktive Reziprozität zwischen Mann und Frau gegen die Vorstellung einer Herrschaft des Mannes über die Frau vertreten wird (1Kor 7,4). Es ist nicht korrekt, bei Paulus ein repressives System des UYOC zu konstruieren. Weder bei der Sexualität noch bei der Ernährung geht es primär um die Kontrolle der Öffnungen, sondern zentral ist die konstruktive Anwendung des Leibes angesichts der Erlösung und der ihm dadurch verliehenen Würde und die Abgrenzung gegenüber der Destruktivität eines Verhaltens MCVC UCTMC.146 Auch die Diskussion um den Verzehr des Opferfleisches wird aus der Perspektive der durch Christus gewonnenen Freiheit und der Rücksichtnahme auf die Mitchristen, die Mitglieder im Leib der Gemeinschaft, behandelt und nicht bloß als eine Ernährungsvorschrift. Das Schema von Neyrey und Martin stellt die paulinische Argumentation nicht angemessen dar.

D. Martin, The Corinthian Body, vertreten. S. 178. Martin spricht von einer „logic of invasion“: „The way Paul deals with porneia is soaked in the logic of pollution and invasion.“ 145 Röm 1,24 GKXL CXMCSCTUKCP VQW CXVKOC\GUSCK VC UYOCVC CWXVYP GXP GBCWVQKL 146 Eine verbreitete Tendenz aller Exegeten, die bei Paulus eine repressive Sexualethik annehmen, besteht darin, keinen Unterschied zwischen UCTZ und UYOC zu machen. Die Notwendigkeit einer solchen Differenzierung wird hingegen von G. Theißen, Eros und Urchristentum, 15, zu Recht betont. „Es wäre jedoch unfair, Paulus die später belegbare grundsätzliche Abwertung des Körpers zu unterstellen. Denn er kennt zwei Begriffe für die körperliche Seite des Menschen: Fleisch und Leib (sarx und soma). Das Fleisch ist bei ihm meist negativ konnotiert. […] Der Leib ist dagegen positiv konnotiert.“ Wir haben schon die Grenzen einer solchen Unterscheidung diskutiert. Theißen benutzt sogar das Adjektiv „konstruktiv“ für den Leib, jedoch wiegt in diesem Zusammenhang „sublimiert“ wesentlich schwerer: „Fleisch ist das, was unterdrückt, verdrängt und bekämpft wird, Leib dagegen das, was ethisch gestaltet, sublimiert und konstruktiv verwendet werden kann“. In der Diskussion über die Affekte und in dem Kontrast zwischen Agape und Porneia (Gal 5,17) definiert er Agape als eine Art sublimierte Sexualität. M.E. liegt hierin der Gegensatz zwischen „destruktiv“ und „konstruktiv“.

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Das UYOC des Einzelnen

3. UYOC als Gegenüber im ethischen Kontext 3.1 1Kor 9,27 Gegenüber im ethischen Kontext In der Analyse von 1Kor 6,12–20 hat sich erwiesen, dass Bultmanns Definition von UYOC als Verhältnis zu sich selbst in den Texten nicht belegt ist. Die von ihm angeführten Stellen, 1Kor 9,27 und 1Kor 13,3, zeigen einen komplexeren Sachverhalt, in dem anstelle einer Subjekt-Objekt-Beziehung die Vorstellung einer ethischen Funktion von UYOC zur Sprache kommt. Die ethische Verwendung des menschlichen Leibes ist nur erklärbar, wenn man wie in 1Kor 6,12–20 eine Emanzipation des Sklaven voraussetzt. Der Christ ist befreit, aber er versteht sich in seinem ethischen Handeln als Sklave Christi. Dies verbindet sich unmittelbar mit der Vorstellung des Leibes (als ganzer Person), der als lebendiges Opfer und als Mittel zu konstruktivem Verhalten betrachtet wird. 1Kor 9,27 ist der letzte Vers des kurzen Abschnitts 1Kor 9,24–27, in dem innerhalb der Apologie das Wettkampfbild verwendet wird. Damit übernimmt Paulus ein häufig vorkommendes Thema der Diatribe,147 das für die griechischen Adressaten nahe lag. Vom Bild des Athleten werden zwei Aspekte herausgestellt: der Wettlauf aller, um einen Preis zu gewinnen (V. 24) und der strenge Lebensstil des Sportlers, der auf alles verzichtet, was seinen Sieg vereiteln könnte (V. 25). Diese werden auf das konkrete Leben angewendet, wie die Änderung der Person zeigt („ihr“ V. 24, „wir“ V. 25,

147 O. Schwankl, „Lauft so, dass ihr gewinnt“, 190, sagt, es sei unklar, ob Paulus das Bild direkt von der griechischen Welt oder durch die Vermittlung der zynisch-stoischen Schriften übernimmt. Es scheint mir wichtig zu bemerken, dass an einer Stelle Epiktets die Rede über Sportler in engem Zusammenhang mit dem Thema Freiheit vorkommt. Epict. Diss. III, 22,51–52 und 57–59. Eine weitere Parallele zum Gebrauch des Bildes findet sich bei D.Chrys. VIII, 26–29. Die Diatribe hat ein ambivalentes Verhältnis zur Athletik, wie Schwenkl, „Lauft so, dass ihr gewinnt“, 178, treffend beobachtet: „einerseits loben sie den zielstrebigen Einsatz und die Bereitschaft zu Entbehrung, andererseits kritisieren sie den oberflächlichen Charakter dieser Anstrengungen. Der wahre und würdige Kampf spielt sich auf einer anderen Ebene ab als in den gymnischen Agonen“. Dass auch Paulus dasselbe ambivalente Urteil abgibt, könnte man vielleicht aus der Steigerung in Bezug auf den Preis im Lauf des Christen ersehen, aber dies scheint mir mehr eine Präzisierung als eine Korrektur zu sein. Nicht zu vergessen ist die wichtige Parallele aus der LXX: Eleazar, die sieben Brüder und ihre Mutter, die als Märtyrer sterben, werden als Athleten Gottes bezeichnet, die für ihren Wettkampf gegen den Tyrannen den Kranz erhalten. 4Makk 17,13 (NGC\CT FG RTQJIYPK\GVQ JB FG OJVJT VYP GBRVC RCKFYP GXPJSNGK QKB FG CXFGNHQK JXIYPK\QPVQ QB VWTCPPQL CXPVJIYPK\GVQ QB FG MQUOQL MCK QB VYP CXPSTYRYP DKQL GXSGYTGK SGQUGDGKC FG GXPKMC VQWL GBCWVJL CXSNJVCL UVGHCPQWUC. Nach O. Schwankl, „Lauft so, dass ihr gewinnt“, 191, dient dieses Bild im Makkabäerbuch unter Anderem dazu, die Identität der Juden der Diaspora zu stärken und eine einfache Anpassung oder eine Abkapselung zu vermeiden. Dies entspräche im Grunde der Situation, in der sich die Korinther befinden.

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„ich“ V. 26–27). Die Gemeinde wird ermahnt,148 um den Preis zu laufen, die Christen laufen, um den „unverweslichen Kranz“149 zu gewinnen, und Paulus selbst spricht von sich durch das Bild des Sportlers. Im Mittelpunkt steht das asketische Leben, das RCPVC GXIMTCVJUSCK, als Bedingung des Wettkampfes. Der Sportler musste auf den Genuss von Speisen und alkoholischen Getränken150 und auf sexuelle Beziehungen151 verzichten. Die Selbstkontrolle, von der hier die Rede ist, hat eine weitreichendere Bedeutung und ist nicht nur auf die sexuelle Abstinenz beschränkt. Jedenfalls wird die athletische Übung ambivalent betrachtet, weil dabei die Körperlichkeit im Mittelpunkt steht. Senecas Urteil über die athletischen Übungen basiert auf der anthropologischen Unterscheidung Leib – Seele. Nach seiner Meinung viel wichtiger sind die Übungen der Seele: Die meisten kümmern sich um den Leib und üben ihn, nur wenige befassen sich mit der Seele; dabei sind die Übungen des Leibes sehr anstrengend, während die der Seele sehr einfach sind und zur wahren Freiheit führen.152 In den letzten zwei Versen wendet Paulus das Bild des Sportlers auf sich selbst an. Neben dem Bild des Läufers benutzt er ein zweites, das des Boxers, das vielleicht mit dem des Läufers zusammenhängt: In der Antike war es nicht unüblich, dass ein Athlet mehrere Disziplinen betrieb. Als Läufer läuft er nicht ohne Ziel, und als Boxer schlägt er nicht in die Luft. 'GTY GXP CXGTC bedeutet ziellos schlagen, ohne den Gegner zu treffen.153 Was in dem folgenden Satz auf einen Gegner bezogen sein müsste, wird mit dem Verb 148 Gegen V.P. Pfitzner, Paul and the Agon Motive, 88, der VTGEGVG eine indikative anstatt einer imperativischen Bedeutung zuschreibt. 149 Beide Termini DTCDGKQP und UVGHCPQL werden nach A. Papathomas, Das agonistische Motiv, 225–233, in Inschriften zur Benennung des Preises der Sportler benutzt. Er bemerkt aber auch, dass den Athleten noch Privilegien und materielle Belohnungen zustanden, sodass die Erwähnung des Kranzes für die Adressaten natürlich auch solche materiellen Gewinne einschloss – ein Argument, das das Thema des Kapitels widerspiegelt. Paulus versucht indirekt, durch das allgemeine Wort „Kranz“, mit dem er erneut die Belohnung anspricht, den Kontrast zwischen „verweslich“ und „unverweslich“ herauszustellen. 150 Epict. Diss. III,10,7–8, redet auch in der Trainingsverpflichtung über die Übungen und die Massage. 151 Vgl. Pl. Lg. 840a. 152 Diese Meinung vertritt Seneca in Epist. 80,2–3. An dieser Stelle betont Seneca durch einige Antithesen den Unterschied von seelischen und leiblichen Übungen. („Corpus enim multis eget rebus ut valeat: animus ex se crescit, se ipse alit, se exercet. Illis multo cibo, multa potione opus est, multo oleo, longa denique opera.“) Die seelischen Übungen werden nur von wenigen betrieben, sie sind einfach und erfordern im Gegensatz zu den gymnastischen Übungen, für die Anstrengung, Öle, Speisen und Getränke erforderlich sind weder Vorbereitung noch Kosten. Wichtig ist in Sen. Epist. 80,4 der Bezug auf der Befreiung der Sklaven, die selbst unter großem Verzicht das Lösegeld sammeln. Die echte Befreiung aber erreicht man nur durch die Ausübung der Tugend, des Guten, das jeder in sich trägt. 153 QWXM CXGTC FGTYP ist nach A. Papathomas, Das agonistische Motiv, 238, kein agonistischer Terminus, sondern „eine eher volkstümliche Beschreibung der Tätigkeit des Boxers“ (239).

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Das UYOC des Einzelnen

WBBRYRKC\GKP154 vom UYOC gesagt, das wörtlich etwa bedeutet: „Jemanden unter die Augen schlagen, bis er blaue Flecke bekommt“. Paulus gibt hier dem UYOC eine persönliche Konnotation als Gegenüber, mit dem man kämpft,155 mit dem man sich konfrontiert und ringt. Auch das zweite Verb in V. 27, FQWNCIYIGKP, verstärkt diese personale Konnotation des UYOC, der Begriff hat hier also keinen Objektcharakter. Das UYOC gleicht vielmehr einer Person, die versklavt wird, wobei die Versklavung in diesem Fall allerdings dem konstruktiven Handeln des Apostels dient. Hier ist auch nicht der Leib gemeint, „etwa dualistisch-partiell der Gegenpol der Seele oder des Geistes, sondern, wie schon der Anklang des FQWNCIYIGKP (V. 27) an das GXOCWVQP GXFQWNYUC V. 19 zeigt, der ganze Mensch, sofern er mit seinen autistischen und egoistischen Bestrebungen, mit seinem Hang zum Genuss und zur Bequemlichkeit, dem Einsatz für das Evangelium im Wege steht“.156 Dieser Kontext ist nicht belanglos. Das UYOC wird von Paulus zur Verkündigung des Evangeliums geknechtet, aber andererseits erkennt man im UYOC den Loskauf durch Christus, die Gewissheit, ihm zu gehören, mit den anderen verbunden zu sein. Der Sklave Christi, der eigentlich frei ist, darf keine anderen Herren haben (1Kor 7,23 OJ IKPGUSG FQWNQK VYP CXPSTYRYP sowie 1Kor 8,5.6 Y=URGT GKXUKP SGQK RQNNQK MCK MWTKQK RQNNQK CXNN8 JBOKP GKL SGQL […] MCK GKL MWTKQL 8,JUQWL &TKUVQL), aber er kann den anderen dienen und sich mit seiner ganzen Person dem Dienst an Christus verschreiben. In dieser Rede über Freiheit und Dienst verhindert der Begriff UYOC eine mögliche abstrakte Betrachtungsweise des Themas. Wichtig scheint mir, dass Paulus das Beispiel des Athleten übernimmt und ihm nicht den aus der dualistischen Anthropologie stammenden Gegenpol der seelischen Übung gegenüberstellt.

154 WBRQRKC\GKP wird nur noch in Lk 18,5 benutzt, in der Septuaginta kommt nur das Substantiv WBBRYRKC vor, in Spr 20,30 im Sinne von „blaue Flecken, Verletzungen“. 155 J. Weiß, Der erste Korintherbrief, 248: Paulus „bläut den eigenen Leib durch Kasteiung, zum Ertragen von Entbehrung und Mühsal, von Schmerz und Todesnot“, anstatt dem Gegner ins Gesicht zu schlagen wie in Lk 18,5. 156 O. Schwankl, Lauft so dass ihr gewinnt, 185, Anm 85. Diese ganzheitliche Definition ist sehr wichtig, denn es ist nicht unüblich, die Stelle nach einer dualistischen Denkweise auszulegen, vgl. A. Plummer A. Robertson, 197: „It is perhaps too much to say that St Paul regards his body as an antagonist. Rather, it is something which becomes a bad master, if it is not made to be a good servant […] But the body must be the FQWNQL of the spirit“. Dieser letzte Satz ist aber nicht unproblematisch. Nach dieser Untersuchung ist das UYOC von Christus gekauft und muss im Dienst Christi konstruktiv handeln. Wichtig scheint mir eine weitere Stelle des Paulus, wo die Dialektik Freiheit und Dienst thematisiert wird, d.h. Gal 5,13. Das Schema ist dieser Stelle von 1Kor 9 ähnlich. Christus hat uns befreit, und diese Freiheit wird erlebt im Dienst an Christus und an den Brüdern: OQPQP OJ VJP GXNGWSGTKCP GKXL CXHQTOJP VJ^ UCTMK CXNNC FKC VJL CXICRJL FQWNGWGVG CXNNJNQKL.

Gegenüber im ethischen Kontext

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3.2 1Kor 13,3 Der Vers fungiert als negatives Beispiel im Kapitel über den Lobpreis der CXICRJ, indem er große Leistungen beschreibt, die sich aber ohne Liebe als unnütz erweisen. Im V. 1–2 werden außerordentliche Fähigkeiten und Kenntnisse herausgestellt, in V. 3 herausragende Leistungen in der Hingabe. Beide Teile sind syntaktisch gleich aufgebaut, nämlich als Bedingungssätze, wobei zwischen Vers 1 und 2 sowie 3a und 3b eine Steigerung in der Ausdrucksform erkennbar ist. In V. 13,3 steht neben der Hingabe der Güter die Hingabe des UYOC als Hyperbel, was eigentlich als Selbsthingabe und nicht als Hingabe eines Objekts verstanden werden muss. Die Hingabe des UYOC ist die extremste Form des Gebens, die die Hingabe der Güter übertrifft. Das heißt, UYOC lässt sich nicht als Objekt betrachten,157 das man besitzt, sondern muss als ganze Person gesehen werden, die man als ein Gegenüber hingeben kann. Was damit gemeint ist, ist ein schwieriges textkritisches Problem, das umstritten ist,158 denn das Verb des Finalsatzes kann entweder als MCWEJUYOCK oder als MCWSJUQOCK gelesen werden. Obwohl MCWEJUYOCK besser belegt ist,159 ist es logischer, es als Korrektur von MCWSJUQOCK aufzufassen.160 Nach dieser Lesart wäre damit ein Martyrium durch Feuer oder gar eine Selbstverbrennung161 gemeint. Abgesehen von der textkritischen Frage ist wiederum diese personale Bedeutung wichtig, die dem UYOC zugeschrieben wird. Dieses hyperbolische Beispiel passt in das paulinische Schema, bei dem der emanzipierte Leib zum Dienst aufgerufen ist. Was noch umstritten ist, ist der Zweck der Selbsthingabe: Je nach textkritischer Lesart ist diese entweder auf Ruhm ausgerichtet, oder sie hat keine besondere Finalität.

157 Gegen K.A. Bauer, Leiblichkeit, 89: „UYOC erscheint hier als Gegenstand des Ich, welchen das Ich „hat“, über den es verfügt und an dem es handelt.“ 158 J.K. Elliott, In Favour of MCWSJUQOCK in 1 Corinthians 13, 297–298, listet die Gründe für die Variante „verbrannt werden“ auf, wobei die wichtigsten sind: a) RCTCFY VQ UYOC ist kein fertiger Ausdruck b) die Erwähnung des MCWEJUYOCK braucht nicht durch die Agape ergänzt zu werden. 159 P46, a, A, B; MCWSJUQOCK hingegen kommt in C, D, F und G vor; einige Manuskripte K, ; weisen auch die Variante MCWSJUYOCK auf, die grammatikalisch korrekter ist, aber natürlich eine lectio facilior. 160 A. Lindemann, Der erste Korintherbrief, 286: „Paulus würde kaum sagen können, ein von CXICRJ begleitetes MCWECUSCK sei im Zusammenhang der Preisgabe des UYOC möglich und diese bringe dann Nutzen“. 161 J. Weiß, Der erste Korintherbrief, 315: „Paulus setzt den Fall, dass jemand freiwillig seinen Leib zur Verbrennung dahin gibt; darin ist die Deutung auf irgend ein Martyrium ausgeschlossen. Er denkt an Fälle freiwilliger Selbstverbrennungen.“

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Das UYOC des Einzelnen

4. UYOC als Ort der Offenbarung 4.1 2Kor 4,10–11 Ort der Offenbarung In der anthropologischen Anwendung des Tempelbildes ist im Grunde schon die Vorstellung enthalten, dass das befreite UYOC ein besonderer Ort ist, an dem sich die Präsenz Gottes offenbart bzw. offenbaren muss. In 1Kor 6,20 wird daher die Gemeinde ermahnt, FQZCUCVG FJ VQP SGQP GXP VY^ UYOCVK WBOYP, wobei das UYOC gleichzeitig als Ort und als Mittel dieser Verherrlichung gemeint ist. In diesem besonderen Fall bedeutet das den Verzicht auf den Besuch von Prostituierten, das heißt die Forderung, eine konstruktive Sexualität zu leben. Dieser lokale Aspekt ist eines der charakteristischen Merkmale in der Anwendung des Begriffs bei Paulus. Auf den Einzelnen bezogen ist er sehr wichtig für eine Definition des UYOC selbst. Das wiederkehrende Schema ist folgendes: Verb + GXP UYOCVK + Personalpronomen. Das erste Beispiel ist in 2Kor 4,10f zu finden, wo das UYOC des Apostels als der Ort bezeichnet wird, an dem die zentralsten Ereignisse der Offenbarung162 geschildert werden, nämlich der Tod163 und die Auferstehung Christi. In diesen Versen wird die kurze Peristasenliste aus V. 8–9 wieder aufgenommen und durch die Erfahrung des Todes und des Lebens Christi zusammengefasst. Die Grundidee ist, dass das Leiden des Apostels, der den Tod Jesu im Leibe mit sich trägt,164 die Schwere des Kreuzes wiedergibt und dieser dadurch eine imitatio Christi vollzieht. Dieser wichtige Gedanke kann auch den V. 11 erklären, in dem sogar die UCTZ zum Ort dieser Offenbarung wird. Paulus versteht sich wie Jesus als dem Tode ausgeliefert, er nimmt wie Jesus durch seine Leiden die UCTZ an (Röm 8,3) und macht sie zum Ort der Offenbarung, obwohl nur der Tod Jesu die Sünde im Fleisch bekämpfen und siegen kann. Nur durch äußerstes Leiden kann auch das Fleisch, das sonst negativ konnotiert ist, zum Ort der Offenbarung werden. 8(P VJ^ SPJVJ^ UCTMK steht parallel zum einfachen UYOCVK. Paulus will hier verdeutlichen, dass die Epiphanie Jesu Christi nicht erst am verklärten Leib geschieht, sondern bereits vor dem Tod am irdischen Leib. Daraus erklärt sich der Wechsel zu UCTZ. Tatsächlich wird hier UCTZ als Synonym von UYOC benutzt. Dies wird dadurch möglich, dass der UCTZ, die bei Paulus in 162 Vgl. E. Güttgemanns, Der leidende Apostel, 123. 163 R. Bultmann, Der zweite Brief an die Korinther, 118: Das Leiden des Apostels ist kein Leiden im menschlichen Sinne, sondern ein Teilhaben am Tod Jesu. Dies verdeutlicht der Begriff PGMTYUKL, ein Terminus aus der Medizin, der „das Absterben oder Erstorbensein des Körpers oder eines Körperteils“ bezeichnet (119). 164 RGTKHGTGKP „wird gern von einem Besitz oder einem Zustand gebraucht, den man ständig mit sich herum trägt“, wie Kinder im Mutterleib 2Makk 7,27, Tugend u.a. (H. Windisch, 2. Korintherbrief, 145).

Ort der Offenbarung

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der Regel eine aktive Funktion hat, durch das Adjektiv SPJVJ eine inaktive Funktion zugeschrieben wird. Ein weiteres Beispiel für den synonymen Gebrauch findet sich in Röm 8,13. In diesem Fall ist es umgekehrt das von der Sünde versklavte UYOC, das eine aktive Funktion erhält, sodass Paulus von den RTCZGKL VQW UYOCVQL165sprechen kann, die getötet werden müssen – was eigentlich unüblich ist. 4.2 Phil 1,20 Die Vorstellung von einer im Leib stattfindenden Verherrlichung Jesu begegnet auch in Phil 1,20. Den Kontext bildet der mögliche Märtyrertod des Apostels, der wahrscheinlich im Gefängnis sitzt. Paulus hat die Hoffung und Zuversicht, „in nichts zu Schanden zu werden“166 – ein alttestamentlicher Ausdruck des Gottvertrauens, der im Milieu der jüdischen Märtyreranschauung verwurzelt ist. Wie Lohmeyer schreibt: „Schande ist nicht etwa das Zagen und Zittern des menschlichen Herzens, sondern das Ausbleiben der erbetenen göttlichen Hülfe“.167 Diese Zuversicht bewegt ihn zu der Aussage, dass – sei es im Tod oder im Leben – Christus an seinem Leibe verherrlicht wird. Das Verb OGICNWPGUSCK drückt in der LXX häufig die Lobpreisung und Verherrlichung aus, die Gott erwiesen werden muss; es hat eine besondere kultisch-liturgische Bedeutung, sodass es als Synonym von FQZC\Y angesehen werden kann.168 Interessant ist an dieser Stelle, dass die Verherrlichung nicht speziell mit dem Märtyrertod verbunden ist, sondern sich auch auf die apostolische Mission des Paulus bezieht. UYOC bezeichnet das konkrete Leben des Apostels und nicht nur seinen zu tödlichen Leiden verurteilten Leib. 4.3 Gal 6,17  Als letztes Beispiel für UYOC als Ort der Offenbarung dient hier Gal 6,17, wo sich folgender Ausdruck findet: GXIY ICT VC UVKIOCVC VQW 8,JUQW GXP VY^ 165 Röm 8,13: GKX ICT MCVC UCTMC \JVG OGNNGVG CXRQSPJ^UMGKP> GKX FG RPGWOCVK VCL RTCZGKL VQW UYOCVQL SCPCVQWVG \JUGUSG. Die Unterscheidung der beiden Termini, wonach dem einen (UYOC) eine passive und dem anderen (UCTZ) eine aktive Konnotation zukommt, wird in Kapitel VI vertieft. 166 CKXUEWPGUSCK findet sich besonders in den Psalmen, Ps 25,3; 69,7; 119,36.80.116 und in Sir 24,22; 51,18. 167 E. Lohmeyer, Philipperbrief, 53. 168 Diese kommt in 2Sam 7,26 vor: OGICNWPSGKJ VQ QPQOC UQW G=YL CKXYPQL; 1Chr 17, 24; Ps 34,3; 35,27.

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Das UYOC des Einzelnen

UYOCVK OQW DCUVC\Y. Der Satz hat einen abschließenden Charakter für den Brief. Ihm kommt die rhetorische Funktion einer conquestio169 zu, einer Benennung der Leiden, um die Meinung der anderen rhetorisch zu beeinflussen. Unterstrichen wird dies durch die ausdrückliche Verwendung des Pronomens GXIY. Die paulinische Leidenserfahrung wird als Argument gegen andere mögliche Belastungen angeführt und dient als Schlusswort. Der Ursprung des Ausdrucks VC UVKIOCVC VQW 8,JUQW ist umstritten, obwohl es über die Implikationen dieser Textstelle einen Konsens170 gibt. Es können religiös-kultische oder soziale Parallelen angeführt werden. Herodot171 berichtet von einem Heraklestempel, in dem entlaufene Häftlinge Unterschlupf fanden und UVKIOCVC KBBGTC bekamen, mit denen sie sich ihrem Gott hingaben, sodass ihnen niemand etwas anhaben konnte. Diese Male waren wohl eine Art Tätowierung. Die griechischen Autoren172 berichten aber auch von der Gewohnheit einiger Herren oder Herrscher, ihre Sklaven zu brandmarken wie Vieh, um ihr Eigentumsrecht an ihnen geltend zu machen. Dieser Kontext der Sklavenbrandmarkung scheint mir erhellend für unseren Text, weil Paulus, wie wir oben gesehen haben, dieses Bild für sich und für die Christen oft bemüht. Diese Stelle verbindet die zwei Hauptlinien der paulinischen Definition des UYOC: einerseits die Vorstellung vom Sklaven und der mit dem UYOC verbundenen Zugehörigkeit zu Christus und anderseits die Idee des UYOC als Ort, an dem sich die Offenbarung vollzieht.

5. Zusammenfassung UYOC ist nach Paulus ein ganzheitlicher Begriff, mit dem der Mensch in seiner Abhängigkeit vom Außen – von Personen sowie von anderen Mächten – beschrieben wird. Die Basis dieser Definition bildet die im Umfeld sehr verbreitete Bedeutung von UYOC als Sklave oder Leiche. An diesem Punkt weicht Paulus nur unwesentlich von der Vorstellung seiner hellenistischen Leser ab. Durch die Sklavenmetaphorik wird auch die Erlösung erklärt und gewinnt sogar einen tieferen Sinn. Die Emanzipation des Christen durch den Loskauf bringt ihn aber zugleich unter eine neue Herrschaft, die 169 F. Vouga, An die Galater, 158. H.D. Betz, Galatians, 323–324. 170 E. De Witt Burton, Galatians, 360, meint, es sei „the suffering of the apostle“, was mit seinem Dienst an Christus verbunden ist. H. Schlier, Der Brief an die Galater, 210, meint, „so ist kein Zweifel, dass der Apostel die Krankheiten und Schmerzen, die Wunden und Narben meint, die er in seiner apostolischen Nachfolge Jesu und in seinem apostolischen Dienst erlitten hat.“ 171 Hdt. II,113 JP FG GXRK VJL JXKQPQL VQ MCK PWP GXUVK B+TCMNGQL KBBTQP GXL VQ J P MCVCHWIYP QKXMGVJL Q=VGQ YP CXPSTYRYP GXRKDCNJVCK UVKIOCVC KBBTC GBBYWVQP FKFQWL VY^ SGY^ QWXM GZGUVK VQWVQW C=[CUSC> QBB PQOQL QWVQL FKCVGNGGK GXYP Q=OQKQL VQ OGETK. 172 Diese Nachricht findet man bei verschiedenen Autoren: D.S. XIV,30,7; 34,2,1 Plu. Nic. 29,2,1; Hdt. VII,233.

Zusammenfassung

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Herrschaft Jesu Christi, die erst Freiheit und konstruktives Handeln ermöglicht. Die Konnotation von UYOC als inaktiver, abhängiger Größe bleibt auch in der Erlösung bestehen. Durch die Erlösung findet eine Art Verwandlung des UYOC statt: Es ist nicht mehr inaktiv wie eine Leiche, sondern ihm wird durch die Auferstehung Leben eingehaucht; es ist kein Sklave mehr, sondern erhält durch die Herrschaft Christi eine Würde und Raum für ein soziales Leben in der Gemeinschaft. In der Antike besaßen die Sklaven keinerlei Rechte in der Gesellschaft. Die Erlösung ermöglicht eine positive Betrachtung des UYOC, wodurch ein konstruktives Leben verwirklicht werden kann. Die positive Umwertung des Leibes liegt heilsgeschichtlich in der Auferstehung Jesu Christi begründet, die ein neues Verständnis des Humanums herbeiführt. Die Konstruktivität liegt in dieser Verwandlung des Menschen begründet, der eschatologisch analog zu Christus auferweckt wird und in seiner Ethik zum Tempel Gottes und zum Mittel des Gottesdienstes wird. Die Konfrontation mit dem UYOC dient dazu, diese Herrschaft Christi zu erkennen und konsequent die Freiheit eines Christen zu leben. Das UYOC ist daher gleichzeitig der Ort, an dem die Erlösung stattfindet, und der Ort, an dem die Christen Gott loben können, und damit der „wahre Tempel“. Der Gedanke einer Abhängigkeit von Christus und einer Zugehörigkeit zur Gemeinschaft und die Vision des Tempels verbinden sich im Sinne eines konstruktiven Zusammenlebens, auf das der Diskurs der Leiblichkeit im Grunde zielt. Zusammenfassung

Kapitel IV: Das UYOC der Gemeinschaft

1. Vorbemerkung Dass die Überlegungen zum UYOC nicht nur auf die individuelle Ebene begrenzt sind, wird bereits durch die Analyse von 1Kor 6,12–20 klar. Der Einzelne kann nicht unabhängig vom Kontext definiert werden, er ist ein Glied Christi, ein Teil eines von Christus bestimmten Zusammenhangs. Diese enge Verbindung zwischen Einzelnem und Kollektivität wird durch den Begriff UYOC ermöglicht und ist ein unerlässlicher Teil der Anthropologie, die von Paulus durch eine Fülle vorhandener religiöser und philosophischer Traditionen entwickelt wird. Die religiösen Traditionen betreffen die Taufe als Übergangsritual in das neue Zusammensein der christlichen Gemeinde sowie das Abendmahl, das eine grundlegende Bedeutung für die Begründung der Gemeinschaft hat. Die philosophischen Traditionen tragen dazu bei, die Natur des kollektiven Leibes genauer zu definieren. Der Leib symbolisiert in der antiken Literatur häufig eine Gemeinschaft, aber wie diese Gemeinschaft sich verhält und konstituiert ist, muss durch die Frage der Zusammensetzung der Teile und ihrer Gleichheit bzw. Ungleichheit genauer bestimmt werden. Die Natur der christlichen Gemeinde wird im Zusammenhang zeitgenössischer Theorien über das menschliche Zusammensein definiert. Ziel dieses Kapitels ist es, das häufig behandelte Thema der Gemeinde als Leib Christi in strenger Kontinuität mit der paulinischen Überlegung über das UYOC darzustellen. Die Forschungsgeschichte hat gezeigt, wie oft dieses Thema isoliert durch direkte Herleitung aus der Christologie (als der mystische Leib Christi oder der Christus prolongatus) oder als Produkt der sakramentalen Handlung betrachtet worden ist, die die notwendige persönliche Präsenz Christi verleiht, die zur Gemeinschaft führt. Oder es wird ihm ganz im Gegensatz zu diesen Interpretationen eine rein bildliche Erklärung gegeben. Die Rede über die Gemeinde als UYOC ist meines Erachtens in der entsprechenden Rede über das Einzelne als UYOC und umgekehrt verwurzelt, und dies ist aufgrund der semantischen Breite des Begriffs UYOC möglich. Das konstruktive Leben des Individuums und der Gemeinde gründen sich auf die von Christus gestiftete, wechselhafte Beziehung von Christus und UYOC (1Kor 6,13 VQ FG UYOC … VY^ MWTKY^ MCK QB MWTKQL VY^ UYOCVK). Sie ist ihr konstitutives Moment. Wie das Individuum, so kann auch die Ge-

Analyse von 1Kor 10,14–22

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meinde destruktiv werden: Sie ist nicht per definitionem als mystischer Leib Christi oder kraft der Sakramente heilig. Paulus spricht mehrmals mit Leidenschaft und Ironie von den zahlreichen Konflikten in der Gemeinde, denen er immer wieder ein konstruktives Zusammensein gegenüberstellt. Analyse von 1Kor 10,14–22

2. Analyse von 1Kor 10,14–22 2.1 Der Kontext Die Diskussion über den Verzehr des Götzenopferfleisches und die Situationen, in denen dies geschieht, bildet den Kontext, in den 1Kor 10,14–22 eingebettet ist. Die einführende Formel in 1Kor 8,1, RGTK FG […], suggeriert, dass das Thema durch eine Frage in der korinthischen Gemeinde angeregt wurde, die verschiedene Verhaltensweisen in sich barg und auch Konflikte verursachte. Die Antwort des Paulus beschränkt sich nicht auf allgemeine Aussagen zu der Problematik, ob es erlaubt sei, Opferfleisch zu essen. Sie umfasst vielmehr einen komplexeren Sachverhalt, in dem nicht nur die Frage des Essens als solche berücksichtigt wird, sondern auch die Konsequenzen für die Gemeinde erörtet werden. Die Stellungnahme umfasst verschiedene Komponenten in 1Kor 8 und 10. Das hat dazu geführt, dass die literarische Integrität dieser Kapitel in Frage gestellt wurde. Die Argumente des Paulus in beiden Kapiteln sind nach J. Weiß1 wegen ihrer Verschiedenheit ein Beweis für eine Kombination zweier verschiedener Schreiben des Paulus an die korinthische Gemeinde. Nach Weiß betont Paulus in 1Kor 8 und 10,23–24 die Harmlosigkeit des Opferfleisches, das – lediglich mit der Einschränkung der Rücksicht auf die Schwachen – gegessen werden darf. 1Kor 10,1–22 enthalte im Gegensatz dazu eine radikale Abgrenzung von der heidnischen Welt angesichts einer Bedrohung durch Götzendienst und sei als solcher Teil eines vorkanonischen Briefes, in dem Paulus eine schärfere Distanzierung von der Welt empfiehlt: eine Stellungnahme, die in den folgenden Briefen abgemildert werde. Den zwei Argumenten entspreche nicht nur eine Entwicklung in der paulinischen Begrifflichkeit, sondern auch die Annahme zweier verschiedener Argumentationskontexte: einerseits der ethischen Betrachtung der Adiaphora, andererseits der kultischen Strenge des Gebots, nicht mit Götzendienst in Berührung zu geraten. Aus diesen Gründen sei es unmöglich, dass Paulus beide Argumente in demselben Brief vorbringt. Die radikale Ablehnung des Götzenopferfleisches war nach Weiß ein Mittel, um für das Jerusalemer Dekret (Apg 15,20) zu werben, auf das Paulus sich trotz seiner davon abweichenden 1

J. Weiß, Der erste Korintherbrief, 210–213 und 249.

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Das UYOC der Gemeinschaft

Meinung verpflichtet hatte. H. Conzelmann2 bemerkt, dass Paulus in 1Kor 10,1–22 die Meinung der Schwachen vertritt, in 1Kor 8 und 10,23–24 hingegen die der Starken. Er fragt sich darüber hinaus, wie Paulus zwei verschiedene Gedanken im gleichen Brief äußern könnte, aber letztendlich entscheidet er sich wegen des Nebeneinanders vergleichbarer Argumente in Röm 14,1–15 für die Hypothese der Einheitlichkeit des Briefes. Um die Argumente des Paulus zur Frage des Opferfleisches durch eine befriedigende Hypothese zu erklären, muss man auf die verschiedenen Aspekte seiner artikulierten Antwort verweisen, die nicht zueinander in Widerspruch stehen. In der Antwort berücksichtigt Paulus kasuistisch die verschiedenen Situationen,3 in denen der Verzehr des Opferfleisches stattfindet. Das Essen allgemein, betont Paulus im Gegensatz zu den Judenchristen, bildet keine Schwierigkeit und ist irrelevant für die Christen, weil es zur Vergänglichkeit und zu den Adiaphora gehört (1Kor 6,13) und keinen Wert vor Gott hat (1Kor 8,8). Man darf alles kaufen und essen, was auf dem Markt verkauft wird (1Kor 10,25). Wichtig ist es, Rücksicht auf die „Schwachen“ zu nehmen. Im Fall eines Gastmahles mit kultischer Feier, die eine heidnische MQKPYPKC begründet, antwortet Paulus mit einem harschen Verbot. Die meisten Autoren, die sich mit dem Thema Opferfleisch monographisch beschäftigen, neigen dazu, die ganze Diskussion als Inhalt dessselben Briefes zu sehen und keine Teilung in Fragmente vorzuschlagen.4 Wie schon bei der Analyse von 1Kor 6,12–20 angedeutet wurde, ist 1Kor 10,14–22 in einem größeren Zusammenhang zu lesen, nämlich in Bezug auf die Diskussion über die GXZQWUKC, die in 1Kor 6,12–11,1 stattfindet. Nur wenn man diesen Zusammenhang in Betracht zieht, kann man die 2 H. Conzelmann, Der erste Brief an die Korinther, 162–164. 3 Ähnliche Gedanken werden von J. Becker, Paulus. Der Apostel der Völker, 204–205, vorgebracht. Der Einkauf auf dem Markt ist unproblematisch, ebenso wie die Einladung in ein heidnisches Privathaus; die Teilnahme an einer Feier ohne Kult ist ein Streitfall, die Teilnahme an einem Kult hingegen verboten. Er kommt zu dem Schluss: „[…] wer so Einzelfälle versteht und gewichtet, hat keinen Anlass, Stücke aus verschiedenen Briefen zu verteilen“ 205. Auch W.A. Meeks, „And Rose up to Play“, 72–75, versucht die artikulierte Antwort des Paulus auf die allgemeine Frage der Korinther aus 1Kor 8 und 10 zu rekonstruieren. Nach der Zustimmung zu allgemeinen Behauptungen der „Starken“, (die Götzen sind nichts, Essen und Trinken sind adiaphora, und man kann alles auf dem Markt kaufen) und der Unterstellung der Rücksicht auf die „Schwachen“, behandelt Paulus die Gefahr des Götzendienstes. 4 D. Newton, Deity and Diet, 325, schreibt gegen die These von N. Walter von einer Briefaufteilung; A.T. Cheung, Idol Food in Corinth, 82–85, bringt folgende Argumente für die Einheitlichkeit (84–86): (a) Es gibt keine textkritische Andeutung für eine Aufteilung , (b) Auch wenn man von zwei Briefen redet, so ist doch die Zeitspanne zwischen den hypothetischen Briefen zu kurz für eine Diskrepanz, (c) Es ist unrealistisch zu denken, dass Paulus über so ein wichtiges Thema wie Opferfleisch seine Meinung in kurzer Zeit geändert hat. P.D. Gooch, Dangerous Food, 50: „I am convinced that 1 Corinthians 8,1–11,1 must be read as Paul’s integral response to Corinthians’ question concerning idol-food.“ Für die Aufteilung spricht sich H. J Klauck, Herrenmahl, 272f aus.

Analyse von 1Kor 10,14–22

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abschließende Wiederaufnahme des Themas Freiheit in 10,23–11,1 erklären. In dem besonderen Fall des Opferfleischverzehrs bedeutet GXZQWUKC (1Kor 8,10) ganz konkret das Privileg einiger Reichen in der Gemeinde, Opferfleisch zu essen und ihren sozialen Verpflichtungen nachzukommen. In der Diskussion hat 1Kor 9 eine Schlüsselfunktion, weil Paulus sich selbst in diesem Kapitel als Beispiel eines Verzichts auf seine apostolische GXZQWUKC darstellt.5 A.T. Cheung sieht einen Parallelismus der Diskussion über die Prostitution in 1Kor 6,12–20 mit der über das Opferfleisch mit linguistischen und sachlichen Entsprechungen: 1) das Motto RCPVC OQK GZGUVKP 6,12 und 10,23; 2) die Mahnung HGWIGVG VJP RQTPGKCP 6,18 und HGWIGVG CXRQ VJL GKXFYQNQNCVTKCL 10,14; 3) der Verkehr mit Prostituierten ist, ebenso wie die Gesellschaft mit den Dämonen eine unvorstellbare Union. 4) Beide Stellen enden mit einem Lob Gottes (6,20; 10,31).6 In dieser Liste fehlt m.E. der wichtigste Punkt beider Perikopen: das konstruktive und positive Beispiel eines Zusammenlebens als G?P UYOC im Verhältnis zwischen Mann und Frau (6,16) und in der Gemeinde (10,17), das die Paränese des Paulus bekräftigt. Den unmittelbaren Kontext bildet die beispielhafte Ausführung von 1Kor 10,1–13, die neue Elemente in den Brief einführt. Zum allgemeinen Thema der Freiheit von Essen und Trinken gesellt sich das Thema des RPGWOCVKMQP RQOC und DTYOC, das Essen in einem kultischen Zusammenhang und das allgemeine Thema der sakramentalen Handlung sowie der Gefahr des Götzendienstes. Einige Momente der Exodus-Erzählung werden genannt7 – in zwei Teilen V. 1–5 und 6–10 – und typologisch ausgelegt. Die Wolke, die Meeresdurchquerung, die Speisung mit Manna und die Tränkung mit Wasser in der Wüste weisen mit den Stichwörter DCRVK\GKP und RPGWOCVKMQP RQOC und DTYOC auf die Sakramente hin. Der Kontrast zwischen den RCPVGL, die die gleiche gnadenbringende Erfahrung erleben, und den vielen, die Gottes Wohlgefallen nicht erlangen, ist die Pointe, die wohl auch die fal5 Mit Recht beobachtet E. Coye Still, Paul’s Aims, 339, den stringenten Parallelismus zwischen 9,15, wo Paulus auf sein Recht auf materielle Unterstützung mit diesen Worten verzichtet: MCNQP ICT OQK OCNNQP CXRQSCPGKP, und 8,13: QWX OJ HCIY MTGC GKXL VQP CKXYPC, was die von Paulus gewünschte Antwort der Starken sein sollte. Der paulinische Verzicht auf seinen Unterhalt ist auch von G. Theißen, Die Starken und die Schwachen, 287, als Vorbild für die Starken gewertet worden: „Der Verzicht auf materielle Privilegien wirkt als Beispiel viel überzeugender, wenn sich dieser Appell an materiell Privilegierte wendet.“ 6 A.T Cheung, Idol Food in Corinth, 113–114. 7 W.A. Meeks, And Rose up to Play, 67, nimmt die Annahme von J Weiß auf, nach der der Text ein präpaulinisches Midrash oder „homily“ ist, sieht aber den zentralen Punkt in den Versen 6–10, wo das Thema des Götzendienstes und des goldenen Kalbes durch das Zitat von Ex 32,6 zur Sprache kommt, was für die paulinischen Argumentation wichtig ist: „From the homily Paul draws out the central warning against idolatry and restates it in the form of central warning against idolatry (10,14) . Then he backs this rule by connecting an interpretation of the Lord’s Supper, evidently known to the Corinthians, with a further deduction from the Golden Calf story” (74).

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Das UYOC der Gemeinschaft

sche Sicherheit der Korinther bei der sakramentalen Handlung korrigieren will8 und zugleich die bestehende Gefahr des Ungehorsams mit all seinen katastrophalen Folgen aufzuzeigen beabsichtigt. Der zweite Teil 6–10 listet fünf konkrete Beispiele des Ungehorsams auf, deren Höhepunkt die GKXFYNQNCVTKC ist, mit Zitat von Ex 32,6, das die Anbetung des goldenen Kalbes andeutet. Der Schluss 11–13 unterstellt die Bundestreue Gottes (RKUVQL FG QBB SGQL) und die Überzeugung, die endzeitliche Prüfung zu bestehen. Die Verbindungen zu den folgenden Texten sind offensichtlich. Zu finden sind nicht nur das typologisch vorausgesetzte Thema des Abendmahls, sondern auch die Gefahr der Idolatrie. Die Unterstreichung von RCPVGL – VQ CWXVQ in der Exodus-Erzählung ist konstitutiv für das Herrenmahl (10,17 QKBB ICBT RCPVGL GXM VQW GBBPQL CTVQW sowie 11,20 UWPGTEQOGPYP QWP WBBOYP GXRK VQ CWXVQ) und leitet das Problem einiger ein, die das KFKQP FGKRPQP nehmen. Auch das Urteil von 1Kor 11,27–32 findet seine Basis in der Bestrafung des Volkes in der Wüste. 2.2 Literarische Analyse Der Text ist mit 1Kor 10,1–13 durch die Mahnung HGWIGVG CXRQ VJL GKXFYNQNCVTKCL verbunden, die den folgenden Versen eine besondere Bedeutung gibt und eine abschließende Rolle für die vorangegangene ExodusExegese spielt. In der Anrede wird die Nähe des Paulus seinen Adressaten gegenüber durch die Worte CXICRJVQK und HTQPKOQK unterstrichen, die keine ironische Bedeutung haben,9 sondern als Ansprache wirken, um an die Urteilsfähigkeit der Korinther im Rahmen einer brüderlichen Beziehung zu appellieren. Der Satz MTKPCVG WBOGKL Q= HJOK leitet die erste Digression über die Elemente des Abendmahls ein, die durch zwei rhetorische Fragen formuliert ist. Die Struktur der Fragen ist strikt parallel: VQ RQVJTKQP/ VQP CTVQP […] QWXEK MQKPYPKC GXUVKP VQW CK=OCVQL/ VQW UYOCVQL VQW &TKUVQW Die Ausdrücke VQ RQVJTKQP VJL GWXNQIKCL Q? GWXNQIQWOGP und VQP CTVQP Q?P MNYOGP stammen aus der Abendmahlstradition;10 der Akzent liegt auf der

8 H. Lietzmann, An die Korinther, 45. Der Gedanke, nach dem das Heil durch die Sakramente garantiert wird, „ergänzt aufs Beste das Bild der mit ‚Gnosis‘ versehenen ‚Starken‘ zu Korinth, denn er kehrt als heidnisches Erbe auch bei späteren Gnostikern wieder.“ 9 Gegen C.K. Barrett, A Commentary of the First Epistle to the Corinthians, 231, so H. Conzelmann, Der erste Brief an die Korinther, 201, Anm 12, und H.J. Klauck, Herrenmahl, 258. 10 W. Schrage, Der erste Brief an die Korinther, 432–433. „Becher des Segens“ ist jüdischen Ursprungs, und der Gebrauch von GWXNQIGKP ist hier unpaulinisch, weil der Apostel das Verb in einem anderen Sinne benutzt, nämlich als Fürbitte für die Feinde (1Kor 4,12 und Röm 12,14) oder doxologisch (1Kor 14,16). Die Voranstellung des Kelchs zeugt nicht von einer selbständigen Tradition, sondern ist paulinisch, ebenso der Gebrauch des Wortes MQKPYPKC.

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Analyse von 1Kor 10,14–22

Handlung, nämlich auf den Verben GWXNQIGKP und MNCP,11 und nicht auf den Elementen selbst; sie wird als MQKPYPKC bezeichnet. Die Abendmahlstradition wird am Ende von Vers 17 ekklesiologisch ausgewertet, wobei der Gebrauch des Begriffes MQKPYPKC eine solche Deutung ermöglicht. Der V 17 a ist grammatisch undeutlich, es ist nicht klar, ob G?P UYOC QKB RQNNQK GXUOGP ein Teil des vorigen Q=VK – Satzes oder eine selbständige Proposition ist. Im ersten Fall lautet er: „Denn wir, die Vielen sind ein Brot, ein Leib“, im zweiten Fall: „Weil es ein Brot ist, sind wir, die Vielen, ein Leib“. Der enge Parallelismus von 17a und 17b spricht zwar für die erste Lösung, doch der unübliche Ausdruck GKL CTVQL […] GXUOGP lässt mich eher für die zweite Lösung plädieren. Aus der Darstellung des Parallelismus wird erkennbar, dass das Wort G?P UYOC herausfällt und dadurch als die wichtigste Aussage hervorsticht: Q=VK GKL CTVQL

QKB RQNNQK GXUOGP G?P UYOC

QKB ICT RCPVGL

GXM VQW GBPQL CTVQW OGVGEQOGP

Der Imperativ DNGRGVG in V. 18 ist parallel zu dem Imperativ in V. 15 und hat die gleiche rhetorische Funktion. Der Inhalt ist die Opferhandlung im Judentum,12 die auch eine MQKPYPKC ermöglicht; V. 18b enthält eine rhetorische Frage, die positiv beantwortet werden muss. Der Ausdruck VK QWP HJOKq bringt eine Fokussierung auf das Hauptthema mit sich, die Götter sind nichts, aber die Opferhandlung ist eine Gotteslästerung und kann eine MQKPYPKC schaffen, kann die Teilnehmer zu MQKPYPQK VYP FCKOQPKYP machen. Die jüdischen Opfer werden nicht negativ beurteilt, sondern als Beispiele für Opferrituale, die durch das Opfer Gott gegenüber vollzogen werden, während die heidnische Opfer zu verwerfen sind, weil sie für die Götzen zelebriert werden. V. 20–21 enthalten drei Behauptungen, eingeleitet von drei Verben, die den subjektiven Willen des Apostels und die objektive Unmöglichkeit einer gleichzeitigen Gemeinschaft des Herrenmahls und des heidnischen Opfermahles ausdrücken. Die Schlussfragen in V. 22, deren 11 Dass der Ausdruck VQP CTVQP MNCP auf die Abendmahlsfeier hinweist, ist durch Apg 2,46 bewiesen, vgl. Did 14,1 und IgnEph 20,2. 12 Der Ausdruck Israel MCVC UCTMC hat keine abwertende oder negative Bedeutung, er bezeichnet vielmehr das alttestamentliche Israel wie Röm 1,3 oder 4,1 gegen W. Schrage, Der erste Brief an die Korinther, 442–443, der ihm zwar keine negative Bedeutung zuschreibt, aber einen korrelativen Kontrast zur Kirche als Israel MCVC RPGWOC sieht.

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Das UYOC der Gemeinschaft

Inhalt aus der Exodustradition stammt, haben die Funktion, eine solche Perspektive als absurd zu darzustellen. 2.3 Gliederung Die Struktur des Textes entfaltet sich als Erklärung des Imperativs in 1Kor 10,14, der die Teilnahme an den heidnischen Opfermahlen als GKXFYNQNCVTKC bezeichnet. Die Argumentation kann in drei Teile gegliedert werden, deren Zäsuren von Imperativen markiert werden: HGWIGVG, DNGRGVG, MTKPCVG und QWX FWPCUSG. Das Ergebnis ist folgende Gliederung:13 V. 14 V. 15 –17 V. 18–20 V. 21–22

Die Gefahr der Idolatrie Abendmahl als MQKPYPKC: ein UYOC Opferhandlung: Gemeinschaft Israels (MQKPYPQK VQW SWUKCUVJTKQW) Gemeinschaft der Heiden (MQKPYPQK VYP FCKOQPKYP) Unvereinbarkeit der Gemeinschaft beim Opfermahl der Heiden und beim Abendmahl 2.4 Der Begriff MQKPYPKC

1Kor 10,14–22 hat in dem Begriff MQKPYPKC/MQKPYPQL einen verbindenden Punkt, der einen Vergleich sonst nicht vergleichbarer kultischer Handlungen und Rituale – wie Abendmahl, jüdischer Opfer und hellenistischer Opfermahle – ermöglicht. Wegen dieser Schlüsselfunktion des Begriffs für die Auslegung des Textes müssen verschiedene Ebenen in der Analyse von MQKPYPKC berücksichtig werden: die grammatische Konstruktion, der Gebrauch in der griechischen Literatur und Philosophie und schließlich die Erklärung der kultur- und religionsgeschichtlichen Hintergründe, die im Text angedeutet werden. Das Wort MQKPYPKC und die verwandten Begriffe bezeichnen ein Verhältnis zwischen Personen (oder auch zwischen Sachen), unter denen eine bestimmte Art von Gemeinschaft durch die Anteilnahme an einer Sache

13 Interessant scheint mir die Gliederung von X. Leon Dufour, Corps du Christ et Eucharistie, 229, nach dem der Text sich als Chiasmus einordnen lässt, dessen Klimax von V. 19 gebildet wird, der Behauptung, die Idole seien nichts. Da diese chiastische Struktur nicht konsequent verfolgt werden kann und syntaktisch nicht nachweisbar ist, scheint mir eine dreiteilige Gliederung angemessener.

Analyse von 1Kor 10,14–22

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besteht. Die grammatische Konstruktion14 bestimmt die Natur und die Intensität dieser Gemeinschaft, und sie kann viele Bedeutungsnuancen transportieren. Die Konstruktion von MQKPYPKC und MQKPYPQK mit dem Genitiv im Text birgt einige Schwierigkeiten, weil der Genitiv mit den beiden Substantiven im griechischen Gebrauch in der Regel ein Genitiv der Sache und sehr selten der Person15 ist. Es ist daher grammatikalisch unklar, welcher Sinn diesen Genitiven zukommt. E. Lohmeyer findet eine interessante Definition für diese Konstruktion, die die schematische Unterscheidung zwischen Person und Sache überwindet und damit das Dilemma, ob die Genitive in unserem Text eine persönliche oder eine dinghafte Beziehung bezeichnen: „wo immer bei Pls. der Begriff ‚Gemeinschaft‘ mit dem Genitiv eines Nomens verbunden ist, das ein religiöses Gut bezeichnet, da gibt dieser Genitiv den Grund und die Norm an, durch welche Gemeinschaft erst möglich wird“.16 Um eine Definition des Begriffs zu entwerfen, sollte man 14 Die einfache Konstruktion des Verbs MQKPYPGKP wird mit dem Genitiv der Sache und mit dem Dativ der Person gebildet. In der Tat kann man viele Varianten dieses Schemas feststellen. Eine musterhafte Zusammenstellung findet man bei H. Seesemann, Der Begriff -1,090,$, 1–23, der alle vorkommenden Varianten auflistet. -QKPYPKC als Abstraktum von MQKPYPGKP übernimmt die gleichen grammatikalischen Konstruktionen und kann a) mit dem Genitiv der Sache, b) mit dem Genitiv der Person c) mit dem Dativ d) mit den Präpositionen RTQL, GKXL, GXP, RGTK und f) absolut, vorkommen. 15 H. Seesemann, Der Begriff -1,090,$, 4. Die Verbindung von MQKPYPKC mit dem Genitiv der Person ist im Griechischen selten. Die Beispiele betreffen die ehelichen oder familiären Beziehungen bei Platon MQKPYPKC ICOYP (Pl. Lg. 721a) MQKPYPKC IWPCKMYP MCK RCKFYP (Pl. R. 461e), aber hier werden Frauen und Kinder als Besitz der Männer betrachtet, und es handelt sich daher auf jeden Fall um einen Genitivus objectivus. J.Y. Campbell, -1,090,$ and its Cognates, 358, sagt nach einer Analyse der Texte bei Plato: „to sum up, when a genitiv is used with MQKPYPKC it is highly probable that it is a genitive of the thing shared, and that even if the noun in question happens to denote persons; this probability becomes almost certainty unless either the genitive includes all those who share in something or associate with one another…”. Auch das Substantiv MQKPYPQL steht nie mit dem Genitiv der Person; das einzige Beispiel ist LXX Jes 1,23, wo die Könige Israels MQKPYPQK MNGRVYP genannt werden, aber das ist eine wörtliche Übertragung des hebräischen ~ybiN"G: yreb.x;. 16 E. Lohmeyer, Der Brief an die Philipper, 138–139. Was vielleicht bei dieser Definition einer Präzisierung bedarf, ist das Adjektiv „religiös“, das erneut auf S. 17 vorkommt. Hier bezeichnet „religiös“ den besonderen Gebrauch des Wortes bei Paulus, das nie die Gesellschaft allgemein bezeichnet. Aber das schließt nicht aus, dass Paulus sich der weltlichen Bedeutung bewusst ist und dass er die religiöse Gemeinschaft rein formell analog zu anderen menschlichen Zusammenkünften sieht. Gerade in diesem Text kann der Begriff eine Brücke zwischen der christlichen und der heidnischen Welt schlagen. Das kann man auch bei Lohmeyers Definition der religiösen Gemeinschaft in seinem Werk, Vom Begriff der religiösen Gemeinschaft, leicht sehen. Unannehmbar ist hingegen die Definition von H. Seesemann, Der Begriff -1,090,$, 99, nach dem der „religiöse Begriff“ von MQKPYPKC nicht nur eine spezielle Art beinhaltet, den Begriff anzuwenden, sondern eine objektive Beschränkung impliziert und keine ekklesiologische Valenz annimmt. Nach Seesemann „verbietet [die Bedeutung von MQKPYPKC im NT] ebenfalls die Annahme, dass dieser Begriff irgendwie mit der Vorstellung der ‚Gemeinde‘ zu tun hat“. Paulus thematisiert nicht die Gemeinschaft unter den Menschen, sondern er redet nur von einer MQKPYPKC mit Christus und mit dem heiligen Geist.

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Das UYOC der Gemeinschaft

den gesamten paulinischen Gebrauch in Betracht ziehen. Die Wendungen des Begriffs mit dem Genitiv sind tatsächlich die umstrittensten. In 2Kor 13,13 sollte man den Satz JBB MQKPYPKC VQW CBBIKQW RPGWOCVQL als einen genitivus subiectivus auslegen, weil er in einem triadischen Zusammenhang mit CXICRJ SGQW und ECTKL &TKUVQW formuliert wird. Die parallele Formulierung macht es wahrscheinlicher, dem Satz den Sinn einer vom Geist geschaffenen Gemeinschaft als den einer Teilhabe am Geist zu geben, weil die anderen zwei Genitive mit Sicherheit subjektiv sind.17 Der Einwand,18 Paulus habe keine trinitarische Gruß- und Segnungsformel angewendet, weil er keine eigentliche Trinitätslehre vertrete, lässt sich leicht beseitigen, da die Uniformität der Genitive sich als formal und nicht aus inhaltlichen oder theologischen Gründen notwendig erweist. Dem Geist kommt die Funktion zu, die Gemeinschaft zu stiften. Wenn man diese Funktion verkennt, hat man einen wichtigen Punkt der paulinischen Anthropologie und Ekklesiologie nicht berücksichtigt. Ähnlich ist VKL MQKPYPKC RPGWOCVQL in Phil 2,1 eine Bezeichnung für die Gemeinschaft in der Gemeinde, die der Geist stiftet. Das weitere Beispiel von MQKPYPKC mit dem Genitiv MQKPYPKC VQW WKBBQW CWXVQW ,JUQW &TKUVQW (1Kor 1,9) ist aber als genitivus obiectivus zu interpretieren, d.h. als Gemeinschaft mit Christus und nicht als die Gemeinschaft, die Christus errichtet. Die Perspektive, die in V. 8 eröffnet wird, ist eschatologisch, und es liegt nahe, dass man dieser Gemeinschaft mit Christus, die ihren Anfang im irdischen Leben hat, eine Vollendung im Eschaton zuschreibt. Aber wenn im irdischen Leben diese Gemeinschaft „Anteilhaben“ am Leiden Christi bedeutet, MQKPYPKC RCSJOCVYP (Phil 3,10), so steht am Ende der Zeit die Vollendung, die Gemeinschaft mit dem Auferstandenen. Dass Paulus sich der verschiedenen Ausdrucksvarianten des Wortes MQKPYPKC bewusst ist und seine breite Bedeutungspalette nutzen kann, wird besonders an den Stellen sichtbar, an denen es die Kollekte für die Kirche zu Jerusalem oder den finanziellen Beitrag für die Mission19 be17 Die Interpretation ist offensichtlich umstritten. Für den gen. obiec. und die Wiedergabe durch „Teilnahme, Teilhabe an dem Geist“ votieren J.Y. Campbell, -1,090,$ and its Cognates, sowie H. Seesemann, Der Begriff -1,090,$, 379; für den genitivus subjectivus und die Bedeutung des Begriff im Sinne von „Gemeinschaft“ treten G. Pankulam, Koinonia, 65–66 sowie J. Hainz, KOINONIA, ein (präziser Genitiv der Herkunft). P.C. Bori, -1,090,$, 95–96, hält beide Interpretationen für möglich. 18 H. Seesemann, Der Begriff -1,090,$, 63–64, begründet den Einwand damit, dass Paulus nur zwei wirkende Personen kennt, aber keine einheitliche Auffassung vom Geist hat, der wie der Geist Gottes (Röm 8,9; 1Kor 12,3), wie Christus selbst (2Kor 3,17; 1Kor 15,45) und wie eine göttliche Gabe dargestellt wird. Seesemann versucht als weitere Argumente Beispiele zu geben, bei denen verschiedene Genitive im gleichen Satz vorkommen, bei den Vätern und bei Paulus (S. 70). Aber bei Paulus kann er nur 2Thess 2,13 hervorheben, was unpaulinisch ist. 19 Ich meine damit Phil 1,5 MQKPYPKC GKXL VQ GWXCIIGNKQP. Ich schließe sie auch bei der Kollektenstelle ein, weil sie die gleiche grammatikalische Struktur aufweist (MQKPYPKC + GKXL), und weil

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zeichnet. Der Grund dafür, dass er dieses Wort für eine Geldsammlung wählt, ist unklar – die Lösung Seesemanns, der diesen Gebrauch aus dem Abstraktum „Mitteilsamkeit“ herleitet, scheint nicht überzeugend.20 Die Antwort liegt wahrscheinlich in dem Vorhaben des Paulus, durch die Kollekte eine zwischenkirchliche Solidarität der Kirchen der Heidenmission und der Jerusalemer Gemeinde zu erreichen. Man kann nicht von einer Idee der Universalkirche sprechen, in der Jerusalem einen Vorrang21 hat, den Paulus durch die Kollekte anerkennen würde. Das gleiche Wort wird von Paulus benutzt, um die finanzielle Unterstützung der Mission durch die Philipper zu bezeichnen, ohne dass die Idee einer universalen Kirche vorliegt. Es scheint mir besser, von einer konkreten Antwort auf eine Notlage zu reden, in der die MQKPYPKC ein finanzieller Beitrag auf der Basis brüderlicher Verbundenheit ist, eine Konkretisierung der Gemeinschaft bis hin zum Teilen der Güter (Röm 15,26 MQKPYPKC VKPC RQKJUCUSCK). Wir erhalten so folgendes Bedeutungsspektrum: MQKPYPKC ist die Gemeinschaft mit Christus, die durch seinen Tod ermöglicht wird und die sich am Ende vollständig verwirklichen wird. Sie bedeutet zugleich die Gemeinschaft, die durch den heiligen Geist in der Gemeinde geschaffen und erfahrbar wird, und führt zur Solidarität und zum gemeinsamen Nutzen. Der Begriff ist kein Abstraktum im Gemeindeleben der ersten Christen, sondern es ist wahrscheinlich, dass sich darin ein konstitutiver Aspekt des Zusammenlebens widerspiegelt. Das oben genannte Schema erklärt auch den Gebrauch des Substantivs MQKPYPQL. Es bezeichnet in 2Kor 1,7 das Anteilhaben der Korinther am Leiden des Paulus und Christi, in 2Kor 8,23 die Gemeinschaft mit Titus, seinem Mitarbeiter, oder in Phm 6 mit Philemon. Die Frage ist nun, wie das Vorkommen des Begriffs in unserem Text in dieses Schema einzuordnen ist, ob MQKPYPKC/MQKPYPQK als eine mystischsakramentale Gemeinschaft mit überirdischen Gestalten (Jesus, Gott/Altar, Dämonen) oder als eine horizontale Gemeinschaft zwischen Menschen, die an bestimmten Ritualen teilnehmen, zu verstehen ist. Meine Hypothese ist, dass Paulus hier von einer horizontalen Gemeinschaft spricht, die sich in der Gemeinde realisiert und an die die Korinther erinnert werden. Paulus in dem gleichen Brief 4,15 die Philipper für ihre konkrete Unterstützung GXP CXTEJ^ VQW GWXCIIGNKQW lobt. Das Wort Evangelium bezeichnet hier wie in 1,5 die Mission, die Verkündigung, und nicht, wie H. Seesemann (Der Begriff -1,090,$, 74–76) meint, das Evangelium. Seine Wiedergabe „Anteilhaben am Evangelium = ihre enge Beziehung zum Evangelium“ (74f) scheint mir zu schwach. 20 J. Hainz, -1,090,$, 153, sagt mit Recht, dass Paulus einen konkreten und keinen abstrakten Begriff anführen will. 21 J. Hainz, -1,090,$, 143 und 150: „eine Art von rechtlicher Anerkennung des Vorrangs Jerusalems“.

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2.5 MQKPYPKC in der griechischen Philosophie In der griechischen Literatur kommt das Wort MQKPYPKC in vielen Zusammenhängen und mit unterschiedlichen Bedeutungsnuancen vor: in der Wirtschaft, in der politischen Fachsprache, im ehelichen Leben und in der Sexualität. Die Septuaginta verfügt auch in den jüngeren Schriften über die gleiche Mannigfaltigkeit. In der griechischen Philosophie ist MQKPYPKC ein politischer Terminus, der die Gesellschaft bezeichnet. Bei Plato22 kommt das Wort hauptsächlich in der Politeia vor, mit der wichtigen Bedeutung von „Gütergemeinschaft“, einem Thema, mit dem auch die späteren Philosophen sich beschäftigen werden. In seiner oligarchischen Staatsvorstellung thematisiert Plato die Gütergemeinschaft als höchste Form des Zusammenlebens, die aber nicht für den ganzen Staat gelten soll, sondern nur für seine führenden Stände. Um gerecht regieren zu können, müssen diese auf Privateigentum sowie auf einen eigenen Familienhaushalt verzichten und stattdessen in einer Kinderund Frauengemeinschaft leben und mit öffentlichen Mitteln ernährt werden. Die in der neutestamentlichen Forschung häufig zitierte Formel MQKPYPKC IWPCKMYP MCK RCKFYP ist ein Teil von Platos Entwurf einer oligarchischen Gütergemeinschaft in seinem idealen Staat. Das Privateigentum wird als Quelle aller Ungerechtigkeit angesehen. Aristoteles befasst sich in seinem politischen Werk ebenso mit dieser Frage einer MQKPYPKC im Sinne der Gütergemeinschaft, jedoch findet er ein Gleichgewicht zwischen dem Gemeinsamen und dem Individuellen, indem er die radikale Lösung von Plato revidiert. Diese Auseinandersetzung mit der Politeia von Plato erstreckt sich bis zur früheren Stoa. Zeno von Kition, der Gründer der Stoa, verfasste eine Politeia, die das oligarchische Schema und die Unterscheidung in Klassen von Platos Werk überwinden sollte. Da dieses Werk nur aus Fragmenten von Gegnern und Schülern bekannt ist, kann man den Inhalt nur teilweise rekonstruieren.23 Die Besonderheit des Werkes, das die philosophische Richtung politisch verdächtig machen konnte, war die Aufhebung der Klassengesellschaft durch eine egalitäre QBBOQPQKC der Weisen. Die Staatsvorstellung bei Plato und Aristoteles ist von folgender anthropologischen Vorstellung hergeleitet: Der herrschende Teil entspricht der Seele, die über den Körper regiert, der Rationalität, die sich gegenüber dem Irrationalen durchsetzen muss. Bei der früheren Stoa ist das politische System dagegen nicht hierarchisch gegliedert, sondern wird in Analogie zu einer 22 Die Thesen von Plato und Aristoteles sind von F. Hauck, Art. MQKPQL MVN, ThWNT III, 793–794, zusammengefasst. 23 Eine Rekonstruktion wird von A. Erskin, Hellenistic Stoa, 9–42, versucht. Der Staat bei Zeno wird von gleichberechtigten Weisen gebildet, und die QBBOQPQKC wird nicht wie bei Plato und Aristoteles durch eine Zuteilung der Klassenaufgaben gebildet, die streng festgelegt sind.

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egalitären anthropologischen Konzeption gebildet, bei der der Körper ganz vom Geist durchdrungen wird,24 ohne dass einer den anderen beherrscht. Das bedeutet politisch, dass der Weise regierend und „regierbar“ ist. Wie sehr diese Themen die spätere Philosophie bewegten, wird durch die Aktualisierung der stoische Gedanken bei Cicero gezeigt, insbesondere durch die Vorstellung von einer universalen Gemeinschaft. Die Menschheit ist von Natur aus dazu bestimmt, sich als Gemeinschaft zu erfahren und die Mitmenschen nicht als Fremde anzusehen.25 Die Menschen haben die natürliche Fähigkeit des Zusammenlebens in coetus, concilia, civitates, die Welt wird von den Göttern regiert und bildet eine communis urbis et civitas hominum et deorum.26 Diese Definition hat einige sehr wichtige Konsequenzen in der Ethik, die Cicero unter Anlehnung an stoische Gedanken behandelt. Die erste Konsequenz dieser Gemeinschaft ist, dass jeder weise Mann (vir bonus et sapiens) den gemeinschaftlichen Nutzen höher als den eigenen Nutzen achtet. Die zweite Konsequenz betrifft die Bedeutung des Begriffs communis/ communitas, d.h. die Frage, ob Privateigentum in der Gemeinschaft möglich ist. Das wird indirekt behandelt beim Thema des Besitzes und der Nutzung von Tieren. Im philosophischen Panorama des ersten Jahrhunderts wurde das Wort MQKPYPKC durch die Stoiker systematisch ausgearbeitet, die sich dadurch von allen zeitgenössischen philosophischen Systemen unterscheiden. Epiktet polemisiert gegen den Gedanken von Epikur, der den Menschen untereinander keine Gemeinschaft zubilligt oder das Wort MQKPYPKC nur inkonsequent an einigen Stellen benutzt. Die Haltung der Epikureer, die eine Distanzierung vom öffentlichen Leben befürworteten, wird heftig kritisiert. Epikur wird geschildert als der Philosoph, der „die natürliche Gemeinschaft der Menschen untereinander aufheben will“, weil jede Rede über die Gemeinschaft für ihn trügerisch und unlogisch ist.27 Epiktets Ziel ist es, zu 24 Das ist schon in der Methodik im Einzelnen erklärt worden, nämlich in der Analogie zwischen Anthropologie und Theorie über das Zusammenleben. Das wird kurz von A. Erskine, Hellenistic Stoa, 71, erläutert: „The ideal state contains only wise. The soul is a unity; it has parts, but they do not conflict. There is no harsh division between soul and body. For the soul in the form of pneuma (breath) permeates the whole body; body and soul are material and their combination is described as a total blending, that is to say they occupy the same space. […] Thus the ruler/ruled distinction which is apparent in Plato’s thought is rejected in favour of a more unitary conception of the world.“ Sobald diese anthropologischen Prämissen in einem dualistischen Sinne verändert werden, wird auch die Gesellschaftstheorie hierarchisch werden. 25 Cic. Fin. III,63: „ex hoc nascitur ut etiam communis hominum inter homines naturalis sit commendatio, ut oportet hominem ab homine ob id ipsum, quod homo sit, non alienum videri.“ 26 Cic. Fin. III,64: „mundum autem censent regi numine deorum, eumque esse quasi communem urbem et civitatem hominum et deorum.“ Diese Definition findet sich oft in den stoischen Werken, Epict. Diss. II,19, 27. 27 Epict. Diss. II,20,6–7: QW=VYL MCK 8(RKMQWTQL Q=VCP CXPCKTGKP SGNJ^ VJP HWUKMJP MQKPYPKCP CXPSTYRQKL RTQL CXNNJNQWL […] VK ICT NGIGK OJ GXZCRCVCUSG CPSTYRQK OJFG RCTCIGUSG OJFG

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zeigen, dass eine solche Einstellung zu einer gleichgültigen Haltung den anderen gegenüber führt, da man seinen eigenen Bedürfnissen folgt, um eine reine Befriedigung zu erreichen.28 Im Eifer der Polemik findet Epiktet es widersprüchlich, dass Epikur umfangreiche Bücher schreibt, um seine Ideen zu verbreiten, während ihm die Menschheit doch im Grunde gleichgültig ist. Er behauptet, die Natur zwinge ihn zu schreiben, damit klar wird, wie widersprüchlich seine „antisozialen“ (VC CXMQKPYPJVC) Ideen sind. Die Epikureer wollen den Menschen von allen Bindungen frei machen, von seiner Rolle in der Freundschaft und in der Gesellschaft, doch sie profitieren gern „von Tag und Nacht, vom Jahreswechsel, den Sternen, dem Meer, der Erde und der Zusammenarbeit der Menschen“ (II, 20,33). In diesem letzten Zitat wird klar, was die Stoiker mit „MQKPYPKC“ gemeint haben, nämlich nicht nur eine Gemeinschaft unter den Menschen, sondern einen Zusammenhang, der die Götter, die Natur und die Gesellschaft vereinigt. Eine zweite Implikation des Begriffs im stoischen Verständnis ist die Frage des Privateigentums. Die Frage ist, ob man Privateigentum zubilligen kann, wenn die Welt ein gemeinsamer Raum zwischen Gott und den Menschen ist. Ciceros Antwort bezieht sich auf Chrysippus, der dem Menschen erlaubt, Tiere zu nutzen, wobei das entscheidene Argument durch die Metapher des Theaters vorgebracht wird, das zwar allen gehört, aber von jedem Einzelnen besetzt werden kann. Er kommt daher zu dem Schluss: „sic in urbe mundove communi non adversatur ius, quo minus suumque quidque cuiusque sit“.29 Die gleiche Frage und eine ähnliche Antwort sind auch bei Seneca zu lesen. Sein Ausgangspunkt ist die Frage, ob die zwei Behauptungen „omnia sapientis sunt“30 und „omnia amicis communia“ (VC MQKPC VYP HKNYP)31 Privatbesitz zulassen. Das Beispiel des gemeinsamen Theaters, wo man einen Platz finden kann, wenn nicht alle Plätze besetzt sind, ist ein FKCRKRVGVG> QWXM GUVK HWUKMJ MQKPYPKC VQKL NQIKMQKL RTQL CXNNJNQKL> RKUVGWUCVG OQK QKBB FG VC G=VGTC NGIQPVGL GXZCRCVYUKP WBBOCL MCK RCTCNQIK\QPVCK 28 Um diese Gleichgültigkeit zu schildern und zu verurteilen, verwendet Epiktet eine sehr harte Sprache, die an die paulinischen Worte in 1Kor 15,32 erinnert, obwohl sie außer der Aussichtslosigkeit auch einen geringschätzigen Ton enthalten. Vgl. Epict. Diss. II,20,10 DCNYP MCSGWFG MCK VC VQW UMYNJMQL RQKGK YP CZKQP GMTKPCL UGCWVQP GUSKG MCK RKPG MCK UWPQWUKC\G MCK CXHQFGWG MCK TBBGIMG. Ohne die Perspektive der Gemeinschaft verliert das Leben seinen Sinn, und der Mensch kann mit Recht mit einem Wurm verglichen werden. 29 Cic. Fin. III,67. A. Erskine, Hellenistic Stoa, 106–108, schreibt dem Chrysippus nur das Beispiel des Tierbenutzens zu und hält die Theatermetapher für eine Erfindung der Mittelstoa, insbesondere von Panätius. Das Beispiel des Theaters ist bei Epict. Diss. II, 4,9, als Antwort auf die Frage gedacht, ob Frauen von Natur aus allen gemeinsam gehören, außerdem erneut bei Cic. Fin. I,51. 30 „Alles ist euer!“ 1Kor 3,20 könnte sich vielleicht auf dieses Motto beziehen, dann wäre die UQHKC von 1Kor 1–4 als eine Art Fähigkeit zur Gemeinschaft verstanden. 31 Der Spruch ist sehr verbreitet bei den römischen und griechischen Autoren. Die erste literarische Erwähnung findet man bei Arist. EN 1159 b.

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Argument dafür, dass der Besitz eines Freundes gemeinsam nutzbar ist, sofern dieser ihn teilen will.32 Dion Chrysostomos entwickelt besonders den Aspekt der MQKPYPKC im politischen Leben einer Stadt, die glücklich sein kann, wenn sie als eine MQKPYPKC SGYP RTQL CXNNJNQWL konstituiert ist. Die Menschen können auch zu dieser Gemeinschaft gezählt werden, ebenso wie die Kinder zu Stadtbürgern erklärt werden können, rein aus ihrer Natur heraus und nicht aufgrund ihrer Fähigkeit, die Gesetze zu erfüllen.33 Aufgabe der Philosophie ist es, die MQKPYPKC FCKOQPYP MCK CXPSTYRYP zu beschreiben, von der eine gerechte Gesetzgebung abhängt und von der der rechte Bürger sein Fundament bekommt. Diese Gemeinschaft hat eine kosmische Relevanz, die in der Ordnung (VCZKL), der Eintracht (QBBOQPQKC) und der Bescheidenheit (UYHTQUWPJ) erfahrbar ist (40,35). Sie betrifft die Sonne, den Mond, die Sterne, die Planetenlaufbahn und die Erde. Das All kennt keinen Streit: „Diese Wesen, so mächtig und groß, ertragen die Gemeinschaft (MQKPYPKC) miteinander und verharren ohne Feindschaft“,35 ganz im Gegensatz zu den kleinen Städten. Das Beispiel aus der Erfahrung wird erneut in der Mahnrede des Dion Chrysostomos zitiert: die Vögel, die Ameisen und die Bienen leben fröhlich zusammen, ebenso die Herden von Rindern und Pferden, Ziegen und Schafen. Der Schluss der Rede ist ausgesprochen negativ: Die Menschen aber sind, wie es scheint, was Freundschaft (HKNKC) und Gemeinschaft (VQ MQKPYPGKP) untereinander betrifft, schlechter als Weide- und Raubtiere. Denn was die Natur um der gegenseitigen Zuneigung (GWPQKC) willen geschaffen hat, das kann man zum Anlass von Feindschaft und Hass werden sehen.36

In diesem Beispiel von D. Chrysostomos bedeutet MQKPYPKC in der ethischen Unterweisung ein solidarisches und friedliches Zusammenleben. Alle oben dargestellten Themen sind in dem Werk des späteren Philosophen und Kaisers Marc Aurel vereint. Auch in seinen Gedanken ist die MQKPYPKC ein

32 Sen. Benef. VIII,12,5: „Quidquid habet amicus commune est nobis, sed illius proprium est, qui tenet, uti iis illo nolente non possum.“ Vgl. auch Cic. Fin. I,51, der den griechischen Ausspruch „omnia esse communia amicorum“ durch das beschränkt, was Recht und Gese1tze vorschreiben. 33 D.Chrys. 36,23: CXPSTYRYP UWP SGQKL CXTKSOQWOGPYP YBBL RCKFGL UWP CXPFTCUK NGIQPVCK OGVGEGKP RQNGYL HWUGK RQNKVCK Q=PVGL QWX VY^ HTQPGKP VG MCK RTCVVGKP VC VYP RQNKVYP QWXFG VY^ MQKPYPGKP VQW PQOQW CXZWPGVQK Q=PVGL CWXVQW. 34 Der Ausdruck, den D.Chrys. 36,38 benutzt, ist eine Variante von SGYP MCK CXPSTYRYP MQKPYPKC. Die Gemeinschaft wird als gemeinsamer Raum für Götter und Menschen (QBB MQUOQL QKBBQPGK RQNKL G8UVKP GXM SGYP MCK CXPSTYRYP UWPGUVYUC) und als deren Teilhabe an dem gleichen NQIQL (vgl. SVF II,528) verstanden. 35 D.Chrys. 40,39: VCWVC OGP QW=VYL KBBUEWTC MCK OGICNC VJP RTQL CNNJNC MQKPYPKCP CXPGEGVCK MCK FKCVGNGK EYTKL GESTCL. 36 Dion Chrysostomos, Sämtliche Werke, 41 (Übersetzung von W. Ellinger, 577).

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natürliches Gesetz, das zum Guten und Gerechten führt.37 Sie ist „eine Verwandtschaft der Menschen mit aller Menschheit, denn sie ist nicht eine Verwandtschaft von Blut oder Samen, sondern des PQWL“.38 Was bei Marc Aurel besonders markant ist, ist der Versuch, die kosmische und politische Gemeinschaft als hierarchisch zu erklären, in der das Zusammenleben durch die Ausübung einer höheren Macht auf eine Kollektivität von ungleichen Unterlegenen ermöglicht wird, was in der alten Stoa unvorstellbar gewesen wäre. Er behauptet gleichzeitig, dass die Gemeinschaft das Gute für die vernünftigen Lebewesen ist und dass sie nur als ein funktionales Verhältnis von einem unteren Teil zu einem oberen verstanden werden kann. Die hierarchischen Kategorien sind VC C[WEC und VC GO[WEC und VC NQIKMC, die in der Gemeinschaft zusammenhängen.39 Die Reziprozität CXNNJNYP G=PGMGP IGPGUSCK, die eigentlich eine paritätische Beziehung voraussetzt, geht doch einher mit dem Recht auf Überlegenheit eines Herrschers, das der Kaiser für sich beansprucht40 wie ein Widder für die Schafe und ein Stier für die Herde. Die Basis für eine solche hierarchische Vorstellung ist anthropologisch begründet. Der Mensch ist vom JBBIGOQPKMQP beherrscht und kann nicht „von den toten und unwürdigen Regionen des Körpers und von seinen groben Begierden übermannt und niedergestreckt werden“.41 In den folgenden Versen betont Marc Aurel, dass der Mensch zwar eine Mischung aus Elementen ist, die in gegensätzliche Richtungen streben (VQ RPGWOCVKMQP und VQ RWTYFGL nach oben und VQ IGYFGL und VQ WBBITQP nach unten), diese Elemente aber wegen ihres Zusammenseins auf ihre besonderen Eigenschaften verzichten. Allerdings ist das Hegemonikon trotz der Gemeinschaft frei von jeder Bindung und kann jeglicher Determination entrinnen. Das ist ein weiterer Versuch, die Überlegenheit der Seele mit der Behauptung einer Gemeinschaft zu verbinden. Was verbindet die paulinische Argumentation und den Gebrauch von MQKPYPKC mit dieser langen philosophischen Debatte? Die religionsgeschichtliche Schule hat entschieden jede mögliche Berührung der philoso37 M. Ant. III,11: ETYOCK CWXVY^ VQP VJL MQKPYPKCL HWUKMQP PQOQP GWPYL MCK FKMCKYL 38 M. Ant. XII,26: Q=UJ UWIIGPGKC CXPSTYRQW RTQL RCP CXPSTYRGKQP IGPQL> QWBB ICT CKBBOCVKQW J

URGTOCVKQW CXNNC PQW MQKPYPKC. Interessant ist m.E., dass diese Genitive auf MQKPYPKC bezogen sind. 39 M. Ant. V,16. 40 M. Ant. XI,18: RTYVQP VKL JBB RTQL CWXVQWL OQK UEGUKL MCK Q=VK CXNNJNYP G=PGMGP IGIQPCOGP MCK MCS8 G=VGTQP NQIQP RTQUVJUQOGPQL CWXVYP IGIQPC YBBL MTKQL RQKOPJL J VCWTQL CXIGNJL. 41 M. Ant. XI,19, listet vier Aussagen über das „hegemonikon“, den höchsten Teil der Seele, die man vermeiden soll, auf. Wichtig ist die zweite VQWVQ NWVKMQP MQKPYPKCL, „es wirkt zerstörerisch für die Gemeinschaft“, was beweist, dass die Behauptung von einer Herrschaft als problematisch für die Gemeinschaft angesehen war. Die oben zitierte Aussage ist die vierte, VQWVQ JBBVVYOGPQW GXUVK MCK WBBRQMCVCMNKPQOGPQW VQW GXP UQK SGKQVGTQW OGTQWL VJ^ CXVKOQVGTC^ MCK SPJVJ^ OQKTC^ VJ^ VQW UYOCVQL MCK VCKL VQWVQW RCEGKCKL JBBFQPCKL.

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phischen Anwendung des Wortes ausgeschlossen und die sakramentale und religiös-mystische Auslegung privilegiert. W. Heitmüller erklärte die Gemeinschaft des Abendmahl hauptsächlich als Kommunion mit dem erhöhten Christus, gestärkt durch den Vergleich der christlichen Rituale mit den jüdischen und griechischen Opfer. „Das Opfermahl erwirkt die Kommunion, Genossenschaft mit den Dämonen: das Herrenmahl die Kommunion mit dem Herrn, natürlich dem erhöhten. Die populäre jüdische und griechische Anschauung von der durch Opfer bewirkten Gemeinschaft mit den Dämonen war nur eine sehr realistische.“42 Methodisch vergleicht Heitmüller die paulinische Stellung mit der der Pseudoklementinen43 und einem Zitat von Porphyrius bei Euseb,44 die von der Macht der Dämonen auf die Teilnehmer an dem Mahl berichten, was im Grunde sehr fraglich ist. Seesemann schließt auch jede Verbindung zwischen dem paulinischen und den philosophischen Überlegungen zur Gemeinschaft aus: „Von dieser stoischen MQKPYPKC-Idee führt jedoch keine Brücke zu den paulinischen Gedanken: bei den Stoikern (und Philo) bezeichnet MQKPYPKC die menschliche Gemeinschaft, bei Paulus das Anteilhaben an einem (religiösen) Gut“.45 Die Gründe dafür, zu 1Kor 10,14–22 dem hellenistischen Gebrauch als Erklärung heranzuziehen und die MQKPYPKC als horizontale Gemeinschaft46 der Teilnehmer an einem Opfermahl, bzw. Abendmahl auszulegen, liegen in der konkreten Frage der inneren Spaltung in der korinthischen Gemeinde. Das Wort hat bei den Adressaten eine spezifische Bedeutung hervorgerufen, die durch eine im allgemeinen Sprachgebrauch der damaligen Zeit kaum vertretene sakramentale Konzeption nicht erschöpft werden kann. Entscheidend ist m.E. die Verbindung zwischen UYOC und MQKPYPKC, die dafür spricht, dass die Vorstellung der Gemeinschaft wie in der Stoa in 42 W. Heitmüller, Taufe und Abendmahl, 65. 43 PsClem. H VII,3; VIII,19.20; IX,9,1–3; 10.12.15; XI,15,7. IX,9,2: QKBB ICT FCKOQPGL FKC VJL CXRQFQSGKUJL VTQHJL GXZQWUKCP GEQPVGL WBBRQ VYP WBBOGVGTYP EGKTYP GKXL VC WBBOGVGTC GKXUMTKPGVCK UYOCVC. Die Stellung der Pseudoklementinen ist mit Paulus nicht zu vereinbaren, weil hier die Nahrung eine Macht besitzt und kein Adiaphoron ist. 44 Eus. PE IV,23, 1–5. 45 H. Seesemann, Der Begriff -1,090,$, 99–100. 46 Meiner Stellungnahme gleicht die These von C.A. Scott, The Fellowship of Koinonia, 576, und S.D. Currie, Koinonia in Christian Literature, 32, zitiert von G. Panikulam, Koinonia in the New Testament, 22–23. Interessant ist auch die Stellung von v. Dobschütz, Sakrament und Symbol im Urchristentum, 12, der die These der Religionsgeschichtliche Schule kritisch überprüft und eine horizontale Definition von MQKPYPKC gibt: „Mit Recht versteht man darum neuerding allgemein MQKPYPKC a. u. St. nicht im Sinne der participatio: Anteil gewinnen an Christi (verklärtem) Leib und Blut, sondern von communio, Gemeinschaft der Abendmahlgenossen, zunächst untereinander. […] Die Gemeinschaft mit dem verklärten Herrn, so nahe sie durch die Opferanalogie gelegt wird, ist jedenfalls nicht ausgesprochen. Denn in MQKPYPKC VQW UYOCVQL und VQW CK=OCVQL bezeichnen die Genitive nicht etwas, womit man Gemeinschaft hat […], sondern das Zeichen, das Symbol der betreffenden Gemeinschaft.“

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anthropologischen Schemata und Kategorien fundiert ist. Was die Stoiker von Paulus trennt, ist die Idee einer natürlichen Zugehörigkeit zur Gemeinschaft aufgrund des Besitzes der Vernunft. Bei Paulus wird die Gemeinschaft als eine neue Realität, die die Widersprüchlichkeit und die Destruktivität des natürlichen Menschenzustandes ersetzen soll, betrachtet. 2. 6 Opfer und Opfermahl: Kultur- und religionsgeschichtliche Hintergründe Dass die paulinischen Argumente sowie die Kontroverse in der korinthischen Gemeinde eine Situierung im Alltagsleben der Stadt Korinth benötigen, zeigen viele Studien über die Umwelt. Welche Bedeutung hatten die Opfermahlzeiten für die Gesellschaft einer Stadt wie Korinth, wie erfolgten sie und was waren ihre Auswirkungen und ihre symbolische Bedeutung für die beteiligten Gruppen in der Gemeinde und für Paulus: dies sind die Hauptfragen der Forschung. Die Differenzierung in verschiedene Einzelfälle eröffnet eine umfangreiche Bandbreite der Situationen, in denen man Opferfleisch und Opferspeisen verzehrte. Ein erster Gesichtspunkt ist in diesem Zusammenhang die Unterscheidung zwischen Gastmählern in einem Tempelbezirk und solchen bei Einladungen in Privathäusern. Die Rituale, deren Mittelpunkt eine Opferhandlung bildete, sind zahlreich. Dabei betrifft die erste Frage die religiöse Stätte, an denen diese Opfermahle stattfanden, sowie die entsprechenden Kulte, die in Korinth die Tempel von Asklepion, Isis/Serapis und Demeter waren. Da die Informationen über die religiösen Aktivitäten im von den Römern neu gegründeten Korinth unzureichend sind, bezieht D. Newton darüber hinaus den Kaiserkult, die Feste bei den olympischen Spielen und die Kulte der Heroen ein.47 In der paulinischen Argumentation wird ein Essen im Götzentempel, das ein Gewissensfall für die Schwächeren, aber kein Götzendienst ist (1Kor 8,10), und das Essen am „Tisch der Dämonen“ (1Kor 10,21), das von dem Apostel streng verboten wird, gegenübergestellt. Ob diese Unterscheidung zwei unterschiedliche Kultstätten im Auge hat, kann nicht mit letzter Sicherheit bestimmt werden. Die archäologischen Funde in Korinth haben in der Tat zwei Kultstätten ans Licht gebracht, die eine solche lokale Unterscheidung rechtfertigen könnten und gleichzeitig Ort von Gemeinschaftsspeisen waren: das Asklepieion von Korinth und das Demeter-Kore-Heiligtum in Akrokorinth. Im Asklepieion befanden sich einige Speiseräume und in der Nähe ein Raum, in dem man sich aufhalten konnte, ohne unbedingt an religiösen Ritualen teilzunehmen. In dem Kultus von Asklepion waren auch 47

D. Newton, Deity and Diet, 100–114.

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Opfermahle vorgesehen, besonders für den Heilung Suchenden, der sich auf das Hauptritual der Inkubation einließ. Das Interesse der Forschung konzentriert sich auf den Raum neben dem Asklepieion, wo in der Regel eine Quelle sprudelte und man sich erholen konnte, ohne an Heilungsritualen teilnehmen zu müssen. P.D. Gooch sieht in dieser unklaren und zweideutigen Stellung des Hauses einen Grund für die Streitigkeiten in der christlichen Gemeinde zwischen denjenigen, die seine öffentliche Funktion verteidigten, und denen, die bereits den Aufenthalt in diesem Haus als einen unannehmbaren Rückschritt in die heidnische Religion betrachteten.48 Ob sich tatsächlich das Asklepieion hinter der Bezeichnung des Paulus von 1Kor 8,10 GKXFYNGKQP für den Ort, wo einige Christen essen, verbirgt, kann nicht mit Sicherheit gesagt werden.49 Auf jeden Fall soll das Wort eine polemische und für die Christen abschreckende Funktion haben, ebenso wie alle anderen Bezeichnungen, die aus dem Substantiv GKFYNQP hergeleitet werden können. Paulus benutzt absichtlich das semantische Feld des Götzendienstes, das in der Septuaginta breit belegt ist, um das Verhalten einiger Christen als gottwidrig zu brandmarken. Begriffe wie GKFYNQP und GKXFYNQNCVTKC anzuwenden heißt für Paulus, eine klare Terminologie anzuwenden und dabei keine mehrdeutigen und ambivalenten Begriffe einzubeziehen.50 Das Heiligtum von Demeter und Kore in Akrokorinth ist nach Gooch ein konkretes Beispiel in Korinth für einen Tempel mit Opferhandlung und mit einer VTCRG\J VYP FCKOQPKYP. Eine wichtige Frage für die Auslegung des Textes ist die, ob dem Essen im Tempel eine gewisse „sakramentale“ Bedeutung zukommt, ob die Teilnehmer also durch das Mahl eine Gemeinschaft mit der Gottheit vermittelt 48 P.D. Gooch, Dangerous Food, 25. Eine klare Trennlinie zwischen religiöser und öffentlicher Sphäre kann nicht gezogen werden. Wenn die Priester den Verkauf eines Teils des Opfers erlaubten, „it is highly likely that some of this hierothyton would be prepared for the consumption in the dining rooms of Lerna.“ D. Newton, Deity and Diet, 232, betont die große Ambiguität des ganzen kultischen Systems, von Asklepios selbst an, der verschiedene Aspekte in sich trägt. Die Speisen und Speiseräume beinhalteten die gleiche Zweideutigkeit. Die Speiseräume befanden sich zwischen der heiligen und der freizeitlichen Zone. Newton selbst zitiert noch zwei Belege, die eine öffentliche Funktion des Asklepieion zeigen: Aelius Aristides, Orationes sacrae 2,27 und Tert. Idol. 20. 49 Dennoch scheint mir die Definition von D. Newton, Deity and Diet, 89, „any location or building in which some people reclined and ate food together” zu allgemein. Dass es sich um eine kultische Stätte handelt, kann m.E. nicht bestritten werden. 50 Ich stimme nicht mit der These von D. Newton, Deity and Diet, 134, überein, der den Gebrauch dieser Terminologie als „a minefield of ambiguity, boundary issues and conceptual variation which had a potential to generate conflicting viewpoints“ bezeichnet. Der Grund liegt nach Newton in dem Wort GKFYNQP selbst, das anders verstanden werden konnte, und in dem jüdischen und christlichen Gebrauch des Wortes, das für irreale Dinge steht. Ich denke hingegen, das Wort wurde nicht missverstanden, weil es von den Korinthern durch den Kode des christlichen Wortschatzes verstanden wurde. Dessen Realität setzt Paulus bei seinem Bezug auf die Vergangenheit und auf die Geschichte Israels voraus.

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bekamen und ob diese vertikale Verbindung den Ausdruck MQKPYPQK VYP FCKOQPKYP erklärt und die drei Rituale, christliches Abendmahl, jüdisches und paganes Opfermahl, verbindet. Diese These der Religionsgeschichtlichen Schule wurde von H.J. Klauck wieder aufgenommen, mit einem erneuten Vergleich der hellenistischen Quellen. Im Mittelpunkt steht der Begriff MQKPYPKC, dem nach Klauck eine religiöse Bedeutung zukommt und der „aus der griechischen sakralen Mahlterminologie [stammt]“, mit der klaren Bedeutung der communio mit der Gottheit, der man opfert.51 Die innere Gemeinschaft mit der Gottheit ist das tertium comparationis, das die jüdischen52 und die heidnischen Opfermahle vergleichbar macht. Der Grund für die paulinische Ablehnung des Opfermahls im Tempel liegt nach Klauck in der Gefahr, in eine Gemeinschaft mit den Dämonen zu geraten, die anders als die Götzen existieren und durch das Mahl eine persönliche Macht gewinnen.53 Die jüdischen Opfer können nicht als sakramentale Handlung erklärt werden, sie sind hier angeführt als ein Beispiel für Opfer, die für Gott und nicht für die heidnischen Götter zelebriert werden, und als Beispiel für ein Ritual, das einen Bund zwischen den Teilnehmern schafft.54 Die von W.L. Willis vertretene These versucht diesen sakramentalen Ansatz zu überwinden, und zwar durch eine kritische Lektüre der wenigen Quellen, die den Mählern eine Vereinigung der Teilnehmer mit Gott oder

51 H.J. Klauck, Herrenmahl, 261. Er diskutiert auch die andere Möglichkeit MQKPYPKC als societas, aber er findet diesen Ansatz nicht korrekt, denn es sei nicht legitim, den Sinn von V 16, der aus der Tradition stammt, durch die ekklesiologische Bedeutung von V. 17 zu interpretieren. Ich bin im Gegenteil der Ansicht, dass Paulus eine aus der Abendmahltradition stammende Formel ekklesiologisch erklären will; das Abendmahl wird schon in V. 16 als ein gemeinschaftsstiftendes Ritual verstanden. 52 H.J. Klauck, Herrenmahl, 265, erkennt die Schwierigkeit, dass das Opfermahl im AT und in der jüdischen Literatur nie die Bedeutung einer Tischgemeinschaft zwischen Gott und Menschen hat, sowie die Unanwendbarkeit der These von H. Greßmann, der das Wort SWUKCUVJTKQP als Metonymie für Gott zu erklären versucht. Der Vergleich ist dennoch möglich, weil Paulus die Terminologie und die Vorstellung des Abendmahls auf jüdisch-heidnische Rituale anwendet. Diese These steht im Gegensatz zu der These der Religions-geschichtlichen Schule, die umgekehrt vom Einfluss der Mysterienreligionen auf Paulus sprach, und ist von A. Schweitzer, Die Mystik, 261, formuliert worden. Schweitzers Pointe ist aber, dass die heidnischen Opfermahle in der Zeit des Paulus keinen Gedanken an Gemeinschaft mit der Gottheit mehr enthielten, was der These von Klauck widerspricht. 53 H.J. Klauck, Herrenmahl, 265–266: „Glaubt Paulus an die Wirkmächtigkeit von Götzenopfern? Bei der Antwort weicht Paulus auf eine andere Ebene aus. Götzen gibt es nicht, wohl aber Dämonen, die als bedrohliche Realität hinter dem Opferdienst der Heiden stehen“. 54 Die These von H. Greßmann, B+ MQKPYPKC VYP FCKOQPKYP, 224, nach der SWUKCUVJTKQP eine Umschreibung für Gott ist, wird in der Forschung nicht mehr berücksichtigt. G.V. Jordan, -1,090,$ in I Corinthians 10,16, 122, bezeichnet sie als “a grave misconception of Jewish thought“. Die Stelle von Philo Spec. I,221, Q?L GWXGTIGVJL MCK HKNQFYTQL Y P MQKPYPQP CXRGHJPG VQW DYOQW MCK QBBOQVTCRG\QP VQ UWORQUKQP VYP VJP SWUKCP GXRKVGNQWPVYP, lässt sich als eine besondere Verbindung der Teilnehmer beschreiben und nicht als sakramentale Gemeinschaft mit Gott.

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sogar eine Art Theophagie zuschreiben, um eine soziale Funktion55 der Mählern in 1Kor zu beweisen. Von den Mysterienkulten werden in der Regel als Beweis für eine sakramentale Bedeutung die Kulte von Dionysos und von Sarapis zitiert.56 Für beide Kulte sowie für die anderen Mysterienkulte analysiert Willis kritisch die entsprechenden Quellen, die als Beweis eines sakramentalen Mahles angeführten werden. Der Kult des Dionysos wird von den griechischen Autoren in sehr unterschiedlicher Weise dargestellt, bei Diodorus Sikulus gibt es sogar die Vorstellung von zwei verschiedenen Gottheiten. Die von Euripides erwähnte Handlung der Omophagie (Verzehr von rohem Fleisch) in Verbindung mit dem Dionysos-Kult57 ist als Sonderfall erklärt und stellte in der Zeit des Paulus eine alte Sitte der Vergangenheit dar.58 Die Diskussion über die sakramentale Bedeutung des Isis- und Sarapis-Kultes betrifft insbesondere die ägyptischen Papyri, die eine Einladung zu einem Mahl enthalten, an dem auch der Gott Sarapis beteiligt ist. Sie enthalten nur wenige Sätze, eingeleitet von GXTYVC^ oder MCNGK, die den Namen der Gastgeber, das Datum (oft „morgen“) und die Uhrzeit angeben, mit dem üblichen Ausdruck einer Einladung zum Tisch des Herrn Sarapis (GKXL MNGKPJP VQW MWTKQW 5CTCRGKFQL). Es gibt sogar zwei Fälle, bei denen der Gott direkt als Gastgeber vorkommt,59 aber sie sind nach Willis zu unsicher und unklar, um daraus eine sakramentale Bedeutung abzuleiten. Die Tatsache, dass die Gottheit in der Einladung oft zusammen mit einem anderen Tempel erwähnt wird, gilt für Willis als Beweis 55 W.L. Willis, Idol Meat in Corinth, 17–21, er unterscheidet zwischen 1) „Sacramental view“, 2) „Communal interpretation“ (das Fleisch wird mit der Gottheit gegessen), 3) „Social interpretation“ (das Fleisch wird vor der Gottheit gegessen) – die Bedeutung, die in den Quellen zu finden ist. Die Dissertation von Willis wurde 1981 verfasst und 1985 veröffentlicht, sodass keine direkte Konfrontation mit der These von Klauck möglich war. 56 H.J. Klauck, Herrenmahl, 110: „Die Verehrer des Dionysos zerstückeln ein Opfertier und verschlingen die rohen Bissen, in der Meinung, mit dem blutigen Fleisch den Gott substantiell in sich aufzunehmen“. Für den Sarapiskult vgl S. 134: „Der Gott tritt als Gast und Gastgeber mit den Menschen in enge Mahlgemeinschaft“ 57 Vgl. E. Ba. XXI. 58 W.L. Willis, Idol Meat, 28. Das Hauptproblem ist die frühere Datierung der Omophagie. Klauck, Herrenmahl, 112, kann maximal auf eine Inschrift auf 276/75 n.Chr., wo das Wort YXOQHCIKQP vorkommt, verweisen. Die weitere Erwähnung bei Clemens Al. (Protreptikon 119,1), nach der der Verzehr von rohem Fleisch durch die Eingeweihten ein Zeichen für das Zerreißen des Dionysos selbst ist, legt, wie andere Zitate aus den Vätern – Willis diskutiert nur die MithraskultStellen bei Justin und Tertullian – den Verdacht nahe, dass hier apologetische Zwecke im Vordergrund standen (S. 30). 59 W.L. Willis, Idol Meat, 42, nennt zwei Beispiele P. Foad 76: X(TYVC^ UG 5CTCRQWL FGKRPJUCK GKXL KBBGTYOC VJL MWTKCL ,UKFQL GXP VJ^ QKXMKC^ CWTKQP J=VKL GXUVKP MS CXRQ Y=TCL S (Vgl. die Edition des Papyrustextes bei: M. Vandoni, Feste pubbliche e private nei documenti greci, Milano 1964, 130) und P. Colon 2555: MCNGK UG QBB SGQL GKXL MNGKPJP IGKPQOGPJP GXP VY^ SQJTGKY^ CWTKQP CXRQ Y=TCL S  (Vgl. die Edition des Papyrustextes bei L. Koenen, Eine Einladung zur Kline des Sarapis, ZPE 1 (1967) 122).

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dafür, dass die Verbindung mit der kultischen Handlung sehr schwach ist, und damit als Indiz für eine Privatangelegenheit, bei der dem Tempel die Funktion einer Art Raststätte zukommt. Die Opfermähler hatten nach Willis die soziale Funktion, die Teilnehmer einer Assoziation oder eine Gruppe intensiver aneinander zu binden, damit eine Gemeinschaft entsteht.60 Dieser Schluss trägt dazu bei, dem Wort MQKPYPKC im Text eine horizontale und nicht eine vertikale Bedeutung zu verleihen. Das zeigt sich in der polemischen Äußerung Philos hinsichtlich der Vereine (SKCUQK) in Alexandria als einer Einrichtung, wo die Gemeinschaft (MQKPYPKC) nur auf „ungemischtem Wein, Trunkenheit, Streit beim Wein“61 beruht und nicht auf einem Ideal. Die Probleme betreffen auch in Korinth die innergemeindlichen Beziehungen und die Beziehungen zur korinthischen Gesellschaft. Die soziale Funktion der Mähler wird auch bei Cicero deutlich. Er spricht von seiner Erfahrung bei der Teilnahme an den Vereinsmählern für die Göttin Kybele in Anatolien als eine Gelegenheit, bei der nicht körperlicher Genuss eine Rolle spielt: „Ich habe meine Freude nicht an körperlichem Genuss, sondern vielmehr an dem Zusammentreffen (coetus) mit Freunden und an den Gesprächen gehabt“. Interessant ist die etymologische Beobachtung Ciceros, dass die Vorfahren solche Zusammenkünfte convivium nannten (Lebensverbindung vitae coniunctio) – sie maßen ihnen eine größere Bedeutung zu als die Griechen, die nur von compotatio oder concenatio sprachen. Eine ähnliche etymologische Spekulation findet man bei Plutarch in seinem Werk Quaestiones Convivales, in dem er sich über die Namen der Mahlzeiten und deren Abstammung äußert. Unter anderem wird das Wort MJPC (cena) behandelt, das sich laut Plutarch aus dem Wort MQKPYPKC ableite.62 Es bezeichnet die Hauptmahlzeit und entspricht dem griechischen FGKRPQP, das nach Plutarch aus dem Wort FKCRGRQPJOGPQP („ausgearbeitet“) stammt, während CTKUVQP aus TBBC^UVQP („sehr leicht“, „sehr mühelos“), abgeleitet ist.63 Dass eine Einladung zum Vereinsmahl eine soziale Funktion bekam, ist durch einer Fülle von Texten nachgewiesen, die ethische Anweisungen oder einfach eine sarkastische Beurteilung der bestehenden Bräuche enthalten. Epiktet prangert die geschäftliche Logik an, die mit den Essenseinladungen verbunden ist,64 und bei Petrons Satyricon65 kann man am Beispiel des 60 W.L. Willis, Idol Meat, 47–64. 61 Philo Flacc. 136: YP MCVCTEGK VJL MQKPYPKCL QWXFGP WBBIKGL CXNN` CMTCVQL MCK OGSJ MCK RCTQKPKCK. 62 Plu. Mor. (Quaestiones Convivales) 726e: VQ OGP ICT FGKRPQP HCUKP MJPCP FKC VJP MQKPYPKCP MCNGKUSCK> MCS` GBCWVQWL ICT JXTKUVYP GXRKGKMYL QKBB RCNCK B4YOCKQK UWPFGKRPQWPVGL VQKL HKNQKL 63 Plu. Mor. (Quaestiones Convivales), 726d. 64 Epict. Ench. 25,4–5. 65 Petron. I,31–41.

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Thrimalchion, eines reich gewordenen Aufsteigers, erkennen, dass die Menge und die Verschiedenheit der servierten Speisen auch ein Indikator des sozialen Status waren. Das bestätigt die These von G. Theißen, nach dem die Polemik zwischen Starken und Schwachen in Korinth eine soziale Auseinandersetzung in sich birgt. Die Starken gehören zu den wohlhabenden Schichten, die es sich leisten können, Fleisch zu essen, und die wegen ihrer Position stärker an die Vereinsmahlzeiten gebunden waren. Die Schwachen hingegen konnten sich Fleisch kaum leisten und hatten auf den Stadtfesten bei der Verteilung der geschlachteten Tiere Gelegenheit, es zu essen. Die Position der Schwachen erklärt sich durch das soziale Ressentiment den Starken gegenüber, das sich in Radikalität äußert.66 Ein wichtiges Element von Theißens Erklärung ist die soziologische Situierung des Begriffs IPYUKL (1Kor 8,1), die die Starken für sich beanspruchen, außerhalb eines gnostizierenden Zusammenhangs. Damit ist eine gewisse Bildung gemeint, über die die Starken auf Grund ihres Sozialstatus verfügten67 und mit deren Hilfe sie die Stimmung in der Gemeinde beeinflussen konnten. Dass die Opfermahle keine sakramentale, sondern eine soziale Bedeutung hatten, ist in der Forschung beinahe allgemeiner Konsens. Doch wird die oben dargestellte These von Willis einer lediglich sozialen Interpretation nicht einhellig angenommen. D. Newton behauptet zwar, es sei bei den Philologen allgemein anerkannt, dass die Idee einer sakramentalen Gemeinschaft den Quellen nach nicht beweisbar ist – ein Konsens, der von den Theologen nicht anerkannt werde.68 Doch Newton selbst stimmt der These von Willis nicht zu, da er in seiner Arbeit die Grundthese vertritt, dass den heidnischen Ritualen eine Fülle von verschiedenen Bedeutungen zukamen: „For some sacrifices were meaningless, for some, simply costumary, but for others they involved a recognition that they were in some sort of relationship with the god which could either help or harm them.“ Die pluralistische Perspektive ist der besondere Ansatz von Newton, doch sie spielt in der Polemik in Korinth kaum eine Rolle. Auch P.D. Gooch kritisiert die Thesen von Willis und bezeichnet sie als „a reconciliation of the unconciliable“, und zwar in zwei Punkten: 1) er hat den Gedanken der MQKPYPKC nicht wirklich wahrgenommen; 2) er hat die Wirklichkeit der Dämonen für Paulus 66 G. Theißen, Die Starken und die Schwachen, 282. 67 G. Theißen, Die Starken und die Schwachen, 286. 68 D. Newton, Deity and Diet, 217: „None of the available evidence supports the idea of sacrificial function as of worshippers sharing ‚comunion‘ in the god in sense of eating him.“ Die Position einiger Theologen wie Farnell wird als „misconceptions and sheer speculation“ definiert. Der Unterschied zwischen Philologen und Theologen in der Evaluation der Opfermahle wird darüber hinaus so ausgedrückt: „This emerging consensus among classicists in particular does not however appear to have found acceptance among most New Testament scholars“.

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nicht erkannt.69 Nach Gooch sind die FCKOQPKC für Paulus wirkliche Mächte, die trotz des Glaubenbekenntnisses in 1Kor 8,4.5 existieren. Daraus kann man entnehmen, dass Paulus die Existenz von Göttern im Himmel und auf der Erde zugesteht, mit denen die Korinther eine Gemeinschaft einrichten können, die Gott eifersüchtig macht.70 Das Wort FCKOQPKQP kommt bei Paulus nur an dieser Stelle vor, und die alttestamentlichen Bezügen suggerieren, dass Paulus den Begriff als eine polemische Benennung biblischer Tradition benutzt. Dass Paulus an die Existenz von Mittelwesen glaubt, die Macht über den Menschen ausüben können, kann nicht ausgeschlossen werden, es ist allerdings zu bestreiten, dass sie diese Macht durch das Essen gewinnen können. Die alttestamentlichen Parallelen können das Verständnis des Wortes in diesem Zusammenhang ermöglichen. In Jesaia 65,11 wird das Volk als Beispiel seiner Untreue vorgeworfen, es habe dem Dämon einen Tisch bereitet und dem Glück ein Mischgetränk bereitet;71 kurz vorher, in 65,3, ist die Rede von Opfern an die Dämonen, die aber nicht existieren72 (C? QWXM GUVKP). In Psalm 95,5 ist FCKOQPKC eine Bezeichnung der heidnischen Götter,73 und an anderen Stellen,74 an denen von Opfern an die Dämonen gesprochen wird, wird deutlich, dass es sich um eine polemische Variante des Wortes SGQK handelt. Die ähnliche Terminologie in unserem Text legt die Schlussfolgerung nahe, dass auch bei Paulus das Wort ein Synonym von GKFYNC ist und die heidnischen, nicht existierenden Götter bezeichnet. Der Ausdruck MQKPYPQK VYP FCKOQPKYP bezeichnet eine Gemeinschaft unter den Teilnehmern an den Opferritualen, die die Anbetung eines Götzen als Grundlage hat. Selbst die Nicht-Existenz oder die innerliche Distanzierung der christlichen Teilnehmer kann das Schwerwiegende der Handlung, die Idolatrie, nicht abmildern. Diese paulinische Konnotation der Teilnahme an kultischen Handlungen kann mit dem Oxymoron in 1Kor 6,15 RQTPJL OGNJ belegt werden. In beiden Fällen geht es um eine konstruktive Gemeinschaft auf verschiedenen Ebenen (G?P UYOC), die durch den Umgang mit Prostituierten oder durch die Teilnahme an Götzenkulten miss69 P.D. Gooch, Dangerous Food, 57. 70 P.D. Gooch, Dangerous Food, 76. Das entspricht der These von J. Weiss, Der erste Korintherbrief, 257–258, nach der Paulus zwischen Götzen, die es nicht gibt, und Dämonen, die von den Menschen Besitz ergreifen können und die eine Konkurrenz zur Abendmahlsgemeinschaft mit Christus bilden, unterscheidet. 71 Jes 65,11 (LXX): WBOGKL FG QKB GXIMCVCNKRQPVGL OG MCK GXRKNCPSCPQOGPQK VQ QTQL VQ C=IKQP OQW MCK GBVQKOC\QPVGL VY^ FCKOQPK VTCRG\CP MCK RNJTQWPVGL VJ^ VWEJ^ MGTCUOC. Wichtig scheint mir an dieser Stelle die Nennung von „Tisch“ und „Mischgetränk“ (vielleicht gemischter Wein), die die Struktur von 1Kor 10,21 bildet und parallel zum Abendmahl steht. 72 Jes 65,3: QB NCQL QWVQL QB RCTQZWPYP OG GXPCPVKQP GXOQW FKC RCPVQL CWXVQK SWUKC\QWUKP GXP VQKL MJRQKL MCK SWOKYUKP GXRK VCKL RNKPSQKL VQKL FCKOQPKQKL C? QWXM GUVKP. 73 Ps 95,5 (LXX): Q=VK RCPVGL QKB SGQK VYP GXSPYP FCKOQPKC QB FG MWTKQL VQWL QWXTCPQWL GXRQKJUGP. 74 Ps 105,37; OdSal 2,17; Dtn 32,17 der Satz in 32,17a: GSWUCP FCKOQPKQKL MCK QWX SGY^ entspricht fast wörtlich 1Kor 10,20.

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lingt. Ebenso wie in der alttestamentlichen Tradition RQTPGKC und GKXFYNQNCVTKC verbunden sind (1Kor 10,1–13), sind auch für Paulus im positiven Sinne das konstruktive Zusammenleben von Mann und Frau und das Zusammenleben innerhalb der Gemeinde analog verbunden. 2.7 G?P UYOC und MQKPYPKC Der Zusanmenhang zwischen UYOC und MQKPYPKC ist ein Thema der stoischen Philosophie. Cicero verbindet seine Betrachtung über die communis humani generis societas mit zwei Behauptungen über die Gestalt des Körpers: eine parenthetische Aussage quod primum intelligi debet figura membrisque corporum, und kurz darauf eine Erläuterung der verschiedenen Funktionen der Körperglieder durch die kosmische Gemeinschaft: „ut enim in membris alia sunt tamquam sibi nata, ut oculi, ut aures, alia etiam ceterorum membrorum usum adiuvant, ut crura, ut manus“. Auch im 1Kor 10,17 wird der Körper benutzt, um die Idee der Gemeinschaft zu illustrieren: Sie besteht aus der Einheit der Vielen. Die meisten Autoren75 sehen in dem Vers (besonders in 17b) die ekklesiologische Anwendung der Gemeinschaft mit Christus, die im Abendmahl erfahrbar wird. Nach dieser Interpretation ist das UYOC in V. 16 der pneumatische Leib Christi76 oder gleichzeitig der irdische Leib und der Erhöhte.77 Die Teilhabe an Blut und Leib Christi kann eine Erfahrung sein, die die horizontale Gemeinschaft schafft. J. Hainz vertieft diese sakramentale Bedeutung der Verse 16 und 17 durch die Bildung eines Syllogismus in Anlehnung an P. Neuenzeit: a) der eucharistische Leib = Christus; b) der Leib der Kirche = Christus, dann folgt c) der eucharistische Leib = Leib der Kirche, und das wird durch die Anwendung des Wortes UYOC möglich.78 Das Hauptargument einer solchen These liegt in der Annahme, dass im Abendmahl eine Gemeinschaft mit Christus durch die Elemente erfolgt, die parallel zu den anderen Ritualen im Text vorkommen, doch ist schwer nachweisbar, dass die Pointe in der vertikalen Gemeinschaft mit Gott liegt. Die sakramentale Hypothese ruft nicht geringe 75 G. Panikulam, Koinonia, 25–29; H. Seesemann, Der Begriff -1,090,$, 34–47, P.C. Bori, Koinonia, 92–93, G. Bornkamm, Herrenmahl und Kirche, 294–298, J. Hainz, KOINONIA, 17– 46. 76 G. Bornkamm, Herrenmahl und Kirche, 296: „Man darf darum nicht schon in V. 16 den Begriff es UYOC VQW &TKUVQW mit dem V. 17 gleichsetzen. Das hieße notwendig, dass auch die im Brot gereichte Gabe nicht der für uns geopferte Christusleib, sondern der pneumatische Christusleib, das „corpus mysticum“ der Gemeinde ist“. 77 H. Seesemann, Der Begriff -1,090,$, 38. 78 J. Hainz, KOINONIA, 35–46, versucht einen konsequenten Sakramentalismus zu entwerfen, dessen Ziel die Behauptung der Identität Christi und der Kirche ist, durch dessen Realpräsenz im Abendmahl.

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Einwände hervor, sie steht in Wiederspruch zur paulinischen Grundeinstellung in 1Kor 10,1–13, wo Paulus versucht, eine sakramentale Sicherheit, eine ex opere operato-Konzeption der Korinther durch das Beispiel von Israel zu relativieren und mehr auf die praktischen Konsequenzen der Ritualeerlebnisse einzugehen. Auch in dem Ausdruck MQKPYPKC VQW CK=OCVQL/ VQW UYOCVQL VQW &TKUVQW bezeichnet der Genitiv nicht die Sache (oder die Person), an der man Anteil hat, sondern – wie in der oben genannten Definition von Lohmeyer – die Grundlage, auf die sich die Gemeinschaft stützt. Paulus will die Sachverhalte der Verse 16 und 17 überarbeiten. Er übernimmt aus der Abendmahlstradition die Ausdrücke VQ RQVJTKQP VJL GWXNQIKCL Q? GWXNQIQWOGP und VQP CTVQP Q?P MNYOGP, um die Abendmahlshandlung zu benennen, die er mit dem Begriff MQKPYPKC als gemeinschaftsstiftendes Ritual bezeichnet. UYOC und CKOC VQW &TKUVQW gelten nicht als anthropologisches Paar, etwa wie UCTZ MCK CKOC, und auch nicht als Hinweis auf die Person Christi, sondern als Merkmale des Todes Christi,79 wie z.B. in Röm 5,3 PWP GXP VY^ CK=OCVK CWXVQW UYSJUQOGSC FK8 CWXVQW CXRQ VJL QXTIJL (vgl auch 1Kor 11,25) und Röm 7,4 WBOGKL GXSCPCVYSJVG VY^ PQOY^ FKC VQW UYOCVQL VQW &TKUVQW. Die zwei Begriffe ermöglichen die paulinische Argumentation in 1Kor 10,14–22 und 11,17–34: UYOC weist auf die konstruktive Gemeinschaft hin, CKOC auf den neuen Bund, der für die Gemeinde gilt. Die horizontale Gemeinschaft, die im Abendmahl realisiert wird, erfolgt schon durch die Anwendung des bedeutungsvollen Wortes MQKPYPKC und nicht erst in V. 17b. Wie diese MQKPYPKC sich durch die Abendmahlshandlung konstituiert, wird im nächsten Abschnitt erläutert. Nun bleibt noch die Frage, wie Paulus sich angesichts der nachgewiesenen Sozialkonflikte in Korinth die Gemeinschaft der Vielen in einem Leib vorstellt. Diese Frage hat auch eine direkte Auswirkung im paulinischen Verständnis des anthropologischen UYOC. Ist das G?P UYOC ein hierarchisches 79 Vgl. Behm, Art. CKOC, in: ThWNT I, 173. K. Stürmer, Das Abendmahl bei Paulus, 51f, fasst UYOC und CKOC, Leib und Blut des irdischen und des erhöhten Christus zusammen, aber er sagt zudem: „So bleibt schließlich nur noch die Alternative, Leib und Blut Jesu entweder als Lebensträger oder als Todessymbol zu verstehen“. Wichtig sind m.E. auch seine Beobachtungen zum paulinischen Verständnis des Abendsmahls, obwohl er MQKPYPKC in 1Kor 10,16 schon als (S. 53) „inniges Anteilhaben, ja sogar Einswerden mit dem Leib und Blut Cristi“ versteht: (56–57) a) UYOC ist nicht als solches gemeint, sondern bezieht sich auf die Dahingabe des Todes (1Kor 11,24); b) CKOC bezeichnet nicht eine Substanz, sondern bezieht sich auf den Bund ; c) wenn Brechen des Brotes und Ausgießen des Blutes sich auf den Tod beziehen, so würde „ein Operieren mit Substanzen und mit Essenzen der sonstigen paulinischen Denk- und Anschauungsweise vollkommen widersprechen“, d) nur wenn Brot und Wein sich auf den Tod Christi beziehen, kann man die Analogie von UYOC und CKOC verstehen; e) nur wenn die Handlung und nicht die Elemente betont werden, kann man das paulinische Verkünden des Todes im Abendmahl verstehen. 80 Der Ausdruck UYOC VQW &TKUVQW (mit dem Artikel) kommt in den echten paulinischen Briefen sonst nur in Röm 7,4 für den Tod Christi vor, und die Bedeutung kann vom Gebrauch von UYOC als „Leiche“ hergeleitet werden und metonymisch für den gewaltsamen Tod stehen.

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Gebilde, in dem die soziale Ungleichheit erst die Einheit ermöglicht, wie es in dualistischen Systemen zu sehen ist, oder ist der kollektive Leib ein Ort, an dem nicht nur alle Konflikte überwunden werden, sondern auch eine Gleichheit aller Mitglieder besteht? Unbestritten ist, dass Paulus die Unterschiede, die soziale Konflikte erregen, nicht billigt, sondern mit Hilfe der Abendmahltradition bekämpft. Diese Frage wird im Laufe dieses Kapitels noch behandelt werden. Damit ist schon die Grundthese von D. Martin, nach der Paulus an eine hierarchische Einheit denkt, wenn er vom kollektiven UYOC spricht, teilweise widerlegt. G. Theißen bezeichnet die paulinische Sozialkritik an dem Verhalten der Starken als „Liebespatriarchalismus“, die alle Ungleichheit bestehen lässt,81 und er bezeichnet Paulus’ Argument als einen Kompromiss zwischen den beiden sozialen Gruppierungen in Korinth. Auch diese Antwort ist nicht genügend. Paulus ist sich der Komplexität der Situation bewusst. Die Starken sind zwar angehalten, auf ihre Privilegien zu verzichten, gewissermaßen als ihre ethische Aufgabe. Es bleibt aber dabei, dass das konstruktive UYOC der Gemeinde analog zu dem des Einzelnen nicht durch eine menschliche Handlung oder ein menschliches Bestreben konstituiert wird, sondern nur durch den Heiligen Geist als ein UYOC RPGWOCVKMQP: Der Übergang von einer konfliktreichen Gemeinde zu einem konstruktiven Zusammenhang wird letztendlich nur durch eine von Gott bewirkte Verwandlung möglich und nicht durch eine soziale Nivellierung. Das Abendmahl ist für Paulus eine proleptische Erfahrung des konstruktiven Zusammenlebens, bei der die Vielen sich trotz ihrer Statusunterschiede als Teil einer wirklichen MQKPYPKC erfahren und sich verpflichten, indem sie an dem neuen Bund teilhaben. Die Gemeinschaft des Opfermahles ist auch deshalb unannehmbar, weil sie von vornherein eine exklusive Gemeinschaft von Menschen gleichen Standes darstellt und dadurch Personen anderer sozialer Herkunft ausschließt. Der Sozialstatus ist eine Dimension, die MCVC UCTMC existiert (1Kor 1,26). Im Gegenteil dazu bezieht sich die christliche Gemeinschaft auf die eschatologische Perspektive eines konstruktiven Zusammenlebens, in das Menschen aller Art integriert werden können. Das korrigiert die oft vertretene Meinung, nach der Paulus mit seiner Argumentation auf eine sektiererische Abgrenzung82 der christlichen Gemeinde abzielen würde, wobei er eingesteht, dass die Enthaltung von den Opfermah81 G. Theißen, Die Starken und die Schwachen in Korinth, 288: „Dieser Liebespatriarchalismus lässt soziale Ungleichheiten bestehen, durchdringt sie aber mit einem Geist der Rücksichtnahme, der Achtung und der persönliche Fürsorge.“ 82 Vgl W. Meeks, The First Urban Christians, 16: „Just as in 6,12–20 Paul argues that the union with the body of Christ excludes union with a prostitute, so here he insists that the unity presented in the Supper is exclusive […] Thus Paul uses the symbolism of the Supper ritual not only to enhance the internal coherence, unity, and equality of the Christian group, but also to protect ist boundaries vis-à-vis other kinds of cultic association.“

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Das UYOC der Gemeinschaft

len eine gewisse Entfremdung bewirken konnte. Wie E. Lohmeyer richtig bemerkt hat, konstituiert sich die christliche Gemeinschaft jedoch als drittes Genus in der Frage der Beziehung des Volkes zur Religion, neben den Ansätzen im Judentum und in der römisch-hellenistischen Gesellschaft. Demnach sind die Christen überzeugt, die neue Menschheit zu vertreten, die sich von Christus her bestimmt und alle Determinierungen von Völkern und Kulturen überwindet. Damit grenzen sie sich von einem Zusammentreffen von Religion und Volk und den daraus entstehenden Folgen ab: der Verstaatlichung von Religion und Kultus, (römische Gesellschaft) sowie der „Verkultlichung“ von Staat und Religion (Judentum).83

3. Analyse von 1Kor 11,17–34 3.1 Vorbemerkung Diese Stelle ist vor allem aufgrund des umstrittenen Ausdrucks OJ FKCMTKPYP VQ UYOC (1Kor 11,29), der eine der Hauptschwierigkeiten bei der Auslegung des Textes darstellt,84 von Bedeutung für diese Untersuchung. Darüber hinaus soll das allgemeine Vorkommen des Begriffes UYOC im Abendmahlstext untersucht werden. Die möglichen Deutungen dieses Satzes hängen insbesondere von der Interpretation des Wortes UYOC ab, das sich entweder auf den christologisch-sakramentalen Leib des Abendmahls85 oder auf den ekklesiologischen Leib der Gemeinschaft86 beziehen kann, oder aber – wenn man den Begriff „Leib Christi“ in Betracht zieht – auf beide gleichzeitig.87 In jedem Fall bleibt die Frage offen, wie sich die anthropologischen Termini der Einsetzungsworte des Abendmahls in den allgemeinen anthropologischen Diskurs einordnen lassen. Auffallend ist häufig, dass das corpus eucharisticum in der Evaluierung des UYOC keinen Platz hat88 oder absichtlich durch eine abstrakte Konzeption von der Realität 83 E. Lohmeyer, Vom Begriff der religiösen Gemeinschaft, 17–19. 84 M. Klinghardt, Gemeinschaftsmahl, 306: „Entscheidend für die Frage, warum Paulus die Herrenmahlsparadosis zitiert und welche Begründungsfunktion die Argumentation für seine Lösung des ‚einander annehmen‘ hat, ist also das Verständnis von FKCMTKPYP VQ UYOC.“ 85 O. Hofius, Herrenmahl, 408; G. Theissen, Soziale Integration, 306; R. Jewett, Paul’s Anthropological Terms, 264; J. Weiß, Der erste Korintherbrief, 291. 86 M. Barth, Das Mahl des Herrn, 57: „Leib“ ohne Parallelbegriff „Blut“ in 11,29 und 10,17b ist auf die Gemeinden bezogen; B. Kollmann, Ursprünge, 49–50; Ch. Strecker, Die liminale Theologie, 332; M. Klinghardt, Gemeinschaftsmahl, 315. 87 M. Walter, Gemeinde als Leib Christi, 124; H.J. Klauck, Herrenmahl, 327; G. Bornkamm, Herrenmahl, 169; M.M. Mitchell, The Rhetoric of Reconciliation, 265. 88 Als Beispiel kann ich die Dissertation von K.A. Bauer, Leiblichkeit. Das Ende alle Werke Gottes, anführen, die trotz der sorgfältigen Untersuchung der Hauptvorkommen des Wortes UYOC

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des menschlichen Leibes getrennt wird. In diesem Abschnitt wird versucht, die überkommenen Abendmahlsworte im Rahmen der anthropologischen Rede des Paulus über das UYOC zu verstehen, ohne aber die Bedeutung und die Besonderheit des eucharistischen Rituals zu mindern oder in Frage zu stellen. Die hermeneutische Basis für diesen Entwurf gibt Paulus selbst vor, indem er die traditionelle Formel und das Gemeindeleben durch eine Reflexion über das UYOC verbindet, wie aus dem Satz OJ FKCMTKPYP VQ UYOC abzulesen ist. Ähnlich wie in 1Kor 10 bleibt Paulus nicht einfach bei der Deutung der Abendmahlstradition stehen, sondern er benutzt sie, um anhand dieser seine Argumente gegen die Auseinandersetzungen in der Gemeinde zu belegen. Er verwwendet die Abendmahlstradition als ein vertrautes allgemeines Gut, das als praktische Anweisung Verwendung finden kann. Analyse von 1Kor 11,17–34 3.2 Kontext Beim Vergleich von 1Kor 10,14–22 und 1Kor 11,17–34 wird nicht selten auf inhaltliche Unterschiede und sogar Spannungen verwiesen, deren Evidenz zunächst leicht ins Auge fällt. Während in 1Kor 10,14–22 die Quintessenz im Verhalten der Gemeindeglieder gegenüber den Sitten der Stadt Korinth liegt, geht es in 1Kor 11,17–34 vielmehr um interne Konflikte und Missstände, die bei der Versammlung zu Tage treten. Die inhaltlichen Unterschiede betreffen die Konzeption des Abendsmahls: Paulus hat in beiden Texten zwei verschiedene Traditionen89 übernommen, die dem Herrenmahl unterschiedliche Bedeutung zuschreiben. Abgesehen von den eher die Situation betreffenden Unterschieden der zwei Textstellen lässt sich eine gewisse Kontinuität zwischen beiden Texten beobachten, besonders was den Gang der Argumentation betrifft. Auf die Abendmahlstradition wird in beiden Textstellen zurückgegriffen, um soziale Spaltungen im Innern hervorzuheben. Auch in 1Kor 10,16–17 – wenn auch hier in Konfrontation mit der Außenwelt – geht es letztendlich um die Anerkennung des G?P UYOC, der Gemeinschaft, die durch die sozial bedingte bei Paulus die eucharistischen Stellen in 1Kor 10 und 11 gar nicht in Betracht zieht. Ebenso können Beispiele einer gewissen kritischen Suspension angesichts der Abendmahlserklärung angebracht werden. Unter anderem ist folgender Satz von Robertson/Plummer, The First Epistle to the Corinthians, 244, zur Präsenz des Leibes Christi im Abendmahl erwähnenswert: „How this takes place is beyond our comprehension, and it is vain to claim knowledge which cannot be possessed, or attempt to explain what cannot be explained.“ 89 X. Leon Dufour, Le partage du pain eucharistique, 113, spricht von zwei parallel laufenden Traditionen, die formal durch eine Symmetrie der Elemente UYOC und CKOC 1Kor 10,16–17 konnotiert sind, wie in der markinischen Tradition, sowie durch eine Asymmetrie in 1Kor 11,23– 26 UYOC – RQVJTKQP.

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Teilnahme an Opferfleischmahlen gefährdet wird oder in den Hintergrund tritt. In beiden ist dieselbe Intention vorherrschend, die Konflikte und Spaltungen zwischen den Reichen und den Armen in der Gemeinde zu überwinden, und zwar durch eine Aktualisierung der Abendmahlstradition und eine gemeindebezogene Auslegung des eucharistischen Rituals. In beiden Texten wird eine solche gemeinschaftliche Anwendung durch eine semantische Facette des Begriffs UYOC suggeriert, der in der Abendmahlsformel enthalten ist. Meine These ist, dass gerade dieses Wort in beiden Texten im Zentrum der paulinischen Argumentation steht und die Abendmahlstradition paränetisch brauchbar macht. Das Thema des Abendmahls erfährt in ethischer Hinsicht anhand zweier Begriffe eine Zuspitzung: In 1Kor 10 geht es um die MQKPYPKC, was ebenfalls ein weltlicher Begriff ist, wohingegen in 1Kor 11 das alttestamentliche, im Frühchristentum entwickelte Konzept des Bundes (MCKPJ) FKCSJMJ übernommen wird, das einen juristischen und eschatologischen Aspekt enthält. In 1Kor 11,17–34 ist der Bezug auf die Abendmahlstradition dadurch verstärkt, dass die Abendmahlfeier hier nicht ein Ritual des solidarischen Miteinanders aller Gemeindeglieder nach eschatologischer Perspektive ist, sondern im Gegenteil gerade ein Anlass, bei dem die sozialen Unterschiede zu Tage treten. Den unmittelbaren Kontext bildet in 11,2–13 das innere Problem der nicht verschleierten Frauen bei der Versammlung, das von Paulus als störend empfunden wird, da dadurch die Unterscheidung der Geschlechter in Frage gestellt wird. Den textuellen Rahmen bildet die Behandlung konkreter Probleme in der Vollversammlung, die die theoretische Überlegung in 12–14 hinsichtlich der Gemeinde und der Entfaltung der Charismen vorbereitet, bei der die Vorstellung der Gemeinde als Leib von grundlegender Bedeutung ist. Die Reflexionen zum UYOC in 11,29 leiten das Thema des nächsten Teiles (12–14) ein. 1Kor 11,17–34 ist mit dem vorangehenden Text durch den Gebrauch des Verbs GXRCKPGKP (GXRCKPY Q=VK …11,2 und QWXM GXRCKPY Q=VK… 11,17) verbunden. Dabei lässt sich allerdings der Gebrauch dieses Verbs und des Wortes RCTCFQUKL in V. 2 schwer mit den darauf folgenden Versen verbinden, hier ist eher ein Bezug zu unserem Text und eine Art Fokussierung der Themen von V. 17–34 erkennbar. Paulus lobt die Korinther für ihre Beachtung der Tradition, allerdings nicht für die Praxis. 3.3 Literarische Analyse In V. 17 wird das Grundproblem des Textes geschildert durch das Verb QWXM GXRCKPGKP und die Antithese GKXL VQ MTGKUUQP – GKXL VQ JUUQP UWPGTEGUSCK, die 90

UWPGTEGUSCK ist ein terminus technicus für das kultische Versammeln der Gemeinde.

Analyse von 1Kor 11,17–34

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in V. 18a durch den Begriff UEKUOCVC genauer erklärt wird. Die Unterscheidung von UEKUOCVC in V. 18b und 19 und CKBBTGUGKL bleibt ohne nähere Erläuterungen unklar. Erhellend scheint mir die Meinung von H. Paulsen, der in den Versen einen Rückgriff auf eine jesuanische Tradition sieht, nach der das Ende der Zeit durch das Auftreten von Häresien und Schismata charakterisiert ist.91 CK=TGUKL wird nun nicht, wie im hellenistischen Gebrauch,92 als neutral bewertet, sondern mit UEKUOCVC als negativ und destruktiv für die Gemeinde. Andere paulinische Stellen, wie z.B. Gal 5,20, enthalten sogar eine noch stärkere negative Konnotation.93 Die Bemerkung über die Notwendigkeit der CKBBTGUGKL (durch das Verb FGK) und die Betonung der letztendlich positiven Wirkung ist kein Trost des Paulus,94 sondern zeigt das eschatologische Bewusstsein einer ständigen Gefährdung der Gemeinschaft. Wichtig im Rahmen dieser Arbeit ist der Grundgedanke, dass die konkrete Gemeinde keine konstruktive Kollektivität ist, sondern sich im Gegenteil in der ständigen Gefahr der Destruktivität und der Spaltung befindet. Die Schilderung dieses negativen Zustands führt wieder zum Thema des V. 20, wobei in V. 21 mit sehr harten Worten erklärt wird: MCK Q?L OGP RGKPC^ Q?L FG OGSWGK. In V. 22 werden in Form rhetorischer Fragen klare Vorwürfe ausgesprochen, vergleichbar mit denen in 10,21–22, die vermutlich denselben Personen gelten, wie die Anmerkung MCVCKUEWPGVG VQWL OJ GEQPVCL suggeriert. Am Ende von V. 22 wird die Formel mit dem Verb GXRCKPGKP wieder aufgegriffen, die die Parenthese der Beschreibung des Falles zunächst schließt. 91 H. Paulsen, Schisma und Häresie, 48, findet diese Tradition in dem Spruch von Just. Dial. 35,2 GUQPVCK UEKUOCVC MCK CKBBTGUGKL, die in den Evangelien mit der endzeitlichen Aussonderung (Mt 10,34 und Lk 12,51–53; ThomEv 16) in Verbindung gesetzt wird. Eine eschatologische Perspektive dieser Versen wird auch von H. Conzelmann, Der erste Brief an die Korinther, 228: „Der objektive Ertrag der Spaltungen ist die sichtbare Sonderung von Weizen und Spreu.“ H. Lietzmann, An die Korinther, 56, sieht in V. 19 entweder Resignation oder Ironie des Paulus, die FQMKOQK werden als diejenige verstanden, die nicht in Parteiungen sind. 92 Das Wort ist Cic. Fam. XV,18,3, in Griechisch zitiert um die stoischen Schule zu nennen und begegnet noch bei J. BJ II,162, um die verschiedene Gruppierung im Judentum zu bezeichnen. Im Neuen Testament ist diese Bedeutung typisch für die Apostelgeschichte, CK=TGUKL heißt einfach „Sekte“, „Gruppierung“, „Richtung“ und bezeichnet die Sadduzäer (Apg 5,17), die Pharisäer (Apg 15,5; 26,5) die Christen (Apg 24,5 eigentl. Nazoräer; Apg 24,14; 28,22). 93 H. Paulsen, Schisma und Häresie, 61–62: „CK=TGUKL bedeutet eine Steigerung gegenüber UEKUOCVC und bezeichnet eine noch stärkere, noch gefährlichere Zerstörung des UYOC &TKUVQW.“ Diese These, der ich zustimmen möchte, widerspricht der Annahme von J. Weiß, Der erste Korintherbrief, 280, nach der Paulus dem Wort CK=TGUKL, hier eine positive Bedeutung beilegt, während er in 1Kor 1–4 angesichts der Parteibildungen in der Gemeinde, wo das gleiche Wort zu erwarten wäre, das negative UEKUOC verwendet. Weiß schreibt die UEKUOCVC in 1Kor 11,18–19. dem Brief A „in einem harmlosen Anfangsstadium“ (XLI) im Vergleich zu 1Kor 1,10. Auch F. Lang, Die Briefe an die Korinther, 148; meint, 1Kor 11,18f sei ein älterer Teil des Briefes im Vergleich zu 1,10. 94 So bei J. Weiß, Der erste Korintherbrief, 280.

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Mit V. 23 leitet der ICT-Satz einen Teil ein, bei dem die Abendmahlstradition aufgenommen ist und die m.E. auch den V. 26 einschließt. Dieser Vers wird wegen der Nennung des Herrn in der dritten Person als Kommentar des Paulus95 angesehen. Wahrscheinlicher ist es aber, dass Paulus die bekannte Formel aus der den Korinther vertrauten Abendmahlsliturgie und tradition in diesem Teil zitiert, um seinen Argumenten Nachdruck zu verleihen. Als wichtig für die Argumentation erweisen sich der Parallelismus UYOC – MCKPJ FKCSJMJ, die Anamnese und der Verkündigungscharakter des Herrenmahls. In V. 27–32 wird in juristischem Stil die Konsequenz eines Fehlverhaltens beim Abendmahl dargestellt. Paulus braucht die Herrenmahlworte nicht zu erklären, sondern wendet sich mit den Worten CXPCZKYL, GPQEQL direkt den Folgen der Missstände zu, die bis zum MTKOC eskalieren. Dem Adjektiv GPQEQL folgt in der Regel ein genitivus poenae, wie z.B. Mk 14,64 oder LXX Gen 26,11, hier jedoch kann der Genitiv relationale Bedeutung annehmen oder das Vergehen ausdrücken, dessen man sich schuldig macht.96 V. 29–32 enthalten ein Wortspiel aus dem Stamm MTKP-: MTKOC, FKCMTKPGKP, MTKPGKP, MCVCMTKPGUSCK. Die Teilnehmer am Herrenmahl werden diesem Urteil unterliegen, wenn sie nicht das UYOC unterscheiden (V. 29), und das geschieht in Verbindung mit den Krankheiten und Todesfällen innerhalb der Gemeinde (V. 30). Dieser Gedanke wird erneut aufgenommen durch die Selbstbeurteilung der Teilnehmer (mit FKCMTKPGKP) sowie in V. 28 (FQMKOC\GKP) durch einen Konditionalsatz der Wahrscheinlichkeit. Man kann diese Gedankenfolge wie folgt zusammenfassen: Die erste Stufe besteht in der Selbstbeurteilung und in dem FKCMTKPGKP VQ UYOC, das meiner Meinung nach nicht synonymisch zu verstehen ist, die zweite Stufe im Urteil derjenigen, die die erste Bedingung nicht erfüllen, wie etwa im Fall der Korinther. Dies ist noch keine endgültige Bestrafung, sondern lediglich eine Belehrung. Die folgende, dritte Stufe ist die Verurteilung der Welt (MCVCMTKPGUSCK), die den Christen nicht betreffen wird. In V. 33–34 werden abschließend konkrete Anweisungen erteilt, die als vorläufige Ratschläge gedacht sind und die Komplexität des Problems nicht erschöpfen wollen, da Paulus noch persönlich Stellung nehmen will.

95 Unter anderem G. Bornkamm, Herrenmahl, 291, H. Lietzmann, An die Korinther, 58. 96 W. Bauer, Wb, 541: „versündigt sich an dem Leib u. dem Blut“ wie bei Jak 2,10. C.K. Barrett, The First Epistle to the Corinthians, 272, betont den unüblichen Gebrauch der Konstruktion im Griechischen und versteht den rabbinischen Stil als „an offence against the body and the blood of the Lord“. Der Sinn könnte aber auch sein: sich schuldig am Tode Jesu machen – eine Konstruktion, die aber einen Dativ erfordern würde, wie etwa in Deut (LXX) 19,10 CK=OCVK GPQEQL.

Analyse von 1Kor 11,17–34

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3.4 Gliederung Aus dieser Analyse ergibt sich folgende Gliederung: I . Spaltungen bei der Herrenmahlfeier V. 17–22 Darstellung V. 17–21 Rhetorische Fragen V. 22 II. Abendmahltradition V. 23–26 III. Urteil beim Herrenmahl V 27–32 IV. Kurze praktische Anweisungen V. 33–34 3.5 Der Hintergrund: Rekonstruktionsmodelle Die Situation, mit der sich Paulus konfrontiert sieht, ist durch soziale Konflikte gekennzeichnet. Seit der innovativen Analyse von G. Theißen ist es allgemeiner Konsens, die UEKUOCVC, von denen im Text die Rede ist, nicht als bloße theologische Auseinandersetzungen über das richtige Verständnis des Herrenmahls zu betrachten, sondern eher als eine soziale Spaltung zwischen den Reichen und den Armen in den Gemeinde, die sich gerade während des solidarischen Rituals zeigt. H. von Soden unternimmt den Versuch, die Konflikte in 1Kor 11 als eine Auseinandersetzung über die Definition der Sakramente in den sich gegenüberstehenden Positionen der „Schwachen“ und der „Starken“ zu verstehen. Die Schwachen hatten eine Art „gesetzliche Ängstlichkeit“, die Starken waren „(animistisch) sakramental Denkende“ mit einer individualistischen Haltung, denn sie dachten, das Essen und das Trinken der Elemente des Abendmahls hätten als solche für sich bereits Wirkung.97 97 H.v. Soden, Sakrament und Ethik bei Paulus, 367–369. Zur Hypothese einer theologischen Auseinandersetzung als Anlass für den paulinischen Text hier noch einige Vertreter: H. Conzelmann, Der erste Brief an die Korinther, 228–229, betont den Enthusiasmus und den Individualismus der Korinther, die sich auch in der Abendmahlfeier widerspiegeln. Das Thema Essen wird von H. Conzelmann quasi metaphorisch angesehen im Hinblick auf 1Kor 4,8, wo von den Korinthern als Gesättigten im übertragenen Sinne die Rede ist. Das eigene Mahl, das das Herrenmahl gefährdet, wird mit dieser geistlichen Erhobenheit erklärt. H.J. Klauck, Herrenmahl, 331, meint, die Korinther hatten unter dem Einfluss der Umwelt eine mythische Konzeption des Abendmahls, bei der sich die Epiphanie des Herrn realisiert. Die theologische Vorstellung ist dann verantwortlich für die Missstände: „Das Missverständnis des Herrenmahls verhindert, dass es lebensgestaltend wirkt, und führt notwendig zu schweren Missständen bei seiner Feier, die nicht zuletzt die Einheit von gemeinsamem Sättigungsmahl und Sakrament bedrohen“. Eine gewisse Kritik an einer soziologischen Rekonstruktion wird auch von A. Lindemann, Der erste Korintherbrief, 252–253, vertreten. Für ihn sind im Texte keine Elemente enthalten, die an soziale Konflikte denken lassen, und selbst QKBB OJ GEQPVGL sind nicht die „Habenichtse“, sondern diejenigen, für die kein Essen übrig bleibt. Was in Korinth passiert, ist für Lindemann eine Konsequenz des Individualismus der Korinther. Abschließend kann man sagen, dass sicherlich theologische Faktoren in der

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Trotz dieses grundsätzlichen Ansatzes bleiben die Rekonstruktion der Polemik sowie die Definition vieler im Text enthaltener Angaben und damit die paulinische Antwort ungeklärt. Nach der Rekonstruktion von G. Theißen nahmen die Reichen, die ihr Haus der Gemeindeversammlung zur Verfügung stellten, ihr eigenes Mahl mit Menschen gleichen Status vor dem Beginn der Herrenmahlsfeiern ein – was zeitlich nicht fixiert war – und teilten mit den ärmeren Brüdern nur die Elemente des Abendmahls, das Brot und den Wein, aber nicht das Essen für das Sättigungsmahl, zu dem auch das Fleisch zu rechnen war. Die Vorwürfe des Paulus richten sich besonders an diese Reichen, die durch ihr Verhalten die Armen erniedrigen und auf diese Weise den Sinn der Abendmahlsfeier pervertieren. Die Basis für diese Erklärung ist die Interpretation von KFKQP FGKRPQP als ein GXM KXFKYP FGKRPQP,98 das die Reichen für alle spendeten, sowie die Interpretation von GMCUVQL99 als Pronomen, das nicht alle einschließt, sondern nur auf einige beschränkt ist, nämlich auf die Reichen. Auch das Verb RTQNCODCPGKP100 wird nicht nur zeitlich ausgelegt als „vorwegnehmen“, sondern im Sinne von „für sich nehmen“ oder „einnehmen“, sodass ein offensichtlicher Widerspruch zwischen dem MWTKCMQP FGKRPQP und KFKQP FGKRPQP entsteht. Da der genaue Ablauf des Herrenmahls nicht geregelt war, begannen die Reichen vorzeitig mit dem Verzehr ihres erlesenen, reichen Mahles, und dieses dauerte bis zur Mitte des Herrenmahls an (GXP VY^ HCIGKP). Wenn man diese Elemente anders auslegt, verändert sich das gesamte Bild der Polemik. O. Hofius101 versteht – anders als Theißen – GMCUVQL im wörtlichen Sinne, dagegen RTQNCODCPGKP ausschließlich mit der Bedeutung von „zu sich nehmen“ (und nicht zeitlich, wie „vorwegnehmen“). Nach dieser Rekonstruktion nehmen alle Teilnehmer ihre eigene (selbst mitgebrachte) Speise zu sich, wodurch die starken sozialen Unterschiede der verschiedenen Schichten offensichtlich werden. Auch das Verb GXMFGEGUSCK, das von so großer BeDiskussion über die Sakramente allgemein eine Rolle spielten (wie z.B. in 1Kor 10,1–5 angedeutet wird), aber im Fall unseres Textes stehen die praktischen Probleme und die sozialen Spaltungen im Mittelpunkt. 98 G. Theißen, Soziale Integration, 294: KFKQP FGKRPQP ist die Speise, die die reicheren Christen zum allgemeinen Verzehr am Herrenmahl GXM VYP KXFKYP besorgten. 99 G. Theißen, Soziale Integration, 294: „Jeder ist offensichtlich nicht gemeint, denn es gibt einige, die ‚nichts haben‘“. Er bemerkt, dass Paulus dasselbe Pronomen in 1Kor 1,12 und 14,26 benutzt, mit demselben eingeschränkten Sinn. 100 G. Theißen, Soziale Integration, 300: „RTQNCODCPGKP muss nicht nur vorwegnehmen heißen, sondern kann auch ‚einnehmen‘ bedeuten“. 101 Zur Rekonstruktion von vgl. O. Hofius, Herrenmahl und Herrenmahlsparadosis, 216–223. 102 Liddell/Scott, 503, enthält beide Bedeutungen: „wait for, expect“ und „entertain“. M.E. Glasswell, Art. GXMFGEQOCK, EWNT I, 988, sowie Bauer Wb, 479, sagen, dass das Verb im Neuen Testament nur „erwarten“, „warten auf“ bedeutet. M. Klinghardt, Gemeinschaftsmahl, 298, hingegen legt den Gebrauch in diesem Text aus als „nehmet euch an“ oder „nehmet einander gastlich auf“ und zitiert Belege aus Josephus, AJ XV,343 und XVI,6.131 und 140.

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deutung für die Antwort des Paulus in V. 33 ist, hat für Hofius keine zeitliche Konnotation („aufeinander warten“), sondern bedeutet eher „einander annehmen“, was eine gewisse soziale Verantwortung fordern würde.103 P. Lampe rekonstruiert die Situation in Korinth durch eine Parallelisierung des Ablaufs des Herrenmahls mit der Mahlpraxis der römischen Zeit. Das Abendessen (cena/ FGKRPQP), Hauptmahlzeit des Tages, bestand aus zwei Hauptteilen, der cena oder primae mensae und der commissatio oder secundae mensae, bei der man einen Nachtisch zu sich nahm. Am Beginn jeden Teils war ein religiöser Ritus vorgesehen, eine Götterakklamation vor der cena und ein Gebet an die Laren vor der secundae mensae.104 Das Herrenmahl fand in den Häusern der Reichen statt und begann unmittelbar vor der secundae mensae, in dem Moment der Opferriten und der Akklamation der Götter. Ähnlich wie Hofius versteht Lampe das KFKQP FGKRPQP als die Speise, die jeder nach seinen Möglichkeiten mitbringen sollte. Bei einem Vergleich des paganen Mahls mit dem Herrenmahl in Korinth entspricht das „Voressen“ der Korinther den primae mensae, die die reicheren Korinther sich als privates Mahl zu erleben berechtigt fühlten; das Brot-Wort eröffnete den religiösen Teil der secundae mensae. Damit ist auch eine zeitliche Interpretation des Verbs RTQNCODCPGKP als „vorwegnehmen“ berechtigt, weil die reichen Korinther ihre Speisen in der cena vor den ärmeren Christen einnahmen. Nach der Rekonstruktion von Lampe versammelten sich die reicheren Korinther am früheren Nachmittag und saßen alle im triclinium des Gastgebers; erst später kamen die ärmeren, die kein Essen mitbrachten, weil sie kein Geld oder keine Zeit zur Vorbereitung hatten, und keinen Platz mehr im triclinium fanden und sich mit dem Atrium oder dem Peristyl begnügen mussten. Die Hypothese einer Abfolge zweier verschiedener Mahlzeiten ist allerdings schwer zu akzeptieren, wenn man bedenkt, dass das Wort für das Herrenmahl FGKRPQP ist, was nicht mit dem Nachtisch verwechselt werden kann.105 Wahrscheinlicher ist die Vermutung, dass ein einziges Sätti103 Die andere praktische Anweisung „zu Hause zu essen“, wird von Hofius, Herrenmahl und Herrenmahlsparadosis, 222, mit Recht als ein Satz ausgelegt, der das Abendmahl von dem Privatessen unterscheiden soll. 104 P. Lampe, Das korinthische Mahl, 187, mit einem Schema des Ablaufs. 105 M. Klinghardt, Gemeinschaftsmahl, 284–286, bringt einige Einwände gegen Lampes These vor: 1) Bei dem Mahl sind die verschiedenen Teile nicht scharf voneinander zu trennen, und eine Pause ist nicht zwischen Mahl und Abschlusslibation vorstellbar (wo nach Lampe das Wort gesprochen wird), sondern nach der Abschlusslibation und vor den mensae secundae. 2) Die secundae mensae haben keinen Sättigungscharakter und können nicht als FGKRPQP bezeichnet werden. 3) Die Gäste, die zu den secundae mensae hinzukommen, können nicht mit den ärmeren Korinthern verglichen werden, weil die späten Gäste keine Speise erwarteten und nicht zu einem bestimmten Zeitpunkt ankamen, wie im Moment des Brotwortes. 4) Die secundae mensae waren im Alltag kein zweites Mahl, sondern ein Essen von „Snacks“ zum Wein.

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gungsmahl stattfand, das nach Theißens Modell von den Reichen vor dem Brotwort begonnen wurde, bevor die Ärmeren hinzukamen, und dass die soziale Ungleichheit sich durch das ganze Herrenmahl zog, vielleicht auch durch das Servieren ungleicher Portionen. Ein ungeregelter Ablauf des Abendmahls sowie der Versammlung, der sich aus den Worten von Paulus in 1Kor 14,40 entnehmen lässt, koinzidiert mit einer Situation sozialer Diskriminierung, ja sie wirkt gar als ihre komplementäre Bedingung. Die in dem Verb GXMFGEGUSCK enthaltene Aufforderung schließt dann mit der Bereitschaft zur Rücksichtsnahme, zum Aufeinanderwarten und damit auch mit der Bereitschaft zur Annahme. Es ist auch möglich, dass Paulus durch die Einsetzungsworte, die den Ablauf Brotwort – Sättigungsmahl – Kelchwort enthalten, die mangelnde Ordnung beim Abendmahl korrigieren will. 3.6 Die Abendmahltradition Die Abendmahltradition ist die Quelle, aus der Paulus die Argumente schöpft, mit denen er die Missstände und Spaltungen bei der Herrenmahlfeier beseitigen will. Rhetorisch wird dies bereits durch die Bemerkungen in 11,2 deutlich, wonach die Korinther die Traditionen schätzen und bewahren. Da das Herrenmahl der Ort ist, an dem Spaltungen zu Tage treten, beabsichtigt Paulus einerseits – anders als 1Kor 10, 14–22 –, eine korrekte Erklärung des Abendmahlsrituals und anderseits das Aufzeigen der praktischen Konsequenzen, die mit der Feier verbunden sind und die dazu dienen, das Herrenmahl als eine symbolische und bedeutungstragende Handlung und nicht als einen abstrakten oder für sich selbst stehenden Ritus zu kennzeichnen. Beide Aspekte sollen berücksichtigt werden, die wörtliche Wiedergabe der überkommenen Tradition und deren ethische Deutung. 3.6.1 Das letzte Mahl Jesu Dass Paulus eine vorliegende kohärente Tradition des Herrenmahls aufnimmt, ist kaum in Frage gestellt, es ist unter anderem durch die pragmatische Intention bestätigt, seine Adressaten zu einer allgemein anerkannten Deutung des Herrenmahls zu führen. Was in der Forschung diskutiert wird, ist die Historizität des in der Formel enthaltenen letzten Mahls Jesu mit seinen Jüngern, die Interpretation dieses Mahl als Passahmahl und seiner ursprünglichen Bedeutung bei Jesus angesichts seiner Entwicklung in der früheren Kirche. Dazu gehören selbstverständlich die Auslegung der Herrenmahlsworte und der anthropologischen Termini, die in ihnen enthalten sind.

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Eine klare Ablehnung der Historizität ist in der Rekonstruktion der echten Jesusworte durch das Jesusseminar zu lesen. Das Abendmahl ist eine nachösterliche Interpretation des Todes Jesu durch die Kirche, wie man anhand einiger typisch christlicher Motive erkennt, die sich mit dem historischen Jesus nicht erklären lassen.106 Das entspricht auch der These, die B. Kollmann in seiner Arbeit über das Abendmahl vertritt. Ursprung der Abendmahlstradition ist die Mahlpraxis Jesu, gedeutet als eschatologisches Ereignis vor dem hereinbrechenden Gottesreich, nicht aber ein letztes Mahl Jesu.107 B. Chilton argumentiert auch gegen die Historizität des Abendmahls. Im Hintergrund steht die Mahlpraxis Jesu, die anders als bei Kollmann eine Art Reformprogramm Jesu gegen die Reinheitsvorschriften der jüdischen Religion ist. Diese Reformvorstellung mündet in der Besetzung des Tempels.108 Die neue Tischgemeinschaft hatte eine primäre Rolle in der Verkündigung Jesu zur Einsetzung eines neuen Verständnisses der Reinheit und der Behauptung der Vergebung der Sünden. Chilton aber unterstreicht diese Funktion des gemeinsamen Essens während der ganzen Wirkungszeit Jesu und spricht dadurch dem letzen Mahl jede Historizität ab. Für ihn ist es nur eine literarische Kreation, die gut in das Bild des Märtyrers passt.109 Wenn man aber die Historizität der Handlung annimmt, bleibt die Frage offen, welchen Charakter das Mahl bei Jesus hatte, was er damit beabsichtigt. Eine mögliche Erklärung ist die, das Mahl im Zusammenhang mit den jüdischen Mahlritualen zu verstehen. Die These von J. Jeremias und M. 106 R.W. Funk/R.W. Hoover, The Five Gospels, 118. Die Entscheidung gegen die Authentizität war jedoch in der Diskussion des Seminars kontrovers, wie berichtet wird. Einige waren der Meinung, die Einsetzungsworte seien sehr wohl authentisch „but the most fellows were convinced that the supper tradition has been so overlaid with Christianising elements and interpretation that it is impossible to recover anything of an original event, much less of the original words spoken by Jesus“. Siehe auch S. 388; es wird aber nicht ausgeschlossen, dass Jesus häufig während des Mahles eine symbolische Handlung vollzogen hat. 107 B. Kollmann, Ursprung und Gestalt, 251, rekonstruiert fünf Stadien der Tradition: 1) Praxis der Mähler Jesu mit Zöllnern und Jüngern 2) tägliche Mahlgemeinschaft in der nachösterlichen Gemeinde, Apg 2,42.46 3) a. hellenistische supranaturale Bezüge auf die Bedeutung der Elemente, besonders Brot b. Kommunions- und Mysterienvorstellung, MQKPYPKC-Gedanke 4) a. Einsetzungsworte durch eine fortschreitende Christologisierung b. Sühnetod-Vorstellung WBBRGT RQNNYP/WBBOYP 5) Historisierung GXP VJ^ PWMVK J RCTGFKFGVQ. 108 B. Chilton, The Temple of Jesus, redet von einer Besetzung „occupation“ des Tempels anstatt von einer „demonstrativen Handlung“ oder von einer „Reinigung“ (100). Jesus greift zwei Dinge heraus, die in der Tempelpraxis wichtig waren: die Opfertiere und das Geld. Für Jesus sind nicht die Tiere das Mittel für das wahre Opfer, ebenso, wie Geld allein kein Kriterium für Gottes Hinwendung ist (128) – dies zeigt Jesus’ Bemerkung über die Spende der armen Witwe im Tempel. 109 B. Chilton, The Temple of Jesus, 150: „The focus on the single meal immediately prior to Jesus death is a function of the ritual dramatisation that characterises the Gospels and their theology of solidarity with the archetypal martyr”. Die Vorstellung von der Reinheit, auf der die Mahle mit den Sündern beruhen, steht in offenem Kontrast zu den Essenern (141–144).

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Barth, nach der es sich um einen Passahseder handelte, ist in der neueren Forschung durch neue Modelle revidiert worden, wie das Mahl in Qumran, das Todah-Opfermahl oder hellenistische Mahlfeiern.110 Die Argumente, die Jeremias anführt, betreffen a) die chronologischen und narrativen Angaben der Synoptiker, die klar von einem Passahmahl reden, b) die Lokalisierung der Ereignisse in Jerusalem, wo man nach dem Gesetz zu Passah übernachten soll (Ex 12,8); c) die Angabe der Zeit, in der das Mahl eingenommen wird – in der Nacht – die sogar von Paulus (1Kor 11,23) und Johannes (Joh 13,30) bestätigt wird und typisch für das Passahmahl ist; d) Ähnlichkeiten im liturgischen Ablauf und Deutung der Elemente.111 Jeremias versucht auch die zahlreichen Einwände gegen diese These zu überwinden. Seine Argumente sind allerdings nicht überzeugend, besonders gelingt es ihm m.E. nicht, den Haupteinwand gegen die Datierung des letzten Mahles am 14. Nisan zu widerlegen, nämlich die zahlreichen Aktivitäten die die jüdische Bevölkerung bei der Kreuzigung am nächsten Tag unternimmt (Waffentragen, Gerichtssitzung des Synedriums, Feldarbeit von Simon aus Kyrene u.s.w.). G. Theißen datiert anders als Jeremias die Kreuzigung112 auf den 14. Nisan, vor dem Osterfest, und übernimmt die Chronologie des Johannes. Der Fall „Jesus“ wurde vor dem Osterfest eilig erledigt, sodass er sein Vorhaben, gemeinsam mit den Jüngern das Passahmahl einzunehmen, nicht verwirklichen konnte. Was die ursprüngliche Absicht von Jesus’ Handlung betrifft, so wird sie als ein symbolischer Akt erklärt, den Jesus zur Deutung seines Todes oder, was wahrscheinlicher scheint, gegen die Tempelinstitution und die Opferpraxis vollbringt.113

110 Ein Überblick der verschiedenen Thesen ist bei J. Klawans, Interpreting the Last Supper, 1–3, zu finden, besonders was die englischsprachige Fachliteratur betrifft. X. Léon Dufour, Le partage du pain eucharistique, 53–54, schließt aus, dass es sich um ein Passahmahl handelte, er kann das Mahl nach dem Modell für die Erneuerung des Bundes erklären, wie sie bei Pseudo Philo (Liber antiquitum biblicarum 21,8; 23,14; 26,7; 49;8) oder in Qumran bekannt war. „La cène serait fondamentalement un repas où est célébrée l’alliance définitive de Dieu avec son nouveau peuple” S. 53. Nach X. Léon Dufour kommt eine zweite Eigenschaft des Abendmahls hinzu, nämlich die eines Todahopfermahles (nach Lev 7,12–15 hd'ATh; xb;z[…] VQWVQ VQ RQVJTKQP JB MCKPJ FKCSJMJ GXUVKP GXP VY^ GXOY^ CK=OCVK, während bei Markus und Matthäus eine klare Parallelität erkennbar ist: Mt 26,27.28 VQWVQ GXUVKP VQ UYOC OQW […] VQWVQ ICT GXUVKP VQ CKOC OQW VJL FKCSJMJL VQ RGTK RQNNYP GXMEWPPQOGPQP GKXL CHGUKP CBOCTVKYP//Mk 14,22.24 VQWVQ GXUVKP VQ UYOC OQW […] VQWVQ GXUVKP VQ CKOC OQW VJL FKCSJMJL VQ GXMEWPPQOGPQP WBRGT RQNNYP. Bei einem Vergleich zwischen Markus und Matthäus spricht die Formulierung des Markus dafür, dass es sich hier um die ursprüngliche Fassung handelt, wenn man die zusätzlichen Worte des Matthäus im Kelchwort (GKXL CHGUKP CBOCTVKYP) als Erläuterung des markinischen Textes beals Sühne, wobei Gott derjenige bleibt, der diesem Akt des Sich-Hingebens eine heilsame Kraft verleiht. 114 G.Theißen/A.Merz, Der historische Jesus, 382. Dies bietet einen Grund mehr, um die These eines Passahmahls zu widerlegen. Jesus konnte nach der Tempelaktion nicht zum Tempel gehen und dort ein Lamm für das Passah holen. Die Thesen sind aber umstritten. Klawans, Interpreting the Last Supper, teilt nicht mit der zitierten These die Anti-Tempel-Bedeutung des letzen Mahles. Anhand einiger Texte wie Apg 2 und Did 9, behauptet er, dass der Tempel für die ersten Christen keine Schwierigkeit darstellte und dass auch bei Paulus die Opfersprache überwiegt. Nach J. Becker, Das Herrenmahl, 6–7, ist der Bundesgedanke nicht ein jesuanischer Gedanke, sondern eine spätere Interpretation. „Denn die Verkündigung Jesu ist nirgends von Bundestheologie bestimmt“ (7). Der gleiche Gedanke findet sich bei B. Kollmann, Ursprung und Gestalt, 240. Becker sieht das letze Mahl Jesu als ein Abschiedsmahl, das Jesus absichtlich vor dem Passahfest feiern wollte, weil er seinen Tod vorausahnte. Der ursprüngliche Teil ist seiner Meinung nach das Verzichtwort Jesu, weil er nicht auf andere Traditionen zurückgeführt werden kann und sich auf die Kelchhandlung bezieht. „Grundsätzlich besteht also die Möglichkeit, dass bei Jesu Abschiedsmahl allein die ungewöhnliche Kelchhandlung und ihre ausschließliche Deutung das Besondere des Mahles waren“ (10).

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trachtet. Ebenso kann man in der lukanischen Formulierung den Versuch sehen, die paulinische und die markinische Tradition miteinander zu kombinieren. Auf die Frage nach der Priorität der markinischen oder der paulinischen Tradition gibt es unterschiedliche Antworten, doch die meisten Exegeten neigen dazu, die paulinischen Fassung als die ältere zu betrachten. Ein Argument, das für die markinische Priorität spricht, ist die Anzahl der Semitismen115 im Text, während hingegen der paulinische Text nicht ins Aramäische zurückübersetzt werden kann. Überzeugender ist m.E. die Argumentation für eine Priorität des paulinischen Berichts, nach der die Parallelformulierung von UYOC und CKOC auf eine spätere Phase der Tradition hindeutet116 und die Asymmetrie ein Beweis eines älteren Stadiums ist. 3.6.3 UYOC und UCTZ in den Abendmahlworten Die Frage nach dem ursprünglichen Text hat oft zu einer weiteren, damit zusammenhängenden Frage geführt, nämlich die nach dem Originalwort für das im Bericht vorkommende UYOC, das im Hebräischen und Aramäischen keine genaue Entsprechung hat. J. Jeremias sieht das Äquivalent zu UYOC in dem Wort rf'B' (aram. ar'F.Bi), da er in Joh 6,51 eine Fassung der Abendmahlsworte mit UCTZ findet, die parallel zu 1Kor 11,24 steht:117 MCK 115 Das ist die These von J. Jeremias, Die Abendmahlsworte Jesu, 165–178, der paulinische Bericht hingegen enthält eine Fülle von griechischen Ausdrücke (z.B. VQ WBBRGT WBBOYP) die dem Aramäischen nicht entsprechen. Derselben Meinung ist H. Feld, Das Verständnis des Abendmahls, 36–37. R. Pesch, Das Abendmahl, 35ff, spricht für eine Priorität der markinischen Fassung, und zwar aus folgenden Gründen: 1) Mk Fassung hat eher Berichtscharakter, während Paulus’ Text konstruierter ist. 2) Paulus verwendet zwei Imperative (Mk nur einen) und ist der Abendmahlspraxis näher. 3) Paulus spricht von Jesus als dem Herrn, was einer kultischen Situation entspricht, während Mk eher von der Situation redet. Paulus hat seine Fassung in der hellenistischen Gemeinde auf Griechisch als eine Kultätiologie übernommen. „Dass die kultätiologische Erzählung nicht erst von den „Hellenisten“ hergestellt wurde, sondern für sie aus der ursprünglich semitischen Fassung der „Hebräer“ übersetzt (und vielleicht gräzisiert) wurde, ist in dem Maße plausibel, als angenommen werden darf, dass schon für die Abendmahlsfeier der „Hebräer“ sehr bald ein vom Erzählenden der Passionstradition unabhängiger, kurzer kultätiologischer Text benötigt wurde“ (55). 116 Das beste Beispiel ist Just. Apol. I,66,3: VQWVQ GXUVK VQ UYOC OQW […] VQWVQ GXUVK VQ CKOC OQW, das eine genaue Parallelisierung der beiden Worte aufweist. Die Priorität des Paulusberichtes wird von G. Bornkamm, Herrenmahl, 286, vertreten. Er argumentiert mit der Präsenz des Satzes OGVC VQ FGKRPJUCK, bei Paulus, der zeigt, dass Brot- und Kelchwort durch ein Mahl getrennt waren und er eine Parallelisierung der Begriffe vermied; H. Conzelmann, Der erste Brief an die Korinther, 235ff; G. Theißen/A. Merz, Der Historische Jesus, 372; X. Léon Dufour, Le partage du pain, 119ff, spricht von einer Kontemporaneität der beiden Traditionen, da Paulus in 1Kor 10,16 eine weitere Tradition benutzt, bei der die Elemente parallel zueinander stehen. „Etant juxtaposée dans la même epître à la tradition antochienne, utilisée elle-même peu àpres, cette formulation symmétrique révèle nécessairement d’une tradition concomitant, et donc contemporaine.“ 117 J. Jeremias, Die Abendmahlsworte Jesu, 192.

Analyse von 1Kor 11,17–34

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QB CTVQL FG Q?P GXIY FYUY JB UCTZ OQW GXUVKP WBRGT VJL VQW MQUOQW \YJL. Nach Jeremias haben sich aus dem hebräischen oder aramäischen Original zwei Traditionen herausgebildet, eine mit der wörtlichen Übersetzung UCTZ und eine mit der sinngemäßen griechischen Übersetzung UYOC. Da er den Parallelismus von Brot- und Kelchwort als die ursprüngliche Fassung betrachtet, kann er als mögliches Wortpaar ~D'/rf'B'118 heranziehen, das dem Paar UCTZ und CKOC im Griechischen entspricht. Ein Paar UYOC/CKOC ist anthropologisch nicht fassbar, es kommt nur vereinzelt bei Philo in einem Opferzusammenhang vor:119 UYOC bezeichnet die Leiche des geopferten Tieres und CKOC dessen vergossenes Blut. Wenn aber traditionsgeschichtlich die Asymmetrie der Einsetzungsworte als ursprüngliche Form betrachtet wird, tendiert man eher zum ursprünglichen hp"WG* (aram. ap"WG), „das nicht einen Teil des menschlichen Körpers bezeichnet, sondern die ganze Person“.120 Während man die Frage nach dem ursprünglichen Wortlaut der Herrenmahlsformel nicht abschließend beantworten kann, lässt sich der Gebrauch des Terminus UCTZ leicht erklären. Es kommt in einem späteren Stadium der Abendmahlstradition vor, nämlich im Johannesevangelium, bei Ignatius von Antiochien und Justinus. Auffällig ist der Passus in Justins Apologie. Neben der traditionellen Formel, bei der UYOC und CKOC parallel stehen, wird ein Kommentar angeführt, nach dem die Elemente der Eucharistie keine reguläre Speisen sind, sondern in Analogie mit der Inkarnation Christi zu UCTZ und CKOC Jesu Christi erklärt werden.121 Man kann vermuten, dass dieses Vorherrschen des Wortes UCTZ beim Abendmahl durch die Parallelsetzung der Elemente (UCTZ tritt als eine Art Korrektur an die Stelle des anthropologisch unverständlichen Paares UYOC–CKOC) sowie durch die immer dringender werdende Frage der Inkarnation Jesu Christi verursacht ist. Das gleiche Phänomen ist bei Ignatius zu beobachten.122 Dies wird die Basis

118 Dieses Paar hat nur in Sir 14,18 eine anthropologische Bedeutung, die der neutestamentlichen zu Grunde liegt, ist aber nicht in den kanonischen Schriften belegt. Es ist nur in einem Opferzusammenhang zu finden, nämlich als die zwei Bestandteile des geopferten Tieres. Jeremias, Die Abendmahlsworte Jesu, 213, schließt daraus auf eine Opferdeutung der Worten Jesu. 119 Vgl. Philo Spec. I,231–232; VQ CNNQ UYOC bezeichnet dort die Leiche eines Tieres ohne innere Organe, die im Freien verbrannt werden muss. UYOCVC bedeutet in Gen 15,11 Leichen der geopferten Tiere. 120 F. Hahn, Zum Stand der Erforschung, 559. 121 Just. Apol. I,66,2: QWX ICT YBBL MQKPQP CTVQP QWXFG MQKPQP RQOC VCWVC NCODCPQOGP> CXNN8 Q=P VTQRQP FKC .QIQW 3GQW UCTMQRQKJSGKL X,JUQWL &TKUVQL QBB 5YVJT JBBOYP MCK UCTMC MCK CKOC WBBRGT UYVJTKCL JBBOYP GUEGP QW=VYL MCK FK8 GWXEJL NQIQW VQW RCT` CWXVQW GWXECTKUVJSGKUCP VTQHJP GXZ JL CKOC MCK UCTMGL MCVC OGVCDQNJP VTGHQPVCK JBBOYP GXMGKPQW VQW UCRMQRQKJSGPVQL ,JUQW MCK UCTMC MCK CKOC GXFKFCESJOGP GKPCK. 122 UCTZ bezeichnet oft das Brot des Abendmahls bei Ignatius Ign Trall 8,1; Ign Röm 7,3; Ign Phld 4,1; Ign Smyr 7,1.

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einer Anthropologie bilden, bei der UYOC keine Rolle mehr zu spielen hat123 oder als Gegenbegriff für [WEJ dient. Die von Paulus übernommene Tradition kennzeichnet UYOC aus einer Sühneperspektive als VQ UYOC (VQ) WBBRGT WBBOYP. Die von Jesus vollbrachte symbolische Handlung anlässlich seines letzen Mahles mit den Jüngern wurde bereits in der früheren Tradition als Vorwegnahme seines Sühnetods gedeutet (was wahrscheinlich von Jesus selbst nicht beabsichtigt war).124 Wie bereits im letzen Abschnitt betont wurde, bezieht sich das Wort UYOC auf die Person des Gekreuzigten und hat die Bedeutung eines Sühneopfers,125 auf das der neue Bund gegründet ist. Für Paulus aber ist der Tod selbst nicht heilbringend, er allein birgt keine Sühne in sich, sondern es ist die Auferstehung, die den Tod als heilwirkend kennzeichnet.126 Das bedeutet für unseren Text, dass das UYOC des Gekreuzigten die Basis und die Prämisse für die davon abhängige Erneuerung des Menschen bildet und dass das Erkennen von 11,29 sich nicht auf die Person des Gekreuzigten, sondern auf die damit zusammenhängenden Konsequenzen für das Leben der Gemeinschaft bezieht. Im Herrenmahl ist Christus derjenige, der sich hingibt, gleichzeitig aber auch der Lebendige, der in einer eschatologischen Perspektive wiederkommt.

123 Das ist der Fall beim Johannesevangelium, wo UYOC außer Joh 2,21 PCQL VQW UYOCVQL, ein Zitat aus der Tradition, nur die Leichname der Gekreuzigten bezeichnet. Die Menschlichkeit wird nur durch UCTZ beschrieben. 124 O. Hofius, VQ UYOC, 200–201, versucht die Meinung zu widerlegen, nach der VQ UYOC VQ WBBRGT WBBOYP ein Begriff der griechischsprachigen Gemeinde ist und keine entsprechende Formulierung im Hebräischen oder Aramäischen hat. Seiner Meinung nach ist der Satz von Jesus selbst gesprochen worden, mit Bezug auf seinen heilbringenden Tod nach Jes 53. 125 O. Hofius, Herrenmahl, 225: „Wie Röm 7,4, so meint UYOC auch hier (und dann ebenfalls in V. 27 und V. 29) den am Kreuz in den Tod gegebenen Leib Jesu Christi, und das präpositionale Attribut VQ WBBRGT WBBOYP kennzeichnet Jesu Dahingabe in dem Tod als Sühne- und Versöhnungsgeschehen […] unter dem ‚Leib‘ (UYOC) Jesu ist sein am Kreuz in den Tod gegebener Leib zu verstehen.“ Das betont auch die Präposition WBBRGT. 126 Ich beziehe damit Stellung in der Diskussion um den Sühnetod Jesu, die hier nur summarisch angeführt werden kann. Der Definition von O. Hofius, Sühne und Versöhnung, 44, nach der Paulus die alttestamentliche Theologie widerspiegelt, wonach der stellvertretende Tod den Sünder zu einer neuen Kreatur macht (siehe auch ders. „Für euch gegeben“, 290), kann teilweise zugestimmt werden. G. Theißen, Die Religion der ersten Christen, 206ff, betont die notwendige Einbeziehung der Auferstehung Jesu in der Sühne – eine Vorstellung, die das erlösende Novum darstellt. Der Tod des Märtyrers kann an sich keine Vergebung bewirken, selbst im alttestamentlichen Opfer ist es nicht der Tod des Tieres, sondern die Vergießung des Blutes, das die Sühne bewirkt, indem es als lebensspendende Kraft auf die kultische Gemeinschaft übertragen wird.

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3.7 /J FKCMTKPYP VQ UYOC: Die Paränese Die Abendmahlstradition wird von Paulus als Argument angeführt, das sich von selbst erklärt und keiner weiteren Präzisierung oder Ausführung bedarf. Der Tradition selbst kommt eine bestimmte Bedeutung zu, die sich in drei Punkten konzentriert, mit denen der Apostel übereinstimmt: a) eine Parallelisierung von UYOC VQ WBBRGT WBBOYP und neuem Bund, d.h. dem Tod Jesu als stiftendes Element des neues Bundes; b) die Verkündigung und c) die Anamnese dieses Todes und implizit des gestifteten Bundes. Verkürzt wird dieses Kriterium in der Abendmahlsformel durch die Parallelisierung von UYOC und FKCSJMJ wiedergegeben, durch die die Feier des Herrenmahls in der Praxis bestimmt wird. Die darauf folgenden Verse schildern eher die Konsequenzen eines unpassenden Verhaltens bei der Feier des Herrenmahls, als dass sie eine Brücke zwischen Tradition und konkreter Situation zu schlagen wagen. Die Distanz zwischen der konventionellen liturgischen Sprache von 23–26 und den Warnungen in 26–30, die die Interpreten herausstellen, hat dazu geführt, dass die Paränese des Paulus nicht genau gefasst und geschildert werden konnte. G. Theißen versteht die paulinische Paränese in Rahmen des bereits angesprochenen „Liebespatriarchalismus“, der die sozialen Ursachen unberührt lässt und sie lediglich mithilfe eines starken Sakramentalismus auf eine symbolischen Ebene transponiert, wodurch die Subalternität des Gekreuzigten in die Überlegenheit des Weltrichters umgewandelt wird. Das Unterscheiden des UYOC wird von ihm auf das Essen bezogen.127 Auch die Anweisungen an die Reichen, sich zu Hause zu sättigen, und die Empfehlung, aufeinander zu warten, lassen sich laut Theißen in dieses paternalistische Schema einfügen. Das Problem dieser Auslegung liegt in der Tatsache, dass der Sakramentalismus lediglich auf der Wirkung der Elemente ex opere operato beruht und nicht von der innerlichen Disposition oder der Würdigkeit der Kommunikanten abhängig gemacht wird, wie dies bei Paulus eher der Fall ist.

127 G. Theißen, Soziale Integration und sakramentales Handeln, 312–317. Die Bedeutung des symbolischen Handelns wird von Theißen unter dem Stichwort „Liebespatriarchalismus“ verstanden und daher in gewisser Weise als eine scheinbare Lösung vorgestellt, die die echten Verhältnisse nicht tangiert. Die symbolische Kraft des Abendmahls kann aber auch als ein offener Protest gegen ungerechte soziale Verhältnisse ausgelegt werden, wozu sich jeder Teilnehmer bekennt, und muss daher nicht unbedingt als eine konservatorische Transzendierung aller sozialen Konflikte verstanden werden. Aus dieser symbolischen Perspektive würde Theißens Auslegung des Ausdrucks OJ FKCMTKPYP VQ UYOC als die Unterscheidung des Brotes des Herrenmahls von der normalen Speise (Theißen, 301 und 306) einen innerer Widerspruch in der Argumentation des Paulus aufzeigen. In Paulus’ Argumentation würde dann die Teilnahme am Abendmahl einmal eine symbolische und einmal eine sakramental-realistische Wirkung haben. Die Auslegung des UYOC als versammelte Gemeinschaft kann eine Lösung dieser Inkongruenz darbieten.

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Um den Sinn der Paränese zu erhellen, setzt P. Lampe den Akzent auf die Kreuzestheologie, die implizit in der Abendmahlstradition enthalten ist. Die „Quintessenz“ des Abendmahls ist128 die Vergegenwärtigung des Erhöhten Christus, der bis zum Ende als der Gekreuzigte gilt, wie das Perfekt in 1Kor 2,2 zeigt. Die Verkündigung des Todes Jesu begründet dadurch die ethischen Mahnungen des Paulus, wonach diese die Hingabe Jesu an die Armen, seine Selbstentäußerung und das Mitsterben der Christen mit Christus bedeutet.129 Aus diesem Blickwinkel legt Lampe auch den Satz OJ FKCMTKPYP VQ UYOC (11,29) aus; UYOC ist der Kreuzesleib Christi, den man erkennen muss als: a) den Leib, der für die Armen hingegeben wurde; b) der Leib der Selbstentäußerung Jesu; c) der Leib, mit dem er durch das Mitsterben in die Gemeinschaft tritt. Die Bedeutung der theologia crucis für diese Stelle muss m.E. nicht dazu führen, eine Identität des UYOC in 11,29 mit der Person des Gekreuzigten zu unterstützen. Die Feier des Abendmahls wird im Wesentlichen als die Verkündigung des Todes Jesu bis zu seiner Wiederkunft definiert. Im Mittelpunkt steht die symbolische Handlung, die die Bedeutung des Kreuzes aktualisiert. Das entspricht der Verkündigung130 vom gekreuzigten Christus in 1Kor 1,23. Ein wichtiger Zusammenhang kann zwischen 1Kor 11,17–22 und 1Kor 1,18–31 festgestellt werden. In 1Kor 1,27–28 enthält die Verkündigung des gekreuzigten Christus eine paradigmatische Logik (Weisheit/Torheit), die durch folgende gegensätzliche Sachverhalte eine Inversion der Werte verursacht: CXNNC VC OYTC VQW MQUOQW

GXZGNGZCVQ QB SGQL

K=PC MCVCKUEWPJ^ VQWL UQHQWL

MCK VC CXUSGPJ VQW MQUOQW

GXZGNGZCVQ QB SGQL

K=PC MCVCKUEWPJ^ VC KXUEWTC

MCK VC CXIGPJ VQW MQUOQW MCK VC GXZQWSGPJOGPC VC OJ QPVC

GXZGNGZCVQ QB SGQL

K=PC VC QPVC MCVCTIJUJ^

Im Zentrum dieser Inversion steht die Erwählung Gottes. In 1Kor 11 sollte das Abendmahl die gleiche Verkündigung und die gleiche paradigmatische Inversion enthalten. Dem gegenüber impliziert das Verhalten der reicheren Korinther ein Beibehalten der sozialen Verhältnisse, ein MCVCKUEWPGKP VQWL OJ GEQPVCL (11,22), wodurch der Sinn des Abendmahls verdorben wird. Der 128 P. Lampe, Das korinthische Mahl, 209: „Die Vergegenwärtigung des Todes Christi, für Paulus die Quintessenz des eucharistischen Ritus (11,26), führt zu einem Verhalten, das den Hungernden an der Seite nicht vernachlässigt (11,22)“. 129 P. Lampe, Das korinthische Mahl, 209–210. 130 Das Verb MCVCIIGNNGKP von 11,25 wird in 2,1 als Synomym von MJTWUUGKP benutzt, das in 1,25 gebraucht wird.

Analyse von 1Kor 11,17–34

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daneben stehende Ausdruck MCVCHTQPGKP VJL GXMMNJUKCL VQW SGQW bedeutet eine Verachtung der Kirche, aber auch ein fehlendes Verständnis für den Sinn der Gemeinschaft. Paulus formuliert also in positiver Weise die Reflexion über die Gemeinschaft als Unterscheidung des UYOC, die unerlässlich für die Teilnahme am Abendmahl ist. In 1Kor 10,16–17 wird das UYOC von der Person des Gekreuzigten auf die Gemeinschaft angewendet. In 1Kor 11,17–34 findet sich das gleiche Schema: Vom UYOC der Einsetzungsworte des Abendmahls kommt man zum UYOC der Gemeinschaft. Im Folgenden werden die Argumente für diese These angeführt. 1) Was in der christologischen Auslegung von UYOC unberücksichtigt bleibt, ist die Verwendung einiger Termini juristischer Herkunft, wie MTKOC und seiner Derivate (FKCMTKPGKP, MCVCMTKPGKP, MTKPGKP) sowie GPQEQL, daneben auch CXPCZKYL.131 Diese Begriffe können schwer aus kreuzestheologischen Prämissen erklärt werden. Der Versuch einer Verbindung dieser juristischen Worte mit einer magischen Wirkung des Sakraments132 ist formal und inhaltlich nicht berechtigt, wenn man bedenkt, dass Paulus gerade in diesem Brief den Sakramentalismus der Starken einerseits und die exzessive Sorge um das Essen der Schwachen andererseits bekämpft. Beide Fronten, gegen die Paulus durch die Betonung einer rücksichtsvollen Freiheit argumentiert, müssten sich dann in dem vermuteten Sakramentalismus dieser Verse widerspiegeln, was mir widersprüchlich erscheint. 131 Paulus benutzt das Adjektiv CXPCZKQL in einem richterlichen Zusammenhang mit der Bedeutung „urteilsfähig“ und nicht „unwürdig“ in 1Kor 6,2: J QWXM QKFCVG Q=VK QKB C=IKQK VQP MQUOQP MTKPQWUKP; MCK GKX GXP WBOKP MTKPGVCK QB MQUOQL CXPCZKQK GXUVG MTKVJTKYP GXNCEKUVYP; in Röm 1,32 ist CZKQL Synonym von GPQEQL: CZKQK SCPCVQW. In 1Kor 16,4 findet man den Ausdruck CZKQP GKPCK, der etwa “sich lohnen“ bedeutet. Es fehlt bei Paulus die Bedeutung „würdig“ wegen besonders moralischen Benehmens (2Makk 7,29) oder wegen des höheren Alters (2Makk 6,23.24) oder des Status (2Makk 4,25). Hier kann CXPCZKYL entweder „urteilsunfähig“ oder „nicht ordnungsgemäß“ heißen. F.Lang, Die Briefe an die Korinther, 154, versteht das Adverb als „ein unangemessenes Verhalten, das gegen den stiftungsgemäßen Charakter des Mahles verstößt.“ H.J. Klauck, Herrenmahl, 324, versucht das Wort CXPCZKYL mit „unwürdig“ zu deuten, „das in die Sphäre kultischer Reinheitsvorschriften verweist“. Meiner Meinung nach ist hier aber nicht die Rede von einer rituellen Reinheit, sondern von einem objektiven Verstoß gegen eine Vorschrift in einer säkularen, juristischen Sprache. Gott gilt als der Weltrichter, der auch die reicheren Korinther wegen ihres destruktiven Verhaltens in der Gemeinschaft verurteilt. 132 J. Weiß, Der erste Brief an die Korinther, 283; H. Lietzmann, 59, die Elemente des Abendmahls als HCTOCMQP CXSCPCUKCL werden durch das unwürdige Verhalten zum HCTOCMQP SCPCVQW. Die erste Bezeichnung, die aus Ignatius von Antiochien stammt, IgnEph 20,2, ist für H. Lietzmann, Messe und Herrenmahl, 256–257, ein Beweis für die Durchsetzung der paulinischen Vorstellung des Abendmahls im Vergleich zu der Jerusalemer Form. Auch G. Theißen, Soziale Integration, 312, neigt dazu, dem Element eine gewisse Wirkung zuzuschreiben: „Das Sakrament erscheint hier als eine tabuierte Zone, in der Normverletzung unabsehbares Unheil nach sich zieht“ (Theißen, Soziale Integration, 315). Paulus findet in dem Sakramentalismus die Quelle einer größeren sozialen Integration.

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Die juristischen Termini können aber erklärt werden, wenn man sie im Zusammenhang mit dem alttestamentlichen Exkurs von 1Kor 10,1–13 liest. Dort werden einige Beispiele von Gesetzesübertretungen dargestellt. Insbesondere handelt es sich um die Untreue dem alten Bund gegenüber und die schwere Bestrafung der Schuldigen, die sich nicht auf die Sicherheit der pneumatischen Speise und des Trankes verlassen konnten. Der Untreue der Menschen entspricht die Bundestreue Gottes, die aus der Prüfung einen Ausweg bereithält, wie etwa in 1Kor 10,13. Das beste Beispiel ist Dtn 7,9, wo die Treue Gottes als Bewahrung des Bundes und seiner Barmherzigkeit gilt.133 Die alttestamentliche Tradition bestimmt sprachlich und inhaltlich die folgende Perikope von 1Kor 10,14–22, besonders die rhetorischen Fragen von V. 22, und bereitet die Erwähnung des neuen Bundes in der Abendmahlsformel 1Kor 11,25 vor. Das Thema des Bundes ist fest in der Tradition verankert; beide Haupttraditionen, die markinische und die paulinische, haben in dem Kelchwort einen klaren Bezug auf die Vorstellung des Bundes: Die markinische bezieht sich auf LXX Ex 24,8, wo von VQ CKOC VJL FKCSJMJL die Rede ist, während die von Paulus übernommene Tradition durch die Erwähnung einer MCKPJ FKCSJMJ von LXX Jer 38,31 abhängig ist. Der Tod Christi hat einen Sühnecharakter, durch den der neue Bund gestiftet wird. Anders als in den weiteren Beispielen der paulinischen Briefsammlung ist hier das Motiv des neuen Bundes nicht antithetisch angeführt, sondern analogisch.134 Die Christen, die an dem Abendmahl teilnehmen, konstituieren sich als Gemeinschaft des neuen Bundes, die G?P UYOC wird, bei der also alle menschlich bedingten Spaltungen und Unterschiede aus der eschatologischen Perspektive als überwunden erklärt werden. Der zentrale Gedanke des Einsetzungswortes ist die Benennung des neuen Bundes, der durch den Tod Jesu geschlossen wird. H.J. Klauck schreibt: „Diese beiden Momente, ‚für euch‘ und ‚Bund‘, legt Paulus auf die Situation hin aus. Das unsoziale Verhalten beweist, dass man die Intention der Heilstat Christi nicht erkennt oder gar pervertiert.“135 Das Verhalten der Reicheren ist analog zu den Beispielen aus 1Kor 10,1–13 als ein Bruch des Bundes zu interpretieren, dem eine gerechte Bestrafung zuteil wird. So werden die Krank133 Dtn 7,9: MCK IPYUJ^ Q=VK MWTKQL QB SGQL UQW QWVQL SGQL SGQL RKUVQL QB HWNCUUYP FKCSJMJP MCK GNGQL VQKL CXICRYUKP CWXVQP MCK VQKL HWNCUUQWUKP VCL GXPVQNCL CWXVQW GKXL EKNKCL IGPGCL  134 H. Merklein, Der (neue) Bund, 357–360, betont mit Recht die Diskontinuität zwischen dem Alten und dem Neuen Bund. Die Notwendigkeit einen neuen Bund zu schließen, entsteht nicht für Paulus wegen eines Bundesbruches durch das Volk Israel, sondern vielmehr dadurch, dass die universelle Sündhaftigkeit der Menschheit den alten unbrauchbar machte. Zusätzlich kann man beobachten, dass der neue Bund sich in 2Kor 3,6.14; Gal 3,15–18, im Zusammenhang mit der legalistischen Auseinandersetzung, polemisch vom Moses-Bund abgrenzt; während in Röm 9–11 (9,4 und 11,27) die Gültigkeit des alten Bundes betont wird, weil Paulus sich gegen den Vorwurf der Israelfeindlichkeit verteidigt. 135 H.J. Klauck, Eucharistie und Kirchengemeinschaft, 338.

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heiten und Todesfälle in der Gemeinde erklärt, und auf der juristischen Schließung des Bundes beruhen die juristischen Termini im Text. 2) Das zweite Element, das für ein ekklesiologisches Verständnis des Wortes UYOC spricht, ist der Gebrauch des Verbs FKCMTKPGKP sowie das Wortspiel mit dem MTKPGKP. Auch dieses Verb hat wie andere im Text eine breite Bedeutungspalette.136 Eine häufig vertretene These ist, dass das Verb auf eine Unterscheidung zwischen sakramentalem und gemeinem Essen hinweist. Die Korinther haben die Elemente des Abendmahls in gewissem Sinne mit normalen Speisen verwechselt und dadurch den Leib Christi im Brot profaniert. Die christologische Variante betont die Unterscheidung zwischen dem UYOC Christi137 und dem Erkennen der mit dem Kreuzestod Christi verbundenen Konsequenzen. Obwohl dem Kreuzestod in diesem eucharistischen Text eine gewisse Bedeutung zukommt, findet hier die gleiche Bedeutungsverschiebung vom Abendmahl zur Gemeinschaft statt wie in 1Kor 10,17, diesmal aber nicht nur durch den semantischen Gehalt von UYOC, sondern auch durch die Einbeziehung des Begriffes FKCSJMJ, der der Gemeinschaft eine juristische, objektive Kraft verleiht.138 Der Gebrauch von FKCMTKPGKP in 11,29 steht in engem Zusammenhang mit der imperativisch formulierten Selbstprüfung in 11,28 (FQMKOC\GVY FG CPSTYRQL GBCWVQP) und in 11,31, wo dasselbe Verb eindeutig „sich selbst beurteilen, sich prüfen“ bedeutet: GKX FG GBCWVQWL FKGMTKPQOGP QWXM C P GXMTKPQOGSC. Die Bedeutung von FQMKOC\GKP und FKCMTKPGKP ist in einigen Fällen fast synonym, wie ein Vergleich der Q-Stelle über die Unterscheidung der endzeitlichen Zeichen zeigt: Mt 16,2 IKPYUMGVG FKCMTKPGKP und Lk 12,56 QKFCVG FQMKOC\GKP. Beide Verben werden verwendet, um die Erfahrung des Volkes in der Wüste zu beschreiben: Sie wird durch den Begriff FKCMTKPGKP als Urteil Gottes über das Volk Ez 20,35–36 (LXX) bezeichnet und ähnlich wie bei Paulus als eine Versuchung Gottes durch das Volk mithilfe der zwei synonym verwendeten Verben RGKTC\GKP und FQMKOC\GKP in Ps 94,9 geschildert.139 Diese 136 Liddell/Scott, 399. Es kann einfach „urteilen“ (1Kor 6,5) heißen, oder „unterscheiden“ zwischen verschiedenen Optionen, Gut und Böse, (Hebr 5,14). 137 H.J. Klauck, Herrenmahl, 326, schließt eine Profanierung des Sakraments aus, was nicht mit der sakramentalen Auffassung der Korinther vereinbar ist, und neigt einer christologischen Auslegung von „Leib“ zu. F. Lang, Die Briefe an die Korinther, 155, behält die beiden Deutungen von UYOC, Kirche als Leib Christi (ekklesiologisch) und als Leib Jesu (christologisch) bei, ohne sich für eine der beiden zu entscheiden. 138 M. Klinghardt, Gemeinschaftsmahl, 317, wählt die gleiche Lösung, indem er dem Kelchwort die Funktion zuschreibt, die Gemeinschaft zu fundieren. Wie in 1Kor 10,16 der gemeinsam getrunkene Kelch die „Gemeinschaft (aufgrund) des Blutes Christi“ ist, ist auch in 1Kor 11,17–34 der Kelch die Schliessung des neuen Bundes: „Der Zusammenhang zwischen den Tod Jesu und der Einheit der Gemeinde, der für das Brotwort undeutlich bleibt, ist für das Kelchwort eindeutig: Der Tod Jesu ist die Voraussetzung für die Existenz bzw. die Einheit der Gemeinde“. 139 Der Text wird in Hebr 3,7b–10 zitiert mit dem Unterschied, dass hier der Begriff GXP FQMKOCUKC^ (Heb 3,9) anstatt des Verbs GXFQMKOCUCP (Ps 94,9) verwendet wird.

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Das UYOC der Gemeinschaft

Beobachtungen verbinden unseren Text noch stärker mit der Tradition der Gottesversuchung in der Exoduserzählung und mit dem Hauptthema des RGKTC\GKP/RGKTCUOQL von 1Kor 10,1–13 (bes. V. 9 und V. 13). Anstatt Gott zu prüfen und zu versuchen, soll ein Christ sich selbst prüfen, um sich innerhalb des neuen Bundes zu verstehen. Obwohl die Bedeutung der V. 28– 31 stark von dem Gedanken der Selbstprüfung geprägt ist, beschreibt das FKCMTKPGKP von 11,29 eher die Erkenntnis einer objektiven140 als einer subjektiven Realität. Eine wahre Teilnahme am Herrenmahl impliziert die Erkenntnis des UYOC in seiner absoluten Bedeutung141 im Sinne einer konstruktiven Menschheit, die durch den neuen Bund konstituiert wird und die sich in der christlichen Gemeinschaft proleptisch widerspiegelt bzw. widerspiegeln soll.142 Auf dieser objektiven Erkenntnis gründet die Selbstreflexion, nicht verstanden als Streben nach Selbstbeherrschung, sondern als regelrechtes Einfühlen und Eingliedern des Einzelnen in die bestehende konstruktive Gemeinschaft. Das entspricht auch dem Gedanken in 1Kor 4,6, wo das Verb FKCMTKPGKP im Sinne von „sich höher schätzen“ verwendet wird.143 Durch die objektive Erkenntnis der bestehenden Konstruktivität kann man eine besonnene Vorstellung von sich selbst erlangen, die jegliche Selbstüberschätzung ausschließt. Zur Bekräftigung dieser Auslegung lässt sich die Rede in 1Kor 12 und Röm 12 anführen, in der die Vorstellung von der Gemeinde als einem Leib immer mit der Selbstreflexion ihrer Glieder verbunden ist, mit einer wunderbaren Belebung der Glieder in 1Kor 12 und mit einer Rede über die UYHTQUWPJ in Röm 12,3. 3.8 Konstruktive Gemeinschaft versus liminale communitas Das Hauptinteresse des Paulus liegt darin, den reicheren Korinthern, die verantwortlich für die Missstände sind, die Wirklichkeit der Gemeinschaft vor Augen zu führen. Das Konzept der Gemeinschaft wird durch die se140 Gegen M. Walter, Gemeinde als Leib Christi, 124, der der Ansicht ist, der Orientierungspunkt für den Einzelnen seien Leib und Blut Christi als individuelle Größen. Was er aber richtig beobachtet, ist die Verschiebung im Text von der Reflexion des Einzelnen zum kollektiven „Wir“. 2 141 Einige Manuskripte a C3 D F G führen neben UYOC den Genitiv VQW MWTKQW an. A. Lindemann, Der erste Korintherbrief, 259, findet die sekundäre Lesung m.E. zu Unrecht sachlich berechtigt. 142 Man kann sagen, zwischen der konstruktiven Menschheit und der christlichen Gemeinschaft besteht das gleiche Verhältnis wie zwischen einem konstruktiven neuen Menschen und einem Christen. Eine totale Verschmelzung ist nur im Eschaton möglich, in der Gegenwart allerdings ausgeschlossen. Der Mensch und die Gemeinschaft stehen nach wie vor unter den Anfechtungen der Sünde und der Destruktivität. 143 1Kor 4,7 VKL ICT UG FKCMTKPGK;VK FG GEGKL Q? QWXM GNCDGL; GKX FG MCK GNCDGL VK MCWECUCK YBL OJ NCDYP;

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mantische Vielfalt des Wortes UYOC ausgedrückt. Neben dem Begriff MQKPYPKC, der vor allem in Verbindung mit den hellenistischen Stadtvereinen Verwendung fand, für Paulus allerdings auch die eschatologische Perspektive einer endzeitlichen MQKPYPKC mit Christus hat (1Kor 1,9), wird die UYOC-Gemeinschaft auch durch den Begriff der MCKPJ FKCSJMJ ausgedrückt. Letzterer bezieht sich auf die alttestamentliche Tradition eines Bundes als neuer Wirklichkeitsordnung, die sich durch Christus realisiert. Paulus’ Aufforderung zielt darauf ab, diese Gemeinschaft als eine Realität zu erkennen. Die Teilnehmer am Herrenmahl sollen aufeinander warten und einen geregelten Ablauf des Mahles unter Rücksichtnahme auf die anderen anstreben. Das schließt natürlich die zweite Bedeutung nicht aus, nämlich die Bereitschaft, das Mahl miteinander zu teilen. Auch die zweite Anweisung von V. 34, die oft zu allgemein betrachtet wird, geht für mich in die gleiche Richtung, wenn man sie im Lichte von V. 22 liest. Im Mittelpunkt steht der Ausdruck VQ GXUSKGKP MCK VQ RKPGKP, der nicht nur auf das private Mahl bezogen ist, sondern wie in 1Kor 15,32 die Konnotation eines weltorientierten Verhaltens hat, das das neue Sein in sich birgt und auf die Destruktion des Vergänglichen abzielt. Das Haus (QKXMKC/QKMQL) wird mit der allgemeinen Bedeutung eines figurativen Ortes des Trinkens und Essens erwähnt und dient nicht nur dazu, das Private vom Gemeinsamen abzugrenzen: Es soll die Mentalität des MQUOQL (V. 32) von der Gemeinschaft des neues Bundes unterscheiden. Wer die Perspektive der QKXMKC wählt, zieht das Gericht Gottes auf sich. Das ist ein Grund mehr, einen Gegensatz zwischen der Hausordnung der Antike und der paulinischen Theologie zu sehen, anstatt die Ansicht einer Kontinuität des Liebespatriarchalismus bei seinen Schülern zu vertreten. Das Herrenmahl ist nun das Ritual, das die Gültigkeit des neuen Seins und des neuen Bundes symbolisch bezeugt, sie aber nicht kreiert. Es ist für Paulus unannehmbar, dass sich gerade in diesem Bereich soziale Spaltungen bilden, was einen Rückschritt bedeutet. Ch. Strecker versucht die paulinische Argumentation in diesem Text innerhalb seines Schemas einer „liminalen communitas“ zu verstehen. Er beruft sich auf die Theorie des britischen Sozialanthropologen Victor Turner. Turners Theorie besteht in dem Studium der Übergangsriten (rite de passage), die aus drei Phasen bestehen: einer Trennung vom Alten, einer Umwandlungsphase und einer erneuten Zusammenfügung. Das Schlüsselwort „Liminalität“ (liminality) beschreibt die Übergangsphase, in der der neue Status des Initiierten noch nicht definiert und seine alte Existenz noch nicht ganz überwunden ist. Dieser mittlere Status „no longer / not yet“ ist durch einen Zustand der Ambiguität gekennzeichnet, in dem das Subjekt sich als nicht tot und nicht lebendig, als nicht männlich und nicht weiblich, als ohne sozialen Status erfährt und von der Gemeinschaft auch so behan-

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Das UYOC der Gemeinschaft

delt wird. Die liminale Phase ist durch eine Gleichstellung und Gleichbehandlung aller Initiierten gekennzeichnet, die von Turner als „communitas“ mit strukturkritischer Bedeutung bezeichnet wird. Strecker beabsichtigt, durch die oben kurz skizzierten Kategorien die ganze paulinische Theologie als eine liminale Theologie zu fassen, d.h. eine Theologie, die den christlichen Zustand bis zum Eschaton als liminal erklärt. Zentrum dieser Theologie ist die vertikale „Christus-Communitas“, die der Apostel in Damaskus erlebt,144 und die daraus resultierende horizontale, liminale Communitas aller Christen. Die horizontale communitas ist das Ergebnis der ritualen Gemeinschaft jedes Christen mit Christus.145 Die Konsequenz der Anwendung von Turners Theorie ist aber die Überbetonung der Rolle der Sakramente in der paulinischen Theologie. Während allerdings die Taufe leicht zum initiatorischen Ritus erklärt werden kann, ist beim Herrenmahl die initiatorische Bedeutung schwerer erkennbar, da die Teilnehmer bereits in eine Gemeinschaft integriert sind. Beim Herrenmahl vollzieht sich nach Strecker die personale Verbindung mit Christus (analog zum Opferfleisch, das eine communio mit den Dämonen schafft), die der Terminus MQKPYPKC enthält. Das Herrenmahl schafft die vertikale Gemeinschaft mit Christus, und durch die gemeinsame Teilhabe an dem Ritual wird auch die Gemeinschaft der Gemeinde konstituiert. In unserem Text ist (nach Strecker) das Vorhandensein sozialer Unterschiede die Konsequenz einer „Zeremonialisierung“ (einer normativen Institutionalisierung) des Herrenmahls. Die Lösung des Paulus besteht in einer „Re-Ritualisierung“, durch die erneut die liminale Transzendierung gesellschaftlicher Gegensätze etabliert wird. Zu dieser Theorie müssen folgende kritische Anmerkungen gemacht werden: 1. Bei Streckers These lässt sich eine ähnliche Inkongruenz entdecken wie bei anderen Exegeten, die eine sakramentale Fundierung der Gemeinschaft behaupten. Wenn die liminale Gemeinde aus der realen, sakramentalen MQKPYPKC an Leib und Blut Christi (verstanden als der gekreuzigte und erhörte Christus) geschaffen wird, so ist es irrelevant, ob das Abendmahls ein Ritual oder eine Zeremonie ist. Die horizontale „communitas“ sollte entweder unanfechtbar ex operato existieren, oder man sollte notwendigerweise zum Beispiel die gefährliche, numinose Wirkung der Elemente des Herrenmahls betonen, die anstatt zum Aufbau 144 Ch. Strecker, Die liminale Theologie, 83–85. 145 Ch. Strecker, Die liminale Theologie, 202: Der Übergang von einer individuellen Communitas mit Christus zu eine kollektiven Communitas ist rituell bedingt durch die Taufe, durch die die sozialen Unterschiede an Bedeutung verlieren: „Weil alle Christusgläubigen qua Ritual in dieselbe Person, nämlich Christus, und somit in dieselbe Heilssphäre integriert sind, verlieren die genannten Unterschiede ihre Relevanz; die Getauften bilden nun eine Einheit, sie sind gleichsam ‚einer‘.“

Analyse von 1Kor 12,1–31

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der Gemeinde zur Zerstörung des Einzelnen beitragen. Strecker schwankt zwischen einer symbolischen und einer sakramentalen Interpretation. 2. Bedenken sind auch bezüglich des Begriffes „Liminalität“ angebracht. Das Wort bedeutet hier einerseits die Aufhebung der sozialen Unterschiede coram deo, andererseits aber auch die Situation der Gefährdung der Gemeinschaft, der Selbstprüfung und der Selbstreflexion. Turners Definition der „Liminalität“ lässt sich nicht mit der paulinischen Konzeption der Gemeinde vereinbaren. Bei Turner ist diese Übergangsphase einer existentiellen Ambiguität sehr positiv konnotiert, weil darin die einseitige Determinierung der Existenz (Geschlecht, sozialer Status etc.) überwunden wird. Paulus hingegen sieht diese Übergangsphase eher als ambivalent an und legt den Akzent auf eine konstruktive Gemeinschaft, die aber immer durch Destruktivität bedroht ist. Er zielt auch nicht auf eine coincidentia oppositorum, die die Extreme grundsätzlich als einseitig eliminiert, sondern auf eine konstruktive Mitwirkung aller verschiedenen Komponenten der Gemeinde durch die Betonung ihrer Gleichwertigkeit. Die Christengemeinde steht in einer Übergangsphase zum neuen Äon, aber für Paulus ist dieses neue Äon bereits mit Tod und Auferstehung Christi eingetreten. Die Gemeinde und der Einzelne lassen sich unter UYOC subsumieren, das durch Tod und Auferstehung Christi als konstruktive Gemeinschaft besteht.

4. Analyse von 1Kor 12,1–31 4.1 Einleitung Analyse von 1Kor 12,1–31 Allein die Häufigkeit des Gebrauchs von UYOC bei Paulus zu betonen genügt nicht. Es ist notwendig zu definieren, wie man diesen Terminus versteht, welche Eigenschaften ihm zukommen. Darüber hinaus erklärt sich eine metaphorische Anwendung des Leibes nicht von selbst, denn mit der bildlichen Darstellung einer Kollektivität muss geklärt werden, wie sich die Teile untereinander verhalten und wie deren Einheit zu Stande kommt. Der Gedanke eines Organismus mit vielen Gliedern, von dem in diesem Text die Rede ist, stellt eine verbreitete Repräsentation der Gesellschaft und sogar des Kosmos in der Antike dar, die gleichzeitig die Idee einer natürlichen Kontinuität zwischen naturhaften Verhältnissen und organisiertem Zusammenleben der Stadt und des Staates vermittelt. Neben der alten Frage, die kultur- und religionsgeschichtliche Herkunft des ekklesiologischen Bildes vom „Leib Christi“ zu bestimmen, die in der Forschung für mehrere Jahrzehnte das Hauptthema war, wird in der aktuellen Forschung anhand der literarischen Parallelen primär das Verständnis der konkreten Einheit im

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Das UYOC der Gemeinschaft

Leib erörtert und die Art, wie sie ermöglicht wird, diskutiert. Der Ansatz, den die kulturgeschichtliche Parallele darbietet, neigt zu einem hierarchischen Schema der Einheit. Dieses Schema darf aber nicht kritiklos auf Paulus angewendet werden.146 Nach meiner Hypothese zielt Paulus im Gegenteil durch Anwendung des Terminus UYOC auf ein einheitliches und egalitäres Modell der Gemeinschaft, das in diesem Text paradigmatisch entworfen wird. Das Paradigma besteht in der genauen Definition der Beziehung der Teile zum Ganzen. Entscheidend ist dabei die Frage, ob die Einheit durch eine hierarchische Struktur gewährleistet wird, durch eine Ausübung einer oberen Macht oder durch eine gleichberechtigte Beteiligung aller Glieder für das Ganze. Ohne diesen paradigmatischen Entwurf könnte das ganze Verständnis der Leiblichkeit unscharf bleiben und nicht konkret wirken. Genau zu diesem pragmatischen Zweck, ein klares Modell der Gemeinschaft anzubieten, dient die Verbindung von einer rein bildlichen Darstellung des belebten Leibes mit grundsätzlichen Begriffen der Philosophie der Zeit. Um die paulinische Vorstellung zu bewerten, muss man diese Begriffe erhellen, sowie die philosophischen Hintergründe berücksichtigen. Die Vorstellung der Gemeinde als eines Leibes und die kollektive Anwendung des UYOC, die in der christlichen Theologie zu einem wichtigen locus geworden ist, ist in seinem Ursprung doch eher mit der Theorie der sozialen und politischen Kollektive verbunden als mit einer religiösen und theologischen Begrifflichkeit, wie zu zeigen sein wird. 4.2 Literarische Analyse 1Kor 12 beginnt mit einem RGTK FG-Satz, der vermutlich auf eine Anfrage der Korinther zurückgeht. Der Genitiv RPGWOCVKMYP, der inhaltlich den Gegenstand in der Diskussion darstellt, kann theoretisch ein Maskulinum147 (RGWOCVKMQK) oder ein Neutrum148 (RPGWOCVKMC) sein. Obwohl man keine klare Entscheidung treffen kann, weil beide Termini im Brief gebraucht werden, scheint mir in diesem Kontext die neutrische Deutung besser, wo146 Das ist m.E. der Haupteinwand gegen die Arbeiten von D. Martin, The Corinthian Body, und M. Mitchell, Paul and the Rhetorik. Sie übernehmen das Schema der römischen Philosophen und übertragen es auf Paulus, ohne die anthropologischen Voraussetzungen nachzuprüfen. Das Ziel dieses Abschnitts ist daher die anthropologischen Prämissen des Gemeinschaftsverständnisses zu erhellen und kritisch mit der imperialen Ideologie der Zeit zu vergleichen. 147 J. Weiß, Der erste Korintherbrief, 294; Chr. Wolff, Der erste Brief an die Korinther, 281– 282, das ist dass Paulus das Wort – einen selbst gegebenen Titel – von den Korinthern übernimmt, aber es in seiner Ausführung immer vermeidet und mit anderen Begriffe „Gnadengaben“ oder „Geistesgaben“ ersetzt. 148 H. Conzelmann, Der erste Brief an die Korinther, 241; W. Schrage, Der erste Brief an die Korinther, 118; H.J. Klauck, 85.

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bei es auch möglich ist, dass sich hinter dieser Unklarheit eine Polemik über die Bedeutung der geistlichen Inspiration und ihre inhärenten Implikationen verbirgt. In V. 2 wird die heidnische Erfahrung der ehemals heidnischen Korinther mit der typische Sprache der jüdischen Polemik (VC GKFYNC VC CHYPC) aufgenommen; die Formel QKFCVG Q=VK signalisiert, dass es um bekannte Sachverhalte geht. Das heidnische Hingerissensein zu den stummen Götzen149 wird wahrscheinlich als Beispiel von dem ekstatischen, unkontrollierten Verhalten in der heidnischen Religion auf die im folgenden Vers genannte christliche, inspirierte Rede übertragen. Der Ausdruck am Anfang des V. 3 FKQ IPYTK\Y WBBOKP Q=VK bietet eine erste Antwort auf das CXIPQGKP von V. 1 und führt ein Kriterium ein,150 durch das man die Echtheit der Wirkung des Geistes Gottes feststellen kann: das Bekenntnis zu Jesus als dem Kyrios (MWTKQL ,JUQWL). Das Bekenntnis verbindet sich vermutlich mit der gottesdienstlichen Praxis, von der in 1Kor 14 die Rede ist, während die Fluchformel gegen Jesus (CXPCSJOC ,JUQWL) nur eine konstruierte negative Aussage zu sein scheint,151 obwohl sie aus realen Verfolgungssituationen und vielleicht aus der direkten Erfahrung des Paulus als Verfolger stammt.152 Unklar aber bleibt, wie sich dieser Vers zum vorigen verhält153 und was seine Funktion für den Briefteil ist. Das Erlebnis der Vergangenheit hilft, um die Abhängigkeit von einer externen Macht zu schildern mit dem Unterschied, 149 Die Variante YBL C P JIGUSG ist besser belegt und scheint logischer als YBBL CXPJIGUSG. Es ist nicht klar, was damit gemeint ist. Pneumatische Phänomene waren auch in der paganen Welt bekannt, siehe Chr. Wolff, Der erste Brief an die Korinther, 283–284; W. Schrage, Der erste Brief an die Korinther, 119. T. Paige, 1 Corinthians 12,2: A Pagan Pompe?, 59ff, widerspricht der allgemeinen Ansicht, nach der es sich hier um ekstatische Phänomene handelt. Nach seiner Meinung weisen die Worte, insbesondere die Komposita von CIGKP, auf die Prozessionen bei heidnischen Festen (RQORCK), wo die Leute von Priestern im Umzug zum Opferplatz geführt wurden. Nicht das ekstatische Moment wird von Paulus unterstellt, sondern „the ignorance and slavery of Corinthians’ pre-conversion life, in which they simply followed where they were led, like the sacrificial animals in the procession“ (63). CXRCIQOGPQK ist ein Terminus für die Festnahme von Gefangenen. 150 D.M.J. Derrett, Cursing Jesus, 548ff, liest das Anathema im Kontext der jüdischen Verfolgung. Eine Beschwörungsformel wurde von jüdischen Verdächtigen erwartet und mit der Drohung der Exkommunikation verbunden. Dieser Verfolgungszusammenhang ist für Paulus „evidence of the absence of spirit“ (ebd. 554). 151 Chr. Wolff, Der erste Brief an die Korinther, 286, dagegen A. Lindemann, Der erste Korintherbrief, 265. 152 J.M. Bassler, 1 Cor 12:3 – Curse and Confession, 417–418, sieht einen Zusammenhang mit der Vergangenheit des Paulus als Verfolger, der Jesus verflucht hat. 153 Diskutiert wird vor allem, inwieweit die heidnische Erfahrung in Verbindung mit der Wirkung des Geistes gesetzt werden darf, oder ob sie nur ein antithetisches Beispiel darstellt. Chr. Wolff, Der erste Brief an die Korinther, 284 sieht eine gemeinsame Basis im enthusiastischen Erleben in Christentum und Heidentum und eine Relativierung dieses Enthusiasmus. G. Theißen, Psychologische Aspekte, 307–311, sieht die in den ekstatischen Erlebnissen die Kontinuität der beiden Verse. Das Anathema wurde s.E. in der Gemeinde tatsächlich in einem ekstatischen Zustand gesprochen, in dem das Verdrängte zur Sprache kam.

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Das UYOC der Gemeinschaft

dass Gott kein stummer Gott ist, und dadurch gewinnt das verständliche Wort, indem es in Verkündigung und Bekenntnis das Herrsein des Christus enthält, einen Platz in dem neuen religiösen System.154 Die V. 4–11 sind bilden einen klar definierten Abschintt über die Geistgaben, der in zwei Unterteile zerfällt: V. 4–7 betont die Verschiedenheit der Gaben und die Einzigkeit ihres Ursprungs durch eine triadische155 Struktur FKCTGUGKL … MCK/FG QBB CWXVQL VQ CWXVQ. Die Termini in dem Schema RPGWOC, MWTKQL, SGQL, sowie wie die Begriffe ECTKUOCVC, FKCMQPKCK, GXPGTIJOCVC sind synonym gemeint. V. 7 fasst den Hauptgedanken der Mannigfaltigkeit der Gaben und der einzigen Ursache, die das UWOHGTQP für die ganze Gemeinschaft wirkt, zusammen und leitet die Liste der Gaben ein. V. 8–11 bietet eine exemplarische Liste der verschiedenen Gaben, besonders der umstrittenen, ohne eine bestimmte Ordnung zu haben. Die Liste besteht aus einer Kette von Pronomina im Dativ Y^, CNNY^ (FG), GBBVGTY^^, die sich auf GBBMCUVY^ in V. 7 beziehen. Mit V. 12 beginnt die Anwendung des Bildes des Leibs auf die Gemeinde. Zuerst steht ein Vergleich MCSCRGT … YBBL, der die Basis für die ganze Argumentation darstellt. Dass im zweiten Teil des Vergleichs nicht von der Gemeinde, sondern von Christus die Rede ist, wird unten näher diskutiert. Die Präsenz von QBB &TKUVQL dient unter anderem dazu, dass man die Gemeinde und seine Einheit nicht als eine natürliche Größe betrachtet, sondern als eine von Christus gewirkte konstruktive Gemeinschaft. Die Grundbehauptung ist die Beschaffenheit des Leibes, der viele Glieder hat und doch eine Einheit bildet. A VQUYOCG=PGXUVKP B MCKOGNJRQNNCGEGK RCPVC B’ FGVCOGNJVQWUYOCVQLRQNNCQPVC A’ G=PGXUVKPUYOC156 Die folgenden Verse 13 und 14 sind von MCK ICT – Sätzen eingeleitet, die eine Erklärung dieses Grundgedankens signalisieren. V. 13 ist eine praktische Vertiefung in die konkrete Situation der Gemeinde hinein, die verschiedene und sonst entgegen gesetzte Gruppen von Menschen vereinigt. Mit V.14 wird die Metapher des Leibes wieder aufgenommen und gründlich für die Argumentation des Paulus verwendet. Lassen sich zwei Teile in dieser Rede über die Metapher unterscheiden, der erste 14–19, in dem die 154 A.C. Thiselton, The First Epistle to the Corinthians, 916, definiert V. 3 „christological criterion of spirituality […] with Christ as their Lord, they have no need to construct some ‚spirituality‘ as if God were silent. Their varied experiences of different gifts which God actively apportions out (12,4–11) rest upon his choice and initiative, not upon their own self-generated choices.“ 155 G. Fee, The First Epistle to the Corinthians, 588, betont die trinitarische Form dieser Verse und meint, dass die Mannigfaltigkeit vom trinitärischen Gott auf die Kirche übertragen wird. 156 Diese Struktur ist aus G. Fee, The First Epistle to the Corinthians, 601 übernommen.

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Mannigfaltigkeit betont wird, und der zweite 20–26, in dem die Einheit zur Sprache kommt. Die Überschrift zu diesen Unterteilen sind V. 14 VQ UYOC QWXM GUVKP G?P OGNQL CXNNC RQNNC und V. 20 PWP FG RQNNC OGP OGNJ G?P FG UYOC. V. 15 und 16 sind ganz parallel als hypothetische Sätze im Irrealis formuliert, in Frage gestellt wird die Zugehörigkeit zum Leib und die Identität eines Glieds. V. 17 und 19 enthalten weitere hypothetische Sätze mit rhetorischen Fragen, die zur abschließenden Feststellung führen, dass der Leib selbst nicht existieren könnte, wenn er nur ein Glied wäre. Die Behauptung der Einheit des Leibes in V. 20–26 muss komplexere Zusammenhänge berücksichtigen als die Art und Weise, wie die Einheit sich bildet. Hier geht es vor allem um die hierarchischen Unterschiede zwischen den Teilen. Paulus bietet eine Umwertung der üblichen Meinung von der Wichtigkeit der einzelnen Glieder (VC CXUSGPGUVGTC, CXVKOQVGTC, CXUEJOQPC). Das Argument wird in beiden Teilen im Stil einer Fabel entfaltet, indem die einzelnen Glieder belebt werden und einen Dialog führen, wie es den Konventionen der Antike entspricht.157 Auf jeden Fall ist Gott der Schöpfer der Vielfalt und der Einheit des Leibes V. 18 PWPK FG QB SGQL GSGVQ VC OGNJ G?P G=MCUVQP CWXVYP GXP VY^ UYOCVK MCSYL JXSGNJUGP sowie V. 24–25a CXNNC QBB SGQL UWPGMGTCUGP VQ UYOC VY^ WBUVGTQWOGPY^ RGTKUUQVGTCP FQWL VKOJP K=PC OJ J^ UEKUOC GXP VY^ UYOCVK. Dieser letzte Satz ist der Schlüssel, um die paulinische Metaphorik aufzuschließen. Die Einheit bildet sich durch die „Mischung“, durch die Gott das geringste Glied ehrt. Diese Behauptung wird durch kulturgeschichtliche Parallelen in seiner Wichtigkeit erhellt. Die durch die Fabelgespräche im Diatribenstil aufgeworfene offene Frage wird durch die Realität des Leibes als Schöpfungsakt Gottes und durch den damit gebundenen freien Entschluss (V. 11 MCSYL DQWNGVCK, V. 18 MCSYL JXSGNJUGP) beantwortet. In V. 27 fängt die Umsetzung der Metapher an, an erster Stelle durch die sonst implizite Identifizierung der Gemeinde (WBBOGKL) mit dem UYOC und durch die Aufzählung der verschiedenen Funktionen in der Kirche mit Gott als Subjekt. Die Frage ist, was die Aufzählung bedeutet (RTYVQP, FGWVGTQP, VTKVQP, GRGKVC). Sie scheint aber keine Hierarchie zu sein, sondern eine Aufzählung, wobei die ersten drei Glieder eine primäre Rolle haben.158 V. 29f bietet eine Reihe von rhetorischen Fragen, die die Verschiedenheit der 157 Eine schematische Gliederung dieser beiden Teile ist bei M. Walter, Die Gemeinde als Leib Christi, 130 zu finden. 158 G. Fee, The First Epistle to the Corinthians, 619 das ist Paulus’ Wertung. A. Lindemann, Der erste Korintherbrief, 277 meint es gibt eine Wertung aber aus unklaren Gründen. H. Lietzmann, An die Korinther, 63 die Trias sind die „charismatischen Ämter“ die in der Didache 11–15 wieder zu finden sind. Vielleicht konnte die Aufzählung eine chronologische Bedeutung haben von dem Anfang bis zur Gegenwart. Auf jeden Fall ist für Paulus wichtig zu betonen, dass die Zungenrede keine Priorität in der Bewertung oder im chronologischen Rückblick hat.

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Das UYOC der Gemeinschaft

Funktionen betonen. In V. 31 kann das Verb \JNQWVG eine imperativische159 oder indikativische160 Bedeutung haben. Eine imperativische Bedeutung ist grammatisch möglich und wird von 14,1 unterstützt. Es ist klar, dass Paulus sich von dem Anspruch der Korinther, nach höheren Gaben zu streben, distanziert, aber das Argument übernimmt, um es in das Gegenteil umzukehren, wie mit dem Begriff \JNQL geschieht. 4.3 Gliederung Nach dieser Beobachtung ergibt sich folgende Gliederung: Überschrift: Die Wirkung des Geistes 1–3 I) Die Geistgaben 4–11 Vielfalt und einziger Ursprung 4–7 Exemplarische Liste 8–11 II) Die Metapher des UYOC 12–26 Einführung und erste Anwendung 12–13 Die Vielfalt der Glieder im Leib 14–19 Einheit des Leibes 20–26 III) Anwendung der Metapher 27–31 4.4 Die Grundlinien der Forschung Die wissenschaftlichen Arbeiten über den Begriff des Leibes Christi sind so zahlreich, dass ein ausführlicher Bericht über die verschiedenen Hypothesen kaum möglich ist. Doch in diesem Paragraph werden anders als in dem forschungsgeschichtlichen Teil die Grundprobleme und die verschiedenen exegetischen Modelle schematisch dargestellt, die bis jetzt in der Fachliteratur vorgeschlagen wurden. 4.4.1 Das realistische sakramentale Modell Gemäss diesem Modell meint Paulus mit UYOC &TKUVQW realiter den Leib des erhöhten Christus, der mit der Kirche koinzidiert und sakramental vergegenwärtigt wird. Auf diese Weise wird unser Thema zu einem Teil der 159 H. Lietzmann, An die Korinther, 64–65. 160 A. Lindemann, Der erste Korintherbrief, 278–279: Paulus setzt das Streben der Korinther gegen höheren Gaben seinem Weg der Liebe entgegen. Chr. Wolff, Der erste Brief an die Korinther, 308.

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Christologie,161 welche die Ekklesiologie fundiert, ohne die Anthropologie zu berühren. Der Ansatzpunkt dieser Hypothese ist einerseits der Ausdruck in 1Kor 12,12 QW=VYL QBB &TKUVQL, dem man eine Identität zwischen Kirche und Christus entnimmt, andererseits der paulinische Sakramentalismus, durch den man in eine enge Gemeinschaft und eine Teilhabe an Christus selbst wie in 1Kor 10,17 kommt.162 Aus dieser Stelle erschließt man die Identität des Brots des Abendmahls, der Gemeinschaft und des Leibes Christi. Eine weitere Stelle, die von der Identität Christus – Kirche spricht, ist in diesem Modell 1Kor 1,13, wo die Zersplitterung der Gemeinde als ein absurder Zustand erklärt wird, der eine Zersplitterung Christi implizieren würde. Ferner gilt manchmal als Argument der Bericht in der Apostelgeschichte über das Damaskuserlebnis (Apg 9,6), wo Christus sich mit den verfolgten Kirche direkt durch den Satz: „Warum verfolgst du mich“ identifiziert.163 Während H. Schlier die Identität der Kirche mit dem Leib des Christus nur für die Deuteropaulinen und nicht für die echten paulinischen Briefe annimmt,164 sieht E. Käsemann auch in den echten Briefen aufgrund 161 Dieser Realismus und die christologische Bedeutung vom Leib Christi wird von J.A.T. Robinson, The Body, 51 betont. Das Fleisch von Jesus, das Brot des Abendmahls und die Kirche sind Leib Christi, d.h. „each of them is the physical complement and extension of the one and the same Person and Life. They are all expression of a single Christology.“ Ähnlich E. Käsemann, Das theologische Problem, 182: „Der erhöhte Christus hat wirklich einen irdischen Leib, und die Glaubenden werden mit ihrem ganzen Sein realiter darin eingegliedert“. Vgl. ebd., 203: „Man ist sich heute weithin einig, daß die paulinische Ekklesiologie zutiefst Christologie ist.“ Käsemann vertritt auch die Meinung, nach der die Kirche „Prolongation und Repräsentation ihres Herrn“ (195–196) ist. 162 Beide Argumente werden von E. Käsemann, Leib und Leib Christi, 162 angeführt. Die Worte von 1Kor 12,12 werden von ihm so übersetzt: „so verhält es sich mit Christus“. Die gleiche Übersetzung findet man bei E. Percy, Der Leib Christi, 44. Eine realistische Interpretation wird auch von E. Schweizer, UYOC, ThWNT VII, 1068–1069, vertreten: QBB &TKUVQL bestimmt den Realismus des Genitivs in 1Kor 12,27 und die Bedeutung des UYOC in 1Kor 12,13 als vorgegebener Leib Christi und nicht als das „Produkt der Gemeinschaft“. 163 E. Mersch, Le Corp mystique, 85–86. Dazu auch J.A.T. Robinson, The Body, 57–58. 164 H. Schlier, Christus und die Kirche, 40–42. Der Epheserbrief hat eine konkrete Gleichstellung von Kirche und Leib Christi, Christus ist die MGHCNJ „für Paulus aber muss der Leib selbst erst als „ein Leib in Christus“ charakterisiert werden. Man kann auch sagen: Paulus will mit einem einfachen Vergleich durch „Leib“ das Verhältnis der in Christus Gläubigen untereinander bezeichnen“ (40). Der Satz MCK QW=VYL QBB &TKUVQL wird von Schlier so mit Lietzmann umgeschrieben: „ so sind auch wir vielen Glieder der Gemeinde ein Leib und zwar ein Leib in Christus“. Der Genitiv &TKUVQW von 1Kor 12,27 entspricht dem GXP &TKUVY^ und ist als possessiv zu verstehen und drückt die „Möglichkeit des Leibesseins der Gemeinde nur in der Zugehörigkeit zu Christus“ (41) aus. Diese possessive Bedeutung ist nach Schlier unmöglich für den Epheserbrief „denn der Leib gehört ihm nicht, sondern der ist er“ (42). Die sakramentale Fundierung in 1Kor 10,16f gilt nach Schlier als Bestätigung seiner Hypothese, denn die Einheit der Gemeinde wird daraus deduziert, während für den Epheserbrief die Realität des Leibes die Begründung für eine Taufe, einen Glauben, einen Herr, einen Geist, einen Gott Eph 4,4 ist (S. 41 Anm 1). E. Käsemann, Leib und Leib Christi, 159–162, diskutiert die Position von H. Schlier und findet den allerdings vorliegenden Organismusgedanken ungenügend zur Erklärung der paulinischen Position. Käsemann redet an der

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des Einflusses gnostischer Gedanken auf Paulus diese Einheit.165 Dieses Modell stellt verschiedene Probleme dar, die nicht zu übersehen sind. a) Die Identität des Christus mit der Gemeinde in einem Leib wird grammatikalisch nicht unterstützt, denn der Ausdruck im Text sollte dann eher VQ UYOC VQW &TKUVQW lauten mit dem bestimmten Artikel, der für Paulus wie in Röm 7,4 den gekreuzigten Christus bezeichnet.166 b) Ein anderes Problem betrifft die Parallelstelle in den paulinischen echten Briefen, Röm 12,5 wo die gleiche Vorstellung durch die Formel G?P UYOC GXP &TKUVY^ ausgedrückt wird, was eine Unterscheidung zwischen Christus und dem Leib denkbar macht. Sie passt nicht in das realistische Modell hinein, außer man presst die Bedeutung der Formel GXP &TKUVY^ und legt sie als eine mystische Bezeichnung aus. c) Ein weiterer Einwand gegen dieses Modell ist die wichtige Rolle des Geistes in der Bildung der Gemeinde und in ihrer Konstituierung als Leib. Nach dem realistisch sakramentalen Modell wird durch die Sakramente die horizontale und vertikale Gemeinschaft geschaffen und nicht primär durch den Geist. Bei Paulus ist es aber der Geist, der die Gemeinde zusammenwirken lässt und so zu einer konstruktiven Gemeinschaft macht. d) Eine zu berücksichtigende Frage ist die Entwicklung des Motivs in den Deuteropaulinen, wo Christus als das Haupt des Körpers definiert wird. Obwohl diese Frage noch im Einzelnen analysiert werden muss, kann man schon hier feststellen, dass, wenn man nur einen Teil des Körpers mit Christus identifiziert, man nicht eine Identität von Christus und dem Leib der Kirche annehmen kann. Auch in Eph 5,25–33 kann man keine Gleichsetzung von Christus und Kirche feststellen, sondern aufgrund des Zitats von Gen 2,24 nur eine enge Verbindung, eine Differenz aber bleibt. Die Kirche entspricht zwar der UCTZ, die der Mensch pflegt, wie auch Christus für die Kirche sorgt, aber der Akzent liegt auf einer gewissen Differenzierung und auf der Herrschaft Christi über die Kirche. Das zeigt, dass eine mystische Identität zwischen Christus und Kirche weder bei Paulus noch bei seinen Schülern vorliegt. e) Die Hauptschwierigkeit dieses Modells ist allerdings die Bestimmung der religionsgeschichtlichen Herkunft einer solchen Konzeption, nach der die Christen den Leib des Christus bilden. Diese Frage hat jahrzehntelang Stelle eines Organismusgedankens von einem „sakramentalen Naturalismus“. Durch die Taufe tritt man in den Christus-Aion hinein und das Sein in Christo ist nichts anders ist als die Teilhabe am Leibe Christi. 165 E. Käsemann, Leib und Leib Christi, 159–162. 166 Das Problem wird schon von F.Ch. Baur, Paulus, 185, hervorgehoben: „es ist nicht zu übersehen, dass es nur UYOC &T., nicht to UYOC VQW &T (gen. obj.) ist“. Daher handelt es sich um einen „Leib, welcher den objektiven Grund seines Seins in Christus hat, und nur wegen seiner Beziehung zu Christus einen Leib genannt wird.“

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die Forschung beschäftigt, ohne dass eine befriedigende Lösung gefunden wurde. Die Realität der Vorstellung konnte man religionsgeschichtlich erklären durch die Annahme einer Abhängigkeit des paulinischen Motivs vom gnostischen Mythos des Urmenschen-Erlösers, nach dem die aus der Welt der Materie Erlösten einen geistlichen Leib bilden, der mit dem Erlöser zusammenfällt. Nachdem diese religionsgeschichtliche Herleitung in eine Krise geriet, weil der Mythos nur in späteren Texten zu finden ist, hat man die Lösung der religionsgeschichtlichen Frage in der Herleitung der Konzeption aus der jüdischen Adam-Spekulation oder aus der StammvaterVorstellung167 gesucht. Diese beruht auf der Idee einer Gesamtpersönlichkeit, die das Volk stellvertretend in sich trägt und es durch sein Schicksal bestimmt. Diese Konzeption setzt eine enge Verbindung zwischen den Handlungen eines Stammvaters und dem Zustand des Stammes oder des Volkes voraus. Damit kann man die zu beweisende Identität von Christus und Kirche aber nicht erklären, sondern allenfalls die Auswirkung des Schicksals einer Person auf ein Kollektiv. Selbst die Figur Adams und die rabbinischen Vorstellungen von seinem Riesenkörper und seiner Herrlichkeit können eine solche Identität von Christus mit der Kirche nicht begründen. Bei Paulus ist Adam der Vertreter der alten Menschheit und nicht eine Figur, die sie zusammenschließt. Der Ausgangspunkt der paulinischen Begrifflichkeit ist die Vorstellung einer Gesamtpersönlichkeit, die sich im Alten Testament durch eine Entwicklung von den Vielen zu dem Einem durchsetzt. Konkrete Hintergründe sind die Figur des Menschensohnes (Dan 7), die Messiaserwartung und die Adamspekulation. Aber diese Figuren wurden nie mit dem Volk identiziert oder mystisch mit ihm verbunden.168 Eine wichtige Rolle für diese Erklärung spielt die Adam-Christus Typologie, in der Adam und Christus in 1Kor 15 und Röm 5 als zwei korporative Figuren auf der Basis schon vorliegender Adamspekulationen 167 Der Ausdruck „Corporate personality“, das heute noch benutzt wird, stammt aus einem Artikel von H.W. Robinson, The Psychology and Metaphysic of „Thus saith Yahweh“, 14, der so die Persönlichkeit der Propheten und ihr Bewusstsein das Volk zu vertreten, definiert. Schon T. Schmidt, Der Leib Christi, 126–128 benutzte aber im Deutschen den Ausdruck „Gesamtpersönlichkeit“ als Deutung der paulinischen, kollektiven Bezeichnung des Leibes Christi. 168 Zahlreiche Autoren nehmen diese jüdische religionsgeschichtliche Erklärung an. Sie ist noch immer aktuell. J.A.T. Robinson, The Body, 60–61, betont die grundlegende Bedeutung einer Gestalt, die stellvertretend das ganze Volk einschließt. Für das AT spricht E. Percy, Der Leib Christi, 42–44, von einem jüdisch-alttestamentlichen Ursprung des Begriffs aus der AdamVorstellung im Judentum und betont die Identität der Kirche mit Christus, ohne sie religionsgeschichtlich zu belegen: „Dieser mit der Gemeinde identische Leib Christi ist deshalb im Grunde kein anderer als jener, der am Kreuze starb und am dritten Tag auferstand“ (44). H.W. Park, Die Kirche als Leib Christi, 134–202, sieht die Realität des Begriffs „Leib Christi“ eng mit der AdamVorstellung verbunden. Das Zentrum der paulinischen Argumentation ist seiner Meinung nach die Adam-Christus-Typologie. E. Schweizer, Art. UYOC, ThWNT VII, 1069–1072. Auch E. Käsemann, Das Problem, 189.

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Das UYOC der Gemeinschaft

dargestellt werden. Der Parallelismus ist von Paulus aus der christologischen Perspektive heraus konstruiert nach der Auffassung: „Adam and Christ are more than representative figures. They are corporate persons who include their respective followers“.169 Aber selbst durch solche Adamspekulationen wird eine Identität Christi und der Kirche religionsgeschichtlich nicht erklärbar. 4.4.2 Das metaphorische Modell Die obengenannten Schwierigkeiten haben einige Exegeten dazu geführt, einen rein metaphorischen Gebrauch von UYOC &TKUVQW anzunehmen.170 Die zahlreichen Beispiele in der Antike für die Metapher des Leibes in der Politik bieten eine schlichte und überzeugende Erklärung im Vergleich zu dem sakramentalen Realismus. Das Hauptargument für eine metaphorische Betrachtung kommt aus der Exegese von 1Kor 12, wo ein Vergleich der Kirche mit dem Leib und keine Identität vorliegt. Es handelt sich um eine Variante der Fabel vom belebten Leib, die auch in der berühmten Erzählung von Menenius Agrippa begegnet. Nach L. Deimel, einem der wichtigsten Vertreter dieses Modells, hat die Metapher des Leibes verschiedene Funktionen. Die erste Funktion ist die Unterscheidung der Kirche von anderen Körperschaften in der Welt.171 In diesem Sinne ist der Genitiv „Christi“ als genitivus possessivus zu deuten, auf die gleiche Art und Weise wie man vom „Reich des Königs von England“ redet. Die zweite Funktion des Bildes betrifft das Verhältnis zwischen Kirche und der Person Christi als ihrem Urheber. Da keine Identität feststellbar ist, hilft das Bild, den Genitiv Christi eher als „genitivus auctoris“ zu interpretieren. Die dritte Funktion ist die Erläuterung des Verhältnisses zwischen Christus und den Mitgliedern der 169 S.W. Son, Pauline Anthropology, 64. 170 Eine originelle Position ist in diesem Zusammenhang die von Ch. Strecker, Die liminale Theologie des Paulus, 340–345, die die Entgegensetzung von realistisch-sakramentaler und bildhafter Deutung zu überwinden versucht. Nach der Theorie von Turner ist die Definition von Leib Christi ein „rituelles Symbol“, das gleichzeitig sinnlich und metaphorisch erfahrbar ist. Das Problem dieser Definition ist, dass „real“ nach Strecker mit „sinnlich“ identifiziert wird. Real sind das Essen des Abendmahlsbrotes und das Eintauchen in das Wasser der Taufe. Das aber spielt bei Paulus keine große Rolle, während für die anderen Autoren „real“ identisch mit der Person Christi bedeutet. Die Theorie von Strecker führt notwendigerweise, wie schon bemerkt, zu einer exzessiven Ritualisierung der mitmenschlichen Sachverhalte, während Paulus selbst umgekehrt versucht, die Sakramente als Begründung für ethische Anweisungen auszuwerten. 171 Die These von L. Deimel, Leib Christi, 37f: „Das Verhältnis des ‚Leibes‘ der Kirche zum physischen persönlichen Leib des Erlösers ist nicht das der Identität, auch nicht des physischen Zusammenhangs, sondern der Ähnlichkeit“. Die Natur des Genitivs „Christi“ wird auf S. 40 so bestimmt: „Weil die Körperschaft Christus angehört und sich durch ihre christliche Eigenart von den anderen Körperschaften unterscheidet, bezeichnet sie der Apostel näher hin mit dem ‚genitivus possessivus‘ und mit dem Genitiv der Unterscheidung als die Körperschaft Christi.“

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Kirche durch eine Fülle von Unterbegriffen, die mit dem Leib im Zusammenhang stehen: Glieder, Haupt und im Epheser- und Kolosserbrief Bänder, Gelenke, Wachstum, Mannesreife, Kraft und Maß. Das ist der Bereich, in dem das Bild als wirksames Motiv für die Einheit der universalen Kirche ausgedehnt wird. Der Leib wurde bei vielen Autoren in der griechischen Literatur als Metapher benutzt, besonders in der Politik, um von der Gesellschaft zu reden. Auch Paulus will den Organismusgedanken nur bildlich auf die Gemeinde anwenden, um sie zur Einheit aufzufordern. Ähnliche Thesen werden von J. Meuzelaar vertreten. Er erläutert am Anfang seines Buches über den Leib Christi seine Entscheidung für eine bildliche Deutung des paulinischen Begriffs gegen den sakramentalen Realismus einer gnostischen oder mystischen Interpretation.172 Nach Meuzelaar hat Paulus das in der Antike sehr verbreitete Bild mit einer gewissen Freiheit für seine Zwecke benutzt, um ein Modell der Einheit der Kirche darzubieten, besonders angesichts der Trennung von Juden und Griechen in den christlichen Gemeinden, ohne dabei die pantheistische Grundeinstellung der stoischen Gedanken zu übernehmen. Die bildliche Bedeutung des Leibes Christi wird in der neuen Forschung stark unterstrichen. M. Walter173 liest Paulus’ Argumente in Kontinuität mit dem hellenistisch-römischen Gebrauch der Metapher des Leibes für ein politisches Kollektiv. In einer breiten Palette von Bedeutungen benutzt Paulus aus rhetorischen Zwecken das Bild, um die Solidarität in den Gemeinden zu verstärken und eine Gemeinschaft von unten zu fördern. M. Mitchell hält die Metapher für ein passendes rhetorisches und literarisches Mittel, um eine Rhetorik der QBBOQPQKC im ganzen Korintherbrief gegen die Frontenbildung (factionalism) zu entwickeln, wie es in der zeitgenössischen Literatur üblich war. Diese Metaphorik plädiert

172 J. Meuzelaar, Der Leib des Messias, 39. Die wichtige Stelle 1Kor 12,12, die als Beweis für den Realismus des Bildes angeführt wird, wird von ihm auf folgende Weise verstanden: „Wie der Leib eins ist und die vielen Glieder einen Leib bilden, so bewirkt auch der Messias“ eine Einheit. Christus ist also nicht der Leib selbst, sondern die Einheit bewirkende Kraft. In dem Ausdruck „Leib Christi“ (12,27) hat der Genitiv daher nur eine possessive Bedeutung, wie seine Übersetzung des Verses zeigt (S40): „Ihr aber seid ein Leib, der Christus gehört“. Der Genitiv vertritt ein Adjektiv: „Ihr aber seid ein messianischer Leib.“ Die Frage der Bedeutung des Genitivs, die für dieses Interpretationsmodell sehr wichtig ist, nimmt er am Ende seiner Beschreibung der Leibmetaphorik in der Antike wieder auf (169–170). In der griechisch – römischen Literatur hat der auf einen Leib bezogene Genitiv eine „explikative Bedeutung“ wie zum Beispiel in UYOC VJL RQNGYL oder UYOC VJL DCUKNGKCL, wobei die ganzheitliche Struktur betont wird. Das entspricht dem Gebrauch nach Paulus in Kol 1,18 mit UYOC VJL GXMMNJUKCL. Vergleichbar ist eine Pronominalkonstruktion bei Sen. Clem. I,5,1, wo vom Reich als des Kaisers Leib, als „corpus tuum“, die Rede ist. Die Bedeutung dieser Konstruktion ist, dass „das Reich dem Kaiser zugehört. Ebenso ist für Paulus die Ekklesia, ‚sein Leib‘, nämlich der ‚Leib des Messias‘.“ 173 M. Walter, Gemeinde als Leib Christi, 70–104.

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im Endeffekt für eine hierarchische Führung der Gemeinschaft, die Mitchell in Ausdruck MWDGTPJUKL in 12,28 repräsentiert findet.174 Ein metaphorischer Gebrauch des Leibes ist besonders aufgrund der Anklänge an die Fabel des Organismus 1Kor 12 unbestreitbar. Dieses Modell arbeitet sehr gut die Aussagekraft und die Pragmatik des Bildes in der Situation der Gemeinde heraus, was methodisch korrekt ist. Man kann aber nicht übersehen, dass die metaphorische und rhetorische Funktion für die paulinische Rede vom UYOC nicht allein charakterisch ist. Für Paulus beschreibt UYOC einen Aspekt des menschlichen Seins, seine Relation zu anderen Menschen und zu Gott, die real und nicht nur ein Bild für die Einheit der Gemeinde ist. Die Realität des UYOC wird dadurch verstärkt, dass Paulus im Zusammenhang mit seinen Ausführungen über die Gemeinde, wie wir noch sehen werden, aus der stoischen Physik stammende Begrifflichkeiten verwendet, dabei allerdings vom UYOC nicht nur auf einer bildlichen Ebene spricht, sondern im Gegenteil reale sachliche Verhältnisse beschreibt. Die Wirklichkeit des Leibes und seine bildliche Repräsentation sind bei Paulus zwei Aspekte, die sich gegenseitig deuten und miteinander verflochten sind. Die bildliche Einheit und die Solidarität aller Glieder im Leibe werden durch die Anwendung derjenigen Theorien, die die Stoa um den Begriff des UYOC herum entwickelt hat, und durch das monistische Menschenbild des Paulus verstärkt. 1Kor 12 ist deswegen paradigmatisch, weil sich hier beide Aspekte treffen und durch die Erklärung der Gemeinschaft als ein vom RPGWOC zusammengehaltenes UYOC die Konstruktivität des neuen Menschseins in Christus darstellen. Diese Konstruktivität selbst ist kein rhetorisches Konstrukt oder keine bildliche Repräsentation, sondern ist die Realität des neuen Zusammenlebens, das von Christus bestimmt wird und das Ergebnis von mehreren Bildern und Begriffen aus der politischen und der religiösen Sprache ist. Die Realität des Begriffs erklärt sich nicht durch die Identität der kirchlichen Gemeinschaft mit der Person Christi, wie es in der Vorstelleung vom mystischen Leib Christi gewöhnlich geschieht. 174 M.M. Mitchell, Paul and the Rhetorik, 164: „In 12,28–30 Paul sets out a hierarchial governance structure as another response to the divisions within the church.“ D. Martin, The Corinthian Body, 93–103, sieht auch in der Metaphorik und in der ganzen Leib-Theorie eine hierarchische und paternalistischen Intention des Paulus. Eine konsequente hierarchische Vorstellung der paulinischen Weltanschauung wird von J. Neyrey, Paul in Other Words, 31–54, vertreten. Seiner Meinung nach versteht Paulus den Kosmos, Menschen, Raum und Zeit als eine klar strukturierte Hierarchie. Bezüglich der Gemeinde (37–43) sind die Erscheinungen des Auferstandenen zu Ostern (1Kor 15,5–10) die Basis für eine Legitimierung der hierarchischen Autorität in der Kirche. In 1Kor 12,15–16 und 21–24a will Paulus nach Neyrey eine gewisse hierarchische Unterscheidung der Glieder im Körper anerkennen. M.E. lässt sich in beiden zitierten Fällen ganz im Gegenteil zu dieser „hierarchischen“ Auslegungstendenz eine Inversion der Autoritätslegitimation feststellen: Paulus bezeichnet sich als den Letzten aller Apostel, aber er erkennt auch die Wirkung der Gnade Gottes, die diesen Nachteil ins Gegenteil verkehrt (1Kor 15). Die geringsten Glieder bekommen ebenfalls durch den Willen Gottes eine große Ehre.

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Hier wird von der Realität des UYOC in einem anderen Sinn gesprochen. Für Paulus ist das UYOC als solches eine wirkliche, tatsächlich fassbare Größe, die sowohl den menschlichen Körper in seiner konkreten physischen Gestalt als auch die grundsätzliche Beschaffenheit des Menschen als eines von Außen bestimmten Wesens umfasst. Real ist ebenfalls die am einzelnen Menschen vollzogene Erneuerung, die als Sklavenfreikauf und Erweckung aus dem Tode beschrieben wird. Die Verwendung des Begriffs UYOC als Bezeichung für die Gemeinde wurzelt im Sprachgebrauch der stoischen Physik: Der Einzelne wird als materialer Bestandteil gedacht, der durch das Wirken des Geistes der Gemeinde angegliedert wird. 4.5 1Kor 12,12–13 Wichtig für die Auseinandersetzung mit den oben zitierten Modellen ist eine Stellungnahme zur Auslegung der zentralen Verse 1Kor 12,12 und 13. Aus ihnen wird die sakramentale Identität zwischen Christus und der Kirche deduziert. Die Hauptpunkte sind die Erklärung des Vergleichs in 1Kor 12 und insbesondere des Ausdrucks QBB &TKUVQL und die Bedeutung der Taufe für die Stiftung der Gemeinschaft. Der Vergleich MCSCRGT ICT VQ UYOC G=P GXUVKP MCK OGNJ RQNNC GEGK RCPVC FG VC OGNJ VQW UYOCVQL RQNNC QPVC G=P GXUVKP UYOC QW=VYL MCK QB &TKUVQL gilt für viele Exegeten wie schon gesagt, als Beweis für eine reale Identifizierung der Kirche als Leib Christi mit Christus selber. Für F. Mußner ist QBB &TKUVQL eine „äußerst breviloquente Ausdrucksweise für die Wirklichkeit ‚Kirche‘ als des mystischen Leibes Christi“.175 Die Form des Vergleichs mit einer noch schwächeren Realitätsbezogenheit als die einer Metapher spricht gegen eine solche Identifizierung des Christus mit der Kirche. Es wird eine Analogie gebildet, aber keine Identität der zwei Teile des Vergleichs vorausgesetzt, wie die Konjunktionen MCSCRGT und QW=VYL zeigen. Wenn man den Inhalt des Vergleichs näher anschaut, besteht er in der Eigenschaft des Leibes, die Vielfalt in einer Einheit einzuschließen, und genau diese Eigenschaft wird auf Christus bezogen. Das tertium comparationis ist daher die Eigenschaft des Körpers, eine Vielfalt in einer Einheit zu bilden, im Fall der Gemeinde ist das nur möglich durch Christus.176 175 F. Mußner, Christus, das All und die Kirche, 128. 176 Gegen W. Schrage, Der erste Brief an die Korinther, 211, der zwar den zweiten Teil des Vergleichs mit dem Satz: „so verhält es sich auch mit dem Christus“ übersetzt, aber meint, hier liege ein Vergleich zwischen dem menschlichen Leib und Christus vor: „Paulus setzt mit dieser Abbreviatur geradezu selbstverständlich voraus, daß auch Christus ein Leib und viele Glieder hat.“ Seine Position ist folgende: Die Gemeinde ist Christi Leib und repräsentiert Christus in der Welt, aber es ist keine einfache Identifikation von Christus mit der Kirche möglich „wovor auch der gen.

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Das UYOC der Gemeinschaft

Von diesem Gesichtspunkt aus hat auch der Genitiv in 1Kor 12,27 WBBOGKL FG GXUVG UYOC &TKUVQW die Bedeutung eines genitivus auctoris und nach 1Kor 6,15 eines genitivus possessivus und nicht eines genitivus subiectivus. Der Genitiv &TKUVQW weist auf die konstitutive Funktion Christi für die konstruktive Gemeinschaft, die in der Gemeinde erfahrbar ist.177 Eine weitere wichtige exegetische Frage betrifft 1Kor 12,13 und die Bedeutung der Sakramente und insbesondere der Taufe für den Aufbau des Leibes der Gemeinde. Wie schon für das Abendmahl wird die Taufe in die ekklesiologische Diskussion miteinbezogen, um als Argument zu gelten. Die Frage betrifft die Funktion der Taufe in der Definition und Konstitution der Gemeinschaft und insbesondere die Auslegung des Ausdrucks GKXL G=P UYOC GXDCRVKUSJOGP. Die Bedeutung des Verbs DCRVK\GKP scheint nicht allgemein metaphorisch, sondern ein Anklang an die Taufe178 zu sein, was von der Taufformel bestätigt wird, die parallel zu Gal 3,28 und Kol 3,11 steht. Eine bildlicher Gebrauch von DCRVK\GKP und von RQVK\GKP kann aber nicht ausgeschlossen werden, auch wenn der Bezug auf die Taufe klar bleibt. Umstritten ist die Interpretation der Präposition GKXL in 1Kor 12,13. Ist GKXL lokal179 oder final180 zu deuten? Im ersten Fall geschieht durch die Taufe die Eingliederung in einen vorher schon bestehenden Leib, im zweiten Fall wird durch die Taufe der eine Leib konstituiert. Das logische Subjekt ist hier nicht die Taufe, sondern der Geist, der die Integration der verschiedenen antithetischen Gruppen wirkt. Die Lösung von Käsemann, beide Prinposs. in V. 27 warnt“ (212). Sachlich korrekt scheint mir die Paraphrase von Chr. Wolff, Der erste Brief an die Korinther, 298: „So ist es auch dort, wo Christus durch den Geist heilschaffend wirkt.“ 177 Dieser Gedanke wird m.E. gut von M. Klinghardt, Die genera corporum, 215, zusammengefasst: „Die Gemeinde ist also nicht in erster Linie Leib Christi und deshalb eben Leib (an sich), von dem dann bestimmte Eigenschaften […] ausgehen, sondern sie ist derjenige besondere (soziale) Leib, der seine Existenz erst durch Christus erhält.“ W. Schrage, Der erste Brief an die Korinther, 230 Anm 698, hat eine unklare Deutung dieses Genitivs. Er definiert ihn als einen genitivus possessivus, und nicht explicativus oder appositivus, sagt dann aber, er bezeichne „Christi eigenen Leib“, was eigentlich ein Widerspruch ist. 178 W. Schrage, Der erste Brief an die Korinther, 216 Anm. 607, argumentiert gegen G. Fees Meinung einer metaphorischen Interpretation des Verbs, dass das Verb bei Paulus immer die Taufe bezeichnet. 179 W. Schrage, Der erste Brief an die Korinther, 216; H.J. Klauck, 1. Korintherbrief, 89; H. Conzelmann, Der erste Brief an die Korinther, 249; Ch. Strecker, Die liminale Theologie, 339; A. Lindemann, Der erste Korintherbrief, 271, plädiert für beide Interpretationen. Wenig plausibel ist die Erklärung von GKXL aus dem Ausdruck DCRVK\GKP GKXL VQ QPQOC, weil das Objekt eigentlich keine Person ist. 180 F. Mußner, Christus, das All und die Kirche, 127: „die Taufe bewirkt eine Gemeinschaft, die in Analogie zum antiken Organismusgedanken als ‚Leib‘ bezeichnet werden kann. […] Das UYOC ist das Produkt der Taufe.“ Nach Chr. Wolff, Der erste Brief an die Korinther, 298, hat GKXL eine finale Bedeutung, aber das implizite Subjekt ist Christus, der mit dem Geist wirkt. Das scheint mir die bessere Interpretation, die auch das Gewicht der sakramentalen Handlung relativiert.

Analyse von 1Kor 12,1–31

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zipien, Geist und Taufe, zur Erklärung des Aufbaus der Gemeinde zu kombinieren, scheint mir nicht im Text begründet zu sein.181 Die primäre Rolle des Geistes relativiert die sakramentale Handlung, die zwar eine große symbolische Kraft besitzt, denn sie stellt ein Ritual der Integration in die Gemeinschaft dar. Dass der Geist die Rolle hat, die Gemeinschaft zu stiften, ist im ganzen Brief offensichtlich. Auf die Taufe bezieht sich Paulus ebenso wie in 1Kor 10 und 11 auf die Feier des Abendmahls, weil sie alle Christen als Mitglieder der Gemeinschaft betrifft. Als Ritual besitzen beide eine große symbolische Kraft, die paränetisch gut auswertbar ist. M. Barth fasst sehr gut drei Punkte gegen eine „theology of sacraments“182 zusammen, die als allgemeine Kriterien im Diskurs über diese Vorstellung der Kirche als Leib gelten können: a) Paulus redet von der Taufe auch ohne Hinweis auf die Kirche. Die Vorstellung von drei Leibern Christi (gekreuzigter Leib, sakramentaler und mystischer Leib) ist Teil einer theologischen Erklärung, kann aber bei Paulus nicht nachgewiesen werden; b) Paulus redet von Taufe und Abendmahl immer in einem ethischen Kontext und nie dogmatisch; c) „zu einen Leib getauft“ und „ein und denselben Geist zu trinken bekommen“ sind bildliche Ausdrücke, um die stolze pneumatische Ausstattung der Korinther zu betonen. Es ist deutlich, dass die sakramentale Lektüre dieser Verse parallel zur gnostischen Deutung der „Leib Christi“Vorstellung stand, derzufolge die Sakramente eine Eingliederung der Gläubigen in den Erlöserleib bewirken.183 4.6 Die Wirklichkeit des UYOC Die paulinische Rede vom UYOC der Gemeinde, die m.E. eine paradigmatische Funktion für das Verständnis des Leibes überhaupt hat, zeigt einige Berührungspunkte mit philosophischen Fragen der Zeit und übernimmt deren Kategorien, insbesondere hinsichtlich der Beziehung des Teils zum Ganzen. Ein Vergleich der paulinischen Argumente mit der philosophischen Debatte seiner Zeit lässt sich am besten anhand von Schlüsselwörtern im Text herstellen. Es ist auffällig, dass das RPGWOC die Funktion hat, das kollektive UYOC durch Ausübung verschiedener Funktionen in seiner Glieder zum UWOHGTQP des Ganzen (1Kor 12,7) zu führen. Die Gemeinschaft ist 181 E. Käsemann, Das theologische Problem, 196: Die Idee ist, dass Christus durch Geist und Sakramente die Eingliederung in den Leib wirkt. 182 M. Barth, A Chapter on the Church, 151–152. 183 Siehe die Erklärungen von E. Käsemann, Leib und Leib Christi, 137, und 162–171, und R. Bultmann, Theologie des Neuen Testaments, 140. Käsemann sieht noch den Gebrauch vom Verb RQVK\GKP als einen Bezug auf die Abendmahlpraxis, dem die Form des Aorists aber widerspricht.

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Das UYOC der Gemeinschaft

als ein geeinter Körper dargestellt, in dem die verschiedenen Glieder in einem mitwirkenden Zusammenhang stehen, wie das Verb UWORCUEGKP in 1Kor 12,26 zeigt. Der Gedanke wird bildlich verstärkt durch den Vergleich mit einem Organismus, der durch den schöpferischen Akt Gottes das Ergebnis der Zusammenmischung (UWIMGTCPPWOK) vieler Glieder ist. In der Behauptung der Einheit des UYOC schreibt Paulus den bedeutungsvollen Satz, nach dem Gott den Leib so (durch eine Mischung) zusammengesetzt hat, dass das schwächste Glied ein Übermaß an Ehre bekommt. Eine solche Behauptung ist nicht zufällig. Sie bringt nicht nur eine Umwertung der Ehre, sondern sie setzt auch eine Theorie der Einheit und der Beziehung zwischen dem Teil und dem Ganzen voraus, die verständlich macht, dass auch ein kleiner Teil Relevanz hat. Anders als bisher behauptet wurde, bildet Paulus kein abstraktes Gegenmodell, sondern schafft eine objektive Plausibilität für seine Rede durch den Gebrauch von Begriffen aus der Diskussion seiner Zeit. 4.7 Die tria genera corporum-Systematik Wie man die Vielfalt zu einer Einheit bringt, ist ein Thema, das in allen philosophischen Richtungen der Zeit besonderes Interesse weckte. Im Mittelpunkt jeder Diskussion steht eine Theorie, die auf ein stoisches Milieu zurückgeht. Ein wichtiger Vergleich zum paulinischen Argument ist zweifellos die stoische Definition der Einheit eines UYOC und die daraus später entwickelte Aufteilung in drei verschiedene Arten von Körpern.184 Innerhalb der stoischen Philosophie ist sie eine weitere Systematisierung, die vielleicht wegen der Annahme von dualistischen oder atomistischen Vorstellungen eine weite Verbreitung in der römischen gelehrten Welt fand. Die Theorie der Aufteilung der UYOCVC wird sehr klar bei dem späteren Philosophen Sextus Empiricus wiedergeben: 184 Eine Verbindung zwischen Paulus und Stoa wird in diesem Punkt von M. Klinghardt, Gemeinschaftsmahl, 314–315, besonders aber in seinem Aufsatz, Die genera corporum, 212–215, angenommen. Diese Verbindung ist für Klinghardt eine Alternative zu den bisherigen religionsgeschichtlichen Erklärungen. Die bisherige Forschung sah Paulus eher in Distanz zu zeitgenössischen Philosophie und folgt dabei M. Pohlenz, Paulus und die Stoa, 538, der in Paulus einen religiösen Mensch sah, der sich deutlich vom jüdischen Philosophen Philo von Alexandrien unterschied. Das entspricht der paulinischen Forschung seiner Zeit. A. Deißmann, Paulus, (I Auf.) 76–77, urteilt ähnlich: „Philo schreibt, Paulus redet (auch seine Briefe sind gesprochen) […], Philo hinterlässt literarische Werke, Paulus unliterarische Briefe. Philo ist der Philosoph, Paulus der Tor gießt über die Weisheit die Schalen seiner Ironie aus …“. Die Übernahme des Bildes vom Leib aus der stoischen Popularphilosophie ist heute nun eine anerkannte These; vgl. H. Conzelmann, Der erste Brief an die Korinther, 248. Sie gilt aber meist nur als eine formale und metaphorische Übernahme, ohne inhaltlich relevant zu sein. Auch bei Klinghardt werden noch nicht die inhaltlichen Konsequenzen aus dieser Verwandtschaft gezogen.

Analyse von 1Kor 12,1–31

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VYP VG UYOCVYP VC OGP GXUVKP JBBPYOGPC VC FG GXM UWPCRVQOGPYP VC FG GXM FKGUVYVYP JBBPYOGPC OGP QWP GXUVKP VC WBBRQ OKCL G=ZGYL MTCVQWOGPC MCSCRGT HWVC MCK \Y^C GXM UWPCRVQOGPYP FG VC GM VG RCTCMGKOGPYP MCK RTQL G=P VK MGHCNCKQP PGWQPVYP UWPGUVYVC YBBL CBBNWUGKL MCK RWTIKUMQK MCK PJGL GXM FKGUVYVYP FG VC GXM FKG\GWIOGPYP MCK GXM MGEYTKUOGPYP MCK MCS8 CWBBVC WBBRQMGKOGPYP UWIMGKOGPC YBBL UVTCVKCK MCK RQKOPCK MCK EQTQK GXRGK QWP MCK QB MQUOQL UYOC GXUVKP JVQK JBBPYOGPQP GXUVK UYOC J GXM UWPCRVQOGPYP J GXM FKGUVYVYP QWVG FG GXM UWPCRVQOGPYP QWVG GXM FKGUVYOGPYP YBBL FKGMPWOGP GXM VYP RGTK CWXVQP UWORCSGKYP 185

Wie wir sehen werden, wird diese Aufteilung in verschiedenen Kontexten angewendet. Bei Sextus Empiricus findet sie eine kosmologische Anwendung, um zu beweisen, dass die Welt kein getrennter oder kein aus zusammengesetzten Teilen bestehender Körper ist, sondern ein geeinter Körper. Der Beweis für diese letzte Option ist der Einfluss des Mondes auf einige Phänomene wie Flut und Ebbe oder das Wachstum von Tieren und die Wirkung der Sterne auf die Atmosphäre und auf die Luft. Der Kosmos wurde daher als ein geeinter Körper mit einer Definition erklärt, die auch für die paulinische Argumentation wichtig ist, da hier das gleiche Verb UWORCUEGKP benutzt wird: GXZ YP UWOHCPGL Q=VK JBBPYOGPQP VK UYOC MCSGUVJMGP QBB MQUOQL GXRK OGP ICT VYP GXM UWPCRVQOGPYP J FKGUVYVYP QWX UWORCUEGK VC OGTJ CXNNJNQKL GK IG GXP UVTCVKC^ RCPVYP GKX VWEQK FKCHSCTGPVYP VYP UVTCVKYVYP QWXFGP MCVC FKCFQUKP RCUEGKP HCKPGVCK QBB RGTKUYSGKL> GXRK FG VYP JBBPYOGPQP UWORCSGKC VKL GXUVKP GK IG FCMVWNQW VGOPQOGPQW VQ Q=NQP UWPFKCVKSGVCK UYOC 

Die Systematisierung wird noch präziser, indem die geeinten Körper noch nach der Eigenschaft ihrer Einheit in drei Gruppen geteilt werden 1) WBBRQ G=ZGYL (wie Steine und Holz) 2) WBBRQ HWUGYL (Pflanzen) und 3) WBBRQ [WEJL (Tiere). Für Sextus Empiricus gehört die Welt zu dieser letzen Gruppe der geeigneten Körper, weil eine UWORCSGKC der Teile besteht. 185 S. E. M. IX 77–78, (SVF II,1013) „Von den Körpern sind einige geeint, einige sind aus getrennten und einige aus zusammengefügten (Teilen). Geeint sind diejenigen, die von einer einzigen Kraft (G=ZKL) zusammengehalten sind, wie Pflanzen oder Tiere. Aus zusammengesetzten sind diejenigen, die aus nebeneinanderstehenden Teilen bestehen, die zum gleichen Haupt tendieren, wie Ketten, Türme und Schiffe. Aus getrennten sind diejenigen, die aus getrennten und isolierten (Teilen) bestehen und für sich bleiben, wie Soldaten, Herden und Chöre. Denn die Welt ist ein Körper, entweder ein Körper aus geeinten, aus zusammengesetzten, oder aus getrennten (Teilen). Sie ist aber nicht aus getrennten oder aus zusammengesetzten (Teilen), sondern aus solchen, die untereinander mitwirken“. 186 S. E. M. IX,79 (SVF II,1013): „Daraus wird ersichtlich, dass die Welt aus einem geeinten Körper besteht, weil die Teile eines Körper aus zusammengesetzen oder zueinandergefügten (Teilen) nicht miteinander zusammenwirken. Gesetzt den Fall, dass in einem Heer alle Soldaten sterben, scheint der Überlebte aber keine Verletzung zu erleiden. Bei geeinten Körpern aber besteht ein Zusammenwirken: Wenn nämlich ein Finger abgeschnitten wird, wird der ganze Körper in Mitleidenschaft gezogen.“

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Das UYOC der Gemeinschaft

Eine ähnliche kosmologische Anwendung findet man in einem Text von Achilles Isagoge über die Natur der Sterne: UYOCVC JBBPYOGPC NGIGUSCK Q=UC WBBRQ OKCL G=ZGYL MTCVGKVCK QKQP NKSQL ZWNQP> GUVK FG G=ZKL RPGWOC UYOCVQL UWPGMVKMQP UWPJOOGPC FG Q=UC QWXE WBBRQ OKCL G=ZGYL FGFGVCK YBBL RNQKQP MCK QKXMKC> VQ OGP ICT GXM RQNNYP UCPKFYP JBB FG GXM RQNNYP NKSYP UWIMGKVCK FKGUVYVC FG YBBL EQTQL 187

Die Aufteilung wird von Achilles Isagoge angewendet, um zu dem Schluss zu kommen, ein Stern sei ein geeinter Körper, während eine Konstellation aus getrennten Körpern bestehe. In diesem Fall hat man der Eindruck, dass ein Kollektiv von Menschen notwendigerweise als eine Größe definiert wird, die keinen Einheitsfaktor besitzt. Die getrennten Körper zerfallen weiter in zwei Gruppen, eine Gesamtheit aus einer unbestimmten Zahl von Elementen wie eine Menge oder aus einer bestimmten Zahl wie ein Chor. Die Aufteilung findet auch Anwendungen bei den lateinischen Autoren, die sich auf die stoische Philosophie beziehen. Seneca zitiert die Aufteilung in einer Epistel bei der Behandlung der ethischen Behauptung „ex distantibus nullum bonum“, um gegen dieses Prinzip zu argumentieren und implizit auch gegen einen getrennten Ursprung des Guten. Die Termini der stoischen Theorie sind den oben zitierten Texten ähnlich: Quaedam continua esse corpora, ut hominum, quaedam esse compositam, ut navem, domum, omnia denique, quorum diversae partes iunctura in unum coactae sunt; quaedam ex distantibus, quorum adhuc membra separata sunt, tamquam exercitus, popolus, senatus. Illi enim per quos ista corpora efficiunt, iure aut officio coharentes natura diducti et singuli sunt.188

In diesem Zitat ist die lateinische Terminologie interessant, die geeinten Körper sind continua, d.h. Körper, deren Elemente ein continuum bilden, aber noch interessanter ist die Definition der menschlichen Gruppen wie Heer, Volk und Senat als getrennter Körper von Natur aus, die aber anders als bei Sextus Empiricus kein Mitwirken (UWORCSGKC) kennen. Das einzige Mittel, um die Menschen zusammenzuschließen, ist die Ausübung des Rechtes (iure) und der politischen Macht (officio), ohne die die Menschen nur als einzelne (singuli) und getrennte (diducti) wahrzunehmen sind. Diese 187 Achilles Isag. Phaen. 14 (SVF II,368) „Geeinte Körper werden diejenigen genannt, die von einer Kraft (G=ZKL) beherrscht werden wie Stein und Holz, und die Kraft ist Luft (RPGWOC), die den Körper zusammenhält. Zusammengefügte sind diejenigen, die nicht von einer Kraft gebunden sind, wie Schiff und Haus: das eine nämlich besteht aus vielen Brettern, das andere aus vielen Steinen. Getrennte Körper sind wie ein Chor.“ 188 Sen. Epist. 102,6. „Einige Körper sind geeint, andere zusammengefügt, wie ein Schiff, ein Haus, und schließlich alles, dessen Teile getrennt sind, wie ein Heer, ein Volk oder der Senat. Jene nämlich lassen diese Körper entstehen, indem sie, die von Natur aus getrennt und vereinzelt sind, sich durch Recht oder Funktion zusammenschließen.“

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Erklärung unterstützt in seiner politischen Folge die einheitsschaffende Funktion der römischen Macht in der sonst vom Chaos dominierten Welt. Hier spiegelt sich das römische Vertrauen in die Ausübung des Rechtes und der politischen Herrschaft zur Regierung der Welt. Die Theorie wird noch von Seneca in den Naturales quaestiones benutzt, um die Natur der Atmosphäre nicht als quidem ex distantibus corpuscolis nach der Theorie der Atomisten zu definieren, sondern als Einheit, deren Teile miteinander wirken.189 Die Diskussion über die Herkunft dieser Aufteilung in der Geschichte der Stoa ist umstritten. Am wahrscheinlichsten scheint mir die Erklärung von Reinhardt, der folgende Systematik Poseidonios und nicht Chrysipp zuschreibt.190 Seine Argumentation stützt sich auf ein Zitat aus Plutarch, wo der Philosoph die stoische Idee eines einzigen Kosmos und eines einzigen Schicksals durch die Vorstellung von vielen getrennten UYOCVC in der Welt widerlegt und die Existenz von vielen Welten vertritt. QWX ICT GXPVCWSC OGP G?P UWPKUVCVCK UYOC RQNNCMKL GXM FKCUVYVYP UYOCVYP QKQP GXMMNJUKC MCK UVTCVGWOC MCK EQTQL YP GBBMCUVY^ MCK \JP MCK HTQPGKP MCK OCPSCPGKP UWODGDJMGP YBBL QKVCK &TWUKRRQL.191

Die „Körper aus getrennten Teilen“, Volksversammlung (GXMMNJUKC), Heer und Chor, denen sonst in der oben vorgetragenen Körperaufteilung keine Einheit zukommt, werden doch in dem Zitat aus Chrysipp als Körper definiert, die leben, denken und lernen können.192 Das zeigt eine Entwicklung in der Stoa, aufgrund derer die menschliche Kollektivität als getrennt erklärt 189 Sen. Nat. II,6,2. In der Definition der Luft (II,2,2–3) benutzt er folgende mögliche Kategorien a) aliquid continuum, b) aliquid commissum. In der zweiten Kategorie werden getrennte und zusammengesetzte Körper eingeschlossen, die nexu, acervatione oder compatione eine Einheit bilden. Interessant ist die Definition von Einheit „unitas est sine commissura continuatio“. Zur ersten Kategorie gehören ein Seil, eine Menge Weizen und ein Schiff, zur zweiten ein Baum und ein Stein. Cic. Nat. deor. II,82, redet in einer Polemik gegen Epikur von dem Kosmos als einem einheitlichen Körper „non ita dicimus ut glaebam aut fragmentum lapidis aut aliquid eius modi nulla cohaerendi natura, sed ut arborem et animal, in quibus nulla temeritas sed ordo apparet et artis quaedam similitudo.“ 190 K. Reinhardt, Kosmos und Sympathie, 35. Die Gegenposition, nach der die Konzeption aus Chrysipp stammt, wird von M. Pohlenz vertreten, aber scheint tatsächlich weniger überzeungend, siehe M. Klinghardt, Die genera corporum, 200. 191 Plu. Mor. (De defectu oraculorum) 426a: „Von daher nämlich ein einzelner Körper aus vielen getrennten Körpern, wie eine Volksversammlung und ein Heer und ein Chor, bei denen jedem einzelnen Leben, Denken und Verstehen zukommt, wie Chrysipp sagt.“ 192 K. Reinhardt, Kosmos und Sympathie, 36; Poseidonios, 347–348, Anm. 2: „Allein was dem Chrysipp hier zugeschrieben wird, ist nicht die Einteilung der Körper, sondern seine Lehre von der Beseeltheit der Abstrakta, über die Plutarch auch sonst sich aufhält. […] Nach dem Sinn der Einteilung müsste VC FKGUVYVC vielmehr das Unbeseelte, Unorganische bedeuten. Also geht Chrysipp die Einteilung nichts an“. M. Klinghardt, Die genera corporum, 200–201, übernimmt auch die Schlussfolgerung von Reinhardt.

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Das UYOC der Gemeinschaft

wurde. Diese Theorie von der Aufteilung der Körper könnte eine Aufnahme atomistischer Gedanken spiegeln, die die physische Welt komplexer darstellen wollen als die statische Körperkonzeption der Älteren Stoa, die per definitionem einheitlich war. Paulus ist auch mit dieser Frage der Beziehung von Teil und Ganzem vertraut. Die Spaltungen in Korinth stellen für ihn eine theoretische Herausforderung dar, aber sein Standpunkt unterscheidet sich von der mittelstoischen Begrifflichkeit, indem er die Gemeinde als einen durch die Funktion des RPGWOC geeinten Körper ansieht. Das ist die Besonderheit des paulinischen Diskurses, der meines Wissens nur mit einer einzigen Analyse bei Plutarch verglichen werden kann. Dieser benutzt die stoische Zuteilung der Körper, um die verschiedenen Verhältnisse zwischen Mann und Frau zu beschreiben. Den drei genera corporum entsprechen drei Arten von Partnerschaft: die Ehe, geschlossen, um Kinder zu zeugen, ist ein Körper aus zusammengefügten Teilen, die Partnerschaft, die nur auf sexueller Ebene basiert, bildet einen getrennten Körper, während die eigentliche Ehe eine Mischung von Körpern, Besitztümern, Freunden und Verwandten ist.193 Dies Beispiel kann nicht ganz mit der paulinischen Vorstellung der Gemeinde als geeintem Körper verglichen werden, weil es bei Plutarch um ein Paar und nicht um eine Gruppe von Menschen geht und weil die Vermischung der Eheleute nicht durch eine gleichwertige Durchdringung wie in der egalitären stoischen Theorie geschieht, sondern durch die Ausübung einer milden Macht des Mannes auf die Frau in Analogie zur Herrschaft der Seele über den Körper. „Der Mann soll über die Frau herrschen nicht als der Besitzer eines Eigentums, sondern wie die Seele über den Körper durch Mitwirken und Zusammenwachsen in der Zuneigung“.194 Die Entwicklung in der Stoa kann m.E. auch durch das neue Selbstverständnis des Menschen in der römischen Welt erklärt werden: Er erfährt sich nach der Überwindung des klar umgrenzten Lebens in der griechischen Polis im römischen Reich eher als eine atomistische Größe.195 Ein zweiter Faktor, der eine Rolle in der Entwicklung spielt, ist das veränderte Verhältnis zur römischen Herrschaft und die progressive Verwandlung der stoischen Philosophie von einem machtkritischen und sogar revolutionären

193 Plu. Mor. (Praecepta coniugalia) 142f–143a: FGK FG Y=URGT QKBB HWUKMQK VYP WBBITYP NGIQWUKP FK8 Q=NYP IGPGUSCK VJP MTCUKP QW=VY VYP ICOQWPVYP MCK UYOCVC MCK ETJOCVC MCK HKNQWL MCK QKXMGKQWL CXPCOGKESJPCK FK8 CXNNJNYP. Interessant ist hier, dass Plutarch die stoische Theorie der vollständigen Vermischung, die er sonst heftig kritisiert, übernimmt und positiv verwendet. 194 Plu. Mor. (Praecepta coniugalia) 142e. 195 M. Pohlenz, Die Stoa I, 165, beschreibt die Folgen des Zusammenbruchs der Polisidee auf die Philosophie und die Tendenz zu einer materialistischen und individualistische Weltanschauung, die keine „Verpflichtung gegen die Gemeinschaft anerkannte“ wie im System von Epikur.

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System zu einer rechtfertigenden Ideologie des römischen Reiches.196 Es ist interessant zu sehen, wie Seneca diese fragmentarische Vorstellung der Bewohner des römischen Reiches am Beginn seines Werkes De clementia beschreibt: „[…] sodann den Blick auf diese unermessliche Masse zu richten, uneinig, aufsässig, unbeherrscht, zu fremdem und eigenem Verderben gleichermaßen bereit, wenn sie dieses Joch zerbrochen hat“.197 Diese Darstellung einer zergliederten Welt entspricht dem Anspruch des Imperium romanum, in einer solchen Welt zum einzigen Einheitsfaktor wird. 198 Das dem jungen Nero gewidmete Werk spricht von dem Kaiser als dem Einheitsfaktor im Reich, das wie ein Körper abgebildet wird. Dieser Aspekt wird noch im Abschnitt über die Leibmetaphorik in der Politik behandelt. Die Theorie einer Aufteilung der Körper scheint nun in Kontinuität mit dieser Revision des altstoischen Systems durch die Mittlere Stoa zu stehen.199 Die Besonderheit der Älteren Stoa ist ihr monistisches und deterministisches System,200 weil die zwei Prinzipien der aristotelischen Philosophie (CTECK) – das, was wirkt (VQ RQKQWP), das göttliche Prinzip, und das, was leidet (VQ RCUEQP), die Materie – untrennbar voneinander im UYOC existieren und nur logisch voneinander zu unterscheiden sind.201 Die CTECK sind Aspekte eines Körper und selbst somatischer Natur,202 was zum 196 Sen. Clem. II,5,2, nimmt noch in seiner Zeit ein gewisses Misstrauen gegenüber der Stoa wahr, das er zurückweist und als Unkenntnis brandmarkt. 197 Sen. Clem. I,1,1: „tum inmittere oculos in hanc inmensam multitudinem discordem, seditiosam, inpotentem, in perniciem alienam suamque pariter exultaturam, si hoc iugum fregerit.“ Deutscher Text von M. Rosenbach, 3. 198 Das gleiche Schema findet man bei Cic. Nat. deor. II,29, wo die Einheit nur durch das Herrschen des JBBIGOQPKMQP in den Organismen und im Kosmos zu Stande kommt: „Omnem enim naturam necesse est, quae non solitaria sit neque simplex, sed cum alio iuncta atque conexa, habere aliquem in se principatum […] Principatum autem id dico, quod Graeci JBBIGOQPKMQP vocant, quo nihil in quoque genere nes potest nec debet esse praestantibus.“ 199 H. von Staden, Body, Soul and Nerves, 100 sieht eine Kontinuität zwischen die Aufteilung der Körper und der altstoischen Physik. Aber die meiste Autoren sehen eine Entwicklung. 200 Der monistische und deterministische Charakter des altstoischen Systems wird von M. Pohlenz, Die Stoa, 67–68, und besonders von R. B. Todd, Monism and Immanence, 139–155, erklärt. 201 Die Untrennbarkeit der zwei Prinzipien und ihre Körperlichkeit hat viele Einwände in der antiken Philosophie hervorgerufen. Es war nicht vorstellbar, dass das göttliche Prinzip somatisch und mit der Materie untrennbar geeint ist. M. Lapidge, Stoic Cosmology, 164, fasst so diesen Gegensatz so zusammen: „It need not be surpising, therefore, that many Stoic testimonies stress the inseparability of the two principles (SVF 2.308, 313 etc.); and although the Stoics considered them to be corporal, they used their archai to some extent as methodological principles like those of Aristotle.” 202 UYOC ist definiert nicht nur als dreidimensional (SVF II,357, sondern als alles, was wirkt und leidet (SVF I,90; SVF I,98 QWVQL COHY UYOCVC HJUKP GKPCK MCK VQ RQKQWP MCK VQ RCUEQP. UYOC ist noch jede Ursache (SVF II,336 MCK VQ OGP CKVKQP Q MCK UYOC) und alles was sich bewegt und in dem Kosmos Vitalität hat (SVF II,387 GVK RCP VQ MKPQWP MCK GXPQENQWP UYOC GXUVK … GVK RCP MKPQWOGPQP UYOC GXUVK). Plu. Mor. (De communibus notitiis contra Stoicos) 1084b–d, äußert sich ironisch über diese Vorstellung, das alles UYOC sei. Er benutzt absichtlich das abwertende Wort

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Das UYOC der Gemeinschaft

Schluss führt, dass alles, was eigentlich wirkt und leidet, ein UYOC ist.203 Die Seele, die bei Platoniker und Aristoteliker unkörperlich ist, wird in der Stoa somatischer Natur gedacht und mit dem UYOC gleichgestellt, mit der Begründung, dass nichts Unkörperliches mit etwas Unkörperlichem mitwirken bzw. mitleiden (UWORCUEGKP) kann. Das kann man noch in einem CleanthesZitat bei Nemesios von Emesa lesen: GVK FG QBB -NGCPSJL HJUKP> QWXFGP CXUYOCVQP UWORCUEGK UYOCVK QWXFG CXUYOCVY^ UYOC CXNNC UYOC UYOCVK> UWORCUEGK FG JBB [WEJ VY^ UYOCVK PQUQWPVK MCK VGOPQOGPY^ MCK VQ UYOC VJ^ [WEJ^> CKXUEWOGPJL IQWP GXTWSTQP IKPGVCK MCK HQDQWOGPJL YXETQP> UYOC CTC [WEJ.204

Für die alte Stoa ist eine UWORCSGKC nur zwischen gleichgestellten Elementen möglich. Die somatische Natur der Seele wird auch noch von Chrysipp vertreten, denn die Seele trennt sich im Tod vom Körper und kann nur körperlich sein.205 Ein wichtiges Element in der Beschreibung des stoischen Monismus ist der Begriff des RPGWOC. Obwohl RPGWOC schon von Zeno in der Definition der Seele gebraucht wurde, ist Chrysipp derjenige,206 der diesen Begriff in der Physik und in der Kosmologie konsequent benutzt, um die Einheit der Teile zu betonen. Der ursprüngliche Gebrauch kommt aus der biologischen und medizinischen Forschung, wo die Bedeutung des Atems für die Lebewesen nachgewiesen wurde.207 Dass die Basis der chrysippischen Theorie in dem neu entdeckten Menschenbild liegt, geht aus folgendem Chrysipp-Fragment über die Seele hervor: J [WEJ RPGWOC GXUVK UWOHWVQP WBBOKP UWPGEGL RCPVK VY^ UYOCVK FKJMQP GUV8 CP JB VJL \YJL GWRPQKC RCTJ^ GXP VY^ UYOCVK> VCWVJL QWP VYP OGTYP GBBMCUVY^ FKCVGVCIOGPYP OQTKY^ \Y^C, um die stoische Definition von Gefühle, Handlungen (GXPGTIGKC) als UYOC einer ironischen Betrachtung zu unterziehen. GVK MCK VJL GXPGTIGKCL UYOCVC MCK \Y^C RQKQWUK VQP RGTKRCVQP \Y^QP VJP QTEJUKP VJP WBBRQFGUKP VJP RTQUCIQTGWUKP VJP NQKFQTKCP GRGVCK FG VQWVQKL MCK IGNYVC \Y^QP GKPCK MCK MNCWSOQP (1084c). 203 S. E. M. VIII,263 (SVF II,363) referiert die Grundthese der Stoa über das Unkörperliche VQ ICT CXUYOCVQL MCV8 CWXVQWL QWVG RQKGKP VK RGHWMGP QWVG RCUEGKP. Diese Definition steht im Gegensatz zur Philosophie der Akademiker und Peripatetiker, wie Cic. Ac. I,39 (SVF I,90) bemerkt. 204 Nemesios 78,7–79,2 (SVF I,518). „Er (Cleanthes) sagt noch: nichts Unkörperliches leidet mit einem Körper mit, und kein Körper mit Unkörperlichem; sondern Körper mit Körper. Aber die Seele leidet mit dem Körper, wenn er krank ist und verletzt wird und der Körper mit der Seele, wenn sie sich noch schämt, errötet er oder erblasst, daher ist die Seele ein Körper.“ Ich übersetze hier UWORCUEGKP mit “mitleiden”, um eine Verbindung mit dem allgemeinen Thema der UWORCSGKC zu setzen, aber die Bedeutung ist wahrscheinlich breiter in Richtung von „mitwirken“ wie in der Übersetzung von A. Long/D.N Sedley, The Hellenistic Philosophers Bd I, 272, wo das Verb „to interact“ benutzt wird. 205 Nemesius 81,6–10 (SVF II,790). 206 M. Lapidge, Cosmology, 168–169: „All the surviving evidence points to Chrysipp as the probably ‚inventor‘ of the Stoic theory of cosmic pneuma in its full form.“ 207 M. Lapidge, Cosmology, 168, diese Erkenntnis stammt aus der sizilianischen medizinischen Schule von Philistion und wurde von Aristoteles übernommen. Die stoischen Argumente zeigen nach Lapidge eine gewisse Abhängigkeit von den aristotelischen Gedanken.

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VQ FKJMQP CWXVJL GKXL VJP VTCEGKCP CXTVJTKCP HYPJP HCOGP GKPCK VQ FG GKXL QXHSCNOQWL Q[KP VQ FG GKXL YVC CXMQJP VQ FG GKXL TBBKPCL QUHTJUKP VQ F8 GKXL INYVVCP IGWUKP VQ F8 GKXL Q=NJP VJP UCTMC CBBHJP MCK VQ GKXL QTEGKL G=VGTQP VKP8 GEQP VQKQWVQP NQIQP URGTOCVKMQP> GKXL Q? FG UWODCKPGK RCPVC VCWVC GXP VJ MCTFKC^ GKPCK OGTQL Q P CWVJL VQ JBBIGOQPKMQP 208

Diesem Text kann man das ganzheitliche Menschenbild des Chrysipp entnehmen, das die Grundlage für seine Physik und Kosmologie bietet. Die Seele ist vollständig mit dem Körper gemischt und durchdringt gleichmäßig jeden Teil. Diese Verbindung von zwei Körpern ist in der Theorie der Mischungen begründet, die noch kurz geschildert werden soll. Der führende Teil der Seele (das JBBIGOQPKMQP) liegt im Herzen des Menschen und nicht wie bei hierarchischen Schemata im Kopf. Noch bedeutungsvoller ist die Betonung der Durchdringung der Geschlechtsorgane durch das RPGWOC, was gegen eine hierarchische Vorstellung des Menschen spricht. Gerade dieser Punkt, dass sich das göttliche Prinzip mit unehrenvollen und niedrigen Teile vermischen kann, führte zu ironischen Reaktionen bei den späteren Autoren. Die paganen Philosophen fanden die hierarchische Inversion unverständlich,209 nach der das niedrige Prinzip mit dem oberen verbunden war. Bei den christlichen Autoren wie Clemens von Alexandrien ist die Vermischung der göttlichen mit der CXVKOQVCVJ W=NJ210 deswegen unannehmbar, weil sie die immanente Vorstellung impliziert, dass Gott und die Welt nicht unterschieden werden.211 Dem RPGWOC wird von Chrysipp die wichtige Funktion zugeschrieben, den Körpern Kohäsion und Eigenschaften durch den VQPQL oder die VQPKMJ MKPJUKL zu verleihen.212 208 SVF II,911: „Die Seele ist Luft, uns angeboren, homogen und durchdringt jeden Teil des Körpers, solange der Hauch des Lebens im Körper vorhanden ist. Weil ihre Teile nun auf alle Glieder verteilt sind, nennen wir ihr Durchdringen der Luftröhre Stimme, der Augen Sicht, der Ohren Gehör, das der Nase Riechen, der Zunge Geschmack, des ganzen Fleischs Tastsinn, und der Hoden, obwohl es eigentlich eine andere Bedeutung hat, das Samenhafte. All diese Dinge kommen in dem Teil der Seele zusammen, der sich im Herzen befindet, das Hegemonikon.“ 209 SVF II,1038: Für Alexander von Aphrodisia ist es unverständlich, dass das Göttliche, der PQWL, auch GP VQKL HCWNQVCVQKL („in den schlechtesten“) sei, in SVF II,1037 findet man das Wort GKXFGESJL „hässlich“; beide Worte können sich auf die Schamteile beziehen. 210 Clem. Al. Strom. I, 346 (SVF II,1040): UYOC QPVC VQP SGQP FKC VJL CXVKOQVCVJL W=NJL RGHQKVJMGKPCK NGIQWUKP Clem. Al. Protrepticus, 5, 66 (SVF II,1039): FKC RCUJL W=NJL MCK FKC VJL CXVKOQVCVJL VQ SGKQP FKJMGKP NGIQPVCL Das Adjektiv CXVKOQVCVJ bezeichnet hier die Materie, aber das schließt die Geschlechtsorgane in einer anthropologischen Perspektive nicht aus. Paulus benutzt in 1Kor 12,21–26 die drei Adjektive CXUSGPGUVGTC CXVKOQVGTC und CXUEJOQPC, um im Grunde die Schamteile und nicht andere interne Organe zu bezeichnen (Chr. Wolff, Der erste Brief an die Korinther, 300). Er scheint in dem Vergleich die egalitäre Perspektive nach dem Schema der alten Stoiker zu vertreten, nach der die Vergabe des Geistes auch den als ehrlos betrachteten Gliedern eine gleichwertige Würde verleiht. 211 Vgl Lact. Inst. VII, 3 (SVF II,1041): „At isti uno naturae nomine duas res diversissimas comprehendunt, deum at mundum, artificem et opus […] Nam interdum sic confundunt, ut sit deus ipse mens mundi et mundi sit corpus dei“. 212 SVF II,863.

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Das UYOC der Gemeinschaft

4.8 Die Theorie der Mischungen Die Mannigfaltigkeit der Körper galt wahrscheinlich als Argument, um die einseitige Einheit und den durch das RPGWOC gegebenen continuumGedanken der Physik Chrysipps zu überwinden, was ein Anliegen der poseidonischen Revision der stoischen Philosophie ist. Eine Lehrmeinung der Älteren Stoa, die stark kritisiert wurde, war zusammen mit der durch das RPGWOC gegebenen Einheit die Lehre der Mischungen und insbesondere der Begriff der MTCUKL FK8 Q=NQP. Das RPGWOC kann in den Körpern ein continuum schaffen, indem es die Materie und das Universum durchdringt und es damit einigt, stabilisiert und mitwirkend macht.213 Die Mischungen werden von Chrysipp in drei Gruppen geteilt: die RCTCSGUKL („Danebenstellung“) bezeichnet die Mischung von zwei Elementen, deren Qualitäten und Substanz bestehen bleiben, weil ein Kontakt nur an der Oberfläche erfolgt (Mischung von Getreide und Bohnen). Die UWIEWUKL („Verschmelzung“) stellt das andere Extrem dar. In diesem Fall erfolgt eine vollständige Durchmischung der Elemente, durch die die einzelnen Qualitäten und Substanzen zerstört werden und eine neues UYOC entsteht (Mischung von Medikamenten). Die eigentliche Mischung wird MTCUKL genannt, wenn die Elemente trotz einer vollständigen gegenseitigen Durchdringung ihre Qualität behalten.214 Der MTCUKL F8 Q=NQP nach kann sich auch die kleinste Portion einer Substanz mit einer viel größeren Menge einer anderen Substanz voll mischen.215 Das oft vorkommende Beispiel ist die Mischung eines Tropfens Weins mit dem Meer, das von Chrysipp in Polemik gegen Aristoteles gebraucht wird.216 Wenn ein großes Element mit einem sehr kleinen zusammengesetzt wird, findet nach Aristoteles keine Mischung statt, sondern es entsteht ein Wachsen der Stärkeren, durch eine Verwandlung des kleinen in das große Element, wie wenn man einen Tropfen Wein ins Meer gießt.217 Chrysipp behauptet durch seine Theorie der Durchdringung hingegen, dass der Tropfen Wein seine Qualität behält und sich mit dem ganzen Meer durchmischt. Die Radikalität dieser Theorie und ihre egalitären Folgen, die ein proportionales Verhältnis zwischen Teil und Ganzem aufhebt und den Unterschied in der Menge als irrelevant erklärte, wurde heftig attackiert und löste Entset213 SFV II,473: UWPGEGVCK VG UWOOGPGK MCK UWORCSGL G8UVKP CWBBVY^ VQ RCP 214 Alex. Aphr. Mixt. 216 (SVF II,473). 215 S. Sambursky, Physics of the Stoics, 15. 216 A.A. Long/D.N. Sedley, The Hellenistic Philosophers I, 292: „the theory appears to have been developed with deliberate reference and opposition to Aristotle.“ Vgl. Bd. II, 288. 217 Arist. GC 328a: RQNNC OGP QXNKIQKL MCK OGICNC OKMTQKL UWPVKSGOGPC QWX RQKGK OKZKP CXNN8 CWZJUKP VQW MTCVQWPVQL> OGVCDCNNGK ICT SCVGTQP GKXL VQ MTCVQWP QKQP UVCNCIOQL QKPQW OWTKQKL EQGWUKP W=FCVQL QWX OKIPWVCK> NWGVCK ICT VQ GKFQL MCK OGVCDCNNGK GKXL VQ RCP W=FYT

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zen aus. Plutarch erwähnt das gleiche Beispiel des Tropfens Wein, der sich mit dem Meer und dem Universum zusammenmischt, und brandmarkt es als eine absurde Theorie.218 Damit wird auch die grundlegende Vorstellung einer vollständigen Durchdringung in der Mischung von Plutarch als unlogisch verworfen, wenn man zwei Maß Wasser mit einem Maß Wein mischt, sollte sich nach Plutarch drei Maße Mischung ergeben, und wenn man der stoischen Theorie folgen soll, soll der Wein das Volumen des Wassers besetzen.219 Die Basis der stoischen Theorie war die Vorstellung von einem continuum in der Struktur der Körper und die volle Mischung. Die scharfe Kritik Plutarchs geht in Ironie über, wenn er Archesilaus’ Beispiel von dem ins Meer geworfenen Wein, durch den die Flotte des Antigones fährt, zitiert und es noch verschärft, indem er hinzufügt, dass sich die Flotte von Xerxes und diejenige der Griechen eine Seeschlacht im Wein geliefert hätten.220 Diese Theorie der vollständigen Vermischung fand selbst bei der Mittleren Stoa wenig Anklang. Poseidonius betrachtete sie als unhaltbar und entwarf stattdessen eine differenzierte Vorstellung des Wesens der Körper entwarf. 4.9 UWORCSGKC Das Vorkommen des Verbs UWORCUEGKP in 1Kor 12,26 ist nicht zufällig und fordert eine genauere Betrachtung des Begriffs in der damaligen Zeit. Wie wir schon gesehen haben, wird der Begriff in der alten Stoa benutzt, um die enge Verbindung in einem Körper und dessen einheitliche Struktur zu bezeichnen. Er wird dabei auf das Universum übertragen. Chrysipp ist vermutlich der erste, der die medizinische Erkenntnis einer Mitwirkung

218 Plu. Mor. (De communibus notitiis contra Stoicos) 1078e: MCK VCWVC RTQUFGEGVCK &TWUKRRQL GWXSWL GXP VY^ RTYVY^ VYP )WUKMYP GKX ICT OJ CWXVCTMJL G=MCUVQL EYTKUSGKL QBBOQKYL VQKL CNNQKL OGTGUKP G=ZGK RTQL VQ Q=NQP QBB FG OJ FWPCOGPQL MQKPYPGKP J OJFGP FGQOGPQL FK8 CWXVCTMGKCP QWXSGP OGTQL RQNGYL Y=UVG J

SJTKQP J SGQL HWUGK OGP QWP JBB QBBTOJ GXP RCUKP GXRK VJP VQKCWVJP MQKPYPKCP 272

Die Argumente des Aristoteles, die eine Leibmetaphorik benutzen, setzen eine Hierarchie der Wesen voraus: Götter – Menschen – Tiere, wobei die Gemeinschaft eine natürliche Beschaffenheit des Menschen ist. Auch in der Gemeinschaft ist der Staat (RQNKL) wichtiger als die Familie (QKXMKC). Im Schema des Paulus geschieht das Gegenteil: Nicht nur der Einzelne wird maßgebend für die Gemeinschaft, sondern insbesondere das nach allgemeiner Ansicht unterste Glied, das auch vom Geist inspiriert ist. Hier spiegelt sich die skandalöse Aussage der Stoiker wider, nach der der Geist, der für 272 Arist. Pol. 1253a, 18–28: „Darum ist denn auch die Polis der Natur nach prioritär als die Familie und als ein Einzelner von uns. Das Ganze muss nämlich früher sein als der Teil. Hebt man das Ganze auf, so kann es keinen Fuß und keine Hand mehr geben, außer nur dem Namen nach, wie wenn man etwa auch eine Hand aus Stein Hand nennt, denn nach dem Tode ist sie nur mehr eine solche. Alles ist aber nach einer Aufgabe oder nach einer Fähigkeit bestimmt und, wenn es keine (Aufgabe und Fähigkeit) mehr hat, kann es nicht mehr auf dieselbe Weise bezeichnet werden, sondern nur mit einem (inhaltlosen) Namen. Es ist nämlich klar, dass die Polis von Natur aus auch früher als der Einzelne ist. Denn wenn sich der Einzelne nicht trennt, als wäre er autark, so muss er sich verhalten wie die anderen Teile zum Ganzen, wer aber nicht in Gemeinschaft leben kann, oder ihrer wegen seiner Selbstängikeit, gar nicht bedarf, ist entweder ein Tier oder ein Gott. Von Natur aus dann ist in allen ein Impuls zur gleichen Gemeinschaft. “ Die wichtige Aussage ist VQ ICT Q=NQP RTQVGTQP CXPCIMCKQP GKPCK VQW OGTQWL (deutsche Übersetzung E. Rolfes, 5). Formell entspricht das Schema den Argumenten von Menenius Agrippa.

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Das UYOC der Gemeinschaft

die Einheit der Glieder im Körper sorgt, sogar die Schamteile durchdringt. Die communis opinio wird durch eine Werteumkehr in Frage gestellt. Paulus formuliert die Vorstellung der christlichen Gemeinschaft im offenen Gegensatz zu dem Wertesystem der Zeit.273 Ein weiterer Beweis für diese Hypothese ist der Gebrauch des Partizips FQMQWPVC (VC FQMQWPVC OGNJ VQW UYOCVQL CXUSGPGUVGTC WBRCTEGKP CXPCIMCKC GXUVKP 1Kor 12,22) das eine kritische Zuspitzung enthält und nicht die Anerkennung einer Überlegenheit, wie man dem Gebrauch der gleichen Partizipialform in Gal 2,2–9 in einer wichtigen innerchristlichen Konfrontation mit den Jerusalemer Aposteln entnehmen kann. Die Apostel beanspruchen für sich einen gewissen Vorrang bzw. ihnen wird eine besondere Bedeutung zugeschrieben (Gal 2,9 QKB FQMQWPVGL UVWNQK GKPCK), aber Paulus widerspricht dieser Ansicht durch Berufung auf die Unmittelbarkeit der Offenbarung Gottes und durch das Motiv der Neutralität Gottes. In beiden Kontexten bedeutet der Gebrauch von FQMGKP eine kritische Distanzierung und nicht die Behauptung einer Überlegenheit.274 Innerhalb dieses Entwurfes einer Gemeinschaft von gleichgestellten Gliedern wird das Wort ECTKUOC verwandt. Es wird wahrscheinlich von Paulus zusammen mit GXPGTIGKC und FWPCOKL benutzt, um die Bedeutung von RPGWOCVKMC als einer fast persönlichen Eigenschaft zu korrigieren. Die Betonung der Glossolalie und die damit verbundene soziale Statusüberlegenheit werden von Paulus auf zweierlei Weise relativiert, einerseits durch die Schilderung einer grundsätzlichen Gleichwertigkeit aller Charismen und andererseits durch die Behauptung einer im Vergleich mit der Glossolalie größeren Nützlichkeit der Prophetie für die im Gottesdienst versammelte Gemeinde und für die zufällig hereingekommenen Menschen. Die beiden Kriterien stehen nicht in Widerspruch zueinander, so als ob etwa Paulus die von ihm bekämpfte Hierarchisierung durch eine neue Hierarchisierung ersetzen will. Die größere Bedeutung der Prophetie wird wesentlich durch die konkrete Situation der Gemeindeversammlung bestimmt und ist aus der Perspektive der Mission formuliert, wo die Deutlichkeit der Sprache eine unerlässliche Rolle für die Kommunikation und für den Aufbau der Ge273 D. Horrell, The Social Ethos of Corinthian Corrispondence, 181; A.L. Hunt, The Inspired Body, 115. Ch. Strecker, Die liminale Theologie des Paulus, 285–287, meint mit Recht, die Inversion sei eine Konsequenz der theologia crucis des Paulus. A.L. Hunt, The Inspired Body, 115. 274 A.R. Hunt, The Inspired Body, 113 nennt noch ein wichtiges Element, das die zwei Stellen verbindet, d.h. das Vorkommen des Verbs GXPGTIGKP in 1Kor 12,6 und Gal 2,8, das noch in beiden Stellen die Gleichwertigkeit der verschiedenen Funktionen vermittelt und die Aktion Gottes ausdrückt. 275 U. Luz, Charisma und Institution in neutestamentlicher Sicht, 77. Die Bezeichnung der RPGWOCVKMC als „Geschenke“ ist die semantische Besonderheit der paulinischen Argumentation. Das vermeidet auch einen Konflikt zwischen Charismen und Institution; vgl. Luz, 85.

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meinde spielt. Die Glossolalie ist im Vergleich dazu nur eine spirituelle Bestätigung des Individuums, ohne kommunikative Bedeutung, falls sie nicht übersetzt wird (1Kor 14,4–5). Man kann in dieser doppelten Argumentation zwei Aspekte von Konstruktivität finden: Konstruktiv ist die durch den Geist geschaffene egalitäre Gemeinschaft, aber sie ist auch ethisch das Ziel, worauf sich die Ausübung der Gaben richten soll. A.R. Hunt hat Recht, wenn er die Argumentation in den Kap 13 und 14 in der Dialektik zwischen \JNQL und CXICRJ sieht. Der Eifer ist für Paulus eine religiöse Haltung, die als Frucht der UCTZ oft negativ konnotiert wird (1Kor 3,3), die Liebe enthält im Gegenteil keinen religiösen Fanatismus (QWX \JNQK). Der \JNQL nach den Gnadengaben kann durch eine rhetorische Inversion positiv bewertet werden, wenn er sich als Eifer für die Prophetie und für die Konstruktivität in der Gemeinde erweist und nicht auf eine individualistische religiöse Selbstbestätigung zielt. Diese Inversion bietet die Struktur von 1Kor 14, weil sie gerade an den wichtigen Punkten am Anfang (1Kor 14,1), in der Mitte (1Kor 14,12) und am Ende des Kapitels (1Kor 14,39) erfolgt, und beschreibt wieder, wie eine destruktive Kraft in Energie für einen konstruktiven Zweck umgewandelt werden kann: Ein Hauptanliegen der paulinischen Anthropologie ist. Analyse von Röm 12,3–8

5. Analyse von Röm 12,3–8 Die einzige Stelle in den echten Paulusbriefen, wo das allgemein in der Antike verbreitete Motiv des Leibes als Bild für die Gemeinschaft zu finden ist, ist Röm 12,3–8. Dass an dieser Stelle nicht die Genitivkonstruktion UYOC &TKUVQW von 1Kor 12,27, sondern der Ausdruck G?P UYOC GXP &TKUVY^ vorliegt, stellt viele Fragen zur Auslegung des Syntagmas. Der notwendige Vergleich gelangt entweder zu einer Differenzierung277 oder zu einer Gleichsetzung278 der beiden Varianten, insbesondere der adverbialen Be276 A.R. Hunt, The Inspired Body, 121–124. 277 Der Unterschied wird betont vor allem von T. Schmidt, Der Leib Christi, 161. Nach E. Käsemann, An die Römer, 323 kommt in dieser Stelle nicht „das christologische Anliegen des Motivs“ zum Zuge. Es fehlt aber nicht ganz dank der adverbialen Bestimmung GXP &TKUVY^; M. Walter, Gemeinde als Leib Christi, 151 betont den Unterschied des Genitivs &TKUVQW, der auf Christus verweist, und G=P UYOC, das die Solidarität betont. 278 Park-Heon, 302: Das Fehlen des Artikels bei dem Genitiv ist ein Beweis, dass der Leib der Gemeinde nicht mit dem Leib Christi identisch ist. A. Wikenhauser, 101: Röm 12,5 ist vollständig identisch mit 1Kor 12,27, die Kirche ist der mystische Leib des Christus. Paulus sagt ein Leib in Christus, „weil er die Einheit der Christen betonen will – ein Leib Christi aber sachlich unmöglich ist.“ Son, S. W. Corporate Elements, 93: „Der Unterschied ist sehr klein.“ E. Best, One Body in Christ, 106: „The Body that they thus form cannot be divorced from Christ; it is his Body.“ Th. Söding, „Ihr aber seid der Leib Christi“, 289, finde die Formulierung in Röm 12,5

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stimmung GXP &TKUVY^ mit dem Genitiv &TKUVQW. Die Behauptung einer Identität des Leibes der GXMMNJUKC mit dem Leib des Christus hat als notwendige Folge eine mystische Auslegung der Formel GXP &TKUVY^ mit der Absicht, damit die in Röm 12,3–8 fehlende Identität zu etablieren. Schon T. Schmidt hatte an dieser Stelle beobachtet: „Das ist nicht identisch mit dem Gedanken des Leibes Christi, wie er an sonst eng verwandten Stelle 1Kor 12,12–13 vorliegt. Denn dann müsste also die Rede sein von einem Leibe, in dem Christus ist, nicht wie hier, von einem Leibe, der in Christus ist.“279 Die Lösung von Schmidt liegt darin, von zwei Konzeptionen zu sprechen, die zu unterscheiden sind, einerseits der Vorstellung vom Leib Christi und andererseits der Idee von einer „Gesamtpersönlichkeit“ oder eines von allen Christen gebildeten Organismus, die in dieser Stelle und auch in Gal 3,26 vorliegt. Diese letzte Vorstellung ist wichtiger und vermutlich der Ursprung des Syntagmas Leib Christi.280 Der Vergleich von 1Kor 12 mit Röm 12 zeigt m.E., wenn man von der eher unwahrscheinlichen Entwicklung der Vorstellung bei Paulus absieht und eine gleiche Grundtendenz für beide Stellen annimmt, dass Paulus von einer Gemeinschaft, die metaphorisch als Leib gedeutet wird, spricht, welche ihren Grund und ihren Ursprung in Christus hat. Die Äquivalenz zwischen VQW &TKUVQW und GXP &TKUVY^, die daraus folgt, ist deswegen wichtig, weil sie einerseits eine volle Identifizierung der Gemeinde mit Christus selbst vermeidet und andererseits der Genitiv nicht nur die Gemeinschaft von anderen Gruppen der Zeit unterscheidet, sondern auch erklärt, dass Christus durch den Geist der Grund und der Ursprung der neuen konstruktiven Gemeinschaft ist. Das Anliegen dieser Arbeit ist es, darzustellen, dass die neue konstruktive Definition der Gemeinschaft als UYOC eng mit der Definition vom neuen Menschen „in Christus“ verbunden ist. Exkurs: GXP &TKUVY^ Die Arbeiten zur Bedeutung der Formel GXP &TKUVY^ sind zahlreich. Grundlegend für die Forschung ist die Definition von A. Deißmann, der der Formel einen lokalen Charakter zuschreibt und damit die mystische Gemeinschaft der Christen mit Christus beschreibt.281 Die Gemeinschaft des sogar präziser als 1Kor 12,27, weil sie eine Gleichsetzung „zwischen dem eucharistischen und dem ekklesialen Leib Christi bzw. dem erhöhten Christus und die Kirche vermeidet“ und weil die Kirche dadurch eine pneumatische Größe wird. 279 T. Schmidt, Der Leib Christi, 161. 280 T. Schmidt, Der Leib Christi, 162. Die Differenzierung wird aber in den folgenden Seiten relativiert. 281 A. Deißmann, Die neutestamentliche Formel „In Christo Jesu“, 81–82.

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GXP &TKUVY^ GKPCK wird nach Deißmann durch den damit wechselnden Ausdruck &TKUVQL GXP JBBOKP verstärkt und durch die Tatsache, dass Christus als RPGWOC gedacht wird, das in uns wohnt.282 Die Formeln &TKUVQL GP VKPK und VKL GXP &TKUVY^ belegen im Grunde die gleiche mystische Vorstellung, „nur die Begründungsweise ist eine verschiedene, in der ersten e specie Christi, in der zweiten e specie hominis“.283 Dass Paulus beide Aspekte verbindet ist, nach Deißmann ein Beweis, dass er kein Systematiker, sondern „ein religiös-ethischer Genius“ ist. A. Schweitzer beobachtet die gleiche Logik, wenn er den engen Zusammenhang zwischen „wir in Christo“ und „Christus in uns“ feststellt. Nun aber überwindet er die individualistische Perspektive der Deutung von Deißmann durch eine kollektive Erklärung der Formel, die eine „sprachliche Verkürzung für Teilhaben am mystischen Leibe Christi“284 ist. Nach Schweitzer verkennt die These von Deißmann das „kollektive und objektive Geschehnis an den Gläubigen“ und beschränkt es auf „ein individuelles und subjektives Erlebnis“. Diese mystische Deutung hat immer wieder neue Aktualisierungen erfahren, aber die Basis der Interpretation von Deißmann, die Reziprozität von „in Christo“ sein und „Christus in uns“, scheint in Frage gestellt durch die vergleichsweise wenigen Stellen, die von Christus in mir bzw in uns sprechen. Die vorherrschende Formel GXP &TKUVY^ drückt kein mystisches Verhältnis zu Christus, sondern eher die instrumentale Funktion Christi für das neue Sein aus. E. Percy nimmt wieder die Thesen von Deißmann auf, doch anstatt einer mystischen Bedeutung schreibt er der Formel eine heilgeschichtliche Funktion zu.285 Die Formel drückt nach Percy die Teilhabe an Tod und Auferstehung Jesu aus, die durch die Taufe erfolgt. Die Taufe ist aber gleichzeitig das Mittel, womit der Einzelne in den Leib Christi inkorporiert wird,286 wodurch eine Brücke zwischen der Formel und der Vorstellung vom Leib Christi geschlagen und die individualistische Perspektive des Schemas von Deißmann überwunden wird. M. Bouttier setzt sich in seiner monographischen Arbeit auch mit den Thesen von Deißmann auseinander. Die Definition von GXP &TKUVY^ wird von dem Kontext bestimmt, aber man kann vier Koordinaten festsetzen, die allgemein gelten: 1) Die Formel 282 A. Deißmann, Die neutestamentliche Formel „In Christo Jesu“, 88: „ ‚In‘ Abraham oder ‚in‘ Mose oder ‚in‘ Plato kann man allerdings nicht sein, weder zu ihren Lebzeiten, noch nach ihren Tode, auch ‚in‘ dem synoptischen Jesus kann man nicht sein, wohl aber ‚in‘ dem pneumatischen lebendigen Christus des Paulus.“ 283 A. Deißmann, Die neutestamentliche Formel „In Christo Jesu“, 93. 284 A. Schweitzer, Die Mystik des Apostels Paulus, 123. 285 E. Percy, 5YOC &TKUVQW, 24: „die Formel beschreibt somit bei Paulus kein in Seelenleben des Gläubigen nachweisbare Zuständnis; sie ist kein Ausdruck ‚mystischer‘ Erlebnisse“. 286 E. Percy, 5YOC &TKUVQW, 42: „Die Taufe bedeutet nach der Interpretation des Paulus die Aneignung dieses Geschehens an den einzelnen Gläubigen. EP &TKUVY^ ist reale Einverleibung in den Leib Christi.“

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hat einen Doppelsinn und ist instrumental und lokal zu verstehen, 2) sie spielt eine dominante und sinntragende Rolle im Kontext, 3) sie hat immer einen indikativischen Charakter im Vergleich mit GXP MWTKY^, das immer imperativisch benutzt wird; 4) sie hat eine heilgeschichtliche Bedeutung, indem sie die Einbeziehung des Einzelnen in die Heilgeschichte zur Sprache bringt.287 Die Untersuchung von Neugebauer konzentriert sich auf die Unterscheidung der Formel GXP &TKUVY^ von GXP MWTKY^. GXP &TKUVY^ bezeichnet den Indikativ des Heils gegenüber dem Gesetz, der Kircheneinheit (UYOC &TKUVQW und G=P UYOC GXP &TKUVY^) und des Apostolats. GXP MWTKY^ wird zur Basis für den Imperativ.288 Eine genauere Klassifizierung wird von A. Oepke und S.W. Son vorgeschlagen. Oepke unterscheidet eine lokale und eine instrumentale Bedeutung der Formel und fünf verschiedene Bedeutungen: a) als Ausdruck der Zugehörigkeit zu Christus, b) als Adjektiv „christlich“ für eine Tätigkeit und Situation, c) als Geltungsgrund bei Werturteilen, d) als objektive Begründung der Gottesgemeinschaft, e) als Hinweis auf die Einheit in einer Vielfalt (Röm 12,5).289 Son sieht auch eine lokale und eine instrumentale Bedeutung der Formel und unterscheidet 1) einen persönlichen und 2) nicht persönlichen Gebrauch; in der ersten Gruppe wird sie benutzt für a) ein Sein, b) einen Status, c) eine Tätigkeit.290 Chr. Strecker versucht, durch eine „ritologische Betrachtung“ der Formel wieder eine Art mystische Bedeutung zuzuschreiben. Die Formel ist in Gal 3,26–28 und Röm 6,11 in der Taufe verankert, und gerade die Taufe zeigt die beiden wichtigen Momente, wie sich die Formel deuten lässt: 1) „Einswerdung mit Christo samt IchTranszendierung“ (vertikale Communitas), 2) „vorwiegend egalitär geprägte Gemeinschaft der Christusgläubigen“ (horizontale Communitas).291 Die Unterstreichung der Rolle der Taufe in der Deutung der Formel GXP &TKUVY^ führt ihn zu einer lokalen („räumlich – einverleibende“) Auslegung der adverbialen Bestimmung GKXL &TKUVQP in 1Kor 12,13, wodurch die Inkorporation in die Person Christi gemeint wird. Die vertikale „Christuscommunitas“ wird von Strecker durch die Reziprozität von „Christus in mir/ in euch“

287 M. Bouttier, En Christo, 97: „Être en Christ ce n’est point un état littéralment être entraîné dans son histoire, passée, présent et future!“ 288 F. Neugebauer, In Christus, 137: „Was in Christo geschehen ist, soll im Herrn geschichtlich verwirklicht werden.“ S. 149: „GXP &TKUVY^ und GXP MWTKY^ verhalten sich also wesentlich wie Indikativ und Imperativ.“ Bouttier, der diese These von F. Neugebauer übernimmt, sagt das Gleiche mit seinen Worten (En Christo, 60): „devenez dans le Signeur ce que vous êtes, déjà, en Christ.“ 289 A. Oepke, Art. GXP, ThWNT II, 537. 290 S.W. Son, Pauline Anthropology, 9–13. Noch zu nennen ist die Unterscheidung von neun verschiedenen Bedeutungen von GXP &TKUVY^ bei E. Best, One Body in Christ, 7–9. Die Unterscheidung ist von Oepke abhängig. 291 Ch. Strecker, Die liminale Theologie, 194.

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und „in Christo“ begründet,292 was in der Tat eine Reaktualisierung der These von Deißmann ist. Jedoch scheint mir eine lokale Deutung der Formel GXP &TKUVY^ schwierig zu sein, und damit ist auch eine mystische Einverleibung in seine Person ausgeschlossen. Der Formel mit der Präposition GXP können zwar als synthetischem Ausdrucksweise viele Bedeutungen zukommen, aber wie L. Goppelt mit Recht sagt: „in diesen Wendungen kann das GXP kausalen, instrumentalen oder modalen Sinn haben. Niemals jedoch es lokalen Sinn; denn vor allem Christus ist immer Ereignis und Person im Gegenüber“.293 Die Wechselbeziehung zwischen Christus und Christen innerhalb der johanneischen Schriften, besonders deutlich in der Junktur GXP GXOQK/ GXP WBBOKP (CWXVY^) OGPGKP (z.B. Joh 6,56 in Verbindung mit dem Abendmahl, und 15,4), bringt die enge Beziehung von Christus zu den Christen zum Ausdruck, während bei Paulus GXP &TKUVY^ eindeutig gemeint ist. Im Fall von Röm 12,5 bedeutet G=P UYOC GXP &TKUVY^, dass die Christen durch Christus (instrumental – kausal) zu einem Leib, d.h zu einer engen Einheit zusammenkommen können. So erklärt, ist dieser Ausdruck sehr mit 1Kor 12,27 verwandt, wo der Genitiv &TKUVQW die Bedeutung eines genitivus auctoris und eines genitivus possessivus hat. Röm 12,3–8 ist in den paränetischen Teil des Römerbriefes eingebettet und dadurch dient er dazu, das allgemeine Thema des Verhältnisses der Glieder der Gemeinde zueinander zu erläutern (12,9–21 und 13,8–10 durch Liebe) und zum Staat (13,1–7 durch Gehorsam). In Röm 13,11–14 wird als Kontrast zu diesem konstruktiven Verhalten der destruktive Weg durch Schilderung der Werke der Finsternis aufgewiesen, gekennzeichnet durch VJL UCTMQL RTQPQKC. Röm 14 und 15 nehmen die Thematik der Schwachen und der Starken, die schon im 1Korintherbrief behandelt wurde, unter einer neuen Perspektive des Gegensatzes von Fleischessern und Vegetariern auf. Die Themen des Verzichts auf Vergeltung und des Gehorsams gegen den Staat und die Aufnahme der Q=RNC VQW HYVQL gehören zu dem gleichen konstruktiven Programm. Die beiden Sätze, die die Ethik unter die Hingabe der UYOCVC als lebendiger Opfer subsumieren, stellen die Überschrift der gesamten Paränese dar. Die konstruktive Ausrichtung des einzelnen Christen ist, wie schon zu 1Kor 6,12–20 beobachtet wurde, der Lobpreis Gottes durch das UYOC. Hier wird dieser Gedanke durch Anwendung eines Ausdrucks aus dem hellenistischen Judentum, die NQIKMJ NCVTGKC, erweitert womit die Anbetung Gottes ohne Opfer gemeint ist. Das beste Beispiel eines nichtphilosophischen Gebrauchs des Wortes NQIKMJ findet sich im Testamentum Levi, wo das Engellob Gottes durch 292 Ch. Strecker, Die liminale Theologie, 198. 293 L. Goppelt, Theologie des Neuen Testaments, 433.

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das Adjektiv NQIKMJ parallel zu „Opfer ohne Blutvergießen“ als CXPCKOCMVQL SWUKC gekennzeichnet wird.294 Trotz des Gebrauchs des Wortes NQIKMJ, das wahrscheinlich mit „geistlich“ zu deuten ist,295 geht es hier nicht um eine Unterstreichung des Geistlichen296 gegenüber dem Körperlichen oder Materiellen, sondern mehr um eine Antithese von lebendigem und totem Opfer. Diese Stelle bestätigt die Annahme, dass Paulus der Konstruktivität eine ethische Dimension zuschreibt, indem er vom UYOC des Menschen als Tempel oder, wie in diesem Fall, als lebendiges Opfer spricht, was außerdem eine Überwindung der Trennung von kultisch und profan und eine Betonung des Alltäglichen als Zentrum des religiösen Lebens impliziert. In V. 2 wird die Einstellung zur Welt durch die Antithese „Anpassung“ und „Verwandlung“ angesprochen. Der Äon hat ein UEJOC, das nach apokalyptischer Sicht vergehen muss (1Kor 7,31) und dem der Christ nicht zustimmen soll. Ihm steht die Verwandlung des PQWL zu, die passivisch297 als Wirkung des Geistes auf das Denkvermögen des Menschen gedacht wird. Mit PQWL ist der Mensch in seinem selbstverständlichen Urteilsvermögen und in seiner Fähigkeit, verantwortlich zu handeln, gemeint. Dabei ist wichtig, dass für Paulus die Wirkung des Geist den PQWL nicht ausschaltet, sondern ihn im Gegenteil aktiviert, nachdem ihn die Sünde CXFQMKOQL gemacht hat (Röm 1,28). Von dieser Prämisse her werden die ganze Ethik und damit auch die Vorstellung einer konstruktiven Gemeinschaft geprägt. Die Verse 3–8 sind in drei Teile gegliedert: a) V. 3 das UYHTQPGKP, b) V. 4–5 die Metapher des Leibes, c) V. 6–8 die Charismen. Die Bedeutung der Sätze wird durch das Wortspiel der Komposita von HTQPGKP in V. 3 bestimmt. Das HTQPGKP bekommt in Verbindung mit der Leibmetaphorik die Bedeutung von Selbsteinschätzung. Es bedeutet allgemein eine Denkform, die das Verhalten wie in Röm 12,16 bestimmt. In diesem Vers steht das Verb parallel zu UWPC RCIGUSCK „fortgerissen werden“,298 wobei zwei Richtungen gezeigt werden: VC WBB[JNC und VC VCRGKPC. Die Selbsteinschätzung soll hier in eine bestimmte Richtung geschehen. In 12,3 soll es nicht ein WBBRGTHTQPGKP, sondern ein UYHTQPGKP sein. Der Begriff UYHTQUWPJ wird in der griechi294 TestLev 3,6: RTQUHGTQPVGL VY^ SGY^ GWXYFKCL NQIKMJP MCK CXPCKOCMVQP SWUKCP. Eine gewisse Distanzierung von den jüdischen Opferritualen ist in der Formel enthalten, aber ohne polemische Zuspitzung. Die Präsenz des Wortes UYOC in Röm 12,1 vermeidet eine Spiritualisierung auf Kosten des Körperlichen, sondern setzt den Akzent auf das Alltägliche. 295 Vgl. E. Lohse, Der Brief an die Römer, 336. 296 Das könnte man aus den Ausführungen Philos über die Opfer in Spec. I,277 im Sinne eines Gottesdienstes der Vernunft schließen. Vgl. auch die hermetischen Beispiele Corpus Hermeticum I,31 und XIII,21. 297 H. Schlier, Der Römerbrief, 360. 298 O. Michel, Der Brief an die Römer, 388, sieht mit Recht eine Antithese zu 1Kor 12,2, wo das Thema eine ekstatisches Fortgerissensein ist.

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schen Philosophie meistens in der Bedeutung von „Selbstbeherrschung“ und Überwindung der Affekte299 benutzt. Aber hier hat der Begriff eine besondere Bedeutung, die von H. Moxnes erhellt worden ist. Durch einen Vergleich mit den Reden des Dion Chrysostomos zeigt er, dass Paulus mit UYHTQPGKP nicht die Enthaltsamkeit, sondern im politischen Sinne das Gegenteil zu W=DTKL meint.300 Im Rahmen der Absicht Dions, die Politik der hellenistischen Städte unter der Hegemonie Roms zu führen, gewinnen die Überlegungen zur UYHTQUWPJ die Funktion, die partikularistischen Interessen der Lokalpolitik und damit die Streitigkeiten in der Stadt selbst und in der Beziehung zu Rom zu überwinden. Für den Entwurf einer neuen Moral befürwortet er die Überwindung des bestehenden Ehrenerweisungssystems, in dem alle Streitigkeiten ihren Ursprung haben. Im Mittelpunkt seines Ideals steht die Selbstbetrachtung des UYHTYP, der sich durch seine Selbstkontrolle von den Anerkennungssüchtigen distanziert und für das Gute seiner Stadt wirkt.301 Bei Paulus hat der Gebrauch des Verbs UYHTQPGKP in Röm 12,3 eine ähnliche Funktion. Es kontrastiert mit der Arroganz des WBBRGTHTQPGKP, das selbst einen Bruch der von Gott gesetzten Grenzen ist.302 Der Kontrast von 12,3–16 im Vergleich zu 13,1–7 zeigt

299 U. Luck, Art. UYHTYP MVN, ThWNT VII, 1095, vertritt die Meinung, UYHTQUWPJ sei ein offener Begriff, der nicht näher bestimmt werden kann, sondern in jeder Stelle definiert werden muss. Grundlegend ist allerdings die Definition bei Pl. Plt. IV,430e: „UYHTQUWPJ GXUVKP MCK JBFQPYP VKPYP MCK GXRKSWOKYP GXIMTCVGKC, auch Pl. Phd. 68c; Pl. Smp. 196c; D.L. III,91. Platons Definition befindet sich fast wörtlich in IV Mak 1,31: UYHTQUWPJ FJ VQKPWP GXUVKP GXRKMTCVGKC VYP GXRKSWOKYP. Arist. Rh. I,9,9: UYHTQUWPJ FG CXTGVJ FK8 J=P RTQL VCL JBFQPCL VQW UYOCVQL QW=VYL GEQWUKP YBL QB PQOQL MGNGWGK, CXMQNCUKC FG VQWXPCPVKQP. Bei Plutarch hat das Wort die Bedeutung von „Keuschheit“, vgl. Plu. Mor. (Praecepta Coniugalia), 139c. Im NT wird der Begriff nur in 1 Tim 2,9 und 2,15 für die Haltung der christlichen Frauen benutzt. Das Adverb UYHTQPYL in Tit 2,12 wird im Rahmen der philosophischen Ethik als Überwindung der „weltlichen Begierde“ benutzt. In Apg 26,25 hat der Ausdruck UYHTQUWPJL TBJOCVC den Sinn von „vernünftigen Worten“. Das findet sich auch bei Plato in seiner Etymologie des Wortes in Pl. Cra. 411e, nach der UYHTQUWPJ die UYVJTKC der HTQPJUKL ist. Das deckt die andere Bedeutung des Wortes: „vernünftig“ meist in Antithese zu „verrückt“. Bei Paulus fehlt das Substantiv, er vermied es sogar nach U. Luck, 1099, in I Thes 2,10. Das Verb wird in 2Kor 5,13 im Sinne von „vernünftig denken“ in Gegensatz zu GXZKUVJOK gebraucht. 300 H. Moxnes, The Quest for Honor, 221: „In Röm 12,3, however, Paul uses UYHTQPGKP (of the vitue that consists in keeping within set measures) in a more classical (i.e. political) sense, as an antithesis to hybris.“ 301 Dion stellt sein Verhalten in der Rede an die Stadt Prusa als Beispiel hin (Or 44). Er verzichtet auf die Einladung des römischen Kaisers nach Rom und bleibt aus Liebe zu seiner Stadt in Prusa. Er stellt durch seine Argumente das ganze System der Ehre in Frage. Statuen, Bilder oder Ehrensitze sind nichts im Vergleich zu der Ehre, von den Mitbürgern geliebt zu werden (Or 44,1,2). Vgl. H. Moxnes, The Quest of Honor, 209–211. 302 H. Moxnes, The Quest of Honor, 222: „It is primarly a social concept which indicates the breach of one’s assigned status and thus results in a dishonour and shame.“ Paulus gibt vier Elemente für das neue Ehrenverständnis: a) das Maß des Glaubens (gegen Sozialkonsens), b) ein Leib-Sein in Christus, c) die brüderliche Liebe, d) die Suche nach den niedrigsten Dingen 12,16 (223–229).

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nach Moxnes, dass Paulus das römische System der Ehre und seine Fachsprache gut kennt, sich aber davon distanziert. Die Thesen von Moxnes sind ein weiterer Hinweis darauf, dass Paulus in Röm 12,3–8 und in 1Kor 12,1–31 durch die Metapher des UYOC eine Inversion der Werte des römischen Systems vollzieht und dass sich die christliche Gemeinschaft in Gegensatz zu den Machtverhältnissen der Zeit versteht. Die Konstruktivität, die im Grund einem egalitären Ideal folgt, bildet sich durch eine Verwandlung, durch eine Erneuerung der bestehenden Denkweise und nicht durch Legitimierung der bestehenden Sozial- und Machtverhältnisse. Das führt allerdings nicht zu einem Konflikt mit der Macht Roms. In Röm 13 vertritt Paulus eine Unterwerfung unter das römische Staatswesen und keine aufständische Haltung. Die Inversion des Ehrensystems und der Machtstruktur wird verbunden mit einem Verzicht auf Gewalt und Vergeltung und auf offenen Widerstand.303 Die Idee, den römischen Staat in seiner Gestalt zu verändern, war unvorstellbar. Die Konstruktivität, die für christliche Gemeinschaft maßgebend ist, zeigt sich nach außen in der Suche nach Frieden, in einer kritischen aber friedlichen Koexistenz mit dem Staat in der Erwartung des Eschaton.

6. Die Entwicklung des Motivs in der nachpaulinischen Literatur Das Motiv in der nachpaulinischen Literatur Der Gebrauch von UYOC für die Gemeinschaft wird in der nachpaulinischen Zeit zu einem wichtigen Topos der christlichen Theologie, wie man aus den beiden deuteropaulinischen Briefen an die Kolosser und die Epheser entnehmen kann. Die Unterschiede zu der Vorstellung in den Homologumena weisen auf eine Entwicklung hin, die als einschlägiges Argument für die Unechtheit beider Briefe gilt. 304 Das Syntagma Leib Christi wird in einer kosmischen305 Perspektive neu interpretiert auf der Basis der Unterscheidung Haupt – Leib und mit einer Erweiterung der metaphorischen Sprache und dem Gebrauch von neuen Wörtern wie UWUUYOC (Hapaxlegomenon im NT) und CXPCMGHCNCKQY (Eph 1,10; Röm 13,9). 303 H. Moxnes, The Quest for Honor, 215, erklärt auch diesen Gedanken auf diese Weise: „Paul’s general attitude is that the members of the Christian communities should not risk conflict with society.“ Das erklärt er auch aus der missionarischen Absicht, in den bestehende Strukturen des Reiches für die Verkündigung des Evangeliums zu wirken. 304 Es gibt wenige Autoren, die eine Echtheit von Kolosser- und Epheserbrief annehmen, und auch diese wenigen müssen eine gewisse Bearbeitung ursprünglicherer Vorstellungen in den älteren Paulusbriefen zugeben. 305 P. Benoit, Corps, tête et plérôme, 21, sieht in den Deuteropaulininen (die für ihn Gefangenschaftsbriefe des Paulus sind) im Grunde die gleiche Lehre vom Leib Christi nur mit einigen neuen Elementen wie der Vorstellung von MGHCNJ und UYOC, dem Verhältnis zur GXMMNJUKC und einem kosmischen Horizont der Erlösung durch das Wort RNJTYOC.

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Ein Vergleich mit den echten paulinischen Briefen dient nicht nur dazu, die Rezeption der paulinischen Gedanken festzustellen, sondern auch als Basis, um die Vorstellung des Paulus zu bewerten. Bevor man die Unterschiede bzw. die Kontinuität der Deutoropaulinen mit den echten Briefen hervorhebt, sei ein Blick auf die Debatte der Forschung über die allgemeine Absicht dieser pseudepigraphischen Schriften geworfen. Die gnostische Hypothese, die heutzutage überholt ist, hatte den Vorteil, eine Gesamtdeutung aller Elemente der Deuteropaulinen anzubieten. Gnostisch war der Anthropos-Mythos, von dem die kosmische Leibvorstellung Christi hergeleitet ist, gnostisch war die „Philosophie“, gegen die die Verfasser des Kolosserbriefes sich gewendet hatte; gnostisch die Idee der Trennmauer, die Christus nach Eph 2,14 durchbricht, gnostisch die Vorstellung von der Beziehung von Christus zur Kirche in Analogie zum Verhältniss von Mann und Frau nach der gnostischen Sygyzie in Eph 5,21–33. Für die einheitliche Interpretation all dieser Vorstellungen und ihrer Entwicklung in den Deuteropaulinen hat die Überwindung der gnostischen Hypothese306 mit ihrer Annahme einer Abhängigkeit von einem UrmenschMythos ein Vakuum307 hinterlassen. E. Schweizer, der generell eine jüdische Alternative zum gnostischen Mythos vorschlägt, sieht den Hauptzweck der beiden Briefe in der Betonung der kosmischen Herrschaft des Christus über die Mächte des Himmels als Antwort auf die Instabilität der Weltvorstellung der Mittelmeerraumkultur im ersten Jahrhundert. Das Zentrum dieses Ansatzes ist der christologische Hymnus in Kol 1,18–33, wo die Leibvorstellung funktional zur kosmischen Christusherrschaft gehört. Die 306 Ein forschungsgeschichtlicher Bericht ist bei H. Merkel, Der Epheserbrief in der neuen Diskussion, 3177–3206, zu finden. Außer H. Schlier und E. Käsemann vertritt auch P. Pokorný, 5YOC &TKUVQW im Epheserbrief, 461–463, die Abhängigkeit von der gnostischen Naassenerpredigt bei Hippolyt und vom Traktat Poimandres. Da kann man eine plausible Erklärung für die Motive der Deuteropaulinen finden: a) eine überpersönliche Person, b) einen kosmischen Leib, c) einen soziologischen Organismus, d) die Vorstellung vom Haupt und e) vom Wachstum. Die gnostischen Schriften bieten die kosmische Figur des Urmenschen und die Erlösung, die aus einem Emporsteigen zum oberen Menschen besteht. Gemeinsamkeiten bestehen auch im Gebrauch vieler Termini: das Motiv des Haupts und des Wachstums, das Vorkommen der Begriffe OWUVJTKQP, GXRQWTCPKQL, GXPGTIGKC u.a. Sein Schluss aber zeigt eine komplexere Kombination verschiedener Elemente im Vergleich zu den Hypothesen von Schlier und Käsemann: „Bei der Bildung des Soma-Gedankens hat der Verfasser des Eph. unter Anknüpfung an Paulus den gnostischen Gedanken des himmlischen Leibes durch die Applikation an die konkrete Kirche ekklesiologisch umgestaltet, durch die Betonung der alttestamentlichen Idee des Hauptes christologisch orientiert und durch die Umwertung des Motivs des Wachstums die eschatologische Sendung der Kirche zum Ausdruck gebracht“ (S. 464). 307 E. Käsemann, Art. Epheserbrief, RGG3 II, 518, behauptet, dass die Annahme gnostischer Hintergründe unerlässlich ist, um Christologie und Ekklesiologie des Briefes zu erklären: „Deren Interpretation dürfte ohne die allerdings heftig umstrittene Annahme eines gnostischmythologischen Hintergrundes unzureichend und fragwürdig bleiben“. Für den Kolosserbrief redet er nicht von solch einer Abhängigkeit.

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kosmische Konzeption des Leibes Christi, wie sie in den Deuteropaulinen zu finden ist, ist nach E. Schweizer aus der griechischen Allgott Vorstellung und aus der alttestamentlichen Adamspekulation herzuleiten, kombiniert mit weisheitlichen,308 christologischen Prädikaten der präexistente Sophia, die an der Schöpfung aller Dinge beteiligt ist. Die Vorlage des Hymnus war der Text eines Paulusschülers, dem es auf die Betonung der kosmischen Macht Christi und auf die kosmische, versöhnende Rolle des Kreuzes ankam. Der Autor des Briefes interpretiert es in Bezug auf die Kirche durch die redaktionelle Einfügung des Genitivs VJL GXMMNJUKCL in Kol 1,18 MCK CWXVQL GXUVKP JB MGHCNJ VQW UYOCVQL VJL GXMMNJUKCL, der eine Umdeutung der auf den Kosmos bezogene Aussage auf die Kirche enthält“.309 Betont wird mit dem Wort MGHCNJ nicht eine sakramentale Verbindung von Christus und der Kirche, sondern seine Herrschaft über sie und auf der Welt.310 Schweizer erklärt nun die kosmische Entwicklung des ekklesiologischen Syntagmas als Bewältigung von Weltangst und als Antwort auf die Entfremdung des Lebens auf Erden von den Göttern. Der kosmische Christus regiert nach griechischem Denken über das ganze Universum und über die Sterne, die das Leben nicht mehr bestimmen.311 Das physische Eindringen des Christus in die Welt verwirklicht sich nach Schweizer durch die christliche Mission, wie man aus der engen Verbindung zwischen Mission und Wachstum des Leibes Christi in Kol 1,5f und in Eph 2,11–22 und 3,1–13 zu schließen ist. Die kosmische Vorstellung hat daher die pragmatische Funktion, die Notwendigkeit der Mission zu unterstützen. Dieser Gedanken wird im Epheserbrief vertieft: Durch die Völkermission wird das Mysterium offenbart und das Kommen Christi dient der Verkündigung. Mit der Weltmission kann Schweizer die zwei typischen Begriffe der Deuteropaulinen, das Wachstum des Leibes und das Wort RNJTYOC, als Wachstum der Kirche in der Welt mit dem Ziel der eschatologischen Realisierung der Weltmission ähnlich wie in Mk 13, 10 erklären.

308 E. Schweizer, The Church as the Missionary Body of Christ, 324–25: Die Begriffe der Präexistenz und des Bildes sind charakterische Merkmale der Weisheit (Philo Leg All 1,43; Conf Ling 146). Weisheitskonzeptionen, die Allgott-Vorstellung und die Versöhnung durch das Kreuz werden zusammen kombiniert. 309 E. Schweizer, Der Brief an die Kolosser, 53–54. M. Walter, Gemeinde als Leib Christi, 175, konstatiert die gleiche Uminterpretierung „es ist nicht mehr der Kosmos, der den Leib bildet, sondern die Gemeinde“. Für ihn ist konsequenterweise der Ausdruck in Kol 2,10, nach dem Christus das Haupt der Mächte und Gewalten ist, ein Rückfall in die alte Konzeption (182–183). 310 E. Schweizer, Die Kirche als Leib Christi (Antilegomena), 315. P. Benoit, Corps, tête et plérôme, 25, unterscheidet zwei Bedeutungen des Wortes ‚Haupt‘, die sich in beiden Briefen kreuzen: 1) eine Bedeutung aufgrund der biblischen Metaphorik im Sinne von „chef“ und 2) eine Bedeutung aufgrund der griechischen Leibmetaphorik von „principe vital“. 311 E. Schweizer, The Church as the Missionary Body, 325.

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Die Rekonstruktion von Schweizer konzentriert sich besonders auf den Kolosserbrief. In ihm gibt es genug Anhaltspunkte für eine kosmologische Polemik. Damit gewinnt die Frage der Gegner und ihrer „Philosophie“, gegen die sich die Schrift richtet, eine gewisse Relevanz. Exkurs: Die Philosophie in Kolossä Die Frage der „Philosophie“ in Kolossä ist noch umstritten.312 Die Vielzahl verschiedener Hypothesen über diese Philosophie erlaubt keine vollständige Übersicht, sondern nur den Entwurf der drei wichtigsten Linien nach dem jeweils vorherrschenden Element 1) gnostische Lehre, 2) synkretistisch–jüdische Richtung, 3) pagane Philosophie und 4) jüdische mystische Gruppe. 1) Die gnostische Hypothese, die einst sehr verbreitet war,313 wurde von R. Yates erneuert. Er überwindet den Haupteinwand gegen sie, den Mangel eines vollständigen Systems im ersten Jahrhundert, durch die Vorstellung der Gnosis als einer Bewegung, die mit dem Christentum zusammenwirkt und wächst und Elemente aus dem Judentum übernimmt.314 Allerdings wird der Kolosserbrief als ein echter paulinischer Brief angesehen. Die Thesen der gnostischen Philosophie sind: a) Gebote jüdischer Herkunft über das Essen und die Feste; b) Askese; c) Herrschaften und Mächte als Mittlerwesen zwischen Gott und Menschen; d) RNJTYOC als göttliche Kraft, durch die man zu Gott kommt.315 2) Die Schwierigkeit, eine bestimmte philosophische Lehre oder das Judentum als Gegenstand der Polemik zu erkennen, hat einige Autoren dazu geführt, die Philosophie mit einer synkretistisch-jüdischen Richtung zu identifizieren.316 Bemerkenswert ist vor allem die Monographie von C.E. Arnold. Er nimmt die These von A.L. Williams auf, nach der die STJUMGKC VYP CXIIGNYP eine magische Anrufung der Engel ist. Die These wird bestä312 H. Hübner, Kolosser, 96–97, betont die Unlösbarkeit der Frage nach der Bestimmung der Natur dieser Philosophie. Es handelt sich s. E. analog der Barmer Erklärung der Bekennende Kirche um das Problem des Herrschaft Christi im Leben. Für ihn sind die Vertreter dieser Philosophie keine Gegner des christlichen Glaubens, sondern mit einer Theologie im Werden selber Christen. 313 E. Lohmeyer, Der Brief an die Kolosser, 11, redet von einer „Elementenphilosophie“ synkretistischer Herkunft, wo die Elemente „Geister und Engel“ gemeint sind, „denn es ist richtig, dass jene Elementenspekulation nur als Wirkung iranischer Kosmologie und Soteriologie möglich ist…“. 314 R. Yates, Colossian and Gnosis, 54. 315 R. Yates, Colossian and Gnosis, 56. 316 Unter anderen auch H. Lietzmann, An die Kolosser, 84–85, nach dem die Irrlehrer eine synkretistische Doktrin aus verschiedenen Kulten in Kleinasien (Attis, Sabazius, Magna Mater), Mysterien und jüdischen Elementen vertraten.

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tigt durch das häufige Vorkommen der Engelnamen in den Papyri Graece Magicae, einer Sammlung von Zauberpapyri und Amuletten. Der Genitiv VYP CXIIGNYP kann nicht als genitivus auctoris erklärt werden, sondern nur als genitivus objektivus. Die Anbetung der Engel war auch eine Konstante der jüdischen Literatur und wird von Origenes in Contra Celsum (1,27) als Merkmal der jüdischen Religion genannt. Die Anbetung der Engel in Kolossä war aber eine Gewohnheit des Alltagslebens und hatte keine hohe spirituelle Bedeutung.317 Als Beweis für synkretistische Gedanken dient der Gebruch des Verbs GXODCVGWY in Kol 2,18, das die zweite Stufe der Initiation nach der OWJUKL in den Mysterienkulten bezeichnet, die in der Provinz Asien blühten. Insbesondere die Mithrasliturgie hat nach Arnold die gleichen Merkmale wie die Philosophie in Kolossä: a) Die Liturgie ist durch die Tradition übernommen; b) die Initiation befreit von den feindlichen Mächten; c) die vier Elemente werden als Götter angebetet; c) eine Vision (Kol 2,18) von Göttern oder Engel spielt eine große Rolle; d) die Liturgie ist von einem Engel geoffenbart; e) der Gebrauch von SGNY in der Anweisung, Initiierte zu gewinnen, gilt als Hintergrund für das Vorkommen des Verbs in Kol 2,18; f) Nährungs- und Reinheitsvorschriften; g) Veranstaltung der Riten am Neumond (PGQOJPKC Kol 2,16).318 In Rahmen dieses synkretistischen Schemas wird auch das Wort UVQKEGKC als Bezeichnung von Engeln oder Gottheiten verstanden.319 3) Nach einzelnen Exegeten ist das Wort HKNQUQHKC in Kol 2,8 als Bezug auf eine wirkliche philosophische Schule wörtlich zu nehmen. Troy W. Martin320 denkt an eine kynische Gruppe, deren Merkmale folgende sind: a) Eine strenge Askese gegenüber den Gütern; b) eine strenge körperliche Disziplin; c) die kosmopolitische Einstellung; d) Kritik an anderen Christen (Kol 2,16.18: OJ MTKPGVY); e) die „Anbetung des Willens“ (so wird das einzigartige Wort GXSGNQSTJUMKC in Kol 2,23 verstanden; S. 82). E. Schweizer denkt an eine neupythagoreische Gruppe. A. Lindemann321 sieht in den Irrlehrern Vertreter einer Philosophie, nach der man dem Wesen der Welt und den herrschenden Mächte dienen muss. Die „Elemente der Welt“ sind s.E. die vier Elemente der Physik: Wasser, Feuer, Luft und Erde.

317 C.E. Arnold, The Colossian Synkretism, 102: „It appears that the practise of invoking angels at Colossae does not have as much to do with matter of ultimate spiritual significance as it does with the issue of day - to day- life.“ 318 C.E. Arnold, The Colossian Synkretism, 139–140. 319 C.E. Arnold, The Colossian Synkretism, 166, „The Term stoicheia is used most commonly in the magical texts in connection with stars and/or the spirit entities (or gods) they represent.“ 320 T.W. Martin, By Philosophy and Empty Deceit, 58–105. 321 A. Lindemann, Kolosser, 40.

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4) Ch. Stettler konzentriert sich auch auf das Wort Philosophie, das zwei mögliche Erklärungen hat: Es meinet eine heidnische Philosophie oder eine jüdische Gruppe. Er wählt die letzte Option und definiert die Gegner als jüdische Mystiker,322 die gesetzestreu leben und sich für die wahre Philosophie halten. Sie entsprechen der Beschreibung des Judentums in Kleinasien durch Josephus. Eine endgültige Lösung dieser Frage ist sicherlich nicht zu finden. Jedoch ist bemerkenswert, dass die meisten Autoren, die sich mit dieser Frage befassen, entweder die Echtheit des Kolosserbriefes annehmen oder den pseudepigraphischen Charakter des Briefes nicht ernst genug nehmen. M.E. ist gerade dieser Aspekt entscheidend. In pseudoepigraphischen Schriften kommt es darauf an, die Identität der Gegner zu stilisieren. Einige Ausdrücke wie UVQKEGKC VQW MQUOQW sind einfach von den echten Paulinen übernommen, um ein fiktives Gegenbild zu konstruieren, und werden mit aktuellen anti–judaistischen Motiven der Beschneidung und des Gesetzes kombiniert. Das erklärt, warum im Epheserbrief die gleichen Themen ohne einen klaren Bezug zu einer Irrelehre wiederkehren. Die Hervorhebung der kosmologischen und philosophischen Polemik im Kolosserbrief hat als Folge die Relativierung der politischen Implikationen, die die Behauptung der Herrschaft Christi hat. E. Schweizer bemerkt zwar, dass die Stiftung des Frieden in Kol 2,10 „ist not certainly not a reconciliation but an overcoming, a ‚pacifying‘ in the sense in which Roman emperors used it“,323 aber dieser Aspekt bleibt in seiner Analyse unbeachtet. Eine solche politische Lektüre hat dagegen E. Faust324 für den Epheserbrief unternommen. Nach seiner These wird im Epheserbrief ein Konkurrenzbild zum Kaisersystem und zur Kaiserideologie durch die Behauptung der Herrschaft Christi und durch die Betonung seiner Friedensstiftung zwischen Juden und Heiden entworfen. Im gesamten Epheserbrief spielt nach der These von Faust die kosmische Leibvorstellung in dem Entwurf einer Christus-Politeia im Gegensatz zu Kaiserreich und zur jüdischen Politeia eine Rolle. Der Bezug auf die imperiale Terminologie wird nicht nur durch Anklänge an das Bild von der Herrschaft des Kaisers über sein Reich in Analogie zum Haupt über den Leib deutlich, sondern durch zahlreiche Elemente wie die Betonung des Friedens und durch die Triumph-Sprache, die typisch für das encomium eines Kaisers ist. Seit Augustus wird die Macht des Kaisers über das Reich mit der hierarchischen Metapher des

322 Ch. Stettler, Der Kolosserhymnus, 72. 323 E. Schweizer, The Church as the Missionary Body, 326. 324 E. Faust, Pax Christi et Pax Caesaris. Religionsgeschichtliche, traditionsgeschichtliche und sozialgeschichtliche Studien zu Epheserbrief, Göttingen 1993.

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Hauptes oder der Seele, die über den Leib herrscht, dargestellt.325 Die Etablierung einer pax gentium durch die Entschärfung nationalistischer und partikularistischer Tendenzen wurde in der Kaiserzeit zum wichtigsten Anliegen der Innenpolitik. So erklärt sich auch die Absicht des G. Caligula, seine Statue im Jerusalemer Tempel zu errichten, wodurch er aus dem Judentum eine Loyalitätsreligion machen wollte. Demselben Zweck dienten die Edikte des Claudius, die aber die Konflikte zwischen Griechen und Juden nicht vermindern konnten, bis hin zu dem Versuch der Flavier,326 die jüdische Frage durch einen blutigen Krieg zu erledigen. Das entworfene Geschichtsbild erklärt die Präsenz einiger Termini wie QKB CXOHQVGTQK/ VC CXOHQVGTC (Eph 2,14.18), die in den Edikten von Claudius die zwei im Konflikt beteiligten Gruppen, Juden und Griechen, bezeichnen. Der Verfasser des Briefes übernimmt diese Terminologie und schildert damit eine Spaltung der Welt.327 Christi’ Herrschaft erweist sich als vollkommener als die des römischen Kaisers. Die Ausarbeitung eines Gegenbildes wird nach Faust vom Autor konsequent als Entwurf einer christlichen Politeia durchgeführt.328 Die christliche Politeia bringt eine erneuerte Definition des Hauses und schließlich auch des christlichen Legionärs mit sich. Die sogenannten Haustafeln329 sind ein Teil des neuen Verständnisses vom Zusammenleben in der Christusherrschaft.330 325 Ein zentraler Teil der Arbeit von E. Faust ist die Beschreibung der Kaiserideologie und der Legitimierung der Herrschaft Roms zur Unterwerfung aller Völker und zur Stiftung des universellen Friedens (Pax Christi et pax Caesaris, 280–314). Wichtig in diesem Prozess ist die schon genannte Veränderung der Stoa durch Panaitius und Poseidonios. Nach Poseidonios (Str. III,3,8) verleiht Rom den barbarischen Völkern Gemeinschaftssinn (VQ MQKPYPKMQP), Humanität (VQ HKNCPSTYRQP) und Frieden (VJP GKXTJPJP) (282). 326 Die Erwähnung des Kreuzes Christi, das in Eph 2,16 als Mittel der Friedensstiftung angesehen wird, ist nach E. Faust, Pax Christi et Pax Caesaris, 427–430, eine Anspielung auf die massiven Anwendung dieses Todesinstruments im jüdischen Krieg (vgl. J. BJ V,449–451). In Gegenteil zu den Flavianern tötet Christus die Feindschaft und nicht die Feinde, und wie der Kaiser wird auch Christus nicht als Opfer des Kreuzes dargestellt, sondern als jemand, der das Kreuz selbst auf sich nimmt. 327 E. Faust, Pax Christi et Pax Caesaris, 354. 328 E. Faust, Pax Christi et Pax Caesaris, 435, betrachtet mit Recht in Eph 5,21 die einleitende Ermahnung WBRQVCUUQOGPQK CXNNJNQKL GXP HQDY^ &TKUVQW als eine Anspielung auf den Gehorsam gegenüber dem Kaiser: Christus steht an der Stelle des römischen Herrschers. 329 Die Diskussion über die Haustafeln in den Deuteropaulinen ist noch offen. D. Lührmann, Neutestamentliche Haustafeln, interpretiert sie aus der antiken Ökonomie und nicht wie M. Dibelius aus der stoischen Ethik. In der Definition der neuen Ordnung des Hauses „ist vom Anfang an auch ein latenter politischer Anspruch vorhanden, der sich mit Konstantin realisiert“ (95). Lührmann unterscheidet drei Phasen der sozialen Theorie im Christentum: 1) Mission, Bekehrung und Auflösung der Hausverhältnisse (Lk 18,29); 2) Paulinische Mission und Haus als Kristallisationspunkt der Gemeinde; 3) Pastoralbriefe, die Gemeinde steht in Analogie zum QKMQL. Der Bischof soll die QKXMQPQOKC beherrschen (1Tim 3,4f). Nach J.E. Crouch, The Origin and Intention of Colossian Haustafeln, haben die Haustafeln die Funktion, dem Freiheitsanspruch der Sklaven und der Frauen in den paulinischen Gemeinden eine Grenze zu setzen. Die Tendenz stammt von Paulus

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Das Konkurrenzbild der Herrschaft Christi scheint mir auch grundlegend für den Kolosserbrief zu sein, weil auch in jener Schrift die gleichen Modelle und die gleiche Begrifflichkeit wie im Epheserbrief zu finden sind, obwohl der kosmologische Aspekt zu überwiegen scheint. 6.1 MGHCNJ Diese allgemeine Erklärung der Absicht der Deuteropaulinen kann die Entwicklung der Leibmetaphorik in diesen Schriften erleichtern. Damit ist m.E. der größte Unterschied zu der echten Pauluskonzeption erklärt, die Unterscheidung der MGHCNJ vom UYOC. Sie erfolgt bei der Übernahme des politischen Bildes, das häufig für die Kaiserideologie benutzt wird und im Grunde auf einer dualistischen Anthropologie basiert. Die Erklärung ist, dass das Haupt als Sitz der Seele und der Vernunft eine höhere Stellung als der Rest des Körpers hat, aber trotzdem ein Teil des Körpers ist. Die Konzeption des Paulus bleibt immer die Basis für die deuteropaulinische Konzeption, nur die Übernahme des Kaiserbildes und dessen hierarchisches Schema331 macht den Unterschied. Die Frage, ob mit MGHCNJ eine Herrschaft332 oder eher ein Ursprung gemeint ist, ist schon durch die Natur der selbst im ersten Korintherbrief und die egalitäre Perspektive von Gal 3,28 ist „an early point of view“ (149). Die These von Faust öffnet eine neue Perspektive: Die Pointe ist nicht die Bewahrung der Statusunterschiede, sondern der Aufbau einer neuen Politeia. Dass die Beziehung zwischen den Teilen hierarchisch gedacht wird, hängt von der Tatsache ab, dass das Modell für die Politeia Christi die kaiserliche Herrschaft ist, die auf Christus übertragen wird. Eine gewisse Milde kann man trotzdem in der Beziehung Herr – Sklave und Mann – Frau feststellen. 330 In der Auslegung von Eph 2,14–18 bemerkt Faust, Pax Christi et pax Caesaris, 115–116 folgendes Schema in der Argumentation: a) ein „destruktiver Handlungsaspekt“ (V. 14b–15a.16) und b) eine „konstruktive Friedensstiftung“ (V. 17). Der destruktive Handlungsaspekt (die Aufhebung der Trennmauer, der Feindschaft und des Gesetzes) ist in der Tat die Überwindung der Destruktivität, d.h. nach meiner Sicht die notwendige Voraussetzung für Konstruktivität. Im Kontext von Eph 2,14–18 kann man sogar die anthropologische Verbindung mit UCTZ (VC GSPJ GXP UCTMK; RGTKVQOJ GXP UCTMK V. 11) und mit UYOC (G=P UYOC) feststellen. Der Befund bestätigt die These, dass bei Paulus dieses Schema vorlag und von seinen Schülern übernommen wurde. 331 Dass der Kopf einen höheren Rangplatz als die Füße hat, entspricht allgemeiner Ansicht. Während Paulus sie im Sinne einer bestehenden Gleichheit in der Gemeinschaft relativiert (1Kor 12,21), verstärken die Deuteropaulinen sie durch die Identifizierung des Hauptes mit Christus MCK RCPVC WBRGVCZGP WBRQ VQWL RQFCL CWXVQW MCK CWXVQP GFYMGP MGHCNJP WBRGT RCPVC VJ^ GXMMNJUKC (Eph 1,22). 332 Die Überlegenheit des Kopfes über den Rest des Körpers kann man bei Philo Praem. 125 finden: Bei den Tieren ist das Haupt das erste und das beste Glied im Gegenteil zum Schwanz, der das allerletzte und schlimmste ist und nicht in der Zahl der Glieder vorkommt. Der Hinweis ist an Dtn 28,44 GUVCK MGHCNJ UW FG GUJ^ QWXTC. Siehe auch Philo Opif. 118. Die menschliche Haltung des Körpers nach oben zeigt im Gegenteil zu den Tieren, dass er ein himmlisches Geschöpf ist und kein irdisches; vgl. Philo Plant. 17. Auch in dem Werk Quod deterius potiori sieht Philo in der oberen Stellung des menschlichen Hauptes einen Grund für eine anthropologische Ungleichheit zwischen den Körperteilen (vgl. Philo Det. 85). Die Polarität Oben – Unten, Himmel – Erde ist die

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zugrunde liegenden Bildlichkeit entschieden. In Kol 1,18–25 begründet die Benutzung weisheitlicher Vorstellungen von der schöpferischen Rolle Christi als CXTEJ, als Ursprung aller Dinge, die Aussage in Kol 1,18, nach der Christus über die Kirche die Herrschaft der MGHCNJ ausüben kann. Die Pointe der ganzen Argumentation besteht in dem metaphorischen Verhältnis zwischen UYOC und MGHCNJ, die beiden Termini können getrennte Metapher sein, aber in den Deuteropaulinen ist es (anders als bei Paulus) ihr Verhältnis, das von besonderer Bedeutung ist. Dies Verhältnis kann nur im Sinne einer Herrschaft gedeutet werden und nicht im Sinne von Ursprung.333 Die Herrschaft Christi hat eine kosmische Weite und erstreckt sich über die Herrschaften und die Mächte des Kosmos (Kol 2,10b Q=L GXUVKP JB MGHCNJ RCUJL CXTEJL MCK GXZQWUKCL). Diese Herrschaft über die Kirche und die Mächte des Kosmos ist nach H. Schlier334 ein Beweis der Identität des Urmenschen (in Bezug auf den Kosmos) und des Erlösers (in Bezug auf die Kirche), doch zeigt sie sehr vielmehr die universale und kosmische Tragweite der Herrschaft Christi, wie sie auch in Eph 1,22–23 zum Ausdruck kommt. Von dieser Hauptmetapher her können alle besonderen Elemente der Deuteropaulinen erklärt werden. Die kosmische Tragweite wird in den Deuteropaulinen durch das Wort RNJTYOC ausgedrückt die eigentlich die Totalität,335 die nur Gott zukommt, ausdrücken soll, wie in Eph 4,6 GKL SGQL MCK RCVJT RCPVYP QB GXRK RCPVYP MCK FKC RCPVYP MCK GXP RCUKP. Diese Stelle soll keine fast pantheistische Aussage336 über einen Allgott sein, sondern drückt die Totalität Gottes und seine Allmacht und seine Allanwesenheit aus. In Kol 2,10 wird VQ RNJTYOC VJL

Basis für eine Hierarchie Haupt – Füße, Vernunft – Sinnlichkeit. Der Mensch ist von Gott ein HWVQL QWXTCPKQL. Der Sitz der Vernunft ist sehr weit von den unteren Teilen, den Füßen, die in Kontankt mit der Erde sind, entfernt: 2CTQ MCK VQW UYOCVQL JBBOYP VQ OGP Q=UQP CXPCKUSJVQVCVQP RNGKUVQP CXRQUVJUCL NQIKUOQW VCL DCUGKL IJ^ RTQUGTTK\QW. 333 Gegen M. Walter, Gemeinde als Leib Christi, 174 der in dem Wort MGHCNJ in dem soteriologischen Kontext mehr die Bedeutung von „Ursprung“ sieht. 334 H. Schlier, Art. MGHCNJ, in: ThWNT III, 680: „Christus ist nicht nur Erlöser, sondern auch Urmensch. Er ist das freilich nicht nebeneinander, sondern so, dass im Erlöser der Urmensch wirksam wird und im Leibe des Erlösers der ‚Leib‘ der Schöpfung erfahren wird.“ 335 „Totalität“ scheint mir das passende Wort unter den vielen zu sein, mit denen das Wort RNJTYOC übersetzt werden kann. Vgl. die Diskussion in G. Delling, Art. RNJTJL MVN, in: ThWNT VI, 283–309, E. Schweizer, Der Brief an die Kolosser, 66–67. R. Schnackenburg, Der Brief an die Epheser, 80–81, meint, das Wort habe beim Autor des Briefes keine festgelegte semantische Deutung, sondern eine mannigfaltige Bedeutung im Laufe des Briefes. Er diskutiert noch die schwierige Stelle Eph 1,22b–23, wo die Kirche das RNJTYOC des Christus ist. Seine Deutung lautet: „Christus, der das All in allem (wohl neutrisch) erfüllt und intensiver erfüllen wird, erfüllt in besonderer Weise die Kirche, die dadurch Pleroma wird. Das scheinbare ‚räumliche‘ Erfüllen ist in Wirklichkeit ein dynamisches, in herrscherlicher Funktion gegenüber den Mächten und Gewalten (1,21), in gnadenhafter Weise in Bezug auf die Kirche.“ 336 R. Schnackenburg, Der Brief an die Epheser, 169–170.

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SGQVJVQL auf Christus übertragen und von ihm her auf die Christen337 und auf die Kirche (Eph 1,23). Das Herrschaftsverhältnis ist die Basis für die Definition der Politeia Christi und der sozialen Beziehungen des pater familias im Haus mit Sklaven, Kindern und Frauen. Nach Plutarch ist die Institution der Ehe und seine Beibehaltung die besondere Aufgabe des Staates, während es für die Deuteropaulinen die Herrschaft Christi ist, von der her die Ehe ihre Bedeutung erhält. In Eph 5,22–24 ist der Mann das Haupt der Frau in Analogie zum Hauptsein Christi über die Kirche, ein Argument, das für die Unterwerfung der Frau spricht. 6.2 CWZJUKL Ein weiteres Motiv, das besonders in den Deuteropaulinen vorkommt, ist das des Wachstums. Die wichtigste Stelle ist Kol 2,19, wo das Wachstum des Körpers mit Hilfe anatomischer Terminologie (CBHJ UWPFGUOQL) zum Ausdruck kommt, und Eph 2,21, wo vom Wachstum eines Gebäudes die Rede ist, und Eph 4,16, wo wieder die Leibmetaphorik vorkommt, aber verbunden mit dem Wort QKXMQFQOJ. Das Bild des Wachstums ist eng mit der Rede vom Haupt verbunden, auf eine Weise, die den Sinn des eigentlichen Referenten erweitert. Die These, die in den Deuteropaulinen vertreten wird, ist dass das Wachstum des Leibes nur in enger Verbindung mit dem Haupt erfolgen kann338 und seine Richtung durch die Herrschaft des Kopfes verursacht wird. Das Motiv des Wachstums hat auch die Funktion, in der eigentlich sehr statischen Perspektive einer realisierten Eschatologie339 eine gewisse Dynamik einzuführen. Bei den echten Paulusbriefen ist die Herrschaft Christi über die Mächte ein endzeitliches Ereignis. Sie kommt in Verbindung mit der Auferstehung und dem Sieg über den Tod zustande. Eine ähnliche Vorstellung kann man in der apokalyptischen Darstellung eines endzeitlichen Sieges und Triumphs des Christus sehen, die Paulus in 337 Kol 2,9–10: Q=VK GXP CWXVY^ MCVQKMGK RCP VQ RNJTYOC VJL SGQVJVQL UYOCVKMYL MCK GXUVG GXP CWXVY^ RGRNJTYOGPQK Q=L GXUVKP JB MGHCNJ RCUJL CXTEJL MCK GXZQWUKCL. Das Motiv der Fülle kommt zur politischen Metapher aus Weisheitsliteratur und Philo hinzu und macht die politische Leibmetapher auch für die christologische Rede von einer kosmischen Macht Christi brauchbar. 338 Wichtig dafür ist das Verb MTCVGY in Kol 2,19 und die Präposition GXM in Kol 2,19 und Eph 4,15; F. Mußner, Christus, das All und die Kirche, 143. GXZ QW ist dabei grammatikalisch auf Christus bezogen und nicht auf das Haupt; medizinisch wäre es schwer zu behaupten, dass das Wachstum vom Haupt abhängt (vgl. E. Best, Ephesians, 410). Die Schwierigkeit wird deswegen durch einen direkten Bezug auf Christus überwunden, was ein Bruch in der Metaphorik ist. 339 E. Lohse, Christusherrschaft und Kirche, 208: „Seine Weltherrschaft wird er nicht erst am Ende apokalyptischer Schreckenereignisse und nach Vergehen des alten Äons antreten, sondern sie ist bereits Wirklichkeit in der GXMMNJUKC“.

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Das UYOC der Gemeinschaft

1Kor 15,23–28 im Zusammenhang mit der Auferstehung aller Christen schildert. In der Deuteropaulinen werden apokalyptische Motive wie die Auferstehung, die Herrschaft Christi, der Begriff OWUVJTKQP und die Offenbarung auf die Gegenwart der Kirche hin neu interpretiert. Eine medizinische Definition vom Wachstum kann man bei Galen finden. „Wachstum ist eine Zunahme und eine Erweiterung nach Länge, Breite und Tiefe der harten Teile eines Lebewesens“.340 Die harten Teile des Körpers sind die Knochen, die Nerven, die Gefäße, die Bindungen (UWPFGUOQK) und die Hüllen.341 Es ist mehr als eine einfache Ausdehnung in einer Dimension, aber auch die Erweiterung in drei Dimensionen kann wie im Fall einer aufgeblasenen Blase kein Wachstum sein, weil die Blase immer dünner wird. Beim Wachstum wird der Körper nicht dünner, weil es durch Nahrung ermöglicht wird. Ein wichtiger Aspekt dieser medizinischen Diskussion ist die Polemik von Galen gegen Erasistratus, der meint, das Wachstum eines Lebewesen sei mit dem Flechten eines Seils, Korbs oder Kleides, oder mit dem Bau eines Hauses oder Schiffes vergleichbar. Das Wachstum ist nach Galen nur ein Phänomen, das ein schon vollendetes Lebewesen betrifft, das „Wachstum“ von einem geflochtenen Korb ist keine CWZJUKL, sondern immer noch eine IGPGUKL. Die Zusammenkunft der zwei Bilder vom Wachstum des Körpers und des Baus könnten in dieser Tradition verwurzelt sein, gegen die sich Galen wendet. Ein weiterer Punkt der galenischen Polemik betrifft die Rolle der Bindungen und der Nerven, die nach Erasistratos gleichzeitig die Funktion der Gefäße haben,342 indem sie die Nahrung in den ganzen Körper verteilen. Das kann m.E. den Ausdruck FKC RCUJL CBHJL VJL GXRKEQTJIKCL (Eph 4,16) und FKC VYP CBHYP MCK UWPFGUOYP GXRKEQTJIQWOGPQP (Kol 2,19) erklären, womit die Rolle der Verteilung der Nahrung innerhalb des Bildes vom Wachstum gemeint ist.343 Eine Identifizierung der Gelenke mit den Amtsträgern scheint mir von der

340 Gal. Nat. Fac. I,5,11: JBB F XCWZJUKL GXRKFQUKL GXUVK MCK FKCUVCUKL MCVC OJMQL MCK RNCVQL MCK DCSQL VYP UVGTGYP VQW \Y^^QP OQTKYP. 341 Gal. Nat. Fac. I,5,11: Es ist wichtig, in diesem Zusammenhang das Wort UWPFGUOQL zu finden, das einen allgemeinen medizinischen Hintergrund für die Argumente in den Deuteropaulinen öffnet. 342 Das würde auch das Problem bei der Übersetzung des Wortes CXHJ lösen, das E. Best, Ephesians, 411, aufwirft. Es kann nicht mit ‚Gefäße‘ wiedergegeben werden, denn sie bringen nur die Nahrung zum Körper, und auch nicht mit Nerven, denn sie halten den Körper zusammen. Die aristotelische Lehre, mit der sich Galen auseinandersetzt, würde beide Funktionen zusammenschließen. Das ist auch der Standpunkt unserer Texte. 343 Das Wort GXRKEQTJIKC bzw. GXRKEQTJIGY (Liddell/Scott, 67: „supply, furnish“; 2Kor 9,10: „provision“) enthält eindeutig die primäre Bedeutung von Verleihung von Lebenskraft und Nahrung zum Wachstum und auch, aber hier mit weniger Akzentuierung, die Funktion eines Zusammenhalts der Teile. Die Idee ist das Haupt, das Wachstum ermöglicht und den Körper dadurch zusammenhält.

Das Motiv in der nachpaulinischen Literatur

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Logik der Metapher her schwer zu behaupten zu sein,344 weil das eine Allegorisierung der Metapher implizieren würde. Ein ekklesiologischer Hintergrund ist sonst nur in Eph 4,11 zu finden, aber nicht in der Parallelstelle Kol 2,19.345 UWPFGUOQL ist in Kol 3,14 die CXICRJ und in Eph 4,3 die GKXTJPJ. Das Wachstum ist auf jeden Fall als eine qualitative346 Zunahme das Gegenteil zum realen Wachstum, es ist die CWZJUKL VQW SGQW (Kol 2,19) oder CWZJUKL GKXL QKXMQFQOJP GBCWVQW GXP CXICRJ^ (Eph 4,16b). Das Wachstum scheint irgendwie die Erlangung eines Zustands zu sein, in dem alle Teile konstruktiv zusammengefügt werden können, in einer universalen Perspektive. Das entspricht dem politischen Gedanken eines coalescere, das die Einheit des römischen Reiches durch die Macht des Kaisers realisiert. Das sagt der römische Historiker Velleius Paterculus, dass nach dem Bürgerkrieg die Republik und die Glieder des Reiches wachsen konnten.347 6.3 QKXMQFQOJ Eine Besonderheit die eigentlich nur den Epheserbrief betrifft, ist der Gebrauch des Begriffs QKXMQFQOJ, der in Kontinuität zu Paulus steht. Die Ergänzung der Leibmetaphorik durch die Hausmetaphorik ist nicht, wie M. Walter348 annimmt, durch einen Bedarf an Stabilität zu erklären, die das Haus mehr als der Organismus verleihen kann – die politischen Hintergründe der Leibmetaphorik sorgten von selbst für einen hohen Grad von Stabilität in der allgemeinen Vorstellung – , sondern sie lässt sich als Zurücknahme eines echt paulinischen Motivs erklären. Wie bei Paulus wird QKXMQFQOJ gleichzeitig als selbständige Metapher bis zur Tempelvorstellung (PCQL C=IKQL Eph 2,21) entfaltet und als qualitatives Korrelat zum Leib oder zur Gemeinschaft verstanden. Die Termini aus dem semantischen Feld „Gebäude“ finden sich überwiegend in Eph 2,19–22.349 In dem qualitativen Sinne von Konstruktivität ist QKXMQFQOJ der Bedeutung CWZJUKL des Körpers 344 Das ist die Erklärung von R. Schnackenburg, Der Brief an die Epheser, 192–193. Für ihn sind Leitende („die Gelenke“) und alle Christen angesprochen. 345 E. Best, Ephesians, 412. 346 F. Mußner, Christus, das All und die Kirche, 143. 347 Vell. II,90,1–4: „Sepultis, ut praediximus, bellis civilibus coalescentibusque rei publicae membris, etiam coaluere quae tam longa armorum series laceraverat“. 348 M. Walter, Gemeinde als Leib Christi, 207. Das Argument wird so ausgedrückt: „Vielleicht hat sich mit der Hausmetaphorik die Vorstellung einer großen Stabilität ergeben, die für den überregionalen Horizont geeigneter war“. Nun reicht aber die kaiserliche Vorstellung eines reichsweiten Leibes allein aus, um solch eine überregionale Weite zu decken. Das Haus ist im Gegenteil nur lokal vorstellbar. 349 UWPQKMQFQOGY GXRQKMQFQOGY PCQL CXMTQIYPKCKQL QKXMQFQOJ UWPCTOQNQIQWOGPJ MC VQKMJVJTKQP SGOGNKQL. In diesen Begriffen lässt sich leicht eine Übernahme der paulinischen Terminologie und eine Erweiterung des Motivs feststellen.

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Das UYOC der Gemeinschaft

sehr nah, besonders in Eph 4,16, wo die beiden Termini fast synonym nebeneinander stehen.350 Die Konstruktivität des kosmischen Körpers wird wie das Wachstum dadurch möglich, dass das Haupt (Christus) beides bestimmt, aber sie wird auch zu einem Argument der Paränese. In Eph 4,29 wird die Destruktivität351 des UCRTQL NQIQL, den die Christen vermeiden sollen, der Konstruktivität (QKXMQFQOJ) des CXICSQL NQIQL entgegengesetzt. Die Deuteropaulinen versuchen auf die Frage, wie Konstruktivität möglich wird, ähnlich wie Paulus eine Antwort zu geben. Sie übernehmen das römische Herrschaftsmodell, das die Einheit und das konstruktive Zusammensein auf die Macht einer Person zurückführt und sich von einem hierarchischen Schema abhängig macht. Paulus schreibt dagegen dem RPGWOC diese konstruktive Rolle durch Übernahme eines egalitären und horizontalen Schemas der stoischen Einheit der Körper zu. Das Prinzip RPGWOC ist, wie das Haupt, im Grunde Christus selbst. Was den Unterschied macht, ist gerade das egalitäre Modell gegenüber dem hierarchischen Modell. Es ist interessant, dass die einheitsstiftende Rolle des Geistes im Kolosserbrief fast abwesend ist und erst im Epheserbrief wiederaufgenommen wird. Auch in diesem Brief bleibt es trotz der Häufigkeit des Vorkommens gegenüber dem Herrschaftsmodell des Hauptes sekundär. Die Abhängigkeit der Deuteropaulinen vom römischen Herrschaftsmodell und der Versuch, ein Gegenbild zu entwerfen, erklärt, warum die Leibmetaphorik nicht auf den für Paulus unerlässlichen anthropologischen Prämissen über das UYOC beruht. Die anthropologischen Aussagen der beiden postpaulinischen Schriften bleiben unpräzis im Vergleich zu Paulus. Eine anthropologische Bedeutung von UYOC ist nur im Kolosserbrief zu finden, wo aber Ausdrücke wie UYOC VJL UCTMQL (Kol 1,22 für Christus; 2,11 für den Menschen) oder das Adverb UYOCVKMYL (Kol 2,9) ein Merkmal für eine nicht genau definierte Konzeption des Begriffs ist. Das Adverb hat wahrscheinlich die Bedeutung von „leiblich“ und „wirklich“352 im Sinne von Lk 8,22 (UYOCVKMY GKFGK). Christus ist die leibliche Konkretion der Gottheit, was auch in Kol 2,17 durch den Gegensatz UMKC – VQ UYOC VQW &TKUVQW gesagt wird. Der Ausdruck UYOC VJL UCTMQL könnte sachlich eine Anspielung auf das UYOC VJL

350 F. Mußner, Der Brief an die Epheser, 131, sieht in dem Aufbau das Ziel des Wachstum, doch läuft die Konstruktivität parallel zum Wachstum und steht nicht nur am Ende des Wachstums. 351 Die Polarität liegt hauptsächlich in dem UCRTQL. 352 A. Lindemann, Kolosser, 42, gibt es mit „wirklich“ wieder. H. Hübner, Kolosser, 79–80, lässt offen, ob „leiblich“ oder „wesenhaft“ gemient ist. Nach E. Schweizer, Der Brief an die Kolosser, 107–108, ist die Wahl des Wortes „leiblich“ vom „Leibe Christi“ bestimmt, um zu sagen, dass die Gegenwart Christi für die Gemeinde vorhanden ist. Das Gottsein Christi betrifft nicht die Kategorie der Substanz, sondern das Wirken Gottes.

Zusammenfassung

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CBOCTVKCL sein,353 aber die christologische Aussage von 1,22 spricht eher für eine anthropologische Undeutlichkeit wie auch PQWL VJL UCTMQL in 2,18. Im Epheserbrief ist der Gebrauch von UYOC ausschließlich auf den kosmischen, kollektiven Leib beschränkt. Der Gebrauch des Wortes UCTZ ist dagegen anthropologisch und ethisch eher von der paulinischen Tradition beeinflusst, ohne eine relevante Rolle in der Beschreibung des Menschen zu spielen. Einige Ausdrücke wie VJ^ UCTMK CRGKOK (Kol 2,5) oder GXP VJ^ UCTMK CWXVQW (Eph 2,14), wo das Wort UYOC zu erwarten wäre, zeigen nochmals ein gewisses mangelndes Interesse an anthropologischen Definitionen und öffnen den Weg zu einem undifferenzierten Gebrauch der beiden Termini und zum Vorrang des christologischen Interesses im Gebrauch von UCTZ auf UYOC. Das anthropologische Defizit in den Deuteropaulinen scheint mir noch aus einem weiteren Grund die bessere Lösung zu sein. Das Herrschaftsmodell Haupt – Leib hätte eine grundsätzliche dualistische Anthropologie gebraucht, wie bei den römischen Autoren der Fall ist. Diese Konsequenz wird nicht gezogen und an seiner Stelle bleibt eine allgemeine Wiederaufnahme von paulinischen Motiven, die aber nur einen Anklang an die Begrifflichkeit des Paulus sind. Zusammenfassend kann man sagen: Der Unterschied der Deuteropaulinen zu den echten Paulus’ Briefen besteht in der konsequenten Aufnahme des kollektiven Syntagmas des Leibes der Gemeinschaft und seiner neuen Lektüre als Konkurrenzbild des römischen Bildes der Kaiserherrschaft über das ganze Reich. Das Ziel ist wie bei Paulus und bei der Kaiserideologie, eine konstruktive Gemeinschaft zu errichten, aber das Modell ist nicht egalitär wie bei Paulus sondern hierarchisch. Die Beschränkung auf dieses Herrschaftsbild und auf den Aufbau einer konstruktiven Gemeinschaft bewirkt ein Desinteresse an der eigentlichen anthropologischen Frage. Es fehlt bei diesen Briefen ein direkter Bezug zur philosophischen Debatte in der stoischen Philosophie, wie das Fehlen der philosophische Stichworte UWORCSGKC, UWOHGTQP zeigt. Die Autoren sind nicht interessiert, wie Paulus eine Theorie zu entwickeln, die Teil und Ganzes zu einem konstruktiven Zusammenhang führen kann. Die direkte Konfrontation geschieht eher mit der politischen Metaphorik, die auch bei Paulus zu finden ist, in einem direkten und quasi frontalen Gegensatz. Zusammenfassung

353 Das ist die These von E. Schweizer, Der Brief an die Kolosser, 111. Er sieht in dem Ausdruck auch die hellenistische Vorstellung vom Ablegen des Körpers zugunsten der Seele, was mir nicht beweisbar scheint.

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Das UYOC der Gemeinschaft

7. Zusammenfassung Aus den untersuchten Texten ergibt sich eine Definition des paulinischen Gebrauchs der Leibmetapher für die Gemeinschaft und damit verbunden eine Definition der Konstruktivität. Der Leib bietet sich als begriffliches Bild für ein konstruktives Zusammensein an. UYOC besitzt eine große semantische Bandbreite, die Paulus ausnutzt. Der Begriff kann den einzelnen Gläubigen bezeichnen, der von Christus wie ein Sklave als sein Besitz erworben wird, ebenso wie den am Kreuz hingerichteten Christus, der in der Abendmahlshandlung rituell aus der eschatologischen Perspektive der Parusie thematisiert wird. Die Gemeinschaft ist der Endpunkt, wo sich diese Anwendungsbereiche der begrifflichen Metapher treffen und verflechten. Wie der Einzelne so ist auch die Gemeinde ein UYOC, das Christus gehört. Im Falle der Gemeinschaft muss anders als beim einzelnen Menschen geklärt werden, wie sich eine solche Einheit des Leibes bildet. Die Antwort ist für die gesamte Anthropologie relevant. Bei Paulus bildet sich die Einheit durch die Gleichheit aller Glieder dank des heiligen Geistes. Dieser Gedanke wird zur Basis seines monistischen Menschenbildes. Das Ziel des Paulus ist die Darstellung der Konstruktivität der Gemeinschaft und nicht nur ihrer Einheit. Die Einheit ist lediglich eine äußerliche Eigenschaft der Gemeinschaft, die auch mit autoritären oder zwanghaften Mitteln erreicht werden könnte. Zur Darstellung der Konstruktivität benutzt Paulus den politischen Begriff MQKPYPKC, der die Gemeinde bezeichnet: Er meint eine Kollektivität, in der die Mitglieder ihr Zusammenleben nach den Idealen der Reziprozität, Mithilfe und Fürsorge gestalten. Die Bedeutung einer solchen Gemeinschaft wird symbolisch durch die Teilnahme am Abendmahl erlebt. Das Abendmahl steht faktisch in Analogie zu den paganen Gemeinschaftsmahlen, die ebenfalls eine Integrationsfunktion besaßen und theoretisch mit dem christlichen Abendmahl verglichen werden können. In seiner rituellen Formelsprache enthält es das Wort UYOC, das eine logische Verbindung zur Rede von der Gemeinschaft herstellt. Die christliche Gemeinschaft ist JBB MQKPYPKC VQW CK=OCVQL/VQW UYOCVQL &TKUVQW, d.h. sie findet ihren Ursprung und ihre Daseinsberechtigung im Tod Jesu. Zwischen dem UYOC VQW &TKUVQW (der Person des gekreuzigten Herrn) und der Gemeinschaft besteht ein enger Zusammenhang. Dieser lässt sich allerdings nicht im Sinne eines sakramentalen und mystischen Realismus als völlige Identität deuten. Der Gemeinschaftssinn und die Existenz der Gemeinschaft als solcher wird von Christus bestimmt, darf aber nicht mit seiner Person verwechselt werden. Christus ist und bleibt der Herr der Gemeinde. Das Bekenntnis von 1Kor 12,2 dient nicht nur als Kriterium, um die Gaben des Geistes zu erkennen, sondern auch als Basis, um sich selbst innerhalb der

Zusammenfassung

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konstruktiven Gemeinschaft Jesu Christi zu erkennen und zu verstehen. Darüber hinaus gibt es noch eine zweite Art, den Genitiv und die Beziehung mit Christus in JBB MQKPYPKC VQW CK=OCVQL/VQW UYOCVQL &TKUVQW zu erklären. Dabei geht man von der Abhängigkeit des Gemeinschaftsverständnisses von der theologia crucis aus. Die Gemeinschaft verkörpert auch den am Kreuz ablesbaren Entschluss Gottes, VC CXIGPJ VQW MQUOQW MCK VC GXZQWSGPJOGPC (1Kor 1,27–28) zu erwählen, um das Starke und Weise zuschanden zu machen. Das Verhalten der reicheren Korinther sowie die daraus entstehenden Konflikte sind ein Ausdruck für das entgegengesetzte Prinzip: Das „Zuschanden machen“ derjenigen, die nichts haben, und die Verachtung (MCVCHTQPGKP) der Gemeinde Gottes. Was mit FKCMTKPGKP VQ UYOC in 1Kor 11,29 gemeint ist, ist nichts anderes als das UYHTQPGKP von Röm 12,3: eine Betrachtung des Sinnes der Gemeinschaft und eine Selbstbetrachtung aus der Perspektive des Kreuzes. Die MQKPYPKC (und das UYOC) nur sakramental zu erklären, engt die Perspektive der paulinischen ethischen Anweisung ein und verlagert alles auf die numinose Ebene des ex opere operato. Paulus mahnt im Gegenteil zu einem FKCMTKPGKP VQ UYOC, zu einem Gottesdienst, an dem auch der PQWL beteiligt ist. Auf dieser Grundlage steht die Argumentation von 1Kor 12. Hier wird die Gemeinschaft aufgrund der allgemeinen Kenntnissen darüber, wie sich die Teile zum Ganzen zusammenfügen, dargestellt. Paulus stützt sich in seiner Argumentation auf die Erkenntnisse der Zeit und bezieht klar Stellung. Im Mittelpunkt steht die Definition eines UYOC für die Gemeinschaft. Nach der Definition der Mittleren Stoa ist die Gemeinschaft ein geeinter Körper, dessen Teile zueinander in einer UWORCSGKC stehen. Die Einheit der verschiedenen Teile bzw. Glieder setzt eine Mischungstheorie voraus, die ein Mitwirken auch der geringsten Komponenten berücksichtigt – so, wie dies in der alten Stoa bei der völligen Vermischung der Fall ist. Wie bei der stoischen Theorie wird auch hier die vollständige Vermischung nur dadurch ermöglicht, dass das RPGWOC ein continuum aller Teile schafft und dabei die Eigenschaften des Einzelnen dennoch bewahrt. Neben diesen physischen Argumenten stehen die politische Metaphorik und ihre Bewertung. In der politischen Ideologie der Zeit wird die Metapher des Leibes meistens benutzt, um eine hierarchische Vision des Staates zu rechtfertigen. In der Gemeinde Korinths beanspruchten die Zungenredner, die wahrscheinlich zu den Wohlhabenderen in der Gemeinde zählen, Anerkennung und eine gewisse Überlegenheit den anderen gegenüber. Paulus benutzt die Leibmetaphorik, um eine Umkehrung der etablierten Werte und der Ehrverteilung herbeizuführen. Er rechtfertigt diese Umkehrung theologisch (wie die Weisheit des Kreuzes), indem er darauf verweist, dass Gott die Glieder zusammengesetzt (eigentlich „gemischt“) hat, damit dem geringsten Glied viel mehr Ehre zuteil wird. In dieser Aussage treffen die bereits erwähnte Mischungstheorie, die Kreuzes-

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theologie und die Leibmetaphorik zusammen. Dass es sich nicht um eine paternalistische Aussage handelt, dass also die sozialen Verhältnisse davon nicht unberührt bleiben, kann man aus einer Parallelstelle entnehmen, wo Paulus diese Inversion offen mit dem bestehenden Ehrsystem, das durch die römische Reichsordnung verkörpert wird, kontrastiert. Um die Konstruktivität innerhalb der christlichen Gemeinde zu verwirklichen, muss eine Wandlung des Wertesystems und der Urteilskraft stattfinden. Die paulinische Schule nimmt das Thema des Leibes der Gemeinschaft wieder auf und setzt es in offenen Kontrast zu Rom. Christus ist der wahre Herrscher des Universums, der Frieden schaffen kann. Dieselbe Leibmetaphorik, die auch die Kaiserideologie benutzt und die von der Überlegenheit des Hauptes über den Leib ausgeht, wird von den Schülern des Paulus übernommen und auf die Herrschaft Christi übertragen. Paulus ist diese Variante der Leibmetaphorik mit der Überlegenheit des Hauptes fremd, weil sie sich anthropologisch auf die Herrschaft der Seele über den Leib stützt. Die Deuteropaulinen übernehmen die Machtstruktur des Reiches, hier findet sich keine Umkehrung der Werte, wie dies bei Paulus der Fall ist. Trotz der Unterschiede zu der echten paulinischen Argumentation bleibt bei den Deuteropaulinen (besonders beim Epheserbrief) der Grundgedanke bestehen, wonach die Herrschaft Christi eine konstruktive Gemeinschaft schafft, die mit Frieden und mit Überwindung der Feindschaft einhergeht.

Kapitel V: Anthropologie und Eschatologie Anthropologie und Eschatologie

1. Einleitung: Das Problem der paulinischen Eschatologie Jeder anthropologische Diskurs in der Antike befasst sich mit der Frage nach dem Ende des menschlichen Lebens, mit dem Problem des Todes und damit, wie die Zukunft der menschlichen Existenz angesichts des Todes dargestellt und erörtert werden kann. In einem dualistischen anthropologischen System wird die Fragestellung so gelöst, dass ein Teil des Menschen, die Seele, allein in ihrer göttlichen Eigenschaft eine Kontinuität zu gewährleisten vermag.1 Paulus setzt sich in seiner Anthropologie mit der Frage nach der postmortalen Existenz auseinander. Die Zukunftsperspektive hängt bei Paulus nicht von einer Eigenschaft des Menschen, sondern allein von der göttlichen Handlung ab, die sich in der Auferstehung verwirklicht. Das Thema dieses Kapitels betrifft daher die Eschatologie und ihre Implikationen für die Anthropologie. Aber gerade die paulinische Eschatologie ist nach Meinung vieler Autoren keine einheitliche Konzeption, sondern entwickelt sich ausgehend von einer jüdisch-apokalyptischen Weltanschauung angesichts der Parusie zu der hellenistischen, individualistischen Erwartung einer Verwandlung unmittelbar nach dem Tode, welche eine dualistische Anthropologie voraussetzt. Das früheste Stadium wird in 1Thess 4, 13–18 geschildert, wo die apokalyptische Begrifflichkeit überwiegt. Im 1Kor 15 ist der Auferstehungsdiskurs durch die Antithese UYOC [WEKMQP versus RPGWOCVKMQP gekennzeichnet, verbunden mit einer Reduzierung des apokalyptischen Szenarios. 2Kor 5 vollendet schließlich diesen Prozess mit dem vollständigen Übergang zur hellenistischen Vorstellung von der Verwandlung des Individuums, und zwar zum Zeitpunkt des Todes und nicht 1 Es gibt viele Texte, die diesen Gedanken der hellenistischen Anthropologie enthalten. Eine ausführliche und knappe Definition ist bei Vett. Val. IX,11–17 zu finden. Die Seele ist das göttliche Element im Menschen gegenüber dem sterblichen Leib. Die Seele schafft die Bewegung, die menschlichen Beziehungen und die Ethik, der Leib hingegen ist inaktiv. Im Mittelpunkt des Textes stehen einige Zitate aus Orpheus: Vett. Val. IX,14, [WEJ F8 CXSCPCVQL MCK CXIJTYL GXM 'KQL GUVKP […]. Vett. Val. IX,15, [WEJ F8 CXSCPCVQL VC FG UYOCVC SPJVC. Daraus folgt ein Streben nach Nacktheit der Seele vor dem Leib: Vett. Val. IX,11, J?P (Unsterblichkeit) G=MCUVQL JBBOYP MCS8 JBBOGTCP OGNGVC^ IWOPC\QOGPQL NCODCPGKP J CXRQFKFQPCK VQ \YVKMQP RPGWOC.

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Anthropologie und Eschatologie

erst bei der Parusie.2 Die Konsequenzen dieser Thematik für die Anthropologie sind offensichtlich und sollen hier erörtert werden. In 1Thess 4,13–18 behandelt Paulus den konkreten Fall des Todes einiger Gemeindeglieder, der anscheinend zahlreiche Bedenken unter den Thessalonichern ausgelöst hat, insbesondere die Auffassung, dass die Toten im Vergleich zu den Lebenden benachteiligt sein könnten.3 Der Apostel versucht, dies Unbehagen angesichts der eschatologischen Erwartung durch eine Korrektur4 der Benachteiligung der Toten und durch seine prophetische 2 Die Diskussion über die Entwicklung der Eschatologie und folglich auch der Anthropologie in Richtung hellenistischer Konzeptionen erstreckt sich über die gesamte Geschichte der modernen Exegese. O. Pfleiderer, Paulinismus, 258–259, verweist klar auf eine fortdauernde Entwicklung schon bei Paulus, in der dieser – auch in der Eschatologie – von jüdischen Vorstellungen ausgeht. Am Ende dieses Prozesses steht der Katholizismus. W. L. Knox, St Paul, 128, ist der Ansicht, Paulus habe nach dem Disput am Aeropag gemerkt, dass seine Auferstehungskonzeption nicht mit der philosophischen Welt der Griechen vereinbar und daher revisionsbedürftig sei. Seiner Meinung nach ist „the second Epistle […] largely devoted to a complete revision of Pauline eschatology in a Hellenistic sense.“ Für H. Windisch, Der zweite Korintherbrief, 164, ist der Paulus des 2Kor stark von der dualistischen Anthropologie beeinflusst, die ihn an den hellenistischen Platonismus annähert. Der Leib ist eine Last für den Geist, ein enges Kleid und ein Fessel oder ein Gefängnis. R. Bultmann, Theologie des Neuen Testaments, 202, sieht in 2Kor 5 eine Ausnahme in der paulinischen Rede über den Leib. „Hier kommt Paulus dem hellenistisch-gnostischen Dualismus sehr nahe, schon in der Redeweise, indem er vom UYOC unter dem Bilde der Zeltwohnung und des Gewandes spricht; aber auch im Gedanken selbst. Das UYOC erscheint hier als die Hülle für das Ich – der GUY CPSTYRQL von 4,16 – und zwar als eine unangemessene Hülle […].“ In jüngster Zeit ist die These einer Entwicklung der paulinischen Eschatologie von W. Wiefel, Die Hauptrichtungen des Wandels, von U. Schnelle, Wandlungen im paulinischen Denken, und von S. Schulz, Der frühe und der späte Paulus, vertreten worden. Die These dieser Autoren werde ich im Folgenden übernehmen. Allerdings kann ich in der Anthropologie des Paulus keinerlei Wandlung in Richtung einer dualistischen Konzeption erkennen. F. Lang, Die Briefe an die Korinther, 290–293, spricht sich gegen das Postulat eines Wandels in der paulinischen Eschatologie aus, den er als eine überholte Auffassung der Exegese ansieht. Die Annahme, dass Paulus, nachdem er in Todesgefahr geraten war (2Kor 1,8ff), jede Hoffnung aufgeben habe, die Parusie zu erleben, und seine Vorstellung von den letzten Ereignissen verändert habe, stellt Lang in Frage. Die Eschatologie behält auch in den letzen Briefen die Grundstruktur eines Ereignisses für die ganze Schöpfung (Röm 8,18ff) und für den Einzelnen (Phil 1,21ff). Langs Schlussfolgerung, „Diese Entwicklung der paulinischen Eschatologie hat sich in der neueren Forschung nicht behauptet“ (S. 291), widerspricht aber den oben zitierten Stellen. Meiner Meinung nach ist im paulinischen Gedankengut ebenfalls eine gewisse Kontinuität zu finden, in deren Mittelpunkt die Auferstehung steht – obgleich zuweilen die individuelle Perspektive in den Vordergrund rückt. 3 W. Harnisch, Eschatologische Existenz, 27–29, Paulus setzt sich mit der These auseinander, nach der die Lebenden Vorrang gegenüber den Toten haben und die in Anlehnung an Güttgemanns als These gnostischer Herkunft definiert wird. Die Behauptung, dass für die Gnostiker der Tod eine Benachteiligung sei und nur die Lebenden die wahre CXPCUVCUKL erfahren könnten, erscheint mir fragwürdig. Im Fall von 1Thess 4,13–18 muss man eher an eine Art Zweifel denken, an die Schwierigkeit die früheren Todesfälle in die als nah empfundenen endzeitlichen Ereignissen einzuordnen sowie an die Gefahr ganz in Hoffnungslosigkeit zu verfallen. 4 W. Harnisch, Eschatologische Existenz, 49– 50. Auch die Wortwahl an solchen Stellen, an denen die Rede von den Verstorbenen ist, ist ein Beweis für eine solche Relativierung. Sie werden durch das Bild des Schlafes charakterisiert, mit den Begriffen MQKOYOGPQK oder

Das Problem der paulinischen Anthropologie

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Autorität zu beseitigen. Die Basis seiner Argumentation bildet in V. 14 der allgemeine Glaube an die Auferstehung Christi, die analog eine Auferweckung der Verstorbenen impliziert. Im Mittelpunkt steht der Ausdruck CZGKUWPCWXVY^, der im Futur verwendet wird und Gott zum Subjekt hat: Er bezieht sich auf die Entrückung und schließt die Auferstehung ein. Das Thema der Entrückung entnimmt Paulus einem von ihm genannten NQIQLMWTKQW, der jedoch nicht auf ein Jesuswort zurückgeht, sondern ein überlieferter Text ist,5 den Paulus in sachliche Verbindung mit Jesus bringt, um damit seinem Schreiben Autorität zu verleihen. Charakteristisch für 1Thess 4,13–18 ist die überwiegend apokalyptische Sprache, mit der die Endereignisse geschildert werden. Dem Zeitgefühl des Apostels entsprechend steht die Parusie unmittelbar bevor. Deshalb ist das Problem der Auferstehung nur im Hinblick auf die wenigen bisher Verstorbenen aktuell und nicht für alle Gläubigen virulent. Die anthropologischen Bedingungen der allgemeinen Entrückung werden nicht thematisiert, wie auch die anthropologische Terminologie den ganzen Brief hindurch nicht genauer entwickelt wird. Aber wichtig scheint mir die abschließende Mahnung in 1Thess 5,11, die mit den zwei Verben RCTCMCNGKP und QKXMQFQOGKP ausgedrückt wird. Das zweite Verb zeigt, dass die Rede über die Eschatologie zum Indikativ wird, der dem Imperativ des Aufbaus der Gemeinde6 dient. Aus den früheren Briefen lässt sich eine wichtige Erkenntnis ableiten: Im Mittelpunkt des eschatologischen Diskurses bei Paulus steht die Auferstehung Christi, die die eschatologischen Ereignisse und die Zukunft der Menschheit bestimmt. Die Auferstehung des UYOC fehlt in den früheren Texten und wird erstmals in den Korintherbriefen behandelt. Der Grundgedanke bleibt aber unverändert: Die eschatologischen Ereignisse sind die Erfüllung der eigentlichen, in Christus offenbar gewordenen Menschlichkeit und des nur teilweise erfahrbaren konstruktiven Zusammenlebens. Dieser Grundgedanke wird von Paulus weiterentwickelt und anthropologisch (durch den Begriff UYOC) vertieft. Das Problem der paulinischen Anthropologie MQKOJSGPVCK, nur einmal auch mit QKBB PGMTQK GXP &TKUVY^. Dasselbe Bild beinhaltet das mehrmals verwendete Verb MCSGWFGKP im folgenden paränetischen Teil 1Thess 5,1–11, mit der Symbolik von Tag und Nacht, bis zur abschließenden Aussage in V. 10: K=PC GKVG ITJIQTYOGP GKVG MCSGWFYOGP C=OC UWP CWXVY^ \JUYOGP. 5 W. Harnisch, Eschatologische Existenz, 41–46: In dem vorliegenden Text lassen sich drei Stadien der Überlieferung ausmachen: 1) eine Aussage über die katabasis des Menschensohnes (jüdisch) und die Entrückung der restlichen Menschheit, 2) ein Text über die Parusieankündigung, 3) 1Thess 4,16f; G. Sellin, Der Streit, 44, unterscheidet zwei widersprüchliche Motive, das MCVCDCKPGKP des Menschensohnes und die Entrückung in den Himmel, die Paulus selbst in folgendem Schema kombiniert: 1. Ankunft des Menschensohnes 2. Erweckung der Toten 3. Gericht über die Lebenden und die Auferstandenen 4. Entrückung derer, die das Gericht überstanden haben. 6 Ph. Vielhauer, Oikodome, 101.

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Anthropologie und Eschatologie

2. Analyse von 1Kor 15,34–49 Analyse von 1Kor 15,34–49 Wenn man die Inhalte von 1Thess 4,13–18 mit der bereits behandelten kurzen Darstellung in 1Kor 6,14 vergleicht, lässt sich eine gewisse Entwicklung7 im paulinischen Verständnis der letzten Dinge feststellen. Dabei tritt das Thema Auferstehung anstelle der Entrückung in den Himmel ins Zentrum der Darstellung, und die bis dahin unreflektierten anthropologischen Bedingungen gewinnen eine besondere Stellung – eine Entwicklung, die wahrscheinlich durch die Fragen und Zweifel der korinthischen Gemeinde ausgelöst wurde. In 1Kor 6,14 gilt die Auferstehung, die erstmalig im Zusammenhang mit dem anthropologischen Begriff UYOC zu Sprache kommt, als Argument dafür, um die persönlichen Beziehungen konstruktiv zu entfalten. In dieser Stelle ist in nuce enthalten, was in 1Kor 15 ausführlich erklärt wird. Eine anthropologisch relevante Aussage enthält das Urteil in 1Kor 15,50: „Fleisch und Blut können nicht das Reich Gottes ererben, auch wird das Verwesliche nicht erben die Unverweslichkeit8“. Das bedeutet, dass der Mensch als solcher nicht einfach ins Leben eintreten kann (auch kein Teil seines Wesens), sondern dass er eine Verwandlung benötigt, die auch die noch Lebenden durchlaufen müssen. Auferstehung heißt nichts anderes als Verwandlung der Menschen in das bereits vorhandene Bild Jesu, des neuen Adam, was im Wesentlichen einem neuen Schöpfungsakt gleich kommt. Das irdische UYOC muss in ein UYOCRPGWOCVKMQP verwandeltet werden: Der Gebrauch des Begriffs UYOC ermöglicht dabei die Analogie der Auferstehung der Christen zur Auferstehung Christi.9

7 J. Becker, Auferstehung der Toten, 53–54 In 1Thess 4,13–17: Die traditionelle Erwartung der Wiederkunft des Herrn wird aufgrund der neuen Frage, die die Toten in der Gemeinde betrifft, bereits bearbeitet und erweitert, indem die Auferstehung der wenigen verstorbenen Christen in diesen eschatologischen Rahmen eingefügt wird. Das Thema wird noch weiter entwickelt in 1Kor 15, wo der Tod der christlichen Gemeindeglieder nicht die Ausnahme, sondern eine weit verbreitete Wirklichkeit ist. G. Sellin, Der Streit, betont auch die Entwicklung der paulinischen Begrifflichkeit von 1Thess 4,13–17, wo die Rede von Parusie und nur am Rande von Auferstehung ist, bis zu 1Kor 15. Hier herrscht die Vorstellung, dass das Heil sich durch eine Verwandlung ereignen wird. Drei Faktoren verursachen diese Entwicklung: 1) Die zunehmende Anzahl von Sterbefällen in den Gemeinden; 2) Die lebensbedrohende Erfahrung des Paulus in Ephesus (1Kor 15,32; In 1Kor 6,14 spricht Paulus mit einem neuen Bewusstsein, nach dem auch er sich unter die möglichen Sterbenden zählt); 3) Die Auseinandersetzung mit den Korinthern, deren Anthropologie die Auferstehung ausschließt. 8 J. Jeremias, Flesh and Blood, 152, versucht 1Kor 15,50 so auszulegen, dass der Parallelismus der zwei Versteile nicht synonymisch sondern synthetisch wird. Für ihn gilt, dass UCTZ und CKOC (die Lebenden) und HSQTC (die Toten) nicht das Reich Gottes ererben werden. Er legt Wert darauf, 1Kor 15,50 nicht als eine Stelle zu verstehen, in der das Fleisch abgewertet wird, was eine Entwicklung in der Eschatologie implizieren würde. 9 G. Sellin, Der Streit, 64.

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2.1 Die Auseinandersetzung Die Diskussion um die Auferstehung und ihre anthropologischen Bedingungen gewinnt einen besonderen Stellenwert in der Konfrontation des Paulus mit den Korinthern durch die komplexe Argumentation in 1Kor 15. K. Barth sieht das Kapitel als „die Spitze und die Krone dieses wesentlich kritisch und polemisch negativen Briefes“ und die in ihm enthaltenen Argumente als „Schlüsselstellung des Paulus“,10 die für seine Predigt und Theologie grundlegend ist. Der Grund, weshalb die Erörterung sich als notwendig erwies, wird vom Apostel in V. 12 angegeben: Es gibt einige in der Gemeinde, die die Auferstehung leugnen (RYL NGIQWUKP GXP WBBOKPVKPGL QBBVKCXPCUVCUKLPGMTYPQWXMGUVKP ). Die Versuche, eine „korinthische Theologie“ zu rekonstruieren, haben gleichzeitig dazu geführt, das indefinite Pronomen VKPGL genauer zu bestimmen. Jedoch ist der Sinn des Satzes nicht eindeutig und erlaubt vielerlei Interpretationen.11 Um die Identität der Gegner zu definieren, hat man einerseits an die Gnostiker12 gedacht, die mit ihrem zügellosen Freiheitsverständnis auch eine realisierte Eschatologie vertreten haben. Die Gnostiker fühlten sich aufgrund des Geistbesitzes schon aus dem Tode auferweckt. Sie vertraten demnach eine dualistische Anthropologie, die eine futurische Eschatologie ablehnt und zu einer Distanzierung von der feindlichen Welt führt.13 Die gnostische Identität der Gegner werde auch durch die paulinischen Argumente, z.B. durch die gnostische Vorstellung von Christus als Urmensch oder die Gegenüberstellung von RPGWOCVKMQP und [WEKMQP,14bestätigt. Einer alternativen Hypothese nach werden die Gegner des Paulus als Vertreter einer dualistischen Weisheitstheologie identifiziert, die den Schriften von Philo von Alexandrien nahe steht. G. Sellin, einer der Vertreter dieser These, vermutet, dass die dualistische Anthropologie und das weisheitliche hellenistisch-jüdische „Pneumatikertum“ von Apollos in die korinthische Gemeinde gebracht worden sei. Apollos, nach Apg 18,24 aus Alexandrien, dem wichtigsten 10 K. Barth, Die Auferstehung der Toten, 57. 11 J. Becker, Auferstehung der Toten, 71–76, listet drei mögliche Lesarten des Satzes „Es gibt keine Auferstehung der Toten“ auf: 1) Nach der Erkenntnis von 1Thess 4 wird die Auferstehung zugunsten einer Teilnahme der Lebenden an der Parusie geleugnet; 2) Die Auferstehung wird aufgrund einer Einschränkung nur auf das diesseitige Leben geleugnet; 3) Die Auferstehung gibt es nicht, weil sie schon geschehen ist, ähnlich wie in 2Tim 2,18. Becker wählt letztere Deutung. 12 W. Schmithals, Gnosis in Korinth, 338. 13 L. Schottroff, Der Glaubende und die feindliche Welt, 166–167. 14 L. Schrottroff, Der Glaubende und die feindliche Welt, 170 „Paulus und die Gnosis sind verbunden […] durch eine extrem negative Sicht des unerlösten Menschen, dessen Existenz bestimmt ist von der im Sinne des Dualismus negativen Macht […]. Aus den vorangegangenen Überlegungen ergibt sich eindeutig, dass Paulus selbst gnostischen Dualismus kennt und bis zu einem gewissen Grade benutzt.“

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Zentrum der jüdisch-hellenistischen Kultur stammend und als Pneumatiker (18,25 \GYPVY^RPGWOCVK) beschrieben, wird in 1Kor 1–4 im Zusammenhang mit der Spaltung in der Gemeinde genannt und, so Sellin, von Paulus in 1Kor 16,12 nach Korinth eingeladen, um die Missverständnisse seiner Anhänger zu klären.15 Die Abhängigkeit von einer Weisheitstheologie wird unter anderem dadurch nachgewiesen, dass sie zur gnostischen Hypothese einen religionsgeschichtlich alternativen und triftigen Hintergrund zum Dualismus RPGWOC – [WEJ und zur Adam-Christus-Antithese anbietet. Die Versuche, den Gegnern eine genaue theologische Identität zu verleihen, führen zu einer polemischen Zuspitzung der Argumente im ersten Korintherbrief gegen eine bestimmte Gruppierung. Eine genaue Analyse der Sachverhalte16 zeigt, dass der Stil der paulinischen Argumente in 1Kor 15 eher Merkmale einer didaktischen Belehrung als einer Polemik aufweist. Die Pronomina VKPGL in 1Kor 15,12 und 34 beziehen sich logischerweise auf die Korinther, aber wegen ihrer Unbestimmtheit muss man sie als Bezeichnung für die in der Gemeinde verbreitete Skepsis hinsichtlich der Auferstehung verstehen, die wegen ihrer CXIPYUKC SGQW eine Belehrung nötig hat, nicht aber als Bezeichnung für eine Gruppe von Gegnern. Für die Unterweisung des Paulus ist wahrscheinlich das VKPGL ebenso exemplarisch wie das VKL (GXTGK) der offensichtlich fiktiven Frage im Stil der Diatribe in 1Kor 15,35.17 Die Anwesenheit von Auferstehungsskeptikern in Korinth – auch ohne eine theoretische Begründung – muss nicht verwundern. In der hellenistischen Welt wurde die Vorstellung von einer Erweckung der Verstorbenen als eine wahrhaft abergläubische, volksverhetzende Erwartung angeprangert,18 die keinerlei Fundament im philosophischen Denken hatte. Au15 G. Sellin, Der Streit, 67–69. Dagegen äußert sich J.R. Asher, Polarity and Change, 42 „what we know of Apollos in Act or 1 Corinthians does not support an identification of him as a proponent, much less a source, of Alexandrian Jewish wisdom at Korinth. The argument that he was is based simply on a shallow reading of Acts and on circumstantial evidence.“ Nach K.G. Sandelin, Die Auseinandersetzung mit der Weisheit, 150–153, vertreten die Gegner eine Weisheitstheologie, in deren Zentrum die Sophia Gestalt annimmt als eine Figur in Konkurrenz zu Christus. Daher rührt die Polemik, in der Paulus den Kreuzestod und die Auferstehung Christi gegen die Präexistenz der Sophia behauptet. 16 Die Analyse von J.R. Asher, Polarity and Change, 36–59 scheint mir überzeugend. Er erkennt in 1Kor 15 einen didaktischen Stil und eine deliberative Rhetorik, deren Zweck die Versöhnung der unterschiedlichen Positionen und die Belehrung über die Zukunftserwartung der Christen ist. Seine Schlussfolgerung ist klar: „The search for the identity of the opponents and their alternative doctrine to the resurrection of the dead is ultimately a mistaken approach because there are no opponents“ (48). Die Art, wie Paulus seine Adressaten in Korinth anspricht, ist nach dem Muster eines Lehrer-Schüler-Verhältnisses gestaltet, dessen „pedagogical devices“ offensichtlich sind: 1) Paulus nimmt die Argumente der Dissidenten in einem Syllogismus auf, 2) er beruft sich auf die Tradition, 3) er spricht über seine eigene Erfahrung, 4) er tadelt und ermahnt sie; vgl. S. 58. 17 R. Bultmann, Der Stil der paulinischen Predigt, 67. 18 D. Martin, The Corinthian Body, 108–117, zitiert einige einschlägige Texte aus der griechisch-römischen Kultur, die dies bestätigen und ihn zu folgendem Schluss bringen: „Thus the

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ßerdem bestand aus der Sicht einer dualistisch geprägten Anthropologie, die alle philosophischen Systeme und teilweise auch das hellenistische Judentum beeinflusste, kein Interesse an der Auferweckung, denn das wahre Sein des Menschen wurde in der immateriellen, unsterblichen Seele lokalisiert. Paulus ist sich dieser kulturellen Hürde durchaus bewusst und betont durch den Gebrauch von antithetischen Formulierungen ausdrücklich die anthropologische Voraussetzung für die Auferstehung: Der ganze Mensch ist sterblich und der Vergänglichkeit unterworfen, nicht nur ein Teil von ihm. 2.2 Die Struktur von 1Kor 15 Die komplexe Thematik von 1Kor 15 lässt sich in zwei Hauptteile gliedern: 1) 15,1–34 und 2) 15,35–58. Im ersten Teil wird die Leugnung der Auferstehung kritisch überprüft, um die Haltlosigkeit dieser These19 nachzuweisen. 15,1–11 ist ein Rückgriff auf die Tradition, nach der bekannt ist, dass die Botschaft der Auferstehung einerseits viele wichtige Zeugen hat, zu denen auch Paulus sich zählt, und dass sie andererseits das zentrale Thema der christlichen Verkündigung ist. In 15,12–19 nimmt Paulus in syllogistischer Form kritisch die Auferstehungsskepsis in seine Argumentation auf und20 führt sie durch eine Kette von GKX-Sätzen in einer Steigerung ad absurdum, die drei Folgen hat: Die Apostel sind [GWFQOCTVWTGL; der Glaube ist OCVCKC; die Christen sind GXNGGKPQVGTQKҏRCPVYPCXPSTRYRYP, wenn es keine Auferstehung gibt. Ein entsprechend negativer und kritischer Abschnitt dieses ersten Teils ist 15,29–34, in dem dieselbe syntaktische Struktur von GKX-Sätzen zu finden ist. Die Argumente stammen hier aus der Erfahrung der Korinther und des Paulus, nämlich einerseits die in ihrer Bedeutung unklare Taufe für die Toten und andererseits die lebensgefährlichen Ereignisse in Ephesus, die Paulus eine Auferstehung der Toten postulieren lassen. Wenn aber die genannten Beispiele argumenta ad hominem sind, besitzt der absurd wirkende Schluss die Autorität eines Bibelzitats aus Jes 22,23: HCIYOGP MCK RKYOGPCWTKQPICTCXRQSPJ^UMQOGP. Dazwischen steht ein affirmativer Abschnitt (15,20–28), in dem die Auferstehung in den Rahmen eines kosmischen Ereignisses eingeordnet wird. Den Höhepunkt dieses idea of the resurrection of the body would indeed have struck some Greeks as ridiculous and incomprehensible“. (114) 19 J.R. Asher, Polarity and Change, nennt die zwei Teile des Kapitels wie folgt: 1) 15,1–34 „the didactic argument of inconsistency“ (S. 59); 2) 15,35–57 „the didactic argument of accomodation and correction“ (S. 63). 20 J.R. Asher, Polarity and Change, 60 ist der Ansicht, es gebe hier einen Syllogismus modus tollens. Daraus schließt er, es handele sich hier nicht um eine reductio ad absurdum, was m.E. sehr wohl der Fall ist.

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Ereignisses bildet die Zerstörung aller Mächte, unter die auch der Tod fällt, sowie die Inthronisierung Christi. In Anlehnung an die Psalmen 110,1 und 8,7, die christologisch ausgelegt werden, wird das Thema in apokalyptischem Stil behandelt. Der Tod wird nicht als natürliches Phänomen, sondern als mythische Macht verstanden, deren Wirkung bis zum Ende fortbesteht, die aber schließlich besiegt wird, damit die Auferstehung Christi zur Vollendung kommt. Am Ende des Kapitels wird dies durch ein Doppelzitat mit hymnischem, triumphierendem Schluss nachdrücklich betont (15,54b– 55= Jes 25,8; Hos 13,14). Der zweite Teil stellt die eigentliche Unterweisung des Apostels zum Beweisthema dar. Der Stil der Diatribe dient hier dazu, die skeptischen Ansichten der Korinther zu korrigieren. Der erste Abschnitt (15,34–49)21 enthält eine ausführliche Erörterung der anthropologischen Bedingungen der Auferstehung. In 15,50–58 endet die Unterweisung. Die Antithesen werden durch das Motiv der Verwandlung, bei dem die CXHSCTUKC angezogen und der Tod besiegt wird, überwunden. 2.3 Literarische Analyse von 15,34–49 Der Abschnitt beginnt mit zwei Fragen, die von CXNNC, ohne adversative Bedeutung eingeleitet werden und rhetorisch als Zitat eines fiktiven Subjekts dargestellt sind. Die Fragen betreffen das „Wie“ der Auferstehung und des Auferstehungsleibes: RQKY^FGUYOCVK. Der Terminus UYOC wird hier nicht ohne Absicht verwendet, er dient Paulus dazu, die Diskussion zum Kern seiner Argumentation zu führen. Die folgenden Verse geben eine Antwort auf die vorangehenden Fragen, wobei die abrupte negative Anrede CHTYP22erkennen lässt, dass eine Korrektur notwendig ist. Die Antwort beginnt mit dem metaphorischen Beispiel des Saatkorns in V. 36–38, wobei der Gebrauch der zweiten Person Singular des Verbs URGKTGKP im Präsens der Rhetorik der Diatribe entspricht. Die Metapher enthält einige antithetische Ausdrücke: QWX\Y^QRQKGKVCK/OJCXRQSCPJ^; VQUYOCVQҏ IGPJUQOGPQP /IWOPQPҏ MQMMQP. Der Begriff zieht sich wie ein roter Faden durch den gesamten Abschnitt (V. 37–38). In V. 38 geht die Rede in der 2. Ps. in einen Satz in der 3. Ps. mit Gott als Subjekt über: „Gott aber gibt ihm einen Leib, 21 G. Sellin, Der Streit, 77: Anders als die meisten Exegeten zählt er auch V. 50 zu diesem Abschnitt. Dieser Vers passt allerdings besser zum nächsten Abschnitt, wo er die Funktion hat, das Thema der Verwandlung einzuführen. 22 Chr. Burchard, 1 Korinther 15,39–41, 211, erklärt auf außergewöhnliche Weise das abrupte CHTYP mit der falschen Fragestellung: Er hätte nicht RQKY^ UYOCVK GTEQPVCK sagen sollen, sondern RQKQP UYOC GXIGKTGVCK. R. Morisette, La condition de resuscité, 219: „Paulus rappelle peutêtre la réplique de quelques rabbins à l’inaptitude de leurs interlocuteurs.“

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wie er gewollt hat, und jedem der Samen seinen eigenen Leib“. Der Aorist JXSGNJUGP weist auf den freien Schöpfungsakt Gottes hin, der in der Gegenwart immer wieder aktuell wird (Präsens FKFYUKP). V. 39–41 unterscheiden sich stilistisch und syntaktisch von den vorausgehenden Versen, weil sie aus kurzen Sätzen ohne Verb bestehen, die miteinander durch die Korrelation CNNJ […] CNNJ FG; MCK […] MCK; CXNNCGBBVGTC […] CXNNCGXVGTCOGP verbunden sind. Es handelt sich um eine Liste von Varianten gleicher Substantive, welche die Mannigfaltigkeit der UCTZ und die Verschiedenheit der UYOCVC hinsichtlich ihrer FQZCzeigt. Die Konjunktion QW=VYLin V. 42 signalisiert den Gebrauch der Metapher für die Auferstehung. Dies geschieht durch vier knappe Antithesen in V. 42–44a, die ebenfalls nach der Formel URGKTGVCKGXP[…]GXIGKTGVCKGXP […]eingeleitet werden: URGKTGVCKGXPHSQTC^ GXIGKTGVCKGXPCXHSCTUKC^> URGKTGVCKGXPCXVKOKC^ GXIGKTGVCKGXPFQZJ^> URGKTGVCKGXPCXUSGPGKC^ GXIGKTGVCKGXPFWPCOGK> URGKTGVCKUYOC[WEKMQP GXIGKTGVCKUYOCRPGWOCVKMQP.

Die vierte Antithese ist eine Art Zusammenfassung der ersten drei, denn sie fokussiert die Gegensätze der alten und der neuen Schöpfung auf die unterschiedlichen UYOCVC. In diesem Geflecht von Antithesen stellt das Wort UYOC rein formal ein Verbindungsmotiv dar, wobei damit nicht ein gleichbleibendes Sein gemeint ist, sondern ein Mensch, der unter dem Schöpfungsakt Gottes steht, dem er seine Existenz zu verdanken hat. Das unpersönliche Präsens hat hier eine logische rhetorische Funktion.23 Die letzte, zusammenfassende Antithese wird durch einen GKX-Satz in 44b wieder aufgenommen und dient als Beweis für den nächsten Teil. Begründet wird das Vorhandensein eines UYOCRPGWOCVKMQP durch die Bearbeitung24 eines Zitats aus Gen 2,7. Das eingeführte RTYVQL… 8$FCO löst als Erwiderung die Rede vom GUECVQL8$FCOaus, sodass in den V. 45–47 erneut ein antithetischer Parallelismus entsteht: QBRTYVQLCPSTYRQL$FCO GKXL[WEJP\YUCP  GXMIJLEQK"MQL  

  

QBGUECVQL$FCO GKXLRPGWOC\Y^QRQKQWP GXZQWXTCPQW

V. 46 betont nachdrücklich den zeitlichen Vorrang des [WEKMQP gegenüber dem RPGWOCVKMQP. Dies spricht dafür, dass Paulus die Anthropologie nicht als Wiederaufnahme der ursprünglichen Vollkommenheit versteht, sondern 23 F. Lang, Die Briefe an die Korinther, 234 spricht mit Recht von einer „präsentischen Aussageform der Sentenz“. Das Passiv hat hier eine unpersönliche Bedeutung und ist kein passivum divinum, sondern vielmehr ein logischer Gegensatz. 24 H. Conzelmann, Der erste Brief an die Korinther, 337. Die Belegstelle ist „wieder ad hoc verändert und völlig umgedeutet“.

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als eschatologische Entwicklung hin zur geistlichen und himmlischen Wirklichkeit Christi. Nach V. 48–49 gelten die zwei Adam Gestalten als zwei Urbilder, welche die Menschen in sich tragen. 2.4 Gliederung25 V. 35 V. 36–38 V. 39–41 V. 42–44 V. 44b–47 V. 48–49

Ausgangsfragen Saatkornmetaphorik Kosmologischer Blick Anwendung der Metapher:UYOCRPGWOCVKMQP/UYOC[WEKMQP Erster und letzter Adam aus Gen 2,7 Die Konsequenzen für die Menschheit: das Tragen des Bildes 2.5 Die Saatkornmetaphorik

Die Argumente des Paulus für die Auferstehung entstammen zugleich der Anthropologie (die Metapher des Saatkorns), der Kosmologie (das Postulat von der Existenz „himmlischer Leiber“ im Gegensatz zu den irdischen) und der originellen Übertragung der Tradition der zwei Menschen im Schöpfungsbericht auf das Thema der Auferstehung. Die christologische Erklärung des zweiten Menschen (des letzten Adam) und die Adam-ChristusTypologie beschreiben die Auferstehung als eschatologische Realisierung der Auferstehung Christi. All diese Argumente unterschiedlicher Natur fließen in der Definition des UYOC RPGWOCVKMQP zusammen. Die Frage nach dem „Wie“ der Auferstehung impliziert die Frage nach der anthropologischen Bedingung dieses Ereignisses, die Paulus mit dem Begriff UYOC zu definieren versucht. Paulus kleidet seine Antwort in die Metapher des Saatkorns, ein Topos, der in der rabbinischen Literatur häufig mit der Auferstehung verbunden wird, und argumentiert dabei a minore ad maius. Dabei können die Phänomene des alltäglichen Lebens in didaktischer Manier analog zur Erhellung höhere Sachverhalte herangezogen werden, wie folgendes Beispiel zeigt: „Alle Toten werden bei der Wiederbelebung der Toten auferstehen und in ihren Kleidern heraufkommen. Woher lernst du das? Vom Samen der Erde durch einen Schluß vom Geringeren auf das Größere vom Weizenkorn aus“.26 Der Ausdruck IWOPQLMQMMQL ist 25 R. Morisette, La condition de resuscité, sieht im Text eine „structure à trois temps“, 212– 213, wie sie in der rabbinischen Literatur vorkommt: a) Fragen V. 35; b) zwei Beispiele aus der erschaffenen Welt V. 36–38 und V. 39–41 c) Anwendung. 26 REL 33,17c.; bKet 111: (Übersetzung aus Strack-Billerbeck, III, 475) „R. Chijba ben Joseph hat gesagt: die Gerechten werden dereinst in ihren Kleidern auferstehen. Eine Schlussfolge-

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auch in Bezug auf diese jüdische Bildrede traditionsgemäß als Kontrastbild zum künftigen menschlichen Sein in der Auferstehung27 zu verstehen. Asher28 weist darauf hin, dass die Saatkorn-Metapher auch in der stoischen Philosophie verwendet wurde, wobei der dortige Gebrauch allerdings von der paulinischen Begrifflichkeit sehr weit entfernt ist. Das Verb URGKTGKP wird von Paulus hier auf ungewöhnliche Weise verwendet, wenn man andere Texte berücksichtigt, in denen es in Verbindung mit dem Verb SGTK\GKP eine ethische Bedeutung hat.29 Um die Frage nach dem tertium comparationis dieser Metapher zu beantworten, muss man nicht jedes Element einzeln deuten (z.B. welche anthropologische Bedeutung IWOPQL MQMMQLhat oder ob sich das Verb URGKTGKP auf die Beerdigung bezieht), sondern es gilt die „Moral“, den Grundgedanken des Gleichnisses herauszufinden. Der Kern der Metapher hat zwei Seiten: Auf der einen Seite steht der radikale Bruch zwischen dem irdischen Leben und der Auferstehung, auf der anderen Seite die von Gott allein geschaffene Kontinuität des irdischen Lebens mit der Existenz des Auferstandenen. Es gibt einen unüberbrückbaren qualitativen Unterschied vom nackten Korn zum werdenden Leib der Pflanze. Die Metapher drückt die Diskontinuität des irdischen Lebens zur Auferstehung aus: Keine anthropologischen Eigenschaft kann eine Kontinuität nach dem Tod schaffen, der Tod ist eine radikale Zäsur, die das ganze Menschsein betrifft. Eine dualistische Anthropologie beschränkt die Wirkung des Todes auf den physischen Körper,30 während die Seele sich befreien und weiterleben kann. Der notwendige Tod des Kornes in der Erde, damit es zur Pflanze werden kann, mag eigenartig erscheinen, Paulus jedoch argumentiert gemäß der rung vom Geringeren auf das Größere vom Weizenkorn, das nackt in die Erde kommt (begraben wird) und „in wer weiß wie vielen Bekleidungen herauskommt […]“. Ähnlich ist das Bild des männlichen Samentropfens, der durch Gott im Leib der Frau zum Lebewesen wird, in QohR 5,10. Nach G. Sellin, Der Streit, 211, Paulus verwendet hier eine vorrabbinische Tradition. 27 C. Wolff, Der erste Brief an die Korinther, 404. F. Lang, Die Briefe an die Korinther, 233 sieht im Adjektiv „nackt“ eine Definition des irdischen Leibes im Vergleich zum himmlischen Leib, aber keinen Hinweis auf die Körperlosigkeit: „Ein Leben ohne Leib ist für Paulus vom Alten Testament her unvorstellbar.“ H. Conzelmann, der erste Brief an die Korinther, 334 ist der Ansicht, dass IWOPQL nicht zu der Samenmetaphorik passt. S. E. ist das ein Ausdruck, der den himmlischen Körper e contrario darstellt. Zu den oben genannten rabbinischen Parallelen ist noch bSan 90 hinzuzufügen: (Übersetzung aus Strack – Billerbeck, I,552) „Aber wenn Sie auferstehen, werden sie nackt oder werden sie in ihren Kleidern auferstehen? Er antwortete ihm: Wenn das Weizenkorn, das nackt in die Erde gelegt wird, in wer weiß wie vielen Umkleidungen wieder hervorwächst, um wie viel mehr gilt das von den Gerechten, die in ihren Gewändern begraben werden.“ 28 J.R. Asher, Polarity and Change, 137–138. 29 2Kor 9,6–10 im Zusammenhang der Kollekte; Gal 6,7–8 allgemeine Metapher für Handlung und Gericht. Der Gebrauch findet sich in der Septuaginta in Spr 22,8; Sir 7,3; Hos 10,12, Ps 125,5. 30 Zahlreiche Beispiele finden sich in der hellenistischen Welt und bei Philo, z.B. De Virtutibus 67.76. Vgl auch Sellin, Der Streit, 135.

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Erkenntnissen seiner Zeit31 gegen das ontologische Denkmodell, nach dem der Samen in seinem Wesen der Pflanze gleich ist und sich nur in seinen äußerlichen Attributen von ihr unterscheidet. Eine wichtige Parallele findet sich in Joh 12,24,32 wo diese Metaphorik auf die Passion und den Tod Christi angewendet wird. Die Diskontinuität ist die erste Deutungsmöglichkeit der Metapher, aber nicht die einzige. Wie Barth es formuliert: Wir wären dann wirklich CHTQPGL, Toren, hätten also nichts verstanden von dem, was mit der Saat geschehen ist. […] in der Mitte, in dem gänzlich unanschaulichen kritischen Punkt zwischen vorher und nachher liegt eine Schöpfung, genauer gesagt, eine Neuschöpfung“.33

Das Wachstum der Pflanze ist keine natürliche, notwendige Entwicklung. Was das Vorher mit dem Nachher verbindet, ja was ein Nachher überhaupt ermöglicht, ist nur die schöpferische Handlung Gottes, die mit dem Aorist des Verbs SGNGKP als einmalige Entscheidung Gottes anklingt. V. 38 enthält einen klaren Bezug zum Schöpfungsbericht, nach dem sich jedes Korn durch die Ordnung Gottes zu einer bestimmten Pflanze entwickelt.34 Das Wachstum einer Pflanze ist nach Philo eine Schöpfungshandlung Gottes.35 2.6 UCTZ und UYOCaus kosmologischer Perspektive Es ist umstritten, welche Funktion die Verse 39–41 in der gesamten paulinischen Argumentation über die Auferstehung36 haben und wie sie in den ummittelbaren Kontext dieser Verse einzuordnen sind. Die meisten Ausleger meinen, die Pointe läge in der Darstellung der Mannigfaltigkeit der Schöpfung mit der Absicht, die Möglichkeit der Existenz eines geistlichen Leibes zu thematisieren und die enge Perspektive der Kornsaatmetaphorik zu erweitern. Für W. Schrage bilden die Verse eine zweite similitudo (nach 31 Plu. Frag. XII, 84. 32 GXCP OJ QBB MQMMQL VQW UKVQW RGUYP GKL VJP IJP CRQSCPJ^ CWVQL OQPQL OGPGK GXCP FG CXRQSCPJ^ RQNWP MCTRQP HGTGK. C. Wolff, Der erste Brief des Paulus an die Korinther, 403, schließt eine Abhängigkeit des Johannes vom paulinischen Text aus und vermutet eine gemeinsame christologische Tradition, die Paulus auch auf die Christen anwendet. 33 K. Barth, Die Auferstehung der Toten, 113–114. 34 Gen (LXX) 11, 11–12 MCK GKRGP QB SGQL DNCUVJUCVY JB IJ DQVCPJP EQTVQW URGKTQP URGTOC MCVC IGPQL MCK MCS8 QBOQKQVJVC MCK ZWNQP MCTRKOQP RQKQWP MCTRQP QW VQ URGTOC CWXVQW GXP CWXVY^ MCVC IGPQL GXRK VJL IJL MCK GXIGPGVQ QW=VYL MCK GXZJPGIMGP JB IJ DQVCPJP EQTVQW URGKTQP URGTOC MCVC IGPQL MCK MCS8 QBOQKQVJVC MCK ZWNQP MCTRKOQP RQKQWP MCTRQP QW VQ URGTOC CWXVQW GXP CWXVY^ MCVC IGPQL GXRK VJL IJL MCK GKFGP QB SGQL Q=VK MCNQP 35 Philo Plant. 31. 36 Nach G. Sellin, Der Streit, 217–218 geht es Paulus vor allem um die grundlegende Unterscheidung zwischen himmlischen und irdischen Leibern sowie um die Unterscheidung der FQZC. Die Rede über die UCTZ hat nur eine provisorisch einleitende Funktion und bleibt unerörtert.

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der ersten vom Saatkorn), die den Korinthern anhand der Vielfalt der Schöpfung beweisen soll, dass „der Schöpfer die Macht hat, bei der Auferstehung der Toten in gänzlicher Verschiedenheit von den irdischen Leibern neue UYOCVC zu erschaffen“.37 Einige wenige Exegeten betonen CNNQL bzw. G=VGTQL, um die Diskontinuität zwischen irdischem Leben und Auferweckung38 herauszustellen. Es ist wichtig darauf hinzuweisen, dass die anthropologischen Termini UYOC und UCTZ nicht nur eine kollektive Valenz besitzen – auf die es Paulus besonders ankommt –, sondern, soweit das möglich ist, eine zusätzliche kosmologische Dimension erhalten.39 Beide Begriffe behalten ihren besonderen Charakter bei, ohne dass ihre Bedeutung ineinander40 verschwimmt, denn Paulus kommt es auf die Beschreibung einer vielfältigen Wirklichkeit an, die sich im ganzen Kosmos entfaltet und die sich dennoch in zwei Grundbegriffen zusammenfassen lässt. Die zentrale Frage dieser Untersuchung lautet: Wie verhalten sich hier die Begriffe UCTZ und UYOC? UCTZ wird durch vier Genitive differenziert (CXPSTYRYP MVJPYP RVJPYP KXESWYP) und beschreibt nicht nur die Menschheit, sondern alle Lebewesen, die im Himmel, auf der Erde und im Meer wohnen, ausgenommen die Pflanzen. UCTZkann nicht als „Materie“ ausgelegt werden, sondern ist vielmehr eine Gattung, die vier Kategorien umfasst. Ein ähnlich „zusammengesetztes“ Verständnis von UCTZ findet sich in der Sintfluterzählung, wo die Wendung RCUCUCTZGXPJ^GXUVKP RPGWOC \YJL (Gen 6,17; 7,16 u.a.) die Tierwelt und die Menschheit in einem Atemzug zusammenfasst.42 Mit UCTZ werden die Lebewesen bezeichnet, die in der Sintflut gerichtet werden. UYOC erhält einen noch weiteren Bedeutungs37 W. Schrage, Der erste Brief an die Korinther, 289. K. Barth, Die Auferstehung der Toten, 113, findet eine ähnliche Erklärung, indem er behauptet, aus der Vielfalt der Leiber solle man eine Synthese vornehmen, um zu dem gemeinsamen Begriff „Leib“ zu gelangen und einen geistlichen Leib denken zu können: „was haben himmlische und irdische Leiber z.B. miteinander zu tun außer dem einen, daß sie beide Leiber sind.“ 38 Chr. Burchard, 1 Korinther 15,39–41, 204–205, schildert die zwei Auslegungsmöglichkeiten der Verse, wobei er selbst einräumt, dass keine so klare Trennung möglich ist: „Übrigens schließen sich die Deutungen nicht aus“, 204. 39 Vgl. O. Wischmeyer, 1Kor 15. Der Traktat des Paulus über die Auferstehung der Toten, 200–201. 40 R.H. Gundry, Soma in Biblical Theology, 166, spricht von einem „interchange“ der zwei Begriffe ud benutzt dies als Argument gegen die Deutung des UYOC als Form. 41 A. Sand, Der Begriff „Fleisch“, 129 Paulus betont nicht die Materialität, sondern „die ganze irdische Gestalt der Lebewesen“, wie im AT. 42 Gen 7,21–22 (LXX) MCK CXRGSCPGP RCUC UCTZ MKPQWOGPJ GXRK VJL IJL VYP RGVGKPYP MCK VYP MVJPYP MCK VYP SJTKYP MCK RCP GBTRGVQP MKPQWOGPQP GXRK VJL IJL MCK RCL CPSTYRQL MCK RCPVC Q=UC GEGK RPQJP \YJL MCK RCL Q?L JP GXRK VJL ZJTCL CXRGSCPGP. Die Vögel werden hier als Landtiere verstanden, weil sie sonst die Sintflut nicht hätten überleben können; es fehlen natürlich die Fische. Hier findet man auch dieselbe Konstruktion von RCUC UCTZ mit dem Genitiv Plural, durch welche die verschiedenen Gattungen, ausgehend von der Kollektivbezeichnung UCTZ (etwa: Lebewesen), differenziert werden. UCTZ besitzt auch hier nicht die Bedeutung von Stoff oder Materie.

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spielraum als UCTZ, da hier die kosmologische Klassifikation von UYOCVC GXRQWTCPKCundUYOCVCGXRKIGKC hinzukommt. Die Bezeichnung der Gestirne als UYOCVC ist eine verbreitete Praxis in der Antike, besonders in der altstoischen Kosmologie.43 Dies erweitert die Argumentation um eine gewisse Polarität zwischen himmlischer und irdischer Sphäre. Offensichtlich ist, dass RCUC UCTZ auf der Ebene der UYOCVC GXRKIGKC eingestuft werden muss. Die Tatsache, dass hier UYOC und UCTZ auf ähnliche Weise die irdischen Lebewesen bezeichnen, impliziert nicht unbedingt eine Synonymität der beiden Begriffe. Eine semantische Unterscheidung der Begriffe ist in diesem Zusammenhang nicht nötig. Die Pointe ist hier die Vergänglichkeit der irdischen Existenz, und in dieser Hinsicht treffen sich UCTZ und UYOC. So gesehen schließt in 1Kor 15,50 UCTZMCKCKOC auch den Menschen als UYOC ein, weil das UYOC ebenfalls sterblich ist. Was aber den Unterschied ausmacht, ist die durch Erfahrung nachweisbare Existenz der „himmlischen Leiber“. Die Auferstehung wird durch die Existenz himmlischer Leiber im Gegensatz zu den irdischen ermöglicht. Der himmlische Leib wird den Menschen von Gott geschenkt. Dies zeigt sich anhand der Kornsaatmetaphorik in V. 38, die – wie Chr. Burchard44 richtig beobachtet hat – syntaktisch nicht von den V. 39–41 zu trennen ist. Die Polarität und die Struktur des Universums und der Gesellschaft werden durch Gottes Hand aufgehoben. Dieser kosmologische Hintergrund dient dazu, zu zeigen, dass die Auferstehung ein kosmisch-geschichtliches Ereignis ist, in dem VCRCPVC Christus untergeordnet sein (V. 28) und nach einer festen, von Gott vorherbestimmten Ordnung ablaufen wird. Die paulinische Vorstellung stammt allerdings nicht direkt aus der philosophischen Kosmologie, sondern ist eher der Apokalyptik zuzuordnen. Es fehlt z.B. bei Paulus die Idee, nach der das Universum wie ein Leib ist. Nach der alten Stoa ist der Kosmos ein Zusammenwirken (UWUVJOC) von Himmel, Luft, Erde, Meer und der ihm innewohnenden Natur.45 Die Auferstehung wird von Paulus als kosmischer Prozess verstanden, dessen Entwicklung nach einer strengen Reihenfolge abläuft, was der Bedeutung von 1Kor 15,23G=MCUVQLFGGXPVY^KXFKY^ VCIOCVK46 entspricht. 43 Das hat auch G. Sellin, Der Streit, 218, erkannt und eine Parallele bei Philo gefunden, aber er hat dieses Element nicht weiter entwickelt, um zum Verständnis von V 39–41 zu gelangen. 44 Chr. Burchard, 1 Korinther 15,39–41, 207–209. 45 SVF II, 528 NGIGUSCK FG MQUOQL MCK UWUVJOC GXZ QWXTCPQW MCK CXGTQL MCK IJL MCK SCNCVVJL MCK VYP GXP CWXVQKL HWUGYP> NGIGUSCK FG MQUOQL MCK VQ QKXMJVJTKQP SGYP MCK CXPSTYRYP (MCK VQ GXM SGYP MCK CXPSTYRYP) MCK VYP G=PGMC VQWVYP IGPQOGPQP UWUVJOC. 46 Das Wort VCIOC, das nur in 1Kor 15,23 vorkommt, scheint mir in diesem Zusammenhang besonders wichtig. Es ist als „zeitliche Reihenfolge“ zu deuten. (eine von Gott gestiftete zeitliche Ordnung), so R. Bergmeier, Art. VCIOC, EWNT III, 793–794, und teilweise W. Schrage, Der erste Korintherbrief, 167–168: „vor allem hat VCIOC nicht nur die Bedeutung „Gruppe, Abteilung,

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Die Gabe des neuen (himmlischen) UYOC in der Auferstehung überwindet die Polarität zwischen ‚irdisch‘ und ‚himmlisch‘. Der Wendung QBBFGSGQL FKFYUKP CWXVY^UYOCMCSYLJXSGNJUGP entspricht in 1Kor 12,18 der Satz: PWPKFGQBBSGQLGSGVQVCOGNJG=PG=MCUVQPCWXVYPGXPVY^UYOCVKMCSYLJXSGN JUGP. Die konstruktive Handlung Gottes bewirkt die Aufhebung des Gegensatzes zwischen ‚irdisch‘ und ‚himmlisch‘ im Eschaton und die Aufhebung der sozialen Hierarchie in der christlichen Gemeinde. Dies geschieht nicht aufgrund einer Vorstellung von Gleichheit und Gerechtigkeit, sondern ist die gesellschaftliche und kosmische Wirkung des Kreuzestodes und der Auferstehung Christi. Aus diesen Gründen kann der These D. Martins47 nicht zugestimmt werden, nach der Paulus hier eine hierarchische Anordnung der Elemente im Kosmos vertritt, um sein hierarchisches Menschenbild zu rechtfertigen. Er findet diese Entsprechung von kosmischer Hierarchie und Mikrokosmos auch bei Aristoteles und bei Plutarch. Die Annahme eines himmlischen Leibes ist für Martin der Beweis, dass auch Paulus eine hierarchische Denkweise hat, in der UCTZ die unterste Stufe einnimmt. Damit verfehlt Martin aber die Dynamik der Eschatologie, bei der eben dieser sterbliche Leib durch die Handlung Gottes zum himmlischen wird. Es ist verfehlt, hier eine Hierarchie zu sehen, vielmehr handelt es sich um eine Polarität, die eschatologisch aufgehoben wird. J.R. Asher nimmt Martins These48 auf, wobei er einige Korrekturen vornimmt. Nach seiner Auffassung stellt Paulus hier keine kosmologische Hierarchie im Sinne einer aristotelischen scala naturae mit verschiedenen Stufen dar, sondern eine Polarität zwischen den irdischen und den himmlischen Sphären. Die Körper in der Welt sind gemäß ihrer Stellung in zwei Gattungen unterteilt. Die paulinische Einteilung entspräche der stoischen KlassifiPartei“ u. ä., sondern auch „Ordnung, Stellung, Rang“. Gemeint ist damit auch hier eine gottgewollte, dem unterschiedlichen Rang entsprechende zeitliche Ordnung und Reihenfolge“. Auszuschließen ist die Übertragung „Rang, Gruppe“ in diesem Fall, weil nicht von verschiedenen Gruppen die Rede ist (es gibt nur eine Gruppe: QKBB VQW &TKUVQW), sondern von Ereignissen, die durch Temporaladverbien getrennt sind. Diese Ordnung ist eng mit der kosmologischen Perspektive, die Paulus hier darstellt, verbunden. In der stoischen Kosmologie wird der Kosmos mit der Idee der Ordnung assoziiert: SVF II, 534, die HWUKL, die in der Welt wohnt, ist RTYVQP OGP GXM VJL VCZGYL VYP GXP CWXVY^ OGTYP GRGKVC GXM VJL VYP IKPQOGPYP VCZGYL VTKVQP GXM VJL UWORCSGKCL VYP GXP CWXVY^ OGTYP RTQL CNNJNC VGVCTVQP GXM VQW G=MCUVC RTQL VK RGRQKJUSCK. Hier aber spricht man von VCZKL und nicht von VCIOC. Wie schon bemerkt, benutzt Paulus für das Universum nicht die Metapher des Leibes. Wenn wir von der Gemeinde reden, wo Paulus die Leibmetaphorik benutzt, finden wir genau diese beiden Begriffe, UWORCSGKC und VCZKL MCK GKVG RCUEGK G?P OGNQL UWORCUEGK RCPVC VC OGNJ (1Kor 12,26) und RCPVC FG GWXUEJOQPYL MCK MCVC VCZKP IKPGUSY (1Kor 14,40). Das spricht dafür, dass für die Ekklesiologie, nicht aber für die Kosmologie eine klare Übernahme der stoischen Konzeption stattgefunden hat. 47 D. Martin, The Corinthian Body, 117–120. 48 Die These von D. Martin wird von J.R. Asher, Polarity and Change, 102, in der Anmerkung 30 diskutiert.

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kationsmethode, die von Diogenes Laertius49 beschrieben wird. Die Grundunterscheidung ist die zwischen himmlischen und irdischen Körpern, innerhalb dieser beiden Extreme erfolgt dann eine weitere Aufteilung in drei Klassen von himmlischen Körper und in vier Klassen von UCTZ, als irdischen Körpern, was schematisch wie folgt dargestellt werden kann:50 Aus den kosmologischen Beobachtungen des obigen Schemas ergibt sich eine wichtige Erkenntnis, die Paulus den Korinthern vermitteln will: UYOC hat schon im Kosmos, wie er jetzt ist, eine doppelte Natur, weil man die Existenz von zwei Arten von Körper, UYOCVC GXRQWTCPKC einerseits, UYOCVC GXRKIGKC andererseits, feststellen kann. Daraus folgt für Paulus, dass die

Himmel

Erde

J=NKQL UGNJPJ CXUVGTGL

UYOCVC GXRQWTCPKC

UYOCVC GXRKIGKC

UCTZ

CPSTYRQK MVJPJ KXESGKL RVJPC

Annahme, die Auferstandenen würden über ein himmlisches UYOC verfügen, nicht als absurde oder gar verwerfliche Theorie bewertet werden kann. Mit dem Thema der Kosmologie und der Ordnung des Kosmos hat Paulus das geeignete Terrain erschlossen, um sich mit dem hellenistischen Denken zu konfrontieren und es für seine Argumentation nutzbar zu machen. Die himmlische Körper besitzen eine FQZC, die qualitativ unermesslich größer als diejenige der irdischen Körper ist. Auch irdischen Körpern wird FQZC zugeschrieben. Was schließlich bleibt, ist die Polarität zwischen ‚himmlisch‘ und ‚irdisch‘, die hier lediglich eine räumliche Klassifikation darzustellen scheint, die aber im folgenden Abschnitt als Analogie aufzufassen ist, welche die qualitative Differenz zwischen dem ersten und dem zweiten 49 D.L VII,60–62. 50 J.R. Asher, Polarity and Change, 103; die Darstellung und die philosophische Diskussion finden sich auf S. 132.

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Adam sowie den zwei von ihnen abhängigen Äonen kennzeichnet. Die Polarität zwischen Himmel und Erde dient als bildliche Grundlage, um den radikalen Unterschied zwischen den beiden chronologisch getrennten Wirklichkeiten zu beschreiben. Die zweite Erkenntnis, die aus diesem Schema zu gewinnen ist, betrifft UCTZ. Diese umfasst nur die Sphäre des Irdischen. Es gibt keine himmlischen UCTMGL im Bereich des Kosmos, die man mit den himmlischen Körpern vergleichen könnte. Hierin liegt ein entscheidendes Moment für die Eschatologie des Paulus, weil diese Erkenntnis als Beweis dient, dass die UCTZ keine eschatologische Existenz haben kann. Aus dieser Annahme kann Paulus die klare Aussage in V. 50 folgen lassen: UCTZMCKCKOC DCUKNGKCP SGQWMNJTQPQOJUCKQWXFWPCVCK. Zugleich wird die Bedeutung des Verbs FWPCUSCK, „können“, schärfer umrissen: Der Ausdruck scheint gerade auf solche kosmischen Gegebenheiten abzuzielen. Damit soll jedoch, das ist das Anliegen des Paulus, keine Reduzierung von UCTZ auf das Materielle einhergehen. UCTZ ist eine irdische Größe, aber nicht ausschließlich stofflich zu verstehen. Paulus schafft aus der kosmologischen Betrachtung eine überzeugende Analogie: UCTZ und alles, was mit diesem Terminus verbunden wird, kann, anders als UYOC, nicht himmlisch sein. Gerade deswegen lässt sich ein völlig synonymer Gebrauch von UCTZ und UYOC auch an dieser Stelle ausschließen. Man darf zwar annehmen, dass der Oberbegriff UYOCVC GXRKIGKC die vier Klassen von UCTZ umfasst, aber die UYOCVC GXRQWTCPKC stehen dazu in einem unüberbrückbaren Gegensatz, den die paulinische Anthropologie soteriologisch und eschatologisch vertieft. 2.7 Adam-Christus-Typologie: ein antithetischer Parallelismus51 Die Parallelsetzung zwischen Adam (dem ersten Menschen) und Christus (dem letzen Menschen)52 bildet das wichtigste Argument im Auferstehungsdiskurs. Die in den vorangehenden Versen angeführten Beispiele stammen aus der Erfahrung wie die Verwandlung des ausgesäten Kornes in 51 Diese Formulierung von Bultmann, Adam und Christus nach Römer 5, (438), scheint mir eine wichtige Ergänzung zur üblichen „Adam-Christus-Typologie“. Die Typologie ist eine exegetische Methode, die einen Typos aus der Vergangenheit mittels einer Figur der Gegenwart auslegt, aber es fehlt in der Regel der antithetische Vergleich. Die Formulierung von L. Schottroff, (Der Glaubende, 117) „Adam-Christus-Mythologie“, die den Mythos des Urmenschen als Grundlage annimmt, unterstreicht den mythologischen Charakter dieser Parallelsetzung, aber sie ist inhaltlich zu allgemein. Die Bezeichnung „Typologie“ für den antithetischen Parallelismus zwischen Christus und Adam wird durch den Gebrauch des Substantivs VWRQL in Röm 5,14 bestätigt. 52 K. Barth, Die Auferstehung der Toten, 120, „Adam der erste, Christus der zweite Mensch: damit soll offenbar der Schein vermieden werden, als ob etwa die Realität des neuen Menschen hinter uns liege als ein verlorenes Paradies, als eine platonische Idee […].“

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eine Pflanze und die Unterscheidung zwischen irdischen und himmlischen Leibern. Letzteres Beispiel spricht dafür, dass die Existenz himmlischer UYOCVC, die die Herrlichkeit der himmlischen im Gegensatz zur irdischen Sphäre „verkörpern“, kein Absurdum ist. Die Überzeugungskraft der Argumente ad hominem allein ist unzureichend, um die Auferweckung der Toten nachzuweisen. Obwohl beide Beispiele, das des Samenkorns und das der himmlischen Körper, als Topoi in der Rede über die Auferstehung vorkommen, ist die Auferstehung eine Verwandlung des irdischen Menschen, in deren Mittelpunkt die Auferstehung Christi steht. Der Kernpunkt ist nach wie vor die Auferstehung Jesu Christi und deren paradigmatische Funktion für die Auferstehung der Christen – sie ist keine natürliche Entwicklung des irdischen Lebens. V. 44b zieht keine logische Schlussfolgerung, denn eine solche kann sich nur christologisch auf die Auferstehung Christi stützen. Die Auferstehung ist eine zukünftige Wirklichkeit, die das gegenwärtige Dasein transzendiert. Der Akzent liegt auf V. 49: MCKMCSYLGXHQTGUCOGP VJP GKXMQPCVQWEQK"MQW HQTGUQOGPMCKVJPGKXMQPCVQWGXRQWTCPKQW.53 Dem Aorist der geschichtlichen Existenz steht hier das Futur der Auferstehung gegenüber.54 Die Vorstellung von einer neuen Menschheit in Christus, gekennzeichnet durch die Auferstehung der natürlichen Menschheit, wird aus der Schrift erkennbar durch die Dualität der Schöpfungsberichte und der „erschaffenen Menschen“. In der exegetischen Tradition dieser zwei Menschen in der Schöpfung liegt m.E. die Antwort auf die Frage nach dem Ursprung der Adam-Christus-Typologie. In 1Kor 15,45 zitiert Paulus nur Gen 2,7, aber der Einschub von RTYVQL sowie des Namens 8$FCO, bildet die Grundlage für den Entwurf eines GUECVQL8$FCO. Der letzte Adam wird in V. 47 FGWVGTQLCPSTYRQL genannt und durch eine Reihe von Gegensätzen gegenüber dem ersten Menschen charakterisiert. Der Gebrauch des Motivs der Eikon in Gen 1,27 impliziert einen Bezug auf den anderen Menschen.55 Die Adam-Christus-Typologie begegnet zudem in 1Kor 15,22 und Röm 5,12–14, doch nur an dieser Stelle wird sie anhand eines Schriftzitats eingeführt, nämlich anhand von Gen 2,7. In Röm 5,12–14 ist indirekt Adam gemeint, denn nur er ist der „eine Mensch“, durch den die Sünde in die Welt gekommen ist. Thematisiert wird hier nicht der Gegensatz zwischen Himmlischem und Irdischem, sondern der zwischen Sünde und Erlösung.

53 K.A. Bauer, Leiblichkeit, 102, definiert das Tragen der GKXMYP Christi als „die Seinsweise Christi teilen und an seiner Auferstehungsherrlichkeit teilnehmen“. 54 Das genaue Schema im Hinblick auf die Auferstehung steht in 1Kor 6,14, dem Futur der Auferstehung der Christen entspricht der Aorist der Auferstehung Christi. 55 E. Käsemann, An die Römer, 135, „Den Horizont markiert jeweils das auf Gen 1,27 bezogene Motiv der Eikon, das auch beim Apostel selbst eine erhebliche Rolle spielt.“

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Adam und Christus fungieren dabei wiederum als „Schicksalsträger“56 oder Repräsentanten des alten und des neuen Äons. Anders als in der zeitgenössischen jüdischen Literatur57 ist Adam nicht das Subjekt dieses Geschehens, sondern nur das Mittel, um die Sünde als eigentliche Urheberin zu erkennen. Dies lässt sich aus folgendem Satz in Röm 5,12 schließen:JBCBOCTVKC GKXLVQPMQUOQPGKXUJNSGP. Adam trägt keine besondere Verantwortung, weil alle Menschen im Grunde genauso gesündigt haben und durch die Sünde in den Bereich des Todes eingetreten sind.58 Dies bestätigt sich auch durch den Ausdruck GXH8Y^RCPVGLJ=OCTVQP (Röm 5,12), in dem GXH8Y^nicht als Relativpronomen fungiert, wie aus der lateinischen Übersetzung hervorgeht („et ita in omnes homines mors pertransiit in quo omnes peccaverunt“), sondern als Kausalkonjunktion. Nach der lateinischen Übersetzung heißt „in quo“ „in Adamo“, woraus folgt, dass die Sünde Adams alle Menschen mit einbezieht. Die Kausaldeutung des Satzes macht aus Adam einen primus inter pares,59 er ist also nicht der Urheber der Sünde. Die Menschheit erlebt damit keinen einmaligen Sündenfall, der sie von einem höheren in einen niederen Status führt. Der religionsgeschichtlichen Frage nach dem Ursprung der Adam-ChristusAntithese entsprechen in der exegetischen Fachliteratur die beiden Fragen nach der Identität der Gegner des Paulus und nach dem Ursprung der Antithese RPGWOCVKMQP – [WEKMQP.60 56 „Schicksalsträger“ ist das Wort, das E. Käsemann, An die Römer, 135ff, bevorzugt, F. Lang verwendet die Bezeichnung „Repräsentant“, Die Briefe an die Korinther, 222: „Der erste Adam ist der Repräsentant der natürlich-geschichtlichen Menschheit, der zweite Adam Jesus Christus ist der Repräsentant der eschatologischen Menschheit“. 57 Siehe z.B. 4Esr 7,116–119 und 2Bar 54,15–19. 58 G. Eichholz, Die Theologie des Paulus, 185–186: Adam ist eine Schlüsselfigur, die die Menschen nicht von der Verantwortung entlastet. Das Hauptproblem besteht darin, die Tat Adams und die Verantwortung aller Menschen als gleichzeitige Ereignisse zu betrachten. Vgl. Eichholz, Die Theologie des Paulus, 186: „Und deshalb schließt die Schuld Adams unsere Schuld (als Schuld aller Späteren) nicht aus, sondern ein. Anders gesagt: Sie drückt sie, so paradox es sich anhört, aus“. 59 K. Barth, Christus und Adam nach Röm 5, Adam „ist Inaugurator, Repräsentant und Offenbarer dessen, was durch ihn und mit ihm die Vielen, alle auch sein, tun und empfangen werden“ (13), und: „So kann er der Eine die Vielen, als Mensch die Menschheit nur als einer unter Anderen vertreten, […] so kann er ihr Herr und Haupt sein […], so nimmt er sie in seiner Entscheidung und Geschichte nur insofern vorweg, als er Erster, mit ihnen Mensch ist, primus inter pares“ (55). Dagegen spricht sich E. Brandenburger, Adam und Christus, 165–167 und 269–271, aus; ebenso R. Bultmann, Adam und Christus, 444, der Barth vorwirft, den Mythos des Adam als Urmensch nicht in Betracht zu ziehen. 60 Die Antithese RPGWOCVKMQP – [WEKMQP ist eine sehr kontrovers diskutierte religionsgeschichtliche Frage des Textes. Die ganze Diskussion wird von M. Winter in seiner Dissertation, Pneumatiker und Psychiker in Korinth, genau dargestellt. Auch hier kommen eine gnostische (Bultmann, Schottroff, Winter), eine hellenistisch- jüdische (H. Conzelmann, E. Brandenburger, G. Sellin) und eine alttestamentlich-jüdische Herleitung (E. Schweizer) vor.

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Es wird allgemein angenommen, dass Paulus in der Bearbeitung des Genesiszitats eine ihm vorliegende Tradition der Schöpfungsauslegung benutzt, ein genauer religionsgeschichtlicher Hintergrund lässt sich jedoch nicht ohne weiteres erkennen, zumal die zahlreichen Versuche, ihn zu finden, zu keinem überzeugenden Modell geführt haben.61 Eine oft vertretene Hypothese will die paulinische Thematik vom gnostischen Mythos des Urmenschen herleiten. Die religionsgeschichtlichen Prämissen für diese Hypothese stammen aus der Forschungsarbeit R. Reitzensteins, dessen Thesen einige Jahrzehnte lang von den Schülern Bultmanns konsequent in der neutestamentlichen Exegese angewendet worden sind. Reitzensteins Untersuchungen zielten darauf ab, den Ursprung des Anthropos-Mythos in der hermetischen Schrift Poimandres und in der Naassenerpredigt62 nachzuweisen. Er findet in der iranischen Religion den Schlüssel zur Erklärung des Urmensch-Mythos, dessen Körper die Teile des Universums darstellt. Auch die Unterscheidung der zwei Menschen und eines zweifachen PQWL bei Philo habe ihre Wurzeln in der iranischen Religion, ebenso die paulinische Adam-Christus-Auslegung: „Philos jüdische Quelle beruft sich dabei wie Paulus auf Genes. 2,7. Eine ältere, rabbinische Auslegung dieser Stelle liegt also voraus, und diese Auslegung ist schon iranisch beeinflusst“.63 Die Hauptthesen einer gnostischen Erklärung der paulinischen Terminologie in 1Kor 15,35–49 hat Reitzenstein im Aufsatz „Paulus als Pneumatiker“ zusammengefasst, der gleichzeitig eine Synthese seiner religionsgeschichtlichen Ergebnisse enthält. Das Thema der zwei Anthropoi hat seinen Ursprung im iranischen Mythos des in jedem Gläubigen ruhenden Urmenschen, der durch einen Erlöser (das Abbild des himmlischen Urmenschen) befreit wird. Für Reitzenstein sind bei Paulus begriffliche Verwandtschaften zu dieser religiösen Konzeption zu finden: FQZC in V. 41 bedeutet bei den Mandäern und Manichäern die Substanz Gottes, und der Gegensatz von [WEJ – RPGWOC; UYOC[WEKEQP– UYOCRPGWOCVKMQPzeige eine klare Verwandtschaft zur iranischen Auferstehungsvorstellung, nach der sich aus dem verwesenden Leib ein neuer Leib entfalten wird; RPGWOC \Y^QRQKQWP drücke wie in der iranischen Religion das innere Selbst aus, das dem Göttlichen, dem als RPGWOC verstandenen &TKUVQLGXPWBBOKP, gleicht. Noch eindeutiger ist das Wort GKXMYP, das bei Paulus gleichzeitig Abbild und Gewand heißt, genau wie in den frühiranischen Totentexten. Paulus rede von zwei 61 W. Schrage, Der erste Brief an die Korinther, 273: „Es ist wohl kein Zufall, dass der religionsgeschichtliche Hintergrund dieser Adam-Christus-Typologie in ihrem Zusammenhang mit der Auslegung von Gen 2,7 bisher noch nicht eindeutig und überzeugend geklärt werden konnte, jedenfalls nicht für das gesamte Ensemble der bei Paulus konstitutiven Züge, zumal es für die Typologie kaum wirkliche Parallelen gibt.“ 62 Vgl. die Forschungsgeschichte im ersten Kapitel. 63 R. Reitzenstein, Das iranische Erlösungsmysterium, 109.

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Menschen und zwei Menschenklassen, was ebenfalls gnostisch sei, denn „die gnostische These von der Wesensverschiedenheit der beiden Menschenklassen ist in ihm und ist in seiner Gemeinde eine Glaubens- und Erfahrungstatsache, die außer allem Zweifel steht. Paulus ist Gnostiker; der Träger des RPGWOC ist ihm wie allen Gnostikern HWUGK, von dem Physiker verschieden“.64 Alle Vertreter einer gnostischen Hypothese stützen sich auf dieses Schema. W. Schmithals behauptet, dass die paulinischen Rede vom ersten und zweiten Adam ausschließlich aus dem gnostischen Mythos des erlösten Erlösers zu verstehen sei,65 obwohl bei Paulus die zwei Figuren nicht identisch sind, sondern in Antithese zueinander stehen. Ein Einfluss der gnostischen Begriffe lässt sich in der Parallelsetzung von Urzeit und Endzeit erkennen. K.M. Fischer betrachtet die Beschreibung des himmlischen Adam in 1Kor 15,44–48, der ein Verhältnis zum inneren Menschen hat, als klares Merkmal seines gnostischen Ursprungs. Dies bestätigt sich auch durch die Idee, dass das Heil durch Tragen des Ebenbildes des himmlischen Menschen erlangt wird,66 was nicht apokalyptisch oder allgemein jüdisch sein kann. Eine der gnostischen Hypothese entgegengesetzte Erklärung für den Ursprung der Adam-Christus- Vorstellung bietet die Weisheitstheologie, die Philo von Alexandrien vertritt. Die philonische Terminologie weist eine Parallele zu der bei Paulus vorkommenden dualistischen Sprache auf, jedoch ohne dass sich eine Abhängigkeit zum Gnostizismus vermuten ließe, die aufgrund des zeitlichen Abstandes kaum beweisbar wäre. Die Vertreter dieser These sind E. Brandenburger und G. Sellin. Nach G. Sellin sind die Gegner des Paulus, bedingt durch den Einfluss von Apollos, Vertreter einer alexandrinischen Weisheitstheologie, die wegen ihres philonischen ontologischen und anthropologischen Dualismus die Auferstehung verneinen. Paulus bekämpft die dualistische Vorstellung, doch gleichzeitig greift er bei seiner Argumentation für die Auferstehung auf die dualistische Begrifflichkeit zurück. Paulus spricht daher auch von zwei antithetischen Urmenschen, wobei der pneumatische auf Christus bezogen wird und nach dem irdischen kommt.67 Auch bei der Adam-Christus-Typologie wird die gnostische Urmensch-Theorie durch die Hypothese einer „corporate personality“ ersetzt: 64 R. Reitzenstein, Paulus als Pneumatiker, 260. 65 W. Schmithals, Gnosis in Korinth, I Aufl., 105 „dass sie (die beide Gestalten) mit dem Urmensch-Mythos in Verbindung stehen, ist ebenso sicher; und ihre Herkunft aus dem besonderen Mythos vom erlösten Erlöser dürfte nicht nur eine befriedigende, sondern auch die einzig mögliche Erklärung bieten“. 66 K.M. Fischer, Adam und Christus, 292–293. 67 Die Ergebnisse der religionsgeschichtlichen Frage fasst G. Sellin, Der Streit, 171–175, zusammen.

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Christus und Adam werden dabei als Stammväter zweier gegensätzlicher Menschheiten betrachtet. E. Käsemann kritisiert diesen Ansatz: Der Rückgriff auf die Idee des Stammvaters,68 der potentiell das Geschick seiner Nachfolgere entscheidet […], verfehlt die Pointe unseres Textes. Christus ist kein Patriarch, und Adam kann dann nicht unter diese Kategorie gebracht werden.69

Es scheint mir möglich, diese Typologie als Synthese zweier verschiedener Traditionen anzusehen: Auf der einen Seite stehen die jüdischen Traditionen nach Gen 3 und die Adamssünde, durch die der Tod in die Menschheit eingetreten ist. Paulus übernimmt diese Tradition, schwächt sie aber ab durch die Verantwortung aller Menschen (Röm 5,21). Auf der anderen Seite spielen die zwei Menschen von Gen 1,27 und 2,7 eine wichtige Rolle, die aus dem Schöpfungsdoppelbericht hervorgehen. Der Mensch in Gen 1,27 wird nicht, wie in der philonischen Exegese, als Vorbild betrachtet, sondern zugleich als der präexistente (nach dem Bild Gottes) und der eschatologische Mensch; von Paulus wird er christologisch gedeutet. Die Unterscheidung zwischen diesen beiden Traditionen, der Schöpfung und dem Sündenfall, findet sich in 1Kor 15,45–46 und 1Kor 15,21–22. Dies macht einen Vergleich mit der Exegese Philos notwendig. 2.7.1 Die zwei Urmenschen bei Philo Das Paulus sprachlich und kulturell nahe liegende Vergleichsmaterial ist ohne Zweifel die Schöpfungsexegese des Philo von Alexandrien. Philo schließt aus dem Doppelbericht über die Schöpfung des Menschen in Gen 1,27 und Gen 2,7, dass zwei sehr unterschiedliche, ja sogar antithetische Menschen geschaffen worden sind. In Gen 1,27 sieht er die Schöpfung eines Menschen nach dem Abbild Gottes, während er in Gen 2,7 die Schöpfung eines aus dem Staub, d. h. aus der Materie gebildeten Menschen erkennt. Der radikale Unterschied zwischen diesen beiden Menschen zeigt sich in ihren antithetischen Eigenschaften: Der Mensch aus Gen 1,27 ist eine Idee, ein Abbild Gottes, hat keinen Leib, ist weder weiblich noch männlich und ist unsterblich; der Mensch aus Gen 2,7 ist gebildet (RNCUSGKL), besteht aus einer Mischung aus irdischem Wesen und Gottes

68 Das Thema wurde bereits in der Forschungsgeschichte durchaus diskutiert. Unter den Kommentaren sind zu erwähnen: F. Lang, Die Briefe and die Korinther, 222–223, und P. Stuhlmacher, Der Brief an die Römer, 78–79. Für Stuhlmacher ist es allerdings die Menschensohntradition, die bei der Herausarbeitung von Paulus’ Typologie eine zentrale Rolle spielt. Die Menschsohntradition lässt sich nach Stuhlmacher in Röm 5,18.19 an der Verwendung des Begriffs „Menschen“ anstelle von „Menschensohn“ erkennen – eine Abkürzung aus „missionarischhermeneutische(n) Gründe(n)“. 69 E. Käsemann, An die Römer, 134.

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RPGWOC, von UYOC und [WEJ, ist entweder Mann oder Frau und ist sterblich.70 Dieselbe Unterscheidung zweier Menschen findet sich in der philonischen Auslegung von Gen 2,7,71 wo wieder ausdrücklich von FKVVCCXPSTYRYP IGPJ die Rede ist. Die oben genannten Unterscheidungen werden nun auf zwei Hauptunterschiede reduziert: 1) irdisch – himmlisch (QWXTCPKQL – IJKPQL) 2) nach dem Abbild Gottes gezeugt – aus Staub gebildet (IGPPJOC – RNCUOC). Der aus irdischer Materie geformte Mensch wird als IGYFJL PQWL72verstanden, denn er ist abhängig vom göttlichen Hauch, um einen lebendigen, denkenden Verstand zu erlangen. Dies geschieht in der Erzählung Gen 2,7. Dabei impliziert dieser Hauch allerdings nicht die Verleihung des göttlichen RPGWOC, sondern ist eine bloße RPQJ. Darüber hinaus lässt sich auch von einer Unterscheidung zweier entsprechender PQWL reden: der PQWLMCVCVJPGKXMQPCIGIQPYLMCKVJPKXFGCP hat Anteil am eigentlichen RPGWOC, während dem PQWLGXMVJLW=NJL nur ein leichter Hauch, ähnlich einem Duft,73 innewohnt. Der gebildete Mensch, zu dem die Menschheit gehört, hat nun eine doppelte Natur: Der Vernunft nach ist sie dem göttlichen Logos verwandt, aber dem UYOC nach ist sie der Welt verwandt.74 Dies hat auch Konsequenzen für die Ethik, insofern als diese anthropologische Spaltung den Menschen zu einem Wesen gemischter Natur macht (VJLOKMVJLHWUGYL),75 das ethisch ambivalent ist und im Gegensatz zu Pflanzen und Sternen Tugend und Laster in sich trägt. Nach Philo erklärt dies, weshalb der Mensch dem ersten Schöpfungsbericht nach zuletzt erschaffen worden ist: Gott konnte die Sterne erschaffen, die nur Tugend besitzen, ebenso wie die Pflanzen, die weder Tugend noch Laster kennen, aber für die Schöpfung eines ambivalenten Wesens, wie es der Mensch ist, brauchte Gott die Hilfe von „Mitarbeitern“, nämlich der unteren Mächte, welche die Verantwortung für das diesem innewohnende Böse tragen. Diese Auslegung erklärt unter anderem den ungewöhnlichen Pluralgebrauch bei der Schöpfung des Menschen in Gen 1,26.76 Der erschaffene Mensch ist 70 Philo Opif. 134 GXPCTIGUVCVC MCK FKC VQWVQW RCTKUVJUKP Q=VK FKCHQTC RCOOGIGSJL GXUVK VQW RNCUSGPVQL CXPSTYRQW MCK VQW MCVC VJP GKXMQPC IGIQPQVQL RTQVGTQP> QBB OGP ICT FKCRNCUSGKL CKXUSJVQL JFJ OGVGEYP RQKQVJVQL GXM UYOCVQL MCK [WEJL UWPGUVYL CXPJT J IWPJl HWUGK SPJVQL> QBB FG MCVC VJP GKXMQPC KXFGC VKL J IGPQL, J UHTCIKL PQJVQL CXUYOCVQL QWV’CTTJP QWVG SJNW CHSCTVQL HWUGK. 71 Philo LA I,31–42. 72 Philo LA I,31. 73 Philo LA I,42. 74 Philo Opif. 146. 75 Philo Opif. 72–75. Wichtig ist, was Philo in § 73 über die Sterne sagt: Sie sind vernünftige Lebewesen mit einem ganzen PQWL (ohne Spaltung oder Dualismus) und ohne Anteil am Bösen: Y=URGT QKBB CXUVGTGL> QWVQK ICT \Y^C VG GKPCK NGIQPVCK MCK \Y^C PQGTC OCNNQP FG PQWL CWXVQL G=MCUVQL Q=NQL FK8Q=NYP URQWFCKQL MCK RCPVQL CXPGRKFGMVQL MCMQW. 76 Philo Opif. 75: FKC VQWV GXRK OQPJL VJL CXPSTYRQW IGPGUGYL HJUKP Q=VK GKRGP QB SGQL RQKJUYOGP Q=RGT GXOHCKPGK UWORCTCNJ[KP GBVGTYP YBL CP UWPGTIYP. Gen 1,26 wird auf den erschaffenen Menschen bezogen, ebenso wie auf die bereits hier vorkommende Unterscheidung zwischen

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trotz seiner doppelten Natur, seines Anteils an der Materie und seiner Sterblichkeit ein weitaus perfekteres Wesen als seine Nachkommen. Die Materie, aus der er gebildet wurde, ist W=NJCXOKIJMCKCFQNQLMCKMCSCTC, ein aus allen Teilen der Erde stammender Staub. Der Nachkomme dieses ersten Menschen bringt eine Verschlechterung dieses Urbildes mit sich, da er keine originäre Schöpfung, sondern eine Nachahmung ist, ähnlich dem Original in der bildenden Kunst, das sich nicht reproduzieren lässt.77 Philo stattet diesen Urahn der Menschheit mit den Charakteristika des ethischen Idealbildes der Stoiker aus: Er ist ein Weltbürger und hält sich an die Naturgesetze. Diese Idylle aber wird durch die Schöpfung der Frau zerstört: Die Frau ist für ihn der Anfang des schuldigen Lebens CXTEJFGVJL WBBRCKVKQW\YJLCWXVY^IKPGVCK,78 weil jede Wollust des Körpers durch das Begehren der Frau entsteht.79 Philos Schöpfungsbericht entspricht seinem dualistischen, philosophischen System: Die Schöpfung erfolgt durch den göttlichen NQIQL, der wie ein Architekt zuerst eine Idee fasst und dann sein vorgezeichnetes Projekt in einer wirklichen Stadt aus Stein und Holz umsetzt.80 Dieses Bild erleichtert das Verständnis von Gen 1,1 als einer Schöpfung der Idee des Himmels und der Erde: RTYVQPQWPQBBRQKYP GXRQKJUGP QWXTCPQPCXUYOCVQPMCKIJPCXQTCVQP.81 Gleiches gilt für die Schöpfung des Menschen: Der Logos erschafft den Menschen MCV’GKXMQPC (Gen 1,27), den eigentlichen Menschen, der aber im Grunde eine Idee ist und in seiner Einheit Gott entspricht. Der wirkliche Mensch hingegen ist dual aufgebaut, sowohl in seinem Wesen (göttlich/irdisch) als auch in seinem Verhalten (gut/böse) und seinem Geschlecht (männlich/weiblich) und besteht aus einer Mischung entgegengesetzter Elemente.82 Philo setzt an den Anfang dieser dualistischen Situation den pluralen Schöpfungsakt durch Gott und durch die Mächte, der als eigentlicher Beginn des sündhaften, schlechten Verhaltens gilt. Selbst der Sündenfall (Gen 3) spielt eine sekundäre Rolle als einfache Entdeckung der Wollust durch Eva. Bei Philo kann man nicht männlich und weiblich. Dies zeigt m.E., dass Philo bei diesem Text ebenfalls sein dualistisches Urteilsprinzip anwendet. 77 Philo Opif. 140. Ein weiteres Beispiel dieser Verschlechterung wird mit dem Bild eines Magneten ausgedrückt: Dieser verliert immer mehr von seiner Anziehungskraft, je weiter sich die Reihe von eisernen Ringen verlängert, die an ihm haften. 78 Philo Opif. 151. 79 Philo Opif. 152: QBB FG RQSQL QWVQL MCK VJP VYP UYOCVYP JBBFQPJP GXIGPPJUGP J=VKL GXUVKP CXFKMJOCVYP MCK RCTCPQOJOCVYP CXTEJ. Durch den wiederholt verwendeten Begriff CXTEJ wird die Frau beschuldigt, das Prinzip des Bösen und der Anfang der Sünde zu sein. 80 Philo Opif. 17–22. 81 Philo Opif. 29. 82 A. M. Mazzanti, L’uomo nella cultura religiosa del tardo antico, 9–18, erkennt diese Besonderheit des philonischen Menschen und drückt sie durch den Begriff OGSQTKQL „essere liminare“ (auf der Grenze sein) aus (z.B. Philo Opif. 135). Für Philo ist aber diese medietas ein negativer Zustand, den man durch die Aufhebung der irdisch-körperlichen Sphäre überwinden muss.

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von zwei Urmenschen sprechen, sondern vielmehr von einem Idealmenschen, der in Kontrast zum wirklichen Menschen steht. Die Unterschiede zur paulinischen Argumentation lassen sich in folgenden Punkten zusammenfassen: Bei Paulus gibt es, anders als bei Philo, keine Entwicklung vom Idealmenschen zum irdisch-körperlichen Menschen. Der vollkommene Mensch steht bei Paulus am Ende, es ist kein ideeller Urstatus nachweisbar. Paulus betont den Vorrang des [WEKMQP gegenüber dem RPGWOCVKMQP. Paulus zieht für seine Argumentation nur Gen 2,7, nicht aber Gen 1,27 heran. Philo isoliert in Gen 1,27 den Ausdruck MCV8GXKMQPC als Merkmal des ersten Menschen. Bei Philo ist die Erlösung ein Weg zurück in die Vollkommenheit der Urzeit, die der Vollkommenheit Gottes entspricht. Die Heilsgeschichte ist eine Gegengeschichte, die das Sinnlich-Körperliche zusammen mit dem Bösen individuell auflöst. Paulus verwendet apokalyptische Motive, die die Erlösung als neuen Äon am Ende der Geschichte postulieren. Die Frau repräsentiert bei Philo den irdischen Menschen, sie besitzt eine sexuelle Dualität, die der Dualität PQWL – CKUSJUKL83 entspricht. Die Frau ist Sinnlichkeit, sie ist verantwortlich für die Verschlechterung des irdischen Menschen durch die JBBFQPJ. Das Motiv der Sünde Evas findet man auch anderswo in der jüdischen Literatur84 und in den tritopaulinischen Briefen,85 nicht aber bei Paulus, der eine relative Gleichstellung zwischen Mann und Frau vertritt. 2.8 UYOCRPGWOCVKMQP und UYOC[WEKMQP Diese Antithese fasst die Gegensätze der alten und der neuen Schöpfung zusammen. Hierin liegt die eigentliche Antwort auf die fiktive Frage von V. 35. Was meint Paulus, wenn er von einem UYOCRPGWOCVKMQPspricht? Der Gebrauch des Wortes UYOC auch in der Auferstehung spricht dafür, dass dieses für Paulus untrennbar mit dem menschlichen Ich verbunden ist. Ein Vergleich mit der jüdischen Literatur ist zur näheren Bestimmung des Ausdrucks nicht sehr hilfreich. Sicherlich übernimmt Paulus in seiner Rede über die Auferstehung viele Elemente aus der apokalyptischen Tradition – 83 Philo LA II, 40–41. 84 Sir 25,24 CXRQ IWPCKMQL CXTEJ CBOCTVKCL MCK FK8 CWXVJP CXRQSPJ^UMQOGP RCPVGL. 85 1Tim 2,12–15 Das Hauptargument ist folgendes: Die Frau kann nicht lehren und muss untertan bleiben. Die Begründung hierfür leitet sich aus dem Schöpfungsbericht her: a) Adam ist als Erster gebildet (RNCUUGKP) worden b) Eva ist verführt worden, nicht Adam. Der Schluss enthält eine Ermahnung zur UYHTQUWPJ, mit dem Hinweis auf die „Rettung durch das Kindergebären“, einem weiteren Bezug auf Gen 3.

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Motive wie die Verwandlung oder das apokalyptische Szenario sowie die Zerstörung der Mächte und der Mächtigen.86 Die spezifisch anthropologische Argumentation jedoch scheint mehr der eigenen Überlegung des Apostels zu entstammen. Bei den verschiedenen jüdischen Texten sind nicht die Auferstehung als solche und deren anthropologische Implikationen von Bedeutung, sondern vielmehr das Endgericht, das eine Auferweckung der Toten nach irdischen Verhältnissen voraussetzt.87 Zwar findet man in der syrischen Baruch-Apokalypse in Form eines Gebets zu Gott eine ähnliche Frage wie in 1Kor 15,35 zur Gestalt der Auferstandenen,88 doch beschäftigt sich die Antwort kaum mit dem anthropologischen Thema. In der Antwort wird zunächst die Freigabe der Toten aus der Erde in ihrer früheren Gestalt geweissagt;89 erst danach soll die Verwandlung erfolgen,90 die den Gerechten die leuchtende Form der Engel und der Sterne und den Frevlern eine schreckliche Form verleihen wird. Für das Gericht müssen die Menschen so sein, wie sie auf der Erde waren. Nach 4. Esra kommt die Zeit der Auferstehung nach dem Tod des Messias, nach sieben Tagen, in denen die Welt zum Uranfang zurückkehren wird: „Die Erde gibt die heraus, die in ihr schlafen, der Staub die, die still in ihm ruhen, und die Kammern geben die Seelen heraus, die ihnen anvertraut sind“.91 Das Motiv der Freigabe der Toten durch die Erde ist auch im äthiopischen Henochbuch zu finden. Es steht im Zusammenhang mit der Inthronisierung des Messias für die Ge-

86 Die jüdischen Theorien über das „Wie“ der Auferstehung stützen sich nach P. Volz, Die Eschatologie der jüdischen Gemeinde, 253–254, auf zwei anthropologische Grundlagen: a) die Auferweckung und Wiederbelebung des Leibes in seiner früheren Gestalt, z.B. 1Hen 51,2; b) die Wiedervereinigung der unsterblichen Seele mit einem neuen Leib, 4Esr 7,32. Bei letzterer Vorstellung wird die Seele entweder in einem besonderen Ort aufbewahrt (4Esr 7,32 spricht von „Seelenbehälter“), oder sie ist als unsterblich gedacht. Die Varianten sind zahlreich und eine genaue Unterscheidung scheint in vielen Fällen kaum möglich. Die rabbinische Vorstellung, die zwar eine Belebung des Leibes befürwortet, aber ausgehend von einem unsterblichen Teil (ein Wirbel des Rückgrats), zeigt, dass die beide Varianten sich annähern können (P. Volz, Die Eschatologie, 250). Die paulinischen Argumente gründen sich auf die monistische Vorstellung von der Auferweckung des Leibes. Es handelt sich aber nicht um eine „restitutio“ der irdischen Leiblichkeit, sondern um eine Verwandlung in eine höhere Dimension. 87 U. Wilckens, Die Auferstehung, 84. 88 2Bar 49. 89 2Bar 50,2: „Denn sicher gibt die Erde ihre Toten dann zurück, die sie jetzt empfängt […], denn wie sie sie empfangen hat, so wird sie sie auch auferstehen lassen“. 90 2Bar 51, 2: „Das Aussehen derer, die hier frevelhaft gehandelt haben, wird schlimmer gemacht werden, als es jetzt ist, weil sie Martern erleiden müssen“; 51, 5: „[…] zu bestürzenden Erscheinungen und grässlichen Gestalten“. Die körperliche Auferstehung ist notwendig, um eine Vergeltung zu ermöglichen. 51, 3: „Die Herrlichkeit von denen, die sich rechtschaffen gezeigt haben, wie mein Gesetz will […], ihr Glanz wird verwandelt.“ 51, 10: „sie werden Engeln gleichen und den Sternen ähnlich sein“. 51, 12: „Dann wird die Vortrefflichkeit bei den Gerechten noch größer sein als bei den Engeln“. 91 4Esr 7,32.

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richtshandlung.92 Die Racheengel werden die Sünder und die Mächtigen der Erde mit allen Marterwerkzeugen bestrafen und vernichten.93 Am Ende des Buches (108) ist sogar die Rede von den „Geistern der Sünder“, die getötet, und von den „Geistern der Guten“, die belohnt werden müssen, was ein Beweis dafür ist, dass keine genaue anthropologische Definition angestrebt wurde: „Und nun werde ich die Geister der Guten von dem Geschlecht des Lichtes rufen und ich werde sie verwandeln, die in Finsternis geboren wurden, die in ihrem Fleisch (= irdischen Leben) nicht mit Ehre belohnt wurden, wie es ihrem Glauben zugekommen wäre.[…]. Und sie werden glänzen in den Zeiten, die zahllos sein werden“.94 Paulus hingegen hat ein besonderes anthropologisches Interesse. Ihm genügt nicht die Feststellung, dass die Menschen bei der Auferstehung wie Sterne oder wie Engel sein werden,95 denn dies allein hat keine konkreten Auswirkungen. Um die Bedeutung von UYOCRPGWOCVKMQP zu bestimmen, gibt es verschiedene Ansätze. Eine erste Möglichkeit liegt in der Betonung der materiellen oder substanzhaften Bedeutung der Termini. C.F.D. Moule96 vermutet, dass bei Paulus ein Mittelweg zwischen der materialistischen Lehre von der physischen Auferstehung und der dualistische Vorstellung einer Trennung der Seele vom Körper erkennbar sei. Die Grundlage für einen solchen Ansatz liegt vielleicht im Nebeneinander zweier gegensätzlicher Begriffe. R.H. Gundry97 betont in seiner Polemik gegen Bultmann die Bedeutung des physischen Körpers: „a pneumatikon soma is not a bodily form with a spirit as its substance; it is a physical body renovated by the Spirit of Christ and therefore suited to heavenly immortality“.98 Die Möglichkeit einer physischen Auferstehung abzulehnen, heißt s.E. gleichzeitig die Macht Gottes anzufechten, die eine solche ermöglicht. Die idealistische Exegese hat dagegen den Akzent auf das Geistliche gelegt: C. Holsten sieht im UYOC [WEKMQP ein Synonym zum UYOCVJLUCTMQL, das nicht auferstehen kann. Im Tod wird das RPGWOC des Gläubigen nackt bleiben, danach wird es in der Parusie „mit einem UYOC RPGWOCVKMQP, der neuen behausung aus dem him92 Umstritten ist die Version von äthHen 51,5: „das Angesicht aller Engel wird von Freude leuchten“ oder „und alle werden zu Engeln im Himmel, ihr Angesicht sehen“. 93 1Hen 53, 4 „Und ich fragte den Engel des Friedens, der mit mir ging: ‚Jene (Marter)Werkzeuge – für wen bereiten sie sie zu?‘ Und er sprach zu mir: ‚Sie bereiten diese zu für die Könige und für die Mächtigen dieser Erde, dass sie damit vertilgt werden.‘“ 94 1Hen 108,11–13. 95 Vgl. Lk 20,35–36: QKB FG MCVCZKYSGPVGL VQW CKXYPQL GXMGKPQW VWEGKP MCK VJL CXPCUVCUGYL VJL GXM PGMTYP QWVG ICOQWUKP QWVG ICOK\QPVCK> QWXFG ICT CXRQSCPGKP GVK FWPCPVCK KXUCIIGNQK ICT GKXUKP MCK WKBQK GKXUKP SGQW VJL CXPCUVCUGYL WKBQK QPVGL Mt 22, 30 hat YBBL CIIGNQK GXP VY^ QWXTCPY^. 96 C.F.D. Moule, St Paulus and Dualism, 107. 97 R.H.Gundry, Soma , 165 zu 1Kor 15,50: „the phrase flesh and body connotes the present body’s weakness and perishability […] but does not imply immateriality of the resurrected body.“ 98 R.H. Gundry, Soma, 165–166.

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mel und aus himmlischer lichtmaterie, bekleidet, einem leibe, der wegen dieser himmlischen lichtmaterie, aus der Gott ihn geformt hat, unvergänglich und unsterblich ist“.99 Dass der Leib der Auferstehung – im Gegensatz zum irdischen Leib, der aus Fleisch besteht – aus Lichtsubstanz und aus Geist gemacht ist, entspricht nicht dem Sinn der paulinischen Argumentation. Bei Paulus liegt der Gegensatz nicht zwischen einem UYOC RPGWOCVKMQP und einem UYOC UCTMKMQP, sondern zwischen einem UYOC RPGWOCVKMQP und einem UYOC [WEKMQP.100 Die Pointe der paulinischen Argumentation liegt also nicht in einem Gegensatz der Materie oder Substanzen, sondern im Gegensatz zwischen den Menschen des alten und denen des neuen Äons. 1Kor 15,50 impliziert, dass der Mensch bei der Auferstehung keinerlei natürliche und physische Eigenschaften mehr haben wird, die der HSQTC unterliegen. UYOC [WEKMQP ist der irdische Mensch, dessen Hauptmerkmale101 mit den Worten CXVKOKC, HSQTC, CXUSGPGKC beschrieben werden. Er steht unter der Knechtschaft der HSQTC („Vergänglichkeit“,102 Röm 8,21), ist hinfällig und sterblich. Das Wort [WEKMQP ist mit Blick auf Gen 2,7 gewählt worden und leitet sich aus der alttestamentlichen Bedeutung von [WEJ, „natürliche Lebenskraft, Lebendigkeit“,103 ab, was eine Distanzierung vom hellenistischen Substanzdenken impliziert. UYOC RPGWOCVKMQP ist nicht ein Körper aus RPGWOC, sondern der neue Mensch, der sein Leben dem lebensschaffenden Geist Gottes verdankt. Die neue Lebensweise wird ganz vom Geist Gottes bestimmt.104 In erster Linie geht es Paulus dabei um die Behauptung, dass die Existenz im Geiste Gottes, die für den irdischen Menschen nur widersprüchlich und fragmentarisch ist, so zur Vollendung gebracht wird. Das UYOC RPGWOCVKMQP bezieht sich damit nicht nur auf das Individuum. Es bedeutet eben auch die Vollendung eines solidarischen und konstruktiven Zusammenlebens, das in der Gemeinde Christi erlebbar wird. Von der Auferstehung zu sprechen bedeu-

99 C. Holsten, Die Messiasvision des Petrus, 127; Das Evangelium des Paulus, 438: Er spricht von einem „Substanzgegensatz“ zwischen den beiden Leibern. Der Gedanke wird auch von Lietzmann, Die Briefe des Paulus, 155, übernommen. 100 H. Conzelmann, Der erste Brief an die Korinther, 336: „Im Vorausgehenden ist eindeutig von Substanzen die Rede: die UCTZ ist die Substanz des irdischen UYOC. Andererseits bringt die neue Antithese eine Modifizierung, wenn dem UYOC RPGWOCVKMQP nicht ein UYOC UCTMKMQP gegenübergestellt ist, sondern ein UYOC [WEKMQP.“ 101 In 1Kor 4,10 werden zwei dieser Gegensätze in der Auseinandersetzung mit den Korinthern verwendet: JBOGKL OYTQK FKC &TKUVQP WBOGKL FG HTQPKOQK GXP &TKUVY^> JBOGKL CXUSGPGKL WBOGKL FG KXUEWTQK> WBOGKL GPFQZQK JBOGKL FG CV KOQK. Es fehlt die logische Ergänzung HSQTC - CHSCTUKC, die hinsichtlich der Auferstehung das Wichtigste ist. 102 G. Harder, Art. HSGKTY, ThWNT IX, 103–106. 103 E. Schweizer, Art. [WEJ, ThWNT IX, 633. 104 F . Lang, Die Briefe an die Korinther, 236–237.

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tet, auf diese Weise gestärkt aus dem täglichen Kampf gegen die lebensbedrohenden Strukturen und Mächte hervorzugehen.105 2.9 Schluss und Ergebnisse In der Erörterung in 1Kor 15 steht das UYOC im Mittelpunkt der Auferstehung. Der Mensch als irdisches Wesen wird unter der Bezeichnung UCTZMCKCKOC gefasst. Das UYOC gehört im Grunde in derselben Kategorie, da es vergänglich und sterblich ist. Der Mensch verfügt über keinerlei anthropologische Eigenschaft, um der Vergänglichkeit und dem Tod zu entrinnen – im Gegensatz zur dualistischen Anthropologie, wo wenigstens ein Teil des menschlichen Seins als göttlich oder unsterblich betrachtet wird. Das UYOC kann auch nicht wie in der idealistischen Exegese eine Form des menschlichen Seins, nämlich das immerwährende, eigentliche Ich sein, es kann keine Kontinuität schaffen. Der Mensch als Ganzes ist der Vergänglichkeit unterworfen, sein auf Beziehungen ausgerichtetes Leben endet in der absoluten Einsamkeit des Todes, in der kein kommunikativer Prozess mehr möglich ist. Von dieser Perspektive aus scheint daher jedes konstruktive Handeln von vornherein zum Scheitern verurteilt, da das Ende in jedem Fall der Triumph der Isolierung, der Zerstörung, der Destruktivität sein wird. Sollten also diejenigen Recht behalten, die eine hedonistische Lebenseinstellung propagieren, die also dazu auffordern, „lasst uns essen und trinken, denn morgen sind wir tot“ (1Kor 15,32)? Oder vielleicht diejenigen, die sich den herrschenden Daseinsbedingungen anpassen?106 Die Auferstehung kann nur als Handlung Gottes verstanden werden, die als Konsequenz aus der Auferstehung Christi in der von Paulus als unmittelbar bevorstehend angenommenen Parusie geschieht. Die konstruktive Umwandlung der Anthropologie und des sterblichen und passiven UYOC hat nur Sinn im Hinblick auf Christus. Die Auferstehung Christi ist der Beginn einer neuen Schöpfung, einer neuen Menschheit. Auf diese Weise wird die Polarität irdisch – himmlisch, Adam – Christus aufgelöst. Das UYOCRPGW OCVKMQP ist das Ergebnis des von Gottes Kraft und Gottes Geist belebten und bestimmten Menschen. Eben dieses Paradigma unterliegt der paulinischen Ethik und Ekklesiologie.

105 C. Jansen, Bodily Resurrection, 77. 106 Paulus versteht sich auch als Apostel, der unabhängig von den Menschen ist und sich nicht anpasst. Dieser Aspekt wird in der Apologie in 1Kor 9 und insbesondere im Galaterbrief (1,1) wichtig: Apostel kraft Christi, der von Gott auferweckt wurde; die Auferstehung Christi ist ein Grund für sein unangepasstes Apostolat. Vgl. Gal 1,10 und Gal 1,16 GWXSGYL QWX RTQUCPGSGOJP UCTMK MCK CK=OCVK.

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3. Analyse von 2Kor 5,1–10 3.1 Einleitung In der Betrachtung der Anthropologie im Rahmen der Eschatologie komme ich nun zur schwierigen Stelle 2Kor 5,1–10, einer der am heftigsten umstrittenen107 der Paulus-Briefe. Sie wirft mehrere Fragen auf, deren Beantwortung sich auf das Verständnis der paulinischen Eschatologie und Anthropologie auswirkt. Es handelt sich um textkritische Fragen (besonders in V. 3), um die Auslegung der vorherrschenden Bildersprache zu Tod und Auferstehung sowie um die Einordnung der daraus resultierenden Auffassung in den Gedankengang des Apostels. Aber die grundlegende Frage im Rahmen dieser anthropologischen Studie ist, ob sich eine Entwicklung in der eschatologischen Darstellung plausibel machen lässt, in der Paulus ein dualistisches Menschenbild vertritt. Damit verbunden sind weitere Themen wie die Frage nach einem Zwischenzustand der Nacktheit im Tod vor Parusie und Auferstehung, die Frage, wann genau die Übernahme der Seinsweise der Auferstehung stattfindet (sofort nach dem Tode oder bei der Parusie), sowie die Frage nach der Entwicklung der grundsätzlich leibabwertenden paulinischen Anthropologie in Richtung einer dualistischen Vorstellung. Die textkritischen Fragen betreffen besonders 2Kor 5,3, wo die Entscheidung für eine Lesart bei den Konjunktionen GKIGMCK undGKRGT MCK sowie bei den Partizipien GXMFWUCOGPQKund GXPFWUCOGPQKschwer fällt. GKRGT ist besser belegt, vor allem durch die Lesart in P46, wobei es sich hier allerdings eher um eine lectio facilior zu handeln scheint, eine stilistische Verbesserung des Griechischen durch Verwendung einer eindeutigeren Konjunktion, während man GKIGMCK nicht als Korrektur von GKRGTMCKlesen kann. Weitaus schwieriger ist das Problem der Partizipien GXPFWUCOGPQK und GXMFWUCOGPQK. GXPFWUCOGPQK ist besser belegt108 (P46; a, B, C, D2, E, K, L, P ; etc.), während sich die andere Variante lediglich in der abendländischen Texttradition findet (bei D*, Marcion, Tertullian u.a., F, G steht GXMNWUCOGPQK, was sicherlich ein Fehler ist), sodass viele Exegeten denken, GXMFWUCOGPQK sei eine Korrektur zur Vermeidung einer Tautologie.109 Wenn man

107 R. Bultmann, Exegetische Probleme, 3. 108 J.F. Collange, Enigmes de la deuxième Epitre 211–212: „La leçon GXMFWUCOGPQK est trop mal attestée (et la difficulté de ce verset trop certain pour qu’on n’ait pas tenté, ici ou là, de corriger un mot) pour qu’on ne l’accepte pas avant d’avoir épuisé tout le sens possible susceptible d’être donné avec GXPFWUCOGPQK“. 109 A. Plummer, Second Epistle to the Corinthians, 148; H. Windisch, Der zweite Korintherbrief, 162; V.P. Furnish, II Corinthians, 268; M. Thrall, The Second Epistle to the Corinthians,

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man die Lesart GXPFWUCOGPQK annimmt, muss man der KonjunktionGKIGMCK einen kausalen Sinn zuschreiben, was jedoch unwahrscheinlich ist.110 Es steht zu vermuten, dass infolge der Verbesserung der Konjunktion GKIGMCK durch GKRGTMCKauch das ursprüngliche Partizip GXMFWUCOGPQKwegen der kausalen Bedeutung der neuen Konjunktion durch GXPFWUCOGPQK ersetzt worden ist. Analyse von 2Kor 5,1–10 3.2 Literarische Analyse und Gliederung Der Text wird durch den Ausdruck QKFCOGPICTQ=VK eingeleitet, der eine allgemein anerkannte Wahrheit einführt.111 Der Inhalt dieser Behauptung besteht in der Antithese zwischen der irdischen Existenz und dem neuen Sein (QKXMKCVQWUMJPQWL – QKXMQFQOJGXMSGQW/QKXMKCCXEGKTQRQKJVQLCKXYPKQL; GXRKIGKQL – GXPVQKLQWXTCPQKL). Auf diesen Satz folgen zwei MCKICT-Satzperioden mit erklärendem Charakter, die parallel aufgebaut sind (V. 2–4): Konjunktion Gegenwart MCKICT GXPVQWVY^UVG PC\QOGP

Wunsch VQQKXMJVJTKQPJBOYP VQGXZQWXTCPQWGXRGPFWUCUSCKGXRKRQSQWPVGL QKBQPVGLGXPVY^UM GXH8Y^QWXSGNQOGP JPGKUVGPC\QOGP GXMFWUCUSCK DCTQWOGPQK

Adversativ GKIGMCKGXMFWUCOGPQKQWX IWOPQKGWBTGSJUQOGSC

MCKICT

CXNN8GXRGPFWUCUSCK

377; dies., „Putting on“ or „Stripping off“, 233–236; R.F. Hettlinger, 2 Corinthians 5,1–10, 175; A. Oepke, Art. IWOPQL, in: ThWNT I, 319. 110 Um der Textstelle einen Sinn zu geben, liest Thrall, „Putting on“ or „Stripping off“, 233, die Konjuktion GK IG MCK als kausales „since“: „[…] since, having put it on, we shall not be found naked“, 233. H. Windisch, 162, erkennt die Schwierigkeit GK IG MCK bei GXPFWUCOGPQK als konzessiv auszulegen und liest diese Stelle wie Kol 1,23, Eph 3,2; 4,21. Die Konjunktion „führt eine Voraussetzung ein, die unbezweifelt ist […], also = GKRGT“ und kann mit „sofern es richtig ist, dass […]“ oder „natürlich unter der ja selbstverständlichen Bedingung“ umschrieben werden. R.F. Hettlinger, 2 Corinthians 5,1–10, übersetzt 2Kor 5,3 so: „on the assumption of course that we shall have put on this clothing at death, we shall not be found naked before God”. R. Bultmann, Exegetische Probleme, 11, sagt: „einen klaren Sinn gibt aber V. 3 nur bei der Lesart GXMFWUCOGPQK“. Für ihn ergibt die andere Variante einen „trivialen Sinn“ und die Versuche, diesen erträglich zu machen, sind nicht berechtigt, wie auch R. Bultmann, Theologie, 203, bemerkt. Die kaum zu bewältigenden Schwierigkeiten, die Konjunktion GK IG MCK mit GXPFWUCOGPQK zu vereinbaren, lassen mich eher zu der Variante GXMFWUCOGPQK tendieren. 111 Es kann sich aber auch um ein rhetorisches Mittel des Paulus handeln, sodass die Textstelle nicht, wie viele behaupten, als Argument gegen eine Entwicklung in der paulinischen Theologie verwendet werden kann.

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Auffällig ist, dass der Finalsatz am Ende von Vers 4 nicht in den Parallelismus hineinpasst – er wird daher zur wichtigsten Pointe des Textes. Diese besteht in der Erkenntnis, die schon in 1Kor 15,54 – in dem ebenfalls das Verb MCVCRKPY begegnet – grundlegend für den Auferstehungsdiskurs ist. Sie wird aus Jes 25,8 hergeleitet.112 Das Sterbliche wird durch das Leben „verschluckt“. Bemerkenswert ist daneben die chiastische Struktur der beiden Teile, die jeweils einen Wunsch und ein adversatives Element enthalten. In der ersten Proposition sehnt sich der Apostel danach, bekleidet zu werden, darauf folgt ein Konzessivsatz, der vom Ausziehen und Nacktsein handelt. Die zweite Proposition enthält den Wunsch, nicht ausgezogen zu werden, gefolgt von dem Adversativsatz „sondern bekleidet“. Dies lässt sich als stilistischer Beleg für die Variante GXMFWUCOGPQK heranziehen. Auffällig bei den Versen ist auch die Verschiebung der Bilder: Der gegenwärtige Zustand wird mithilfe der Haus-Metaphorik geschildert, während das zukünftige Verlangen, das den Gedankengang dynamisiert, durch das semantische Feld des „Sichbekleidens“ umschrieben wird: Es tritt an die Stelle von Begriffen wie „Wohnen“ oder „Ausziehen“, die später in der Paränese erneut auftreten. V. 5 macht deutlich, dass dieser Prozess seinen Ausgang nicht von natürlichen Umständen nimmt, sondern eine Handlung Gottes ist. Dies wurde auch in 1Kor 5,1 mit GXM SGQW ausgedrückt und ist ein Gedanke, der im paulinischen Auferstehungsdiskurs (1Kor 6,14 und 15,38) häufig wiederkehrt. Der zentrale Gedanke der Argumentation ist, dass Gott den Christen den Geist als CXTTCDYP gibt, und darauf beruht auch die Paränese in den folgenden Versen. Der paränetische Teil V. 6–10 ist ebenfalls parallel aufgebaut. Er besteht aus drei Propositionen mit imperativischem Gehalt in der ersten Person Plural. Die beiden ersten Propositionen werden jeweilsvon dem Verb SCTTGKP eingeleitet, verbunden mit einem zweiten Verb (GKFGKP und GWXFQMGKP), das einmal als Partizip und einmal im Präsens verwendet wird. Es folgt eine antithetische Anordnung der Verben GXPFJOGKP und GXMFJOGKP, die sich wechselweise auf die Begriffe MWTKQL und UYOC beziehen und zusammen erneut einen Chiasmus bilden. Die dritte Proposition schließt den Gedankengang ab, indem sie die Antithese des „Wegreisens“ und des „Weilens“ durch die Aufforderung „dem Herrn zu gefallen“ aufhebt. Den letzten Imperativ leitet die Idee ein, dass notwendig alle (QKBBRCPVC JOGKL) das Gericht Christi erwartet. Anhand der Analyse gelangt man nun zu folgender Gliederung:

112 Bei dem Zitat in 1Kor 15,54 fällt auf, dass Paulus den hebräischen Text – x;cn laeê-al{w>) ‘~d'a' ~yIr:Üc.miW wird im Griechischen zu CKXIWRVKQP CPSTYRQP MCK QWX SGQP K=RRYP UCTMCL MCK QWXM GUVKP DQJSGKC. 18 N P. Bratsiotis, Art. rf'B',, ThWAT I, 851–852.

Definition des Begriffs im Griechischen

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Diese schematische Darstellung der Bedeutung des hebräischen Wortes ermöglicht es uns, die Besonderheit des Gebrauchs von UCTZ in der Septuaginta zu verstehen. Der Terminus wird meistens im Plural benutzt, analog zur griechischen Verwendung des Plurals UCTMGL zur Bezeichnung des ganzen Leibes. Sogar in Gen 6,3 steht der Plural UCTMGL zum Ausdruck der menschlichen Natur: FKC VQ GKPCK CWXVQWL UCTMCL GUQPVCK FG CKB JBOGTCK CWXVYP GBMCVQP GKMQUK GVJ. Unklar bleibt, ob dieser Plural (im Hebräischen steht der Singular) mit dem Pronomen CWXVQWL dekliniert wird. In Ps 77,39 wird für diese Bemerkungen zur Vergänglichkeit des Menschen der Singular verwendet, was logisch besser nachvollziehbar ist: MCK GXOPJUSJ Q=VK UCTZ GKXUKP RPGWOC RQTGWQOGPQP MCK QWXM GXRKUVTGHQP. Der Plural UCTMGL steht zum Ausdruck des Verzehrs menschlichen Fleisches durch andere Menschen oder durch Tiere, als an eine Person (Gen 40,19; 1Sam 17,44; 2Kön 9,36) oder eine Nation (Jes 9,20; 49,26; Jer 9,19; Mi 3,3; Jdt 16,17) gerichtete Ermahnung oder auch als Motiv zum Ausdruck der Klage des Psalmisten (Ps 78,2). Die wenige anatomischen Einblicke, die man aus dem Opfergesetz (Lev 4,11 für den Stier) oder den Klageliedern gewinnt (Hi 2,5; 4,15, Klgl 3,4), zeigen, dass UCTZ die muskulösen Teile des Leibes bezeichnet. In Lev 4,11 werden FGTOC, UCTZ, CXMTYVGTKQP, MGHCNJ, MQKNKC und MQRTQL unterschieden, die verbrannt werden sollen: Hier wird unter UCTZ eher der Leib in der Bedeutung des Rumpfes – ohne Beine, Kopf, Haut und innere Organe – verstanden. In Gen 41,3.4 wird mit UCTMGL das Fleisch der mageren und der fetten Kühe beschrieben. Ez 37,6 unterscheidet zwischen QXUVGC, PGWTC, UCTMGL, FGTOC und RPGWOC, die zum Leben notwendig sind: MCK FYUY GXH8 WBOCL PGWTC MCK CXPCZY GXH8 WBOCL UCTMCL MCK GXMVGPY GXH8 WBOCL FGTOC MCK FYUY RPGWOC OQW GKXL WBOCL MCK \JUGUSG. In 2Kö 6,30 wird unter UCTZ im Singular erneut der Leib verstanden. UCTZ ist also die Materie, obwohl sie schwach und vergänglich ist (Hi 6,12: OJ KXUEWL NKSYP JB KXUEWL OQW J CKB UCTMGL OQW GKXUKP ECNMGKCK); die Zunge des Königs ist das Schwert, nicht UCMTKPJ (Spr 24,22). In der Sapientia Salomonis ist der Mensch sterblich, aus Erde gemacht (IJIGPJL) und aus UCTZ gebildet. Der Aorist Passiv von INWHY, der die Kunst der Bildhauerei ausdrückt, belegt, dass UCTZ hier als Materie gesehen wird. Dies bestätigt auch die Wendung UYOC VJL UCTMQL (Sir 23,17; Spr 5,11: die beiden Begriffe raev. und rf'B' sind hier durch UCTMGL UYOCVQL wiedergegeben), die aus hellenistischer Sicht die Vorstellung voraussetzt, dass UCTZ die Materie des Leibes ist. Verwiesen sei auf einige typische hebräische Wendungen, die im Griechischen übernommen werden: Erstens der sehr häufig verwendete Ausdruck RCUC UCTZ, der zur Bezeichnung von Menschen und manchmal auch von Menschen und Tieren dient.19 Zweitens 19 Dieser Ausdruck kommt sehr häufig vor, etwa in Gen 6,12.17.19; 7,21; 8,17; 8,11. 21; Num 16,22; 18,15; Ri 2,3; Sir 1,10; 13,1; 14,17; Sir 23,21, 40,8. Sir 17,31 heißt es: UCTZ MCK CKOC.

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der Zusammenhang zwischen UCTZ und der Beschneidung. Diese wird an der UCTZ VJL CXMTQDWUVKCL vorgenommen (Gen 17,14.23.24; Jdt 14,10). Die heidnischen Völker unterscheiden sich hinsichtlich der Beschneidung und gelten als VC GSPJ CXRGTKVOJVC UCTMK (Jer 9,25; Ez 44,7). In Sir 44,20 findet man den zentralen Gedanken, dass Gott einen Bund mit Abraham in seinem Fleisch geschlossen hat (GXIGPGVQ GXP FKCSJMJ^ OGV8 CWXVQW GXP UCTMK CWXVQW GUVJUGP FKCSJMJP), was für Paulus’ Vorstellung von entscheidender Bedeutung ist. Drittens die Wendung zum Ausdruck von Verwandtschaftsbeziehungen: QXUVQWP GXM VYP QXUVGYP OQW MCK UCTZ GXM VJL UCTMQL OQW oder QXUVQWP OQW MCK UCTZ OQW (Gen 2,23; Ri 9,2; 2Sam 19,13.14, 1Chr 11,1) oder einfach UCTZ JBOYP (Gen 37,27). Abschließend lässt sich beobachten, dass die Bedeutung von UCTZ in der Septuaginta der allgemeinen griechischen Bedeutung des Wortes sehr nahe kommt. Die breite Bedeutungspalette von rf'B' wird ebenso wenig beibehalten wie die grundsätzliche Bedeutung „Lebendigkeit“. rf'B' dient nicht, wie etwa vp,n VC TBJOCVC C? GXIY NCNY WBOKP RPGWOC GXUVKP MCK \YJ GXUVKP. Bei den nicht paulinischen Texten ist die Verwendung von UCTZ im Hebräerbrief relevant. Dabei fällt auf, dass der Begriff stets im Genitiv (UCTMQL) und einmal als Adjektiv UCTMKPJ vorkommt.26 UCTZ kann die irdische Existenz bezeichnen (Hebr 2,14; Hebr 5,7 christologisch gemeint, in Hebr 10,20 ist UCTZ sogar der geopferte Leib Jesu), ebenso die alte Ordnung der jüdischen Vorschriften (FKMCKYOCVC UCTMQL 9,10; VJL UCTMQL MCSCTQVJL 9,13) oder die Väter des Glaubens (VJL UCTMQL JBOYP RCVGTCL). Bei all diesen Beispielen kommt es auf die Antithese zwischen der Dimension des Fleisches und der des Geistes an: Mit Christus beginnt eine neue Zeit, in der die alten Ritualen außer Kraft gesetzt werden. Im ersten Petrusbrief wird UCTZ als die menschliche Existenz verstanden (wie GP UCTMK DKQY 4,2), die aus biblischer Sicht schwach und hinfällig ist (RCUC UCTZ YBBL EQTVQL 1,24) und Leiden verursacht. Das christologische Schema von Tod und Leiden VJ^ UCTMK und der Belebung VY^ RPGWOCVK (4,1– 2) ist für alle Christen maßgeblich. In 1Petr 4,6 wird der Gegensatz zwischen dem Tod des Menschen und seiner zukünftigen Auferstehung durch die Dualität UCTZ – RPGWOC ausgedrückt. An einer Stelle (1Petr 2,11) ist von der UCTMKPCK GXRKSWOKCK die Rede, die nach hellenistischer Sicht – anders als bei Paulus – gegen die [WEJ kämpfen. Im 2.Petrus- und Judasbrief wird UCTZ zur Bezeichnung sexueller Sünden verwendet, während im Johannesbrief UCTZ die menschliche Natur Christi unterstreichen soll (1Joh 2,16; 4,23; 2Joh 1,7). In der Offenbarung des Johannes wird UCTZ nur im Plural verwendet (die einzige Beispiele im NT finden sich bei Jak 5,3, sonst steht UCTZ dort durchgehend im Singular). Er dient zum Ausdruck des prophetischen Urteils, das weissagt, dass der Leib der Reichen und Mächtigen von Tie-

25 Joh 3,6: VQ IGIGPPJOGPQP GXM VJL UCTMQL UCTZ GXUVKP MCK VQ IGIGPPJOGPQP GXM VQW RPGWOCVQL RPGWOC GXUVKP 26 Hebr 2,14; 5,7; 9,10; 9,13; 10,20; 12,9. UCTMKPJ Hebr 7,16.

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ren gefressen wird. Hier bezeichnet „Fleisch“ ganz konkret das Fleisch des menschlichen Leibes. 1.4 Die Definition von UCTZ bei Paulus Die unmittelbare Bedeutung von UCTZ bezieht sich bei Paulus auf das biologische Leben des Menschen, auf den ganzen Menschen in seiner Lebendigkeit. Der Terminus findet sich in Wendungen wie GXP UCTMK \JP (Gal 2,20), GXRKOGPGKP (GXP) VJ^ UCTMK (Phil 1,24) oder RGTKRCVGKP GXP UCTMK (2Kor 10,3). Zur Bezeichnung des biologischen Lebens überschneidet sich der Terminus UCTZ mit dem Begriff UYOC, wie in 2Kor 5,6–9 bei dem äquivalenten Ausdruck GXPFJOGKP GXP VY^ UYOCVK/ GXMFJOGKP GXM VY^ UYOCVK, der für „leben“ und „sterben“ steht. Dieses letzte Beispiel zeugt von einer gewissen Dynamik, von einem Leben in der Nähe zum Herrn (RTQL VQP MWTKQP), wobei die Präposition GXP hier allerdings nicht lokativ zu interpretieren ist, sondern als Bezeichnung der menschlichen Situation im natürlichen, biologischen Leben. In dieser Hinsicht umfasst UCTZ alle Menschen, und so erklären sich auch Ausdrücke wie RCUC UCTZ (Röm 3,20; Gal 2,16; 2Kor 1,29) oder UCTZ MCK CKOC (1Kor 15,50), die die gesamte Menschheit und sogar die Tierwelt bezeichnen (wie RCUC UCTZ in 1Kor 15,39). Die Universalität des Fleisches beinhaltet die biblische Konnotation des Menschen in seiner Hinfälligkeit und Schwachheit. Diese Deutung findet man in den paulinischen Briefen, und sie betrifft verschiedene Aspekte des Lebens, nicht nur die körperliche Schwachheit. UCTZ bezeichnet in dieser Hinsicht a) die „Kränklichkeit“ (2Kor 12,7 und Gal 4,13). Die umstrittene UMQNQ[ VJ^ UCTMK27 in 2Kor 12,7 bezeichnet ein nie ganz bestimmbares chronisches Leiden des Apostels. Es scheint mir allerdings nicht korrekt, aus dieser Vorstellung vom Dorn im Fleisch ein Argument für die Definition von UCTZ als „weiche Muskulatur“ zu entnehmen, wie es A. Sand versucht:28 Die Stelle ist eher metaphorisch gemeint. Zudem beinhaltet die Hinfälligkeit der UCTZ auch b) „Müdigkeit“ (2Kor 7,5); c) „Bedrängnis“ in einer Paarbeziehung (1Kor 7,28); d) „Schmutz“29 (2Kor 7,1) und e) „Verderben“. In 1Kor 5,5 ist die Rede von QNGSTQL VJL UCTMQL, womit die Zerstörung der irdischen Existenz, „das un27 Eine ausführliche Darstellung aller Hypothesen zur Definition dieser Begriffe findet man bei U. Heckel, Der Dorn im Fleisch. Die Krankheit des Paulus in 2. Kor 12,7 und Gal 4,13ff, ZNW 84 (1993) 65–92. Heckel verbindet die zwei Stellen, in denen eine Krankheit des Paulus beschrieben wird, und sieht die Lösung in chronischen Kopfschmerzen, an denen Paulus wegen der missionarischen Strapazen leidet (87). Die Verbindung der beiden Textstellen ist aber nicht sicher und die genaue Bestimmung der Krankheit beruht lediglich auf Hypothesen. 28 A. Sand, Der Begriff „Fleisch“, 130. 29 Die Authentizität dieser Stelle ist allerdings fraglich.

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entrinnbare Verderben“30 gemeint ist. Darin ist auch der Gedanke enthalten, dass Menschen, die die irdische Sphäre ad absolutum setzen, eine solche Zerstörung erfahren werden. Ausdrücklich gesagt wird dies in Gal 6,8 und 1Kor 15,50b, wo das Verderben als HSQTC bezeichnet wird. In 1Kor 15, 50b ist JBB HSQTC eine parallele Bezeichnung für UCTZ MCK CKOC. An dem letzteren Beispiel lässt sich diese Konstruktion eines Substantivs mit dem Genitiv von UCTZ (oder im Fall von 1Kor 7,5 mit dem Dativ) am besten erklären: Sie beschreibt die Qualität, die Beschaffenheit des ganzen Menschen in seiner Hinfälligkeit. Dies betrifft nicht nur die körperliche, sondern auch die geistige Sphäre, was für eine ganzheitliche Bedeutung von UCTZ spricht. In Rom 6,19 ist CXUSGPGKC VJL UCTMQL f) die „Unverständlichkeit“. Sicher ist, dass UCTZ nicht einfach das menschliche Fleisch bezeichnet, sondern den ganze Menschen einschließlich seiner mentalen Fähigkeiten, sodass Paulus auf eine menschliche Erklärung zurückgreifen muss. Auch 2Kor 7,5 bestätigt dieses ganzheitliche Verständnis von UCTZ, das auch die Innerlichkeit des Menschen einschließt: UCTZ meint den ganzen Menschen, dessen Unruhe die Summe innerer und äußerer Anfechtungen ist. Die Wendung GZYSGP OCECK GUYSGP HQDQK bietet ein Argument gegen die Interpretation von UCTZ als „äußeren Menschen“. Wie im Laufe dieses Kapitels gezeigt werden soll, führt uns UCTZ vielmehr in den Bereich der Affekte und der geistigen Funktionen des Menschen. Die „Sorge des Fleisches“ in Röm 13,14 lässt sich in diesen Zusammenhang des Emotionalen stellen. UCTZ wird hier zur Bezeichnung des Irdischen und der Aussichtslosigkeit dieser Emotionen verwendet. Die Gegenüberstellung von UCTZ und RPGWOC in 1Kor 5,5 erklärt sich dann nicht als anthropologischer Dualismus zweier Elemente im Menschen, sondern als Kontrast zwischen der sarkischen Perspektive, die zur Zerstörung führt, und der pneumatischen, die Rettung und Leben bedeutet. Anzumerken ist, dass UCTZ bei Paulus nie ausdrücklich eine stoffliche Bedeutung hat. Die Bedeutung von UCTZ als Substanz oder als Muskelteil des physischen Leibes wird an einigen Stellen vorausgesetzt, doch sie bleibt sekundär und steht in einem eher metaphorischen Zusammenhang.31 Ein wichtiges Beispiel hierfür ist 2Kor 3,3: In der Gegenüberstellung GXP RNCZKP NKSKPCKL CXNN8 GXP RNCZKP MCTFKCKL UCTMKPCKL hat das Adjektiv UCTMKPQL bereits die Bedeutung einer stofflichen Substanz. Die Kernaussage ist aber offensichtlich metaphorischer Natur: Hier beinhalten der Kontrast „steinerne Platten“ und „fleischliche Herzen“ und die weiteren Antithesen (Tinte – Geist Gottes; verborgen – offensichtlich, von allen 30 A. Lindemann, Der erste Korintherbrief, 127. 31 J.A.T. Robinson, The Body, 17, distanziert sich klar von der idealistischen Exegese: „Though UCTZ means flesh-substance, it is not thought of as the stuff out of which a UYOC is formed and such contrasted with it. Nor, again, it is to be understood as a part of the body. […] Rather, it is the whole body, or, better the whole person.“

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gelesen) keine Gegenüberstellung von Materialien, sondern von toten und lebendigen Empfängern. Der Ausdruck MCTFKC UCTMKPJ in Ez 11,19 und 36,26 meint einen für den Willen Gottes empfänglichen Verstand. Auch in 1Kor 15,39, wo verschiedene Arten von UCTZ aufgelistet werden, hat UCTZ keine spezifisch stoffliche32 Bedeutung, sondern gilt eher als Oberbegriff für die gesamte Tierwelt in ihrer Mannigfaltigkeit. Dies bestätigt auch der Gebrauch des Adjektivs UCTMKPQL, das im Griechischen eigentlich „aus Fleisch“ bedeutet. Bei Paulus wird dieses Adjektiv außer an der zitierten Stelle (2Kor 3,3) als Äquivalent von UCTMKMQL33 verwendet, ein nur bei Paulus und bei anderen christlichen Autoren vorkommender Begriff, der keinerlei stoffliche Bedeutung hat. Eine weitere Bedeutung von UCTZ neben der biologisch-natürlichen Ebene ist die eines anthropologischen Terminus für die Beschaffenheit einer Kollektivität (Familie, Volk, Klasse, Religion oder Stand). UCTZ bezeichnet dabei zugleich die Verbundenheit der Beteiligten untereinander und die äußerlich sichtbaren Merkmale, die diese begründen und Grundlage für die Kollektivität sind. Die Basis für diesen semantischen Gehalt bildet die Blutsverwandtschaft und das Bestehen einer natürlichen Zusammengehörigkeit zwischen den Menschen. Paulus wendet die Semantik der Familie auf das Volk Israel an: Abraham ist RTQRCVYT JBBOYP MCVC UCTMC (Röm 4,12), die Israeliten sind UWIIGPGKL MCVC UCTMC (Röm 9,2). In Röm 11,4 definiert Paulus mit dem Singular OQW JBB UCTZ nicht sich selbst, sondern das Volk Israel, wie die Pluralformen im folgenden Satz belegen. Damit wird die ethnische und religöse Verbundenheit des Apostels mit seinem Volk betont. In 9,5 spricht Paulus von QB &TKUVQL34 VQ MCVC UCTMC, was auf die historische Abstammung Jesu vom Volk Israel hinweist. Daraus wird die christologische Bedeutung des Wortes UCTZ als Hinweis auf die Menschlichkeit und die historische Wirklichkeit Christi erkennbar. In Röm 1,3 ist dies ebenfalls enthalten: Christus ist IGPQOGPQL GXM URGTOCVQL 'CWKF MCVC UCTMC, zugleich aber WK=QL SGQW GXP FWPCOGK MCVC RPGWOC CBIKYUWPJL. Die irdische und die göttliche Natur treffen sich in der Person Christi. Unklar ist der Bezug von MCVC UCTMC in 2Kor 5,16: Entweder wird damit auf &TKUVQL und den historischen Jesus verwiesen, oder auf das Verb IKPYUMGKP und damit auf eine Art der Erkenntnis.35 Paulus sieht auch 32 Dieser Ansicht ist etwa. E. Käsemann, Leib und Leib Christi, 103. 33 Am aussagekräftigsten sind die Beispiele in 1Kor 3,1, wo die Korinther UCTMKPQK und nicht RPGWOCVKMQK genannt werden; in 3,3 UCTMKMQK und in Röm 7,14 hingegen wird mit UCTMKPQL der sündige Mensch bezeichnet (den Paulus als UCTMKMQL bezeichnen würde). 34 E. Lohse, Der Brief an die Römer, 268, „&TKUVQL hat hier titulare Bedeutung und bezeichnet den Messias, der seiner leiblichen Abkunft entstammt.“ 35 Eine ausführliche Darstellung der möglichen Interpretationen des Verses ist bei M. Thrall, II Corinthians, 412–420, angeführt. Paulus kritisiert die Einstellung einiger Personen, die nur nach

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in der alttestamentarischen Tradition eine Relativierung der sarkischen Zugehörigkeit zum Volke Israel, und zwar durch die Unterscheidung zwischen VGMPC VJL UCTMQL und VGMPC VJL GXRCIIGNKCL (Röm 9,8). Dieselbe Unterscheidung findet sich in Gal 4,23 für die zwei Söhne von Hagar und von Sarah: QX OGP GXM VJL RCKFKUMJL MCVC UCTMC IGIGPPJVCK und QX FG GXM VJL GXNGWSGTCL FK8 GXRCIIGNKCL. Isaak ist zwar ebenfalls durch einen menschlichen Zeugungsakt geboren worden, nur ist hier der bestimmende Faktor nicht der menschliche Wille, wie im Fall Esaus, sondern die Verheißung Gottes. In dieser Reihe ebenfalls anzuführen ist der Ausdruck in 1Kor 10,18 ,UTCJN MCVC UCTMC, der Israel als historisch und kulturell bestimmbares Volk bezeichnet und nicht etwa abwertend charakterisiert, sodass man als Gegenbild ein ,UTCJN MCVC RPGWOC annehmen müsste. Ein Sonderfall dieser Bedeutung von UCTZ findet sich beim Streit über die Notwendigkeit der Beschneidung in den jüngeren paulinischen Briefen. Die zentrale Stelle ist Röm 2,28, in der die Beschneidung (JB GXP VY^ HCPGTY^ GXP UCTMK RGTKVQOJ) im Kontrast zur wahren „Beschneidung des Herzens“ steht, die nicht sichtbar ist. Obwohl hier UCTZ wörtlich die Vorhaut bezeichnet, liegt die eigentliche Aussage eher in der Möglichkeit, sich nach außen hin damit zu brüsten, als in der materiellen Handlung. Der unklare Dativ UCTMK (gegenüber RPGWOCVK) beschreibt in Gal 3,336 die Rückkehr der Galater zur Befolgung der Gesetze und zur Beschneidung, wie auch in Gal 6,12–13 betont wird. Das Gesetz und die Beschneidung gehören in gewisser Weise in den Bereich des Fleisches, bei dem die äußere Beschaffenheit, das menschliche Tun im Mittelpunkt steht und den Menschen hochmütig werden lässt. Dieselbe Bedeutung findet man in Phil 3,3: RGKSGKP GXP UCTMK meint, sich auf die religiösen und ethnischen Rahmenbedingungen zu verlassen, die durch die Beschneidung und durch das Gesetz gewährleistet werden. Auch hier spricht Paulus von der „wahren Beschneidung“ – der Ausspruch „wir sind die wahre Beschneidung“ lässt sich beinahe in der Bedeutung „das wahre Israel“ lesen –, deren Merkmale der Dienst im Geiste und das Preisen Christi sind. In den folgenden Versen spricht Paulus auch von seinen „sarkischen“ Eigenschaften, die ihm nun, im Lichte der Gnade Christi, nicht mehr von Nutzen sind. Darüber hinaus gibt es äußerlichen Gegebenheiten urteilen: „Paul is saying that he does not assess people’s worth by considering their status in society, their advantages (or the reverse) of birth, or their natural talents“ (413). Der christologische Bezug in V. 16b ist komplexer, zumal die exakte Bedeutung von GXIPYMCOGP MCVC UCTMC &TKUVQP schwierig ist. Eine reale Kenntnis des historischen Jesus ist bei Paulus unwahrscheinlich. In Frage kommt nur die hypothetische Bemerkung, die eigentlich Jesu Jünger betrifft, oder die Christologie der Gegner, die dem historischen Jesus ein äußerst starkes Charisma zuschreiben. Es scheint mir allerdings wahrscheinlicher, dass Paulus mit dieser Bemerkung irdische Beurteilungskriterien in Frage stellt und sie aufgrund des pneumatischen Christus verstärkt. 36 QW=VYL CXPQJVQK GXUVG GXPCTZCOGPQK RPGWOCVK PWP UCTMK GXRKVGNGKUSG;

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eine soziologische Auslegung dieser allgemeinen Bedeutung von UCTZ, nämlich die als Bestimmung einer Kollektivität. Ein gutes Beispiel ist 1Kor 1,26, wo MCVC UCTMC klar in soziologischer Bedeutung verwendet wird: DNGRGVG ICT VJP MNJUKP WBOYP CXFGNHQK Q=VK QWX RQNNQK UQHQK MCVC UCTMC QWX RQNNQK FWPCVQK QWX RQNNQK GWXIGPGKL. In Phlm 16 ist der Sklave Onesimus erneut als Bruder GXP UCTMK MCK GXP MWTKY^ dargestellt.37 Die soziologische Bedeutung von UCTZ lässt sich aus den paulinischen Gebrauch des Begriffs UCTMKMC in 1Kor 9,11 und Röm 15,27 ableiten: In beiden Fällen sind eindeutig die finanziellen Mittel gemeint, die im Gegensatz zu den RPGWOCVKMC stehen. Im ersten Fall geht es um die finanzielle Unterstützung des paulinischen Apostolats in Korinth, die Paulus nicht in Anspruch nehmen will, im zweiten Fall um die Kollekte, die die missionierten Gemeinden den Jerusalemern schulden. Wenn feststeht, dass mit den RPGWOCVKMC die spirituellen Güter der Verkündigung gemeint sind, so bezeichnen die UCTMKMC die finanziellen Güter und nicht die „carnalia“, eine unklare Bezeichnung, die sich in Hieronymus’ lateinischer Übersetzung findet. Das Adjektiv UCTMKMQP hat hier eine ganz andere Bedeutung als in der griechischen Verwendung, wo es mit „aus Fleisch bestehend“ wiedergegeben werden kann. UCTMKMC gilt hier nicht als stofflicher Gegensatz zu RPGWOCVKMC, sondern bezeichnet die finanziellen Mittel zum Lebensunterhalt des Menschen – die nach allgemeiner Vorstellung verdient werden müssen – im Unterschied zu den geistlichen Gütern, die umsonst in der Mission vermittelt wurden. Der Kontrast menschlich versus geistlich ist hier auf verschiedenen Ebenen angesiedelt. Dabei bezeichnet UCTZ allerdings die soziale Gruppe der Wohlhabenden und vielleicht auch die Mentalität einer höheren Gesellschaftsschicht. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass Paulus den Begriff UCTZ sowohl für das Individuum als auch für eine Kollektivität verwendet. Die individuelle Bedeutung meint den Menschen in seinem biologischen Leben, in seiner Hinfälligkeit und Schwachheit. Die kollektive Bedeutung von UCTZ ist in den Ausdrücke UCTZ MCK CKOC und RCUC UCTZ enthalten: Sie meint die Menschheit als solche, ohne wertende Konnotation. Nach paulinischem Gedanken wird damit die Universalität der Menschheit ausgedrückt. UCTZ bezeichnet die biologische Verwandtschaftsbeziehungen ebenso wie die äußere Beschaffenheit einer Gruppe. Ausführlich erörtert wird dies in der Polemik gegen die Judaisten über das Gesetz und die Beschneidung zur Kennzeichnung der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe. 37 Die soziologische Bedeutung von UCTZ spiegelt sich auch in den deuteropaulinischen Stellen Eph 6,5 und Kol 3,22, wo den Sklaven Anweisungen für ihr Verhalten gegenüber ihren MWTKQK MCVC UCTMC gegeben werden.

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1.5 Das Verhältnis der UCTZ zur Sünde Die paulinische Definition von UCTZ ist durch die zentrale Frage38 nach dem Zusammenhang dieses anthropologischen Terminus mit der Sünde zu ergänzen. Dadurch ist UCTZ negativ konnotiert. Man unterscheidet zwei Ansätze zur Begriffserklärung: Einerseits wird UCTZ selbst als negative Macht verstanden, die beinahe selbst der Sünde gleicht, die Menschen beherrscht und ihre Entscheidungen bestimmt. Anderseits wendet sich UCTZ nur dann zum Negativen, wenn der Mensch sich für eine bestimmte Option entscheidet. Doch wann in diesem Fall die negative, sündhafte Abweichung stattfindet, lässt sich nicht genau bestimmen. Die idealistische Exegese macht dieses Verhältnis am Wesen der UCTZ fest, die als „böse Materialität“ konnotiert ist. Das Grundschema folgt dem hellenistischen Dualismus – die Materie unterdrückt und dominiert den PQWL. Für C. Holsten ist UCTZ das Wesen des Menschen, das zum Bösen neigt: „Die UCTZ ist wesentlich eine UCTZ CBBOCTVKCL (Röm 8,3), und der mensch an sich als substantiell UCTZ ist seinem substantiellen wesen nach CBBOCTVKC.“39 Er betont aber, dass Fleisch nicht einfach mit Sünde gleichgesetzt werden kann. Es bleibt nur ein engerer Zusammenhang: „So ist UCTZ der naturgrund, die CBBOCTVKC aber die objektive voraussetzung aller subjektiven sünde“.40 H. Lüdemann vertritt einen alternativen Ansatz, die Vorstellung von UCTZ als nicht wesenhafter Größe, die nicht das ganze Individuum bestimmt, sondern nach dualistischem Schema nur die Materialität, die den GUY CPSTYRQL willkürlich erobert. Die Präsenz eines GUY CPSTYRQL, die das Gesetz Gottes versteht, ist für Lüdemann ein Beweis für das Vorliegen eines dualistischen Menschenbildes, das neben einer alttestamentlichen ganzheitlichen Anthropologie steht.41 Lüdemann stützt sich auf Röm 7 als 38 J.D.G. Dunn, The Theology of Paul, 62, fasst die Schwierigkeit der Interpretation dieses Begriffs in seinem Verhältnis zur Sünde folgendermaßen zusammen: „It is also the most controversial term. This is principally because of the range of usage, since it seems to span from the innocuous sense of physical material of the body to the sense of ‚flesh‘ as a force hostile to God“. 39 C. Holsten, Die bedeutung des wortes 5$4:, 403. 40 C. Holsten, Die bedeutung des wortes 5$4:, 403. 41 H. Lüdemann, Die Anthropologie des Apostels Paulus, betont an verschiedenen Stellen seiner Arbeit diese Grundthese einer Doppelvalenz der paulinischen Argumente; das Grundschema vgl. Lüdemann, 27. Lüdemann erklärt das Verhältnis von UCTZ zur Sünde als Materialität, indem er seine Position gegenüber den Thesen von B. Weiß und C. Holsten abgrenzt (77–78). Nach B. Weiß ist der Zusammenhang von Fleisch und Sünde nicht wesentlich, während er für C. Holsten entscheidend ist. Lüdemann findet einen Mittelweg, indem er von der Eroberung des PQWL durch das sündige Fleisch spricht. Die Hauptkritik Lüdemanns an Holstens Thesen ist die Unmöglichkeit einer Erlösung, wenn die UCTZ ein wesentliches Element des Menschen ist. „Ist die CBBOCTVKC der UCTZ als der ganzen menschlichen Natur, an sich wesentlich, steht und fällt mit ihr, wo bleibt für Paulus die Möglichkeit einer Erlösung des Menschen von der Sünde?“ (77). Lüdemanns Lösung ist die Emanzipation des PQWL von der Knechtschaft des Fleisches.

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Basis seiner Argumentation und des gesamten anthropologischen Systems. Die UCTZ erobert den PQWL und versklavt ihn, der PQWL empfindet bei dieser Eroberung die UCTZ „als ein zum Nicht-ich gehörendes, in ihm und an ihm fremdes, störendes, hemmendes Element“42 und schreit, um sich von ihr zu trennen. Das ist für Lüdemann der Beweis, dass UCTZ objektiv dem PQWL fremd und von ihm zu trennen ist. Die Erlösung ist nach diesem Schema eine Befreiung des GUY CPSTYRQL von der UCTZ. In diese Definition lassen sich alle Elemente einordnen, mit denen sich die Forschung bis heute befasst: der Dualismus UCTZ – RPGWOC, der religionsgeschichtliche Hintergrund, der Einfluss der alttestamentlichen rf'B', die Bedeutung des GUY CPSTYQRQL und sein Verhältnis zu UCTZ und schließlich die Interpretation von Röm 7. R. Bultmann wendet die existentiale Methode an, um das Verhältnis von UCTZ zur Sünde zu definieren: Das Fleisch wird sündhaft durch eine Entscheidung des Subjekts für die irdische Vorfindlichkeit. Die natürlichirdische Sphäre gewinnt durch die Entscheidung eine normierende Funktion, aber sie ist keine dämonische Macht an sich: „Vielmehr hat das Sündige insofern in der UCTZ seine Ursprung, als das nach der UCTZ sich richtende, durch die UCTZ normierende Verhalten ein sündiges ist“.43 Bei diesem Ansatz steht der Ausdruck MCVC UCTMC im Mittelpunkt, der eine Option des Subjekts beinhaltet. Röm 7 und Gal 5 rücken in den Hintergrund, ihre Sprache ist nicht mythologisch; sie beschreiben in rhetorischem Stil die Verwandlung der UCTZ beinahe zu einer Macht,44 die die Freiheit des Subjekts einschränkt – dies ist allerdings ein kritischer Punkt angesichts der grundsätzlichen existentiellen Handlungsfreiheit, die Bultmanns Schema vorsieht. Die einzige konsequente Darstellung von UCTZ (und RPGWOC) als Macht bietet die gnostische Hypothese von E. Käsemann, die bereits im Detail beschrieben wurde. Im Mittelpunkt dieses Ansatzes steht die Vorstellung von der Unmöglichkeit eines autonomen Handelns aufgrund des Einflusses überirdischer Mächte.45 E. Schweizer greift dieses Schema in seinem Artikel für das Theologische Wörterbuch zum Neuen Testament auf. Die Verbindung mit der Sünde ist nicht wesenhaft „die UCTZ bekommt ihren negativen Charakter dadurch, dass sie zum Gegenstand wird, den der Mensch vorzeigen, mit dem er sich rühmen kann. […] Sündig ist also nicht die UCTZ, sondern das Vertrauen auf sie“.46 Nach Schweizer ist UCTZ keine Macht, die man mit RPGWOC vergleichen kann. Die Grundlage der paulinischen Vorstellung ist das Alte Testa42 43 44 45 46

H. Lüdemann, Die Anthropologie des Apostels Paulus, 96. R. Bultmann, Theologie des Neuen Testaments, 238. R. Bultmann, Theologie des Neuen Testaments, 240. Im Zentrum steht der Ausdruck von Gal 5,17: K=PC OJ C? GXCP SGNJVG VCWVC RQKJVG. E. Schweizer, Art. UCTZ, in: ThWNT VII, 129.

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ment und nicht der Dualismus. UCTZ besitzt für Schweizer keine mythologische Eigenschaft, „sündig ist das Bauen des Menschen auf das Fleisch“.47 Wie sind nun all diese Elemente in Beziehung zu setzen? Dazu sind einige Beobachtungen notwendig: Unstrittig ist, dass UCTZ keine übermenschliche Macht sein kann. UCTZ bleibt ein anthropologischer Begriff, der sekundär auch zur Bezeichnung einer Kollektivität verwendet werden kann. Nur durch eine Art Verallgemeinerung kann er die Kollektivität einschließen, als Versuch, die Universalität der Menschheit zu repräsentieren. Grundlegend für diese Bedeutung ist die biblische Urgeschichte, in der UCTZ die irdischen Lebewesen als UCTZ umfasst. Dies geschieht aber nicht durch eine ontologische Abstraktion, sondern immer dann, wenn Gott oder Gottes Handeln mit dem Menschlichen konfrontiert wird. Dann offenbart sich der Mensch als „Fleisch“ und die Menschheit als „alles Fleisch“. Dies gilt auch für die Rechtfertigungslehre in Gal 2,16, die ebenfalls die Menschheit in den Mittelpunkt rückt: Q=VK GXZ GTIYP PQOQW QWX FKMCKYSJUGVCK RCUC UCTZ. UCTZ umfasst einen Zustand und zugleich ein Verhalten, ein Denken und ein Wollen. Der Ausdruck MCVC UCTMC wird von einigen Autoren verwendet, um die ethische Definition von UCTZ zu betonen, die freie Wahl des Subjekts, sich nach der irdischen Perspektive zu richten. Das setzt die Autonomie des Subjekts voraus, die aber aus biblischer Sicht unwahrscheinlich ist, worauf bereits in der Diskussion über UYOC hingewiesen wurde. Der Sinn des Ausdrucks MCVC UCTMC liegt hier nicht wie nach existentiellem Verständnis in der Option des handelnden Subjekts, sondern in der notwendigen Konsequenz des UCTZ-Seins des Menschen, in seiner konkreten Repräsentation in Denken und Handeln. Jeder Mensch wird durch seinen irdischen Zustand bestimmt. Die grammatikalische Differenzierung der zwei Präpositionen GXP und MCVC kann in diesem Fall durch eine Stelle in Plutarchs Werk De fato erläutert werden: Bei der Bestimmung des Schicksals unterscheidet Plutarch die Ausdrücke GXP VJ^ GKBBOCTOGPJ^ und MCS8 GKBBOCTOGPJP. Alles ist Schicksal, aber nur einige Dinge geschehen gerade nach dem Schicksal. Er erklärt diesen Gedanken am Beispiel des Gesetzes:48 Was vom Gesetz vorgesehen ist, muss nicht unbedingt nach dem Gesetz, das heißt gesetzlich sein. In Plutarchs Unterscheidung ist auch die Parallele der Formen PQOKOC und VC MCVC PQOQP sowie GKBBOCTOGPC und VC MCS8 GKBBOCTOGPJP interessant. Paulus verwendet zudem das Adjektiv UCTMKMQK als Synonym für den Menschen 47 E. Schweizer, Art. UCTZ, ThWNT VII, 132. 48 Plu. Mor. (De fato), 570c, VQ MCS8 GKBBOCTOGPJP QWXE C=RCPVC CXNN8 CWXVQ OQPQP VQ GBBRQOGPQP CWXVJ^ UJOCKPGK QWX RCP VC TBBJVGQP MCS8 GKBBOCTOGPJP QWXFg GKX MCXP GKBBOCTOGPJ^ RCPVC 1WXFG ICT PQOKOC QWXFG MCVC PQOQP RCPS8 QBBRQUC RGTKGKNJHGP QBB PQOQL Ich folge hier Harni, J. (Hg.), Plutarch, Paris 1980, 23, die logischere Deutung wäre MCXP GKBBOCTOGPJ^ und nicht die Variante MCS8 GKBBOCTOGPJP (für diese Variante vgl. Sieveking, W. (Hg.), Plutarchi Moralia, Bd 3, Leipzig 1929, 452).

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MCVC UCTMC.49 Ebenfalls wichtig erscheinen mir die Grundbedeutungen von GKBBOCTOGPJ als GXPGTIGKC und QWXUKC am Anfang des Werkes, die die Basis der Unterscheidung zwischen GXP GKBBOCTOGPJ^ und MCS8 GKBBOCTOGPJP bilden. Nach der Logik dieser Kategorien (und nicht der Inhalte) hat auch UCTZ bei Paulus eine wesenhafte Dimension und ist ebenfalls eine aktive Kraft. GXP UCTMK50 beschreibt bei Paulus gleichzeitig das biologische Leben und die Perspektive des ausschließlich Menschlichen und des Irdischen, die sich im Denken und Handeln aller Menschen widerspiegelt. In Röm 7,5; 8,8.9 ist GXP UCTMK praktisch der Zustand des sündigen Menschen – der Begriff wird synonym zu MCVC UCTMC verwendet. Nur aus christlicher Perspektive gibt es die Unterscheidung zwischen einem Sein oder Zustand „im Fleisch“ und einem Verhalten und Denken „nach dem Fleisch“. 2Kor 10,3 macht einen grundlegenden Unterschied zwischen dem Leben GXP UCTMK, das allen Menschen zueigen ist, und dem Wandeln MCVC UCTMC, das für die Christen ausgeschlossen ist. Für die Christen hat UCTZ nur eine wesenhafte Bedeutung, fungiert aber nicht mehr, wie bei den von der Natur bestimmten Menschen, als Energie, die das Verhalten konditioniert. Die sündige Dimension der UCTZ kommt da zum Tragen, wo sie als aktive Kraft wirkt. Dies zeigt die besondere Bedeutung von UCTZ bei Paulus als aktive Energie, die das Verhalten des Menschen nach irdischen Maßstäben bestimmt. UCTZ ist im Gegensatz zu UYOC der aktiv wirkende und planende Mensch, der dies aber aus einer rein weltlichen Perspektive tut. Diesen aktiven Charakter von UCTZ bei Paulus hat schon H. Lüdemann erkannt, der von „sündiger Energie“51 spricht. Problematisch ist bei Lüdemanns Hypothese das religionsgeschichtliche Schema: Nach Lüdemann entspringt die paulinische Vorstellung von UCTZ aus dem Zusammenspiel von UCTZ als dem ganzen Menschen vor Gott und dem hellenistischen Dualismus.52 Die wirkende Funktion der UCTZ ist 49 In 1Kor 3,1–3 werden die Ausdrücke UCTMKPQK, UCTMKMQK und MCVC CPSTYRQP RGTKRCVGKP synonym verwendet. -CVC UCTMC bedeutet für Paulus allein aus der Perspektive des Menschen zu denken und zu handeln. 50 Unzutreffend scheint mir E. Käsemanns Beobachtung, Leib und Leib Christi, 103, nach der GXP UCTMK eine räumliche Bedeutung hat, sodass man bei UCTZ auch „ein außerhalb des einzelnen Menschen“ denkbar ist. 51 H. Lüdemann, Die Anthropologie des Apostels Paulus, 74, spricht vom Zusammenspiel zweier Vorstellungen: der alttestamentlichen Idee vom Fleisch als „leidentlicher Schwäche“ und die hellenistische Idee einer „sündigen Energie“. Später (Lüdemann, 77) weist er auf die Entdeckung dieses Elements der paulinischen Vorstellung hin: „Erst nach Erkenntnis jener Lebensenergie des sarkischen Prinzips, welche demselben Machtäusserungen gegenüber den unselbständigen Wesen des Menschen gestattet, fanden wir uns ermächtigt, ihren Begriff mit dem des Menschen für einen Augenblick zusammenfallen zu lassen, so dass beide sich thatsächlich, nicht aber begrifflich, decken.“ 52 H. Lüdemann, Die Anthropologie des Apostels Paulus, 27 unterscheidet zwei Modelle: das biblische Modell, das auf dem Gegensatz zwischen Unendlichem und Endlichem beruht, und das hellenistische Modell eines Dualismus zwischen Geist und Materie. Aber wenn UCTZ als

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nach Lüdemann ein Merkmal der hellenistischen Anthropologie. An diesem Punkt scheint mir Lüdemanns These an ihre Grenzen zu stoßen, denn UCTZ ist vielmehr als Materie in der hellenistischen Vorstellung eher passiv und kann niemals aktiv sein. Die aktive Funktion kann nur aus der Perspektive des alttestamentlichen Fleisches als des vom Geist belebten Fleisches hergeleitet werden. Die Antwort auf die Frage nach dem Verhältnis von UCTZ und Sünde scheinen mir Röm 7 und Gal 5 zu geben, die aus diesem Grund im Folgenden näher beleuchtet werden sollen. Der Ausdruck MCVC UCTMC führt hier meines Erachtens nicht weiter. 1.6 Der Dualismus UCTZ und RPGWOC Charakteristisch für den Gebrauch von UCTZ bei Paulus ist der Dualismus zwischen UCTZ und RPGWOC. Wie dieser Dualismus religionsgeschichtlich zu erklären ist, ist eine häufig gestellte Frage in der Forschung, deren Lösung wichtig für das Verhältnis von UCTZ zur Sünde ist. Handelt es sich um einen Kontrast zweier entgegengesetzer Mächte, die sich gegenseitig bekämpfen, wie in der gnostischen Auslegung von E. Käsemann, oder um eine ethische Typisierung des hellenistischen Dualismus Geist – Materie, wie in der idealistischen Exegese? Eine strukturierte Hypothese wird von E. Brandeburger vertreten, der die paulinischen Thesen aus der Weisheitstheologie Philos von Alexandrien ableitet. Die Weisheitstheologie sieht als Hauptziel des Menschen das Leben nach der göttlichen Weisheit, zu dem er durch die Inspiration des Geistes Gottes befähigt wird. UCTZ ist dabei ein Hindernis, das die Menschen zur Sinnlichkeit anstatt zu Gott und seiner Weisheit führt. Der Gegensatz besteht damit in der natürlichen Beschaffenheit des Menschen als UCTZ einerseits und der göttlichen UQHKC andererseits. Der Geist spielt eine indirekte Rolle als Ursprung der Weisheit des Menschen, die diesem durch eine ekstatische Erfahrung vermittelt wird.53 In De gigantibus, 29 ist UCTZ als Ursache der Unkenntnis (CXPGRKUVJOQUWPJ) das Prinzip, das der Weisheit entgegenwirkt. Ziel ist die Kontemplation der göttlichen Herrlichkeit durch fleischlose und leiblose Seelen. Diese dualistische Perspektive der Weisheitstheologie spiegelt sich in der Anthropologie Philos wider, bei der der wahre Mensch als „pneumageprägt“ gilt und durch die Entfremdung vom sarkischen Leib stirbt. UCTZ wird also als Last betrachtet, als eine Art Sklaverei (FQWNGKC), auf die sich die Herrschaft der Affekte gründet.54 Berührungspunksündige Energie aufgefasst wird, kann es nicht eine Qualität der Materie sein, die aus hellenistischer Sicht inaktiv ist. 53 Philo unterscheidet drei Arten von Ekstase, deren höchste Form die prophetische Erfahrung ist, vgl. Philo Her. 249. 54 Philo Her. 272. Vgl. E. Brandenburger, Fleisch und Geist, 155.

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te zwischen Philo und Paulus finden sich nach E. Brandenburger in 1Kor 2,6–8, wo Paulus von Weisheit, Pneuma, Vollkommenheit und zwei Klassen von Menschen spricht ([WEKMQL – RPGWOCVKMQL):55 All diese Elemente belegen nach Brandenburger, dass sich bei Paulus Aspekte der Weisheitstheologie nachweisen lassen. Auch Paulus spricht von einer ekstatischen Erfahrung (2Kor 12), in Bezug auf die Inspiration meint er aber das RPGWOC Christi. Der Gegensatz zwischen RPGWOC und UCTZ in Röm 7 und 8, die negative Bewertung der UCTZ durch die Verben der Gefangenschaft und Knechtschaft sowie das FQWNGKC-Motiv in Phil 2,6ff für die Inkarnation sind weitere Indizien für den Einfluss der Weisheitstheologie auf Paulus. In 2Kor 5,1–3 wird „das irdisch-fleischliche Sein […] als etwas Beschwerendes und Bedrückendes betrachtet“.56 Trotz einiger Ähnlichkeiten sind aber erhebliche Unterschiede festzustellen, die Brandenburgers Hypothese in Frage stellen: Bei Philo ist UCTZ immer mit Materialität verbunden und ist nie wie bei Paulus ein aktives Prinzip. Die Materie gilt immer als passiv. UCTZ ist daher bei Philo das Terrain, auf dem die Affekte gedeihen,57 bei Paulus hingegen die Kraft, durch die sie entstehen. Dies räumt auch E. Brandenburger selbst ein: „in solcher Antithetik ist bei Paulus mit UCTZ das Moment des aktiven Bösen, des Sündigen gegeben“.58 Für Philo ist [WEJ die leiblose Seele, die als dualistischer Gegenpol des Leibes fungiert, während für Paulus die [WEJ die Lebendigkeit des Menschen ist und keineswegs ein höheres, göttliches Prinzip. In 1Kor 15, ist [WEKMQP ein Adjektiv des Leibes, was bei Philo undenkbar wäre. Der Zustand der Nacktheit, 2Kor 5,1–3, der bei Paulus vielleicht auch als Nacktheit der Seele vom Leib interpretiert werden könnte, ist für diesen kein erwünschter Zustand, sondern meint in der Perspektive der Auferstehung erneut eine höhere Leiblichkeit. Philo verwendet UYOC und UCTZ praktisch synonym, entsprechend dem Gebrauch in der hellenistischen Literatur, während für Paulus – wie diese Untersuchung zeigt – zwischen den beiden Begriffen ein Unterschied besteht. Diese Differenzierung darf bei der Interpretation von Paulus nicht vernachlässt werden. Die Frage ist nur, wie sie zu verstehen ist.59 55

Auch bei Philo führt die Weisheitstheologie zu zwei Menschenklassen, vgl. Philo Gig. 60;

65. 56 E. Brandenburger, Geist und Fleisch, 177. 57 E. Brandenburger,Geist und Fleisch, 118, betont die inaktive Rolle beider Termini im Gegensatz zum Geist: „Sarx und Soma sind dabei schon als Sitz und Ursprung der Leidenschaften verstanden, doch nicht als feindlich agierende Potenzen, das Belasten und Täuschen des Geistes durch Soma und Sarx ist mehr passiv gedacht.“ 58 E. Brandenburger, Geist und Fleisch, 44. 59 C. Holsten, Die bedeutung des wortes 5$4:, 375, „UCTZ ist die irdisch materielle, lebendige substanz des tierischen organismus“. Die Differenzierung von UYOC wird in 376–377 behan-

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Diese Beobachtungen zeigen, dass der Dualismus UCTZ – RPGWOC auf die Antithesen endlich – unendlich und Gott – Mensch zurückgeführt werden kann. RPGWOC ist keine unkörperliche Substanz, die sich von der Materie unterscheidet, sondern sie ist der agierende Gott selbst. Auf diese Weise gewinnt UCTZ den Stellenwert eines anthropologischen Terminus, ohne dabei die Bedeutung einer außermenschlichen Macht zu erlangen, und zugleich erhält es die Bedeutung eines aktiven Prinzips. Analyse von Röm 7,7–25

2. Analyse von Röm 7,7–25 2.1 Einleitung Römer 7 ist eine der umstrittensten Stellen im Neuen Testament: Hier werden die unterschiedlichsten Thesen zur Definition der Elemente im Text aufgestellt, so etwa, ob das „Ich“ im Text biographischen Charakter hat, in welcher Beziehung Röm 7 und 8 zueinander stehen und ob hier die Situation des erlösten oder des unerlösten Menschen angesprochen ist.60 In dieser Untersuchung, die den anthropologischen Aspekt in den Mittelpunkt stellt, soll vor allem der hier verwendete Begriff UCTZ erläutert werden, um so den Text als Ganzes aus einer neuen Perspektive zu betrachten. Obwohl das Wort UCTZ in Röm 7 und 8 eine zentrale Rolle spielt, wurde es in den neueren Arbeiten kaum als Ausgangspunkt für eine Analyse verwendet. Dies ist teilweise verständlich, da der Begriff UCTZ als solcher viele Fragen aufwirft. Um einen solchen Ansatz zu finden, muss man zu den Arbeiten von Holsten und Lüdemann zurückgehen. Die aktuelle Exegese dieser Textstelle begnügt sich mit einzelnen Aspekten des Textes, ohne daraus das Gesamtbild der paulinischen Anthropologie zu rekonstruieren. Die zentrale Frage dieser Analyse ist die Definition von UCTZ und dessen Verhältnis zur Sünde, die Frage danach, wie sich dies begrifflich fassen lässt. Die Basis dieser Untersuchung scheint mir die paulinische Vorstellung von UCTZ als Ausdruck des belebten und somit aktiven Menschen zu sein, also kurz des beseelten Menschen, der nicht wie nach hellenistischem Verständnis bloße Körpersubstanz ist. UCTZ ist daher ein ganzheitlicher Begriff, der im Gegensatz zu UYOC den aktiven Menschen bezeichnet, der denken, handeln und wollen kann. UCTZ ist damit der anthropologische Terminus, der das Aktiv-Sein des ganzen Menschen, aber auch die Richtung dieser Aktivität, die notwendige delt. Dieses Schema wird von H. Lüdemann, Die Anthropologie des Apostels Paulus, 7, übernommen. „Danach scheint es richtig, bei Paulus, in der Weise der späteren Griechen UCTZ einfach gleich Körper zu nehmen. Es ist vielmehr nur der Stoff des Körpers.“ 60 Eine Darstellung der Hauptentwürfe von Röm 7 in der gesamten Geschichte der Exegese ist bei H. Lichterberger, Das Ich Adams, 17–105, zu finden.

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Ausrichtung auf rein irdische Ziele, beinhaltet. Als aktives Prinzip schafft die UCTZ einige GTIC, die in Gal 5,19 als VC GTIC VJL UCTMQL61 bezeichnet werden. Im Folgenden soll gezeigt werden, wie Paulus diese Aktivität der UCTZ mithilfe von Elementen der antiken Affektenlehre darstellt. Auf der Basis der Affektenlehre ist es m.E. möglich, den Begriff nach paulinischer Auffassung als anthropologischen Terminus zu definieren und eben nicht als inaktive Fleischmaterie oder als übermenschliche Macht, die das Verhalten des Menschen bestimmt. UCTZ als Bezeichnung für den gesamten Menschen erhält so den Charakter eines Gegenpols zum Gesetz, da es jeglichen Versuch konstruktiven Verhaltens unmöglich macht. Der ganze Mensch als UCTZ ist letztendlich seiner radikalen Destruktivität ausgeliefert, die gegen die eigene Person, gegen andere Menschen und gegen Gott gerichtet ist. Röm 7 ist die erste Textstelle, die hier untersucht werden soll, da darin die Destruktivität im Einzelnen erläutert wird, anschließend folgt Gal 5,14–31, wo eher die Destruktivität in der Gemeinschaft thematisiert wird. Diese beiden Texte weisen zahlreiche Parallelen auf, sodass eine synoptische Lektüre möglich wäre. Um ein Gesamtbild von Paulus’ Vorstellung von den Affekten zu gewinnen, ist es notwendig, neben Röm 7 auch den Text von Gal 5 zu analysieren. 2.2 Der Kontext Röm 7,1–8,17 steht in einem Zusammenhang, in dem die Folgen des neuen Lebens in Christus dargestellt werden. Der vorangehende Hauptteil, der mit 3,21 beginnt, thematisiert mithilfe der beiden Figuren Abraham und Adam die Universalität der Sünde und das Neue der Gerechtigkeit in Christus. Es erscheint mir logischer,62 die Zäsur dieses Hauptteils bei 5,21 anzusetzen und nicht schon bei 4,25. Die Gerechtigkeit in Christus in 3,21 und 5,21 und die Universalität der Sünde in 3,23 und 5,18 sind die Anfangs- und Endpunkte einer literarischen inclusio. Ein weiterer Grund für den Zusammenschluss der Kapitel 6–8 ist die interne Dynamik, die zu einem neuen Leben und zur Überwindung von Sün61 Der Genitiv ist als genitivus subiectivus zu verstehen. Der Katalog der Laster erklärt diese aktive Kraft der UCTZ. Die noch im Galaterbrief vorkommende Wendung GTIC PQOQW (Gal 3,2; 3,5; 3,10) hat hier allerdings instrumentale Bedeutung, obwohl das Gesetz nicht als bloßes Mittel zum Zweck betrachtet werden kann, sondern als intersubjektive Kraft, die Wille und Handeln des Menschen bestimmt. UCTZ hingegen spiegelt die subjektive Sichtweise wider. 62 Hinsichtlich der Aufteilung dieses Hauptteils gehen die Meinungen auseinander: Bei Röm 5–8 sehen den Hauptteil O. Hofius, der Mensch im Schatten Adams, 105–106, E. Käsemann, An die Römer, 170ff sowie O. Michel, Der Brief an die Römer, 112. Dagegen umfasst der Hauptteil nach Ansicht folgender Autoren Röm 6–8: P. Stuhlmacher, Der Brief an die Römer, 83; G. Theißen/P. von Gemünden, Metaphorischen Logik, 114.

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de, Gesetz und Tod führt. Dies lässt sich anhand der in diesem Teil verwendeten Metaphorik erkennen. Die in Röm 6–8 vorliegende Oikos-Metaphorik beinhaltet eine Steigerung, beginnend bei einem Sklaven (6,16f), der einen Herrschaftswechsel erlebt. Darauf folgt als zweite Metapher die Situation einer Frau, die durch den Tod ihres Mannes vor dem Gesetz von der ehelichen Bindung frei wird (7,1–4). Die dritte Metapher ist die eines adoptierten Sohnes (8,15–16), der Gott als Vater anspricht.63 Die emanzipative Steigerung vom Sklaven zum Sohn ändert aber nichts an der Grundstruktur des Menschen, die eine Kostante bleibt: Der Mensch ist ein Wesen, das immer von einer Macht abhängig ist und die Befreiung als Herrschaftswechsel erfährt. Als UYOC erfährt er seine Abhängigkeit von Menschen und Mächten. Dementsprechend bedeutet das neue Leben für ihn die Überwindung der destruktiven Macht des Todes. Diese Befreiung kann nur dann stattfinden, wenn man den äußersten Grad der Zerstörung erreicht, im Sinne von Röm 6,7: QBB ICT CXRQSCPYP FGFKMCKYVCK CXRQ VJL CBOCTVKCL. Aber das neue Leben ist eine Partizipation der Christen am stellvertretenden Tod Christi und an der Auferstehung, die das neue Leben schafft. Aufgrund dieses Todes bedeutet das neue Leben die Überwindung VQ UYOC VJL CBOCTVKCL:64 Nicht nun der Tod des Leibes wird überwunden, sondern zugleich die Abhängigkeit und der Dienst an der Sünde. Die in diatribischem Stil gebildeten Fragen dienen zusammen mit den Metaphern als Mittel zur Gliederung des Textes: VK-Frage Verneinung 6,1 VK QWP GXTQWOGP; 6,3 OJ IGPQKVQ 6,15 VK QWP OJ IGPQKVQ

7,7 VK QWP GXTQWOGP; OJ IGPQKVQ 7,13 (VQ QWP CXICSQP OJ IGPQKVQ GXOQK GXIGPGVQ SCPCVQL;)

Erkenntnismerkmal J CXIPQGKVG Q=VK QWXM QKFCVG Q=VK 7,1 J CXIPQGKVG Q=VK

7,14 QKFCOGP ICT Q=VK

Inhalt Taufhandlung Sklaven-metaphorik Ehefrauenmetaphorik (7,1–4) Ich-Rede Erzählung Mensch als UCTZ

Diese stilistischen Merkmale machen die Struktur von Röm 7,7–25 aus. Die rhetorische Frage in 7,7 signalisiert ein neues Diskussionsthema, das Verhältnis zwischen Gesetz und Sünde. In dem Schema fehlt nach der rhetorischen Frage ein konkreter Hinweis auf die Erfahrung der Leser. An dessen Stelle steht eine Rede in der ersten Person, mit der Paulus nicht mehr an die 63 Die These dieser metaphorischen Steigerung ist von G. Theißen/P.v. Gemünden aufgestellt worden, Metaphorische Logik, 122–124, auch in G. Theißen, Psychologische Aspekte, 183. 64 Hier scheint der Genitiv wiederum eine possessive, determinierende Bedeutung zu haben: VQ UYOC VJL CBOCTVKCL meint den Menschen, der als Sklave seinen Dienst an der Sünde leistet.

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Erfahrungen seiner Leser appellieren kann. In 7,14 werden die Leser erneut angesprochen, und zwar mit dem Ausdruck QKFCOGP Q=VK, der auf eine rhetorische Frage in 7,13 folgt, die das VK impliziert. 2.3 Syntaktische Struktur und Gliederung Das erste Merkmal für die Gliederung des Textes ist der Gebrauch der Tempora. In V. 7b–13 wird das Präteritum im Stil der Erzählform verwendet; 14– 25 stehen im Präsens und 24 und 25a sogar im Futur. Dieser Aspekt wird durch die rhetorischen Fragen bestätigt. Allerdings ist der V. 13 trotz des Gebrauchs des Aorist (GXIGPGVQ 13a und HCPJ 13b), der hier keine erzählende Funktion hat, nicht als Schluss des ersten Teils65 zu betrachten. Wie bereits anhand des Schemas gezeigt wurde, hat die rhetorische Frage in diesem Kontext eine einleitende und keine abschließende Funktion. Syntaktisch nämlich dient die Konjunktion Y=UVG dazu, das Ende der Argumentation zu signalisieren, und auch inhaltlich ist 7,12 eine abschließende Antwort auf die Frage von 7,7: Das Gesetz ist keine Sünde, es ist heilig und gut. Aus diesem Grund lassen sich zwei Teile unterscheiden: 1) In 7,7–12 wird das Thema des Verhältnisses zwischen Gesetz und Sünde behandelt, im Anschluss an die provozierende Frage, ob das Gesetz sündhaft sei. 2) 7,13–25 behandelt das Verhältnis zwischen Gesetz und Tod unter der Fragestellung, ob das Gute (d.h. das Gesetz) zum Tode führt. Beide einleitenden Fragen werden mit der Wendung OJ IGPQKVQ verneint, sie geben aber gleichzeitig Anlass zu einer ausführlichen Erörterung. Im Mittelpunkt von 7–12 stehen die Genesis, der Fall Adams und die Umkehr des Gebotes, das anstatt zum Leben zum Tode führt. Dies wird in der ersten Person und im Präteritum wiedergegeben. V. 13 hat gleichzeitig die Funktion, den vorangehenden Vers zusammenzufassen und den nächsten Abschnitt einzuleiten. Für eine einleitende Funktion spricht der Kontext mit den verschiedenen rhetorischen Fragen. 13–25 leitet ein weiteres Element der Diskussion ein: die anthropologische Wirklichkeit der UCTZ, die von der CBBOCTVKC dominiert wird und daher das Gesetz unerfüllt lässt. Der zweite Teil kann in drei Abschnitte untergliedert werden: a) 14–20: über die Diastase von Erkennen und Tun, b) 21–23 über die Wirklichkeit zweier entgegengesetzer Gesetze. Das Gesetz Gottes wird nur erkannt, aber 65 So die Auffassung der meisten Exegeten: O. Hofius, Der Mensch im Schatten Adams, 123, schließt den Vers an 7–12 an. Er gliedert den Text in zwei Teile: 7–13 und 14–25; G. Theißen, Psychologische Aspekte, 189–191; E. Käsemann, An die Römer, 182–183; E. Lohse, Der Brief an die Römer, 211 […]. Nur wenige Exegeten sehen den V. 13 als Anfang eines neuen Teils: O. Michel, Der Brief an die Römer, 223; U. Wilkens, Der Brief an die Römer, 74 und J. Lambrecht, The Line of Thought in Roman 7,15–20, 395 „Within the pericope 7,7–25 the caesura falls between verse 12 and vers 13.“

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nicht erfüllt. In 14–20 sind V. 14–17 und V. 18–20 parallel konstruiert und werden durch QKFCOGP (V. 14) und QKFC (V. 18) eingeleitet. In 21–23 bilden die Verben GWBBTKUMY und DNGRY eine Steigerung zur Erkenntnis zweier Gesetze im Menschen. Die Versklavung durch die Sünde, die in V. 14 mit dem Ausdruck RGRTCOGPQL WBBRQ VJP CBBOCTVKCP beschrieben wird, wird in V. 23 durch die Kriegsmetaphorik erläutert. Der Mensch gleicht einem Kriegsgefangenen, der zum Sklaven wird. c) 24–25 enthält den Höhepunkt der Tragik und die Erlösung, was den folgenden Teil einleitet. V. 25b ist m.E. keine Glosse, sondern beschreibt die dauerhafte Situation des Menschen, auch die des Christen, der schließlich „im Fleisch“ lebt und daher in einer destruktiven Situation, von der er erlöst wird und in die er wieder zurückfallen kann. 2.4 Die Frage des Gesetzes Die Diskussion über das Gesetz bildet den Rahmen dieses Kapitels.66 Grundthese in Röm 8,2 ist das Postulat der Unmöglichkeit, den Menschen allein durch das Gesetz zu Gerechtigkeit und konstruktivem Handeln zu bewegen. Behandelt wird die Funktion des Gesetzes sowie die Frage, inwieweit dieses für Konstruktivität im menschlichen Leben sorgen kann. Der Unterschied zur Argumentation im Galater- und im Philipperbrief, in denen eine scharfe Polemik gegen die judaistischen Gegner und deren Propaganda für die Beschneidung überwiegt, ist offensichtlich. Im Römerbrief scheint sich Paulus gar nicht mehr gegen die Judaisten zu wenden. Im Vergleich zu Gal 3,1–10 spielen hier die alttestamentlichen und jüdischen Argumente zur Natur des Gesetzes67 kaum eine Rolle. Die Diskussion scheint sich eher auf einer allgemeinen ethischen und anthropologischen Ebene zu bewegen, ja es hat sogar den Anschein, als wolle Paulus den Vorwurf zurückweisen, eine antinomistische Vorstellung vertreten zu haben.68 Aus diesem Grund wird der Text auch als „Apologie des Gesetzes“ verstanden69 – wobei es 66 U. Wilkens, Der Brief an die Römer, 75, bemerkt zu Recht zu Röm 7,7–25: „Das Thema auch dieses zweiten Absatzes bleibt nach wie vor das Gesetz, was nicht selten übersehen oder bestritten wird.“ 67 J. Lambrecht, Gesetzesverständnis nach Paulus, 112–124, zeigt in der Analyse von Gal 3,1–14, dass die alttestamentlichen Zeugnisse von zentraler Bedeutung für die Argumentation sind, und dass insbesondere die Gabe des Gesetzes durch die Engel und nicht direkt durch Gott und das spätere Auftreten des Gesetzes in diesem Zusammenhang in der Tat keine Rolle mehr spielen. Paulus betont hingegen in Röm 7,12: Y=UVG QB OGP PQOQL C=IKQL MCK JB GXPVQNJ CBIKC MCK FKMCKC MCK CXICSJ, was sich direkt auf das Adamgeschehen bezieht. 68 P. Stuhlmacher, Der Brief an die Römer, 83 und 94: Hier antwortet Paulus auf die Kritik der judenchristlichen Gegenmissionare, die das paulinische Evangelium als antinomistisch brandmarken. 69 W.G. Kümmel, Römer 7, 9: „Wir haben es also in 7,7ff. offenbar mit einer ‚Apologie des Gesetzes‘ zu tun“. Dazu E. Käsemann, An die Römer, 182 sowie R. Bultmann, Römer 7 und die Anthropologie des Paulus, 35.

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sich wohl eher um eine Apologie seines Evangeliums handelt: Das Gesetz ist gut und heilig, das Problem liegt beim Menschen, der es als UCTMKPQL nicht einhalten und zu seinem eigenen Nutzen anwenden kann. Das Gewicht verlagert sich so von einer Diskussion über die Natur des Gesetzes auf eine anthropologische Ebene; eine Entwicklung im paulinischen Gesetzesverständnis im Vergleich zu seinen früheren Schriften scheint mir allerdings nicht gegeben zu sein.70 Diese anthropologische Perspektive führt zu einer Verallgemeinerung der Thematik, die durch drei Elemente signalisiert wird: 1) das Vorkommen allgemeiner Termini, die auch für heidnische Adressaten verständlich sind, wie CXICSQP und MCMQP 2) die spezielle, objektlose Formulierung des Gebots QWXM GXRKSWOJUGKL, die den Akzent vom Objekt der Begierde auf das Begehren selbst verlagert 3) die semantische Konnotation des Wortes PQOQL, das hier eher als Oberbegriff denn als eindeutige Bezeichnung für die Torah verwendet wird. Bereits in Röm 2,20 verbindet Paulus in der Wendung GXTIC\QOGPY^ VQ CXICSQP die pagane Ethik mit der jüdischen Gesetzestreue. Hintergrund ist die allgemeine Lage der Menschheit, bei der diejenigen, die das Gesetz kennen, nicht im Vorteil sind, wie dies in Röm 2,1–3,20 der Fall ist. Die Antithese CXICSQP – MCMQP lässt sich sowohl auf den jüdischen als auch auf den hellenistischen ethischen Diskurs anwenden. Eine Ableitung dieser Begriffe aus der jüdischen Tradition von Dtn 30,15–30, nach der die Entscheidung für das Gute (gemeint ist die Erfüllung des Gesetzes) notwendigerweise Leben schafft, wohingegen das Böse zerstörerische Folgen hat, ist nicht nachweisbar.71 Die paulinische Argumentation löst den gerade in den deuteronomistischen Texten notwendigen Zusammenhang zwischen Gesetzeserfüllung und Leben auf. Das Gesetz führt nach Röm 7 ganz im Gegenteil zum Tode.72 Die allgemeine Formulierung in Röm 7,7 QWXM GXRKSWOJUGKL lässt ebenfalls auf eine Verallgemeinerung des Gesetzesthemas schließen. Grundlage ist 70 Die komplexe Diskussion über das Gesetzesverständnis bei Paulus kann hier nur flüchtig erwähnt werden. Gerade das Thema des Gesetzes ist in der heutigen Forschung sehr umstritten. Wie P. Stuhlmacher, Biblische Theologie des NT, 253, betont, ist die Komplexität des Themas das Ergebnis „der Vielschichtigkeit der von Paulus übernommenen und von ihm verarbeiteten alttestamentlich-jüdischen, jesuanischen und urchristlichen Gesetzestraditionen“, die oft im Text zusammenspielen. Zudem ist Paulus mit der Thematik besonders vertraut: Die Konfrontation mit den judenchristlichen Missionaren hat seine Position deutlich verschärft, was besonders in den Briefen an die Galater und an die Philipper deutlich wird. 71 U. Luck, Das Gute und das Böse in Römer 7,22, 5, betont die jüdische Tradition dieser Begriffe aus Dtn 30,15–30; Am 5,14 und Mi 6,8 und wendet sich gegen die Hypothese, sie seien aus der hellenistischen Populärphilosophie übernommen. Meiner Ansicht nach liegt die Besonderheit dieser Begriffe jedoch gerade in ihrer Anwendbarkeit auf eine jüdische und pagane Ethik, und hierin besteht auch das eigentliche Anliegen des Textes. 72 O. Michel, Der Brief an die Römer, 147, Anm. 6: Paulus widerspricht der rabbinischen Auffassung, dass die Thora als gottgegebenes Mittel gegen den „bösen Trieb“ dient: Dieser wird ganz im Gegenteil durch das Gesetz erst erweckt.

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auch hier vermutlich das 10. Gebot, das aber ohne Objekt eine andere Bedeutung erhält. Das eigentliche Gebot bezieht sich auf das Verhältnis des jüdischen Mannes zu seinem Nächsten und den Dingen, die ihm gehören. Die paulinische Wiedergabe ohne Objekt konzentriert sich eher auf das Begehren an sich. Es ist umstritten, warum Paulus für das ganze Gesetz die absolute Form dieses Gebots benutzt. Ziesler sieht in diesem Beispiel „a faulty paradigm“ in der paulinischen Argumentation und einen Beweis dafür, dass Paulus in Röm 7 nicht besonders klar argumentiert.73 Das Verhältnis des Gebotes zum gesamten Gesetz wird oft durch die besondere Rolle erklärt, die das Begehren als eine Art Grundsünde spielt, von der alle anderen Sünden abhängig sind.74 Die Erklärung dieser absoluten Formulierung wird oft in der jüdischen Tradition gesucht, wo die Übertretung des 10. Gebotes tatsächlich der Ursprung aller Sünde ist.75 In diesem Sinne steht dieses Gebot für das ganze Gesetz. Zwar ist die Abhängigkeit von dieser Tradition unverkennbar, doch sollte man zugleich bemerken, dass alle angeführten jüdischen Texte eine besondere Antwort auf die in der Antike debattierte Frage der Affekte enthalten. Gerade in dieser Diskussion ist der Einfluss der philosophischen Debatte auf das Judentum beträchtlich. Die Anklänge an die Adamgeschichte und die Übertretung des Gebotes – in den jüdischen Schriften stets ein Beweis für die Ursprünglichkeit des Gesetzes – gelten bei Paulus als Beispiel für die Wirkungslosigkeit des Gesetzes, das von Anfang an unerfüllt bleibt. Die Diskussion kreist um die Bedeutung des Wortes GXRKSWOKC und des Verbs GXRKSWOGKP. Die Behauptung eines „nomistischen Charakters“ der Begierde ist als solche kaum haltbar.76 73 J.A. Ziesler, The Role of the Tenth Commandment, 49: „It reinforces the suspicion that in this chapter Paul is not at his clearest. Indeed it is possible that his choice of a faulty paradigm lies at the root of some of the confusion.“ 74 Als Belege werden in den jüdischen Schriften folgende Stellen angegeben: Philo Spec. IV, 84–94; Philo Decal. 142, 150, 173. Die Definition Philos von der GXRKSWOKC findet sich in Philo Decal. 173, JBB VYP CXFKMJOCVYP RJIJ CXH X JL TBBGQWUKP CKBB RCTCPQOYVCVCK RTCZGKL TgNeoph zu Ex. 20,17; zu Deut 5. 75 E. Käsemann, An die Römer, 184: „Der Apostel folgt, wenn er das Verbot der Begier als Kern und Summe des Gesetzes versteht, einer jüdischen Tradition“. Die angeführten Texte sind 4Makk 2,6; VitaAd 19; Philo, Decal. 142; 150; 153. Aber gerade die angeführten Texte sind von der hellenistischen Diskussion über die Affekte beinflusst. 76 H. Räisänen. Zum Gebrauch von (2,37/,$ und (2,37/(,0 bei Paulus, diskutiert sorgfältig die Thesen von R. Bultmann über einen Zusammenhang zwischen Begierde und Gesetz oder besser gesagt eine nomistische Auslegung der GXRKSWOKC. Bultmanns Argumentation wird in Form eines Syllogismus dargelegt (Bultmann, 89): 1. die GXRKSWOKC hat ihren Sitz in der UCTZ; 2. das sarkische Verhalten ist nicht unbedingt unmoralisch (siehe die Erfüllung des Gesetzes MCVC UCTMC Gal 3,3 und Phil 3,3–7); daraus folgt 3. Die eifrige Erfüllung des Gesetzes ist in der GXRKSWOKC enthalten, d. h die GXRKSWOKC hat einen nomistischen Charakter. Räisänen verstärkt im Gegensatz dazu den antinomistischen Charakter der GXRKSWOKC, weil sie im unserem Text durch das Gesetz verboten wird.

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Obwohl die GXRKSWOKC vom Gesetz verboten wird, zieht sie Vorteil und Kraft aus dem Verbot. Zwei gegensätzliche Elemente wie Begierde und Gesetz können sich nur auf der Ebene der UCTZ treffen. Auch der Versuch zu bestimmen, ob der Begriff jüdischen oder hellenistischen Ursprungs ist, bleibt m.E. erfolglos,77 weil GXRKSWOKC ein allgemeiner Begriff ist, der beide Kulturen eng miteinander verbindet. Die hier aufgeworfenen Fragen lassen sich diskutieren, wenn man annimmt, dass Paulus das Thema des Gesetzes aus einer neuen Perspektive behandelt: nämlich als Diskussion über die Affekte und ihre Beseitigung. Die Wirklichkeit der Affekte zeigt aber, dass es nicht ausreicht, die Affekte einfach zu verbieten, um sie zu überwinden. Denn die Affekte selbst (zu denen auch die GXRKSWOKC zählt) bilden die Grenze der Wirksamkeit des Gesetzes. Das Gebot in absoluter Form78 signalisiert nun die Diskussion über das Begehren. Wenn das Gebot die Affekte – in denen sich die menschliche Destruktivität ansammelt – nicht neutralisieren kann, ist das Gesetz nicht in der Lage den Menschen zum Guten zu führen. Die Verallgemeinerung der Diskussion über das Gesetz auf der Ebene der Affekte – auf einer Ebene nämlich, die für nicht-jüdische Leser verständlich ist – erklärt zudem den Gebrauch des Substantivs PQOQL, das hier nicht mehr im engeren Sinne als „Torah“ zu verstehen ist, sondern als Oberbegriff, der alle möglichen Gesetze einschließt. Dies wird bereits bei dem Ausdruck in Röm 7,1 IKPYUMQWUKP ICT PQOQW NCNY deutlich, eine Art Anrede der römischen Leser, die eine weitere Auslegung des Begriffs PQOQL voraussetzt,79 die auch das ius maritale einschließt. Diese Argumen77 Ein Beispiel für diese Diskussion ist in F. Büchsel, Art. GXRKSWOKC, ThWNT III, 171 zu finden: „Ob Paulus hier jüdischem oder stoischem Sprachgebrauch folgt, lässt sich kaum fragen. Beide hatten sich längst vor Paulus in bezug auf GXRKSWOKC und GXRKSWOGKP verbunden. Spezifisch stoisches findet sich bei Paulus abgesehen von RCSQL GXRKSWOKCL 1Thess 4,3 nichts […]“. Seine Schlussfolgerung ist allerdings: „Grundleglich ist also sein Vorstellung von GXRKSWOKC at-lichjüdisch, und nicht stoisch.“ 78 J.A. Ziesler, The Role of the Tenth Commandment, 45, widerlegt mit Recht die These von Gundry, nach der GXRKSWOKC eine sexuelle Bedeutung habe. Auf der Basis der Affektenlehre ist das Gebot gegen das Begehren aber doch eher ein Sonderfall, der stellvertretend für das ganze Gesetz steht. 79 Gegen P. Thomson, What Paul did mean by ‚Those who know the Law‘: Er diskutiert die zwei Hauptthesen über die Bestimmung von PQOQL in Röm 7: 1) PQOQL bedeutet hier die Torah 2) PQOQL bedeutet Gesetz im Allgemeinen, Naturgesetz oder Adamsgesetz wie bei den antiken Theologen. Für Thomson bezieht sich Paulus auf die Diskussion über die Ehescheidung, die zurück zu Jesus führt. Die wörtliche Übereinstimmung dieser Stelle mit 1Kor 7,39 führt ihn zu folgendem Schluss: „Paul appealing to the ‚knowledge of the law‘ of his readers adduced an apostolic marriage law that had its origin in the teachings of Jesus.“ In diesem Kontext ist nicht von Ehescheidung die Rede, sondern es handelt sich um eine Metapher, die das Verhältnis zum Gesetz erläutern soll. Die Argumente von E. Käsemann, Der Brief an die Römer, 177, scheinen mir sehr überzeugend: Die Gemeinde Roms bestand größtenteils aus Heidenchristen. „PQOQL ist hier die gesetzlich geregelte Ordnung, auf welche die Bürger der Welthauptstadt ansprechbar sind, ohne dass ihre

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te, die auch die römischen Bürger ansprechen können, signalisieren eine Erweiterung der Diskussion über das Gesetz. Es geht nicht nur um die Konfrontation der Christen mit der Torah, sondern um die des Menschen mit dem Gesetz überhaupt, das ihn zum Guten führen soll. Dabei gewinnt die Affektenlehre ihre zentrale Bedeutung. Die weite Auslegung von PQOQL ist außerdem charakteristisch für den Römerbrief. In 3,28 spricht Paulus von PQOQL RKUVGYL, im Gegensatz zum PQOQL VYP GTIYP, und in 8,2 spricht er von PQOQL VQW RPGWOCVQL: Beide Begriffe haben klar eine allgemeine Bedeutung, die nicht allein durch die Torah abgedeckt werden kann. Das zeigt m.E., dass Paulus besonders im Römerbrief das Thema des Gesetzes von einem allgemein menschlichen Blickwinkel aus betrachten will. Um die Spaltung des Menschen noch stärker zu betonen, ist im Text sogar vom G=VGTQL PQOQL (GXP VQKL OGNGUKP OQW) sowie vom PQOQL VJL CBBOCTVKCL (GXP VQKL OGNGUKP OQW) die Rede:80 Dies ist nicht nur ein rhetorischer Kunstgriff, sondern zeigt auch den Anliegen des Paulus, das Gesetz im weitesten Sinne anzusprechen, was auch die allgemeine Achtung des Menschen vor dem Gesetz einschließt. Die allgemeine Formulierung des Gebots auf das Begehren an sich, die Kategorien „gut“ und „böse“ und die allgemeine Definition von PQOQL, neben der Torah, zeigen, dass Paulus im Text das Thema des Gesetzes auf einer allgemein menschliche Ebene diskutiert. Diese Beobachtungen leiten bereits das Thema ein, das in diesem Abschnitt behandelt werden soll, nämlich eine Analyse der paulinischen Thesen in Röm 7 und 8, ausgehend von der antiken Affektenlehre. Im Zentrum der paulinischen Diskussion steht die These, dass das Gesetz, das geistlich ist, nicht eingehalten werden kann, da der Mensch sarkisch ist. Dies ist kein quantitatives, sondern ein qualitatives Argument: Das Gesetz erweist sich als unbrauchbar für konstruktives Handeln. Die Argumentation in Röm 7 und 8 lässt sich besser verstehen und bewerten, wenn man die GrundvorGesetzkunde strapaziert werden sollte.“ (580) P. Stuhlmacher, Biblische Theologie des NTs, 261– 262, unterscheidet vier Bedeutungsnuancen des Substantivs in den Paulusbriefen: 1) das Alte Testament insgesamt, 2) den Pentateuch, 3) das Moses offenbarte Gesetz als Wille Gottes, 4) im übertragenen Sinne eine Weisung, Regel oder Vorschrift. 80 H. Räisänen, The „Law“ of Faith and Spirit, 63, zeigt, wie Paulus in Röm 7,21–25 verschiedene Bedeutungen von PQOQL verwendet: 7,21 PQOQL = rule, compulsion; 7,22 PQOQL VQW SGQW = Torah; 7,23a G=VGTQL PQOQL = sin living in me, with its aspirations, 7,23b PQOQL VQW PQQL OQW= glad compliance with the law of God, nomos is direction of the will; 7,25a QBB PQOQL VJL CBBOCTVKCL = rule, compulsion; 7,25b PQOQL SGQW =Torah; 7,25b PQOQL CBBOCTVKC = power, control. Außerdem: „Paul is really playing games with his language“. (64) Vgl. auch ders., Paul’s Word-Play on nomos: A Linguistic Study. Er unterscheidet in seiner Analyse die verschiedenen Bedeutungen in der griechischen Literatur: a) Gebrauch, b) Regel in verschiedenen Bereichen (durch Genitive verdeutlicht): Geschichte, Medizin, Jagd; c) ethisches Prinzip, Regel; d) Verhalten einer Gruppe; e) Verhalten unter bestimmten Umständen; f) Regelmäßikeit des natürlichen Lebens. Auf S. 91 schließt er erneut: „Paul intentionally plays with words.“

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stellungen der antiken Affektenlehre heranzieht. Ein solcher Vergleich ermöglicht auch ein genaueres Verständnis der paulinischen Anthropologie, seiner Definition von UCTZ und seiner Ethik. Den Kern des Textes bildet die Problematik, ob es möglich ist, die Affekte zu überwinden und ihre destruktive Kraft zu besiegen. UCTZ ist bei Paulus der Ursprung aller Affekte, die das Individuum und die Gemeinschaft gefährden. Die Frage der Affekte, die auch im Galaterbrief behandelt wird, wird im Römerbrief als Hauptargument für die Unwirksamkeit und letztlich die Ungültigkeit des Gesetzes angeführt. 2.5 Die Affektenlehre in der philosophischen Diskussion Die Definition von UCTZ und dessen Zusammenhang mit der Sünde, mit einem Wort dessen Destruktivität, führen uns nun zum Thema der Affekte. Die Beobachtungen im letzen Abschnitt finden eine Bestätigung in Röm 7,5, wo Paulus eine zusammenfassende Verbindung zwischen UCTZ, den Affekten (RCSJOCVC), der Sünde (CBBOCTVKC) und dem Tod (SCPCVQL) herstellt: Q=VG ICT JOGP GXP VJ^ UCTMK VC RCSJOCVC VYP CBOCTVKYP VC FKC VQW PQOQW GXPJTIGKVQ GXP VQKL OGNGUKP JBOYP GKXL VQ MCTRQHQTJUCK VY^ SCPCVY^. Darin besteht die Situation des unerlösten Menschen. Dass Paulus in der Soteriologie eine bestimmte Affektenlehre voraussetzt, ist bereits erwähnt worden. Die Affektenlehre soll nun als Grundlage für die Definition von UCTZ verwendet werden. Zur Bewertung der paulinischen Thesen ist es notwendig, die philosophische Debatte der Antike schematisch darzustellen. Es können im Wesentlichen zwei Modelle der Antike unterschieden werden: zum einen die platonisch-aristotelische Position, nach der die Affekte als notwendiges Produkt der Seele nicht beseitigt werden und bis zu einem gewissen Grad sogar als positiv betrachtet werden können, zum anderen die stoische Position, nach der die Affekte negativ und destruktivsind und gleich einer seelischen Krankheit beseitigt werden müssen. Daneben steht die epikureische Theorie, die wegen ihrer positiven Sicht der Wollust in Grunde nur bei wenigen römischen Autoren Zustimmung fand oder als Gegenmodell galt. Vor diesem Hintergrund entwickelte sich die Debatte mit ihren zahlreichen Nuancierungen. Seit dem 1. Jhr. n.Chr. überschritt die Diskussion die üblichen Grenzen der verschiedenen Schulen, und es wurden die unterschiedlichsten Theorien entwickelt. An dieser Debatte beteiligten sich auch die jüdischen Gelehrten, die im jüdischen Gesetz eine attraktive Lösung zur Kontrolle der menschlichen Affekte sahen. In der Tatsache, dass Paulus im Rahmen der Diskussion um die Affektenlehre gerade das Thema PQOQL aufgreift, zeigt sich eine gewisse Abhängigkeit von der sehr allgemein und breit geführten Debatte.

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2.5.1 Das platonische und das aristotelische Modell Für Plato gehören die Affekte zum Sein des Menschen als Manifestation der Seele. In seiner Psychologie unterscheidet er zwei wichtige Teile der Seele, einen vernünftigen und einen unvernünftigen, die miteinander in Konflikt stehen.81 In der Politeia findet sich eine dreigeteilte Definition der Seele, die außer der Unterscheidung rational – irrational eine zusätzliche Kategorie einführt. Neben den vernünftigen Teil (NQIKUVKMQP) tritt das Begehrende (GXRKSWOJVKMQP) und das Muthafte (SWOQKGKFGL).82 Die Funktion dieses letzen Teils der Seele gleicht der des Soldaten im Staat: Er steht auf der Seite der Vernunft, indem er für Recht und Ordnung sorgt, aber er kann auch irrationalen Zorn empfinden und vom gegenteiligen, irrationalen Teil gesteuert werden.83 Die Dreiteilung der Seele scheint keine grundlegende platonische Konzeption zu sein, sonder eher eine Konsequenz der Analogie zwischen Staat und Seele. Die dritte Kategorie bringt keine Veränderung des Dualismus rational – impulsiv mit sich, sondern bestätigt ihn nur.84 Die drei Komponenten der Seele werde in der Politeia85 durch drei Bildern dargestellt: das Begehrende, „ein buntes und vielköpfiges Tier“, das Mutige, „ein Löwe“, und die Vernunft, „ein Mensch“. Das unrechte Handeln entsteht dann, wenn das vielköpfige Tier mit Unterstützung des Löwen stark wird und der Mensch verhungert und stirbt. Das gerechte Handeln hingegen entsteht dann, wenn der Mensch das Wildtier mithilfe des Löwen zähmt oder festbindet, sodass er wachsen kann.86 In der Theorie Platos ist 81 Pl. Grg. 493a. Pl. Grg. 493 findet man den bekannten Satz MCK VQ OGP UYOC GXUVKP JBBOKP UJOC und unmittelbar danach die Behauptung, dass die Begierden in einem Teil der Seele beheimatet sind. 82 Vgl. Pl. Plt. 435b–c und 440e–441a. In Pl. Plt. 431a, wird von zwei weiteren Teilen der Seele gesprochen: VQ DGNVKQP und VQ EGKTQP, die miteinander um die Herrschaft über die Menschen ringen und politische Analogien bilden. 83 T.M. Robinson, Plato’s Psychology, 44–45, nennt die drei Teile „racionative“, „desiderative“ und „spiritual element“. Letzteres kann ambivalent sein: „We should probably do better to accept the numerous indications that he (Plato) does accept an occasional alliance between spiritual and desiderative elements rather than a single isolated statement on the contrary“. Die Tripartition dient dazu, den instabilen Zustand der Seele und ihre Ambivalenz zu beschreiben. In der Systematik der platonischen Gedanken stellt sich die Frage, wie sich die Dreiteilung der Seele mit der Metapher der zwei Pferde verbindet, in Phdr. 248 a–c. G. Reale, Corpo, anima e salute, 243, lässt vermuten, dass das weiße Pferd der mutige und das schwarze Pferd der begierige Teil sein könnte. Diese Deutung bleibt allerdings unsicher. 84 Pl. Plt. 440e, definiert die Funktion des Mutigen wie folgt: GXP VJ^ VJL [WEJL UVCUGK VKSGUSCK VC Q=RNC RTQL VQ NQIKUVKMQP. Eben diese Stelle zeigt nach J. Fillion-Lahille, Le De Ira de Seneque, 25, eine gewisse positive Bewertung des Zornes bei Platon, weil dieser Affekt der Vernunft einen Dienst erweisen und sich gegen die Ungerechtigkeit wehren kann. 85 Pl. Plt. 588b–589c. 86 In Pl. Plt. 589b findet sich die Wendung NQIKUOQL QBB GPVQL CPSTYRQL, eine Parallele zum paulinischen QBB GUY CPSTYRQL. Die Bedeutung dieser Bezeichnung ist im platonischen Text zunächst ganz konkret: Der Mensch wird von den zwei Tieren umschlossen und liegt tatsächlich innerhalb von beiden.

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die Seele der Ursprung der Affekte. Bisweilen spricht Plato von den Begierden, die durch den Leib entstehen,87 wie die Lust auf Essen und Trinken, aber in der Politeia werden alle Affekte auf die Ebene der Seele zurückgeführt und der Leib ist lediglich ein Instrument zu deren Vollendung.88 Aristoteles setzt die platonische Vorstellung fort, dass die Affekte zur Natur der Seele gehören, also nicht vermeidbar sind und sich nicht beseitigen lassen, erst durch ihre Energie wird ein Handeln ermöglicht. Aristoteles’ These über die Affekte hat auch auf die römisch-hellenistische Philosophie großen Einfluss, von Seneca, der sie heftig kritisiert, bis hin zu Plutarch, der sie in seine Ethik übernimmt. Tugend (CXTGVJ) bedeutet für Aristoteles nicht die Abwesenheit von Affekten, d.h. einen Zustand der Apathie oder der Stille,89 sondern die Fähigkeit, angesichts der menschlichen Empfindungen von Lust und Schmerz in bestmöglicher Weise zu handeln.90 Diese Definition impliziert, dass die Affekte zwar nicht eliminiert, aber zum guten Handeln genutzt werden können. Eben dieser positive Gebrauch der Affekte, der zum Guten führen kann, ist das Thema der Ethik.91 Wie für Plato ist auch für Aristoteles die Zweiteilung der Seele von entscheidender Bedeutung: Die Seele besteht aus einem vernünftigen und einem unvernünftigen Teil.92 Den unvernünftigen Teil besitzen auch die Tiere, den vernünftigen allein die Menschen. Der unvernünftige Teil richtet sich gegen die Vernunft, kann aber gleichzeitig an ihr teilhaben.93 Nur bei dem Mäßigen und Mutigen gehorcht der unvernünftige Teil dem vernünftigen und befindet sich mit ihm in Harmonie. Die Affekte (RCSJ), die ihren Sitz in der Seele haben, werden ethisch eigentlich neutral bewertet, obwohl sie aus so gegensätzlichen Begriffen wie Zorn, Angst und Freude bestehen.94 Das Handeln wird nach Aristoteles auch von der durch Erziehung oder Erfahrung erworbenen Haltung (G=ZKL) oder Einstellung zu den Affekten bestimmt. Das Ideal der Tugend erreicht, wer in seinem Verhältnis zu den Affekten jegliches Extrem vermeidet, Übermaß ebenso wie Mangel, und mit Besonnenheit handelt. Es ist nicht als solches unethisch, zornig zu sein, 87 Pl. Phd. 65a. 88 T.M. Robinson, Plato’s Psychology, 55–56: „the pleasures dismissed as ‚bodily‘ in the Phaedo are now seen to have an important function in the soul, though their instrument is still considered to be the body.“ 89 Arist. EN 1104b, MCK QBBTK\QPVCK VCL CXTGVCL CXRCSGKCL VKPCL MCK JXTGOKCL> QWXM GW FG 90 Arist. EN 1104b, WBBRQMGKVCK CTC JBB CXTGVJ GKPCK JBB VQKCWVJ RGTK JBBFQPCL MCK NWRCL VYP DGNVKUVYP RTCMVKMJ JBB FG MCMKC VQWXCPVKQP  91 Arist. EN 1105a, QBB OGP ICT GW VQWVQKL ETYOGPQL CXICSQL GUVCK 92 Vgl. die Theorie über die Division der Seele bei Arist. EN 1102a–1103a. 93 Aristoteles unterscheidet zwei weitere Unterteile des unvernünftigen Teils: einen vegetativen (VQ HWVKMQP), auf die die Vernunft keinen Einfluss hat, und einen sinnlichen (VQ GRKSJOKMQP), der durch die Vernunft gelenkt werden kann (Arist. EN 1102b). 94 Die Liste der Affekte findet sich in Arist. EN 1105b, GXRKSWOKC QXTIJ HQDQL STCUQL HSQPQL ECTC HKNKC OKUQL RQSQL \JNQL GNGQL 

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entscheidend ist, auf welche Weise und in welchem Maße er es ist. Der zentrale Begriff dieser Ethik lautet OGUQVJL, das Mittlere. QBBOQKYL FG MCK RGTK VCL RTCZGKL GUVKP WBBRGTDQNJ MCK GNNGK[KL MCK VQ OGUQP JBB F8 CXTGVJ RGTK RCSJ MCK RTCZGKL GXUVKP GXP QKL JBB OGP WBBRGTDQNJ CBBOCTVCPGK MCK JBB GNNGK[KL X[GIGVCK8 VQ FG OGUQP GXRCKPGKVCK MCK MCVQTSQWVCK VCWVC F8 COHY VJL CXTGVJL OGUQVJL VKL CTC GXUVKP JBB CXTGVJ UVQECUVKMJ IG QWUC VQW OGUQW 

Die OGUQVJL meint aber nicht die objektive, arithmetische Mitte zwischen zwei Extremen, sondern es handelt sich um ein sehr subjektives Kriterium: Was für den einen übermäßig ist, kann für den anderen unzureichend sein.96 2.5.2 Das stoische Modell Eine Alternative zur oben genannten Theorie bietet die Stoa, die die Affekte als unnatürliche Erscheinungen im Menschen betrachtet, die notwendigerweise eliminiert werden müssen. Die Basis für das altstoische Verständnis bildet Zenons Definition, nach der die Affekte „irrationale Bewegungen der Seele gegen die Natur oder maßlose Haltungen“97 sind. In der stoischen Psychologie, für die der Verstand im Mittelpunkt steht, haben die Affekte ihren Sitz in der Seele,98 ohne dass diese von der Existenz eines gesonderten irrationalen Teiles ausgeht. Die Affekte sind daher dynamische Erscheinungen, die durch die Bewegungen der Seele verursacht werden. Chrysipp verbessert Zenons Definition und entwickelt in mehreren seiner Bücher eine sehr detaillierte Theorie, deren Wirkung bis in die Zeit Galens reicht. In 95 Arist. EN 1106b: „Auf gleiche Weise gibt es für die Handlungen Ubermaß, Mangel und Mitte. Die Tugend betrifft Affekte und Handlungen, bei denen Ubermaß fehlerhaft ist und Unterlass getadelt wird. Die Mitte wird im Gegenteil gelobt und wird als das Richtige dargestellt, diese sind beide Tugend. Dieses Mittlere ist nun Tugend, weil sie auf die Mitte zielt.“ 96 Aristoteles führt in Arist. EN 1106 das Beispiel der arithmetischen Mitte zwischen 2 und 10 an und betont, dass dieses Prinzip auf die Ethik nicht angewendet werden kann. Ein Beispiel ist etwa das Essen: Was für den einen zuviel ist, kann für den anderen zu wenig sein. Ein objektives Maß des Mittleren, das für alle Menschen gilt, kann nicht gefunden werden. 97 SVF I,205, GUVK FG CWXVQ VQ RCSQL MCVC J VG ICT HKNCTIWTKC GXUVKP VQW VQ CXTIWTKQP MCNQP GKPCK MCK JBB OGSJ FG MCK JBB CXMQNCUKC QBBOQKYL MCK VC CNNC „In dem Buch ‚Über die Affekte‘ sagt Chrysipp, die Affekte seien Urteile, da nämlich Geldgier auf der Meinung beruhe, dass das Geld gut sei; selbiges gelte für den Rausch und für die Zügellosigkeit und andere Dingen“. 103 Die klassische Definition von Chrysipp lautet FQZC RTQUHCVQW MCMQW/CXICSQW RCTQWUKCL (SVF III,463). Galen, von dem das Fragment stammt, bemerkt, dass in der chrysippischen Definition nur der rationale Teil der Seele Platz hat, während die irrationale Seite der Seele vernachlässigt wird: CPVKMTWL ICT GXP VQWVQKL VQW NQIKUVKMQW VJL [WEJL OQPQP OGOPGVCK RCTCNGKRYP VQ V8 GXRKSWOJVKMQP MCK VQ SWOQGKFGL. Das Problem Chrysipps besteht darin, auch innerhalb seines rationalistischen Schemas Zenons Definition der Affekte als CNQIQL zu erklären. 104 SVF III,382, VC RCSJ VJL CXPSTYRKPJL [WEJL VQW NQIQW FKCUVTQHCL GKPCK VKSGOGPQK MCK NQIQW MTKUGKL JBBOCTVJOGPCL. Interessant ist auch, was Cic. Fin. III,35 (SVF III, 381) berichtet. Das Wort RCSJ (Affekte) wird in diesem Text mit „perturbationes animorum“ ins Lateinische übertra-

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wie man dem Zitat entnehmen kann, Bewegungen der Seele. Sie unterscheiden sich von anderen Urteilen durch die Dynamik, mit der sie auftreten, wie bereits Zenons Definition herausstreicht. Es sind die Bewegungen105 der Seele und nicht die Urteile, die die Intensität der Impulse bei den Affekten bestimmen.106 Da die Affekte der Vernunft entspringen, sind sie nach Chrysipp bei Kindern und Tieren,107 die nicht über einen NQIQL verfügen, nicht vorhanden – ein in der Antike sehr umstrittenes Argument. Bildlich werden die Affekte von den antiken Stoikern, insbesondere von Chrysipp, in Analogie zu körperlichen Krankheiten als Krankheiten der Seele dargestellt. Bei den Affekten werden ebenso wie bei körperlichen Krankheiten drei verschiedene Arten unterschieden: zunächst die Neigung (GWXGORVYUKC, proclivitas), die Krankheit (PQUJOC, morbus) und schließlich die Schwäche (CXTXTBYUVJOC, aegrotatio). Auch bei den Affekten kommt zuerst eine gewisse Veranlagung zum Tragen, die darüber entscheidet, warum jemand auf eine bestimmte Weise reagiert oder sich verhält, warum er zornig oder traurig ist, ähnlich der Veranlagung mancher Personen zu bestimmten Krankheiten. Die Affekte können sich zu Krankheiten entwickeln, wenn sich das entsprechende Verhalten ständig wiederholt und zur Gewohnheit wird. PQUJOC bedeutet im eigentlichen Sinne eine gewohnheitsbedingte Meinung, durch die nicht bewusste Handlungen als sehr wohl bewusst gewählte Handlungen erscheinen. CTXTBYUVJOCVC sind Krankheiten, die mit körperlicher Schwäche einhergehen.108 Gerade das Motiv der Krankheit zeigt den negativen Charakter der Affekte und die Notwendigkeit, sie zu beseitigen. Die Besonderheit der stoischen Position, die sich von allen anderen philosophischen Richtungen unterscheidet, besteht in der radikalen Verwerfung der Affekte und der Betonung der Notwendigkeit ihrer Beseitigung. Sie lassen sich nicht – wie gen. „Perturbationes autem nulla naturae vi commoventur, omniaque ea sunt opiniones ac iudicia levitatis. Ita his sapiens semper vacabit.“ 105 Es werden verschiedene Bewegungen unterschieden, die die Natur und die Intensität der Affekte bestimmen: GMMNGUKL, UWUVQNJ, OGKYUKL, GRCTUKL, FKCEWUKL. (SVF III,468). 106 SVF III,468. 107 Posidon. Frg. 159 GXRGKFJ VJL NQIKMJ FWPCOGYL GHCUCP GKPCK VC RCSJ VQKL CXNQIQKL \Y^QKL OJ OGVGEGKP CWXVYP UWIEQTGKP QKBB RNGKUVQK FG QWXFG VQKL RCKFKQKL Q=VK FJNCFJ MCK VCWVC QWXFGRY NQIKMC Dieses Prinzip wird auch von Cic. Tusc. IV,31, übernommen: „nam bestiae simile quiddam faciunt, sed in perturbationes non incidunt“. 108 Die Definitionen der drei Begriffe sind weit verbreitet (SVF III,421–430). Eine wichtige Quelle ist Cic. Tusc. IV,23–32. Zentral ist seine Definition von PQUJOC (SVF III,421): PQUJOC F8 GKPCK FQZCP GXRKSWOKCL GXTXTBWJMWKCP GKXL G=ZKP MCK GXPGUMKTYOGPJP MCS8 J?P WBBRQNCODCPQWUK VC OG CKBBTGVC UHQFTC CKBBTGVC GKPCK bzw. VQ FG PQUJOC QKJUKL UHQFTC FQMQWPVQL CKBBTGVQW (SVF III,422). Die lateinische Version findet man bei Sen. Epist. 75,11: „morbus est iudicium in pravo pertinax, tamquam valde expetenda sint, quae leviter expetenda sunt“. Die Definition enthält stets die für die Stoa wichtige Erkenntnis, nach der die Affekte Meinungen oder Urteile sind, an der trotz des Bildes der Krankheit festgehalten wird.

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die Peripatetiker meinten – mäßigen und zum Guten nutzen. Dies wird von Seneca treffend auf den Punkt gebracht: „nostri (Stoici) illud expellunt, Peripatetici temperant“.109 Man kann also nicht zwischen guten und schlechten Affekten unterscheiden,110 auch nicht, wenn der Zorn einem guten Zweck dient. Der Weise und Philosoph muss CXRCSJ sein, also einen Zustand erreichen, in dem er nichts begehrt und nichts fürchtet.111 2.5.3 Das epikureische Modell Die epikureische Affektenlehre basiert auf der atomistischen Physik und Psychologie. Die Affekte werden darin mechanisch als Bewegungen der aus Atomen bestehenden Seele definiert. Die Seele gliedert sich in einen vernünftigen und einen unvernünftigen Teil. Sie ist eine Mischung aus vier Elementen einschließlich eines namenlosen Teils, der für die Sensibilität sorgt. Die Seele besteht also aus Atomen und ist in zwei Teilen gegliedert: einen rationalen (VQ NQIKMQP) und einen irrationalen Teil (CXNQIQP OGTQP).112 Lucrez unterscheidet zwischen animus (rational) und anima (irrational). Die Seele ist körperlich und damit sterblich; ihre Teilchen sind klein, rund und glatt, was ihnen eine schnelle Bewegung ermöglicht. Aus den physischen Zuständen der Seele, aus Feuer, Wind und Luft, setzt sich der Charakter einer Person zusammen.113 Da die Philosophie Epikurs besonders in seiner Ethik entwickelt wird, hat darin die Klassifikation der Begierde einen besonderen Stellenwert. Man unterscheidet zwei Gruppen der Begierde (GXRKSWOKCK):114 die natürlichen und die eitlen Begierden. Die natürlichen Begierden sind in die not109 SVF III,443 sowie Sen. Epist. 116,1; vgl. SVF III,447, „Illi enim Graeci RCSJ, nos perturbationes possumus dicere […] asserunt extirpari posse de mentibus et ulla fibram radicemque vitiorum in homine omnimo residere, meditationem et assidue exercitatione virtute“. 110 SVF III,444, „Sed Stoici non viderunt esser discrimen recti et pravi, esse iram iustam, esse et iniustam, et quia medelem rei non inveniebant, voluerunt eam peritus excidere“. 111 SVF III,448, HCUK FG MCK CXRCSJ^ GKPCK VQP UQHQP FKC VQ CXPGORVYVQP GKPCK (SVF III,449). Die Stoiker unterscheiden sich klar von den Epikureern, da sie die JBBFQPJ für das höchste Gut halten: „Unde Stoici hanc gulae et corporis libidinem criminatuntur VJP CXVCRCEKCP VJL [WEJL hoc nihil timere nec cupere, summum bonum esse“. 112 Epicur. Ad Herodotum 66: MCK GXZ CXVQOYP CWXVJP UWIMGKUSCK NGKQVCVYP MCK UVTQIIWNYVCVYP […] MCK VQ OGP VK CNQIQP CWXVJL Q? VY^ NQKRY^ RCTGURCTSCK UYOCVK> VQ FG NQIKMQP GXP VY^ SYTCMK. Die Seele ist eine Mischung aus vier Elementen: aus Feuer, Luft, Wind und einem namenlosen Element, Vgl. Aët. De placitis reliquiae, 388–389, MTCOC GM VGVVCTYP GXM RQKQW RWTYFQWL GXM RQKQW CXGTY FQWL GXM RQKQW RPGWCOVKMQW GXM VGVCTVQW VKPQL CXMCVQPQOCUVQW> VQWVQ F8 JP CWXVY^ VQ CKXUSJVKMQP. Nur das Namenlose kann in der Seele für die Sensibilität sorgen. Vgl. Lukrez nennt dieses Element „quarta natura“ (Lucr. III,241) oder „anima animae“(Lucr. III,275) nennt. 113 Lucr. III,440. 114 Die bekannte Unterscheidung ist bei verschiedenen Autoren zu finden, vgl. Usener, 456. In den Schriften Epicur. Sent. 29 und Ad Menoeceum 127–128.

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wendigen und die natürlichen, aber nicht notwendigen unterteilt. Die notwendigen Begierden dienen zum Leben (wie Hunger und Durst),115 zum Wohl des Leibes (zum Schutz gegen Kälte, Gefahr und Leid116) und zum Guten (GWXFCKOQPKC), das mithilfe der Philosophie erreicht werden kann. Durch die Philosophie soll die richtige Einstellung zu sich selbst (CXVCTCZKC) und zu den anderen (Freundschaft, HKNKC) vermittelt werden.117 Zu den natürlichen, aber nicht notwendigen Begierden zählen die Sexualität118 und die Ästhetik – die Dichtung gleicht nach Epikur den Sirenen des Odysseus (Plut 163 Usener; 229 Usener). Unter eitlen Begierden sind die notwendigen und natürlichen Begierden zu verstehen, die maßlos werden. In der Affektenlehre Epikurs spielt die Definition der Lust (JBBFQPJ) als „Ursache und Ziel des seligen Lebens“ eine wichtige Rolle.119 Gerade diese Definition hat in der antiken Philosophie eine scharfe Polemik gegen die epikureische Schule ausgelöst, die von zahlreichen Missverständnissen gekennzeichnet ist.120 Epikur konzipiert aber die Lust in ihrem empirischen Verhältnis zum Schmerz: Solange die Lust da ist, empfindet man den Schmerz, und sobald die Lust befriedigt ist, endet auch der Schmerz und die Lust verschwindet. Daher wird die Lust bei Epikur als Mittel gegen den Schmerz121 des Leibes und der Seele verstanden und nicht als leiblicher Genuss, wie ihm oft vor115 Lucr. II,649. 116 Lucr. IV,963. 117 Usener Frg. 457. 118 Lucr. II,437. 119 Epicur. Ad Menoeceum 128, VJP JBBFQPJP CXTEJP MCK VGNQL NGIQOGP GKPCK VQW OCMCTKYL \JP. Auch Cicero distanziert sich Tusc. III,21 von dieser Auffassung: „Mihi summum in animo bonum videtur, illi (Epikureer) in corpore, mihi in virtute, illi in voluptate“. 120 Die Meinungen sind schon in der Antike sehr kontrovers: Cic. Tusc. III,20, stellt die Frage, ob die Philosophie Epikurs das Genießen der Wollust zum Ziel hat. Das Gesamturteil ist aber bei Cicero nicht negativ: „tu Epicurum existimas ista voluisse aut libidinosas eius fuisse sententias? Epict. Diss. I,20,17, attackiert die Vorstellung Epikurs, nach der das Gute im Fleisch sei (GXP UCTMK FGK GKPCK VQ CXICSQP), es bedeute die Schale der Schnecke für wesentlich zu erklären. Plutarch ist wie Epiktet sehr polemisch: Es ist eine finstere Theorie, das Gute im Fleisch anzusiedeln, vgl. z.B. Plu. Mor. (De latenter vivendo), 1129b: „VY^ MCNY^ RTQURVWGKP“ MCK „VCXICSQP GXP UCTMK MCK ICTICNKUOQKL VKSGUSCK“, VCWVC FKGVCK UMQVQWL VC VGNJ VCWVC PWMVQL GXRK VCWVC VJP NJSJP MCK CIPQKCP. Die Zitate sind wahrscheinlich direkt den Schriften Epikurs entnommen. Der Begriff ICTICNKUOQL, der von Epikur selbst stammt, wird ebenso wie andere Ausdrücke seines Werkes kritisiert und als vulgär empfunden, vgl. Cleom. De motu circulari, 166. Seneca verwendet die lateinische Übersetzung „titillatio corporis“, um die prägnante Frage zu stellen: „at beatum facit titillatio corporis: quid ergo dubitas dicere bene esse homini, si palato bene est?“. Wichtig ist hier die Beobachtung, dass der Terminus UCTZ bei den lateinischen Autoren oft – wie in diesem Fall – mit „corpus“ wiedergeben wird, was für eine grundsätzliche Synonymität beider Termini auch im Lateinischen spricht. 121 Epicur. Ad Menoeceum, 128; Cic. Fin. I,10, „doloris omnis privatio recte nominata est voluptas“. Die Einstellung Epikurs unterscheidet sich von der des Aristippos von Kyrene und seiner Schule, die eine leibliche Vorstellung der Lust im Mittelpunkt der philosophischen Rede hatte.

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geworfen wurde. Der Mensch ist dann glücklich, wenn seine elementaren Bedürfnisse122 befriedigt sind und er ein seelisches und körperliches Gleichgewicht erreicht hat. Nach Epikurs Theorie ist zwischen „katastematischer“123 („zuständlicher“) und „kinetischer“ („bewegter“) Lust zu unterscheiden:124 Erstere ist die göttliche125 Lust, die sich nicht vergrößern lässt, letztere die Lust, die durch Bewegung gestillt wird. Mit dieser Unterscheidung distanziert sich Epikur von Aristippos’ Auffassung: Aristippos von Kyrene und seine Schule behaupteten nämlich, das höchste Gut sei die leibliche Lust und nicht die seelische.126Die Unterscheidung erspart ihm allerdings nicht den Vorwurf, dass die Lust im Mittelpunkt seiner Philosophie des Gartens steht. Aspekte wie das Erreichen eines anzustrebenden Zustands der CWXVCTMGKC,127 das Desinteresse für die Politik128 oder die Thematisierung der Lust auch im Zusammenhang mit dem Leib129 lassen diese Philosophie nach wie vor verdächtig erscheinen; dennoch stieß sie in Rom auf große Akzeptanz bei der römischen Gesellschaft. Die paulinische Vorstellung von UCTZ als Sitz der Affekte ist nach E. Schweizer eine Nachwirkung der epikureischen Lehre, mit der sich Paulus und auch andere Autoren direkt oder indirekt auseinander setzen.130 Ausschließlich bei Epikur und seiner Schule findet sich der Ausdruck MCVC 122 Epikur ist in der Antike für seine Frugalität bekannt. Siehe hierzu die Texte in Usener Frg. 181: D.L. X,11, die Grundnahrung des Menschen ist Wasser und Brot. Sen. Epist. 21,10 berichtet von einem Ort, an dem zu lesen war: „hic summum bonum voluptas est“, ganz im epikureischen Sinne, wo er aber „polenta et aqua“ zu essen bekam, um seinen Hunger zu stillen. Die Schlussfolgerung Senecas ist die Zustimmung zu dieser Vorstellung von Lust: „hoc unum commonefaciam: ista voluptas naturalis est, necessaria.“ 123 Usener Frg. 416: MCK QBB X(RKMQWTQL NGIGK VJP MCVC VJP HWUKP JBBFQPJP MCVCUVJOCVKMJP CWXVJP NGIYP  124 Die Unterscheidung ist bei D.L. X,136, zu finden; als Beispiele für die katastematische Lust gelten CXVCTCZKC und CXRQPKC und für die kinetische Lust ECTC und GWXHTYUWPJ. 125 Der Vergleich mit den Göttern findet sich nach Usener Frg. 602 z.B. bei Sen. Epist. 25,4: „panem et aquam naturae desiderat. Nemo ad pauper est, intra quae quisquis desiderium suum clusit, cum ipso Iove de felicitate contendat, ut at Epicurus“. Dieses bekannte Zeugnis hat dazu geführt, dass in Sent. Vat. 33 das Substantiv 'KK hinzugefügt wurde, was dem Satz einen klareren Sinn verleiht: MCP 'KK WBBRGT GWXFCKOQPKCL OCEGUCKVQ. 126 Die Polemik gegen die Lehre des Aristippos findet sich bei Usener Frg. 449–453, vor allem in Usener Frg. 452 (Lact. Inst. III,7,7): „Epicurus summum bonum in voluptate animi esse censet, Aristippus in voluptate corporis“. 127 Zur Definition der Autarchie siehe Ad Menoeceum, 130. In Gnomologicum vaticanum, 44, ist sie ein Schatz des Weisen, und in Sent. Vat. 77, der Ursprung der Freiheit: 6JL CWXVCTMGKCL MCTRQL OGIKUVQL GXNGWSGTKC. 128 Der Atomismus Epikurs zeigt sich in der Auffassung, dass es keine natürliche Gemeinschaft der Menschen gibt, vgl. Usener Frg. 523–525. 129 Epikur verwendet in den verschiedenen Fragmenten oder erhaltenen Schriften UCTZ und UYOC völlig undifferenziert, und diese Verwendung spiegelt sich auch bei den Autoren wider, die ihn zitieren oder widerlegen. 130 E. Schweizer, Art. UCTZ, ThWNT VII, 104. und ders. Die hellenistischen Komponenten im neutestamentlichen UCTZ-Begriff, 32–34.

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UCTMC im Zusammenhang mit den Affekten.131 Die Affekte entstehen in der Seele, die aber, wie wir schon gesehen haben, ihren Sitz im gesamten Leib hat. UCTZ gilt bei Epikur als materieller Sitz der Affekte und ist nicht, wie bei Paulus, mit einer ganzheitlichen Vorstellung vom Menschen verbunden. An einer Stelle scheint UCTZ allerdings auch bei Epikur eine geistige Funktion zu haben, die der FKCPQKC gegenübergestellt wird und die Grenzenlosigkeit der Lust beinhaltet: „Das Fleisch sieht die Grenzen der Lust als endlos an und unbegrenzt ist die Zeit, in der es sie empfindet. Aber die Vernunft, die die Endlichkeit und die Grenzen des Fleisches verstanden und die Befürchtungen über die Ewigkeit vertrieben hat, ermöglicht ein vollendetes Leben und hat gar kein Bedürfnis mehr nach einer ewigen Zeit“.132 2.5.4 Die Affektenlehre in der römischen Philosophie der Kaiserzeit Die Debatte über die Affekte bei den römischen Philosophen basiert auf einer kritischen Überprüfung aller wichtigen Ansätze der traditionellen griechischen Schulen. Die stoischen Thesen wurden, wie bereits erwähnt, durch Panaitios und Poseidonios vermittelt und an die römische Situation angepasst. Die mittelstoischen Philosophen übernahmen in ihrer Psychologie den platonischen Dualismus und verzichteten auf den streng monistischen Rationalismus des antiken Stoa. Poseidonios vertritt die neuere Auffassung, dass die Seele gemäß der platonischen Sichtweise in zwei Teile gegliedert ist, einen vernünftigen und einen unvernünftigen Teil. Die Affekte sind im Gegensatz zu Zenons und Chrysipps Auffassung keine fehlerhaften Urteile, sondern entstammen dem unvernünftigen Teil der Seele.133 Die Rezeption dieser Theorien fand in der römischen Kaiserzeit wie gesagt über die Vermittlung von Panatios und Poseidonios statt, die die Philosophie der Stoa grundlegend abwandelten. Auch in der Affektenlehre tritt diese Veränderung sehr deutlich zutage, besonders in den Arbeiten von Poseidonios.134 Die neu eingeführte Kategorie zur Definition der Affekte lautet

131 Die Stellen, an denen UCTZ in dieser Wendung vorkommt, sind sehr zahlreich, z.B. in Sent. 3: VQ JBBFQOGPQP MCVC UCTMC. Auch die Polemik Epiktets und Plutarchs bedient sich dieser Wendungen. 132 Epicur. Sent. XX: JB OGP UCTZ CXRGNCDG VC RGTCVC VJL JBBFQPJL CRGKTC MCK CRGKTQL CWXVJP ETQPQL RCTCUMGWCUGP JBB FG FKCPQKC VQW VJL UCTMQL VGNQWL MCK RGTCVQL NCDQWUC VQP GXRKNQIKUOQP MCK VQWL WBBRGT VQW CKXYPQL HQDQWL GXMNWUCUC VQ RCPVGNJ DKQP RCTCUMGWCUG MCK QWXSGP GVK VQW CXRGKTQW ETQPQW RTQUGFGJSJ. 133 Posidon. Frg. 34, WBBRQ VJL SWOQKGFJL VG MCK GXRKSWOJVKMJL FWPCOGYL IKIPGUSCK VC RCSJ 134 Die Forscher sind sich nicht einig über die Frage, inwiefern Poseidonios sich von Chrysipps Lehre distanziert.

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FWPCOKL (Kraft).135 Die Diskussion über die Philosophie des Poseidonios im Fluss, es ist umstritten, inwiefern sich dieser gerade auf dem Gebiet der Affekte von der antiken Stoa distanziert hat. Die Hauptschwierigkeit liegt dabei im Charakter der wichtigsten Quelle der poseidonischen Fragmente, in Galens Werk De placitiis Hippocratis et Platonis, in dem dieser die Gedanken des Poseidonios als Argument gegen die alte Stoa verwendet. K. Reinhardt zufolge übt Galen damit harsche Kritik an Chrysipp, nach dem Mustern von Plutarchs De stoicorum repugnantiis.136 Die Position des Poseidonios wird denn auch klar gegen die Chysipps abgegrenzt. J. FillonLahille erkennt darin ebenfalls Galens Absicht, Chrysipp als Vertreter einer extremen Position darzustellen und Poseidonios als denjenigen, der die neue, wahre Lehre Zenos wiederaufgenommen hat. Unklar bleibt, ob Poseidonios tatsächlich die platonische Ausdrücke der Seele aufgreift.137 Selbst die Annahme der Existenz zweier Energien im Menschen, einer FWPCOKL GXRKSWOJVKMJ und einer FWPCOKL NQIKMJ, zeugt von der Übernahme platonischer Elemente und von einer Erweiterung der Grenzen der verschiedenen Schulen. Die römische Philosophie basiert auf dieser erweiterten Perspektive der Diskussion über die Affekte sowie auf der Suche nach praktischen Hinweisen. Cicero unterzieht in den Tusculanae disputationes alle philosophischen Richtungen über die Affekte einer kritischen Diskussion. Grundsätzlich teilt er die stoische Auffassung von der Notwendigkeit, die Affekte („perturbationes“) zu entwurzeln anstatt sie, wie die Peripatetiker meinten, nur zu mäßigen.138 Nach Cicero ist es ganz und gar unmöglich, den Affekten eine Grenze zu setzen – so wie es unmöglich ist, den Sturz aufzuhalten, wenn man sich aus Leucata hinunterwirft. Für ihn sind die Affekte nicht nützlich, sondern schädlich wie eine Seuche139 und müssen daher völlig beseitigt werden.140 135 Posidon. Frg 152,5–10, QWVG MTKUKL GKPCK VC RCSJ FGKMWYP QWVG GXRKIKPQOGPC MTKUGKUKP CNNC MKPJUGKL VKPCL GXVGTYP FWPCOGYP CXNQIYP C=L QB 2NCVYP YXPQOCUGP GXRKSWOJVKMJP VG MCK SWOQKGFJ. 136 K. Reinhardt, Poseidonios, 263–278. 137 Aus Posidon. Frg. 146 ließe sich ein anderer Schluss ziehen: QBB FG X$TKUVQVGNJL VG MCK QBB 2QUGKFYPKQL GKFG OGP J OGTJ [WEJL QWXM QXPQOC\QWUKP FWPCOGKL GKPCK HCUK OKCL QWXUKCL GXM VJP MCTFKCL QBBTOYOGPJL M. Pohlenz, Die Stoa II,114, schließt sich aber dennoch der Aufteilung der Seele bei Poseidonios an. 138 Cic. Tusc. IV,38, „Quocirca mollis et enervata putenda est Peripateticorum ratio et oratio, qui perturbari animos nocesse dicunt, sed adhibent modum quondam quem ultra progredi non oportet.“ 139 Cic. Tusc. IV,38: „aegritudo autem ceteraeque perturbationes, amplificata certe, pestiferae sunt.“ 140 Cic. Tusc. IV,38: „sunt enim omina ita es errorum orta radicibus, quae evellenda et extrahenda penitus, non circumcidenda nec amputando”. An dieser Stelle kritisiert Cicero die aristoteli-

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Cicero äußert sich allerdings kritisch gegenüber der Methode Chrysipps, die zwar theoretisch sehr solide ist, aber schwer in die Praxis umzusetzen. Letztendlich seien die Stoiker kompetenter in der Unterscheidung und Definition der Affekte als in der Belehrung, wie man sie bekämpfen kann. Es ist nämlich nicht klar, wie die Vernunft die Affekte als falsche Meinungen korrigieren soll, wenn die Vernunft selbst von diesen Affekten betroffen ist.141 Ein ähnlicher Ansatz findet sich in Senecas Werk. Er argumentiert ebenfalls vom Standpunkt der stoischen Philosophie aus, die auf eine völlige Beseitigung der Affekte abzielt. Vor allem der Zorn wird in seiner destruktiven Wirkung dargestellt und erscheint in sehr negativem Licht: Der Zorn ist der schlimmste aller Affekte und lässt sich nicht kontrollieren oder beseitigen. Die Vernunft kann die Affekte nur kontrollieren oder sie bremsen, wenn sie von ihnen frei ist, wenn sie hingegen mit ihnen vermischt ist, ist sie nicht in der Lage, sie unter Kontrolle zu bringen.142 Ciceros Auffassung vertritt auch Seneca. Für ihn gleicht der Versuch, die aufkommenden Affekte zu kontrollieren, der Bemühung, einen herunterfallenden Körper aufzuhalten. Die Lösung liegt für ihn darin, den Zorn sofort bei den ersten Anzeichen zu bekämpfen.143 Eine praktikable Lösung zur Bekämpfung des Zornes ist es, nicht sofort zu reagieren, sondern sich Zeit zum Nachdenken zu nehmen.144 Einige Jahrzehnte später greift Plutarch Aristoteles’ Begriff der OGUQVJL auf, um seine Affektenlehre zu entwerfen.145 Um Einwänden über die Widersprüchlichkeit dieses Prinzips zu begegnen, nach dem auch das gemäßigte Böse immer noch böse bleibt, führt Plutarch das Bild der Musik als Beispiel für die Mischung von Extremen an: In der Musik liegt der richtige Ton zwischen zwei Extremen, einem tiefen und einem hohen Ton, und auch in der Medizin beruht der Zustand der Gesundheit auf der UWOOGVTKC von Kälte und Wärme – nach demselben Prinzip lässt sich auch die Ethik verstehen.146 sche These einer Mäßigung der Affekte, die zum Guten führen kann. Die entscheidende Frage zum aristotelischen Prinzip lautet: „Mediocritates autem malorum quis laudare recte possit?“. Auch die gemäßigte Form des Bösen ist immer noch böse und kann sich nicht ins Gute umkehren. 141 Cic. Tusc. IV,38: „Chrysippi ad veritatem firmissima est, ad tempus aegreditudinis difficilis, Magnum opus est probare maerunti illum suo iudicio, ut si ita putet oportere.“ 142 Sen. Dial. III,7,3: „Deinde ratio ipsa, cui freni traduntur, tam diu potens est quam diu diducta ab adfectibus, si miscuit se illis et inquinavit, non potest continere quos summovere potuisset.“ 143 Sen. Dial. III,8,1: „Optimum est primum inritamentum irae protinus spernere ipsisque repugnare seminibus et dare operam ne incidamus in iram.“ 144 Sen. Dial. IV,29,1: „Maximum remedium irae mora est. Hoc ab illa pete initio, non ut ignoscat sed ut iudicet: graues habet impetus primos; desinet, si expectat.“ 145 Plu. Mor. (De virtute morali) 443c–d: QWX DQWNQOGPQW VQ RCSQL GXZCKTGKP RCPVCRCUKP QWVG ICT FWPCVQP QWV COGKPQP CXNN8 Q=TQP VKPC MCK VCZKP GXRKVKSGPVQL CWXVY^ MCK VCL JXSKMCL CXTGVCL QWXM CXRCSGKCL QWUCL CXNNC UWOOGVTKCL RCSYP MCK OGUQVJVCL 444c: QW=VYL F8 QBBTK\YP VJP RCSJVKMJP MKPJUKP GXORQKGK VCL JSKMCL CXTGVCL RGTK VQ CNQIQP GXNNGK[GYL MCK WBBRGTDQNJL OGUQVJVCL QWUCL 146 Plu. Mor. (De virtute morali) 452a: VQKQWVQP GXP [WEJ^ VQ JXSKMQP GXIIGPQOGPJL WBBRQ NQIQW VCKL RCSJVKMCKL FWPCOGUK MCK MKPJUGUKP GXRKGKMGKCL MCK OGVTKQVJVQL.

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2.5.5 Beispiele für die jüdisch-hellenistische Debatte: Philo und 4. Makkabäer Eine nicht unerhebliche Rolle spielen die Theorien über die Affekte innerhalb des hellenistischen Judentums, besonders in den Werken von Philo und im 4. Makkabäerbuch, das eine Abhandlung über das Thema der Affekte darstellt. Philo ist ein typisches Beispiel für die zu seiner Zeit vorherrschende Tendenz einer eklektischen Behandlung der klassischen philosophischen Affektenlehren, die hier schematisch dargestellt worden sind. Ausgangspunkt seiner Theorie ist die Dreigliederung der Seele gemäß dem platonischen Verständnis und ihre Lokalisierung in drei verschiedenen Körperteilen: Der Logos hat seinen Sitz im Kopf, was seine königliche Herrschaft betonen soll, das Mutige in der Brust und das Sinnliche im Bauch.147 Die Affekte sind Teil des „zweiten Menschen“148 und können sich sogar als nützlich erweisen: Sie gehören zu den Helfern DQJSQK von Gen 2,19 und dienen dem Menschen zur Erhaltung des menschlichen Geschlechtes (JBBFQPJ), als defensive Waffe (QXTIJ) und als Mittel zur Abschreckung (HQDQL und NWRJ).149 Jedoch können diese Verbündeten zu Feinden werden, wenn sie sich ungezähmt und wild gegen den Intellekt wenden. Diese Ambivalenz der Affekte150 begründet die Notwendigkeit, sie zu kontrollieren. Dank eines komplexen Befreiungsprozesses von den Affekten kann Philo beide Lösungen – die der Akademiker und Peripatetiker, die für eine Mäßigung der Affekte waren, und die der Stoiker, die deren vollständige Beseitigung befürworteten – in seinem System151 zu einer Synthese zusammenfassen, die für die Forschung immer noch Probleme aufwirft.152 Das höchste Ziel 147 Dies wird in Philo LA III, 115–116 behandelt. 148 Der Mensch ist im Gegensatz zu Gott, der eine Einheit ist, als komplexes Wesen konzipiert: Er besteht aus [WEJ und UYOC, wobei sich die [WEJ aus einem CNQIQP und einem NQIKMQP zusammensetzt (Philo LA II, 2). Hier ist in jedem Fall, wie Philo selbst bemerkt, die Rede vom „zweiten Menschen“ (II,5). 149 Philo LA II,8. 150 Die Bilder, die Philo zur Definition der Affekte verwendet, sind allerdings alle negativer Natur: Abimelek, das Volk, das die Seele zerrt und würgt und ihr keinen Funken Tugend lässt (Philo LA III, 186), „Sattein“ (Num 25,19), d.h. Dornen (CXMCPSCK), die die Seele stechen, Philo Somn. I,89, oder auch Philo LA III, 248, nach Gen 3,18, oder Tiergestalten wie das Pferd. 151 Die wichtigsten Etappen dieses ethischen Befreiungsprozesses werden von C. Siegfried, Philo von Alexandria, 257–272, sehr deutlich dargestellt. Der Prozess schließt verschiedene Aspekte ein, so etwa die Aufwertung der Erkenntnis durch die OCSJUKL, die sittliche Übung (CUMJUKL), in der das Individuum sich im Kampf gegen die Affekte befindet, und als Vollendung die GWXHWK"C, in dem der Mensch die CXRCSGKC erfährt. 152 Ob nun die OGVTKQRCSGKC nach akademisch-peripatetischem Schema oder die von den Stoikern postulierte CXRCSGKC die Lösung im Kampf gegen die Affekte ist, ist immer noch umstritten. C. Siegfried, Philo von Alexandria, 271, ist der Ansicht, Philo sei im Grunde ein Stoiker, „obwohl er auch hier schwankt, ob völlige CXRCSGKC […] oder OGVTKQRCSGKP der eigentliche tugendhafte Zustand sei“. W. Völker, Fortschritt und Vollendung bei Philo, 304, bemerkt dazu: „bald

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scheint für ihn allerdings in der völligen Befreiung von den Affekten zu liegen,153 in der Leiblosigkeit154 und der Reinheit des Gemüts, durch die man zur Erkenntnis Gottes gelangen kann.155 Das Pferd als Sinnbild der Kontrolle der Affekte, wie es Plato verwendet, entwickelt Philo weiter: Das Pferd selbst repräsentiert für ihn die Affekte und der Reiter den Verstand. Die vier Beine des Pferdes versinnbildlichen die vier Hauptaffekte der stoischen Systematik (HQDQL, GXRKSWOKC, JBBFQPJ und NWRJ). Moses’ Lied in Ex 15, das vom Sieg über die Ägypter und über deren Ertrinken im Roten Meer handelt, führt Philo als Beispiel für die Destruktivität der Affekte an. Ex 15,1 wird folgendermaßen kommentiert: „Die vier Affekte und der elende Intellekt, der von ihnen ins Verderben seiner Werke und in den unendlichen Abgrund geführt wird“.156 Das hier verwendete Adjektiv CSNKQL, beschreibt das Elend des von seinen Affekten besiegten Menschen. Es ist ein wiederkehrender Topos der Affektenlehre, den Zustand des Menschen unter dem Einfluss der Affekte als elend zu bezeichnen. Bei Paulus ist dies ebenfalls der Fall.157 Das Schicksal des Reiters ist es, mit seinem Pferd in den Abgrund zu stürzen. Philo betont die Tatsache, dass im Text CXPCDCVJL und nicht KBBRRGWL steht. Der Ägypter steht für einen Menschen, der sich von den Affekten in den Abgrund reißen lässt, der Reiter hingegen steuert sein Pferd, „und nachdem er aufgestiegen ist, wartet er auf die Rettung des Herrn“.158 Es ist nicht ganz klar, was mit diesem Satz gemeint ist, wahrscheinlich aber soll damit die Vorstellung ausgedrückt werden, dass die CXRCSGKC die Voraussetzung für die Kontemplation ist. In jedem Fall wird dieses Beispiel hier nicht deshalb angeführt, um die Notwendigkeit einer Kontrolle der Affekte zu verdeutlichen, sondern um das Streben nach Apa-

sollen die RCSJ unterdrückt, bald nur auf ein rechtes Maß zurückgeführt werden. Wie man sieht, greift die Spannung zwischen zwei Lebensstilen tiefer in das Innere Philos hinein.“ Die Lösung könnte vielleicht in der Annahme verschiedener Stufen der Erlangung eines tugendhaften Lebens liegen, wobei die höchste Stufe die Kontemplation Gottes ist. Dies sei nur einigen wenigen Menschen gelungen. Diese These wird von P.v. Gemünden, Die urchristliche Taufe und die Affekte, 125, vertreten. 153 Moses kann besser als Aaron die Apathie erlangen. Philo LA III,129, /YWUJL FG Q=NQP VQP SWOQP GXMVGOPGKP MCK CXRQMQRVGKP QKGVCK FGKP VJL [WEJL QWX OGVTKQRCSGKCP CXNNC UWPQNYL CXRCSGKCP CXICRYP Nicht zu übersehen ist allerdings der Widerspruch mit einer anderen Stelle, an der das Gegenteil behauptet wird, Philo Abr. 257: OJVG RNGQP VQW OGVTKQW UHCFC^\GKP OJVG CXRCSGKC VQ FG OGUQP RTQ VYP CMTYP GBBNQOGPQP OGVTKQRCSGKP RGKTCUSCK 154 Ein Beispiel ist Moses Philo LA III,129–130: Moses übertrifft seinen Bruder Aaron, der seine Affekte mäßigen will, während Moses selbst sie vollständig ausreißen will. 155 Ein Beispiel ist Bezalel (Ex 31,2), dessen Name „Schatten Gottes“ bedeutet: Gott schenkt ihm die Weisheit und die Wissenschaft als Architekt des Zeltes. 156 Philo LA II,102, VC VGUUCTC RCSJ MCK VQP GXRQEQWOGPQP CWXVQKL CSNKQP PQWP GKL VJP HSQTCP VYP RTCIOCVYP MCK CXPJPWVQP DWSQP  157 Vgl. Das Ende von Röm 7 VCNCKRYTQL GXIY CPSTYRQL. 158 Philo LA II,104, CXNNC CXRQDCL CWXVYP VJP UYVJTKCP RGTKOGPGK VQW FGURQVQW.

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thie auszudrücken.159 Das Motiv des Reiters wird in De agricultura erneut aufgenommen, um die Notwendigkeit einer Belehrung des Reiters zu betonen. Die destruktiven Folgen der Affekte rufen bei Philo ebenfalls Mitleid für den betroffenen Menschen hervor. Die Affekte haben eine destruktive Wirkung auf den Menschen selbst: „Der Reiter aber kann es nicht fassen, was ihm Halt bietet; er fällt herunter, schlägt sich die Knie, Hände und Gesicht auf und klagt sich – der Unselige! – sein eigenes Missgeschick an; ja kommt es vor, dass er mit den Füßen am Wagen hängen bleibt, […] dann herumschleudert und an alles unterwegs anschlagend, den qualvollesten Tod erleidet“.160 Ein Aspekt der philonischen Lehre ist die Hilfe, die Gott den Menschen im Kampf gegen die Affekte anbietet. Dabei handelt es sich nicht um einen direkten Eingriff, sondern um die Funktion des PQWL, mit dem der Mensch ausgestattet ist. Das vierte Buch der Makkabäer bietet ein weiteres Beispiel für die Affektendiskussion im hellenistischen Judentum. Die immer wieder betonte Kernaussage dieses Buches ist die Fähigkeit des NQIKUOQL 161 die Affekte zu beherrschen, was gleich der erste Vers verdeutlicht: GKX CWXVQFGURQVQL GXUVKP VYP RCSYP QB GWXUGDJL NQIKUOQL. Der Text selbst ist als philosophisches Traktat konzipiert. Das Thema wird unter Übernahme von Begriffen aus der griechischen Philosophie sowie der platonischen und stoischen Schule entwickelt. Schon bei der Formulierung des Themas ist der platonischaristotelische Ansatz erkennbar, obwohl auch die stoische Terminologie in der Klassifikation der Affekte präsent ist. Man kann sagen, dass dies Buch im eklektischen Stil seiner Zeit geschrieben ist. Die Bevorzugung der platonischen und aristotelischen gegenüber der stoischen Lösung wird in 3,2–5 deutlich, wo die Entscheidung für die Mäßigung der Affekte162 und nicht für die stoische CXRCSGKC klar zum Ausdruck kommt: QKQP GXRKSWOKCP VKL QWX FWPCVCK GXMMQ[CK JBOYP CXNNC OJ FQWNYSJPCK VJ^ GXRKSWOKC^ FWPCVCK QB NQIKUOQL RCTCUEGUSCK SWOQP VKL QWX FWPCVCK GXMMQ[CK WBOYP VJL [WEJL CXNNC VY^ SWOY^ FWPCVQP VQP NQIKUOQP DQJSJUCK MCMQJSGKCP VKL JBOYP QWX FWPCVCK GXMMQ[CK CXNNC VQ OJ MCOHSJPCK VJ^ MCMQJSGKC^ FWPCKV8 C P QB NQIKUOQL UWOOCEJUCK QWX ICT GXMTK\YVJL VYP RCSYP QB NQIKUOQL GXUVKP CXNNC CXPVCIYPKUVJL163

159 Vgl. Philo LA II, 102, GCXP ICT CXRCSGKC MCVCUEJ^ VJP [WEJP VGNGYL GWXFCKOQPJUGK. 160 Philo Agr. 75, deutsche Übersetzung von L. Cohen u. a., 126–127. Der Ausdruck QBB FGKNCKQL betont das Elend des Menschen, der unter dem Einfluss der Affekte steht. Sein Schicksal ist am Ende der Tod. 161 Statistisch wird das Wort NQIKUOQL fast ausschließlich in diesem Werk verwendet. 162 Als weitere Metapher wird hier die Gartenarbeit angeführt: Die Affekte werden beschnitten, vgl 2,9–14. 163 4Makk 3,2–5: „Niemand kann eine solche Begierde von uns abscheiden, aber nicht versklavt zu werden, das kann der Verstand schaffen. Den Zorn kann wohl keiner aus der Seele entfernen, aber der Verstand ist fähig, dem Zorn abzuhelfen. Die Bosheit kann von keinem von

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Wichtig für den Vergleich mit Paulus ist die Rolle des Gesetzes im Kampf gegen die Affekte. Der Verstand verfügt über die UQHKC, die sich aus der VQW PQOQW RCKFGKC ableitet, und ermöglicht die Erkenntnis der göttlichen und menschlichen Dinge. Die Mitwirkung des NQIKUOQL und des PQOQL wird durch eine optimistische Vorstellung vom menschlichen Handeln ermöglicht, Habgier, Geiz und sogar Feindschaft werden durch das Gesetz erfolgreich bekämpft: MCK OJ PQOKUJVG RCTCFQZQP GKPCK Q=RQW MCK GESTCL GXRKMTCVGKP QB NQIKUOQL FWPCVCK FKC VQP PQOQP (4Makk 2,14). Das Gesetz gilt als logisches Argument für die Vorstellung, dass sich die Affekte durch den Verstand kontrollieren lassen. Die absolute Formulierung des Verbots QWXM GXRKSWOJUGKL zeigt, dass das Individuum sehr wohl in der Lage ist, den Affekten Widerstand zu leisten. Das Gebot selbst und dessen Erfüllbarkeit wird nicht in Frage gestellt, es wird vielmehr als Hilfsmittel im Kampf gegen die Affekte betrachtet.164 Das Thema des Gesetzes wird in der Beschreibung des Märtyrertodes Eleazars erneut aufgegriffen. Der Dialog zwischen Antiochus und Eleazar ist im Stil einer Diatribe gestaltet, die die Hauptvorwürfe gegen die jüdischen Nahrungsgesetze anführt, und beinhaltet zugleich den Anspruch des hellenistischen Judentums, als Philosophie anerkannt zu werden. Der Vorwurf des Antiochus richtet sich gegen das Verbot des Verzehrs von Schweinefleisch, das doch ein Geschenk der Natur ist. Die Rede des Eleazar, ein Meisterwerk der Apologie, hält Antiochus Behauptung, dass die jüdische Philosophie gegen die Vernunft sei, die Tatsache entgegen, dass diese die UYHTQUWPJ und den Widerstand gegen die Affekte lehrt.165 Der Vorwurf hinsichtlich des Verbots von Schweinefleisch wird mithilfe der stoischen Terminologie zurückgewiesen: Gott als Schöpfer hat ein Gesetz MCVC HWUKP gegeben und sein Verbot entspricht der Seele des Menschen.166 Es ist daher tyrannisch den Menschen dazu zu zwingen, nicht MCVC HWUKP zu leben. Die Erzählung über den Märtyrertod der sieben Brüder und der Mutter gilt als Paradebeispiel für die Ansicht, dass QBB NQIKU OQL in der Lage ist, den Affekten zu widerstehen. Im Mittelpunkt steht das uns entfernt werden, aber der Verstand kann nicht vor der Bosheit auf die Knie fallen, sondern er ist fähig, sie zu bekämpfen. Der Verstand ist nicht ein Entwurzler der Affekte, sondern deren Gegenkämpfer“. Diese Stelle enthält eine mannigfaltige Metaphorik. Wichtig für die paulinischen Stelle ist die Vorstellung, dass die Begierde den Menschen versklaven können. Das erklärt auch die passende Sklavenmetaphorik bei Paulus. 164 Sehr deutlich ist in dieser Hinsicht 4Makk 2,6: Q=VG OJ GXRKSWOGKP GKTJMGP JBOCL QB PQOQL RQNW RNGQP RGKUCKO8 C P WBOCL Q=VK VYP GXRKSWOKYP MTCVGKP FWPCVCK QB NQIKUOQL Y=URGT MCK VYP MYNWVKMYP VJL FKMCKQUWPJL RCSYP 165 Vgl. 5,22–23: ENGWC\GKL FG JBOYP VJP HKNQUQHKCP Y=URGT QWX OGVC GWXNQIKUVKCL GXP CWXVJ^ DKQWPVYPUYHTQUWPJP VG ICT JBOCL GXMFKFCUMGK Y=UVG RCUYP VYP JBFQPYP MCK GXRKSWOKYP MTCVGKP MCK CXPFTGKCP GXZCUMGK Y=UVG RCPVC RQPQP GBMQWUKYL WBRQOGPGKP  166 Vgl. 5,26. Das Argument bei M.A. Jackson-McCabe, Logos and Law, 101–103, vgl. H. J. Klauck, 4. Makkabäerbuch, 712, ist: „Weil Gott Physis und Nomos geschaffen hat, müssen beide in Einklang stehen, und wer nach dem Gesetz lebt, der lebt naturgemäß.“

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das Gesetz, das von Gott als Maßstab für die Vernunft und als Mittel gegen die Leidenschaften gegeben wurde. In der Erzählung werden nun drei Typen dargestellt: der Greis, der Jugendliche und die Frau. Für jeden der drei Typen hat die Leidenschaft ein anderes Gesicht, aber für alle ist das Gesetz das Mittel, mit dessen Hilfe sich die Urteilskraft gegen die Affekte durchsetzen kann. Die zentrale Beobachtung bei diesem Beispiel ist, dass das hellenistische Judentum sich als Philosophie darstellt, deren höchstes Ziel die Beseitigung der Destruktivität der Affekte ist. Das zeigt, wie wichtig das Thema der Affektenlehre auch innerhalb des Judentums ist. Das Gesetz fügte sich in dies philosophische Schema sehr gut ein. 2.6 UCTZ und die Affekte bei Paulus: Das Medea-Motiv Paulus sieht sich angesichts der Diskussion über die Grenzen der Gesetzeserfüllung gezwungen, ein völliges neues Schema zu entwerfen. Anhand der dargestellten ethischen Theorien der Antike lässt sich eine Bewertung der paulinischen Vorstellung von den Affekten vornehmen. Das Ziel dieser Untersuchung lässt sich wie folgt formulieren: Da die Affekte bei Paulus eine konkrete Erscheinung der UCTZ sind, kann eine Überlegung zur Wirkung und Vorstellung der Affekte einen Beitrag zur Definition von UCTZ leisten oder zumindest einen bisher noch kaum erforschten Zusammenhang aufzeigen. Methodisch soll die Bewertung des paulinischen Materials zu diesem Thema in zwei Schritten erfolgen: Zunächst sollen die Aussagen in diesem Text und in Gal 5 ausgelegt werden, anschließend sollen dann die weiteren Texte zu den Affekten analysiert werden, um einen Überblick über die Thematik zu gewinnen, auch was den Stellenwert von UCTZ betrifft. Für unseren Text ist auf das Verdienst der Untersuchungen von G. Theißen hinzuweisen. Er hat in seiner psychologischen Analyse der paulinischen Theologie gezeigt, dass dem Konflikt oder gar Widerspruch zwischen Erkennen, Wollen und Handeln ein bekanntes Motiv der antiken Ethik zugrunde liegt, das den Zustand beschreibt, in dem der Mensch von seinen Affekten beherrscht wird. Dieser Widerspruch prägt in besonderem Maße den Inhalt von Röm 7,15–24 und kommt durch die zwei einleitenden Verse zum Ausdruck: 7,15 Q? ICT MCVGTIC\QOCK QWX IKPYUMY> QWX ICT Q? SGNY VQWVQ RTCUUY CXNN Q? OKUY VQWVQ RQKY und 7,19 QWX ICT Q? SGNY RQKY CXICSQP CXNN8 Q? QWX SGNY MCMQP VQWVQ RTCUUY. In den folgenden Versen wird dies weiter vertieft.167 Das Motiv steht in einer literarischen Tradition, deren Ursprung 167 G. Theißen, Psychologische Aspekte, 214–223. Anhand der Belege H. Hommels in seiner Studie über die Traditionen von Röm 7 zeigt Theißen die Aufnahme eines weit verbreiteten

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im Ausdruck einer innerlichen Spaltung in Euripides’ Tragödie Medea zu suchen ist. Im Euripides behandelt den inneren Konflikt einer Frau, die wegen der Untreue ihres Mannes Jason eine außerordentlich schreckliche Tat begeht, die Tötung ihrer eigenen Kinder:168 EYTGKVG EYTGKV8 QWXMGV8 GKXOK RTQUDNGRGKP QK=C VG RTQL WBBOCL CXNNC PKMYOCK MCMQKL MCK OCPSCPY OGP QKC FTCP OGNNY MCMC  SWOQL FG MTGKUUYP VYP GXOYP DQWNGWOCVYP Q=URGT OGIKUVYP CKVKQL MCMYP DTQVQKL.169

Euripides will damit das menschliche Drama darstellen, bei dem das Böse nicht ohne einen tiefen inneren Konflikt geschieht: Der Mensch weiß zwar, was gut oder böse ist, aber aus Trägheit oder Lust bevorzugt er in manchen Fällen das Böse. Möglich ist auch, dass bei Euripides bereits die Krise zur Sprache kommt, die durch ein Erkennen der notwendigen Wirkung einer bestimmten Handlung ausgelöst wird. Diese Vorstellung von einer Zweiteilung in Wollen und Handeln, die in der römisch-hellenistischen Literatur weit verbreitet ist,170 gewinnt auch in der Ethik an Bedeutung.171 Eine wichMotivs bei Paulus. Er schließt daraus, dass Paulus den Topos des Widerspruchs zwischen Wollen und Tun aufgreift: (221) „Paulus ist im Zusammenhang der antiken Reflexion von Wollen und Tun zu sehen“. Theißens Ansatz ist m.E. entscheidend nicht nur für die Entschlüsselung dieser psychologischen Konflikte im Text, sondern auch für den gesamten Diskurs über die Affekte bei Paulus und ihre Überwindung und insbesondere für den Diskurs über die UCTZ. Dies zu entschlüsseln ist das Anliegen dieses Abschnitts. 168 Die Meinung H. Hommels, Das 7. Kapitel des Römerbriefs, 107, dass die Stelle die „Entdeckung vom Gespaltensein der menschlichen Existenz und zugleich die Entdeckung des radikalen Bösen im Menschen“ darstellt, ist m.E. nicht korrekt. Die hier dargestellte Spaltung bleibt aus griechischer Perspektive ein Merkmal der Anthropologie, die durch die zentrale Rolle der Vernunft und deren Herrschaft über das Handeln immer im optimistischen Rahmen der Selbstbeherrschung bleibt. Paulus vertritt im Gegensatz dazu eine pessimistische Anthropologie. 169 E. Med. 1076–1080. „Geht, geht! Ich kann Euch nicht mehr ansehen. Ich bin nämlich von bösen Dingen besiegt. Ich merke zwar, welch böse Dinge ich mich anschicke zu tun, der Zorn aber ist stärker als mein Deken. Aus ihm entstehen den Menschen die schlimmsten Leiden.“ 170 Bekannte Beispiele sind Plaut. Trin. 656–658 und Ov. Met. VII,17–21: „si possem, sanior essem, sed trahit invitam nova vis, aliudque cupido, mens aliud suadet: video meliora probosque, deteriora sequor.“ Die römischen Autoren geben Medea eine konkretere Gestalt: Bei Ovid durchlebt sie einen Konflikt zwischen zwei Leidenschaften, und bei Seneca wird sie in der Tragödie von Beginn an als Verbrecherin mit aufbrausendem Charakter dargestellt, vgl. von Bendemann, R., Die kritische Diastase von Wissen, Wollen, Handeln, 50–51. Wichtig für Senecas Medea ist folgendes Zitat: „Medea ist dabei anders als bei Euripides bereits früh im Stück als die Verbrecherin gezeigt, vor deren vergangenen scelera auch Jason sich fürchten muß“. Die stoische Rezeption dieses Motivs hingegen enthält kein moralisches Urteil, diese wollen vielmehr beweisen, dass der Mensch, wenn er eine frevlerische Tat begeht, von einem falschen Urteil in die Irre geführt wird. 171 G. Theißen, Psychologische Aspekte, 223, zeigt anhand einer Analyse zahlreicher Belege des Medea-Motivs, dass ein Widerspruch zwischen einer (subjektiv) guten Absicht und einer (objektiv) bösen Folge zugrunde liegt. Nach Theißen hat Paulus das traditionelle Motiv, nach dem „eine Außerkraftsetzung bewusst festgehaltener Normen beim Ansturm der Affekte“ erfolgt, neu

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tige Rolle spielt bei diesem Prozess die Vermittlung Chrysipps, der die oben genannte Stelle bei Euripides in seiner Affektenlehre zitiert. Durch Chrysipp wurde also einem literarischen Zitat philosophische Relevanz zuerkannt, die in der weiteren Debatte über die Affekte beibehalten wurde. Dass der altstoische Philosoph zahlreiche Zitate aus der Literatur, insbesondere aus Homer und aus Euripides, in die Argumentation seiner Bücher über die Affektenlehre einfließen ließ, war in der Antike bekannt.172 Das Medea-Zitat hat Chrysipp vermutlich als Beweis dafür angeführt, dass die Affekte zu einem falschen Urteil führen. Galen, aus dessen Werk diese Thesen Chrysipps entnommen wurden, gibt den Gedankengang des altstoischen Philosophen nicht klar wieder, er versucht vielmehr, das Medea-Zitat als Argument für seine dualistische Psychologie heranzuziehen. Nach Galen zeugt nämlich der innere Zwiespalt Medeas vom Wirken „unvernünftiger Kräfte“ beim Entstehen der Affekte, was die Zweiteilung der Seele in einen vernünftigen und einen unvernünftigen Teil voraussetzt.173 Galen setzt nicht nur Chrysipps Monismus den Dualismus vernünftig – unvernünftig entgegen, sondern kritisiert auch die fehlerhafte Unterscheidung von Griechen und Barbaren – eine Unterscheidung, die aus der optimistischen Perspektive eines griechischen Gelehrten unvorstellbar wäre. Galen betont ausdrücklich, dass Euripides diese zornige Reaktion nur den Ungebildeten und Barbaren zugeschrieben hat und sie daher nicht verallgemeinert werden kann. Für Barbaren gilt nämlich, dass sie nicht den Affekten nicht widerstehen können, während die Griechen durch ihre Erziehung stets in der Lage sind, die Affekte zu besiegen.174 Chrysipps Fehler besteht Galen zufolge darin, das interpretiert als einen „Konflikt zweier Gesetze, die gegeneinander spielen.“ Die Rede von den Affekten verbindet die beiden zugrunde liegenden Traditionen, den Sündenfall Adams und das Medea-Motiv. In diesem Kapitel wird ausgehend von den Schlussfolgerungen Theißens aus argumentiert. Zentral ist dabei die Annahme, dass das Medea-Motiv bei Paulus kein bloßes literarisches Zitat darstellt, sondern dass der Hintergrund der paulinischen Argumentation vielmehr eine allgemeine Betrachtung zur Problematik der Affekte und der Gesetzerfüllung ist, was die Frage der paulinischen Behandlung der Affekte in den Mittelpunkt rückt. 172 In der Tat gibt es dafür zahlreiche Belege, hier sei lediglich ein Zitat aus D. L. VII,180, angeführt, in dem Chrysipp für seine umfangreiche literarische Produktion und seine zahlreichen Bearbeitungen literarischer Stoffe gelobt wird. Besonders Euripides’ Medea ist in seinen Werken beinahe vollständig vertreten – eines seiner Werke wurde sogar als die „Medea von Chrysipp“ (&TWUKRRQW /JFGKC) tituliert. Eben diesen Aspekt nimmt Galen zum Anlass für seine Polemik. 173 Dreimal zitiert Galen in seinem Werk De placitis Hippocratis et Platonis die Stelle aus Euripides’ Medea (zur Polemik gegen Chrysipp in IV, 6,19). Er betont die Verwendung des Verbs OCPSCPGKP bei Euripides, das auf das Zusammenspiel zweier Prinzipien (CXTECK), eines vernünftigen und eines unvernünftigen, verweist: IV,6,21: VQ FG IKPYUMGK OGP CWXVQ PKMCUSCK F8 WBBRQ VQW SWOQW VK CNNQ GXUVKP J FWQ CXTECL GKXUCIQPVQL CXPSTYRQW VYP VJL /JFGKCL QBBTOYP […] J=VKL GXUVKP JBB NQIKMJ FWPCOKL GBBVGTCP F8 CNQIQP JL GTIQP VQ SWOQWUSCK. Ähnliche Argumente führt Galen in III,3,16ff und IV,6,19–26 an. 174 Galen De placitis Hippocratis et Platonis, III,3,18: DCTDCTYP OGP ICT MCK CXRCKFGWVYP CXPSTYRYP GSGVQ RCTCFGKIOC VJP /JFGKCP (WXTKRKFJL QKL QBB SWOQL KBBUEWTQVGTQL VQW NQIKUOQW

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Beispiel der Medea als allgemeingültig zu setzen und nicht das Beispiel von Odysseus, der seinerseits den Affekten widerstehen und sie schließlich besiegen kann. Das stoische Modell, bei dem die Affekte als Urteile verstanden werden, enthält keine solche ethnische, partikularistische Unterscheidung zwischen Griechen und Barbaren, zwischen Gelehrten und Ungelehrten. Interessant ist die Beobachtung, dass auch Paulus zu Beginn seines Briefes jegliche partikularistische Unterscheidung zwischen Juden und Heiden verwirft und nur das Humanum vor dem Hintergrund der Realität der UCTZ betrachtet. Der Fall der Medea wird auch von Epiktet aufgegriffen. Epiktet ist in diesem Zusammenhang von großer Bedeutung, weil er die altstoische Vorstellung von den Affekten vertritt175 und daher die These Chrysipps besser vermitteln kann als die kritische Abhandlung Galens. Die Rede Epiktets basiert auf dem kognitiven Prinzip, nach dem der Intellekt notwendigerweise billigt, was wahr ist, und ablehnt, was falsch ist. Der Fall der Medea zeigt eine Grenzsituation, bei der eine falsche Vorstellung gebilligt wird. Das Euripides-Zitat wird in diesem Kontext angeführt, um Chrysipps These zu stützen, dass die Affekte im Grunde ein falsches Urteil sind: Medea begeht die grausame Tat, weil sie die Rache an ihrem Ehemann und den Ausdruck ihres Zornes der Rettung ihre Kinder vorzieht. Die falsche Meinung erscheint ihr nützlicher, weil sie sich täuscht.176 Für Epiktet ist die Tatsache, dass Medea von einer falschen Meinung getäuscht wird, ein Grund, sie für VCNCKRYTQL zu halten und kein Grund sie zu verdammen.177 Man soll vielmehr Mitleid mit ihr empfinden, wie für einen Blinden (YBBL VQWL VWHNQWL GXNGQWOGP). Die Verwendung der beiden Begriffe GXZCRCVCY und VCNCKRYTQL entspricht der Vorstellung der stoischen Affektenlehre. Von einer Täuschung zu sprechen bedeutet, bei den Affekten die Erkenntnisfähigkeit und die Urteilskraft des Menschen mit einzubeziehen und nicht das Irrationale für das Handeln des Menschen verantwortlich zu machen. Der Begriff VCNCKRYTQL, der die Situation des von seinen Affekten dominierten Menschen bezeichnet, beinhaltet die Überwindung der elitären Unter-

B(NNJPYP FG MCK RGRCKFGWOGPYP QKQP RGT CW RCNKP QBB RQKJVJL WBBRGSGVQ VQP 1FWUUGC MTGKVVYP QBB NQIKUOQL VQW SWOQW. 175 A. Bonhöffer, Epictet und die Stoa, 278, „Epictets Ansicht über das Wesen und den Ursprung der RCSJ entspricht vollständig den Anschauungen der alten, echten Stoa“. 176 Epict. Diss. I,28,7–8: Q=VK CWXVQ VQWVQ VY^ SWOY^ ECTKUCUSCK MCK VKOYTJUCUSCK VQP CPFTC UWOHQTYVGTQP JBBIGKVCK VQW UYUCK VC VGMPC PCK> CXNN8 GXZJRCVJVCK 177 Epict. Diss. I,28,9: VK QWP ECNCRCKPGKL CWXVJ^ Q=VK RGRNCPJVCK JBB VCNCKRYTQL RGTK VYP OGIKUVYP MCK GEKL CXPVK CXPSTYRQP IGIQPGP 178 Es ist schon erwähnt worden, dass diese Bezeichnung zum Topos der Affektendiskussion gehört. Und das zeigt unter anderem, dass Paulus im Stil eines Diskurses über die Affekte schreibt. Als Beispiel anzuführen ist zudem der verzweifelte Schrei eines zügellosen Sohnes in Cic. Tusc.

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scheidung von Vernünftigem und Unvernünftigem, von Griechen und Barbaren, wie sie im Platonismus üblich ist. Obwohl die stoischen und die platonischen Autoren sich stark voneinander unterscheiden, teilen sie doch die Auffassung, dass der Mensch in der Lage ist, die Affekte zu überwinden: Für die Stoiker ist das Mittel dazu die Überwindung der falsche Vorstellung durch rationale Einsicht, für die Platoniker die Mäßigung und Nutzbarmachung der Affekte und des irrationalen Teils der Seele durch den NQIKUOQL. Auch das Vorkommen von VCNCKRYTQL bei Paulus ist ein Indiz für die Übernahme eines Begriffs aus der Affektenlehre: Es finden sich wichtige Belege, in denen der Begriff im Zusammenhang mit der Diskussion über die Affekte verwendet wird. Aber bei Paulus gewinnt das literarische Drama der Medea eine besondere Tragik: Ihm zufolge ist der Mensch nicht in der Lage den Widerspruch von Wollen und Handeln aus eigener Kraft zu überwinden. Auf die Frage „wer bin ich?“, antwortet Epiktet: VCNCKRYTQP CXPSTYRCTKQP MCK VC FWUVJPC OQW UCTMKFKC VY^ OGP QPVK FWUVJPC. Doch sieht er die Lösung des Dramas in der Existenz eines höheren Teiles im Menschen, eines Prinzips, das die Körperlichkeit übertrifft. So lautet der Schluss: „Obwohl du tatsächlich arm bist, hast du etwas besseres als dieses Fleisch“. Im Gegensatz zur stoischen Vorstellung reicht es bei Paulus nicht aus, eine korrekte Einsicht zu gewinnen, um gerecht zu handeln.180 Die Affekte und ihre Destruktivität betreffen alle Menschen jenseits aller ethnischen und kulturellen Barrieren, weil sie in der UCTZ als universelle Größe verankert sind. Und was das Individuum betrifft, so ist es als Ganzes „fleischlich“, ohne dass man einen einzelnen Teil oder eine höhere Fähigkeit ausmachen könnte. Das Vorkommen von GXZCRCVCY und VCNCKRYTQL in Röm 7 setzt die stoische Vorstellung voraus, wobei die Lösung allerdings nicht in der erlösenden Funktion der Vernunft gesehen wird, sondern in der Erlösung durch Jesus Christus. Das Verb GXZCRCVCY lässt sich hier auf zweifache Weise interpretieren. Außer der eben genannten Verbindung mit der Diskussion über die Affekte und ihre Entstehung im jüdischen Milieu drückt es die Verführung zur Sünde aus – wie an folgender Stelle aus dem Buch von Susanna deutlich wird:181 VQ MCNNQL GXZJRCVJUGP UG MCK JBB GXRKSWOKC FKGUVTG[GP VJP MCTFKCP UQW – und insbesondere die Verführung, die durch IV,45: „nam cum dissolutus filius: ‚heu me miserum!‘“ Diese negative Konnotation ist ein Mittel zur Vermeidung der Knechtschaft der Affekte. 179 Epict. Diss. I,3,5–6: „VK ICT GKXOK VCNCKRYTQP CXPSTYRCTKQP“ MCK „VC FWUVGPC OQW UCTMKFKC“ 6Y^ OGP QPVK FWUVGPC CXNNC GEGKL VK MCK MTGKUUQP VYP UCTMKFKYP. 180 R. von Bendemann, Die kritische Diastase von Wissen, Wollen, Handeln, 60: „Paulus widerspricht in Röm 7 nachdrücklich der stoischen These von einem ‚ungehinderten Menschen‘ (CXMYNWVQL CPSTYRQL), der sein Wissen, Wollen und Handeln souverän in Einklang bringen kann“. 181 Sus 56 (3).

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die Sünde Adams verursacht wurde. Dass Paulus ebenfalls auf dieses Motiv aus Gen 3 zurückgreift, belegt das Vorkommen des Verbs CXRCVCY in 2Kor 11,3 zur Beschreibung der Verführung Evas durch die Schlange: YBL QB QHKL GXZJRCVJUGP (W=CP GXP VJ^ RCPQWTIKC^ CWXVQW. Philo verbindet den Genesisbericht über den Fall Adams in seinem Kommentar zu Gottes Fluch gegen die Schlange mit einer Wahrnehmungstheorie: Die Schlange gleicht der Lust, die den Menschen täuscht.182 Die Täuschung (GXZCRCVCY) wiederum bewirkt beim Menschen eine Verwechslung (CXNNCUUY)183 des Guten mit dem Bösen: „In Wirklichkeit weiß aber die Lust die Seele zu täuschen, dass sie sie zwingt, blinden Führern zu folgen, indem sie sie verleitet und überredet, für böse Dinge die Tugend einzutauschen und die Harmlosigkeit hinzugeben für Schlechtigkeiten“.184 Im Fall des Genesisberichts bewirkt diese Verwechslung die Verkehrung der Bedeutung des Lebensbaumes in das Gegenteil: Er wird zum „Todesbaum“. Der Lebensbaum verkörpert nach Philo eine Grenze, einen Hüter der Tugend und ein von Gott aufgestelltes Gesetz für die Seele: Q=TQP ICT GSJMG MCK PQOQP QBB SGQL VJP CXTGVJP VJ^ [WEJ^ VQ \YJL ZWNQP> VQWVQ FG OGVCVGSGKMGP QB RJZCL Q=TQP MCMKCP ZWNQP SCPCVQW.

Im oben genannten Zusammenhang erweist sich Philos Text als sehr wichtig. Es ist einerseits die Rede vom Baum der Erkenntnis im Garten Eden in einer allgemeinen Diskussion über die Affekte. Der Baum ist eine Grenze für die Seele zur Erlangung der Tugend, „aber die Wollust, der Affekt schlechthin, bringt den Fluch, nimmt die Grenze der Seele weg und macht diese statt einer Liebhaberin der Tugend zu einer Liebhaberin der Affekte“186. Aufschlussreich ist außerdem, dass bei Philo das Verbot als PQOQL bezeichnet wird. Vermieden wird es allerdings, den Baum im Garten Eden187 bzw. das Gesetz negativ zu konnotieren,, indem man ihn bzw, es 182 Philo LA III,109: VJP QWP RJTCP CKUSJUKL VJL VYP RTCIOCVYP CXPVKNJ[GYL GXZJRCVGMGP […] GXRK VQ GXMVQL CKXUSJVQP CXICIQWUC MCK NKEPQP CWXVJP CXRGTICUCOGPJ VQW GBBCWVJL RQKJVKMQW. Bei Philo findet man auch ein anderes stoisches Element, das Motiv der Blindheit, das bei Paulus nicht vorkommt. 183 Philo nimmt die Stelle von Lev 27, 33 auf, an der eben diese Verwechslung des Guten mit dem Bösen verboten wird. 184 Philo LA III,110, übers. von I. Heinemann, (Philo von Alexandria, Die Werke in deutscher Übersetzung), 121. 185 Philo LA III,107 „Denn Gott hat eine Grenze errichtet und ein Gesetz für die Seele, um die Tugend zu erlangen: Den Baum des Lebens. Dieser ist entfernt worden von demjenigen, der die Grenze hinsichtlich des Bösen gesetzt hat: Den Baum des Todes.“ 186 Philo LA III, 107: QW=VYL MCVCTCL JBBFQPJ VQ RCSQL JBB OGVCSGKUC VQWL Q=TQWL VJL [WEJL MCK MCVCUMGWCUCUC CWXVJP CPVK )KNCTGVQW HKNQRCSJ  187 Der Zusammenhang von Lebensbaum und Gesetz ist oft in der jüdischen Literatur feststellbar. Vgl dazu H. Lichtenberger, Das Ich Adams, 225–240. Wichtig ist, was Lichtenberger über den Vergleich der zwei Größen in Targum Neofiti sagt: „Die Tora wird hier mit dem Lebens-

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gleichzeitig als Tod stiftend ansieht. Philo fügt hinzu, dass jemand die von Gott gesetzte Grenze beseitigt hat und stattdessen einen „Grenzpfeiler des Bösen“ setzt. Das maskuline, pronominal gebrauchte Partizip QB RJZCL bezieht sich auf den vorher zitierten QHKL. Diese Umschreibung fehlt in der Genesis, wo nicht vom Pflanzen eines zweiten Baums die Rede ist, sondern von einem einzigen Baum, der destruktiv wirkt. Bei Philo ist die destruktive Kraft eindeutig von Außen eingeführt, aber auch die Wollust hebt die Begrenzung auf. Paulus befindet sich im gleichen Dilemma: Die Sünde ist die personifizierte Macht, die den Menschen verführt, aber auch die in ihm wirkenden Begierden sind destruktiv. Es ist nahe liegend, dass Paulus diese Tradition des Verbots im Garten Eden aufnimmt, die jedenfalls die Beziehung zwischen Mensch und Verbot thematisiert und zumindest den Verdacht zum Ausdruck bringt, das zur Konstruktivität gestiftete Gesetz enthalte ein destruktives Potenzial. Paulus nützt diesen in der Erzählung enthaltenen Verdacht und lässt ihn sogar zu Wort kommen durch den Satz MCK GWBTGSJ OQK JB GXPVQNJ JB GKXL \YJP CW=VJ GKXL SCPCVQP (Röm 7,10). Die Unanwendbarkeit des Gesetzes wird postuliert, obwohl es formell für gut und heilig erklärt wird. Durch die Annahme, es existiere ein „zweiter Baum“, bestätigt Philo, dass die Erzählung die Ambivalenz des Gesetzes zwischen Konstruktivität und Destruktivität andeutet. In den folgenden Abschnitten der Legum allegoriae wird das Thema der Affekte anhand eines Zitates aus Gen 3,14 behandelt, nach dem die Schlange dazu verdammt ist, auf dem Bauch zu kriechen. Die Beziehung zwischen der Schlange, die nach Philo die Lust symbolisiert, und dem Bauch nimmt er zum Anlass für eine Abhandlung über die Lokalisierung der Affekte und die Ausdruck der Seele nach platonischer Sicht. Bei Paulus werden zwei unterschiedliche Motive, die Adamssünde und die Diastase von Wissen, Wollen und Handeln, in der Thematik der Affekte miteinander verbunden. Die Affekte täuschen die menschliche Vernunft und berauben sie ihrer Wirkung, sodass sie für den Menschen destruktiv werden. Das Gesetz kann kein Gegenmittel gegen die Affekte und ihre Destruktivität sein, es kann vielmehr, wie im Falle Adams, die Destruktivität bis zum Tode steigern. Die autodestruktive Wirkung der Affekte und der Sünde konkretisiert sich im Zustand der UYOC VQW SCPCVQW VQWVQW. Die Anklänge an die Adamssünde in Röm 7,7–13 werden durch Verweise auf Paulus’ persönliche Situation bereichert, die, wie im Folgenden gezeigt wird, sein Leben als destruktiver Pharisäer und Verfolger betreffen: Ein weiterer Beleg dafür, dass das Gesetz die Affekte nicht bekämpfen kann, sondern zum Tode führt. baum nicht unmittelbar identifiziert; behauptet wird vielmehr die Gleichheit in ihrer Funktion: Die Lebensquelle, die Adam durch seine Vertreibung aus dem Paradies verloren ging, hat Israel in Gestalt seines Gesetztes zurückerhalten.“ (225)

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2.7 GZY CPSTYRQL und GUY CPSTYRQL In Röm 7,22 verwendet Paulus den anthropologischen Begriff des e;sw CPSTYRQL, der sich auf das Gesetz freut, das aber unwirksam bleibt. Für die Begriffsbestimmung kommen zwei mögliche Bereiche in Frage: erstens die hellenistischen Belege seit Plato, bei denen der Begriff zur Bezeichnung des Verstandes im Gegensatz zur Körperlichkeit dient, zweitens die paulinische Stelle 2Kor 4,16 und die nachpaulinischen Belege. Diesen Textstellen zufolge ist der GUY CPSTYRQL eschatologisch als Synonym zum neuen Menschen auszulegen.188 Der innere Mensch ist nach dem Verständnis des 2. Korintherbriefes verborgen. Der Dualismus GUY – GZY CPSTYRQL legt den Schwerpunkt auf die Verborgenheit von Gottes Plan und auf die unsichtbare Realität des Heils. Die hellenistischen Belege zeigen, dass in vielen Schriften wiederholt ein platonisches Motiv verwendet wird. Die älteste Parallele zu diesem Ausdruck ist bei Plato zu finden, und zwar erneut im Zusammenhang mit der Affektenlehre. Dort ist die Rede von QBB GXPVQL CPSTYRQL. Aus der oben genannten Unterscheidung zwischen drei Teilen der Seele, NQIKUVKMQP, SWOQGKFGL und GXRKSWOJVKMQP, lässt sich der Schluss ziehen, dass der eigentliche Mensch sich im inneren Teil befindet. In der Beschreibung der Beziehungen dieser Teile untereinander steht zur Charakterisiserung des Menschen die Apposition QBB GXPVQL CPSTYRQL.189 In der bildlichen Logik des Textes ist das Innere das eigentlich Wichtige: „Weiter verknüpfe nun diese drei in eins, sodass sie miteinander zusammenwachsen. Sie sind verknüpft, sagte er – Und nun bilde außen um sie herum das Bildnis des einen, nämlich des Menschen, sodass es dem, der das Innere nicht sehen kann, sondern nur die äußere Hülle sieht, als lebendes Wesen erscheint, nämlich als Mensch“.190 In einem anderen Werk Platos191 findet sich erneut dieselbe Gegenüberstellung von GZQSGP und GPFQSGP: Nur GPFQSGP nämlich kann Sokrates’ Weisheit und Besonnenheit durchschauen. Diese Vorstellung findet sich auch bei anderen Autoren, deren Abhängigkeit von Plato offensichtlich ist.192 Auch Philo bedient sich dieser Vorstellung zur 188 W.G. Kümmel, Röm 7 und das Bild des Menschen, 14, sieht einen Dualismus Leib – neuer Mensch. Der GZY CPSTYRQL ist der irdische Leib und der GUY CPSTYRQL das, „was an Christen das wahrhaft Bleibende ist, […] der in uns Gestalt gewinnende Jesus […], ohne dass ich genau weiß, was darunter zu verstehen ist“. 189 Pl. Plt. 589b. 190 Pl. Plt.588d–e. 191 Pl. Smp. 216d. 192 M. Ant. 10,38,1: GXMGKPQ VQ GPFQP GXIMGMTWOOGPQP; Sen. Epist. 41,1; Plu. Mor. (De facie in orbe lunae), 943b–944f, diskutiert die platonische Aufteilung des Menschen, Plot.V,1,10, vgl. Chr. Markschies, Innerer Mensch, 268–271. Die Vorstellung findet sich in der hermetischen Literatur, Poimandres 104, CH I,15, und in der Anthropologie der Makrositer, J. Jeremias, Art. CPSTYRQL, ThWNT I, 365.

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Bezeichnung des PQWL: QBB CPSTYRQL GXP CXPSTYRY^;193 QBB GXP JBBOKP RTQL CXNJSGKCP CPSTYRQL;194 QBB RTQL CXNJSGKCP CPSTYRQL und QBB CPSTYRQL GXP GBBMCUVQW VJ^ [WEJ^.195 Die zweite Möglichkeit, den Ausdruck in Röm 7,22 zu erklären, beruht auf der eschatologischen Perspektive vom „neuen Menschen“, der in Kontrast zum „alten Menschen“ steht. In diesem Sinne wird der Begriff in 2Kor 4,16 verwendet, wo QBB GZY JBBOYP CPSTYRQL, der vergängliche Mensch, dem QBB GUY JBBOYP gegenübersteht, der sich immer wieder erneuert. Hier erscheint es wahrscheinlicher, unter GUY CPSTYRQL den erlösten Menschen zu verstehen, der mit dem alten, unerlösten Menschen konfrontiert wird.196 Nach einigen Exegeten bildet der soteriologische Gegensatz die Basis für das Verständnis von Röm 7,22. Chr. Markschies spricht von einem Konflikt zwischen dem Menschen, „wie ihn Gott gemeint hat“, und dem „geschichtlichen Ich“.197 J.D.G. Dunn optiert für einen heilsgeschichtlichen statt eines anthropologischen Dualismus auch in Röm 7.198 Diese Auffassung unterstreicht die Konstanz der paulinischen Begrifflichkeit in den beiden Briefen und impliziert, dass der Text sich auf die Situation eines Christen bezieht, der diese Dualität erlebt. Dass sich hier der Christ Paulus zu Wort meldet – so Dunns These – bleibt, wie wir im nächsten Abschnitt sehen werden, fraglich. T. Heckel sieht in Röm 7,22 dieselbe Verwendung der platonischen Metapher des inneren Menschen wie in 2Kor 4,16. Die Metapher beziehe sich bei Paulus aber auf den Dualismus zwischen altem und neuem Menschen. Dieser Dualismus könne zeitlich gefasst werden, aber auch mithilfe der von den Griechen verwendeten räumlichen Kategorien von „Innen“ und „Außen“. Die notwendige Differenzierung von 2Kor 4,16 und Röm 7,22 ergibt sich nach Heckel aus dem Zusammenspiel dieser verschiedenen Kategorien. Er nimmt an, dass Paulus in der Korrespondenz mit den Korinthern eine erste Korrektur vorgenommen hat. Dabei ersetzt Paulus den räumlichen Dualismus der Griechen durch zeitliche Größen. Im Römerbrief erfolgt eine zweite Korrektur, durch die die räum193 Philo Congr. 97. 194 Philo Plant. 42. 195 Philo Det. 22–23. 196 Dasselbe gilt für Eph 3,16. Der innere Mensch wird gestärkt durch den Geist (vgl. die Präposition GKXL). Unklar ist die Textstelle I Petr 3,4, QBB MTWRVQL VJL MCTFKCL CPSTYRQL, die die verbreitete Auffassung von der Verborgenheit der Innerlichkeit des Menschen enthält. 197 Chr. Markschies, Innerer Mensch, 281: „Eine Identifikation von i. M. u. PQWL […] scheidet m.E. schon deshalb aus, weil in Röm 7,22 zwei Termini verwendet werden. Ich schlage folgende Differenzierung vor: GUY CPSTYRQL ist der Mensch, wie Gott ihn gemeint hat […], PQWL ist das Denken, ein Teil bzw. eine Funktion dieses Menschen, wie ihn Gott gemeint hat“. 198 J.D.G. Dunn, Romans, 394: „And even if his Roman readers were familiar with the more Platonic usage, even so they would be less likely to mistake Paul’s meaning here. As the whole context indicates, Paul’s is a salvation history dualism or tension, not an anthropological dualism.“

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liche Unterscheidung wieder aufgenommen wird, ohne aber die erste Korrektur rückgängig zu machen. Der Dualismus alter Mensch – neuer Mensch muss daher räumlich und zeitlich zugleich gefasst werden.199 Diese Synthese zwischen zeitlichem und räumlichem Verständnis scheint aber in diesem Fall nicht passend zu sein. Der soteriologische Dualismus zeigt sich bei einem Vergleich der Themen von Röm 7 und Röm 8, wo von einem Gegensatz zwischen MCVC UCTMC und MCVC RPGWOC gesprochen wird, nicht aber von zwei entgegengesetzten Menschen. Röm 7 entwirft ein Szenario, bei dem das Gesetz und der PQWL unwirksam bleiben, obwohl beide für ein konstruktives Handeln des Menschen sorgen sollten. Der Begriff „innerer Mensch“ leitet sich aus der Affektenlehre ab. In Röm 7,23 steht der anthropologische Terminus PQWL in Beziehung zu GUY CPSTYRQL. Ausgangspunkt der paulinischen Argumentation ist die Polemik gegen eine Übereinstimmung von PQOQL – PQWL und NQIKUOQL – CXTJVJ, die z.B. bei Philo und 4. Makkabäer die Lösung der jüdisch-hellenistischen Affektentheorie darstellt.200 Der PQWL oder der innere Mensch bleibt unwirksam, es gelingt ihm nicht, im Einklang mit dem Gesetz im Menschen für Konstruktivität zu sorgen, und so kann die Begierde die UCTZ dazu bringen, destruktiv zu handeln: So stellt sich die Situation des natürlichen Menschen im Kampf gegen die Affekte dar.

199 T. Heckel, Der inner Mensch, 207: „Diese zweite Korrektur darf die erste nicht rückgängig machen […]. Die Unterscheidung von ‚innen‘ und ‚außen‘ muss vielmehr eine geschichtliche Verankerung bekommen.“ 200 U. Duchrow, Weltverantwortung, 92ff, zeigt einen interessanten Zusammenhang zwischen Paulus’ Anthropologie in Röm 7 und der griechischen philosophischen Tradition auf, die s.E. durch Philo vermittelt wird. Im Mittelpunkt steht die paulinische Bewertung des inneren Menschen oder der PQWL. Duchrow erkennt auch die Anspielung auf die Affektenlehre im Text. Der Unterschied der paulinischen Argumentation im Vergleich zu Plato und Philo liegt in der apokalyptischen Perspektive seiner Theologie. Paulus verwendet zwar das Gleichnis des inneren Menschen, aber „in der genau entgegengesetzen Weise wie Philo, der gerade in der inneren Zustimmung zum Gesetz den Ausweg aus dem inneren Aufruhr und der Handlungsunfähigkeit sieht“ (102–103). Das gleiche gilt nach Duchrow für die Adamvorstellung – für Paulus ist der zweite Adam der himmlische, nicht der irdische – und für die jüdisch-hellenistische „Synthese von Buchstabe und Geist“, die Paulus allerdings aus apokalyptischer Sicht sprengt. Die Grundregel Duchrows scheint mir sachlich exakt: „Man kann weitergehen und sagen, dass Paulus die ihm zuteilgewordene Begegnung des auferstandenen Christus primär in einem apokalyptischen Horizont auslegt und innerhalb dieses erst hellenistische Elemente kritisch assimiliert oder eben angreift.“ Mit apokalyptisch meint Duchrow den Dualismus des alten und des neuen Äons und die Verlorenheit des alten Äons. Gerade die Verlorenheit des alten Äons verhindert die hellenistische Lösung einer Ablösung des menschlichen Geistes vom Leib. „Paulus aber nimmt in der Folge apokalyptischen Denkens eine gottgemäße Neuschöpfung des Körpers an“ (111). Allerdings ist m.E. der GUY CPSTYRQL von Röm 7 nicht als der neue Mensch auszulegen – in diesem Zusammenhang wäre das nicht passend. Es handelt sich vielmehr um den PQWL der nicht in der Lage ist den Menschen zu konstruktivem Verhalten zu führen und daher nach einer noch grundsätzlicheren Erlösung verlangt.

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2.8 Das „Ich“ in Röm 7 Die Frage, auf wen sich das Ich in Röm 7 bezieht, ist die Kernfrage dieses Textes und beschäftigt schon die altkirchlichen Exegeten. Für die Auslegung des Pronomens GXIY findet man die verschiedensten Lösungen: Es wird a) als autobiographische, b) als symbolisch repräsentative oder c) als völlig fiktive Bezeichnung interpretiert, je nachdem, wie die Elemente im Text bewertet werden.201 Zu der Frage des Bezugs kommt noch eine weitere, kategoriale Unterscheidung, nämlich ob Paulus hier die Situation eines Christen oder eines Nichtchristen202 (z.B. eines Juden in Beziehung zum Gesetz) darstellt. Die Frage ist deshalb schwierig, weil eine eindeutige Antwort unmöglich erscheint. Die augustinische und reformatorische Interpretation, nach der sich in dem „Ich“ das gegenwärtige Dilemma des Christen Paulus widerspiegelt, wird nur noch von wenigen Autoren vertreten.203 Martin Luther204 sah in 201 Eine klare und ausführliche Zusammenfassung der verschiedenen Thesen ist bei J.S. Lambrecht, The Wretched „I“ and its Liberation, 59–72 sowie bei C.E.B. Cranfield, The Epistle to the Romans, 342–347 zu finden. Zur Auslegung des Ichs listet Cranfield, 342 sechs mögliche Thesen auf: 1) autobiographisch; 2) typischer Jude; 3) Adam; 4) jüdisches Volk; 5) Menschheit; 6) allgemein und ohne Bezug. 202 Die dritte Möglichkeit wäre eine Darstellung von sich selbst zu vorchristlicher Zeit. 203 S. Lyonnet, L’histoire du salut selon le chapitre VII, 204, weist 1962 darauf hin, dass diese These „n’est plus aujourd’hui pratiquement mise en discussion par les exégètes“. Allerdings gibt es in neuerer Zeit besonders in der englischen Fachliteratur wieder Vertreter dieser These. J.D.G. Dunn, Rom. 7,14–25 in the Theology of Paul, 258–273, sieht die Kernaussage der Diskussion in der Soteriologie: Trotz seiner Bekehrung ist der Christ immer im Fleisch und das wird erst im Eschaton ganz gelöst. „His life in the flesh, his belongingness to this world, will not cease, cannot cease, until he becomes a spiritual body to this world“ (266). Der Ausruf „Wer wird mich aus diesem Todesleib retten?“ ist nicht Ausdruck der Verzweiflung, sondern der Frustration im Leib zu leben und dem Geist zu folgen. Daher ist christliches Leben in Röm 7 „a continuing experience of death as well as of life“ (269). Der Christ kann sich bis zu seinem Tode nie wirklich auf das Leben im Geiste freuen. C.E.B. Cranfield, Romans, 360–363, greift Calvins Interpretation des Pronomens „Ich“ in Röm 7,14–25 auf. Aus reformatorischer Sicht beschreiben Röm 7 und Röm 8 nicht zwei aufeinander folgende Stadien, sondern zwei Aspekte des christlichen Lebens. Die Besonderheit von Cranfields Auslegung liegt in der Unterscheidung dieses autobiographischen Ichs von dem in 7,7–13 erwähnten Ich, das sich auf Adam bezieht: „It seems, in view of the facts, that in V. 7–13 it is hardly possible to understand the first person singular as a strictly autobiographical, rather more natural to accept the latter than the former“. Diese allgemeine Formulierung bereitet die autobiographische Formulierung vor. So kann Cranfield das Problem der Bestimmung der Zeit ohne Gesetz lösen. Originell ist die Lösung, die L.A. Jervis in ihrem Artikel ‚The Commandment which is for Life‘ vorschlägt: Ausgangspunkt ist die Frage nach der Bedeutung von EYTKL PQOQW in 7,8 und 7,9. Wie in Röm 3,21, wo Paulus von Gerechtigkeit ohne Gesetz spricht, versteht Jervis darunter nicht einen Zustand der Gesetzlosigkeit, sondern das Leben in Christus. Der Tod in 7,9–10 meint den Tod hinsichtlich des Gesetzes und der Sünde, der nur gut sein kann („has a beneficial result“, 198; vgl Röm 6,11). Das Gebot ist nicht auf die Torah bezogen, sondern meint das Gebot Christi. Nach Jervis handelt der Text von dem Zeitpunkt, an dem die christliche Ethik neue Gebote einsetzt. Der Christ entdeckt die Macht der Sünde wieder: „This experience of liberation and life was, however, temporary. It ended when the commandment came

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dem Satz „Ich bin fleischlich“ in 7,14 oder „ich elender Mensch“ eine Art Bekenntnis: Nur der Christ kann seine sündige Situation sehen, nicht der natürliche Mensch, und auch nur der Christ kann „Lust am Gesetz“ haben, während der natürliche Mensch das Gesetz hasst. Das Bild des „inneren Menschen“ ist noch nach Luther nur auf den Christen anwendbar, weil der natürliche Mensch nur „äußerer“ Mensch ist. Die paulinische Aussage in 7,15 und 19, dass ein Widerspruch zwischen Wollen und Tun besteht, wird von Luther als Bemühen des Christen ausgelegt, „ganz rein, ganz frei und ganz fröhlich, ohne beschwert zu sein durch das widerstrebende Fleisch, das Gute zu tun“.205 In Luthers Argumentation findet man zudem die augustinische Unterscheidung der Verben „tun“ und „vollbringen“, die im paulinischen Text eigentlich synonym verwendet werden. Außerdem würde so der Gegensatz zwischen Röm 7 und 8 relativiert und anthropologisch in der Vorstellung vom Menschen als simul iustus et peccator zusammengefasst. Offensichtlich ist allerdings, dass die Ausdrücke UCTMKPQL und RGRTCOGPQL WBRQ VJP CBOCTVKCP zur Bezeichnung des Christen prinzipiell unpassend für den paulinischen Sprachgebrauch sind. Der Christ ist in jedem Fall befreit, selbst wenn er diese Freiheit nicht nutzt. Die Auslegung von W.G. Kümmel stellt die augustinisch-reformatorische Interpretation des Ichs in Röm 7 in Frage.206 Im Mittelpunkt seiner These stehen zwei Aussagen aus Röm 7,9 und Röm 7,14. Der Satz GXIY FG G\YP EYTKL PQOQW RQVG in Röm 7,9 lässt sich nicht auf Paulus anwenden. Die These der Kirchenväter, nach der es sich hier um die Kindheit des Paulus handelt, ist nicht haltbar, denn ein Jude ist von Kindesbeinen an mit dem Gesetz vertraut.207 Aber auch die kollektive Auslegung von Chrysostomus, der (7,9b). The honeymoon period of faith ends upon recognizing that faith entails obedience to righteousness“ (208). So erklärt sie auch die Vorstellung, dass das Gesetz geistig ist. Paulus wirft hier Jervis zufolge erneut die Frage nach der Notwendigkeit der Ethik für die christlichen Gemeinden auf. Das Ergebnis dieser Untersuchung erscheint mir allerdings zu allgemein. Ein Beispiel aus der deutschsprachigen Fachliteratur ist E. Ellwein, Das Rätsel von Römer VII, 247–269. Im Mittelpunkt seiner Interpretation steht der Begriff „processus“ nach Bengel. Der Text handelt von der Situation des Christen im Prozess („transitus“ nach Luther), also nicht einfach unter dem Gesetz oder unter der Gnade. „Was im logischen Raum auseinanderfällt, der status hier und der status dort, der Stand des Verzweifelnden und der Stand der Gotteskindschaft, gehört im existentiellen Vollzug des Glaubens, in der lebendigen Bewegung des Glaubens zusammen.“ (267). 204 Luthers Auslegung wird von P. Althaus, Paulus und Luther über den Menschen, 41–47, schematisch dargestellt. 205 Vgl. Luther WA 56,341:„Vult enim purissime, liberissime et letissime, sine molestiis repugnantis carnis agere, quod non potest.“ (zitiert nach P. Althaus, Paulus und Luther über den Menschen, 44.) 206 W.G. Kümmel, Röm 7 und das Bild des Menschen, 90–92. 207 Diese These der Kindheit wird von Augustin und von Origenes vertreten (vgl. W. Kümmel, Röm 7 und das Bild des Menschen, 77–78). Die Vorstellung von einer Zeit ohne Gesetz im

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in dem Pronomen einen Bezug zum jüdischen Volk sah, oder von Methodius, der es auf Adam und die Menschheit bezog, weist Kümmel zurück. Es kann sich nicht auf Adam beziehen, weil das Wort GXPVQNJ im Text den PQOQL meint und nicht das Verbot von Gen 2,17. Dieses Verbot, die Früchte des Baumes zu essen, lässt sich schwerlich mit QWXM GXRKSWOJUGKL in Verbindung bringen.208 Kümmel kommt zu dem Schluss, dass es sich lediglich um ein rhetorisches Ich handelt.209 R. Bultmann folgt der Schlussfolgerung von Kümmel, nämlich der Behauptung, dass die Elemente im Text nicht auf die Biographie des Paulus anwendbar sind. Im Mittelpunkt steht nach Bultmann der Zwiespalt, der darin besteht, das Gute zu wollen und das Böse zu tun. Der Kern dieses Zwiespalts ist die Eigentlichkeit des Menschen:210 Der PQWL erkennt nur das Leben eines Juden ist kaum haltbar. Philo Legat. 31, behauptet, das Gesetz werde GXM RTYVJL JBBNKMKCL unterrichtet (81–82). Die Vorstellung von einer Zeit vor dem bar mitzwah (dem Zeitpunkt der Initiation eines Jugendlichen, seinem Vertrautmachen mit dem Gesetz) ist ebenso wenig haltbar, denn diese war erst im 14. Jahrhundert gebräuchlich. Diese These stammt von R.H. Gundry, Moral frustration of Paul before his Conversion, 228–245. Er zeigt die Grenzen von Lyonnets These auf, nach der Paulus sich auf Adam bezieht. Der wichtigste Einwand gegen Lyonnet besteht darin, dass es im Garten Eden keine Zeit ohne Gesetz gibt. Die Annahme einer Zwischenzeit ist nach Gundry ein „trick of imagination“. Er kommt zu folgendem Schluss: „to take Paul as referring to his attaining status of bar mitzvah remains the best interpretation“ (232). Paulus berichtet nach Gundry von seinem inneren Kampf gegen die sexuelle Lust in seiner Jugend. 8(RKSWOKC wird auf diese Weise auschließlich als sexuelle Begierde interpretiert. Die Selbstdarstellung des Paulus als Pharisäer widerspricht nicht seinem Kampf gegen die sexuelle Lust. Gundrys Schlussfolgerung betont die sexuelle Schwierigkeit des jungen Paulus, das zehnte Gebot zu erfüllen: „any sensitive bar mitzvah would be worried by the tenth commandment, especially because lie is catapulted into adult responsibility to keep the law at the very time his sexual urges become so active he is unable to avoid defiling seminal emissions“ (233). Gundrys These verbindet sich mit seiner Interpretation der anthropologischen Termini bei Paulus, die in ihrer Materialität verstanden werden. 208 Vgl. Kümmel, 86–87. Kümmel, 54 diskutiert als weiteren Hinweis auf die Adamsgeschichte das Verb GXZCRCVCP. Hier handelt es sich allerdings um eine allgemeine Bezeichung der Sünde, die den Menschen stets in die Irre führt. Dieselbe Interpretation lässt sich auf die Begriffe „Tod“, „sterben“, „leben“ und „aufleben“ anwenden: Die Worte sind nur rhetorische Erfindungen um die Zeit ohne das Gesetz und die Zeit unter dem Gesetz zu charakterisieren. „Es sind also entgegengesetzte Zustände der beiden Subjekte zur gleichen Zeit ausgesagt“ (51). 209 W.G. Kümmel, Röm 7 und das Bild des Menschen, 87: „Wenn aber Paulus nicht von sich selbst redet, so bleibt nichts anderes übrig, als ein anderes Subjekt zu suchen und zu fragen, ob das Ich nicht irgendwie eine rhetorische Form zur Ausführung eines Gedankens ist.“ Diese These ist von S. Stowers, Rom 7,7–25 as a Speech in Character, 180–222, aufgegriffen worden. Nach Stowers ist das Ich eine rhetorische Stilform der RTQUYRQRQKKC. Dies zeigt sich im Vergleich mit den griechischen Tragödien, insbesondere mit der Medea, die wegen des Verlustes ihrer Selbstbeherrschung auf tragische Weise leidet. Die Verwendung dieser rhetorischen Form ist nach Stowers eine „tragic characterization“. 210 R. Bultmann, Röm 7 und die Anthropologie des Paulus, 33: „Der Mensch ist gerade deshalb Zwiespalt und Kampf, weil er es nicht sein soll, nicht sein darf, ja sub specie seiner Eigentlichkeit, nicht sein kann, d.h. aber, weil es dem menschlichen Dasein um seine Eigentlichkeit geht, und es sie ständig verfehlt“.

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Ziel des Gesetzes und nicht den Inhalt des Gebots, das Leben, das es bringen soll. Eschatologisch sind diese beiden Möglichkeiten \YJ und SCPCVQL. Der Sinn des Gebotes aber verkehrt sich ins Gegenteil: Der PQOQL will aus dem Verbot die „Selbst-Verfügung“ des Menschen ableiten, aber „die Sünde ist also das Selbst-verfügen-wollen des Menschen, das Selbst-Ansprucherheben, das Sein-wollen wie Gott“.211 Die im Text dargestellte Situation beinhaltet also „transsubjektive Vorgänge“212 und kann nicht psychologisch erklärt werden. G. Theißen nimmt Bezug auf Kümmels Auslegung,213 nach der das Ich ausschließlich eine rhetorische Stilform des Paulus ist und keinerlei Bezug zu Paulus oder Adam hat: Der Text weist laut Theißen vielmehr ein komplexes Nebeneinander von Themen und Traditionen der biblischen und hellenistischen Anthropologie auf. In einem ersten Schritt analysiert er den Gebrauch des Ichs an dieser Stelle im Vergleich zu anderen Textstellen, die biographische Berichte enthalten. Die explizite Nennung des Pronomens, die Aussagesätze und der Übergang vom Präteritum214 zum Präsens sprechen laut Theißen für einen persönlichen Bezug des Pronomens. Eine Textstelle mit einer ähnlichen Charakteristik wie Röm 7,7–13 ist Gal 2,18–20. Im zweiten Schritt postuliert Theißen, dass die Elemente in 7,7–13 traditionsgeschichtlich auf Adam zurückzuführen sind. Adam ist aber nicht das Subjekt des Konflikts in Röm 7, „sondern dessen Modell“.215 Das eigentliche Problem bei dieser Analyse besteht darin, inwiefern die Elemente im Text, aus denen ein Konflikt mit dem Gesetz zu entnehmen ist, wirklich persönlich erklärt werden können, besonders im Vergleich zu dem Bericht in Phil 3,4–6. Dort stellt sich Paulus selbst als überzeugten Pharisäer dar. Der Konflikt liegt nach Theißen auf einer unbewussten Ebene – eine These, die den Widerspruch zu dem Bericht in Phil 3 ausräumen kann. „Was logisch ein Widerspruch ist, kann psychologisch nebeneinander existieren; ja tiefenpsychologische Erkenntnisse gehen oft davon aus, dass unbewusste Aspekte unseres Lebens im Gegensatz zu dessen bewussten Intentionen 211 R. Bultmann, Römer 7 und die Anthropologie des Paulus, 39. 212 R. Bultmann, Römer 7 und die Anthropologie des Paulus, 40. 213 Noch 1976 wird von J. M. Cambier, Le „moi“ dans Rom 7,35, behauptet: „Après l’étude de W. G. Kümmel, parue en 1929, l’opinion assez courante jusqu’alors que Rom 7 constituerait une page autobiographique a perdu de plus en plus de terrain. Nous pensons avoir montré que la description du ‚moi‘, en Rom 7, ne décrit pas la situation religieuse de Paul, ni avant ni après sa conversion au Christ.“ 214 G. Theißen, Psychologische Aspekte paulinischer Theologie, 198: „Das Präteritum individualisiert deutlicher als das Präsens“. Der Übergang vom Präteritum zum Präsens beinhaltet den Versuch eine persönliche Erfahrung zu verallgemeinern. Das Ich ist daher gleichzeitig persönlich und typisch. 215 G. Theißen, Psychologische Aspekte paulinischer Theologie, 205: „Das Ich übernimmt in Röm 7,7ff die Rolle des Adams und gestaltet sie im Lichte der eigenen Konflikterfahrung um“.

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stehen können“.216 Die Verfolgungstätigkeit des vorchristlichen Paulus ist nach Theißen ein Zeichnen für diesen unbewussten Konflikt: Paulus „hat in den Christen unbewusst sich selbst verfolgt“.217 Das Verhältnis von Gesetz, Ego und Sarx kann nach Theißen mit dem Verhältnis von Über-Ich, Ich und Es gleichgesetzt werden. Die Lösung dieses Konflikts liegt in der Tatsache, dass Christus als VGNQL des Gesetzes (Röm 10,4), als Gesandter Gottes in der sündigen UCTZ (Röm 8,2), zum Symbol der Integration dieser antagonistischen Größen wird und damit zum Mittel der Überwindung des Konflikts.218 Christus dient so als Modell für einen neuen Identifikationsprozess. Das Modell Christi „wird nach psychodynamischer Auffassung Katalysator einer inneren Verwandlung: Christus übernimmt als Bezugsperson des Menschen dessen negative Identität“.219 Theißens Erklärung ist von zentraler Bedeutung für die Forschung, da sie die bisher postulierte rhetorische Funktion des Ichs deutlich in Frage stellt. In der späteren Forschung wird der Bezug auf eine persönliche Bedeutung des Ichs fast allgemein anerkannt.220 O. Hofius identifiziert das 216 G. Theißen, Psychologische Aspekte paulinischer Theologie, 236. 217 G. Theißen, Psychologische Aspekte paulinischer Theologie, 244. 218 G. Theißen, Psychologische Aspekte paulinischer Theologie, 251: „Psychodynamisch gesprochen: Indem Christus sowohl an die Stelle der Sarx und des Nomos, des Es und des Überich tritt, wird er zum Symbol einer Integration ursprünglich antagonistischer Instanzen: Christus wird zur coincidentia oppositorum“. 219 G. Theißen, Psychologische Aspekte paulinischer Theologie, 267. 220 J. Lambrecht, The Wretched „I“ and its Liberation, 37–91, bezieht das Ich auf den vorchristlichen Paulus. Es ist eine Art Rückblick des Paulus auf seine jüdische Vergangenheit. Lambrecht, 87: „The past, being remembered, is per se not really past but present. Only after deliverance do we undestand what it was to be captive.“ Vgl. auch M.A. Seifrid, The Subjekt of Rom 7,14–25. Selbst eine Arbeit wie diejenige von S. Romanello, Una legge buona ma impotente (vgl. besonders 128–134) –, die die Verwendung des Ichs rhetorisch erklären will, verzichtet nicht auf eine personale Erklärung des Ichs in Rom 7. Romanello definiert den Gebrauch des Pronomens Ich in Röm 7 als eine rhetorische Erfindung. Zur Definition dieser Figur spricht er mit Stowers von einer Prosopopöie (RTYUQRQRQKKC) oder einem Spiel mit einer fiktiven Person, die von sich und ihrer Vergangenheit redet. Andere sprechen von sermocinatio, mimesis oder JXSQRQKKC (130– 131). Er kritisiert allerdings Kümmels These, nach der das Ich absolut fiktiv ist. Häufig werden der Redner und die Hörer bei diesem rhetorischen Ich impliziert. In Kümmels Beispiel aus Demosthenes ist nur im letzen Satz die Funktion des Ichs völlig fiktiv. Innerhalb der Rede ist die erste Person ein Mittel um die Gedanken der Hörer zu sammeln. Der Bezug auf den Sündenfall Adams ist für Romanello unerlässlich. Der rhetorische Gebrauch erklärt, warum hier nur einige Aspekte der Genesiserzählung aufgegriffen werden, während andere Elemente vernachlässigt werden: „proprio la figura dell’JXSQRQKKC consente all’argomentazione il ricorso a tale stile allusivo“ (134). Eine ähnliche These vertritt B. J. Dodd, Paul’s paradigmatic „I“, 221–234. Er postuliert, dass das Ich eine rhetorische Erfindung aus der Diatribe ist. Er spricht allerdings von einer „composite identification“ (229): „The „I“ of Romans 7 incorporates elements of Adam’s story, elements of Paul’s experience, and is somehow intended to relate to the experience of Jewish, and perhaps Christian, believers.“ Die beiden Teile des Textes, 7–13 und 14–25, sind zwei Akte eines Dramas, dessen Protagonisten die Sünde und das Gesetz sind. Im ersten Teil verteidigt Paulus als „Ich“ das

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Ich in Röm 7 mit Adam. Das „Ich“ in Röm 7,7–25 steht im Zusammenhang mit dem „Wir“ von 7,5–6 und dem Menschen ohne Christus, der als UCTMKPQL bezeichnet werden kann. Den Schlüssel für eine derartige Verwendung des Pronomens liefert die Figur Adams, die als „Stammfigur“ für die gesamte Menschheit steht.221 Röm 7,7–13 berichtet von Adams Konfrontation mit der Torah im Paradies. Die Worte QWXM GXRKSWOJUGKL beinhalten „die Quintessenz des Paradiesgebotes“, aber zugleich „die Quintessenz der Torah vom Sinai“.222 In Röm 7,7–13 meldet sich mit dem Ich Adam im Bezug auf die Fallgeschichte im Präteritum zu Wort, in 7,14–23 spricht erneut Adam im Präsens, er steht aber stellvertretend für jeden adamitischen Menschen,223 also auch für Paulus und die römischen Briefempfänger. In diesem Fall hat das Ich keine biographische Valenz, sondern lediglich eine symbolische und repräsentative. Mit dieser Auslegung lassen sich aber die anderen Begriffe im Text, wie z.B. GUY – GZY CPSTYRQL oder die anthropologischen Elemente, insbesondere UCTZ,224 Gesetz und im zweiten zeigt Paulus die Rettung durch Christus auf. „The Identity of the „I“ is not easily discerned because of the creative combination of elements“. H. Tiedemann, Das Gesetz in den Gliedern, unterstreicht die negative Vorstellung von den sexuellen Begierden und vom Fleisch im Text. Über das Problem des „Ichs“ Tiedemann, 25: „Zum anderen ist der Sprecher von Röm 7 nicht einfach mit Paulus zu identifizieren, der hier über seine Biographie Auskunft gibt. Das Ich in Röm 7 ist typisiert“. In der Fußnote (28) fügt er jedoch hinzu: „Allerdings ist der Gedanke kaum ohne einen biographischen Erfahrungshintergrund“, und verweist auf die Arbeit von Theißen. 221 O. Hofius, Der Mensch im Schatten Adams, 113, „Die Geschichte dieses einen und ersten Menschen ist für alle seine Nachkommen schicksalsbestimmend“. Vgl. auch H.Lichtenberger, Das Ich Adams, 125–129. 222 O. Hofius, Der Mensch im Schatten Adams, 115–116. 223 O. Hofius, Der Mensch im Schatten Adams, 121: „‚Ich‘ erkläre, dass ich von Adam herkomme, in der Kontinuität zu Adam stehe und mich von Adam und der durch ihn inaugurierten Sündengeschichte nicht distanzieren, mich aus dieser Geschichte nicht herauslösen kann“. Diese These wird auch von E. Käsemann, An die Römer, 188, vertreten. Eine ähnliche These wurde schon 1962 von S. Lyonnet, L’Histoire du salut selon le chapitre VII, aufgestellt. Er listet auf S 216–217 die Punkte in Röm 7 auf, die aus dem Adamsbericht stammen und dazu beitragen, das Ich als Adam zu definieren: 1) er ist ein Stellvertreter der Menschheit, 2) GXPVQNJ steht ebenso wie in der Genesis im Singular; 3) CBBOCTVKC wird personifiziert; 4) die Sünde erweckt Begehren, ebenso wie die Schlange; 5) das Thema der GXZCRCVCP; 6) das Umschlagen des Lebens in den Tod. Die schwierige Frage nach der Zeit ohne Gesetz für Adam und Eva wird nicht wie bei Lagrange durch die Annahme eines gewissen Zeitablaufs vor dem Gebot beantwortet, sondern aus paulinischer Perspektive, aus der die Christen, indem sie mit dem Geist leben, ohne Gesetz sind: „a fortiori Adam et Ève au paradis avant leur péché pouvaient et devaient être dits „sans loi“ (222). 224 Die Schlussfolgerung von O. Hofius’ Aufsatz (144–154) kann die Konflikte des Ichs im Text durch die Adamsgeschichte nicht erklären. Eine ähnliche These wurde schon 1962 von S. Lyonnet vorgeschlagen. Chr. Grappe, Qui me délivrera de ce corps de mort, 472–492, ergänzt die traditionelle These eines adamitischen Hintergrundes durch eine anthropologische Vorstellung. Die Vorstellung eines UYOC VQW SCPCVQW VQWVQW stammt auch aus der Adamgeschichte, wie 4Esdr 3,5 belegt. Adam wurde mit einem corpus mortuum geschaffen und bekam dann den spiritus vitae. Der Leib des Todes und der Geist des Lebens sind zwei Momente der Schöpfung Adams. Nach Grappe ist 5,1–8,39 ganz im Stil der Adamserzählung aufgebaut und die Argumentation rhetorischer Natur. Diese Vorstellung von einem Leib des Todes scheint aber eher der üblichen hellenis-

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nicht vollständig erklären. J.N. Aletti vermutet ein Zusammenspiel verschiedener Motive aus der jüdischen und griechischen Kultur. Paulus spricht vom Dekalog, aber zugleich greift er mit Begriffen wie wie „gut“ und „böse“auf den Wortschatz der griechischen Ethik zurück, er verweist auf das Medea-Motiv und die jüdische Vorstellung vom guten und bösen Trieb.225 Die Hypothese, die die Identität des Ichs mit der Adamsgeschichte in Gen 2 und 3 erklärt, wird von Austin Busch vertreten. Bush weist darauf hin, dass die Bezugsperson in Röm 7 nicht Adam, sondern Eva ist:226 Denn Eva ist diejenige, die von der Schlange getäuscht wird. Nach Busch wählt Paulus absichtlich Eva, weil er das Zusammenwirken von Passivität und Aktivität in Bezug auf die Sünde und die Spaltung des Ichs verdeutlichen will. Der Frau wird in der hellenistischen Kultur eine passive Rolle zugeschrieben, und auch Philo stellt die Frau in der Schöpfungsgeschichte auf diese Weise dar.227 In der Genesiserzählung und in der jüdischen Literatur hingegen hat sie eine aktive Rolle inne. Mithilfe der rhetorischen Figur der Prosopopöie identifiziert sich Paulus mit Eva, um die Situation des Menschen in der Sünde darzustellen, im Spannungsverhältnis zwischen Aktivität und Passivität.228 Das Gesetz wird so zum Verbündeten der Sünde, weil es den Menschen spaltet. Dies verdeutlicht der Dialog zwischen Eva und der Schlange, der genauer betrachtet eine Hermeneutik des Gesetzes beinhaltet: Das Gesetz spielt nach Busch die Rolle des „je idéal“ im Sinne Jacques Lacans,229 eines Spiegels, in dem sich der Mensch erkennt. Diese These ist deswegen interessant, weil sie die Adamshypothese nicht nur in der Erzählung in 7,7–13 zu erkennen versucht, sondern auch in dem geschilderten Zwiespalt und in den anthropologischen Voraussetzungen. Hinsichtlich der anthropologischen Folgen bleibt er Bultmanns Thesen verhaftet, nach denen UYOC als neutrales (und positives) Element zwischen Gott und UCTZ zu betrachten ist. Der wichtige Aspekt einer aktiven und passiven Rolle in der Adamserzählung bleibt aber anthropologisch unangewendet. tischen Vorstellung von einem grundsätzlich inaktiven Leib zu entsprechen, als dass darin ein direkter Bezug zu Adam erkennbar wäre. 225 J.N. Aletti, Rom 7,7–25 encore une fois, 371. 226 A. Busch, The Figure of Eve in Romans 7,5–25, 15: „Paul identifies the ‚I’ of Romans 7 with Eve rather than Adam.“ 227 Vgl. Philo LA II,38–39. 228 A. Busch, The Figure of Eve in Romans 7,5–25, 22: „Sin brings about a division within the self that constitutes the self as two fragments, one actively sinnig and one passively victimized by the sin.“ 229 J. Lacan sieht im kindlichen Akt des Sich-Spiegelns und des Sich-Erkennens in dem widergespiegelten Bild die Überwindung seiner aktuellen Situation und die Antizipation eines ideellen Bildes: „the form of the image is an „ideal-I“ (je idéal): it is an „orthopaedic totality“ whose members are composed rather than turbulent“ (32). Vgl. A. Busch, The Figure of Eve in Romans 7,5–25, 30–33.

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Abschließend seien folgende Ergebnisse festgehalten: 1) Diese Untersuchung hat gezeigt, dass das Thema der Affekte im Mittelpunkt der paulinischen Argumentation steht. Die zugrunde liegenden Themen sind oben im Einzelnen genannt worden und sollen hier noch einmal zusammengefasst werden. Der Bezug auf Adam gilt bereits in der hellenistischen Literatur als ein Beispiel für die Affekte der Begierde. Bei Philo finden wir die gleiche Inversion wie bei Paulus: Der Baum des Lebens wird zum Baum des Todes, das Gesetz, das dem Leben dienen sollte, wird zum Anlass für Sünde und Tod. Das zehnte Gebot in gekürzter Form zeigt wie im 4. Makkabäerbuch, dass eine Diskussion über die Affekte vorliegt. Aber Paulus teilt nicht das Vertrauen der jüdischen Autoren auf die menschliche Fähigkeit die Affekte, zu kontrollieren und sie zu überwinden. Bei diesem Prozess kann der NQIKUOQL durch das Gesetz bekräftigt werden und die Leidenschaften besiegen. Für Paulus hingegen ist auch die Vernunft unfähig das Verhalten, zu bestimmen – sie kann nur die äußere Bedeutung des Gesetzes erkennen. Alle philosophischen Ansätze, die die lösende Funktion der Vernunft betonten – der stoische ebenso wie der platonisch-aristotelische – werden bei Paulus in Frage gestellt. Das Gesetz als solches bleibt in seiner Beschaffenheit und seiner Heiligkeit unberührt, nur ist der Mensch nicht fähig es, anzuwenden und für sich zu nutzen. Aus dieser Diskussion über die Affekte, die für Paulus ein wichtiges Argument gegen das Gesetz darstellt, lässt sich auch seine Verwendung des „Ich“ erklären: Es ist hier weit mehr als nur ein rhetorisches oder literarisches Mittel. Das Thema der Affekte fasst im Grunde die Ethik und Psychologie der Zeit zusammen. Theißens wegweisende Untersuchung sieht die Identifikation des Paulus mit dem Modell Christi als Lösung für seinen unbewussten Konflikt mit dem Gesetz an. Dieser Identifikationsprozess ist aber nicht unproblematisch: Er setzt eine aktive Rolle des Subjekts oder wenigstens dessen Fähigkeit voraus, sein Verhalten zu steuern – und dies ist, wie gezeigt wurde, nicht möglich. Die paulinische Anwendung der Affektenlehre wird ad absurdum geführt, da sie zu einem Punkt führt, wo keine menschliche Lösung mehr möglich ist. Der Ausruf des Menschen in Röm 7,24, der auch in der römisch-hellenistischen Literatur ein Merkmal für die Kraft der Affekte ist, ist in seiner Tragik aussichtslos. Der Mensch ist UCTMKPQL, d.h. von der UCTZ bestimmt. Die Aktivität der UCTZ führt zur Destruktion, zum UYOC VQW SCPCVQW, was m.E. den tragischen Zustand des Menschen meint, der völlig passiv und inaktiv ist und doch als solcher zum Mittel des Todes und der Destruktivität wird. Der paulinische Ausweg aus dieser Destruktivität der Affekte liegt im Gegenpol zur UCTZ, d.h. dem RPGWOC: Es bedient sich der Kraft der UCTZ und erzeugt positive und konstruktive Affekte (vgl. Gal 5). Dieser Vorgang lässt sich christologisch erklären: Die aktive UCTZ wird durch den Kreuzestod in ihrer Aktivität ge-

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hemmt, und das inaktive UYOC, das den Affekten und der Destruktivität unterliegt, wird durch den Geist zu einem neuen, konstruktiven Leben erweckt. In der Partizipation an Tod und Auferstehung Christi liegt für Paulus die Lösung für die Tragik der Affekte und der menschlichen Destruktivität. Dass Paulus darunter nicht nur einen rituellen oder psychologischen Prozess versteht, wird durch die eschatologische Perspektive deutlich: Die Tötung der UCTZ und die Auferstehung des UYOC werden im Eschaton vollendet (Röm 8,13–38). Der Christ lebt GXP UCTMK und geht ständig das Risiko ein, wieder MCVC UCTMC zu leben. Daher bedeutet die Ethik eine ständige Ermahnung zur Konstruktivität. Mit diesem Interimszustand des Menschen lässt sich m.. auch Röm 7,25b erklären, ähnlich wie das reformatorische simul iustus et peccator, das nicht als Glosse230 zu verstehen ist. Die nächste Frage betrifft den persönlichen Bezug des Pronomens GXIY in Röm 7. Die Diskussion über die Affektenlehre schließt einen persönlichen Bezug des Pronomens nicht aus. Es ist im Gegenteil naheliegend, dass Paulus sich in seinem Vorstellungsbrief an die Römer mit seiner Vergangenheit als Verfolger und den gegen ihn gerichteten Vorwürfen auseinandersetzt, er sei gesetzes- und judenfeindlich. In Gal 1,13 schreibt Paulus über sein damaliges Leben als Verfolger: JXMQWUCVG ICT VJP GXOJP CXPCUVTQHJP RQVG GXP VY^ 8,QWFCK"UOY^ Q=VK MCS8 WBRGTDQNJP GXFKYMQP VJP GXMMNJUKCP VQW SGQW MCK GXRQTSQWP CWXVJP. Im folgenden Vers definiert er sich als \JNYVJL, einen Eiferer und Fanatiker. Der seit Kümmel oft zitierte Widerspruch zwischen seinen biographischen Selbstdarstellungen in Phil 3,5 und in Gal 1,13–14, wo Paulus von sich selbst als einem überzeugten Pharisäer spricht, und seinem Standpunkt in Röm 7, wo ein Konflikt mit dem Gesetz beschrieben wird, kann aus der Perspektive seiner Verfolgungstätigkeit aufgehoben werden und muss nicht unbedingt als unbewusster Konflikt interpretiert werden. Die Kernaussage von Röm 7 ist die Unfähigkeit des Gesetzes, für das Leben und für die Konstruktivität zu wirken. Die biographischen Berichte enthalten dieselbe Argumentation. Der Gesetzeseifer des Apostels wirkt sich letztendlich destruktiv aus und nutzt der UCTZ, wie sich in der 230 Für die Annhame einer Glosse ist z.B. E. Käsemann, An die Römer, 203–204. Dagen O. Michel, Der Brief an die Römer, 238. Er vergleicht den Stilbruch von 7,25b zwischen 7,24 und 8,1 mit dem Stilbruch von 1Kor 15,56 zwischen 15,55 und 15,57. „In beiden Fällen soll die Wirklichkeit der alten Weltzeit, also ein letzer Vorbehalt, eingeschaltet werden“: Eine Diskussion über die Annahme, dass hier eine Glosse vorliegt findet sich bei H. Lichtenberger, Das Ich Adams, 150– 160. Er befürwortet diese These, und erklärt diese Hinzufügung als ein Missverständnis des paulinischen Gedankens. S. 159–160: „Der unbekannte Glossator, der hier Paulus missverstehend zusammengefasst hat, hat dadurch vermutlich noch in größereb Maß Theologiegeschichte gemacht als der authentische Text von Röm 7. […] Keine Auslegung aus zwei Jahrtausenden hat das Verständnis und die Wirkung von Röm 7 so nachhaltig, verhängnisvoll und heilsam zugleich beeiflußt wie jener aus 15 Wörtern bestehende Satz eines namenlosen Exegeten und Theologen, der wahrscheinlich noch im ersten Jahrhundert gelebt hat.“

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Die Destruktivität des Menschen als UCTZ

Verfolgung zeigt. Der Eifer (\JNQL) ist selbst ein Affekt, der für Paulus aus der UCTZ entspringt (Gal 5,20; 1Kor 3,3), und in Verbindung mit dem Streben nach Wahrung des Gesetzes steigert er sich bis zur Destruktivität. Im Philipperbrief erklärt Paulus, er habe sich nur durch Christus aus dem destruktiven Zustand befreien können und alles, was er vorher begonnen habe, sei zerstörerisch gewesen. Weiterhin ist es möglich, dass Paulus seinen Ruf als ehemaliger Verfolger in seinem Brief an die Römer nutzt, um deutlich zu machen, wie machtlos das Gesetz gegen die Destruktivität des Menschen ist, ja dass es diese sogar noch verstärkt. Aus all diesen Gründen scheint mir eine personale Interpretation des Pronomens in Röm 7 unumgänglich. Anthropologische Ergebnisse 3. UCTZ und Destruktivität: Antropologische Ergebnisse Die folgende Untersuchung beruht auf der Hypothese, dass der UCTZ bei der Verursachung der Affekte eine aktive Rolle zukommt, was allerdings unvermeidlich zur Destruktivität führt. Das Bindeglied zwischen aktivem Charakter und Destruktivität bilden die Affekte, die aus der UCTZ entstehen. Ableiten lässt sich diese These aus dem Ausdruck GXRKSWOKCK UCTMQL in Gal 5,16 sowie aus Gal 5,17, wo der UCTZ die aktive Funktion des GXRKSWOGKP gegen Gottes Willen zugeschrieben wird. Die Besonderheit von Röm 7 liegt darin, dass hier eine weitere Größe ins Spiel gebracht wird, nämlich die Sünde: CBBOCTVKC ist das eigentliche Subjekt im Text, das den Menschen täuscht und das Gebot als Anlass für ihr Begehren nutzt. Hintergrund ist die mythologische Figur der Schlange, die als Verkörperung der Sünde gilt. UCTZ bleibt in Röm 7 aktiv, nur die mythologische Personifizierung der Sünde lässt sich als ursprünglicher Zustand interpretieren, der in der geschichtlichen Existenz durch die Konnotierung der UCTZ als sündig zum Ausdruck kommt. Das Verhältnis UCTZ – CBBOCTVKC wird nicht erklärt, sondern unter Bezugnahme auf den Genesisbericht als Postulat gesetzt. Der Mensch glaubt, aktiv und frei zu sein, dabei bedeutet dieser aktive Charakter der UCTZ in Wahrheit, dass er der Knechtschaft der Sünde und ihrer Destruktivität unterliegt. Die kriegerische Sprache231 in Röm 231 Ein besonderes Beispiel für den Gebrauch einer kriegerischen Sprache liefert 2Kor 10,1– 4. Hier wird die Sprache des Krieges nicht zur Illustration der Destruktivität verwendet, sondern der Funktion des Apostels: Der Apostel versteht seine Mission als einen Krieg (UVTCVGWGKP). Der Unterschied besteht in den Waffen, die nicht fleischlicher Natur sind, sondern ihre Macht von Gott erhalten: 2Kor 11,4: VC ICT Q=RNC VJL UVTCVGKCL JBOYP QWX UCTMKMC CXNNC FWPCVC VY^ SGY^ RTQL MCSCKTGUKP QXEWTYOCVYP NQIKUOQWL MCSCKTQWPVGL Der Krieg wird immer mit Destruktivität assoziiert, aber in diesem Fall steht der Begriff MCSCKTGUKL (Zerstörung) nicht für die UCTZ, sondern hat eine positive Bedeutung: Er steht für das apostolische Amt, das gegen die Festungen des Denkens gegen Gott wirken soll. Auch das Motiv des Gefangennehmens wird hier positiv verwendet, es versinnbildlicht das Führen der Menschen unter den Gehorsam Christi. Wie lässt sich nun dieser

Anthropologische Ergebnisse

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7,23 dient dazu, die Zerstörungskraft der Affekte (und der Sünde) für den Menschen zu betonen und seine Unfähigkeit, über sich selbst zu bestimmen. Dass die GXRKSWOKC, der Hauptaffekt, zu einem destruktiven Krieg führt, betont auch Philo in seinem Kommentar zum 10. Gebot ausdrücklich. Sie wirkt im Menschen destruktiv und ist für alle Kämpfe und Kriege verantwortlich, bei den Griechen ebenso wie bei den Barbaren: „Alle tragische Kriege der Hellenen wie der Barbaren unter sich oder gegeneinander entspringen alle aus einer einzigen Quelle, dem Begehren sei es des Geldes, des Ruhmes oder der Lust. Im Gefolge solcher Dinge zerstört sich die menschliche Gattung“.232 Aber auch im Zusammenhang mit der Affektenlehre findet man bei Philo die Metapher des Krieges wieder, die den Verlust der Selbstbestimmung des Subjekts beschreibt. Der Zustand des Menschen unter dem Einfluss der Affekte wird als ein Krieg in der Seele beschrieben, in dem der NQIKUOQL gefangen genommen wird: „Das aber geschieht, wenn der Krieg der Seele ausbricht. Dann wird der nicht kriegerische, sondern friedliche Teil in uns, der Logismos, gefangen genommen“.233 Bei Paulus ist die Situation der Gefangenschaft auf den ganzen Menschen bezogen, der nicht mehr in der Lage ist zu handeln: PWPK FG QWXMGVK GXIY MCVGTIC\QOCK CWXVQ CXNNC JB QKXMQWUC GXP GXOQK CBOCTVKC (Röm 7,17). Der Krieg geschieht nicht für das Geistliche und gegen das Sinnliche, wie bei Philo, sondern zwischen zwei Gesetzen, wobei der Mensch nur das Mittel ist: Der Mensch unter dem Gesichtspunkt der OGNJ stellt nur die Waffen (die InGebrauch erklären? Gibt es bei Paulus eine positive Destruktivität, eine positive Sicht des Krieges und damit auch der Gewalt? Die Metaphern des Soldaten und des Krieges wurden in der antiken Philosophie häufig zur Deutung des Lebens herangezogen. Seneca, Epistulae morales, XVI, 91, schreibt den berühmten Satz: „vivere militare est“ und auch bei verschiedenen anderen Philosophen findet sich diese Metaphorik (vgl. Chr. Gerber, Krieg und Hochzeit in Korinth, 109ff, insbes. Anm. 50). Nach Chr. Gerber (S. 110) verwendet Paulus die Kriegsmetaphorik für den eschatologischen Kampf des Christen im Sinne des Widerstands und für die apostolische Mission im Sinne eines Angriffs. Aber entgegen Gerbers Behauptung ist die kriegerische Sprache bei Paulus nicht so stark ausgeprägt und konzentriert sich vor allem auf die Deutero- und Tritopaulinen. Die meisten Begriffe aus dem Militärjargon, die Gerber auf S. 109, Anm. 48 zitiert, findet man in jenen Briefen. Die Vorstellung vom Soldaten Christi in 2Tim 2,3 und in Eph 6,10–18 stammt sicherlich aus späterer Zeit. Die Kriegsmetaphorik in 2Kor 10–13 steht in engem Zusammenhang mit der scharfen Polemik dieses Teils und des gesamten Briefes. Begriffe wie Q=RNQP und QX[YPKQP sind nicht unbedingt auf den Militärjargon begrenzt. 232 Philo Decal. 153: QKBB ICT B(NNJPYP MCK DCTDCTYP RTQL VG GBBCWVQWL MCK RTQL CXNNJNQWL VTCIY^FJSGPVGL RQNGOQK RCPVGL CXRQ OKCL RJIJL GXTTWUCP GXRKSWOKCL J ETJOCVYP J FQZJL J JBBFQPJL RGTK ICT VCWVC MJTCKPGK VQ VYP CXPSTYRYP IGPQL  233 Philo LA III,117: VQWVQ FG UWODCKPGK Q=VCP QBB [WEJL MTCVJUJ^ RQNGOQL> CXPCIMJ ICT FQTWCNYVQP IKPGUSCK VQP OJ OCEKOQP CXNN8 GKXTJPCKQP VQP GXP WBBOKP NQIKUOQP. Philo verwendet hier den Begriff FQTWCNYVQL für „gefangen“ (wörtlich: „mit der Lanze gefangen genommen“), während Paulus das Synonym CKXEOCNYVQL benutzt (CKXEOJ kann die Spitze der Lanze oder die Lanze selbst bezeichnen). Ebenfalls wichtig im Vergleich mit Paulus ist das Vorkommen der PQWL bzw. des NQIKUOQL, der gefangen bleibt und unfähig ist zu agieren. Dies lässt sich als weiteres Textelement zur Bestimmung der Sprache der Affektenlehre heranziehen.

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Die Destruktivität des Menschen als UCTZ

strumente) für diesen selbstzerstörerischen Krieg zur Verfügung. UCTZ bleibt die aktive Kraft (die im Grunde auch unter der Sünde steht), UYOC ist der passiv leidende Mensch, der schließlich Opfer der Selbstzerstörung wird. UCTZ wird dabei nicht als leblose Materie betrachtet,234 sondern meint den Menschen in seiner aktiven Wirkung in allen Lebensbereichen. Die UCTZ wirkt im Bereich der Körperlichkeit und des Denkens gleichermaßen. Die Affekte zeigen deutlicher als jeder andere Begriff, wie die Destruktivität im Menschen verwurzelt ist. Rein physiologisch gesehen entstehen die Begierden eigentlich im Herzen (Röm 1,24), und so betrachtet sind sie in gewisser Weise ebenfalls das Ergebnis einer denkenden Funktion oder einer Projektion, für die die MCTFKC zuständig ist. Die UCTZ ist dann die Energie, das Substrat, ohne das sie nicht entstehen und gedeihen könnten. Die philosophischen Lehren der Zeit würden dieser Vorstellung nicht zustimmen, da für sie die Affekte grundsätzlich aus der Seele stammen. Bei Philo ist die Leiblichkeit (UCTZ und UYOC) nur der Humus, auf dem die Affekte gedeihen, und nicht ihr eigentlicher Ursprung. Für Paulus hingegen ist UCTZ nach biblischer Vorstellung eine Vitalität, die der von Gott in der Schöpfung verliehenen [WEJ entstammt. Diese Vitalität ist zugleich der Ursprung der physischen und psychischen Funktionen des Menschen und vereint diese in der Kategorie des Irdisch-Geschöpflichen. So wird auch verständlich, warum Paulus in Verbindung mit UCTZ z.B. von HTQPJOC VJL UCTMQL (Röm 8,6.7) oder von RTQPQKC (Röm 13,14) spricht. Diese Dynamik ist die Grundlage des paulinischen Begriffs. Vervollständigt wird das Konzept durch die Vitalität des Menschen als Fleisch. Dieser aktive Charakter der UCTZ im Gegensatz zum statischen, inaktiven UYOC führt aber nach Paulus notwendigerweise zur Zersetzung des Menschen und wirkt letztendlich destruktiv und selbstzerstörerisch. 234 Dies ist m.E. die größte Aporie der idealistischen Erklärung. Ihr Ausgangspunkt ist die UCTZ, die leblose Materie ist, während das UYOC als Form gedacht ist. Problematisch wird diese Interpretation aber dann, wenn Paulus der UCTZ eine Aktivität zuschreibt und wenn diese Aktivität auch die geistige Sphäre des Menschen umfasst. Das Schema ist in gewisser Weise in die Krise geraten. Ein Beispiel hierfür ist z.B. bei O. Pfleiderer, Paulinismus, 57–58, zu finden. Er betont die Unterscheidung zwischen dem Ich und der UCTZ, in Röm 7,18, bei der letztere in 7,23 mit „den Gliedern identifiziert wird“. Dies wird durch die folgenden rhetorischen Fragen unterstrichen: „Wie könnte er ferner mit UCTZ das UYOC VJL SCPCVQW als erlösungsbedürftig verbinden, wenn UCTZ nicht eben die Materie dieses UYOC, wenn es etwas davon völlig Verschiedenes, die ganze Menschennatur wäre? Wie könnte er in 8,13 das Nicht mehr nach dem Fleische leben als ein Erörtern der RTCZGKL VQW UYOCVQL bezeichnen? Dieses Alles erklärt sich nur dann ungezwungen, wenn der UCTZ – was ja auch an sich das natürlichste ist – überall ihre Grundbedeutung: Materie belassen wird“. Mir scheint im Gegenteil nicht die leblose und passive Materie die Grundvorstellung des paulinischen Begriffs UCTZ zu sein, sondern die Vitalität des irdischen, lebendigen Menschen. Die Bedeutung „Materie“ ist bei Paulus kaum vertreten und spielt in seiner Argumentation keine grundlegende Rolle.

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Die UCTZ kennzeichnet den aktiven Menschen und das UYOC den Menschen, der versklavt wird. Aus dieser Überlegung heraus lassen sich die Ausdrücke UYOC VJL CBBOCTVKCL und UYOC VQW SCPCVQW erklären, nämlich im Sinne einer Versklavung des Menschen unter der Macht der Sünde oder des Todes. Ausnahmen von diesem Schema bilden Röm 6,12, wo die GXRKSWOKCK ihren Ursprung im UYOC haben und nicht, wie zu erwarten wäre, in der UCTZ (oder der COCTVKC), und Röm 8,13, wo der Ausdruck VC GTIC VQW UYOCVQL eine aktive Rolle des UYOC voraussetzt. Die Unsicherheit des von Nestle-Aland vorgeschlagenen Textes in beiden Versen ist ein möglicher Einwand gegen diese Interpretation.235 Man muss allerdings sagen, dass UCTZ und UYOC unter dem Gesichtspunkt der Sünde sehr nahe beieinander liegen: UCTZ bleibt eine aktive Kraft, aber unter der Macht der Sünde wird sie destruktiv, und UYOC als passives Element stellt sich als Sklave in den Dienst eben dieser Sünde. Eine letzte Unterscheidung zwischen UCTZ und UYOC betrifft den christologischen Bezug. In Röm 7 und 8 werden die beiden Begriffe in dieser Hinsicht differenziert: UYOC VQW &TKUVQW in Röm 7,4 (mit Artikel!) bezieht sich zweifellos auf den Kreuzestod Christi, dasselbe gilt für das Wort UYOC in den Einsetzungsworten des Abendmahls. UCTZ hingegen steht für die menschliche Existenz Jesu im Allgemeinen, was in Röm 1,3 und Röm 8,3 durch den Ausdruck GXP QBOQKYOCVK UCTMQL CBOCTVKCL verdeutlicht wird. Unklar ist, was Paulus mit QBBOQKYOC gemeint hat: Das Wort beinhaltet zwei Bedeutungen, Identität und Ähnlichkeit. Die Pointe liegt darin, dass nur durch das Opfer Christi das Fleisch zerstört werden kann. J.G. Dunn bemerkt mit Recht, dass Gott die Sünde im Fleisch bekämpft, indem er das Fleisch tötet, das heißt indem er es zerstört, „since flesh without life is flesh destroyed. The logic of Paul’s thought here ist that sinful flesh could not be healed or redeemed, only destroyed.“236 235 Röm 6,12: OJ QWP DCUKNGWGVY JB CBOCTVKC GXP VY^ SPJVY^ WBOYP UYOCVK GKXL VQ WBRCMQWGKP VCKL GXRKSWOKCKL CWXVQW. Es ist offensichtlich, dass sich CWXVQW in dieser Textstelle auf UYOC bezieht. Die Begierden entstehen im UYOC. Doch der tote Leib ist schwerlich als Quelle der Begierde vorstellbar. Darin liegt der Grund, dass der westliche Text (D) die Variante CWXVJ^ aufweist. Bei Origenes finden sich drei Versionen dieses Verses: In De oratione, XXV,1 heißt es: OJ QWP DCUKNGWGVY JB CBOCTVKC GXP VY^ SPJVY^ WBOYP UYOCVK GKXL VQ WBRCMQWGKP VCKL GXRKSWOKCKL CWXVJL. Dieser Fall würde besser ins Schema der Untersuchung passen, da die Begierden hier aus der Sünde entstehen. In seinem Kommentar zum Römerbrief führt Origenes aber noch zwei weitere Texttraditionen an: OJ QWP DCUKNGWGVY JB CBOCTVKC GXP VY^ SPJVY^ WBOYP UYOCVK GKXL VQ WBRCMQWGKP CWXVJ^ GXP VCKL GXRKSWOKCKL CWXVQW (Commentarii in Romanos XXXI,1). In Röm 8,13 scheint CKBB RTCZGKL VQW UYOCVQL ebenfalls nicht dem semantischen Gehalt des Begriffs UYOC zu entsprechen. H. Lietzmann, An die Römer, 83, neigt zu der Variante VJL UCTMQL, „wie es genau genommen heißen müsste“. Diese Variante findet sich bei allen lateinischen Autoren. Bei Origenes, In Jeremiam, VIII,1 ist sie dokumentiert, während an anderen Stellen auch die Variante VQW UYOCVQL vorkommt, vgl. z.B. Commentarii in epistulam ad Romanos, XXVI,17 u. a. 236 J.D.G. Dunn, Romans, 439. Die Debatte über die Bedeutung von QBBOQKYOC ist an dieser Stelle unklar: E. Lohse, Der Brief an die Römer, 231, schreibt, das Wort meine „ein Concretum –

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Analyse von Gal 5,13–23

4. Analyse von Gal 5,13–23 Die aktive Funktion der UCTZ und die destruktive Wirkung auf den Menschen wird besonders in Gal 5 und 6 bestätigt, stärker noch als in Röm 7, wo die eigentlich wirkende Macht die CBBOCTVKC ist. Thema des Briefes ist erneut das Gesetz, und zwar vor dem Hintergrund, dass einige Außenstehende verkündet hatten, das Gesetz und die Beschneidung seien notwendige Elemente des christlichen Lebens. Im Vergleich zu Röm 7 ist der Stil des Galaterbriefes polemischer: Für Paulus stellt die Position der Judaisten einen Rückfall in die frühere Abhängigkeit dar. Gal 5 und 6 lassen sich nicht einfach als praktisch-ermahnender Teil des Briefes verstehen, sondern sie haben argumentativen Charakter.237 Der Zustand des Christen wird dem eines Sklaven gleichgesetzt: Er wird von Christus VJ^ GXNGWSGTKC^ befreit (Gal 5,1), doch dies bringt ihn wiederum in einen Zustand der Abhängigkeit von Christus. Paulus selbst sieht sich als Sklaven Christi, der die UVKIOCVC VQW ,JUQW auf seinem UYOC trägt. Die Bedeutung dieses Teils liegt in dem anth[…] die Erniedrigung Christi in der von Fleisch und Sünde bestimmten Welt der Menschen“. Die Vorstellung wird in Zusammenhang gebracht mit Phil 2,7 GXP QBBOQKYOCVK CXPSTYRYP IGPQOGPQL. E. Käsemann, An die Römer, 142–143, verwirft die Alternative Gleichheit oder Ähnlichkeit für die Definition des Wortes und sieht darin eher die konkrete Bedeutung „Abbild“ oder „Gestalt“, analog zum Gebrauch der LXX. V. Branick, The Sinful Flesh of the Son of God, 246–262, spricht sich hingegen für die traditionelle Interpretation von QOQKYOC als „Ähnlichkeit“ aus: Christus ist nicht von gleicher Art wie der Mensch, er ist in jedem Fall ohne Sünde: 248–249, „likeness in appearence, and secondly the distinction of essence between Christ’s physical body and that of men there is an essential difference between Christ and men“. Für die Definition von UCTZ unterscheidet Branicke zwei Hauptbedeutung des Terminus bei Paulus: einerseits bezeichnet er die Solidarität aller Menschen (solidarity), andererseits eine Macht, die auf den Menschen wirkt. Die zwei Bedeutungen zeigen die Vereinigung des alttestamentlichen Begriffs „basar“ als Schwachheit des Menschen und der apokalyptische Vorstellung vom bösen Äon (252). In Röm 8,3 wiederholt sich nach Branicke die christologische Erniedrigung Christi, die bereits in 2Kor 5,21 und Phil 2,3 vorkommt. Dabei sind folgende Etappen zu unterscheiden: a) Christus ist der präexistente Sohn Gottes; b) er erniedrigt sich durch die Inkarnation sowie c) durch Kreuzestod und Verdammung. d) Es folgt die Wiederaufrichtung durch die Auferstehung. Damit rückt Branicke in die Nähe derer, die unter QBBOQKYOC UCTMQL CBBOCTVKCL das Teilhaben am menschlichen Zustand verstehen. 237 E. De Witt Burton, Galatians, 495, bezeichnet diesen Teil zu Recht als „exhortation directly connected with the argument“. M.E. ist gerade die Verwendung der anthropologischen Termini ein weiteres Argument für die Unanwendbarkeit des Gesetzes. Nicht zutreffend scheint mir die Ansicht von H.D. Betz, Galatians, 273, dass dieser Teil im Gegensatz zur harschen Polemik der vorherigen Kapitel einen positiven Tenor habe. Im Anschluss an die polemischen Kapitel „ there has to be a positive and viable proposal as to how to deal effectively with misconduct and failure, that is, with the flesh“. Gal 5,12 etwa weist hingegen eine offene Polemik auf. Der Kern der paulinischen Argumentation liegt aber hier darin, dass das Subjekt der UCTZ nicht widerstehen kann. Zum konstruktiven Handeln ist es auf den Geist angewiesen. Und das bedeutet, dass es nicht handlungsfähig ist und das Gesetz nicht erfüllen kann. Im Mittelpunkt steht die Erlösung durch Christus und die Gefahr, dass der UCTZ durch die gewonnene Freiheit Raum gegeben wird.

Die Werke des Fleisches – die Frucht des Geistes

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ropologischen Beweis, dass der Mensch das Gesetz nicht erfüllen kann, sondern unvermeidlich von der destruktiven Macht der UCTZ bestimmt wird. Das im Spannungsfeld des Dualismus UCTZ – RPGWOC stehende Subjekt ist nicht fähig, das Gesetz zu erfüllen: K=PC OJ C? GXCP SGNJVG VCWVC RQKJVG. Ähnlich wie in Röm 7 ist das Gesetz dem Menschen nicht von Nutzen, da der Mensch auch hier die Diastase von Wollen und Tun erfährt. Das Gesetz erscheint sogar hinderlich, da der Mensch durch die Befolgung des Gesetzes Christus verliert und aus der Gnade fällt (Gal 5,4: MCVJTIJSJVG CXRQ &TKUVQW QK=VKPGL GXP PQOY^ FKMCKQWUSG VJL ECTKVQL GXZGRGUCVG). Nach H. Schlier238 will Paulus die Galater vor dem Nomismus, aber zugleich auch vor dem Antinomismus warnen. So lässt sich die Ermahnung interpretieren, dass der Mensch seine Freiheit nicht dazu nutzen soll, dem Fleisch Raum zu geben. 8$HQTOJ hat hier eine andere Bedeutung als in Röm 7,8.11, wo der Begriff die Rolle des Gesetzes als „Anreiz“ meint. Hier ist die CXHQTOJ nach Schlier „die dem Fleisch zu seiner Selbstbefriedigung willkommene Möglichkeit und Gelegenheit“.239 Schliers Auslegung, nach der Paulus eine mittlere Position zwischen Antinomismus und Nomismus vertritt, scheint aber nicht berechtigt. Gal 5 liegt vielmehr dasselbe Schema aus der Affektenlehre zugrunde, das bereits in Röm 7 verwendet wurde: Danach kann der Mensch die aktive Kraft der UCTZ nicht durch die mäßigende Rolle des Gesetzes oder durch eine hedonistische Haltung überwinden, sondern nur durch die konträre Kraft des Geistes. Eine Neigung zu destruktivem Verhalten ist immer vorhanden, und selbst die christliche Gemeinde kann auf den Stand einer Meute wilder Tiere240 zurückfallen. Die Werke des Fleisches – die Frucht des Geistes Die Werke des Fleisches – die Frucht des Geistes Dass die UCTZ ein aktives Prinzip im Menschen ist, ja dass sie sogar der handelnde Mensch selbst ist, wird aus Gal 5,19–21 deutlich. UCTZ begeht GTIC (Werke), durch die sie erkennbar wird: Sie ist also nicht wie in der hellenistischen Vorstellung ein passives Element im Menschen. In der Verwendung des Wortes GTIC ist eine implizite Polemik gegen die GTIC PQOQW enthalten, die von den Gegnern als notwendig betrachtet werden. Die Werke, die der handelnden Menschen vollbringt, umfassen auch die Gesetzeswerke, ja diese sind nach Paulus nichts anderes als eine Konkretisierung 238 H. Schlier, Der Brief an die Galater, 175. 239 H. Schlier, Der Brief an die Galater, 175. 240 Die bereits angeführten Beispiele aus der zeitgenössischen Ethik bei Seneca und Plutarch zeigen, dass Paulus in Gal 5,15 einen bekannten Topos verwendet. H. D. Betz, Galatians, 276, „Such ‚beastly‘ behavior stands, of course, in sharp contrast to the love of one another just described in V. 14.“

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der UCTZ: Das Gesetz setzt den handelnden Menschen voraus, der bei Paulus als UCTZ beschrieben wird. Die GTIC PQOQW beinhalten zwar eine Intention zum Guten, aber sie schließen auch die Tatsache ein, dass sich der Mensch seiner selbst rühmt, und dies kennzeichnet sie als Werke des Fleisches. Der Kern liegt nicht darin, dass das Gesetz die Sünde unterstützen könnte, sondern darin, dass die GTIC PQOQW nicht an sich konstruktiv sein können, weil die aktive Kraft im Menschen, die UCTZ, destruktiv wirkt. E. De Witt Burton sieht zwar einen Zusammenhang zwischen GTIC PQOQW und GTIC VJL UCTMQL, aber er betont zugleich auch den Unterschied zwischen beiden.241 Die Problematik liegt hier in der Realität der GTIC VJL UCTMQL, die jeden Versuch einer Befolgung der Gesetze scheitern lässt. Der Hintergrund dieser Perikope ist erneut die Affektenlehre: UCTZ wird als Quelle des Begehrens (GXRKSWOGK Gal 5,17) betrachtet und steht ausdrücklich in Zusammenhang mit RCSJOCVC und GXRKSWOKCK (Gal 5,24 UWP VQKL RCSJOCUKP MCK VQKL GXRKSWOKCKL). Die Auflistung der Werke ist aber nicht wie in der stoischen Ethik als systematische Unterscheidung konzipiert.242 Aus der Perspektive einer Widerlegung der Notwendigkeit der Gesetzeswerke zielt Paulus nicht auf eine methodische Unterscheidung der Affekte ab, sondern auf die Darstellung der offensichtlich destruktiven Auswirkungen des Fleisches auf das menschliche Leben. Die Betonung liegt auf dem Adjektiv HCPGTC, mit dem Paulus die Aufforderung seiner Gegner zu GTIC PQOQW zurückweist. Nach Paulus sind die GTIC PQOQW verglichen mit den GTIC VJL UCTMQL nur eine religiöse Abstraktion. Die Auflistung umfasst viele Bereiche des menschlichen Lebens, nach dem Muster der Verbote des Gesetzes.243 In der Liste 241 E. De Witt Burton, Galatians, 304. Natürlich denkt Paulus nicht an eine Gleichsetzung der beiden „Werke“, sondern an eine logische Gegenüberstellung. Die GTIC VJL UCTMQL, die offensichtlich anthropologisch relevant sind, stellen die GTIC PQOQW faktisch in Frage. De Witt Burton betont die passive Bedeutung von GTIC, die sich auch an anderen Stellen bei Paulus findet, doch in diesem Fall spielt auch der Gebrauch der Genitive eine wichtige Rolle, die einen unterschiedlichen inhaltlichen Wert haben: Während der Genitiv PQOQW solche Werke bezeichnet, die mithilfe des Gesetzes vollzogen werden und also quasi als genitivus qualitatis gebraucht wird, ist VJL UCTMQL bei Paulus ein genitivus auctoris. Dies ist die entscheidende Sinnverschiebung, die Paulus einführt: das Problem nicht des Werks sondern des Autors, der für Paulus auf jeden Fall mit UCTZ identifiziert wird. 242 F. Vouga, An die Galater, 134, betont den Unterschied dieses Katalogs zu den stoischen und hellenistischen Beipielen: „Aufgelistet werden Taten, nicht Dispositionen wie in der stoischen Psychologie.“ 243 Es scheint mir, dass gerade die Argumente des Paulus in Röm 7 und Gal 5, die das Gesetz als wegen der Realität der UCTZ grundsätzlich unerfüllbar darstellen, dazu beitragen, dass die Thesen von E.P. Sanders und von J.D.G. Dunn über Paulus’ Verständnis des Gesetzes kritisch diskutiert werden. J.D.G. Dunn (Die neue Paulus-Perspektive. Paulus und das Gesetz, in: KuJ 111 (1996) 34–45) korrigiert Sanders’ These, nach der Paulus vom Bundesnomismus des Judentums direkt zum Christentum übergeht und dabei ein „inkohärent[es] und widersprüchlich[es]“ Verständnis der Torah erkennen lässt. Für Dunn gilt auch die Erfüllung des Gesetzes als „identity marker“ des Judentums. Die Rolle des Paulus bestehe dann darin, den „Bundesnomismus“ zu

Die Werke des Fleisches – die Frucht des Geistes

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kann man vier Gruppen unterscheiden:244 eine Gruppe destruktiver Handlungen im Bereich der Sexualität (RQTPGKC, CXMCSCTUKC, CXUGNIGKC), eine Gruppe aus dem religiösen Bereich – aus jüdischem Blickwinkel betrachtet245 (GKXFYNQNCVTKC, HCTOCMGKC) –, eine Gruppe von Elementen, die zu Konflikten führen und auf die Gemeinschaft destruktiv wirken246 (GESTCK, GTKL, \JNQL, SWOQK, GXTKSGKCK, FKEQVCUKCK, CKBBTGUGKL, HSQPQK) und als letztes eine Gruppe von Missbräuchen im Bereich der Ernährung (OGSCK, MYOQK). Das zweite aktive Element, das im Menschen wirkt, ist der Geist, der die Frucht hervorbringt. Der Singular MCTRQL betont im Gegensatz zum Plural GTIC die Einheit der Handlungen, während die UCTZ eine Dynamik hervorruft, die für das Individuum ebenso wie für die Gruppe destruktiv wirkt. Die Konstruktivität ist daher keine vom Menschen selbst hervorgebrachte Qualität, sondern eine Konkretisierung des Geistes. Es scheint mir daher nicht ganz korrekt zu sein, wenn H.D. Betz schreibt, dass die Frucht des Geistes stets eine aktive Beteiligung des Menschen voraussetzt.247 Obwohl der Stil dieses Teils dem Stil der Kataloge entnommen ist, erscheint es mir nicht korrekt, von Laster- und Tugendkatalogen zu sprechen, als seien die hier aufgelisteten Verhaltensweisen zu vermeiden oder zu erfüllen: Vielmehr handelt es sich um eine paradigmatische Auflistung konstruktiver und destruktiver Verhaltensweisen.248 Die Frucht des Geistes wird hier auf das erweitern: Das Gesetz gelte danach nicht nur für die Juden, sondern für alle Völker: „befreit von dieser zu engen jüdischen Perspektive hat das Gesetz weiterhin eine wichtige Rolle im ‚Gehorsam des Glaubens‘ zu spielen.“ Sicherlich bestreitet Paulus eine jüdische partikularistische Vorstellung des Gesetzes, die die Heiden ausgrenzt. Aber die Problematik dieses Kapitels liegt nicht in der Gültigkeit des Gesetzes, sondern in seiner Umsetzung und in seiner Kompatibilität mit der Erlösung durch Christus. Die ethische Abgrenzung von der paganen Welt wird nach Paulus in Christus überwunden. Aber das eigentliche Argument, das Paulus anführt, ist das grundsätzliche Problem der Anwendbarkeit des Gesetzes. Die jüdischen Apologeten haben in der paganen Welt das Gesetz als Mittel zur Bekämpfung der Affekte durch den NQIKUOQL ins Feld geführt. Für Paulus ist das Gesetz nicht geeignet zur Überwindung der Affekte, da der Mensch als UCTZ nur destruktiv handelt und das Gesetz nicht nutzen kann. Anstatt GTIC PQOQW führt der Mensch GTIC VJL UCTMQL aus. 244 H.D. Betz, Galatians, 283, betont hingegen die chaotische Auflistung dieser Werke, die auf die chaotische Natur des Bösen verweist. „This chaos is to be constrasted with the onsess of the ‚fruit of the Spirit‘“. Meiner Ansicht nach lassen sich aber verschiedene Bereiche erkennen, obwohl die Liste unvollständig vorliegt und keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt. 245 Insbesondere entstammt das Wort GKXFYNQNCVTGKC eindeutig dem jüdisch-hellenistischen Milieu; vgl. auch Schlier, Der Brief an die Galater, 183. 246 F. Vouga, An die Galater, 136: „die dritte Gruppe besteht aus der Bezeichnung von acht Haltungen bzw. Verhaltensweisen, die destruktive Konflikte verursachen.“ 247 H.D. Betz, Galatians, 286–287, „in the present context of ethical exhortation, we can conclude that simple possession of the ‚fruit of the Spirit‘ cannot be what Paul means […]. The ‚fruit of the Spirit‘ presupposes man’s active involvement.“ 248 Die Auflistung jener Affekte, die den „bösen“ Affekten entgegengesetzt sindd, entspricht der stoischen Theorie der „guten“ Affekte. Nach der stoischen Ethik gibt es drei „gute“ Affekte: ECTC (gaudium), DQWNJUKL (voluntas) und GWXNCDGKC (cautio), vgl. SVF III,431–439. Der enzige

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Die Destruktivität des Menschen als UCTZ

Individuum bezogen – vielleicht, weil dieser Brief nicht die Einheit der Gemeinde zum Thema hat. Gal 5,23 MCVC VQKQWVYP QWXM GUVKP PQOQL führt ein neues Element in die Diskussion ein: Das Gesetz kann nichts gegen die Verwirklichung des Geistes ausrichten, da die Frucht des Geistes selbst bereits eine Realisierung des Gesetzes ist. Das schließt den paulinischen Diskurs über das Gesetz ein. Zudem kann es die GTIC VJL UCTMQL nicht bekämpfen und keine echten GTIC PQOQW produzieren. Interessant im Zusammenhang dieser Untersuchung ist außerdem die chiastische Formulierung in Gal 5,17: JBB ICT UCTZ GXRKSWOGK MCVC VQW RPGWOCVQL VQ FG RPGWOC MCVC VJL UCTMQL. Auffällig ist das Fehlen des Verbs im zweiten Glied, möglicherweise um eine störende Wiederholung und nicht, um ein unpassendes Zusammentreffen von RPGWOC und GXRKSWOGKP zu vermeiden.249 Paulus strebt nämlich keinen Zustand der Affektenlosigkeit wie bei den Stoikern an. Seiner Ansicht nach muss die destruktive Energie der UCTZ durch die konstruktive Energie des RPGWOC ersetzt werden. In diesem Sinne ist sogar das GXRKSWOGKP als solches nicht unbedingt als negativ zu betrachten. Gleiches gilt für einen der Hauptaffekte bei den Stoikern, die NWRJ. Laut 2Kor 7,10 führt die NWRJ zum Tod. Eine positive NWRJ (NWRJ MCVC SGQP), die eine Umkehr ermöglicht und nicht destruktiv wirkt, ist in dieser Textstelle eine rhetorisch bedingte Ausnahme, mit der Paulus die Härte seiner Ermahnung in seinem Tränenbrief als seine apostolische Aufgabe begründet. Auch die NWRJ MCVC SGQP bleibt unverändert in ihrer destruktiven Wirkung: Dies ist der in 2Kor 7,11 angeführten Liste der Affekte zu entnehmen, die aus der NWRJ entstehen: CXICPCMVJUKL, HQDQL, GXRKRQSJUKL, \JNQL und GXMFKMJUKL. Es wird aber auch anhand der Verlegenheit deutlich, mit der der Apostel feststellt, dass der Brief die Gemeinde ehrlich betrübt hat. Was den Unterschied ausmacht, ist das von Gott gesetzte Ziel der UYVJTKC, das die Destruktivität der Affekte ins Gegenteil verkehren kann. Aus diesem Grund ist anzunehmen, dass Paulus es nicht bereut, einen so harten Brief geschrieben zu haben. Was den Austausch der destruktiven Energie durch die kostruktive Energie des Geistes möglich macht, sind, wie in Röm 7 festzustellen ist, Tod Begriff, der beiden Auflistungen gemeinsam ist, ist ECTC. „Nam cum ratione animus movetur placide atque constanter, tum illud gaudium dicitur.“ (Cic Tusc. IV,12, vgl. SVF III,438). In der Systematik des Andronicus (SVF III,432) findet man als Unterbegriff von DQWNJUKL auch CXICRJUKL. Der Berührungspunkt zwischen den stoischen und den paulinischen Begrifflichkeiten ist eigentlich nicht der Gebrauch gleicher Terminologie, denn die paulinische Auflistung umfasst nicht nur Affekte, sondern auch Verhaltensweise und Handlungen. Gemeinsam ist beiden vielmehr die Vorstellung von einer guten und positiven Energie, die im Menschen wirkt. Bei den Stoikern ist sie in der Vernuft verankert, bei Paulus kommt sie durch die Wirkung des Geistes Gottes zustande. 249 Es stellt sich das Problem des fehlenden Verbs. A. Sand, Der Begriff Fleisch, 212, Anm. 2, schlägt vor, gegen Lightfoot das Verb GXRKSWOGK zu ergänzen, ebenso H. Schlier, An die Galater, 180, und J. Rohde, An die Galater, 234, wobei letzterer von GXRKSWOGKP als vox media zwischen den beiden kontrastierenden Elementen spricht.

Die Werke des Fleisches – die Frucht des Geistes

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und Auferstehung Christi. In Gal 5,24 heißt es: QKBB VQW &TKUVQW [,JUQW] VJP UCTMC GXUVCWTYUCP UWP VQKL RCSJOCUKP MCK VCKL GXRKSWOKCKL, das heißt, diejenigen, die Christus gehören (auch hier ist der Genitiv wieder ein genitivus possessivus) haben das Fleisch mit (seinen) Affekten und Begierden gekreuzigt. Die Energie des Fleisches wird auch hier durch de351 Kreuzestod genommen, damit der Christ als Sklave Christi an der auferweckenden Energie des Geistes teilhat. Abschließend kann man sagen, dass in Gal 5 das gleiche Schema wie in Röm 7 und 8 vorliegt. Da der paulinische Diskurs auf der Affektenlehre basiert, lässt sich aus der Diskussion über die Beschneidung eine logische Verbindung zwischen Gesetz und Fleisch ableiten: a) Der Mensch ist als handelndes, aktives Wesen, aufgefordert das Gesetz zu erfüllen, der aktive Mensch aber ist UCTZ; b) Die Erfüllung des Gesetzes ist ein Grund sich seiner selbst zu rühmen und daher ein sarkisches Verhalten: Sie hat also im Grunde nur Scheincharakter. c) Die Beschneidung wird am Fleisch vorgenommen und betont damit eine rein physische Eigenschaft des Individuums. UCTZ bedeutet hier auch Fleischsubstanz, neben der theologisch tieferen Bedeutung des handelnden, aktiven Menschen. Diese Verbindung von Gesetz und Fleisch unterstreicht die Vorstellung, dass das Gesetz nicht dem konstruktiven Handeln des Menschen dient, sondern im Grunde auf die Ebene des Fleisches begrenzt bleibt. Die Auflistungen zeigen, dass die aktive menschliche Kraft zu einem destruktiven Verhalten des Menschen führt. Die aktive göttliche Kraft hingegen ist das Prinzip, das ein konstruktives Verhalten erst ermöglicht.

Schlussbetrachtung: Der Mensch zwischen Konstruktivität und Destruktivität

In diesem Abschnitt sollen die Schlussfolgerungen dieser Untersuchung kurz schematisch zusammengefasst werden: UYOC ist kein neutraler Bereich im Menschen, in dem dieser sich für das eigentliche oder das uneigentliche Leben entscheiden kann, wie Bultmann es fasst. Ebenso wenig ist die Auslegung als „Sein-können“ oder als ein an sich neutraler anthropologischer Terminus angebracht. Paulus macht sich ganz im Gegenteil die in der Antike vorherrschende Bedeutung von UYOC als inaktives, fremdbestimmtes Wesen zueigen. Es gibt zwei semantische Anwendungen von UYOC in der antiken Welt, nämlich „Leiche“ einerseits und „Sklave, Gefangener“ andererseits, die sich Paulus in seiner Argumentation zunutze macht. UYOC heißt dann bei Paulus der Mensch als inaktives, fremdbestimmtes Wesen. Die Auferstehung Christi, die durch den Geist Gottes geschieht, ist der Grund, weshalb der Begriff UYOC in der paulinischen Anthropologie relevant wird. Ebenso wie Christus kann der Mensch, der sonst wie ein passives Wesen oder wie ein Sklave in der Welt lebt, den Übergang vom Tod zum kostruktiven Leben erfahren. Er wird zu einem neuen Leben in Freiheit gerufen und zu einem Leben in der Gemeinschaft befähigt, doch dabei bleibt er grundsätzlich als UYOC in seiner Abhängigkeit verhaftet, die eine Grundstruktur seines Wesens ist. Freiheit wird erst im Dienst an Christus möglich. Die Konstruktivität zeigt sich in der Wirkung des Geistes auf den Menschen, und dies in drei Bereichen: a) in der Eschatologie durch die Auferstehung des UYOC; b) in der Ekklesiologie durch die Teilnahme des Einzelnen an der Gemeinschaft, die als ein durch den Geist geeinter Leib dargestellt wird, c) in der Ethik durch die konstruktive Anwendung des eigenen Leibes zum Gottesdienst und zum Dienst an den Mitmenschen. Nach diesem Schema lässt sich der Begriff „Leib Christi“ für die Gemeinde erklären. Paulus übernimmt die philosophische Theorie des Leibes als Metapher für die Gemeinschaft. Ein geeinter Leib ist ein Leib, in dem eine UWORCSGKC aller Teile besteht. In der Physik der Antike wird dies durch die verbindende Rolle des Geistes ermöglicht, der die einzelnen Elemente durchdringt und verbindet. Das gleiche Prinzip gilt für die Gemeinde: Sie wird als konstruktive Gemeinschaft durch den Geist konstituiert. In der korinthischen Gemeinde wird die Tatsache, den Geist zu besitzen, zum

Schlussbetrachtung

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Anlass für eine individualistische Haltung und für asketisches Verhalten genommen. Für Paulus wirkt der Geist auf das UYOC, ekklesiologisch begründet er die Gemeinschaft.  UCTZ ist nach Paulus grundsätzlich der Mensch, der ein aktives, beseeltes und lebendiges Wesen ist. Bei Paulus kommt ihr eine andere Bedeutung zu als in der hellenistischen Welt, wo der Terminus die Substanz des Leibes, den Muskel mit oder ohne Haut bezeichnet und als Synonym für UYOC verwendet wird. Der aktive Mensch handelt in der Welt nach einer ausschließlich irdischen Perspektive. Paulus sieht hier einen engen Zusammenhang zwischen dieser Aktivität und der Sünde. UYOC bezeichne353 den Menschen, der von außen bestimmt wird, während UCTZ den Anspruch des Menschen auf freies Handeln und Kreativität ausdrückt, dies allerdings nur aus weltlicher Perspektive. Der Zusammenhang zwischen Sünde und UCTZ wird aus mythologischem Blickwinkel erklärt. Die Vorstellung, dass die menschliche Aktivität ohne Gott destruktiv ist, ist ein Postulat der biblischen Theologie. Um das Wirken der UCTZ zu erklären, beruft sich Paulus auf die Diskussion über die Affekte in der Antike. Die Kernfrage des philosophischen Diskurses war die Überwindung des destruktiven Potentials im Menschen, das sich in der destruktiven Energie der Affekte äußert. Die Destruktivität im Menschen kann nach Paulus nicht – wie bei Philo und den jüdisch- hellenistischen Autoren – durch das Gesetz beseitigt werden. Das Gesetz verstärkt die Sünde sogar noch. Auch die in der Philosophie aufgeworfene These einer Mäßigung der Affekte oder ihrer vollständigen Beseitigung durch die Vernunft bleibt unpratikabel, weil der gesamte Mensch als UCTZ gilt und davon kein Teil ausgeschlossen ist. So muss jeder menschliche Versuch, zu handeln oder die Vernunft anzuwenden, erfolglos bleiben. Die Beseitigung der Destruktivität ist nur möglich durch die Tötung der aktiven UCTZ. Nur der Geist Gottes kann die destruktive Kraft des Menschen bannen. Die UCTZ wird getötet durch die Teilhabe der Christen am Kreuzestod Christi. Wie der Geist für das UYOC die Auferstehung Christi aktualisiert, bewirkt derselbe Geist im Menschen die konstruktive Kraft des neuen Lebens und bewirkt die Tötung der UCTZ für den aktiven, aber sündigen Menschen. Solange der Mensch lebt (und GXPUCTMK ist), ist die Macht der UCTZ nicht völlig beseitigt, der Mensch erfährt sich im Kampf zwischen der überwundenen Destruktivität und dem in Christus realisierten konstruktiven Leben. UYOC und UCTZ sind die wichtigsten und am häufigsten benutzen Termini bei Paulus, weil sie mehr als alle anderen den Zustand des Menschen beschreiben können und die Erlösung Christi auf menschlicher Ebene darstellen.

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Register Register Moderne Autoren

1. Moderne Autoren Aletti, Jean-Noël 339 Barth, Karl 235, 242f, 247, 249 Barth, Markus 144, 181 Bauer, Karl Adolf 41f, 45, 54, 113, 144, 248 Baur, Ferdinand Christian 16f, 174 Becker, Jürgen 78, 120, 135, 234f Benoit, Pierre 214, 216 Best, Ernest 29, 31f, 207, 210, 223–225 Betz, Hans Dieter 116, 346f, 349 Bornkamm, Günther 141,144, 148, 156 Bouttier, Michel 209f Brandenburger, Egon 36f, 46, 249, 251, 296f Bultmann, Rudolf 11f, 16, 33–36, 38, 40– 46, 53f, 57, 74f, 77, 80, 110, 232, 249f, 257, 260f, 263f, 267, 272, 277, 293, 302, 304, 335f, 339, 352 Burchard, Christoph 63, 238, 243f Conzelmann, Hans 99, 120, 122, 147, 149, 156, 168, 180, 182, 239, 241, 249, 258 Cranfield, C.E.B. 333 Davies, W.D. 29, 32 De Witt Burton, Ernest 116, 280, 346, 348 Deißmann, Adolf 29, 48, 92f, 182, 208f, 211 Duchrow, Ulrich 332 Dunn, James D.G. 75, 224, 292, 331, 333, 345, 348 Eichholz, Georg 249 Faust, Eberhard 219, 220f Fromm, Erich 14, 59f, 62, 87 Georgi, Dieter 263–265 Gundry, R.H. 44f, 76, 100, 243, 257, 305, 335 Harnisch, Wolfgang 232f Heckel, Theo K. 64, 287 Heckel, Ulrich 331f Hofius, Otfried 144, 150f, 158, 299, 301, 337f Holsten, Carl 16f, 257f, 292, 297f Horrell, David G. 206 Hübner, Hans 217, 226 Jeremias, Joachim 153f, 156f, 234, 330

Jewett, Robert 42f, 89, 144 Käsemann, Ernst 16, 19–21, 23–29, 31, 33, 36–41, 43–46, 49, 54, 74, 78f, 173–175, 180f, 207, 215, 248f, 252, 263f, 289, 293, 295f, 299, 301f, 304f, 341, 346 Klauck, Hans-Joseph 98, 120, 136, 144, 149, 161–163, 168, 180, 322, 359 Klinghardt, Matthias 144, 150f, 163, 180, 182, 185, 195 Kümmel, Werner G. 302, 330, 334f, 337, 341, 367 Lambrecht, Jan 301f, 333, 337 Lampe, Peter 68, 151, 160 Lang, Friedrich 68, 131, 147, 160f, 163, 232, 239, 241, 249, 252 Lapidge, Michael 187f, 192f Lichtenberger, Hermann 328, 338, 341, 362 Lietzmann, Hans 92f, 122, 147f, 161, 171– 173, 217, 258, 267, 345 Lindemann, Andreas 84, 91, 113, 149, 164, 169, 171f, 180, 204, 218, 226, 288 Lohmeyer, Ernst 115, 125, 142, 144, 217 Lohse, Eduard 104, 212, 223, 289, 301, 345 Lüdemann, Hans 16f, 19, 25, 56, 292f, 295f, 298 Luz, Ulrich 206 Markschies, Christoph 330f Martin, Dale B. 88, 94, 109, 143, 168, 178, 195, 197, 203f, 218, 235, 245, 333, 355, 363 Michel, Otto 212, 293, 301, 303, 341 Mitchell, M.M. 144, 168, 177f, 195 Moxnes, Halvor 213f Mußner, Franz 179f, 223, 225f Neyrey, Jerôme H. 49f, 108f, 178 Paulsen, Henning 147 Percy, Ernst 29, 30, 32, 173, 175, 203 Pohlenz, Max 182, 185–187, 317 Reinhardt, Karl 185, 192f, 317 Reitzenstein, Richard 20–22, 24, 26–28, 32f, 250f

376

Register

Robinson, J.A.T. 16, 30f, 45, 90, 173, 267, 270, 288 Romanello, Sergio 337 Sambursky, Samuel 190f Sand, Alexander 28, 36–38, 243, 287, 350 Schlier, Heinrich 22, 24, 27, 29, 33, 116, 173, 212, 215, 222, 347, 350 Schmidt, Traugott 23f, 175, 207, 208 Schnelle, Udo 49, 63, 75, 232, 267, 313 Schottroff, Luise 235, 247, 249 Schrage, Wolfgang 52, 87, 99, 107, 122f, 168f, 179f, 242–244 Schweitzer, Albert 136, 209 Schweizer, Eduard 36f, 68f, 173, 175, 215f, 218f, 222, 226f, 249, 258, 281, 285, 293f, 315

Sellin, Gerhard 233–236, 238, 241f, 244, 249, 251, 264 Strecker, Christian 144, 165–167, 176, 180, 204, 206, 210f Theißen, Gerd 64, 109, 121, 139, 143, 149f, 154–156, 158f, 161, 169, 299–301, 323– 325, 336–338, 340 Thrall, M. 260, 262, 265, 272, 277, 289 Vielhauer, Philipp 65f, 233, 275 Vouga, François 116, 348f Weiß, Johannes 83, 91f, 99, 112f, 119, 121, 144, 147, 161, 168 Wilckens, Ulrich 301f Windisch, Hans 114, 232, 260f, 267, 277 Wischmeyer, Oda 243 Wolff, Christian 168f, 172, 180, 189, 241

2. Biblische Bücher Biblische 2.1 Altes Testament Gen 1,26–27 33, 253 1,27 248, 252, 254f 2,7 239, 248, 250, 252f, 255 2,17 335 2,21 282 2,22 48 2,23 284 2,24 48, 96–99 2,25 274 3,1 274 3,21 275 6,3 283 6,17 243, 282 6,19 282 7,15–16 282 7,16 243 7,21–22 243, 283 8,17 283 9,21 274 17,14.23.24 284 26,11 148 34,29 34,29 36,6 73, 76 37,27 284 40,19 283 41,3–4 282f 47,18 73, 76 47,18 76

Bücher Ex 12,8 154 15,1–18 93, 320 15,17 104f 24,8 162 28,42 282 32,6 82, 122 33,7 274

Lev 4,11 283 7,12–15 154 13,13 277 13,18 282 14,3 72 15,3 73 15,11.21.27 72 15,16 73 15,19 73 16,4.24 72 16,21 282 26,1.30 270

Num 6,3 72 8,7 72, 282 11,4.13.18.21 282 12,8 277 16,22 283 18,15 283

Biblische Bücher

Dtn 7,9 162 28,44 221 30,15–30 303 32,17 140 31,28 274 34,7 265

Ri 2,3 283 9,2 284

1Sam 2,15

282

2Sam 7,10–14 104 7,26 115 13,18 272 17,44 283 19,3–4 282

1Kön 14,9

76

2Kön 4,34 6,30 9,36 19,35

282 283 282f 72

1Chr 17,24 26,27 28,1 29,1

115 270 73 270

Esr 4,51 270 5,70.71 270 6,6 270 6,21 270

Neh 9,26 73 9,36–37 76 9,37 73, 76

Hi 2,5 283 4,15 282f 4,19 268 6,4 73 6,12 283

7,5 73 10,4 284 13,12 73 20,25 73 36,28 76 40,27.32 76 41,15 76 41,23 282

Ps 8,7 238 25,3 115 34,3 115 35,27 115 50,13 282 56,5 282 69,7 115 77,39 283 78,2 283 79,2 282 94,9 163 95,5 140 102,6 282 102,17–26 105 110,1 238 119,120 282 125,5 241

Spr 5,11 7,10 14,30 20,30 22,8 24,22

73, 283 277 282 112 241 283

Jes 2,18 270 9,20 283 16,12 270 17,4 282 19,1 270 22,13 282 22,23 237 25,8 238, 262 31,3 282, 284 38,12 270 38,31 162 40,5–6 282 40,6 6 44,16.19 282 46,6 270 49,26 283 62,16 93

377

378

Register

65,3 140 65,11 140

Jer 1,10 9,19 9,25 19,9 24,6 25,31 37,36 38,12 38,28 38,31 62,16

65 283 284 282 65 282 72 270 65 162 93

7,7 72 7,27 114 7,29 161 7,37 73 8,11 73 9,7 72 14,39 73 15,30 73

4Makk

11,19 289 20,35–36 163 23,20 282 23,25 73 32,5 282 36,26 289 37,6 283 44,7 284

2,6 322 2,14 322 3,2–5 321 3,18 73 5,22–23 322 5,26 322 6,6 285 6,7 73 7,13 285 9,17 285 10,20 72 10,8 285 11,11 72 13,11 277 13,17 277 15,15 285 15,20 285 17,13 110

Dan

Sir

Klgl 3,4 283

Ez

3,94.95 72 5,4. 23 270 6,17 277 6,28 270 7,5 282

Hos 8,2 282 10,12 241 13,14 238

Mi 3,3 283 6,8 303

Sach 7,5 282

2.2 Deuterokanonische Bücher 2Makk 4,25 161 6,23.24 161 6,30 73

1,10 283 7,3 241 14,17 283 14,18 157 17,31 283 19,2 99 23,17 283f 25,24 255 28,5 284 30,14 73 30,15–16 73 40,8 283 44,20 284

SapSal 2,3 73 4,8 270 9,15 269 15,15 277

Tob 10,10 73, 75

Biblische Bücher

Jdt 14,10 284 16,17 283

2.3 Neues Testament Mt 5,29–30 73 6,22 73 6,25 73 12,28 73 16,17 285 16,2 163 19,5 97 19,5.6 285 19,9 98 24,22 285 24,41 285 26,16 73 22,30 257 26,27.28 155 27,52.58.59 74

Mk 5,29 74 13,20 285 10,7–8 97 10,10–12 98 10,34 147 13,10 216 13,20 285 14,2 73 14,22.24 155 14,38 285 14,58 270f 15,43 74

Lk 3,6 285 8,22 226 11,34–36 73 12,22–23 73 12,4 73 12,51–53 147 12,56 163 16,18 98 17,37 74 18,5 112 18,29 220 20,35–36 257 20,36 285 22,19.20 155 23,52.53 74

24,3.23 74 24,39 285

Joh 1,13 285 1,14 285 2,21 158, 270 3,6 285 6,51 156 6,56 211 6,63 286 8,15 286 12,24 242 19,38 74 19,40 74 20,12 74 21,7 272

Apg 2,26.31 285 2,46 123 5,17 147 7,2–53 105 7,48 271 9,1 63 9,2 264 9,6 173 9,40 74 15,5 147 17,24 105, 271 18,24 235 18,27 264 22,5 264 22,19 63 24,5 147 24,14 147 28,22 147

Röm 1,3 289, 345 1,24 109, 344 1,32 161 2,20 303 2,28 290 3,20 92, 287 3,28 306 5,3 142 5,21 252 4,12 289 4,19 81 4,19–24 5,12–13 5,12–21 48

379

380 6,3–6 48 6,6 75, 95 6,12 81, 84, 345 6,12–19 6,13 66, 84 6,19 67, 91 7,1 51, 305 7,4 30, 81, 142 7,5 295, 307 7,7–25 298–342, 338 7,7 303 7,9 334 7,10 329 7,12 302 7,13 301 7,14 289, 301, 334 7,14–21 64 7,15 323 7,19 323 7,21–25 306 7,22 330f 7,23 343 7,24 81, 340 7,25b 341 7,28 287 8,2 302, 306, 337 8,3 114, 292, 345 8,6–7 344 8,8–9 295 8,9 126 8,10 81 8,11 81 8,13 115, 345 8,21 258 8,23 95 9,2 289 9,5 289 9,8 290 10,4 337 11,4 289 12,3–8 27, 62, 207–214, 12,5 29, 81, 174 207, 210f 12,7 96 12,18 64 12,20 66 13,1–7 13,9 214 13,11–14 211 13,14 288, 344 15,26 127 15,27 291

Register

1Kor 1,9 126, 165 1,23 160 1,26 143, 291 1,27–28 229 3,1–3 65 3,3 342 3,9–12 65 3,16 83, 104 3,17 55 3,20 130 4,7 78, 164 4,10 258 5,3 18, 79 5,3–5 45 5,5 18, 19, 287f 6,1–11 82 6,2 161 6,9–11 107 6,11 55, 84, 6,12–20 78, 81–109, 102 6,12 84, 91, 121 6,13 25, 30, 75, 81, 95, 118 6,14 89–91, 95, 234 6,15 48, 86, 91, 140 6,16 81, 86 6,16.17 18, 85, 121 6,18 82, 85, 99, 108, 121 6,19 43, 67, 91, 288 6,20 66, 81, 95 7,5 288 7,22 94 7,23 112 7,29 95 7,34 18, 80 7,39 305 8,5.6 112 8,13 121 9,4–5a 84 9,11 291 9,15 121 9,27 110–112 10,7–8 82 10,14–22 119–144, 145 10,16 81, 121, 141f 10,17 43, 81, 122, 141f, 163, 173 10,18 290 10,23 84, 89 11,20 122, 140 11,22 160 11,24 156–157 11,24–25 155 11,25 142, 160

Biblische Bücher 11,29 163f 11,1 84 11,17–34 144–167 11,27 81 11,28 229 11,29 81, 144, 160, 229 11,31 163 12,1–31 167–207 12,3 126, 12,3–14 27 12,7 89, 91, 181, 287 12,12 173 12,12–13 179, 208 12,14–25 51 12,15–16 178 12,18 171, 245 12,19 65 12,24–25a 171 12,26 182, 245 12,27 171, 177, 180 13,3 113 14,4 66 14,4–5 207 14,12 207 14,14–17 51, 204 14,24 55 14,39 207 14,40 245 15,4 26 15,5–10 15,9 63 15,20–22 15,20–28 48, 237 15,23 244 15,23–28 224 15,32 165, 259 15,34–49 234–259 15,32 234 15,35 25, 236, 256 15,37 276 15,39 287, 289 15,39–41 25, 242, 244 15,39–49 51 15,42–49 267 15,42.50 66 15,44 67, 80 15,45 26, 248 15,49 248 15,50 234, 247, 258, 287f 15,53 272 15,54 262 16,12 236, 270

2Kor 1,7 127 1,8 267 1,29 287 3,3 289 3,6.14 162 3,17 126 3,18 267 4,10–11 114f 4,16 45, 331 4,16–18 265 9,10 224 5,1–10 45, 80, 260–278 5,1 106, 262, 271 5,2–4 271 5,3 19, 260f 5,6 80 5,6–8 25 5,8 80 5,16 289 5,21 346 7,1 287 7,5 287 7,10 350 7,11 350 8,23 127 9,6–10 241 10,1 264 10,3 287, 295 10,3–6 65 10,6 79 10,8 65, 271 10,10 264 10,12–14 264 11,3 328 11,4 342 11,5 264 11,13 264, 272 11,22–23 264 12,2–3 43, 79 12,7 287 12,19 65, 271 12,20 65 13,10 64, 271 13,13 126

Gal 1,10 259 1,13–14 62, 64, 341 1,14 63 1,16 259 2,16 287 2,18 66

381

382 2,18–20 336 2,20 287 3,3 290 3,13 95 3,15–18 162 3,28 180 4,13 287 4,21–31 48 4,23 290 5,4 347 5,12 346 5,13–23 346–351 5,15 58 5,16 342 5,17 18, 25, 342, 348 5,19 299 5,19–21 65 5,20 64, 342 5,23 350 5,24 348 6,7–8 241 6,8 66, 288 6,12–13 290 6,16–17 300 6,17 115f

Eph 1,10 214 1,22–23 222 2,11–22 107 2,14 22, 215 2,14–18 220, 227 2,16 220 2,19–22 225 2,21 223, 225 3,1–13 216 3,16 331 4,6 222 4,11 225 4,15 223 4,16 223f, 226 4,16b 225 5,13–23 5,21–33 214 5,22–24 223 5,25–33 98, 174 5,28 73 6,5 291 6,10–18 343

Phil 1,5 126 1,20 115

Register 1,21 278 1,24 287 2,1 126 2,7 90, 346 3,3 290 3,6 63 3,10 126 3,20–21 278 3,21 67, 80 4,15 127

Kol 1,5–6 216 1,18 177, 222 1,20 74 1,21 30 1,22 23, 226f 2,5 227 2,8 218 2,9 226 2,9–10 2,10 219, 222 2,10b 222 2,11 23, 226 2,14 271 2,16 218 2,17 226 2,18 218, 227 2,19 223f 2,23 73 3,11 180 3,14 225 3,22 291

1Thess 4,13–18 231, 232–234, 278, 305 5,11 233 5,23 80

2Thess 2,13

126

1Tim 2,9 213 2,12–15 255 3,4–5 220

2Tim 2,3 343

Hebr 2,14 286 3,7b–10 163 5,7 286

Griechische und römische Autoren

1Petr

7,16 286 9,10 286 9,13 286 9,24 271 10,5.10 74 10,20 286 10,22 73 12,9 286 13,3 74 13,11 74

1,24 286 2,4–7 107 2,11 286 2,24 74 3,4 331 4,2 286 4,6 286

1Joh 2,16 4,23

Jak 2,16 73 2,26 74 3,3.6 73 5,3 286

286 286

2Joh 1,7 286

Apk 18,13 74

3. Griechische und römische Autoren Griechische und römische Autoren Achilles Isagoge Phaen. 14 184

Aeschylus A 72 281 Th. 622 281

Aeschines I,16–17 71, 102 I,22 101 I,29 102 I,31 101 I,39 101 I,40 101 I,94 101 I,195 78, 101

Aesop Fab. 199,1–3 272

Aristoteles EN 1159b EN 1102b EN 1104b EN 1105a EN 1105b EN 1106 EN 1106b GA 744a GC 328a

130 309 309 309 309 310 310 71 190

HA 519b 280 HA 486b 280 Metaph. 1020a 71 PA 671b 71 Pol. 1253a 205 Ph. 193b 71 Ph. 265b 71 Rh. 1354 71 Top. 142b 71

Cicero Att. II,1,3 71 Cael. 48 101 Div. II,33 193 Div. II,34 192 Fam. XV,18,3 147 Fin. I,10 314 Fin. I,51 130f Fin. III,35 311 Fin. III,63 129 Fin. III,64 129 Fin. III,67 130 Nat. deor. II,19 192 Nat. deor. II,29 187 Nat. deor. II,82 185 Off. III,5,21 88 Off. III,5,22 88 Off. III,22 198 Off. III,32 198 Tusc. III,20 314

383

384

Register

Tusc. III,21 314 Tusc. III,24 311 Tusc. IV,12 350 Tusc. IV,31 312 Tusc. IV,38 317f Tusc. IV,45 327

Curtius Rufus X,9,2 X,9,4

200 200

Demosthenes XX,6 71 XX,55 69 XX,77 71

Dio Chrysostomos VII, 133 92 VII, 134 92, 102 VII, 138 92 VII,140 103 VIII,26–29 110 VIII,30 281 XXX,15 280

Diodorus Siculus XIV,30,7 92 XXIII,9 72 XXIX,19 72 XXXII,22 72 XXXIV,2 72

Diogenes Laertius X,11 315 X,136 315

Dionysius von Halicarnass AR VI,83,1–86,5 202 AR VI,85,1 203 AR VI,86,1–5 202 AR VI,86,4 203

Epiktet Diss. I,3,6 281, 327 Diss. I,20,14 87 Diss. I,20,17 314 Diss. I,21,13 88 Diss. I,28,7–8 326 Diss. I,28,9 326 Diss. I,21,13 88 Diss. II,4,9 130 Diss. II,5,24–27 199 Diss. II,10,3 87 Diss. II,10,4 199

Diss. II,10,4–5 87 Diss. II,19,27 129 Diss. II,20,6 129 Diss. II,20,10 130 Diss. II,22,19 88 Diss. II,23,22 281 Diss. II,26,1–4 88 Diss. II,26,4–5 88 Diss. II,57–59 110 Diss. III,7,2–4 281 Diss. III,7,25–26 281 Diss. III,10,7–8 111 Diss. III, 22,51–52 110 Diss. IV,7,7–8 87 Diss. IV,7,32 281 Ench. 25,4–5 138

Epikur Ad Herodotum 66 313 Ad Menoeceum 127–128 313 Ad Menoeceum 128 314 Ad Menoeceum 130 315 Sent. 3 316 Sent. 20 316 Sent. 29 313 Sent. Vat. 33 315 Sent. Vat. 77 315

Euripides Ba. XXI 137 Hipp. 1343 281 Hipp. 1031 281 Med. 1076–1080 324

Eusebius PE IV,23,1–5 133

Galen De dissiectione nervorum II,842 71 De locis affectis VI, 8,37 71 De locis affectis VI, 8,39 71 De placitiis Hippocratis et Platonis III,3,16 325 De placitiis Hippocratis et Platonis IV,6,19 325 De placitiis Hippocratis et Platonis VIII,5,4–7 280 De symptomatum causis III,7,217 71 Nat. Fac. I,5,11 224 UP. III,281,18 71

Herodot II,113 116 VII,167 69

Griechische und römische Autoren VII,233 116

Plato

Homer

Ap. 40e 278 Cra. 40b 273 Cra. 400c 70 Cra. 411e 213 Cra. 423a–b 69 Grg. 492e–493a 70 Grg. 493a 308 Grg. 524d 273 Lg. 782c 281 Lg. 840a 111 Phd. 62b 70 Phd. 63e–64a 277 Phd. 65a 309 Phd. 67a–c 70 Phd. 68c 213 Phd. 81c 269 Phd. 87e 277 Phd. 88b 277 Phd. 95c 277 Phdr. 248a–c 308 Phdr. 266a–b 69 Phlb. 29a 69 Phlb. 29b 69 Plt. 430e 213 Plt. 431a 308 Plt. 435b–c 308 Plt. 440e–441a 308 Plt. 556d 280 Plt. 564a 69 Plt. 588b–589c 308 Plt.588d–e 330 Plt. 589b 308, 330 Smp. 196c 213 Smp. 207d–e 280 Smp. 216d 330 Tim. 31b 70 Tim. 32c 70 Tim. 73b–74d 280

Il. III,23 68 Il. VII,75 68 Il. XXII,342 68 Od. IX,293 280 Od. XIX,450 280

Horaz Sat. I,2,77–85 101 Sat. I,2,114–119 101

Livius II,32,1–12 202 II,32,8 202 II,32,12 202 II,33,1 202

Lukrez II,649 III,241 III,275 III,440 IV,963 II,437

314 313 313 313 314 314

Lysias V,1

69

Manilius V,734–739 194

Marc Aurel I,17 193 III,11 132 V,16 132 VII,13 193 VIII,34 199 IX,9 193 X,38,1 330 XI,18 132 XI,19 132 XII,26 132

Plutarch

Martial Epigr. 6,66

385

92

Nemesios 78,7–79,2 188 81,6–10 188

Petron I,31–41 138

Arat. X,1 88 Arat. XXIV,5 88 Galb. 1,4 200 Galb. 4,3 200 Mor. (De cohibenda ira) 458c 57f Mor. (De communibus notitiis contra Stoicos) 1078a 191 Mor. (De communibus notitiis contra Stoicos) 1078c 191 Mor. (De communibus notitiis contra Stoicos) 1078e 191

386

Register

Mor. (De communibus notitiis contra Stoicos) 1084b–d 187 Mor. (De defectu oraculorum) 426a 185 Mor. (De esu carnium) 993e 281 Mor. (De facie in orbe lunae) 943b– 944f 330 Mor. (De fato) 570c 294 Mor. (De latenter vivendo) 1129b 314 Mor. (De virtute morali) 443c–d 318 Mor. (De virtute morali) 452a 318 Mor. (Praecepta Coniugalia) 139c 213 Mor. (Praecepta coniugalia) 142–143 186 Mor. (Praecepta coniugalia) 142e 186 Mor. (Quaestiones Convivales) 726d 138 Mor. (Quaestiones Convivales) 726e 138 Nic. 29,2,1 116 Per. 159b–c 107 Sol. 18,5 200

Polybios

Dial. III,8,1 318 Dial. IV,2,34 58 Dial. IV,29,1 318 Epist. 21,10 315 Epist. 30,2 269 Epist. 30,14 269 Epist. 41,1 330 Epist. 75,11 312 Epist. 80,2–3 111 Epist. 80,4 111 Epist. 89,1 197 Epist. 92,13 274 Epist. 92,30 199 Epist. 95,52–53 199 Epist. 102,6 184 Epist. 116,1 313 Epist. 120,14 269 Epist. 120,17 269 Nat. II,6,2 185

II,6,6 71 II,62,10 71 III,17,10 71 IV,75,7 71 XII,16,3 71 XII,16,5 71 XXI,39,9 71

Sextus Empiricus

Poseidonios

Terenz

Frg. 34 316 Frg. 146 317 Frg 152,5–10 317 Frg. 159 312

Theophrast

Ovid Met. VII,17–21 324

Seneca Benef. VIII,12,5 131 Clem. I,1,1 187 Clem. I,3,5 199 Clem. I,4,1 199 Clem. I,5,1 177, 199 Clem. I,5,5 58 Clem. II,2,1 199 Clem. II,5,2 187 Dial. IV,2,34 58 Dial. III,5,2 59 Dial. III,7,3 318

M. VIII,263 188 M. IX, 77–78 183 M. IX,79 183

Strabo VIII,6,20 83 Ad. 101–103 101 HP I,6,4 281 HP I,10,4 281 HP I,11,3 281

Vettius Valens IX,11 IX,11–17 IX,14 IX,15

231 231 231 231

Xenophon An. II,1,12 69 An. V,5,13 69 Mem. III,12,1 69 Mem.III,12,4 69

Frühjüdische Literatur

4. Frühjüdische Literatur Frühjüdische Literatur Apokalyptik 2Bar 4,2–7 270 2Bar 49 256 2Bar 50,2 256 2Bar 51,2 256 2Bar 51,5 256 2Bar 51,10 256 2Bar 51,12 256 2Bar 54,15–19 249 4Esr 7,32 256 4Esr 7,116–119 249 4Esr 10,44–59 270 1Hen 51,2 256 1Hen 53,4 257 1Hen 62,15–16 275 1Hen 90,28–29 105 1Hen 90,28–42 270 1Hen 108,11–13 257 2Hen 22,8 276

Qumranschriften 1QS IX,5b 104 1QS XI,7 104 CD IV,15–17 95 CD XX,22–23 104

Philo Abr. 257 320 Agr. 75 321 Cher. 98–100 106 Congr. 97 331 De fuga et inventione 112 Decal. 142 304 Decal. 150 304 Decal. 153 304, 343 Decal. 173 304 Det. 22 331 Det. 33 268 Det. 85 221 Flacc. 136 138 Her. 249 296 Her. 272 296 LA I,31–32 253 LA I,32 253 LA I,42 253 LA II,2 319 LA II,5 319

192

LA II,8 319 LA II,38–39 339 LA II,102 320f LA II,104 320 LA II,40–41 255 LA II,53 274 LA II,55 274 LA II,57 274 LA II,59 274 LA III,115–116 319 LA III,107 328 LA III,109 328 LA III,110 328 LA III,117 343 LA III,129 320 LA III,129–130 320 LA III,186 319 LA III,248 319 Opif. 17–22 254 Opif. 29 254 Opif. 72–75 253 Opif. 118 221 Opif. 134 253 Opif. 135 254 Opif. 140 254 Opif. 146 253 Opif. 151 254 Opif. 152 254 Plant. 17 221 Plant. 31 242 Plant. 42 331 Praem. 120 268 Praem. 125 221 QG I,28 270 QG I,29 97 QG I,30 97 QG I,53 275 QG II,69 274 Somn. I,62 106 Somn. I,89 319 Somn. I,122 268 Somn. I,149 106 Spec. I,221 136 Spec. I,231 157 Spec. I,277 212 Spec. III,131 201 Spec. IV,84–94 304 Virt. 76–77 275

387

388

Register

Testamenta XII Patriarcharum TestIss VII,2 TestRub II,3 TestRub IV,1 TestRub IV,6

96 95 96 96

Flavius Josephus AJ III,159 272 AJ V,37 272 AJ VII,66 201 AJ XV,343 150

AJ XVI,6.130.140 150 BJ I,507 201 BJ II,264 201 BJ II,162 147 BJ III,104 201 BJ III,54 201 BJ III,270 201 BJ IV,406–407 201 BJ V,279 201 BJ V,449–451 220

5. Patristische Quellen Patristische Quellen Apostolische Väter

Hippolyt

Bar 16,2 105 Bar 16,8 105 2 Clem 9,1 106 2Clem 9,3 106 Did 14,1 123 IgnEph 20,2 123, 161 IgnTrall 8,1 157 IgnRöm 7,3 157 IgnPhld 4,1 157 IgnSm 7,1 157

Haer. V, 7,3–9,8 21

Clemens Alexandrinus

Origenes

Strom. I,346 189 Protrepticus 5,66 189

Euseb PE IV,23,1–5 133

Justin Apol. I,66,2 157 Apol. I,66,3 156 Dial. 35,2 147

Laktanz Inst. III,7,7 189 Inst. VII, 3 315 Commentarii in epistulam ad Romanos, XXVI,17 345 Commentarii in epistulam ad Romanos XXXI,1 345 De oratione, XXV,1 345 In Jeremiam, VIII,1 345