Reformation und Orthodoxie: Der ökumenische Briefwechsel zwischen der Leitung der Württembergischen Kirche und Patriarch Jeremias II. von Konstantinopel in den Jahren 1573-1581 9783666551444, 3525551444, 9783525551448

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Reformation und Orthodoxie: Der ökumenische Briefwechsel zwischen der Leitung der Württembergischen Kirche und Patriarch Jeremias II. von Konstantinopel in den Jahren 1573-1581
 9783666551444, 3525551444, 9783525551448

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VÔR

DOROTHEA WENDEBOURG

Reformation und Orthodoxie Der ökumenische Briefwechsel zwischen der Leitung der Württembergischen Kirche und Patriarch Jeremias IL von Konstantinopel in den Jahren 1573-1581

VANDENHOECK & RUPRECHT IN G Ö T T I N G E N

Forschungen zur Kirchen- und Dogmengeschichte Band 37

CIP-Kurztitelaufnahme

der Deutschen

Bibliothek

Wendehourg, Dorothea: Reformation und Orthodoxie : d. ökumen. Briefwechsel zwischen d. Leitung d. Württemberg. Kirche u. Patriarch Jeremias II. von Konstantinopel i n d . Jahren 1573-1581 / Dorothea Wendebourg.Göttingen : Vandenhoeck und Ruprecht, 1986. (Forschungen zur Kirchen- und Dogmengeschichte ; Bd. 37) ISBN 3-525-55144-4 NE:GT

© Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1986 Printed in Germany. Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es nicht gestattet, das Buch oder Teile daraus auf foto- oder akustomechanischem Wege zu vervielfältigen. Satz und Druck: Guide-Druck GmbH,Tübingen. Bindearbeit: Hubert & Co., Göttingen

meinem Vater

Vorwort Das vorliegende Buch ist die leicht überarbeitete Fassung einer Habihtationsschrift, die im Wintersemester 1982/3 von der Evangelisch-theologischen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München angenommen wurde. Den Druck ermöglichte die Deutsche Forschungsgemeinschaft, wofür ihr an dieser Stelle herzlich gedankt sei. Auch im Blick auf den Inhalt des Buches habe ich vielfältigen Dank auszusprechen: Hilfreiche Auskünfte, Ratschläge und Kritik erhielt ich von Herrn Oberbibliotheksrat Dr. Friedrich Seck (Universitätsbibliothek Tübingen) und den Herren Professoren Dr. Dieter Harlfinger (Freie Universität Berlin, DFGForschungsprojekt „Griechische Handschriften des Humanismus in Deutschland"), Dr. Wolfgang Ulimann (Berlin (DDR)), Dr. Jörg Baur (Göttingen) und Dr. Gerhard Podskalsky SJ (Frankfurt/Main). Von besonderem Wert waren die begleitenden Gespräche im engeren und weiteren Kreis des „Schellingsaloons" mit den Freunden und Kollegen Jan Röhls (dem der vierte Exkurs gesondert gewidmet sei), Miguel Garijo-Guembe, Christine Axt und Gunther Wenz. Was schheßlich die Autorin ihrem Lehrer Prof. D. Georg Kretschmar verdankt, läßt sich an dieser Stelle nur andeuten - große Teile des Buches tragen deutlich die Spuren jahrelanger Gemeinsamkeit in der Beschäftigung mit derselben geistigen Welt; wenn es nun just zu der Zeit erscheint, da die Zusammenarbeit zu ihrem Ende kommt, verbindet sich der Dank für die Förderung der vorliegenden Studie mit dem für die vergangenen Jahre. München, im Dezember 1985

Dorothea Wendebourg

Inhalt Vorwort

6

Einleitung

11

TEILI

Zum Hintergrund des Briefwechsels 1. Die Stellung der Wittenberger Reformation zur griechischen Kirche 2. Die Stellung der griechischen Kirche zur Reformation

18 25

T E I L II

Der Briefwechsel zwischen der Württembergischen Kirchenleitung und Patriarch Jeremias II. von Konstantinopel A)

B)

Der geschichtliche Verlauf

31

1. Die Anfänge Exkurs: Der Philhellenismus des Humanisten Martin Crusius 2. Die Phase der großen Erwartungen 3. Der große Schock in Tübingen Exkurs : Die Kirchenpolitik Herzog Ludwigs von Württemberg 4. Mit neugesteckten Zielen 5. Vorboten des Scheiterns Exkurs: Die prekäre Situation des Patriarchats zur Zeit des Briefwechsels

31 47 52 84 108 III 127 134

6. Ausklang

142

D i e theologische Auseinandersetzung

151

Methodische Vorbemerkung

151

8

I.

Inhalt

Die Schriften 1. Die Confessio Augustana Graeca

155

2. Die erste Antwort des Patriarchen

163

a) b) c) d)

Begleitbrief und Einleitung Der Kommentar zur Confessio Augustana DerSchluß Zwischenergebnis

3. Die übrigen Schriften des Briefwechsels a) b) c) d) e)

II.

155

Die erste Antwort der Tübinger Diezweite Antwort des Patriarchen Die zweite Antwort der Tübinger Die dritte Antwort des Patriarchen Die dritte Antwort der Tübinger

Die Streitfragen

163 165 193 194 196 196 199 202 203 205

207

Einleitung

207

1. Der Ausgang des Heiligen Geistes

212

2. Das Heil und das Individuum

223

a) Von der Freiheit des Willens b) Glaube, Gnade und gute Werke 3. Das Verhältnis zu den Heiligen und der Umgang mit kirchlichen Bildern a) Das Verhältnis zu den Heiligen b) Der Umgang mit den Bildern

232 241 253 255 261

4. Das Mönch tum

266

5. Die Sakramente

272

a) Definition, Zahl und innere Abgrenzung der Sakramente b) Taufe c) Myronsalbung d) Abendmahl e) Buße f) Amt g) Ehe h) Krankensalbung 6. Tradition

275 284 289 292 304 322 332 333 334

Inhalt T E I L III

Die Verwendung des Briefwechsels in der Polemik der westlichen Kirchen gegeneinander 1. Die Verbreitung der Kenntnis von dem Briefwechsel über den Kreis der Eingeweihten hinaus Exkurs: Die Darstellung des Briefwechsels zwischen Tübingen und Konstantinopel in Martin Crusius' Turcograecia 2. Der Bezug auf die Kontakte der Tübinger mit Patriarch Jeremias in der Auseinandersetzung zwischen Reformierten und Lutheranern über das Abendmahl 3. Der Briefwechsel als Gegenstand der Polemik in der Auseinandersetzung zwischen lutherischer Reformation und römischer Gegenreformation...

347 359

370 383

Schluß

399

Literaturverzeichnis

407

Register (Personen und Autoren)

421

Einleitung Das steigende Interesse, das die evangelische Theologie in den vergangenen Jahrzehnten an der östlichen Christenheit nahm, das z. T. aber auch umgekehrt von orthodoxer Seite den reformatorischen Kirchen entgegengebracht wurde, führte zwangsläufig zu einer Rückbesinnung auf die früheren Kontakte zwischen beiden Seiten. Ohne daß bisher geklärt wäre, welchen Rang diese Begegnungen der Vergangenheit und die Reaktionen, die sich daraus jeweils ergaben, für die gegenwärtigen Kirchen eigentlich besitzen\ ist man sich doch bewußt, daß man sie nicht einfach ignorieren kann: Die Probleme, die damals auftraten, sind zum Großteil dieselben wie in den heutigen Gesprächen, die Argumente, mit denen man sie löste oder für unlösbar erklärte, leisten nach wie vor ihre Dienste, sei es, daß man sich ihnen anschließt, sei es, daß sie Sackgassen aufzeigen und vermeidbar machen. Vor allem aber sind jene Begegnungen der unentrinnbare Hintergrund jedes gegenwärtigen Kontakts, insofern sie, jedenfalls auf orthodoxer und besonders auf griechischer Seite, wesentlich zu dem Bild beitrugen, das man vom Gesprächspartner hat: Die meisten verliefen, was die Lehre betrifft, negativ, ja es kam sogar zur ausdrücklichen Verurteilung von „Calvinisten und Lutheranern"^. D . h., welcher Rang auch immer diesen Ereignissen beigemessen wird - faktisch haben sie bestimmenden Einfluß auf die Haltung zumindest eines Gesprächspartners gegenüber dem anderen, und man kommt, wenn man sich überhaupt an einen Tisch setzen will, nicht darum herum, sie aufzuarbeiten. Einer der frühesten Kontakte zwischen Vertretern einer reformatorischen und einer orthodoxen Kirche und zugleich nicht nur der erste, in dessen Verlauf es zu ausführlichen theologischen Stellungnahmen kam, sondern trotz seines Scheiterns auch der inhalthch reichste war der Briefwechsel, den in den Jahren 1574-1581 Württemberger Lutheraner, darunter so bekannte Gestalten wie die Theologen Jacob Andreae, Lukas Oslander und Jakob Heerbrand sowie der Gräzist Martin Crusius, mit dem Ökumenischen Patriarchen Jeremias Π. auf der Grundlage der Confessio Augustana führten. Auch in diesem Fall wird die Frage nach Rang und Verbindlichkeit der von beiden Briefpartnern übersandten Schriften noch anzusprechen sein^. Jedenfalls standen sich hier Männer gegen' S. u. das Schlußkapitel. ^ S. die Akten der Synode, die 1672 unter Patriarch Dositheos V I I I . in Jerusalem stattfand, D k S II 7 0 1 - 7 3 3 [ 7 8 1 - 8 1 3 ] . ^ S. u. das Schlußkapitel.

12

Einleitung

über, die für die Kirchen, die sie vertraten, in gewissem Maß repräsentativ waren, und bildete den Ausgangspunkt der Diskussion das Grundbekenntnis der Lutheraner, nahm der Patriarch also nicht zu irgendeinem behebigen Schriftstück Stellung. Seine Antworten, besonders die erste, unmittelbar dem Bekenntnis geltende, erfreut sich denn auch auf griechischer Seite bis heute hoher Wertschätzung, und die Tatsache, daß er die Korrespondenz schließlich abbrach, gilt in weiten Kreisen nach wie vor als Reaktion, die das Verhältnis der Orthodoxie zur Reformation von Anfang an in die richtigen Bahnen gewiesen habe. Der Briefwechsel zwischen Württemberg und Konstantinopel wurde und wird immer wieder in ökumenischen Gesprächen zwischen orthodoxen und reformatorischen Kirchen herangezogen·*, auch theologiegeschichthche^ und konfessionskundliche^ Werke gehen auf ihn ein; ferner gibt es eine Handvoll von Aufsätzen oder Kapiteln übergreifender Monographien zu einzelnen theologischen Punkten in der Korrespondenz'', verschiedene historische Aspekte ihrer Vorgeschichte, ihres Ablaufs und ihrer Nachwirkung kamen ebenfalls dann und wann zur Sprache®. Daneben hegen einige Bücher und Artikel vor, die den Briefwechsel als ganzen unter diesem oder jenem Gesichtspunkt in einen übergreifenden Zusammenhang einordnen®. '' Vgl. z . B . den Fünften Bilateralen Dialog zwischen dem Ökumenischen Patriarchat und der Evangelischen Kirche in Deutschland 1978: „Eucharistie und Priesteramt", 102 (Referat Bischof Augoustinos, Die göttliche Eucharistie als Opfer und Praxis), das Achte Theologische Gespräch zwischen Vertretern der Russisch-Orthodoxen Kirche und der Evangelischen Kirche in Deutschland 1979: „Die Hoffnung auf die Zukunft der Menschheit unter der Verheißung Gottes", 116 (Referat G. Kretschmar, Die Heiligen als Zeichen der Erfüllung von Gottes Verheißung für den Menschen), und vor allem das Communiqué der ersten Sitzung der Gemeinsamen Kommission des Lutherischen Weltbundes und der Orthodoxen Kirchen in Helsinki 1981. ® Besonders wichtig die Angaben bei Jugie, Theologia Dogmatica, pas. ® Vgl. bes. J . Mesoloras, Συμβολική της 'Ορθοδόξου 'Ανατολικής Εκκλησίας I ; s.a. Algermissen, Konfessionskunde 81.206; Kattenbusch, Lehrbuch 1141 f. ' S. Amato, II sacramento della penitenza; Mehe4intu, Offenbarung und Überlieferung III, 1 ; Tzirakes, Transsubstantiatio I Β'3γ; Hotz, Sakramente 3 I A u. pas.; Steitz, Abendmahlslehre X I I I §54. ® Darauf wird, wenn es etwas austrägt, unten im jeweiligen Zusammenhang hingewiesen. ' Unverzichtbar ist trotz überholter Einzelaussagen immer noch der literargeschichtliche Überblick, den Ph. Meyer in seinem Büchlein „Die theologische Literatur der griechischen Kirche im 16. Jahrhundert" gibt (87ff.). In den durch den Titel abgegrenzten Kontext stellt St. Runcimans' Werk „Das Patriarchat von Konstantinopel vom Vorabend der türkischen Eroberung bis zum griechischen Unabhängigkeitskrieg" den Briefwechsel (239ff.); Runcimans Angaben sind allerdings mit Vorsicht zu genießen, so versetzt er z. B. die lutherischen Briefpartner kurz von Tübingen nach Wittenberg (247), Hypothesen kommen bei ihm gelegentlich als Fakten daher, und die theologischen Darstellungen und Urteile sind oft zu pauschal), in den Zusammenhang der jüngeren Geschichte des griechischen Volkes A. Bakalopoulos' Ι σ τ ο ρ ί α του Νέου Ελληνισμού III (185 ff.). Im Rahmen der „geistigen Auseinandersetzungen" zwischen Orthodoxie und Protestantismus von der Zeit der Vorreformation bis ins 18. Jahrhundert hinein erscheint die Korrespondenz in G. Herings Überblicksvortrag „Orthodoxie und Protestantismus" (S. 838ff.; die zitierte Charakteri-

Einleitung

13

All diese Arbeiten interessieren sich für die Korrespondenz zwischen Tübingen und Konstantinopel im Zusammenhang übergreifender Themen, sie stellen den Briefwechsel aber nicht selbst in den Mittelpunkt und nehmen darum keine ins Einzelne gehende historische und theologische Analyse vor. Das tun auch die wenigen Aufsätze nicht, die ihn zu ihrem eigenthchen Gegenstand haben, da sie nur Uberblicke bieten^", und das tut ebensowenig eine vor kurzem geschriebene einschlägige M o n o g r a p h i e " .

sierung ibd. 823). Auch H . Schaeder gibt in der Einleitung zu ihrer deutschen Übersetzung großer Teile des Briefwechsels Hinweise auf übergreifende theologische und historische Zusammenhänge ( W o r t und Mysterium 11 ff.). A u f griechischer Seite ist nach wie vor grundlegend und meinungsbildend J . Karmires' W e r k Ό ρ θ ο δ ο ξ ί α και Προτεσταντισμός, das ein ausführliches Kapitel über den Briefwechsel zwischen Tübingen und Konstantinopel unter historischen und vor allem theologischen Gesichtspunkten enthält (79 ff.), ferner die Einleitung, die derselbe A u t o r seiner Edition der Schreiben Jeremias' II. vorausschickt ( D k S I 438 ff.). Eine Einordnung der Korrespondenz in übergreifende kirchen- und theologiegeschichtliche Zusammenhänge von orthodoxer Seite gibt auch G . Florovsky in seinem vielzitierten Beitrag zu R. Rouses und St. G h . Neills Band „Geschichte der Ö k u m e n i s c h e n Bewegung. 1 5 1 7 - 1 9 4 8 " I, und zwar unter dem Titel „Die orthodoxen Kirchen und die ökumenische Bewegung bis zum J a h r e 1910" (241 ff.), ferner C h r . Papadopoulos in seiner Abhandlung Σχέσεις ' Ο ρ θ ο δ ό ξ ω ν και Διαμαρτυρομένων άπό 'Ιερεμίου Β ' μέχρι Κυρίλλου του Λ ο υ κ ά ρ ε ω ς . Es ließe sich noch weitere, vor allem ältere Literatur zusammenstellen, doch sie trägt nichts mehr aus und wird in den genannten Werken angeführt. A m informativsten ist W . Engels Aufsatz „Tübingen und B y z a n z " , verhältnismäßig ausführlich auch G . E . Zachariades' H e f t „Tübingen und Konstantinopel", beide benutzten punktuell handschriftliches Material (s. u. ); eine knappe Zusammenfassung gibt C . Georgis Artikel „Das erste Gespräch zwischen Protestantismus und O s t k i r c h e " sowie G . Florovskys Aufsatz „An Early Ecumenical Correspondence. Patriarch Jeremiah II. and the Lutheran D i v i n e s " . Einen kurzen Ü b e r b l i c k bietet auch die Einleitung zu G . Mastrantonis' - sehr unzuverlässiger - englischer Übersetzung des Briefwechsels. " W . J . Jorgensons Dissertation „The Augustana Graeca and the Correspondence between the Tubingen Lutherans and Patriarch Jeremias: Scripture and Tradition in Theological M e t h o d o l o g y " . D e r A u t o r gibt nur eine oft sehr pauschale Paraphrase auf der Grundlage bereits vorliegenden Materials, wobei er dies einerseits unkritisch übernimmt und andererseits nicht einmal alle schon erzielten Ergebnisse berücksichtigt. Bezeichnend ist etwa seine Behandlung der Confessio Augustana Graeca, die einen Schwerpunkt des Buches bildet (Kap. I I ) - Jorgensons Vertrauen zu B e n z , Wittenberg und B y z a n z , ist so groß, daß er sich einen genaueren Blick auf die angesprochenen Texte, vor allem die verschiedenen Fassungen des Augsburgischen Bekenntnisses spart (deshalb gilt die unten S. 156. 158. 1 6 0 f . , A n m . 4. 18. 3 8 f . an B e n z geübte Kritik auch ihm); die differenziertere Untersuchung von G . Kretschmar, Die Confessio Augustana Graeca, erschienen zwei J a h r e vor Abschluß der Monographie, war ihm vielleicht noch nicht zugänglich. Sehr wohl verfügbar war ihm jedenfalls und wurde auch von ihm zitiert die literarkritische Analyse Ph. Meyers (86 ff.), doch er arbeitet nicht in ihrem Sinne weiter und macht sie auch nicht für seine Untersuchungen fruchtbar. Zu beiden Punkten bemerkt er, genauere Studien würden über das Ziel seiner Arbeit hinausführen (5. 87, A n m . 1) - wie sein T h e m a gestellt ist, lägen aber gerade hier zentrale Probleme, die die Behandlung des Gegenstandes lohnend und gegenüber den bereits vorliegenden Untersuchungen zu einem eigenständigen Beitrag machen würden. Ähnliches ließe sich zu vielen anderen Punkten sagen. D e r Anspruch „ M y dissertation will provide . . . an . . . evaluation of the Augustana Graeca and a thorough theological and church-historical analysis of the ensuing correspondence" ( 4 f . ) überfordert das Buch. D e r Ü b e r b l i c k in den ersten Kapiteln von C . Tsirpanlis' Studie „The historical and ecumenical

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Einleitung

Es ist deshalb an der Zeit, der Korrespondenz zwischen den Württemberger Lutheranern und Patriarch Jeremias IL eine ausführhche Untersuchung zu widmen. Und das unter zwei Gesichtspunkten: Die theologischen Schreiben beider Seiten müssen genauer betrachtet werden. Dabei sind nicht nur ihre Aussagen dem Inhalt nach Thema für Thema zu vergleichen, sondern auch die literarisch-methodischen Eigentümlichkeiten vor allem der griechischen Beiträge zu bedenken und zu berücksichtigen (Teil II B). Ferner muß der historische Hintergrund eingehender entfaltet werden (Teil II A). Dazu liegt uns Material vor, das über die beiderseitigen Antworten hinausgeht: Zum einen die Reiseberichte Stephan Gerlachs und Salomon Schweickers, die als "Württembergische Brückenköpfe in Konstantinopel selbst wirkten^^. Zum anderen das berühmte "Werk „Turcograecia" des Gräzisten Martin Crusius, der in Deutschland als treibende Kraft hinter den Kontakten mit dem Patriarchen stand. Es enthält unter den verschiedenartigsten Schriftstücken viele Briefe, die teils in Verbindung mit der theologischen Korrespondenz, teils in privatem Rahmen zwischen Crusius und einer Reihe von Griechen gewechselt wurden^^. Außerdem bietet der Herausgeber in einem breiten Anmerkungsteil Hintergrundinformationen zu diesen Briefen, die z.T. den theologischen Austausch betreffen. Die genannten "Werke liegen gedruckt vor^^* und sind in der Forschung immer wieder herangezogen worden. Darüber hinaus gibt es nun aber noch umfangreiches handschrifthches Material zum Thema. Es handelt sich einmal um einige unmittelbar in den Zusammenhang der Korrespondenz gehörige Briefe und andere Dokumente, die im Original oder in Kanzleifassung erhalten sind^®. Vor allem aber geht es dabei um den handschriftHchen Nachlaß des schon mehrfach genannten Martin C r u s i u s D e r Gräzist führte nämlich vom ersten Tag der Kontakte zwischen Württemberg und Konstantinopel an genau darüber Buch: Fast vollständig kopierte er^'' die damit in Verbindung stehenden Briefe, sei es, daß sie zwischen den beiden Polen, sei es, daß sie innerhalb Deutschlands gewechselt wurden, oder paraphrasierte sie wenigstens, und er notierte die significance of Jeremias' II's correspondence with the Lutherans" steckt so voller Fehler und unbewiesener Behauptungen, daß er hier nur der Vollständigkeit halber erwähnt sei (vgl. a. u. S. 138,Anm.28a). Gerlachs Bericht wurde erst hundert Jahre später als Kombination von Tagebucheintragungen und brieflichen Aussagen veröffentlicht, er enthält Brüche, das gebotene Material ist aber zuverlässig, wie der Vergleich mit Crusius' Tagebuch (s. u.) zeigt. " In Buch VII und VIII. ^^ Crusius ging auch in anderen Veröffentlichungen auf den Austausch mit den Griechen ein, worauf im Zusammenhang der Darstellung verwiesen wird ; vgl. bes. u. S. 355 ff. und den Exkurs S. 359 ff. Sie liegen im Hauptstaatsarchiv und in der Württembergischen Landesbibhothek zu Stuttgart. Er liegt in der Tübinger Universitätsbibliothek. " Er zog dazu auch Schüler heran, wie der Wechsel der Handschriften und entsprechende Bemerkungen zeigen.

Einleitung

15

Überlegungen und Maßnahmen der Lutheraner im Hintergrund. Diese Aufzeichnungen wurden auch nach dem Ende der theologischen Korrespondenz mit Patriarch Jeremias II. weitergeführt und bieten nun Informationen über Crusius' nach wie vor bestehende oder neu angeknüpfte persönliche Beziehungen mit Griechen. Im Laufe der Jahre änderte sich allerdings der Charakter der Einträge: Aus einer Dokumenten- und Nachrichtensammlung, die die Kontakte mit den Griechen betrifft, wurde allmählich ein regelreçhtes Tagebuch^®, das die verschiedensten, die jeweiligen Erlebnisse des Verfassers widerspiegelnden Informationen enthält^'. Crusius ging auf den Austausch mit dem Patriarchat nicht nur in seinem Tagebuch, sondern auch in anderen Manuskripten ein^". Außerdem gibt es Material, das er im Rahmen der Kontakte mit den Griechen in Konstantinopel erhalten hatte, in verschiedenen weiteren Handschriften^^ All dies bietet aber keine einschlägigen Informationen über das Tagebuch hinaus^^, so daß wir uns im Folgenden hierauf beschränken werden, genauer gesagt, auf seine ersten beiden Bände, die den Zeitraum des theologischen Briefwechsels abdecken. Crusius' handschrifthches Tagebuch ist bislang zur Behandlung der Korrespondenz zwischen den Tübinger Lutheranern und Patriarch Jeremias nie ausgewertet worden^3 Doch es lohnt sich, das zu tun. Denn einerseits wird hier eine Fülle noch unbekannten Hintergrundmaterials geboten. Und andererseits erfahren manche der veröffentUchten Zeugnisse und Informationen, die bislang die Quelle unserer Kenntnisse von dem Briefwechsel bildeten, hier eine Korrektur. Jene Veröffentlichungen stammen zwar weitgehend von Crusius, ja er stützte sich dafür zum Großteil auf sein Tagebuch, doch zeigt gerade der

Signatur Mh 466, im Folgenden zitiert als Cr. TB MS mit Bandnummer. Kostproben aus dem Inhalt vor allem der späteren Bände bietet Göz, Martin Crusius und sein Tagebuch. Die letzten Bände (1596-1605) sind veröffentlicht (Crusius, Diarium). ^^ So verstreute er entsprechende Notizen unter den Predigten, die er dreimal wöchentlich in Tübingen anzuhören und auf Griechisch mitzuschreiben pflegte. Diese Predigten sind enthalten in den Tübinger Codices Mb 19 (viele Teilbände, vgl. Schmid, Verzeichnis 41-43), Mb 17 (vgl. ibd. 40. 43, Anm. und Mc 101 (vgl. ibd. 43, Anm. Ein Teil ist veröffentlicht in der „Civitas Coelestis" und in der „Corona Anni". Die Grunddaten der einzelnen Predigten sollen in Kürze von D. Harlfinger, Freie Universität Berlin, im Rahmen des Projektes der Deutschen Forschungsgemeinschaft „Die griechischen Handschriften der deutschen Humanisten" veröffentlicht werden. ^^ S. bes. Mb 37, vgl. die Beschreibung bei Schmid, Verzeichnis 70 ff. ^^ Es handelt sich entweder um Material, das für den theologischen Briefwechsel nicht relevant ist, oder um Parallelen zu Informationen, die sich im Tagebuch finden. Doppelungen gibt es auch in diesem selbst, Crusius schrieb offenbar öfters auf mehreren Blättern gleichzeitig, er trug außerdem nachträglich Notizen und Querverweise ein. " N u r Engels und Zachariades (s.o. Anm. 10) führten eine Handvoll ohne erkennbare Methode ausgewählter Stellen an. Legrand gab einige Briefe heraus (Notices 170ff.). Unter verschiedenen, den Briefwechsel nicht betreffenden, Aspekten hat B. Mystakides im Tagebuch nach Informationen gesucht und sie in vielen Artikeln veröffentlicht (s. die Bibliographie Ch. G. Patrinelis', ' Α ν α γ ρ α φ ή δημοσιευμάτων В. Α. Μυσχακίδου (1859-1933) (Zur Fragwürdigkeit von Mystakides' Vorgehen vgl. Kresten, Das Patriarchat 28, Anm. 57).

16

Einleitung

Vergleich von handschriftlichem und gedrucktem Material, daß der Gräzist in bewußter Auswahl publizierte und sogar Texte veränderte, als er sie herausgab^'^. So weit war allein von Interpretationsmaterial die Rede, das durch die Hände der Württemberger auf uns gekommen ist. Nicht zufällig, denn auf griechischer Seite liegt uns nichts Entsprechendes vor. Die wenigen gedruckten Quellen aus der Zeit der Turkokratie, die die zweite Hälfte des sechzehnten Jahrhunderts behandeln^®, tragen nicht viel zur Erhellung des Hintergrundes der Korrespondenz zwischen Württemberg und Konstantinopel bei. Und handschriftliche Quellen aus dem inneren Zirkel des Patriarchats zum Austausch mit den Lutheranern, die sich den genannten gegenüberstellen ließen, gibt es überhaupt nicht. Gewiß bietet Crusius viele Briefe vom Bosporus und entsteht durch Gerlachs und z.T. auch durch Schweickers Berichte ein Bild von den Ereignissen auf der anderen Seite. Doch diese Männer befanden sich dort nicht wie

S. u. den Exkurs S. 359 ff. ^^ Es sind die in Crusius' Turcograecia, Buch I und II, erschienenen Werke Πατριαρχική Κωνσταντινουπόλεως 'Ιστορία und 'Ιστορία Πολιτική Κωνσταντινουπόλεως (eine überarbeitete Fassung der von Meyer, 169 angeführten "Εκθεσις χρονική, hg. Sathas, Μεσαιωνική Βιβλιοθήκη VII, 557-610, vgl. a. Papadopullos, Studies XX), das eine bis etwa 1574, das andere bis 1578 reichend (beide auch abgedruckt in C. S. H . В.. Bonn 1849), und um das oft unter dem Autorennamen (Ps.-) Dorotheos von Monembasia laufende Werk Βίβλιον ιστορικόν oder Χρονόγραφος, das bis ins Jahr 1595, in einigen Ausgaben auch noch weiter, geführt ist und von 1631 an immer wieder gedruckt wurde (vgl. Legrand, Bibliographie XVII' siècle 1,290 und Meyer 167-169). Diese Quellen wurden bislang erst ansatzweise auf das darin verarbeitete Material und auf die unter ihnen bestehenden Abhängigkeitsverhältnisse hin untersucht. Vgl. zu ihnen Zakythinos in seinem alle postbyzantinischen Geschichtsquellen umfassenden Überblick Μεταβυζαντινή και νεωτέρα 'Ελληνική 'Ιστοριογραφία bV'í., ferner Meyer 162f. 166-169; Preger, Die Chronik; Marshall, The Chronicle; Moravscik I 412—414 (dort auch ältere Literatur); Papadopullos, Studies X V I I I XXI; Knös 407-410; Runciman 423, Anm. 23. Was jüngere, doch z.T. älteres Material verwendende Geschichtswerke aus der Zeit der Turkokratie angeht, so tragen sie gar keine weiterführenden Informationen über den Briefwechsel oder seine Hintergründe bei. Vier Werke des 18. Jahrhunderts gehen auf ihn ein: Kyrillos Lauriotes' Πατριαρχικόν Χρονικόν, Demetrios Prokopios' Έπιτετμημένη έπαρίθμηοις, Athanasios Komnenos Hypselantes' Τ α μετά τήν αλωσιν und Meletios' von Athen 'Εκκλησιαστική 'Ιστορία (vgl. Zakythinos 62'•"-64'^ 66'^ 78'·'f.). Das erste schreibt nur, Patriarch Jeremias habe in weiser Art τοις Λουθηροκαλβίνοις - der von der Entwicklung des 17. Jahrhunderts geprägte Sprachgebrauch - geantwortet, die ihm dreimal geschrieben hätten (30, Vers 460-462), das zweite merkt an, Jeremias sei der Patriarch gewesen, der mit den Tübinger Professoren in Korrespondenz gestanden habe, und Theodosios Zygomalas seine rechte Hand (480); Hypselantes äußert sich etwas breiter. Dabei sind seine Quellen Turcograecia und Acta et Scripta. Der Turcograecia entnimmt er die meisten Notizen zu Patriarch Jeremias' II. erster Amtszeit (108), nach den Acta skizziert er, nicht immer exakt, die Korrespondenz und - zusätzlich auf einige Werke der katholischen Polemik gegen den Briefwechsel verweisend - den Beginn der folgenden evangelisch-katholischen Auseinandersetzung (llOf.). Wie schon daraus zu ersehen, daß er sich auf Tübinger Veröffentlichungen stützt, bietet er zum Hintergrund der Korrespondenz auf griechischer Seite nichts Weiterführendes. Meletius schließlich gibt nur die Grunddaten des Briefwechsels an und zählt die Schriften beider Seiten auf (Bd. III, 402).

Einleitung

17

Crusius in Württemberg im Mittelpunkt der Geschehnisse selbst^^, und was die Griechen nach Deutschland schrieben, war natürlich das, was sie den Briefpartnern mitteilen wollten. Diese Bemerkungen sollen den Wert der genannten Manuskripte, vor allem des Crusius'schen Tagebuchs, nicht herabsetzen, man muß sich nur des „Intimitätsgefälles" bewußt sein, das unsere Kenntnis von den beiden Polen der Korrespondenz prägt und die Vorgänge auf einer Seite sehr viel genauer als auf der anderen sehen läßt^''.

A u c h die D o k u m e n t e des H a u p t s t a a t s a r c h i v s in Stuttgart verraten, w a s im inneren Zirkel der Beteiligten auf deutscher Seite v o r sich ging, s . u . im Verlauf der D a r s t e l l u n g . E i n H i n w e i s v o r w e g z u r O r t h o g r a p h i e der Zitate: In den lateinischen w u r d e die G r o ß - u n d K l e i n s c h r e i b u n g vereinfacht, d a s S c h w ä b i s c h e w u r d e z . T . , nämlich w o es der Verständlichkeit dient, an die h o c h d e u t s c h e S c h r i f t s p r a c h e angeglichen.

Teil I: Zum Hintergrund des Briefwechsels 1. Die Stellung der Wittenberger Reformation zur griechischen Kirche Die Reformation war ein Ereignis innerhalb der westlichen Christenheit. Doch ihre führenden Vertreter, jedenfalls im Wittenberger В ereich ^ hatten von Anfang an das Bewußtsein, daß die Kirche Christi nicht auf die westliche Hälfte Europas beschränkt sei, daß sie sich vielmehr auch in den Osten des Kontinents, ja darüber hinaus erstrecke. Vor allem standen ihnen dabei die Griechen vor Augen. Ihre Aufmerksamkeit wurde von mehreren Faktoren auf die griechische Kirche gelenkt: Einmal vom Humanismus, von der Verbreitung der griechischen Sprache und der Bekanntschaft mit griechischen Quellentexten, die er gebracht hatte - nicht zuletzt unter dem Einfluß der zahlreichen Emigranten, die angesichts der sich verschlechternden politischen Lage Konstantinopels und schüeßlich nach der Katastrophe von 1453 im Westen Zuflucht gesucht hatten. Zu den Quellen, die man nun besser oder überhaupt erst kennenlernte, gehörten Schriften der griechischen Patristik. Vor allem Melanchthon, unter seinem Einfluß dann auch Luther, interessierte sich außerordentlich für sie; er edierte selbst solche Texte und hielt Vorlesungen darüber an der Wittenberger Universität^. In jenen Quellen hörte man die griechische Kirche der Vergangenheit, sah aber, ohne klare Abgrenzung, darin auch die zeitgenössische repräsentiert. Genaueres wußte man über diese nicht, die Informationen, die der italienische Markt bot, gelangten offenbar kaum über die Alpen^. Der zweite Grund, aus dem die griechische Kirche im Blick der Reformatoren stand, waren die Türkenkriege. Die Gefahr, der man sich, gerade als Christen, durch die Ausbreitung des Osmanischen Reiches ausgesetzt fand, daneben auch das Gefühl der Bedrohung durch Feinde des Evangeliums im eigenen Land, hob jene Kirche ins Bewußtsein, der das Schlimmste schon geschehen war, die Unterwerfung unter eine christentumsfeindliche Macht. Man sah sich mit ihr verbunden in der Erfahrung, daß Kirche immer im Leiden stehe, und in der > Vgl. zum weiteren historischen und geographischen Kontext Hering, Orthodoxie. 2 Fraenkel,Testimonia 16. 19-23. ^ Noch Crusius bemühte sich eifrig, von Studenten, die nach Itahen gezogen waren, und anderen Leuten mit Verbindungen dorthin, Informationen über die zeitgenössischen Griechen zu erhalten (s. z.B. Cr. TB MS I 572f.; II 286f. 332f.).). Bezeichnend ist seine Aussage im ersten Brief an Patriarch Jeremias, er habe lange Zeit geglaubt, es gebe unter den Griechen im Osmanischen Reich keine chrisdiche Gemeinde mehr (Cr. T G 410).

Zum Hintergrund des Briefwechsels

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äußersten, endzeitlichen Zuspitzung dieses Leidens, die die eigene Epoche gebracht habe'*. Das Wissen von der griechischen Christenheit spielte nun aber auch eine wichtige Rolle in den Auseinandersetzungen mit Rom: Es trug entscheidend zu der Feststellung der Reformatoren bei, daß die römische Kirche eine Partikularkirche^ sei, nicht die tota ecclesia Christi^; schon darum könne sie ihre Charakteristika nicht für heilsverbindlich erklären. So verwies Luther bereits 1518 in Ausführungen gegen den römischen Primatsanspruch auf die von Rom getrennten Kirchen des Ostens^, und bekräftigte er im Jahr darauf dieses Argument im schriftlichen und mündlichen Schlagabtausch mit Eck: Nicht nur die allgemeine Kirchengeschichte®, sondern auch und besonders die des Ostens zeige, daß es Christentum ohne den päpstlichen Primat gegeben habe - andernfalls iam tota orientalis ecclesia ab initio sui usque ad finem fuisset exors divini mysterii, quia numquam sub rhomanae ecclesiae potestate fuit'. "Wann habe denn der Papst die östlichen Patriarchen und die übrigen Bischöfe Ägyptens, Arabiens, Syriens, Asiens und des ganzen Orients eingesetzt? Hi omnes haeretici fuerunt? absit". Doch diese Beschränkung des römischen Primats gelte nicht nur für die Vergangenheit: nec hodie sub rhomano pontífice sunt qui in Perside, India, Schitia totaque oriente sunt. An putas, nullos ibi esse Christianos? et regnum Christi in Rhomam coactum, cuius sunt omnes fines terrae, ps. II et X X I ? " Der Papst habe keinerlei Gewalt über die Christen unter den T ü r k e n k u r z : rhomana ecclesia numquam fuit, nec est, nec erit umquam, super omnes totius orbis ecclesias, licet super plurimas sit. . . Deinde sunt sine dubio Christiani in oriente, cum Christi regnum sit orbis terrarum, iuxtaps. IP^. Nicht nur für den Primat, auch für andere Einrichtungen und Lehren der römischen Kirche wurden Gegenbeispiele aus der östlichen, vor allem der griechischen Christenheit angeführt - nicht immer zu Recht. So verbindet etwa die Apologie des Augsburgischen Bekenntnisses ihre Kritik am Abendmahlsempfang unter einer Gestalt, an den Privatmessen und an der Meßopferlehre mit dem Hinweis auf den Ostend", führte man auch gegen die kanonischen Strafen, den Ablaß und die Fegfeuerlehre die Griechen an^®. •· Vgl. Melanchthons Begleitbrief zur CA Graeca an Patriarch Joasaph П., CR 9, Nr. 6825/Cr. TG 599. Vgl. a. Hering, Orthodoxie 829, weitere Stellen dort Anm. 43. Zu Luther vgl. Vom Abendmahl Christi. Bekenntnis (1528), WA 26, 506, 35-507, 6. ' Vgl. Höhne, Luthers Anschauungen 41.68. ^ Vgl. z.B. WA 2, 405, 13; 449, 5f. ' WA 2, 20, 6ff., vgl. Hering, Orthodoxie 826. « WA2,237,16-22;236,4-10u.a. ' Ibd. 199,31-33. Ibd. 236,11-13. " Ibd. 236, 14-17. i M b d . 225, 5-9. " ibd. 225, 35-226,1. Apol. 22, BSELK 329, 4; Apol. 24, BSELK 350f., 6; Apol. 24, BSELK 371 f., 79-83; 373, 88f.;375,93. " Z.B. Luther, WA Briefe 1 Nr. 218, 554, 39f.; WA I 571, 18-22; vgl. Hering, Orthodoxie 827, Anm. 23.

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Der Verweis auf die östliche, insbesondere die griechische Kirche, war nicht nur taktischer Art. Er entsprang einem theologischen Axiom: Die Kirche Christi muß weltumspannend sein, weil Christus über die ganze Welt herrscht. So wechselt Luther Eck gegenüber unversehens die Ebene der Argumentation: Auf die historischen Darlegungen, im Osten habe es papstfreie Kirchen gegeben und gebe es sie noch, folgt plötzlich das axiomatische Zitat von Ps. 2,8 - regnum Christi [sc. est] orbis terrarum, und deshalb gebe es Christen im Osten, nicht nur im Bereich Roms^®. Von dieser umfassenden Herrschaft Christi her muß das Attribut „katholisch" verstanden werden, das die Glaubensbekenntnisse der Kirche zulegen^^. In derselben Perspektive unterscheidet die Confessio Augustana von der ecclesia Romana die ecclesia catholica^®. Die Berufung auf die griechische Kirche bedeutete nicht, daß man ihre Lehren und Einrichtungen für normativ gehalten hätte. Luther^®, aber auch Melanchthon^", konnte harte Kritik daran üben. Wie jede kirchüche Tradition, so galt ihnen auch die der Griechen als Zeugnis und Auslegung des Evangeliums, die nur Autorität besitzt kraft ihrer Ubereinstimmung mit dem bezeugten und ausgelegten Wort Gottes - wo solche Ubereinstimmung nicht bestehe, sei Kritik möglich und notwendig, selbst wenn es sich um Aussagen eines ökumenischen Konzils handelt^i. Wie nach Meinung der Reformatoren in der römischen Christenheit, obwohl ein Großteil ihrer Lehren, Einrichtungen und Repräsentanten jene Übereinstimmung nicht aufweise, die wahre Kirche doch nicht untergegangen, sondern nur in Gefangenschaft geraten ist^^, weil kraft der Verheißung Christi sein Wort und Sakrament sich immer einen Weg gebahnt und gläubige Christen erweckt und ernährt hätten^^, so ruht auch das Gefühl der Verbundenheit mit der griechischen Kirche letztlich nicht auf der Annahme gleicher Überlieferungen, sondern auf dem Axiom von der verheißungsgemäßen weltweiten Durchsetzungskraft Christi. Dennoch sah jedenfalls Melanchthon, dem an historisch aufweisbarer Kontinuität als Zeugnis für das konti^^ S. o. Anm. 13, s. a. Anm. 11; vgl. die Bedeutung jenes Psalmzitats z . B . noch in W A 2, 226, 7f.; 432, 3 3 - 3 5 ; 6, 3 1 1 , 1 1 f.; 26, 506, 3 5 - 3 8 . W A 2 , 2 7 9 , 1 5 - 2 1 ; W A 26, 5 0 6 , 3 0 f f . ; 2 , 2 7 9 , 1 5 - 2 1 ; 5 0 , 2 8 3 , 8. B S E L K 83c 1 ; vgl. a. den deutschen Text, der zwischen „gemeiner christlicher" und „römischer Kirchen" unterscheidet. 1' Z . B . W A 5 0 , 5 7 8 , 3 1 ff.; 604, 7ff. So z . B . die Schrift De ecclesia et de autoritate verbi, C R 23, 595ff. pass.; oder auch C R 21, 115.173.198. 2' Z . B . W A 50, 547, 2 ; 604, 8f., vgl. Höhne, Luthers Anschauungen 112ff.; Koopmans, Das altkirchliche Dogma 26f. 31 ; C R 1 , 1 1 5 ; 23, 201 f.; s. a. Fraenkel, Testimonia 41 f., 271 u. pass, (das gilt, wie Fraenkels Untersuchung zeigt, grundsätzlich auch für den „traditionalistischeren" (vgl. Koopmans, Das altkirchliche Dogma 2 7 - 3 2 ) Melanchthon. " Vgl. z . B . W A 39 / 3, 346, 29; 26, 64, 4 ; 40 / 3, 421, 14; 44, 401, 28; 6, 501, 35f. (vgl. den Titel der Programmschrift „De captivitate Babylonica praeludium" ; s. a. Höhne, Luthers Anschauungen 76-82). Tamen doctrina per fistulas immundas manavit ad quosdam pios homines ( W A 3 9 / 2 , 171, 16f.); vgl. Höhne, Luthers Anschauungen 13-19. 78.

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nuierliche Wirken des Evangeliums besonders lag^'^, die Reformation immer in großer Nähe zur Lehre der griechischen, vor allem der alten griechischen Kirche^s. Uber dieses theoretische, an Quellen der Vergangenheit^® orientierte Verhältnis zur griechischen Kirche hinaus kam es für Melanchthon zu einigen wenigen Kontakten mit Griechen aus Fleisch und Blut. 1543 schrieb ihn der unermüdlich um die Verbesserung der Lage seines Volkes bemühte Korfiote Antonios Eparchos an^·', er möge doch dafür sorgen, daß die Christen ihre inhaltlich nebensächUchen, doch politisch äußerst schädlichen Streitigkeiten beendigten und sich mit vereinten Kräften den Türken entgegenstellten; wenn überhaupt noch jemand, dann sei er, Melanchthon, dazu in der Lage, kraft seiner Geistesgaben und seiner Besonnenheit - offenbar glaubte Antonios, „von den übrigen Führern der Reformation etwas Derartiges nicht mehr erwarten zu können" Der Adressat schätzte die religiöse und politische Lage Europas anders ein: Er ließ dem Griechen antworten^', die Lösung der politischen Probleme sei sekundär gegenüber der der Glaubensfragen und ohne diese auch gar nicht zu erreichenja, er hielt, gerade unter dem Einfluß von Antonios' Aussagen über das Vordringen der Türken, eine politische Wende gar nicht mehr für möglich^®. „Hatte die erste Begegnung Melanchthons mit einem orthodoxen Griechen zur Abgrenzung des religiösen und des politischen Aspektes der Reformation . . . geführt, so führt die zweite . . . dazu, [sc. einen Griechen] selbst für die Reformation zu gewinnen, ihn zum Vorkämpfer der evangelischen Lehren zu machen und die Reformation auf das Gebiet der griechisch orthodoxen Kirche selbst . . . vorzutragen, und zwar in der Woiwodschaft Moldau"^^. Dieser Grieche war der adlige Flüchtling Jakobos Basilikos Herakleides^^, der im Rahmen eines Aufenthalts am Hof Karls V. Bekanntschaft mit evangehschen Männern gemacht hatte und in den fünfziger Jahren zweimal Wittenberg aufsuchte. Melanchthon half ihm mit Empfehlungsbriefen weiter, auch dies wieder aus der Einstellung heraus, mit den griechischen Christen im endzeitUchen Unglück verbunden zu sein^^. Als Jakobos einige Jahre später (1561) die Macht in der Moldau ergriffen hatte und begann, die dortige Kirche zu reformieren Vgl. Höhne, Luthers Anschauungen 131. " S. Fraenkel, Testimonia pass. Einen gewissen Zugang zu Informationen über die zeitgenössischen orthodoxen Kirchen einschließlich der griechischen hatte er - worauf Hering (Orthodoxie 830, A n m . 48) hinweist durch Honters Reformatio Ecclesiae Coronensis ac totius Barcensis Provinciae, die er selbst 1543 mit eigener Vorrede herausgab. " Hg. Zabiras, Ν έ α Έ λ λ α ς 1 0 1 - 1 0 8 . " Benz, Wittenberg 15. Durch Camerarius, ibd. 1 6 f f . ; vgl. C R 5 Nr. 26. 92. Benz, Wittenberg 2 7 f f . " ibd. 34. ^^ Vgl. Benz, Wittenberg 3 4 f f . ; Hering, Orthodoxie 835 mit Literaturverweisen. " Vgl. C R 8 Nr. 6012. s. u. S. 2 7

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war Melanchthon schon tot. Der Heraklide hielt Kontakt zu einigen Wittenbergern der zweiten Generation^"', doch das baldige Scheitern seiner Unternehmung setzte auch diesen Verbindungen ein Ende. Theologisch ergiebiger war ein Zusammentreffen, das sich 1559 ereignete: Ein serbischer Diakon namens Demetrios Mysos kam nach Wittenberg, vermutlich, weil er sich im Auftrag des Ökumenischen Patriarchen an Ort und Stelle über die Reformation informieren sollte^®. Er hielt sich dort sechs Monate lang auf, und Melanchthon nutzte die Gelegenheit, sich über die zeitgenössische griechische Kirche berichten zu lassen^^. ScMießlich gab er dem Gast einen Brief an den Ökumenischen Patriarchen Joasaph sowie die griechische Übersetzung des Augsburgischen Bekenntnisses auf den Weg, die von Paul Dolscius gefertigt, aber noch von ihm selbst überarbeitet worden war Der Brief schildert zunächst die endzeitliche Bedrängnis, der sich die Reformation wie die griechische Kirche ausgesetzt sehe; immerhin sei es dem Verfasser eine Freude gewesen zu hören, daß sich unter den Türken eine christliche Kirche erhalten habe. N u n könne man nur noch bitten, Gott möge die „heiligen Gemeinden überall" sammeln und vereinigen. Der Adressat solle Verleumdungen, die über die Reformation umliefen, keinen Glauben schenken - offenbar hatte Demetrios Melanchthon berichtet, was für Gerüchte bei den Griechen über die religiöse Bewegung im Westen umgingen Vielmehr solle sich der Patriarch an die Auskünfte halten, die ihm der Diakon überbringen werde, daß nämlich in Wittenberg die Heilige Schrift, die dogmatischen Entscheidungen der Synoden und die Lehre vieler Kirchenväter bewahrt, die alten Ketzereien dagegen verworfen würden. Für die Lehre der Reformation bestehe die Frömmigkeit im Glauben und im Gehorsam gegen die Gesetze Gottes, nicht aber im Gehorsam gegen Aberglauben oder selbsterfundenen Gottesdienst, wie ihn die Mönche der Lateiner sich ausgedacht hätten. Als Beleg sollte die Confessio Augustana Graeca dienen. Vermutlich kam das Päckchen nie in Konstantinopel an^®, jedenfalls gab es keinerlei Reaktion. Melanchthon starb im Jahr nach Demetrios' Besuch. Die Nachfolgegeneration der Reformatoren, aus deren Reihen die Württemberger Briefpartner des Patriarchen Jeremias Π. stammten, war, was ihr Verhältnis zur griechischen Kirche betrifft, in zweifacher Hinsicht in einer anderen Lage: Zum einen nahm diese Kirche für sie als zeitgenössische Größe Konturen an. Man sollte vermuten, die Begegnungen der Reformation mit der Orthodo-

Benz, Wittenberg 49. Vgl. Karmires O k P 31 ff.; ders., Ό Λ ο ύ θ η ρ ο ς ; Benz, Wittenberg 59ff.; Kretschmar, Die Confessio Augustana Graeca 11 f. Vgl. seine Auskünfte über die Gespräche mit Demetrios C R 9 N r . 6832. 6847. " CRNr.6825 /Crusius,TG559. S. u. S. 156f. S. u. S. 28f. S. u. S. 28.

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xie, die sich mittlerweile in breiterem Umfang ergeben hatten, nämlich in Polen-Litauen^^ und vor allem in Siebenbürgen"", hätten wesentlich dazu beigetragen. Doch das scheint nicht der Fall zu sein, Informationen über jene Begegnungen gelangten offenbar kaum in den Westen'*^ Es war vielmehr ein humanistisch-enzyklopädisches Interesse, das sich mit dem theologischen verband und, nicht mehr zufrieden mit den Quellen der Vergangenheit, sich nun den zeitgenössischen Völkern und Kirchen des Ostens zuwandte. Das Reisen in die entsprechenden Gebiete kam mehr und mehr in Mode, man raffte dabei alle nur möglichen Informationen zusammen und machte sie in Briefen und ausführlichen Reiseberichten den Daheimgebliebenen zugänglich. In diesem Rahmen steht die Rede „Uber den heutigen Zustand der Kirchen in Griechenland, Asien, Afrika, Ungarn, Böhmen etc.", die der Rostocker Theologe David Chytraeus 1569 an seiner Universität hielt und dann in einer die rege Nachfrage verratenden Fülle von Auflagen veröffentlichte"^. Diese Rede, Frucht einer Reise des Verfassers nach Wien und in die Umgebung, auf der er vielerlei Informationen über die im Titel genannten Kirchen sammeln konnte, machte „die Öffentlichkeit erstmals in einer für den damaligen Kenntnisstand bemerkenswert ausführlichen Darstellung mit Lehren und Gebräuchen der orthodoxen Kirche sowie anderer Kirchen des Vorderen Orients . . . bekannt""^. Die Kontakte zwischen Württemberg und Konstantinopel sollten für weite Kreise der gebildeten Gesellschaft unter diesem Gesichtspunkt von Interesse sein, Martin Crusius sich in den Fußstapfen des berühmten Rostockers sehen. Die zweite Veränderung lag darin, daß die Männer der zweiten Generation, in evangelischen Territorien geboren oder zumindest aufgewachsen, geprägt von den endgültigen Abgrenzungen des Augsburger Religionsfriedens und des Konzils von Trient, „bereits ein ausgeprägtes Konfessionsbewußtsein" besaßen"". Das gilt für den kirchlichen Bereich im engeren Sinn: Diese Männer widmeten ihr Leben der Aufgabe, die lutherische Kirche nach inneren Kämpfen und im Gegenüber zum gegenreformatorischen Katholizismus wie zum Calvinismus zu festigen, Bemühungen, die schüeßlich die letzte lutherische Bekenntnisschrift, die Konkordienformel, hervorbrachten; einer der am Briefwechsel zwischen Württemberg und Konstantinopel Beteiligten, Jacob Andreae, war zugleich eine der führenden, wenn nicht die führende Gestalt bei dieser ganzen Unternehmung. Das gilt aber auch für den politischen Bereich: Trotz aller weiterhin gegebenen Furcht vor Türken und „Papisten" war man sich des politischen und kulturellen Bestandes der evangeHschen Gebiete sehr viel sicherer als Luther und Melanchthon; der Stolz auf den eigenen Staat und die eigenen 39 S . H e r i n g , Orthodoxie 849 f. "0 S . i b d . 8 3 3 f . · " Zu einer Ausnahme noch zu Lebzeiten Melanchthons s. o. Anm. 26. « Die erste offenbar: Straßburg 1574 (vgl. Legrand, Bibliographie IV 190); vgl. u. S. 3 5 0 - 3 5 3 . Hering, Orthodoxie 8 3 7 ; vgl. a. Engels, Die Wiederentdeckung. " Kretschmar, Die Confessio Augustana Graeca 33.

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Bildungseinrichtungen ist aus dem Briefwechsel mit dem Ökumenischen Patriarchat nicht wegzudenken. So fühlte man sich den Griechen gegenüber als fester kirchlicher Verband. Die Vorstellung, mit ihnen durch die Herrschaft Christi verbunden zu sein, der in aller Welt, unter den verschiedensten, gerade auch den widrigsten Umständen durch sein Wort Gläubige sammelt, trat zurück. Man darf freilich nicht übersehen, daß die griechische Christenheit eben jetzt ihrerseits, sei es in den Informationen, die man über sie gewann, sei es dann in der Diskussion mit ihr, den Lutheranern als Kirche mit festen Konturen vor Augen stand, der konfessionelle Vergleich sich also in ganz anderer Weise aufdrängte als noch wenige Jahrzehnte zuvor. Aber es handelt sich doch auch um eine theologische Akzentverschiebung. Andererseits ging die zweite Generation nach wie vor davon aus, daß gerade mit der griechischen Tradition grundlegende Gemeinsamkeiten beständen. So führt das Konkordienbuch im Catalogus testimoniorum zugunsten der besonders umstrittenen und als eigentümliches Anliegen der lutherischen Reformation verteidigten Lehre von der Person Christi aus der „alten, reineren Kirche" (veteris atque purioris ecclesiae)'*® überwiegend griechische Zeugen aus der patristischen Zeit bis ins Spätmittelalter·*® an. Der Briefwechsel mit dem Ö k u menischen Patriarchat wäre ohne die Vorstellung einer solchen besonderen Nähe gar nicht eröffnet worden, ja das positive Vorurteil, mit dem die Württemberger jedenfalls zum Teil den Griechen entgegentraten, sticht gerade durch seine Pauschalität von den differenzierten Urteilen Luthers und Melanchthons ab Die Motive, die die Württemberger bei dem Briefwechsel mit dem Ökumenischen Patriarchat bewegten, sind, wie sich zeigen wird, vielfältig und durchaus nicht bei allen Beteihgten gleich. Sie führten auch nicht nur zur Aufnahme von Kontakten mit den Griechen, sondern üeßen in denselben Jahren noch mindestens ein weiteres, wenn nicht zwei Projekte ähnlicher Art keimen. Martin Crusius versuchte 1583, einen einheimischen Studenten in der arabischen Sprache ausbilden und nach Äthiopien schicken zu lassen; er gewann für diese Idee die Unterstützung Andreaes, die Hürde praktischer Probleme erwies sich aber als zu hoch''^. Es gibt Nachrichten darüber, daß in einem anderen Fall ein « BSELK1103. "" A u ß e r altkirchlichen Vätern zitiert man Theophylakt v. Ochrid und sogar Nikephoros Kallistos Xanthopoulos (14. Jh. !), ibd. 1 1 1 2 . 1 1 1 3 . 1 1 1 9 . 1 1 2 1 . 1 1 2 6 . 1 1 2 9 . 1134. S. U.S. 51. Cr. TB MS II 6 1 3 - 6 1 5 ; III 1 - 1 5 . Der Gedanke ging auf einen thüringischen Freund des Tübingers zurück. Die Motive, die zu dem Projekt führten, waren dieselben wie bei dem Kontakt mit Patriarch Jeremias: Bildungshunger, die Annahme vieler theologischer Gemeinsamkeiten, aufgrund derer es sich lohnen würde, die eigenen Schriften dort bekanntzumachen, das Bestreben, Rom auszustechen (ibd. 10-13).

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solches Projekt ein Stück weiter gediehen sei: 1583 habe sich ein Tübinger Theologe namens Valentin Cless ebenfalls mit dem Ziel Äthiopien auf den Weg gemacht. Über Spanien, wo er die arabische Sprache gelernt habe, sei er bis in die nordafrikanische Wüste gelangt, habe dann aber entmutigt die Rückreise angetreten'·®. Nachprüfen läßt sich dieser Hinweis nicht mehr, da Cless' handschriftlicher Reisebericht verloren gegangen ist'*'. Jedenfalls kam es nicht zu einem Kontakt mit der äthiopischen Kirche. Wenn ein solcher sich dagegen mit den Griechen ergab und sogar zu einem mehrjährigen theologischen Austausch mit ihrem führenden Repräsentanten entwickelte, dann lag das am Zusammentreffen der positiven Beweggründe mit einer bestimmten historischen Konstellation: der Entsendung eines Tübinger Theologen als Botschaftsprediger nach Konstantinopel und den sie ermöglichenden pohtischen und kirchlichen U m ständen. 2. Die Stellung der griechischen Kirche zur

Reformation

Die Haltung der griechischen^ Kirche gegenüber der Reformation in der Zeit vor dem Briefwechsel zwischen den Württembergern und Patriarch Jeremias II. war bestimmt dadurch, daß sie sich nur auf Gerüchte stützen konnte, und zwar Gerüchte sehr tendenziöser Art. Im Grunde wußte man kaum etwas. Wohl war die Nachricht durchgesickert, es habe in Deutschland eine religiöse Umwälzung stattgefunden. Doch Deutschland war weit weg, und direkte Verbindungen zu den Orten des Geschehens gab es nicht. Einige wenige Individuen brachten Genaueres in Erfahrung, gelegentlich kam es sogar zu persönlichen Kontakten mit evangelischen Gebieten, hier und da auch zu Konversionen^. Bezeichnenderweise waren die Betroffenen in all diesen Fällen Männer aus dem inselgriechischen Bereich^, und sie standen Württembergische Kirchengeschichte 385 ohne Quellenangabe; Decker-Hauff, Die Universität Tübingen, 83.85. H e r r Prof. Decker-Hauff, Tübingen, der in dem Anm. 48 genannten von ihm herausgegebenen Buch jüngst auf diesen Reisebericht hinwies (S. 83. 85), erklärte mir, das Manuskript sei bis vor kurzem im Besitz seiner Familie gewesen, er habe es auch selbst gesehen, es sei aber leider durch Erbteilungen verlorengegangen. Zumindest was die Datierung betrifft, macht die Tatsache stutzig, daß Cless' Reise zeitlich mit Crusius' erfolglosen Bemühungen um die Entsendung eines Tübingers zusammenfällt, Crusius selbst aber mit keinem W o r t von einem tatsächlich in die Tat umgesetzten Projekt spricht, auch den Namen Cless nicht erwähnt. Andererseits ist bei ihm in diesem Zusammenhang von dem Königreich F e z die Rede (Cr. T B MS II 6 4 0 ; III 2), und Cless soll gerade ein „Iter Fessanicum" unternommen haben (nach beiden Anm. 48 genannten Auskünften). ' Zu der der russischen vgl. L . Müller, Die Kritik. ^ So bei Franciscus P o r t o Cretensis, der einen Großteil seines Lebens als Professor für die griechische Sprache in Genf verbrachte (vgl. u. S. 379), oder Franciscus Lismaninus aus Korfu, der eine wichtige Rolle für die Reformation in Polen spielte (Benz, Wittenberg 49). 3 Zur Verbreitung reformatorischer Lehren im inselgriechischen Bereich - es kam 1 5 6 8 / 6 9 sogar zu einem Prozeß gegen drei Lutheraner in Heraklion - s. Manoussakas, Έ κ θ ε σ η 4 0 2 - 4 0 5 , vgl. a. Hering, Orthodoxie 836 f.

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zumindest zeitweilig unter der Herrschaft oder dem Einfluß Venedigs, ja gehörten z . T . sogar zur dortigen griechischen Kolonie. In der norditahenischen Handelsmetropole aber besaß man natürlich nähere Kenntnisse von der Reformation. Bereits in den zwanziger Jahren hatte es dort Anhänger der evangelischen Bewegung gegeben, unter den deutschen Kaufleuten wie unter den Einwohnern der Repubhk, und lange Zeit hindurch waren reformatorische Schriften aller Art dort erhältlich. Selbst in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts, als die Evangelischen verfolgt wurden, hielten kleine Gruppen im Untergrund durch"·. Kurz, Venedig war ein O r t , an dem Griechen Nachrichten über die Reformation erhalten konnten - allerdings im allgemeinen Nachrichten aus römischer Sicht. Entsprechende Informationen gewannen sie auch über Kreise, die sich im Gefolge der Vertretungen der italienischen Seerepubliken in Konstantinopel niedergelassen hatten®. Der bereits erwähnte Antonios Eparchos, aus Korfu gebürtig, lebte als Schriftsteller und Dichter in Venedig. Offenbar verdankte er dortigen Humanistenkreisen die Einschätzung Melanchthons als des einzig friedfertigen und vernünftigen Argumenten zugänglichen Vertreters der Reformation®, die ihn 1543 seinen politischen Brief nach Wittenberg senden ließ''. Ebenfalls aus Korfu stammte und in Venedig lebte ein Grieche, dem es auf einer Fahrt durch Deutschland gelang, evangeüsch gewordene Städte zu sehen (1546): Nikandros Nukios®. Die Abschnitte seines Reiseberichtes über die Reformation sind gefärbt von der Kritik seiner römischen Umwelt, der er sich offenbar religiös eingegliedert hatte, dennoch legen sie nicht einfach deren Kategorien an, sondern spiegeln das persönliche Urteil eines Griechen, der völlig neue Erfahrungen gemacht hat und sie mit ablehnendem, z . T . auch anerkennendem Erstaunen kommentiert. Im Kapitel über seinen Besuch Trients merkt er an, dort finde gerade eine Bischofssynode statt. Sie habe sich versammelt, weil die meisten deutschen Städte wegen kirchlicher und anderer Probleme mit dem Papst in Streit ständen. Auf diese Angelegenheit werde er noch zurückkommen'. Das tut er, wo er von seinem Besuch in Augsburg berichtet^". Diese Stadt habe in dämonischer Verblendung (δαιμονίως) mit den meisten deutschen Städten^i die Lehren eines gewissen Martin Luther und eines gewissen Philipp Melanchthon übernommen, die zwar sehr gebildet seien - sie Zum Schicksal der evangelischen Bewegung in Venedig im 16. Jahrhundert s. Elze, Geschichte 15-39. 5 Vgl. u. S. 76. s Vgl. Benz, Wittenberg 15. 26. 248, Anm. 24. ^ S.O.S.21. ' E r begleitete den kaiserlichen Gesandten Gerhard Veltwyck nach Konstantinopel und anschließend auf einer Reise durch Deutschland, England und Schottland. S. Malina in der Einleitung ihrer Edition des ersten Buches seines Reiseberichts. ' Nukios,ΆπoδημCαι70, 7 , 1 . 1° I b d . 7 6 f . , l l , l - 6 . 11 Ibd. 7 8 , 1 1 , 6 ; s. a. 80, 12, 6 ; 88f., 16, 5.

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beherrschten die lateinische, die griechische und die hebräische Sprache - , aber nichts von dem in „unserer Kirche" Üblichen (ουδέν τι κοινόν ή ομοιον της καθ' ήμάς έκκλησίας) akzeptieren wollten. Sie hätten das Glaubensbekenntnis nicht verändert, doch von den kirchlichen Überlieferungen (έκκλησιαοτικαί παραδόσεις) hätten sie sich völlig entfernt: Heiligenfeste und -bilder, Fasten, Messen, die Tradition der Konzile, die Orden und den Gehorsam gegen den Papst lehnten sie ab, ja sie hätten sogar die Kleriker unter die Laien eingereiht (τους . . . σφών κληρικούς ες την τών λαϊκών κατήγαγον πολιτειαν)ΐ^. Es folgt eine kurze Beschreibung des evangelischen "Wort- und Abendmahlsgottesdienstes: Männer und Frauen säßen bunt durcheinander (άναμίξ) in den Reihen, einer, der als schriftkundig gelte (τις . . . δοκών είναι γραφής εμлειρoς), lege ihnen - angeblich (δήθεν) - das Evangelium aus, nach der Unterweisung (διδαχή) sängen sie zum Lobe Christi^^; beim Abendmahl brächen sie das Brot und verteilten es untereinander, dann tränken sie den "Wein aus dem Kelch - all das mit der Behauptung (φάσκοντες), es geschehe zum Gedächtnis Christi^"*. Diese Leute hätten sich den Namen „Evangelisten" (εύαγγελισται) gegeben, da sie angeblich das Evangelium so verständen, wie es verstanden werden müsse, während alle anderen Christen in Aberglauben und Irrlehren lebten^^. Der Kritik stehen bei Nukios anerkennende Äußerungen gegenüber: Die Evangelischen arbeiteten die ganze "Woche hindurch, den Sonntag aber hielten sie außerordentlich in Ehren; sie hörten den Predigten voller Gottesfurcht (μετ' εύλαβείας) zu, ihre Choräle seien harmonisch, ihre Gottesdienste einfach, sie vermieden, soweit möglich, Streit und Zwietracht, und was den sozialen Bereich angehe, kümmerten sie sich sehr um die Armenia. Der folgenreichste Kontakt eines Griechen mit der Reformation war die schon erwähnte Begegnung des Adligen Jakobos Basilikos Herakleides Despota mit Melanchthon. Für die evangelische Lehre gewonnen, in "Verbindung nicht nur mit "Wittenberg, sondern auch mit lutherischen Kreisen in Siebenbürgen", versuchte der Heraklide schließlich, als Fürst der Moldau in seinem Gebiet die Reformation einzuführen (1561-1563)1®. Dieses Unternehmen richtete sich natürlich gegen die einheimische orthodoxe Kirche, viele ihrer Lehren, ihren Kult und ihren Klerus. Die Gegensätze verstärkten sich noch, als der Fürst antitrinitarische Theologen daran beteiligte, reine „Atheisten", wie sie dem "Volk erschienen^'. Der Reformationsversuch scheiterte bald und kostete den Herakliden Herrschaft und Leben. Überstürzt und in der Lehre, was Entwicklungen auf dem „Unken Flügel" betrifft, wenig abgegrenzt, war er nicht geeignet, den orthodoxen Christen eine klare "Vorstellung von der evangelischen " Ibd. 76, n , l f . ; 7 8 , 1 1 , 5 . " Ibd.76,11.3. " Ibd. 76f., 11,4. Ibd. 78, 11,6. ' ' Ibd. 76, 11, 2. 3; 78, 11, 5. Im Rahmen eines Versuchs, die verschiedenen rehgiösen Gruppen in Deutschland voneinander abzuheben, berichtet Nukios auch von der Täuferherrschaft in Münster (90 f., 17,1-6). " Benz, Wittenberg 47. le ibd. 48 ff. " I b d . 53 f.

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Bewegung zu vermitteln. Vielmehr schuf oder verstärkte er ein negatives Zerrbild; insbesondere der Vorwurf des Atheismus machte Schule und erhielt unaufhörlich neue Nahrung durch das Einströmen antitrinitarischer Gruppen in die machtpolitischen Vakuumzonen des Balkans^" - ein Zerrbild, das sicherlich über das Gebiet der Moldau selbst hinaus bis ins Zentrum des Patriarchats, nach Konstantinopel, drang^^. Kurz, man wußte in der griechischen Kirche nicht viel über die Reformation, und was man wußte, war verworren und ließ Übles ahnen. Ein Ökumenischer Patriarch, der schon genannte Joasaph IL, wollte endlich Genaueres erfahren und schickte 1559 - zwei Jahre vor der Machtübernahme des Herakliden in der Moldau - seinen Diakon Demetrios Mysos in den Mittelpunkt des Geschehens, nach Wittenberg. Die Begegnung des Griechen mit Melanchthon führte zwar dazu, daß dieser ihm die C A Graeca für den Patriarchen mitgab, doch das Schriftstück erreichte wohl den Adressaten nie^^, die Selbstdarstellung der Reformation, die zu unbeeinflußter Einschätzung von griechischer Seite hätte führen sollen, blieb aus. Man war also nach wie vor auf Gerüchte angewiesen, auf Informationsfetzen, die, teils richtig, teils falsch, je nach Zwischenträger gefärbt, ohne Zusammenhang und Proportion, um viele Ecken herum den Weg nach Konstantinopel fanden. Bezeichnend für diesen Stand der Dinge ist die früheste Replik auf die Reformation aus griechischer Feder, zwei kurze Schriften κατά του Φ ρ ά Λ ο ύ τερι - Titel und Namensform zeigen schon, woher die vorausgesetzten Informationen stammen - des Mönchs Pachomios Rhusanos aus den vierziger Jahren. Rhusanos war „der gebildeteste griechische Theologe des 16. Jahrhunderts bis auf die Zeit des Jeremias 11."^^ und verfaßte etliche theologische, erbauliche und philologische Schriften^·*. Von der Insel Zante stammend, lebte er in verschiedenen griechischen Klöstern, verbrachte aber auch einige Zeit in Venedig^®, wo er offenbar dies und jenes über die Reformation erfuhr.

Zu ähnlichen Gerüchten wird bei orthodoxen Christen die Erfahrung der verschiedensten im Gefolge der Reformation entstandenen Gruppen in Polen geführt haben. Vgl. u. S. 30 u. 77. Mysos blieb vielleicht in den Wirren in der Moldau stecken, s. Kretschmar, C A Graeca 13. Die Erklärung, Joasaph habe das Bekenntnis erhalten, umgehend als häretisch abgelehnt und darum Melanchthon nie geantwortet (so Karmires, O k P 36 f., ohne jeden Beleg), ist, da es überhaupt keine einschlägigen Quellen gibt, zwar nicht als unmöglich abzuweisen, aber nicht sehr wahrscheinlich. Sollte sich denn, als ein gutes Jahrzehnt später die C A Graeca tatsächlich im Patriarchat übergeben wurde, gar keine Erinnerung an den Präzedenzfall erhalten haben? Ganz abgesehen davon, daß es, wie die ersten Reaktionen der Griechen auf das Bekenntnis zeigten, gar nicht von vorneherein feststand, was man davon halten sollte, ob man es also sogleich als eindeutig häretisch einordnen konnte. "

Meyer 39.

S. ibd. 3 8 - 5 3 . 123 f. mit Angabe der älteren Literatur; s. a. Knös, 281, vor allem aber Karmires, Ό Παχόμιος 'Ρουσάνος. Meyer 38.

Zum Hintergrund des Briefwechsels

29

Die eine Schrift handelt vom Fasten und richtet sich gegen „Severianer und Fra Luther", welche lehrten, es gebe keine bindenden Fastenvorschriften (ώρισμένην μή είναι νηστεϊαν δογματίζοντες)^®; Rhusanos geht über diese Feststellung hinaus nicht auf den Gegenstand seiner Kritik ein, sondern legt einfach seine eigene Auffassung dar. Ebensowenig setzt sich die zweite Schrift, die gegen eine These Luthers gerichtet ist, mit dessen Argumenten auseinander. Sie will „Ankläger der Heiligen" (άγιοκατήγοροι) widerlegen, nämlich Leute, „die die zur Verehrung der ehrwürdigen und heiligen Stätten davonziehenden" Pilger^'' hinderten, und Bruder Luther^®, indem sie ihnen den Wert der Wallfahrt nach Palästina vorhält. Offenbar haben beide Schriften des griechischen Mönchs zunächst Gruppen im eigenen Lager vor Augen und nehmen die Gelegenheit wahr, im selben Atemzug noch eine Person abzufertigen, von der es hieß, sie vertrete ebenfalls die jeweils angegriffene Lehre, ohne daß man mehr darüber wußte. Aufschlußreich sind sie insofern, als sie zeigen, wie auf dem Gerüchteweg richtige Einzelinformationen aus dem Zusammenhang gerissen und ohne Rücksicht auf ihren Stellenwert weitergegeben wurden und so völlig unangemessene Proportionen annahmen. In den folgenden Jahrzehnten drangen weitere Nachrichten über das Meer und über den Balkan, dann und wann ließ sich auch einmal ein „Protestant" in Konstantinopel bhcken, der den Leuten durch sein nach ihren Maßstäben wenig ehrfurchtsvolles Betragen in den Kirchen auffiel^'. So kam ein Steinchen zum anderen, bis sich zur Zeit, da der Briefwechsel zwischen Württemberg und Konstantinopel einsetzte, ein festes Bild bei den Griechen der Hauptstadt wie auf den Inseln und sogar in Jerusalem^" von der Reformation gebildet hatte^^. Generell wurde sie als innerwestHches Phänomen betrachtet, und ihre Anhänger galten wie die gesamte Christenheit der anderen Hälfte Europas als „Neuerer" (νεωτερίζοντες)^^. „Neuerer" aber seien Leute, die sich im Bereich der Riten, des kanonischen Rechts und der Lehre nicht vorbehaltlos an die Tradition der Apostel, der Kirchenväter und der Ökumenischen Synoden hielten, der Bibel einen eigentümlichen Sinn gäben und darum z.B. den Bilderkult, das Der vollständige Titel lautet: Πώς έν μεν τη τετάρττι και έν τη έκτη ημέρα διά την τοϋ Χ ρ ι σ τ ο ύ σταΰρωσιν νηστεύομεν, τουναντίον δέ έν ταΙς μνήμαις των άγίων μαρτύρων άβροτέρας μεταλαμβάνομεν τροφής, καίτοι παθών και θανάτου άμφοτέρωθεν μνηνη; κατά Σ ε β η ριανών και κατά τοϋ Φρά Λ ο ύ τ ε ρ ι , ώρισμένην μή είναι νηοτείαν δογματιζόντων. Ed. Karmires, Ό Τ ο υ σ ά ν ο ς 274 f. Rhusanos war wohl selbst einmal in Jerusalem gewesen (Meyer 38). Κατά Ά γ ι ο κ α τ η γ ό ρ ω ν ήτοι των κωλυόντων τούς άπερχομένους εις προσκύνησιν τών σεβασμίων και ιερών τ ό π ω ν ' και κατά τοϋ Φρά Λοϋτερι, Ed. Oikonomos, Σ ι ω ν ί τ η ς προσκυνητής 141-151. ™ Cr. Т В MS 1150: Man sehe diese Besucher mit bedecktem K o p f durch die Kirchen irren, ohne den Bildern Ehre zu erweisen, sich zu bekreuzigen und den Crucifixus zu küssen. Ibd.II491. Die folgenden Angaben stammen von Gerlach und Schweicker (s. Teil II). Voce νεοτεριζόντων nos [sc. die Evangelischen] et papistas intelligi volunt (ibd. 1149).

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Z u m Hintergrund des Briefwechsels

Gebet für die Toten oder die Heiligenanrufung ablehnten, das filioque ins Symbol einfügten oder beim Abendmahl Azymen g e b r a u c h t e n ^ ^ innerhalb dieses Globalgemäldes von νεωτερισμός nahmen die EvangeHschen - und zwar gleich welcher Richtung, Differenzierungen gab es hier nicht - einen speziellen Platz ein^", weil sie sich, wie es hieß, ein besonders hohes Maß an solchen Abweichungen zuschulden kommen ließen, vor allem im rituellen Bereich, und klüger sein wollten als die Väter^^. W o die Griechen allerdings antirömische Gemeinsamkeiten entdeckten, stellten sie den Anhängern der Reformation ein gutes Zeugnis aus^®; auch deren Bildungsanstalten wußten sie zu würdigen^''. Negativer noch als diese verhältnismäßig differenzierte Vorstellung, die sich die höheren Schichten machten, war die des einfachen Volkes, und zwar nicht nur bei den Griechen, sondern auch bei Armeniern und Italienern, die vor allem in Galata saßen. Danach galten die Anhänger der Reformation schlicht als άθεοι, bar jeden Glaubens an Gott und Christus^®; sie hätten weder die Taufe noch die anderen Sakramente, zumindest tauften sie nicht auf Christus, und außer dem Glauben an Gott fehle ihnen der an Maria und die Heiligen^®. Im Grunde seien sie auch moralisch minderwertig'^". So positiv die Einstellung der Württemberger gegenüber den Griechen war, als sie den Briefwechsel mit dem Ökumenischen Patriarchat begannen, so ungünstig stellte sich also die Ausgangslage auf deren Seite dar; die ersten Reaktionen in Konstantinopel sollten das deutlich zeigen. Wenn es schheßHch gelang, die Vorurteile beiseite zu schieben und Raum zu schaffen für Aussagen der Lutheraner über sich selbst, dann trug dazu wesentlich die Tatsache bei, daß es zu einer persönlichen Begegnung von Vertretern beider Seiten kam, die ein Vertrauensverhältnis schuf und offene Gespräche möglich machte.

"

ibd.

V o c e νεωτεριζόντων nos et papistas intelligi v o l u n t . . . in specie vero nos Lutheranos (ibd. 149f.). Diese Einstellung galt, wie gesagt, gegenüber allen Kirchen der R e f o r m a t i o n ; Gerlach spricht hier nur von den Lutheranern, weil er sich selbst betroffen sah. Plus patribus sapere velie (ibd. 150). "

In quibus autem cum ipsis contra Ponteficem facimus, commendant (ibd.). Ibd.

Vulgo . . . persuasissimum est, Lutheranos neque in D e u m neque in Christum credere . . . esseque plane άθεον h o m i n u m genus (ibd.). " Ibd. "0 H o m i n e s non boni (ibd. II 491).

Teil II: Der Briefwechsel zwischen der Württembergischen Kirchenleitung und Patriarch Jeremias II. von Konstantinopel A.

DER GESCHICHTLICHE

VERLAUF

1. Die Anfänge: von der Eröffnung bis zur Ahsendung der Confessio Augustana Im Jahre 1573 lief wieder einmal der Waffenstillstand aus, den das Osmanische und das Heilige Römische Reich deutscher Nation in mehr oder minder regelmäßigen Abständen miteinander abschlössen^, und Wien sandte einen jungen Adhgen an die H o h e Pforte, damit er mit Sultan Selim II. eine neue Achtjahresfrist aushandele und gegen hohen Tribut^ erkaufe; anschließend sollte er den ständigen Botschafterposten in KonstantinopeP einnehmen. Es handelte sich um den Reichsfreiherrn David Ungnad aus Kärnten, der schon einmal in offizieller Mission am Bosporus gewesen war'' und sich besonders durch seine umfassenden Sprachkenntnisse für eine solche Aufgabe anbot®. Ungnad stammte aus einer Familie^, deren Glieder sich zum großen Teil der reformatorischen Bewegung angeschlossen hatten. E r selbst lebte ganz bewußt und mit einiger theologischer Sachkenntnis nach lutherischer Lehre'', wofür er * Seit 1567 wurde in der Regel ein Achtjahresrhythmus eingehalten (Spuler ( I I I ) 3 2 5 f f . ) ; zum Charakter dieser Verträge, die nach islamischer Rechtsauffassung nur Waffenstillstandsabkommen sein durften, da sie mit Ungläubigen abgeschlossen wurden, s. Spuler ( I I I ) 315. ^ Seit dem T o d Karls V . mußte Wien alljährlich Tribute, nach deutscher Sprachregelung „ G e schenke", an die H o h e Pforte entrichten (ibd. 314). ^ Es gab dort Gesandte des Deutschen Reiches seit 1528 (ibd. 3 1 6 ; vgl. die unvollständige Liste bei Gl. T B 2 4 f.). " 1572 zur Tributsübergabe (Gl. T B 2 5 ; Spuler (III) 326). 5 S. G l . T B 1.25. ' Zu der Familie des Reichsfreiherrn, der mit vollem Namen David Ungnad Freiherr v. Soneck und Preyburg hieß, s. Gauhe I 2 8 2 7 - 2 8 3 0 und Kneschke I X 511 f. Bekannt ist David Ungnads O n k e l J o h a n n e s , der nach einer glänzenden politischen und militärischen Karriere wegen seines lutherischen Bekenntnisses auswandern mußte, sich im H e r z o g t u m Württemberg niederließ und dort eine Druckerei für die Verbreitung der Reformation unter den Südslawen eröffnete (s. Gauhe I 2 8 2 9 ; B e n z , Wittenberg 141 ff. ; Mecenseffy 45. 68; Elze 2 6 f f . ) ; vor dessen Sohn Christoph (Gauhe I 2830), einem Landmarschall ( G l . T B 4), predigte Gerlach in Wien (ibd., vgl. u. S. 37). G l . T B 241 f. 345. E r hatte etwa ein J a h r lang in Wittenberg studiert und regen K o n t a k t zu Melanchthon gehabt (ibd. 241).

32

Der Briefwechsel

sogar Einschränkungen in seiner politischen Karriere auf sich nahm®. Doch derartige Schwierigkeiten ergaben sich für ihn vornehmhch, wo es um Kontakte mit der spanischen Linie der Habsburger und ihrem Territorium ging, im Herrschaftsbereich des Kaisers standen ihm viele Wege offen. Handelte es sich bei diesem Kaiser doch um Maximilian IL, der selbst Sympathien für die Reformation hegte und darum beinahe um die Thronfolge gekommen wäre', den an der evangelischen Lehre mehr die Uneinigkeit ihrer Anhänger als die Abweichung vom römischen Glauben bekümmerte^®, der „als einziger Kaiser des Reformationszeitalters das Rechtssystem des Religionsfriedens zugunsten der ,Reichsstände A . C . ' loyal handhabte''^^ und der die Entfaltung und Organisation der Reformation in den habsburgischen Erblanden zumindest geschehen ließ^^, wo sich ihr, von Tirol abgesehen, der überwiegende Teil der Bevölkerung zugewandt hatte^^. Unter Maximilian gab es viele Evangehsche in einflußreichen Stellungen, und so war es kein Wunder, daß er Ungnad mehrfach politische Aufgaben übertrug und ihn vor Anfeindungen von römischer Seite beschützte^". Der junge Freiherr wurde 1573 zunächst für zwei Jahre^® nach Konstantinopel entsandt. Ein Botschafter aber brauchte für sich und das zahlreiche Personal, das er mitnahm^®, einen Pfarrer. Für Ungnad, und offenbar auch für seine Umwelt, war es selbstverständlich, daß er sich einen evangelischen Prediger auswählte, auch wenn das zuvor noch nie geschehen war^·^. Er wandte sich an die evangelisch-theologische Fakultät lutherischer Prägung, die zu jener Zeit die größte Reputation besaß, die der Universität Tübingen. Deren Studenten stammten aus den verschiedensten evangelischen Gegenden^®; besonders eng war der Kontakt zu Österreich, woher immer wieder Studenten - AdUge und Bürger - in die württembergische Universitätsstadt kamen^® und dessen evangelische Stände von dort Männer zur Besetzung der „höheren Stellen ihres neuge8 Ibd. 78. 241 f.; vgl. a. 345. « Bibl 69-105. Ibd. 84 f. 99. 133-137. Gürsching 142f. " Mecenseffy54;Krimm5ff. " Mecenseffy, Kap. VII: Die hohe Zeit des österreichischen Protestamismus. Gl. T B 78: Er hielt Ungnad einmal von einer Reise nach Spanien ab, weil er ihn dort nicht vor Verfolgung schützen könne. " Ibd. 458 ; der Aufenthalt weitete sich dann auf sechs Jahre aus. Ibd. 5; Spuler (I) 207f.; s. a. Gl., Hyperaspistes 101 : die Zielgruppe für ihn als Botschaftsprediger sei die Ecclesia Germanorum, quae in aula illustris D . Oratoris erat, gewesen. Hafenreffer 24: Primus secum concionatorem duxit Evangelicum [sc. Ungnad]. S. Matriculae almae Universitatis Tubingensis V 29 (1477-1614); s. a. die vielen Nachrichten von nichtwürttembergischen Studenten in Tübingen in Crusius' Tagebuch. Vgl. u. S. 110. S. Elze, Universität 88-106; die Tübinger Universitätsmatrikeln weisen für den Zeitraum von 1530 bis 1614 mehr als 700 eingeschriebene Studenten aus den habsburgischen Gebieten, vor allem aus der Steiermark, Kärnten und Krain auf (ibd. 11), dazu kommen noch die Studenten, die für kürzere oder längere Zeit in Tübingen Vorlesungen hörten, ohne sich zu immatrikulieren (ibd. 12).

D e r geschichtliche Verlauf

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gründeten . . . Kirchen- und Schulwesens" anforderten^", da es im Land selbst keine entsprechende Ausbildungsstätte gab^^. Ungnad^^ also wandte sich an die Tübinger Fakultät, genauer gesagt, er schrieb an deren Kanzler Jacob Andreae (13. 3. 1 5 7 3 ) " . In seinem Brief berichtet er zunächst von der bevorstehenden Mission in Konstantinopel und fährt dann fort: D a er nicht nur für pohtische Angelegenheiten verantwortlich sei, sondern mehr noch, das „seelen hail" seines Personals „aufs vleißigste zubedencken", wolle er einen Geistlichen an den Bosporus mitnehmen. Andreae möchte doch, nicht so sehr um seines, Ungnads, willen, „sondern vil mer dem Herrn Christo zu Ehren . . . ein solche christliche person und geordinierten prediger" auswählen und binnen eines Monats nach Wien schicken. Er, Ungnad, wolle den Theologen gut versorgen und in einem Vertrauensverhältnis zu ihm stehen („will ich ime den Topf an mainer Tafel . . . raichen"). Aufgabe des Mannes werde es sein, zweimal wöchentlich zu predigen und, „da es die Notth erfordert", die Sakramente zu spenden, all das „der Augspurgischen Confession gemäß", nach „gepräuchigem habitu, Ordnung und beschaidenhait". Einen Punkt müsse er, Ungnad, allerdings von vornherein klarstellen: Der Prediger dürfe „in caeremoniis so wohl auch in Dogmatibus khaine ungebürhche . . . Disputationes oder gezänck [anrichten]", sondern solle „desselben aller dings sich [enthalten]. Den weder Ich noch Er die leuth zu Reformieren, daselbs hingeschickt worden". Man müsse bedenken, daß sich unter den Christen in Konstantinopel „Babstler oder Griechen" befänden, die leicht reizbar seien. Wenn der Prediger in dieser Hinsicht Grund zur Klage gebe, werde er, Ungnad, Mittel finden, ihn zur Raison zu bringen, notfalls ihn sogar entlassen. So stark sich der designierte Botschafter seinem Bekenntnis verpfhchtet fühlte, so sehr war er doch darauf bedacht, Provokationen zu vermeiden - eine Gratwanderung, die für die Evangelischen Österreichs von je her existenznotIbd. I 2 f . M e c e n s e f f y 54. E s g a b ü b r i g e n s verschiedene Mitglieder der F a m i l i e U n g n a d , die in T ü b i n g e n studiert hatten, s. E l z e , U n i v e r s i t ä t 91. 9 2 . 1 0 1 f.; Schnurrer (117) behauptet, auch D a v i d sei darunter g e w e s e n , d o c h d a s m u ß eine V e r w e c h s l u n g sein. D i e K o p i e , die die herzogliche K a n z l e i in Stuttgart v o n d e m Brief anfertigte, liegt heute im dortigen H a u p t s t a a t s a r c h i v unter der Signatur A 6 3 BÜ44. D a ß U n g n a d sich z u e r s t nach T ü b i n g e n u n d nicht an den H o f w a n d t e , geht aus den D o k u m e n t e n des H a u p t s t a a t s a r c h i v s klar h e r v o r . G e r l a c h s T a g e b u c h gibt den Sachverhalt richtig wieder (3), die übrigen N a c h r i c h t e n sind teils unklar, teils f a l s c h : S o b e h a u p t e t der „allgemeine E i n g a n g " z u j e n e m T a g e b u c h v o n der H a n d des E n k e l s G e r l a c h s , U n g n a d habe direkt an den H e r z o g geschrieben (1). D a s gibt u r s p r ü n g l i c h auch C r u s i u s ' D i a r i u m a n : petiit hic D o m i n u s [sc. U n g n a d ] ab illustrissimo Principe n o s t r o . . ., verbessert dann aber: petiit hic D o m i n u s ab . . . C o l l e g i o T h e o l o g i c o T y b i n g e n s i (permittente illustrissimo Principe) . . . (I 1), w o b e i der Inhalt der K l a m m e r nicht U n g n a d s f a k t i s c h e m V o r g e hen, aber den rechtlichen G e g e b e n h e i t e n entspricht. D e r P h i l o l o g e hatte o f f e n b a r die D o k u m e n t e v o m A n f a n g des U n t e r n e h m e n s nicht z u G e s i c h t b e k o m m e n , anders als es seit der E r ö f f n u n g des B r i e f w e c h s e l s mit den Patriarchen der Fall sein sollte ( z u m A b l a u f der G e s c h e h n i s s e vgl. a. G e r l a c h , H y p e r a s p i s t e s 101).

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Der Briefwechsel

wendig gewesen war und in der Gesandtschaft, die die konfessionellen Verhältnisse des Reiches gleichsam auf engstem Raum widerspiegeln würde, erst recht unumgänglich sein sollte. Von Ungnads Taktgefühl und Umsicht, aber auch von seinen Skrupeln auf diesem Gebiet geben Tagebuch und Briefe des Predigers manches Beispiel^". N u n erwartet Ungnad von dem erbetenen Theologen über die üblichen beruflichen Qualifikationen und ein dem außerordenthchen Arbeitsplatz entsprechendes Verhalten hinaus noch eine besondere Fertigkeit: Der Theologe habe „in Graecis wol fundieret" zu sein, und zwar nicht nur in der klassischen Sprache, sondern auch in der zeitgenössischen („auch mit der praesenten [sc. Sprache] ein disertus gehalten werde"). Denn er solle in Gesprächen mit gelehrten (eruditi) Griechen occidentis et orientalis Ecclesiarum Discrimina erheben und mit ihm, Ungnad, darüber „conferiren". Der theologisch gebildete und interessierte junge Adlige möchte die Gelegenheit nutzen, aus erster Hand etwas über die unbekannte östliche Christenheit zu erfahren^®. Zur Unterstützung lag dem Schreiben Ungnads noch ein Brief an Kanzler Andreae bei, nämlich von Caspar Hirsch, Kaiserlichem Geheimschreiber (ebenfalls vom 13. 3. 1573)^®. Auch Hirsch hebt hervor, wie sehr Ungnad, der zu Melanchthons Zeiten noch selbst in Wittenberg studiert habe, an einem Prediger gelegen sei, der sich an die Augsburger Konfession halte. Auch er betont zugleich, der Theologe dürfe in Konstantinopel keinen Streit in Glaubensdingen vom Zaun brechen. Anders als Ungnad aber, der die Aufgabe des zukünftigen Predigers nur im Rahmen der Bedürfnisse bestimmt hatte, die sich innerhalb der Botschaft und für ihn selbst ergeben würden, verweist der Geheimschreiber auf ein weiteres Feld: Die christlichen Sklaven in Konstantinopel, „unsere(n) gefangenen und betrübten Brüder(n) zu Konstantinopel und anderer O r t " , denen der evangelische Theologe „zu mercklichem Trost, Hilf und Aufrichtung dienstlich" sein könne. Dies war eine Aufgabe, die bisher nur Priester des lateinischen Patriarchats wahrgenommen hatten^^. Der zukünftige Prediger sollte feststellen, daß sich auch unter den verschleppten Christen der konfessionelle Gegensatz in voller Schärfe auswirkte^®. S. z.B. u. S. 112 Anm. 8; vgl. a. Cr. T B MS I 412 Gerlachs Aussage, Ungnad engagiere sich in keiner Weise zugunsten der Verhandlungen zwischen Tübingen und Konstantinopel. Noch ein weiteres Anliegen trägt er den Tübingern vor, das allerdings in den weiteren Verhandlungen keine Rolle mehr spielen sollte: Da er in Konstantinopel einen Arzt brauchen werde, bitte er, Andreae möchte ihm, „also müglich ist", mit dem Prediger noch einen Mann schicken, der außer in der lateinischen und griechischen Sprache auch in der „Ertzung" erfahren s e i d.h. also entweder einen Arzt oder, was wegen der Betonung der Sprachkenntnisse wahrscheinlicher ist, jemanden, der genügend Fachkenntnisse besaß, mit den einheimischen Medizinern zu verhandeln. " Ebenfalls Kopie aus der herzoglichen Kanzlei, H S t A Stuttgart A63 BÜ44. S. o. Anm. 7. S. Hofmann, Vicariato 13 f. 28 S . u . S . lOOAnm. 120.

Der geschichtliche Verlauf

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Ungnads Anliegen stieß in Tübingen auf offene Ohren: Schon nach wenigen Tagen stand der Kandidat für den Posten in Konstantinopel fest: E r hieß Stephan Gerlach. Gerlach^' wurde am Stephanstag (26. 12.) 1546 geboren, und zwar in Knittlingen bei Bretten. Nach dem ersten Unterricht in Pfarrhäusern wurde er 1558 auf das Gymnasium in Stuttgart geschickt, zwei Jahre später wegen hervorragender Leistungen auf die Klosterschule in Maulbronn. 1563 wechselte er an die Universität Tübingen über. Hier erwarb er ein Jahr darauf den Grad des Baccalaureus und nach wiederum drei Jahren den des Magister Artium. Anschließend begann er mit dem Theologiestudium, während dessen er zum Repetenten am Tübinger Stift ernannt wurde. Nach seiner Rückkehr vom Bosporus machte er schnell Karriere an der heimischen Universität und tat sich als Teilnehmer an den literarischen Streidgkeiten mit dem Calvinismus hervor^". Er starb 1612.

In Gerlach traf die Wahl für die Reise nach Konstantinopel also einen Mann, der umfassend gebildet war in den weltHchen Wissenschaften wie in der Theologie - den Musterstudenten der Fakultät, wie das Gutachten hervorhebt, das ihm die Theologieprofessoren Andreae, Heerbrand und Schnepf ausstellten^^. Dies ganze Unternehmen war nicht möglich ohne die Zustimmung des für die Universität, das Tübinger Stift, dem Gerlach angehörte, und für kirchliche Angelegenheiten überhaupt Letztverantwortlichen, des Herzogs von Württemberg. Andreae schickte deshalb den ausgewählten Kandidaten mit den Briefen aus Wien nach Stuttgart und gab ihm ein Schreiben von eigener Hand an den Herzog, Ludwig, auf den Weg (29. 3. 1573)^^. Darin legte er die Gründe dar, die seiner Ansicht nach für eine positive Antwort an Ungnad sprachen: Die Entsendung eines Tübinger Theologen werde der Ehre Gottes, dem Heil der gefangenen Christen im Osmanischen Reich und dem Ruhm der herzoglichen Universität dienen - zumal Württemberg ja „mit Kirchendienern zum Uberfluß versehen" sei. Vor allem aber habe er, Andreae, den Eindruck, „alls wolle unser Herr Gott ein groß Werk anstellen. Denn es einmal ein Wunder ist, daß ein Evangelischer Confessionsverwandter theologus soll in Constantinopel das pur Rein, Lautter Wort Gottes predigen, das man in Teutschland sich untersteht auszureutten. Mirabihs Dominus in omnibus operibus suis". Und der Kanzler versäumt nicht hervorzuheben, daß die Wahl eines Tübinger Theologen natür-

"

Zu den folgenden Angaben s. Hafenreffer, bes. 4. 7. 1 0 - 1 6 und C r . T B MS I I . Vgl. U.S. 373 ff.

Gl. T B 1 - 3 . Im H S t A Stuttgart A 6 3 Bü44 liegt ein Schreiben dreier Professoren aus Tübingen (Heerbrand, Brenz und Heiland) vom 20. 1. 1573 an H e r z o g Ludwig, Gerlach betreffend. Darin wird Ludwig gebeten, dem jungen Theologen eine Diakonenstelle unter einem erfahrenen Pfarrer zu verleihen. Denn er sei zwar wissenschaftlich sehr befähigt, doch könne er nicht predigen - er sei dem „gemaynen Man" unverständlich. " H S t A Stuttgart A 6 3 BÜ44.

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Der Briefwechsel

lieh viel besser sei als die eines Absolventen der Universitäten Wittenberg oder Leipzig - „Ihres Zwinglischen glaubens halben". Es ist der Kirchenpohtiker Andreae, der hier spricht. Getrieben von der Sorge um die evangelische Kirche lutherischer Prägung, die er gegenüber der Bedrohung durch die Gegenreformation auf der einen, die schweizerische und „philippistische" Lehre auf der anderen Seite einigen und stärken möchte, sieht er auch die Möglichkeit, einen Tübinger Theologen nach Konstantinopel zu schikken, von vornherein in der Perspektive seines Lebenswerkes. Es ist für ihn Gott selbst, der den Lutheranern diese Chance gibt. Ein Posten, der bisher Domäne der römischen Kirche gewesen ist, soll nun plötzlich ein Ort evangelischer Predigt werden - und das nicht unter calvinistischer, oder im Fall der sächsichen Universitäten halbcalvinistischer, sondern unter lutherischer Flagge. Während Ungnad die Tatsache, daß sich die konfessionellen Gegensätze des Reiches in der Botschaft niederschlagen, entschärfen möchte, bietet sie nach Andreae überhaupt erst die Möglichkeit, die Anfrage aus Wien im richtigen Rahmen zu sehen und auszuwerten. Dieser Rahmen beschränkt sich für ihn ganz auf die Belange Mittel- und Westeuropas; auf Ungnads Aussage, er hoffe, der Prediger werde sich über die griechische Kirche informieren, geht er mit keinem Wort ein. Offenbar machten Andreaes Argumente dem Herzog Eindruck. Er ließ den Jungen Theologen bei Hof unterhalten^^ und sorgte dafür, daß Männer seiner Umgebung, vor allem Hofprediger Lucas Oslander, ihn bewogen, der Berufung zu folgen^'^. Schüeßlich fertigte Ludwig Gerlach mit einem Geldgeschenk und einem Schreiben an die Fakultät nach Tübingen ab (3. 4.1573)^®. Zwei Tage später wurde Gerlach von Andreae ordiniert^®; die Ordinationspredigt über die Geschichte vom Guten Hirten sollte noch eine beinahe fatale Rolle in Konstantinopel spielen^^. Ausgerüstet mit einem Paß der herzoglichen Kanzlei, der dem Konzept nach die ganze Geschichte der Berufung Gerlachs enthalten sollte, schließlich, offenbar aus Rücksicht auf die kirchlichen und politischen Verhältnisse, die Reise des Predigers aber als private Fahrt nach Österreich mit landesherrhcher Erlaubnis darstellte^®, brach der Tübinger Theologe am 9. April 1573 auf3'.

"

Gl. T B 3 f. Ibd. 3. Das war gar nicht so einfach, denn Gerlach wollte eigentlich nicht gehen. Seine Weigerung führte dazu, daß der Stuttgarter Kirchenrat Herzog Ludwig riet, einen anderen Theologen zu schicken (31. 3. 1573, H S t A Stuttgart A63 Bü44). In diesem Sinn lautete auch noch das Konzept einer Antwort Ludwigs an Andreae (1. 4. 1573, ibd.), die entsprechenden Aussagen wurden dann aber durchgestrichen und verbessert, nachdem Gerlach, hinreichend „bearbeitet", sich hatte umstimmen lassen. 35 Gl. T B 3. " Ibd. 4. 37 s. u. S. 43. " HStA Stuttgart A63 Bü44; der ursprüngliche Entwurf ist noch unter dicken Strichen zu erkennen. Gl. T B 4.

Der geschichtliche Verlauf

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Nach elf Tagen, am 20. April, traf er in Wien ein, wo er zu dem designierten Botschafter stoßen sollte'*". D a Ungnad noch Geschäfte zu erledigen hatte, lag Gerlach hier für anderthalb Monate fest. Diese Zeit verbrachte er nicht untätig, vielmehr machte er sich unter der evangelischen Bevölkerung Wiens und der Umgebung nützlich, die zu jener Zeit ohne Pfarrer war: Er predigte, taufte, traute und besuchte Kranke'*'. Am 10. Juni war es dann so weit: Ungnad nahm vom Kaiser Abschied und schiffte sich mit seiner ganzen Begleitung, sechzig Personen, auf der Donau ein'*^. Die Reise dauerte beinahe zwei Monate: Man nahm das Schiff bis Griechisch Weißenburg, von dort aus mußte man zu Land weiterfahren''^ über Sophia, Philippopel, Adrianopel und Selymbria'"'. Am 6. August erreichte die Gesellschaft Konstantinopel"^ und wurde nach offiziellem Protokoll eingeholt"^. Zehn Tage später nahm Ungnad mit der Übergabe des Tributs beim Sultan'*·' seine Arbeit auf"®. Während sich Gerlach auf die Reise vorbereitete, wurde in Tübingen der Gedanke geboren, der zu dem berühmten, sich über mehrere Jahre hinziehenden Briefwechsel zwischen der schwäbischen Universitätsstadt und Konstantinopel führen sollte: der Gedanke, durch den Botschaftsprediger mit den zeitgenössichen Griechen in Kontakt zu treten und sie so „kennenzulernen": Q u o d [sc. die bevorstehende Abreise Gerlachs] cum ego rescivissem: cogitavi periculum Graecorum Byzantinorum mihi esse faciendum : quid scirent in veteri lingua Graeca, aut quanam humanitate essent"^. Der so schrieb, war nicht ein Vertreter der theologischen Fakultät, sondern der Altphilologe Martin Crusius, professor utriusque linguae in Tübingen, wohl der berühmteste seiner Zeit. M a r t i n C r u s i u s ' " w u r d e a m 19. S e p t e m b e r 1526 als S o h n eines lutherischen P f a r r e r s in G r e b e r n bei B a m b e r g g e b o r e n . N a c h d e m ersten U n t e r r i c h t i m E l t e r n h a u s b e s u c h t e er v o n 1540 bis 1545 d a s G y m n a s i u m in U l m , d a n a c h die b e r ü h m t e H o c h s c h u l e des H u m a n i s t e n J o h a n n S t u r m in S t r a ß b u r g . V o n 1554 bis 1559 w a r er R e k t o r der L a t e i n schule in M e m m i n g e n , d a n n , bis z u m E n d e seines L e b e n s a m 14. F e b r u a r 1607, p r o f e s s o r u t r i u s q u e l i n g u a e in T ü b i n g e n . E r las m e i s t ü b e r H o m e r , A r i s t o t e l e s , T h u k y d i d e s , C i c e r o u n d R h e t o r i k , z . T . mit a u ß e r d o r d e n t l i c h e m E r f o l g . A n „ K e n n t n i s der griechischen S p r a c h e , die er in m ü n d l i c h e m u n d s c h r i f t l i c h e m G e b r a u c h gern n e b e n d e m L a t e i n ·*» Ibd. "1 Ibd. Ibd. 5; zu den Stationen der Reise s. a. Cr. T B MS I 8. 11 f. Gl. T B 17. "" Ibd. 20; Cr. T B MS 112. Zu den Reiserouten der Botschafter an der Hohen Pforte s. Spuler (II) 176 f. Gl. T B 20; Cr. T B MS I 8.12. « Gl. T B 20; zu diesem Protokoll s. Spuler (II) 180-183. " Cr. T B MS I 8.12; Gl. T B 22f. (vgl. o. Anm. 2). Zum Ritual der Audienzen ausländischer Diplomaten beim Sultan s. Spuler (II) 186-192. « Cr. T B MS I I . 5» Zu den folgenden Angaben vgl. Widmann u. Kresten 16 f. (dort auch weitere Lit.).

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Der Briefwechsel

anwandte, war er einer der ersten seiner Zeit"'', w o v o n z. B. seine griechischen Gedichte und sein Beitrag zu dem Briefwechsel zwischen Tübingen und Konstantinopel Zeugnis geben. Sein Interesse erstreckte sich nicht nur auf das klassische Griechisch, sondern bezog das byzantinische und das zeitgenössische mit ein, wie seine berühmten Werke „Turcograecia" und „Germanograecia" (1584 und 1585) zeigen. So wurde er einer der Väter der neogräzistischen Studien®^.

Das Interesse, das der Altphilologe als Grund für den Kontaktversuch angibt, entspricht seinem Fachgebiet: Es gilt der Verbreitung des klassischen Griechisch in Konstantinopel, dies aber nicht nur im Sinn der Sprachbeherrschung, sondern der Verfügung über all das, was zur klassischen griechischen Kultur gehört, kurz im Sinn der „Bildung" (humanitas). Crusius verfaßte nun (7. 4. 1573) einen Brief an den Patriarchen von Konstantinopel^^, den einzig möglichen Adressaten in der ihn interessierenden Gruppe der Griechen, von dem er wußte - allerdings auch nur von dessen Existenz, Daten zur Person, den Namen, ja den Titel kannte er nicht. Da Stephan Gerlach gerade nach Konstantinopel aufbreche, schrieb Crusius an den Patriarchen, habe er sich nicht zurückhalten können (ουκ έδυνή'&ην έμαυτόν κατέχειν) und diesen Brief schreiben müssen. Und zwar aus zwei Gründen, die seinen, Crusius', Schritt vielleicht entschuldigen könnten: Zum einen wolle er seine Freude darüber und seinen Dank gegen Gott dafür ausdrükken, daß noch ein beachtlicher Rest des Kirche (ζώπυρον - eigentlich ein Häufchen glühender Asche zum Wiederanfachen - Χριστού εκκλησίας ουκ εύκαταφρόνητον) in den Gegenden, in denen die Griechen wohnten, übrig sei®"*, unter Leitung eines durch Frömmigkeit und Bildung (ευσέβεια και παιδεία) ausgezeichneten Patriarchen^^; früher habe er nämlich geglaubt, das Christentum (τά του σωτήρος ήμών Χρίστου) habe dort unten keinen Platz mehr®®. Zum anderen schreibe er, weil er „Philhellene" sei und sich den größten Teil seines Lebens mit der griechischen Sprache und Kultur (ή ελλας γλώσσα και παιδεία) beschäftigt habe; so „kultiviere" er in der Universität des Herzogs von Württemberg „den griechischen Unterricht" (τα έλληνικά μαθήματα φυτεύω)®''. Für diese seine Lehrtätigkeit gibt Crusius nun eine auffällige Begründung, die auch das zweite Motiv für den Brief nach Konstantinopel religiös 51 Wilhelmi25. 52 Vgl. u. den Exkurs S. 47ff. u. S. 360f. " Cr. TB MS I 2—4 / T G 41 Of. Wir gehen, wo wir in der Darstellung der Ereignisse auf die in der TG abgedruckten Briefe verweisen, nur in Einzelfällen auf die Differenzen zwischen dieser Version und der in Crusius' Tagebuch ein; in Fällen von Abweichungen halten wir uns an das Tagebuch, da sich hier die ursprüngliche Fassung findet. Zum tendenziösen Charakter der Turcograecia s.u. den Exkurs S. 359 ff. Cr. TB MS 1 2 / T G 410. 55 Cr. TB MS I 2 f . / T G 410. 5' Cr. TB MS 1 2 / T G 410. 5' Cr. TB MS 1 3 / T G 410.

Der geschichtliche Verlauf

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verankert: „Er kultiviere den griechischen Unterricht", denn in seinem Land werde von Christus „rein und mit dem Reichtum der Wissenschaften aus den Schriften des Alten und des Neuen Testamentes gelehrt; jede philosophische Konzeption werde in den Dienst Christi gestellt" (έν τη χώρα γαρ ταύτη τάτοϋ Χριστού έκ των προφητικών τε και αποστολικών γραφών καθαρώς καΐ πλουσιολόγως διδάσκεται: πάν φιλοσοφικόν νόημα εις την ύπακοήν του Χριστού αιχμαλωτίζεται); allein auf Christus und sein Kreuz stütze sich unser Heilte. Crusius begründet also seine Bemühungen um alles Griechische hier mit der Funktion für die Lehre von Christus. Die Möglichkeit, es könne vielleicht um seiner selbst willen behandelt werden, schließt er von vornherein aus mit der Feststellung, alles philosophische, weltliche Denken, also auch, was er tue, diene nur Christus - es gehöre zum Reichtum der Wissenschaften, die zur reinen Lehre aus der Schrift beitrügen. M . a . W . Crusius begründet seinen Philhellenismus gegenüber dem Patriarchen von Konstantinopel mit der Funktion der Altphilologie für die Bibelexegese^®. Nachdem er kurz vorgetragen hat, die Unterordnung aller Wissenschaften unter Christus folge aus dessen alleiniger Heilsursächlichkeit, bricht er seine theologischen Ausführungen ab - Gerlach werde das alles hinreichend darlegen®". Er fordert den Patriarchen auf, Fürbitte für ihn, Crusius, zu leisten, so wie er es umgekehrt auch tun wolle - seien sie doch Glieder des Leibes Christi und Brüder (προσευχώμεθα τοίνυν ώς μέλεσι τού σώματος Χριστού καΐ συναδέλφοις πρέπει ύπερ άλλήλων συνεχώς); im Übrigen empfehle er Gerlach der Güte des Adressaten®^. Diesem Schreiben legte Crusius die Predigt, die Andreae bei Gerlachs Ordination gehalten hatte, in griechischer Übersetzung, seiner eigenen, bei®^, um den Adressaten des Briefes ein Beispiel der evangelischen Lehre und seiner Bemühungen um das Griechische (specimen aliquid nostrae doctrinae, et mei studii Graeci)®^ zu geben. Mit der Abfassung des Briefes an den Patriarchen war die Tätigkeit des Philologen in dieser Angelegenheit noch nicht beendet. Er zeigte das Schreiben seinem Kollegen Jacob Andreae und brachte ihn zu dem Entschluß, auch seinerseits eines mitzuschicken®'* - war Andreae doch Theologe und Inhaber einer hohen kirchlichen Stellung (praepositus), zudem Kanzler der Universität, kurz, ein eher ebenbürtiger Briefpartner für den Patriarchen als ein Philologe. 58 C r . T B M S I 3 / T G 4 1 0 f . Zum Kontext dieses Arguments s. u. S. 47 ff. Cr. T B M S 1 3 / T G 411. " Cr.TBMSIf./TG411. " Abgedruckt T G 411-414, handschriftlich enthalten in Bd. 5 (Nr. 160) der Predigtnachschriften ( U B Tübingen C o d . M b 19). Cr. T B M S 14. " Ibd. 1 f.

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Der Briefwechsel

N u n hatte Andreae gerade keine Zeit. Darum schrieb Crusius den Brief kurzerhand selbst (8. 4. 1573), der Kanzler las ihn nur durch und unterschrieb. So sollten sie all die Jahre der Korrespondenz mit dem Patriarchat hindurch vorgehen, soweit Andreae daran teilnahm: composui ego D. Cancellarlo, tum hanc, tum ceteras eius epístolas: ipse vero eas perlegit. Erat ipse multis rebus occupatissimus^®. Was den Inhalt des ersten Briefes Andreaes®® betrifft, so beschränkt er sich darauf, Gerlach zu empfehlen: Er schildert dessen Werdegang und Quahtäten. Da die Kunde von der Frömmigkeit und Weisheit des Patriarchen bis nach Tübingen gedrungen sei, bitte er, Andreae, Gerlach gnädig aufzunehmen. Sei man doch auf Christus als den alleinigen Heiland getauft, glaube man doch an ihn als alleinigen Erlöser des Menschengeschlechtes, wisse man doch, daß man allein durch seine Wiedergutmachung am Kreuz Rettung erlangen werde (είς ενα γαρ σωτήρα τον Χριστόν ύμεϊς τε καΐ ημείς έβαπτίσθημεν: είς μόνον αυτόν του ανθρωπίνου γένους λυτρωτήν πιστεύομεν: δια μόνου του εν τω σταυρω κατορθώματος αύτοϋ σωθήσεσθαι ο'ίδαμεν)®''. Gerlach werde sich dankbar erweisen, auch er, Andreae, wenn sich die Gelegenheit biete®®. Zum Abschluß grüßt der Kanzler den Patriarchen in Christus als seinen πατήρ®'. Andreae trat also in den Briefwechsel mit dem Patriarchen von Konstantinopel ganz und gar im Schlepptau seines Kollegen Crusius ein. Andererseits muß man aber auch feststellen, daß er sich nicht ins Schlepptau hätte nehmen lassen, wenn ihm diese Kontaktsuche nicht sinnvoll erschienen wäre. Er hatte großes Interesse an der Bitte Ungnads gezeigt, Gerlach mit einem entsprechenden Brief zum Herzog geschickt, ihn geradezu gedrängt, nach Konstantinopel zu gehen'^o, und ihn für diesen Auftrag o r d i n i e r t V o n den Erwartungen, die er mit diesem Unternehmen verband, ist schon die Rede gewesen''^. Allem Anschein nach war er darüber hinaus zumindest der Ansicht, ein brieflicher Kontakt mit der griechischen Kirche könne nicht schaden, und ging darum bereitwillig, wenn auch nicht enthusiastisch auf Crusius' Vorschlag ein. Daß er ihm nicht blind gefolgt ist, wird der Befund zeigen, daß er sich offenbar vollverantwortlich einschaltete, wo es um die entscheidende Weichenstellung ging". Dieser seiner Position als des grundsätzlich Letztverantwortlichen unter den Theologen entsprechend war er es, dem Gerlach in erster Linie und in größter Ausführlichkeit von den Verhältnissen in der griechischen Kirche und dem Fortgang der theologischen Kontakte mit dem Patriarchat berichtete und von dem er die ' ' Ibd. 5 Randnotiz; s. a. ibd. 2: ipse [sc. Andreae] . . . litteras suo nomine scriptas, mittendas statuit. Dieser Sachverhalt bleibt dem Leser der Turcograecia, die natürlich nur den Brief mit Andreaes Unterschrift a b d r u c k t - S . 414f.-notwendigerweise verborgen. Vgl. a. u. S. 59. " Cr.TBMSI4f./TG414f. " Cr. TB MS 1 5 / T G 415. Ibd. Ibd. ""> Gl. TB 3: „Herr Cantzler: wann ich sein Sohn wäre/so müst ich ihm wol fort: N u n weil ich sein Freund und Bruder, woll er mich auf das höchste gebetten haben." " S. o. S. 36. " S. o. S. 35 f. S. u. S. 47, vgl. a. S. 66.

D e r geschichtliche Verlauf

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Richtlinien für sein Handeln verlangte - oft in einer Ausschließlichkeit, als gehe es hier um ein Unternehmen allein des K a n z l e r s E i n e Grenze sollte Andreaes Beteiligung allerdings an der Vielzahl seiner auswärtigen kirchenpohtischen Verpflichtungen finden. Doch als sie seine Mitarbeit an dem Briefwechsel unmöglich machten, hatte dieser bereits einen so offiziellen Stellenwert erlangt, daß andere führende Theologen der Württembergischen Kirche den Part des Kanzlers übernahmen. Während der ersten zweieinhalb Monate in Konstantinopel nahm Gerlach noch keinen Kontakt mit Griechen auf, und zwar vornehmhch aus zwei Gründen''^: Zum einen liege das Patriarchat weit ab von der Residenz des Botschafters^®, und auswärtige Christen könnten ohne türkischen Schutz nicht einfach in der Stadt herumlaufen, da es immer „Menschenfänger" (άθρωπόφωραι) gebe, die versuchten, Sklaven zu erjagen. Zum anderen mußte Gerlach darauf warten, daß ihm aus dem Sekretariat des Patriarchen, nämlich durch dessen Rhetor und Notar^'', eine Audienz erwirkt und passende Begleitung zugesellt wurde. Die Aussichten dafür waren günstig, da der Rhetor in Kontakt zur Botschaft stand (nostro sodalitio famiharis)^®. Doch zunächst versuchte der Tübinger, wenn die Predigerpflichten ihm dazu Zeit ließen, auf eigene Faust etwas über Land und Leute, vor allem aber über die griechische Kirche, in Erfahrung zu bringen. Davon berichtet er am 11. 10. 1573 in seiner ersten Briefsendung nach Tübingen, die am 1. 1. 1574 eintraf'®. Crusius' Tagebuch gibt Ausschnitte aus den Schreiben wieder®", sie waren an die Professoren Heerbrand®\ Mailand®^ und Andreae®^ gerichtet. Was ihm als erstes an den Griechen und ihrer Kirche auffällt, ist die Unbildung: Sie seien allesamt, Priester und Laien, indocti®". Schulen, außer Elementarschulen, hätten sie nicht®®, die griechische Sprache beherrschten sie nur S. z . B . u. S. 6 5 f . 87; s. bes. die F o r m u l i e r u n g u. S. 101 A n m . 132. " Cr. T B M S 113. " Sie lag am F o r u m C o n s t a n t i n i ( G l . T B 20), Patriarchat w a r z u jener Zeit das P a m m a k a r i s t o s K l o s t e r ( R u n c i m a n , Patriarchat 181. 186). · " Z u ihnen s. U . S . 69 f. Cr. T B M S 110. " Cr. T B MS I 7.11. W i r w e r d e n im f o l g e n d e n G e r l a c h s B r i e f s e n d u n g e n nach T ü b i n g e n als g e s c h l o s s e n e I n f o r m a t i o n s b l ö c k e behandeln u n d im allgemeinen nicht auf den jeweiligen A d r e s s a t e n der einzelnen Schreiben hinweisen. D a s ist legitim, weil er selbst sie s o auffaßt u n d v o r a u s s e t z t (s. z. B. C r . T B M S 1 1 8 ) , daß die B r i e f e h e r u m g e g e b e n w e r d e n u n d sich die T ü b i n g e r s o auf d e m laufenden halten, auch in P u n k t e n , in denen der eine o d e r der andere nicht p e r s ö n l i c h unterrichtet w o r d e n ist, o d e r in Fällen, in denen nicht jeder einen Brief b e k o m m e n hat - ein V e r f a h r e n , d a s es C r u s i u s e r m ö g l i c h t , alle ihn interessierenden Schreiben in sein T a g e b u c h a u f z u n e h m e n . D i e s e Einstellung z u r K o r r e s p o n d e n z , die sie in erster Linie als I n f o r m a t i o n s t r ä g e r u n d nicht als Mittel des p e r s ö n l i c h e n K o n t a k t s versteht, f ü h r t d a n n auch d a z u , daß C r u s i u s B r i e f e o d e r A u s z ü g e daraus weitergeschickt (s. Teil III K a p . 1) und schließlich s o g a r veröffentlicht. 8ilbd.6f. " I b d . lOf.

"Ibd.8f. 8" I b d . 7 . 9 . 10.

8Mbd.7.

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Der Briefwechsel

corrupte®® - von einigen Ausnahmen im Patriarchat abgesehen®'^ - , ja, zufrieden mit ihrer lingua vulgaris, empfänden sie gegen die lingua pura sogar Widerwillen (fastidiunt)®®. Infolge ihrer Unbildung seien sie nicht in der Lage zu predigen - das ganze Jahr hindurch, außer in der Fastenzeit, hielten sie nur die Messe ab®', und die könne kaum jemand verstehen, weil sie in „reinem" Griechisch gesprochen werde'®. Kurz: Status . . . Ecclesiarum Graecarum . . . miserandus est'^, und was die Moral der Griechen betreffe, so sei sie kaum besser als die der Türken'^. Immerhin gebe es einige Pluspunkte, vor allem: cum pontificiis amicitiam non colunt'^. Anders als die Römer lehnten sie die Lehre von der Wandlung, dem Fegfeuer, den Pflichtzölibat, die communio sub una, die Heiligenstatuen und die Heiligenanrufung ab®'*. Von der Position der Tübinger unterschieden sie sich u.a. hinsichthch der Taufformel, des fihoque'^ und durch ihre „Mönchs- und Opferpriesterorden"'®. Kaum war Gerlachs erste Briefsendung unterwegs, erhielt er die gewünschte Audienz beim Patriarchen (15. 10. 1573). Er berichtet darüber kurz in seinem Tagebuch'·', ausführhch in den von Crusius abgeschriebenen Briefen der nächsten Sendung'®, in erster Linie in dem an Andreae vom 21. 10. 1 5 7 3 " . Der Patriarch, der nun in Gerlachs Bhckfeld trat und über viele Jahre hin Gesprächspartner der Württemberger Theologen sein sollte, war Jeremias IL Tranos. Jeremias^®" w u r d e u m 1530 in A n c h i a l o s a m S c h w a r z e n M e e r g e b o r e n . E r w a r S c h ü l e r mehrerer einheimischer Theologen, nämlich von Hierotheos von M o n e m b a s i a , Arsenios v o n T i r n o w a u n d D a m a s k e n o s S t u d i t e s . U m 1565 bestieg er d e n B i s c h o f s s t u h l v o n L a r i s s a , 1572 d e n T h r o n des Ö k u m e n i s c h e n Patriarchats. A u f g r u n d innerkirchlicher u n d p o l i t i s c h e r Intrigen verlor er z w e i m a l sein A m t (1579 u n d 1584), k o n n t e es aber beide M a l e w i e d e r g e w i n n e n ( 1 5 8 0 u n d 1589) u n d schließlich bis z u s e i n e m T o d i m J a h r e 1595 behalten. Sein N a m e ist v e r b u n d e n nicht nur m i t d e n B e z i e h u n g e n z u d e n W ü r t t e m b e r g e r L u t h e r a n e r n , s o n d e r n a u c h mit der A b l e h n u n g d e r G r e g o r i a n i s c h e n K a l e n d e r r e f o r m d u r c h die griechische K i r c h e u n d d e r E n t s t e h u n g des Patriarchats M o s k a u .

Der Patriarch war durch den Rhetor, der bei der Audienz als Dolmetscher fungierte^^i, bereits über Gerlachs Besuch informiert^"^. Nach dem zeremoniellen Handkuß nahm er die Briefe huldvoll entgegeni^^; sie seien ihm hoch« M b d . 7,s. a.9. 10. " Ibd. 9. Ibd. 10. Iba. 7.10. Ibd. 10. Ibd. Ibd. " Ibd. 7. Ibd. 7.10. « Ibd. 7. « « I b d . 10. " Gl. T B 29. Cr. T B MS 113-18, angekommen am 2 3 . 2 . 1 5 7 4 (ibd. 16). ' ' Ibd. 13-16. loo Zu diesen Angaben vgl. Sathas, Meyer 90ff., Petit, Art. Jérémie II Tranos, Runciman, Patriarchat 195. 319f., z . T . mit Lit.; s. a. Hofmann, Griechische Patriarchen und römische Päpste, Patriarch Jeremias II. Zu einzelnen in unserem Zusammenhang wichtigen Stationen s. u. S. 136138. U l f . 396f. i"! Gl. T B 29. Cr. T B MS 114. ibd. 13f.

Der geschichtliche Verlauf

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willkommen, er wolle bald antworten^®'*. D a n n entließ er den Botschaftsprediger nach neuerhchem H a n d k u ß wieder^"^. Beinahe wäre der Briefwechsel allerdings schon zu einem jähen Ende gekommen, bevor er recht begonnen hatte; Andreaes Predigt über die Perikope vom Guten Hirten, die Crusius in griechischer Übersetzung beigelegt hatte löste im Patriarchat E m p ö r u n g aus: Der Absender, Crusius, verfolge damit wohl die Absicht, „Seiner Heihgkeit die Schlafsucht auszutreiben, als sei sie faul in ihrem H i r t e n a m t " (ut ipsius Sanctitati, tamquam in officio pastorah desidenti, veternus excuteretur)*"^. Anlaß für diesen Verdacht war vermutlich, daß die Predigt dem wahren Hirten Christus falsche Hirten gegenüberstellt: die Adressaten einer Bußpredigt Hesekiels (Hes 34)^®®, jüdische Lehrer, die die Werkgerechtigkeit v e r f e c h t e n P f a r r e r , die in Gefahr ihre H e r d e verlassen^^". Der Rhetor hielt dagegen, Crusius wolle sich durch diese Beilage sicher nur als φιλέλλην erweisen^ii. Jeremias gab Anweisung, die Briefe, bevor er seine A n t w o r t abfasse, zu Gerlach zu tragen, damit dieser seine Meinung dazu äußere. Die Erklärung des Botschaftspredigers, es handele sich nicht um einen υβριστικός λόγος, und von einem Tadel des Patriarchen könne keine Rede sein, beruhigte schließlich die Gemüter^^^. Alles in allem hatte Gerlach, wie er nach Tübingen schrieb, einen sehr guten Eindruck vom Patriarchen: Er sei friedfertig, menschlich (placidus et humanus) und von gewinnendem Außeren^^^; trotz seiner hohen Stellung lege er keinen Wert auf Pracht (splendor)i^''. Kurz darauf ging Jeremias auf Visitationsreise^^®. Er ließ Gerlach ausrichten, er wolle von auswärts antworten, und beauftragte dann einen Bischof in Konstantinopel, einen Entwurf anzufertigen und ihm nachzusehen; dies geschah auch^^^, doch Jeremias reagierte nicht darauf'^', die Briefe aus Tübingen gingen schüeßlich wohl verloren^^®, und erst nach gut einem Jahr (gegen Ende sollte ein Schreiben nach Tübingen abgeschickt werden Von dem Informationsstand aus, den Gerlachs Briefe der ersten, am 1. 1. 1574, und der zweiten, am 23. 2. 1574 angekommenen Sendung vermitteln, verfaßte Crusius am 3. und 4. 3. drei Schreiben, zwei an den Patriarchen - eines unter eigenem Nameni^i, eines unter dem N a m e n A n d r e a e s ^ " - und eins an Gerlach^". In letzterem bestimmt er den Zweck der Briefe an Jeremias so, daß

•»•· Ibd. 14. S.O.S. 39. 108 T G 412. " » I b d . 413. Ibd. " " Ibd. 18.40. " M b d . 14.41. 118 Ibd. 42. 120 S. u. S. 52. 55-57. 1 " Cr. TB MS 123.

Ibd, Cr. TB MS 115. Ibd. Cr. TB MS 115. 1 " Ibd. 17. 115 G l . T B 33f.; C r . T B M S I 14. i i ' I b d . 14.41. 11« Ibd. 42. 46-52 / T G 420-422. i " Ibd. 19-21 / TG 415f. 1 " Ibd. 21 f . / T G 419f.

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Der Briefwechsel

ihm darin Ehre erwiesen werden soll (τιμάν)^^''. In der Tat bringen sie keinen Gesprächsfortschritt - was ja auch nicht möglich war, bevor der Patriarch geantwortet hatte; vielmehr zielt jedenfalls Crusius' eigenes Schreiben nur darauf, den Patriarchen höchster Ehrerbietung von Tübinger Seite zu versichern - offenbar soll der Fehltritt wieder gutgemacht werden, den die Übersendung der Predigt Andreaes über die Perikope vom Guten Hirten zumindest zeitweise in den Augen der Griechen dargestellt hatte; der Eifer des Philologen zeigt, wie unangenehm der Zwischenfall in Konstantinopel ihn berührt haben muß. Crusius äußert tiefen Dank: Gegen Gott vor allem dafür, daß das Christentum bei den Griechen noch in Kraft stehe^^^, und das unter einem verehrungswürdigen, wahrhaftigen Seelenhirten (αληθινός ψυχών ποιμήν) und einem Klerus voller Gewissenhaftigkeit^^^ - der Bezug auf die Fehlinterpretation der Predigt ist offensichtUch; dafür daß sein, Crusius', φιλέλληνι ψυχί] geschriebener Brief - eine Anspielung in derselben Richtung - angekommen sei^^^, daß Jeremias die Tübinger Post entgegengenommen und eine Antwort versprochen habe^^® u.a. Dem Patriarchen wird gedankt, weil er sich den Tübingern so geneigt erweise^^®. Auch diesem Brief fügte Crusius eine Predigt bei, die Andreae vor einigen Tagen in Tübingen gehalten hatte, und zwar über das Reich Gottes nach Lk. 10, mit dem Hinweis, er habe ja schon beim letztenmal eine Predigt beigelegt als Beispiel der Tübinger Lehre und seiner eigenen Beschäftigung mit dem Griechischen^^" - eine weitere Anspielung mit eindeutiger Zielsetzung. Bemerkenswert ist, daß Crusius sich bemüht, Andreae einen für die Griechen identifizierbaren hierarchischen Ort zuzuweisen: Er bezeichnet den Propst als ó παρ' ημών έπίσκοποςΐ^^ Gerlachs Information, daß sich bei den Griechen tatsächlich eine Kirche mit intakter Hierarchie finde, veranlaßt Crusius offenbar, das offizielle Gewicht des Tübinger kirchlichen Partners in diesem Briefwechsel herauszustellen, wozu ihm der den Griechen geläufige einschlägige Titel „Bischof" angemessen erscheint. Einmal mit dem Thema Hierarchie beschäftigt, legt er dem Brief an Gerlach noch einen Zettel mit der Frage bei, welches denn eigenthch der Rang des Patriarchen sei^^^. Anders als unter seinem eigenen Namen geht Crusius in dem für Andreae geschriebenen Brief kurz auf theologische Fragen ein, offenbar, um die Weichen für den weiteren Briefwechsel zu stellen. Es könne ohne weiteres „eine gewisse Ungleichheit in einigen kirchhchen Regelungen" (άνομοιότης τις . . . κατά τινας έν τη έκκλησί^ θεσμούς) zugestanden werden, welche ohne wesentliche Cr. T B M S 122. Cr. T B M S 119 / T G 416. Cr. T B M S 1 1 9 ; s . a . 20. Ibd. 1 9 / T G 4 1 5 . 128 C r . T B M S I 1 9 / T G 4 1 5 f . Cr. T B M S 1 2 0 / T G 416. C r . T B M S I 20f.; abgedruckt in T G 416-419, handschriftlich in Bd. 5 (Nr. 144) der Predigtnachschriften ( U B Tübingen C o d . M b 19). Cr. T B M S 120 / T G 416; zum theologischen Hintergrund dieses Schrittes s. u. S. 328-330. Crusius T B M S I 39, Randbemerkung zur diesbezüglichen Antwort Gerlachs. Cr. T B M S 123.

D e r geschichtliche Verlauf

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Bedeutung (αδιάφορα) seien. Hinsichtlich des „Fundamentes der Lehre und des heilbringenden Glaubens" (το της . . . διδασκαλίας καΐ σωτηρίου πίστεως θεμέλιον) jedoch müsse Einigkeit herrschen^^^. Er, Andreae, sei sich sicher, daß die angekündigte, in Tübingen mit Spannung erwartete Antwort des Patriarchen in diesem Sinne lauten werde: Mit Differenzen im genannten Sinne rechne er, schon aufgrund der räumlichen Entfernung; er glaube aber (πιστεύω), daß in den entscheidenden Fragen beide Seiten übereinstimmten (έν . . . τω . . . θ ε μ ε λ ί ω κ α Ι παντελώς ήμάςσυμφωνείν)!^'*. Offensichtlich waren die Tübinger durch Gerlachs Bericht über den status miserandus der griechischen Kirche beunruhigt. Sie hatten das Bewußtsein einer gewissen Distanz, meinten aber, daß diese in einem Bereich angesiedelt sei, wo sie keine trennende Bedeutung habe. Darum wiesen sie den Patriarchen auf die Unterscheidung von Adiaphora und Wesentlichem hin - wenn er sie in Rechnung stelle, beides auseinanderhalte und richtig bewerte, könne es keine Trennung zwischen Tübingern und Griechen geben. Daß man den Patriarchen ausdrücklich auf die richtige Fährte bringen zu müssen meinte, verrät allerdings schon einige Besorgnis. Andreae/Crusius schließt mit dem Versprechen der Fürbitte für den Patriarchen, insbesondere was das Gelingen seiner Visitationsreise angehe. Während diese Briefsendung unterwegs und der Patriarch noch auf Reisen war, schmiedete Gerlach in Konstantinopel selbst Pläne für den Dialog mit den Griechen. Er plante offenbar, neben dem Briefwechsel mündliche Gespräche am Ort über die Lehre der Tübinger herlaufen zu lassen. Und zwar hatte er inzwischen mit zwei Griechen nähere Bekanntschaft gemacht"^, mit dem Notar des Patriarchen ^^^ und mit einem Mönch, der einige Zeit in Rom gewesen und gegen das Papsttum eingestellt war (Calogerus quidam: qui Romae aliquamdiu versatus, improbet papatum)!^·'. Hier sah der Botschaftsprediger einen Anknüpfungspunkt, die reformatorische Lehre darzulegen, und riet am 17. 4. 1574 den Tübingern daheim, und zwar den Theologen Andreae, Schnepf und Heerbrand^^®, sie möchten ein kurzes Bekenntnis schreiben und es ihm in griechischer Sprache schicken (conscribi brevem confessionem a Theologis nostris, et Graece Byzantium mitti)i^'. Gerlach ergriff also selbst die Initiative, " " Ibd.

" 5 Vgl. Gerlach, H y p e r a s p i s t e s 101.

C r . T B M S I I 7. " 7 Ibd. 24. Er schrieb auch an Hailand, vermutlich aber - C r u s i u s ' summarische Berichterstattung und die F o r m des plurale tantum litterae läßt hier keine eindeutige Interpretation zu - in einem gesonderten Brief, der nichts mit den Religionsgesprächen zu tun hatte. D e n n ihn verbanden mit seinem früheren E t h i k p r o f e s s o r (Hafenreffer 14) Hailand persönliche Beziehungen - seine z u k ü n f tige Frau war Hailands Pflegetochter ( C r . T B M S II 166) - , und dementsprechend hielten sich seine Briefe an ihn - übrigens der größte Teil seiner K o r r e s p o n d e n z aus der Türkei - im R a h m e n zweckfreier Berichte von seiner Reise und von Nachrichten, die er in Konstantinopel gehört hatte. Ibd. 1 2 4 .

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Der Briefwechsel

wollte aber nichts ohne die Deckung, ja Letztverantwortung der Autoritäten in Tübingen tun - sonst hätte er die confessio ja auch selbst schreiben können. Diese Rollenverteilung war für sein ganzes Vorgehen im Verlauf des Dialoges zwischen den Württembergern und den Griechen typisch, wie sich zeigen wird. Der Brief mit Gerlachs Ratschlag traf am 13. Juni 1574 in Tübingen ein. Die Enttäuschung war groß, daß sich immer noch keine Antwort des Patriarchen dabei befand - Crusius drängt (δέομαι . . . πάνυ) den Botschaftsprediger, er möge doch endlich für eine solche sorgen. Oder er solle ihm zumindest - ein aus der N o t geborener Einfall, der sich für die weiteren Kontakte mit Konstantinopel als außerordentlich fruchtbar erweisen sollte - unterhalb der offiziellen Ebene den Briefkontakt zu „einem anderen gebildeten Griechen" (άλλος τις των πεπαιδευμένων έλλήνων) eröffnen, damit über die geographische Entfernung hinweg eine „gottesfürchtige Freundschaft" (ευσεβής φιλία), eine Verbindung in Christus (συνάπτειν έν Χριστώ) entstehe. Er, Crusius, wolle auch die Briefe seines zukünftigen Partners nicht unter dem Scheffel verbergen, sondern sie auf einen hellen Leuchter stellen^"" - offenbar spielt er hier auf die Gewohnheit an, lohnende Briefe weiterzureichen^''^. Trotz der Enttäuschung darüber, daß die bisherigen Briefe völlig ohne Echo geblieben waren, gab man in Tübingen auch auf der offiziellen Ebene nicht auf. Vielmehr führte Gerlachs Initiative, die Professoren möchten doch ein Bekenntnis des evangehschen Glaubens für die Griechen verfassen, dazu, daß sie den für die ganze Korrespondenz entscheidenden Schritt taten: Sie schickten dem Patriarchen kurzerhand die bereits in griechischer Sprache vorliegende Confessio Augustana. Andreae schrieb dazu (15. 9. 1 5 7 4 ) " ^ : Dies „Büchlein" enthalte „die Hauptpunkte unseres ganzen Glaubens" (βιβλάριον . . . τα της πίστεως ήμών όλης κεφάλαια περιέχον). Der Patriarch solle daraus ersehen, was die Religion der Tübinger sei (την θρησκείαν ήμών, τίς έστι), „ob wir mit der Lehre übereinstimmen, die den Kirchen deiner Heiligkeit geläufig ist, oder ob es vielleicht etwas Abweichendes gibt, was ich [sc. Andreae] nicht wünschte" (ει . . . τη παρά ταις τής άγιότητός σου έκκλησίαις διδασκαλία συμφωνοϋμεν ή τι τάχα διαφωνούν έστιν. οπερ ουκ αν ^έλοιμι). Der Patriarch möge sein „hochweises Urteil darüber klarlegen" (την σοφωτάτην έαυτής περί τούτων κρίσιν . . . δηλοΰν), ob nämlich, durch Gottes Güte, beide Seiten dasselbe in Christus meinten (εί άρα του θεοϋ δίδοντος τά αυτά έν Χ ρ ι σ τ ώ φρονοίημεν). Mit einem Gruß an den παναγιώτατος πατήρ samt seiner Kirche schheßt der Brief. Wenn es auch keinen Grund gibt anzunehmen, Crusius' oben zitierte^'*^ » » Ibd. 58. S. o. S. 41, Anm. 8 0 ; es kann noch nicht sein Vorhaben gemeint sein, Briefe aus Konstantinopel zu veröffentlichen; dieser Gedanke kam Crusius erst später, s. u. S. 355. 360ff. Ibd. 6 0 / A c t a 1. S. o. S. 40.

Der geschichtliche Verlauf

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generelle Notiz, er habe alle Briefe Andreaes an den Patriarchen verfaßt, gelte in diesem Fall nicht, scheint der Kanzler doch hier in besonderer "Weise selbst engagiert gewesen zu sein, möglicherweise, indem er genaue Richtlinien für den Brief gab, vielleicht sogar, indem er ihn selbst entwarf. Denn Crusius fügte unter dem Namen des offiziellen Verfassers hinzu: κάγώ Μαρτίνος ó Κ ρ ο ύ σιος συνήνησα^"", gab also seine Rolle ausdrückhch als sekundär an^"^. Daß Andreae bei diesem Schritt nicht nur in Crusius' Schlepptau, sondern hauptverantworthch aktiv geworden wäre, würde nicht verwundern. Denn mit der Übergabe der Confessio Augustana waren die Gesprächspartner des Patriarchen keine Privatleute mehr, die aus irgendeinem Anlaß Briefe nach Konstantinopel schrieben, sondern vertraten sie die Gesamtheit der Kirchen, welche sich auf jenes Bekenntnis beriefen. Das aber konnte niemandem stärker bewußt sein als Andreae, dessen Lebenswerk darin bestand, diese Kirchen gerade durch Rückbindung an die Confessio Augustana zu einigen - nichts anderes als die VerpfUchtung auf sie in ihrem richtigen Verständnis will das Konkordienwerk, das der Tübinger Kanzler wesentlich trug, ja sein. Das Wissen von dem Rang des angekündigten Dokuments und das Bewußtsein, daß die Beziehungen zu den Griechen nun auf eine neue, offizielle Ebene gehoben wurden, bestimmen den Ton des Begleitbriefs: Er ist unter allen Ergebenheitsformeln sehr selbstbewußt, und er ist nüchterner und vorsichtiger als die früheren Schreiben. Man gibt die Verhandlungsbasis vor, auf der sich das Verhältnis beider Seiten zueinander zu entscheiden habe, und kalkuliert die Möglichkeit ein, daß sich keine Ubereinstimmung ergebe - so sehr man das bedauern würde.

Exkurs: Der Philhellenismus

des Humanisten

Martin

Crusius

Wie sich gezeigt hat und noch weiterhin zeigen wird, war der Gräzist Martin Crusius die treibende Kraft hinter der Korrespondenz mit Jeremias II. So stellt sich die Frage, welche Motive ihn bei diesem Unternehmen bewegten. Wenn Crusius als ein Motiv für den Versuch, brieflichen Kontakt mit dem Ökumenischen Patriarchen aufzunehmen, seine Liebe zu allem Griechischen (φιλελληνία) angibt und diese mit dem Wert der griechischen Sprache für das Verständnis der Bibel begründet, so nimmt er ein Argument des Humanismus auf, isoliert es aber zugleich. Die C r . T B MS 1 6 0 / A c t a 1. Eine andere, das über die Rolle des Kanzlers Gesagte allerdings nicht ausschließende Deutung wäre die, daß der Brief ursprünglich, wie in den früheren Fällen, allein unter Andreaes Namen abgehen sollte, ohne daß das irgend etwas über den Abfassungsmodus aussagte, und Crusius erst nachträglich mit einer Formulierung, die gleichwohl die Verantwortlichkeit des Amtsträgers A n dreae wahrte, seine Zeile hinzusetzte, weil er zum erstenmal keinen eigenen Brief an den Patriarchen geschrieben hatte. Für diese Deutung spräche, daß jene Zeile im Tagebuch dem Text ganz klein angefügt und vielleicht nicht ursprünglich ist. Wie ein Brief aussieht, den beide von vorneherein gleichrangig abzuschicken gedachten, zeigt der nächste an den Patriarchen (s. u. S. 5 9 ) : Sie unterschrieben ihn ganz in derselben Weise ( C r . T B MS I 84 / Acta 4 / T G 424).

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Der Briefwechsel

klassischen Humanisten hatten die Bedeutung der alten Sprachen nicht nur von ihrem N u t z e n für die Schriftexegese her bestimmt, sondern sie aus dem R a n g der A n t i k e und ihrer Überlieferung insgesamt abgeleitet - innerhalb deren der Bibel natürlich eine besondere Stelle zugewiesen wurde. Diese antike Uberlieferung biete dem Leser alles, was er zu einem wirklich menschenwürdigen, d . h . zu einem ethisch und reügiös vollk o m m e n e n D a s e i n ' brauche, und sie biete es in eindeutiger, überzeugender Weise, o h n e Vermischung mit Uberflüssigem und Falschem, wie es spätere Schriftsteller getan und dadurch ihre Zeit nur v o m wahren L e b e n abgelenkt oder gar völlig in die Irre geführt hätten. D e n Abfall rückgängig zu machen und zum Idealzustand zurückzukehren, seien zwei U n t e r n e h m u n g e n notwendig: das Studium der antiken T e x t e in der Originalsprache und die E n t w i c k l u n g einer Wissenschaft, die es ermöghche, die dort gebotenen Wahrheiten mit derselben Eindeutigkeit und Uberzeugungskraft in die G e g e n w a r t zu übersetzen, d . h . die E n t w i c k l u n g einer neuen R h e t o r i k . Klassischen A u s d r u c k fand dieses P r o g r a m m etwa in M e l a n c h t h o n s Wittenberger Antrittsrede oder in seiner R h e t o rik von 1519^. Betrachtet man nun Crusius' einschlägige Äußerungen, so fällt auf, daß sich bei ihm alle Elemente dieses humanistischen P r o g r a m m s finden, ihr systematischer Z u s a m m e n hang aber weitgehend verblaßt ist. Es gibt Stellen, w o er n o c h anklingt, z . B . in den V o r w o r t e n zu einigen grammatischen W e r k e n und den akademischen R e d e n . So k o n n t e Crusius schreiben, das Studium der griechischen Sprache und Literatur solle dazu dienen, daß die Jugend in vera pietas, boni mores und liberalis eruditio erzogen werde^; er k o n n t e die griechische Sprache rühmen, weil sie so sehr alt sein und die hervorragendsten Vertreter der Philosophie, Religion und Wissenschaft sie benutzt hätten'', weil fast alles Heilsame, Menschenwürdige von den Griechen s t a m m e ' ; seine Auslegungen suchten in den antiken T e x t e n , gut humanistisch®, unter dem Stichwort des N u t z e n s (utilitas) für den Leser nach allgemeinen Wahrheiten und M a x i m e n - in der Ilias, für deren Auslegung der T ü b i n g e r Professor besonders b e r ü h m t war, z. B . nach der Lehre von der Providentia dei oder nach ethischen Beispielen'', bei Thukydides nach E x e m p e l n für das eigene Handeln, besonders in der Politik® - dies alles unter der Voraussetzung, daß eben gerade von antiken Autoren das Entscheidende zu lernen sei. Crusius' grundsätzliche Feststellungen im Geiste des H u m a n i s m u s wirken nun aber

^ Wir gehen hier nicht auf die unterschiedlichen Akzentsetzungen ein, wie sie sich etwa in stärker oder gar ausschließlich praktisch orientierten Entwürfen - vgl. z . B . Erasmus - und solchen, die auch wissenschaftlichen und spekulativen Anliegen Rechnung tragen - s. die Florentiner, Reuchlin, Melanchthon - , finden. Ebensowenig berücksichtigen wir die Verschiebungen, die sich hinsichtlich des Ranges der Antike für reformatorische Humanisten ergaben, etwa für Melanchthon die Beschränkung der Normativität nichtchristlicher antiker Autoren auf die Erkenntnis von Natur und Sittengesetz im Rahmen der Gegenüberstellung von Gesetz und Evangelium (s. Maurer, Melanchthon 1 9 2 . 1 0 5 . 1 0 9 f . ) . 2 C R X I , 1 5 - 2 5 ; De Rhetorica libri tres. Basel 1519. ^ Grammaticae Graecae pars altera, a 4r. Grammaticae Graecae pars prima, 3ff. / a 2rff. 5 Ibd. 8 / a 4v. ' S. zu dem gleichartigen Vorgehen Melanchthons Maurer, Melanchthon 1 , 1 1 5 f. ' Commentationes in I. lihrum Iliadis Homeri (s. dasselbe Verfahren in der Aethiopici Heliodori Historiae Epitome). ® Poëmatum Graecorum libri duo, Orationum liber unus 109f.; s. a. S. 100.

Der geschichtliche Verlauf

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merkwürdig formelhaft. Mit Appiomb vorgebracht, werden sie niemals begründet und in irgendwie einleuchtende Zusammenhänge gestellt®. Im Grunde genommen spricht Crusius hier mit Worten, die nicht seine eigenen sind. Zwar verdankte er selbst - zumal als ehemaliger Eleve der berühmten Straßburger Hochschule Johann Sturms - seine Ausbildung der Synthese von Christentum und Zuwendung zur Antike, wie sie den deutschen Humanismus in besonderer Weise kennzeichnete, zwar hatten sein Lehrstuhl und seine Arbeit im öffentlichen Bewußtsein von dort her ihre Legitimität, doch er reflektierte diesen Rahmen seiner Tätigkeit nicht mehr. Was seine eigene Weltanschauung betraf, bezog er sich nur noch auf die Bibel, zu Beginn der Korrespondenz mit Patriarch Jeremias auch auf die patristische Literatur. Die Kenntnis der nichtchristlichen Antike könne allein von dem, der schon an christlichen Inhalten gebildet sei, auf diesem Fundament und nach diesem Maßstab erbaut werden (superstruere)'". Selbst dann müsse man allerdings sehr vorsichtig sein, daß man nichts Gefährliches daraus entnehme - so sei etwa der Bezug auf die griechischen Götter, auch im allegorischen Sinn, wie im Humanismus und einst von ihm, Crusius, selbst oft geübt, abzulehnen". Unter dem Aspekt des Sprachinhalts konnte damit im Grunde nur noch das N e u e Testament das Studium des Griechischen legitimieren, mußte dies ganz im Sinne des Briefes an den Patriarchen als Mittel zum Zweck der Exegese gelten'^. U m die Menge inhaltlich einwandfreier griechischer Texte zu erweitern, gab Crusius Predigten württembergischer Theologen in eigener griechischer Ubersetzung heraus - die Bücher „Civitas Coelestis" und „ C o r o n a Anni" - und erreichte sogar, daß eine solche Sammlung anstelle der Reden Demosthenes' als Pflichtlektüre in den Lehrplan des Tübinger Pädagogiums aufgenommen wurde^^. Wer mit seinen Lehrbüchern arbeitete, gewann Zugang zu den alten Sprachen mittels Katechismusstücken und G e b e t e n " . Hatte Melanchthon die Kirche als Schule b e t r a c h t e t s o sollte für Crusius die Schule Zuliefererin der Kirche (nutrix ecclesiae)^®, ja im Grunde selbst Kirche sein - ein Ideal, das er im Württemberg des Reformationsjahrhunderts und vor allem in der Universität Tübingen verwirklicht f a n d " . Indessen, was Crusius de facto tat und womit er sich beschäftigte, wurde durch dies Programm gar nicht abgedeckt. Nicht nur, daß seine Vorlesungen über antike Klassiker von hier aus nicht einsichtig gewesen wären. Auch sonst ging sein Interesse an der griechischen Sprache weit über das hinaus, was ihre Kenntnis für die Bibelexegese leistet. ' Vgl. C r u s i u s ' S u c h e nach A r g u m e n t e n z u g u n s t e n des G r i e c h i s c h s t u d i u m s im V o r w o r t der Grammaticae Graecae pars prima. ' " P o e m a t u m G r a e c o r u m libri d u o , O r a t i o n u m liber u n u s 114. " C r . T B M S II 583. Vgl. O r a t i o n e s scholasticae tres, 9 v : D a ß die weltliche Weisheit nach P a u l u s stultitia sei, heiße nicht, m a n solle die Schulen m e i d e n u n d ungebildet bleiben. Vielmehr solle m a n sich tüchtig den Sprachen u n d freien K ü n s t e n w i d m e n , u m - C h r i s t u s besser aus der Bibel zu erkennen. " D i e C i v i t a s C o e l e s t i s , C r . T B M S III, 394. " Z . B . G r a m m a t i c a e G r a e c a e p a r s p r i m a , 2 7 4 f f . ; Puerilis in lingua G r a e c a institutionis p a r s p r i m a , 8 7 f f . ; C r u s i u s sagt einmal in einer aus A n l a ß einer Baccalaureatsverleihung gehaltenen R e d e über seine p ä d a g o g i s c h e n G r u n d s ä t z e , K i n d e r b ü c h e r sollten als M o t t i i m m e r biblische, nie antike heidnische S ä t z e tragen ( C r . T B M S II 543). "

S. F r a e n k e l 126f. O r a t i o n e s scholasticae tres, 8v. S. O r a t i o n e s scholasticae tres, bes. die erste: D e s c h o l a r u m antiquitate.

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Der Briefwechsel

Es galt nämlich schlicht allem, was nur irgendwie mit dieser Sprache zu tun hatte: ihrer Geschichte, dem Gebiet, wo man sie gebraucht hatte und noch gebrauchte, den Menschen, die sie gesprochen hatten und noch sprachen, deren Lebensverhältnissen, Religion, Kultus usw., und jede Information, aber auch jeden einschlägigen Gegenstand Manuskripte, Karten, Bilder, Pflanzenteile, Erdklumpen - nahm er voll Neugierde und Entzücken in Empfang. Dabei ging dieses sein Interesse auch über das des klassischen Humanismus hinaus, insofern es von den Schranken des dort verfochtenen weltanschaulichen Rahmens frei war: Gerade das Verblassen der Vorstellung von der einen normativen antiquitas erlaubte es Crusius, sich dem Griechischen nicht nur einer bestimmten Epoche und nicht nur unter einem bestimmten Gesichtspunkt, dem der allgemeinen, ursprünglichen und ewigen Werte, zuzuwenden. Er war vielmehr frei, sich für alles zu interessieren, was mit dieser Sprache zusammenhing, und besonders für all ihre Epochen. So lernte er noch in fortgeschrittenem Alter mittels brieflicher Auskünfte und von durchreisenden Griechen die lingua barbarograeca seiner Zeit, hielt - als erster in Deutschland, wie er stolz bemerkte^® - Vorlesungen darüber und gab linguistisches Material dazu heraus*'. Es ist bezeichnend, daß das Wort „barbarograecum" sich für ihn mehr und mehr von einer wertenden zu einer historischen Bestimmung entwickelte^". Diese Verschiebung aber bedeutet nichts anderes, als daß aus dem Humanisten ein Graecist, ein Philologe und Landeskundler, geworden war. Was aber motivierte den Graecisten Crusius, wenn es weder die ererbte antiquitasIdee noch das verkündete exegetische Programm war? Etwas viel einfacheres, unmittelbareres, wenn man so will auch naiveres als Ideen und Programme, nämlich im Sinne seines Leitwortes φιλελληνία schlicht Liebe^^ In erster Linie Liebe zur griechischen Sprache, die er bis zur Perfektion beherrschte und bei jeder Gelegenheit schriftlich^^ und mündlich anwendete - bereits als Student in Straßburg hatte er in einer vielbeachteten Rede als erster und gegen alle Gewohnheit, wie er selbst bemerkte, das Griechische statt des Lateinischen für den mündlichen Vortrag gewählt (et πρότερόν ποτ' είρηκότες, ρωμαϊστί διετέλεσαν λέγοντες . . . Έ γ ώ δε τοσούτον τόλμτ) πάντας ύπερβέβληκα, ώστε των άλλων πρώτος άναστάς ελληνιστί πειρώμαι, α γινώσκω, λέγειν), bezeichnenderweise, ohne diese Neuerung begründen zu können^^. Seine Liebe galt dann aber eben auch den Trägern der griechischen Sprache, den antiken Schriftstellern und den •β Cr. T B M S II 389. In der Turcograecia. S. im V o r w o r t der Turcograecia die Feststellung: O b w o h l das z e i t g e n ö s s i s c h e Griechisch nicht s o rein u n d elegant sei w i e das alte, nec tarnen etiam barbaries haec artificio s u o caret; sed, si quis huic linguae assueverit, pulchram q u o q u e ipsam s u a v e m q u e nec plane reiiciendam sentiet {Ar). D i e W o r t e ε ρ ω ς , φ ι λ ί α u. ä. k o m m e n unzählige Male in seinem T a g e b u c h , b e s o n d e r s in seinen Briefen, vor. ^^ S. das m e r k w ü r d i g e U n t e r n e h m e n , daß er jahrzehntelang jede in T ü b i n g e n gehaltene Predigt es waren i m m e r h i n m i n d e s t e n s drei p r o W o c h e - auf Griechisch mitschrieb, w a s schließlich z u einer S u m m e v o n 7000 führte (vgl. o. S. 15 A n m . 20 u. u. S. 85). P o ë m a t u m G r a e c o r u m libri d u o , O r a t i o n u m liber unus, 3. Er fühlt sich selbst genötigt, seine τ ό λ μ η z u rechtfertigen, d o c h als G r u n d fällt i h m nur ein, seine Lehrer hätten i h m dies U n t e r n e h m e n b e f o h l e n , im übrigen w e r d e es ein A n s p o r n für die sprachlichen B e m ü h u n g e n der Studenten sein. D i e R e d e ist ediert ibd. 3 - 1 1 .

Der geschichtliche Verlauf

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Zeitgenossen, diesen gegenüber versetze sie ihn geradezu in Rausch (μεθύων [sc. ich, Crusius] τω αυτών ερωτι)^", so daß er gar nicht anders könne (ούκέτι κατεχειν έμαυτόν ήδυνήθην)^®, als Verbindung mit ihnen aufzunehmen und Erkundungen über Land und Leute einzuziehen. Wenn er immer wieder derartige Ausdrücke gebraucht, ist das nicht als rhetorische Übertreibung, sondern ganz wörtlich zu nehmen. Den ererbten und verkündeten Einordnungsrastern, dem Zwang, sich dadurch zu legitimieren, zum Trotz, war sein Interesse am Griechischen und an den Griechen Selbstzweck, seine „Lust und Wonne" (ea lingua deliciae meae)^®, ein wunderbares Spiel, und in der ehrlichsten Aussage, die er je über seine Tätigkeit von sich gab, schrieb er tatsächlich einmal: „Alles Griechische macht mir Spaß wie Spielzeug den Kindern" (πάντα τά ελληνικά με τέρπει ώς άθύρματα παΐδας)^^. Dieser Satz steht in einem Brief mit Adresse in KonstantinopeP®, als einmalige Äußerung verliebten Uberschwangs; in nüchternerer Stimmung darauf behaftet, hätte Crusius ihn vielleicht weit von sich gewiesen. Wenn „Philhellenia" für den Tübinger Professor Liebe zu allem war, was mit der griechischen Sprache aller Epochen zu tun hatte, damit auch zu den Griechen der eigenen Zeit, so war sie doch gerade in dieser letzten Hinsicht zunächst nicht unvoreingenommen. Denn Crusius hatte die positive Meinung der Reformatoren, vor allem Melanchthons, von der griechischen Kirche übernommen, ja er vertrat sie weit vorbehaltloser als diese Männer und gestaltete sie aus zur Vorstellung einer regelrechten Synthese von Griechentum und Luthertum; konnte er doch hier die beiden Objekte seiner Liebe, evangelische Lehre und griechische Sprache, zusammenbringen: Was die Griechen auszeichne, eben ihre wunderbare Sprache, verbinde sie mit dem Evangelium, so wie umgekehrt in dem Deutschland, das das Evangelium wiederehtdeckt habe, als dem Land der Universitäten und Gelehrten nun auch das Griechische zu Hause sei wie nirgends sonst auf der Welt; wie könnte es also anders sein, als daß reformatorische und griechische Christen in denselben kulturell-religiösen Rahmen gehörten, sozusagen in den einer evangelisch-griechischen Tradition? Dieser Rahmen übernahm bei Crusius die einheitsstiftende Funktion des humanistischen antiquitas-Gedanken. Er übernahm sie allerdings nur zeitweise, denn die beiden in ihm vereinigten Momente kamen hier erst sekundär zusammen; erst die durch Gerlachs Amt in Konstantinopel gebotene Gelegenheit, seine Griechischbegeisterung in Kontakt zu zeitgenössischen Griechen umzusetzen, brachte Crusius dazu, jenes reformatorische Vorurteil zu reflektieren und auszubauen. Daß seine Philhellenia durch die Vorstellung der evangelischgriechischen Tradition nicht begründet, sondern nur zeitweise verstärkt und legitimiert wurde, zeigt seine Reaktion auf den Zusammenbruch dieser Vorstellung: Trotz großer Enttäuschung gab er die Verbindung zu den Griechen nicht auf, vielmehr gingen der Lutheraner und der Graecist Crusius ihnen gegenüber von nun an getrennte Wege; während der eine sich dem Ziel verschrieb, sie zu bekehren^', baute der andere seine Korrespondenz mit Griechen und über Griechisches zu einem riesigen Informationsnetz aus, das sich von Konstantinopel bis England, von Alexandrien bis Venedig erstreckte^®. " "

Cr. T B MS I 642. " Z . B . ibd. 658. C C A 3r. " Cr. T B M S I 656. Der des Diakons Symeon Kabasilas. " s. u. S. 85. 95 f. Es ist bezeichnend, daß er nach dem Scheitern des Briefwechsels mit dem Patriarchen als Motiv für die Aufnahme des Kontaktes mit ihm nur das Interesse an der griechischen Sprache und ihren Trägern angab (s. z . B . Cr. T B MS II 357. 532; III 19).

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Der Briefwechsel

V o n allen legitimierenden T h e o r i e n u n d s e k u n d ä r e n M o t i v e n entschlackt, stellte seine Philhellenia n u n tatsächlich nichts a n d e r e s m e h r d a r als d a s , w a s sie u n e i n g e s t a n d e n s c h o n i m m e r g e w e s e n w a r : L i e b e z u allem G r i e c h i s c h e n als S e l b s t z w e c k .

2. Die Phase der großen Erwartungen: der Confessio Augustana bis zur Antwort

von der Ab Sendung des Patriarchen darauf

Bevor Gerlach die Sendung aus Tübingen mit der Confessio Augustana Graeca erhielt, schickte er selbst im Herbst 1574 wieder ein Briefbündel auf den Wegi. Zunächst bittet er (1. 10. 1574), und zwar den Theologen Brenz, um Anweisung hinsichtlich bestimmter Probleme, die sich für ihn am Bosporus ergeben^ein Vorgehen, welches wiederum zeigt, daß er sich bei aller Selbständigkeit als Weisungsempfänger der Tübinger Autoritäten verstand: Solle er die Türken als Heiden oder als halbe Christen betrachten? Wie könne er sie überzeugen, daß der Koran nicht Gottes Wort sei? Solle er sein Tischgebet unterbrechen, wenn Türken zugegen seien? Dürfe er einen türkischen Mantel tragen, um ihre Moscheen und dergleichen zu besichtigen? Sei es einem evangelischen Christen erlaubt, im Notfall von einem Mönch das Abendmahl unter beiderlei Gestalt zu empfangen? Dürfe er. Gerlach, in freundschaftlichem Verhältnis zu einem römischen Mönch stehen? Und zu einem Apostaten? Sei es recht, daß Ungnad evangelische Christen von Mönchen beerdigen lasse? Dürfe er. Gerlach, die Sonntagspredigt auf einen anderen Tag verlegen, um griechischen Gottesdiensten beizuwohnen? U.s.w. Neben der Bitte um Richtlinien für sein Verhalten bringt Gerlach einen Bericht vom Fortgang der Kontakte mit dem Patriarchat vor. Jeremias war von seiner Visitationsreise zurückgekehrt. Nun endlich konnte der Tübinger persönlich darauf dringen, eine Antwort an Andreae und Crusius zu erhalten. Er entSchloß sich, um diesem Wunsch Nachdruck zu verleihen, dem Patriarchen auch das zweite Briefpaar auszuhändigen, was er eigentlich erst nach Empfang der Antwort hatte tun wollen^, denn offenbar waren die ersten Schreiben an Jeremias verlorengegangen"·. Binnen weniger Tage erhielt er die Antwort. Sie ist Teil der Briefsendung, in der er von diesen Vorgängen berichtet^. Gerlach bedauert, daß Andreae und Crusius nicht jeder ein eigenes Schreiben bekämen doch unter den gegenwärtigen Umständen müsse man zufrieden sein®. Einen Rat fügt er diesem Bericht hinzu - nicht ohne seine Weisungsabhängigkeit zu betonten (nihil tamen Dignitati Vestrae [sc. Andreae] praescribere, ut non debeo, ita пес volo)'': Er möchte in Zukunft über den Inhalt der Tübinger * Cr. T B MS I 26-52; aus jenem Herbst ist auch ein Brief Gerlachs an Chytraeus vorhanden (Chytraeus, De statu 64-68) - vermutlich der erste, weil der Rostocker Professor einen früheren auch veröffenthcht hätte (s. u. S. 350). ^ Cr. T B MS 128 f. Mbd.39.41f. " Ibd. 42. 5 Ibd. 42. 46-52. ' Ibd. 39. ' Ibd. 42.

Der geschichtliche Verlauf

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Briefe an den Patriarchen informiert werden, soweit es darin um theologische Probleme geht. Dann könne er, etwa auch im Fall von Pannen, auf Rückfragen der Griechen Rede und Antwort stehen®. Den größten Raum nehmen in den Briefen dieser Sendung die Informationen über die griechische Kirche ein, die Gerlach neuerdings gewonnen hat und sogleich nach Tübingen weiterreicht. So gibt er Auskunft über den Rang des Patriarchen: Er sei ea [sc. dignitate] Pontificis Romani apud suos non minor®, ja sein Zuständigkeitsbereich sei größer als der der „Romana bestia" Zudem achteten die übrigen drei östlichen Patriarchen seine A u t o r i t ä t " , eine Vorrangstellung, die schon sein Titel „Ökumenischer Patriarch" ausdrücke^^. Dennoch lebe er ganz einfach, ohne Prunk, umgeben von Mönchen und einigen gelehrteren Beratern aus dem Laienstand^^. Überhaupt sei die griechische Kirche arm^"'. Die Mönche lebten weitgehend von ihrer Hände Arbeit, getreu Basihus' Vorschriften äußerst anspruchslos, die Priester von Spenden und Kasualien^^. Der Patriarch habe Landbesitz und bekomme regelmäßig Abgaben von den Kirchen seines B e z i r k s Z u r Anspannung der Lage trage die Notwendigkeit bei, dem Sultan jährlich eine hohe Geldsumme zu entrichten^''. Den Laien gehe es wirtschaftlich nicht besser als dem Klerus; die meisten seien arm und daher Krämerseelen (mercenarii)^®. Auch sie müßten Abgaben an die Türken entrichten, zudem alljährlich die Aushebung für die Flotte des Sultans über sich ergehen lasseni®. Immerhin hätten sie einen verläßlichen Rechtsstatus, wie Konstantinopel überhaupt den Angehörigen aller hier vertretenen Völker ein hohes Maß an Gerechtigkeit und Sicherheit gewähre^", ja nach dem Willen des Sultans geradezu ein Zufluchtsort für die Unterdrückten aus aller Welt sein sollevi. Während Gerlach das Verhalten der Türken gegenüber dem Deutschen Reich und seinen Angehörigen, vor allem in Grenzgebieten, immer wieder mit großer Bitterkeit und Schärfe verurteilt, spricht er von der Behandlung der nichttürkischen Bevölkerung in der Hauptstadt mit gewisser Anerkennung^^. Was ihn hier stört, ist vor allem, daß im Genuß der relativen Gerechtigkeit und Sicherheit auch die Juden ständen^^. Seit kurzem habe er. Gerlach, einen neuen Gesprächspartner: den Patriar8 Ibd. ' Ibd. 39. Ibd. 40. " Ibd. 39. 43. Ibd. 39. 43. " Ibd. 40, s. a. o. S. 29. " I b d . 31. iMbd. " Ibd.; s. Gerlachs im Sommer und Herbst vor Abfassung des Briefes gesammelte Informationen über diese Dinge in Gl. TB 60 f. 63. Cr. TB MS I 3 1 ; zu den Verpflichtungen der griechischen Kirche gegenüber dem Staat s. Runciman, Patriarchat 169. 193 ff. 18 Cr. TB MS 1 3 1 f. iMbd.32. 20 Ibd. 32 f. 21 Ibd. 33, s. a. Gl. TB 52. Sehr viel schlimmer sei die Lage der Christen auf dem Land, ibd. 23 Cr. TB MS 1 3 3 ; s.a. Gl. TB 59.

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Der Briefwechsel

chen von Alexandrien^". Er habe sich mit ihm u.a. über den Zustand der Kirchen in Afrika unterhalten und ihm einen Katalog von Fragen dazu überreicht^^. Außerdem habe er einige theses Theologicas über kontroverse Fragen niedergeschrieben, damit der Patriarch sie am Maßstab der Wahrheit prüfe (ut eius sanctitas, ad normam veritatis examinare eas dignetur)^®. Ein Punkt ist Gerlach besonders wichtig: Die Stellung der Griechen zur Realpräsenz des Leibes Christi im Abendmahl. Handelte es sich hier doch um eine Frage, die unter den innerkonfessionellen des Westens an erster Stelle stand und in der sich die Tübinger Fakultät besonders engagierte. Gerlachs eigener Eifer in dieser Sache verrät deutlich seine theologische Herkunft, nicht umsonst sollten sich seine literarischen Aktivitäten nach der Rückkehr nach Tübingen vornehmlich auf diesem Gebiet abspielen^''. Voller Genugtuung schreibt er aus Anlaß eines Berichtes von den Abendmahlsstreitigkeiten daheim nach Deutschland, nächst den Worten der Schrift bestätige (confirmare) der consensus omnium Ecclesiarum totius Graeciae, Asiae, Africae die Lehre der Tübinger, quae omnes unanimiter, veram et substantialem corporis et sanguinis Christi in coena praesentiam asserunt^®. Bei diesen Kirchen handele es sich nun aber nicht um irgendwelche, sondern um die Ecclesiae . . . ab Apostolis, eorumque Discipulis plantatae. Dementsprechend hätten sie ihre Abendmahlslehre per manuum traditionem a patribus, hi vero ab Apostolis empfangen. In diesem Punkt habe es überhaupt nie Streitigkeiten unter den Griechen oder den östlichen Kirchen gegeben^'. Sie hätten sich immer an die norma simphcium verborum gehalten und vermieden alle physikalischen Spitzfindigkeiten (omnes physicas in hoc mysterio vitare argutias)^" - offensichtlich ein Hinweis darauf, daß die reformierte Theologie die Begrenztheit und Ortsgebundenheit jedes Körpers, auch des Leibes Christi, aussagt. Während Gerlach in der Frage der Realpräsenz, wo er die Position der Griechen zugunsten der Tübinger anführen zu können glaubt, aus dem Alter der griechischen Kirche besondere Autorität ableitet, scheut er sich in anderen Punkten nicht, deren Lehre und Praxis zu kritisieren; offenbar ist das Argument des Alters inhaltlichen Kriterien nachgeordnet und wird nur angeführt, wo diese schon tatsächliche oder vermeinthche Übereinstimmung erbracht haben -

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C r . T B MS 1 3 0 . 4 3 ; s. a. Gl. T B 6 4 - 6 6 . C r . T B MS 1 3 0 . 4 3 . C r . T B MS 1 3 0 .

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S . u . Teil III Kap. 2. C r . T B MS I 38. Ibd. Gerlach wird sich in seiner Polemik über die Realpräsenz mit dem Genfer Theologen Danaeus auf die Lehre der griechischen Kirche berufen; wenn er dabei auf ein Gespräch in Konstantinopel über diese Fragen hinweist (s. u. S. 380 f.), meint er vermutlich das, dem er die hier angeführten Aussagen entnimmt. Allerdings beschränkt sich hiernach das Gespräch auf die Realpräsenz im Abendmahl selbst, während Gerlach später auch die allgemeinen christologischen Folgerungen der Tübinger darin ansiedeln wird. 3» Ibd.

Der geschichtliche Verlauf

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ein Vorgehen, das für die Einstellung der Tübinger gegenüber der griechischen Kirche typisch ist, wie sich ergeben wird^^. So zählt Gerlach eine Reihe von Lehren und Riten der griechischen Kirche auf, die er nicht billigt^^: die Heiligenanrufung - gegen seinen ersten, freudigen Eindruck, die Griechen lehnten sie ab^^ - , den „abergläubischen''^" (superstitiosus) Bilderkult, die Feiern und Gebete für die Toten, die Lehre vom „mittleren O r t " zwischen Himmel und Hölle, die Verehrung der Elemente während des Großen Einzugs^^, die Kommunion des Klerus hinter verschlossenen Türen^®. Trotz dieser Eigenheiten, die die griechische Kirche der römischen annäherten, stellt Gerlach aber fest - was Crusius zu der befriedigten Randbemerkung veranlaßt: „Bapst gilt nichts in Graecia" - , daß die Griechen die „Papisten" für Häretiker hielten (pontificios . . . pro haereticis habent"), und zwar, weil sie von den Beschlüssen der Konzilien und der Väter abgefallen seien. Darum exkommunizierten sie umgehend jede Frau, die sich mit einem römischen Christen verbinde^''. Auf dem Hintergrund des gemischten Bildes, das diese einerseits partiellen, andererseits vielfältigen Auskünfte ergeben, empfingen und lasen die Tübinger nun Jeremias' Antwort^®. Gleich in seinem Dank für ihre beiden Briefsendungen^', mit dem er einsetzt, wird deutlich, wie er die Adressaten einschätzte: als „Gelehrte, die theologische Fragen erörtern" (άνδρες σοφοί καΐ ζητήσεις ποιούμενοι θείας)""; es ist keine Rede davon, daß er etwa Andreae als offizielle Instanz angesprochen hätte - eine Hoffnung, die wohl das Motiv dafür gewesen war, daß Crusius den Kanzler als „Bischof" tituliert und Gerlach ursprünglich zwei getrennte Schreiben für Andreae und Crusius erwartet hatte"^ Genausowenig geht er darauf ein, daß die Tübinger ihn als πατήρ angesprochen haben; er behandelt sie einfach als zwei ihm fremde, noch nicht näher einschätzbare Privatleute. Er dankt für die freundschaftliche Gesinnung, die aus den Briefen der Tübinger spreche, und versichert, deren Beispiel aufnehmend, er habe Fürbitte für sie geleistet"^. D a sie beide so brennend auf Antwort warteten, wolle er nun zurückschreiben, und zwar eine Erwiderung auf die Aufzeichnungen der beiden Lehrstücke (σημειώματα των δυο διδαχών), die sie ihm geschickt hätten.

" " " " auch "o "1 «

S. U.S. 334 ff. Cr. T B MS 43. S . O . S . 42. S. a. Gl. T B 56. 63. Ibd. 64; Cr. T B MS 143. « Gl. T B 62; Cr. T B M S 143. Ibd. 37. Ibd. 46-52 / T G 420-422. Schaeder 33 bezieht den D a n k nur auf die erste und läßt in ihrer Übersetzung die Passage, die auf die zweite anspielt, ohne Kennzeichnung einfach weg. Cr. T B MS 1 4 6 / T G 420. S . O . S . 4 4 U . 52. Cr.TBMSI46f./TG420.

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Der Briefwechsel

m.a. W., auf die beiden Predigten''^. Was Crusius als Beigabe zum eigentlichen Briefwechsel gedacht hatte, als Beleg seiner philologischen Bemühungen nicht weniger denn der Rechtgläubigkeit der Tübinger, macht Jeremias zum Hauptgegenstand der Gespräche und tritt damit sofort in eine theologische Diskussion ein. Die Predigt über das „Reich Gottes" ergibt keine Schwierigkeiten. Wie Andreae"''', so unterscheidet und erklärt auch Jeremias verschiedene Bedeutungen dieses Begriffs''^, die gesamte Schöpfung und das neue Leben der Christen, wobei die Akzente hier und dort etwas anders gesetzt werden. Andreae hatte sich dann in einem zweiten Teil mit der Übermittlung des Reiches Gottes und damit zusammenhängenden Fragen befaßt"®; auf diesen Komplex geht der Patriarch nicht ein. Was den „Guten Hirten" betreffe, so sei damit natürlich, was der Tübinger betont hatte, in erster Linie Christus gemeint, der die himmlischen Heerscharen verlassen und sich um die verlorenen Menschen gekümmert habe'^'^. Nächst diesem πρώτος ποιμήν oder άρχιποίμην seien aber Hirten „alle Vorsteher der geistlichen Herde der Christen" (ειτα καΐ πάντες OL της λογικής ταύτης ποίμνης των Χριστιανών προϊστάμενοι), „seine wahren Jünger und Nachfolger" (εκείνου μ α ^ τ α ι . . . καΐ διάδοχοι άληθεις), und zwar „Hirten gnadenund teilhabeweise" (κατά χάριν και μέθεξιν ποιμένες) gegenüber Christi ursprünglicher Hirtenschaft. Das seien die früheren und die gegenwärtigen Patriarchen sowie die Bischöfe'^®. Die Adressaten aber, Andreae und Crusius, möge Gott im rechten Glauben (υγιής πίστις) halten, daß sie nicht „hinken und auf Neuerungen verfallen oder davonhumpeln (χωλαίνειν, νεωτερίζειν, άποσκάζειν) in den Dingen, die auf göttliche Weise von unserem Heiland Christus, seinen Aposteln und Jüngern, den heiligen sieben Synoden und den übrigen gotttragenden Vätern gesprochen worden sind,. . . sondern bewahren (διαφυλάττειν), was die Kirche Christi schriftHch und mündlich (έγγράφωςτε και άγράφως) empfangen hat". Denn so gehorchten sie dem wahren Hirten Christus'^«. Auch Andreae hatte der Hirtenschaft Christi das Amt in der Kirche gegenübergestellt. Zunächst einmal hatte er beides voneinander abgegrenzt: N u r Christus sei der in jeder Hinsicht gute, wahre Hirte (μόνος δέ κατά πάντα καλός καΐ αληθινός ποιμήν ó Χριστός έστιν)®°. Die Diener der Kirche seien Cr. T B M S I 47 / T G 420. Anders als die erste Briefsendung war also die beigelegte Predigt nicht untergegangen - oder man hatte wegen der von ihr verursachten Aufregung den Inhalt noch im Kopf. "" T G 417. Cr. T B M S 149 / T G 421 : der Begriff sei ein πολλαχώς λεγόμενον. « T G 417-419. Cr. T B M S 4 7 f . / T G 420f. Cr. T B M S 1 4 8 / T G 4 2 1 . Cr. T B M S 1 4 8 f . / T G 4 2 1 . Es ist sachgerecht, den griechischen Text zu zitieren, weil Crusius die beiden beigelegten Predigten auf Griechisch mitgeschrieben hatte (Cr. T B M S I 4.20, vgl. o. S. 15 A n m . 20 u. S. 50, Anm. 22).

D e r geschichtliche Verlauf

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das nicht (ol δ ' έκκλησίας ύ π η ρ έ τ α ι ούτος ουκ είσίν), sondern sie ständen alle auf niedrigerer Stufe (άλλα π ά ν τ ε ς ύ π ο β ε β ή κ α σ ι ν α ύ τ ω ) und hätten nur die Verpflichtung, dem Erzhirten die Schafe zuzutreiben (καΐ π ρ ο σ ά γ ε ι ν μόνον τ ω ά ρ χ ι π ο ί μ ε ν ι τά π ρ ό β α τ α όφείλουσιν). Sie müßten allerdings auch seine Treue und Ausdauer nachahmen, d.h., ihr Leben für die Schafe einsetzen, sonst seien sie Mietlinge (μισθωτοί)®^ Diesen christozentrischen, das A m t ganz von seiner Funktion her deutenden Sätzen widerspricht der Patriarch nicht. Dazu bestände auch kein Anlaß, da sie bildlich und nicht begrifflich-abgrenzend vorgehen. Doch er setzt einen anderen Akzent, indem er die menschlichen Amtsträger, obgleich sie auch f ü r ihn sekundäre Hirten sind, ihre Hirtenschaft von der Christi abgeleitet ist, zugleich als eigenständige G r ö ß e neben Christus anführt (είτα καΐ . . . οί . . . π ρ ο ϊστάμενοι [sc. ποιμένες είσίν]). Wie gesagt, das sind nur Akzentverschiebungen. Wenn Jeremias sie vornahm und so von vornherein ein bestimmtes Amts- und Traditionsverständnis sicherstellen wollte, dann offenbar darum, weil er den Tübingern gegenüber ein gewisses Mißtrauen hegte. N u r so sind die Aussagen zur ersten Predigt Andreaes, vor allem aber die Warnungen vor „Neuerung" zu verstehen - ein Punkt, der dem Patriarchen so wichtig war, daß er ihn zweimal ansprach: Außer in seinen Bemerkungen zu dieser Predigt noch am Schluß des Briefes, w o er die Adressaten auffordert, sich an keinen anderen G r u n d (θεμέλιον) zu halten als an Christus (1. Kor 3,11), d . h . „nicht auf die fremde Stimme irgendwelcher Neuerer zu hören" (μή . . . ξένης φ ω ν ή ς ν ε ω τ ε ρ ι ζ ό ν τ ω ν τ ι ν ώ ν άκούειν), „welche nicht durch die Türen des Evangeliums und der Lehre unserer heiligen Väter und göttlichen Lehrer, welche darauf aufgebaut haben (έποικοδομειν), hereingekommen sind", vielmehr sollten sie hören auf die Stimme Christi und seiner Kirche, die nach seinen eigenen Worten die Pforten der Hölle nicht überwältigen würden®^. Diese weitreichende Warnung vor νεωτερισμός, Abweichung von der kirchlichen Tradition, konnte sich auf die bisherigen Tübinger Briefe an sich nicht stützen. Sie setzte ein anderweitig gewonnenes Bild voraus und ordnete jene Briefe darin ein - das Bild, das die diffusen, meist römisch gefilterten Informationen über die reformatorische Bewegung und Lehre und die spärlichen Kontakte damit bei den Griechen erzeugt hatten^^. Dennoch legte der Patriarch seine Briefpartner nicht einfach auf dieses Bild fest, ihre Aussagen erlaubten noch kein eindeutiges Urteil darüber, ob es auf sie zutraf. Deshalb mahnte und warnte er nur und räumte so die Möglichkeit ein, sie könnten besser sein als ihr Ruf. So kreuzten sich denn die beiden Schreiben, die, unabhängig voneinander und in ganz verschiedenem Rahmen, theologische Aussagen im Sinn der griechischen und der lutherischen Lehre der jeweils anderen Konfession darlegten, T G 413.

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C r . T B MS 1 5 1 / T G 422.

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g ^ χ^;) j Кар. 2.

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Der Briefwechsel

das eine im September 1574 abgeschickt und nach langer Verzögerung am 7. 5. 1575 in Konstantinopel eingetroffen^^ das andere im Spätherbst 1574 abgefaßt und am 4. 1. 1575 in Tübingen angekommen^® - die Sendungen müssen irgendwo auf dem Balkan®® aneinander vorbeigefahren sein. Bevor Gerlach die Confessio Augustana in Empfang nehmen konnte, schickte er noch etliche Briefe nach Deutschland®'', die sich fast ausschheßlich mit politischen Angelegenheiten beschäftigen. Er denkt, zwei Jahre von zu Hause fort, an Heimkehr®®, erbittet sich aber für die Zeit, während der er noch seinen Dienst versehen muß, Predigthilfen aus Tübingen: Auslegungen der Sonntagsepisteln durch die dortigen Theologen (nostrorum Theologorum explicationes in Epistolas Dominieales: quibus adiuvari possit [sc. Gerlach], concionando apud suum Generosum [sc. Ungnad])®'. Die Spanne zwischen Absendung und Ankunft der Antwort des Patriarchen war dagegen kurz, doch es dauerte noch zweieinhalb Monate, bis die Tübinger ihre Erwiderung schickten (20. 3.1575)®°. Diese Zeit schien Crusius zu lang. Er konnte es nicht erwarten, daß der Botschaftsprediger seine Anregung aufnahm und ihm einen einheimischen Briefpartner in Konstantinopel vermittelte®^. Darum schrieb er einfach selbst (21. 1. 1575), und zwar aufs Geratewohl an die beiden Griechen im Patriarchat, von deren Existenz er aus Gerlachs Briefen wußte - ein Weg, den er schon hinsichtlich des Patriarchen gewählt hatte und den er noch oft einschlagen sollte. Die Griechen waren der Rhetor und der Notar. Der Kontakt, den er hier anknüpfte, sollte die oft langen Pausen in der Korrespondenz mit dem Patriarchen überbrücken und auch noch lange über deren Abbruch hinaus fortleben. Die beiden Briefe®^ sind - was übrigens für alle Briefe gelten wird, mit deren Crusius eine derartige Korrespondenz aus heiterem Himmel eröffnet®^ - ganz Cr. T B MS 158-60.100. ss ibd. 26. Die Korrespondenz zwischen Tübingen und Byzanz lief zu dieser Zeit über Wien, mit dem offiziellen diplomatischen Kurier (Cr. T B MS I 15. 100 u.v.a.), wobei sich der kaiserliche Oberpostmeister (Veredariorum Magister Aulicus Caesaris Maiestatis) v. Wolzogen, ein Anhänger des evangelischen Glaubens und in die Verhandlungen eingeweiht, als außerordentlich hilfreich erwies (ibd. 80. 100. 106); er sollte in schwierigen Zeiten noch eine wichtige Rolle spielen (s. u. S. 135f.). Die Route über Venedig vermied man, obwohl die Übermittlung hier, im Rhythmus des Handels und nicht der Diplomatie, schneller lief, denn man hielt sie für weniger zuverlässig (Cr. T B MS 115). " Ein Bündel mit Briefen, die am Andreastag 1574 und am 5. und 8.1.1575 geschrieben wurden und am 25. 2. 1575 eintrafen (ibd. 61-68), einen an Hailand, verfaßt am 5. 3.1575 und angekommen am 30. 5.1575 (ibd. 97). So in einem Brief an Hailands Stiefsohn Johannes Schwarz in Padua am 18. 3.1575, Cr. T B MS 197. " Cr. T B MS 161; s . a . 103. «« Cr. T B MS 1 8 1 - 8 4 / T G 4 2 3 f . " S.O.S. 46. " Der an den Rhetor befindet sich in Cr. T B MS 169 f. / T G 425, der an den Notar in Cr. T B MS I 7 1 - 7 3 / T G 426 f. " V g l . z . B . U.S. 117f. I 2 5 , A n m . 159.

Der geschichtliche Verlauf

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gleich aufgebaut und unterscheiden sich auch dem Inhalt nach nur in ihrem letzten Teil. Der Tübinger nimmt in der Einleitung das Erstaunen der Adressaten vorweg, daß sie von einem wildfremden Mann aus dem Ausland angeschrieben würden, und entschuldigt sich damit, daß er ein φιλέλλην sei: Es halte ihn, der er einige Kenntnisse im Altgriechischen erworben habe und es seit vielen Jahren unterrichte, eine sonderbare Liebe zu dieser Sprache und zu den Menschen, denen sie von Hause aus zu eigen sei, gefangen (θαυμαστός με της τε φωνής αυτής και τών αυτήν εκ φύσεως εχόντων ερως εχει)^". Der Eifer seiner Liebe zu allem Griechischen zwinge ihn geradezu, diesen Brief zu schreiben (βιάζεται . . . με ή φιλέλλην μου σπουδή)®^. Außerdem habe er noch ein Motiv, gerade ihm, dem Rhetor, dem Notar zu schreiben: Er sei ihm dankbar, daß er bei der Übergabe der Briefe aus Tübingen geholfen habe®^. Zum Schluß bringt Crusius einige Bitten vor: Vom Rhetor hätte er gerne einen Brief sowie eine eigenhändige Notiz des Patriarchen für seine ελλας βιβλιο'&ήκη^'', vom Notar Auskünfte über griechische Städte und ihre kirchlichen Verhältnisse^®, vor allem aber über Hilfsmittel zum Erlernen der neugriechischen Sprache®'. Beiden Adressaten legt er ein Buch bei: dem Rhetor eine von ihm, Crusius, ins Griechische und Lateinische übersetzte Leichenpredigt seines Kollegen Heerbrand^", dem Notar den bereits übersetzt vorliegenden Brenz'schen Katechismus'^i. In einem langen Brief an Gerlach'^^, den er mit den beiden vorigen zusammen abschickt, bittet er unter einer Unmenge von Informationsfragen um die Namen und Angaben zur Person der beiden soeben angeschriebenen Griechen''^. Am 20. 3.1575 wurde die Antwort auf den Brief des Patriarchen geschrieben, und zwar im Namen Andreaes und Crusius''^'*. Zur Verfasserschaft notiert der Philologe am Rand der Abschrift in seinem Tagebuch''^: Composui ego hoc scriptum: correxit D. Concellarius, quaedam tollens. Die Feststellung, daß Crusius die aktive, vorwärtsdrängende Kraft der Korrespondenz war, und zwar durchaus auch hinsichtlich der theologischen Diskussion - der vorliegende Brief dreht sich allein um theologische Fragen - , daß aber andererseits Andreae " " « "

Cr. Cr. Cr. Cr. Cr.

TB TB TB TB TB

MS MS MS MS MS

1 6 9 / T G 425. 1 7 1 / T G 426. 1 6 9 / T G 4 2 5 ; C r . T B MS I 71 / T G 426. 1 7 0 / T G 425. 171 f . / T G 426.

Cr. T B MS 1 7 2 / T G 426. C r . T B MS I 70 Randnotiz, ' i Ibd. 72 Randnotiz; 80. D a Crusius von dem Katechismus „nostrarum scholarum" spricht, kann es sich nicht um einen der beiden Luthers handeln, sondern nur um den in den Schulen Württembergs obligatorischen Kleinen (parvus, ibd. 80) Katechismus Brenz', der seit 1564 in der Ubersetzung Augustinus Brunnius' unter dem Titel A Í ζητήσεις της τών Χ ρ ι σ τ ι α ν ώ ν πίστεως Ε λ λ η ν ι σ τ ί και 'ΡωμαιστΙ σ υ ν α φ θ ε ί σ α ι δια Α υ γ ο υ σ τ ί ν ο υ Πίδακας τ ο υ Ά ν ν α ο ρ ε ι ν ο ϋ vorlag. "

Ibd. 7 3 - 8 0 . Ibd. 8 1 - 8 4 / T G 4 2 3 f . / A c t a 2-A.

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Ibd. 77. C r . T B MS I 81.

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Der Briefwechsel

Crusius' Unternehmen wachen Auges mit seiner Autorität abdeckte und gelegentlich auch selbst eingriff, bestätigt sich also. Der Brief setzt ein mit überschwenglichem Dank gegen Gott und gegen Seine Heihgkeit, die sich herabgelassen habe, von ihrer hohen Stellung aus (έν οΰτως ύψηλω βαθμω άξιώματος οΰσα) Leute, die weit unter ihr ständen (ημάς πάμπολυ αυτής ύποβεβηκότας), einer Antwort zu würdigen. Was für einer Antwort? Einer solchen, die „weise und sehr gottesfürchtig, väterhch und außerordentlich nützlich für das Heil" der Adressaten sei (ποίας δε άποκρίσεως; σοφής μεν και ευσεβούς μάλιστα . . . πατρικής δέκηδεμονικής π ά ν υ , υπέρ ήμών τής σωτηρίας)''®. Inwiefern soll sie „nützlich für das Heil" sein? Weil sie ermahne, „immer im gesunden Glauben und in den zum Heil gehörigen Geboten, die der Erzhirte Christus, durch seine vom Gottesgeist durchdrungenen Diener, vorgeschrieben hat, ohne Neuerung und Hinken zu bleiben" (όπως . . . τη ύγιεϊ πίστει και ταις σωτηρίοις έντολαις ταις ύπό του άρχιποίμενος Χριστού διά των θεοπνεύστων έαυτοϋ διακόνων προσταττομέναις άνευ νεωτερισμού και χωλάνσεως άεί έμμένωμεν)''^. Die in diesen Worten ausgedrückte Zustimmung zu den Ermahnungen des Patriarchen wird dadurch ermögücht, daß Andreae/Crusius dessen Aussagen verschiebt. Jeremias hatte vor Abweichungen von den Worten Christi, seiner Apostel und Jünger und der Tradition gewarnt''®, die Tübinger sprechen von dem, was Christus durch seine Diener geboten habe, wobei es der Deutung bedarf, wer mit diesen Dienern gemeint ist. Man muß hier nicht zwangsläufig einen Gegensatz sehen, denn die Nebenordnung in den Sätzen des Patriarchen impliziert natürlich, daß in der Tradition Christus selbst wirksam sei. Doch die Verschiebung in der Formulierung der Tübinger ist kein Zufall: Sie wollen von vornherein klarstellen, daß es die Bindung an die Worte Christi ist, die die Worte Späterer verpfüchtend und diese zu seinen Dienern macht. Dem entsprechen auch die folgenden Absätze, in denen Andreae und Crusius ihr Verständnis der altkirchlichen Tradition darlegen. Den Vorwurf der „Neuerung" (νεωτερισμός) habe schon der Papst erhoben, weil vor fünfzig Jahren viele Leute in Deutschland, durch einen άνήρ θ ε ί α έλλάμψει και ζήλω τής άληθείας διαφέρων, Martin Luther, eines Besseren belehrt (τα βελτίω διδαχθέντες), „von seinen, des Papstes, Dogmen und Überlieferungen, die allzu sehr im Widerstreit zu den göttlichen Schriften stehen, abgewichen sind" (διότι . . . των ταίς θείαις γ ρ α φ α ΐ ς λίαν μαχομένων έκείνου [sc. des Papstes] δογμάτων και παραδόσεων άπεχώρησαν). Die Fürsten und Theologen dieser Gruppe hätten eine kurze Zusammenfassung des Glaubens, der gerade der alte, aus dem Paradies hierher gelangte Glaube sei (έπιτομήν τής αρχαίας και έκ τού παραδείσου έφ' ήμάς παρελθούσης πίCr. ТВ MS I 81/TG 423. " Cr. ТВ MS I 81 f . / T G 423. Cr. ТВ MS 149 / TG 421 ; vgl. a. Cr. ТВ MS 151 / TG 422 u. s. о. S. 56 f.

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στεως), verfaßt und in Augsburg Kaiser Karl übergeben, um Rechenschaft über ihre Rechtgläubigkeit abzulegen (της εαυτών ορθοδοξίας λόγον ύπέσχον). An dieser Zusammenfassung, Αύγουσταί^α έξομολόγησις genannt, hielten auch sie, die Tübinger, fest''®. Die Schrift, die schon unzählige Märtyrer gekostet habe, hätten sie, die Tübinger, vor Empfang des Briefes aus dem Patriarchat an Jeremias geschickt. Sie hofften, es werde sich herausstellen, daß sie, bei allen geographisch bedingten Abweichungen im Bereich des Brauchtums (έθιμα), in den Hauptfragen des Heils keine Neuerungen verträten (ημάς . . . έν τοις καιρίοις της σωτηρίας κεφαλαίους μή νεωτηρίζειν), daß sie vielmehr den von den Aposteln und Propheten, den Vätern und Patriarchen und den auf dem Fundament der Bibel gegründeten sieben Synoden (των ταίς θεοσδότοις γραφαίς έπφκοδομημένων ζ' συνόδων) überlieferten Glauben in sich trügen und bewahrten (περιπτύσσεσθαί τε και διαφυλάττειν)®°. Dieser Globalbilligung der Tradition fügen Andreae und Crusius allerdings eine Sicherung ein: Sie bewahrten den Glauben, der von den Konzilien und den anderen genannten Instanzen überliefert sei, soweit sie, die Tübinger, Einsicht darein hätten (öoov ημάς γε συνιέναι)®^ Die Professoren schließen mit der Versicherung, sie wollten Jeremias nicht weiter belästigen, der ja mit der Sorge für seine Gemeinden als treuer Hirte, ohne sich Schlaf zu gönnen (φιλαγρύπνως), unermüdlich beschäftigt sei - eine Bemerkung, mit der man noch einmal auf den Anstoß an Andreaes Predigt über den Guten Hirten Bezug nimmt. Doch sie erwarteten die Beurteilung und Antwort des Patriarchen hinsichtlich des übersandten Bekenntnisses (την . . . περί ής έπέμ-ψαμεν έξομολογήσεως κρίσιν καΐ άπόκρισιν)®^. Gott möge von beiden Seiten her (έκατέρωθεν) dafür sorgen (ποιήσειεν), daß trotz der geographischen Entfernung die Christen, für die Crusius und Andreae sprächen, und die Griechen „durch die Verbindung in der Rechtgläubigkeit einander nahekämen" (τη περί την όρθοδοξίαν γε συναφεία έγγύς άλλήλων είναι)®^ „und Konstantinopel und Tübingen durch das Band gemeinsamer christlicher Überzeugung und Liebe miteinander verknüpft würden" (και την Κωνσταντίνου τε και την Τύβιγγαν χριστιανικής όμοδοξίας και άγάπης δεσμω άλλήλαις συνδείσθαι); „nichts könnte sich ereignen, was uns erwünschter wäre als das" (ούτινος ουδέν αν ήμίν εύκτότερον vévono)®"*. " Cr. ТВ MS I 8 2 / T G 423f. 8» Cr. ТВ MS I 8 2 f . / T G 424. 81 Cr. TB MS I 83 / T G 424, vgl. u. S. 98 u. 336. Cr. TB MS 1 8 3 / T G 424. 8^ είναι ist hier aktual zu übersetzen, weil die Verben des Kontextes (ποιήσειεν, συνδείσθαι und γένοιτο) wie der ganze Sinn des Absatzes, nach dem es sich hier um einen Ausdruck der Hoffnung und um die Zielbestimmung der Korrespondenz handelt, das fordern. Im lateinischen Text heißt es demgemäß: propinqui invicem fiamus (TG 424). 8" C r . T B M S I 8 3 f . / T G 4 2 4 .

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Der Briefwechsel

Mit diesen Sätzen sprechen Andreae und Crusius nicht nur eine fromme Hoffnung aus, sondern das Ziel, dem in ihren Augen die ganze Korrespondenz mit dem Patriarchen dienen soll. Crusius kommentiert am Rand: Scopus noster est, inter Constantinopolim et Tybingam concordiam efficere®®. Wenn die Tübinger dieses Ziel für erreichbar halten, dann darum, weil sie zuversichtlich sind, daß der beiderseitige Wille, ohne Neuerung und Schwanken an den Fundamenten des Glaubens festzuhalten, sich auf denselben Inhalt beziehe: Sie hofften auf die Verbindung mit den Griechen im Glauben und in der Liebe, „denn sie hielten fröhlich, ohne Neuerung und Schwanken, an keinem anderen Grund des Glaubens . . . fest" als an dem, der gelegt sei, Christus ( l . K o r 3,11) (πάντως γαρ ούδένα θεμέλιον άλλον της πίστεως . . . τηρείν . . . ενθυμούμεθα άνεωτερίστως τε καΐ άχωλάντως) - eben diese Erwartung aber habe doch auch der Patriarch ihnen gegenüber ausgesprochen®®. Daß Jeremias im Verein mit diesem Fundament als unabdingbare Instanz auch die Tradition der Kirche angeführt hatte®'', läßt man beiseite. Gerlachs Anregung folgend®®, schickte Crusius ihm eine Kopie des Briefes an den Patriarchen®^. Er solle daraus ersehen, daß die Tübinger sich Seiner Heiligkeit gegenüber ehrfurchtsvoll (reverenter) verhielten, und außerdem zur Übergabe des Schreibens besser gerüstet sein®°. Gerlach möge ihm, Crusius, mitteilen, was er, nach Wortwahl und Sinn (tum quod ad verba, tum quod ad sententias attinet), von der Antwort halte und wie man sich dem Verständnis der Griechen anpassen könne (quomodo aliquis possit se ad sensum Graecorum accomodare)'^. Im übrigen sei man in Tübingen hocherfreut über jedes Schreiben aus Konstantinopel, auch der Herzog interessiere sich dafür und bekomme alle Briefe in Abschrift ut res novae et iucundae'^. Crusius schheßt wie immer mit einer Flut von Griechenland betreffenden Fragen - vides, quam non possim avelli a Graecia'^? Endlich traf am 11. 7. 1575'" die Nachricht aus Konstantinopel ein, die Confessio Augustana sei angekommen und dem Patriarchen übergeben worden. Gerlach macht davon in einem Brief an Andreae®^ ausführliche Mitteilung (24. und 26. 5. 1575). Daraus ergibt sich folgendes: Der Botschaftsprediger erhielt das Bekenntnis am 7. Mai. Er ließ es binden 85 Cr. TB MS 183. Ibd. 84 / TG 424 ; die entsprechenden Sätze im Brief des Patriarchen Cr. TB MS I 48 f. 51 / TG 421.422. 8' Unmittelbar in der Fortsetzung des Satzes, auf den Andreae und Crusius hier anspielen, s. o. S. 57. 88 S.O.S. 52 f. 89 Cr. TB MS I 85. Ibd. 85 f. Ibd. 88. « Ibd. 86; s.a. 110. " jbd. 88. Ibd. 100. " Ibd. 103-106, vgl. Gl. TB 94 f.

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und übergab es zusammen mit dem Begleitbrief am 24. Der Patriarch begann sofort in seiner Gegenwart, cum magna voluptate, darin zu lesen, gab es auch den umstehenden Priestern und Mönchen und trug dann mit lauter Stimme seinen Leuten fünf Kapitel daraus zur Prüfung vor (clara voce 5 capita ex confessione suis examinanda proposuit), nach den bei Gerlach folgenden inhaltlichen Angaben die ersten fünf Artikel®®. An einigen Punkten brachten die Griechen Zweifel vor. Als erstes hinsichtlich der Aussage, daß Christus nicht nur für die Erbsünde, sondern auch für alle Tatsünden geopfert sei (occurebat ipsis dubium: quod Christus non tantum p r o culpa originis, sed etiam pro omnibus actualibus peccatis, hostia esset)'^. Es hatte den Anschein, als behaupteten sie (videbantur . . . asserere), f ü r die Tatsünden seien nur Beichte, Genugtuung und Absolution zuständig. Auf Gerlachs gegenteilige Feststellungen und entsprechende Belege aus der Bibel hin ließen sie vom Widerstand gegen jene Aussage des Bekenntnisses ab (acquieverunt)'®. Der nächste Punkt, der den Griechen Schwierigkeiten bereitete, war der der iustificatio fidei, weil sie aus den Sätzen der Confessio Augustana schlossen, nos [sc. die Tübinger] fingere nudam quandam credulitatem, absque operibus'®. Doch als Gerlach ihnen die „Einteilung" des wahren Glaubens darlegte, nämlich daß er immer mit der Liebe verbunden sei, aber zugleich im eigentlichen „Rechtfertigungsgeschäft" zwischen G o t t und Mensch von den Werken unterschieden, stimmten sie zu (sed verae fidei, cum charitate perpetuo iunctae, divisionem, eiusque ab operibus in negotio iustificationis distinctionem danti, assenserunt [sc. mihi GerlachioJ^®". In diesem Zusammenhang kamen noch andere Fragen auf z u m Komplex Glaube, Werke, Beichte usw. Die kritischen Anmerkungen zur Augsburgischen Konfession schienen Gerlach darauf hinauszulaufen, daß die Griechen den Gedanken des Verdienstes und der Genugtuung für die Tatsünden aus eigenen Kräften verfochten (videbantur opinionem de merito, et satisfactione propria, pro actualibus peccatis, alere). Doch schreibt er, er wolle ihnen dies noch nicht mit Sicherheit unterstellen (certe insimulare), ihre Ansicht werde ja aus ihrer eigenen A n t w o r t hervorgehen^®^. Von der P r ü f u n g einiger Artikel der überreichten Schrift ging der Patriarch dazu über, klassische Themen der Kontroverse zwischen den Griechen und dem Westen anzusprechen. Zunächst die Frage des Fegfeuers. Hier erntete Gerlach allgemeinen Beifall, als er die Lehre davon mit Schriftbelegen verurteiltei®^. Hinsichtlich des Problems „Ausgang des Geistes" gelang es dagegen nicht. Cr. TB MS 1103. ' ' Bezugspunkt ist der Satz im dritten Artikel der CA Graeca: [sc. Χριστόν] θυσίαν γενέσθαι ού μόνον ΰπέρ τοΐ άρχαίου παραπτώματος καΐ τοΐι υπαιτίου της άνθρωπίνης φύσεως, άλλα καί υπέρ πάντων δσα παρανομούντες οι άνθρωποι καταδίκης έργάζονται (Acta 7). Cr. ТВ MS 1103. «« Ibd. Ibd. 104. Ibd. Ibd.

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Der Briefwechsel

Einhelligkeit zu erzielen - der Dissens habe allerdings keine Entfremdung bedeutet, betont Gerlach (quaestio de processione Spiritus Sancti. . . nos dissidere, nontamen animis alienos, fecit). Man verhandelte lange über diesen Punkt, der Patriarch hörte sich die Argumente des Tübingers freundlich an und brach schheßlich, als er sah, daß er nichts erreichen konnte, das Gespräch ab mit den Worten, er wolle Gerlach nicht etwa lästig fallen (ne forte mihi molestiam daret dicendo)^''^. Schließlich versprach er noch, er werde das Bekenntnis sorgfältig prüfen (diligenter examinare) und seine Ansicht (sententia) dann niederschreiben; wenn es Zweifel und Meinungsverschiedenheiten (dubium et controversum) gebe, werde er den Botschaftsprediger rufen lassenio''. Nach zwei Stunden entließ er Gerlach'"^. Zum Stichwort „Zweifel und Meinungsverschiedenheiten" merkt Gerlach an, er fürchte, es werde sehr viele davon geben (Metuo . . . plurima futura esse). Denn er mache die Erfahrung, die Griechen gäben sich ihren Zeremonien allzusehr hin (ceremoniis et traditionibus non parum deditos). Nichtsdestoweniger fügt er hinzu, er habe die harten Aussagen, die er über die Griechen niedergeschrieben habe, vor allem die Kritik an ihrer superstitio^®, schon etwas gemildert (nonnihil mitigavi) und wolle das auch in Zukunft tun, „soweit es die Wahrheit zulassen wird" (quantum veritas concedet). So hoffe er, daß Jenes Buch [sc. das Bekenntnis] nicht fruchtlos (infrugiferum) sein werde^®''. Mit diesen Sätzen meinte er offenbar, sein Urteil sei nicht mehr so scharf, wie er anfangs geschrieben habe, und er wolle in den theologischen Gesprächen im Patriarchat den Partnern so weit wie mögüch entgegenkommen, damit sie aus der Augsburgischen Konfession theologischen Nutzen ziehen, d.h. in den Punkten, wo Entgegenkommen unmöglich sei, umdenken möchten. Begierig, die Reaktion der Griechen auf die überbrachte Schrift zu erfahren, ging Gerlach einen oder zwei Tage später wieder zum Patriarchat, ut, quid iudicii de Confessione esset, cognoscerem^"®. Bevor er seine Frage stellen konnte, sprach ihn schon „ganz wider Erwarten" der Rhetor mit den Worten an: Man habe im Patriarchat das Büchlein beinahe ganz gelesen und sei mit allem einverstanden außer mit zwei Ansichten der Tübinger, der über den Ausgang des Geistes und der über das ungesäuerte Abendmahlsbrot (quod toto fere libello perlecto, omnia probant: praeter opinionem nostram de processione Spiritus Sancti et pane infermentato)i°'. Von diesen beiden Fragen ist aber in der Confessio Augustana gar nicht die Rede. Gerlach bat deshalb, der Patriarch möge doch seine Meinung zu den Artikeln des Bekenntnisses darlegen. Im übrigen sei seiner Ansicht nach die Kontroverse über die Azymen überflüssig, sie drehe sich nur um ein Adiapho">3 ibd. IM Ibd. S. o. S. 55. ">8 Ibd. 105.

lo^ Ibd. 105. 1·" Ibd. 104. i»' Ibd.

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ron, das keine kirchentrennende Bedeutung habe; entscheidend sei allein die Übereinstimmung hinsichtlich der substantia und des verus usus im Abendmahl. Der Rhetor stimmte dem zu (probavit)^^''. Anders standen die Dinge hinsichtlich des fiüoque. Offenbar hatte Gerlach darüber schon mehrfach mit Leuten aus dem Patriarchat diskutiert und war dabei zu dem Schluß gekommen, daß sich hier keine Einigung erzielen lasse (in eo articulo, nullo modo conveniri posse). Darum hatte er den Rhetor gebeten, den Patriarchen dazu zu bringen, daß er in seiner Antwort auf die Augsburgische Konfession dies darin gar nicht angesprochene Thema beiseite lasse; wenn es ihm richtig erscheine, könne man darüber gesondert (seorsim) verhandeln. Damit dieser Differenzpunkt die Ubereinstimmung in den übrigen Fragen nicht beeinträchtige, wolle er. Gerlach, sich zu ihm nicht äußern, Inkompetenz in einem so komplizierten, seine Fähigkeiten übersteigenden (subtihs et meum captum excedens) Problem vorschützen, bis die Antwort fertig sei, schreibt er nach Tübingen. Insgeheim habe er bereits Argumente für die processio ab utroque niedergeschrieben, doch sie wolle er erst überreichen, wenn der Patriarch, was sicherlich geschehen werde, nach Absendung der Antwort wieder Auskünfte zu jenem Kontroverspunkt verlange - vorausgesetzt, das erscheine Andreae richtig ( s i . . . vestrae Dignitati consultum videbitur)^!^. Ein Gesprächspartner habe schon versucht, ihn. Gerlach, zu überreden, er solle doch dem Patriarchen zu Gefallen (in gratiam Patriarchae) die griechische Position übernehmen, „da wir in den meisten anderen Punkten übereinstimmten" (cum in plerisque reliquis conveniremus)^^^. Am Schluß des Briefes schreibt Gerlach, er hätte gern weitere Exemplare der Confessio Augustana Graeca, sei es vom kaiserhchen Postmeister Wolzogen, der in die Verhandlungen eingeweiht w a r ^ " , sei es von den Tübingern. Er wolle die Bücher unter den Griechen verteilen, cum . . . eum übellum ipsis piacere videam. E r denke dabei auch an hochgestellte Vertreter der griechischen Kirche, wie etwa den Patriarchen von Alexandrien, wobei er selbstverständlich nur ex praescripto Dignitatis vestrae, d.h. Andreaes, vorgehen werde, weshalb er um Anweisung bitte, quid facere debeam^i". Eine gute Gelegenheit, das Bekenntnis an den Mann zu bringen, hätte sich neuüch ergeben, wenn er im Besitz eines weiteren Exemplares gewesen wäre: E r sei mit dem Metropoliten von Nicaea zusammengetroffen und habe, ausgehend von dem Hinweis darauf, daß die evangelischen Christen das Nizänische Konzil von 325 rühmten und für orthodox hielten (celeberrimum et orthodoxum apud nos Concilium Nicaenum), mit ihm ein Gespräch über die Kirchen in seiner Diözese und die der Reformation Ibd. 105f. Ibd. 106. Gerlachs kleine Abhandlung sollte sich noch Jahre später in der Hand Theodosios Zygomalas' befinden (ibd. II 468). Ibd. 1 1 0 6 S . o . S . 5 8 A n m . 5 6 u . u . S. 129. " " C r . T B MS 1 1 0 6 .

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Der Briefwechsel

daheim geführt. Der Metropoht habe ihn sogar nach Nicaea eingeladen, doch dieses Angebot werde er wohl nicht wahrnehmen können^^®; die türkischen Behörden pflegten solche Ausflüge zu verbieten^^®. Einen Monat später (28. 6. 1575)ii·^, bevor seine letzte Briefsendung in Tübingen angekommen war, berichtete Gerlach, was er mittlerweile hinsichtlich der Confessio Augustana im Patriarchat gehört hatte. Er hoffe, die Verhandlung werde gut vonstatten gehen (spero negotium . . . bene successurum)^^®. Jeremias billige das meiste, nur in einigen Punkten habe er Zweifel herauszufinden, um welche es sich dabei handle, sei ihm, Gerlach, noch nicht gelungen^^'. Er habe den Rhetor darum gebeten, daß die Antwort des Patriarchen auch von Metropoliten und Erzbischöfen hervorragender Stellung unterschrieben werde, damit das Schriftstück größeres Gewicht besitze (maioris gravitatis causa). Der Patriarch habe zugestimmt^^". Wenn sich nun in vielen Punkten bei den Griechen Zweifel ergeben sollten, werde er, Gerlach, dafür sorgen, daß es nicht zur Unterschrift komme, bevor sie besser belehrt seien und Andreae vollere Zustimmung erlange (donec de singulis plenius edocti pleniorem assensum Dignitas ipsius Reverenda [sc. Andreae] accipiat)!^^. Im übrigen erwarte er. Gerlach, daß der Kanzler ihm so schnell wie möglich schreibe, quid mihi in singulis factu opus esset^^^. Andreae antwortete umgehend (16. 8. 1575) nach dem Eintreffen dieses Schreibens (12. 8. 1575)1^3 in Tübingen. Da Crusius im Tagebuch zwar Briefe aus Konstantinopel an die verschiedensten Adressaten in Tübingen wiedergibt, doch von den Briefen in umgekehrter Richtung nur seine eigenen - abgesehen von den offiziellen, die er ins Griechische zu übersetzen hatte - , liegt uns die Antwort des Kanzlers nicht vor, nur die Erwiderung Gerlachs weist auf deren Existenz und Abfassungsdatum hini^"*. Doch Crusius schrieb gleichzeitig (15. und 17. 8.1575) einen Brief an den Botschaftsprediger^^^, aus dem die Tübinger Reaktion hervorgeht: Man sei hochbeglückt über die kluge, sorgfältige Lenkung und richtige Einschätzung, mit der Gerlach die Verhandlungen über das Augsburgische Bekenntnis führe (prudenti et diligenti moderatione, atque όρθοτιμία, gubernas negotium Patriarchicum de Augustana confessione). Aus welch kleinem Anfang (tenue principium) sei doch dies alles geworden! Und Crusius erinnert daran, wie er auf den Einfall gekommen sei, Jeremias zu schreiben, und dann den Kanzler nachgezogen habe^^^. Offenbar wollte der Ibd. 106. 103; Gl. berichtet von dieser Begegnung in seinem Tagebuch 95. Cr. TB MS I 103. Cr. TB MS 1107. Ibd. " 9 Ibd. Ibd. 107f. Ibd. 108. Ibd. Ibd. 108. 124 Ibd. 329. Ibd. 109-114. 126 Ibd. U l f .

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Altphilologe Gerlach auf seinen eigenen Beitrag zu dem Briefwechsel aufmerksam machen, sei es, weil der Botschaftsprediger ihm die Verhandlungen allzu einseitig auf Andreae auszurichten schien, sei es, weil er selbst mit seinem unersättHchen Informationsbedürfnis zu wenig Briefe zu erhalten meinte^^'^. Die weiteren Exemplare des Bekenntnisses schicke er mit. Die Frage des fihoque solle vorerst ausgeklammert werden - teneriter adhuc tractandi sunt, qui teneri sunt^^s Die Tübinger Professoren bestätigten also Gerlachs Schritte und Pläne voll und ganz. Nachdem sie die Korrespondenz begonnen und mit der Ubersendung der Confessio Augustana die entscheidende Weiche gestellt hatten, ließen sie Gerlach für die Verhandlungen am O r t freien Lauf - sie erkannten ihn, mit Crusius' Worten, als den moderator oder gubernator negotii an. Crusius legte fünf Exemplare der Confessio Augustana Graeca bei, die er nach längerer Nachforschung - in Basel war das Buch ausgegangen - aus Straßburg bekommen hatte. Wenn Gerlach mehr brauche, werde der Herzog für einen Nachdruck in Tübingen sorgen, soweit er, Crusius, verstanden habe (intellexi, Principem nostrum denuo curaturum Tybingae excudendam)i^'. Zu Beginn des nächsten Jahres (18. 1. 1576) kam ein großes Bündel mit Briefen aus Konstantinopel an^^" (alle im November 1575 verfaßt), größtenteils von Gerlach, doch auch vom Patriarchen, dem Rhetor und dem Notar, denen Crusius geschrieben hattei^^ Die Antwort auf die Confessio Augustana war immer noch nicht dabei - allerdings Informationen, die mindest ebenso wichtig und für den Fortgang der Korrespondenz entscheidend sein sollten. Jeremias schreibt wieder an Andreae und Crusius (16. 11.1575)^^^. Er spricht sie nun als σοφώτατοι ά ν θ ρ ω π ο ι γερμανοί υίοΙ κατά πνεύμα της ημών μετριότητας an^^^. Verglichen mit dem distanzierten άνδρες σοφώτατοι des ersten Briefes zeigt diese Anrede, daß der Patriarch den Tübingern gegenüber mittlerweile ein gewisses Gefühl kirchlicher Zusammengehörigkeit entwickelt hattei^"*- eine Wandlung, die sicher auf Gerlachs Auftreten zurückzuführen ist; konnte Jeremias doch den Gesprächen mit dem Botschaftsprediger entnehmen, daß es mit den Lutheranern mehr Gemeinsamkeiten gab, als die Gerüchte über In den bisherigen acht Sendungen Gerlachs befand sich nur einer an Crusius, dagegen sechs an Andreae (übrigens jedesmal einer an Hailand, vgl. o. S. 45 A n m . 138); nach diesem Brief, in dem Crusius Gerlach übrigens das D u anbietet und ihn um Berücksichtigung bittet: in nullis obliviscere mei (ibd. 114), wird der Philologe sehr viel reichlicher bedacht werden. • ^ M b d . 112. ' " I b d . 114. Ibd. 123-259 mit Unterbrechungen, г и т A n k u n f t s d a t u m s. 123. 232. S.O.S. 58f. Cr. TB MS I 229-231 (lat. Übersetzung ibd. 233 f.) / T G 440 f. / De statu 73-75 mit anderer Adressatenangabe: ad Martinum Crusium . . . et theologos, qui de confessione Augustana . . . iudicium Patriarchae sciscitati fuerant. Cr. TB MS 1230 / T G 440 / De statu 73. 134 Yg[ e t ^ j u s_ 77 die Einladung des Patriarchen an Gerlach, hinter der Ikonostase an einer von ihm zelebrierten Liturgie teilzunehmen.

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Der Briefwechsel

sie vermuten ließen, und daß seine Briefpartner echtes Interesse an der Wahrheit hatten. Das Empfinden der Zusammengehörigkeit galt aber nicht Personen, die der Patriarch als gleichberechtigtes Gegenüber betrachtete, sondern vielmehr Leuten, die führungsbedürftig seien. Sie waren für ihn Kinder ohne Vater und dementsprechend bei allem guten Willen und trotz vieler guter Ansätze von mannigfachen Irrtümern bedroht; als ihr „Vater" aber kam nur der hierarchische Repräsentant des richtigen Christentums, d.h. er, Jeremias, selber, in Frage. Darum stellt er den Tübingern die N o r m vor Augen, die die Grundlage des Christentums sei und der demgemäß seine Antwort folgen werde: die Schrift und der Glaube, den Christus selbst, „sodann (επειτα) seine Jünger und die Apostel und danach (καθεξής) die göttlichen, heiligen Synoden und die übrigen gotttragenden, wundertätigen Väter und Theologen erklärt und ausgelegt hätten (έξηγήσαντο και ήρμήνευσαν)", wie es ihnen der Geist zum jeweiligen Zeitpunkt eingegeben habe (ένέπνευσεν) ; darum könne „kein wohlmeinender Christ ihre Schriftzeugnisse und -beweise leugnen" (ων τάς γραφικάς μαρτυρίας και αποδείξεις ουδείς των εύφρονούντων χριστιανών άρνήσαιτ' j)as Konzept der Antwort auf die Confessio Augustana sei bereits fertig (έσχεδιάσΰη), es müsse aber noch die Endfassung hergestellt werden (τελειοϋν), dann könne die Schrift in zwei oder drei Monaten abgehen^^®. Der Brief schheßt nicht, ohne daß der „Vater" noch eine letzte indirekte Mahnung an seine „Kinder" richtete: Gott, der seine Kirche auf dem unerschütterlichen Fels seiner Gebote (έντολαί) erbaut habe, möge ihnen den rechten Glauben samt dessen Gefolge guter Werke (συνεπομένων . . . και των άγαθών έργων) geben, damit sie das ewige Leben erlangten"''. Das Schreiben des Patriarchen spiegelt, wie sich aufgrund der gleichzeitigen Briefe Gerlachs zeigen wird^^®, den Stand der Dinge zwischen Tübingen und Konstantinopel aus der Sicht des Partriarchen in jener Phase des Dialogs : Eine durchaus optimistische Grundeinstellung aufgrund der Überzeugung weitgehender Gemeinsamkeiten, allerdings auch das Bewußtsein einiger - hier nicht angesprochener - Differenzen, die mit dem im allgemeinen Bild von der reformatorischen Bewegung verankerten, in der Korrespondenz mit Tübingen allerdings noch nicht eindeutig belegten Verdacht^^' der Abweichung von der Tradition in Zusammenhang gebracht werden. Theologisch ergibt sich aus diesem Brief des Patriarchen gegenüber dem ersten nichts Neues. Wenn die Hervorhebung der Tradition dort den Tübingern akzeptabel erscheint, dann müßte sie es auch hier tun - es sei denn, es ergäben sich Gründe, die sie zwängen, Jeremias' Aussagen nun in einer für sie nicht annehmbaren Weise zu verstehen. Eben das sollte durch die Briefe Gerlachs geschehen. Cr. TB MS 1230 f. / TG 440 f. / De statu 73 f. Cr. TB MS 1231 / TG 441 / De statu 74. Ibd. S.u.S.74f.

"9 V g l . o . S . 2 5 f f .

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Was der Rhetor und der Protonotar Crusius schrieben, ließ von solchen Verschiebungen nichts ahnen. Im Gegenteil, sie bemühten sich, ein Maß an Gemeinsamkeit herauszustellen, wie es sich die Tübinger kaum höher erwarten konnten. Bisher hatte Gerlach immer nur von „dem Rhetor" und „dem Notar" oder „Protonotar" gesprochen, die ihm kraft ihres Amtes und dank ihrer Hilfsbereitschaft im Verkehr mit Jeremias sehr nützlich seien. Jetzt erfuhr Crusius Näheres über sie, vor allem ihre Namen: Sie hießen Joannes und Theodosios Zygomalas und waren Vater und Sohn. Der Vater, gut siebzig Jahre alt, diene dem Patriarchen als Dolmetscher der altgriechischen, lateinischen und italienischen Sprache. Er sei gebildet. Sein Sohn, etwa achtundzwanzig Jahre alt, habe als Protonotar vor allem die Aufgabe, den Schriftverkehr des Patriarchen in dessen Namen zu führen, besitze viel Verstand und Gelehrsamkeit, kenne auch die Kirchenväter einigermaßen (mediocriter), weshalb ihn Jeremias sehr viel heranziehe^"*". Bezeichnend für die Vertrauensstellung der beiden Zygomalas' beim Patriarchen war, daß sie die Antwort auf die Confessio Augusta zu entwerfen hatten. Joannes Zygomalas"^ wurde um 1498 in Nauplia geboren. Er genoß eine an den Umständen gemessen gute Erziehung und ging dann z u m Studium nach Padua, w o er vor allem die lateinische und die italienische Sprache lernte. Er wurde Priester und übte vielleicht sein A m t um 1530 für einige Zeit in Venedig aus. Auf jeden Fall gehörte er dann z u m Klerus seiner Heimatstadt, wirkte anschließend als Lehrer in Adrianopel"^ und z o g 1555 nach Konstantinopel, um dort am Patriarchat die Stelle des Μ έ γ α ς ρήτωρ, d. h. des Ersten Auslegers der Schrift^"*', zu übernehmen und als Dolmetscher zu wirken, vor allem aber, um an der Schule des Patriarchats die griechische Sprache und die Freien Künste zu lehren^·*". 1576 wurde er z u m „Μέγας ερμηνευτής των θ ε ί ω ν γ ρ α φ ώ ν " - ein weiteres A u s l e g u n g s a m t " ' - ernannt. Er starb 1582/3"'·.

" " Cr. TB MS I I 62 / De statu 108 f. Zu den folgenden Angaben s. die Biographien der beiden Zygomalas bei Legrand, Notices, bes. S. 71-78. 86.115.135.138. 144. S. a. Paranikas 37 u. vgl. T G 335f. Ein ursprünglich kaiserliches, dann unter die des Patriarchats eingereihtes Amt, das schließlich (1586) in die Erste Pentade aufrückte (Papadopullos 84). Seine Aufgaben waren wohl dieselben wie die des älteren Amtes des ρήτωρ, nämlich die Schriftauslegung (Chrysanthos, der weitgehend den im 16. Jahrhundert angefügten einschlägigen Appendix zu Ps. Kodinos ausschreibt (Darrouzès, Recherches 2) 36: έρμηνεύειν τάς γραφάς) in Predigten zu bestimmten Anlässen und Unterrichtspflichten (s. Beck 117; Darrouzès, Recherches 111 ; vgl. a. Papadopullos 74). S. a. Cr. ТВ MS I 186; Paranikas 37. TG 497: doctor sanctae paginae; dieses nach 1453 gebildete Amt gehörte in die Zweite Pentade und wurde normalerweise von Laien wahrgenommen (Chrysanthos 69). Die Abgrenzung der Funktionen gegenüber denen des Μέγας ρήτωρ ist nicht recht klar. 1581 war er noch am Leben (Legrand, Notices 135); in einem verlorengegangenen Brief von Theodosios Zygomalas, der auf einen von Crusius vom Juli 1582 antwortet, also sicher frühestens Anfang 1583, aber einige Zeit vor dem Februar 1585 geschrieben wurde, als der Verfasser auf ihn Bezug nahm (Cr. TB MS III 238), wird der Tod des Rhetors gemeldet.

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Der Briefwechsel

Theodosios Zygomalas wurde 1544 in Nauplia geboren. 1563 war er bereits νοτάριος, Sekretär^'*', an der Großen Kirche in Konstantinopel, später πρωτονοτάριος, oberster Sekretär der Patriarchatsverwaltung^'*®, und schließlich erhielt er das richterliche Amt des δ ι κ α ι ο φ ύ λ α ξ " ' . Er starb nach 1614.

Nach einem langen Abschnitt des überschwenglichen Lobes für Crusius', des neuen Demosthenes und Cicero, Sprachkenntnisse und Bildung^®" geht der Brief Joannes Zygomalas' (15. 11. 1575)^^1 auf die kirchlichen Beziehungen zwischen Württemberg und Konstantinopel ein. Der Patriarch habe die Briefe^®^ samt der Confessio Augustana, die sehr wertvoll (πολλού άξιον) seii^^, gnädig aufgenommen und werde, leider verspätet, seine Antwort schicken"". Er selbst nun, der Rhetor, sei den Tübingern immer behilflich gewesen und wolle das auch ferner sein; trotz seines Alters werde er, wenn nötig, für die Wahrheit und für sie als Bundesgenossen kämpfen (συμμαχείν)^®®. Diese seine Rolle solle Crusius auch bei Gerlach herausstreichen und ihn, den Rhetor, deshalb vor allem Botschafter Ungnad empfehlen, der ja derselben rehgiösen Richtung angehöre (συμφρονείν) wie die Tübinger^^^. Nach einem weiteren Satz des Lobes für Crusius' Sprachkenntnisse führt der alte Zygomalas aus, was er mit der erwähnten Bundesgenossenschaft meint: Es hätten „viele der Fratres am Ort, d.h. der Untertanen der Kirche des Älteren R o m " (πολλοί των ώδε φράρων ήτοι τών ύποτασσομένων ττ] έκκλησία της πρεσβυτέρας Τ ώ μ η ς ) , kaum sei die Kunde von der Ubersendung des Augsburgischen Bekenntnisses zu ihnen gedrungen, laut gegen die Tübinger gezetert. Er, der Rhetor, aber habe auf die unsinnigen römischen Mißbräuche und Neuerungen (καταχρήσεις και καινοτομίαι άτοποι) hingewiesen, hinsichtlich derer die Griechen mit den Tübingern in vielen Fällen einer Meinung, aber ganz anderer Ansicht als die Lateiner seien (καθ' ών ύμιν [sc. den Tübingern] Chrysantos 21; die andere durch diesen Begriff abgedeckte Funktion, παιδοδιδάσκαλος (ibd.), kommt nach der Beschreibung, die Gerlach von Theodosios' Tätigkeiten gibt, nicht in Frage; vgl. a. Papadopullos 66. Zur Geschichte des Amtes vor 1453 s. Darrouzes, Recherches 379-385. Chrysanthos 21 ; Papadopullos 70. Er gehörte zur Zweiten Pentade (ibd.). Zur Entwicklung des Amtes vgl. Darrouzès, Recherches 355-359. Ebenfalls ursprünglich ein kaiserliches, doch schon vor 1453 zum klerikalen geworden und meist mit einem der Ersten Pentade gekoppelt (Beck 115 ; vgl. a. Darrouzès, Recherches 109 f.) ; nach Chrysanthos 69 hätte es schließlich in die Zweite Pentade gehört. " 0 Cr. T B M S I I 73 f . / T G 427. C r . T B M S I 173-177 (lat. Übersetzung ibd. 204-206) / T G 427f. Die Abweichungen der gedruckten Fassung gegenüber dem Tagebuch sind bei diesem und dem übernächsten Brief besonders groß und tendenziös; s. dazu u. den Exkurs S. 359ff. Der Rhetor spricht nur von zwei Briefen - er meint offenbar Briefsendungen - , die ersten, wohl verlorengegangenen (s. o. S. 43. 52), waren anscheinend dem allgemeinen Bewußtsein ganz entschwunden. 153 C r . T B M S I I 7 4 / T G 427. 154 Cr. T B M S 1 1 7 4 / T G 427f. 155 Cr. T B M S I I 7 5 / T G 428. 15' Cr. T B M S 1175.

D e r geschichtliche Verlauf

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μεν έν πολλοίς συμφρονοϋμεν έκείνοις δε [sc. den Lateinern], και λίαν διαφερόμεθα)ΐ57. Aus der geschilderten Haltung zugunsten der Tübinger leitet der alte Zygomalas nun Ansprüche ab: Weil er sie so verteidigt habe, darum (οθεν) bitte er Andreae und Crusius um Hilfe, genauer gesagt, er „bitte durch ihre Vermittlung um finanzielle Hilfe von Seiten der reichtumspendenden Hand des unbesiegbaren Kaisers der Römer" (δεόμενος . . . διά της μεσιτείας υμών [sc. der Tübinger] της έν χρήμασι βοηθείας παρά της πλουσηπαρόχου χειρός του άηττήτου Τ ω μ α ί ω ν Καίσαρος). Schon Demosthenes betone ja die Notwendigkeit eines gewissen Wohlstandes - der Rhetor hatte offensichtlich verstanden, mit welcher Art von Argumenten der Altphilologe zu gewinnen war. Die Hilfe der Tübinger und des Kaisers werde ihn und seinen Sohn noch diensteifriger machen, besonders was Crusius' Interesse an der griechischen Sprache und an griechischen Büchern betreffe^^®. Joannes schließt mit dem Hinweis darauf, daß er und sein Sohn es seien, die die Antwort auf die Confessio Augustana abfaßten, und er betont, welche Mühe sie darauf wendeten. Schon deshalb sollten die Tübinger seine Bitte erfüllen>^'. Der Brief des Sohnes Theodosios ( 1 5 . 11. 1 5 7 5 ) ^ ^ ° präzisiert nach ausführlichem L o b für Crusius' Bildung, die sogar das Interesse am gegenwärtigen Griechentum einschließe, ja allgemein für die Studien und die Lehranstalten in Tübingen, die diese Stadt zur Nachfolgerin Athens machten wie die Gelehrsamkeit Deutschland zum neuen Griechenland, und nach vielfältigen Klagen über das traurige Los der Griechen^^^ die Aussagen des Rhetors. Der Patriarch habe, wenn ihm Zeit genug geblieben sei, sich mit der Confessio Augustana zu beschäftigen, den Rhetor, ihn, Theodosios Zygomalas, einen gelehrten, in Konstantinopel lebenden Chier und einige ausgewählte Vertreter der Synode zusammengerufen, um mit ihnen über die Aussagen jener Schrift zu beraten (συμβουλεύεσι&αι). Dann habe er, der Notar, die Antwort auf jedes Kapitel abgefaßt (άπόκρισις έν έκάστω κεφαλαίψ συνεγράφετο παρ' έμοϋ). Außerdem habe er das ganze Werk, das das Bekenntnis an Länge übertreffe, schon mehrfach abschreiben müssen^®^. Er habe es getan einmal, weil es ihm vom Patriarchen befohlen worden sei, sodann weil er sich glücklich schätze, solchen Verhandlungen zu dienen, zumal mit Männern wie den Tübingern. Er werde aber in noch höherem Maß behilflich sein, wenn Crusius ihm Geld zukommen lasse. Zu diesem Ziel möge der Professor mit Andreae bei den Mächtigen vermittelnd tätig werden und sie um C r . T B M S I 1 7 5 f . / T G 428. C r . T B M S I 176 f . / T G 428 (mit starken Abweichungen, vgl. o . A n m . 151). 15« C r . T B M S 1177. C r . T B M S 1 1 7 8 - 1 9 1 (lat. Ü b e r s e t z u n g 207-217) / T G 4 2 8 - 4 3 5 / in A u s z ü g e n D e statu 89-92 (vgl. a. N e a n d e r , Bedencken (1583) 47v-48v). C r . T B M S 1 178-182 / T G 429-431 / z. T . D e statu 90 f. C r . T B M S 1185 f. / T G 432 f.

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Der Briefwechsel

Hilfe bitten (Ô [sc. die Sendung von Geld] πάντως ποιήσει ή των φιλτάτων υμών μεσιτεία και άξίωσις προς τους κρατούντος), indem er ihnen diesen Brief zeige und vor allem einen anderen, der für die akademische Jugend Tübingens beiliege^^^. Auch was Crusius' linguistische Bitten betreffe, würde er, Theodosios, alles nur Mögliche tun, wenn ihm „der bei euch in bewundernswerter Weise Herrschende" (ó περιβλέπτως κρατών παρ' ύμιν) unter die Arme griffe^®·* - auch der Notar hoffte offenbar auf Hilfe des Kaisers. Den genannten Brief fügt der junge Zygomalas bei (15. 11. 1575)^®^. Es ist, wie er selbst sagt^®®, die Adaption eines Schreibens, das ein Arzt, der mit seinem Vater befreundet war^®'', einst an dessen Schüler geschickt hatte. Das Original^®® fordert die Adressaten auf, sich der Wahrheit und Weisheit zu widmen, Christus. Der aber habe ihnen ihren Patriarchen geschenkt - es handelte sich um Schüler der Patriarchatsschule - , dem kaum jemand an Vorzügen gleichkomme. Seiner sollten sie sich durch eifrige Arbeit in der Nachfolge der alten Griechen würdig erweisen und ihn mit Lobesreden und Hymnen preisen. Nächst ihm solle ihr Lob und ihr Eifer schließhch dem Lehrer Joannes Zygomalas gelten. Die Umarbeitung dieser Rede durch den Protonotar besteht im wesentlichen darin, daß er an die Stelle der Hinweise auf den Patriarchen solche auf politische Instanzen setzt. N u n ist es der „Kaiser der Römer", von dem gesagt wird, Christus habe ihn den Adressaten geschenkt (ύμϊν [sc. den Tübinger Studenten] . . . Χριστός . . . τοιούτον άκρον απέδειξε νυν άήττητον ρωμαίον θειότατον Καίσαρα)^®', nun gilt der βασιλεύς^''·' in Wien als Adressat für Lobeshymnen und dankbare Arbeit in der Nachfolge der alten Griechen^'^^. Allerdings nicht nur er, sondern nächst ihm der Landesfürst (ó κατά τόπον αρχηγός) und natürlich der Professor Crusius^'^^. Gott möge den Kaiser und die Adressaten beschützen, doch auch für die armen Griechen in der Ferne sorgen^''^. Diese hätten - hier löst sich Theodosios von der Vorlage und spinnt den Gedankengang seiner Adaption selbständig fort - ihr Reich verloren und mit ihm die Weisheit, so daß sie unter den Barbaren schheßhch selbst zu Barbaren geworden seien (άπολέσαντες . . . ημείς βασιλείαν και σοφίας ήστερήθημεν βαρβαρωι^έντες εν βαρβάροις χρονίως) Die Tübinger Studenten dagegen seien so Cr. TB MS М 8 6 / T G 433. IS" Cr. TB MS I I 82 / TG 431 (verändert). «5 Cr. TB MS 1 194-203 (lat. Übersetzung 218-225) / TG 435-440. Cr.TBMSI186f./TG433. Er hieß Michael Hermodoros Lestarchos, ibd.; zu ihm Paranakis 37. Ibd. 44 f. Cr. TB MS 1 1 9 6 / T G 436. 1™ C r . T B M S I 1 9 7 . 1 9 8 / T G 4 3 7 . Cr.TBMSI197f./TG437. Cr. TB MS 1198 f. / TG 438. Cr. TB MS 1 2 0 0 / T G 438f. "" Cr. TB MS 1 1 9 8 / T G 437.

Der geschichtliche Verlauf

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glücklich, ihr Kaiserreich und darum auch die Weisheit zu besitzen (εχοντες βασιλείαν εχετε καΐ σοφίαν) - das eine gebe es nicht ohne das andere (έκάτερον . . . έκατέρου δείται)!·'^. Diesen Brief also solle Crusius den Mächtigen zeigen und den Zygomalas auch der Vater bitte ja um Unterstützung - damit Hilfe erwirken. Auf jeden Fall solle an ihn selbst, den Protonotar, Geld gesandt werden, wenn es für beide reiche, sei es natürlich noch besser. Vor allem würden sie sich, je mehr sie bekämen, desto eifriger gegen die „Papisten" stellen (κατά τών παπιστών έσόμεθα προθυμότεροι). Diese versuchten nämlich, da sie von der Korrespondenz zwischen Tübingen und Konstantinopel gehört hätten, den Patriarchen daran zu hindern, eine Antwort zu schreiben. Sie sagten, die Tübinger seien einer solchen gar nicht würdig (άνάξιοι), da sie trotz aller Mahnungen von römischer Seite sich nicht besonnen hätten. Doch er, der Protonotar, und sein Vater, der Rhetor, widerständen diesen Anschlägen und hätten den Patriarchen dazu gebracht, in seiner Antwort die Papisten oft zu verurteilen und die Punkte hervorzuheben, in denen Griechen und Tübinger gegen sie übereinstimmten (πολλά ήναγκάσαμεν τον άγιώτατον πατριάρχην και γράφει κατ' αυτών έν ταις τοιαύταις άποκρίσεσιν μεμνημένος αύτών έν πολλοίς, έν οίς μεν ήμίν ύμεϊς συμφωνείτε, έκεΐναι δε πολύ διεστήκασι)^·'®. In einer Notiz am Schluß des Briefes bittet der junge Zygomalas, Crusius möchte diese Worte gegen die Lateiner aus Sicherheitsgründen geheimhalten (του άκινδύνου χάριν άξιώ τα κατά Λατίνων εστωσαν μυστικά). Auch das Übrige sei allein für Freunde bestimmt, und die Antwort darauf solle nur an sie, die Zygomalas, geheni''·'. Ohnehin, so hatte er zuvor betont, könne er schon aus Angst (δειλία) seiner Sympathie für die Tübinger nicht in dem Maß freien Lauf lassen, wie er es gerne täte^'^®. Wieweit sind die Aussagen der beiden Zygomalas' ernst zu nehmen, wieweit stellen sie nur Schmeicheleien und Schönfärbereien dar, die dazu dienen sollen, den Adressaten für die Ziele der Schreiber einzuspannen? Daß man in Konstantinopel zu jener Zeit ein hohes Maß an Übereinstimmung mit den Tübingern annahm, ist schon angedeutet worden^'''. Auch gab es Kreise, römische und griechische, die sich der Korrespondenz des Patriarchen mit den Lutheranern widersetzten i®", und tatsächlich favorisierte dagegen der Rhetor dies Unternehmen, wie Gerlach berichteti®i. Ob sich die beiden Zygomalas' dagegen über die Verteidigung hinaus so aktiv antirömisch einsetzten, wie es vor allem der Protonotar behauptet, ist fraghch. Jedenfalls geht die Antwort auf die Confessio Augustana nicht so weit in dieser Richtung wie die 1" Cr. TB MS 1197/TG 437. Cr. TB MS 1187. "β Ibd. 190/TG434/Destatu92. S. u. S. 75-77.

>"10(1.191. S. o. S. 68f. u. a. S. 75. »81 S.Z.B. S. 90.

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Der Briefwechsel

Aussagen seines Briefes. Aber es kann natürlich sein, daß der Patriarch eine schärfere Fassung der beiden Zygomalas mäßigend korrigierte. Auf jeden Fall war die Übereinstimmung mit den Tübingern für sie kein theologisches Anliegen. Für Theodosios sollte sie im Laufe seiner Freundschaft mit Gerlach zu einem persönlichen mit theologischen ImpHkationen werden^®^, doch bisher ging es ihm um Geld. Was seinen Vater betrifft, so sind bei ihm vollends keine anderen Motive vorauszusetzen. Er befand sich in chronischer Geldnot^®^ und wandte sich an jeden, der ihm fähig schien, sie zu beheben. Vor allem belästigte er die Botschafter der christhchen Staaten, und zwar ohne Rücksicht auf ihre Konfession^®"·. Vermutlich erzählte er dort jedem, was er hören wollte. Wie wenig ihm die Übereinstimmung mit den Tübingern als solche ein Anliegen war, zeigt die Tatsache, daß er sie, wenn er gerade nichts erreichen wollte oder aufgebracht war, im Rahmen des übhchen Protestantenbildes der Griechen beschimpfen und als Ketzer bezeichnen konnte^®®. War die deutsche Botschaft also auch nicht die einzige, die der alte Zygomalas als Geldquelle zu benutzen versuchte, so hatte sie doch für ihn wie für seinen Sohn besondere Bedeutung : Sie war die Botschaft des „Kaisers der Römer" - der Titel, den über ein Jahrtausend lang die griechischen Herrscher in Konstantinopel getragen hatten. Wenn Rhetor und Notar ihn nun hervorheben, so liegen mögliche politische Folgerungen daraus auf der Hand^®^, und es ist bezeichnend, daß Crusius beim Abdruck der Briefe in der Turcograecia die einschlägigen Sätze fälscht^®·'. Die beiden hatten hier jedoch vor allem die finanziellen Mittel des „Römischen Kaisers" im Blick, und Theodosios erweiterte darum die Liste der potentiellen Geldgeber, indem er allgemein „die Mächtigen" als solche ansprach und neben den Kaiser den Landesfürsten stellte. Daß man die Tübinger als Brücke zur Reichsspitze ansah, verrät die vollkommene Unkenntnis, die in Konstantinopel hinsichtlich der geographischen, politischen und konfessionellen Verhältnisse in Deutschland herrschte. Die Aufklärung über die wirkliche Lage der Dinge sollte noch zu großer Enttäuschung führen. Zusammen mit den vier griechischen Schreiben kamen, wie gesagt, Briefe Gerlachs in Tübingen an. Deren wichtigster Inhalt sind seine Berichte vom Fortgang der Verhandlungen über die Confessio Augustana in Konstantinopel. S . u . S . 146 f. 183 Gl. T B 268. 270. 303f. 355f. 371 f. u.a. i®'' Gl. T B 372: „Er kommt auch die gantze Wochen fast nie heim: sondern gehet von einem Christlichen Gesandten zum andern herumb schmarutzen." 18® Ibd.: „Itzt redet er für uns / bald wider uns / sonderlich wann er erhitzt / oder ich ihm widerspreche / gleich spricht er: du bist Luther! du bist Ketzer!"; s. a. Cr. T B MS I 447: Gerlach kritisierte ein Marienlied, das der Rhetor gedichtet hatte. In seinem Stolz gekränkt, goß dieser die ganze Fülle der gängigen Schmähungen über Gerlach aus: Lutheranos iamdudum in toto orbe proclamatos esse Hareticos (ebenfalls Gl. T B 239 f.). 18« Vgl. zu diesem Komplex u. S. 138ff. 18' S . u . S . 369 f.

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Zunächst einmal schien alles sehr gut zu laufen, auch wenn seine Taktik scheiterte, den unüberwindHchen Kontroverspunkt filioque aus der Diskussion um das Bekenntnis herauszuhalten, ja sogar noch ein weiterer hinzukam: Das Schriftstück lag schon fertig vor, da wurde die Absendung aufgeschoben. Warum, wußte Gerlach nicht, er fürchte beinahe, daß der Korrespondenz feindliche Kreise Jeremias Zweifel eingeflößt hätten (subvereor . . . ne ab improbis quibusdam, quibus negotium hoc suspectum erat, dubius sit factus [sc. Jeremias])!®®. Jedenfalls zwang der Patriarch den Tübinger dazu, ihm in einem Gespräch über verschiedene Punkte (11.7. 1575) Rede und Antwort zu stehen'®'. Zuerst ging es um die Azymenfrage; der Patriarch war beruhigt, als Gerlach ihm sagte, in Tübingen betrachte man sie als Streit um ein Adiaphoron, mit dem jede Kirche es halten könne, wie sie wolle; Christus habe allerdings das Abendmahl mit Azymon gefeiert''". Als nächstes Thema wurde die Frage nach dem Status der Elemente im Abendmahl angesprochen. Jeremias setzte der Aussage, daß die Substanz von Brot und Wein erhalten bleibe, das „ist" der Einsetzungsworte entgegen und verwies auf Johannes Damascenus und andere Väter. Gerlach führte dagegen die im Streit um die Transsubstantiationslehre üblichen exegetischen, dogmatischen und Vernunftgründe ins Feld und berief sich auf die Autorität des Apostels Paulus und der prima Ecclesia, quae ad Damasceni usque tempora opinionem transsubstantiationis ignorarit. Der Patriarch gab darauf keine Antwort'®'. Zuletzt sprach er das Thema Buße an: O b die Tübinger an Beichte und Absolution festhielten? Was Gerlach zum päpstlichen Ablaß meine? Die Antworten befriedigten ihn offenbar, zumal er ein scharfer Gegner des Ablasses war und in seiner Kirche Bestimmungen in diesem Sinn erlassen hatte"^. Schließlich beendete er das Gespräch mit den Worten: Er billige alles in der Confessio Augustana, nur in zwei Punkten sei er nicht derselben Meinung wie die Tübinger: hinsichtlich der Realpräsenz und des Geistausgangs. Er wolle über alle Fragen seine Ansicht niederschreiben''^. So weit war die Lage grundsätzlich dieselbe geblieben: Man nahm Übereinstimmung in fast allen entscheidenden Fragen und eine im Moment unaufhebbare Differenz in einem, jetzt zwei Einzelpunkten an, welche positive Erwartungen an den Dialog aber nicht verhinderte. Ihnen tat auch die Tatsache keinen Abbruch, daß es im Patriarchat Personen gab, die der Korrespondenz mit Tübingen ablehnend gegenüberstanden. Zu ihnen gehörte der Logothet, „Großkanzler""'· und damit wichtigste 188 C r . T B M S I 239. Z u diesem G e s p r ä c h s. a. G l . T B lOOf. C r . T B M S 1239 f. Ibd.240. i'Mbd. i«Mbd.241. i'"· S o die durchaus zutreffende Formulierung eines von D a r r o u z è s (Recherches 191 A n m . 2) zitierten Textzeugen - das A m t war in nachbyzantinischer Zeit „fast an die Schlüsselstelle des alten C h a r t o p h y l a x " getreten (Beck 116; s. a. D a r r o u z è s , Recherches 191; P a p a d o p u l l o s 71). E s umfaßte eine Vielzahl juristischer und finanzieller, aber auch katechetische A u f g a b e n ( C h r y s a n t h o s 22). Zur Vorgeschichte s. D a r r o u z è s , Recherches 359-362.

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D e r Briefwechsel

Gestalt in der Verwaltung des Patriarchats, dem tota res suspecta fuit, schon die häufigen Kontakte zwischen dem Rhetor und Gerlach, einem homo diversae religionis. Er tat sich in dem Gespräch Jeremias' mit dem Tübinger durch Beiträge zur Abendmahlsdebatte hervor sowie dadurch, daß er versuchte, die Frage nach dem Geltungsbereich des Sühnetodes Christi^®® erneut aufzugreifen und zum Differenzpunkt zu machen. Doch ein Tadel des Patriarchen brachte ihn zum Schweigen. Er erbat sich von Gerlach ein Exemplar der Confessio Augustana Graeca, um es zu lesen, bevor der Patriarch seine Antwort verfasse. Seine Kritik wird nicht ohne Einfluß auf Jeremias gewesen sein, denn er war dessen enger Vertrauter (cum Patriarcha familiarissimus)^'®. Nicht als Teilnehmer, doch als Beobachter von der Tür aus verfolgte ein anderer Gegner der Kontakte mit Tübingen jenes Gespräch: ein italienischer Mönch. Er fragte anschließend den Rhetor, was der Patriarch überhaupt mit Lutheranern zu schaffen habe, die doch längst als Häretiker verdammt seien (quid Patriarchae cum Lutheranis rei esset: qui iamdudum haeretici condemnati essent). Und als er erfuhr, es gehe um die Confessio Augustana, versuchte er zu verhindern, daß Jeremias irgend etwas darin bilhge (impedire conatus est, quominus Patriarcha aliquid eorum probaret)^^''. Der Mönch gehörte wohl zu den Vertretern der römischen Kirche, die sich in großer Zahl, vor allem im Gefolge der Vertretungen der itahenischen Seerepubhken, am Bosporus aufhielten und denen die Griechen nicht zuletzt ihre Kenntnisse und Ansichten von der Reformation verdankten^'®. So ist es bezeichnend, daß er die Tübinger als „Lutheraner", also als nach ihrem Haupt benannte Sektierergruppe charakterisierte und hinzufügte, sie seien längst als Häretiker verurteilt - eine Aussage, die ja nur aus der römischen Sicht der Dinge zutraf. Einflüsse dieser Art hatten indirekt schon einmal, gleich zu Beginn der Korrespondenz, die Reaktion des Patriarchen bestimmt, nämlich als er in seinem ersten Brief nach Tübingen die Adressaten vor „Neuerungen" warnte, ohne daß in deren Schreiben genauere Anhaltspunkte für solch eine Warnung zu finden gewesen w ä r e n " ' . Die Pauschalreaktion war dann zugunsten der Prüfung von Einzelfragen zurückgetreten. Hier aber gewannen nun plötzlich konkrete Gesichtspunkte römischer Herkunft Bedeutung. Das zeigen die Fragen, die der Patriarch Gerlach vorlegte. War das erste Gespräch im Anschluß an die Ubergabe des Augsburgischen Bekenntnisses, wo es über Probleme hinausging, die der Wortlaut des Textes selbst den Griechen stellte, ganz von der klassischen Kontroverse zwischen Ost- und Westkirche bestimmt gewesen^o^, so traten jetzt zentrale Punkte der römischen Kritik an der reformatorischen Lehre daneben, nämlich die Kritik an der Lehre von der Realpräsenz und der Buße. Beide Themen drängten sich von der griechischen Theologie jener Zeit her nicht S . O . S . 63. Ibd.;s.a.Gl.TB102. Vgl. O.S. 56 f.

Cr. T B M S 1241. S. o. 26. 200 S . o . S . 6 3 f . , v g l . a . 6 4 f .

Der geschichtliche Verlauf

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auf, sie spielten darin keine besondere Rolle und hatten auch keine verbindliche dogmatische Festlegung erfahren^®^. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß sich in ihrer Berücksichtigung lateinische Einflüsse auswirkten, sei es durch direkten Einspruch römischer Christen wie des italienischen Mönchs bei Jeremias, sei es über Leute wie den Logotheten, die den Beziehungen zu den Tübingern mißtrauisch gegenüberstanden und darum jede Kritik an den suspekten Briefpartnern gern aufgriffen. Bedenkt man, daß dieser Mann „familiarissimus cum Patriarcha" war, lassen sich die Verzögerung der Antwort auf die Confessio Augustana und das Gespräch zwischen Jeremias und Gerlach auf diesem "Weg erklären. Der Botschaftsprediger hatte mittlerweile genauere Kenntnisse von dem Bild erlangt, das man sich in Konstantinopel im allgemeinen von den Anhängern der Reformation machte^°^. Er hatte von dem Vorwurf der „Neuerung" gehört, den man ihnen teils als gesamtwesthches Etikett, teils noch in besonderer Weise anheftete, überdies von der im Volk verbreiteten Meinung, die Lutheraner seien blanke Atheisten^^^. Allerdings sage ihm. Gerlach, dergleichen niemand ins Gesicht^""*. Da seine Hauptgesprächspartner offensichtlich jene Einstellung nicht einfach teilten, sondern bereit waren, sich erst einmal informieren zu lassen, ja sogar von weitgehener Übereinstimmung sprachen, focht den Tübinger die opinio communis nicht weiter an. Den großen Schock sollte ihm erst die Feststellung bringen, daß solche Übereinstimmung auch bei dem Kreis, der sie behauptete, nicht bestehe, nur ein Mißverständnis sei. Diesen Schock versetzte ihm ein Erlebnis anderthalb Monate nach der vielversprechenden Unterredung mit Jeremias, von dem er Andreae ausführlich berichtet (26. Π . 1575)^°®: Gerlach machte die zunächst ihn selbst, später auch die Tübinger daheim zutiefst erschütternde Entdeckung, daß die Griechen, und zwar ihre repräsentativen Vertreter, sehr viele Irrtümer in zentralen Fragen hegten - eine Entdeckung, die seinen Erwartungen völlig zuwiderlief (depreh e n d i . . . praeter opinionem meam, ipsos plurimos errores fovere)^"^. Die Enttäuschung bei ihm wie in Tübingen zeigt wiederum, daß man trotz aller punktuellen Vorsicht bisher doch zuversichtlich gehofft hatte, es werde sich Einigkeit mit den Griechen in den wesentlichen Fragen herausstellen. Wir befinden uns hier, was die deutschen Gesprächsteilnehmer betrifft, am Wendepunkt der Kontakte zwischen Tübingen und Konstantinopel. Am 15. August, dem festum celeberrinum in laudem Dominae Mariae, zelebrierte der Patriarch selbst im Kreis des hohen Klerus die Liturgie. Er ließ Gerlach dazu einladen und erlaubte ihm, allerdings ohne seine Begleiter aus der Botschaft, dem Geschehen hinter der Ikonostase zu folgen^"''. Nach dem 2Û1 S. u. Teil II В II 5d)e). Cr. TB M S I 149f. Cr. TB MS 1150. 20' Ibd. 257.

s. o. S. 29f. 20S ibd. 239-259. 207 Ibd. 242f.; s. a. Gl. TB 104 u. vgl. ibd. 234.

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Der Briefwechsel

Gottesdienst - der Tübinger beschreibt ihn mit erstaunter Ausführlichkeit^®® gab es einen großen Festschmaus. Auch Gerlach wurde mit seinen Begleitern dazugebeten, nahm auf Betreiben des Rhetors die Mahlzeit dann aber in dessen Haus ein; wie es hieß, wollte dieser ihm den Anblick eines griechischen Gelages ersparen^o®. Man unterhielt sich^i'' über die Fragen der Heiligenanrufung und der Realpräsenz. Der Rhetor zog sich auf das Axiom zurück, die jahrhundertealte Tradition der östlichen und westlichen Kirche könne einfach hierin nicht geirrt haben. Daraufhin schrieb Gerlach Argumente nieder, in denen er die reformatorische Lehre mit Sätzen der Bibel und, quantum fieri potuit, der Väter begründet und die der Griechen widerlegt (confutare) h a b e ^ " . Er diskutierte mit dem Rhetor und dem Arzt des Patriarchen darüber. Wiederum verwies der Rhetor auf die Tradition: D e r Patriarch könne nicht anders denken als die Väter und die sieben Universalkonzilien. Auf dieser Grundlage werde er seine Antwort für die Tübinger verfassen, nicht nach eigenem Gutdünken (ex se). Seien doch die Väter, von Gott her erleuchtet, bessere Ausleger der Schrift als die Christen der Gegenwart^^^. Als Gerlach ihm entgegenhielt, verschiedene Väter hätten selbst die Bibel zum Maßstab für die Beurteilung der Tradition erklärt, antwortete der Rhetor, dieses Problem lasse sich einzig und allein auf einem Konzil lösen, ein solches aber werde nur unter Schwierigkeiten oder niemals zustande kommen (difficulter aut numquam fieri); von sich aus könne Jeremias keine Neuerung einführen (nihil innovare)^". Der Arzt schätzte in einer Unterhaltung unter vier Augen wenig später die Lage des Patriarchen ebenso ein, allerdings begründete er sie anders: mit dem Mangel an Bildung bei den Griechen. Er, der Arzt, sei von der Confessio Augustana angetan, weil sie sich auf die Bibel stütze. Seine Landsleute aber, die ohne Schulen und Wissenschaften leben müßten, hätten einfach keine anderen Instanzen, an die sie sich halten könnten, als die Aussagen weiserer, schriftgelehrterer Männer. Man dürfe ihnen das, anders als den „Papisten", nicht als Starrsinn (pertinacia) anrechnen, es sei einfach Ausdruck ihrer ignorantia^^'·. Gerlach merkt zu dieser Entschuldigung an, seiner Ansicht nach handele es sich bei den Griechen sehr wohl um Starrsinn, verbunden mit Unwissenheit, denn sie rühmten sich, sie seien reiner in Glauben und Religionsausübung als alle anderen Christen (quia fide et religione omnibus Christianis synceriores se esse glorientur), und hätten keinerlei Scheu, über sie das Anathema auszusprechen (eisque anathema dicere non vereantur). Der Arzt verstehe wohl, worum es gehe, wolle aber den Patriarchen und sein Volk nicht durch Kritik verletzen^is. Cr. TB MS I 2 4 3 - 2 5 2 ; Gl. T B 1 0 4 - 1 0 7 ; er enthält sich dabei jeden Kommentars. Cr. TB MS 1 2 5 4 . Zu dem folgenden Gespräch s. a. Gl. TB 107f. Cr. TB MS 1 2 5 5 . 2i2ibd.255f. Ibd. 256. Ibd.; s. a. Gl. T B 114. ^ ^ Cr. T B MS 1 2 5 6 .

Der geschichtliche Verlauf

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Aus diesem Werturteil des Briefes spricht schon die tiefe Enttäuschung, zu der einige Tage später der H ö h e p u n k t der ganzen Diskussion führen soUte (30. 8.1575). Gerlach besuchte erneut den Rhetor und sah zufällig die A n t w o r t schrift, die sein Gastgeber und dessen Sohn, der Protonotar, auf einige Fragen des Botschaftspredigers und auf den „Brief" der Tübinger, gemeint ist die Confessio Augustana, hin verfaßt hatten (vidi . . . fortuito responsum ad aliquot mea quaesita vestrasque [sc. der Tübinger] hteras ab ipso et fiho eius Protonotario exaratum)^!®. Diesen beiden Männern habe der Patriarch die Aufgabe übertragen, die A n t w o r t auf das Bekenntnis zu schreiben, w o z u sie entsprechende Bücher heranziehen und Väterstellen aufzeigen sollten (totum enim negotium respondendi, Patriarcha illis duobus, libros accommodando et loca in Patribus monstrando, commendavit)^^•'. Er selbst lege nur noch verbessernd, erweiternd, kürzend letzte H a n d an^^®. Gerlachs Bück also fiel auf das Schriftstück, das Rhetor und Protonotar verfaßt hatten und das einmal nach Tübingen abgehen sollte. Dabei machte er ganz wider Erwarten die erwähnte Entdeckung: ipsos [sc. Graecos] plurimos errores fovere. Diese errores beträfen keine Bagatellfragen, sondern die communicatio idiomatum - man leugne die Ubiquität des Leibes Christi - , das Verhältnis von Gnade und Wille, die Glaubensgerechtigkeit, die Buße, die Zahl der Sakramente, die Realpräsenz, den usus des Abendmahls, die Eschatologie, den Umgang mit Bildern und Heiligen u. a . ^ " . Die Ursachen dieser Vielfalt schockierender Irrtümer stehen für Gerlach fest: Es seien die Unkenntnis der Schrift und die Tradition der Väter und der Kirche (hosce similesque errores partim ignorantia Scripturae, partim traditio Patrum et Ecclesiae ipsis peperit). D a r u m zögen sie sich, obwohl sie sagten, sie stimmten der Confessio Augustana zu, immer wieder auf die Überlieferung zurück, von der sie nun einmal nicht weichen könnten - und stehe sie auch noch so sehr im Widerspruch zur Bibel. Diese hielten sie ohnehin für dunkel (obscurum), soweit sie nicht von den erleuchteten, von der Kirche als orthodox empfohlenen Vätern ausgelegt sei. Der Rhetor habe sogar - allerdings unter dem Widerspruch des Arztes - bekannt, die Beschlüsse der sieben Universalkonzilien und die Schriften der Väter hätten bei den Griechen nahezu dieselbe Autorität wie die Bibel, da derselbe Geist in Paulus und in Chrysostomus gesprochen habe (decreta Septem Synodorum universalium scriptaque Basilii, Chrysostomi, Damasceni etc. eandem p r o p e m o d u m cum scriptis propheticis et apostolicis apud ipsos autoritatem habere, quia Spiritus idem in Paulo et C h r y s o s t o m o locutus sit). D a r u m sei ihre Schriftauslegung ohne Zweifel wahr und zu übernehmen (absque dubio verum et amplectendum)^^°. Dies schreibe er den Tübingern, damit sie sich auf die theologische Lage in Konstantinopel einstellen könnten. Ihre Briefe müßten sie vor allem darauf Ibd.; zu diesem Besuch s. a. Gl. TB 114. 2'8Ibd.256f. ^i«Ibd.257f.

" 7 Cr. TB MS I 256. Ibd. 258.

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Der Briefwechsel

ausrichten (accomodare), den Irrtum hinsichtlich der Tradition der Väter und der Autorität der Kirche zu beheben; andernfalls würden die Griechen in den übrigen Punkten nicht nachgeben (quo omnium primo errorem de Patrum traditione et Ecclesiae autoritate eis eximatis : alioquin de caeteris haud aliquid remittent). Allerdings müsse ihre Antwort so angelegt sein, daß keinerlei Verdacht aufkomme, er, Gerlach, habe Entsprechendes geschrieben^^^. Angesichts der Tiefe der Differenzen, die ihm offenbar geworden sind, erscheint nun die Confessio Augustana als Darlegung der reformatorischen Lehre unzureichend, da dort, wie er später ausführen wird, nicht alle Glaubensartikel, nicht einmal alle zentralen, behandelt würden und die Aussagen zu ungenau seien (nec omnes religionis nostrae partes, nec ita accurate t r a c t a t a e ) ^ ^ ^ Anstelle des Bekenntnisses hat er ein Lehrbuch entdeckt, das ihm „vollkommener" erscheint: das Compendium theologiae des Tübinger Professors Heerbrand^^^. Es war ihm vom Verfasser übersandt worden^^'', und nach der Lektüre hatte er nur einen Wunsch verspürt: daß es auf Griechisch vorliegen möge (utinam hoc compendium Graece conversum esset). Dann könnte er es in Konstantinopel statt der Augsburgischen Confession verteilen - qua [sc. confessione] compendium hoc perfectius est. Mit diesem Buch würde die Theologie bei den Griechen, die die reformatorische Lehre und Praxis für neuerungsverdächtig hielten, obwohl die meisten in ihrer Unbildung nicht einmal ihre eigene klassische Sprache v e r s t ä n d e n ^ ^ s ^ Renaissance erleben - sie theologia in Oriente revivisceret^^^. M . a . W . : die Griechen brauchten ein Lehrbuch, das ihnen die Theologie von Grund auf entwickelte, dann wäre ihnen zu helfen. Der Schock, den Gerlach erlitten hatte und der aus seinen Briefen widerklingt, wirkte sich nicht sofort nach deren Eintreffen in Tübingen aus. Grund dafür war, daß sich Andreae zu jener Zeit kaum, und wenn einmal, dann nur in größter Eile, in Tübingen aufhielt^^''. Deshalb wurden die Schreiben, die an ihn oder nach dem Tübinger Verständnis des Briefwechsels mit Konstantinopel in erster Linie an ihn gerichtet waren, der Brief Gerlachs an den Kanzler und der Ibd. "Mbd.332f. ^^^ Die Anziehungskraft derartiger Werke wie auch die unabgegrenzten Übergänge der „Konfessionen" zu jener Zeit illustriert Gerlachs Erzählung vorn Transport seines Exemplars : Der bayrische Adlige, der es ihm überbrachte, religioni nostrae amantissimus, habe dem Buch als Reiselektüre bei weitem den Vorzug vor den libri scurriles gegeben, die er sonst unterwegs zu lesen pflegte. Selbst der Sohn des Wiener Vizekanzlers, ein „Papist", der mit dem Bayern in Konstantinopel das Schlafzimmer geteilt und so das Buch gesehen habe, sei ganz entzückt davon gewesen (ibd. 123). " " Ibd. Die Zusammengehörigkeit des Mangels an Sprachkenntnissen und an richtiger Theologie in Gerlachs Augen s. a. Gl. T B 115. Zum Gesamtzusammenhang dieses Arguments s. u. S. 338. Cr. T B MS 1123. Von Januar bis März 1576 befand er sich in Neuburg an der Donau und in Regensburg (ibd. 232; s. a. Pressel, Die fünf Jahre 29), dann reiste er, nach kurzem Aufenthalt in Tübingen, am 24. März zum Torgauer Konvent (Ibd. 30).

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des Patriarchen an ihn und an Crusius, erst spät geöffnet und auch dann z . T . noch nicht in voller Tragweite gewürdigt. Diese Verschiebung markiert den Beginn einer Phase des Briefwechsels, in der Andreae weitgehend zurücktrat, bedingt durch seine jahrelange Abwesenheit wegen der Verhandlungen auf dem Weg zur Konkordienformel und wegen der Reform der sächsischen Kirche im Dienst des dortigen Kurfürsten^^®. An seine Stelle trat, was die Letztverantwortung für die Korrespondenz mit dem ökumenischen Patriarchat betrifft, die Kirchenleitung in Stuttgart, immer stärker auch unter Beteiligung Herzog Ludwigs. Die konkrete Durchführung dagegen lag von nun an noch weitergehend in Crusius' Händen, weil der Philologe von Anfang an eingearbeitet war und weil die Entfernung zwischen Stuttgart und Tübingen eine laufende A b sprache, wie sie mit Andreae möglich gewesen war, verhinderte. Das Bündel aus Konstantinopel traf im Januar 1576 in Tübingen ein^^'. Die meisten Briefe daraus wurden von ihren Adressaten geöffnet und herumgereicht, nur der Jeremias' und der Gerlachs an den Kanzler blieben versiegelt, bis Andreae im März für ein paar Tage in Tübingen weilte^^". Er öffnete nun beide; doch während er den des Patriarchen zumindest mit Crusius zusammen las (perlegimus behielt er den Gerlachs bei sich, ohne daß irgend jemand sonst Einblick genommen hätte. Dieser Brief aber war es, der den Bericht von Gerlachs schockierender Entdeckung enthielt. So erklärt es sich, daß man in Tübingen noch für einige Zeit große Zuversicht in die Korrespondenz mit Konstantinopel setzte und die folgenden Briefe, die Crusius dorthin schickte, noch voller Optimismus sind. Nach Andreaes Abreise schrieb der Philologe (5. 4 . 1 5 7 6 ) an Lukas Oslander, den Stuttgarter Hofprediger^^^, der Kanzler habe ihm, von seinen Geschäften allzusehr in Anspruch genommen, keine Order mehr gegeben, was er den beiden Zygomalas schreiben solle - Crusius spielt offenbar auf deren Bitten um Geld, vor allem von selten politischer Größen, an. Darum vertröste er sie auf den Zeitpunkt, zu dem die Antwort auf die Confessio Augustana eintreffen und der Kanzler wieder da sein werde, mache ihnen im übrigen aber gute Hoffnung (bonam spem Graecis relinquam). Hinsichtlich des Briefes an den Patriarchen dagegen habe Andreae ihm, Crusius, noch gesagt, was er darauf erwidern solle^33. Wenn Oslander etwas anderes oder weiteres im Sinn habe, könne er E r hielt sich nach den Verhandlungen auf dem Torgauer Konvent und der Rückreise über verschiedene evangelische Höfe, die zur Annahme des Torgauer Buches bewogen werden sollten, kurz im Sommer 1576 in Tübingen auf und siedelte am 24. August, vom H e r z o g beurlaubt, mit Familie nach Sachsen über (ibd. 3 5 - 3 9 ) . S. o. S. 67. Cr. T B MS 1 2 3 2 . Ibd. Ibd. 236. Accepi a. D . Cancellario hic mihi dictante (ibd.). Dies muß nicht im strengen Sinn eines Diktats, kann vielmehr auch so verstanden werden, daß Andreae Crusius die Grundgedanken des Briefes vorgeschrieben habe. Das zweite Verständnis legt nicht nur Crusius' Aussage gegenüber

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Der Briefwechsel

entsprechende „Ermahnungen" abgeben, allerdings umgehend (me continuo monere poterit). Vorgehen und Wortwahl des Philologen zeigen erneut, wo in seinen Augen, bei aller Eigeninitiative, die Letztverantwortung für den Briefwechsel mit Konstantinopel lag. E r fügt noch die Bitte an, Oslander möge ihm den Brief verschaffen, den Gerlach mit der letzten Postsendung Andreae geschickt habe, denn er solle Informationen über die Religion der Griechen enthalten, an denen ihm, dem έλληνομανών Crusius, sehr viel liege. Die Aussage, er mache den Griechen gute Hoffnung, ist keine bloße Floskel. Tatsächlich zeigt er sich in seinen Antwortbriefen an Vater und Sohn Zygomalas (vom 14., 15. und 16. 4. 1576)2'" jgi^j. erfreut und dankbar, nicht nur wegen des Briefkontaktes selbst - er sei der erste Deutsche, der einen solchen mit griechischen Partnern unterhalte^'^ - , sondern auch deshalb, weil Rhetor und Notar sich so eifrig für die theologische Korrespondenz zwischen den Tübingern und dem Patriarchen einsetzten^'®. Vor allem dankt er dem Rhetor für den Widerstand, den er römischen Angriffen gegen diese Korrespondenz leiste^'''. Daß die Evangelischen zu Unrecht von römischer Seite verleumdet würden und mit guten Gründen vom Papst abgefallen sein, sähen die Griechen in der Confessio Augustana^'® - Luther habe sich ähnlich verhalten wie sie selbst im Mittelalter, als sie die päpstlichen Primatsansprüche ablehnten^'®. Außerdem gehe aus dem Bekenntnis ja ganz klar hervor, ob es sich bei den Tübingern um Atheisten handele oder nicht^'"' - Crusius' Anspielung auf das Standardbild der Griechen von der Reformation, das Gerlach beschrieben hatte^'·!, ist deutlich. Im übrigen erwarte n;an in Tübingen die Antwort auf die Augsburgische Konfession. Es werde vielleicht Differenzpunkte geben (ϊσως έστίν όπου διαφωνείτε), doch in den Hauptfragen (τα καιριότατα), so auch der der Rechtfertigung vor Gott (το του ενώπιον του θεού δικαιοϋσ-θαι), hoffe man auf Übereinstimmung (συμφωνεϊν)^''^. Wenn die Antwort eintreffe, werde

Gerlach (s. u. S. 83) nahe, der Kanzler und er hätten die Sache miteinander besprochen (re inter nos communicata), sondern auch die Eile und Flüchtigkeit (s. u. S. 86), mit der Andreae während seines kurzen Aufenthalts in Tübingen die Korrespondenz mit Konstantinopel behandelte. Abgesehen davon trägt der Brief an Jeremias nach Weitläufigkeit der Anlage und Formulierung der Aussagen deutlich die Handschrift Crusius". " " Ibd. 2 7 0 - 2 7 5 . 2 7 6 - 2 9 0 / T G 4 4 1 ^ 4 4 . 4 4 4 - 4 5 0 (Datum verdruckt); Cr. T B MS 1291 f. Es hegt außerdem noch die Antwort von Crusius' Studenten auf den Brief bei, den Theodosios Zygomalas ihnen geschickt hatte (12. 4. 1 5 7 6 - ibd. 2 9 4 - 3 0 4 / T G 4 5 0 - ^ 5 6 ) . " s Cr. T B MS 1 2 7 2 / T G 442. Cr. T B MS 1 2 7 3 . 277 / T G 4 4 3 . 4 4 4 . Cr. T B MS 1 2 7 3 / T G 443. 238 Cr. T B MS 1 2 7 3 / T G 443; Cr. T B MS 1285. Ibd. 286. ^i» Ibd. 285. 2 7 3 / T G 4 4 3 . S. o. S. 77. Cr. T B MS 1 2 7 4 / T G 443.

Der geschichtliche Verlauf

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man auch zusehen, was sich materiell für die Griechen tun lasse^"^. Immerhin habe er, Crusius, die Briefe der beiden Zygomalas schon Andreae gezeigt und sie sogar für den H e r z o g übersetzt^"'*. Doch wie gesagt, vor Eintreffen der A n t w o r t sei nichts zu machen. Überdies könnten auch ohne den Kanzler keine wesentlichen Schritte unternommen werden. Der aber sei z. Z. nicht in Tübingen, er diene vielmehr der gesunden Lehre, die dank seiner Aktivität glänzende Fortschritte mache^"*®, und zwar tue er das unter einem der Rurfürsten des Römischen Reiches ([είς] των έ π τ ά της ρ ω μ α ί α ς ά ρ χ ή ς έκλεκτόρων ά ρ χόντων). Verhalten, aber bewußt, setzt Crusius den Klang des Attributs „römisch" ein. Auch interessierten sich etliche evangehsche Fürsten (άρχοντες) für das, was der Patriarch geschrieben habe^''®. D e r Brief, den er gleichzeitig (12. 4. 1576) im N a m e n Andreaes, der abwesend sei, und im eigenen an den Patriarchen schreibt^"*·^, drückt ebenso die Erwartung aus, die A n t w o r t auf das Bekenntnis werde bald eintreffen. Die Tübinger würden sich dann ihrerseits wiederum dazu äußern. Sie seien bester H o f f n u n g , da es ja zwischen ihnen und den Griechen in der Christologie keine Differenzen gebe, Christus aber das Heil ermögliche^"*®. Im übrigen solle keiner der an der Abfassung der A n t w o r t Beteihgten seine M ü h e zu bereuen haben^"·®. Denselben Optimismus wie gegenüber den Griechen äußert Crusius auch Gerlach gegenüber (16. 4. 1576)^^". Er faßt zunächst kurz den Inhalt der griechischen Briefe zusammen, die mit der letzten Sendung aus Konstantinopel gekommen waren, und hebt besonders den Bericht der beiden Zygomalas' über ihre Rolle gegenüber den „Papisten" hervor^®^. Das Bemühen der Griechen habe den vollen Beifall Andreaes (quorum studia ei [sc. Andreae] omnino probantur)^®^. Er, Crusius, schreibe in diesem Sinn nach Konstantinopel; da der Kanzler auf Reisen sei, hätten sie nur kurz über die Angelegenheit sprechen können (re inter nos communicata, quia aliud tam cito fieri non potuit: ego interea Graecis . . . respondeo)^^^. Während Andreaes Abwesenheit, die allerdings sicherlich nur kurz währen werde^^"*, sollten ihm über den H e r z o g alle Briefe der Griechen in lateinischer Ubersetzung nachgeschickt werden^^^. Schließlich sei noch zu bemerken, daß er, Crusius, täglich für die Briefpartner bete, damit sie zum R u h m e Gottes dem reformatorischen Glauben geneigt würden (ut nostrae religioni ad gloriam Dei faveant)^^^. Cr. TB MS 1274f. / TG 443; Cr. TB MS I 287 / T G 448. " " Cr. TB MS 1274 / T G 444 (hier nur die erste Aussage); Cr. TB MS I 306. Cr. TB MS 1275 / (in T G 443 nur kurzer Hinweis). Cr. TB MS 1 2 7 7 / T G 444. Cr. TB MS I 265-268; er fügt noch einen persönhchen in eigenem Namen an (13. 4. 1576 ibd. 268-270). Ibd.266. 249 Ibd. 267; s.a. 307. 309. " o ¡bd. 305.315. Ibd. 306. Ibd. 307. ¡bd. Das Gesuch des sächsischen Kurfürsten an Herzog Ludwig um einen zweijährigen Urlaub für Andreae erging erst im Sommer (Pressel, Die fünf Jahre 34). Cr. TB MS 1313. " 6 Ibd. 314.

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Der Briefwechsel

Es sollte nicht mehr lange dauern, bis die Tübinger die Stellungnahme der Griechen zur reformatorischen Lehre schwarz auf weiß lesen konnten. Am 18. Juni traf ein Brief Herzog Ludwigs bei Crusius ein^^·^, er lasse ihm „etthche Schreiben, so von Constantinopel abgangen, zukummen". Crusius solle davon die, welche an Andreae gerichtet seien, ins Lateinische übersetzen und „saelbige Versionen, sampt den Originalibus" an den Herzog zurückschicken. Anschließend solle er „das beigelegte Graecum Scriptum auch vertiren"^®® - die langerwartete Antwort auf das Augsburgische Bekenntnis.

3. Der große Schock in Tübingen: Vom Empfang der ersten Antwort dei Patriarchen bis zur Erwiderung darauf Die Antwort des Patriarchen führte bei den Württembergern zu tiefer Ernüchterung und zur Neubestimmung der Ziele, die sie mit dem Briefwechsel verbanden. Bei ihnen stellte sich nun der Schock ein, den Gerlach erlitten hatte, als er jenes Schreiben im Haus des Rhetors Zygomalas überflogt. Einem von ihnen allerdings war dieser Schock schon früher widerfahren: Crusius. Unmittelbar nachdem der Altphilologe seine hoffnungsvollen Briefe nach Konstantinopel abgeschickt hatte^, erhielt er endhch das langersehnte Schreiben Gerlachs an Andreae aus der im Januar angekommenen Sendung ( 2 1 . 4 . 1 5 7 6 ) ^ . Mit einem Schlag schwand all sein Optimismus dahin; die Erschütterung, welche die unerwartete Entdeckung grundlegender Differenzen zwischen der Lehre der Griechen und der reformatorischen in Gerlach hervorgerufen hatte, traf nun Crusius mit derselben Heftigkeit, so daß er Oslander gegenüber in die Klage ausbrach ( 2 4 . 4 . 1 5 7 6 ) : Vaeh, quantum in iis, quae G r a e c i . . . habent, errorum est! Nescivi tot antehaC*. So brennend er zuvor gewünscht habe, diesen Brief zu lesen, so traurig habe ihn dann die Lektüre gemacht (tristem tam me facit lectio epistolae: quam antea ardenter legere cupivi). Eine Kirche ohne die rechte Lehre vom Verdienst Christi, ohne Predigt - beim Lesen des Berichts sei er sich wie der Zuschauer eines Marionettenspiels vorgekommen (visus sum mihi νευροσπαστικοίς άθύρμασιν interesse), er, der, in Evangelio et natus et educatus, niemals an einer Meßfeier teilgenommen habe. Wie glücklich könnten sich die Anhänger der reformatorischen Lehre angesichts solcher Finsternis preisen: „Herr Jesu Christe, quanta tua nobis lucet lux! . . . Felices nimium nos, si bona nostra sciamus. D u wollest sie auch besser mit deiner gnad erleuchten". Er, Crusius, empfinde tiefen Schmerz um der Griechen willen (doleo vicem eorum), eines Volkes, das er wegen seiner Sprache innig liebe (gens mihi lbd.325f. " 8 ibd. 326. 1 S. o. S. 77. 79. 2 Das war geschehen am 16. 4. 1576 (Cr. T B MS I 316). 3 Ibd. 260. " Ibd.

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propter ipsorum linguam . . . dilectissima). Doch er wolle immer für sie beten (Dominum pro ipsis semper orabo) ; Gott möge Erbarmen walten lassen (Dominus misericordiam capiat)®. Nun zweifelt auch Crusius daran, daß die Confessio Augustana in Konstantinopel den Zweck erreichen werde, den die Tübinger erhofft hatten. Immerhin sei es schon ein großer Gewinn, daß die Empfänger, gegen alle Verleumdungen von römischer Seite, daraus ersehen könnten, die Evangelischen seien keine Atheisten (wolan, est magnum (etsi aliud nihil effectum adhuc est) tamen ex nostrae fidei confessione eos iam scire, contra Papistarum calumnias, nos non esse άθέους), sondern im Besitz einer Wahrheit, der die Griechen nicht widersprechen könnten (sed habere veritatem, cui non possint contradicere)^. Auch er schlägt jetzt ein Mittel zur Belehrung der Griechen vor: eine Sammlung von Predigten Tübinger Theologen zu dogmatischen Themen. Schreibe er doch seit vielen Jahren alle Predigten, die er höre, auf Griechisch mit^ mittlerweile seien es mehr als 2000. Er habe daraus die zusammengestellt, die den Brenz'schen Katechismus, das religiöse Grundlehrbuch des Landes, auslegten. Wenn die Verfasser sie durchsähen und billigten, könnte er diese Predigten mit lateinischer Übersetzung versehen und herausgeben. Er würde darauf achten, daß die zentralen Themen enthalten seien, und die vollen Schriftzitate hinzufügen. So könnten die Griechen dann sehen, wie gewiß die Tübinger Lehre sei, und ihre eigene dagegenhalten (inde G r a e c i . . . nostram doctrinam, quam certa, et suam e contrario, videre possent). Crusius erbittet zu diesem Vorschlag das Urteil der Kirchenleitung: si Vestrae Dignitati [sc. Oslander] . . . res . . . non improbaretur®. Dieser Brief wirft Fragen auf: Wie kam es, daß erst Crusius so heftig auf Gerlachs enttäuschten Bericht reagierte? Hatte Andreae die Brisanz der darin enthaltenen Informationen nicht empfunden? Daß er ihn in der Eile seines kurzen Aufenthalts gar nicht gelesen hätte, ist nicht möglich, denn Crusius wußte ja von ihm, daß sich darin Auskünfte über die Religion der Griechen fanden, und war gerade deshalb neugierig auf das Schreiben. Wollte der Kanzler, schon mit dieser Charakterisierung des Briefes gegenüber Crusius, dessen negative Tragweite verschweigen oder bewußt herunterspielen, und stellte seine Entschuldigung, er habe ihn gerade verlegt und könne ihn deshalb dem Kollegen nicht geben, nur einen taktischen Vorwand dar? Dann wäre auch die positive Grundstimmung der Antwort an Jeremias, was Andreaes Beitrag dazu betrifft, nur vorgetäuscht gewesen, eine Art Hinhaltemanöver bis zur vorhersehbaren Auseinandersetzung über die Antwort des Patriarchen auf die Confessio Augustana. Das alles ist möglich, aber nicht sehr naheliegend. Daß Andreae ausgerechnet gegenüber Crusius, der ihn in die Korrespondenz mit Konstantinopel hineinges Ibd. ' S. o. S. 15, Anm. 20, S. 49. 50, Anm. 22.

' Ibd. » Ibd. 261.

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Der Briefwechsel

zogen hatte und sie weitgehend trug, solche Wege gegangen wäre, ist unwahrscheinlich, außerdem gelang es dem Philologen zu guter Letzt ja ohne Schwierigkeiten, das Schreiben zu erhalten, das offenbar, ohne weitere Beachtung zu finden, in Stuttgart lag. Über kurz oder lang hätte er doch von dessen Inhalt erfahren. Zudem hätte Andreae sich, jene Taktik vorausgesetzt, gehütet, Crusius durch Hinweise auf die Informationen in Gerlachs Brief neugierig zu machen. So liegt es näher anzunehmen, daß für den Kanzler in der Eile und Geschäftigkeit jener wenigen Tage zwischen einer Reise zu Religionsverhandlungen und der nächsten® die Korrespondenz mit Konstantinopel hinter dringlicheren Geschäften zurücktrat und ihm Gerlachs Brief gar nicht recht zu Bewußtsein kam. Was zählte und beantwortet werden mußte, war das offizielle Schreiben des Patriarchen. Das persönliche des Botschaftspredigers konnte er nur kurz überfliegen, es blieb allein der allgemeine Eindruck einer Vielfalt von Informationen hängen, im übrigen ging das Schriftstück irgendwie unter. So war es Crusius vorbehalten, Gerlachs Bericht in seiner vollen Tragweite zu würdigen und sich als erster unter den Württembergern auf eine Veränderung der Perspektiven des Dialogs einzustellen^®. Als die Antwort des Patriarchen eintraf, zogen dann die anderen nach, und die Enttäuschung ging z . T . so weit, daß die Fortsetzung des Unternehmens sinnlos erschien^^. Gerlach nahm wie schon in seinem letzten Brief an Andreae in einem weiteren, die Antwort des Patriarchen begleitenden (17. 5.1576)^2 deren Beurteilung durch die Tübinger vorweg und gab einige ergänzende Informationen. Die Griechen, allen voran der Patriarch, seien der Meinung, mit der Confessio Augustana übereinzustimmen, und hätten ihm das oft beteuert^^, auch bei der Übergabe der Antwort (15. 5. 1576)^·*. Unterschiede gebe es ihrer Ansicht nach nur in sehr wenigen, nebensächlichen Punkten (nec nisi in paucissimis, iisque levioribus, differentiam aliquam esse)^®. Wenn er. Gerlach, aber in einzelnen Punkten nachhake, kämen Widersprüche zur Schrift selbst zum Vorschein. Die Griechen könnten diese Widersprüche nicht auflösen, sie verwiesen meist einfach auf die authoritas Ecclesiae und die traditio patrum^®. So stützten sie etwa ihre Irrtümer (errores) der Heiligenanrufung, des Bilderkults, der Transsubstantiationslehre, der Annahme der Willensfreiheit, der Fasten'

S.o.S.81,Anm.228. Oslander reagierte nicht auf Crusius' Ausbruch, jedenfalls enthält das Tagebuch des Philologen keine entsprechende Nachricht, was bei seiner Genauigkeit in Sachen der Korrespondenz mit Konstantinopel zweifellos der Fall wäre, wenn der Hofprediger Crusius geantwortet hätte. ^^ Übrigens u. a. ausgerechnet dem Kanzler, eine Reaktion, die in ihrer Radikalität so spät kaum vorstellbar wäre, wenn er schon Monate zuvor gewußt und verborgen hätte, was da auf die Tübinger z u k a m ; s . u . S. 102. 104. Ibd. 3 2 9 - 3 3 9 . " Ibd. 329. 15 C r . T B MS 1 3 2 9 .

" Ibd. 3 3 5 ; Gl. T B 193. Ibd.

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brauche, der Lehren vom Ausgang des Geistes a patre solo, der Siebenzahl der Sakramente und der Buße im römischen Sinn sowie der Riten und Gebete für die Verstorbenen^''. Für all diese Irrtümer, hinsichtlich derer Andreae sie besonders gut belehren müsse^®, könnten sie fast nur das Argument des Alters und der Autorität der Kirche anführen (fere, quid praeter vetustatem et authoritatem Ecclesiae dicant, nesciunt)^' und verwiesen Jeweils auf die Festlegungen der Tradition, konkret auf die Cánones Apostolorum und die sieben Ökumenischen Konzilien. Diese Instanzen besäßen für sie dieselbe Autorität wie die Bibel (eiusdem authoritatis cum scriptura sunt)^". Darum habe der Patriarch besondere Mühe darauf verwandt, daß seine Antwort mit der Tradition übereinstimme, ja er habe sie deshalb dreimal umarbeiten lassen^^. Besonders verheerend wirke sich diese Einstellung im Bereich des Hauptgottesdienstes aus, der eine Messe mit vielen papistischen Irrtümern sei (cum praecipuus eorum cultus missa sit, in eaque non pauci errores papistici). Doch in diesem Punkt hielten sie besonders beharrlich an der Überlieferung fest, schon deshalb, weil „der mehrer thail der Metropoliten, Bischöfe und priester künden sunst nichts, dann maeßlesen"; „wann man inen die maeß nimpt, so nimpt man inen alles"^^. Wenn die Tübinger überhaupt etwas bei ihren Briefpartnern erreichen wollten, müßten sie ihnen die Rücksicht auf die Tradition austreiben (hic scrupulus ante omnia ipsis eximendus erit, alioquin nihil efficeretur)^^ - wie die Dinge jetzt ständen, sei trotz aller Beteuerungen der Liebe zu Eintracht und Einheit von griechischer Seite Ubereinstimmung schwerlich herzustellen (video . . . ipsos, ut verbis prae se ferunt, concordiae et unionis amantes esse: sed dubito, an consensus constituí possit)^'*. Gerlach gibt noch einige zusätzliche Ratschlage für das weitere Vorgehen, nicht ohne allerdings darauf hinzuweisen, daß er kein Recht habe, irgendwelche Vorschriften zu machen, und Andreae, gleichsam seinem pater spiritualis, nur die in Konstantinopel gewonnenen Erfahrungen zur Verfügung stellen wolle^® : Die Rückantwort an Jeremias sollte nicht so kurz und selektiv ausfallen wie die Confessio Augustana, sondern auch andere Punkte behandeln, z . B . de Maiestate Christi, de unione personali, de authoritate scripturae et conciliorum, de caeremoniis ecclesiasticis; außerdem sollten, wo immer möglich, Zeugnisse griechischer Väter angeführt werden. So würden die Griechen ein Compendium totius Theologiae in die Hand bekommen^^. Die Confessio Augustana Graeca nachdrucken zu lassen, lohne sich dagegen wegen ihrer Unvollständigkeit und Ungenauigkeit nicht^''. Die fünf nachgeschickten Exemplare seien angekommen. Er sehe allerdings keine Möglichkeit, 1' Ibd. 329 f. 18 Ibd. 330. Ibd. 330. " I b d . 331. ^Mbd. « Ibd. 333.

1' Ibd. 329. " Ibd. 335. "Ibd. "Ibd.338f. " Ibd. 332f., vgl. o. S. 80.

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Der Briefwechsel

sie selbst den anderen Patriarchen zu übermitteln, vor allem deshalb, weil er nicht den Anschein erwecken solle, er sei ehrgeizig oder mißtraue Jeremias' Stellungnahme. Darum solle Andreae diesem im nächsten Brief vorschlagen, das Bekenntnis an seine Kollegen zu senden, damit auch sie ihr Urteil darüber (quid de nostra doctrina sentirent) abgäben und ihm mitteilten, ob sie eine Sammlung der Kirche Christi in der Einheit des Glaubens für möglich hielten (si vel aliquo modo Ecclesia Christi in unione fidei colligi possit)^®. Der Patriarch werde einen solchen Vorschlag schwerlich ablehnen, da die Tübinger bei ihm wegen ihrer Bildung in hohem Ansehen ständen^^. Die Griechen hofften, daß ihre Antwort auf die Confessio Augustana, die sie mit solcher Mühe als traditionskonformes und somit repräsentatives Schriftstück abgefaßt hätten, in Tübingen gedruckt werde^®. Man möge ihnen, so Gerlach, dies zusagen für den Fall, daß sich Übereinstimmung der griechischen Lehre mit der der Tübinger ergebe, „die in allem der Schrift und der reineren altkirchhchen Tradition entspreche" (si consensus eius doctrinae vestrae, sanctae scripturae et puriori antiquitati per omnia consonae, accedat)^!. Diese Aussicht vor Augen, würden sich die Griechen hoffentlich von der Wahrheit zur Aufgabe wenigstens einiger Irrtümer bewegen lassen (quod si ipsis promittatur [sc. den Griechen der Druck] : spero . . . futurum, ut monstrata ventate nonnihil de suis erraribus remittant)^^. Selbst wenn es nicht zu vollständiger Übereinstimmung käme, wäre doch der Druck der Schrift des Patriarchen eine gute Gelegenheit, die Tübinger Rückantwort mit ihr zusammen, in einem Buch, bei den Griechen zu verbreiten^^ und so die reformatorische Lehre in ganz Griechenland auszustreuen (posset. . . ista occasione religio nostra in totam Graeciam spargi). D a die Leute hier in ihrer Neugierde auf diese angeblich neue Lehre sehr darauf aus seien, sie nun auch konkret kennenzulernen (cognoscendi cupidissimi), würden ihnen durch die Lektüre jenes Buches vielleicht endlich die Augen geöffnet^·*. Wenn man es dann noch in die Vulgärsprache übersetzte und erneut druckte, würde den armen Kirchen Griechenlands der größtmögliche Dienst erwiesen (quo maius bonum Ecclesiis Graeciae affÜctissimis praestari non posset), zumal, wenn die Tübinger im Zusammenhang der Satisfaktionsund Rechtfertigungslehre, wo auch die gebildeten Griechen in Verlegenheit seien (doctos etiam Graecorum . . . [sc. in dieser Lehre] nonnihil haerere), klare Aussagen machten^®. Gerlach hat sich schnell umgestellt. Seit seinem Schockerlebnis glaubt er nicht mehr daran, daß zwischen der griechischen und der reformatorischen Lehre ein Konsens bestehe und nur dargelegt zu werden brauche. Aus dieser enttäuschende Ibd.331. "

Ibd. 332.

Ibd. 335.

Ibd. 333 (vgl. F C , Catalogus testimoniorum, B S E L K 1103). Ibd. 335. " Vgl. auch ibd. 412. 3Mbd.333f.

35 Ibd. 334.

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den Einsicht zieht er die Folgerung, man müsse den Konsens eben schaffen, und zwar, indem man die Griechen zur wahren Lehre bringe. Dazu entwickelt er eine ausführliche Strategie, die mit dem Vorschlag des letzten Briefes, Heerbrands Compendium Theologiae nach Konstantinopel zu schicken, einsetzt und in den Überlegungen des vorliegenden weitergesponnen wird. Solch eine Strategie mußte längerfristig angelegt sein. Darum war es zunächst einmal unumgänglich, daß die darin eingeplanten Personen in tragfähigen Verhältnissen zueinander standen. Gerlach bittet deshalb, Andreae möchte dem Patriarchen gegenüber erwähnen, der Botschaftsprediger äußere sich sehr positiv über die Griechen und ihr Verhalten ihm selbst gegenüber wie in den Verhandlungen mit Tübingen. So könnten Befürchtungen zerstreut werden, die gelegentlich aufkämen, nämhch daß er. Gerlach, die Griechen nicht immer getreulich gegenüber den Leuten daheim vertrete (subinde . . . metuunt, ut partes eorum minus fideliter erga vos agam)^®. Worauf Gerlach hier anspielt, ist nicht klar. Offenbar sah sich jemand in Konstantinopel in seinen Erwartungen gegenüber den Tübingern getäuscht und schrieb dies der Vermittlungstätigkeit Gerlachs zu. Es liegt nahe, an die beiden Zygomalas zu denken, die in ihrem Brief an Crusius große Hoffnungen geäußert hatten und sich, wie Gerlach betont^^, sehr für die Verhandlungen einsetzten. So heße sich ihre Bitte dem Philologen gegenüber verstehen, er möchte doch ihre Verdienste bei Gerlach herausstellen^®. Wenn dieser sich darüber wirklich im klaren wäre - so könnte man ihren Gedankengang vielleicht weiterspinnen - , dann hätte er die Tübinger längst dazu gebracht, ein Zeichen der Anerkennung und des Dankes zu schicken. Darauf, daß die ausdrücklichen Ansprüche in diesem Sinn, die die beiden Briefe des Rhetors und des Notars an Crusius enthalten, in dessen Antworten hinhaltend behandelt werden, kann sich die Kritik kaum beziehen, denn die Briefe des Philologen waren aller Wahrscheinlichkeit nach noch nicht angekommen^®. Für den weiteren Verlauf der Kontakte würde nicht nur die Position des Mittelsmannes, sondern natürlich auch das Interesse und die Einstellung der Griechen entscheidend sein. Gerlach empfiehlt daher, ihnen Geschenke zu senden. Er hatte schon früher einmal angeregt, sich den Patriarchen zu verpflichten, damit er für die Tübinger griechische Codices abschreiben lasse; man solle ihm ein Ehrengeschenk (honorarium) schicken, z. B. eine kleine vergoldete Uhr, wie sie in Augsburg kaum größer als eine Walnuß angefertigt würden"". Ibd. 337. " Ibd. 336 f. S. o. S. 70. ' ' Sie wurden am 14., 15. und 16. April geschrieben, die Sendung aus Konstantinopel ging schon Mitte Mai ab. W o h l gibt es Fälle, in denen Briefe von dort in einem Monat befördert wurden, umgekehrt dauerte es jedoch immer länger. Die Nachricht davon, daß Crusius' Sendung vom April eingetroffen war, geben erst Briefe vom Oktober 1576, und zwar ohne Angabe des Ankunftsdatums, s. Cr. TB MS I 488. 494. 527. "0 Ibd. 169.

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Der Briefwechsel

Jetzt wiederholt er den Rat, schlägt allerdings griechische Bücher in kostbarem Einband vor - eine Uhr besitze Jeremias schon·*!. Wichtiger noch sei es, Rhetor und Notar mit Geld bei der Stange zu halten, zumal er selbst. Gerlach, nicht mehr lange in Konstantinopel anwesend sein werde. Er hoffe zwar, in der Botschaft einen neuen Mittelsmann zu gewinnen, dennoch würden dann, neben dem Oberpostmeister Wolzogen in Wien, die beiden Zygomalas eine ganz entscheidende Rolle spielen·*^. Schon bisher hätten sie große Dienste geleistet bei der Abfassung und beim Abschreiben der Antwort auf die Confessio Augustana; der Rhetor habe zudem nach Kräften die ungünstigen Verdächtigungen abgewehrt, die einige Leute dem Patriarchen einzuflößen versuchten, um die Unionsverhandlungen zu verhindern (sinistras suspiciones: quas nonnulli Patriarchae instillare tentant, quo negotium istud unionis impediatur)"^. Beide hätten großen Einfluß auf den Patriarchen (plurimum isti duo apud Patriarcham possunt), darum solle man ihnen ein Geschenk geben, und zwar mit der Auflage (hac conditione), daß sie auch fürderhin officium hoc laudabile Deoque placens in promovenda concordia Ecclesiarum Christi betrieben, von Diensten bei der Beschaffung griechischer Bücher abgesehen·*"*. Ein solches Geschenk werde sicher Frucht tragen, denn es sei die Hoffnung auf materielle Vorteile (lucri spes), die Rhetor und Notar vor allen übrigen Amtsträgern im Patriarchat - hier herrsche das Interesse an gelehrtem Austausch vor - der Verhandlung mit Tübingen geneigt mache''^. Allerdings müßte er. Gerlach, es den beiden heimlich geben. Denn einige mißgünstige Leute dächten schon, er besteche sie (me duos istos pecunia demereri), weil sie sich gar so eifrig für die Tübinger einsetzten''^. Gerlach hatte also keinerlei Skrupel, in seiner Strategie auch - teils charakterlich, teils durch die Lebensumstände"'' bedingte - Schwächen der Gesprächspartner auszunutzen. Nicht daß er die Union erkaufen wollte, wie man ihm später vorwarf; in dieser Hinsicht war er ganz von der Durchsetzungskraft der reformatorischen Lehre überzeugt"®. Vielmehr beabsichtigte er, mit finanziellen Mitteln die Voraussetzung dafür zu schaffen, daß diese Lehre überhaupt an die richtige Adresse gelangte: Er wollte erreichen, daß einflußreiche Leute, mit welchen Motiven auch immer, interessiert daran waren, den Kontakt zwischen Tübingen und Konstantinopel aufrechtzuerhalten, ja zu fördern. Mit derselben Sendung wie dieser Brief Gerlachs und die Antwort auf die Confessio Augustana kamen ein Schreiben des Patriarchen an Andreae und

« « " « « ·" "8

Ibd.332. Ibd. Ibd. 336 f. Ibd. 337. Ibd. 338. Ibd.;s.a. G l . T B 2 0 0 . S. etwa C r . TB MS I 336: Die beiden bekämen ein sehr niedriges Gehalt. S. o. S. 80.

Der geschichtliche Verlauf

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Crusius (Mai und zwei des Rhetors, eins an Andreae, eins an Crusius (beide vom 15. 5. 1576)^0. Der Rhetor unterscheidet sorgfältig zwischen dem Rang des einen und des anderen Briefpartners, mit dem er es zu tun hat. Er adressiert Andreae mit „Herr" (αύθεντία)®^, zum einen, weil er dessen Titel als Kanzler und Propst kennt®^ - und ihm entsprechenden, ausnutzbaren Einfluß zuschreibt - , zum anderen, weil er hier von sich aus einen Briefwechsel anfängt. Crusius dagegen ist ihm „der beste aller Freunde" (φίλων άριστε)^^, da er mit ihm bereits in einer Korrespondenz „zwischen Gelehrten" steht. Andreae gegenüber spricht der Rhetor zwei Punkte an: Er stellt fest, es gebe in den meisten (τά πλείονα) und wichtigeren (άναγκαιότερα) Fragen des christlichen Bekenntnisses Ubereinstimmung zwischen Griechen und Tübingern (συμφωνοϋμεν), auch wenn es an manchen Stellen so scheine, als bestehe eine Differenz (εί καΐ εν τισι δοκεί τις είναι διαφωνία)®'*. Ferner betont er seine eigenen Leistungen: seine Rolle bei der Abfassung der Antwort auf die Confessio Augustana und angebliche langjährige Mühen im Dienst Kaiser Maximilians. Aufschlußreich ist nun, wie er diese Aussagen miteinander verflicht: Er habe samt seinem Sohn wesentliches Verdienst um die Schrift des Patriarchen®^. Diese zeige, daß Griechen und Tübinger miteinander übereinstimmten. Also rühme er nun voll Freude den Kanzler und tue ihm kund, daß er, der Rhetor, schon seit mehr als fünfundzwanzig Jahren Kaiser Maximilian bekannt und sein Diener sei (συμφωνοϋμεν . . . έν τοις πλείοσι καΐ άναγκαιοτέροις της χριστιανοίς άνηκούοης ομολογίας . . . Χαίρων ούν επαινώ . . την σην μεγαλόνοιαν [sc. Andreae] . . . καΐ τη ση γνωρίζων τιμιότητι ώς υπέρ τα εικοσιπέντε ήδη έτη γνωστός έιμι καΐ ού μόνον γνωστός, άλλά καΐ πιστός δούλος της ιεράς και θείας του . . . Καίσαρος μεγαλειότητας κυρίου Μαξιμιανοϋ

Dazu s. U.S. 176-178. Der erste ibd. 358-362 (lat. Übersetzung 363-365), Autograph in der Landesbibliothek Stuttgart Cod. Hist. F. 552,4 (danach ediert von Legrand, Notice 181-183); der zweite Cr. TB MS I 366-368 (lat. Übersetzung 369 f.). 51 Ibd. 359 / Legrand, Notice: 182f. " Cr. TB MS I 359 / Legrand, Notice 181 f. Gerlach habe ihm viel von Andreae erzählt. " Cr. TB MS 1366. 54 Cr. TB MS I 360 / Legrand, Notices 182. Dieses Verdienst soll nicht nur in der Mühe um Abfassung und Abschrift bestehen (Cr. TB MS I 361 / Legrand, Notice 183), sondern auch darin, daß die Antwort „auf unseren Druck und unsere Ratschläge hin" (αναγκάσει καΐ παραινέσεσίν ήμετέραις) vollendet worden sei (Cr. TB MS I 359 / Legrand, Notice 182). Crusius notiert (TB MS I 363) am Rand, es handele sich bei dem Pronomen vielleicht um ein Versehen: ήμετέραις posuit. Legendum fortasse ύμετέραις, vestris. Ihm erschien wohl diese Formulierung unangemessen, dem Patriarchen gegenüber ungehörig. Doch sie paßt zu der Intention des Rhetors, seinen Beitrag recht weit in den Vordergrund zu stellen. 5' Legrands Edition verbessert Μαξιμίλίανσυ, doch Crusius' Abschrift ist korrekt, wie das Original in der LB Stuttgart zeigt. 5' Cr. TB MS I 360 / Legrand, Notice 182; s. a. Gl. TB 268.

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Der Briefwechsel

Bereits im letzten Brief des Rhetors hat sich gezeigt, daß er die Tübinger mit dem Wiener Hof in Verbindung brachte®®. Nach diesen Zeilen nun sah er die Korrespondenz mit den Lutheranern sogar als Dienst am Kaiser an und das Gehngen der Korrespondenz, die Feststellung der Eintracht, als besonderen Erfolg in diesem Dienst. Darum preist er Andreae - in seiner Sicht der Dinge der Mittler auf dem Weg zum Kaiser - , und darum rechnet er für sich selbst, wie schon zuvor, mit finanziellem Ertrag. Wie begründet der Rhetor seine Behauptung, daß er Maximilian seit langem der Zeitraum, den er angibt, geht weit hinter die Regierungszeit dieses Kaisers zurück - bekannt und dessen Diener sei? Er schreibt, er habe sich vielen Botschaftern des Kaiserreiches an der Hohen Pforte hilfreich erwiesen „als sein [sc. Maximihans] eigener Diener" (ώς οίκεϊον αύτοϋ δοϋλον)®'. Außerdem habe er vor zehn Jahren eine Reise „zu Euch, d.h. nach Wien" (προς υμάς ήτοι εις Βιένναν) angetreten in Begleitung des Gesandtschaftsleiters (άρχων) Michael Sronuvikios^®, doch die ganze Gesellschaft sei unterwegs angehalten und zurückgeschickt worden®^. Das könne Andreae aus der Kopie eines Briefes ersehen, den er, der Rhetor, vom damaligen Gesandten erhalten habe®^. Es gibt für diese Unternehmung des alten Zygomalas keinen weiteren Beleg. Dennoch sind seine Aussagen glaubwürdig, denn sie passen zu Berichten Gerlachs und dessen Nachfolgers Schweicker von Reiseplänen des Rhetors. Danach hatte er vor, nach Wien zu fahren, sei es, um dort Griechischunterricht zu geben, sei es, um Religionsverhandlungen zu führen^^. Später setzte er sich in den Kopf, nach Tübingen zu reisen, und war nur schwer davon abzubringen®"*. Nimmt man all diese Nachrichten zusammen, so scheint es, daß seine Hoffnungen auf den Wiener Hof dem Kontakt mit den Württembergern schon vorausgingen und hier nun ihre Stunde gekommen sahen. Gegenüber Crusius führt Joannes Zygomalas aus, wie er die Übereinstimmung zwischen Tübingen und Konstantinopel sieht. Anders als gegenüber Andreae, von dem er als der einflußreichsten Person etwas erreichen will, äußert S.O.S. 71.74. Cr. TB MS I 360 / Legrand, Notice 182. Cr. TB MS I 360 / Legrand, Notice 182 in Kombination mit Cr. TB MS 1183 ; es kann sich nur um Michael Czernowicz handeln, der sich zweimal, von 1564 bis 1565 und 1565, in offizieller Mission in Konstantinopel aufhielt (Spuler III, 324 ff.). Zu seiner Zeit waren die Beziehungen zwischen Wien und der Hohen Pforte sehr schlecht, er wurde sogar einmal nach Hause entlassen (ibd. 324). Eine Szene wie die von Joannes Zygomalas geschilderte könnte sich also durchaus mit ihm ereignet haben. Es scheint jedoch keine anderweitige Nachricht davon zu geben. " Cr. TB MS 1360 f. / Legrand, Notice 182. Cr. TB MS I 361 / Legrand, Notice 182. Man sollte schließen, die Kopie liege bei, doch Crusius schreibt nichts davon, was sicher der Fall wäre, wenn er sie gesehen hätte. Sie kann auch nicht verlorengegangen sein, denn der Philologe bekam den Brief als erster in die Hand. " Gl. TB 372. 303; Cr. MS I 480; er stand bereits in brieflichem Kontakt mit dem kaiserlichem Hofhistoriographen, dem bekannten Humanisten Johannes Sambucus (ibd. II 444; Neander, Bedencken(1583),65v). Cr. TB MS 1717; II 57.

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er sich hier näher zu den Differenzen, die bei aller grundsätzlichen Eintracht doch beständen. Er ist der Meinung, daß diese Differenzen zur Gewinnung des vollkommenen (ολως) Konsensus bereinigt werden müssen, also doch nicht einfach Adiaphora sind - daß sie aber andererseits auch durchaus bereinigt werden können: Die Tübinger brauchten sich nur zu „korrigieren", d.h. ihre „fremde, unsinnige Gewohnheit in einigen Punkten" aufzugeben und sich so ganz und gar der griechischen, katholischen Kirche anzuschließen (ραδία ύμϊν ή διόρθωσις, άπαλλαγείσι φημί της ξένης καί παραλόγου εν τισι συνήθειας, και όλως προσελθεϊν και προσκολληΟηναι τη καθ' ήμάς . . . ταύτη καί καθολική εκκλησία)®^. Im übrigen (πλην) sei darauf zu achten, daß man die „Dogmen des untadeligen Glaubens" (τά δόγματα της άμωμήτου πίστεως) ohne Zusatz (προστιθέναι) oder Abzug (άφελέσθαι), kurz ohne Neuerung (άκαινοτόμητον) bewahre, „wie ihn [sc. den Glauben] uns die Augenzeugen und Diener des Wortes von Anfang an überliefert haben" (καθώς αυτήν παρέδωκαν ήμίν οι άπ' άρχής αύτόπται καΐ ύπηρέται του λόγου)®®. Schheßlich stellt der Rhetor aber beruhigend fest, Tübinger und Griechen seien nur durch einen ganz kleinen Abstand voneinander getrennt und beinahe Nachbarn (υμών τε και ημών έγγύς παρ' ολίγον καί πλην ολίγων γειτνιαζόντων), besonders da keine von beiden Seiten mit dem Bischof des Älteren Rom und seiner Kirche übereinstimme, sie vielmehr beide gegen dessen schlechte Gewohnheiten und Mißbräuche (αι κακαΙ αύτοϋ συνήθειαι καΐ παραχρήσεις) eingestellt seien (άντιφέρεσθαι)®''. Patriarch Jeremias geht in seinem Schreiben an Andreae und Crusius®® noch einen Schritt weiter als der Rhetor. Der alte Zygomalas hatte dem Kanzler gegenüber nur von scheinbaren Meinungsverschiedenheiten gesprochen; in seinem Brief an den Philologen war dann schon von wirklichen, allerdings leicht behebbaren Differenzen die Rede, und warnte er vor Neuerungen. Jeremias stellt nun geradewegs solche Neuerungen fest, und zwar sowohl was die Theorie als auch was die Praxis betrifft. Doch er äußert sich optimistisch, daß die Tübinger einlenken würden und so trotz allem Kircheneinheit zu erreichen sei. Crusius war es, der die Antwort des Patriarchen auf die CA sowie die Begleitbriefe als erster in die Hand bekommen hatte®'. Von ihm stammen deshalb auch die ersten Kommentare. Er schrieb an den Herzog, als er ihm die Übersetzungen zuschickte (22. 6. und 23. 7. 1576)"'°, er hoffe, die Griechen „von welchen die Weißheit nit allein anderstwo hin, sunder auch in Germaniam gekummen", würden nun umgekehrt in ihrer „arbeitsaeligkeit [d.h. Mühsal] « Ibd.I366f. " Ibd. 367. " Ibd. S . u . S . 163f. '9 S.O.S. 84. Cr. TB MS I 371 f. bei der Übersendung d er Briefe des Patriarchen, Joannes Zygomalas' an den Kanzler und Gerlachs an denselben sowie des Rhetors an ihn, Crusius; 386 f. bei der des Lehrschreibens.

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Der Briefwechsel

ettwas guts von den Germanis zu seel und leib empfahen: welches dann on zweiffei euwer Fürstlichen Gnaden rhümlich sein wirt"^^. Er, Crusius, habe zuvor nicht gedacht, daß sie so weit „von unser rechten ReHgion seien". Doch Gott möge „ein m a l . . . ettwas in Graecia außrichten. Große ding müssen weil haben." Vielleicht werde Andreae eine Antwort verfassen, die den Griechen „nervöse ex Sacris litteris und (wo es sein kan) auch aus ieren Patribus und Synodis" begegne·^^. Die FormuHerung deutet schon an, was auf der Tübinger Seite ein Hauptzug der weiteren Korrespondenz mit Konstantinopel sein sollte: die Distanzierung von der altkirchlichen Tradition; sie, die man bisher für ein Bindeglied zu den Griechen gehalten hatte, mußte, zugunsten abgelehnter, als Sondermeinungen empfundener Lehren angeführt, mit ihnen als suspekt und partikular gelten - eben als die „ihrer", der Griechen, Väter und Synoden. Abschließend legt Crusius dem Herzog nahe, den Griechen „ein Verehrung . . . für gehabte müh, und das sie . . . es gut mainen und uns heb haben: dieweil sie . . . nottürftig sind", zu senden^^. Noch am 23. 7. schrieb Crusius, nicht ohne Hofprediger Osiander eine kurze Zusammenfassung des Briefes m i t z u t e i l e n A n d r e a e in Sachsen. Dieser hatte mittlerweile die Jeremias' Lehrschreiben begleitenden Briefe aus Konstantinopel, darunter den Gerlachs^^, durch den persönlichen Kurier (proprio nuntio) des Herzogs erhalten - ein Zeichen für das große Interesse, das Herzog Ludwig an den Verhandlungen mit Konstantinopel nahm. Nun ging auch ihm die Tragweite der Beobachtungen Gerlachs auf - doch er reagierte ganz anders, als der Botschaftsprediger und Crusius es getan hatten. Er bedauerte nicht die Konsequenzen für das Verhältnis zu den Griechen, sondern sah kirchenpolitische Gefahren innerhalb Deutschlands heraufziehen''^. Natürlich hätte er größere Ubereinstimmung gern gesehen; doch auch die Aufklärung über die tatsächlichen Verhältnisse sei ihm willkommen - so habe man endlich einmal sichere Kenntnis von der griechischen Religion (ut nobis aüquid certi de religione Graeca constet)''''. Nur auf eines müsse man, zumal wenn Crusius das Schreiben des Patriarchen ins Lateinische übersetze, unbedingt achten: daß es nicht in die Hände Dritter gerate. Wenn das geschähe, könnten neuerhche Verleumdungen (novae calumniae) entstehen, et impedire institutum nostrum, pium et sanctum: in quo ad mortem usque laboro - und das gerade jetzt, da die Verhandlung, in der er, Andreae, stehe, weitgehend geglückt sei''®. Nach seiner Rückkehr wolle er mit Crusius über das Schreiben des Patriarchen und die Antwort darauf beraten. Wenn der Herzog diese Antwort schon eher befehle, ermächtige er, Andreae, Crusius, sie auch in seinem, des Kanzlers, Namen zu verfassen (potestatem tibi facio etiam meo nomine responIbd.372. "Ibd.386. "ibd.386f. Ibd. 387f. " S. o. S. 86-90. Brief vom 9. 7. 1576 aus Augustusburg an Crusius, ibd. 393 f. " Ibd. 393. 'S Ibd. 394.

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dendi)^®. Einige Monate später wird er Zweifel äußern, ob es überhaupt noch sinnvoll sei, den Griechen zu antworten®". Die Reaktion Andreaes ist verständlich. Den Torgauer Konvent (28. 5. bis 7. 6. 1576) glückhch hinter sich, reiste er gerade von Hof zu H o f , um die lutherischen Fürsten zur Annahme des Torgauer Buchs zu bewegen®^ Dieser rastlose Einsatz war ein theologischer und diplomatischer Seiltanz zwischen den lutherischen Lagern. Wenn man Andreae aufgrund der Antwort Jeremias' mit den dort verfochtenen Sätzen in Verbindung gebracht hätte, wären zumindest Mißverständnisse möglich gewesen, vielleicht sogar, etwa in der Frage des Abendmahls, Verdächtigungen, die seine Stellung als Vermittler und Verhandlungsführer unmöglich gemacht hätten. Die Reaktion des Kanzlers mag übertrieben gewesen sein, der Druck, unter dem er in jener Phase seines Lebens stand, macht sie verständlich. Später sollte die VeröffentÜchung der Schreiben Jeremias' tatsächlich zu großen Auseinandersetzungen führen, allerdings nicht unter den Evangelischen, sondern mit Vertretern der römischen Kirche. Es ist aber wohl nicht nur die Situation jener Monate und Jahre, die Andreaes Reaktion erklärt. Für ihn, der sich „usque ad mortem" für die Einheit der Lutheraner abmühte, hatte wohl der Kontakt mit den Griechen von vorneherein die Funktion gehabt, die lutherische Position und Kirche zu stärken. Die Annahme der Ubereinstimmung von reformatorischer und papstfreier östlicher Kirche sollte sich, aus dem Mund der Griechen selbst bestätigt, in der Auseinandersetzung mit Rom bewähren. Die Feststellung, daß jenes Axiom der Realität nicht, wie angenommen, entsprach, schmerzte ihn nicht als solche. Vielmehr beunruhigte ihn der Gedanke, das ganze Unternehmen könne sich nun in dieser oder jener Weise gegen seine Kirche wenden. Anders Crusius und anders Gerlach. Für sie war die Erkenntnis tiefgehender Differenzen gegenüber der griechischen Kirche an sich eine niederschmetternde Enttäuschung. Darum sannen sie nun unermüdlich darauf, jene Differenzen zu beheben, d.h. die Griechen zu bekehren, um auf diesem Weg doch noch die ersehnte Kircheneinheit zu erreichen. Crusius' nach wie vor unverwüstlicher Optimismus zeigt sich gleich im nächsten Brief, den er unmittelbar, nachdem er die Übersetzung des Lehrschreibens aus Konstantinopel fertiggestellt hatte, an den Kanzler schickte (23. 7. 1576)®^. Obwohl ihn dies Schreiben endgültig zu der Einsicht gebracht hat, Graecos ita in multis a nobis dissentire®^, weiß er selbst dieser Feststellung noch etwas Gutes abzugewinnen: Die Griechen würden zwar, wie es scheine, in ihrem Glauben hartnäckig bleiben (pertinaces in sua religione mansuri videntur), doch wer wisse schon, welche Gnade Gott zu welchem Zeitpunkt gebe? Außerdem sei es vielleicht besser so, als daß sie sofort leichthin den Tübingern in allem zustimmten - nam eadem levitate iterum deficere possent. Und wenn die "

Ibd. S. u. S. 104. C r . T B M S I 388-393.

Ί Pressel, D i e fünf Jahre 35-38. " Ibd. 389.

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Der Briefwechsel

Briefpartner nicht bekehrt werden (converti) könnten, dann sei zu hoffen, „andere Graeci möchten ettwan ein stück vom Luther (Deo dante) fressen"®". Damit es dazu komme, schlage er, Crusius, folgendes vor: Andreae solle dem Patriarchen antworten, und zwar in freundlicherweise (humaniter); schließlich seien es die Tübinger, die die Korrespondenz über theologische Fragen gewollt hätten. Anschließend zählt der Philologe einige Punkte auf, von denen er nach der Lektüre des griechischen Schreibens meint, sie müßten unbedingt behandelt werden, allen voran die Frage quantum tribuendum Patribus et Conciliis, quibus ipsi innituntur®®. Noch einmal schärft er Andreae ein, diese Antwort müsse humanissime abgefaßt werden, ohne Tadel der Adressaten (sine reprehensione ipsorum), in Form einer „bloßen Darlegung unseres rechten Glaubens" (tantum simplici nostrae orthodoxiae expositione), nachdrücklich, aber kurz (nervosa nec longa), gestützt auf die Schrift und gelegentlich auch auf „ihre Väter und Konzilien" (ipsorum Patres et Concilia), wo etwas Brauchbares darin zu finden sei (ubi aliquid haberi poterit)®^. Zum anderen möge Andreae für Geschenke sorgen. Der Patriarch sollte „ein kleines Geschenk" (aliquod munusculum) bekommen, der Rhetor und der Notar aber, die sich um die Antwort auf die Confessio Augustana sehr verdient gemacht hätten, sollten eine Belohnung und ein Geschenk (μισθός et honos aliquis) erhalten, „damit wir uns in Zukunft auch wieder ihres Wohlwollens bedienen können". Da weder er, Crusius, noch Andreae reich sei, solle der Kanzler den Herzog zur Übernahme der Kosten bewegen; das werde nicht schwer sein, denn „seine Hoheit ist an diesen griechischen Angelegenheiten offenbar sehr interessiert" (Celsitudo eius cupida rerum harum Graecarum videtur)®·'. Im übrigen hätte er, Crusius, gern nähere Auskünfte von Andreae darüber, was er in beider Namen derweilen nach Konstantinopel schreiben solle®®. Diesem Brief legt der Philologe einen Zettel bei, welcher sich mit einem Problem befaßt, das das Schreiben des Patriarchen aufgibt®^. Jeremias behaftet dort®" die Tübinger auf ihrer in einem früheren B r i e f e getanen Äußerung, sie stimmten mit den altkirchlichen Synoden überein. Crusius kann nicht umhin zuzugeben, daß diese Äußerung gefallen ist. Doch am liebsten würde er sie ungeschehen machen, da es gerade solche Synoden sind, worauf sich die Griechen für viele ihn schockierende Lehren berufen. So entwickelt er Andreae gegenüber eine ganze Reihe von Argumenten zur Entschärfung jenes faux p a s von Argumenten übrigens, die später in der Kontroverse mit römischen Theologen über den Briefwechsel zwischen Tübingen und Konstantinopel wieder aufgenommen werden sollten®^. Zunächst zitiert er die nun peinhche Aussage Ibd. 390. Ibd. 389. Ibd. 8' Ibd. 391-393. S.O.S. 61.

8« Ibd. 390. Ibd. 391. DkS 1444. "S.U.III3

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noch einmal im Kontext'^. Man spürt geradezu, wie sich ihm bei der Abschrift die Feder sträubt, so daß er die entlastungheischenden Sätze an den Rand und zwischen die Zeilen der Tagebuchkopie kritzelt: Cancellarius tunc ea legens, non i m p r o b a v i t . . . et epistolam mecum obsignavit. Mihi tunc non admodum notae erant illae synodi^'*. Noch eine zweite Entschuldigung merkt er am Rand an: Initio, humanius et ήθικώς cum ipsis agere voluimus, sie scribentes: ne sciHcet durius loquentes έξ άρχής statim ipsos aüenaremus'^. Dieser Satz geht zweifellos zu weit, so verständlich auch die Motive sein mögen. Daß sich dieTübinger um Verbindlichkeit bemühten, zeigt schon der Stil ihrer Briefe; daß sie den Griechen theologisch so weit wie möglich entgegenkommen wollten, wird ebenfalls deutlich. Zu sachlichen Zugeständnissen wider ihre eigene Überzeugung führte dies Bemühen jedoch in keinem ihrer Schreiben. Crusius' Verlegenheit war offenbar so groß, daß er um jeden Preis nach Entschuldigungen suchte. Weder das Eingeständnis, die umstrittene Aussage sei bloß taktischen Uberlegungen entsprungen, noch die Erklärung, die Tübinger hätten damals von den Synoden nur wenig gewußt, wäre gegenüber den Griechen ein gutes Argument gewesen. Für diese Front'® gibt Crusius deshalb Andreae einige Hinweise an die Hand, wie man seiner Ansicht nach jenen Satz durch entsprechende Auslegung doch noch „hoffähig" machen könne. Der Kontext spreche von der notwendigen Unterscheidung zwischen zentralen und nebensächlichen Punkten des Glaubens. Das heiße aber, daß auch die Zustimmung zu den Konzilien nur unter diesem Aspekt gemeint gewesen sei. Genaugenommen habe dabei nur das Thema „alleinseligmachender Glaube" zur Debatte gestanden; irgendwelche „abergläubischen" oder dem Glauben widersprechenden Zusätze, von wem auch immer „angeklebt" (si quae superstitiose aut contrarie adglutinata a quibusdam sunt), seien von vorneherein und generell ausgeschlossen gewesen'''. Die vorbehaltliche BiUigung (non άπλώς καΐ καθόλου sed quatenus non repugnent verbo Dei) drücke ja schon die Confessio Augustana aus, die der Patriarch in Händen habe'®. Am Rand notiert Crusius ein historisches Faktum, das es ermöglichen sollte, den Satz der Tübinger von der Zustimmung zu allen sieben Konzilien angesichts der genannten "

Cr. T B MS 1391 f. Ibd. 392. Ibd. Er überschreibt zwar diese Argumente mit dem Satz: hoc ego pro me sic excuso (ibd. 392), doch das nur aus Bescheidenheit, denn Dignitas Vestra [sc. Andreae] multo melius [sc. hoc excusabit]. Gedacht ist der Zettel als Hilfestellung, ut Dignitas Vestra cautius respondere possit (ibd. 391). " Ibd.392. " Ibd. 393. In diesem Sinne schreibt Crusius nun auch an den Rand der Tagebuchkopie jenes Briefes (ibd. 83): N o n tamen άπλώς (quia in 7.' est Sanctorum invocatio) hoc intelligendum [sc. daß wir den von den Ökumenischen Synoden überheferten Glauben bewahrten], nicrtiv tantum in Christum", d.h. nur soweit hier der Glaube an Christus weitergegeben worden sei.

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Der Briefwechsel

Kriterien zu halten: Auf jeder der Ökumenischen Synoden sei - unter einem Gemisch von Aussagen verschiedenen Wertes®® - wenigstens das Nizänische Glaubensbekenntnis bestätigt worden. Das aber sei der zentrale Glaube, um den es dem Tübinger Brief gegangen sei^"". Im übrigen habe man ja - ein Rettungshaken, den der Wortlaut des peinlichen Briefes selbst an die Hand gibt - dem umstrittenen Satz vorsorglich hinzugefügt, man halte sich an den Glauben, der u. a. von den Ökumenischen Konzilien überliefert worden sei, „soweit wir Einsicht darein haben" (οσον ήμάς γε συνιέναι: quantum nos quidem intelligere possimus)^°^. Nach wie vor war es also Andreae, von dem man die Verhandlungsführung, d.h. in der jetzigen Phase die Antwort auf das Lehrschreiben des Patriarchen, erwartete, obwohl mittlerweile feststand^^^^ daß der Tübinger Kanzler für mehrere Jahre zur Kirchenreform in Sachsen sein werde, ut Lutherum ibi resuscitet mortuum^"^. Doch auch die erhebliche Verzögerung und Erschwernis der Kommunikation, die dadurch entstand, daß sich nun der württembergische Korrespondenzpartner in drei voneinander entfernte Instanzen auffächerte - Tübingen, Stuttgart und Sachsen - , brachte niemanden dazu, Andreae die theologische Führerschaft in dem Unternehmen abzusprechen. Es sollte sich allerdings in den nun folgenden Monaten trotz allem ergeben, daß der Tübinger Kanzler aus ihm ausschied - die Kommunikationsschwierigkeiten und seine Arbeitsüberlastung waren zu groß, hinzu kam, daß sein Interesse an dem Briefwechsel abnahm, seit er tiefgehende Differenzen zwischen Tübingern und Griechen wahrgenommen hatte^'"^. N o c h war es aber nicht so weit, noch erwartete man von ihm die Fortsetzung der Verhandlungen. Crusius, der ihm die gerade zusammengefaßten Ratschläge für eine Antwort an Jeremias gegeben hatte, drängte, er solle nach Konstantinopel schreiben^*'®, ebenso und häufiger noch Gerlach^o®: Der Patriarch warte " Ibd. 393.

^00 Ibd. 392.

Ibd. 393, s. o. S. 61; am Rand derselben Tagebuchseite führt Crusius noch weitere Entlastungsargumente an: Er und Andreae hätten geschrieben, sie hofften auf Übereinstimmung in den zentralen Punkten, und solche Eintracht nicht schon konstatiert. Ferner: Man könne als Siebte Ökumenische Synode auch die unter Karl dem Großen gegen den Bilderkuk abgehaltene verstehen. Zum letzten: Gregor von N y s s a habe in der Auslegung des Hohen Liedes einmal gesagt, nur Propheten und Apostel seien die Basis des Glaubens - ob sich die Synoden anders zu äußern gewagt hätten? S. o. S. 81, A n m . 228 u. S. 83, Anm. 254. Cr. T B M S 1425. 1»·· S . o . S . 9 4 f . u . u . S. 104. A m 20.10. 1576 fordert er ihn auf, Gerlach zu schreiben, und zwar Richtlinien für Gespräche mit den Armeniern (Cr. T B MS 1425), von denen Gerlach geschrieben hatte, sie seien weit positiver einzuschätzen als die Griechen (ibd. 406-410; s. a. Gl. T B 203f.); am 4. 2. 1577 drängt er ihn, Jeremias endlich zu antworten (Cr. T B M S 1,449). A m 4. 8. 1576 (ibd. 412), am 20. 10. 1576 (ibd. 498) und am 1. 2. 1577 (ibd. 479), daneben häufig über Dritte.

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dringlich auf Antwort!"'', und er meine es ehrlichia® - anders als die meisten übrigen Griechen, die sich durch die sprichwörtüche fides Graeca auszeichneten^"'. So hätten es etwa Vater und Sohn Zygomalas nur aufs СеИ^^" abgesehen, der Rhetor spreche zudem oft schlecht von der reformatorischen Lehre^^^, einmal habe er sogar offen heraus in seiner, Gerlachs, Gegenwart die Lutheraner als Häretiker beschimpft"^. Im übrigen sehe er sich in den Erwartungen getäuscht, die er in den Kontakt mit Tübingen gesetzt habe. Kürzlich sei er zu ihm, Gerlach, gekommen und habe ihm verkündigt, er werde - auf Befehl des Patriarchen, wie er sage^", aus persönlicher Geldgier, wie Gerlach m e i n t " ' ' nach Wien fahren, um mit dem Römischen Kaiser Unionsverhandlungen zu führen. Als er gehört habe, Wien sei weit von Tübingen entfernt"®, und „der Käyser seye Päbstisch, mit dem unsere Geistliche nichts zu thun, und werd er also in diesem Werck bey ihme nichts außrichten, sprach er: ja, was wissen wir, was oder wo Tübingen sey? Und obschon der Cantzler daselbsten ein großer Mann seyn mag, ist er doch nit das Haupt wie der Käyser""®. Kurz - um die Motive der beiden Zygomalas, besonders des Rhetors, stand es nicht zum besten, doch Gerlach schärfte den Leuten daheim, wie schon früher, auch jetzt wieder ein, man müsse sie belohnen, ihr Einfluß sei sehr g r o ß " ' ' . Baldige Reaktionen, eine Antwort an den Patriarchen und Geld für Rhetor und Notar, seien um so notwendiger, als die Lage am Bosporus, was die Korrespondenz mit Tübingen angehe, zunehmend schwieriger werde. Daß er, Gerlach, nicht mehr lange hier sei, stehe nun endgültig fest, und Ungnads Nachfolger werde vermutlich ein „Papist" sein, so daß man vielleicht in seinem Stab keinen Brückenkopf finden könne!'®. Überdies habe die römische Kirche in Konstantinopel eine Kampagne gegen die reformatorische Bewegung in Gang gesetzt. Nach Ostern sei in Galata ein Dominikaner aufgetaucht mit dem Titel eines Generalis totius Orientis, der in päpstlichem Auftrag und mit der Vollmacht, Ablaß zu erteilen, die romtreuen Kirchen im Osten reformieren sollte. Er habe alle Bücher geprüft, ob vielleicht lutherische darunter seien, und in diesem Fall die Besitzer mit der Drohung der Exkommunikation gefügig gemacht"^. Diese Vorgänge gehören in den Rah10' Ibd. 412. 4 4 4 . 4 7 9 . 529. 535f.; vgl. a. Gl. T B 234. 108 Cr. T B MS 1412. 499. " " Ibd.412. Ibd. 4 1 2 . 4 8 9 . Ibd. 498. Ibd. 447; s. a. Gl. T B 240; Näheres o. S. 74 Anm. 185. Cr. TB MS 1 4 8 0 ; Gl. T B 303. Ibd. Cr. T B MS 1480. Gl. T B 303; s. a. Cr. T B MS 1 4 8 0 ; vgl. o. S. 74. 91 f. Cr. T B 412. 479. 498 u.a. Ibd. 4 4 8 ; s. a. 499. 11' Ibd. 4 1 0 f . ; vgl. G . T B 205.

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Der Briefwechsel

men der innerwestlichen Gegenreformation, die im vornehmlich von Italienern bewohnten Calata offenbar Grund zum Einschreiten fandi^"; einige Jahre später sollte man römischerseits den Briefwechsel zwischen Tübingen und Konstantinopel zum Anlaß nehmen, auch unter den Griechen der Stadt gezielte antilutherische Propaganda zu treiben. Auf jeden Fall werden diesen die Vorgänge in Galata nicht verborgen geblieben sein. Vielleicht bestärkten sie die der Korrespondenz mit den Württembergern feindlichen griechischen Kreise^^^ noch in ihrer Haltung gegenüber der Reformation, vielleicht machten sie die Briefpartner im Patriarchat noch vorsichtiger. Doch auch unabhängig von möglichen römischen Einflüssen war die Lage der Korrespondenzwilligen schwierig. Die Türken sähen Verbindungen von Griechen mit dem Westen gar nicht gern^^^, wer solche betreibe, könne leicht bei den Behörden denunziert werden und habe dann mit schlimmsten Strafen zu rechnen!^'.

Diese Lage der Dinge bedrohte auch den Patriarchen. Nicht genug damit, daß er sich wegen seiner Kontakte cum Lutheranis iconomachis et haereticis von einigen beschimpfen lassen müsse^^·*, er stehe jetzt auch in Gefahr, den Thron an seinen Vorgänger Metrophanes zu verHeren, der ihm einst habe weichen müssen^^^ - eine Aussicht, die für die Tübinger die Frage nach ihrem Gegenüber in Konstantinopel im Falle eines Umsturzes stelle^^®. Daß in einer solchen Situation religiöse oder politische Verdächtigungen für ihn existenzgefährdend sein konnten^^'', liegt auf der Hand. Vielleicht erklärt sich daraus das Drängen des Patriarchen, der trotz aller Anfeindungen zu der Korrespondenz mit den Lutheranern stand^^®, auf baldige Antwort aus Tübingen, von dem Gerlach mehrfach berichtet. In dem Fall, daß die Württemberger die Position der Antwort auf die Confessio Augustana übernommen hätten, wäre das für Jeremias ein wirksames Argument gegen viele seiner Gegner gewesen. Andernfalls hätte er sich wenigstens, auch in den Augen seiner Umwelt, klar distanzieren können. Bisher wußte er einfach nicht, woran er war. Darum ließ er den 120 Vgl. a. Gerlachs Bericht von der Feindschaft zwischen christlichen Sklaven in Konstantinopel aus Italien und Spanien einerseits, aus Deutschland und Ungarn andererseits. Die erste Gruppe schikaniere die zweite als Haufen von Häretikern (Cr. T B MS 1473). Vgl. o. S. 75. Ibd. 492. Ibd. 491 f. Das mag der Grund dafür gewesen sein, daß, wie Gerlach berichtet, der Rhetor ihn daran hinderte, dem Metropoliten von Thessaloniki das Augsburger Bekenntnis zu übergeben. Vgl. Gl. T B 210; s. a. Cr. T B MS I 412; denn dieser Metropolit war schon einmal wegen angeblicher Verschwörung mit dem Westen gegen die Regierung denunziert worden (ibd. 491 f. 739). Vgl. u. S. 139, A n m . 3 3 . " " Cr. TB MS 1488. Zu diesen Vorgängen s. u. S. 138. Cr. T B MS 1479. Ibd. 480. " β Ibd. 488.

Der geschichtliche Verlauf

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Tübingern durch Joannes Zygomalas ausrichten er wolle an ihrer Rückantwort sehen, ob es überhaupt einen Gegensatz zwischen Griechen und Lutheranern gebe, und wenn ja, worin er bestehe (εΐ εστι και όποία τις εσται ή της πίστεως διαφορά ή άναμεταξύ ήμών τε και ύμών)^^". Dunkle Wolken genug also über den Kontakten zwischen Tübingen und Konstantinopel, Gerlach zu seinen dringenden Appellen an die Leute daheim zu veranlassen. Die Griechen seien schwer krank (aegrotare, morbus) und brauchten die Heilung (mederi) durch die Tübinger „ Ä r z t e " I n dieser Lage sei auch Andreaes Terminkalender keine Entschuldigung - der Kanzler müsse Zeit haben, den Griechen zu helfen, weil sie noch mehr, wiewohl stumm, darum flehten als die Deutschen in ihren religiösen Nöten (nihil magis a Deo optandum: quam Dignitati Vestrae [sc. Andreae] vel tantum otii a plurimis et gravissimis negotiis concedi: donee Graecis Ecclesiis in medium consulat: quae magis opem vestram, quam ipsa Germania, tacite implorare: et quo periculosius laborant, eo citius et efficacius ipsis succurrendum esse videtur)'^^. Obwohl die Realität ringsum nicht viel Anlaß zu Hoffnungen gab - im Grunde seien Schriften aus Tübingen den meisten Griechen unerwünscht, gälten als sprachlich zu schwierig und voller Neuerungen^^^, eine Antwort Andreaes werde bestenfalls ein wenig (nonnihil, aliquid) Annäherung an die "Wahrheit und Abrücken vom Aberglauben (superstitiones) bewirken man müsse schon froh sein, wenn sich trotz der reügiösen Differenzen freundschaftliche Verbindungen erhalten ließen (si modo in dissensione rehgionis amicitia esse potest) und die Griechen die Lutheraner nicht more Papistarum mit Flüchen (dirae) v e r f o l g t e n - , trotz all dieser deprimierenden Feststellungen hörte Gerlach nicht auf zu drängen. Es gehe hier nicht um ein privates Unternehmen, das man beliebig weiterführen oder fallenlassen könne, sondern um ein Werk, das Gott selbst durch Andreae begonnen und dem er darum zweifellos ein glückliches Ende bestimmt habe (quia . . . Deus hoc opus per vos coepit: absque dubio ei finem optimum destinavit)^^®. Heilung der Glaubenskranken - das war Gerlachs Programm seit jener schockierenden Entdeckung im Haus des Rhetors. Er selbst faßt den Umschwung so zusammen: Man solle sich keiner Täuschung hingeben und sich hinsichtlich der Griechen nicht mehr versprechen, als die wirkliche Lage erlaube (ne amplius quid de Graecis, quam in rei ventate est, poUiceamini), vielmehr könne es nun eben einzig und allein um ärztliche Hilfe gehen^^^. Doch die Theologen daheim, allen voran der Kanzler, dem so hohe Erwartungen galten, teilten Gerlachs Eifer nicht. Die Stuttgarter Kirchenleitung, Brief vom 2 0 . 1 0 . 1 5 7 6 , ibd. 4 9 4 - 4 9 8 . " 0 Ibd. 496. Ibd. 480. " " Ibd. 488. Ibd. 480.

" 1 Ibd. 444. 448. Ibd. 4 8 8 . 4 9 8 . Ibd. 499. Ibd. 448.

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Der Briefwechsel

Oslander und Propst Bidembach, Abt des Klosters Bebenhausen, äußerten nur lapidar, die A n t w o r t an den Patriarchen habe Zeit, auch er habe sich ja nicht beeilt, außerdem hätten sie seine Schrift noch nicht gelesen (3. 10. 1576)^^®. Im übrigen, so Oslander, solle man die Sympathie für die Griechen nicht übertreiben: paupertati et miseriae ipsorum condoleo: sed ñeque ipsorum religionem neque mores probo^^'; und wer wisse schon, so sein Kollege Bidembach, ob sie aus all diesen Übeln jemals wieder auftauchen würden (emergere) Andreae, ohnehin nicht mehr auf dem laufenden - aus irgendwelchen Gründen hatte er das Lehrschreiben des Patriarchen nicht bekommen^'^^ - , äußerte Zweifel am Sinn einer Fortsetzung der Korrespondenz mit idolatres (30. 3.1577)1"^, andere rieten ganz und gar davon ab^''^. Der einzige, der Gerlachs Anliegen teilte, war Crusius. Er bedrängte den Kanzler, bedrängte die Kirchenleitung, sie möchten dem Botschaftsprediger endlich willfahren I'·'·. Doch alles, was er erreichte, war die Zusage, daß die A n t w o r t an Jeremias keine harten Worte enthalten werde^''® und daß die Griechen in absehbarer Zeit Geschenke bekommen sollten^'*^. Der Philologe war verzweifelt: Er wage nicht einmal Gerlach mehr zu schreiben, zumal er vom Kanzler nichts höre^"'''. So verfaßte er wenigstens zwei Briefe an Vater und Sohn Zygomalas (16. 3.1577), um sie während der langen Zeit der Untätigkeit bei der Stange zu halten i'*®. Da er ihnen einstweilen nichts bieten konnte, spielte er wieder die Karte der „fürstlichen Beziehungen" : Die A n t w o r t " 8 Ibd.419. Ibd.481 ( 1 7 . 4 . 1 5 7 7 ) . Ibd.424 8 . 1 0 . 1 5 7 6 ) . '••i Ibd. 482, so am 30. 3. 1577, mehr als ein halbes Jahr nach deren Übersetzung durch Crusius; am 19. 2. hatte er geschrieben, er wundere sich, quia nihil ex Constantinopoli scribatur (ibd. 425) die Verbindung zwischen Stuttgart und Sachsen lief zu jener Zeit zumindest in dieser Angelegenheit sehr schlecht. Vermutlich erhielt Andreae zu guter Letzt doch eine Abschrift, und zwar wohl zusammen mit der ersten Tübinger Antwort (s. S. 105). So ließe sich übrigens am besten die Herkunft der Kopie der lateinischen Übersetzung des ersten Lehrschreibens aus Konstantinopel erklären, die sich früher in der Berliner Staatsbibliothek befand und heute in der Biblioteka Jagiellonska in Krakau liegt (s. Literaturverzeichnis). Die Kopie stammt von Crusius' eigener Hand (so ein Zusatz von dritter Seite unter dem Titel; das zeigt sich aber vor allem daran, daß die Schrift der entspricht, mit der Crusius in sein Tagebuch schöne Kopien einträgt; gelegentlich gibt es auch einmal einen kommentierenden Zusatz am Rand in seiner „Alltagsschrift"). Der einzige, dem Crusius eine solche Abschrift geschickt haben kann, war aber Andreae; sie wäre dann schließlich von Sachsen nach Brandenburg geraten. Man kann natürlich auch annehmen, die Kopie gehöre zu denen, die für den württembergischen Hausgebrauch angefertigt wurden, und sei auf Wegen nach Nordosten gelangt, die mit den theologischen Verhandlungen nichts zu tun hatten. 1 « Ibd. 482, s. U.S. 104. 1 « Cr. TB M S 1499. " " Ibd. 49.450. 1 « So Bidembach am 8. 10.1576 (ibd. 424). So Bidembach und Oslander am 3 . 1 0 . 1 5 7 6 (ibd. 419). 1··' So am 4. 2. 1577 an Oslander (ibd. 450). i " Ibd. 451--t53 und 454-457.

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des Patriarchen sei ihnen, den Tübingern, vom Herzog (άρχων) übermittelt worden^''', und er, Crusius, habe sie für den Hof übersetzt^®". Daß noch keine Erwiderung möglich sei, liege an Verpflichtungen, die Andreae beim Kurfürsten (έλέκτωρ, έπταπρώτος) von Sachsen zu erfüllen habe^^^; dieser gehöre zu dem Kreis der Sieben, die den Römischen Kaiser wählten (έπτά είσι το του ρωμαί;ον αυτοκράτορα χειτοτονείν κύρος εχοντες)^^^. Immerhin könne der Protonotar demnächst mit einer Belohnung rechnen; wenn er gar noch ein handschriftliches Werk für den Herzog verfasse, etwas Geschichtliches z.B., werde er sicher besonders viel zu erwarten habeni^^ - ein solches Geschichtswerk war ein Lieblingswunsch des Philologeni®·*. Monate gingen ins Land, ohne daß irgend etwas geschah. Das Schreiben des Patriarchen lag seit Juni 1576 auf dem Tisch, man schrieb längst das Jahr 1577, da griff im April der Herzog ein. Er bestimmte, Jeremias sei eine teurere, kompliziertere Uhr zu schicken, den Zygomalas je eine billigere, alle drei in klingende Münze umsetzbar^^^. Diese Geschenke sollten allerdings nicht in Ludwigs Namen geschickt werden, sondern in Andreaes und Crusius' tamquam a privatis hominibus profecta [sc. munuscula] et non a tenentibus regiones!^''. Die in Jeremias' Schreiben zum Ausdruck gekommenen Differenzen zwischen lutherischer und griechischer Theologie ließen es dem Herzog offenbar geraten erscheinen, seine aktive Rolle in den Verhandlungen mit Konstantinopel geheimzuhalten, diesen den Anschein einer reinen Privatangelegenheit der beiden Tübinger zu gebeni^s - ein Bestreben, das Erwartungen, wie sie in Konstantinopel zumindest von Rhetor und Protonotar, vermutlich aber auch von Jeremias^^^ gehegt und von Crusius bewußt genährt wurden, vöUig zuwiderüef. Zweitens befahl Ludwig, es solle nun eine kurze und kräftige (breve et nervosum) Antwort auf das Schreiben Jeremias' verfaßt werden, und zwar von Oslander!^". Sofort machte sich der Hofprediger an die Arbeit, wie er Crusius Ibd.451. Ibd. 455. 151 Ibd. 452. 455. Ibd. Der Hinweis auf Andreaes Verpflichtungen beim sächsischen „Kurfürsten" findet sich auch in der Einleitung zur ersten Tübinger Antwort, allerdings ohne daß die besondere Stellung dieses Amtes im Kaiserreich angesprochen würde (Acta 147); vom Interesse des Herzogs an der Korrespondenz ist natürlich (s. den folgenden Exkurs) gar keine Rede. 1 " Cr. TB MS 1455 f. S. z.B. ibd. 291. 515; die beiden in Buch I und II der Turcograecia veröffentlichten Historiae zeigen, daß der Wunsch in Erfüllung ging. 15' Ibd. 481. 500 (von Joannes ist an der ersten Stelle nicht die Rede, was ein Versehen sein muß). Ibd. 481; s . a . 501. 506. 15' Ibd. 514. 158 Crusius vermutet auch, daß die Geschenke größter ausgefallen wären, wenn der Patriarch ein Buch geschickt hätte, quod έ κ τ υ π ω ^ ν α ι potuisset (ibd. 506). 159 S. U.S. 111 f. Ibd. 481.

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Der Briefwechsel

versicherte (17. 4. 1577), in ganz und gar friedfertigem Geist (placidissime), „so daß es nichts gibt, was den Patriarchen von der Erkenntnis der Wahrheit abschrecken kann" (ut non sit, quod eum [sc. Jeremias] deterreat a veritatis cognitione); er wolle nicht so sehr eine Widerlegung (confutatio), wie eine Bekenntnis- und Verteidigungsschrift freundlichster Art (confessio et apologia humanissima) verfassen. Schließlich seien ja die Griechen nicht als Feinde zu betrachten (non enim hostium loco sunt habendi)^®^. Für seine Arbeit sah sich Oslander nach Werken griechischer Kirchenväter um, weil er ein paar Zitate daraus einflechten wollte - wenige (pauca) allerdings, wie er sogleich hinzusetzte 162 Crusius atmete auf, endlich ging es weiter. Umgehend bot er Oslander seine Dienste an (23. 4. 1577), er könne ihm seine Kirchenväterausgaben zur Verfügung stellen, aber ebensogut auch selbst bei der Ubersetzung des Schreibens ins Griechische Zitate einfügeni®^. Dann tat der Philologe einen auf dem Hintergrund alles Bisherigen erstaunlichen Schritt, der sich nur aus seiner Sorge um den endlich wieder bevorstehenden Fortgang der Korrespondenz erklären läßt: Er bemühte sich, Andreae auszuschalten. Es scheine ihm geraten, so erklärte er Oslander, dem Kanzler die Antwort Jeremias' auf die Confessio Augustana nicht nach Sachsen zu schicken. Andreae - er habe gerade einen Brief von ihm erhalten - sei zu beschäftigt (occupatus); ihn einzubeziehen, würde daher nur heißen, die Erwiderung an die Griechen einer Verzögerung (mora) auszusetzeni®"». Dieser Ratschlag steht in glattem Widerspruch zu eben dem Brief, den er erwähnt. Darin nämlich schreibt der Kanzler (30. 3. 1577), er habe Oslander jetzt noch einmal gebeten, ihm die Antwort des Patriarchen doch endlich zu schicken. Von deren Lektüre wolle er sein Urteil abhängig machen, ob eine Fortsetzung der Korrespondenz überhaupt sinnvoll sei; wie er die Sache im Augenblick einschätze, halte er das für zweifelhaft (dubito . . . num eis respondendum sit. Videbo tamen, ubi responsum legero)!®®. Wenn Crusius diesen Wunsch Andreaes einfach unterschlug, ja Oslander gegenüber suggerierte, der Brief habe den gegenteiligen Sinn, und so rückwirkend noch die Bitte des Kanzlers an den Hofprediger, ihm Jeremias' Schrift zu schicken, widerrufen sein ließ, wenn der Philologe also in dieser Weise über den Schatten seiner sonst grenzenlosen Loyalität Andreae gegenüber sprang, dann sicher nicht nur aus Angst vor Verzögerung, sondern weil er fürchtete, daß die Lektüre der Schrift aus Konstantinopel den Zweifel des Kanzlers zur Ablehnung verstärken, ein negatives Urteil seiner Autorität aber das Ende des Unternehmens bedeuten würde. Oslander arbeitete schnell, schon nach wenigen Wochen war die Antwort fertig. Auf Befehl des Herzogs sollte die Schrift von den führenden Theologen 1 " Ibd. 482. 1 " Ibd. 483.

Ibd. Ibd.

Ibd. 482.

Der geschichtliche Verlauf

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Württembergs und Crusius geprüft werden. So trafen sich am 5. und 6. Mai Heerbrand, Schnepf, Osiander, Bidembach und Crusius im Kloster Bebenhausen bei Tübingen Gemeinsam ging man Osianders Werk Punkt für Punkt durch - er selbst trug es vor, Crusius las in einem zweiten Exemplar mit, die übrigen hörten zu und machten Ergängzungsvorschläge. Anschließend verfaßte Schnepf einen Begleitbrief an den Patriarchen^^''. Crusius wurde mit der Ubersetzung beider Schreiben beauftragt. Außerdem beschloß man, Andreae eine Kopie der Antwort Osianders zu schicken, ob er damit zufrieden sei usw. (num hac responsione acquiescat etc.)^^®. Nach zweieinhalb Wochen hatte Crusius die Ubersetzung abgeschlossen (24. 5. 1577)^®^. Er schickte sie Osiander zur Durchsicht und Korrektur"" und mit der Bitte um weitere Instruktionen: praescribat mihi τα πρακτέα, z.B.: Wer solle anstelle des Kanzlers unterschreiben? In welcher Weise solle man die Geschenke erwähnen? Im übrigen sollte nach Meinung der Tübinger weiterhin eine Anrede für den Patriarchen gebraucht werden (ή άγιότης σου), mit der nur er, nicht der gesamte Klerus, sich angesprochen fühlen könne - vielleicht eine Reaktion auf den Kontrast zwischen Jeremias und seiner Umgebung, den Gerlach gezeichnet hattei^^. Da Osiander sich wohlwollend äußerte, aber keine Anweisungen gab, ergriff Crusius erneut die Initiative und teilte ihm mit, nach Meinung der Tübinger Theologen solle er, der Hofprediger, unterschreiben^''^, der angemessene Titel liege auf griechisch bei^''^. Heerbrand wolle in das Schreiben für die Griechen noch ein paar Väterzitate einfügen^^'^. Außerdem fände er, Crusius, es gut, wenn Osiander sein Kapitel über die Anrufling der Heiligen um einige Bemerkungen zu der Frage erweiterte, ob die Heiligen nach ihrem Tod Menschen erschienen, Wunder täten etc. Gerlach habe nämlich berichteti''®, der alte Zygomalas glaube dergleichen. Der Hofprediger nahm die Erweiterung umgehend vori''^. N u n ging alles sehr schnell. Crusius schrieb die ganze Antwort noch einmal ab, ebenso die Briefe an den Patriarchen und an die beiden Zygomalas. Dann ließ er sie Osiander bringen, der sich gerade mit dem Herzog auf der Tübinger Bericht von der Zusammenkunft ibd. 499-501. Ibd. 500; der Brief selbst ibd. 517-521 / Acta 144-146 (18. 6.1577), S. u. S. 198. Cr. TB MS I 500. Die Einleitung des Lehrschreibens führt Andreae als Mitverfasser auf (Acta 147); dahinter steht vermutlich dieselbe Absicht, den Eindruck der Kontinuität sicherzustellen, wie hinter Crusius' ähnlich lautender Lüge in seinem beiliegenden Brief an Joannes Zygomalas (s. u. S. 106). Die Fiktion wird allerdings nicht aufrechterhalten : Zwar entschuldigt „Andreae" die Verzögerung der Antwort mit seinem Aufenthalt in Sachsen in der Weise, als sei er nun wieder daheim, dann aber unterschreibt Osiander im Namen des Kanzlers, der noch in Sachsen, also an der Abfassung der Antwort gerade nicht beteiligt gewesen sei. Ibd. 504. " » I b d . 510. i ' i Ibd. 511; vgl. O.S. 98 f. Ibd. 511. Ibd. 512. Ibd. 513. Ibd. 447. Ibd. 513.

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Der Briefwechsel

Burg aufhielt. Am 16. Juni wurde er zum Essen dorthin bestellt, anschließend unterzeichneten der Hofprediger und er die Schrift und den Brief an Jeremias, nicht ohne daß der Herzog Einblick genommen hatte. Einen Tag darauf ging das ganze Bündel bereits nach Stuttgart ab^'^''. Was steht in den Briefen, die Crusius beilegte? Gerlach (16. 6. 1577)^''® wird beruhigt, das Schreiben an den Patriarchen sei maßvoll und ehrfürchtig. Die Tübinger seien weit entfernt von einer feindseligen Einstellung den Griechen gegenüber, sie hätten vielmehr Mitleid mit jenem Volk, das neben der politischen Knechtschaft auch noch religiöse Irrtümer erleide (abest, ut theologi nostri ab ipsis [sc. den Griechen] ánimos habeant alienos: ut potius misereantur eorum, in Servitute versantium temporali et erroribus religionis). „Natürlich lieben wir sie (dihgimus) und wünschen ihnen Gutes im leiblichen und im geisthchen B e r e i c h . W a s die mitgeschickten Geschenke betreffe, solle Gerlach darauf achten, daß sie wirkHch nur Andreae und ihm, Crusius, zugeschrieben würden und auf keinen Fall einer pohtischen Größe^®". Dementsprechend schreibt der Philologe auch an jeden der beiden Zygomalasi®^: δέχοιο το ώρολόγιον: ö νυν о τε κύριος καγκελλάριος, καΐ εγώ, σοΙ πέμπομενΐ®^. Die Karte der „fürstlichen Verbindungen" war ein für allemal aus dem Spiel gezogen, doch nun konnte Crusius ja den handfesten Beweis erbringen, daß der Kontakt mit Tübingen sich für Rhetor und Notar auszahlte, und dieser Beweis war Anreiz in sich selbst. Weiter teilt der Philologe Joannes Zygomalas mit, Andreae sei zwar abwesend, doch hätten sie beide sich in ununterbrochenem Briefwechsel hinsichtlich der Antwort an den Patriarchen abgestimmt^®^, so daß er, Crusius, für beide schreibe^®'*. Diese Behauptung steht in glattem Widerspruch zu den Tatsachen; Crusius wollte offenbar verhindern, daß die Griechen den Eindruck gewinnen konnten, auf Tübinger Seite herrsche keine Kontinuität in den Korrespondenzbeiträgen. Im übrigen macht er einige erklärende und werbende Bemerkungen zum Problem „Schrift und Tradition", das die Antwort an Jeremias ausführlich behandelt. Die Tübinger seien voller Freude über die Eintracht mit den Griechen in so vielen wichtigen Fragen^®^. Noch erfreuhcher aber sei es, daß der

Ibd. 513.528. Brief ibd. 514-517. Ibd. 514. 180 Ibd. Ibd. 522-526 an Joannes, 527f. an Theodosios; beide Abschriften tragen das D a t u m 18. 6. 1577, was ein Versehen sein muß, da Oslander die Briefe schon am 17. 6. nach Stuttgart mitnahm (s. Text); dasselbe gilt für den Brief an Jeremias. Daß Crusius' Angaben über die Daten der P r ü f u n g auf der Burg, der Unterzeichnung und der Absendung falsch sind, ist ausgeschlossen, da er schreibt, das Essen mit dem H e r z o g auf der Burg habe an einem Sonntag stattgefunden (ibd. 513) - der 16. Juni 1577 war in der Tat ein Sonntag (Capelli 69). Ibd. 528. 526. i»' Ibd. 523. 18" Ibd. 522. Ibd.

Der geschichtliche Verlauf

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Rhetor den Grundsatz ausgesprochen habe^®®, man dürfe den „Dogmen des untadeHgen Glaubens" nichts hinzusetzen noch etwas davon abziehen, sondern müsse ihn ohne Neuerung bewahren, wie „die Augenzeugen und Diener des Wortes von Anbeginn" ihn „überhefert hätten" Sie hofften zuversichthch (πάνυ ευέλπιδες έσμεν), daß sie nur vorbrächten, was sie „von den Augenzeugen und Dienern des Wortes von Anfang an" gelernt hätten „und von den Leuten, die mit ihnen übereinstimmten" (καΐ [sc. παρά] των τούτοις συνωδών) - eine gezielte Erweiterung, die die Worte „Augenzeugen und Diener von Anbeginn" auf die Apostel beschränkt und ihnen die Tradition entgegensetzt, während der Rhetor mit seiner Formulierung dies Problem in der Schwebe gelassen und ein übergreifendes Verständnis jener Worte offengehalten hatte. Mit dem zitierten Satz, so fährt Crusius folgerichtig im Sinne seiner Interpretation fort, drücke Joannes die Meinung aus, daß man allein (μόναις) den prophetischen und apostolischen Schriften folge, den Vätern und Synoden aber nur, soweit sie damit übereinstimmten. „Denn unzweifelhaft sind die göttlichen Schriften ganz und gar unfehlbar (τά μέν γάρ θεσπέσια γράμματα πάντη πάντως άπλανή . . . άναμφίβολον), die Menschen aber bauen nicht nur Gold, sondern manchmal auch - wenn sie den Blick von der Bibel abwenden - Rohr auf den Grund, der gelegt ist, Jesus Christus."^®® Die Griechen würden zu der Überzeugung kommen, daß die Tübinger „der katholischen, orthodoxen Kirche ganz und gar nicht fremd seien" (της καθολικής καΐ ορθοδόξου εκκλησίας ήμάς μηδαμώς άλλοτρίους είναι), wenn sie sähen, wie sehr die Briefpartner sich nach der Wahrheit richteten - jener Wahrheit, um deretwillen sich die Anhänger der Reformation von R o m getrennt hätten und dort zutiefst gehaßt würden^®'. Ja, sie würden diese Leute gegen die Verleumdungen der „Papisten" in Schutz nehmen mit den Worten, hier handele es sich um Christen, die nicht menschliche Gedanken vorbrächten, sondern aus den „alten und ersten Quellen" (άρχαϊαι και πρώται πηγαί) schöpften und sich hinter unwiderleglichen Schriftbeweisen verschanzten (άναντιλέκτοις έκ των θεσπεσίων γραφών άποδείξεσιν ώχύρωνται)^'°. So werde den ungerechten Schmähungen der Reformation von römischer Seite die Verteidigung (συνήγορον) von griechischer gegenüberstehen^'^. Der Punkt der antirömischen Gemeinsamkeit ist Crusius so wichtig, daß er am Ende seines Briefes noch einmal darauf zurückkommt: Er freue sich über die Versicherung des Rhetors, beide, Griechen und Tübinger, kämpften gegen die „unsinnigen Lehren und Übertretungen des Papstes" (αι του Πάπα άτοπίαι και παραβάσεις)ΐ92.

Vgl.O.S.93. Cr. ТВ MS 1522f. Ibd. 524. 191 Ibd. 524f.

"β Ibd. 523f. 190 Ibd. 192 Ibd. 525f.; vgl. о. S. 93.

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Der Briefwechsel

Exkurs: Die Kirchenpolitik Herzog Ludwigs von

Württemberg

Wie sich gezeigt hat, spielte Herzog Ludwig von Württemberg für den Briefwechsel der Tübinger mit Patriarch Jeremias eine wichtige Rolle, und zwar auf allen Stufen, von der Entsendung Gerlachs über die Zeit der Unionshoffnungen bis zur Phase der Bekehrungsabsichten: Er deckte die Unternehmungen seiner Professoren und Hoftheologen, sprach einzelne Schritte mit ihnen ab und scheute auch finanzielle Aufwendungen Geschenke für die Griechen, Druckkostenzuschüsse, Belohnungen für Crusius' Ubersetzungsarbeiten - nicht. Ludwig wurde erst 1578 mündig, doch schon seit 1575 übte er de facto die Regierung eigenverantwortlich aus'; die Veränderungen seiner Position bedeuteten keinen Bruch in seiner Unterstützung für die Kontakte mit Konstantinopel, so daß man schließen kann, seine Einstellung dazu sei bei ihrem Beginn, als er noch unter Vormundschaft stand, nicht anders gewesen als später, da er offiziell regierender Herzog war. Es ist natürlich nicht möglich auseinanderzulegen, wieweit hier sein persönliches Engagement reichte und wieweit er den Plänen seiner kirchlichen Umgebung - der Tübinger Theologen, vor allem Andreaes, und der Stuttgarter Kirchenleitung, an der Spitze des Hofpredigers Oslander^ - , vielleicht auch seiner politischen Berater^ folgte. Jedenfalls war er es, der im Rahmen des landesherrlichen Kirchenregiments die Letztverantwortung trug. Und er trug sie nicht nur als unterschreibende Marionette. Denn obwohl die württembergischen Theologen dank der kirchlichen Gesinnung ihrer Herrscher, z.T. auch durch ihre starke Stellung in der Landschaft·* unter den Herzögen Christoph und Ludwig im politischen Bereich eine einflußreiche Rolle spielten, war dieser Einfluß doch durchaus nicht unbegrenzt und Schloß auch Zusammenstöße nicht aus. Das gilt auch für die Regierungszeit Herzog Ludwigs, der beileibe nicht jener pfaffenhörige Trunkenbold war, als den ihn die Literatur gern dargestellt hat, sondern „von politischen Möglichkeiten und Erfordernissen eine klare, sehr bestimmte Meinung besaß"®. Persönlich sehr fromm® und um das Wohlergehen der Kirche bemüht, trug er doch keine Scheu, wenn er es für richtig hielt, über die Interessen der Prälaten hinwegzugehen'. Vor allem aber hatte er, an allen geistigen und kulturellen Fragen interessiert, ein hohes Maß an theologischer Bildung und ein eigenständiges theologisches Urteil®. Es ist bezeichnend, daß er von sich selbst bekannte, er habe „nicht bald ein Scriptum von seinen Theologis ausgehen lassen, er habe es denn vorher übersehen"' - ein Satz, der zeigt, daß sein Interesse an der Korrespondenz mit Patriarch Jeremias sicher auch ihrem Inhalt galt.

» Grube 238. ^ Von großem Einfluß war auch Eberhard Bidembach, A b t von Bebenhausen (ibd. 237). ^ Hier wäre f ü r die Zeit der Vormundschaft vor allem an den Statthalter Graf Heinrich von Castell (ibd. 237) und f ü r die eigentliche Regierungszeit an Melchior Jäger (vgl. Stalin 793) zu denken. " Vgl. Grube 2 2 6 f . 2 3 7 . 2 4 4 . 5 Ibd. 239. ' Vgl. den geradezu seelsorgerlichen Brief, in dem der Herzog Andreae persönlich Trost zuspricht angesichts seiner Schwierigkeiten in Sachsen (10. 11. 1579 - H S t A Stuttgart A 63 Bü 55). ' Grube244;Stälin821f. ® Vgl. die langen Erörterungen über die Ubiquitätslehre in seinem eigenhändigen Brief an Landgraf Ludwig von Hessen v o m 18. 4 . 1 5 7 9 (HStA Stuttgart A 6 3 Bü55). « Zitiert nach Stalin 819.

D e r geschichtliche Verlauf

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Diese Charakteristik ist im Auge zu behalten, wo es um Ludwigs konfessionspolitische Aktivitäten geht. Die siebziger Jahre des sechzehnten Jahrhunderts waren eine schwierige Zeit für den Protestantismus. In sich gespalten, stand er einer römischen Kirche gegenüber, die aus dem Konzil von Trient innerhch gestärkt und nach außen schlagkräftig hervorgegangen war. Nach dem T o d Kaiser Maximilians II. wehte auch aus Wien ein anderer Wind. Die Bartholomäusnacht versetzte den Evangelischen aller Färbungen einen ungeheueren Schock, und sie verfolgten den Konfessionskampf in den Niederlanden mit bangem Interesse: Sollte ihnen in Kürze dasselbe Schicksal drohen? Es erhoben sich Stimmen, die für eine politische Reaktion plädierten. So die des pfälzischen Kurfürsten Friedrich, „welchem die Erhaltung des Protestantismus in Frankreich und den Niederlanden eine Lebensfrage auch der deutschen protestantischen Kirche däuchte und vor einem großen römisch-katholischen Gegenstoß bangte"; er wollte daher eine Allianz der evangehschen Fürsten vor allem zugunsten der Hugenotten zustande bringen^". Denselben Versuch unternahm Königin Elisabeth von E n g l a n d " . Natürhch hätte der Herzog von Württemberg als einer der wichtigsten evangelischen Herrscher Mitglied einer solchen Alhanz sein sollen. Doch er lehnte alle Pläne dieser Art ab. U n d zwar aus zwei Gründen: Zum einen verwies er auf seine Verpflichtung gegenüber dem Kaiser. U n d das nicht nur aus allgemeiner reichsrechtlicher Loyalität, die allein ihm die Einhaltung des Religionsfriedens von 1555 zu gewährleisten schien^^, sondern im besonderen wegen des Afterlehensverhältnisses, in dem sein Territorium zum Haus Habsburg s t a n d " ; die Erfahrungen der österreichischen Besetzung ein Halbjahrhundert zuvor standen noch unverbhchen am Horizont. Überdies war es seit der Katastrophe des Schmalkaldischen Krieges einhellige Meinung im Herzogtum, daß man das Risiko von Verbindungen mit Mächten außerhalb des Reiches zu meiden h a b e " . Zum andern erschien ein Bündnis mit Calvinisten nicht annehmbar^^. Dafür hatte man innerhalb des Reichs auch rechthche Argumente, da ein solches Bündnis lutherische Fürsten auf eine Stufe mit Leuten gestellt hätte, für die der Schutz des Religionsfriedens nicht galt. Vor allem aber hatte man theologische Bedenken. Da die Abgrenzung der eigenen Lehre von der calvinistischen in jenen Jahren eines der Hauptanliegen der Lutheraner war und sie allerorten versuchten, das Abgleiten lutherischer Territorien ins reformierte Lager zu verhindern, hätte ein pohtisches Zusammengehen mit diesem Flügel der Reformation die Glaubwürdigkeit und damit alle Konsohdierungsversuche untergraben. Dessen war man sich vor allem in Württemberg bewußt, das die Bemühungen um Einheit und Stärkung des Luthertums in erster Linie trug. Die Priorität, die man hier dem Lehrkonsens vor politischen Erwägungen einräumte, wird durch nichts so gut beleuchtet wie durch die Antwort, die Herzog Ludwig Königin Elisabeth von England gab, als sie ihm, der doch eigentlich „in Staatssachen nicht so unerfahren" sei, vorwarf, die Konkordienformel, Inbegriff der lutherischen Konsolidierungsbemühungen, diene nur den katholischen Mächten, da sie die Evangelischen spalte und ihre politische Abwehrkraft schwäche. Ludwig erwiderte, solche Gedanken lägen den Lutheranern

Stälin 786. Ibd. 791 f., 801 f.; sie tat es allerdings mit primär politischen Motiven und daher mit schwankendem Elan, vgl. für die sechziger Jahre Koury. Stälin 792. 802. " Ibd. 786. 792. 1" G r u b e 256. 15 Stälin 786.

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Der Briefwechsel

ganz fern, jenes Bekenntnis solle nur die reine Lehre der Confessio Augustana sicherstellen«. Das Beharren auf der Priorität der reinen Lehre Schloß nun aber für Ludwig die Wahrnehmung politischer Interessen nicht aus; er war sich sehr wohl bewußt, daß das Uberleben der lutherischen Kirche in einer durch die Koppelung von Staat und Konfession bestimmten Welt nur durch ein hohes Maß an politischer Stärke gewährleistet war. Die Weise, in der er solche Stärke erreichen bzw. sichern wollte, war nun aber durch jene Priorität bestimmt: in engstmöglicher Zusammenarbeit und wechselseitiger Unterstützung der lutherischen Territorien bzw. Stände und im Einsatz für die Verbreitung des Luthertums und für seine Sicherung, wo es gefährdet war. Herzog Ludwig war auf all diesen Ebenen tätig wie kein anderer Fürst seiner Zeit: Seine Theologen sprangen ein, wo Mangel an lutherischen Pfarrern und Lehrern herrschte, vor allem in Österreich und Ungarn, und an seiner Universität studierte ein Großteil der evangelischen akademischen Jugend aus diesen Gebieten^'; er war es, von dem sich Fürsten oder Stände, die ihr Gebiet zum Luthertum bringen, wieder eindeutig auf dessen Grundlage stellen oder auch nur Lehrstreitigkeiten lösen wollten, Theologen erbaten, etwa in der Pfalz, in Sachsen, in Österreich u. v. a. ; seine Lehranstalten gaben das Vorbild ab für die Gründung oder Reorganisation von Schulen und Universitäten evangehscher Gebiete, z . B . in Helmstedt, in Wittenberg oder in Österreich; und vor allem, er stand maßgebüch hinter der Ausarbeitung der Konkordienformel. All diese Aktivitäten waren für die Beteiligten Unternehmungen im Interesse des Seelenheils der betroffenen Menschen; aber sie stellten eben auch Bausteine einer kirchen- und staatspohtischen Strategie zur Stärkung des Luthertums dar - die letztlich natürlich ihrerseits dem Seelenheil dienen sollte: Wie hätte man sich die reine Predigt des Evangeliums ohne die lutherische Kirche vorstellen können? Wie weit erklärt dieser Hintergrund Ludwigs Engagement für den Briefwechsel der Tübinger mit Konstantinopel? Daß ihm Andreaes Argument zugunsten der Entsendung Gerlachs einleuchtete, die Anwesenheit eines lutherischen Predigers in der Botschaft an der Hohen Pforte werde, zumal angesichts der Bedrängnis der Lutheraner im Reich, einen Triumph der lutherischen Sache darstellen, hegt in der kirchenpolitischen Perspektive des Herzogs nahe. Auch der Plan der Tübinger, die angenommene Ubereinstimmung zwischen griechischer und lutherischer Kirche an den Tag zu bringen, paßte zur Strategie der Suche nach Bundesgenossen auf der Basis kompromißloser Lehreinheit, wobei diese Bundesgenossenschaft einen Gewinn an Prestige, keinen Machtzuwachs ^^ Ibd. 823 f. ; Elisabeth hatte die deutschen lutherischen Fürsten beschworen, die Konkordienformel nicht zu verabschieden (ibd. 792. 823). Bezeichnend ist ebenfalls, daß diese Heinrich von Navarra auf seine Bitte um ein Bündnis hin das Konkordienbuch schickten (ibd. 803). Auf der anderen Seite gab es durchaus auch Akte der Solidarität mit den gefährdeten Calvinisten, jedenfalls wo diese nicht innerhalb des Reichsverbandes als Bedrohung für das Luthertum empfunden wurden: So unterstützte Ludwig die Niederländer zwar nicht offiziell, aber er ließ ihre Söldnerwerbungen in Württemberg zu, während er Rekrutierungen der Spanier und der katholischen Liga verbot (ibd. 787. 805). Ferner trug er eine Gesandtschaft der evangelischen Fürsten zugunsten der Hugenotten an den französischen König mit (Ibd. 804); schließlich unterstützte er Heinrich selbst finanziell bei seinem K a m p f um die französische Krone (ibd. 806f.). Aber all diese Hilfeleistungen stellten Einzelaktionen dar, ein explizites Bündnis war ausgeschlossen. 1' Vgl. o. S. 32.

Der geschichtliche Verlauf

III

bedeutet hätte. Daß Ludwig auch die nächste und letzte Phase des Briefwechsels noch irgendwie kirchenpolitisch sah, ist dagegen unwahrscheinlich. Ein Erfolg der Bekehrungsversuche gegenüber den Griechen war, wenn überhaupt, dann doch nicht in absehbarer Zeit zu erwarten; er ließ sich also in keiner Weise strategisch einplanen. Wenn Ludwig sich dennoch weiterhin engagierte, dann hatte das wohl schhcht religiöse Gründe : Als frommem Christen und überzeugtem Anhänger der lutherischen Reformation lag ihm am Herzen, daß die Griechen zum reinen Evangelium gebracht würden. Dazu wollte er, mit den Mitteln, die ihm zur Verfügung standen - durch den Einsatz seiner Theologen und durch finanzielle Aufwendungen - , seinen Beitrag leisten. Politisch war in diesem Stadium nur noch eines: die Sorge, den Kontakt mit Konstantinopel aus der PoHtik herauszuhalten, ihn als reines Theologenunternehmen erscheinen zu lassen. Das gelang tatsächlich so gut, daß heute nur noch Crusius' Tagebuch einen Blick hinter die Kulissen erlaubt.

4. Mit neugesteckten Zielen: von der Absendung des ersten Tübinger Lehrschreibens bis zur zweiten Antwort des Patriarchen Noch an eben dem Tag, an dem Oslander und Crusius ihre Unterschriften unter das Lehrschreiben an den Patriarchen setzten (16. 6. 1577), traf in Tübingen eine neue Briefsendung aus Konstantinopel^ ein, Mitte Mai abgeschickt und in der Rekordzeit von einem Monat an den Bestimmungsort gelangt. Gerlach wiederholt noch einmal, wie dringlich Jeremias, der übrigens nach einem Entscheid der türkischen Behörden von der Bedrängnis durch seinen Vorgänger Metrophanes frei sei^, auf Antwort warte^. Von Andreae verspricht sich der Botschaftsprediger nicht mehr viel, dieser habe ihm seit beinahe drei Jahren keine Instruktionen mehr geschickt". Statt seiner möchte doch Heerbrand an Jeremias schreiben. Er habe sich ja vor Jahren schon gegen die „Papisten" hervorgetan und sei für die Kontroverse mit den Griechen dadurch geradezu prädestiniert, weil sie sich zum großen Teil mit denselben Irrtümern „getränkt" zeigten (quorum [sc. der „Papisten"] erroribus non paucis etiam Graeci imbuti sunt)^. Im übrigen hätte Jeremias gern eine griechische Übersetzung von Heerbrands Compendium Theologicum - Gerlachs altes Anliegen, für das er offenbar den Patriarchen hatte gewinnen können. Der Rhetor habe sich sofort angeboten, die Übersetzung zu übernehmen, natürlich gegen Geld, doch in seiner bekannten UnZuverlässigkeit würde er das sicher nicht getreu tun, sondern alles auslassen, was der griechischen Lehre nicht entspreche, und eigene Gedanken einfügen®. Der Patriarch habe dagegen Ungnad gebeten, die Übersetzung auf Kosten des Wiener Kaisers anfertigen zu lassen (id transferri sumptibus Caesareae Maiesta-

1 Cr. TB MS I 529-536. Mbd.536.530.

M b d . 529. 530. 5ibd.532.

M b d . 529. 535 f. Mbd.532f.

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Der Briefwechsel

tis), was natürlich unter dem neuen, völlig antireformatorischen Kaiser - Rudolph II. war mittlerweile auf Maximilian II. gefolgt (1576) - aussichtsloser sei denn je''. Auch Jeremias machte sich offensichtlich falsche Vorstellungen von dem Verhältnis zwischen den Tübingern und dem Hof in Wien®. Crusius antwortete umgehend (19. 6 . 1 5 7 7 ) ' . Gerlach möge sich, da Andreae nun einmal überlastet sei, in Zukunft an Oslander wenden - ipse in posterum tibi loco Cancellarii erit - , daneben auch die Tübinger Theologen einbeziehen^". Das hatte der Botschaftsprediger bisher schon getan, wenn auch die Weisungsinstanz für ihn immer Andreae gewesen war. Im übrigen sei er selbst, Crusius, der eifrigste Briefschreiber und „treib auch immerdar andere: sicut certe responsum ad Patriarcham''^^. In einem Brief an Oslander (21. 6. 1577)^^ bot Crusius sich an, das Heerbrand'sche Kompendium zu übersetzen. Der Vorschlag wurde an den Herzog überwiesen^^, und dieser erteilte Crusius den Befehl (26. 6. 1577), sich „dises laboris onbeschwärt [zu] unterfahen", damit Gerlach die Übersetzung zwar nicht gedruckt, doch in Abschrift dem Patriarchen übergeben könnei"*. So werde „verhoffenlich durch Gottes gnad ettwas fruchtbaHichs zu seines namens ehre und der Christen in Graecia wolfahrt geschafft und verrichtet" i®. Drei Monate später schrieb Crusius nach Stuttgart (19. und 26. 9. 1577), er habe die Ubersetzung abgeschlossen - wegen des Lehr- und Prüfungsbetriebes sei es leider nicht schneller möglich gewesen. Zudem habe die Arbeit großer Sorgfalt bedurft, vor allem das Aufsuchen der Schriftzitate - er habe sich für das Alte Testament der Septuaginta bedient, wo diese irre, jedoch die evangelische Übersetzung zugrunde gelegt - , die Auswahl von Stellen griechischer Kirchenväter und anderer bewährter Schriftsteller, die adacquate Wiedergabe von Worten und Sätzen und der Versuch, die Zusammenhänge durchsichtig zu ma' Ibd. 533. ® Gl. TB geht näher auf die Hintergründe ein: Der Oberhofmeister des Kaisers hatte an Ungnad geschrieben, er möchte ihm aus dem Patriarchat den Leichnam einer Märtyrerin verschaffen, natürhch gegen gute Bezahlung an die Griechen. Ungnad lehnte das aus Gewissensgründen ab, war aber andererseits, die hohe Stellung des Absenders vor Augen, bereit, im Patriarchat anzufragen, ob jemand anderes, ein „Papist", den begehrten Leichnam mitnehmen könne (345). Auch der Patriarch befand sich in einem Dilemma: Er war nicht abgeneigt, auf die Bitte einzugehen und seinen Nutzen daraus zu ziehen, besonders da er, wie Cr. TB erschließen läßt, glaubte, der Kaiser selbst sei an der Reliquie interessiert; auf der anderen Seite wagte er nicht, Geld für den Leichnam anzunehmen, um nicht in den Ruf eines Kirchenräubers zu geraten. So kam er auf den Gedanken, zum Ausgleich für die Sendung der Reliquie Heerbrands Kompendium - neben einem philosophischen Werk - auf Kosten des Kaisers übersetzen zu lassen. Es wird Ungnad einiges Vergnügen bereitet haben, aus dem ganzen Dilemma durch die Auskunft an den Oberhofmeister befreit zu werden, „wann er well ein Protestantisch Buch auff seinen Kosten verdolmetschen lassen, so wolle der Patriarch etwas von seinen Heiligthumern hergeben" (348). ' Cr. TB MS 1 5 3 7 - 5 3 9 . Ibd. 538. " Ibd. 539. " I b d . 540. " I b d . 541. " I b d . 543. isibd.542f.

D e r geschichtliche Verlauf

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chen^®. Die Schwierigkeit der Arbeit habe es mit sich gebracht, daß „mich diß Compendium selbst in die Schul gefürt [hat]: propter densitatem rerum, brevitatem, varietatem"". Was die Adressaten angehe, so hoffe er, „es werde haend und füß bei den Graecis haben"^®. Welchen Schritt solle er als nächsten tun? Sei man in Stuttgart der Meinung, dem Kompendium müsse ein Begleitbrief für die Griechen beigelegt werden? Und wenn ja, was schreibe der Herzog dafür vor^'? Die Antwort lautete, Crusius solle einen Brief in Heerbrands und seinem eigenen Namen an den Patriarchen verfassen^". Das tat der Philologe am 1. 10. 1577". Vor einiger Zeit hätten die Tübinger dem Patriarchen die Confessio Augustana geschickt mit dem Ziel, die im Osten umlaufenden Verleumdungen ihres Glaubens zu zerstreuen^^ - die Umdeutung der Tübinger Motive für den Briefwechsel spiegelt dessen bisherigen enttäuschenden Verlauf; hatte man doch ursprünglich als Ziel angegeben, man erwarte Jeremias' Urteil, „ob wir dasselbe in Christus meinen"^^. Der Patriarch habe geantwortet, und sie, die Tübinger, hätten wiederum zurückgeschrieben. Nun seien die beiden Darlegungen der reformatorischen Lehre, die Jeremias bisher bekommen habe, nicht umfassend und zu kurz und erfüllten daher vielleicht seine Erwartungen nicht; deshalb wünsche er, wie es scheine, eine solche, die „alle Kapitel unserer christlichen Lehre" umfasse (πάντων της ημών χριστιανικής διδασκαλίας κεφαλαίων εκθεσις)^^ Das Buch, das er nun empfange, erfülle diesen Wunsch: Es enthalte nicht nur die Punkte, die zwischen den Evangelischen und Rom kontrovers seien, „sondern auch die übrigen Bestandteile der den Christen angemessenen Lehre" (ού μόνον τα άνά μέσον ήμών και της π α ρ ά τη πρεσβυτέρα 'Ρώμη εκκλησίας διαμφισβητούμενα: άλλα καΐ τά λοιπά της χριστιανοπρεποϋς διδαχής μέρη). Heerbrand, der eine Unterzeichnete, habe es vor etwa vier Jahren für die Studenten verfaßt, und Crusius, der andere Absender, nun ins Griechische übersetzt, da es repräsentativ sei für die lutherische Lehre: allgemein gebilligt (κοινή δοκιμασθέν) und in den Kirchen und Schulen hier und anderswo nutzbringend verwendet^®. Das Buch enthalte sich jeder Verurteilung außer der solcher Leute, die gegen Christus stritten (χριστομαχοΰντες) und sich selbst über die Schrift stellten mit der Anmaßung eigener Herrschaft (αύταρχία). Im übrigen, schließt der Brief unvermittelt, hätten auch sie, die Evangelischen, die kirchlichen Rangstufen (έκκλησιαστικαΙ βαθμίδες), soweit sie der Ordnung (ευταξία) dienten. Das Postscriptum fügt die Aufforderung hinzu, der Patriarch möge das Kompendium auch den anderen Bischöfen zu lesen geben^®. " i' " " " "

Ibd. 547. 553. 554. Ibd. 554. Ibd. 547f. Ibd. 5 5 5 - 5 5 8 . S. o. S. 46. Ibd. 557.

1« 20 " 24 26

Ibd. 547. Ibd. 555. ¡ b J . 555. C r . T B MS I 556. Ibd. 558.

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Der Briefwechsel

Das Kompendium war schon unterwegs, da kam wieder ein Bündel von Briefen Gerlachs in Tübingen an (27. 10. 1577)^''. Antwort und Geschenke seien immer noch nicht in Konstantinopel eingetroffen^®, und das, obwohl mittlerweile (1. 9. 1577) fünfzehn Monate seit Absendung der Lehrschrift Jeremias' vergangen seien^'. Die Griechen würden argwöhnisch, der Patriarch könne meinen, die Tübinger seien nicht in der Lage zu antworten, oder sie hielten nichts von seinem Schreiben. Wenn nicht bald etwas geschehe und das Werk, das so gut begonnen worden sei, unvollendet bleibe, werde das die Ehre der Württemberger und darüber hinaus aller Anhänger der Confessio Augustana empfindlich schmälern, die den Griechen nicht nur als Neuerer, sondern auch als Häretiker verdächtig seien^". Falls die Sendung erst nach seiner, Gerlachs, Abreise eintreffe, sei zu befürchten, daß sie kein Echo mehr finde. Denn er habe bisher die Griechen nur mit hartnäckigem Mahnen dazu gebracht, den Tübingern zu antworten - quid futurum sit, nemine... urgente, facile videtis^^. Die Lage sei mittlerweile so peinlich, daß „ich ... mich schier nit meer im Patriarchat sehen laßen [darff]"^^. Im übrigen bitte er um Zitate bestimmter griechischer Kirchenväter und Augustins zur Frage des Geistausgangs, über die er mit den Griechen diskutiere^^. Ende des Jahres^"· war es dann endlich so weit^^: die Antwort der Tübinger auf das Schreiben des Patriarchen und die Ubersetzung des Heerbrand'schen Kompendiums trafen samt einem ganzen Bündel von Briefen bei Gerlach ein, ebenso die Uhren; um sie den Empfängern gegenüber noch aufzuwerten, gab er ihren Preis höher an, als es der Wahrheit entsprach^®. Jeremias fuhr gerade weg^'^; die dauernden Zahlungen an die Türken, notwendig, damit sie ihm gegen seinen Vorgänger den Thron erhielten, hatten zu solcher finanziellen Zerrüttung geführt, daß der Patriarch auf Sammelreise gehen mußte^®. Inzwischen konnte Gerlach wenigstens dieReaktionen anderer Griechen auf die Tübinger Sendung feststellen. Theodosios Zygomalas etwa sei damit einverstanden (probat), außer in den Fragen des filioque, der Tradition, der Genugtuung Christi und ein paar anderen; er habe dank der Confessio Augustana, der Ibd. 561-569 (Briefsendungen vom 15. 8. und vom 1. 9.1577). 28 Ibd. 564. 565. " Ibd. 565. 5» Ibd. " Ibd. 565 f. 32 Ibd. 566. 33 Ibd. 568f. 34 Ibd. 581; vgl. Gl. TB 427f. 35 Gerlachs im Folgenden wiedergegebene Informationen stammen aus Briefen vom 29. 12.1577 (mit späteren Anhängen), angekommen am 25. 2. 1578 (Cr. TB MS I 580-587), vom 28. 2. und 7. 3. 1578, angekommen um den 20. 4. 1578 (ibd. 597-613), und vom 24. 2. 1578, angekommen zur selben Zeit wie die vorigen, doch in Crusius' H ä n d e gelangt erst am 15. 5. 1578 (ibd. 627-631). 3« Ibd. 630. 37 Gl. TB 445; Cr. TB MS I 597. за i b d . 583.

Der geschichtliche Verlauf

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neuen Tübinger Schrift und den Gesprächen mit ihm, Gerlach, begonnen, die Augen für die Wahrheit zu öffnen, und zwar hinsichtlich des Fastens, des Bilderkults und sonstigen Aberglaubens sowie der Hauptartikel der christlichen Religion - allerdings wage er noch (adhuc) nicht, das öffenthch zu bekennen^'. Außer ihm seien auch die übrigen gelehrteren Griechen den Tübingern gegenüber sehr wohlwollend eingestellt'^''. Eine große Rolle spiele in den Gesprächen über die Tübinger Schriften natürlich das fihoque; er. Gerlach, müsse zugeben, daß die philosophischen Argumente der Griechen einen Angriff auf die westliche Position darstellten, der nicht auf die leichte Schulter zu nehmen sei (quibus . . . argumentis philosophicis Graeci sententiam nostrorum de Spritus Sancti ex Filio quoque processione non leviter, ut mihi videtur, impugnent)''4 Weit und breit sei das Interesse der Griechen an den Tübinger Schriften sehr groß''^. So gefalle etwa dem Mächtigsten und Reichsten unter ihnen, Michael Kantakuzenos, das Augsburgische Bekenntnis so gut, daß er Theodosios Zygomalas dazu gebracht habe, es ihm insVolksgriechische zu übersetzen, weil er nicht alles im einzelnen verstehe"*^. Jetzt begehre er die Antwort der Tübinger und das Kompendium"*". Auch die Reise des Patriarchen, so sehr sie die Verhandlungen verzögere, habe den Vorteil, daß dadurch die wichtigsten Kirchen Griechenlands die evangelische Lehre kennenlernten. Denn zweifellos werde Jeremias sich aus Anlaß der Tübinger Schriften darüber mit den Metropoliten und den gelehrteren Männern auf den Stationen seiner Fahrt Ьегасеп"·^. Das Bündel sei ihm bereits nachgeschickt worden''^. Der Gedanke an die, wie ihm scheint, winkende Verbreitung der reformatorischen Lehre bringt in Gerlach den heilsgeschichtlichen Optimismus wieder zu voller Blüte: Sicher werde vieles in den beiden neuen Schriften aus Tübingen nicht voll verstanden werden, etliches neu und fremd (nova et aliena) erscheinen'*^ doch non dubito, quin Deus huic operi finem optimum providerif*®. Leider werde er nicht mehr selbst, wie ursprünglich beabsichtigt·*', die Rückantwort des Patriarchen veranlassen können - er rechnet mit der Abfahrt aus Konstantinopel binnen dreier Monate^®, noch vor der Heimkehr Jeremias'. So werde Theodosios Zygomalas die Angelegenheit in die Hand nehmen^". Es sei allerdings nicht sehr wahrscheinlich, daß Jeremias seinen Thron noch lange halten könne, da die Partei, die ihn gestützt habe, gefallen sei. Sollte er tatsächlich stürzen, wolle er. Gerlach, sich bemühen, das Kompendium und wenigIbd. 597; s. a. 629. Ibd. 605. " Ibd. 6 0 7 f . « Ibd. 598. 629. " Ibd. 629; Gl. TB 451 (hiernach nur die wichtigsten Kapitel) " Cr. TB MS I 598. 629; Gl. TB 451. « Cr. TB MS I 598. Ibd. 597. 628. 673; Gl. TB 448. Gerlach hatte noch versucht, ihm nachzureisen, um es ihm persönlich zu übergeben, doch äußere Umstände zwangen ihn umzukehren (Cr. TB MS 1 6 2 8 ) . Ibd. 597. Ibd. 598. •»' Ibd. 586. Ibd. " Ibd. 600.

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Der Briefwechsel

stens eine Abschrift der Tübinger Antwort zurückzuerhalten, und beides, mit den nötigen Veränderungen der Adressatenangabe, dem neuen Patriarchen übergeben; die Württemberger könnten dann ihn zur Erwiderung auffordern. Der Kandidat sei ein sehr freundhcher Mann®^^ VQ^ großer Gelehrsamkeit®^ und den reformatorischen Kirchen gegenüber nicht feindlich (alienus) eingestellt®", er selbst. Gerlach, habe ihn häufig besucht®®. Im übrigen konnte der Botschaftspfarrer auf Ereignisse hinweisen, die für die Zukunft der Verhandlungen mit den Griechen Gutes verhießen: Wider Erwarten war zum Nachfolger Ungnads ebenfalls ein Anhänger der Reformation ernannt worden: Joachim v. Sintzendorff®®. Er traf Anfang des Jahres 1578 ein®'' und mit ihm sein Prediger: Salomon Schweicker oder Schweigger - wiederum ein ehemaliger Tübinger Theologiestudent®®. Der werde in Zukunft die Rolle des Mittelsmannes zwischen den Württembergern und den Griechen spielen®®, natürlich nicht, ohne von ihm. Gerlach, theologisch und psychologisch hinreichend aufgeklärt worden zu sein®". Neben Gerlach schreiben auch die beiden Zygomalas (20. und 24. 2. 1578)®^. Sie danken Andreae und Grusius für die Uhren®^ und versprechen weitere Hilfe : Theodosios vor allem für den Fortgang der Korrespondenz mit dem Patriarc h e n " , Joannes in der Abwehr römischer Angriffe - er wisse wohl, daß die Tübinger dazu selbst in der Lage seien, doch sie wollten ja nun einmal den Beistand der griechischen Kirche®·*. Auf Grusius' im letzten Brief an ihn vorgebrachte zuversichtliche Uminterpretation seiner zuvor geäußerten Worte®® antwortet der alte Zygomalas®®: Grusius und Andreae freuten sich darüber, daß in den wichtigsten Punkten Ubereinstimmung herrsche - nun, die Griechen seien froh mit den Frohen (ή μας . . . χαίρουσι συγχαίρειν και εύφραινομένοις συνευφραίνεσθαι). Grusius schreibe, er habe noch mehr Freude darüber empfunden, daß er, der Rhetor, Zusätze zum oder Abzüge vom Dogma ablehne der Tübinger könne überzeugt sein, daß diese selbe noch größere Freude auch die Griechen empfänden (αυτήν ταύτην την πολλώ πλείονα χαράν καΐ ημείς εχομεν, πληροφορήθητι). Im übrigen hofften sie zuversichthch auf Einigung in den Differenzpunkten. Die Ironie dieser Sätze zeigt, daß der Rhetor immer weniger Grund sah, seine Skepsis gegenüber allen Konsensbeteuerungen zu verhehlen.

ibd. 612. " Ibd. 586.613. Ibd. 612. Ibd. 613; s. a. Gl. TB 425. Gesandter in Konstantinopel 1578-1580, s. Spuler (III) 327; zu der oberösterreichischen Familie der Freiherren v. Sintzendorff und Gogitsch zu Teurek s. Kneschke VIII 502-504; Gauhe I 2339-2344. 5' Gl. TB 445; Cr. TB MS 1581. 582. 5» Cr. TB MS 1630. 5Mbd. ' » I b d . 631. " Ibd. 613-620. " Ibd.615.619f. "Ibd.618f. 'Mbd.614f. S. o. S. 106 f. " Cr. TB MS 1614.

Der geschichtliche Verlauf

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Ungnads und Gerlachs Heimkehr rückte heran, und die Nachfolger hatten ihren Dienst schon angetreten, wiederum ein evangehscher Gesandter mit einem evangelischen Pfarrer, der noch dazu ehemaliger Tübinger Student w a r das sei eine Fügung der Gnade Gottes selbst, schreibt Crusius^'' an den neuen Botschaftsprediger Schweicker (21. 6.1578)^®. Gott habe nicht gewollt, daß das so glücklich begonnene Werk des Briefwechsels mit den Griechen einfach abbreche®'. Darum möge Schweicker sich als „zweiter Gerlach" (alter Gerlach) erweisen und gleichen Eifer, gleiche Zuverlässigkeit in den Verhandlungen mit ihnen (parem industriara et fidem in rebus cum Graecis tractandis) an den Tag legen''". Diesem Schreiben fügte Crusius mehrere Briefe an Griechen in Konstantinopel bei^^, mit denen er z.T. schon in Korrespondenz stand, z.T. eine solche eröffnen wollte, weil er vom Adressaten in Gerlachs Berichten gelesen habe''^. Den beiden Zygomalas empfiehlt er, wie dann auch den anderen Griechen, den neuen Botschaftsprediger''^, stellt ihnen gegenüber erneut die Rolle der Schrift als Grundlage der Kirche und Maßstab der Tradition heraus'^'·, worin die Griechen sicher einer Meinung mit ihm seien^^, drückt seine Hoffnung auf eine positive Antwort des Patriarchen aus^® und betont seine Genugtuung über die Aussage des Rhetors, in den wichtigsten Punkten bestehe Eintracht'^ - die Ironie der entsprechenden Passage des alten Zygomalas ist ihm völlig entgangen. Einem Diakon^® hält er die Mängel der Septuaginta vor: Sie weiche zu sehr vom hebräischen Urtext ab. Seit „der selige Vater Martin Luther" (ó έν άγίοις πατήρ Μαρτϊνος ó Λουτήρ) die „papistische Finsternis und Götzendienerei" besiegt habe, seien in Deutschland Sprachgelehrte am Werk, die Bibel aus dem Urtext zu übersetzen und ihren wahren Sinn herauszustellen"''. Metropolit Metrophanes von Berrhoia, den Stellvertreter Jeremias' und während dessen ' ' Ibd. 640-644. 'Mbd.641. Ibd. 641 f. ' » I b d . 641. " Ibd. 644-668. " Neben den im Text erwähnten schickt er noch, worauf hier nicht einzugehen lohnt, je einen Brief an die Arzte Philippos Ptolemaios Perusiates (ibd. 644—646) und Leonardos Mindonios (ibd. 663-665) T G 479-481); letzter erhält eine Predigt Andreaes (ibd.) - steht er doch nach Gerlachs Schilderungen den Tübinger Lehren sehr positiv gegenüber (s. o. S. 78). " Ibd. 648. 651 / T G 464; Cr. TB MS 1657. 660 / TG 472; Cr. TB MS 1663 / T G 475; Cr. TB MS 1664 / T G 481 ; Cr. TB MS 1666 f. / T G 476. "> Cr. TB MS 1647. 650 / T G 463. " Cr. TB MS 1647. Ibd.647f.650/TG463. " Cr. TB MS 1647. Er hieß Symeon Kabasilas; schon seit längerer Zeit stand er mit Crusius in lockerem Briefwechsel (Ibd. 507-510 / T G 456f.; Cr. TB MS I 622-625 / T G 460-462) und sollte am Ende der theologischen Korrespondenz zwischen Tübingen und Konstantinopel noch eine wichtige Rolle spielen (s. u. S. 145). " Cr. TB MS 1654.

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Der Briefwechsel

langer Reisen die wichtigste Person im Patriarchat, sowie Metrophanes' Bruder, den Vertreter des Patriarchen von Alexandrien, schreibt Crusius an, weil er von ihnen gehört habe und seine Gefühle für die „christusliebenden Griechen" (φιλόχριστοι ελληνες) ihm keine Ruhe ließen. Aus diesem Grund habe er vor Jahren einen Brief an Patriarch Jeremias geschickt®". Er hoffe, daß die Verhandlungen, die sich daraus ergeben hätten, zu dem Ziel der „Einigkeit und wechselseitigen Liebe in Christus" bei Griechen und evangehschen Deutschen führen würden (του τοίς ελλησι καΐ τοις ευαγγελικούς Γερμανοις όμόνοιαν και άγάπην έν Χ ρ ι σ τ ώ προς αλλήλους είναι)®^. Crusius legt den Adressaten je eine Predigt eines Tübinger Theologen bei, nicht ohne im einen Fall zu betonen, der Prediger habe sich der Volkssprache bedient®^, und im anderen die Ordnung der Abendmahlsfeier zu schildern®^. Aus der kurzen Beilage solle die Tübinger Lehre ersichtlich sein, die sich hoffenthch nicht von der griechischen unterscheide (ϊνα κάκ του ολίγου τοϋδε τα ημέτερα συνίδητέ π ω ς : των υμετέρων, ώς ε λ π ί ζ ω , ουκ άπάδοντα)®'*. Nicht nur mit dem Stellvertreter des Patriarchen Jeremias knüpft Crusius Kontakt an, sondern auch, für den Fall das Thronwechsels, mit seinem prospektiven Nachfolger, dem früheren Patriarchen Metrophanes •(1. 7. 1578). Unter Beteuerungen seiner Liebe zu den Griechen, seiner Freude über das Uberleben ihrer Kirche und seines Eifers um wechselseitige Übereinstimmung in Christus®® faßt der Philologe den bisherigen Gang der Verhandlungen zwischen Tübingen und Konstantinopel kurz zusammen. Er hoffe, die von den Württembergern dargelegte Lehre werde den Griechen nicht mißfallen (μή άπαρέοκειν), vielmehr möchten sich „Einigkeit und wechselseitige Liebe" (ομόνοια και αγάπη . . . προς άλλήλους) ergeben®®. Er sei überzeugt, daß Metrophanes den evangelischen Kirchen nicht feindHch gegenüberstehe®'' - ein Satz, den er von Gerlach übernommen hat®® - , ja daß er ihren Angelegenheiten günstig gesonnen (προς τά ημέτερα ροπή) sei®'. Als „Geschmacksprobe" (γεϋμα) der evangelischen Lehre lege er eine in Tübingen gehaltene Predigt bei'°. Im übrigen bitte er Metrophanes, sich Schweicker ebenso freundlich zu erzeigen wie bisher Gerlach'i. Einige Wochen später (30. 7. 1578) kam das letzte Bündel mit Briefen Gerlachs aus dem Osmanischen Reich an'^, z . T . schon auf der Rückreise geschrie8» Ibd. 658. 661 / T G 468 f. 472. 81 Cr. T B MS 1 6 6 2 . Ibd. 662 / T G 473 (Predigt ibd. 4 7 3 ^ 7 5 ) . " Cr. TB MS I 659 f. / T G 471 (Predigt 4 6 9 - 4 7 1 ) . Cr. TB MS 1659. 85 Ibd. 665 f. 667 / T G 475 f. (nur z. T.) 86 Cr. T B MS 1 6 6 6 . 87 Ibd. 88 S.O.S. 116. 8' Cr. TB MS 1667. '0 Ibd. 668 / T G 477. Ч Cr. T B MS 1 6 6 6 / T G 476. « Cr. TB MS 1 6 7 8 - 6 8 4 ( 6 9 2 - 6 9 6 an Polykarp Leyser in Wittenberg über Württemberg).

Der geschichtliche Verlauf

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ben (Juni 1578). Ihnen lagen fünf von der Hand des Patriarchen bei (alle datiert: Mai 1578). Der erste'^ ist an Andreae, Heerbrand, Oslander und Crusius, die für die beiden im vergangenen Jahr aus Tübingen nach Konstantinopel geschickten theologischen Schriften offiziell verantwortlichen Männer, gemeinsam gerichtet. Darin teilt Jeremias ihnen mit, vor Gerlachs Abreise werde er nicht mehr antworten können. Doch einige Monate später sollten sie über Schweicker eine Erwiderung^'* erhalten. Im übrigen danke er für die Uhr'®. Neben diesem Brief schickt er noch an jeden der genannten Adressaten einen eigenen'®. Hier wiederholt er nur die Aussagen des Sammelschreibens. Gerlach bestätigt, daß die Antwort des Patriarchen etwas auf sich warten lassen werde. Er habe noch erreicht, daß Jeremias die Abfassung zwei Metropoliten, einem Lehrer und dem Protonotar aufgetragen habe'''. Im übrigen habe der Patriarch sich sehr über das Geschenk der Tübinger gefreut und ihm, Gerlach, ein kleines Gegengeschenk mit auf den Weg gegeben'®. Vor der Reise sei es ihm selbst noch gelungen, über Theodosios Zygomalas einige griechische Codices für den Herzog zu e r w e r b e n " ; der Protonotar wußte allerdings nicht, für wen sie bestimmt waren, und glaubte, Crusius habe sie gekauft^"® - sogar auf dem Gebiet des Bücherhandels, auf dem sich alle politischen Größen Europas in Konstantinopel eifrig betätigten, das also unverdächtig war, zog man es vor, Herzog Ludwig offiziell aus dem Spiel des Kontaktes mit den Griechen zu lassen. Am 11. Dezember 1578^°' traf Gerlach nach einer langen Reise über Wien, Boehmen^ö^ und Sachsen, wo er Andreae besucht hatte^o^, in Tübingen ein. Beinahe wäre er als Pfarrer in Österreich geblieben, dessen evangelische Bevölkerung schwer unter den gegenreformatorischen Maßnahmen Kaiser Rudolphs litt!"'*. Doch der Herzog hatte ihn schon zurückbeordert^"®. Zu diesem begab sich Gerlach denn auch sogleich nach der Heimkehr und erstattete Rapport^"®. In Tübingen händigte er Crusius und den Theologen Geschenke des Patriarchen und der beiden Zygomalas Andreae und Crusius bestimmten das Schönste, was sie von Jeremias bekommen hatten, ein kostbares purpurfarbenes Tuch^"®, für den Herzog, weil ihre Gaben von ihm bezahlt worden seien^"'. " Ibd. 6 7 2 f . ; (lat. Übersetzung 685f.). ''' Er will auch auf Heerbrands Kompendium antworten (ibd. 675). Ibd. 673; hier dankt er nur Andreae, im Brief an Crusius auch diesem (ibd. 677 / T G 465). ' ' Cr. TB MS I 6 7 4 - 6 7 7 (lat. Übersetzung 687-690); der Brief an Crusius auch T G 464 f. Cr. TB MS I 678. Ibd. 683. " Ibd. 684. Ibd. Randnotiz - vermutlich eine Auskunft, die Gerlach Crusius später mündlich gab und der Philologe nachtrug. Ibd. 703. Gl. TB 533 ff. Cr. TB MS II 45 f. los Ibd. 1 6 9 8 . Ibd. 691. Ibd. 704. 7 1 1 . Ibd. 704. 7 1 1 ; s. a. 708. loe Ibd. 708. 7 1 1 . i»Mbd.

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Der Briefwechsel

Umgekehrt war er bereit, wiederum unter ihrem Namen Geschenke nach Konstantinopel zu schicken: von den Griechen erbetene"" Bücher und eine große Uhr^^^. Im übrigen waren jene Wochen ausgefüllt mit Erzählungen des Heimkehrersi^^. Die Anwesenheit Gerlachs in Tübingen verbesserte die Gesprächsposition der Tübinger im Gegenüber zu den Briefpartnern in Konstantinopel beträchtlich. Hatten sie nun doch einen Mann unter sich - er sollte bald zum Professor ernannt werden^^^ - , der die griechische Kirche aus eigener, langjähriger Anschauung und die griechische Theologie nicht nur aus Schriften, sondern auch aus Gesprächen mit repräsentativen Anhängern kannte. Daß er seine Kenntnisse nicht für sich behielt und daß man ihn in Tübingen, vor allem Crusius, eifrig ausfragte, zeigt das Tagebuch des Philologen. Doch dieser Informationsgewinn konnte nur in dem Maße Frucht tragen, in dem der Kontakt auf griechischer Seite gepflegt wurde. Darum Crusius' und Gerlachs vielfältige Bemühungen, griechische Partner zu gewinnen und zu halten; darum aber auch die hochgespannten Erwartungen an Gerlachs Nachfolger. Diese indessen sollten zutiefst enttäuscht werden - Schweicker war kein „alter Gerlach", sondern ein ganz anderer Charakter als sein Vorgänger, auf ganz anderem Weg und mit ganz anderen Motiven nach Konstantinopel gelangt. Salomon Schweicker'^'' wurde 1551 in Haigerloch (Hohenzollern) geboren und wuchs in Sultz (Neckar) auf. Nach dem Besuch verschiedener Latein- und Klosterschulen Württembergs begann er 1572 als Stiftsstipendiat in Tübingen mit dem Studium der Theologie. Dort erwarb er zwar 1573 den Grad eines Baccalaureus, brach aber 1576 sein Studium aus Fernweh ab und zog nach Österreich. Er wurde in Graz ordiniert, war eine Zeitlang Kaplan bei Wien und trat dann in den Dienst des Freiherrn von Sintzendorff. Als dieser 1577 zum Botschafter Wiens an der Hohen Pforte ernannt wurde, schlug dem reisesüchtigen Prediger die große Stunde: Er zog mit an den Bosporus. Den Aufenthalt dort nützte er nicht nur dazu, Konstantinopel kennenzulernen, sondern auch, anschließend eine Reise nach Jerusalem zu unternehmen. 1583 kehrte er in die Heimat zurück. Hier war er zunächst Pfarrer in verschiedenen württembergischen Gemeinden, ging 1589 nach Franken und übernahm 1605 die Pfarrstelle an der Frauenkirche in Nürnberg. Dort starb er 1622.

Anders als der Musterstudent Gerlach war Schweicker kein akademischer Typ. Er hatte eine solide theologische Grundbildung erworben und verfügte über die festen Kategorien der Tübinger Fakultät zur Einordnung der religiösen Ibd. 709. 715. 1 " Ibd. 722. 729. Ibd. 712ff. pass. Im Februar 1580 (ibd. 738); im November 1579 war er zum D o k t o r der Theologie promoviert worden (ibd. 735; II 166). Z u m Folgenden s. Neck, Einleitung zum Nachdruck der „Reyssbeschreibung" Schweickers, X V f . ; s. a. Gl. T B 427; Cr. T B M S II 1, Randnotiz.

Der geschichtliche Verlauf

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Phänomene um ihn her. Diese beschäftigten ihn jedoch, anders als Gerlach, nicht als solche, reizten ihn nicht zu theoretischen Erörterungen und Disputen. Vielmehr interessierten sie ihn in dem Rahmen und dem Maß, in dem ihn alles Neue, Fremde fesselte - um Neues, Fremdes zu sehen, war er ja an den Bosporus gefahren^^®. So bietet seine Reisebeschreibung eine Fülle von Informationen aus weit vielfältigeren Gebieten als die Notizen seines Vorgängers^^®, ganz abgesehen von der großen Zahl von Bildern, mit denen er, dank der Fähigkeit zu zeichnen, seine Berichte illustrierte. Das Verhältnis zwischen Schweicker und der Tübinger Fakultät mußte auf dem Hintergrund seiner Biographie und Interessen anders sein als in Gerlachs Fall. Schweicker war nicht von den Württemberger Theologen nach Konstantinopel geschickt worden, sondern geriet zufällig in deren bereits bestehende Beziehung zu den Griechen hinein. Dieser Beziehung zu dienen, war für ihn mehr eineVerpflichtung als ein Herzensanliegen, so daß er nur wenig mit ihnen verkehrte^^''. Hinzu kommt, daß er sich auf dem akademischen Parkett nicht sicher fühlte, nicht nur wegen seiner geringen Neigungen zum Theoretisieren, ja eines gewissen Widerwillens dagegen^^®, sondern wohl auch, weil er die Universität sang- und klanglos, ohne ordentlichen Abschluß verlassen hatte. So drücken seine raren Briefe an den Professor Crusius - den Theologen, außer dem ihm vertrauten Gerlach, schrieb er gar nicht erst - ein selbst für damalige Zeiten übertriebenes Maß an Devotion aus, entschuldigt er sich unaufhörlich für seine Unzulänglichkeiten, etwa dafür, daß er auf Deutsch schreibe^^'. Im übrigen hielt er es ohnehin für unerfreulich, von Konstantinopel aus eine Korrespondenz zu führen - die Post von dort und dorthin benötige zu viel Zeitige.

Kein Wunder, daß seine Briefe nach Tübingen sehr spärlich, die Abstände zwischen ihnen z.T. unendlich groß waren. So schrieb er während der sechsundzwanzig Monate seines Aufenthaltes in Konstantinopel nur dreimal an Ibd. I 630 (externas regiones videndi causa) u. pass. Vgl. damit die Tatsache, daß Gerlach ursprünglich nicht hatte reisen wollen (s. o. S. 36, Anm. 34). Er hatte z.B. großes Interesse an Fremdsprachen, an Musik u.a. (Neck, Einleitung zum Nachdruck der „Reyssbeschreibung" X X ) , im Gegensatz zu Gerlach; er lernte, auf türkische A r t zu reiten (Cr. TB MS II 10) u.a. Ibd. 4 8 4 : cum Graecis non multum versatus est. So lag ihm daran, daß seine Brüder etwas lernten, was sie in der Welt gebrauchen könnten; man solle ja keinen von ihnen zum Studium zwingen - „wie man dann in teutschen schuolen servilia ingenia in solchem Fall ziehet", während doch die artes „hberales" hießen (ibd. 113 f.). Seine Schwester solle einen Mann bekommen, der ehrlich sei, ob er studiert habe, sei nicht wichtig - „dann wir können nit alle hochgelaehrt sein" (ibd. 114). Aus diesen Ratschlägen sprechen wohl seine eigene Erfahrung und Selbsteinschätzung. Typisch ist auch, daß er nichts vom Sammeln griechischer Manuskripte hielt: Es reue ihn, viel Geld für ein altes Buch auszugeben, wenn man für denselben Betrag mehrere neue, gedruckte bekomme (ibd. 429 f.). Z.B.ibd.61.372f.376. Ibd. 484.

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Der Briefwechsel

Crusius, daneben etwa fünfmal an seinen Vorgänger, während der Philologe von Gerlach aus sechsundvierzig Monaten vierundzwanzig Sendungen mit achtundfünfzig Briefen an Tübinger Professoren und an die Stuttgarter Kirchenleitung wiedergibt'^^. Crusius erging sich in flehentlichen Bitten und Klageni22, doch ein schriftliches Dauergespräch, wie es mit Gerlach trotz aller postalischen Schwierigkeiten bestanden hatte, sollte es mit Schweicker nicht geben. Wenn der Kontakt mit den Griechen nicht mittlerweile auf eigenen Füßen gestanden hätte, wäre es wohl zur Fortsetzung des Lehrbriefwechsels mit dem Patriarchat nicht gekommen. Dieser ging nun ganz isoliert vor sich, ohne parallele mündliche Gespräche, wie sie Gerlach mit Jeremias und seiner Umgebung geführt hatte - Gespräche, die nicht nur die Klärung von Verständnisschwierigkeiten ermöglicht, sondern auch ein persönliches Vertrauensverhältnis zwischen beiden Partnern geschaffen hatten. Der Gedanke ist nicht einfach von der Hand zu weisen, daß dieser Verlust an persönlicher Kommunikation zu der Verschärfung der Vorwürfe, die sich im Laufe des Briefwechsels feststellen läßt, und zum schheßhchen Scheitern der Korrespondenz beigetragen hat. Seit Crusius sich im Juni 1578 an Schweicker gewandt hatte, war fast ein Jahr vergangen, man schrieb bereits April 1579, der neue Botschaftsprediger saß seit sechzehn Monaten am Bosporus, und noch immer lag kein Brief vor. Nur seinem Vater berichtete er eifrig, und Crusius hatte wenigstens Gelegenheit, diese Briefe einzusehen oder ihren Inhalt zu erfahren^^^. Auch dem Herzog hatte Schweicker einmal geschrieben und ihm einige Zeichnungen von Menschen in Konstantinopel geschickt, mit der Bitte um Entschuldigung, daß er vor Jahren ohne Erlaubnis das Tübinger Stift verlassen habe; der Herzog hatte gnädig verziehen und ihm zu seiner Stellung gratuliert^^·*. Crusius war mit seiner Geduld am Ende. Er konnte nicht mehr warten und schrieb kurzerhand noch einmal von sich aus einen Brief an Schweicker (13. 4. 1579)1^®. Wiederum beschwört er ihn, ein „alter Gerlach" zu sein, seinen Vorgänger im Eifer nachzuahmen (imitari) - quotidie . . . D . Gerlachius et ego responsum a te expectamus^^®. Er, Crusius, verwende sich auch bei den Leitern des Stifts für Schweicker, sie seien ihm darum schon sehr geneigt und würden das sicher noch mehr sein, wenn er, Schweicker, eifrig schreibe^^'^ - ein auf dem Hintergrund der Biographie des Adressaten zweifellos geschicktes, doch nicht sehr feines Argument. Im übrigen wußte der Philologe auch aus den besonderen Neigungen und Fähigkeiten des neuen Botschaftspredigers das Beste zu machen, kamen sie seinen Interessen doch sehr entgegen: Er hätte gern Briefe aus allen Gegenden, die der reiselustige Pfarrer besuchen werde, zudem auch BriefGerlach schrieb noch einige mehr, vor allem an Andreae während dessen Aufenthalts in Sachsen, doch manche Briefe bekam Crusius nicht in die Hand. Z.B.ibd.21.155f.213.302. " з ibd. 1-11.13. Ibd. 12. 1 " Ibd. 2 1 - 2 8 . Ibd. 21. Ibd.

Der geschichtliche Verlauf

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partner in Orten außerhalb Konstantinopels, ferner natürlich Zeichnungen in Hülle und Fülle^^®. Was die theologische Diskussion mit den Griechen anging, konnte Crusius derzeit wenig sagen, da die Antwort des Patriarchen auf das Tübinger Lehrschreiben ausstand und tagtäglich erwartet wurde. Er schickte Schweicker zwei Exemplare seiner Ubersetzung Tübinger Predigten zu Themen des Brenz'schen Katechismus mit, die mittlerweile unter dem Titel Πολίτευμα ούράνιον ήτοι κατηχητικοί όμιλίαι (Civitas Coelestis seu Catecheticae conciones) gedruckt vorlag^^^. Eines davon solle Jeremias erhalten, und er, Crusius, erhoffe Graecorum de eo iudicium^^". Außerdem wäre es gut, wenn die Griechen persönlich die Erfahrung evangelischen kirchlichen Lebens machen könnten: Schweicker möge z . B . Theodosios Zygomalas einladen, wenn er predige und das Abendmahl feiere, ut nostram religionem aliquo modo videat. Ferner sollten einige junge Griechen nach Tübingen kommen, um die lateHiische Sprache zu lernen, vor allem aber, damit sie religionem nostram . . . hic αύτόπται cognoscant"^. Diesen Vorschlag wiederholt Crusius^^^ in einem Brief, den er gleichzeitig an den Protonotar schickt (13. 4. 1579)^^^. Ferner dankt er Theodosios für die Geschenke, die er durch Gerlach gesandt habe. Darunter erfreue ihn besonders das Bild Marias mit dem Jesuskind, denn auch wenn die Evangelischen allein zur Trinität beteten, dächten und lehrten sie doch sehr ehrfürchtig (έντιμότατα) von der Gottesmutter und den übrigen Heiligen; sie dankten Gott, der diesen und durch sie ihnen selbst so viel geschenkt habe, und ermunterten die Christen zur Nachfolge in deren Tugenden^^'*. Im übrigen habe er, Crusius, als Anhang seiner kürzlich gedruckten Sammlung übersetzter Predigten die Beschreibungen Athens herausgegeben, die Theodosios und der Diakon Symeon Kabasilas ihm geschickt hätten^^®. Dadurch habe er unter der Hand (λάθρα) die irrige Meinung der „Papisten" widerlegt, es gebe die Stadt Athen gar nicht mehr, an ihrer Stelle seien nur noch ein paar Fischerhütten zu finden. Theodosios möge doch noch mehr solcher Informationen schicken!^®. Vor allem aber solle er die Tübinger Angelegenheiten Patriarch Jeremias empfehlen"''. Er, Crusius, bete tägüch für jeden Griechen, mit dem er Kontakt habe^^®. Auch den alten Zygomalas bittet Crusius (14. 4.1579)^^', für gute Aufnahme der Tübinger Schriften bei Patriarch und hohem Klerus in Konstantinopel zu sorgen Mit einem Vertreter dieses Klerus, von dem ihm Gerlach erzählt Ibd.23f. Ibd. I 701 ; (vgl. o. S. 85). Ibd.24f.

" o ibd. II 25. " 2 Ibd. 37.

Ibd. 2 9 - 3 9 . " " Ibd. 30. " s Die Briefe Cr. T B MS 1 1 7 8 - 1 9 1 (s. o. S. 71). 6 2 2 - 6 2 5 / T G 4 2 8 ^ 3 5 . 4 6 0 - 4 6 2 / C C 2 0 2 - 2 0 5 . 205 f. Cr. T B MS II 34 f. Ibd. 39. Ibd. 38. Ibd. 4 7 - 4 9 . i « Ibd. 49.

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Der Briefwechsel

hatte, Metropolit Methodios von Melenikos, nimmt er in einem Schreiben derselben Sendung Kontakt aufi"*!; er entbietet seinen „christusliebenden Gruß" (φιλόχριστος άσπασμόζ)!''^ und wünscht dem Adressaten, daß er „die geistlichen Schafe des Heilandes auf der Weide zu Wahrheit und Leben führe" und daß er selbst die ewige Freude erlangen werde, die uns „allein die Heilstat Christi durch den Glauben an ihn" (μόνον του Χρίστου κατόρθωμα δια πίστεως εις αυτόν) verschaffe^''^. Was Patriarch Jeremias betrifft, müßten sich eigentlich Andreae, Crusius, Heerbrand und Oslander für Briefe^·"*, teils auch für Geschenke^"*^ bedanken. Im Augenbhck könnten das indessen, schreibt ihm Crusius (14. 4.1579)^'*®, nur die beiden in Tübingen Anwesenden tun^"^. Der Kontakt zu Andreae sei aber gewährleistet: Man habe ihm die einschlägigen Briefe nachgeschickt^'^®, und Gerlach sei auf der Rückreise von Konstantinopel bei ihm vorbeigefahren^'^'. Heerbrand nimmt seinen Dankbrief an Jeremias (14. 4. 1579)^^° zum Anlaß, einige Erläuterungen zu seinem Kompendium und der Absicht der Tübinger bei der Übersendung zu geben. Man habe das Buch den Griechen nicht geschickt, um sie zu belehren^®^. Vielmehr sollten sie daraus ersehen, was die Tübinger in den wichtigsten Glaubensfragen dächten, im Gegensatz zu den umlaufenden Verleumdungen^^^. Vor allem aber solle dieses Buch, das die Hauptartikel der Schrift behandle'®^, den Griechen Argumente an die Hand geben zu den wichtigsten Fragen des Heils. Denn die Wahrheit des Glaubens, der einer sei wie Gott und die Taufe, werde aus dem Vergleich der Meinungen klarer „hervortauchen" (ώς εις έστι θεός, εν βάπτισμα, οϋτω μία πίστις: 'ίνα έκ της τοιαύτης των έκατέρωθεν γνωμών συγκρίσεως φανότερον άνακύψη το αληθές) Diese Zielangabe steht nicht in Widerspruch zur vorigen. Die Tübinger brauchten ihrer eigenen Überzeugung nach gar nicht zu versuchen, die Griechen zu belehren; vielmehr waren sie sicher, daß die Wahrheit selbst, wenn sie nur unverfälscht, d.h. bibelgemäß, präsentiert werde, jeden verständigen Christen zu sich herüberziehe. Ein, wenn nicht das Haupthindernis für diesen Überzeugungsprozeß ist in Heerbrands Augen die von den Tübingern immer wieder beklagte Hochschätzung, welche die Tradition bei den Griechen genieße. Auch sie seien ja bestimmt der Meinung, die Schrift habe größere „Würde und Ehre" (άξία και τιμή) als die Väteri^®. Daraus müsse man nun aber die Konsequenz ziehen und den Propheten und Aposteln als „den wahrhaft katholischen und kanonischen 15.4.1579, ibd. 5 2 f . / T G 482f. Cr. T B MS II 52 / T G 482f. Vgl. O.S. 119. Cr. T B MS II 43-47. "8^.44. Ibd. 39-43. 1 " Ibd. 41. 15" Ibd. 41.

i « Cr. T B MS II 53 / T G 483. Vgl. O.S. 119. Ibd. 44 f. » ' I b d . 45 f. 151 Ibd. 40. 1 " Ibd. 40. 155 Ibd. 41 f.

Der geschichtliche Verlauf

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Vätern der Kirche" gehorchen, die Tradition dagegen nur so weit annehmen, wie sie mit der Schrift übereinstimme^®®. Da die Griechen sich vielleicht etwas zu sehr an die Aussagen der Väter hielten (επειδή δέ των τοϊς άγίοις πατράσι δοξάντων ύμεϊς τάχα μάλλον τι εξεσθε) - so wie die Vertreter Roms den Anspruch der Tradition unvermittelt, d.h. ohne jede kontrollierende Bindung an die Bibel, an der Schrift vorbei auf den ersten Platz schöben (καθάπερ οί της πρεσβυτέρας Τ ώ μ η ς άμέτρως το των πατέρων παρά τάς θείας γραφάς προβάλλονται αξίωμα) - , habe er, Heerbrand, sein Kompendium um ein Eingangskapitel über den Rang (αξίωμα) der Heiligen Schrift als Prinzip und Grundlage alles Folgenden (ώς άρχήν και θεμέλιον) erweitert^®''. Er lege das Kapitel für Jeremias beii^®. Diese Briefe^^' waren samt einigen Gerlachs an seinen Nachfolger, an den Patriarchen, den Protonotar u.a., den beiden Exemplaren der Civitas Coelestis, der Abhandlung Heerbrands sowie einer Anzahl Bilder evangelischer Theologen, vor allem Luthers^®", bereits unterwegs nach Wien^^^ - wo sie übrigens fast anderthalb Jahre lang hängenblieben^®^ - , da traf am 21. Mai ein Bündel aus Konstantinopel ein. Es enthielt u. a. Briefe Schweickers und der beiden Zygomalas (alle vom März 1579), vor allem aber das ersehnte Antwortschreiben des Patriarchen^®^. In den Briefen der beiden Zygomalas zeichnet sich eine Entwicklung ab, die das Verhältnis der Griechen zu den Tübingern in immer stärkerem Maß prägen sollte: Die Suche nach theologischem Konsens tritt zurück, doch man hält ein gutes Verhältnis im menschhchen Bereich trotzdem für möghch, ja legt großen Wert darauf: φιλία und αγάπη als Grundbestimmung der Beziehung zwischen Griechen und Lutheranern. Theodosios Zygomalas drückt zwar immer noch die Hoffnung aus, Gott möge „ein gutes Ende" (πέρας άγαθόν) geben, nämlich „den Kirchen Christi Ibd.42. Dies Kapitel ging in die Ausgabe von 1578 ein. Ibd.41. Crusius schickte außer den genannten noch einen an den die Confessio Augustana ablehnenden (s. o. S. 75 f.) Logotheten Hierax, in dem er ihm für seine Freundlichkeit Gerlach gegenüber dankte und ihn um Geneigtheit gegenüber deutschen Philhellenen bat (14. 4. 1579, Cr. T B MS II 50f./TG481f.). Cr. T B MS II 39 Randnotiz; daneben Schnepfs und Heerbrands sowie eine Karte Württembergs und eine Stadtansicht Tübingens. Daß die Tübinger auch eine illustrierte Lutherbibel nach Konstantinopel geschickt hätten, auf die der berühmte von den Illustrationen der Septemberbibel abhängige Apokalypsenzyklus des Malerbuches vom Athos und entsprechende Fresken zurückgingen (vgl. L. H . Heydenreich, art. cit. 27f.), läßt sich nicht belegen. Doch gab es genügend andere Wege, auf denen die Bibel nach Südosten gelangt sein kann. Am nächsten liegt es, an Venedig zu denken, wo der Büchermarkt reichhaltig war und sich viele Griechen aufhielten oder durchreisten wenn nicht erst Kyrill Loukaris den Band im Westen erwarb (vgl. ibd. 28 f.). Ibd. 54. S . u . S . 129f. Cr. T B MS II 55 (die Briefe ibd. 5 5 - 7 3 ) .

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Der Briefwechsel

die Einheit" (ενωσιν ταϊς έκκλησίαις Χριστού) doch in seinem Fall ist es die trotz aller Nebenabsichten in finanzieller Hinsicht aufrichtige Freundschaft zu Gerlach^®®, die ihn auch die Ubereinstimmung der Kirchen wünschen läßt. Theologische Erwägungen stellt er nicht an. Sein Vater dagegen ist sich, wie schon aus seinen früheren Aussagen ersichtlich, der inhalthchen Schwierigkeiten in der Korrespondenz mit den Tübingern weit stärker bewußt, außerdem nicht persönlich für diese engagiert. Zwar kann auch er noch behaupten, es bestehe Übereinstimmung in den wichtigeren (κυριώτερα) Punkten^^^, doch wie er das meint, kommt darin zum Ausdruck, daß er wiederum Crusius' Sätze zitiert, er freue sich über solche Einigkeit, sei befriedigt von dem Versprechen antirömischer Schützenhilfe und hoffe auf restlosen Konsens - und dazu sagt, Gott möge für die Verwirklichung alles dessen sorgen^®'^. Nichtsdestoweniger will er durch seine Briefe „die Freundschaft und Liebe festbinden" (την . . . φιλίαν και άγάπην δείν) Wie ernst diese Beteuerung ihm selbst war, wie stark die Erwartung materieller Vorteile dabei mitspielte, mag dahingestellt sein. Jedenfalls traf er damit offenbar die Stimmung weiter Kreise im Patriarchat. So erwiesen sich die Griechen und vor allem Jeremias Schweicker gegenüber, wie dieser selbst berichtet, sehr freundschaftlich, der Patriarch empfing ihn mehrfach und erkundigte sich sogar nach den geographischen Verhältnissen Württembergs, Tübingens und Sachsens bei ihm^^'. Wenn die Erwiderung auf das Lehrschreiben der Tübinger so lange auf sich habe warten lassen, dann nicht aus Abneigung oder Desinteresse, sondern, so der Protonotar, weil viele Leute die Abhandlung der Deutschen gelesen und ihre Ansicht dazu geäußert hätten. Ihnen allen gerecht zu werden, sei ein schwieriges und langwieriges Geschäft gewesen. Doch zu guter Letzt liege die Antwort ja nun in den Händen der Tübinger^''". Crusius, an den das ganze Briefbündel adressiert war, schickte die Antwort Jeremias' umgehend nach Stuttgart, erhielt sie aber zurück mit dem Befehl des Herzogs, er solle eine lateinische Übersetzung anfertigen. Zwei Wochen später (13. 6. 1579) gingen Original und Version nach Stuttgart ab^'^^. In einem Begleitbrief an Oslander schildert der Philologe die Schwierigkeiten, die der Text schon rein äußerlich biete: Er sei improvisiert (αυτοσχέδιος) und offenbar nicht einmal korrigiert worden. Zitate von Vätern und Synoden habe man wie „Mischfutter" (farrago) zusammengeworfen und oft nicht vollständig angeführt^''^. Im übrigen bestehe das ganze Buch fast nur aus solchen Zitaten (nihil fere aliud in libro [est])^·'^. Auf den Abschnitt de autoritate Sacrae Scripturae in Ibd. Vgl. Ibd. Ibd. i'o Ibd. Ibd.

58. sein Drängen auf einen Brief von Gerlach ibd. 58. 67. 60. Ibd. 70 (vgl. o. S. 107.116f.) 59. Ibd. 64. 66. Ibd. 73. 73f. Ibd. 73.

D e r geschichtliche Verlauf

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dem vorangegangenen Tübinger Schreiben ließen sich die Griechen gar nicht ein, auch zu den anderen Hauptargumenten darin äußerten sie sich nicht, stattdessen „irgendwie zu irgendwelchen nebensächlichen P u n k t e n " (ad quaedam utcumque). In der Rückantwort müßten die Tübinger sie dazu zwingen, auf ihre Aussagen einzugehen, indem sie ihnen in „unverblümten Syllogismen" (nudi syllogismi) die „Kernpunkte ihrer Argumente" (robora nostrorum argumentorum) darlegten, die die Übereinstimmung mit der griechischen Position unmöglich machten. Das solle allerdings in höflicher Weise (comiter) geschehen, da die Griechen selbst freundlich (humaniter) schrieben und da die Tübinger sie ja schheßlich zu der Korrespondenz gebracht hätteni''". 5. Vorboten dei Scheiterns: vom Empfang der zweiten Lehrschrift des Patriarchen bis zur Absendung der Tübinger Antwort darauf Die A n t w o r t der Tübinger auf Jeremias' zweites Lehrschreiben ging erst im Sommer 1580 ab. Zwischen A n k u n f t der einen und Absendung der anderen Schrift lag ein Jahr, dessen Ereignisse das Ende der theologischen Korrespondenz zwischen Tübingern und Griechen einleiteten. Die Verbindung zwischen Tübingen und Konstantinopel fiel während dieses Zeitraumes fast völlig aus^. Die Griechen am Bosporus konnten nicht schreiben, weil es im Patriarchat drunter und drüber ging^ und der D r u c k der türkischen Behörden auf sie sich verstärkt hatte. Schweicker schrieb auch nicht nach Tübingen, und als er sich endlich wenigstens dem ihm bekannten Gerlach gegenüber dazu aufgerafft hatte, traf sein Brief erst nach der Absendung der A n t w o r t an das Patriarchat ein^. Auf der anderen Seite schickte Crusius mit Gerlach zwar zwei Briefsendungen nach Konstantinopel (am 28./29. 8. und am 16. 10. 1579)'*, doch nur eine davon kam in absehbarer Zeit an®. Was den Inhalt dieser Briefe betrifft, so bittet der Philologe Schweicker, der ihm doch ein „alter Gerlachius optimus" sein solle®, er möchte Patriarch Jeremias ausrichten, responsum suo tempore pium et modestum a nobis venturum^. Im Augenblick seien nur Buchgeschenke vorgesehen®. Aufs neue fällt der i ' " Ibd. 74. * N u r Gerlach bekam am 7. 4. 1580 einen Brief des Botschaftssekretärs Schmeisser v o m 10. 12. 1579 (Cr. T B MS II 188-190). 2 Ibd. 261 ; s . U.S. 136ff. 3 S . u . S . 133. " Er schrieb am 28. 8. an Schweicker (ibd. 123-134), am 29. 8. an T h e o d o s i o s Zygomalas (ibd. 135-143), am 16. 10. an Patriarch Jeremias (ibd. 149-152), und an Schweicker (ibd. 152-157). ® Die vom Sommer, n ä m h c h am 17. 11. 1579 (ibd. 188 in V e r b i n d u n g mit 144); die Sendung vom H e r b s t traf erst ü b e r ein Jahr später, am 7. 12. 1580, ein (ibd. 427). ^ Ibd. 133. ' Ibd. 124. 8 Ibd. 126 f.

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Der Briefwechsel

„brüderliche" (άδελφικώς) Ratschlag, Schweicker solle sich durch Briefe größeres Wohlwollen bei den Kirchenoberen erwerben®. Mit den angekündigten Geschenken, vom Herzog bezahlt^", schickt Crusius dem Patriarchen einen erklärenden Brief, den auch Oslander unterschreibt^^. Es komme zwar noch keine Antwort, doch als άντίδωρον die erbetenen Bände für die Patriarchatsbibliothek und eine größere Uhr^^. Andreae und die übrigen Württemberger Theologen ließen grüßen^^. Theodosios Zygomalas wird unterrichtet, Jeremias' zweites Lehrschreiben sei übersetzt und kursiere bei den entscheidenden Leuten; eine Erwiderung werde folgen^·*. Andreae lasse grüßen. Er sei z. Z. damit beschäftigt, die Kirchen in Sachsen von Zwinglianern und Calvinisten zu reinigen, die besonders hinsichtlich des Abendmahls schwere Irrtümer verbreiteten; es folgt eine kurze Darlegung der Lehren von der Raumgebundenheit des Leibes Christi im Himmel und von seiner Ubiquität sowie ein Hinweis auf die Konkordienformel^^. Damit schließt der Brief, doch Crusius fügt noch ein geheimes Blatt (μυστικώς, ώς άπ' έμοϋ μόνου δηλωθέν) zum Thema „Schrift und Tradition" hinzu^®. Hier schreibt er, die Tübinger wunderten sich, daß die Griechen sich in ihren Antworten nicht in erster Linie an die Bibel hielten, aus der die Evangelischen ihnen die sichersten, deutlichsten Beweise vor Augen stellten. Statt dessen würden immer wieder die Kirchenväter angeführt. Diese aber seien, ungeachtet ihrer Größe und Verdienste, Menschen und damit fehlbar. Das zeige sich z . B . daran, daß sie nicht Hebräisch gekonnt und sich auf die vielfach falsche griechische Ubersetzung des Alten Testamentes gestützt hätten. Der Notar solle nun aufmerksam und mehrfach die Tübinger Schriften, besonders Heerbrands Kompendium, lesen, dann werde er die Wahrheit der evangelischen Lehre Crusius faßt sie in einem kleinen Exkurs über das reformatorische „solus" zusammen - klar erkennen. Schließlich wüßten Theodosios wie auch der Patriarch ja über die evangelische Lehre Bescheid und stimmten ihr sicherlich z u auch wenn sie beide vielleicht von anderen behindert würden; jedenfalls hegten die Tübinger diese Vermutung. Das teile er, Crusius, seinem Freund Theodosios nur vertraulich mit (σύ μεν, ώ φίλε τιμιώτατε, ώς καΐ ó παναγιώτατος, εΰ γινώσκετε τά ημέτερα καΐ συνευδοκεϊτε δήπου: ύπ' άλλων δ' ϊσως έμποδίζεσθε" οΰτω μεν τοϊς παρ' ήμϊν ύπολαμβάνεται: καΐ εγώ μόνος μόνω σοι ώς έμφ φιλτάτω αύτό θαρρεϊν ύπέμεινα) Der Philologe konnte sich offenbar mit der Entwicklung des Briefwechsels nicht abfinden - das Evangelium mußte sich zumindest bei einigen der geliebten Griechen durchgesetzt haben, auch wenn sie von einer durch Unwissenheit,

« Ibd. 129; s . a . 155.221. " S. o. S. 120. » M b d . 150f. " Ibd. 136 f. " Ibd. 142f.

" Cr. T B MS II 149.157. " I b d . 151. Ibd. 140 f. 1' Ibd. 142f.

Der geschichtliche Verlauf

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Mißgunst oder Propaganda beeinflußten Umwelt daran gehindert werden mochten, zu ihrer Einsicht zu stehen. Diese axiomatische Annahme sah er bestätigt in Gerlachs Bericht, die evangelische Lehre habe einen gewissen Einfluß auf Theodosios Zygomalas ausgeübt^®, und er verband sie darüber hinaus mit positiven Aussagen über Patriarch Jeremias, die der Botschaftsprediger in seinen Briefen gemacht, doch nach seiner Rückkehr sicher auch im mündlichen Gespräch aufrechterhalten hatte^'. Ergebnis der Kombination war das Wunschdenken, das aus dem geheimen Zettel spricht. Wie gesagt, bekam Crusius auf keinen dieser Briefe in absehbarer Zeit Antwort. E r war wieder einmal verzweifelt^®. O b die „Papisten" die Korrespondenz mit den Griechen behinderten^^? In der Tat setzten in dieser Zeit Interesse, Mißtrauen und Gegenmaßnahmen von römischer Seite hinsichtlich der Kontakte zwischen Tübingen und Konstantinopel ein. Die Kenntnis davon drang über die informierten evangelischen Kreise hinaus, und es dauerte nicht lange, bis katholische kirchhche Stellen Argwohn schöpften^^. Sie nutzten nun den neuen konfessionspolitischen Wind, der seit dem Amtsantritt Kaiser Rudolphs II. wehte, um gegen jene Kontakte vorzugehen. Als einmal zwei Bündel Briefe aus Tübingen für Konstantinopel^^ nicht nur durch die Hände des evangelischen Oberpostmeisters Wolzogen gingen, sondern auch vom Wiener Vizekanzler überprüft wurden, fiel diesem die griechische Schrift auf. Er hielt die Angelegenheit für „suspect" und fragte beim Kaiser nach, was mit den Briefen geschehen solle. Rudolph befahl, sie bis auf weiteres festzuhalten. Wolzogen merkt traurig dazu an (30. 6. 1580): „man faßet bald ein argwon auff uns, so der Evangelischen Religion zugethan sind . . . Bei voriger Regierung waere es gewiß nit beschehen. letzt aber geschieht vil, das wir nit gemaint". Herzog Ludwig möchte sich doch für jene Sendungen einsetzen^"*. Das tat der Herzog^^ nach einem entsprechenden

18 S.O.S. 1 1 4 f . ; v g l . a . S . 146. "

Vgl. o. S. 43. 53. 99. S. z . B . C r . T B MS II 2 3 3 f . ( 2 8 . 6 . 1 5 8 0 ) . Vgl. ibd. 198; s . a . 233.

" Vgl. u. Teil III Kap. 1. " N a c h Wolzogens Angaben (30. 6. 1580) ein Bündel, das am 16. April, und eines, das am 4. September 1579 bei ihm eingetroffen war (Cr. T B MS II 260). Im zweiten Fall muß es sich um die Sendung vom 1 3 . - 1 4 . April 1579 handeln (s. o. S. 1 2 2 - 1 2 5 ) , das andere Bündel ist nicht zu identifizieren, da alles, was Crusius nach Konstantinopel geschickt hatte, angekommen war. Meint Wolzogen ein Paket Gerlachs, das nichts von dem Philologen enthielt und darum auch nicht in dessen Tagebuch erscheint? Offenbar war sich auch Crusius nicht im klaren, wovon der Postmeister sprach, ob nicht vielleicht doch überhaupt bloß eine Sendung aufgehalten wurde ( C R T B MS II 270). Wichtig ist im übrigen nur die vom April 1579 mit den Dankesbriefen der Tübinger an Patriarch Jeremias und Crusius' vielfältigen Versuchen, mit Griechen in Konstantinopel Kontakt aufzunehmen. Darum wird auch fast immer nur von diesem einen „fasciculus" gesprochen. "

Ibd. 2 6 0 in einem Brief an Gerlach.

"

Ibd. 271 Randnotiz; 272 Randnotiz.

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Der Briefwechsel

Bittschreiben Crusius'^®, die Briefe gingen daraufhin an Wolzogen zurück, ohne daß sie geöffnet worden wären^·^, und traten schließlich die Reise nach Konstantinopel an^®. Sie sollten dort im Laufe des Jahres 1581 eintreffen, doch niemals in die Hände des Adressaten gelangen^', weil mittlerweile Rom durch einen Protest in Wien, die Botschaft an der Hohen Pforte sei ein Umschlagplatz für lutherische Bücher, den Kaiser zu einem Zornesausbruch veranlaßt hatte^°. Diese letzten Ereignisse lagen in dem Jahr vor Absendung des zweiten Tübinger Antwortschreibens noch in der Zukunft, doch die Weichen dafür wie auch für die weiteren Reaktionen römischer Kreise auf die Kontakte zwischen Tübingen und Konstantinopel wurden in jener Zeit gestellt. Nicht nur die Windstille in der Korrespondenz mit den Griechen und die Anfänge der Polemik und Behinderungen von römischer Seite kennzeichnen den abgegrenzten Zeitraum, sondern auch die Entwicklungen im Patriarchat Konstantinopepi. Was lange angekündigt worden war, trat ein: Durch einen Machtwechsel im Amt des Großwesirs verlor Jeremias den Thron an seinen Vorgänger Metrophanes (24. 12. 1579)^^. Er versuchte, sich die Rückkehr zu erkaufen, aber ohne Erfolg^^. Metrophanes indessen hatte die wiedergewonnene Würde nicht lange inne, er starb schon nach einem guten halben Jahr (11. 8. 1580), und Jeremias kehrte zurück^"*. Dieses Zwischenspiel erschütterte, trotz des guten Ausgangs, seine Stellung stark. Von nun an war es für ihn überlebensnotwendig, zwischen verschiedenen Parteien zu lavieren, sich nach allen Seiten abzusichern. Diese Probleme am Ort machten den Briefwechsel mit Tübingen einerseits weniger wichtig, andererseits aber auch gefährlicher für den Patriarchen. Jeder Anschein der Abweichung von der überkommenen Lehre konnte von seinen Gegnern gegen ihn ausgespielt werden, außerdem Heß sich die Tatsache, daß er Westkontakte unterhielt, politisch mehr denn je^® gegen ihn verwenden. Denn der neue Großwesir schränkte nicht nur den Zugang der Griechen zu seiner Behörde drastisch ein^®, sondern er wollte auch alle postalischen Verbindungen nach dem Westen kappen^''. Es ist sicher kein Zufall, daß der letzte Akt des theologischen Briefwechsels zwischen Tübingern und Griechen in die Zeit kurz nach diesen Wirren in Konstantinopel fallen und sich dann sehr schnell, geradezu überstürzt, abspielen sollte. " "

Ibd.265-272. Ibd. 272 Randnotiz. Anfang 1581, ibd. Der evangelische Mittelsmann in der Botschaft wurde gezwungen, das Bündel herauszugeben, dann schickte man es nach Wien zurück (Ibd. 604; s. a. 392 u. vgl. 423.427). Ibd. ^^ Zu ihnen s. im einzelnen u. S. 134 ff. Cr. T B M S II 189. 249.257. " Ibd. 249 f. 3Mbd.374. 35 Vgl. O.S. 100. Ibd. 190 . 37 Ibd. 251.

Der geschichtliche Verlauf

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Inzwischen war die Antwort der Tübinger auf das zweite Lehrschreiben des Patriarchen fertiggesteUt (April 1580)^®. Osiander hatte sie abgefaßt^^. Wie drei Jahre zuvor wurde auch diesmal vom Herzog eine Beratungsrunde ins Kloster Bebenhausen einberufen, und zwar trafen sich hier am 2. Mai 1580 die Theologen Schnepf, Heerbrand und Propst Mager, dieser in Vertretung Oslanders, der verhindert war, sowie Crusius'·". In zweitägiger Sitzung las man das Schriftstück durch und fügte hier und dort etwas ein'*^ Am letzten Vormittag wurde noch Gerlach hinzugezogen, als es um die Frage ging, wie man praktisch den Griechen gegenüber verfahren solle'*^. Vor allem stellte sich angesichts der Verwicklungen im Ökumenischen Patriarchat das Problem des Adressaten: Sollte man die Antwort nur an den neuen Patriarchen Metrophanes schicken? Bestand nicht die Möglichkeit, daß Jeremias den Thron wiedererlangen werde''3? Man beschloß, an beide ein Exemplar zu senden und Theodosios Zygomalas entsprechend zu instruieren. Crusius wurde, wie üblich, mit der Ubersetzung ins Griechische beauftragt"*"*. Er machte sich umgehend an die Arbeit, wurde aber aufgehalten, weil Gerlach das erste Kapitel, das über den Ausgang des Heiligen Geistes, erweiterte und es anschließend zur Prüfung nach Stuttgart geben mußte"·®. Doch zu guter Letzt lagen am 24. Juni zwei säuberlich abgeschriebene Exemplare in griechischer Sprache vor"®. Drei Tage später (27. 6.) traf man sich noch einmal zur Beratung der praktischen Schritte in Bebenhausen. Es wurde nun beschlossen, die Antwort offiziell nur an Jeremias zu senden, das für Metrophanes bestimmte Exemplar dagegen privat in Gerlachs und Crusius' Namen an Theodosios Zygomalas, damit es recht viele Griechen in die Hand bekämen (quia sic plures id [sc. responsum] illic legere possint)"''. Offenbar schätzte man, wohl unter Gerlachs Einfluß, Jeremias' Chancen langfristig für höher ein als die Metrophanes' und sah deshalb keinen Anlaß, von der bisherigen Briefpartnerschaft abzugehen. Die Tübinger werden sich umso Heber so verhalten haben, als sie annahmen, Jeremias stehe ihnen besonders offen gegenüber''®. Anschließend wurde die Antwort, deren Mittelblatt Crusius mit der auf den Kopf gestellten Zeile versehen hatte: Συνέ-θηκε μεν λατινιστί Λουκάς Ό σ ί α ν δ ρ ο ς , μετέβαλε δέ έλληνιστί Μαρτίνος Κρούσως, εν Τυββίγγη, α φ π χϋ sowie der Begleitbrief an Jeremias®", der dem abgesetzten Patriarchen in bewegten Worten Trost zuspricht®^, unterIbd. 194 f. 202. Ibd. 157 (er hatte im Oktober 1579 damit begonnen); 194f. 202. "» Ibd. Ibd. « Ibd. " Ibd. « Ibd. « Ibd. 211. Ibd. "" Ibd. 212. "8 Vgl. O.S. 128 f. "" Cr. TB MS II 211. Ibd. 236-245 / Acta 261-263 (28. 6. 1580); es ist nicht klar, wer ihn verfaßte. S. zu dem Brief u. S. 202. " Cr. TB MS II 236-238/Acta 261.

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Der Briefwechsel

schrieben, und zwar von Bidembach, Mager, Oslander, Andreae, der gerade anwesend war, Schnepf, Heerbrand, Gerlach und Cruslus®^. Den beiden theologischen Schriften legten Cruslus und Gerlach einige private Briefe bei. Darin fordern sie Theodoslos Zygomalas auf, Jeremias unbedingt, wo auch immer er sich gerade aufhalte, das eine Exemplar der Tübinger Antwort auszuhändigen und auf eine Erwiderung zu dringen®^, notfalls auch auf Volksgriechlsch®" - man rechnete offenbar damit, daß Jeremias ohne die Beamten des Patriarchats nicht in der Lage sei, in klassischer Sprache zu schreiben, und wollte vermelden, daß er sich dadurch an einer Erwiderung gehindert fühlte. Das zweite Exemplar solle der Protonotar, fordert ihn Cruslus auf, selbst lesen und dann anderen chrlstus- und wahrheitsliebenden Männern (φιλόχριστοι καΐ φιλαλήθεις άνδρες) geben, darunter auch dem amtierenden Patriarchen, ob das nun Metrophanes oder jemand anderes sei^^. Im übrigen wüßten die Tübinger gern, wer denn nun eigentlich den Thron Innehabe^®. Mit den Briefen an den Protonotar schickten Cruslus und Gerlach einige an verschiedene evangelische Angehörige der Botschaft, die Gerlach kannte®''. Die Korrespondenz müsse endlich wieder in Gang gebracht, der Informationsfluß wiederhergestellt werden. Wenn Schwelcker und Theodoslos Zygomalas dafür nicht mehr einstehen könnten, meint Cruslus, müßten sie durch einen anderen Griechen und einen anderen Botschaftsangehörigen ersetzt werden®®. Ende Juni®' gingen die Briefe nach Stuttgart ab, Oslander schickte sie dann mitsamt dem theologischen Antwortschrelben nach Wien weiter®", nicht ohne daß verläßliche evangelische Männer in hohen Staatsämtern unterrichtet wor-

Kurz nachdem die Tübinger Sendung abgegangen war, kam, langersehnt, ein Bündel aus Konstantinopel in der württembergischen Universitätsstadt an (1. 8.1580)". Darin werden die Nachrichten vom Thronwechsel im Patriarchat bestätigt, die wirren Zustände beschrieben®^. Theodoslos Zygomalas (24. 2. 1580)®'* entschuldigt sich für sein langes Schwelgen mit dem Hinwels auf eben " Cr. TB MS II 212.243-245 / Acta 263. " Cr. TB MS II 231 (28. 6.1580). 245. 5" Ibd. "Ibd.231. « I b d . 227. ^^ An die Herren Schweicker, von Budowetz und Schmeisser (ibd. 231-236. 245); zu den beiden letzteren s. u. S. 144 A n m . 20. u. S. 351, A n m . 27. Cr. TB MS II 235. A m 29., Gerlach schickte seine k u r z darauf nach (ibd. 245). Ibd. Ibd. 212: neben dem niederösterreichischen Oberpostmeister Michael Wolzogen, Bruder des sonst immer hilfreichen Johannes, der Kaiserliche Kriegskommissar in Ungarn, Stytzel (vgl. a. ibd. 300). « Ibd.249-259. 261-265. " Ibd. 249-251.257.261 f. Brief an Gerlach ibd. 255-259, an Crusius ibd. 261-265.

Der geschichtliche Verlauf

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diese Zustände®^ - er habe allerdings auch seinerseits lange nichts aus Tübingen gehört®®. Doch trotz dieser langen Korrespondenzpause hege er nach wie vor die alte Freundschaft, vor allem zu Gerlach, und hoffe, daß sie umgekehrt auch ihm noch entgegengebracht werde®''. "Was das angekündigte zweite Tübinger Lehrschreiben betreffe, warte der neue Patriarch schon darauf. Die Verfasser könnten sicher sein, daß er ihnen eine quahfizierte Antwort schicken werde, denn er kenne die Bräuche und Dogmen der Kirche wie kein Zweiter®®. Schweicker, der nur an Gerlach schreibt (10. 3. 1580)®®, Crusius und Heerbrand aber immerhin grüßen läßt'^o, zeigt sich völlig verstört: Der Umsturz im Wezirat''^ erfülle ihn mit Furcht und Traurigkeit'^^, er habe all seine Zeichnungen verbrannt und werde keine Briefe mehr schicken"'з. Zum Glück stehe die Rückreise binnen einem Jahr bevor^'·. Tatsächhch schwebte zumindest der Botschafter zu jener Zeit in großer Gefahr: Nachdem man einige seiner Kuriere abgefangen hatte, wäre er beinahe „eingelegt" worden''^ - ein "Widerfahmis, das mit dem Tod des Häftlings enden konnte'^®. Schweickers Reaktion ist daher nicht unverständhch'^''. Auf diese Briefe hin sah Crusius sich veranlaßt, die Strategie betreffs des kürzlich abgeschickten Lehrschreibens zu ändern - wie er selbst Theodosios Zygomalas gegenüber betonte, auf eigene Faust, ohne Absprache mit den anderen Württembergern (ύπέρ έμοϋ έγώ ούτωσΐ λέγω, ούχ ύπέρ άλλων των έν ττί ημετέρα πόλει καΐ έπαρχία) Er wandte sich an Patriarch Metrophanes (29. 9. 1 5 8 0 ) u n d bat ihn, die Tübinger Antwort mit Wohlwollen (εύμένεια) . So weit präsentiert sich die lutherische Rechtfertigungslehre als direkte biblische Verkündigung, und zwar sowohl in Döltschs Version als auch in Melanchthons Überarbeitung. Die Begriffe der lateinischen Bußlehre, die die Confessio Augustana in ihren Aussagen über die Rechtfertigung benutzt, vor allem eben „meritum" und „satisfactio", gelten als situationsbedingtes und damit auswechselbares Gewand des Evangeüums; die Terminologie der Rechtfertigungslehre dagegen gehört für die Übersetzer zum Evangelium selbst, so wie für die Reformation diese Lehre Inbegriff und nicht eine zeitbedingte Ausprägung des Evangeliums ist. N u n steht neben den genannten neutestamentlichen Termini ein weiteres Wort, mit dem Melanchthon - vermutlich noch nicht Döltsch - „iustificatio" wiedergibt, das auffälligste der ganzen CA Graeca: δικαιοποιια'*^. Es wurde als direkte Übersetzung des lateinischen Begriffs ad hoc geschaffen. Da sich inhaltlich kein Unterschied zu den der Bibel entnommenen Worten ergibt, bleibt nur ein Schluß: Melanchthon sah für die neutestamentliche Terminologie offenbar die Interpretation im Sinne der lutherischen Rechtfertigungslehre bei Lesern aus dem Bereich der griechischen Tradition doch noch nicht unzweideutig gewährleistet. Weil ihm diese Lehre aber unersetzbar war, trug er dem Adressaten ihren Schlüsselbegriff auch in unmißverständlicher Form vor und mutete ihm damit, entgegen seinen sonstigen Bestrebungen, technische Ausdrücke möglichst zu umschreiben, ein Kunstwort zu. Die Neuschöpfung sollte im späteren Dialog kein Echo finden. Ins Leere ging auch die Übersetzung eines anderen Zentralbegriffs der lutherischen Rechtfertigungslehre, den noch nicht die Editio princeps des Augsburgischen Bekenntnisses, doch die Variata von 1540 enthält: persona. Er spielt Es gibt eine Stelle, an der die CA Graeca ihn doch zu ersetzen scheint, und zwar durch άγιάζειν (ibd. 30). Damit nimmt sie aber nur das Zitat auf, das unmittelbar vorausgeht - Hebr 10,14, dort heißt es τούς άγιασμένους - , so daß man aus dieser Stelle keine weitreichenden Schlüsse ziehen kann (gegen Benz, Wittenberg 114). "•o Kretschmar, Die Confessio 26. « Acta 18. « Ibd. 7. 19. 41. 44, vgl. Kretschmar, Die Confessio 26-28.

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Der Briefwechsel

für die griechische Version eine geringere Rolle, ist aber deshalb von Bedeutung, weil auch die Tübinger ihn benutzten, wobei sie Melanchthons Übersetzung folgten. Der Reformator wußte sehr wohl, daß es sich hier um einen anderen Sprachgebrauch handelt als bei der Verwendung des Wortes persona im Rahmen der Trinitätslehre und Christologie; die dort üblichen Parallelbegriffe πρόσωπον und ύπόστασις kamen also nicht in Frage. So wählte er als Äquivalent „Mensch" (άνθρωπος)''^. Während die Neuschöpfung δικαιοποιία griechische Leser vielleicht noch hätte stutzig machen können, ließ sich dem Allerweltswort άνθρωπος nicht im Geringsten ansehen, daß es auf einen eigentümlichen, für die Lehre der lutherischen Briefpartner grundlegenden Sachverhalt hinweisen sollte. Die aufgezeigten Beispiele sind nur einzelne, wenn auch besonders wichtige Proben der Ubersetzungsarbeit Döltschs und vor allem Melanchthons, andere werden bei der Behandlung der ersten griechischen Antwort zur Sprache kommen; jedenfalls zeigt sich schon, daß die mit der Übersetzung gegebenen Schwierigkeiten Symptome theologischer Probleme sind. Was den Gesamteindruck betrifft, den die Confessio Augustana hinterläßt, so ist er zwiespältig. O b w o h l es viele Fälle gibt, in denen sie an Sprachgebrauch und Denkvoraussetzungen der Adressaten anknüpft, kann man doch aufs Ganze und Wesentliche gesehen nicht sagen, es sei Melanchthon gelungen, eine Version herzustellen, die Griechen die Lehre des Augsburgischen Bekenntnisses verständlich gemacht hätte. Doch ist zu bedenken, daß er der erste war, der mit einem gewissen Bewußtsein von den Differenzen der geschichtlichen Entwicklungen und Denkvoraussetzungen versuchte, die Aussagen seiner Kirche Vertretern einer anderen zu vermitteln, mit der es noch nie Berührungen gegeben hatte. Erschwerend kam hinzu, daß er selbst diese andere Kirche nur aus literarischen Zeugnissen ihrer Vergangenheit kannte - ein Mangel, den die Gespräche mit Demetrios Mysos denn doch nicht ausgleichen konnten. Schließlich wäre zu fragen, ob die isolierte Übersetzung eines in eine bestimmte Situation gehörigen Dokuments, wie es die Confessio Augustana darstellt, überhaupt dazu geeignet ist, Adressaten ohne Vorkenntnisse oder bestenfalls mit negativen Vorurteilen eine fremde Kirche bekanntzumachen. Doch das sind Überlegungen, die Melanchthon noch nicht in den Sinn kommen konnten, da er die historische und theologische Distanz weniger weit sah, als sich herausstellen sollte - eine Entdeckung, die ihm erspart bheb.

" CA Gr. 20, Acta 22 par. CA Var. 6, Melanchthon, Werke VI 17, 30 und CA Var. 20, Melanchthon, Werke VI 32,10 (im letzten Teil von CA Gr. 20 sind Sätze aus CA Var. 6 und 20, den beiden Artikeln, die den Begriff persona mehrfach verwenden, ineinander verwoben.

D i e theologische Auseinandersetzung

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2. Die erste Antwort des Patriarchen a) Begleitbrief und Einleitung Die Grundstimmung, die das erste Schreiben des Patriarchen prägt, geht schon aus seinem Begleitbrief hervor^ Er sagt hier offen, daß er an vielen Punkten sehr kritisch ist, was die Sache der Lutheraner betrifft, aber er äußert sich freundlich und voller Zuversicht, was ihre Person angeht. Hinter der Herzlichkeit seines Tons steht also nicht die Meinung, im wesentlichen vertrete man ja ohnehin dieselbe Ansicht. Seine Vorbehalte sind größer als nach Gerlachs bisherigen Gesprächen mit ihm zu erwarten^. Offenbar hatte er das Augsburger Bekenntnis zunächst gar nicht ganz gelesen und war auf viele Differenzen erst gestoßen, als ihm der Kommentar der Zygomolas vorlag; auch der Botschaftspfarrer hatte umfassenden Widerspruch ja erst in dieser Schrift angetroffen^. Andererseits ist die Zuversichtlichkeit des Patriarchen nicht gespielt. Sie beruht auf dem Eindruck, die Briefpartner seien mit Ernst bei der Sache und guten Willens. Diesen Eindruck hatte nach Jeremias' erster, kühler Reaktion Gerlach erzeugt und genährt'*; er mochte aber auch mit einer allgemeinen Einschätzung der Lutheraner zusammenhängen, die einerseits im Auftreten des Botschaftspredigers, andererseits in der Confessio Augustana ihren Grund hatte: Welche Vorbehalte gegenüber der Reformation den Griechen auch notwendig schienen, immerhin handelte es sich hier um eine Bewegung, die sich von R o m gelöst hatte und offenbar daran interessiert war, grundlegende Verbesserungen in Lehre und kirchlichem Leben zu erreichen. Wenn dabei alle möglichen Irrtümer unterliefen und Unklarheiten auftraten, wie sie das Augsburger Bekenntnis Jeremias' Meinung nach vorbrachte, konnte man das als die unausgegorenen Produkte eines Anfängers betrachten und verzeihen, der über das Ziel hinausgeschossen war - nicht umsonst heißt es schließlich von dem lutherischen Dokument, es sei „leichtsinnig" und voller „Halbheiten"^ - , vorausgesetzt, er schien lernfähig und guten Willens. In diesem Sinn ist es zu verstehen, wenn Jeremias die Tübinger in seinem Brief und dann wieder am Ende des Lehrschreibens seine geliebten Kinder nennt; er bringt damit nicht nur eine protokollarische Formel vor, vielmehr sieht er seine Briefpartner als Menschen an, die bei all ihrer Bildung doch in kirchlicher Lehre und Praxis die Dummheiten von Kindern begehen. Sie tun es nicht aus bösem Willen, sondern aus Unreife und Mangel an klarer Leitung, deshalb muß man sie zwar zurechtweisen, ihnen gelegentlich sogar ein wenig drohen^, doch vor allem muß man ihnen liebevoll den rechten Weg zeigen. Daß gerade er, Jeremias, sich berufen fühlt, hier die Rolle des Vaters wahrzunehmen, ist in seiner 1 DkSI443. 3 S . O . S . 79 f. S S . U.S. 193.

2 S . O . S . 63 ff. 75. " Vgl. o. S. 67. ' S ; U.S. 194.

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Der Briefwechsel

hierarchischen Stellung begründet: Der Ökumenische Patriarch spricht als „Nachfolger Christi" (Χριστοί) διάδοχος)''. Seine Kritik - so der Begleitbrief - werde den Tübingern auf den ersten Blick nicht gefallen. Doch weise und gebildet, wie sie seien, würden sie bestimmt der Wahrheit die Ehre geben und der Christus widersprechenden „neuen Gesetzgebung" (καινότομος νομοθεσία), dem bisherigen „Mißbrauch mit fremden Lehren" (καταχρήσθαι έν άλλοις δόγμασιν) und der „unvernünftigen Gewohnheit" (συνήθεια παράλογος) Christi „Philosophie des Evangeliums" (ευαγγελική φιλοσοφία) vorziehen, mit der seine Jünger und Apostel sowie die Tradition der Ökumenischen und Partikularsynoden und der Kirchenväter übereinstimmten®. Jeremias wirft seinen Briefpartnern also Verirrungen im Bereich der kirchlichen Gesetzgebung sowie Abweichungen von der wahren Lehre vor; beides sei gleichermaßen unvernünftig, aber leider schon zur Gewohnheit geworden - eine Aussage, die sich wohl nicht allein auf das Bekenntnis der Lutheraner, sondern auch auf Gerüchte über sie stützt - und habe dazu geführt, daß die Lutheraner sich in der schlimmen, wenn auch nicht aussichtslosen Lage des „Verlorenen Schafes" und „Groschens" (Lk 1 5 , 7 . 1 0 ) befänden®. Zur Abhilfe gebe es nur ein Mittel: die Denk- und Lebensweise, die Christus vorgeschrieben und vorgeführt habe und die Bibel und kirchliche Tradition dem Leser vor Augen stellten. So könne er, Jeremias, nur schließen : „Als Nachfolger Christi kraft seines Erbarmens fordere ich Euer Liebden auf: Tretet doch in die Übereinstimmung mit unserer, der Kirche Christi ein (εϊθε συμφρονήσοιτε τή ημετέρα του Χριστού Ε κ κ λ η σ ί α ) . Wenn Ihr das wahrhaftig und von ganzem Herzen tut, so wird überall im Himmel und auf Erden Freude sein über die Vereinigung der Kirchen beider Seiten (ενωσις τής έκατέρων Ε κ κ λ η σ ί α ς ) ; daß sie zum Ruhm Christi Wirklichkeit werde, hoffen wir"!". Die Einleitung des Schreibens selbst, in der der Patriarch programmatisch Ziel und Prinzipien seiner Antwort ankündigt, läßt indirekt noch einmal die in dem Begleitbrief, aber auch schon in der vorangegangenen Korrespondenz^! geäußerte Kritik durchblicken, zugespitzt auf die beiden Probleme „gute Werke" und „kirchliche Überlieferung" - sie sollten sich langfristig tatsächlich als Hauptdifferenzpunkte herausstellen. Die Antwort auf die Confessio Augustana werde, entsprechend der Aufforderung Andreaes und Crusius' in ihrem Begleitbrief^^, den Lutheranern darle' D k S I 443. Zu dem sich hier ausdrückenden und im Verlauf der Korrespondenz noch mit doktrinalen Konsequenzen erhobenen (s. u. S. 184) Primatsanspruch des Patriarchen von Konstantinopel, der im Laufe des Mittelalters entwickelt und während der Turkokratie verstärkt wurde, s. Jugie, Theologia IV, 427 ff. 8 Ibd. 443. ' Vgl. die Anspielung auf diese Bibelstellen im nächsten Zitat. D k S I 443. " Vgl.o.S.56f.67f. 12 S. o. S. 46.

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gen, worin sie mit den Griechen übereinstimmten und worin nicht (το συμφωνούν ήμϊν καΐ δ ι α φ ω ν ο ύ ν σαφηνίσομεν). Dadurch möchte Jeremias seinen Briefpartnern die Liebe erweisen, die das Gesetz und die Propheten erfüllt - die Liebe, die sich nicht nur in Worten ausdrücke, sondern in Tatsachen und Werken (πράγματα και εργα); die Tübinger hätten ja, indem sie nach Konstantinopel schrieben, selbst dementsprechend gehandelt. Maßstab der Darlegungen werde nicht die Privatmeinung des Absenders (ουδέν οίκοθεν λέξομεν) sein, sondern die Tradition, d.h. die sieben Ö k u m e nischen Synoden - an die sich ja nach eigener Auskunft auch die Tübinger hielten - und die Lehrer und Ausleger (έξηγηταί) der Schrift. Darin spreche nämlich der Heilige Geist und mache sie so gleichsam zu einer zweiten Sonne neben der Bibel (οΪά περ ετερος ήλιος). Die Aussagen der Tradition blieben in Ewigkeit unerschütterlich. Denn die Kirche selbst sei nach Christi eigenen Worten unfehlbar und unerschütterhch (ασφαλής, άκράδαντος). An sie sei die wahre Lehre gebunden. Wer zu ihr gehöre, gehöre ganz und gar (ολος) zur Wahrheit; umgekehrt sei, wer sich nicht völlig ( κ α θ ά π α ξ ) an die Wahrheit halte, auch nicht Glied der Kirche Christi^^. b) Der Kommentar zur Confessio Augustana Auf diese einleitenden Bemerkungen folgt nun die eigentliche Schrift, die Stellungnahme zur Confessio Augustana, die das lutherische Bekenntnis Artikel für Artikel kommentiert. Im allgemeinen setzt sie jeweils mit einer kurzen Wiedergabe des behandelten Abschnitts oder dessen ein, was dem Patriarchen darin am wichtigsten erschien - Schlüssel zum Verständnis des Textes auf Seiten der Griechen. Sie hebt dann zunächst hervor, was davon zu biUigen sei, und geht schheßlich zu ausführlichen Erläuterungen, Ergänzungen oder auch kritischen Einwänden über. Zu den Verwerfungen des Bekenntnisses äußert sich der Patriarch meist nicht. L C A 1 bejahen die Griechen. Dabei ergibt sich allerdings eine perspektivische Verschiebung: Der erste Artikel des Bekenntnisses hat zum Thema „Gott" und legt dar, nach Meinung der Unterzeichneten sei die Lehre des Konzils von Nizäa darüber festzuhalten. D.h., es geht hier um den Inhalt eines altkirchhchen Bekenntnisses, dieses wird aber nicht selbst zum Gegenstand des Artikels, wie besonders deutUch die deutsche Fassung zeigt: „. . . wird einträchtiglich gelehrt und gehalten, lauts des Beschluß Concilii Nicaeni, daß ein einig gottlich Wesen s e i . . . und seind doch drei Personen" dementsprechend sind die meisten Aussagen gar nicht dem Nicaenum, sondern dem Athanasianum entnommen^^. " "

DkSI444. BSELK50. Für die Aussagen über die Ö k o n o m i e ( C A 3) kann man dann auf ein drittes altkirchliches Bekenntnis zurückgreifen, das Apostolikum.

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Der Patriarch macht dagegen das Symbol selbst zum Thema seines ersten Kapitels, wobei er schon den zugrundeliegenden Artikel in diesem Sinn interpretiert: Der Abschnitt, „der das Dogma oder heilige Symbol der heiligen Nicaenischen Synode über das eine, dreihypostatische, überheilige Wesen G o t tes enthält" (το πρώτον υμών κεφάλαιον, το διαλαμβάνον το δόγμα, εϊτε αγιον σύμβολον της έν Νίκαια αγίας συνόδου, περί της μιας τρισυπόστατου και ύπεραγίου ουσίας του Θεοϋ), sei zu loben^®. Dazu gibt allerdings der Text der C A Graeca, ja schon der im griechischen Text wörtlich übersetzten lateinischen Fassung der C A Inv. selbst Anlaß, der die in der deutschen Parallele prägnant formulierte Aussage verwischt: (αι παρ' ήμιν έκκλησίαι διδάσκουσι το της κατά Νικαίαν γενομένης συνόδου δόγμα . . . άληθές είναι και χωρίς . . . δισταγμού πιστευτέον)ΐ^. Vom Rang des Nicaenischen Symbols hatte zwischen Griechen und westlichen Gesprächspartnern seit sieben Jahrhunderten kaum die Rede sein können, ohne daß sofort ein Reizthema aufkam: das „filioque". Uber den Ausgang des Heiligen Geistes verliert die Confessio Augustana kein Wort. Wenn Jeremias auf diese Frage einging, dann tat er das zunächst, weil er die Reformation in den eingefahrenen Rastern des kirchhchen Ost-West-Gegensatzes sah; die Gespräche mit Gerlach zeigten ihm dann, daß die Lutheraner hier tatsächhch der abgelehnten westlichen Lehre anhingeni®. Allerdings macht er in seiner Antwort den Briefpartnern keinerlei Vorwürfe, sondern er stellt den Rang des Symbols ausführUch positiv dar und läßt nur eine allgemeine Warnung vor Verletzungen des ursprünglichen Wortlauts einfließen^'. Dem Thema des Kapitels gemäß wird das Problem des filioque hier allein unter diesem Aspekt behandelt; inhaltliche Argumente kommen erst in den folgenden Schriften ins Spiel. Der Patriarch zitiert das ganze Symbol in seiner von der griechischen Kirche vertretenen Form. AbschUeßend preist er mit hymnischen Worten, die der „Expositio divini et sacri symboli" Symeons von Thessaloniki entnommen sind^°, das von den Ökumenischen Synoden aufgestellte und bestätigte und auch von den Vätern bekräftigte Bekenntnis als Zeichen und Garantie für Identität und Kontinuität der Kirche aller Zeiten^4 2. Hat Jeremias bisher das Bekenntnis des christlichen Glaubens allein hinsichtlich seines Ranges betrachtet, so geht er nun auf dessen Inhalt ein, und zwar im Rahmen einer vorgezogenen Antwort auf den dritten Artikel der Confessio " DkS 1 4 4 5 . 18 S.O.S. 63 f. 75.

" A c t a 5. " D k S 1445.

P G 155, 801 C D mit leichten, z . T . vielleicht auch auf die im Patriarchat benutzte Textfassung zurückgehenden Unterschieden gegenüber der Ausgabe in P G ; sie ergeben keine Abweichungen im Sinn außer der, daß Symeons W o r t e eine Aufforderung zum Festhalten am Symbol darstellen (φυλάξωμεν), Jeremias daraus aber eine Beschreibung des Verhaltens seiner Kirche (φυλάττομεν) macht. "

DkS 1 4 4 5 .

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Augustana. Dieser Artikel behandelt gemäß dem Interesse von C A 1 an der Gotteslehre nun die Ökonomie, vor allem das Handeln des Sohnes, daran anschüeßend auch das des Geistes^^; die Griechen dagegen betrachten ihn gemäß ihrem formalen Verständnis von C A 1 als inhaltliche Darlegung des ganzen Symbols (τό τρίτον των κεφαλαίων υμών . . . το διεξερχόμενον περί των της πίστεως άρθρων)^^. Die Antwort des Patriarchen ist nichts anderes als die Wiedergabe der gesamten Schrift Symeons von Thessaloniki „Articuli duodecim de fide"^'' mit gelegentlichen Straffungen. Sie wird C A 3 ohne positiven oder negativen Kommentar einfach gegenübergestellt, "Widersprüche ergeben sich nicht. Allerdings enthält die Antwort eine Spitze, die auf andere, von den Griechen später noch eigens kritisierte Aussagen des lutherischen Bekenntnisses zielt. Sie hebt nämlich, ohne Anlaß in C A 3, die Notwendigkeit guter Werke des Christen auffällig hervor. Schon Symeons Büchlein schließt an die Darlegung der Glaubensartikel breite Ausführungen zur christlichen Ethik an, wobei es beides durch Zahlenspekulationen und christologische Erörterungen miteinander verbindet; vielleicht war diese Doppelseitigkeit der Grund, aus dem die Griechen gerade Symeons „Zwölf Artikel" zur Wiedergabe auswählten, denn sie kritisierten die Lehre des „sola fide" in der Confessio Augustana immer wieder mit dem Argument, der Glaube müsse mit dem Tun Hand in Hand gehen. Darüber hinaus verändert und erweitert Jeremias seine Vorlage an einigen Stellen leicht, um die Notwendigkeit hervorzuheben, daß der Gläubige das Gebot (εντολή) Christi erfüllen müsse^^. Ebenso auffällig ist allerdings ein weiterer Zusatz mit entgegengesetzter Stoßrichtung, der wohl, soweit in den Augen des Patriarchen möglich, das Anliegen der Briefpartner aufnehmen will: Symeons Wunsch, das Leben der Christen möge auf das ewige Heil hinführen, wird durch die Bemerkung ergänzt, das solle „durch die Gnade Christi und nicht nur durch unsere der Gerechtigkeit entspringenden Werke" geschehen (Χάριτι αυτού καΐ ού μόνους τοις εκ δικαιοσύνης εργοις ήμών)^^. 3. Im nächsten Kapitel holt der Patriarch seinen Kommentar zu C A 2 nach. Während dieser Artikel von der Erbsünde handelt und in dem Zusammenhang am Schluß kurz auf die Taufe als Hilfe dagegen zu sprechen kommt, ist der Raum, den Jeremias den beiden Punkten gibt, genau umgekehrt verteilt; seine Antwort auf C A 2 wird zu einer Erörterung über die Taufe. Das ist insofern nicht erstaunhch, als die griechische Kirche nie eine systematische Lehre von der Sünde entwickelt hatte, das Problem der Taufe dagegen seit Jahrhunderten D a s des Vaters ging durch die Ausarbeitung des ersten Artikels nach dem Athanasianum in den Aussagen über die Trinität unter - vgl. dagegen noch die Artikel von Schwabach, Marburg und Nürnberg ( B S E L K 52). " D k S 1445. " P G 155, 8 2 0 A - 8 2 9 B . " D k S I 446 / P G 155, 824 В ; D k S I 447 / P C 155, 828 B ; D k S I 448 / P C 155, 829 A. " D k S I 4 4 8 / P G 155, 829 В.

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Thema der Auseinandersetzungen mit R o m gewesen und darum ein gewisses Maß an Standardaussagen dazu zusammengetragen worden war. Wenn der Patriarch diese Aussagen den Lutheranern vorhielt, ohne daß die Confessio Augustana ihm Anlaß dazu gegeben hätte, zeigt das wiederum, wie sehr er in der Korrespondenz mit ihnen von dem herkömmlichen kirchlichen Ost-WestGegensatz ausging. D . h . konkret: Jeremias' Kommentar zu C A 2 trägt den Tübingern schlicht die traditionelle Kritik an der römischen Kirche zum Thema Taufe vor: Die Lateiner tauften nur mit einer Tauchung. Die eigene Praxis begründet er mit einem Zitat aus Symeons von Thessaloniki Traktat „De s a c r a m e n t i s " " ; dessen symbolistischer Begründung - nur das dreifache Untertauchen stelle die Trinität sowie Tod und Auferstehung Christi dar - fügt er noch die hinzu, bei dem griechischen Ritus handele es sich um eine „alte der Kirche überlieferte Sitte" (^εθος άρχαΐον παραδεδομένον τ^ Ε κ κ λ η σ ί α ) , eine Erweiterung, die in Zusammenhang mit der zentralen Rolle zu sehen ist, die die Frage nach dem Rang der Tradition in der Korrespondenz mit den Tübingern spielt. Schließlich betont der Patriarch die Notwendigkeit, den Täuflingen sofort Myronsalbung und Herrenmahl zu spenden. Beide, wiederum in den Kontroversen mit R o m notorischen, Punkte handelt er mit Zitaten aus Symeons Sakraments-Traktat ab^s. Was das eigentliche Thema von C A 2, die Erbsünde, betrifft, faßt der Patriarch nur kurz die Aussagen des Bekenntnisses mit den Worten zusammen, dort heiße es, jeder Mensch sei der vom Stammvater ererbten Sünde verfallen (ένοχος τη προπατορική άμαρτία), und stimmt dem zu; zur Bestätigung fügt er zwei Bibelzitate ein (Ps 50,7; J o h 3,5)^^. Mehr bringt er zum Thema „Erbsünde" nicht vor, so daß sich auch nicht erheben läßt, welchen Eindruck Melanchthons stark in patristischem Geist gehaltene Ausführungen^" am Bosporus machten. 4. Das vierte, fünfte und sechste Kapitel der Antwort des Patriarchen bilden einen geschlossenen Komplex zum Problem „Rechtfertigung und Werke des Christen"; sie unterscheiden sich thematisch nicht voneinander, sondern wiederholen nur dieselben Aussagen unter mehreren Gesichtspunkten. Grund dafür ist die bereits angesprochene Umarbeitung, die C A 4 und 5 (ed. princeps) in der C A Variata erfuhren^^ und die in die C A Graeca übernommen wurde. Auffälligstes Ergebnis dieser Umarbeitung stellt die Angleichung des fünften an DkS I 448 / PG 155, 228 D; schon das Psalmzitat in den Sätzen zur Erbsünde war in dieser Schrift vorgegeben: 177 ВС. DkS 1448 / PG 155,229 B - D . 233 В ; er verändert seine Vorlage, was den Spender der Salbung betrifft: Nach Symeon, der eine vom Bischof vollzogene Taufe beschreibt, ist es der άρχιερεύς, nach Jeremias, der die Regel für die normale Gemeindesituation angibt, der ιερεύς. " DkS 1448. S.O.S. 160АПШ.38. S.O.S. 159.

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den vierten Artikel auf Kosten des ursprünglichen Themas von CA 5 „Vom Predigtamt" dar. Infolgedessen kam der Patriarch zu dem Schluß, CA Graeca 5 sei dem vorhergehenden Artikel „fast gleich" (ομοιον σχεδόν)^^; CA 6 gehört ja ohnehin eng mit CA 4 zusammen. Ein weiteres Ergebnis der Überarbeitung von CA 4-6, das sich in der Reaktion des Patriarchen auswirkt, ist die Darlegung der Rechtfertigungslehre auf dem Hintergrund der Lehre vom Bußsakrament. Jeremias geht daraufhin in seinem Kommentar besonders zu CA 4, aber auch zu den folgenden beiden Artikeln von der Bußinstitution aus. In seiner Antwort auf CA 4 übt der Patriarch zum erstenmal direkt Kritik an einer Aussage des lutherischen Bekenntnisses. Die Sündenvergebung - er zieht dieses Wort dem Begriff „Rechtfertigung" vor, worin sich nicht nur der Kontext der Aussagen über die Buße, sondern auch die Tatsache niederschlägt, daß ihm jener Begriff im Grunde fremd ist^^ - die Sündenvergebung also scheint ihm falsch verstanden, wenn man mit CA 4 behauptet, sie „werde im eigentlichen Sinn allein dem Glauben gegeben" (μόνη τη πίστει κυρίως τήν άφεσιν των αμαρτιών δίδοσθαι). Die Katholische Kirche fordere vielmehr „den lebendigen Glauben, der durch die guten Werke bezeugt wird" (τήν πίστιν ζώσαν . . ., τήν διά των αγαθών έργων μαρτυρουμένην)^'*. Diese Forderung widerspricht der Confessio Augustana in keiner Weise, ja kommt CA 6 in der Formulierung sogar sehr nahe; daß sie erhoben wird, zeigt, wie Jeremias die Aussagen des Bekenntnisses versteht: als bedeute Rechtfertigung allein aus Glauben Christsein ohne ethische Konsequenzen. Wenige Sätze später kommt allerdings zum Ausdruck, daß seine Kritik eine bestimmte Auffassung des Wortes „Glaube" voraussetzt: Es handelt sich dabei für ihn um die Übernahme des Glaubensbekenntnisses (όμολογία)^®. Der Patriarch belegt seine Vorbehalte gegen CA 4 mit mehreren Zitaten des Kirchenvaters Basileios, einem aus den „Constitutiones Monasticae" zum grundsätzlichen Zusammenwirken von menschlichem Bemühen und götthcher Gnade^^, dann zwei längeren aus den „Regulae brevius tractatae", die sich mit der Buße befassen^^. Absolution ist hiernach allein unter der Bedingung des Gehorsams (έν υπακοή) möglich. Es folgen wieder Aussagen über die Notwendigkeit, den Glauben mit WerDkS I 450. Abgesehen von der Umarbeitung des Artikels machte auch die Übersetzung von ministerium docendi evangelii durch διακονία τοϋ ευαγγελίου darin (Acta 9) dem Patriarchen das Verständnis nicht leichter - er konnte damit nichts anfangen. Und zwar nicht erst die Neuprägung δ ι κ α ι ο π ο ΰ α , sondern auch der hier ebenfalls in der CA Graeca gebrauchte Terminus δίκαίωσι.ς. " DkS 1449. Jeremias stellt diese Bestimmung des Begriffs Glaube Melanchthons Abgrenzung von cognito historiae (ιστορική γνώοι,ς) und credere et assentiri (πεποίθησις καί συγκατάθεσις) (Acta 9) gegenüber. Er will damit CA 4 nicht widersprechen, denn er hat die Abgrenzung offenbar gar nicht verstanden. Vielmehr setzt er schlicht seine eigene Auffassung zu diesem Punkt daneben. DkS 1 4 4 9 / P G 31,1377 C. " DkS 1449 / PG 31,1092 ВС (Frage 15). 1085 AB (Frage 5).

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ken zu verbinden^®, dann ein Kommentar zu einem der wesentlichen Anliegen von C A Gr. 4: Heißt es dort, dem Gewissen des Christen nütze die Vergebung nur, wenn es sie ohne Zweifel empfangen könne^^, so schreibt der Patriarch, der Christ könne mit Zuversicht (παρρησία) und gutem Gewissen (μηδέν εχων συνειδός πονηρόν), ohne Zweifel (διστάζειν) zu Beichte und Buße kommen, da das Erbarmen Christi jede Sünde besiege; allerdings müsse die Beherrschung der Leidenschaften mit diesem Sieg Hand in Hand gehen. Auch hier liegt wohl eine Anreihung von Zitaten vor^'o. 5. Auch in C A 5 gehe es um Buße und Vergebung, darum, daß der Mensch angeblich nicht aufgrund eigener Genugtuung (ίκανοποΰα) gerettet werde, sondern allein durch Glauben und Gnade. Dagegen müsse wiederum und ohne Unteriaß betont werden, Vergebung erlange nur, wer lebendigen Glauben habe, den nämlich, der durch gute Werke bezeugt werde^'i. U m diese Aussage zu belegen, führt Jeremias einige seitenlange Väterzitate an: Eines aus Basileios' erstem Buch über die Taufe'·^, wonach der Christ zum vollständigen, gesetzesgemäßen Gehorsam verpflichtet ist, anschließend·*^ ein nach Aussage und Wortwahl mit größter Wahrscheinlichkeit von Chrysostomos stammendes, wonach Gnade und eigenes Bemühen einander Schützenhilfe leisten (συμμαχία) müssen. Eindeutig Chrysostomos entnommen ist der größte Teil der zweiten Hälfte des Kapitels, der dieselben Gedankengänge vorbringt"", ein Zwischenstück"^ zur Bedeutung der Werke für die ewige Seligkeit wohl auch. 6. Aus dem sechsten Artikel der Confessio Augustana las Jeremias zu Recht heraus, daß der Christ wohl gute Werke tun, doch nicht auf sie vertrauen (θαρρείν) solle"®. Dazu meint er erneut, das Handeln sei untrennbar an den Glauben gebunden, allerdings dürfe man sich in der Tat „nicht auf pharisäische Weise (φαρισαϊκώς) darauf verlassen oder dessen rühmen" - die Frage nach dem Vertrauen auf die Werke wird also ethisch verstanden - , sondern man müsse, auch wenn man alles erfülle, bekennen, ein unnützer Knecht zu sein (Lk

Jeremias schafft etwas gewaltsam den Übergang zu diesen Aussagen, indem er die von Basileios vorgegebene Aufforderung zur tätigen Buße in die zur Treue im Bekenntnis (κρατώμεν της ομολογίας) ausmünden läßt. A c t a 8 f. DkS I 4 4 9 von κρατώμεν bis zum Schluß; sie zu verifizieren, ist allerdings bislang nicht gelungen. Jedenfalls scheint die Anreihung lockerer zu sein, die Aufnahme verschiedener Stichworte und Gedankensplitter aus C A Gr. 4 - Glaubensdefinition, „Zweifel", „Gewissen" - legt die Vermutung nahe, daß Jeremias eigene Formulierungen eingefügt hat. DkS 1 4 5 0 . « DkS 1 4 5 0 f. / P G 31, 1528 B - 1 5 4 0 В pass. ; er schneidet alle Hinweise auf die Taufe heraus und fügt den Rest, nicht immer ohne Härten, übergangslos zusammen. DkS 451, Δεόμεθα bis τΰχωμεν. DkS I 4 5 1 - 4 5 3 mit Ausnahme des anschließend genannten Stückes / P G 61, 4 8 0 - 4 8 3 pass. (Homilien 11 und 12 zu 2. Kor). D k S I 4 5 2 : Έ à v γ à ρ è v ά μ α ρ τ í α ι ς . . . όργιζόμενος. DkS 1 4 5 3 ; der Begriff θαρρείν ist in C A Gr. 6 vorgegeben für confidere (Acta 10).

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17,10), weil der eigene Beitrag, gemessen an der Gerechtigkeit Christi, klein oder gar nichts sei'*''. Wenn der Christ einen solchen Beitrag leisten müsse, habe das nach Chrysostomos"*® den Sinn, daß er nicht untätig (άργός) in das Reich Gottes kommen solle. Noch einmal wird die Notwendigkeit rechten Handelns betont und dazu ein Großteil der Auslegung von Ps 130 durch denselben Kirchenvater angeführt"'. Nun ist hier dem behandelten Psalm gemäß vor allem vom Erbarmen Gottes angesichts der Größe der menschlichen Sünde die Rede - ein Thema, das natürlich sehr gut zu den Aussagen der Confessio Augustana paßt. Offensichtlich will Jeremias dieses Übergewicht ausgleichen, damit es nicht im Sinne der von ihm kritisierten Ansicht verstanden werden kann. Dazu bringt er anschließend breite Aufforderungen zu einem Leben in tätiger Buße vor, dazu greift er aber auch schon auffällig in die zitierten Passagen ein, und zwar viermal. Drei der Eingriffe^" drehen die Intention des Zitats schlicht um: Während Chrysostomos eben hauptsächlich darlegen will, daß der Mensch in seiner übergroßen Sündigkeit ohne Gottes Erbarmen keinerlei Aussicht auf Rettung hätte, schiebt der Patriarch mehrfach ganz unvermittelt ein, dieses Erbarmen setze die eigene Anstrengung des Empfängers voraus^4 Und wo Chrysostomos schreibt, nur wer sich außer an das Gesetz Gottes an das Wort von seinem Erbarmen halte, habe Grund zur Hoffnung, sagt Jeremias statt dessen, wer sich dem Gesetz zuwende und die Worte Gottes erfülle, habe Grund zur Hoffnung^^. Die Betonung der Notwendigkeit tätigen Gehorsams widerspricht natürlich Chrysostomos nicht, und sie hat auch in dem zitierten Text selbst ihren Ort®^, aber sie trägt doch an den von Jeremias eingefügten oder geänderten Stellen den deutüchen Charakter einer Korrektur. Es fragt sich, warum diese Psalmauslegung überhaupt herangezogen wurde, wenn sie erst aufbereitet und so sehr entschärft werden mußte. Vermutlich deshalb, weil sie zu Beginn und am Schluß behauptet, das göttliche Erbarmen sei an die menschliche Vorbereitung gebunden®''. Wie gesagt, der Patriarch bringt anschließend, ebenfalls in Form eines ZiDkS 1 4 5 3 . Die Stelle ist nicht identifizien, Karmires' Angabe (DkS I 453, Anm. 9) stimmt nicht. DkS 1 4 5 4 f . / P G 55, 3 7 4 - 3 7 7 pass. D. h., nur nicht der vierte: Έ ά ν γαρ . . . ολεθρον in der Mitte von DkS I 454. ' ' DkS 1 4 5 5 : μετανοοϋσι . . . έπογγελίαν; φιλοικτίρμων . . . σωτηρίαν. P G 55, 3 7 5 : τω νόμω σου προσεχών καΐ τφ λόγψ σου, χρηστάς εχω ελπίδας. Ποίψ λόγφ; Τ ω της φιλανθρωπίας. Αύτός γάρ έστιν ó λ έ γ ω ν Es folgt Jes 59,9. Das Gesetz ist also nach Chrysostomos durchaus auch im Blick, doch Grund zur Hoffnung gibt es für den - nach dem Kontext sündigen - Menschen nur darum, weil daneben das W o r t vom Erbarmen Gottes steht. Dagegen Jeremias (DkS 1 4 5 5 ) : τφ νόμω σου προσεχών και τά λόγιά σου έκπληρών, χρηστάς εχω έλπίδας. Συ γαρ ó ειπών . . . wieder folgt Jes 59,9, doch trotz des γάρ, ja eigentlich im Widerspruch zu ihm, hat das Zitat gar keinen Sinn mehr. " P G 5 5 , 5 7 4 / DkS 1 4 4 ; P G 5 5 , 3 7 7 / DkS 1 4 5 5 . " P G 5 5 , 3 7 4 / DkS 1 4 5 4 ; P G 5 5 , 3 7 7 / DkS 1 4 5 5 .

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tats^®, breite Aufforderungen zu einem Leben in tätiger Buße vor; die eigene Reinigung müsse der Vergebung vorangehen. Im übrigen sei diese Reinigung die wahre „Genugtuung" (ίκανοποΰα), nicht die Gabe von Geld - ein Seitenhieb gegen den römischen Ablaß®®. Zum Schluß fast Jeremias noch einmal, wohl in ad hoc formulierten Sätzen, seine Meinung zu den Aussagen der Confessio Augustana über die Rechtfertigung zusammen: Wer sich einbilde, „allein aus Gnade" gerettet zu werden, statt selbst etwas dafür zu tun, der wolle „nach Art der Undankbaren" das Heil gewinnen (χάριτι μόντ] άχαρίστων τρόπον σωθήναι) - und das werde ihm nicht gelingen. Grundsätzlich gelte, daß die Werke des Christen nicht mehr darstellten als einen Beitrag und Erweis der dankbaren, gehorsamen Gesinnung, doch sie seien unerläßlich, zumal sonst der Natur des Menschen nicht Rechnung getragen würde, denn zu ihr gehöre unaufhebbar die Fähigkeit zu wählen (προαίρεσις)^·'. 7. CA 7, den Artikel, der von der Kirche handelt, versteht Jeremias so, daß danach auch die Lutheraner die heilige, katholische Kirche hätten und die Sakramente und kirchlichen Riten angemessen ausführten (μίαν άγίαν Έ κ κ λ η σίαν εχειν και υμάς . . . καΐ τα της Ε κ κ λ η σ ί α ς μυστήρια καΐ τάς τελετάς καλώς έκτελείν)®®. Die Verengung des BHcks auf das eine in CA 7 angegebene Kennzeichen der Kirche, die Sakramentsverwaltung - von dem anderen, der reinen Verkündigung, ist keine Rede - , hat zur Folge, daß Jeremias' Kommentar zu CA 7 zu einer Abhandlung über die Mysterien wird. Hinsichthch der Definition der Kirche hält er den Tübingern nur kurz vor, dafür sei konstitutiv der Gedanke des Gehorsams gegen die kirchUchen Vorschriften und Kanones (τά νενομοθετημένα και κανόσιν . . . ώρισμένα) in Übereinstimmung mit den Vätern®'. Die sich anschließende Abhandlung über die Mysterien®" ist das beststrukturierte und klarste Stück des ganzen Schreibens. Sie gliedert sich wie folgt: Aufzählung der Mysterien zweifache Begründung ihrer Siebenzahl Definition von „Mysterion" und Angabe der für ein solches konstitutiven Bestandteile, konkrete Anwendung dieser abstrakten Bestimmung auf den Fall Taufe

Das geht, auch wenn bisher keine Identifikation gelungen ist, aus der „Sprache und [dem] Gebrauch der 2. Person Singul. bei der Anrede des Lesers" hervor, die sich hier findet, „während der Patriarch sonst die 2. Person Pluralis gebraucht" (Meyer 98). Wie weit das Zitat reicht, läßt sich nicht bestimmen. DkSI456. "DkSI457. '»DkSI Ibd. Ibd. 457-460.

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Darlegung der Wirkung der einzelnen Mysterien Angabe der Einsetzung der einzelnen Mysterien zusammenfassende Bemerkung. Die Aufzählung bringt die Mysterien in der Reihenfolge Taufe, Chrisma, Herrenmahl, Priesterweihe, Ehe, Buße, Krankensalbung vor. Daß es sich dabei um sieben handele, wird zunächst mit einem Satz aus der Schrift „Uber die Sakramente" Symeons von Thessaloniki®^ begründet, wonach die Gaben des Geistes sieben sind, anschließend aber noch mit einer rationalen Einteilung, die eine höhere Zahl ausschließe: Danach betreffen die Mysterien die Entstehung des Menschen - so die Ehe - oder sein Heil - so die anderen sechs - , dies wiederum teils grundsätzlich, teils, im Fall von Sünden, nach der Taufe. Die Reihenfolge der Mysterien ist der Logik des Schemas entsprechend hier eine andere als in der Aufzählung zu Beginn®^. Die beiden folgenden Absätze nun sind eine der merkwürdigsten Passagen der ganzen Schrift. Denn hier spricht Jeremias mit den Worten der lateinischen Scholastik. Wörtlich heißt es: „Mysterien werden diese genannt, weil sie in wahrnehmbaren Zeichen eine geistige, unaussprechliche Wirkung haben. Jedes dieser Mysterien aber ist von der Schrift angeordnet und hat eine festgesetzte Materie und Form. Ja auch die Wirk- oder vielmehr Instrumentalursache ist definiert" (Μυστήρια δέ ταϋτα λέγεται διά τό έν αίσθητοίς συμβόλοις νοητόν εχειν τό άποτελούμενον και άπόρρητον. "Εκαστον δέ των μυστηρίων τούτων τεθεσμοθέτηται μεν ύπό της Γραφής, ώρισμένην δέ ΰλην καΐ είδος εχει. 'Αλλά μήν και τό ποιητικόν ή μάλλον ειπείν όργανικόν αϊτιον ώρισμέν ο ν ) " . Bei der Taufe etwa sei das Wasser die Materie, die Taufformel die Form und der Priester, in Notfällen auch ein Laie, die Instrumentalursache. Dieselben Bestandteile könne man bei den anderen Mysterien finden. Der letzte Satz wird nicht mehr in die Tat umgesetzt, vielmehr folgt ein langer Abschnitt über die Wirkung der einzelnen Mysterien, der wiederum Symeon von Thessaloniki entnommen ist®'*. Gemäß der grundsätzlichen Feststellung, daß zu einem Mysterion neben Form, Materie und Instrumentalursache - alle bereits am Beispiel der Taufe konkret belegt - auch die bibhsche Einsetzung gehöre, geben die letzten Absätze des Kapitels für jedes einzelne zentrale Stellen aus dem Neuen Testament an, meist mit kurzem Hinweis auf alttestamentliche Vorläufer; hinsichtlich des Chrismas wird auf Dionysios Areopagites verwiesen. Auffällig ist, daß die Mysterien hier nicht in der Reihenfolge der Aufzählung zu Beginn, sondern in der des rationalen Schemas zur Begründung der Siebenzahl behandelt werden, ausgehend von der Ehe. Die beiden Abschnitte scheinen irgendwie zusammenzugehören^®. " PG 155,177 B. " DkS 1457. " Ibd. 458 f. / PG 155,177 B-180 D.

" Ibd. « DkS 1459 f.

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In seiner Schlußbemerkung faßt Jeremias das Gesagte noch einmal zusammen: Dies seien die Mysterien der Kirche, „durch die die Eingeweihten am himmhschen Geschenk Anteil gewinnen" (ÖL' ών οί τελούμενοι μεταλαμβάνουσι της έπουρανίου δωρεάς), so viele und in der dargelegten "Weise überliefert. Man müsse sich allerdings im klaren darüber sein, daß „für all diese Mysterien gleichsam die Wirk- und Ursprungsursache das verehrungswürdige, allerheiligste Leiden unseres Herrn ist, aus dem oder um dessentwillen den Teilnehmern die Gnade entspringt" (Ού δει δε άγνοείν, ότι πάντων των μυστηρίων τούτων, οΐόν τι ποιητικόν και άρχικόν αίτιον το τίμιόν έστι καΐ άγιώτατον πάθος τού Κυρίου ημών, έξ ού ή δι' ο τοις μετέχουσιν ή χάρις πηγάζεται)^®. Der erste Eindruck, den der Leser dieser Ausführungen gewinnt, ist der, daß es sich hier um ein zwar aus verschiedenen Bestandteilen zusammengesetztes, doch einheitlicher griechischer Gedankenwelt entstammendes Kapitel handle, dem nur an einer Stelle ein westlicher Absatz eingefügt worden sei. Doch dieser Eindruck erweist sich bei näherer Untersuchung als falsch - in Wirklichkeit stehen die Dinge genau umgekehrt: Jeremias übernahm einen Traktat über die Mysterien, der auf eine lateinische Vorlage zurückgeht, und reicherte ihn durch die beiden genannten Passagen Symeons von Thessaloniki an®''. Der Traktat hat zum Autor den Zyprioten Georgios Lapithes®®, der in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts lebte®^. Seine geographische Herkunft ist bezeichnend: Die Anwesenheit westlicher Mächte und der römischen Kirche auf Zypern führte bei Herrschern wie Beherrschten zu Assimilationserscheinungen verschiedenster Art, u. a. auf der Ebene der kirchhchen Riten und der Theologie^". So kam es dazu, daß Lapithes einen unter den Lateinern umlaufenden kurzen scholastischen Traktat über die Sakramente übernahm, ihn ins Griechische übersetzte und an manchen Stellen abwandelte''^; er wollte damit dem Klerus seiner Kirche einen Leitfaden an die Hand geben - ein Bedürfnis, dem die knappen systematischen Aussagen der aus dem Schulbetrieb geborenen

" Ibd. 460. ' ' Zur Geschichte dieses Textes s. Darrouzès, Textes synodaux, und Wendebourg, Mysterion. Mit diesem Aufweis, der Darrouzès (Art. cit. 38—41) gelungen ist, erübrigen sich Versuche, den scholastischen Absatz in Jeremias' Antwort anderen älteren Quellen (s. Anm. 79) oder Zeitgenossen (nach Meyer 98, übernommen von Jorgenson 179) zuzuschreiben. «« Beck 722. Vgl. Wendebourg, Mysterion 282. Genaugenommen sind die Ausführungen über die Sakramente der zweite Teil eines kleinen Werkes, das unter dem Titel "A δει τόν άρχιερέα έ | ανάγκης έπίστασθαι και τους άλλους διδάσκειν; im ersten Teil werden die Glaubensartikel sowie Tugenden und Laster behandelt. Lapithes' Schrift ist in einer bereits überarbeiteten Fassung fälschlich unter dem Namen Gennadios Scholarios' ediert, in: Gennadios Scholarios, Oeuvres IV 195-197; zur Erstfassung s. Darrouzès, Textes synodaux 42 ff.

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Scholastik weit eher entsprachen als die in der griechischen Tradition übliche Behandlung der Mysterien im Rahmen von Liturgiekommentaren''^. Der Aufbau des lateinischen Traktats war derselbe wie oben für Jeremias' Kapitel angezeigt. Nur die erste Begründung der Siebenzahl der Sakramente enthielt er natürÜch nicht, und anstelle der langen Passage Symeons zur Wirkung der Mysterien muß er eigene Darlegungen vorgebracht haben^^. Lapithes übernahm Gliederung und Aussagen des lateinischen Textes, Ja z . T . sogar die westlichen Termini in wörtlicher griechischer Übersetzung'^'*. Andererseits griff er an drei Stellen korrigierend in seine Vorlage ein. Zum ersten in die Begründung für die Zahl der Sakramente, die in Form eines rationalen Schemas zeigen soll, daß es genau sieben sein müßten und keinesfalls mehr. Gegenläufig zur Tendenz des Absatzes versuchte Lapithes, darin entsprechend der alten griechischen Tradition von der unabgegrenzten Vielzahl der Mysterien doch noch einen achten Ritus unterzubringen: den der Kirchweihe. Er tat das mit Hilfe einer Kompromißkonstruktion: Priesterweihe und Kirchweihe wurden einfach zu einem Ritus zusammengefaßt - zu einem solchen nämlich, durch den „das zum Vollzug der Mysterien gehörende" (τελεστικά των μυστηρίων) „ausgesondert" (άφορίζειν) werde - d.h. eine bestimmte Person und ein bestimmter O r t (πρόσωπον καΐ τόπος) Zweitens gab er als Form der Taufe die griechische Formel an''®. Und drittens ließ er einen langen Abschnitt seiner Vorlage fort: die konkrete Anwendung der Kategorien Materie, Form und Instrumentalursache über das Sakrament der Taufe hinaus sowie die sich anschließenden Ausführungen über die Wirkung der sieben Riten. Alles, was er hiervon im Text stehen ließ, war die Zusammenfassung: „Was jedes der Mysterien für das Heil der Menschen leistet, ist nun gesagt"'^'' - eine Behauptung, die der verkürzte Text nicht mehr einlöst''®. Lapithes' Traktat erfreute sich unter den Griechen einer gewissen Popularität. Er ging nicht nur gesondert um, sondern wurde auch von verschiedenen Lokalkonzilien auf Zypern, mit kanonischen Bestimmungen verbunden, als Synodikon verabschiedet^'. Offenbar lag er im 16. Jahrhundert auch im Ö k u menischen Patriarchat vor. " "

Wendebourg, Mysterien 293 (vgl. u. S. 274). Ibd.288. E r nennt in der Erstfassung seines Traktats das Chrisma έπικύρωσις und spricht von τελευταία χρίσις (Darrouzès, Textes synodaux 97), die Priesterweihe heißt bei ihm neben χειροτονία τά|ις ιερά (in der Erstfassung : ibd. ; in der unter Scholarios' Namen veröffentlichten Version : τάξις των ιερών, Scholarios, Oeuvres IV 195). " Darrouzès, Textes synodaux 97 / Scholarios, Oeuvres IV 195. " Darrouzès, Textes synodaux 98 / Scholarios, Oeuvres IV 195. " Ibd. 'β Wendebourg, Mysterion 288. 290. " Darrouzès 56 ff. Ein solches Synodikon, das im C o d . Barb. Gr. 390 der Vatikanischen Bibliothek, lag Jugies irrtümlicher Annahme zugrunde, ein zypriotisches Lokalkonzil des 13. Jahrhunderts sei Urheber des scholastischen Absatzes, den Jeremias vorbringt Qugie, Theologia III 34,

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Sicherlich wußten Jeremias und sein Kreis nichts von dem westlichen Hintergrund der kleinen Schrift. Sie bot sich ihnen als Zusammenfassung der eigenen Lehre von den Mysterien gegenüber den Lutheranern an, weil sie knapp und übersichtlich ist. Vor allem aber, weil sie von der Siebenzahl der Sakramente ausgeht und sie in mehreren Anläufen untermauert - im rationalen Einteilungsschema zu Beginn wie in den Aussagen über ihre Einsetzung, die die Mysterien auf die Bibel selbst, im Fall des Chrismas jedenfalls auf die allerälteste kirchliche Tradition, zurückführen und so die Verminderung der Zahl der Sakramente in der Confessio Augustana mit deren eigenem Kriterium zu widerlegen geeignet scheinen. Dabei ist es bezeichnend für die veränderte theologische Situation, daß Jeremias die Siebenzahl gegen eine solche Verminderung verteidigt, während es seiner Vorlage darum geht, eine größere Zahl auszuschließen; die entsprechende Aussage Lapithes' blieb in der Antwort an die Tübinger stehen, obwohl sie hier keinen Zweck mehr hat (οτι δέ ταύτα καΙ μόνα καΐ ού πλείω τον άριθμόν είσι)®°. Dasselbe AnHegen steht auch hinter zwei Eingriffen des Patriarchen: Ernennt die Riten, deren Verbindlichkeit er zeigen will, nicht nur Mysterien, sondern μυστήρια καΐ τελεταί®ι. Damit wendet er sich gegen C A 7, insofern dort zwischen notwendigen Mysterien und letztlich beliebigen, von Menschen erdachten τελεταί unterschieden und so die Verminderung der Zahl der Sakramente begründet wird®^. Für Jeremias handelt es sich hier um eine gleichermaßen verbindliche Gruppe von Riten, wie auch immer man sie benennt. Zweitens beseitigt er die „griechische Inkonsequenz" seiner Vorlage, indem er den Versuch fallenläßt, die Kirchweihe unter die Mysterien einzureihen. N u r einen Hinweis darauf vergißt er zu tilgen, so daß sein Text einen nun unverständlichen Überschuß enthält: Hieß es bei Lapithes, das Weihesakrament betreffe Personen und Orte, „durch die und an denen" die übrigen Mysterien gefeiert würden, sagt Jeremias nur, es betreffe Personen, schreibt aber weiterhin, „durch sie und an ihnen" (δι' αυτών και εν αύτοίς) würden die anderen Riten vollzogen®^. Im übrigen strafft er das vorgegebene rationale Schema, von einem Zusatz hinsichtlich der Priesterweihe abgesehen: Diese bedeute für die betroffenen Personen dasselbe wie die Ehe für die Laien (τοις . . . άφιερουμένοις Θεώ ή χειροτονία, ώς λαικοϊς ô γάμος)®'' - eine Aussage, die klingt, als vertrete der Patriarch den Pflichtzölibat. Jeremias nimmt noch einen weiteren Eingriff in Lapithes' Text vor, der, gegenläufig zu den bisherigen, zu einer Regräzisierung der Vorlage führt: Er fügt die genannten beiden Zitate aus der Sakramentsschrift Symeons von ThesAnm. 3; 16, A n m . 4 - übernommen von H o t z , 151). Ein anderes ist ediert von Darrouzès, Textes synodaux 92-113. 80 D k S 1457. 81 Ibd. " A c t a 11. D k S 1457. 8" Ibd.

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Saloniki ein. Der erste Einschub ergänzt die rationalistische Begründung für die Siebenzahl der Sakramente durch ein Argument im Sinne der bei den Griechen vorherrschenden symbolistischen Ableitung - es gebe ebenso viele Mysterien wie Geistesgaben. Der zweite legt in der breiten, wenig zugespitzten Sprache der patristischen Tradition und insofern in deutlichem Kontrast zu den vorausgehenden dürren Worten des scholastischen Absatzes die soteriologische Wirkung der Mysterien dar. Jeremias füllt mit diesem Zitat den zweiten Teil der Lücke aus, die Lapithes' Traktat gegenüber seiner Vorlage aufweist. Die dort allein stehengebliebene Zusammenfassung, nun sei also gesagt, was jedes der Mysterien für das Heil leiste, schien dem Patriarchen zu Recht nicht mehr eingelöst, eine Einlösung aber vom Thema her unumgänglich, und so gab er ihr durch das Symeon-Zitat wieder einen Bezugspunkt. Daß er auf diese Weise Stücke aus ganz verschiedenen Traditionen miteinander kombinierte, war ihm nicht bewußt®^. 8. Dem achten Artikel der Confessio Augustana, wonach die Sakramente den Empfängern auch dann nützen, wenn sie durch unwürdige Amtsträger ausgeteilt werden, stimmt Jeremias zu. Denn es sei die Gnade (χάρις), die hier wirksam sei. Anders als die Confessio Augustana®® wendet der Patriarch diese Feststellung nicht auf die Evangeliumsverkündigung an. Da das Heil also nicht von der moralischen Beschaffenheit der Amtsträger abhänge, müsse man ihnen in jedem Fall Ehre erweisen. Dieser Aussage gilt das ganze weitere Kapitel, und zwar in Form eines seitenlangen Zitats aus Chrysostomos' Auslegung des 2. Tim®''. Am Schluß ist eine Bemerkung über den Wert der geschriebenen und ungeschriebenen Tradition (έγγραφος τε καΐ άγραφος . . . παράδοσις) der Väter eingefügt®®; sie hat an dieser Stelle keine Funktion, doch zeigt sie einmal mehr die Bedeutung des Themas für den Patriarchen. 9. Den Taufartikel versteht Jeremias als Artikel über die Kindertaufe. Diese sei auch bei den Griechen üblich; allerdings müsse er erneut betonen, was er im Kommentar zu CA 2 zu diesem Themenkomplex gesagt habe. Von den dort angeführten griechischen Besonderheiten hebt er noch einmal die Notwendigkeit der Taufkommunion hervor und belegt sie mit einem Zitat aus Basileios' erstem Buch „De Baptismo"®'. 10. CA 10, der Artikel über das Abendmahl, bereitet Jeremias Schwierigkeiten. Was dort gesagt werde, sei nicht ausführlich genug (ουκ εις πλάτος) und überdies irgendwie unklar (άσαφώς πως). Die Griechen hörten nämlich zu dem Thema von den Lutheranern vieles, was ihnen nicht gefalle (πολλά γάρ άκού-

85 Vgl. u. S. 274. So die lateinische Fassung der ed. Princeps und mit ihr CA Gr., die deutsche spricht nur von der Austeilung der Sakramente. " DkS 1461-463 / PG 62,609-614. ®® DkS 1463: τά καλά . . . παράδοσιν. DkS 1 4 6 3 / P G 31,1573 ВС.

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εται τ ο ύ τ ο υ ενεκα π α ρ ' ύμίν, ήμϊν άπαρέσκοντα)®". Diese Sätze passen nicht recht zusammen: Wenn nach Meinung des Patriarchen vieles an der lutherischen Lehre falsch ist, kann das nicht der G r u n d dafür sein, daß ihm eben diese Lehre unklar und unvollständig erscheint. U n d betrachtet man die Aussagen, die Jeremias dann als Korrektur des kritisierten Textes vorbringt, wird der Eindruck noch verwirrender, denn sie haben allesamt gar keinen Anhalt an dem Abendmahlsartikel. Diese Schwierigkeiten klären sich, wenn man Gerlachs Hintergrundinformationen über die A u f n a h m e der Confessio Augustana in Konstantinopel heranz i e h t ' i . Sie erlauben einen Blick in die Entstehung des Kapitels selbst, der zeigt, daß es nicht eigenthch eine A n t w o r t auf C A 10, sondern unmittelbares Ergebnis von Gesprächen ist, die Gerlach in Konstantinopel führte. D a ß den Griechen der zehnte Artikel des Augsburgischen Bekenntnisses zu knapp und unklar erschien, konnte gar nicht anders sein. Denn er bietet in der Tat keine Darlegung der gesamten Abendmahlslehre - er erhebt auch keinerlei Anspruch darauf - , und er ist mehr als mancher andere auf die Diskussionslage in den Strömungen der westlichen Christenheit zur Zeit der Entstehung des Bekenntnisses zugeschnitten'^. Das erste Problem, dessen Behandlung die Griechen auf dem Hintergrund der mittelalterlichen Kontroversen mit R o m vermissen mußten, war die Frage nach der Art des Brotes, das im Abendmahl zu benutzen sei, gesäuertes oder ungesäuertes. Joannes Zygomalas sprach es gleich nach Empfang des Bekenntnisses Gerlach gegenüber an®^. Bald darauf kam es zu einem Gespräch mit dem Patriarchen über dieses Thema. Es weitete sich aus zur Behandlung eines weiteren Punktes, der in den Auseinandersetzungen zwischen Griechen und Römern keine Rolle gespielt hatte, aber innerhalb des Westens strittig war und dem sich die Tübinger Theologie widmete wie keinem anderen: der Frage nach der Gegenwart von Leib und Blut Christi im Abendmahl. Gerlachs Aussage, obwohl dies beides hier anwesend sei, bheben doch die Elemente ihrer Substanz nach erhalten, widersprach der Patriarch: Christus habe gesagt: „Das ist mein Leib usw." eine Feststellung, die Gerlach als Ausdruck der römischen Transsubstantiationslehre ansah®"*; belegt w u r d e der Widerspruch mit dem Hinweis auf Joannes Damaskenos. D e r Tübinger verfaßte zu diesem Thema einen Aufsatz f ü r den Patriarchen®^. Darin wurde sicherlich auch die Lehre von der Ubiquität des Leibes Christi als Voraussetzung seiner Gegenwart im Abendmahl behandelt, DkS 1464. «1 S.O.S. 64 f. 75. " Vgl. Grane 81 ff.; Meyer/Schütte 205-209; s. a. die Anmerkungen zu dem Artikel in BSELK 64 f. " S.O.S. 64 f. Cr. TB MS 1240; vgl. Gl. Т Ы 0 1 . ' ' Cr. TB MS I 240: Haecque omnia scripto complexus sum.

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deren Entwicklung und Verteidigung das eigentümliche Anliegen der Tübinger Theologie bildete^®. Daß Gerlach diese Lehre auch sonst den Griechen vortrug, geht aus seiner Feststellung hervor, er habe entdecken müssen, sie lehnten offenbar die communicatio idiomatum, zumindest die der göttlichen Eigenschaften an die menschliche N a t u r Christi, völlig ab und behaupteten, der Mensch Christus sei nur im H i m m e l und keineswegs auf Erden, sonst würde seine Leiblichkeit aufgehoben''^. Wie stark auch immer der Tübinger hier die Aussagen der Griechen in Formulierungen vorbringt, die von den heimischen Frontstellungen her geprägt sind, jedenfalls bestimmt der Widerspruch des Patriarchen zu Gerlachs Position hinsichtlich der Azymen, der Realpräsenz und der Ubiquität des Leibes Christi die griechische A n t w o r t auf C A 10 - es ist der Botschaftsprediger, durch den Jeremias „vieles . . . von euch hört, was mir nicht gefällt". D . h . konkret: D e r Patriarch fordert die Verwendung gesäuerten Brotes. Er schreibt, im A b e n d mahl „verwandelten sich" (μεταβάλλεσθαι, μεταποιείσθαι) Brot und Wein in Leib und Blut Christi, so daß man nicht sagen könne, der Kommunikant empfange dort nur ein Bild (τύπος) - so deuteten die Griechen offenbar Gerlachs Aussage von der Bewahrung der Elemente - , vielmehr würden Leib und Blut selbst (αυτό τό σ ώ μ α , α υ τ ό το αίμα) ausgeteilt. Drittens betont Jeremias, deren Gegenwart k o m m e nicht in der Weise zustande, daß Christus vom H i m m e l herabsteige - in dieser schon vom Damaszener abgelehnten'® Weise hatte der Patriarch anscheinend die Ubiquitätslehre verstanden - , sondern eben durch Verwandlung der Elemente. Das geschehe „durch die A n r u f u n g und Gnade des Heiligen Geistes mittels der göttlichen, heiligen Gebete und Sprüche" (τϋ έπικλήσει καΐ χάριτι του . . . Π ν ε ύ μ α τ ο ς , δ ι ά των θ ε ί ω ν καΐ ιερών ευχών καΐ λογίων). Die Empfänger von Leib und Blut Christi würden „Götter aus Setzung und Gnade" (·θέσει κ α ΐ χάριτι ·θεοί), so wie Christus durch die Inkarnation mit den Menschen in der Gemeinschaft ihres Leibes und Blutes stehe ( κ ε κ ο ι ν ώ ν η κ ε ν ) " . Nicht nur die drei Grundanliegen der A n t w o r t auf C A 10 lassen sich auf die Gespräche Gerlachs mit den Griechen zurückführen, auch der Zeuge, auf den sie sich in diesen Gesprächen f ü r ihre Meinung vornehmlich beriefen, ist derselbe wie in ihrer schriftlichen Darlegung: Joannes Damaskenos. Sie bieten hier offenbar kein Zitat, sondern eine auf den Diskussionsverlauf zugeschnittene Zusammenfassung von Aussagen der Schrift „De fide orthodoxa"!"®, die in der zweiten A n t w o r t des Patriarchen dann wörtlich zitiert werden S. U.S. 300 f. u. Teil III Kap. 2. " Cr. TB MS I 257: Christum hominem tantum in coelo, et nullo modo in terris esse, ne Veritas corporis tollatur, manifeste asserunt. Ursprünglich hatte Gerlach Übereinstimmung in der Abendmahlsfrage angenommen (s. o. S. 54 u. u. S. 381 Anm. 73). Vgl. zu den entsprechenden Aussagen des Damaszeners Steitz, Abendmahlslehre XII 279 f. " DkS 1464. 100 P G 9 4 , 1144 A f . / J o h a n n e s von Damaskus, Schriften II, 194f. 1»! S. U.S. 201.

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11. CA Gr. 11, den Artikel über die Beichte, gibt der Patriarch richtig und vollständig wieder, indem er sagt, dort heiße es, die Privatbeichte beim kirchlichen Amtsträger solle beibehalten werden, die Aufzählung aller Sünden im einzelnen aber sei dabei nicht nötigi"^. Dazu hat Jeremias einige Ergänzungen und Korrekturen vorzubringen. Zum einen, was den Beichtvater betrifft: Er müsse ein „geistlicher Arzt" (πνευματικός ιατρός) sein, der geistliche Dinge genau verstehe. Auf keinen Fall dürfe er Geld als Genugtuung (ίκανοποιΐα) oder Sühnemittel (άντίλυτρον) annehmen und so mit dem Göttlichen schachern (καπηλεύειν), etwa mit dem Anspruch, die Sünden anderer zu tragen^"^wiederum ein Angriff auf das römische Ablaßwesen. Was das Beichtkind betreffe, so müsse sein Bekenntnis von Reue getragen und möglichst genau sein; was es aus Vergeßlichkeit oder Scham verschweige, werde Gott ihm sicher verzeihen. Nach der Beichte sei es notwendig zur Heilung, das Gegenteil der begangenen Sünden zu tun. Solche Abkehr vom Bösen im Verein mit ehrlicher Reue sei das wahre Sühnemittel (άντίλυτρον) des Christeni"". Zitate aus Basileios' „Regulae fusius tractatae" schärfen die Verpflichtung zur Aufzählung aller Sünden ein und beschreiben die ärztlichen Bemühungen des geistlichen Vaters ein Thema, das noch weiter ausgeführt wird, vermutlich mit Worten desselben Theologen von anderer Stelle^^®. Erneute Warnungen davor, die Gnade zu verschachern, schließen das Kapitel^®^. 12. Den zwölften Artikel des lutherischen Bekenntnisses faßt der Patriarch richtig zusammen und stimmt dem zu, daß danach jeder, der nach der Taufe sündigt, Vergebung erlangt, wenn er „durch ein zerknirschtes Herz und gesunden Glauben Umkehr und Buße zeigt" An einem anderen Punkt allerdings äußert der Patriarch Widerspruch, dagegen nämlich, daß die Confessio Augustana die kanonischen Genugtuungen (κανονικοί ικανοποι'ίαι) rundweg ablehnt. Das sei nur hinsichtlich des Mißbrauchs, der Vermarktung, angebracht, nicht aber, wenn sie von den geistlichen Vätern als Heilmittel (φάρμακον) zum Nutzen der Seele auferlegt würden^"'. Welchen Zweck die dem Beichtkind auferlegten Genugtuungen haben, erläutert Jeremias mit seitenlangen Zitaten. Die ausführlichsten stammen von zwei Autoren des fünfzehnten Jahrhunderts: Markos Eugenikos und Joseph Bryennios. Von Markos führt Jeremias den Schlußabschnitt einer der bei den Griechen sehr einflußreichen^^^ Antworten an, die der Bischof den Lateinern auf i''^ DkSI464. lbd.464f. >»·· Ibd. Ibd. 465 / PG 31,1036 A (Frage 46). 1040 С - 1 0 4 1 А (Frage 51). 1041 В (Frage 52). DkS 1465: Ό δε έπιτιμών . . . όφείλειν. 1·" Ibd. 465 f. 1»» Ibd. 466. Ibd. Ibd. 466ί.:τήνάφεσιν . . . αίτησαμένψ. L. Petit, Einleitung zu: Documents relatifs au Concile de Florence. I. La question du Purgatoire à Ferrare. Documents I-VI, 16.

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dem Konzil von Ferrara zum Thema Fegfeuer gegeben hatte^^^. Danach verbinden die Griechen aus mehreren Gründen Strafen (έπιτίμια) mit der Vergebung: Damit die Vergeltung (τιμωρία) nach dem Tod aufgehoben werde; um die Seele von der die Sünde verursachenden Lust durch gegenteiliges Tun zu heilen und zu zügeln; zur Gewöhnung an die Mühen der Tugend (άρετή); zum Erweis dessen, ob der Mensch seine Sünden wirkhch haßt. Im Notfall, d.h. wenn jemand plötzlich sterbe, würden indessen kraft der Vergebungsvollmacht Christi die Sünden sofort erlassen und falle die Strafe fort; zum Unterpfand bekomme der Sterbende das Herrenmahl. Hier gelte allein die Menschenfreundlichkeit Christi, wie er sie am Kreuz dem Schacher erzeigt habe. Die wahre Buße bestehe ja aus der Einsicht (γνώμη), dem ehrhchen Vorsatz (γνησία πρό^θεσις) und der Umkehr (επιστροφή) des Betroffenen. Was die nicht erfüllten Strafen angehe, sei das Sache des Gerichtes Gottes. Die Ausführungen Joseph Bryennios', entnommen seiner Zweiten Rede über das Jüngste Gericht"^, sind ein Hymnus auf die Nächstenliebe. Jeremias verbindet die beiden Zitate durch den Gedanken, es seien gerade die Werke der Liebe, kraft derer der Mensch Vergebung erlange"'*. Auch Joseph selbst spricht in diesem Sinn, relativiert aber seine Aussage sogleich, indem er feststellt, das geforderte Tun stehe in keinem Verhältnis zur erlassenen Schuld"^. Die Zitate behandeln das Tun des Christen nur unter dem Aspekt, welchen Nutzen es für den Büßenden selbst habe. Jeremias aber möchte darüber hinaus zeigen, daß es auch anderen Menschen Strafmilderung bringen könne, denen nämlich, die nach der Beichte, doch nicht sündenfrei, gestorben seien"^. Dazu bringt er Abschnitte aus der Rede „De his qui in fide dormierunt" des Damaszeners vor, die ihrerseits aus Zitaten älterer Väter und Hinweisen auf Legenden bestehen II·'. 13. CA 13 gibt Jeremias mit den Worten wieder, danach seien die Sakramente nicht als bloße Erkennungsmerkmale der Christen eingesetzt, sondern als Zeichen und Zeugnisse des Wohlwollens und der Gnade Gottes gegenüber den Menschen'^®, ein wörtliches Zitat aus dem kommentierten Text^'®. Der Patriarch stimmt dieser Aussage weder zu^^", noch lehnt er sie ab - da er die Frontstellung nicht kannte, aus der sie erwachsen war^^^, erschien sie ihm Der letzten, d.h. der Responsio ad postremas Latinorum quaestiones super igne purgatorio, hg. Petit, Documents relatifs 152-168; vgl. Jugie, Theologia III, 354. 1" DkS 1467-469/Bryennios, Opera II 400-404; Ό ψ ο ν . . . μιμούμενος (vgl. Meyer 99). 4" DkS 1467. 115 Ibd. 467f. Ibd. 469. DkS 1469 f. / PG 95,249 A. 252 A - D . 253 C. 268 Df. 261 Df. 253 C. "8 DkS 1470. 11« Acta 13 f. Gegen die Übersetzung von Schaeder: οϋτω σαφηνίζομεν καί τοιαύτην γνώμην περί τούτων εχομεν bedeutet nicht, „bestätigen wir und haben dieselbe Meinung" (Schaeder 85), sondern ist die Ankündigung einer eigenen Darlegung; „Dazu erklären wir folgendes und haben eine solche Meinung darüber." 121 Ygj Grane, Confessio Augustana 108 ff.

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vermutlich zu unklar. Vielmehr deutet und ergänzt er sie in seiner Antwort so, wie er sie als sinnvoll ansehen und akzeptieren kann. Zunächst einmal versteht er das Wort τα μυστήρια, das in C A Gr. 13 für die Sakramente überhaupt steht, hier als Bezeichnung für das Abendmahl - ein durchaus gängiger Sprachgebrauch^^^ - , für das Abendmahl aber nicht nur im Sinne der Konsekration und Kommunion, sondern des ganzen Gottesdienstes, der „Göttlichen Liturgie". So liegt es nahe, daß er zur Erläuterung dieses Themas auf eines der Standardwerke zurückgreift, die es dazu in der griechischen Kirche gibt, einen Liturgiekommentar. Jeremias wählt den Kommentar des Spätbyzantiners Nikolaos Kabasilas. Warum gerade ihn? Der Grund liegt im zweiten Teil von C A Gr. 13 einschließlich Verwerfung^", den der Patriarch zu Beginn seiner Antwort auf den Artikel nicht mitzitiert: Die Sakramente zielten auf Glauben und setzten zum fruchtbaren Empfang den Glauben voraus. Diese Aussage will er positiv aufnehmen und näher erläutern, wie sie hinsichtlich des Abendmahls zu verstehen sei. Dazu aber scheint ihm jener Kommentar geeignet wie kein zweiter seiner Tradition. Denn die Eigentümlichkeit der Kabasilas'schen Sakramententheologie ist der Versuch, die Mysterien als Mittel zur Verwandlung des gläubigen Teilnehmers zu bestimmen und ihre Wirkung bis in psychologische Abläufe hinein zu beschreiben. Dieses Bestreben gilt in dem erbaulichen Traktat „Vom Leben in Christus" den Mysterien Taufe, Myronsalbung und Herrenmahl^^"· - der Patriarch wird ihn in seiner zweiten Antwort kurz zitieren^^^ - , es prägt aber auch den Liturgiekommentar. Daß hier der Grund liegt, aus dem Jeremias gerade Kabasilas' Schrift heranzieht, zeigen zwei Beobachtungen: Er setzt mit dem Zitat ein, wo er nach einem wohl von ihm selbst kombinierten Abschnitt bei der Feststellung angelangt ist, er sei genau wie C A 13 der Meinung, ohne Glaube nütze das Herrenmahl gar nichts^^®, und belegt seine Ansicht mit der Kabasilas' Kommentar einleitenden Aussage, daß dieses Mysterium auf die Heiligung der Gläubigen ziele^^^. Außerdem besteht der größte Teil des folgenden Zitats aus Passagen, in denen der Kommentar die Riten, Gebete, Gesänge und Lesungen vor der Konsekration schildert und deutet^^®. Sie aber sollen nach Kabasilas dazu dienen, den S. Jugie,Theologia 111180. 123 Die griechische Version bringt hier mit C A Var. 13 eine Verwerfung der römischen Lehre vom Meßvollzug ex opere operato vor (Acta 14). Jeremias' Formulierung (DkS I 470), auch er meine, das Herrenmahl sei unfruchtbar für Leute άνευ πίστεως, ist eine wörtliche Übernahme daraus - einer der wenigen Fälle, in denen der Patriarch auf eine Verwerfung des Augsburgischen Bekenntnisses eingeht, auch wenn er den historischen Hintergrund gar nicht kennt. Vgl. die Einleitung der Edition von Gass, Die Mystik des Nikolaus Cabasilas. S. U.S. 201. "6DkSI470f. Ibd. 471 έργον μέν . . . / S C 4 bis I 1 / P G 150, 368 D, dem Argumentationszweck entsprechend umgebaut. DkS I 4 7 1 - 4 7 4 / SC 4 bis I 1 - I X ?. X I 2. X I I 7f. pass. / P G 150, 368 D - 3 8 5 D . 392 A . 393 C - 3 9 6 A pass.

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Christen durch die Einwirkung auf seine Gefühle und Phantasie innerlich zu verwandeln und auf das eucharistische O p f e r einzustimmen: Die Schau (θεωρία) der ganzen Heilsgeschichte im Verlauf der Liturgie schafft den heilsnotwendigen Glauben, erwärmt Frömmigkeit und Liebe, heiligt und vergöttlicht^^®. Sie beeindruckt die Vorstellung so stark, daß man schließlich das Mahl „nicht mehr vergessen kann" (μή δ ο θ η Allerdings handelt es sich hier nicht nur u m einen psychologischen Effekt, sondern um eine innere Verbindung mit Christus - die Liturgie stellt ja seine Geschichte dar, nimmt den Teilnehmer in sein Leben mit hinein. Gerade so aber bildet der Konsekration und K o m m u n i o n vorausüegende Teil des Gottesdienstes die angemessene H i n f ü h r u n g auf sie: Denn hier - ein bei Jeremias allerdings zurücktretender Aspekt^^^ - wird die Vermittlung durch das Bild abgelöst von der Gegenwart des Abgebildeten selbst^^^^ die Vereinigung im Glauben, in Gefühl und Vorstellungskraft durch den körperlichen Empfangi^z. So geschieht in der Einheit mit Christus die Heiligung des ganzen Menschen von innen heraus^^^. Selbst die Toten werden durch die Wirkung des Opfers und eine unerklärliche F o r m der K o m m u n i o n in diesen Prozeß der Vereinigung mit Christus und der Heihgung einhezogen'^"·. Eingeleitet wird das lange Zitat durch einen Absatz, den Jeremias mit Hilfe kurzer Hinweise auf den Areopagiten und Kyrill von Alexandrien wohl selbst zusammengestellt hat^^^. Danach hinterließ Christus persönlich die gottesdienstliche Feier (ιερουργία) zur Erinnerung (άνάμνησις) an sein Heilswirken. Sie soll dieselbe Wirkung haben wie einst die O p f e r , von denen das Alte Testament berichtet: G o t t zu versöhnen (καταλάσσειν). Ja sie sei noch viel wirksamer, denn hier versöhne der Sohn Gottes selbst, „indem er für uns geopfert wird" (θυόμενος υ π έ ρ ήμών), die Teilnehmer an der Liturgie mit seinem Vater. Die Aussage, daß die gottesdienstliche Feier auf Christus selbst zurückgehe, wird in der A n t w o r t auf C A 13 noch mehrfach in das Kabasilas-Zitat eingeschoben und zu regelrechten hturgiegeschichtlichen Exkursen entwickelt"^. Zweck dieser Ausführungen ist der Nachweis, allein der griechische Gottesdienst entspreche der normativen Tradition. So schreibt Jeremias, der Hohepriester (μέγας άρχιερεύς) Christus sei die Quelle der liturgischen Überlieferung^von ihm aus sei sie von den Augenzeugen wie durch Flüsse weitergeleitet'^'' und DkS I 472 f. / SC 4 bis I ; ; / PG 150, 373 A f. (mit Abweichungen). 1'» DkS I 473 / SC 4 bis I 14 / PG 150, 376 A (mit Abweichungen). S. U.S. 300. DkS 1474 / SC 4 bis IX 2 / PG 150, 385 D . DkS 1476 / SC 4 bis X L I I 2 f. / PG 150,457 B. DkS 1476 / SC 4 bis X L I I I 1 f. / PG 150,460 D f. DkS 1476 / SC 4 bis XLII 3 / PG 150,457 ВС. DkS 1470. Ibd. 472: κ α θ ώ ς . . . Χρυσόστομος; 475: Πηγαία bis 476: ποιητέον. DkS 1475.

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Der Briefwechsel

zunächst durch den Herrenbruder Jakobus vielleicht auch durch den Evangelisten Markus und endgültig durch die Kirchenväter Basileios und Chrysostomos^'^'' festgelegt worden. Da nur die Kirche von Konstantinopel sich rein an die Satzungen der Apostel und Väter halte, müßten alle Christen sie als Haupt (κεφαλή) anerkennen und den G o t t e s d i e n s t - m i t gewissen Abweichungen, die den Anhängern der Jakobus- und Markushturgie zugestanden werden - ebenso feiern wie die Griechen^''^. 14. Dem vierzehnten Artikel, nach dem es nur ordnungsgemäß (ένθέσμως) Eingesetzten erlaubt sei, das Evangelium „öffentlich aufzusagen und zu verlesen" (δημοσίως λέγειν καί άναγινώσκειν) - C A 14 handelt von der öffenthchen Lehre, doch die Übersetzung εύαγγέλιον λειτουργεΓν^''^ ist u n k l a r - o d e r die Sakramente auszuteilen, stimmt Jeremias zu^"^. Was er unter „ordnungsgemäß eingesetzt" versteht, bestimmt er näher, indem er sagt, die Kandidaten müßten nach dem Gebot der kirchlichen Tradition (παράδοσις) kanonisch (κανονικώς) „versiegelt, berufen und geweiht" (σφραγίζειν, καλεϊν, χειροτονεϊν) werden und frei von Häresie sein^"'*. Leute, die behaupteten, es laufe auf dasselbe hinaus, ob die Mysterien von Laien oder von geweihten Priestern vollzogen würden, seien im Irrtum^"® - eine Bemerkung, die möglicherweise auf Gerüchte über die Reformation anspielt^'^®. Die übrigen Seiten des Kapitels^'*'' führen konkrete kanonische Vorschriften zur Priester- und Bischofsweihei"*^, einige Auslegungen von Kanones^''^ und einen Absatz Gregors von Nazianz über die Würdigkeit zum Bischofsamt^®" an. 15. Der Kommentar zu C A 15, De ritibus ecclesiasticis, beruht auf einer Reihe von Mißverständnissen. Im Bekenntnis heißt es, von den kirchlichen Ordnungen und Riten solle man die behalten, die ohne Sünde befolgt werden könnten und zur Ordnung der Kirche dienten, z . B . gewisse Feiern und Feste. Auf keinen Fall aber dürfe man behaupten, sie seien heilsnotwendig, und so die Gewissen beschweren und falsche Lehre verbreitenl^^, denn es handle sich dabei nur um Traditionen, die Menschen aufgestellt hätten (άνθρώπιναι παραδόσεις). Darum seien solche Traditionen, wenn man versuche, mit ihrer Hilfe Gott zu versöhnen, die Gnade zu verdienen und für die Sünden Genugtuung zu leisten (προς ίλασμόν του Θεού, προς μισθοφοράν της χάριτος και την Ibd. 472. 475. Ibd. Ibd. 472.475. Ibd. 476. Acta 14. i"DkSI476f. Ibd. 477. 1 « Ibd. Vgl. o. S. 27. 1·" Ibd. 477-479. Stellenangaben bei Karmires, DkS. Bes. Zonaras, ibd. 478. »50 P G 35, 477 C. 480 B. 481 A B . 416 B - 4 1 7 A (sinngemäß, eine wönliche Entsprechung zu dem letzten Zitat (OL μηδέν . . . Πνεύματος) konnte ich nicht finden, auch Karmires (DkS I 479, Anm. 5) gibt nur diese Stelle an). ψευδοδοξεϊν (Acta 14) für C A Var. 14: supersticiosae opinones, den einzigen Zusatz aus der Var. in dem Artikel.

Die theologische Auseinandersetzung

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ί,κανοποιΐαν υπέρ των άμαρτημάτων)ΐ®2, als Widerspruch zum Evangelium abzulehnen. Konkret führt die Confessio Augustana Mönchsgelübde, Speisevorschriften und kalendarische Festlegungen (αί των μοναζόντων εύχαΙ καΐ τα περί διαφοράς των προσφερομένων καΐ διακρίσεως των ήμερών)!^^ an. Jeremias liest nach seiner Zusammenfassung aus dem Artikel heraus, kirchliche Amtsträger müßten ohne Fehl und Tadel sein - was er bejaht - , und Gebete, Opfergaben und Feste, die den Zweck hätten, daß die Gnade Lohn einbringe und man Geld oder anderes für den Zuspruch der Vergebung bekomme, seien nutzlos Für die erste Aussage läßt sich gar kein Anhalt im kommentierten Text finden. Die zweite beruht auf einer Fehldeutung verschiedener Begriffe: Jeremias faßt das in C A Gr. 15 gebrauchte Wort μισθοφορείν im materiellen Sinn auf^®^ und bezieht es auf den römischen Ablaß; ferner versteht er „ευχή" im Sinn von „Gebet" und „προσφερόμενα" im Sinn von „Opfer", während die C A Graeca von Gelübden und Speiseriten spricht^^®. Offenbar weiß der Patriarch nicht recht, was er von dem Artikel halten soll. Insofern darin, wie er meint, Gebete, Gottesdienste, Feste und dergleichen als Mittel zum Gelderwerb zurückgewiesen werden, stimmt er zu^^''. Doch er ist sich nicht sicher, ob die Ablehnung der Confessio Augustana nicht weiter g e h t darum legt er, ohne jeden Tadel, doch für alle Fälle, Recht und Nutzen, ja aus dem Glauben folgende Notwendigkeit^^® von Gebeten, Liturgien, Festen und Opfergaben dar. Das Kapitel ist unter allen bisherigen am wenigsten geordnet und thematisch einheitlich, die Zitate darin sind zusammengewürfelt und folgen z . T . ihrer eigenen Logik völlig unbekümmert um den Duktus des Ganzen. Mit Chrysostomos erklärt Jeremias, das Gebet der Christen nütze Lebenden und Verstorbenen, diesen seien besonders die Fürbitte der Gemeinde während des Gottesdienstes, Spenden und überhaupt gute Werke in ihrem Namen zur Erleichterung (παραμυθία) nach dem Tod dienlich Mit Sätzen desselben Kirchenvaters belegt er, daß man den Heiligen Ehre und Opfergaben (προσφέρειν) schulde - seien sie es doch, die auf Anrufung der Christen hin bei Gott Fürbitte täten^^". Verschiedene Bibelstellen sollen zeigen, daß das Beten nützlich und für die Christen unerläßlich ist^^i. Wiederum mit Chrysostomos wird 1 " A c t a 14. 1 " Ibd. DkS 1 4 7 9 . Während es in C A Gr. 15 „verdienen" bedeutet, muß es bei Jeremias im Sinn von „Lohn einbringen" verstanden werden, sonst paßt es nicht zum Kontext. ' ' ' Vgl. schon die Randnotiz in den A c t a (109): N o t a . Ipsi non ubique assecuti sunt sententiam veram in hoc capite: ut quod ευχή et precationem et votum significat, προσφερόμενα et oblationem et cibum. DkS 1 4 7 9 . 15» I b d . 4 7 9 . 4 8 1 . Ibd. 4 8 0 / P G 62, 2 0 4 ; der erste, der Hebräerbriefauslegung entnommene Satz ist nicht verifiziert. DkS 1 4 8 0 / P G 6 2 , 2 5 0 . DkS 1 4 8 0 .

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D e r Briefwechsel

die Pflicht hervorgehoben, die Priester zu ehren, weil sie für andere, vor allem für die Obrigkeit beten, und wird der Nutzen des Opfers (^υσία) für andere, die Wirkung des Gebets und der Fürbitte der Heiligen herausgestellt^". Auch die Notwendigkeit, die Festtage einzuhalten und die entsprechenden Namenspatrone zu ehren, betont Jeremias, schließlich wiederholt er noch einmal, z . T . im Anschluß an Basileios^®^, daß die Priester gottgefällig sein sollten; wenn sie sich als unwürdig erwiesen, würde allerdings die Gnade trotzdem durch sie wirken - ein Rückblick auf C A 8 und den Kommentar dazu^®"*. 16. Den positiven Teil von C A 16, Von den politischen und bürgerlichen Angelegenheiten, faßt Jeremias mit den Worten zusammen, danach sei den Christen die Ausübung politischer und bürgerlicher Ämter nicht untersagt^®®. So heißt es in der Tat in C A 16, doch wird dort eine Begründung gegeben, die der Patriarch ausläßt, so daß seine Zusammenfassung einen anderen Akzent trägt als der zugrundeliegende Text. Darin heißt es nämlich, die poUtischen Ordnungen seien gut, weil Gott sie gestiftet habe, und deshalb könnten die Christen in ihnen wirksam sein und sollten sie sie bewahren Indem Jeremias diese Begründung fortläßt, wird aus der positiven Motivation bloße Duldung politischen Handelns. Indessen, woran dem Patriarchen selbst liegt, ist nicht die politische Aktivität der Christen^®', sondern ihr Gehorsam, ein Gedanke, den C A 16 zwar auch vorbringt, doch erst am Ende der zweiten Verwerfung. Jeremias dagegen setzt in seinem Kommentar sofort damit ein: Man müsse jedem Herrscher, ob gut oder böse, gehorchen, außer wo ein Gebot Gottes dagegenstehe^®®. Vom politischen Gehorsam wird dann unversehens die Brücke zum kirchlichen geschlagen, der den Aposteln und den Trägern der kirchlichen Tradition gelte - in beiden Fällen gehorche man Gott selbst^®'. Die Abkehr von der Frage nach poÜtischer Aktivität zugunsten der Forderung nach politischem und kirchhchem Gehorsam bei Jeremias ist verständhch auf dem Hintergrund der Lage seines Volkes im Osmanischen Reich. Sie hat, wie der Kommentar zur zweiten Verwerfung von C A 16 zeigt, aber noch eine Ibd. 480 f. / P G 62, 5 2 9 - 5 3 1 pass. 204. 397 f. pass. A n einen Satz, der wohl aus den Großen oder Kleinen Regeln stammt. DkSI481. Ibd. A c t a 14 f. Erst ganz am Schluß des Kapitels geht der Patriarch kurz auf die Frage nach der Möglichkeit politischer Betätigung für Christen ein, allerdings stellt er sie nur für die Bischöfe - das einzige Problem in diesem Zusammenhang, zu dem sich seine Kirche in verbindlichen Rechtssätzen geäußert hatte. Die A n t w o r t ist negativ: Bischöfe dürften weder gerichtliche Strafen verhängen noch militärische Aufgaben übernehmen (DkS I 482). Dieser Satz ist völhg unvermittelt an das Kapitel angehängt. E r paßt hier so wenig, daß einige Textzeugen ihn weggelassen haben (s. ibd., A n m . 5, so auch Socolovius' Censura). D a die Acta (113) ihn führen, muß er in der den Tübingern übersandten Ausgabe gestanden haben. DkS 1 4 8 1 . Ibd. 481 f.

Die theologische Auseinandersetzung

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tiefere Wurzel, die Spiritualität des griechischen Mönchtums. Das lutherische Bekenntnis wendet sich an jener Stelle gegen das Klosterleben, indem es diejenigen verurteilt, die die christliche Vollkommenheit in der Flucht vor weltlichen Geschäften, in der Aufgabe von Besitz, Ehe und Familie sehen; statt dessen verficht es die Vollkommenheit von Glauben und Gottesfurcht im Rahmen der Schöpfungsordnungen. Jeremias lehnt diese Aussagen schroff ab. Wenn das EvangeHum vom Verkaufen der H a b e spreche, dann sei das nicht im übertragenen Sinn, sondern ganz wörtlich gemeint und auf das äußere Handeln, nicht bloß auf die innere Einstellung zu beziehen^'^". Das zeige die biblische Geschichte vom Reichen Jüngling (Mt 19) klar und deutlich^^^. Dementsprechend müsse sich jeder verhalten, der vollkommen sein wolle^''^. Was für die Ö k o n o mie gilt, trifft auch auf die Ehe^''^^ und auf die Politik zu: Die Berührung damit sollte sich auf das unumgänghche Minimum, d . h . im letzten Fall auf den Gehorsam, beschränken. 17. Die Lehre von C A 17 über die Wiederkunft Christi wird von Jeremias weitgehend wörtlich zitiert und bestätigt, und zwar sowohl die positiven Aussagen über das Jüngste Gericht als auch die Verwerfung bestimmter Ansichten, wonach die Verdammnis endlich ist oder der Auferstehung ein tausendjähriges Reich vorhergehti^^. 18. Anders steht es mit dem Kommentar zum folgenden Artikel der Confessio Augustana, dem über den freien Willen. Dessen Darlegungen über die Möglichkeit bürgerlicher Gerechtigkeit bejaht Jeremias, dagegen äußert er sich kritisch, was die Gerechtigkeit vor G o t t betrifft: Zwar wüßten auch die Griechen, daß der Christ vornehmlich (προηγουμένως) die göttliche Hilfe und Gnade brauche nach dem Bibelwort: „ O h n e mich könnt ihr nichts t u n " (Joh 15,3); andererseits gelte es aber, der Auslegung der Schrift durch die Kirchenväter zu folgen, die sachgemäß (ούκ ά π ό σκοπού) sei, weil der Heilige Geist selbst die Autoren bewege und sie so befähige, zur Exegese das Licht der Klarheit (φως σ α φ ή ν ε ι α ς ) beizusteuern ( σ υ ν ε ι σ φ έ ρ ε ι ν ) " ' ' - sei es doch derselbe Geist, in dem sie und die Verfasser der Bibel, etwa Paulus und Petrus, sprächen^"'®. Ais Beispiel solcher sachgerechter Auslegung werden lange Abschnitte aus den Erklärungen Chrysostomos' zu verschiedenen Paulusversen vorgebracht^''®. Worauf die Zitate hinauslaufen, hat die Aussage schon vorweggenommen, der Christ brauche „vornehmlich" die Gnade und Hilfe Gottes: Sie wollen auch im geistlichen Bereich die Freiheit des Willens (αύτεξούσιον) gewahrt wissen.

ovx άλληγορικώς . . . ή τροπολογικώς, άλλ' αίσ·9ητώς καΐ πραγματικώς (ibd. 482). Hierzu führt Jeremias ein Chrysostomos-Zitat an, das bisher nicht verifizien ist (ibd.). '"Ibd. S.u.S.332f. "'DkSI482f. " " Ibd. 483. Ibd. 485; diese Aussage findet sich in einem Einschub zwischen Chrysostomoszitaten, der hier gar nicht recht paßt - ein Zeichen dafür, wie wichtig sie Jeremias ist. Ibd. 483^85 / PG 63, 99 f. ; PG 62, 240 f. 630 f. 33 f.

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Der Briefwechsel

D a r u m s p r e c h e n sie v o n Z u s a m m e n a r b e i t der göttlichen G n a d e u n d d e s m e n s c h l i c h e n Willens, in der z w a r der G n a d e „ d a s M e i s t e " (το π λ έ ο ν ) ! ' ' · ' z u k o m m e , der Wille aber, in W a h l u n d G e h o r s a m , a u c h selbst beteiligt sein m ü s s e . B i b l i s c h e Stellen, die dieser A u f f a s s u n g a n s c h e i n e n d w i d e r s p r e c h e n , i n d e m sie der G n a d e G o t t e s allein das H e i l der C h r i s t e n z u s c h r e i b e n , w e r d e n z u r h e t o r i s c h e n E i n s e i t i g k e i t e n mit p ä d a g o g i s c h e m Z w e c k erklärt: Sie sollten d e n C h r i s t e n v o r ü b e r h e b ü c h e m S e l b s t v e r t r a u e n bewahren^'®. 19. C A 19, d e m A r t i k e l ü b e r die U r s a c h e der S ü n d e , s t i m m t J e r e m i a s z u : H i e r w e r d e z u R e c h t g e s a g t , d a ß nicht G o t t hinter d e m B ö s e n stehe, s o n d e r n die M e n s c h e n , ihr Wille u n d ihre W a h l , die S ü n d e v e r u r s a c h t e n ^ ' ^ ; die t h e o l o g i s c h e Z u s p i t z u n g der e n t s p r e c h e n d e n F o r m u l i e r u n g in d e r C o n f e s s i o A u g u s t a n a S ü n d e sei A b w e n d u n g des Willens v o n Gott^®" - bleibt z u g u n s t e n einer allgem e i n e n W e n d u n g beiseite. D i e A u s s a g e ü b e r die V e r a n t w o r t u n g des M e n s c h e n f ü r d a s B ö s e w i r d e r g ä n z t d u r c h A u s f ü h r u n g e n im S i n n e des v o r a n g e h e n d e n K a p i t e l s , daß n ä m l i c h derselb e M e n s c h u m g e k e h r t a u c h U r s a c h e g u t e r T a t e n sei, allerdings mit göttlicher H i l f e . D i e s e seine F ä h i g k e i t , recht z u h a n d e l n , m ü s s e der C h r i s t in ethische V o l l k o m m e n h e i t u m s e t z e n - eine M a h n u n g , der d e r ü b e r w i e g e n d e Teil d e s K a p i t e l s gilt. Z u s a m m e n g e s e t z t ist es w e i t g e h e n d aus C h r y s o s t o m o s z i t a t e n ^ ® ! . 20. C A 2 0 e r f ä h r t harte K r i t i k . E s sei gar nicht gut u n d w i d e r s p r e c h e d e n V ä t e r n , daß d o r t z w a r die g u t e n W e r k e b e j a h t . F e s t e , R i t e n , F a s t e n , B r u d e r s c h a f t e n , d a s M ö n c h t u m u. a. aber als u n n ü t z a b g e l e h n t würden^®^. J e r e m i a s geht auf d e n M a ß s t a b , v o n d e m diese A u s s a g e n der C o n f e s s i o A u g u s t a n a abgeleitet s i n d , die B e s t i m m u n g des V e r h ä l t n i s s e s v o n G l a u b e n u n d H a n d e l n , nicht ein, sieht m a n v o n der B e m e r k u n g a b , C h r i s t e n d ü r f t e n sich natürlich nicht auf ihre eigenen T a t e n verlassen u n d d a m i t brüsten^®^. V i e l m e h r erklärt er die a b g e l e h n t e n W e r k e , v o r allem die a s k e t i s c h e n , s e l b s t z u m n o t w e n d i g e n B e s t a n d t e i l christlicher E t h i k : „ W e n n ihr alle g u t e n W e r k e liebt, w i e ihr beh a u p t e t , m ü ß t ihr a u c h diese lieben, da sie gut sind"!®"·. D e n n n u r w e r sie leiste, erfülle die G e b o t e G o t t e s v o l l s t ä n d i g . D e r Patriarch belegt diese A u s s a g e m i t breiten P a s s a g e n aus S c h r i f t e n der K i r c h e n v ä t e r B a s i l e i o s u n d C h r y s o s t o m o s ^ ® ^ u n d einigen Apostelkanones^®®. 21. D e r A r t i k e l der C o n f e s s i o A u g u s t a n a ü b e r d e n H e i l i g e n d i e n s t w i r d v o n J e r e m i a s nicht a u s d r ü c k l i c h kritisiert, s o n d e r n s t i l l s c h w e i g e n d k o r r i g i e r t . D e r Ibd. 483.484. Ibd. 484.485. Ibd. 485. 1»» Acta 17. D k S 1485f. / P G 6 2 , 6 4 7 f . 654 / P G 61,402 (bis απερ ε π α θ ε ν ) ; auch der Rest ist wohl Zitat, doch bislang nicht verifiziert. D k S 1487. IM Ibd. 491. 18" Ibd. 187. 185 Basileios: D k S I 487 / P G 31, 881 B f . ; D k S I 489f. / P G 31, 893 C - 8 9 6 B. 897 A - 9 0 1 A ; C h r y s o s t o m o s : D k S I 490 / P G 60, 525; auch die übrigen Stücke sind Zitate dieser Kirchenväter, doch ist bislang keine Verifikation gelungen. 18« D k S 1491 f. / Belege bei Karmires, D k S .

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Patriarch zitiert die positiven Ausführungen des Bekenntnisses, daß man nämhch der HeiUgen gedenken solle, da die Anschauung der ihnen durch den Glauben widerfahrenen göttlichen Gnade den eigenen Glauben stärke^®''. Die negative Aussage, daß man die Heiligen nicht anrufen solle, weil es nach der Schrift nur einen Mittler und Versöhner gebe^®®, führt er nicht an, vielmehr stellt er einfach das seiner Meinung nach richtige Verständnis von Anrufung der Heiligen dagegen: In der Tat gebe es Anrufung im eigentlichen Sinn (κυρίως, πρώτως, ίδιαίτατα) nur gegenüber Gott. Akzidentieli (κατά συμβεβηκός) komme sie aber auch den Heiligen zu, insofern in ihnen die göttliche Gnade wirke - sie sei es im Grunde genommen, die die Menschen erhöre^®®. Analoges gelte von der kultischen Verehrung (προσκυνείν) der Bilder. Sie müsse relativ (σχετικώς), d.h. im Verhältnis zum Abgebildeten, verstanden werden"'", im Sinne eigentlicher Anbetung (λατρευτικώς) aber komme sie nur Gott zu^'". In diesem Rahmen seien die Heiligen, allen voran Maria, aber eben sehr wohl als Mittler (μεσίται) und Fürsprecher (πρέσβεις) anzurufen Sie träten ein für die bußfertig gestorbenen Sünder-Jeremias zitiert zu diesem Punkt Joseph Bryennios' Zweite Rede über das kommende Gericht^'^ - , sie verwendeten sich aber auch für die lebenden Christen, wie die Bitten der Kirche an sie zeigten - als Belege werden Interzessionen aus der Liturgie angeführt"^''. Damit ist Jeremias am Ende des ersten Teils der Confessio Augustana angelangt und wendet sich den Ausführungen über die Mißbräuche zu. Gleich zu Beginn macht er deutlich, daß er die in diesem Begriff liegende Einschätzung der folgenden Punkte nicht zu übernehmen bereit ist: Er wolle nun das behandeln, was die Adressaten „als Mißbräuche bezeichneten" (ας λέγετε καταχρήσεις) Auf den in diesem Zusammenhang fallenden Satz der Confessio Augustana, ihre Anhänger unterschieden sich nur hinsichtlich solcher Mißbräuche von der römischen Kirche, nicht aber in den bereits abgehandelten Fragen der Lehre"^^, geht Jeremias entgegen eigener Ankündigung"''' nicht ein. 22. Die Kommunion unter beiderlei Gestalt wird als Praxis auch der griechischen Kirche bejaht. Es folgt allerdings sogleich der kritische Hinweis, dabei sei gesäuertes Brot zu verwenden"®®. 23. Auch die Möglichkeit der Priesterehe erfährt Zustimmung, indessen nur als Notlösung für Leute, die nicht unverheiratet zu bleiben vermögen"'®. Wer Ibd. 492 (Acta 22); wenn Jeremias die positiven Ausführungen nicht ganz zu Ende zitiert, sondern den Satz, man solle die Heiligen auch nachahmen, wegläßt, obwohl er zu seinen übrigen Darlegungen über die christliche Ethik gut paßt, mag das darin seinen G r u n d haben, daß das von der C A vorgebrachte Beispiel - David als Vorbild für den die Türken bekämpfenden Kaiser (Acta 22) im Patriarchat vermutlich nicht allzu günstig gewählt schien. 188 Acta 22. 18' DkS I 492. i'Mbd.492f. i ' i Ibd.492. 1« Ibd. 492 f. 1 " Ibd. 493 / Bryennios II, 391 f. (vgl. Meyer 99). 1'" DkS 1493. Ibd. 492. 1 " Acta 23. 1 " DkS 1464. " 8 Ibd. 493. 19» Ibd.

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Der Briefwechsel

sich dagegen zur Ehelosigkeit verpflichtet habe, für den gebe es kein Zurück mehr, denn hier handele es sich um eine eschatologische Entscheidung im Sinne von Lk. 9,62. Fälle von Schwäche müßten auf dem Weg der Buße behoben werden^oo.

24. Was den Artikel der Confessio Augustana über die Messe betrifft, so geht Jeremias nur auf eine der dort vorgebrachten Aussagen ein: Er nimmt die Feststellung positiv auf, daß die Vermarktung des Gottesdienstes, die in der römischen Kirche zu einer Flut von Privatmessen geführt habe, bei den Anhängern des Bekenntnisses abgeschafft sei^^^. Schwierigkeiten dagegen bereitet dem Patriarchen die Aussage von C A 24, das Leiden Christi habe nicht nur die Vergebung der Erbsünde, sondern auch die der Aktualsünden zur Folge - ein Problem, das nach Gerlachs Bericht schon bei der Überreichung der Confessio Augustana im Patriarchat angesprochen worden war^®^. Jeremias ist sich offenbar nicht sicher, was er von dem Satz halten soll, und vermeidet es deshalb, sich festzulegen, indem er auf das Problem einfach nicht eingeht, ebensowenig auf den in C A 24 angesprochenen Kontext, die Fragen des Opfercharakters der Messe, des Vollzugs ex opere operato^®^, der Rechtfertigung etc. Statt dessen spricht er eine Gefahr an, die sich seiner Meinung nach aus jenem Verständnis der Bedeutung des Todes Christi ergibt: die Gefahr ethischer Nachlässigkeit. So antwortet er den Lutheranern, zu ihrer Feststellung sei zu sagen, die Christen müßten das ganze Gesetz erfüllen, gerade als Konsequenz des Todes und der Auferstehung Christi selbst, die sie nachzuvollziehen hätten^^"*. 25. Der Kommentar zu den Ausführungen über die Beichte in C A 25 geht in dieselbe Richtung. Zu den positiven Abschnitten des Artikels, die den Wert von Beichte und Absolution für das Gewissen hervorheben, nimmt er keine Stellung, vielmehr allein dazu, daß dort die Verpflichtung zum Bekenntnis aller Einzelsünden bestritten wird. Wie schon in seiner Kritik an C A 11 lehnt er auch hier diese Aussage ab. Mit einer Anreihung von Basileios-Zitaten betont er die Notwendigkeit, alle Verfehlungen zu beichten, andernfalls sei Heilung unmöglich; im übrigen - eine bereits vorgetragene Aussage^"® - werde die Vergebung Ibd.493f. 201 I b d . 4 9 4 . S. o. S. 63. Speziell auf die scholastische Lehre vom MeßVollzug ex opere operato einzugehen, war ihm kaum möglich, weil er sie sicher nicht kannte. Zwar entfernt sich die Ubersetzung der C A Graeca wie schon die deutsche Fassung hier weit von der theologischen Fachsprache - sie schreibt für ex opere operato έπΙ τ φ γ ε ν έ σ θ α ι έπιτελες αΰτό τό έργον, für ex opere missae δι' αΐιτό τό έργον των λειτουργιών (Acta 30 / vgl. B S E L K 94, 9-19) - , doch wurden dadurch dem Leser in Konstantinopel ihre Aussagen zu diesem Thema sicher nicht deutlicher. Bestimmender noch für Jeremias' Schweigen war aber seine Zurückhaltung gegenüber den auch hier entscheidenden Themen der Rechtfertigung, des Glaubens usw. - wie sonst sieht er sie auch im Kommentar zu C A 24 allein unter ethischem Aspekt. D k S 1494. s . o. S. 169.

Die theologische Auseinandersetzung

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nicht schlechthin (απολύτως) gewährt, sondern in Abhängigkeit vom tätigen Gehorsam des Büßenden^"®. Während Jeremias die ersten vier Mißbrauchsartikel sehr knapp abhandelt, widmet er den folgenden beiden, CA 26 „Von der Unterscheidung der Speisen" und CA 27 „Von den Klostergelübden", ausführliche Kommentare; deren Länge und Lebhaftigkeit zeigen, wie wichtig ihm die Differenzen an diesen Stellen sind. 26. Bezeichnend ist, wie der Patriarch Artikel 26 der Confessio Augustana charakterisiert: Dort gehe es „um Speisen, Feiertage, Fasten, Überlieferungen sowie darum, daß wir glauben müßten, Christus vergebe die Sünden umsonst und nicht um unserer Gerechtigkeit willen, und wie unmögHch es sei, alle Überlieferungen zu halten, weshalb die frommen Gewissen großen Schmerz litten" (περί προσφερομένων, εορτών, νηστειών, παραδόσεων, καΐ δτι δωρεάν πιστεύειν όφείλομεν τον Χριστόν άφιέναι άμαρτίας, καΐ ούχΙ δικαιοσύντ] ημών, καΐ πώς άδύνατον πάσας παραδόσεις διατηρείσθαΐ' οθεν περιαλγεις είσιν αι εύσεβοϋσαι τών συνειδήσεων)^''^. Die Art und Weise, in der Jeremias hier das Thema Glaubensgerechtigkeit als eines unter vielen anderen einordnet, statt es als Angelpunkt zu verstehen, von dem her die Confessio Augustana alle übrigen Probleme behandelt, ist der deutlichste Ausdruck für einen Sachverhalt, der die ganze Antwort kennzeichnet: für das vollkommene Unverständnis, das an dieser Stelle im Patriarchat herrscht. Die aufgezählten Themen werden nun eines nach dem anderen mit Väterzitaten bedacht, da alle Überlieferungen der Väter - eine grundsätzHche Kritik an CA 26 - befolgt werden müßten, die Verachtung ihrer Vorschriften der Verachtung Gottes gleichkomme^"®. Wenn die Confessio Augustana Paulusworte gegen bestimmte Überlieferungen ins Feld führe, dann seien dort, wie Chrysostomos und Basileios zeigten, nur jüdische, häretische und heidnische Bräuche gemeint^"'. Im übrigen hätten die Gläubigen kein Recht zu behaupten - wie es CA 26 tut^^", - die kirchlichen Traditionen beschwerten die Gewissen, da alles, was von Gott komme, die Welt besiege. Daß eine Vorschrift etwa zu schwer erscheine, könne darum, so Basileios, kein Grund sein, sich nicht um Gehorsam zu bemühen. Das gelte, nach demselben Kirchenvater, besonders für das Mönchtum^". Mit Basileios betont Jeremias auch die Notwendigkeit des Fastens, allerdings nicht ohne einzuräumen, daß das Entscheidende dabei die innere Tugend sei^^^. Wenn er darüber hinaus völlig unvermittelt schreibt, nichts mache den MenDkS 1494 / PG 31,985 CD. 1236 A. 1284 D. 1092 B. Ibd.494f. Ibd. 495; die Verifikation der Zitate der folgenden Kapitel ist nur in den gesondert ausgewiesenen Fällen gelungen. Ibd. 495 f. ; der letzte Satz PG 31, 1557 C. Acta 33f. 211 DkS 1495. Ibd.

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Der Briefwechsel

sehen so sehr zum Nachahmer Christi wie die Sorge um den Nächsten^^^, dann will er damit vielleicht die Feststellung von C A 26 aufnehmen, daß der Christ gute Werke im zwischenmenschlichen Bereich tun müsse^^'·. Weiter geht er auf diese Aussage und ihren Kontext jedenfalls nicht ein. Als letzter der zu Beginn aufgezählten Punkte ist das Thema Glaubensgerechtigkeit (ή έκ πίστεως δικαιοσύνη) abzuhandeln. Mit Worten Chrysostomos' hält Jeremias den Tübingern vor, daß der Glaube zwar notwendig sei, weil es ohne ihn keine Erkenntnis (γνώσις) Christi gebe, daß Gerechtigkeit aber nicht einfach Glauben, sondern den durch Werke wirksamen (ούχ άπλώς την πίστιν, άλλα δι' έργων) voraussetze. Die Intensität des Glaubens an Christus entspreche der Intensität der tätigen Nachfolge^^^. 27. Was die Ablehnung des Mönchtums in C A 27 betrifft, so setzt sich Jeremias nicht mit den dafür angeführten Gründen auseinander - sieht man von dem genannten Vorgriff im Kommentar zu C A 26 ab. Er hält vielmehr Zitate von Kirchenvätern - vor allem Basileios' des Großen - zugunsten des monastischen Ideals dagegen. Mit dem Kappadozier stellt er fest^^^, Gott habe den Menschen zwei Lebensformen gegeben, die Ehelosigkeit und für die, die nicht unverheiratet bleiben könnten, die Ehe; in der zweiten sei es sehr viel schwieriger, die ewige Sehgkeit zu erlangen^^'', als vollkommen (τέλειος) könne im Grunde genommen nur die erste gelten^^®. Der Widerruf des Mönchsgelübdes sei nicht möglich, er käme der Entweihung des einmal Gott übergebenen Leibes gleich. Im übrigen betreffe alles Gesagte nicht nur die Ehelosigkeit, sondern das Verhältnis zu den Leidenschaften überhaupt - die Mönche müßten sich völlig auf Gott konzentrieren^^^; so vollzögen sie die rechte Buße. Die anderen Christen aber müßten sie wenigstens ehren und in ihrem Leben nachahmen^^®. 28. Der letzte Artikel der Confessio Augustana, gewidmet dem Thema „Gewalt der Bischöfe", stieß in Konstantinopel auf völliges Unverständnis. Das ist insofern nicht verwunderlich, als die hier angesprochene Frage nach der geisthchen und weltlichen Macht der Bischöfe nur auf dem Hintergrund der Kirchengeschichte des Westens verständlich und in der in C A 28 vorgebrachten zugespitzten Form an die Konflikte der Reformationszeit in Deutschland gebunden war. Jeremias liest aus dem Artikel das Problem des Nebeneinanders, ja u . U . des Widerstreits verschiedener Autoritäten und ihrer Befehle heraus und nimmt Ibd. S. Acta 34. DkSI.496/PG62,265f. Ibd. 496-498 / P G 31,628 B-632 A pass. 645 C-648 A pass. 872 B-873 B. 921 A - C . Ibd. 497. Ibd. 498. 21» Ibd.497f. " 0 Ibd. 498.

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dazu mit Basileios Stellung; für den Konfliktfall schreibt er den Gehorsam gegen das Gebot Gottes vor^^^ Das andere Thema, das der Patriarch in seinem Kommentar zu C A 28 erörtert, sind die kirchlichen Speisevorschriften. Der Artikel führt sie als einen der Punkte auf, in denen die Bischöfe ihr Amt durch unnötige Anordnungen mißbrauchten^^^. Für Jeremias dagegen handelt es sich dabei um Gebote, die kirchliche Synoden in Übereinstimmung mit der Schrift erlassen hätten und die darum verbindlich seien^". Der Gehorsam auch in solchen anscheinend nebensächlichen Fragen gilt ihm als entscheidend für die Einheit der Kirche, wie er in langen Basileios-Zitaten ausführt^^''; wer hier einfach dem eigenen Willen folge, spalte sich vom Leib Christi ab^^®. Diese Sätze leiten über zu den abschließenden Bemerkungen des Kommentars. Stellt der Epilog der Confessio Augustana zusammenfassend fest, das Bekenntnis enthalte nichts, was der Schrift oder der katholischen Kirche widerspreche^^^, so fordert Jeremias seine Briefpartner auf, der „Richtschnur der Heiügen" (Ó κανών των άγίων) zu folgen; das sei die angemessene Haltung, wenn man Leben und Lehre auf dem „Fundament der Propheten und Apostel" baue, „wobei unser Herr Jesus Christus selbst der Schlußstein ist" (Eph. 2,20 f . M a n dürfe Gott nicht halb erkennen (μή ούν έξ ημισείας τον Θεόν γνωρίζωμεν), und man dürfe sich auch nicht durch seine Menschenfreundlichkeit zum Leichtsinn (ραθυμία) im Gesetzesgehorsam verleiten lassen^^® Mahnungen, die ein helles Licht auf die Gesamtbewertung der Confessio Augustana durch den Patriarchen werfen. cjDerSchluß Jeremias schUeßt seine Stellungnahme mit einem feierhchen Amen. Bevor er seine Unterschrift unter den Brief setzt, legt er nun aber noch dar, welche Folgerungen sich aus der bisherigen Korrespondenz für das Projekt der griechisch-lutherischen Kirchenunion ergeben. Und zwar tut er das - anders als in seinen späteren Antworten - in einer Form, die diplomatische Behutsamkeit und äußerste Bestimmtheit in der Sache geschickt miteinander verbindet: Er greift die Briefpartner nicht direkt an, vielmehr zeigt er ganz allgemein die Bedingung auf, unter der allein Kirchengemeinschaft mit irgendeiner Person oder Gruppe für ihn in Frage kommt: Nur wenn die andere Seite auf jegliche ^^^ Ibd. 4 9 9 f . E r knüpft hier u. a. an Bibelstellen an, die auch C A 26 vorbringt, Apg 5,29 und Gal 1,8 (DkS I 500, vgl. B S E L K 1 2 4 , 1 7 - 1 9 ; 1 3 2 , 2 0 f . / Acta 47. 53); allerdings geht es d e n um G e b o t e von Bischöfen, die dem Wort Gottes widersprechen. Acta 49. DkS 1550. Ibd. 501. " ' D k S 1501.

224 Ibd. 500f. / P G 3 1 , 6 6 1 A f . 6 5 7 B - 6 6 0 D . " 6 Acta 53. " β Ibd.

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private Interpretation (ιδία έξήγησις) der Schrift verzichte zugunsten der von den Kirchenvätern vertretenen Auslegung und der Vorschriften der Tradition^^'; wer diese Bedingung nicht erfüllt, wird mit Verurteilungen bedacht. Jeremias bricht seine Kritik noch ein zweites Mal und gewinnt so diplomatischen Raum für große Schärfe: Die Vorwürfe werden nicht nur in Form allgemeiner Feststellungen, sondern darüber hinaus durch den Mund von Kirchenvätern ausgesprochen. Nach Meinung dieser Männer sind Leute, die sich nicht an die Voraussetzungen der griechischen Kirche halten, Wölfe in Schafskleidern, ehrgeizige Neuerer (καινοτομείν), die das Dogma übertreten (παράβασις) und verraten (προδοσία)^3°. Der Patriarch schließt das Schreiben, indem er seine Briefpartner direkt anspricht, nun aber in F o r m positiver Aufforderung, ja Einladung: Wenn die „gelehrten Deutschen und geliebten Kinder (τέκνα) unserer Wenigkeit" die Vorschriften der Apostel und Synoden annähmen und sich so „der heihgen, kathohschen Kirche Christi bei uns unterordneten" (ύποταγέντες τη καθ' ημάς άγία καΐ καθολικτί Ε κ κ λ η σ ί α του Χριστού), dann würden sie wirklich Gemeinschaft mit den Griechen haben (τω οντι συγκοινωνοί ήμϊν εσεσθε) und beide Kirchen eine bilden (οϋτω ταϊν δυοϊν έκκλησίαιν μιας συν Θεώ γενομένης)23ΐ. M . a . W . , das Ziel ist deuthch, der Weg vorgezeichnet - die Lutheraner, und sie allein, brauchen ihn nur zu beschreiten. d)

Zwischenergebnis

Fragt man sich in einem Etappenrückblick, wie die Stellungnahme des Patriarchen Jeremias Π. zur Confessio Augustana einzuschätzen ist, kommt man nicht um das Ergebnis herum, sie insgesamt als negativ anzusehen. Gewiß gibt es etliche, z . T . sehr grundlegende Gemeinsamkeiten, allen voran die im Bereich von Ghristologie und Trinitätslehre (s.u.). Doch die erste griechische Antwort läuft auf die Forderung nach Aufgabe der reformatorischen Lehre in so gewichtigen Punkten hinaus, daß sie nur als weitgehende Ablehnung dieser Lehre betrachtet werden kann. Insofern ist der folgende Gang der Korrespondenz, der dann schließlich zum Abbruch führt, folgerichtig. Dennoch muß man innerhalb dieses Grundergebnisses differenzieren. Denn es gibt in dem bisherigen, noch vorthematischen Stadium der Korrespondenz verschiedene Ebenen des Widerspruchs. Das führt zu unterschiedlichen Einschätzungen durch die Briefpartner auf der einen und der anderen Seite. Z . T . ist der Widerspruch, den der Patriarch vorbringt, ausdrücklich gegen bestimmte Lehren der Confessio Augustana gerichtet, seien sie nun richtig verstanden oder nicht. Es gibt erstaunlich wenig Fälle von Kritik dieser Art: Sie Ibd. 502. " " Ibd.; welche Kirchenväter er hier zitiert, ist nur in einem Fall deutlich: Basileios, P G 29, 5 7 3 652. " 1 Ibd. 503.

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gilt vor allem zwei Punkten, die Jeremias schon in seinen früheren Briefen angesprochen hatte, den Aussagen der Lutheraner über Glauben und Werke und ihrer Einschätzung kirchhcher Traditionen; wenn der Patriarch gerade an diesen beiden Stellen Widerspruch anmeldet, dann zeigt sich, daß ihm bei allen Mißverständnissen im einzelnen doch sehr deutlich war, auf welche Anliegen das Augsburger Bekenntnis besonderen Wert legt. Desto schwerer muß seine Ablehnung gerade in diesen Punkten wiegen. Daneben gibt es Kritik an Aussagen, die die Confessio Augustana gar nicht macht, die der Patriarch den Lutheranern aber, darin z. T. von Gerlach bestätigt, aufgrund des herkömmlichen kirchlichen Ost-West-Gegensatzes unterstellt; hier sind die Probleme des filioque, des Taufritus und der Azymen zu nennen. Ferner kritisiert Jeremias einige Male Ansichten, die er ebensowenig dem Augsburger Bekenntnis entnehmen konnte, die ihm vielmehr entweder durch den Botschaftsprediger dargelegt oder auf dem Gerüchteweg als Lehren der Reformation zugetragen worden waren, so angebliche falsche Auffassungen vom Abendmahl und vom kirchlichen Amt. Solche Fälle expliziter Kritik sind nun aber weit in der Minderzahl gegenüber jenen, in denen Jeremias gar nicht zu einer tatsächhchen oder vermeintüchen Ansicht der Briefpartner Stellung nimmt, sondern einfach gleichsam parallel zu den Aussagen der Confessio Augustana seine Meinung zu dem jeweihgen Thema darlegt. Auf diese Weise bringt er in taktisch geschickter Weise implizit manche Korrektur oder Ergänzung ihm falsch oder unvollständig erscheinender Sätze des Bekenntnisses vor. Vor allem aber gewinnt er so einen Ausweg aus dem Grunddilemma, daß ihm viele Aussagen der übersandten Schrift mehr oder minder unverständlich waren. Statt lange nach Ansatzpunkten für Zustimmung oder Kritik zu suchen, stellt er eben schlicht die eigene, dem Antwortenden und seiner Meinung nach jedem Einsichtigen klare Position zum jeweiligen Thema oder einem seiner Aspekte dar. Folge dieses Verfahrens ist, daß der Leser über weite Strecken den Eindruck hat, Jeremias rede am Augsburger Bekenntnis vorbei, oder er bringe völlig unnötige Exkurse vor, so etwa, wenn er zur Frage nach dem Zweck der Sakramente (CA 13) die orthodoxe Liturgie beschreibt, die Kritik am Opferverständnis der Messe (CA 24) mit der Feststellung kommentiert, die Christen müßten das Gesetz erfüllen u.a. - ein Eindruck, den die Aneinanderreihung von Zitaten, welche oftmals ihrer eigenen Logik ohne Rücksicht auf den Gesprächskontext folgen, noch verstärkt. Immerhin läßt sich in Jeremias' Ausführungen zu einem Artikel gelegentlich eine Stellungnahme zum Thema eines anderen finden, gerade weil sie oft so wenig spezifisch sind. Während er sich z . B . in seinem Kommentar zu C A 24 (Von der Messe) eben nicht zur dort angesprochenen Frage, ob die Messe Opfercharakter habe, äußert, setzt er dies in seiner Antwort auf andere Artikel, die dies Problem gar nicht berühren, voraus^^^; oder er geht in seiner StellungSo bes. in Kap. 13, s. o. S. 1 8 1 - 1 8 4 ; zum besonderen Charakter dieses Problems s. u. S. 292ff.

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nähme zu C A 7 (Über die Kirche) nicht auf den Satz ein, zur Einheit der Kirche sei Übereinstimmung in allen Riten nicht notwendig, betont aber im Kommentar zu C A 13 (Vom Gebrauch der Sakramente), alle Christen müßten den Traditionen Konstantinopels folgen. In diesen nicht als direkte Kritik an bestimmten Aussagen der Confessio Augustana, sondern als positive Selbstdarstellung gemeinten Passagen finden die Tübinger Gegensätze zur reformatorischen Lehre über den expliziten Widerspruch hinaus. Daraus erklärt sich, daß sie das Gespräch, anders als der Patriarch, der sich vieler Differenzen erst durch die Reaktion der Briefpartner bewußt wurde, schon jetzt als mehr oder weniger aussichtslos einschätzten. Die Lehrunterschiede, die die Tübinger dem ersten Schreiben aus Konstantinopel entnahmen, sind die Themen der folgenden Schreiben. Jeremias' Antwort auf das Augsburgische Bekenntnis bildet die Grundlage des weiteren Briefwechsels aber nicht nur mit dem, was sie aussagt, sondern auch mit ihrem Schweigen zu bestimmten Punkten. Das betrifft das Thema des fünften Artikels der Confessio Augustana, die Aufgaben des kirchüchen Amtes^^^, und vor allem die Ekklesiologie: Daß der Patriarch auf den Artikel über die Kirche (CA 7) mit einem Traktat über die Mysterien antwortet, hat für die Korrespondenz nicht nur die Erörterung der in der Confessio Augustana nicht angesprochenen Frage nach der Zahl der Sakramente zur Folge, sondern auch den Ausfall des Themas „Kirche" ; Aussagen, dazu finden sich nur im Rahmen anderer Themen, vor allem im Zusammenhang mit der Frage nach dem Wert der Tradition. Gewiß ist einzuräumen, daß die byzantinischeTheologie nie eine durchgeformte Ekklesiologie entwickelt hatte und sich das Thema von daher dem Patriarchen nicht aufdrängte. Dennoch muß angesichts der Tatsache, daß er es wie seine Briefpartner als Ziel der Korrespondenz ansah, Kircheneinheit herzustellen^^"·, die Interesselosigkeit gegenüber dem eigentlichen Thema von C A 7 erstaunensollte man doch erwarten, er hätte mit den Tübingern darüber sprechen wollen, was unter dem Wort „Kirche" denn eigentlich zu verstehen sei. Das war nicht der Fall, und so taucht das Problem weder unter den Konsens- noch unter den Dissenspunkten auf. J. Die übrigen Schriften des Briefwechsels a) Die erste Antwort der Tübinger^ Mit der ersten Antwort der Tübinger ändert sich der Charakter des Briefwechsels grundlegend^: Aus dem Nebeneinander zweier Selbstdarstellungen wird eine Auseinandersetzung über eine Reihe festgelegter Themen auf der 233 Vgl. o. S. 159.169 u. u. S. 322ff. » Acta 147-199.

Vgl. DkS 1443. 503. ^ S . O . S . 153.

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Basis bestimmter hermeneutischer Axiome. D . h. konkret: Es geht in der weiteren Korrespondenz um die Punkte „Ausgang des Heiligen Geistes" - die Tübinger nehmen dies erst von Patriarch Jeremias in die Diskussion eingeführte Problem auf - , „freier Wille", „Glaube und Werke", „Sakramente", „Umgang mit Heiligen und Bildern", „Mönchtum" und um die Grundfrage „Schrift und kirchÜche Uberlieferung". U m diese Systematisierung des Briefwechsels zu erreichen, teilen die Tübinger ihre Antwort in drei Abschnitte von unterschiedlicher Länge ein: Sie stellen die Gemeinsamkeiten fest, die sich ihrer Meinung nach aus der ersten Antwort des Patriarchen ergeben^; sie zeigen den Maßstab auf, nach dem in ihren Augen theologische Fragen gelöst werden müssen, und klären hiermit verbundene hermeneutische Probleme", und sie behandeln die Differenzen, die das griechische Schreiben offenbar gemacht habe^. Entsprechend dem Maßstab für theologische Aussagen, den die Tübinger angeben, begründen sie all ihre Darlegungen mit Bibelzitaten. Daneben aber führen sie ausgiebig griechische Kirchenväter an, die sie nicht vernachlässigt, wenn auch relativiert sehen wollen^. Crusius' Bericht zeigt ja, daß sich die Württemberger Theologen bewußt darum bemühten, zu den Griechen die Brücke der Tradition in Form von Kirchenväterzitaten zu schlagen'. Der Stellenwert dieser Zitate ist hier, wie sich zeigen wird, allerdings ein anderer als bei Jeremias: Sie sollen Aussagen belegen, nicht begründen. Im übrigen sind sie sehr viel kürzer und besser in den Duktus der Argumentation eingebunden. Die häufigen Hinweise auf Kirchenväter und Synoden sind nicht die einzige schon formal auffällige Brücke, um die sich die Tübinger Theologen in ihrem Schreiben bemühen. Wie bereits der Patriarch in seiner Antwort auf die Confessio Augustana, so heben auch sie immer zunächst die Gemeinsamkeiten hervor und betrachten erst dann die Unterschiede, und zwar sowohl im Rahmen des Gesamtaufbaus ihrer Schrift als auch bei der Behandlung der Einzelthemen. Hierin wie in dem angesichts des von Jeremias' Antwort hervorgerufenen Schocks erstaunlich mäßigen und verbindlichen Ton schlägt sich die Devise nieder, die der eigentliche Verfasser, Oslander, für sein Werk aufgestellt hatte: Es solle eine confessio et apologia humanissima sein®. Die Freundlichkeit im Ton kann natürlich über die sachlichen Gegensätze nicht hinwegtäuschen. So sind sich die Württemberger wohl bewußt, daß ihr 3 Acta 148 f. " Ibd.149-158. s Ibd. 159 ff. ' Zitiert werden am häufigsten Chrysostomos, recht oft Basileios, ferner Orígenes, Theodoret von Kyros, Sokrates' Kirchengeschichte, Kyrill von Alexandrien, Epiphanios und Gregor von Nazianz, vgl. die Fußnoten in der Übersetzung von Schaeder zu den Fundorten. ' S. o. S. 9 6 . 1 0 4 . 105. 8 S. o. S. 104.

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Schreiben das Mißfallen des Patriarchen erregen wird. Schnepfs Brief an ihn, von Osiander und Crusius unterzeichnet', soll deshalb negative Reaktionen entschärfen, die die Kritik der Lutheraner auf der griechischen Seite hervorrufen könnte. Man dankt zunächst dem Patriarchen für sein Begleitschreiben zur Antwort auf die Confessio Augustana, und das aus zwei Gründen : Wegen der darin zum Ausdruck kommenden, durch die hohe Stellung des Absenders besonders wertvollen Liebe, die „gleichsam ein gemeinsames Band" sei, „das die Menschen zu einem Leib unter dem Haupt Christus zusammenwachsen lasse" und wegen der Aufforderung des Patriarchen, sich der wahren, vollkommenen Philosophie zuzuwenden - jener nämlich, die Christus zum „Anführer und Urheber" (princeps et auctor/άρχηγός) habe^^. Als Vermittler der wahren Philosophie hatte Jeremias Schrift und kirchliche Tradition bezeichnet und für verbindlich erklärt^^. Die Tübinger halten dagegen, sie sei nirgends besser dargelegt als von denen, die Christus selbst zu Dolmetschern (interpretes / έρμηνεϊς) seines Willens gemacht habe, von den „Griffeln des Heiligen Geistes", wie Basileios sage, kurz, als von den Verfassern der Bibel. Jeder Menschengeist, auch die hochangesehenen Väter der Kirche, könne dagegen irren und müsse kritisiert werden, wenn er der biblischen Wahrheit widerspreche. Umgekehrt sei jeder beliebigen Person beizupflichten, wenn sie etwas sage, was mit dem Maßstab der Heiligen Schrift übereinstimme^^. N u r ein solches Vorgehen garantiere die Kontinuität mit der wahren Kirche, und es garantiere den Einklang mit den Engeln im Himmel^'*. N o c h vor der eigenthchen Antwort bringen die Tübinger also den Punkt vor, der schon in den bisherigen Briefen immer wieder angesprochen wurde und der in ihrem Schreiben selbst zum entscheidenden Problem für den gesamten Dialog erklärt und schüeßhch die Korrespondenz zum Scheitern bringen wird: die Frage nach dem Verhältnis von Bibel und kirchlicher Uberlieferung. Sich des Gegensatzes an dieser Stelle wohl bewußt, bitten sie den Patriarchen, über nichts, was sie geschrieben hätten, zu zürnen, sondern ihnen seine „väterliche Gesinnung" zu bewahren^®. Ahnliche beschwichtigende Sätze eröffnen und beschließen auch das Lehrschreiben: Jeremias, der dankenswerterweise selbst so offen Stellung genommen habe, möge den Lutheranern ihre Freimütigkeit nicht verübeln^®, denn sie folgten allein Gottes eigenem Wort; hieran glaubten sie und hätten dementsprechend ein ruhiges, festgegründetes Gewissen (tranquilla et confirmata conscientia / γαληνή καΐ άτρεμοϋσα συνείδησις)^^. Gott möge Gnade geben, daß dem Patriarchen das Schreiben gefalle und hinreichend erscheine; sie, die Tübinger, ' Acta 144-146 (s. o. S. 105f.).

10 Ibd. 144.

S. o. S. 164. " I b d . 145 f. " Ibd. 147,S.a. 198.

" Ibd.

" Acta 145. " I b d . 146. i ' Ibd. 199.

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wollten mit allen in gottgefälligem Frieden leben, die das Evangelium liebten und sich an Christus als einzigen Lehrer hielten, inzwischen aber mit den Griechen in Fürbitte verbunden sein^®. Wie der Patriarch am Ende seiner Antwort, so stellen die Württemberger hier am Schluß der ihren fest - und das zum ersten Mal in dieser Eindeutigkeit - , daß sie Kirchengemeinschaft, „gottgefälligen Frieden" (pia pax / θεοφιλής ειρήνη) mit den Griechen nicht als gegeben ansehen, sondern als eine Möglichkeit, deren Verwirklichung vom Verhalten der Briefpartner abhängt, konkret von der Änderung der griechischen Lehre. b) Die zweite Antwort

des Patriarchen'^^

Patriarch Jeremias akzeptiert den Katalog von sechs strittigen Themen samt hermeneutischem Grunddissens, auf den die Württemberger die Auseinandersetzung reduziert haben. Er dankt in der Eröffnung seiner Rückantwort Gott dafür, daß die Lutheraner in vielen Punkten (έν πολλοίς) mit der griechischen Kirche übereinstimmten - nach Ton und Kürze der Aussage wie dem Inhalt des folgenden Schreibens weniger ein Ausdruck der Freude und Befriedigung als eine höfliche Aufnahme der entsprechenden Feststellung auf seiten der Tübinger - , und spricht die Hoffnung aus, daß sich auch in den übrigen Fragen Einigkeit erzielen lasse^®. Im Schlußabschnitt^i faßt Jeremias den Stand der Diskussion folgendermaßen zusammen: Alle Lehrunterschiede ließen sich auf einen einzigen zurückführen, die unterschiedliche Bewertung der kirchlichen Überlieferung. Man stimme in fast allen wichtigen Punkten überein (έν πάσι σχεδόν κυριωτέροις συμφωνούντες), jene Differenz aber sei von so grundlegender Bedeutung, daß sich daran das Verhältnis beider Seiten zueinander entscheide; wenn - und nur wenn - die Tübinger hier einlenkten, wäre Kircheneinheit erreicht (Ουδέν . . . άλλο το αίτιον τής άσυμφωνίας ή τούτο καΐ μόνον, οπερ ύμεϊς διορ-θοϋντες, συν Θεώ σύμφωνοι και το έν περί τήν πίστιν έσόμεθα εις δόξαν Θεού). Es sei nie zu spät zu solcher Umkehr, denn das Sündigen sei menschlich, sich selbst zu korrigieren (το διορθούσθαι) aber ein Verhalten, das Engel auszeichne (το μεν . . . άμαρτάνειν άνθρώπινον, το δε διορθούσθαι ά γ γ ε ^ κ ό ν ) . Was das eigentliche Corpus seines Schreibens betrifft, so wird gleich zu Beginn das Gewicht deutlich, das er den zur Verhandlung stehenden Themen beimißt. Er charakterisiert dort nämlich die vorangegangene Tübinger Antwort mit den Worten, sie sei eine Schrift „über den Ausgang des Heiligen Geistes und andere theologische Fragen" (περί τε τής τού άγιου Πνεύματος έκπορεύσεως Ibd. " DkS II435--Í75 [515-555]. 20 Ibd. 435 [515]. " Ibd. 475 [555].

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κ α ι ά λ λ ω ν θ ε ο λ ο γ ι κ ώ ν ζητημάτων)^^. D e m e n t s p r e c h e n d teilt er seine R ü c k a n t w o r t ein: D r e i Achtel seiner A u s f ü h r u n g e n entfallen allein auf das T h e m a „ A u s g a n g des H e i l i g e n Geistes"^^. A u c h die z w e i t e A n t w o r t des Patriarchen besteht, wie s c h o n C r u s i u s klagend vermerkt^'^, ü b e r w i e g e n d aus Zitaten. D o c h J e r e m i a s geht nun - u n d daran w i r d deutlich, daß sich der C h a r a k t e r des Briefwechsels gegenüber der Stellungnahm e der Griechen z u r C o n f e s s i o A u g u s t a n a gewandelt hat - m e h r auf die A u s s a g e n seines G e g e n ü b e r s z u den festgelegten T h e m e n ein^®. E r f o r m u l i e r t ö f t e r einmal P a s s a g e n selbständig, u n d die Zitate, die er a n f ü h r t , dienen stärker d a z u , seine jeweihge Stellungnahme zu b e g r ü n d e n , statt nur die L e h r e seiner K i r c h e z u verschiedenen P u n k t e n allgemein darzulegen. D a s ist allerdings nicht i m m e r der Fall, daneben gibt es d u r c h a u s auch wieder Selbstdarstellungen, die sich v o n der D i s k u s s i o n entfernen. Z u r hermeneutischen G r u n d f r a g e f ü h r t er K a n o n 19 des Sechsten Ö k u m e n i schen K o n z i l s an^®. D a s Kapitel über den A u s g a n g des H e i l i g e n G e i s t e s stellt o f f e n b a r einen Verschnitt v o r g e g e b e n e r A b h a n d l u n g e n dar, die in sich viele Kirchenväterzitate enthielten. N i c h t u m s o n s t b e r u f t sich J e r e m i a s auf antilateinische Schriften älterer L e h r e r (διδάσκαλοι)^''. D e r A b s c h n i t t ü b e r den freien Willen besteht z u m größten Teil aus Zitaten, die v o n Chrysostomos^®, Basileios^', Augustin^", (Ps.-) A n a s t a s i o s Sinaites^^ " Ibd. 435 [515]. 23 ibd. 435-450 [515-530]. " s. o. S. 126. Es ist daher merkwürdig, daß Crusius' sich hinsichtlich dieses Lehrschreibens, nicht des ersten, über die Ansammlung von Zitaten beklagt (s. vorige Anm.). DkSII435 [515]. Ibd. 438 [518]. Meyer (100) fühk sich besonders an Bryennios, Rede XIV über die Trinität, erinnert, doch die Argumentation ist so traditionell und schematisch, daß man ebensogut an andere Beispiele unter den Scharen von Anti-fiUoque-Traktaten denken könnte. Terminus a quo zumindest für die Aussagen über die göttlichen Energien und den Verweis auf Thomas von Aquin (DkS II 437f. [517f.]) wäre das 14. Jahrhundert. 28 Ibd.450f.[530f.]/PG62,32.31;60,425). DkS II 451 [531] / nicht verifiziert; ibd. 451 f. [531 f.] / PG 30, 17 C. 33 AL, die Fortsetzung ähnelt sehr stark Ausführungen in Basileios' Erstem Buch über die Taufe (PG 31,1537 Bff.). DkS II 451 [531]. Es ist bislang nicht gelungen, das Zitat zu verifizieren, damit auch nicht, es abzugrenzen, was wegen der auffälligen Terminologie an dieser Stelle sehr wünschenswert wäre. In Augustins Schrift Ad Orosium, contra Priscillianistas et Origenistas (PL 42, 669-678), auf die Jeremias' Angabe Αύγουστίνος προς Όρόσιον hinzuweisen scheint, läßt es sich nicht finden, selbst wenn man der griechischen Übersetzung große Freiheit zugesteht. Dem Thema nach paßt es besser zu Brief 166 (CSEL 44, 545-585), ist allerdings auch hier nicht direkt verifizierbar. Er ist mit der Schrift Ad Orosium über zwei Brücken verbunden und könnte deshalb vielleicht mit ihr verwechselt worden sein: Das Ende des Briefes wurde oft als ihr Ende angesehen (s. PG 42, 678 Anm. a), und an seinem Anfang taucht der Name Orosius auf. Im übrigen stammt das Zitat wohl aus einem der Florilegien, in denen die Griechen Sätze Augustins überlieferten (vgl. M. Rackl, Die griechischen Augustinusübersetzungen, und B. Altaner, Augustinus in der griechischen Kirche bis auf Photius), und wurde vermutlich von Jeremias schon im Zusammenhang mit den angrenzenden Stücken übernommen, so wie überhaupt der Abschnitt zum größten Teil ein vorgegebener Block zu sein scheint. " DkS II 451 [531] / PG 89, 733 С (vgl. M. Richard, Les véritables „Questions et Réponses"

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und Joannes Damaskenos^^ stammen. O b der erste Absatz^^ des Kapitels über Glaube und Werke ad hoc formuliert wurde, steht offen. Nach den genannten Zitaten jedenfalls folgen seitenlange Ausschnitte aus Joseph Bryennios' sechzehnter, vierter und fünfter Rede über die Trinität^'* mit kleinen Erweiterungen, danach ein Chrysostomos-Zitat^®. Jeremias' Ausführungen über die Mysterien setzen ein und behandeln die Sakramente überhaupt und dann die Taufe zunächst mit Passagen aus Nikolaos Kabasilas' „Leben in Christus"^®; auch der Unterabschnitt über das Abendmahl beginnt mit einem Zitat aus dieser Schrift^^, wird dann aber weitergeführt mit Sätzen aus Joannes Damaskenos' Werk „De fide orthodoxa"^®. Für die Behandlung der übrigen Mysterien zieht der Patriarch denselben Abschnitt Symeons von Thessaloniki heran, mit dem er in seiner Antwort auf C A 7 Georgios Lapithes' Traktat angereichert hatte^'. Zu Einzelfragen der griechischen Sakramentspraxis zitiert er Zonaras'**', verweist er allgemein auf Dionysios Areopagites'^^ und Symeon Metaphrastes"*^, und führt er Lokalsynoden'^^, das sechste Ökumenische Konzil'*'* und Joannes Chrysostomos"*® an. Das Kapitel über Anrufung der Heiligen und Bilderverehrung bringt zunächst selbständige Erwiderungen auf die Kritik der Tübinger vor. Es folgt eine Reihe teils sehr langer Zitate zum zweiten Thema, entnommen Basileios'*®, Kyrill von Alexandrien'*'^, der Synode in Trullo·*®, dem siebten Ökumenischen Konzi^^ und vor allem Joannes Damaskenos^", der seinerseits viele Väter anführt® d'Anastase le Sinaite, in: ders., Opera minora III 64) (Den Hinweis verdanke ich meinem Kollegen Karl-Heinz Uthemann, Frankfurt/M.) DkS II 452 f. [532 f.] / P G 9 4 , 9 6 8 A - 9 7 2 A . " DkS II 453 f. [533 f.]. Ibd. 454 [ 5 3 4 ] - 4 5 7 [537] / Bryennios I 3 0 8 - 3 1 2 . 1 81. 87f. 92f. (vgl. Meyer 100). DkS II 45 7 f. [53 7 f.] / P G 5 3 , 4 7 f. DkS II 4 5 9 [539] / Ausg. Gass 3f., 1 f.; 11,35. 3 6 ; 12,40 / P G 150, 493 B. 504 A f . " DkS II 4 6 0 [540] / Ausg. Gass 11,36 / P G 1 5 0 , 5 0 4 A . DkS II 4 6 0 f . [ 5 4 0 f . ] ( x a l ó της προθέσεως . . . της θέας) / P G 9 4 , 1 1 4 5 A - 1 1 5 3 (pass., z . T . umgestellt) / Johannes von Damaskus, Schriften II, 194 ff. (Pass.). 3' DkS II 4 6 0 [540] / P G 155, 177 C : TÒ χρίσμα . . . Χριστοΰ; DkS II 461 f. [541 f.] / P G 155, 1 7 7 - 1 8 0 D : χειροτονία . . . σωτηρίαν; vgl. о. S. 173. DkS II 4 5 9 [539]. Ibd. 4 5 9 . 4 6 0 [539. 540]. Ibd. 4 5 9 [539] "Ibd. "" I b d . 4 5 9 f . [ 5 3 9 f . ] . « Ibd. 4 6 0 [540] nicht verifiziert. Ibd. 463 [543] / P G 3 2 , 1 4 9 C . " Ibd. 4 6 5 [545] nicht verifiziert (die Stelle ist in den P G 7 0 , 1 4 6 2 A B abgedruckten Fragmenten aus dem W e r k In Danielem prophetam, auf das Jeremias hinweist, nicht enthalten). " DkS II 4 6 9 [549]. Ibd. 470 [550]. 50 Ibd. 4 6 3 f . [543f.] ab ó Θεός εστη / P G 94, 1249 C - 1 2 5 2 A (Ps. - Joannes Damaskenos, vgl. Schönborn, L'icône 195, Anm. 3); DkS II 464 [544] / P G 9 4 , 1 2 5 7 A ; DkS II 4 6 5 - 4 6 9 [ 5 4 5 - 5 4 9 ] / P G 94, 1345 A - 1368 D / Johannes von Damaskus, Schriften III, 95f. ( z . T . ) 116. 1 3 2 - 1 3 5 . 1 4 0 - 1 4 4 . 146. 169f. 160. " Auf Epiphanios (DkS II 464 [544] / P G 42, 749f. (sinngemäß)) weist Jeremias nur hin, weil die Tübinger die entsprechenden Sätze für ihre Aussagen in Anspruch genommen hatten (Acta 188).

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Der Briefwechsel

Zu dem sechsten und letzten Thema, „über das Mönchtum", zitiert Jeremias den Areopagiten^^, Basileios®^, das erste, zweite, vierte und sechste Ökumenische Konzil^'* und Chrysostomos^^. c) Die zweite Tübinger

Antwort^^

Alle bisherigen Aussagen der Tübinger, ihre Briefe an Patriarchjeremias wieihr erstes Lehrschreiben, zeigen, daß auch sie den Stellenwert der kirchlichen Uberlieferung für die Gretchenfrage des Dialogs mit den Griechen hielten. Der Brief, den sie ihrer zweiten Antwort beilegten®'', unterstreicht diese Sicht der Dinge noch einmal: Erneut wird betont, die Basis (θεμέλιον) jeder theologischen Aussage müßten die Heiligen Schriften der Propheten und Apostel sein. Zusätzlich (έπΙ ταυτασί τάς . . . πηγάς) könne man die Kirchenväter anführen. Das täten sie, die Tübinger, auch, und zwar deshalb, weil die Väter selbst ihr Leben in der Betrachtung der Bibel zugebracht hätten und damit ihrerseits gerade Zeugen des „sola scriptura" seien. Daraus aber folge, daß man sich, ihrem eigenen Willen gemäß, nur so weit nach ihnen richten könne, wie sie mit der Schrift übereinstimmten^®. Die zweite Antwort der Tübinger ist in ihrem theologischen Teil härter als die erste - ein bewußtes Vorgehen der Verfasser, die auf diese Weise die Griechen zwingen wollten, wirklich auf ihre Argumente einzugehen®'. Sie greifen die kirchliche Überlieferung, deren Einschätzung eben von beiden Seiten deutlich als der grundlegende Differenzpunkt herausgestellt worden ist, immer wieder frontal an, bringen ihrerseits auch nicht mehr so viele Kirchenväterzitate vor wie in ihrer ersten Schrift. Die voraussehbare Schockwirkung versuchen sie durch diplomatische Ehrfurchtsbeteuerungen zu mildern, und der Übersetzer Crusius bemüht sich noch zusätzlich in der griechischen Version, den Ton zu entschärfen®°. Was den Inhalt ihres zweiten Schreibens angeht, so bleiben die Tübinger bei dem drei Jahre zuvor aufgestellten Themenkatalog. Auffällig ist die Veränderung in der Verteilung der Gewichte: Die Frage des Geistausgangs, in der ersten Antwort recht kurz, knapper etwa als die typisch reformatorischen Probleme " DkS II 471 [551] / P G 3 , 5 3 3 A f . " DkS II 471 f. [551 f.] / P G 31, 625 С - 632 Α. 636 Α . 637 В. 645 С - 648 С ( z . T . schon in der ersten Antwort vorgebracht (DkS I 4 9 6 f . ) ) ; DkS II 474 [554] / Hinweise auf kanonische Briefe und allgemein auf die asketischen Schriften. DkS II 4 7 2 - 4 7 4 [ 5 5 2 - 5 5 4 ] « DkS II 474 f. [554 f.] / P G 6 2 , 5 6 0 , zuvor Hinweis auf 344 Acta 2 6 4 - 3 4 6 S.O.S. 131 5» Acta 261 f. 5» Vgl. o. S. 127 S. z . B . u. S. 280, Anm. 2 9 ; S. 3 3 7 ; s.a. Acta 3 1 6 : Während es im lateinischen T e x t heißt, der Areopagit sei in vieler Hinsicht „superstitiosus" gewesen, schreibt Crusius: περιττός.

Die theologische Auseinandersetzung

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der Rechtfertigung u n d der Buße, angesprochen, n i m m t n u n ein Drittel der ganzen Schrift u n d damit dieselbe quantitativ überragende Stellung ein wie in Jeremias' vorangehender A b h a n d l u n g . Wie C r u s i u s ' T a g e b u c h zeigt^^, steht hinter dieser Neuverteilung des R a u m s keine theologische Verschiebung. Die inhaltlichen Anliegen der T ü b i n g e r waren dieselben und schlugen sich u r sprünglich w o h l in denselben Größenverhältnissen nieder wie in der ersten A n t w o r t . D o c h Gerlach, mitderweile aus Konstantinopel z u r ü c k g e k e h r t u n d durch eigene A n s c h a u u n g von der Bedeutung des T h e m a s filioque f ü r die Griechen ü b e r z e u g t u n d mit ihren A r g u m e n t e n bestens vertraut®^, erweiterte das Kapitel über diesen Punkt^^. So brachte er das ganze Lehrschreiben auf seine endgültige Seitenverteilung u n d Länge. d) Die dritte Antwort des Patriarchen^* Das dritte Lehrschreiben des Patriarchen, ungleich k ü r z e r als die beiden ersten, beendete die K o r r e s p o n d e n z ; die letzte A n t w o r t der T ü b i n g e r stellt einen N a c h k l a n g dar, der keinen Widerhall m e h r fand. Jeremias machte den Lutheranern deutlich, daß er eine F o r t s e t z u n g des theologischen Gesprächs f ü r sinnlos hielt: „Befreit uns von der Sorge u m Euch. G e h t Eures Weges u n d schreibt uns nicht m e h r über Lehrfragen. Lebt w o h l . " (το κ α θ ' υ μ ά ς , ά π α λ λ ά ξατε των φροντίδων ήμάς. Την ύμετέραν οΰν πορευόμενοι, μηκέτι. . . περί δ ο γ μ ά τ ω ν . . . γ ρ ά φ ε τ ε . Έ ρ ρ ω σ θ ε ) ® ^ . Schon Paulus habe ja gesagt, man solle einen H ä r e t i k e r ( α ι ρ ε τ ι κ ό ς ά ν θ ρ ω π ο ς ) zweimal zurechtweisen, u n d w e n n das nicht helfe, ihn der ewigen Strafe überlassen®^ - die schwerste Verurteilung in der gesamten K o r r e s p o n d e n z u n d zugleich die unter Christen schwerstmögliche ü b e r h a u p t wird den T ü b i n g e r n entgegengeschleudert. Sie gilt dem unmittelbaren K o n t e x t nach deren Aussagen über das filioque, ist hier also die A n w e n d u n g eines f ü r den gesamten Westen schon vorgeprägten Etiketts. Später erhebt Jeremias d a r ü b e r hinaus den spezifisch auf die Briefpartner g e m ü n z t e n V o r w u r f , sie hätten von den J u d e n hebräische Sonderlehren ü b e r n o m m e n , u n d dieser jüdische Einfluß habe bei ihnen zu vielfältigen Schismen geführt®''. So kann die Folgerung n u r lauten: „Mit Leuten wie euch halten wir keine Kirchengemeinschaft" (οΐς ή μ ε ί ς ο λ ω ς μή κοινωνοϋντες)®® - das V o r h a b e n , Kircheneinheit festzustellen oder herzustellen, gilt als gescheitert. Jeremias b e t o n t aber n u n zugleich, die wechselseitige F r e u n d s c h a f t ( φ ι λ ί α ) müsse d u r c h die Aussichtslosigkeit auf theologischem Gebiet nicht beeinträchtigt w e r d e n . W e n n die T ü b i n g e r wollten, k ö n n t e n sie auch in Z u k u n f t f r e u n d " S.O.S. 131. ^^ S. o. S. 115 und vgl. die Tatsache, daß er ein Heft mit Abhandlungen zu diesem Thema gefüllt hatte (s. o. S. 65). " S.O.S. 131. " DkS II 476-489 [556-569]. " Ibd. 489 [569]. " Ibd. 476 [556] (Titus 3,10). " Ibd. 488 [568], vgl. a. u. S. 338. DkS II 488 [568].

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Der Briefwechsel

schaftliche Briefe schreiben (φιλίας . . . μόνης ενεκα, εί βουλητόν, γράφετε)®^. Daß er mit diesen Worten keine rhetorische Pflichtübung ableistet, sondern wirklich beide Bereiche trennen will, zeigt sein Begleitbrief an die Tübinger, in dem - zum erstenmal in der ganzen Korrespondenz - von Lehrfragen keine Rede ist, sondern nur von der persönlichen Anteilnahme der Adressaten am Schicksal des Patriarchen''·'. Die theologischen Aussagen der Lutheraner werden dagegen mit einer Härte zurückgewiesen, die aus dem gesamten Briefwechsel hervorsticht; der Gebrauch des "Wortes „Häretiker" vermittelt schon einen Vorgeschmack. Viele Passagen des Patriarchen klingen verletzt - die heftigen Angriffe des zweiten Tübinger Schreibens auf die kirchliche Tradition, vor allem die Attacken gegen die Kirchenväter, hatten ihre Wirkung getan. Jeremias antwortet mit schneidender Schärfe, z . T . auch mit Ironie : Der Verstand der Lutheraner stehe nicht still, da er ja nicht nur von der göttlichen Schrift, sondern auch von den göttüchen Vätern der Kirche im Wahreren und Besseren unterrichtet werde''^. Und sie, die Tübinger, bezeichneten sich als Theologen!''^ Auf dem Hintergrund solcher Sätze hat nun auch die - in früheren Briefen durchaus ernstgemeinte - Anrede ω άνδρες σοφώτατοι Γερμανοί einen neuen Klang''^. Der Wechsel in Ton und Stil - vor allem die Ironie - rührt aber wohl nicht zuletzt daher, daß hinter der dritten Antwort des Patriarchen ein anderer Verfasser steht als hinter den beiden ersten: Symeon Kabasilas^''. N o c h eine weitere Veränderung ist vermutlich dem Diakon zuzuschreiben: Wenn b i s h e r selten genug - von der römischen Kirche die Rede war, dann kritisch, sei es, daß Jeremias ihr allein Vorwürfe machte''^, daß er Übereinstimmung der Griechen und Lutheraner gegen R o m feststellte''® oder daß er gemeinsame Lehren der beiden westlichen Kirchen kritisierte''^; dies Verfahren geht zurück auf den Rhetor Joannes Zygomalas, der wesentlich für die ersten beiden Lehrschreiben verantwortlich war''®. Die dritte Antwort dagegen wirft den Württembergern vor, Überlieferungen Alt- und Neuroms verlassen zu haben (ών [sc. der Kirchenväter] ένίους και ή πρεσβυτέρα Τ ώ μ η φυλαχτεί και στέργει μεθ' ημών. Πόθεν ούν ύμεϊς, κρειττόνως της παλαιάς καΐ νέας Τ ώ μ η ς σκεψάμενοι, τά μέν των αληθώς θεολόγων άφήκατε, τα έαυτών δέ ώς προτιμότερα ήγεϊσθε;)''®. D . h . , hier wird zum ersten und einzigen Mal die römische Kirche "

Ibd. 489 [569]. S. o. S. 148 f. Crusius nahm den Schlußsatz des Patriarchen ernst und schrieb weiterhin nicht nur an alle möglichen Griechen, sondern gelegentlich (18. 8.1586; 17. 1.1588; 7. 10.1589) auch an Jeremias (Cr. TB MS III 402f. 668-672; IV 181-185); dieser schrieb auch einmal zurück (22. 9. 1589, ibd. 178.313f.). DkS II 476 [556]. " Ibd. 488 [568]. " Ibd. 476 [556]. " S. o. S. 145. " DkS 1448 (Taufritus). Ibd. 456. 465.466,469. 481. 494 (Ablaß). " Ibd. 464 (filioque und Gebrauch von Azymen). Vgl. o. S. 70 f. 73. " DkS II 488 [568].

D i e theologische A u s e i n a n d e r s e t z u n g

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zumindest teilweise - positiv bewertet. Wenige Jahre später sollte Jeremias selbst, ohne seine grundsätzlich ablehnende Haltung gegenüber Rom aufzugeben, an Papst Gregor XIII. schreiben, in der Verwerfung der reformatorischen Lehre bestehe volle Übereinstimmung zwischen beiden Kirchen®°. Die Punkte, die Jeremias' letzte Antwort behandelt, sind dieselben wie bisher, nur die Frage „Glaube und Werke" fällt weg; sie schien ihm wohl im Rahmen der Aussagen über den freien Willen hinreichend erörtert. Das Übergewicht des Themas „Geistausgang" ist noch erdrückender geworden: Ihm gelten nun zehn von dreizehn Seiten; das Problem „freier Wille" kommt noch recht ausführlich zur Sprache, die übrigen passieren nur noch kurz Revue. Auch die dritte griechische Antwort besteht im wesentlichen aus Zitaten. Das Kapitel über den Ausgang des Geistes ist, nach einer kurzen neuformulierten Einleitung, nichts anderes als ein riesiger Ausschnitt aus Bryennios' vierter Rede über die Trinität®^. „Und zwar ist das Zitat so nachlässig, daß man gar nicht beachtet hat, wie Joseph" darin „nicht allein die Disposition für diese [sc. die vierte Rede], sondern auch für die folgenden bis zur siebenten gibt"®^. Der Abschnitt über den freien Willen „scheint ebenfalls völlig fremd zu sein"®^. e) Die dritte Antwort der Tübinger^* Die „kurtze epistel"®^, mit der die Lutheraner Jeremias' letztes Schreiben beantworten, soll nur noch dazu dienen, den Griechen deutlich zu machen, daß man die eigene Lehre in keiner Weise widerlegt sehe®®. Den Abbruch des Briefwechsels beklagen die Tübinger nur mit einem Satz - sie hätten sich doch immer freundschaftlich, höflich und bescheiden geäußert-, dann sprechen sie die Hoffnung aus, die Griechen würden die Argumente der lutherischen Lehrschreiben im Laufe der Zeit genauer erwägen (melius et diligentius expendatis); wenn das geschehe, werde die Einsicht unausweichlich sein, daß sich das Bekenntnis der Briefpartner auf das Wort Gottes selbst stütze®''. Bis zum Schluß also ist es die Überzeugung der Württemberger, die Differenz zwischen beiden Seiten beruhe auf mangelnder Vertrautheit der Griechen mit den richtigen Argumenten; wäre sie behoben, müßten theologischer Konsens und Kircheneinheit zwangsläufig folgen. Was das persönliche Verhältnis zu Patriarch Jeremias betreffe, so wollten auch sie, die Tübinger, ihm die Freundschaft bewahren®®. β» S. u. S. 397. 8' DkS II 476-486 [556-566] / Bryennios I 60-74. « Meyer 100; die Disposition s. DkS II 477 [557]. 83 Meyer 100. Verifiziert ist bislang nur ein Stück auf S. 486 [566]: Ποιήσωμεν . . . την ψυχήν: Basileios PG 30,17 С (z.T. umgestellt). Acta 371-380. S. o. S. 149. Acta 372 (vgl. o. S. 149f.). " Ibd. 379. Ibd.

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Der Briefwechsel

Die Themen, die dieser abschließende Beitrag des Briefwechsels erörtert, sind noch einmal dieselben, wie zu Beginn der ersten Tübinger Antwort festgelegt, nur daß, entsprechend dem letzten Schreiben des Patriarchen, auch hier das Problem „Glaube und Werke" in dem Kapitel über den freien Willen implizit mitbehandelt wird®'. Es kommen nun aber noch drei Absätze hinzu, in denen sich die Tübinger grundsätzlich gegen die Vorwürfe verwahren, die ihnen der Patriarch vor dem Abbruch der Korrespondenz gemacht hatte: Absätze über ihr Verhältnis zum Judentum und über das Recht, ihnen Schismen und Häresien vorzuwerfen. Was den Vorwurf betrifft, die Lutheraner hätten ihre Lehre von den Juden, verweisen die Tübinger darauf, daß die meisten reformatorischen Fürsten die Juden vertrieben hätten; im übrigen brauche man nur Luthers antijüdische Schriften zu lesen, um die Unhaltbarkeit jenes Vorwurfs einzusehen'®. Die Kenntnis der hebräischen Sprache sei genausowenig ein Gegenindiz wie die Beschäftigung mit altgriechischen Texten die Übernahme des Heidentums beweise'^. Daß in den Reihen der Lutheraner Schismen und Häresien aufgetreten seien, könne man ihnen nicht zum Vorwurf machen. Dergleichen habe es in der Kirche, von den Zeiten der Urgemeinde an, immer gegeben. Entscheidend sei, in welcher Weise man darauf reagiere: Man müsse die falschen Lehren aus der Kirche ausscheiden wie krankhafte Stoffe aus dem Körper. Eben das täten die Lutheraner'2. Häretiker genannt zu werden, das ließen sie sich von niemandem gefallen, nicht einmal von ihrem besten Freund. Sie würden sofort ihre Überzeugungen ändern, wenn jemand ihnen die Heihge Schrift entgegensetzen könne - aber das sei bisher nie geschehen und werde durch die Gnade Gottes auch in Zukunft nicht geschehen. D . h . konkret: Sie hielten an allen Artikeln des katholischen Glaubens (fides cathoHca) fest, feierten die von Christus eingesetzten Sakramente und bemühten sich um einen sündlosen Lebenswandel. Q u o igitur praetextu quisquam nos haereseos convincet?'^. Das Etikett der Häresie nun umgekehrt dem Briefpartner anzuheften, enthalten sich die Tübinger, so tief er ihrer Meinung nach auch im Irrtum steckt.

" Ibd. 373 f. Außerdem gehen die Tübinger in den Absätzen über die Sakramente nach einigen grundsätzlichen Erwägungen (ibd. 374) nur noch auf die Beichte gesondert ein (ibd. 376). "> Ibd. 377. " Ibd. 378. Ibd. 377.

Ibd. 378.

Die theologische Auseinandersetzung

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IL Die Streitfragen Einleitung Wie bereits gesagt, stellten die Tübinger in ihrer Antwort auf Patriarch Jeremias' Kommentar zum Augsburger Bekenntnis fest, die Differenzen zwischen ihnen und den Griechen ließen sich unter den Themen „Ausgang des Geistes", „Willensfreiheit", „Glaube und Werke", „Sakramente", „Anrufung der Heiligen" sowie „Bilderverehrung" und „Mönchtum" abhandeln und auf die Grundfrage nach dem Maßstab theologischer Aussagen zurückführen. Der Patriarch akzeptierte diese Diagnose, und fortan galt die Korrespondenz den genannten Punkten. Der Katalog, mit dem die Tübinger die Weichen für den weiteren Dialog stellten, führt nicht nur diese Differenzpunkte auf, sondern auch Punkte der Übereinstimmung. Und wenn zu konstatieren ist, daß nur wenige der im Augsburger Bekenntnis und in der Antwort der Griechen darauf erörterten Probleme nicht in der einen oder anderen Weise unter die Dissensthemen fallen, so muß andererseits auch gesagt werden, daß in nur wenigen Fällen nicht unter diesem oder jenem Aspekt Übereinstimmung festgestellt wurde. Bezeichnend ist nun aber, daß man mit den Konsens- und den Dissenspunkten ganz verschieden umging, und darin liegt die grundlegende strukturelle Schwäche des ganzen Briefwechsels: Er konzentrierte sich völlig auf die Differenzen; die Fragen, in denen man Übereinstimmung festgestellt hatte, wurden mit einem flinken Federstrich abgehakt. Gewiß, man führte die gemeinsamen Aussagen an, bevor man sich den unterschiedlichen zuwandte; doch diese Priorität war rein diplomatischer Art, sie bestimmte den Gang der Argumentation auf beiden Seiten in keiner Weise. Sobald man die Konsenspunkte kurz und bündig aufgezählt hatte, ging man über zu dem, was als das Eigenthche des Briefwechsels galt, zu den Gegensätzen. Man machte keinerlei Versuch, die festgestellten Gemeinsamkeiten genauer zu bestimmen und auszuloten. So nahmen sich die Briefpartner die Möglichkeit, deren tatsächliche Reichweite abzustecken; dabei hätte sich die Übereinstimmung an einigen Stellen als Schein erweisen, an anderen aber möglicherweise zu Folgerungen führen können, die sich auf die Dissenspunkte ausgewirkt hätten - sei es, daß der Dissens nicht haltbar, sei es, daß er systematisch-theologisch einzuordnen gewesen wäre, statt nur in einer Liste mehr oder weniger zusammenhängender Einzelfragen aufzutreten. Die meisten Gemeinsamkeiten, die der Tübinger Katalog aufführt, betreffen Aspekte der strittigen Fragen^. Doch es gibt darunter auch Themen, die im ^ Sie werden deshalb im Rahmen dieser Fragen behandelt.

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Der Briefwechsel

Zusammenhang der Dissenspunkte gar nicht mehr auftreten und demgemäß auch nicht mehr erörtert werden. Dazu gehören die Lehre vom Ursprung des Bösen^ sowie die von der Wiederkunft Christi zum Gericht, vom ewigen Leben und der ewigen Verdammnis^. Vor allem aber - und hier wirkt sich die Konzentration auf die Dissenspunkte zuungunsten der festgestellten Ubereinstimmungen besonders schwerwiegend aus - gehören dazu die altkirchliche Trinitätslehre und Christologie'*, so verschieden man deren hermeneutischen Stellenwert, hier als Auslegung des Evangeliums, dort als in sich ruhende Norm, auch beurteilte®. Was die Christologie betrifft, erstaunt die Folgenlosigkeit des Konsenses nicht nur wegen der Bedeutung des Themas als solchen, sondern vor allem wegen des Gewichts dieser Gemeinsamkeit für den Briefwechsel selbst. N u r weil die Tübinger sie voraussetzten, nahmen sie den Briefwechsel überhaupt auf, nur weil der Patriarch sie bestätigen konnte, schrieb er zurück, und nur weil sie bis zum Schluß nicht widerrufen wurde, überlebte die Korrespondenz trotz aller Gegensätze für acht Jahre. Bereits die ersten Briefe aus Württemberg an Patriarch Jeremias gingen nicht bloß davon aus, der Adressat sei „Patriarch der Gemeinde Christi zu Konstantinopel" (Ó της Κωνσταντίνου πόλεως εκκλησίας Χριστού πατριάρχης)^ und grüßten ihn „in Christus"·^. Crusius nannte diese Voraussetzung sogar ausdrücklich als Grund für die Kontaktaufnahme®. Andreae begründete in derselben Weise, daß er Gerlach einen Empfehlungsbrief an Jeremias mitgab, und schrieb konkret, was die Gemeinsamkeit in der Christologie für ihn bedeutete: „Auf einen Heiland, Christus, sind wir beide, Ihr und wir, getauft, an ihn glauben wir als den einzigen Erlöser der Menschheit, allein durch sein Kreuz wissen wir uns gerettet"'. Die Tübinger dankten Christus für die Verbindung mit dem P a t r i a r c h e n w a r e n erfreut über dessen christhche Liebe^^, schlugen wechselseitige Fürbitte in Christus vor^^. In dem Konsenskatalog zu Beginn ihrer ersten Antwort faßten sie die christologische Übereinstimmung zusammen mit dem Hinweis auf die gemeinsame Anerkennung des altkirchlichen Glaubensbekenntnisses, wobei sie im Rückgriff auf CA 3 hinter den Kommentar des Patriarchen dazu historisch falsch, aber sachhch richtig das Apostolicum im Auge hatten: Man sei sich erfreulicher Weise einig, amplectendum esse Symbolum Apostolicum tanquam compendium (έπιτομή) absolutissimum Christianae Religionis^^. 2 3 ' ' » "

Acta 148. Ibd. 149. " Ibd. 148. S. u. das Kapitel über Schrift und Tradition. ' TG 410; Acta 1. TG 410.414.415 u.a. » I b d . 411. Ibd. 415. »0 Acta 2. Ibd. 144. " Ibd. 199. Ibd. 148. Daß dieser Satz zwar, im Anschluß an Jeremias' Kommentar zu CA 3, den die Tübinger hier im Auge haben, das Ganze des Glaubensbekenntnisses einschließt, doch in erster Linie dessen zweiten Teil meint, ergibt sich aus dem deutlichen Rückgriff auf die CA, der sowohl in

Die theologische Auseinandersetzung

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Ebenso steht es auf sehen des Patriarchen. Mit der Liste der Konsens- und Dissenspunkte, die die Tübinger verfaßt hatten, übernahm Patriarch Jeremias die Feststellung, beide Briefpartner stimmten in der Christologie überein. Schon in der vorangegangenen Korrespondenz hatte er sich in diesem Sinn geäußert, so, als er die christologischen Darlegungen in Andreaes Predigt über das Gleichnis vom Guten Hirten bejahte^'*, und in seinem Kommentar zu CA 3 4 Diese positiven Feststellungen sind indessen nur eine Seite des Befundes. Dieselben Tübinger, die den Patriarchen als Hirten der Gemeinde Christi in Konstantinopel ansprachen, wollten andererseits erst feststellen, „ob wir dasselbe in Christus meinen" Diese Aussage im Begleitbrief zur Confessio Augustana spiegelt die Tatsache wider, daß die Lutheraner mittlerweile ihnen befremdlich erscheinende Informationen über die griechische Kirche erhalten hatten^''. Sie bildete andererseits aber nicht einfach eine spätere Stufe gegenüber der Feststellung christologischen Konsenses und hob sie nicht auf; der Titel „Hirte der Gemeinde Christi" für den Patriarchen findet sich in demselben Brief, der jene Frage stellt, und der Satz, beide Seiten hätten dasselbe Christusbekenntnis, fiel erst mehrere Jahre später, als die Briefpartner schon zu dem Ergebnis gekommen waren, daß sie in vielen Punkten nicht „dasselbe meinten". Hätten die Tübinger, überspitzt formuliert, an ihre frühere "Wendung anknüpfen und schreiben können, daß sie „in Christus" nicht dasselbe meinten^®? D . h . , bildete die Tatsache, daß die Ubereinstimmung im Christusbekenntnis nie bestritten wurde, eine so grundlegende Gemeinsamkeit, daß sie alle Differenzen relativierte? Oder ergab sich implizit von diesen Differenzen her für jene Übereinstimmung die Folgerung, die Luther zog, als er im ersten der Schmalkaldischen Artikel hinsichthch der römischen Kirche zunächst schrieb, über Trinitätslehre und Christologie sei kein Streit, „weil wir zu beiden Teilen dieselbigen glauben und bekennen", dann aber das "Wort „glauben" strich und der anderen Seite nur noch ein Lippenbekenntnis zugestand^®^? Daß Christologie und Differenzpunkte jedenfalls für die Tübinger doch nicht einfach gegeneinander abgedichtet waren, zeigt sich an einigen Stellen. Auffällig der Abgrenzung und Zusammenstellung der Themen zu Beginn des Katalogs - Trinitätslehre, Christologie, Sünde (mit Jeremias Austausch von C A 2 und C A 3) - als auch in dem Verweis auf das in C A 3 angeführte Apostolicum zum Ausdruck kommt. » S. o. S. 56. S. o. S. 167 (Der christologische Teil von Symeons von Thessaloniki „Articuli duodecim de fide", die C A 3 gegenübergestellt werden, stimmt mit dem Artikel des Bekenntnisses völlig überein). Actal. S.O.S. 42. " Vgl. o. S. 88 die Formulierung Gerlachs, es gehe zwischen Lutheranern und Griechen um die Einheit der Kirche Christi - nachdem er unmittelbar zuvor die Differenzen zwischen ihnen scharf beschrieben hatte. BSELK415.

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Der Briefwechsel

ist schon die Reaktion der Württemberger auf Jeremias' Kommentar zu CA 24. Der Patriarch hatte zu der Aussage der Confessio Augustana, der Sühnetod Christi gelte Erb- und Aktualsünde gleichermaßen, nicht Stellung genommen, weil er sich in dieser Frage nicht sicher war, seine Antwort läuft im Grunde auf einen Vorbehalt hinaus In der Tübinger Konsensliste heißt es daraufhin, es sei erfreulich, daß auch nach Meinung der Griechen durch den Tod Christi Erbund Aktualsünde vergeben würden^". Ein möglicher Einbruch in die christologische Gemeinsamkeit von einem Differenzpunkt her wurde verdrängt. Dasselbe Problem taucht in anderer Gestalt wieder auf in einem die Christologie an zentraler Stelle berührenden Vorwurf, der alle Tübinger Schreiben durchzieht: Die Lehre der Griechen bestimme die Heilswirksamkeit Christi nicht umfassend genug, sie setze andere Heilsursachen neben ihn (s.u.). Diese Kritik fassen die Württemberger in ihrer letzten Antwort in die Worte, die Adressaten möchten Christus richtig erkennen, nämlich als ihren einzigen Erlöser ( u t . . . Christum redemptorem suum unicum/xòv μόνον έαυτών λυτρωτήν recte agnoscant^^). Damit stellen sie die christologische Gemeinsamkeit in Frage, mit der Andreae die Aufnahme des Kontakts mit den Griechen begründet hatte - hieß es dort doch, „an Christus glauben wir beide als einzigen Erlöser"^^. Dennoch - und das ist das Auffäüige - ziehen die Tübinger nicht die Konsequenz, die Ubereinstimmung im Christusbekenntnis zu bestreiten. Es ergibt sich der merkwürdige Befund, daß ihrer Ansicht nach die Christuserkenntnis der Briefpartner einerseits falsch und somit Kircheneinheit ausgeschlossen ist, daß sie andererseits aber den Konsens hinsichtlich der altkirchlichen Christologie nicht aufkündigen. Deren Sätze über Sein und Handeln Christi und ihre eigenen Aussagen über die soteriologische Bedeutung dieses Seins und Handelns stehen als Bereiche von Konsens und Dissens in dem Briefwechsel einfach nebeneinander. Was den Patriarchen betrifft, verwundert dies Nebeneinander kaum, nicht nur, weil er ohnehin zu den einzelnen Themen des Briefwechsels nur vorgegebenes Material zusammenfügt, ohne selbst systematische Bezüge herzustellen, sondern vor allem, weil, wie sich zeigen wird, die Christologie zwar die Voraussetzung, doch nicht das Zentrum all seiner soteriologischen Aussagen bildet^^ Hinsichtlich der Tübinger ist der Befund um so erstaunlicher, als die hauptsächlich von ihnen getragene lutherische Theologie jener Zeit im Gefolge Luthers gerade durch das Bemühen charakterisiert war zu zeigen, daß Sein, Handeln und Heilsbedeutung Christi als Kehrseiten desselben Sachverhalts verstanden werden und den Brennpunkt der gesamten Theologie bilden müßten - man S.O.S. 190. 2» Acta 148. Acta 371. " S. o. S. 40; s. a. Crusius o. S. 83, der mit der vorausgesetzten Übereinstimmung in der Christologie die in der Soteriologie selbstverständlich gekoppelt sieht. " S. U.S. 231.

Die theologische Auseinandersetzung

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denke an ihre Ausführungen zum Abendmahl und zur communicatio idiomatum^·*. Gerade so aber sah sich diese Theologie, ebenfalls in den Spuren Luthers, als Verfechterin, und zwar als die einzig konsequente Verfechterin, der altkirchlichen Christologie^^, ein Anspruch, aufgrund dessen man dem Artikel der Konkordienformel D e persona Christi einen Katalog vorwiegend patristischer Zeugen anhängte^®. Von diesem ihrem im Rahmen der innerwestlichen Diskussionen ureigensten Anliegen lassen die Tübinger gegenüber Patriarch Jeremias nicht das Geringste spüren^''. Sie unternehmen es nirgends, ihre Lehre über das von Christus bewirkte Heil, von der sie den Patriarchen nicht überzeugen können (s.u.), auf dem Hintergrund der als gemeinsam vorausgesetzten christologischen Aussagen zu erklären, m . a . W . , deutlich zu machen, daß „die Rechtfertigungslehre . . . angewandte Christologie" sei^®; ebensowenig fragen sie umgekehrt den Briefpartner, wie sich die christologischen Voraussetzungen, die er teilt, zu seiner Kritik an der Soteriologie der Tübinger verhielten. Andererseits ziehen sie aber eben auch nicht die Konsequenz, von den soteriologischen Differenzen her die Gemeinsamkeit in der Berufung auf die altkirchliche Christologie zu leugnen. Dasselbe wie für den christologischen gilt für den trinitätstheologischen Konsens. Hier verhinderte ebenfalls gerade die Schnelligkeit, mit der man Gemeinsamkeiten feststellte, Auswirkungen auf den Dialog - auch diese Ubereinstimmung bildete ein Päckchen, das man gut geschnürt beiseite legte. Auch daß der Patriarch, indem er die Frage nach dem Ausgang des Geistes in die Korrespondenz einbrachte und ihr quantitativ gesehen sogar das Schwergewicht verlieh, dem Thema Trinität einen festen Platz im Gespräch mit den Lutheranern sicherte, änderte daran nichts. Denn das Problem filioque wurde in sich abgeschlossen behandelt. Von Jeremias selbst schon nach der Logik seiner eigenen Aussagen: Das trinitarische Sein und das Handeln Gottes sollen nichts miteinander zu tun haben (s. u.). Auf seiten der Tübinger wäre dagegen der Versuch möglich gewesen, die trinitätstheologischen Gemeinsamkeiten für das ganze Gespräch fruchtbar zu machen, weil sie jene Zusammenhanglosigkeit leugneten und im soteriologischen Wirken der göttlichen Hyperstasen den zeitlichen Ausdruck ihres Seins sahen (s.u.). Doch bei dieser Feststellung blieb es. Konkrete Folgerungen der Art, daß sie nun das gesamte Verhältnis von Gott und Welt einschließlich der strittigen Punkte unter dem Aspekt der Schöpfung, " S. Baur, Auf dem Wege, bes. II 3. 6 ; vgl. a. Mahlmann, Das neue Dogma, bes. Kap. 5 und zum weiteren Umfeld Spam, Wiederkehr. " Vgl. Mahlmann, Das neue Dogma 12; Koopmans, Das altkirchhche Dogma 102. " B S E L K 1 1 0 4 - 1 1 3 4 ; vgl. O.S. 24. Es war einmal in seinem ursprünglichen Zusammenhang, dem des Abendmahls, zur Sprache gekommen, als Gerlach dem Patriarchen die Ubiquitätslehre auseinandersetzte. Als Jeremias sie ablehnte, gingen die Tübinger mit keinem W o r t darauf ein (s. o. S. 179 u. u. S. 300f.). H . Iwand, Rechtfertigung, Glaube und Werke, in: Tradition und Glaubensgerechtigkeit 46.

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Der Briefwechsel

Versöhnung und Vollendung durch Vater, Sohn und Geist erörtert hätten^®, zogen sie nicht. 1. Der Ausgang des Heiligen

Geistes

Die Frage nach dem Ausgang des Heihgen Geistes bildete seit dem photianischen Schisma den wichtigsten theologischen Kontroverspunkt zwischen Rom und Konstantinopel; ihr wurden unzählige polemische Schriften gewidmet, und sie beschäftigte die Einigungsgespräche bis hin zum Konzil von Ferrara-Florenz mehr als jedes andere Problem. In der Confessio Augustana dagegen wird sie nicht angesprochen. Die Reformation folgte so selbstverständlich der westlichen Lehre des filioque, daß es niemandem in Augsburg in den Sinn gekommen wäre, dieses Thema zu erörtern. Gerade die Zugehörigkeit der Lutheraner zur westlichen Tradition in der Frage des Geistausgangs aber - von Anfang an vermutet, in den Gesprächen mit Gerlach zur Gewißheit geworden^ und außerdem erschlossen^ aus der Behauptung des Bekenntnisses, es stimme außer hinsichthch einiger Mißbräuche mit der römischen Kirche überein^ - führte dazu, daß Patriarch Jeremias dies ost-westliche Kardinalproblem von sich aus gleich zu Beginn in den Briefwechsel einbrachte. Die Tübinger fingen den Ball auf, von Gerlach noch bestärkt, das Thema ernst zu nehmen"·, und fortan gehörte die Auseinandersetzung über das filioque zum eisernen Bestand des lutherisch-griechischen Dialogs, ja entwickelte sich sogar zu dessen umfangreichstem Teil. Der Stellenwert des Problems war allerdings auf beiden Seiten unterschiedlich. Für die Griechen gehörte es zu den Fragen, an denen sich, wegen der Würde des Gegenstandes ebenso wie wegen des Ranges der hier für sie einschlägigen Tradition, Kircheneinheit entschied. Die Tübinger dagegen relativierten es im Rahmen übergreifender Gesichtspunkte. So schrieben sie, es bestehe ja hinsichtlich der Grundaussagen, daß der Geist göttlicher Natur sei und daß es drei göttliche Hypostasen gebe, keine Meinungsverschiedenheit; auch hätten sie mit Befriedigung bemerkt, daß die Griechen mit ihrer Lehre der Majestät und Göttlichkeit des Sohnes keinen Abbruch tun wollten (vos nihil detractum esse velie Filio Dei de sua maiestate et divinitate)^. Offensichthch waren es diese trinitätstheologischen Grundaussagen, die die Tübinger für letztlich entscheidend hielten; das Problem fiHoque erschien ihnen dagegen, wie sich zeigen wird, weitgehend spekulativ, und es fragt sich, ob es in ihren Augen überhaupt kirchentrennende Bedeutung besaß. Sie wußten, daß es ein Thema langjährigen Streits zwischen der lateinischen und der griechischen Kirche darstellte, sie wünschten (optaremus), der Streit könne beigelegt werden®, hatten auch eine Vgl. Pannenberg, Die Bedeutung des Bekenntnisses von Nicaea - Konstantinopel 138. I S . O.S. 63 f. 2DkSI464. ' BSELK 83c, 1 f. / Acta 23. " S. o. S. 115. 5 Acta 270. ® Ibd.

Die theologische Auseinandersetzung

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feste Meinung zu diesem Punkt - doch eine Frage, mit deren Beantwortung die Kircheneinheit stand und fiel, war es trotz der Ausführlichkeit, mit der man es behandelte, für sie wohl nicht. Damit, daß Patriarch Jeremias in der Kontroverse mit den Tübingern über den Geistausgang eine Neuauflage des alten griechisch-römischen Streits sah, war seine Argumentation vorgezeichnet: Sie hielt sich auf den Wegen, die die griechischen Theologen der vergangenen Jahrhunderte gegenüber dem filioque eingeschlagen hatten und immer wieder gegangen waren''. D . h., wir finden hier (a) das formale, hermeneutische Problem der N o r m für die Aussage über den Ursprung des Geistes, konkret die Frage nach dem verbindlichen Wortlaut des nizänischen Glaubensbekenntnisses. Wir finden zweitens (b) die Frage nach dem Inhalt der Trinitätslehre im engeren Sinn, m. a. W. nach der Gestalt des trinitarischen Seins Gottes. Und wir finden drittens (c) die Frage nach dem ontologischen und erkenntnistheoretischen Verhältnis von Gottes trinitarischem Sein und trinitarischem Handeln. ad a) Jeremias spricht ursprünglich, in seiner Antwort auf die Confessio Augustana, das Problem des Geistausgangs nur unter seinem formalen Aspekt an. Den Anlaß dazu bietet ihm C A 1 : Da für ihn das Thema des Artikels „der Rang des Nizänischen Glaubensbekenntnisses" lautet®, bringt er sogleich vor, was in den Augen seiner Kirche der Maßstab für wirkliche Anerkennung jenes Bekenntnisses ist: daß man von den Aussagen der 318 Väter „nichts wegnehme noch etwas hinzusetze" (μηδέν προστιθέναι μηδ' άφαιρείσθαι)', diese Aussagen dem genauen Wortlaut nach genommen. Als aktueller Fall einer solchen unerlaubten Veränderung des Symbols gilt eben das filioque. Die Tübinger halten dem Patriarchen kühl vor Augen, das Konzil von Nizäa habe gar nichts über den Ausgang des Geistes gesagt, und zitieren, getragen vom historisch-kritischen Überlegenheitsgefühl des Humanismus, den Bericht über die Erste Ökumenische Synode aus Sokrates' Kirchengeschichtei". Mit diesem Hinweis haben sie ihrer Ansicht nach den Argumenten des Patriarchen so vollständig den Boden entzogen, daß sie auf den Wortlaut des NizänoKonstantinopolitanums gar nicht mehr eingehen. Offenbar impUziert für sie ganz in der Linie der traditionellen römischen Kontroverstheologie an diesem Punkt^^ - die Tatsache, daß es eine allgemein anerkannte Weiterentwicklung des ' E r sagt selbst, er wolle den Tübingern die rechte Lehre zu diesem Punkt noch einmal darlegen, obwohl sie schon so oft behandelt und mit jedem „lydischen Wetzstein" geprüft worden sei, daß es eigentlich keiner neuen Ausführungen mehr bedürfe (DkS II 435 [515]). » S.O.S. 166. ' DkS 1 4 4 5 . "

Acta 1 5 9 / P G 6 7 , 6 8 . Vgl. die Diskussionen auf dem Konzil von Ferrara-Florenz, s. z. B. die Denkschrift Cesarinis, hg. G. Hofmann, Concilium Florentinum III, 2 2 - 4 1 .

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Der Briefwechsel

Symbols gegeben hat, den Vorrang seines Inhalts vor seinem Wortlaut und damit die Notwendigkeit, das Thema auf der inhaltlichen Ebene abzuhandeln. Als Kriterium nennen sie sogleich die Bibel. Damit wird das Problem des Geistausgangs unter seinem ersten Aspekt ein konkreter Anwendungsfall der ohnehin zwischen beiden Seiten strittigen Frage nach dem Rang der kirchlichen Überlieferung^^. Jeremias läßt denn auch den Hinweis auf die Notwendigkeit formaler Übereinstimmung mit dem Nicaenum zurücktreten^^ und legt den Schwerpunkt auf die Forderung nach inhaltlichem Konsens mit den seiner Ansicht nach eindeutigen Aussagen der Schrift^", der Kirchenväter und der Synoden zu diesem Thema^® - eine Forderung, die umso dringlicher ist, als die Lutheraner ihrerseits neben der Bibel Väter und Synoden gegen die Position der Griechen anführen^®. ad b) Die im engeren Sinn trinitätstheologischen Probleme, die mit der Frage nach dem Ausgang des Geistes zusammenhängen, bildeten seit Photios' Mystagogie den Mittelpunkt der Streitigkeiten über das fihoque zwischen Griechen und Lateinern. So ist es selbstverständlich, daß auch Jeremias darauf eingeht^', allerdings, verglichen mit den mittelalterlichen Traktaten zu dieser Frage, recht knapp. Er tut das, indem er - ebenfalls ganz in traditionellen Bahnen - aufzuzeigen versucht, daß die Lehre des Gegenübers unsinnig (άτοπος) sei oder auf falschen Schlüssen beruhe (παραλογίζεσθαι)!®; einen positiven trinitätstheologischen Entwurf als Rahmen für seine Ansicht vom Ausgang des Geistes legt er nicht vor. Ebensowenig tun es, so sehr sie dergleichen voraussetzen^', die Tübinger Briefpartner. Daß sie es nicht tun, ist nun aber Ausdruck grundsätzlicher Ablehnung der ganzen Fragestellung. Nicht nur, daß sie die Kritik der Griechen insofern nichts angehe, als sie die als unsinnig attackierten Sätze der Lateiner gar S. U.S. 334 ff. Offenbar bereitete den Griechen das Argument der Lutheraner Schwierigkeiten, das sog. Nizänische Glaubensbekenntnis sei nicht das des ersten nizänischen Konzils und stelle bereits eine Weiterentwicklung der dort vorgebrachten Aussagen dar. Sie weisen das Bekenntnis in ihrer nächsten Antwort der Zweiten Ökumenischen Synode zu und führen für die Erste eine Antwort der Väter von Nizäa an einen Philosophen an, die die rechte Lehre vom Ausgang des Geistes enthalten habe (DkS II 444 [524]). Dieser Hinweis kann sich nur auf die Geschichte von den beiden Philosophen beziehen, die Sozomenos ( P G 67, 916f.) nach Rufin (Hist. Eccl. X 3, G C S Euseb II 2 (ed. Mommsen), 961-963) in seinen Bericht über das Konzil von N i z ä a einfügt; dort wird aber nun keine Auskunft über das Sein des Geistes gegeben, sondern nur über seine Funktion für die Schöpfung. Auf jeden Fall verschiebt sich Jeremias' Argument hier unter der H a n d vom formalen zum inhaltlichen Aspekt. " "

Ibd.436[516]. Ibd.436[516H49[529].476[556]. Acta 162. 291-295. " D k S II 441 [521] f. 18 D k S II 441 [521]. 442 [522]. " Vgl. u. S. 220.

D i e theologische Auseinandersetzung

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nicht vorgebracht hätten (ea nihil ad nos spectare existimamus, cum nos argumenta illa in medium non protulerimus)^". Sie betrachten darüber hinaus die ganze Art und Weise, in der hier, unbeschadet der konkreten Positionen, argumentiert wird, für unangemessen: Wenn der Maßstab trinitätstheologischer Aussagen die Frage danach sei, was als sinnvoll oder unsinnig zu gelten habe, dann werde die Vernunft zum Richter gemacht. Das aber gehe in der christlichen Religion nicht an; was hier sinnvoll und sinnlos sei, entscheide sich an ganz anderer Stelle: an der Übereinstimmung mit der Schrift (At nos . . . novimus, in Articulis fidei non esse reiiciendum quod cum ratione humana, et cum principiis philosophicis pugnat, et humanae rationi absurdum videtur: sed quod cum perspicuis sacrae scripturae testimoniis pugnat. Aliud enim est absurdum/άτoπLα in Religione Christiana: quod videlicet sacris Uteris adversatur: Aliud est absurdum, cui humana ratio/λογισμός reclamat). Und wenn beide Instanzen einander widersprächen, werde man sich nicht hindern lassen, das vernunftsgemäß Unsinnige zu glauben. Das heißt konkret für das anstehende Thema: de processione Spiritus sancti non quaerimus, quid sit a ratione alienum, sed potius, quid sacrae literae doceant, aut reiiciant^^. Schon innerhalb der byzantinischen Theologie hatte sich am Streit um das filioque eine Auseinandersetzung um den Geltungsbereich der Vernunft in der Trinitätslehre entzündet, und schon damals war die Aussage gefallen, die Vernunft sei letztlich unzuständig auf diesem Gebiet, allerdings zugunsten nicht nur der Bibel, sondern auch der Väterschriften. Es handelt sich um den zwischen Barlaam von Kalabrien und Gregorios Palamas ausgebrochenen und in der Auseinandersetzung mit der Scholastik weitergeführten theologischen Methodenstreit^^. Was sich zweihundert Jahre später in dem lutherisch-griechischen Briefwechsel abspielt, ist nun aber keine Fortsetzung dieser außerordentÜch scharfsinnigen, einmal geradezu als „Sternstunde" bezeichneten^^ Debatte in der byzantinischen Theologie mit anderen Akteuren. Keiner der Kontrahenten geht jene Frage grundsätzlich an. Für den Patriarchen sind die Argumente, die das filioque als „unsinnig" erweisen sollen, Waffen aus einem überheferten und allein deshalb übernommenen Arsenal; die darin vorgebrachte Kritik entspringt nicht eigenem Umgang mit dem Thema, geschweige denn die Argumentationsmethode. Im übrigen ist es Jeremias selbst, der immer wieder vor dem Gebrauch der Vernunft in der Theologie warnt - ob und wie weit er sich doch auf sie stützt, kommt ihm nicht in den Sinn, nicht einmal, wo er sie in seinen Aussagen zur Trinitätslehre anführt. Die Tübinger dagegen thematisieren zwar die Frage in ihrem zitierten Absatz ausdrücklich. Das aber heißt nicht, sie schlössen daran grundsätzliche ErwäActa 272. " "

Ibd.288. S. dazu Podskalsky, Theologie und Philosophie 1 2 4 - 2 3 0 . Ibd.230.

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Der Briefwechsel

gungen über die Methode ihrer theologischen Argumentation an. Sie werden das hinsichtlich des Verhältnisses von Überlieferung und Schrift tun, ihre programmatischen Aussagen zum Thema Vernunft und Schrift bleiben dagegen, hier und an den wenigen anderen Stellen, an denen sie darauf eingehen, völlig isoliert - sieht man von dem ethisch-soteriologischen Aspekt der Frage ab, der im Rahmen der Sünden- und Rechtfertigungslehre als Problem von Gesetz und Evangelium behandelt wird. Jene Aussagen sind nicht nur isoliert, sie entsprechen auch gar nicht dem faktischen Vorgehen der Tübinger. Wären sie die Biblizisten gewesen, die sie in ihrer Kritik an Jeremias' Schlußfolgerungen aus dem filioque zu sein vorgeben, hätten sie gar keine Trinitätslehre vertreten. Sie werden weiter unten (c) feststellen, Aussagen über die Trinität seien von denen der Schrift über Vater, Sohn und Geist aus zu entwickeln. Konkret, auch sie begnügen sich nicht mit bloßen Bibelzitaten, vielmehr ziehen sie Schlüsse aus den biblischen Berichten, nämlich Schlüsse vom Handeln Gottes auf sein Sein. Da Schlüsse aber vom vernünftigen Denken gefordert und gezogen werden, machen die Tübinger, gerade wenn sie betonen, die Dogmen der Alten Kirche seien nicht um ihrer selbst willen, sondern als angemessene Auslegung der S c t ó f t zu übernehmen^'*, die Tätigkeit der Vernunft zu einem unaufgebbaren, dauernden Element der Trinitätslehre^®. Der Patriarch, der den Glauben an die Aussagen der Tradition als solche vorschreibt^®^, kann mit sehr viel größerem Recht Vernunft und kirchliche Lehre einander entgegensetzen. Die Diskrepanz zwischen dem zitierten Postulat der Tübinger und ihrem faktischen Vorgehen zeigt sich noch stärker, wenn man die schon erwähnte eigentümliche Konzeption betrachtet, die sich mit ihrem Namen verbindet, die „Tübinger Christologie". Zeichnet sich diese doch dadurch aus, daß sie von der Abendmahlslehre, darüber hinaus von dem gesamten Handeln Christi aus Schlüsse zieht auf sein Sein, m . a . w . daß sie feststellt, welche ontologischen Aussagen über den menschgewordenen Sohn Gottes gemacht werden müssen, wenn man ihm die in der Bibel beschriebenen Werke zutraut. Es ist demnach nicht einfach Biblizismus, was die Tübinger mit ihrer Absage an den Vernunftgebrauch in der Trinitätslehre vertreten. Vielmehr wehren sie sich gegen eine spekulative Abhandlung de Deo uno et trino in dem Sinn, daß hier von Vater, Sohn und Geist auf der Grundlage eines vorgegebenen, außerbibhschen Gottesbegriffs die Rede wäre. Sie tun Jeremias mit dieser Kritik U n recht, insofern die von ihm angeführten traditionellen Argumente, die verhängnisvolle Folgen einer falschen Aussage über den Hervorgang des Geistes für die Lehre von Einheit und Dreiheit in Gott abwehren wollen, trotz aller merkwürdigen Blüten, die die Flut der Traktate gegen das filioque trieb, letztlich nur auf "

S. u. S. 336f. Vgl. Acta 286, wo sie sich denn doch gegen den Vorwurf wehren, ihre Lehre sei absurd, und behaupten, sie entspreche nicht nur der Schrift, sondern auch der recta ratio. S. u. S. 340ff.

Die theologische Auseinandersetzung

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dem Hintergrund der biblischen Gotteslehre und Soteriologie zu verstehen sind. Andererseits werden diese Argumente so unvermittelt, bar jeder Sorge um die richtige Darstellung der kritisierten Position und ohne systematischen Zusammenhang in den Raum gestellt, daß sie den Lutheranern, denen die mittelalterliche Diskussion um das filioque ohnehin fremd war, nur als reine Spekulation erscheinen konnten, ein Glasperlenspiel, dessen Regeln - daran änderte offenbar auch Gerlachs nähere Bekanntschaft mit dem Problem am O r t nichts man nicht durchschaute. Und wenn diese Regeln von der Frage bestimmt sein sollten, was sinnvoll oder sinnlos sei, dann war für die Spekulation eine Instanz verantwortlich zu machen, auf die man immer gern einschlug, die „Vernunft". So sehr zu der Attacke der Tübinger an dieser Stelle die unklare Selbstdarstellung des Briefpartners beitrug, so deutlich zeigt sich darin doch ein grundsätzlicher Mangel ihrer eigenen Argumentation, der bereits angesprochen wurde^^: Die steile Behauptung, man wolle mit der Bibel ohne oder gar gegen die Vernunft über Gott sprechen, verhindert, daß sich die Tübinger selbst darüber klar werden, was sie in Trinitätslehre und Christologie eigentlich tun, warum und in welcher Weise sie die altkirchliche Lehre bejahen. Folge der Diskrepanz zwischen explizitem Programm und faktischem Vorgehen aber ist das bereits erörterte zusammenhanglose Nebeneinander von Soteriologie im engeren Sinn einerseits und Lehre von Gott und Christus andererseits, von Gegensätzen und Übereinstimmung im Briefwechsel zwischen Tübingen und Konstantinopel. Auf dem Hintergrund des Gesagten erstaunt es nicht, daß die Auseinandersetzung über den innertrinitarischen Aspekt der Frage nach dem Ausgang des Geistes einen oberflächlichen Eindruck macht. Man hätte die allen Einzeleinwänden zugrundeliegenden Differenzen, d.h. vornehmlich die jeweils unterschiedliche Bestimmung des Verhältnisses von Hypostasen und Wesen in Gott untersuchen müssen, wenn man jene Frage wirklich hätte aufarbeiten wollen. Daran aber lag keinem der Briefpartner, weder dem Patriarchen, der, unbekümmert um die richtige Wiedergabe der kritisierten Position ebenso wie um den Zusammenhang seiner eigenen Argumente, einfach eine bunte Auswahl traditioneller Einwände gegen das filioque in den Raum stellte, noch den Tübingern, die die ganze Diskussion für überflüssig hielten und sich nur daran beteiligten, um ihren guten Willen^^ und ihre Fähigkeit zu zeigen, auf demselben Klavier zu spielen^®. Nicht umsonst wurde der innertrinitarische Aspekt der Pneumatologie nach der ersten Hin- und Widerrede nicht mehr behandelt. Das Niveau der Diskussion wie deren geringe Bedeutung im Rahmen des Briefwechsels machen es unnötig, die einzelnen Beiträge ausführlich nachzuzeichnen. Der Patriarch bringt sechs Folgerungen vor, die das lateinische fiUoque als unsinnig oder gar häretisch erscheinen lassen, die Tübinger antworten "

S. o. S. 208 ff.

"

Acta 272.

Ibd. 289.

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Der Briefwechsel

darauf Punkt für Punkt, meist indem sie das von Jeremias zurückgewiesene, wirklich oder vermeintlich lateinische Argument modifizieren oder ergänzen: Erstens, so der Patriarch, behaupteten die Lateiner, aus dem Einssein von Vater und Sohn nach Joh. 10,30 folge, daß der Geist aus beiden hervorgehen müsse. Das Argument sei falsch, da sich das Einssein der Hypostasen auf ihr gemeinsames Wesen beziehe, nicht aber numerische Identität - wehe der sabelhanischen Häresie! - bedeute. Das Hervorgehenlassen bzw. allgemein das „Ursache-sein" (αϊτι,ος είναι) innerhalb der Trinität sei aber eine hypostasenspezifische Relation^®. Die Tübinger bestreiten diese letzte Aussage: Wenn der Geist aus dem Vater hervorgehe, müsse er aus dessen Substanz hervorgehen; diese aber sei auch die des Sohnes. Da gemäß dem Zeugnis von Bibel und Vätern das Pneuma der Ordnung nach an dritter Stelle in der Trinität stehe, müsse es also aus Vater und Sohn hervorgehen^o. Zweitens - so wieder Jeremias - schlössen die Lateiner aus Joh. 1 7 , 1 0 , wonach alles, was dem Sohn gehört, des Vaters ist und umgekehrt, daß beide Hypostasen dasselbe Verhältnis zum Geist haben müßten; jene Bibelstelle beziehe sich aber auf Wesens-, nicht auf Hypostasenmerkmale, sonst müßte der Sohn auch die Charakteristika des Vaters, etwa das Ungezeugtsein, besitzen^^. Die Tübinger kommentieren, Joh. 17,10 sei nach der Schrift und der älteren Tradition so zu interpretieren, daß nur die Beziehung von Vater und Sohn nicht als gemeinsamer Besitz gelte^^. Drittens sei das Argument der Lateiner falsch, wenn das Pneuma Geist des Vaters und Geist des Sohnes heiße, müsse es von beiden ausgehen, denn „Pneuma" sei kein R e l a t i o n s b e g r i f f ^ ^ £ ) ¡ g Tübinger behaupten eben dies: N u r durch die Hauchung - und „Geistsein" bedeute ja „Gehauchtsein" - werde der Geist Vater und Sohn gegenüber eigentümlich charakterisiert^'^. Ferner führt das filioque in Jeremias' Augen die Einheit der Trinität auf eine Zweiheit, die der Hypostasen Vater und Sohn, zurück^^. Die Tübinger halten dagegen, diese beiden heßen den Geist nicht getrennt voneinander, sondern verbunden (non tamen, ut duo separatim et distributive: sed ut unum συνδυαζόμενον) hervorgehen, wobei der Vorrang (principatus/πρωτεϊον) dem Vater als dem Zeugungsgrund des Sohnes zukomme^^. Weiter schUeßt für Jeremias das fihoque die Perichorese der trinitarischen Hypostasen aus, weil es eine Mittelinstanz zwischen Vater und Geist setze^'^. Dieses Argument ist nach der Sicht der Tübinger nicht stichhaltig, da die DkSII428[518]. 30 A c t a 2 7 2 f . " DkSII438[518]. Acta 277 Aa'. Hier und im Folgenden (d.h. von S. 273-S. 285) sind die Seitenzahlen der Acta chaotisch verdruckt; wir werden, um weitere Konfusionen zu vermeiden, nach den gedruckten Angaben nebst Bogennummern zitieren. " D k S II 439 [ 5 1 9 H 4 1 [521]. 3-» A c t a 2 7 8 f . A a i i j ' f . " DkS II 441 [521]. 448 [528]. Acta 280 Aa iiij\ " D k S II 441 f. [521 f.].

Die theologische Auseinandersetzung

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Ordnung von Vater, Sohn und Geist nur ihre hypostatischen EigentümUchkeiten, nicht aber ihr Wesen betreffe; dessen Einheit führe vielmehr dazu, daß alle drei ganz und gar ineinander seien^®. Außerdem - so wieder Jeremias - müßte man, wenn der Sohn wegen der "Wesenseinheit mit dem Vater den Geist hervorgehen lasse, schließen, daß alle Hypostasen Ursprung aller seien^'. Die Tübinger halten dagegen, diese Folgerung sei falsch, denn die Wesenseinheit begründe nicht an sich das filioque, sondern nur im Verein mit der trinitarischen Ordnung, nach der, wie schon einmal gesagt, der Ursprung des Sohnes dem des Geistes vorausliege'"'. Schließlich führe die Aussage der Lateiner dazu, daß Vater und Sohn zu einem Ursprung zusammengeschlossen und damit identifiziert würden und die Trinität sich so zu einer Binität verringere; die Alternative wäre die Rückführung der Dreieinigkeit auf einen doppelten Ursprung·*^ - ein schon früher vorgebrachtes Argument. Die Tübinger halten diese Schlüsse für unrichtig, weil - wie ebenfalls bereits gesagt - das filioque auf der Einheit des Wesens, nicht der Hypostasen von Vater und Sohn beruhe, sowie auf der Ordnung, in der sie dieses Wesen hätten'·^. So weit die Attacken der Griechen. Bevor die Tübinger auf die Ebene überwechseln, die sie für die dem Thema einzig angemessene halten, weisen sie darauf hin, daß auch sie unsinnige Konsequenzen der griechischen Lehre herausstellen könnten, etwa die, daß die Ablehnung des filioque eine größere Nähe des Geistes zum Vater als zum Sohn sowie die Ungleichheit (inaequalitas) von Vater und Sohn impliziere·*^. c) Statt aus dem Wortlaut des Nicaenischen Glaubensbekenntnisses oder der inneren Logik eines Gottesbegriffs begründen die Tübinger, zunächst unwillkürlich, dann, vom Widerspruch des Patriarchen zum Nachdenken über ihr eigenes Vorgehen gebracht, bewußt'*'· ihre Auffassung vom Hervorgang des Geistes aus dessen ökonomischer Stellung: Wie das Pneuma von Vater und Sohn gesandt wurde, müsse es auch von beiden ausgehen·*^. Sie wollen mit dieser Aussage nicht behaupten - das wirft Jeremias ihnen ganz in den Spuren der traditionellen Polemik gegen das filioque vor·*^ - , Hervorgang und Sendung, ewige und zeitliche Relationen des Geistes seien identisch: id discrimen inter processionem aeternam et missionem temporariam . . . haudquaquam ignoramus'*·'. Vielmehr stellen sie fest, trotz der notwendigen Unterscheidung beider Beziehungen gehörten sie unablöslich zusammen; die zeitüche hänge von der ewigen ab (etsi. . . mitti et procedere, non sunt unum et idem, . . . tamen Acta 280 A a iiij\ " DkS II 442 [522]. "o Acta 285. DkS II 442 [522]. « Acta 285 f. " Acta 289. So in der zweiten und dritten A n t w o r t gegenüber der ersten. « Acta 1 6 0 f . 271. 277 Aa. 372 u.v.a. « Z.B. DkS II 437 [517]. " Acta271.

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Der Briefwechsel

missio a processione dependet)"®, und zwar in der Weise, daß die Sendung ohne Verankerung im Ausgang des Geistes gar nicht stattfinden könnte: Wäre der Sohn am Hervorgang des Pneuma unbeteiUgt, könnte er es auch nicht geben si . . . Spiritus Sanctus non etiam ex Filio procederet, non potuisset eum discipuhs inflando dare''^. Die zeitliche Beziehung der trinitarischen Personen setzt ihre ewige voraus (praesupponit)^", die ewige ist Grund (causa) der zeitlichen®^. Das bedeutet für unser Wissen vom Ausgang des Geistes: Es ist nur durch die Betrachtung seiner Sendung zu erreichen, hier aber gewinnt es die Sicherheit des Beweises: unum . . . recte ex altero probari®^; unum . . . alterum demonstrate^. Die Tübinger begründen - in Abhängigkeit von Augustin - , warum sie ewige und zeitliche Relationen des Geistes so eng verbunden sehen®'': Die göttlichen Personen unterschieden sich durch nichts voneinander als durch die Beziehungen, in denen sie ihr eines, identisches Sein hätten; deshalb müsse umgekehrt jede Beziehung zwischen ihnen eine solche im Besitz des Seins sein, weitere Relationen, wie sie im endhchen Bereich vorkämen, etwa die zwischen Einzeldingen und Akzidentien, gebe es nicht. Das gelte aber auch für die Wirksamkeit von Vater, Sohn und Geist in der Zeit: Hier nähmen ihre Beziehungen zueinander nicht plötzlich etwas Neues in sich auf - non enim in tempore personis divinis quid accidit - , denn dann würden sie sich selbst als Personen ändern; vielmehr blieben sie nach wie vor in den Relationen, in denen sie das eine götthche Sein besäßen, nur daß diese jetzt eben kraft der Entscheidung des Heilswillens Gottes in der Welt wirksames und sichtbares Geschehen würden. Deshalb bringe die Sendung des Geistes nichts Neues in sein Verhältnis zu Vater und Sohn ein - in tempore . . . nihil accepit Spiritus Sanctus sed per processionem omnia, quaecunque habet, sive est. D . h . konkret für das Problem des Geistausgangs: D a die Bibel deutlich sagt, das Pneuma werde von Vater und Sohn gesandt, muß es auch sein Sein in Abhängigkeit von ihnen haben. In der griechischen Theologie hatte sich zwar der Widerspruch gegen das filioque primär im Rahmen der Lehre von der inneren Trinität geäußert. Insofern die Lateiner ihre Ansicht aber nicht nur auf der Ebene der Theologie im engeren Sinn begründeten, sondern auch die ökonomischen Verhältnisse der trinitarischen Personen als Beweisinstanzen heranzogen, sah man sich auf griechischer Seite gezwungen, Theorien zu entwickeln, die Aussagen dieser Art entkräften sollten. Sie können auf drei Grundargumente zurückgeführt werden : Das eine ist die Behauptung, innertrinitarische und ökonomische Verhältnisse von Vater, Sohn und Geist zueinander stünden in keinerlei Zusammenhang. Das zweite bestimmt, der Zielrichtung des ersten widersprechend, die ökonomischen Relationen der Personen so, daß sie den vorausgesetzten innergötth« ·»' " "

Ibd. 372; ebenso 271. Ibd. 277 Aa'. Ibd. 277 Aa. 278 Aa". Ibd. 278 Aa".

" "

Ibd. 277 Aa. 278 Aa". Ibd. 271. Ibd. 277 Aaiij'.

Die theologische Auseinandersetzung

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chen zumindest nicht entgegen-, ja ihnen sogar parallellaufen. Drittens werden zeitliche Beziehungen der trinitarischen Personen überhaupt geleugnet und die entsprechenden Funktionen auf andere Instanzen verlagert^^. Jeremias nimmt all diese Theorien auf, und sie bilden, da die Tübinger im Unterschied zu den Lateinern des Mittelalters nur ökonomiebezogene Aussagen über den Hervorgang des Geistes gelten lassen, die Hauptmasse seiner Erwiderung zu diesem Thema. Immer wieder betont der Patriarch, Ausgang und Sendung des Geistes hätten nichts miteinander zu tun, denn das eine betreffe das ewige Sein, das andere das zeitliche Handeln Gottes®®. Deshalb spricht nichts dagegen, daß das Pneuma in dem einen Fall nur vom Vater, in dem anderen auch vom Sohn abhängt. Nach Jeremias können also Vater, Sohn und Geist in ein zweites System von Beziehungen zueinander treten, es ist nicht das Stehen in bestimmten Relationen, das sie zu dem macht, was sie sind, so daß sie sich mit diesen selbst verändern müßten. Wie das zweite, für den ökonomischen Einsatz gruppierte Bezugssystem aussieht, nicht nur, daß dieser Einsatz stattfindet, ist Sache des göttlichen Willens, der die Heilsgeschichte regiert. Daraus folgt für die Erkenntnis der Trinität, daß ein Rückschluß von den zeitlichen Verhältnissen der Hypostasen auf die ewigen nicht möglich ist. Konkret schreibt Jeremias nicht nur, das Pneuma werde vom Sohn gesandt, obwohl es in Gott nicht von ihm ausgehe, er behauptet auch, der Sohn werde vom Geist geschickt (και το Πνεύμα πέμπει τον Υιόν, nach Jes. 61,1/Lk. 4,18)®'^ - ein traditionelles Argument in diesem Zusammenhangt®. Er geht allerdings nicht so weit - Photios etwa hatte derartige Konsequenzen gezogen^® - , auch den Vater von Sohn oder Geist gesandt sein zu lassen; hinsichtlich des Vaters war die Hemmschwelle, die Richtung der Relationen umzudrehen, schon immer besonders hoch gewesen®". Daß eine solche Hemmschwelle trotz aller Beteuerungen, ewige und zeitliche Verhältnisse der Hypostasen hätten nichts miteinander zu tun, durchaus bestand, zeigt das Bestreben, die biblischen Aussagen über die ökonomischen Beziehungen so zu interpretieren, daß diese den vorausgesetzten ewigen nicht entgegenlaufen. Jeremias tut das, indem er von der Sendung des Geistes nur durch den Vater spricht®'. Oder er bestreitet jede durchgängige ökonomische Abhängigkeit des Pneuma und sagt, es gebe sich auch selbst®^. Schließlich - und das ist die Lösung, die Jeremias, geht man nach der Länge der entsprechenden

" "

" "

Zu dieser ganzen Entwicklung s. Wendebourg, Geist Kap. I 2b. II. Z . B . D k S I I 4 3 5 [515]. 4 3 7 [ 5 1 7 ] . 438 [518]. Ibd. 435 [515]; so a. 4 3 9 [519]. 484 [564]. S. Wendebourg, Geist 80 f. P G 1 0 1 , 9 1 2 Bf. Vgl. Wendebourg, Geist 82. DkSII439[519]zuJohl6,14. Ibd. 4 3 9 [519]. 484 [564].

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Der Briefwechsel

Zitate, vorzieht - behauptet er, der Geist werde überhaupt nicht gesandt, sondern allein geistliche Gnadengaben: "Οταν . . . άκούητε έν τη Γραφή, ότι πηγάζει ó Υιός το Πνεϋμα, ή πέμπει ή διδωσι ή τοιούτον τι, μή την ύπόστασιν του Πνεύματος νοείτε προάγειν αύτόν . . . αλλά τάς Πνεύματος δωρεάς^^; Bibelstellen, die von der Sendung des Geistes sprechen, werden demgemäß gedeutet®"*. Jene Gaben sollen keine geschaffene Größe sein, etwa im Sinn der gratia creata der Scholastik. Vielmehr handele es sich dabei durchaus um Gott selbst, doch nicht seinen Hypostasen oder seinem Wesen, sondern einer dritten Größe nach, die Gott ebenfalls von Ewigkeit her sei, den „Energien". Der Patriarch argumentiert hier im Rahmen der Energienlehre des spätbyzantinischen Theologen Gregorios Palamas: In Gott gebe es außer dem einen Wesen vielfältige Energien, nicht mit dem Wesen identisch, doch auch nicht geschaffen-Θεού ουσία και ενέργεια ούταύτόν, άλλα διαφέρουσιν . . . ούκ άρα ή ένέργεια κτίσμα, και μην ούδ' αύτη και ούσία®® - , Gottes ewige Außenrelationen (προς ετερον)®®, gleichsam seine Glieder, die, von jeher aus dem Wesen hervorquellend (πηγάζειν), dies überhaupt erst bekannt machten, da es in sich selbst unzugängHch sei^'^. Wie das eine Wesen, so seien die daraus hervorgehenden Energien gemeinsamer Besitz von Vater, Sohn und Geist - μία . . . ή της Τριάδος ένέργεια®® und würden von ihnen gemeinsam gegeben oder gesandt. Die Hypostasen selbst, auf die Ebene des unzugänglichen Wesens gehörig, gingen nicht als Gabe oder Sendungsobjekt in die Welt ein: ή θεότης ούκ έκχείται, άλλ' ή δωρεά αυτού . . . Χάρις έκχείται, ούχ ó δωρούμενος την χάριν . . . Θεός γαρ ούκ άποστέλλεται®'. Die Tübinger wissen mit diesen palamitischen Äußerungen nichts anzufangen - die Unterscheidung zwischen Wesen des Geistes und Gnadengaben stehe nicht zur Debatte (is totius controversiae inter vos et nos status non est, ñeque ea de re disceptatur)'®. Sie unterscheiden im Anschluß an 1. Kor. 12 durchaus auch zwischen dem einen Pneuma und den vielfältigen Charismen^i - was nicht heißt, daß sie sie theologisch ebenso bestimmten wie der Patriarch, die palamiti" " "

Ibd.477[557]. " Ibd. 478f. [558f.]. Ibd.437[517]. ' M b d . 438 [518]. Ibd. 437 [517]. Ibd. 482 [562]. Ibd. 480 [560]. Der einzige Unterschied in der Beteiligung der drei an diesem Vorgang liegt darin, daß die Energien vom (παρά) Vater her durch (διά) den Sohn im (έν) Geist nach außen treten (ibd. 481 f. [561 f.]), eine weitere Relation der Hypostasen zueinander, die jedoch das Gegenüber von Geber und Gegebenem nicht zwischen ihnen, sondern sie alle auf der Seite des Gebenden angesiedelt sein läßt. Wenn es heißt, man könne die Verleihung der Gnade in gewisser Weise als Ausgang des Geistes, als zweiten Hervorgang gegenüber dem ersten, betrachten (ibd. 479 [559]), ist das also eine Formulierung, die innerhalb dieser Konzeption keinen rechten Sinn mehr hat, sondern als Restbestand der traditionellen Aussage gelten muß, daß der Geist selbst den Christen gegeben werde. Wie inkonsequent jene Formulierung ist, zeigt der Satz, der zweite Ausgang des Geistes erfolge auch aus dem Geist (ή δέ [sc. die zweite πρόοδος τ ο ΐ Πνεύματος] έστι καί έκ τοϋ Πνεύματος (ibd.; zu jener Formulierung vgl. Wendebourg, Geist 47f. 52 f.)) ' » A c t a 372. "Ibd.

Die theologische Auseinandersetzung

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sehe Charakterisierung der „ungeschaffenen Energien" wird ihnen gar nicht bewußt - , doch sie ordnen die Gnadengaben nicht primär dem Wesen Gottes, sondern dem Geist zu und binden sie an die Gabe des Pneuma selbst; so stelh sich die Frage nach dem Verhältnis von innergötthcher und ökonomischer Abhängigkeit der dritten trinitarischen Hypostase nach wie vor. Daß sie das Problem des Geistausgangs hier ansiedeln, die Griechen dagegen von der Betrachtung des Handelns Gottes unabhängige Lösungswege proklamieren, in dieser Differenz hegt der eigentliche Gegensatz zwischen beiden Briefpartnern zum Thema filioque. Er aber weist seinerseits auf einen noch tieferen zurück, der die Trinität selbst betrifft: Für die eine Seite bleibt Gottes inneres trinitarisches Leben immer, auch in der Heilsgeschichte, über und frei von dem Kontakt mit der geschaffenen Welt, für die andere bedeutet Heilsgeschichte nichts anderes als die Gegenwart jenes Lebens in der Welt. Dieser griechisch-lutherische Gegensatz bildet keine neue Konstellation, in ihm setzt sich vielmehr ein Dissens fort, der schon die griechisch-lateinische Kontroverse über den Ausgang des Geistes wesentlich mitbestimmt hat^^. 2. Das Heil und das

Individuum

Die Probleme dieses Kapitels, die vom Beginn der Korrespondenz an zu den Hauptstreitpunkten zwischen den Briefpartnern gehören, ghedern die Tübinger im Anschluß an die Kommentare des Patriarchen zu C A 4-6 und C A 18 unter den Stichworten „freier Wille" und „Glaube und gute Werke" ; sie verfassen in ihrer ersten und zweiten Antwort je ein Kapitel zu diesen beiden Punkten^, der Patriarch tut in seinem zweiten Schreiben dasselbe^, erörtert die anstehenden Fragen in seinem letzten Beitrag aber nur noch unter dem Aspekt der Willensfreiheit^, worin ihm die Tübinger in ihrer abschließenden Antwort folgen". Trotz dieser symmetrischen Raumaufteilung ist das Gewicht des Themas auf beiden Seiten verschieden. Für Patriarch Jeremias handelt es sich hier um eine, zweifellos sehr wichtige, aber doch um eine Frage unter anderen, für die Tübinger dagegen um den Punkt, von dem her die Weichen all ihrer Aussagen gestellt werden, nachgeordnet nur dem Thema Heilige Schrift, ihm aber zugleich komplementär, weil ihnen die reformatorische Lehre von Willensfreiheit, Glaube und Werken, kurz die „Rechtfertigungslehre" als zentraler Inhalt der Schrift gilt. Die bereits in der verschiedenen Einschätzung des Themas, gleichsam unterhalb der inhaltlichen Auseinandersetzung liegende Grunddifferenz zeigt sich " ' 2 3 "

S. Wendebourg, Geist Kap. 2. Acta 1 6 2 - 1 6 5 . 1 6 5 - 1 7 2 . 2 9 6 - 3 0 3 . 3 0 3 - 3 1 0 . DkS II 4 5 0 - 4 5 3 [530-533]. 4 5 3 ^ 5 9 [533-539]. Ibd. 4 8 6 - 4 8 8 [566-568]. Acta 373 f.

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Der Briefwechsel

schon daran, daß von lutherischer Seite die Rechtfertigungslehre in allen möglichen Zusammenhängen angeführt wird, der Patriarch aber gar nicht versteht, welchen Sinn die entsprechenden Hinweise dort jeweils haben sollen. Besonders deutlich wird das an seiner schon zitierten Zusammenfassung von C A 26: „Ihr schreibt über Speisen, Feiertage, Fasten, Uberlieferungen, und daß man glauben müsse, Christus vergebe die Sünden umsonst und nicht um unserer Gerechtigkeit willen, und wie unmöglich es sei, alle Überlieferungen zu halten"®. Das Problem Rechtfertigung wird irgendwo in eine Gruppe verschiedener, dem Patriarchen nach seinen folgenden Ausführungen auch sehr viel wichtigerer, Punkte eingereiht, doch nicht im geringsten als die Frage empfunden, von der her der Artikel des Bekenntnisses alles übrige behandelt. Das Zitat ist symptomatisch für Jeremias' Reaktionen in diesem Zusammenhang überhaupt. Die Verständnislosigkeit des Patriarchen geht nicht zu seinen persönlichen Lasten. Sie ist vielmehr geradezu programmiert durch Unterschiede in der theologischen Entwicklung des Ostens und des "Westens, die weit in die Zeit vor der Reformation, ja in die ersten Jahrhunderte der Kirchengeschichte zurückreichen. „Die Rechtfertigungslehre ist bekanntlich in der alten Kirche vor Augustin niemals Gegenstand einer dogmatischen Controverse geworden. Erst durch den Kampf mit Pelagius rückte sie in den Vordergrund."® Mehr noch: Der pelagianische Streit führte nicht nur zur ersten Auseinandersetzung über dies Thema; in seinem Rahmen wurde überhaupt zum ersten Mal seit den paulinischen Briefen das Verhältnis von Gott und Mensch unter dem Stichwort „Rechtfertigung" (iustificatio) erörtert; „iustificatio" galt nun als zentraler Begriff für den Vorgang, in dem der Mensch so wird, wie er Gottes Anspruch nach sein soll, und das Wort behielt fortan einen festen Platz in der theologischen Terminologie des Westens. Der Begriff ist Indiz für den bestimmenden Einfluß, den die einschlägigen Aussagen der Paulusbriefe nach einer „breite[n] Zone des Schweigens"'' gewonnen hatten - im Bereich der römischen Kirche. Wenn sie ihn hier gewannen und hier wirksam wurden, beruht das nicht zuletzt darauf, daß die westUche Christenheit die „Frage des Rechtseins vor Gott"® schon immer als eigenständiges Problem empfunden hatte, m. a. W., daß für sie juridische Kategorien, wie sie in der paulinischen Rechtfertigungslehre impliziert sind, schon immer wesenthche Elemente des theologischen Denkens gewesen waren. Dementsprechend hatte sich hier bereits in den ersten Jahrhunderten eine juridische Terminologie herausgebildet, in der Begriffe wie lex, sacrificium, culpa, meritum, satisfactio 5 D k S I 4 9 4 f . , S . O . S . 191.

' Harnack, Geschichte der Lehre 82. ' Baur, Salus 11; vgl. Harnack, Geschichte der Lehre, und Baur, Salus 14—20; dort auch zu sporadischen Auswirkungen der entsprechenden paulinischenAussagen in der frühen Kirche. ® Schindler, Gnade 185, vgl. a. Seeberg, Dogmengeschichte II 364.

Die theologische Auseinandersetzung

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eine zentrale Rolle spielten®. Vollends beherrschend w u r d e die von diesen Begriffen angezeigte Perspektive in der mittelalterhchen L e h r e und Praxis der Buße, die ihrerseits auf alle Gebiete des kirchlichen Lebens und der T h e o l o g i e zurückwirkte. In der griechischen K i r c h e fehlte z w a r die „ F r a g e des Rechtseins v o r G o t t " nie, d o c h sie w u r d e nicht z u m B r e n n p u n k t sei es der Theologie als ganzer, sei es des Verständnisses der Buße^°. D e m e n t s p r e c h e n d gab es hier kein Pendant z u r einschlägigen westlichen Terminologie, bestimmte Begriffe haben gar kein Äquivalent, andere lassen sich z w a r , vorgegeben von dem gemeinsamen biblischen H i n t e r g r u n d , auf beiden Seiten finden, haben aber hier und dort einen verschiedenen Stellenwert. W i e sich gezeigt hat, w a r M e l a n c h t h o n sich dieser Schwierigkeit bis zu einem gewissen G r a d b e w u ß t und versuchte, sie bei seiner Bearbeitung der C o n f e s s i o A u g u s t a n a G r a e c a zu überbrücken. Dieselben Absichten und G r e n z e n , die sein U n t e r n e h m e n kennzeichnen, gelten auch für C r u s i u s ' Ü b e r s e t z u n g der T ü b i n ger Schriften. Die griechische Version der Tübinger Antworten läßt sich im Vergleich zur C A Graeca grob so charakterisieren, daß beide Übersetzungen sich immer wieder und vor allem im Bereich der juridischen Terminologie bemühen, dem Verständis des Adressaten entgegenzukommen, daß dieses Bemühen aber im Fall des Bekenntnisses mehr theologisch-exegetischer, im Fall der Tübinger Schriften mehr philologisch-literarischer Natur ist. Döltsch bzw. Melanchthon versucht, die lutherische Lehre in gemeinsame oder für beide Seiten mögliche Aussagen zu überführen, d.h. meist, er ersetzt eigentümlich westliche durch biblische Formulierungen; auf der anderen Seite fühlt er sich frei, sogar ein neues Wort zu prägen, wo ihm ein unaufgebbares Anliegen in der Tradition des Adressaten nicht hinreichend auf den Begriff gebracht scheint und die biblischen Äquivalente zumindest außerhalb ihres Kontextes keine eindeutige Interpretation sicherstellen, das Kunstwort δικαιοποΰα^ι. Crusius dagegen bemüht sich, die Tübinger Schriften in das Idiom der Griechen zu übertragen, wie es in deren gesamter literarischer Tradition, das Neue Testament eingeschlossen, gegeben ist. Das entspricht seinem Beruf, darin spiegelt sich aber auch die Tatsache, daß er nicht einfach einen normativen Text zu präsentieren hatte, sondern in einem Gespräch, in direkter Rede und Widerrede mit den griechischen Briefpartnern stand und so einerseits dem sprachlichen Einfluß des Gegenübers ausgesetzt und andererseits um größtmögliche Allgemeinverständlichkeit bemüht war. Spezifisch biblische Umschreibungen sind bei ihm seltener, auf der anderen Seite leistet er sich aber auch keine Neuprägungen - das Wort δικαιοποιία kommt bei ihm nicht vor, er beschränkt sich stattdessen auf paulinische Begriffe, deren Verständnis durch explizite Erklärungen in eindeutige Bahnen gelenkt wird. Diese Charakterisierung ist, wie gesagt, sehr grob. Ihre Gültigkeit wird, was die C A Graeca betrifft, durch deren unausgeglichene Vielschichtigkeit begrenzt. Was die Tübinger Schriften angeht, ist zu bedenken, daß Crusius großes theologisches Interesse und Ibd.

1« S.u. S. 304 ff.

" S . o . S. 161.

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Der Briefwechsel

umfassende theologische Kenntnisse besaß und natürlich einen Beitrag in diesem Rahmen leisten wollte. So trifft die Wortwahl, die er vornimmt, im allgemeingriechischen, nicht auf die Bibel begrenzten Kontext das Gemeinte oft sehr scharf. Im übrigen gibt es sogar mehrere erklärende theologische Zusätze von seiner Hand^^, und geht die Benutzung griechischer Kirchenväter auch z . T . auf ihn zurück. Dennoch ist jene Grunddifferenz nicht zu übersehen. Am deutlichsten wird sie, wo es um den Begriff „meritum" geht. Crusius wußte so gut wie die Übersetzer der C A Graeca, daß es hierzu kein griechisches Äquivalent gibt. Döltsch bzw. Melanchthon hatte sich geholfen, indem er teils Begriffe aus der Ö k o n o mie, teils - vor allem, wo vom „Verdienst" Christi die Rede ist - bibhsche Umschreibungen anführte. Crusius verzichtet auf die künstliche Annäherung an den Fachterminus wie auf die bibhsche Umschreibung und benutzt für „Verdienst" durchweg unspezifische Wörter, die teils der griechischen Alltagssprache, teils der literarisch-philosophischen Ebene entstammen: im Fall Christi meist κ α τ ό ρ θ ω μ α " , daneben α ρ ι σ τ ε ί α " und ευεργ έ τ η μ α " ; im Fall des Menschen einfach έργον oder καλόν εργον^®, άρετήΐ'', ά ξ ί α oder κ α λ ο κ α γ α θ ί α και ά ξ ί α " , δ ι κ α ί ω μ α " u.a. Das Kunstwort ί κ α ν ο π ο ΰ α für satisfactio tritt sehr häufig auf. Crusius hatte hier wohl keine philologischen Skrupel, weil es bei den Griechen bereits bekannt war und von Patriarch Jeremias selbst benutzt wird^°. Seiner Herkunft entsprechend findet es sich im Rahmen der Lehre von der Buße^i; wo dieser Kontext nicht gegeben ist, umschreibt Crusius das Verb satisfacere dagegen: Für legi satisfacere sagt er τ ω ν ό μ ω τ ο ίκανόν άποτίσαι^^. Andererseits kann er, im Unterschied zur C A Graeca, von ίκανοποιία Χ ρ ί σ τ ο υ sprechen, allerdings tut er auch das im Rahmen von Darlegungen zur Buße, wo nämhch die kanonische „Genugtung" des Menschen der Christi entgegengesetzt wird^^. Die Ubersetzung für „iustificare" lautet im Anschluß an Paulus durchweg δικαιοϋν^'*; für iustificari steht im allgemeinen das Passiv jenes Verbs, gelegemlich auch δίκαιος γίνεσθαι^' - ausdrückhch als Äquivalent von δικαιοϋσθαι^® - und δίκαιος ά π ο δ ε ί κνυσθαι^·'. D e m Substantiv iustificatio entsprechen miteinander auswechselbar δ ι κ α ί ω σις und δικαιοσύνη^®. Zur Widergabe des Terminus persona dient im Gefolge des Sprachgebrauchs der C A Graeca ά ν θ ρ ω π ο ς ^ ' .

" " "

Z.B. Ibd. Ibd. Ibd.

Acta 167. 169. 300. 301. 3 7 5 ; vgl. a. 373. 164.166.167.169.184.186. 166.169(άρί;στευμα). 186.

'S Ibd. 1 6 7 . 1 6 8 . " Ibd. 1 6 7 . 1 7 0 . 168. S . u . S. 3 0 9 .

' ' Ibd. 166. Ibd. 166. "

Acta 179 ff.

Ibd. 303. Einmal heißt es selbst innerhalb eines Kapitels über die Buße: τάς άμαρτίας έναντι τοΰ θ ε ο ϋ διαλύειν (ibd. 179). " Ibd. 1 8 0 . 1 8 1 . 2·· N u r einmal heißt es statt dessen δικαιοσύνην έμποιεϊν, ibd. 166. 25 Ζ. В. ibd. 307. 26 Ibd. 27 Ibd. 309. 28 Z . B . ibd. 167. 169. 172; einmal wird auch der substantivierte Infinitiv τ ο δ ι κ α ι ο ϋ σ θ α ι gebraucht, ibd. 306. 2« Z . B . A c t a 3 0 7 .

Die theologische Auseinandersetzung

227

Auch bei der Übersetzung der Schriften aus Konstantinopel ins Lateinische lassen sich Überführungen von Begriffen in einen anderen Verständnishorizont feststellen, diesmal in umgekehrter Richtung: Crusius kann die Werke des Christen merita nennen, wo sich das Griechische neutral ausdrückt^", und er kann von Sühne (expiare) des Getauften sprechen, wo der Patriarch das Wort „abwaschen" (άπονίπτεσθαι) benutzt^'. Solche Übertragungen sind, anders als bei der Version ins Griechische, äußerst selten, meist übersetzt der Philologe ganz wörtlich. Sie sind aber ein Indiz für die auch an anderen Punkten^^ wie an der Gesamtinterpretation feststellbare Tatsache, daß die Tübinger ihre Briefpartner immer in juridischem Kontext verstanden. Wie im Fall der Confessio Augustana Graeca, so läßt sich also auch für die Übersetzung des Briefwechsels feststellen: Die Verantwortlichen waren sich sehr wohl bewußt, daß hinsichtlich der Geltung bestimmter juridischer Termini zwischen ihnen und den Griechen Differenzen bestanden; sie hielten sie für legitim und für überbrückbar durch die Übertragung der entsprechenden Begriffe in die dem Adressaten vertraute Sprache. Allerdings beschränkte sich der Bereich, in dem sie die Dinge so sahen, auf Termini der scholastischen Theologie. Die juridischen Kategorien als solche hielten sie für biblisch begründet und notwendig, das einschlägige Begriffsfeld für unersetzbar. Man betrachtete jene Kategorien aber nicht nur als notwendig, sondern auch als unumstritten, weshalb die Benutzung der entsprechenden Begriffe völlig unproblematisch schien und die Aussagen der Griechen ganz selbstverständlich in ihrem Rahmen gedeutet wurden, ohne daß man sich die Mühe machen zu müssen glaubte, sie ausdrücklich in ihn zu übertragen. Da sich beide Briefpartner, zumindest auch, auf die Bibel stützten, diese aber nach lutherischer Auffassung ihr Zentrum in der Frage der Rechtfertigung hat,konnten in den Augen der Tübinger hinsichtlich der Gültigkeit der entsprechenden Kategorien gar keine Meinungsverschiedenheiten bestehen, mußte angenommen werden, daß die Briefpartner, auch wenn sie andere Termini benutzten und z . B . von „Abwaschen" oder „Heilen" sprachen, in eben diesen Kategorien dachten. Differenzen konnten nur auf falsche Deutungen und inkonsequente Anwendungen innerhalb des juridischen Rasters zurückgehen - ähnlich wie sie die römische Kirche nach Meinung ihrer lutherischen Kritiker beging. Schon die Übersetzung zeigt also, daß das Problem, vor das sich die Tübinger im Dialog mit den Griechen gestellt sahen, an dieser zentralen Stelle nicht Umsetzung, sondern Korrektur und Erklärung im Rahmen des eigenen, mit dem Anspruch auf allgemeinchristliche Gültigkeit vorgetragenen Koordinatensystems lautete.

Augustins Rückgriff auf die paulinische Theologie führte nicht n u r z u r Bestätigung des ohnehin vorhegenden Interesses an der „Frage des Rechtseins v o r G o t t " , sondern auch zu einer bestimmten A n t w o r t darauf, die für die w e s t h c h e Christenheit grundlegend werden sollte: zu seiner L e h r e von Sünde und G n a d e . Entscheidend, gerade auch der griechischen T h e o l o g i e gegenüber entscheidend, ist dabei die Tatsache, daß der G n a d e G o t t e s ausschließliche Bedeutung für das Heil des M e n s c h e n (sola gratia) zugesprochen wird. D . h . auf den M e n s c h e n DkS 1 4 5 3 / Acta 71 für κατορθώματα. DkS II 458 [ 5 3 8 ] / A c t a 237. 307. S. etwa das Kapitel über die Buße.

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D e r Briefwechsel

selbst gesehen, es gibt nichts in ihm, was zum Heil beitragen könnte, vielmehr besteht dies gerade darin, daß die ganze Person in ihrem Zentrum von der Gnade verändert wird. Das Zentrum der Person aber sieht Augustin - eine Entdeckung, die bekanntlich für die ganze nichtjüdische Antike neuartig war^^ - im Willen^'*. Soll nun gerade der Wille Objekt der Gnade sein, so heißt das, daß er kein Kontinuum zwischen dem Leben der Sünde und dem der Gnade bilden kann derart, als liege es in seiner Macht, sich den richtigen Zielen zuzuwenden, wenn er auch an der konkreten Durchführung gehindert werden mag; vielmehr soll er in sich zerrissen, selbst dem Schlechten verfallen sein und gerade darin die Sünde bestehen^^: „Unser Herz ist nicht in unserer Gewalt"^®. Zwar hielt Augustin diese Sätze dem Briten Pelagius vor. Doch er und die ihm folgenden Synoden wiesen damit nicht nur einen bestimmten zeitgenössischen Gegner zurück, sondern die gängige Doktrin der vergangenen Jahrhunderte^''ähnlich, wie es bei den trinitätstheologischen Entscheidungen von Nizäa und Konstantinopel der Fall gewesen war. Und der Kirchenvater trat de facto auch in Gegensatz zur Theologie des Ostens, insofern diese in wesentlichen Zügen an der voraugustinischen Sicht festhielt^®. Man konnte hier zwar das Gnadenwirken Gottes stark betonen, doch man sah nie im menschlichen Willen dessen Objekt, vielmehr allein in Gegebenheiten, die ihm äußerlich seien und Widerstand leisteten: vor allem im materiell-leiblichen Bereich und in den Trieben^®. Der Wille selbst aber galt als die Instanz, die sich vom Leben vor der Bekehrung bis ins Leben danach durchhält. Denn im Grunde genommen wolle der Mensch schon immer, was ihm nun ermöglicht werde, auch wenn er sich im Gewirr der Widerstände über seine eigentlichen Ziele nicht im klaren sein sollte'"'. Gottes gnädiges Handeln bestehe dementsprechend zunächst darin, dem Menschen durch Lehre seine Ziele wieder eindeutig vor Augen zu stellen, und helfe ihm dann, sie gegen alle sonst unüberwindlichen Schwierigkeiten zu verwirklichen Gnade als Erziehung (παιδεία)'*^. Es ist deutlich, daß in diesem Rahmen die Gnade als etwas gedacht werden mußte, was der Wille von sich aus in freier ^^ Campenhausen, Kirchenväter 171 f.; Greshake 2 3 8 ; E . Mühlenberg, Einleitende Nachlese, in: Gnadenwahl und Entscheidungsfreiheit 4. Seeberg, Dogmengeschichte II 5 2 3 f . ; Campenhausen, Kirchenväter 2 0 6 ; Mühlenberg, Synergism 108. ^^ Seeberg, Dogmengeschichte II 5 1 2 - 5 1 5 ; Campenhausen, Kirchenväter 162; Greshake 239. D e dono perseverantiae X I I I , 33. Vgl. Harnack, Die Lehre; s. a. Baur, Salus 17; Greshake 173ff. Ibd. 184 ff. A . Dihle, Das Problem der Entscheidungsfreiheit in frühchristlicher Zeit. Die Überwindung des gnostischen Heilsdeterminismus mit den Mitteln der griechischen Philosophie, in: Gnadenwahl und Entscheidungsfreiheit 15. 24. 2 9 ; Seeberg, Dogmengeschichte II 3 3 5 f . ; vgl. Greshake 239. 240. "

Dazu, daß die Erkenntnis der eigenen Bestimmung Angelpunkt der hier vertretenen Anthropologie, Sünden- und Gnadenlehre ist und der Wille als ihr Reflex betrachtet wird, s. bes. Dihle, Das Problem der Entscheidungsfreiheit, in: Gnadenwahl und Entscheidungsfreiheit; vgl. a. Mühlenberg, Synergism 1 1 0 . 1 2 0 . "1 Greshake 185.

D i e theologische Auseinandersetzung

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Wahl (προαίρεσις) ergreift und dann in dauernder Zusammenarbeit (συνέργεια) fruchtbar machf*^. Diese Betonung der Entscheidungsfreiheit hat vielerlei Gründe. Sie ist ein Erbstück aus der Ethik der griechischen Philosophie, das allein die evangehumsgemäße Verantwortung des Menschen gegen den Determinismus dualistischer Systeme zu sichern schien"*^. Sie zeigt aber auch, daß im Osten nicht stattgefunden hatte, wodurch Augustin zu seiner Konzeption gekommen war: das Zusammentreffen und wechselseitige Aufeinandereinwirken der Selbsterfahrung, die den Willen als eine eigene, in sich widersprüchHche, ja gefangene Größe verstehen gelehrt hatte'*'*, und der paulinischen Aussagen über die Rechtfertigung des Sünders. N o c h Patriarch Jeremias sollte erstere schhcht nicht nachvollziehbar finden und letztere umdeuten'*®. Der westlichen Christenheit dagegen leuchtete beides so unabweisbar ein, daß für sie „das antipelagianische Dogma eine theologische Grenze [sc. markiert], die ein für allemal erreicht ist und hinter die das lateinische Christentum, aufs Ganze gesehen, nie wieder auf die Stufe des voraugustinischen Moralismus und Rationalismus zurücksinken konnte"'*^. Zwar wurde, gerade was das Verhältnis von Gnade und Wille betrifft, Augustins „Einlinigkeit"'*'^ im folgenden Jahrtausend kaum festgehalten und sollte schließlich die Reformation die Aussagen des Kirchenvaters an dieser Stelle gegen die mittelalterliche Theologie wenden"®, doch das Problem selbst ließ sich nicht mehr verdrängen, der Notwendigkeit, hierfür eine Lösung in Augustins Bahnen zu suchen, konnte niemand entgehen. So unterschiedlich die Weichen in Ost und West an den genannten Punkten auch gestellt waren, die Aussagen der lateinischen Theologie ließen sich aus griechischer Sicht doch insofern nachvollziehen, als sie in der Rechtfertigung das Ergebnis einer - auf der Grundlage der Vergebung, kraft der Verwandlung durch die Gnade geschehenden - ethisch-religiösen Besserung des Sünders sehen"'. Auch diese Anknüpfungsmöglichkeit aber entfällt in der reformatorischen Theologie durch die Radikalisierung der griechischerseits nicht geteilten Aussagen: Die „Frage des Rechtseins vor G o t t " und die Beziehung der Gnade auf den Willen werden vom Problem des ethischen Fortschritts gelöst, kurz, die in der römischen Tradition vorgegebenen Linien werden über die Frage nach Vgl. Seeberg, D o g m e n g e s c h i c h t e II 338f. 3 4 2 f . ; Schindler, G n a d e 185. Ibd. 179. 185; Dihle, D a s Problem der Entscheidungsfreiheit, in: G n a d e n w a h l und Entscheidungsfreiheit 14f. 23. L a n g e r b e c k 85. Dementsprechend ist gerade in J e r e m i a s ' A u s s a g e n z u m Willensproblem der Einfluß der Philosophie sehr stark sichtbar, ohne daß wir darauf im einzelnen eingehen könnten. « Vgl. S p a m , Leiden 174; G r e s h a k e 231. 2 3 7 f f . S. u. b). " C a m p e n h a u s e n , Kirchenväter 205. Vgl. Baur, Salus 34. « S. S p a m , Leiden 217. « Vgl. B a u r , Salus 2 3 - 2 5 . 32. 6 2 - 6 7 ; H a m e l II 5 9 f . 67. 92; Seeberg, D o g m e n g e s c h i c h t e III 4 7 5 f . 5» Vgl. S p a m , Leiden 2 1 7 f .

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Der Briefwechsel

der Änderung des Handelns hinaus ausgezogen zur Frage nach der „Begründung"^", der „Neuschöpfung"®^ des Handelnden selbst, der all ihren „Werken" voraushegenden „Person" durch Gott^^. Nun kamen die Tübinger, als sie Patriarch Jeremias ihre Lehre von der Rechtfertigung darlegten, nicht nur von den Auseinandersetzungen der Reformation mit der römischen Theologie her. Hinter ihnen lagen vielmehr auch innerreformatorische Kontroversen, die denselben Themen gegolten hatten, wie sie nun zu erörtern waren, die sog. philippistischen Streitigkeiten zwischen Melanchthon und seinen Anhängern einerseits und den „Gnesiolutheranern" andererseits über den Stellenwert der guten Werke des Christen und über die Rolle des menschlichen Willens für das Heil®^. Den Austausch mit dem Patriarchen auch auf diesem Hintergrund zu sehen, hätte für die Württemberger schon deshalb nahegelegen, weil einschlägige Aussagen und Termini der philippistischen Debatte der griechischen Theologie entnommen waren: So hatte Melanchthon für seine Position auf denselben Chrysostomos verwiesen®'^, den auch Jeremias zum Thema „freier Wille" in vorderster Linie heranzog, und der Begriff „Synergismus", der zum Reiz- und Schimpfwort des innerreformatorischen Streits geworden war^^, ließ die griechische Patristik unmittelbar anklingen. Indessen ist festzustellen, daß die Tübinger zwar die Lösungen voraussetzten, mit denen die Konkordienformel schließlich Jene Streitigkeiten beendete; Rückgriffe auf die Debatten selbst aber finden sich bei ihnen nicht. Vielmehr steht ganz der Gegensatz zur römischen Theologie im Vordergrund. O b die deutschen Briefpartner auf der Folie der ihnen geläufigen Frontstellungen die Aussagen ihres griechischen Gegenübers mißverstanden, muß die Untersuchung der Texte selbst zeigen; dabei wird sich herausstellen, daß dem im großen und ganzen nicht so war. Auf jeden Fall aber wirkte sich der Hintergrund der innerwestlichen Auseinandersetzungen in der Weise aus, daß den Lutheranern der eigentümHche Rahmen nicht in den Blick kam, in dem die Aussagen der griechischen Theologie über Sünde, Gnade, freien Willen usw. stehen - ein Mangel, der um so schwerer wiegt, als von der Struktur des Briefwechsels her das Thema auch sonst nicht erörtert wurde^®: Konkret, nicht in ihren Blick trat der Stellenwert der Christologie in der griechischen Soteriologie. Ist doch für die griechische Theologie hier der O r t , an dem „die Priorität " Vgl. Baur, Salus 61 f.; Ebeling, Luther 299f. " S.u.239.245f. " S. Ritsehl, Dogmengeschichte I I / l , 325 ff., speziell zum Streit über die guten Werke („majoristischer Streit") 371 ff., zu dem über die Funktion des Willens bei der Erlösung („synergistischer Streit") 423 ff., als theologisches Korrektiv s. Bring 75 ff. Vgl. bes. das Zitat ó δε ελκών τον βουλόμενον ελκει, das er besonders gern verwendete (s. etwa C R 21,376). Ritsehl, Dogmengeschichte I I / l , 431. S.O.S. 208. 211.

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G o t t e s v o r aller menschlichen Aktivität zur Geltung gebracht''^'', der „ A u s schluß jeglicher Selbsterlösung"®® festgestellt werden soll. D e n n die N a t u r aller M e n s c h e n sei bereits heilvoll verändert dadurch, daß der Sohn G o t t e s selbst M e n s c h geworden sei und so dem ganzen „Menschheitsteig" (φύραμα) seine eigenen Kräfte mitgeteilt, für ihn Sünde, T o d und Teufel ü b e r w u n d e n habe. Dies korporative, oft „physisch" genannte Verständnis der E r l ö s u n g durch Christus®' läßt Heiligung, Vergöttlichung und ewiges L e b e n des einzelnen nur als b e w u ß t e A n e i g n u n g des vorgegebenen Heils auffassen. E s ist allerdings unübersehbar, daß dort, w o es u m den E i n b e z u g des einzelnen selbst geht, g r o ß e r R a u m nicht nur der Aktivität des Menschen, sondern auch daraus abgeleiteten A n s p r ü c h e n gegen G o t t gegeben wird^®. D a r i n ist nicht zuletzt der V e r s u c h zu sehen, ein Korrektiv gegen mechanistische F o l g e rungen aus der korporativen Erlösungslehre aufzustellen®!. D o c h w e c k t dies N e b e n e i n a n d e r zweier Ebenen®^ F r a g e n - F r a g e n übrigens, die nicht nur von außen herangetragen werden, sondern bei Vertretern dieser Sicht selbst anklingen®^. Hinsichtlich der Beiträge des Patriarchen Jeremias gilt das nun u m so mehr, als er den genannten christologischen R a h m e n der Soteriologie z w a r voraussetzt, aber kaum thematisiert®"·, so daß seine Aussagen über Aktivität und A n s p r u c h des M e n s c h e n weitgehend ungeschützt auftreten. Insofern geht es "

Schindler, Gnade 194.

s« Baur, Salus 17.

Zu dieser Konzeption vgl. Pannenberg, Grundzüge 33 f. 165; Seeberg, Dogmengeschichte II 71 ff.; Hübner, Einheit, erweist anhand der Theologie Gregors von Nyssa die Problematik des Begriffs „physisch" in diesem Zusammenhang, aber nicht der korporativen Deutung (diese s. auch hinsichtlich der Theologie Athanasius' und Irenaus' 257 ff. 303 ff.). Die Differenz zwischen Aussagen korporativer Art und solchen, die auf den geistig-geistlichen Weg des Individuums zielen, bei Gregor läßt sich allerdings nicht einfach als Unterschied zwischen Bildern und überkommenen theologischen Vorstellungen einerseits und eigener Intention andererseits erklären (s. z . B . 101 ff. 174f. 187. 199f., vgl. a. 199, Anm. 152), sondern weist auf ein Sachproblem (so angedeutet 172). Indessen scheint es kein Zufall zu sein, daß gerade Gregor von Nyssa, der den Gedanken der korporativen Erlösung z . T . stark zurücknimmt, an anderer Stelle die Eigenaktivität des Menschen für sein Heil relativiert: in der Vorstellung des unendlichen Fortschritts auf G o t t hin (zu dieser Relativierung des „Synergismus" bei Gregor s. Langerbeck 8 6 f . ; Mühlenberg, Synergism 103. 118f.). S.u.S.236f. A. Schindler, Das Wort „Gnade" und die Gnadenlehre bei den Kirchenvätern bis zu Augustin, in: Gnadenwahl und Entscheidungsfreiheit 57; s. a. ders., Gnade 194 f. Die Betonung von Entscheidungsfreiheit und eigener Aktivität hat insofern hier eine ähnliche Funktion gehabt wie ursprünglich gegenüber dem Determinismus dualistischer Systeme. " Das Nebeneinander dieser Ebenen entspricht der Tatsache, daß Sohn und Heiliger Geist nicht mehr unmittelbar aufeinander bezogen werden - auch in der Ö k o n o m i e (s. o. S. 2 2 0 - 2 2 2 ) ; so weist der Geist nicht mehr auf den Sohn zurück. ' ' Vgl. u. S. 308 zur Frage der Erlösungsgewißheit. Rückbezogen werden bei Jeremias die Aussagen über das Leben des Christen auf die Christologie, wo es um das Abendmahl geht, was aus der Natur der Sache folgt, aber noch dadurch verstärkt wird, daß der Patriarch in dem längsten einschlägigen Stück, der Antwort auf C A 13, Nikolaos Kabasilas zitiert, für den das „Leben in Christus" durch die Mysterien gebildet wird (DkS I 471 ff., s. o. S. 182f.; vgl. a. D k S II 459 [539]).

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nicht nur ZU Lasten der Tübinger, daß Jener Rahmen nicht in ihren BHck tritt. Aber sie unternehmen eben auch von sich aus keinen Versuch, ihre eigene Behauptung, in der Christologie herrsche zwischen beiden Briefpartnern Ubereinstimmung, für die Soteriologie im engeren Sinn fruchtbar zu machen^®. So verhindern sie nicht nur, daß Aussagen über das Verhältnis von Christus und Christen im Glauben für den Briefwechsel Bedeutung gewinnen können, in denen die lutherische Theologie eine der griechischen Tradition sehr nahe Sprache spricht^®. Vor allem wird der immer wieder vorgetragene Anspruch, nur die reformatorische Rechtfertigungslehre werde der soteriologischen Souveränität Gottes gerecht, die in der - als gemeinsam vorausgesetzten Christologie impliziert sei, in keiner Weise mit den zwar spärlichen, aber doch vorhandenen christologischen Passagen des Briefpartners und der dahinterstehenden altkirchlichen Konzeption vermittelt, wodurch es wenigstens zum Streit um jenen Anspruch hätte kommen können. So erweckt das ganze Kapitel den Eindruck, die Standpunkte seien so hoffnungslos der gemeinsamen Anknüpfungspunkte bar, wie es nach den beiderseitigen Möglichkeiten denn doch nicht zwingend gewesen wäre. a) Von der Freiheit des Willens Das Thema dieses Kapitels hätte ebensogut „von der Sünde" heißen können, denn es geht hier gleichermaßen um die in C A 2 wie die in C A 18 angesprochenen Fragen. Da die Antwort des Patriarchen auf C A 2 aber fast vollständig zu einer Abhandlung über die Taufe geworden ist®'', stellen die Tübinger die unterschiedhchen Ansichten über die Sünde erst anläßlich des Artikels „vom freien "Willen" fest. Unmittelbar dazugehörig sind in Jeremias' erstem Schreiben der Kommentar zu C A 19 und im gesamten Briefwechsel die einschlägigen Aussagen der Kapitel über Glauben und gute Werke. Eine entscheidende Weichenstellung, die zugleich ein Indiz für die dann ausdrücklich hervortretenden Differenzen ist, ergibt sich gleich zu Beginn der Auseinandersetzung: Dort machen die Tübinger deutlich, daß ihrer Meinung nach für die Antwort auf die Frage nach der Freiheit des Willens ausschlaggebend ist, um welchen Status des Menschen es geht, um den Stand zwischen Sündenfall und Bekehrung zum christlichen Glauben oder nach der Bekehrung^®. Den Patriarchen interessiert diese Abstufung im Zusammenhang der S.O.S. 208 ff. " Es handelt sich z . B . um das Motiv des „fröhlichen Wechsels" und um Aussagen im Zusammenhang der Deutung des Todes Christi als „sacramentum" - beides kann nur „auf dem Boden der patristischen, wir können sagen mystischen Erlösungslehre verstanden werden" (E. Iserloh, Luther und die Mystik, in: Kirche, Mystik, Heiligung 80, vgl. a. 71). Die - ebenfalls spärlichen christologischen Aussagen der Tübinger halten sich fast ganz in imputativem Rahmen. S.O.S. 167f. Acta 162f., s. a. 373; vgl. F C SD II, B S E L K 870f., 2.

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Frage nach der Willensfreiheit nicht; er spricht von Vermögen und Betätigung des Willens vor und nach der Bekehrung in bunter Mischung. In diesem Vorgehen beider Seiten zeigt sich bereits, daß sie den Bruch, den der Sündenfall einerseits, die Bekehrung andererseits für die Menschen bedeutet, unterschiedlich beurteilen. Den Tübingern gilt als die Instanz, die er vornehmlich betrifft, der Wille. D a r u m müssen sie gerade dort, wo vom Willen die Rede ist, die Abgrenzung der Status' besonders deutlich durchführen. Für den Patriarchen dagegen schlägt diese Abstufung im Zusammenhang mit dem Problem der Willensfreiheit nicht zu Buche, weil für ihn nicht der Wille Gegenstand der Veränderung durch Sünde und Gnade ist. D . h . konkret: Wichtigstes Anliegen des Patriarchen in seinen Kapiteln zum Thema „freier Wille" ist es, die Kontinuität der menschlichen Freiheit zu erweisen, Freiheit verstanden als Möglichkeit der Wahl (αίρείσ^αι) zwischen G u t e m und Bösem ( ά γ α θ ό ν καί φαϋλαν)®'. Sie bestehe von der Schöpfung bis zur Erlösung, so daß „nichts den Menschen daran hindert, sich auch nach dem Sündenfall vom Bösen abzuwenden . . . und das Gute zu tun und das Edle zu wählen, weil er den freien Willen (τό αύτεξούσιον) hat"''°. Unaufhörlich wiederholt Jeremias diese Aussage; keine theologische Theorie, keine Schriftexegese dürfe dem Axiom der Willensfreiheit zuwiderlaufen'^!. U n d wo die Bibel es offenbar tut, indem sie alles G u t e auf Gott zurückführt, handele es sich nur um einen scheinbaren Widerspruch, in Wirklichkeit bringe sie hier rhetorische Redeweisen oder indirekte Warnungen vor Überheblichkeit vor^^^. Im übrigen beweise gerade die Schrift die Freiheit des Willens, indem sie unermüdlich zu rechtem Handeln auffordere'^. Es stellt sich die Frage, wie in diesem Rahmen Sünde und Erbsünde zu verstehen sind. Erstere scheint sich auf die gelegentliche Betätigung der Freiheit am falschen O b j e k t zu reduzieren, von letzterer kann offenbar trotz der Zustimmung zu C A 2 mit den Worten, auch nach griechischer Auffassung sei „jeder Mensch der Sünde des Stammvaters verfallen"·^·*, keine Rede sein. Der Patriarch hat indessen noch mehr zu diesem Thema vorzubringen. Er fragt sich, wie es denn überhaupt dazu komme, daß der Mensch Schlechtes wählt und so dem Gebot Gottes ungehorsam ist. Die A n t w o r t lautet, „der

DkS II 450 [530]. Ibd. 487 [567]. Ibd. I 483f. Wenn es z.B. in der Bibel heiße, der Mensch sei böse von Jugend an (Gen 8,21), müsse das so verstanden werden, daß hier eine hebräische Formulierung vorliege, in der ethische Verantwortlichkeit durch einen Begriff für natürliche Gegebenheiten bezeichnet werde, weil der Mensch faktisch von Beginn des Lebens an immer das Böse wähle ('Αλλ' ο υ δ έ τό ΰ π ό Μωϋσέως ρηθέν [sc. Gen. 8,21] άναιρεί δλως την αϊρεσιν τοϋ καλοϋ . . . Ό δέ Ε β ρ α ί ο ς άντί τοϋ επιμελώς, έθετο φυσικόν τοϋ α ν θ ρ ώ π ο υ έπΙ τά π ο ν η ρ ά έκ νεότητας αϋτοϋ. (ibd. II487 [567]). " Ibd. 1483 f. " Ibd. II 487 [567]. 1484. Ibd. 448 (vgl. о. S. 168).

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Ungehorsam [sei] gar nicht direkt Objekt seiner Wahl" (το τον α ν θ ρ ω π ο ν μή ύπακοϋσαι . . . ού κα·&' έαυτό . . . ήν έκείνφ -θελητόν), vielmehr gehe er zurück auf „Unordnung" (άταξία) im Willen selbst·^®. Diese Unordnung bestehe darin, daß die Vernunft (λογισμός), die eigentlich die Leidenschaften (πάθη) beherrschen sollte''®, keine Kontrolle darüber habe. D.h., bevor der Mensch überhaupt etwas Konkretes will, ist er bereits durch die „Unordnung" bestimmt (πρώτον . . . ών ή-9-έλησεν ατάκτως ήν)''''. Sie stellt selbst ein Übel (φαϋλον) dar, zwar nicht aktuell (ού κατ' ένέργειαν), doch potentiell für den Fall bestimmter Willensregungen; dieses Übel sitzt - als Akzidenz (συμβεβηκός), nicht als Bestandteil seines Wesens - in der Natur des Menschen (εμφυτον)''®: Es ist die psychosomatische Verfassung (διάθεσις), in deren Rahmen die vernünftige Seele (νοερά ψυχή) tätig wird, so wie die Sonne ihre Strahlen durch dünnere oder dichtere Luft sendet, nämlich das auf die jeweilige Mischung der Elemente im Körper zurückgehende Temperament des Menschen''®. Manche Temperamente bieten eine günstigere, andere eine weniger günstige Ausgangsposition für ein gutes, tugendhaftes Leben, so ist z.B. der Widerwille gegen Sexualität gut für die Enthaltsamkeit; doch keines ist Tugend in sich, vielmehr kommt es darauf an, wie der Wille mit dem vorgegebenen Material arbeitet^®. Wenn also vorgegebene Veranlagungen auch eine gewisse Rolle spielen, bleibt hauptverantwortliche Instanz für gutes und böses Handeln doch die jeweilige konkrete Wahl®^. Niemand soll die Ursprünge der eigenen Schuld an anderer Stelle suchen als in den Verfehlungen seines Willens®^. Kurz, wenn jemand das Gute nicht tut, dann deshalb, „weil du nicht willst, nicht, weil du nicht kannst" (επειδή μή θέλεις, ουκ έπει μή δύνασαι)®^. An anderen Stellen, besonders wo er von der Erlösung durch Christus, von der Gnade spricht, sieht Patriarch Jeremias die Wirkung der Sünde sehr viel

•'S Ibd. II 451 [531].

Ibd. 486 [566].

" Ibd. 451 [531]; die Adverbialkonstruktion ατάκτως είναι, „auf unordentliche Weise sein", ist m. E. nur so zu verstehen. Was das vorangegangene, nicht identifizierte Augustinzitat (vgl. o. S. 200 Anm. 30), „daß der Mensch wegen einer anderen früheren Sache" oder „wegen einer anderen Sache früher„ (ότι ó ά ν θ ρ ω π ο ς δι' άλλο τι πρότερον) bedeutet, ist unklar - im Kontext soll es offenbar aussagen, daß der Mensch aus einem anderen, früheren Grund, nämlich wegen der sündigen Unordnung im Willen, ungehorsam sei. Augustins Verständnis dieses „Früheren" und das in den folgenden Zitaten Ausgeführte unterscheiden sich allerdings grundlegend. ™ Ibd. Ibd. Ibd. Ein gewisses Eigengewicht haben auch einmal geschehene böse Taten, indem sie im Menschen eine Verfassung (δίάθεσις) hervorbringen, die die Wiederholung entsprechenden Verhaltens begünstigt und die Wahl des Guten erschwert (ibd. 1484; II 486 [566], ein Gedanke, der sich schon in der antiken Philosophie findet (s. Dihle, Das Problem der Entscheidungsfreiheit, in: Gnadenwahl und Entscheidungsfreiheit 11)). Auch diese psychologische Gesetzmäßigkeit zerstört aber die Wahlfreiheit nicht. 81 D k S I I 4 5 1 [ 5 3 1 ] . Ibd. 486 [566]. " Ibd. 1486.

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einschneidender. Er bestimmt sie dort als eine Hemmung im Menschen, die dem Willen die Durchführung seiner Ziele nicht nur erschwert, sondern unmöglich macht. Es sind vornehmlich vier Stichworte, unter denen er die verhängnisvolle Wirkung der Sünde abhandelt: Knechtschaft, Verschmutzung, Krankheit und Schuld. Durch den Sündenfall ist der Mensch Sklave (δούλος) seiner Triebe geworden®", geradezu in eine babylonische, ägyptische Gefangenschaft geraten®^, aus der er sich nicht selbst befreien kann, weil seine „Natur mit schÜmmer Fessel gebunden ist"®® - ein Zustand, der dadurch noch verschlimmert wird, daß der Teufel und seine Geister ihn sich zunutze machen®''. Durch die Versklavung unter die triebhaften Elemente der Seele ist der Sünder zugleich abhängig von den materiellen Dingen (ΰλη, τά υλικά), die die Triebe zu ihrer Befriedigung brauchen®®. Dadurch setzt er sich der Verunreinigung (μολυσμός, μ ο λ υ ν ^ ναι, χραίνεσθαι u.ä.) aus®® und wird den Tieren gleich'^. Das gilt bereits für Gedanken und W ü n s c h e ' S ein Aspekt, der der hesychastischen Tradition, von der Jeremias wohl zumindest auch beeinflußt ist'^, besonders am Herzen liegt®'. Insofern die Verfallenheit an die Triebe, die Unfähigkeit des vernünftigen Willens, sich gegen sie durchzusetzen, ein Zustand ist, an dem der Sünder leidet, ohne ihn abschütteln zu können,läßt sich die Sünde als Krankheit (νόσος) bezeichnen, ein Verständnis, das besonders im Zusammenhang mit dem Sakrament bzw. Mysterium der Buße eine Rolle spielt®''. Das vernunftgemäße Leben, an dem diese Knechtschaft, Verschmutzung, Krankheit den Menschen hindert, entspricht nicht nur seinem Wesen, sondern es ist auch Vorschrift Gottes, des göttlichen Gesetzes (έντολή, νόμος)®®. Sünde bedeutet damit: vor Gott schuldig (έπεΰθυνος, κατάθικος) sein®®, seinen Zorn erregen®·'. Deshalb verdirbt sie nicht nur das gegenwärtige Leben, sondern führt auch zur ewigen Verdammnis®®. O b nun Jeremias, je nach Kontext, die Macht der Sünde mehr oder weniger stark betont, jedenfalls gibt es für ihn keinen Zweifel daran, daß eine Instanz im Menschen ihr nicht unterliegt: der Wille. Gerade in Versklavung, VerunreiniIbd. 488. Ibd. Ibd. II 453 [533]. β·' Ibd. 1 488; II 453 [533]. Ibd. I 487. Z . B . 456. 488. 498 (πάντα . . . τα ò t à πάθους γινόμενα λυμαίνεται πως Tfj της ψυχής καθαρότητί). Ibd. 488 f. Ί Ibd. 498; 488f.; II 453 [533] u.a. « S. u. Anm. 174. " Vgl. Hausherr, La Méthode. " Z. B. DkS 1465, s. u. das entsprechende Kap. « Z . B . DkS I 452. 453; II 453 [533] u.a. Ibd. I 452. 454. 'Mbd.452. " I b d . u.a.

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gung, Krankheit zielt er auf ein vernunftgemäßes, reines, heiles Leben und läßt den Menschen darunter leiden, daß er die hindernden Mängel nicht oder nur punktuell aufheben kann. Infolgedessen ist in der Ausrichtung des Willens Kontinuität zwischen dem vorchristlichen Dasein und dem des Christen gegeben: Seit der Taufe ist es ihm möghch, das zu verwirklichen, worauf er immer schon gezielt hat. Denn seitdem empfängt der Mensch die Gnade, die all das leistet, was er selbst nicht vermag (τα ουκ έφ' ήμϊν)®'. Sie wirkt nicht als Zwang (άνάγκη, sie braucht es Ja auch nicht, da sie möghch macht, was er schon selber will. Vielmehr begegnet sie ihm zunächst als Angebot^"^; nun ist es seine Sache zu wählen oder abzulehnen - „die Gnade geht voraus, heißt es . . ., unsere Wahl aber folgt, weil es keinen Zwang gibt"(πρoηγεïσ•θαι μεν αύτη [sc. ή χάρις] λέγεται . . . επεσθαι δέ . . . την ήμετέραν προαίρεσιν δια το μη έπαναγκάζειν), so wie der Mensch seine Augen vor dem Licht verschließen oder sie ihm öffnen kann ; Beispiele sind Johannes der Täufer und Herodes, die von derselben Ausgangslage aus gegensätzliche Wege gewählt haben^"^. Wie der Beginn des christhchen Lebens von Gnade und freiem Willen gemeinsam getragen wird, so ist auch seine Fortsetzung ein Prozeß der Zusammenarbeit (συνεργεϊν)^®^, der Bundesgenossenschaft (συμμαχία)^'"' von Gott und Mensch. Wer behauptet, ein Mensch werde Christ allein durch die Gnade Gottes, oder er hätte vor der Bekehrung nicht ebenso das Gute wie das Böse wählen können, der erklärt Gnade und Sünde für Zwang und Tyrannei^"®. Damit aber hebt er das Menschsein des Menschen, die Schöpfung Gottes selber auf. Denn der Mensch ist im Unterschied zum Tier geschafffen als Bild (εικών) Gottes, d.h. als vernünftiges (λογικός) Wesen^°®. Zur Definition dieses Wesens gehört es, nicht unveränderhch und fertig zu sein, sondern sich zu einem Idealzustand weiterzuentwickeln, zur Gottähnlichkeit (όμοίωσις θεού); Träger der Entwicklung aber, die in der immer stetigeren und leichteren Beherrschung der Leidenschaften, dem immer stetigeren und leichteren Gehorsam gegenüber dem Gebot Gottes besteht, ist der Wille^"''. Seine Eigenaktivität für die Gewinnung des Heils ist also anthropologisch unerläßhch. Gott hat die Menschen so geschaffen, daß sie selbst „Hersteller ihrer Gottähnhchkeit" (έργάτας . . . της προς Θεόν όμοιώοεως) seien, „damit nicht das Gelingen der Gottähnlichkeit einem anderen Ruhm bringe" (ϊνα μη τα της ήμετέρας όμοιώοεως άλλω επαινον φέρη)!"®. Wenn alles von Gott empfangen würde, „welcher Dank bhebe dann mir" (ποία χάρις έμοί)^°'? Nein, „das Wunderwerk soll mein

" lo» lö^ »»•t

Ibd.II452[532]. Ibd. I 4 8 6 u.a. Ibd. II 451 [531]; s. a. 452 [532]. Ibd. 1449. 451. Ibd. II 452 [532]. 486 [ 566]. Ibd. 487 [567].

1»! Ibd. Z.B. ibd. Ibd. II450 [530];I486. Ibd. 486 [566]; s. a. 452 [532]. 1»' Ibd. 452 [532].

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eigenes und nicht ein fremdes sein" (αυτό το θαύμα έμόν γένηται και ουκ άλλότριον)ΐιο. Deutlicher als in diesen letzten Zitaten kann der Gegensatz zu den Aussagen der Tübinger kaum hervortreten. Bei ihnen heißt es umgekehrt: Zu bewundern gebe es nichts als die Güte Gottes gegen uns (admiranda Dei in nos bonitas)^"; ihm allein gehöre aller Ruhm: tota laus Deo, non autem homini . . . debeaturii^; tribuamus Deo gloriam, quod ille solus sit author nostrae . . . salutis"^. So sehr Jeremias betont, in allen theologischen Aussagen müsse die EigenverantwortUchkeit des Menschen für sein Heil oder seine Verdammnis berücksichtigt und sein Verhalten dementsprechend gepriesen oder verurteilt werden, so axiomatisch halten die Tübinger dagegen, es könne keinen theologischen Satz geben, der die Rettung des Menschen nicht allein auf Gott, auf seine Gnade (sola gratia) zurückführe. Demgemäß widersprechen sie dem Patriarchen hinsichtlich des Willens und der Sünde. Es verhält sich in ihren Augen nicht so, daß der Wille, auf der Grundlage freier Entscheidungsmöglichkeiten, mehr oder weniger häufig Sünde bewirkt, indem er das Böse wählt; vielmehr ist er - und das bedeute Erbsünde - selbst sündig und kann darum gar nicht umhin, Böses zu wählen: Seit dem Fall hat der Mensch die Möglichkeit, sich frei zu entscheiden, verloren; seine ganze Gesinnung ist nun verdorben (tota mens depravata) nicht nur, die Wahl des Guten erschwerend, in Unordnung oder schwach, und daher ist er außerstande, etwas Positives zu tun, ja überhaupt etwas Positives zu wollen Er trachtet nun allein nach dem Bösen^^'^. Von Beherrschung der Leidenschaften kann keine Rede sein, der Mensch hat die Gottebenbildlichkeit verloren und trägt nur noch das Bild des Sünders Adam"®. Kurz, der Wille ist in Hinsicht auf die Wahl des Guten schlicht als tot einzuschätzen^!'. Das biblische Gesetz bietet keinen Gegenbeweis, vielmehr dient es dazu, daß der Mensch seine Sündigkeit erkennt, weil er das dort Geforderte ganz offensichtlich gar nicht erfüllt^^®; wem der Kontrast zwischen Forderung und Leistung nicht deutlich ist, der nimmt entweder das Gesetz nicht ernst, oder er kennt die Schlechtigkeit der Menschen nichti2i. Ist Sünde nicht diese oder jene Entscheidung zum Bösen, sondern die verkehrte Ausrichtung des Entscheidungsorgans Wille selbst, muß die Bekehrung zum Christen ihn betreffen, ihn gleichsam umdrehen; er selbst kann sich gerade nicht dazu entscheiden, ebensowenig, wie ein Toter sich selbst auferwecken kann^^^. Vielmehr stellt er nichts dar als die Materie, an der dieser Vorgang Ibd.487[567]. Acta 165. "Mbd.300. Ibd. 296; s. a. 163. " M b d . 2 9 6 . 373. Ibd. 163f. 300. Ibd. 374.

"Mbd.301. " " Ibd.297u,a. Ibd. 163. 296. " β Ibd. Ibd. 296. Ibd. 300; s.a. 302. 163

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vollzogen wird; tätig dabei ist allein Gott, der Heilige Geist: ea [sc. voluntas] . . . non habet in conversione hominis rationem causae efficientis, sed est materia subiecta, in quam Spiritus Sanctus . . . agit^^^, fassen die Tübinger den Gegensatz zwischen ihrer Lehre und der der Griechen in aristotelischen Termini zusammen. Wenn sie dennoch mit den Briefpartnern darin übereinstimmen, daß die Bekehrung keine Gewaltmaßnahme Gottes sei^^'·, dann wegen des Mediums, durch das sie vor sich gehen soll: per ministerium verbi divini^^^. Man könnte meinen, daß der Wille, wenn er sich schon vor der Bekehrung auf nichts Gutes zu richten vermöge, jedenfalls das Leben des Christen rundherum positiv bestimme. Doch auch jetzt ist die Sünde noch zu stark, als daß umfassende Freiheit in Wollen und Durchführung (perficere) möglich wäre. Der Mensch kann sich zwar nun zum Guten entscheiden, doch seine Entscheidung in die Tat umzusetzen, vermag er von sich aus nicht, wie Rom 7, im Gefolge Luthers auf das Leben des Wiedergeborenen gedeutet, zeigt^^®. Und selbst der neue Wille muß noch unaufhörlich von Gott gestützt werden^^^. Der Christ ist wie ein Kind, das zwar selbst läuft, doch es nur an der Hand des Vaters tun kann und ohne sie zu Boden fällt^^®. Insofern gilt für ihn das Pauluswort, daß Gott beides bewirke. Wollen und Vollbringen (Phil Unter dieser Differenz zwischen den Aussagen der Griechen und der Tübinger liegt ein tieferer Gegensatz; er zeigt sich daran, daß der Patriarch ein weiteres Unterscheidungsraster der Briefpartner nicht teilt, ja im Grunde auch gar nicht versteht: die Unterscheidung zwischen Willensfreiheit in rebus externis und in rebus spiritualibus^^" oder, mit den Worten der Confessio Augustana, im Rahmen der „bürgerlichen Gerechtigkeit" (iustitia civilis) und der „der Vernunft unterworfenen Dinge" (res rationi subiectae) einerseits und der „geisthchen Gerechtigkeit" (iustitia spiritualis) andererseits^^!; ¿jj^ ersten Fall sei der Wille frei, im zweiten nicht. Die CA Graeca macht hier, im Anschluß an den deutschen, nicht an den stark formelhaften lateinischen Text des Bekenntnisses in seiner Erstfassung ganz plastisch deutlich, worum es sich bei dieser Unterscheidung handelt: Während die Herrschaft der Vernunft sich auf Probleme des Arbeitsalltags und die bürgerUche Gerechtigkeit sich auf das zwischenmenschliche Zusammenleben, die Befolgung der hierfür notwendigen Regeln bezieht, betrifft die geisthche Gerechtigkeit das Verhältnis zu Gott, die Frage nämlich, „ob [sc. der Mensch] Gott wohlgefäUig (άπόδεκτος) werden und ihn aus ganzem Herzen lieben und

Ibd.301. 124 Ibd. 296. 1 " Ibd. 301 (s. u.). i^Mbd. Ibd. 301 f. "β Ibd. 302. Ibd.301. Ibd. 162f. 296. 373; vgl. Apologie 18, BSELK 311 f., 4. 7; F C S D II, BSELK 8 7 9 - 8 8 3 , 1 9 - 2 6 . C A 18, BSELK 73,1 f.

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fürchten und an ihn glauben und die angeborenen Begierden ohne Gesetz und Ordnung aus dem Herzen werfen könne" D . h . , der Wille, dessen Unfreiheit hier behauptet und dem vollständige Verkehrung und Unfähigkeit zum Guten zugeschrieben wird, betrifft gar nicht die Wahl und Durchführung dieser oder jener Tätigkeit - darin gilt er den T ü bingern nicht weniger denn dem Patriarchen als frei. Er betrifft vielmehr die Beziehung, in der der Mensch in all seinem Handeln „vor" (εναντίον / ενώπιον / εμπροσθεν) Gott^^^, das Geschöpf vor dem Schöpfer steht, vor der Instanz also, der er Verantwortung für sein Leben schuldet. Daran, ob er sich so verhält, daß er hier als „wohlgefällig" angesehen wird oder nicht, entscheiden sich für ihn Heil und Unheil - bestimmungsgemäßes oder verfehltes Leben auf Erden, ewige Seligkeit oder Verdammnis im Jüngsten Gericht. Diese Stellung als verantworthches Gegenüber Gottes nennen die Tübinger wie die C A Variata Person (persona / άνθρωπος) - Sein vor Gott^^". Indem die Lutheraner dem Menschen als „Person", in der für sein Heil entscheidenden Stellung „vor G o t t " die Willensfreiheit absprechen, sie ihm im Bereich der Arbeit und des gesellschaftlichen Handelns aber durchaus zugestehen, nehmen sie eine Differenzierung vor, die Patriarch Jeremias fremd ist. Das zeigt seine Kritik an den Aussagen der Confessio Augustana über Freiheit und Unfreiheit hinsichtlich der iustitia civilis und der iustitia spiritualis: Die Sätze darüber, was in der Macht des Menschen stehe (τα εφ' ήμίν), seien in Ordnung, zu der Behauptung, niemand könne ohne Gottes Hilfe und Gnade gerettet werden, habe er aber Einwände vorzubringen"^. Einwände, die dann auf die bereits angeführte Forderung nach Zusammenarbeit von freiem Willen und Gnade hinauslaufen. D . h., Jeremias' Meinung nach müßten die Lutheraner ihre Rede vom Willen hinsichtlich der iustitia spiritualis an ihre Aussagen über die iustitia civilis angleichen, denn wenn es für ihn auch einen Unterschied zwischen den Durchführungsmöglichkeiten hier und dort gibt, wonach man im ersten Fall der Gnade bedürfe, so sei die Freiheit des Willens, das Richtige zu wählen, doch immer dieselbe. Das Problem, wie der Mensch „vor G o t t " steht, „Person" ist, „wohlgefällig" oder abgelehnt, müsse sich also wie die Frage nach seiner Stellung im innerweltlichen Bereich daran entscheiden, ob er seine Freiheit richtig gebraucht und in die Tat umsetzt. Wie kommen die Tübinger dazu, eben dies zu bestreiten? Die Antwort liegt in ihrer Lehre vom „Gesetz" (lex/vóμoς)lз®. Der Mensch sieht sein Leben von der Forderung bestimmt, gut zu handeln, „gute Werke" zu tun; sie begegnet konkret in den ethischen und rehgiösen Normen seiner Umwelt, auf ihren Kern zurückgeführt und klassisch formuliert im Dekalog^^^; die Gültigkeit jener A c t a 16. Ibd. 165. 166. 167. 3 0 3 . 3 0 4 . 3 0 5 u . a . " " Ibd. 3 0 7 , vgl. C A G r . 2 0 , ibd. 2 2 ; zu diesem Begriff bei L u t h e r s. Ebeling, L u t h e r 166 ff. DkS I 483. Acta 307f.

Ibd. 166.

240

Der Briefwechsel

Forderung aber ist damit gegeben, daß er ein Gewissen (conscientia) hat, das ihn ununterbrochen zwingt, vor sich selbst über sein Tun Rechenschaft abzulegen. Dies sich im Gewissen meldende Verantwortungsbewußtsein zeigt an, daß der Mensch nicht als Herr über sein eigenes Leben verfügt, es ist Ausdruck der Grundtatsache, daß er Geschöpf Gottes und ganz und gar von ihm abhängig ist. Im Gewissen steht er also als „Person" vor Gott, in der Forderung des Gesetzes nach guten Werken äußert sich der Anspruch des Schöpfers selbst"®. Deshalb bietet es auch nur unter der Bedingung umfassender Erfüllung die Garantie der Annahme durch Gott. Umfassende Erfüllung heißt vor allem vollkommene Liebe Gott gegenüber^^^. Dementsprechend besteht das Gegenteil des Geforderten, die Sünde, an seiner Wurzel auch nicht in dieser oder jener Übertretung eines einzelnen Paragraphen, sondern betrifft ebenfalls das Verhältnis zu Gott, es ist „Personsünde"^''®: ein Leben ohne Liebe^'", Furcht und Vertrauen Gott gegenüberi'^^, in Abkehr von ihm und Verachtung seiner^''^. Diese Aussagen lassen sich, jedenfalls als Beschreibung der allgemeinmenschlichen Situation und nicht nur von Sonderfällen, gar nicht ohne weiteres nachvollziehen. Sie sind mit ihrem Anspruch auf Allgemeingültigkeit nur zu verstehen als Kennzeichen des Lebens unter dem Gesetz als solchen. Denn„Leben unter dem Gesetz" bedeutet, unterhalb aller konkreten Ausformungen, Leben in einer Bedingungsordnung: Das Verhältnis zu Gott hängt davon ab, ob der Mensch bestimmte Bedingungen erfüllt. N u n ist aber mit dem Bestreben, etwas - Anerkennung, Zuwendung, Belohnung u.ä. - zu erreichen, indem man Bedingungen erfüllt, per definitionem gegeben, daß die Anliegen der eigenen Person im Vordergrund stehen. Liebe und vollkommene Hingabe, ob gegenüber Gott oder dem Nächsten, lassen sich so gar nicht v e r w i r k l i c h e n - wer es versucht, bleibt in seinem Bemühen um Vorschriftsmäßigkeit und entsprechender Selbstbeobachtung unumgänglich bei sich selbst, statt allein am Gehebten orientiert zu sein. D . h . , ausgerechnet in dem Bestreben, der Forderung nach Vollkommenheit in Liebe, Vertrauen und Gehorsam gegenüber dem Schöpfer gerecht zu werden, äußert sich die Selbstbehauptung, die Abkehr von ihm und Verachtung seines umfassenden Anspruchs. Diese strukturelle Sünde, die das Leben unter dem Gesetz als solches kennzeichnet, führt dann auch zu konkreten Verstößen gegen seine einzelnen Vorschriften - Handeln aus dem Willen zur Selbstbehauptung heraus wirkt sich aus in ichbezogenen Taten, die verkehrte „Person" bringt schlechte „Werke" hervor, der faule Baum trägt faule Früchte. Die Tübinger führen diese Zusammenhänge nicht aus, setzen sie aber voraus, vgl. dazu Ebeling, Luther 131-133.149-51. " 9 Acta 308. Peccatum personale, s. F C Epitome I, B S E L K 7 7 4 , 2 0 ; S D I, B S E L K 861,23. Acta 308. S.CA2/CAGr.2. S . C A 1 9 / C A G r . 19. " " Acta 308f. (zitiert u. S. 247f., Anm. 224).

Die theologische Auseinandersetzung

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Eine Lösung des Dilemmas könnte es nur geben, wenn der Mensch befähigt würde, G o t t zu lieben und zu gehorchen, ohne dadurch seine Anerkennung gewinnen zu wollen. M . a . W . , da er die Lösung ebensowenig selbst zu leisten vermag, wie man sich am eigenen Schöpf aus dem Sumpf ziehen kann, es müßte ihm die Anerkennung von außen, von G o t t selbst geschenkt werden, er seinerseits dabei ganz abhängiger Empfänger sein. Das geschieht im Evangelium, welches Glauben schafft und so die Umorientierung der Person bewirkt!·*^. Es ist deutlich, daß sich die Rede vom „eigenen R u h m " hier und vom „Ruhm Gottes allein" dort nicht auf rhetorische Überspitzungen reduzieren läßt, sondern einem grundlegenden sachlichen Gegensatz entspringt. Gerade das, worin nach Patriarch Jeremias der Mensch sein schöpfungsmäßiges Ziel erreicht, in der freien Verwirklichung seiner eigenen Würde gegenüber G o t t , hegt für die Tübinger der Inbegriff der Sünde; was sie dagegen als Sinn menschhchen Lebens betrachten, die vollkommene Hingabe und Anerkennung der eigenen Abhängigkeit von G o t t , sieht er als Aufhebung dessen an, was den Menschen zum Menschen macht^"^. Dementsprechend leuchtet Jeremias das Verständnis des Gesetzes bei den Tübingern nicht ein. Es ist für ihn eine Ausprägung der zwischen G o t t und Mensch ein für allemal herrschenden Bedingungsordnung, der in Evangelium und Gnadenhilfe eine andere Ausprägung gegenübersteht^'*^, nicht aber das Bedingungsgefüge an sich, das mit dem Evangelium an sein Ende käme. U n d dementsprechend findet der Patriarch es in keiner Weise einsichtig, daß die Frage nach dem menschlichen Willen die Art der Beziehung zu G o t t betreffen soll, innerhalb deren der Mensch handelt, und nicht einfach dies Handeln selbst. D a n n aber muß die Behauptung unsinnig erscheinen, der Wille könne kein Kontinuum auf dem W e g von der Sünde zur Gnade sein, er selbst, die Ausrichtung der ganzen Person müsse von G o t t „umgedreht" werden. Vielmehr kann es dann allein um die Verwirklichung dessen gehen, worauf schon immer sein eigentliches Streben gerichtet war. b) Glaube,

Gnade und gute

Werke

Für den Christen seien sowohl der Glaube als auch gute W e r k e unerläßlich das betonen beide Briefpartner übereinstimmend. D o c h unterstellt Patriarch J e remias den Tübingern, ihre Position laufe de facto darauf hinaus, daß sie die Notwendigkeit guter W e r k e leugneten. Mit diesem Vorwurf, geäußert gegen CA Gr setzt die Diskussion über das Thema ein, und er bildet den Cantus firmus der griechischen Beiträge dazu während des ganzen Briefwechsels^''^. S. u. b). 1·*' S. o. S. 236 f. Die Verwandtschaft dieser Aussagen mit solchen der griechischen Philosophie ist natürlich mit Händen zu greifen (vgl. o. Anm. 43). Vgl. D k S II 453 [533]. 1"» Ibd. 1 4 4 9 . Bezeichnend ist, daß Jeremias mahnende Bemerkungen in diesem Sinn immer wieder in zitierte Texte einfügt, z . B . D k S I 448: καί τάς έντολάς έκπληρώμεν; 455: μετανοοϋσι . . .

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Der Briefwechsel

Daß der Glaube (πίστις) notwendig ist, bedeutet für Jeremias die Verpflichtung (όφείλομεν), das Glaubensbekenntnis (ομολογία) anzunehmeni^"; entscheidend ist dabei die genaue Einhaltung des "Wortlauts, weshalb etwa der Zusatz filioque die Integrität des Glaubens selbst und damit das Heil in Frage stellt^^i. Den Gegensatz zum Glauben bildet der Zweifel (διστάζειν, άμφιβάλλειν), der sich nicht mit der überlieferten Wahrheit begnügen will^®^. Der Patriarch kann gelegentlich auch, allerdings sehr viel seltener und mit dem ersten Aspekt nicht vermittelt, den Glauben als freimütiges Vertrauen (παρρησία) Gott gegenüber, den Zweifel als Verzagen des schlechten Gewissens (συνειδός πονηρόν) beschreiben^^^. Ein anderer Gesichtspunkt als der der Anerkennung bestimmter Aussagen kommt auch dort ins Spiel, wo er das Wort πίστις im Zusammenhang des Abendmahls erläutert, indem er auf die Wirkung hinweist, die nach Kabasilas die der Konsekration vorangehenden Riten im Teilnehmer erzeugen: den Eindruck auf Phantasie und Gefühl, welcher Glauben, Frömmigkeit und Liebe hervorbringe und stärke^®'*. Jedenfalls ist der Glaube eine Vorstufe, sei es im Rahmen der Sakramentsfeier^^^, sei es bei der Verwirklichung des christlichen Lebens überhaupt - und auf diesen zweiten Punkt kommt es Jeremias gegenüber den Tübingern an: Die bloße Anerkennung des Bekenntnisses sei tot^®®, der Glaube allein gleichsam ein Fundament, auf dem das Entscheidende, das Haus, fehle^^''. Es müsse vielmehr das Streben nach Vollkommenheit, der tätige Gehorsam folgen^^®; erst dann könne man die Annahme durch Gott und schließlich das ewige Leben erwarten!^'. Konkretisiert am Bußmysterion, in dem sich für Patriarch Jeremias ebenso wie für die Reformation im Bußsakrament die Grundzüge des christlichen Lebens institutionell verdichten, heißt das: Die Vergebung wird dem Menschen zugesprochen in Abhängigkeit von seiner Besserung^®". Gute Werke allein genügen andererseits auch nicht, sie müssen mit dem Glauben verbunden sein^^^; insofern sind sie Zeugnis (μαρτυρείν) und Zeichen (δεικνύναι) des Glaubens, Ausdruck seiner Lebendigkeit^^^. Aber das ändert doch nichts darέπαγγελίαν; φιλοικτίρμων . . . σωτηρίαν; II 456 [537]: άνευ των έργων ούδέν εχει; Δΰναμις δέ π ί σ τ ε ω ς τ ά ε ρ γ α ε ί σ ί ν ( ! ) . 4 6 7 [ 5 4 7 ] : ε ρ γ ο ι ς κ α λ ο ΐ ς . . . απασιν. 150 Ibd. 1449. Ibd.445. 1 " Ibd. II 454 [534]. 1 " Ibd. 1449. 1 " Ibd. 471 ff. (vgl. o. S. 182 f.). 155 Es ist allerdings anzumerken, daß die Grenzen hinsichtlich des Abendmahls verfließen, da Jeremias das liturgische Geschehen vor der Konsekration kaum von ihr und dem Folgenden absetzt; so rückt die Betrachtung der Heilsgeschichte mit ihrer genannten Wirkung in den Mittelpunkt (s. u. S. 295). Im übrigen geht der Briefwechsel weder darauf ein, was der Patriarch mit Kabasilas hier unter Glauben versteht, noch wird die Frage diskutiert, wie sich Glaube und Sakramente zueinander verhalten. Ibd. 449. 15' Ibd. 452. 158 Ibd. 453 u. a. Ibd. II 454 [534]. Ibd. 1449.494 (s. o. S. 169. u. u. S. 308 u. vgl. S. 320). 1 " Ibd. II 454 [534]. i « Ibd. 1449. 1 " Ibd. 1447.

Die theologische Auseinandersetzung

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an, daß der Mensch sich erst durch sie so entwickeh, wie er vor Gott sein soll und von ihm angenommen wird. Dieser mit der Taufe einsetzende Prozeß läßt sich unter einem negativen und einem positiven Aspekt beschreiben: Zum einen heißt es, in seinem Verlauf werde durch Erziehung (παιδαγωγείν)^", Reinigung (έκκαθαίρείν)^^'', Heilung (ϊασις / ιατρεία)!^®, Befreiungskampf (άγών)ΐ^^ die Sünde entfernt. Zum anderen sollen die Christen hier Fortschritte in der Erkenntnis, in der Liebe und anderen Tugenden (άρεταί) machen^^'^ und werden, wie Gott selbst ist: gottähnlich (όμοίωσις θεοϋ)^^®, ja was er ist: Gott (θεοί, θέωσις)^®'. Der Fortschritt bis hin zur Vergöttlichung steht nicht in der Macht der Menschen allein; sie brauchen dazu die Gnade, die dem Willen hilft, Krankheit und Widerstand der Sünde zu überwinden. „Gnade" (χάρις), das ist nichts anderes als die Einwirkung Christi oder des Heihgen Geistes auf die Menschen; Christus wohnt in ihnen ein (ένοικεϊν)"", beherrscht sie (κρατείν) und verbindet (συνάπτειν) sie so zur Gemeinschaft seines Leibesi'^S der Geist treibt sie (άγειν)^'^. Noch stärker kommt dieser aktuale Charakter der Gnade zum Ausdruck, wo sie nicht in eigentümlicher Weise auf eine der trinitarischen Hypostasen bezogen ist, sondern auf das eine göttliche Wesen und mit ihm auf Vater, Sohn und Heiligen Geist gleichermaßen, konkret, wo sie im Rahmen der palamitischen Energienlehre als ewige göttliche ενέργεια bestimmt wird>''^. Doch sind die Passagen in den Schriften des Patriarchen, die entsprechende Aussagen enthalten, Zitate zum Thema „Ausgang des Heiligen Geistes". Die palamitischen Sätze haben nur eine Funktion, soweit sie zum mittlerweile üblichen Bestand an Argumenten gegen das filioque gehören; eigenständige, das Ganze der Beiträge Jeremias' und damit vor allem auch die Gnadenlehre prägende Bedeutung besitzen sie nicht^^·*. Insofern ohne die Einwirkung Gottes der Heiligungsprozeß nicht möglich wäre, kann man sagen, der Mensch werde aus Gnade gerettet, nicht aus seinen " " Ibd.

Ibd.464-469.

1 « Ibd. II 458 [538]. Ibd. I 4 4 7 ; II 454f. [534f.]. Ibd. II 455 [535]. Ibd. I 447. 448. 4 6 4 ; II 463 [543]. Ibd. 454 [534]. Ibd. 1 5 0 1 . Ibd. 491. Vgl. o. S. 222. Zum Palamismus im 16. Jahrhundert, das keine Blütezeit dieses Systems mehr war, ja sogar ausdrückliche Ablehnung kannte, andererseits aber die durch den Konzilsbeschluß von 1351 und die Liturgie abgesicherte Lehre doch im allgemeinen nicht in Frage stellte, s. Jugie, A n . Palamite (Controverse) 1810. V o r allem hielten sich palamitische Aussagen eben im Rahmen traditioneller Argumente gegen das filioque, ohne daß man sie systematisch reflektien und integriert hätte. V o m Schicksal der palamitischen Theorie ist im übrigen das der hesychastischen Spiritualität zu unterscheiden. Sie gehörte vermutlich auch zum geistlichen Erbe des Mönchs Jeremias. Wenn seine Antworten an die Tübinger außerhalb der Abschnitte über den Ausgang des Heiligen Geistes nicht von jener Theorie beeinflußt sind, schlägt sich darin entweder die Tatsache nieder, daß Hesychasmus und Palamismus eben nicht notwendigerweise gekoppelt waren, oder es spiegelt sich darin der Einfluß der eigentlichen Verfasser bzw. Kompilatoren - das eine wie das andere wäre jedenfalls ein Indiz dafür, wie wenig Breitenwirkung Palamas' Lehre im 16. Jahrhundert besaß.

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Der Briefwechsel

Werken (nach Eph 2,8 f)^^®, alle guten Taten gingen auf die Gnade zurück^''®, alles müsse eigentlich Gott zugeschrieben werden (τω Θεώ το πάν λογίζεσ θ α ι ) " ^ , und das desto mehr, je weiter jemand in der Vollkommenheit des christlichen Lebens fortgeschritten sei, ja sogar bei den Heiligen im Himmel: Wenn sie dort etwas für die Christen auf Erden zu tun vermöchten, dann gelte das eigentUch nicht von ihnen selbst, sondern von der in ihnen wirksamen Gnade"8. Indessen, all diese Ausführungen sind nur die eine Seite der Medaille. Der Satz, Gott sei alles zuzuschreiben, steht neben dem anderen: Wenn die Bibel alles auf Gott zurückführe, sei das eine rhetorische Wendung für: das meiste^'''. Wo von der Gnade die Rede ist und von der Angewiesenheit des Menschen auf sie, kann die erste Aussage nicht genug betont werden. Unter dem Aspekt der Willensfreiheit, der schon zur Sprache kam, ist sie dagegen zu relativieren: „Alles steht bei Gott, doch nicht so, daß unsere Willensfreiheit Schaden nähme" (πάντα μεν έπΐ τω Θεω, άλλ' ούχ οϋτως ώστε το αύτεξούσιον ήμών βλάπτεσ θ α ι ) ; deshalb muß es heißen: „Es steht also bei uns und bei ihm" ('Εφ' ήμϊν τοίνυν, καΐ έπ' αύτψ)ΐ®°. „Denn wenn es Gnade ist, gerettet zu werden, so ist doch auch der als Urheber (αίτιος) beteiligt, der durch seine Anstrengungen und seinen Schweiß die Gnade an sich z i e h t " I s t die χάρις aber dann tatsächlich wirksam, gibt es keine Grenzen des Fortschritts mehr; gilt doch von der Gnade: „Alles, was von Gott kommt, besiegt die Welt" ( l . J o h 5,4)1®^. Das heißt zugleich, auch die Verpflichtungen des Christen sind nun grenzenlos - er muß alle Gebote Gottes peinlichst erfüllen^®^ und hat keine Entschuldigung an dem Hinweis auf die Sündenschwäche mehr: „Wer könnte so stumpfsinnig und ohne Glauben sein, daß er . . . sich damit entschuldigte, etwas sei zu schwer oder zu mühsam (βαρύτερον ή κοπιώδες)"ι®"? Gerade jetzt ist die Zeit der Anstrengungen und des Kampfes^®®, weil jetzt die Gewißheit des Erfolgs besteht. Die Tübinger betonen, auch ihrer Meinung nach sei Christentum ohne entsprechendes Handeln undenkbar^®^. Ohne gute Werke im Sinne tätigen und innerlich aufrichtigen Gehorsams gegenüber dem Gesetz Gottes gehe die Gnade verloren^®® und könne es keinen echten Glauben geben, ebensowenig wie einen guten Baum ohne Früchte^®' oder einen Beschenkten ohne Danki®"; DkSI491. Ibd., s. a. 453. 1 " Ibd. 483. Ibd. 453. Ibd. 491.494. Ibd. II 458 [538]. ieMbd.303. Ibd. 304.166.

Ibd. Ibd. 492 (vgl. u. S. 257). Ibd. Ibd. 495. Ibd. 495. Acta 166. Ibd. 171.310. " " I b d . 310.

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umgekehrt lasse sich darum, soweit menschenmöglich^'^ der Glaube an den Werken ersehen wie das Leben am Atemi'^. Bis hierher gebe es keinerlei Differenz. Doch von all diesen unumstrittenen Aussagen sei ein Problem zu unterscheiden, das zuvor gelöst werden müsse, weil es die in allem Handeln vorausgesetzte Beziehung zu Gott betreffe, die schon genannte Frage der iustitia spiritualis, der „Rechtfertigung" (iustificatio) der „Person" „vor" Gott. Hier gehe es darum, wie der Mensch vor dem Schöpfer bestehen könne, wodurch und weswegen er mit ihm versöhnt und von ihm als Kind angenommen werde - in diesem Zusammenhang hätten die guten Werke keinen Platz: quando Paulus de iustificatione docet, alia res agitur^'^; nostra bona opera in articulo iustificationis non esse admiscenda docemus, ubi agitur, per quid et propter quid cum Deo reconciliemur et in numerum filiorum et haeredum Dei recipiamur^'". Da die Tübinger merken, daß dem Briefpartner nicht deutlich ist, was sie mit dem Begriff „Rechtfertigung" meinen, erklären sie ihn näher: „Rechtfertigung" bedeute die eschatologische Rettung (salvari et iustificari idem [sunt] / ταύτόν έστι τό τε σφζεσθαι καΐ το δικαιοϋσ-θ·αι)ΐ''. Das Wort setzt die Situation voraus, daß sich der Mensch vor dem Richterstuhl (tribunal / βήμα) Gottes zu verantworten hat^'^, und soll auf diesem Hintergrund ausdrücken, daß er von dem Richter als gerecht beurteilt wird (iustum censeri et reputati / δίκαιον κρίνεσθαι καΐ λογίζεσθαι)ΐ'^. Grundsätzlich ist von der Entsprechung zwischen Urteil und Verhalten des Beurteilten, also von Gerechterklärung und Gerechtigkeit des Menschen auszugehen. Doch hat aufgrund der Erbsünde niemand solche Gerechtigkeit aufzuweisen. Deshalb kann Rechtfertigung, wenn sie überhaupt stattfinden soll, nur so geschehen, daß Gott die Sünden nicht anrechnet (non imputare / ού λογίζεσ^αι), sondern sie vergibt (condonare / άφιέναι) und den Täter vor sich umsonst (gratis / δωρεάν - gratuite / κατά χάριν), aus Gnade (ex gratia / χάριτι) für gerecht gelten läßt^®®. Nun stellt die Rechtfertigung des Sünders keinen Willkürakt dar, in dem Gott kurzerhand schwarz für weiß erklärt. Der Forderung nach vollkommener Gerechtigkeit, wie sie dem Menschen im Gesetz entgegentritt, muß „Genüge getan" (satisfacere / τελειοϋν) werden!®'. Weil der eigentliche Adressat das nicht leistet, Gott ihn aber dennoch retten will, befriedigt er den Anspruch des Gesetzes selbst: Sein eigener Sohn erfüllt es vollkommen (perfecte implere / έκπληροϋν) und leistet, obwohl er unschuldig ist, durch seinen Tod die Sühne (expiare / άπαλείφειν), die eigentlich Sache des Sünders wâte^·"·. Wenn Gott

•91 Ibd. 1 " Ibd. Ibd. Ibd. 19' Ibd.

304. 306. 305. 309, s. a. 308.

Ibd. Ibd. Ibd. Ibd. Ibd.

305. 166. 167; vgl. a. 303. 305.167.168 u.v.a. 305, s. a. 168.

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Der Briefwechsel

die Menschen für gerecht erklärt, dann tut er das also um Christi willen (propter Christum / δια Χριστόν)^''!, wird ihnen das Tun Christi zugeeignet und angerechnet (applicatur et imputatur / λελογισμένον ωκείωται)^°^, so wie Christus die Strafe für die Sünder übernommen Wie kommt dieses oder jenes Individuum in den Genuß der unverdienten, von Christus erworbenen Beurteilung durch Gott, wie kann es sie „in Nutzen für sich selbst umsetzen, sie sich aneignen" (ad usum suum transferre, sibi applicare)^""? Einzig und allein dadurch, daß es sie annimmt (accipere)^"®. Solches Annehmen kann allerdings nicht bloße intellektuelle Kenntnisnahme historischer Fakten (notitia historiae / γνώσις ιστορίας) sein^"^. Es bedeutet vielmehr eine Umorientierung, die die ganze Person von der Wurzel her verändert. Hatte doch „das Vertrauen auf die eigene Gerechtigkeit" (fiducia propriae iustitiae / το έπΙ xfi ιδία δικαιοσύνη πεποιθέναι)^°·', der Wille, sich durch das eigene Handeln vor Gott zu behaupten, für den Menschen bisher sein Dasein bestimmt. Anzunehmen, daß Gott in Christus sein Verhältnis zu ihm auf eine andere Basis gestellt hat, daß der Sünder gerecht ist allein durch Vergebung, bedeutet also nichts weniger als eine Neubegründung des gesamten Lebens: Fortan wird es begründet durch das Vertrauen (fiducia / πεποίθησις)2°®, den Blick auf Christus wie das der Israeliten in der Wüste durch den Blick auf Moses eherne Schlange^"', wie das eines Ertrinkenden durch den Griff nach dem Rettungsschwimmer^!". Eben die Hand aber, die hier greift und die von Christus erworbenen Güter annimmt, ist der Glaube (fides / πίστις): solam in Christum fidem esse manum illam existimamus, qua ea accipimus / λαμβάνειν, quae nobis redemptor noster Christus impetravit^^i. Weil diese Veränderung das ganze Leben und Handeln auf eine neue Grundlage stellt, kann sie nur von außen kommen, Gnade sein. Dennoch bestehen die Tübinger Patriarch Jeremias gegenüber darauf, daß hier dem Menschen kein Zwang auferlegt wird^^^. Denn die Gnade soll nicht unvermittelt eine Lebensorientierung gegen die andere austauschen. Vielmehr wird das Vertrauen, das sie eröffnet, mit dem vorchristlichen Zustand vermittelt, insofern der Sünder es als Befreiung erfährt. Solange der Mensch allein vor der Forderung des Gesetzes steht, gerät er, wenn er seine Lage ernst nimmt, angesichts des MißVerhältnisses zwischen Anspruch und eigenem Verhalten in Verzweiflung wie Kain^^^. Diese schonungslose Selbsterkenntnis soll zugleich den Anknüpfungspunkt des Evangehums bilden und von ihm korrigiert werden. D.h., es befreit den Menschen von dem Zwang, durch die Erfüllung von Bedingungen ein gutes Gottesverhält201 Ibd. 20" 20' 208 210 212

Ibd. 167. Ibd. 299. Ibd.; s. a. 299 u. vgl. C A Gr. 4, ibd. 9. Ibd. 177. 323 . Ibd. 169. Ibd. 296.

203 205 207 209 211 213

Ibd. Ibd. ibd. ibd. Ibd. Ibd.

168. 305. 166. 309. 168.299. 166. 298. 299.

Die theologische Auseinandersetzung

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nis herzustellen, und macht ihm zugleich deutlich, daß der Versuch, eben dies zu tun, selbst die eigentliche, im Rahmen der Willensverkehrtheit verdeckte Wurzel der ihn bedrückenden Sünde ist^^·*. Statt dessen wird er dazu gebracht, „zur Gnade und Nachsicht Gottes seine Zuflucht zu nehmen" (ad gratiam et clementiam Dei confugere)^^®, er wird gewiß (certus/ßeßaLog)^'®, daß allein hierin sein Leben begründet ist. Der Verwandlung zu solch befreiender Gewißheit entspricht das Medium, durch das sie geschieht: „durch den Dienst des Wortes Gottes (per ministerium verbi Dei / μέσου γενομένου του θείου ρήματος)^^''. Das Evangelium von der Erlösung durch Christus wird zur Anrede, durch die der Heilige Geist das Herz des Menschen trifft und „bewegt" (cor motum)^>® - eine Veränderung, die nur mit dem Wiederaufleben aus dem Zustand des Todes verglichen werden kann (si Spiritus Sanctus cor eius (ad capiendam fiduciam in redemptorem Christum) excitaverit: . . . tum vero homo ille tanquam ex morte reviviscet)^^®. Versuche des Sünders, durch sein eigenes Tun etwas zur Gerechtigkeit vor Gott und damit zum Heil beizutragen, haben in diesem Rahmen keinen Platz. Und zwar zum einen, weil jeder Beitrag des Menschen die Tatsache beeinträchtigen würde, daß Christus sich in seinem Heilshandeln völlig souverän betätigt und der Mensch nur ihm seine Erlösung verdankt: hic enim honor S O L I mediatori Christo et prorsus nulli alii debetur^^"; es wäre unwürdig, das Heilshandeln für uns zwischen uns und Christus aufzuteilen (indignum e s t . . ., nostram salutem partiri inter nos et Christum)^^^. Zum anderen, weil der Christ, solange er nicht ohne jede Sünde ist, und das heißt lebenslang, nie gewiß sein könnte, ob er vor Gott besteht, wenn dies auch nur im Allergeringsten von ihm selbst abhinge^^^. Nur mit solcher Gewißheit aber hat er den Glauben, der festes, lebensbestimmendes Vertrauen auf das Wort Gottes ist; fällt sie und mit ihr der Glaube, stürzt der Mensch zurück in die alten Gewissenszweifel und verliert er Rechtfertigung und Heil, die er nur im Glauben ergreifen kann: Labefacta enim promissionis certitudine, corruet fides. Eversa fide, corruet iustificatio / δικαίωσις et salus nostra^^^. Das alles heißt nicht, gutes Handeln sei für den Christen überflüssig. Vielmehr kann es - so behaupten die Tübinger im Einklang mit ihren Aussagen über den Willen - überhaupt nur zustande kommen, wenn das Heil allein auf Gnade beruht und im Glauben empfangen wird. Denn die Befähigung des Willens zur Liebe, die allem guten Handeln zugrunde liegt, ist nur möglich als Antwort auf Liebe: quo pacto homo carnalis, nondum conversus, nondum iustificatus, Deum . . . diliget? quod si Deum non diligit. . . quomodo legem perfiVgl. o. S. 240. " M b d . 169f. Ibd. Ibd. 3 0 9 ; s. a. 1 6 6 . 1 6 8 (vgl. o. S. 237). Ibd. 169.

Acta 308. 2i7ibd.298. Ibd. 299. Ibd. 309. Ibd.

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Der Briefwechsel

ciet? . . . fides (qua credimus, Deum nobis propter Christum placatum) est fons charitatis, ut nos ea de causa Deum diligamus, quia ipse nos dilexit^^·*. Nur wenn der Christ vom Zwang zur Selbstbehauptung befreit ist, kann er gute, nicht vom Selbstbehauptungswillen bestimmte Werke tun; m. a.W., nur wenn er als Person, unabhängig von jeder konkreten Betätigung, von Gott angenommen ist, vermag er auch, annehmbare Taten hervorzubringen (Personam/avθρωπον . . . prius Deo piacere oportet, quam ipsius opera placeant)^^®. Er vermag es nicht nur, er kann gar nicht umhin, es zu tun. Denn es gehört zum Wesen des Glaubens, zwar nicht auf eigene Taten des Menschen begründet zu sein, doch sich darin auszudrücken wie ein Baum in seinen Früchten. E r ist per definitionem „lebendiger, wirkender Glaube", wie ihn Patriarch Jeremias fordert226. So natürhch es für den Glauben ist, daß aus ihm gute Werke entspringen, so wenig automatisch kommt es doch dazu, daß der Christ sie tut. Denn der Glaube prägt wohl sein Handeln, doch er ändert es nicht mit einem Schlag, sondern nur stückweise, ohne daß die Verwandlung in diesem Leben je vollkommen wäre^^·'; die Diskrepanz zwischen rechtfertigendem Urteil Gottes und Verhalten des beurteilten Menschen wird zwar kleiner^^®, doch sie schließt sich auf Erden nicht. Daraus folgt nicht nur, daß der Christ immer auf die Rechtfertigung durch Glauben angewiesen bleibt, sondern auch, daß er die dem Glauben entspringenden Werke immer gegen die noch sündigen Kräfte in sich selbst durchsetzen muß ; insofern bildet das an sich selbstverständhche gute Handeln zugleich immer den Gegenstand von Vorschriften Gottes^^', von Ermahnungen der Kirche^^°. Hier ist das Gebiet, für das die Tübinger, trotz aller Einschränkungen, Zusammenarbeit zwischen - verwandeltem - Willen und Gnade voraussetzen^^^. Allerdings muß man feststellen, daß sie vor lauter Anstrengungen, gegenüber der Position des Patriarchen die Bedingungslosigkeit der Annahme durch Gott deutlich zu machen, kaum noch Mühe darauf verwenden, diese Zusammenarbeit wie überhaupt die Veränderung des Verhaltens durch den Glauben näher zu behandeln. So sind sie nicht unschuldig daran, daß Jeremias den Eindruck gewann, sie verabsolutierten den Glauben auf Kosten des ethischen und spirituellen Lebens. Daß ihnen an diesem Leben und seiner Vervollkommnung ebenso gelegen war wie dem Briefpartner, allerdings innerhalb der Klammer der von außen vorgegebenen Neubegründung des Menschen^32^ konnte man ihren Schriften am Bosporus kaum entnehmen. ""

Ibd.308f. Ibd. 307, s. a. 172. " 6 ibd. 166 (s. o. S. 244). "Mbd.307. " 8 Ibd. 310. " M b d . 171. " » I b d . 310. 231 Ygj Q S 238. Näheres zu diesem Verständnis von „Zusammenarbeit" s. bei Seils, Der Gedanke vom Zusammenwirken. Eine Stelle, an der sie - allerdings um den Preis eines partiellen Rückfalls ins Bedingungsdenken - dies Anliegen zum Ausdruck bringen, ist der Absatz, in dem sie aus ihren Aussagen über die

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Die Kritik, die die Tübinger an der Lehre des Patriarchen, an seinen Einwänden gegen ihre Aussagen und die der Confessio Augustana üben, ist durch diese Darlegungen vorgezeichnet. In einer Anreihung von Zitaten des Briefpartners fassen sie in ihrer letzten Stellungnahme zum Thema, in der zweiten Antwort, noch einmal zusammen, welche Sätze sie besonders skandalös finden: daß der Christ durch Gesetzeserfüllung gerechtfertigt werde und daß nur der das ewige Leben gewinne, der seine Sünden abbüße; wie diese Behauptungen mit der Bibel übereinstimmten, könnten sie, die Tübinger, beim besten Willen nicht sehen^^^. Wie solle denn gutes Handeln und damit wahre Gesetzeserfüllung überhaupt verwirklicht werden, wenn der Handelnde nicht zuvor gerechtfertigt und seine Willensrichtung im Glauben geändert sei? Und wie wollten die Griechen der absurden (absurditas / άτοπία) Folgerung entgehen, daß die büßenden Christen zu „Teilerlösern" (ex parte aliqua redemptores / έκ μέρους τίνος λυτρωταί) neben Christus würden^^"*? Die Schärfe dieser Kritik rührt nicht zuletzt daher, daß die Tübinger in den Aussagen des Briefpartners die Position ihres römischen Gegners wiederzufinden meinen, vor allem die scholastische Lehre vom Verdienst der Christen; wo sie es ablehnen, das Handeln des Menschen als Voraussetzung der Annahme durch Gott gelten zu lassen, tun sie das oft mit der Aussage, es gebe keine Verdienste (merita) der Christen, die das Heil begründen könnten^^^.

Nun hätte den Tübingern aber schon angesichts der Schwierigkeit, den Terminus „meritum" ins Griechische zu übersetzen, deutlich werden müssen, daß sich die Aussagen der Griechen mit der abgelehnten scholastischen Theorie nicht einfach decken. Sie setzen nämhch ein anderes Verständnis der Gnade und der Beziehung von Gnade und Eigenaktivität des Menschen voraus: Die χάρις ist danach nicht gratia creata, ein Effekt des Handelns Gottes, welcher einen neuen Habitus des Christen bildet und dem Geber derart gegenübersteht, daß er zur Grundlage eigener und insofern verdienstvoller Taten des Trägers werden Notwendigkeit eigener Anstrengungen des Christen die Folgerung ziehen, man habe dafür auch Belohnungen (praemia/énatìXa) auf Erden und im Himmel zu erwarten; nicht das ewige Heil, denn dies bleibt an die Rechtfenigung im Glauben gebunden, doch einen Ausgleich (compensatio/ άνταπόδοσις) besonderer Freuden (ibd. Acta, s. a. 184). Dieser Gedankengang, der biblischen Aussagen über den „ L o h n " für das Tun des Menschen Rechnung tragen will, entspricht der Rede von der „doppelten Gerechtigkeit", die sich in C A Var. findet, doch in die C A Gr. nicht übernommen wurde (s. o. S. 158 Anm. 19). Acta. 306 f. Ibd. 309. Z. B. ibd. 166. 167. 168 (zu den Termini der griechischen Übersetzung s. o. S. 226). Auffällig ist, daß sie den Begriff meritum nach ihrer ersten Schrift in diesem Zusammenhang nicht mehr gebrauchten - war ihnen deutlich geworden, sei es durch Jeremias' Antworten, sei es durch die Auskünfte des mittlerweile heimgekehrten Gerlach, daß der Terminus in der Korrespondenz mit den Griechen fehl am Platz war? Sie benutzten nun neutrale Worte wie bona opera. Das in der Kritik implizierte Verständnis blieb aber nach wie vor dasselbe.

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Der Briefwechsel

kann^^®. Sie soll vielmehr nichts als die dauernde Einwirkung Gottes auf den Menschen sein, die Bewegung Christi oder des Heiligen Geistes im Herzen. Im Rahmen der von Jeremias angeführten, doch nicht für die Soteriologie ausgewerteten palamitischen Energienlehre ergeben sich sogar Gedankengänge, die von der Beschreibung dieses Einwirkens Gottes bis hart an die Grenze der Aussage vorstoßen, das neue Leben der Christen bestehe nur noch in ihm: Danach durchdringt die χάρις den Menschen so vollkommen, daß er all seine eigenen Qualitäten verliert und göttlich wird, „Gott aus Gnade"; sein Menschsein reduziert sich Gott gegenüber auf den Willen, die Gnade zu empfangen, auf den Punkt, an dem sie Anhalt hat, auf einen Hohlraum, der nichts faßt als sie^^"^. Dies aktualistische Gnadenverständnis, sei es trinitäts- oder energientheologisch, trifft sich mit bestimmten Zügen der reformatorischen Kritik an der Lehre von der gratia creata^^®: Danach soll die Gnade kein Habitus sein, der als Effekt des Handelns Gottes Eigentum des Christen wird, sondern das gnädige Tun Gott selbst für die Menschen - ein Verständnis, um dessentwillen der Begriff „favor" mit „gratia" gleichgesetzt werden kann^^'. Allerdings hat die Parallele ihre Grenze: Der Patriarch versteht das Gnadenhandeln Gottes als Kraft, die dem Christen hilft,nach und nach in seinen Idealzustand und damit in die Verfassung zu kommen, in der er vor Gott bestehen kann. Gnade im Sinn von „favor" soll dagegen die vergebende Liebe Gottes sein, die den Menschen unabhängig von seiner Beschaffenheit um Christi willen bestehen läßt und ihm im Wort des EvangeHums neues Leben ermöglicht; die Entsprechung auf Seiten des Christen lautet darum vertrauender Glaube^'"'. D.h., auch wenn die Tübinger dem Patriarchen fälschhch unterstellen, er spreche mit der Scholastik von Verdiensten, wendet sich ihre Kritik doch gegen die Konzeption des Briefpartners selbst, nicht nur gegen ein ihm übergestülptes Deutungsraster. Zwar sind es nicht, wie in ihren Vorhaltungen impliziert, die einzelnen Werke, die zum Anspruch auf Annahme durch Gott berechtigen sollen, doch bildet der Gesamtzustand des Christen, der Fortschritt in Reinigung und Vergöttlichung, die Voraussetzung dafür; die Basis, auf der die Gottesbeziehung steht, ist die Vervollkommnung, nicht die Neubegründung des Menschen. Deshalb sieht Jeremias, obwohl er nicht von Verdiensten

S. Candal 26 f. u. vgl. Seeberg, Dogmengeschichte II 459 ff. Vgl. Wendebourg, Geist 16. S. besonders Luthers Schrift gegen Latomus: Rationis Latomianae confutatio, W A 8 , 4 3 - 1 2 8 , vgl. Wendebourg, Gratia creata 59f. Eben in der genannten Schrift Luthers gegen Latomus, W A 8,106, lOf.; Gratiam accipio hic proprie pro favore dei, sicut debet, non pro qualitate animi, ut nostri recentiores docuerunt. Vgl. damit die Aussage Candals (op. cit. 26) über die Gnade nach Palamas, die sich aber auch auf ein trinitätstheologisch orientiertes Gnadenverständnis im genannten Sinne anwenden läßt: „Gratia habitualis . . . est aliquid physice permanens, quod non datur in gratia palamitica, quae videtur . . . extrinsecus advenire, velut favor externus." S.WA8,106,10ff.

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spricht, die Mitwirkung bei diesem Fortschritt als eigenen Beitrag zum Heil Dennoch ist es bezeichnend, daß die Aussagen des Patriarchen nicht ungebrochen in das Tübinger Bild passen. Denn Jeremias liegt gar nicht so sehr an der Gnade als Mittel zu normgemäßem Handeln; anders ausgedrückt: Er ist gar nicht in erster Linie an der Beurteilung des Menschen durch Gott und damit auch nicht primär an der Rolle, die die eigene Leistung für dieses Urteil spielt, interessiert. "Woran ihm vor allem liegt, das ist die Verwandlung des Menschen als solche, der Weg der Heilung, Erziehung, Vergötthchung usw., der in der Gegenwart beginnt und sich nach dem Tod bis zur Vollendung am Jüngsten Tag fortsetzt^"^. Unter diesem Aspekt ist das ewige Leben weniger die Konsequenz eines göttlichen Urteilsspruchs als die letzte Stufe des einmal eingeleiteten Verwandlungsprozesses. D . h . nicht, der Patriarch spreche nicht von Gericht, Urteil, Ablehnung und Annahme durch Gott. Natürlich finden sich bei ihm die einschlägigen biblischen Aussagen. Die Erwartung der Wiederkunft Christi zum Gericht gehört zu den wenigen Punkten, zu denen vorbehaltlose Übereinstimmung zwischen den Tübingern und Jeremias vermerkt wird. Der warnende Hinweis auf den Jüngsten Tag durchzieht die griechischen Antworten^·*^. Infolgedessen versteht der Patriarch die Sünde durchaus nicht nur als Rückstand gegenüber der eigenen Bestimmung, sondern auch als Schuld vor Gott^"". Wie ernst es ihm mit diesem Aspekt ist, zeigen verschiedene Passagen seiner Schriften, vor allem aber das lange Zitat aus Chrysostomos' Auslegung von Ps 130: „Aus der Tiefe rief ich, Herr, zu dir", in seiner Antwort auf C A Danach verletzt die Sünde der Menschen Gottes Autorität in der Weise, daß gerechtigkeitshalber, d.h. wenn den Menschen ihre Sünden angerechnet würden (Ps 1 3 0 , 3 ) , alle Welt verderben müßte; selbst Gestalten wie Petrus oder Paulus könnten dann nicht mehr bestehen. Da Gott andererseits aber seine Geschöpfe hebt, hat er gleichsam einen Kompromiß mit sich selbst, zwischen zweien seiner Charakterzüge geschlossen: Er hat „Menschenhebe mit der Gerechtigkeit zusammengekoppelt" (φιλανθρωπίαν τη δικαιοσύντι συνεζευγμένην [εχει]) und gebraucht erstere zwar nicht allein, doch mehr als letztere. Deshalb fordert er keine volle Rechenschaft von den Sündern, sondern sieht ihnen vieles nach (τά πολλά παρατρέχειν). Auf der anderen Seite aber erwartet er, daß die Menschen im Rahmen des ihnen Möghchen ebenfalls einen Beitrag J a , er tut das a u f g r u n d seines Verständnisses von S ü n d e und freiem Willen sehr viel ungeschützter als viele E n t w ü r f e der Lehre von „habitueller G n a d e und V e r d i e n s t " , die bemüht sind z u zeigen, daß die Basis f ü r die meritorische Aktivität des Willens G o t t zuzuschreiben sei; s. im Vergleich z u J e r e m i a s ' zitierten A u s s a g e n bes. T h o m a s (z. B. S. T h . II/I q 114 a 1). S. u. das K a p . über die Buße. Z . B . D k S 1447. 457; II 458 [538] u. v . a . S. o . S. 235. D k S I 4 5 4 f . ( S . O . S . 171).

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D e r Briefwechsel

leisten (τά παρ' εαυτών είσφέρειν), und wenn das auch allein nicht ausreicht, sie dem Zorn Gottes beim Jüngsten Gericht zu entreißen, ist der Richter doch damit zufrieden und nimmt die Sünder wieder an. Dabei handelt er letztlich nicht um ihret-, sondern um seiner eigenen Ehre willen (nach Hes 36,22). Die Töne, die hier angeschlagen werden, lassen Aussagen anklingen, die sich in den Schriften der Tübinger finden. Entscheidend ist nun aber, daß sie bei dem Patriarchen keinen systematischen Knotenpunkt bilden. Die Frage nach dem Heil als Rettung vor dem Anspruch Gottes, behandelt unter Stichworten wie Vergebung und Sühne, ist aus Jeremias' Schriften nicht wegzudenken. Doch sie steht unausgeglichen neben seinem vorrangigen Interesse am Prozeß der Vervollkommnung des Lebens, angesprochen mit Begriffen wie Heilung und Vergötthchung. D.h., sie wird nicht zur Grundlage aller anderen Aussagen derart, daß das Problem, wie die unvertretbare „Person" vor Gott stehe, die Perspektive für die gesamte Soteriologie abgäbe. Die Frage nach dem Heil spitzt sich nicht zu zur Frage nach dem Gottesverhältnis, danach, ob nicht das Verständnis des Heils auf der Grundlage der Vergebung und auf der Grundlage eigener, sei es auch nur mitwirkender, Bemühungen zwei völlig unterschiedliche Beziehungen des Menschen zu Gott bzw. Gottes zum Menschen voraussetzt - das Problem, das die Tübinger unter den Stichworten „Gesetz und Evangelium" ansprechen. Das Zitat aus Chrysostomos' Auslegung des 130. Psalms ist unter diesem Aspekt bezeichnend. So sehr es den Konflikt zwischen den auf Forderung und auf Vergebung beruhenden Gottesverhältnissen herausstellt und ihn sogar als grundsätzlichen Konflikt Gottes mit sich selbst beschreibt, so wenig wird doch daraus gefolgert, die Vergebungsrelation hebe die Bedingungsrelation, in lutherischer Terminologie: das Evangelium das Gesetz auf; die Lösung lautet vielmehr, Gott gebrauche nun eben beides, Liebe und Strenge, die eine etwas mehr, die andere etwas weniger, er vergebe und helfe bei der nach wie vor für das Heil ausschlaggebenden Erfüllung seiner Forderungen mit. Für die Tübinger hingegen ist jener Konflikt so grundlegend, daß er nur durch das O p f e r Christi gelöst werden kann, dann aber durch die Aufhebung des dieses O p f e r fordernden Gesetzes ein für allemal gelöst ist. Die Kritik der lutherischen Briefpartner zeichnet die Aussagen des Patriarchen ganz in diese Perspektive ein, ohne ihrer unausgeglichenen Mehrgleisigkeit Rechnung zu tragen - ein Befund, der sich auch in anderen Fällen ergeben wird. Damit setzen die Württemberger einen Grad von theologischer Geschlossenheit voraus, wie sie ihn selbst in ihrer Rechtfertigungslehre anstreben - und wie sie ihn in der Lehre der römischen Kirche vor sich sehen; nicht umsonst identifizieren sie ja eben Jeremias' Position hiermit. Dieser Schluß ist aber trotz der Nähe vieler Sätze des Patriarchen zu solchen der römischen Theologie insofern falsch, als bei ihm die Aussagen über die Verantwortung vor Gott, die Schuld, die Vergebung usw. eben nicht zum systematischen Brennpunkt einer Gesamtkonzeption werden. Wenn sie dennoch grundlegende Bedeutung für ihn haben, dann dadurch.

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daß sie faktisch auch die vorherrschenden Aussagen über das Heil als Reinigung und Vergöttlichung und über die dabei geforderte Beteiligung des Menschen tragen. Denn gerade dort, wo die Notwendigkeit des Kampfes um Besserung betont wird, heißt es, wenn der Christ dennoch falle, werde Gott ihm zweifellos immer wieder einen Neuanfang ermöglichen, so daß er den Kampf mit der Aussicht auf Erfolg wieder aufnehmen und Verzeihung finden könne^'^®. Offenbar ist es gerade diese Zuversicht, die dem Patriarchen einen Ausgleich der verschiedenen in seinen Kapiteln zur Soteriologie versammelten Elemente überflüssig erscheinen ließ. Zugespitzt könnte man sagen: Während die westlichen Kirchen Systeme der Vergebung entwickeln, setzt sie sich bei Jeremias gegen die systematische Geschlossenheit durch. J. Das Verhältnis zu den Heiligen und der Umgang mit kirchlichen Bildern Das Verhältnis der Kirche zu den Heiligen war, anders als das zweite Thema des Kapitels, niemals Gegenstand amtlicher Lehrfeststellungen gewesen, weder im Westen noch im Osten. C A 21 bildet den ersten Versuch, eine solche Lehrfeststellung zu treffen^. Daß die Confessio Augustana auf dieses Problem eingeht, liegt an der außerordentlichen Bedeutung, die ihm in der praktischen Frömmigkeit, vor allem im gottesdienstlichen Leben der zeitgenössischen Kirche zukam. Wenn es trotzdem nicht im zweiten Teil des Bekenntnisses, sondern unter den Lehrartikeln erscheint, dann offenbar deshalb, weil Melanchthon die in diesem Rahmen behauptete Ubereinstimmung mit der eigentlichen römischen Kirche grundsätzlich auch für die Frage der Heiligenverehrung gegeben sah und darauf aufbauend „Anleitung zum rechten Umgang mit den Heihgen geben" wollte^. Die Ablehnung falschen Heiligendienstes wird nur als negative Kehrseite davon abgehoben, außerdem kurz im vorhergehenden Artikel „Vom Glauben und guten Werken"^ berührt'*. Wie im Westen, so war auch im Osten der Umgang mit den Heiligen nicht Ibd. 449. 455, s. a. u. das Kapitel über die Buße, bes. S. 308. Vgl. Baur, Salus 14, der für die patristische Zeit auf dasselbe Nebeneinander von „nicht klar reflektierte[r] und artikulierte[r] Lehre von der iustificatio" und faktischer „iustificatio impii in der Wirklichkeit der Kirche" hinweist -dies Faktum spiegelt sich in Jeremias' weitgehend patristischen Autoren entnommenen Aussagen gleichsam unterhalb seiner Kritik an der Tübinger Rechtfertigungslehre. ' Kretschmar, Die Theologie des Heiligen in der frühen Kirche, in: Aspekte frühchristlicher Heiligenverehrung, 81 f. hinsichtlich des Westens, im Osten gab es aber ebenfalls keine entsprechenden Definitionen. ^ Kretschmar/Laurentin, Der Artikel vom Dienst der Heiligen in der Confessio Augustana, in: Confessio Augustana, hg. Meyer/Schütte, 258, hier auch zur Vorgeschichte des Anikels. 3 BSELK76,3. •· Die ganz andere Perspektive von C A Var. 21, wo die Ablehnung des falschen Heiligendienstes im Mittelpunkt steht, ist hier nicht von Interesse, da C A Gr. 21 der - deutschen - Erstausgabe und der dieser wieder sehr angenäherten Fassung von 1542 folgt, s. o. S. 157, Anm. 13 f.

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Gegenstand kirchlicher Lehre, sondern ein Feld der Frömmigkeitspraxis, der individuellen Spiritualität wie des Gottesdienstes. Dem entspricht Patriarch Jeremias' Argumentationsweise: Er versucht, eine theologische Begründung für bestimmte Züge des kirchlichen Lebens zu geben. Deshalb geht er aus vom liturgischen Brauch seiner Kirche, er zitiert Gebete, weist auf Lieder hin und auf Kirchen, die im Namen der Heiligen errichtet worden sind^. Und deshalb führt er die hagiographische Uberlieferung an, die von den Wundertaten der Heihgen berichtet® - ein Argument, das deshalb besonderes Gewicht besitzt, weil sich darin das Interesse des Patriarchen am Thema mit einem anderen Anliegen trifft: der Hochschätzung für die normativen Vertreter der Tradition, die Kirchenväter; sie sind Heilige und unfehlbare Lehrer'', und das Erste belegt das Zweite, weil es die götthche Gegenwart zeigt, die beides ermöglicht®. Aus dieser Perspektive erklärt sich, daß die Kritik der Tübinger an der Tradition als Kritik an den Kirchenvätern mit besonders scharfen, geradezu als Verteidigung gegen persönliche Angriffe auf sie formulierten Worten zurückgewiesen w i r d ' . Zum zweiten Thema des Kapitels äußert sich das Augsburgische Bekenntnis nicht. Der Umgang mit den Bildern stellte, bei aller Polemik gegen Mißbräuche der Volksfrömmigkeit^", kein grundlegendes Kontroversthema zwischen der Reformation Wittenberger Prägung und der römischen Kirche dar, er war vielmehr zwischen den Wittenbergern einerseits, den schwärmerischen Bewegungen und den Schweizern andererseits strittig^^. Wenn dieses Problem dennoch in dem Briefwechsel zwischen den Tübingern und Patriarch Jeremias erörtert wird, dann deshalb, weil der Grieche es in seinem Kommentar zu C A 21, dem Artikel über die Heiligenverehrung, kurz streift^^. Offenbar konnte für ihn nicht von den HeiUgen die Rede sein, ohne daß auch ihre Bilder ins Spiel kamen, denn vor allem hier war der Ort, an dem jene Männer und Frauen für ihn lebendig wurden, er mit ihnen Berührung hatte. Darüber hinaus ließen vielleicht Nachrichten von Bilderstürmen und kahlen Kirchen im Bereich der Reformation^^ es dem Patriarchen geraten erscheinen, diesen für die Frömmigkeit seiner Kirche so zentralen Punkt anzusprechen. Während Jeremias in seiner ersten Antwort das Thema nur kurz berührt, nimmt er in der zweiten ausführlich dazu Stellungi". Daß es zu solch breiter Behandlung der Bilderfrage kam, veranlaßten die Tübinger - allerdings unab5 ' ' 8 '

DkS 1492 f. ; II 463 [543]. 464 [544]. Ibd. 462 [542]. 488 [568]. S. U.S.341. DKS II 488 [568]. Ibd. Campenhausen, Die Bilderfrage in der Reformation, in: ders., Tradition und Leben 383. " Ibd. II-IV; Loewenich VI 1.2. DkS 1492 f. 13 Vgl. o. S. 27. 1" DkS II 464-470 [544-550].

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sichtlich. Sie waren zunächst^® auf diesen Punkt noch beiläufiger eingegangen als der Patriarch, nämlich im Rahmen eines Epiphanioszitats, das sie gegen die Heihgenverehrung anführten. Damit, genauer gesagt, mehr durch den zitierten Autor als durch die zitierte Aussage, waren die Weichen für eine ausdrückliche Behandlung des Punktes gestellt. Denn Epiphanios war einer der Hauptzeugen, die die Ikonoklasten gegen die Bilder ins Feld geführt hatten^®. Wenn nun die Tübinger Briefpartner sich auf ihn beriefen, mußte es so erscheinen, als stehe man mitten im Bilderstreit^''. Der Patriarch antwortete mit ausführlichen Zitaten aus Beiträgen zu jener klassischen Auseinandersetzung, vor allem mit Passagen des Damaszeners sowie mit Abschnitten aus den Verlautbarungen der Siebten Ökumenischen Synode, daneben auch des Quinisextums^®. Ein wie starkes Eigengewicht die Bilderfrage nun gewonnen hatte, zeigt sich daran, daß Jeremias' polemischstes Argument beim Abbruch der Korrespondenz am Ende der dritten A n t w o r t aus den Kämpfen der byzantinischen Kirche um die Bilderverehrung stammt^®. a) Das Verhältnis zu den Heiligen W e r sind überhaupt „die Heiligen"? Keiner der Briefpartner stellt eine Definition des Begriffs auf, doch beide Seiten setzen aufgrund jahrhundertealter kirchlicher Tradition ein gemeinsames Verständnis voraus. Im Anschluß nicht an den in C A 7 vorliegenden paulinischen Sprachgebrauch, nach dem die Heiligen die Gläubigen sind, sondern an die sich im vierten Jahrhundert durchsetzende Redeweise gelten ihnen als Heilige die bereits gestorbenen Glieder des Volkes Gottes - des Alten und Neuen Testamentes wie der Kirche - , derer die Christenheit oder Einzelgemeinden im Gottesdienst gedenken^". Allerdings hat der Relativsatz dieser Definition nur für den Patriarchen zentrale Bedeutung, für die Tübinger nicht: Für sie ist das Gedenken der Heiligen eine Möglichkeit, die man „bei Gelegenheit" (cum datur occasio)^^, „zu seiner Zeit" (suo tempore)^^ wahrnimmt, für Jeremias tägliche liturgische Praxis. Im Rahmen des gemeinsamen Verständnisses lassen sich nun aber A k z e n t u n terschiede feststellen: Patriarch Jeremias liegt vor allem an den besonderen 15 Acta 188. " Beck, Von der Fragwürdigkeit 2 3 f . ; Schönborn 151 f.; Campenhausen, Die Bilderfrage . . . der alten Kirche, in: ders., Tradition und Leben 226. 242. ''' Bezeichnenderweise greift er das Epiphanios-Zitat unter dem bei den Tübingern weit vorrangigen Aspekt der Heiligenverehrung überhaupt nicht auf, sondern stürzt sich sofort auf die traditionelle Frage „Epiphanios und die Bilder" (DkS II 464 [544]). S.O.S. 201. " S. U.S. 265. Kretschmar/Laurentin, art. cit., in: Confessio Augustana, hg. Meyer/Schütte 260. Acta 186. Ibd. 330; zur praktischen Regelung des Heiligengedenkens in der Reformation Wittenberger Prägung s. Kretschmar/Laurentin, art. cit., in: Confessio Augustana, hg. Meyer/Schütte 2 6 7 f .

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Der Briefwechsel

Zügen, wodurch die Heiligen vor anderen Christen ausgezeichnet seien und um deretwillen man gerade ihrer gedenke; sie ragten nicht nur durch einen besonders guten LebenswandeP^ und die Wahrheit ihres Glaubens^" hervor, sondern auch durch Wundertaten (θαύματα παράδοξα), die sie vollbracht hätten und noch vollbrächten, zu Lebzeiten und nach dem Tod, ja selbst noch ihre Leichname und Reliquien^®. Bei den Tübingern finden sich solche Aussagen nicht; wenn durch Heilige oder gar ihre Leichname Wunder geschehen seien, so habe es sich dabei um einmahge Machterweise Gottes gehandelt^®, nicht um Kennzeichen des Heihgen schlechthin. Es sind für die Württemberger vielmehr die Züge des christlichen Alltagslebens, die sie in den Heiligen in hervorragender Weise verwirkHcht sehen: Glaube, Frömmigkeit, Liebe, Hoffnung, Geduld u.a.^'. Diese Beschränkung nimmt schon C A 21 vor: Danach ist es gerade die Bewährung des Glaubens und der Tugend im alltägüchen Beruft®, die die Heiligen auszeichnetein Aspekt, der bei Patriarch Jeremias um so weniger auf Verständnis stößt, als es ihm, wie besonders sein Kommentar zu C A 16 und C A 27 zeigt^', schwerfällt, alltägliches Leben und christlichen Glauben überhaupt für vereinbar zu halten. Entsprechend der Weise, in der Griechen und Lutheraner das Eigentümliche der Heihgen bestimmen, weisen sie ihnen unterschiedhche Funktionen zu: Für die eine Seite sind sie vor allem Vorbilder im alltäglichen Christenleben, für die andere in erster Linie Helfer bei der Gewinnung des Heils. Patriarch Jeremias kritisiert die Aussage von C A 21, Heiligenanzurufung sei nicht zulässig, mit der Feststellung, sie sei es sehr wohl, doch man müsse das richtig verstehen. Anrufung (έπίκλησις) im eigenthchen Sinn komme tatsächlich allein Gott zu, den Heihgen dagegen gebühre sie uneigentlich und akzidentell (ού κυρίως, άλλα κατά συμβεβηκός)^^; dasselbe gelte für die kniefällige Verehrung im Gottesdienst (προσκυνείν)^^. Dennoch, Anrufung und Verehrung seien den Heiligen zu leisten. Nicht, weil es sich um besonders hervorragende Menschen handele; so sehr der Patriarch sonst die eigene Beteiligung des Christen an seiner Vervollkommnung hervorhebt^^, in seinen Ausführungen über die Heiligen spielt dieser Gedanke keine Rolle^^. Berechtigung und Grenze " "

DkSII462[542]. Ibd. 488 [568]. Ibd.; s. a. 462 [542]; zum Verständnis des Heiligen in der Orthodoxen Kirche vgl. Jugie, Theologia IV, 542. 5 4 7 - 5 6 5 . " Acta 329. " Ibd. 1 8 6 . 3 3 0 . CAGr.21:KXfiai,ç,Acta22. S . O . S . 186 f. 192 U.U. S. 268 f. DkSI492. " Ibd. II 466 [546]. S.O.S. 236 f. 244. Ganz vereinzelt stellt er fest, sie seien Vorbilder in der Tugend (DkS II 463 [543]).

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jenes Tuns lägen vielmehr in der Tatsache, daß Gott die Heiligen zu Trägern der Gnade gemacht habe; dadurch seien sie „voll des Heiligen Geistes" (πλήρεις άγίου Πνεύματος)^", „belebte Tempel Gottes" (έμψυχοι ναοί του θεοϋ)^®, Götter aus Gnade (θεοί χάριτι)^®. Weil Gott selbst in den Heiligen wirke, könne man zu ihnen flehen - im Grunde erhöre die Gnade den Beter^·^. Insofern sie in den Heiligen aber nur als Gabe anwesend sein soll, zielt für Jeremias das Gebet letztlich auf den Geber selbst. Das heißt für die Verehrung der Heiligen: Sie kann nur relativ (σχετικώς), nicht aber in kultischer Anbetung (λατρευτικώς) geschehen^®. Und das heißt für die Anrufung: Sie kann in den Heiligen nur Fürsprecher (πρέσβεις) und Mittler (μεσιται) sehen^', nicht aber Heilande und Erlöser (σωτήρες und λυτρωταί)"®; das ist vielmehr allein Christus''^, kraft seines Todes am Kreuz"^. Auf der anderen Seite besteht gerade der eine Erlöser Christus darauf, daß die Heiligen angerufen werden. Und zwar aus zwei Gründen, die dem bereits im Kapitel über Glauben und Werke festgestellten doppelten Verständnis von Heil als Vergebung und Heil als Durchdringung mit göttlicher Kraft entsprechen: Zum einen sollen sie durch ihre Fürbitte (εντευξις)"*^ dafür sorgen, daß die am Kreuz erworbene Gnade den Menschen tatsächlich zukommt, sei es denen auf Erden, sei es denen im Zwischenreich zwischen Himmel und Hölle""; denn während diese Sünder sind und noch in den Übeln der Welt stecken, stehen die Heiligen nach einem gotterfüllten Leben ganz nah bei Gott und können ihn so besonders wirksam bitten"®. Zum anderen hat Christus nicht alles Heil auf sich und den Bezug zu sich konzentriert, sondern „uns viele Heilsquellen eröffnet" (πηγάς ήμΐν σωτηρίους ó Χριστός παλλάς άνέωξεν)"^. Eben darum erfüllte er die Heihgen mit Gnade und heß sie in Fürbitte, Heilung, Dämonenaustreibung und anderen hilfreichen Taten für die Menschen wirksam werden"^ - ja, er tat es selbst mit ihren Leichnamen, Gräbern, Reliquien sowie den kirchlichen Bildern"® und machte sie so dem wasserspendenden Felsen beim Durchzug Israels durch die Wüste (4. Mose 20,8 ff.) oder dem Kinnbacken des Esels ähnlich, aus dem Gott Simson zu trinken gab (Ri 15,19)"^. D.h., die Heiligen haben zwar nicht teil an der Begründung des Heils, doch an seiner Übermittlung, weshalb es notwendig ist, sie anzurufen (δει τους άγιους έπικαλεΐ;σι^αι)®° und zu verehren®^, wenn man die Hilfe Gottes erlangen oder ihn ehren will. Ihnen kommt also eine - wenn auch abgeleitete - soteriologische Funktion zu. DkS II 488 [568]. Ibd. 463 [543]. Ibd. 492 ; II 470 [550], s. a. 466 [546]. •«' Ibd. « I b d . 1493. " I b d . 1493. « Ibd. 462 [ 542]. Ibd. 462 [542]. 463 [543]. 488 [568]. Ibd.

Ibd. 462 [542]. " Ibd. 1492 (s. a. o. S. 244). ibd. 1492 f. ; II 463 [543]. 488 [568]. " Ibd. " Ibd. II 463 [543]. « I b d . II 488 [568]. " Ibd. 462 [542]. 463 [543]. 488 [568]. Ibd. 462 [542]. 51 Ibd. 469 [549].

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Der Briefwechsel

Die Tübinger lehnen die Ausführungen des Patriarchen mit heftigen Worten ab. Die Richtung ihrer Kritik wird an dem Kontext deutlich, in dem sie Jeremias' Kapitel über die Heiligenverehrung in ihrer ersten Antwort behandeln: als Exkurs zur Bußlehre, genauer gesagt, zur Lehre über die Genugtuung in der Buße (occasione tractationis de satisfactione atque vera poenitentia in has disputationes [sc. über die Heiligen] digressi sumus)^^. Hier war es ihnen um den Aufweis gegangen, daß der Christ keine verdienstvollen Leistungen (merita) zum Ausgleich für seine Sünden erbringen könne, sondern daß er sich auf das Opfer Christi als einziges, allgenugsames Verdienst verlassen müsse^^. „Meritum" ist nun aber ein Schlüsselbegriff der scholastischen Lehre von den Heiligen: Diese hätten durch ihre auf Erden erworbenen Verdienste das Recht erlangt, daß Gott sie als Mittler anerkenne und ihre Fürbitte erhöre, weshalb die Christen sie anrufen müßten®'^. Die Tübinger finden also in den Aussagen des Patriarchen Reizworte wieder, die für eine ihnen unannehmbare Lehre der römischen Theologie stehen: „Fürbitte" der Heiligen, „Anrufung", „Mittlerschaft". Dementsprechend weisen sie Jeremias' Kapitel über die HeiHgenverehrung mit den Argumenten zurück, die sie jener Lehre entgegenzuhalten gewohnt sind: Keines Menschen Tat könne Gott gegenüber Verdienstcharakter, geschweige denn sühnende Kraft besitzen; solche Kraft habe allein das Kreuzesopfer Christi, der nach I . T i m 2,5 der einzige Mittler (mediator) sei®® und gerade kraft seines Sühnetodes auch selbst bei dem Vater für die Menschen eintrete, statt seinerseits noch durch die Fürbitte Dritter versöhnt werden zu müssen®®. Quid ergo nobis pluribus mediatoribus opus est®^? Trifft diese Kritik den Adressaten? Sie trifft ihn, insofern der Patriarch tatsächlich von plures mediatores spricht. Denn wohl soll die Mittlerschaft der Heiligen sich auf die Fürbitte beschränken, die den Christen die eine Erlösung durch Christus zuwende®®, doch diese Vermittlung gilt als notwendig, wodurch die HeiHgen tatsächlich zu Miturhebern des Heils werden. Auf der andere Seite spricht Jeremias nicht von „Verdiensten" der Heiligen, die ihre Funktion begründeten, ist vielmehr der springende Punkt seiner ganzen Argumentation, daß sie hier gar nicht als Menschen in den Blick kommen, sondern allein als Träger der Gnade: Gott ist es, der in ihnen Fürbitte leisten und die Anrufung der Christen erhören soll. Oder, mit den Worten der zweiten Aussagenreihe des Patriarchen: Gott ist es, der sie zu Heilsquellen macht und selbst aus ihnen hervorströmt. Acta 190. Ibd. 186, s. U.S. 318. Vgl. Thomas, S. Th. Suppl. III, q 72 аЗ ad 4: sancii . . . s u n t . . . in statu merendi aUis, vel potius ex merito praecedenti alios iuvandi; hoc enim apud Deum viventes meruerunt, ut orationes eorum exaudirentur post mortem. Ibd. a 2: ita . . . nos in Deum reduci, u t . . . beneficia eius sumamus mediantibus sanctis. " Acta 1 8 7 . 1 8 9 . Ibd. Ibd. 190. 58 S. о. S. 25 f. "

Die theologische Auseinandersetzung

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Diese Eigentümlichkeit der griechischen Position bemerken die Tübinger nicht. Sie übersehen sie aber nicht nur deshalb, weil sie ganz auf die römische Anschauung von den Heiligen fixiert sind und den sie tragenden Verdienstgedanken auch den Ausführungen des Patriarchen unterstellen, sondern auch darum, weil sie selbst mit der Lehre ihres westlichen Gegners die Konzentration auf die menschlichen Züge der Heiligen teilen, auch wenn sie zu anderen Schlußfolgerungen kommen. Aufschlußreich ist hier bereits eine kleine Verschiebung ihrer Aussagen gegenüber denen in C A 21 : "Während das Augsburgische Bekenntnis, jedenfalls in seiner deutschen Fassung, der die griechische folgt, feststellt, man solle der Heiligen u. a. deshalb gedenken, weil an ihnen sichtbar werde, „wie ihnen Gnad widerfahren"^^, spielt dieses Argument keine Rolle, wo die Tübinger ihr Verhältnis zu den Heiligen begründen. Wohl ist auch ihrer Meinung nach Gott in den Heiligen wirksam, so wie das für alle Christen gilt®", und sie gestehen deshalb dem Patriarchen ohne weiteres zu, honorandos esse sanctos, quia Deus in ipsorum corporibus habitavit fueruntque Dei templa^". Doch darin sehen sie keinen besonderen Zug der Heiligen und darum auch keinen Grund, den sie von sich aus für den ehrenvollen Umgang mit ihnen angeben; in ihren eigenen Aussagen betonen sie allein das hervorragende Verhalten®^ jener Männer und Frauen - der Akzent liegt ganz auf der menschlichen Seite®^. Gilt die Zuwendung zu den Heiligen aber Menschen, „bloßen Menschen" (nudi homines)®", dann kann man ihnen auch nur zugestehen und zuschreiben, was hervorragenden Menschen eben zukommt: Man hat sie zu „verehren" (honorare)®^ bzw. „ehrfurchtsvoll von ihnen zu denken und zu sprechen" (reverenter sentire et loqui), und man hat sie „nachzuahmen" (imitari)®®. Weil es sich um Glieder der Kirche handelt, ist im übrigen anzunehmen, daß sie der Christenheit wohlgesonnen sind und für sie beten, allerdings ganz allgemein um ihr Wohlergehen (in genere), nicht aber für eines jeden Sonderanliegen (in specie)®'^. Mit dieser Feststellung gehen die Tübinger über C A 21 hinaus und

59 B E S E L K 83 b, Z. 5 / C A Gr. : πώς της χάριστος . . . θεόθεν έπετυχον, Acta 22. S. о. S. 248. "

Acta 330. S.o. S.256.

" Vgl. die Begründung des „Heiligendienstes" in C A 21 (dt. und gr.) und die der Tübinger, Acta 186. Übrigens fehlt schon in der lateinischen Version von C A 21 jenes Motiv. Bezeichnend ist auch die unterschiedliche Weise, in der nach der deutschen und der lateinischen Fassung der Glaube der Heiligen als Grund für ihr Gedächtnis angegeben wird: Einmal heißt es, der Glaube werde gestärkt, wenn man sehe, „wie ihnen durch Glauben geholfen ist", im anderen Fall, die Erinnerung an sie solle dazu dienen, „ut imitemur fidem eorum" ( B S E L K 83b Ζ 6/3), d. h., die deutsche Version stellt die Heiligen als „Heilsobjekte" heraus, die lateinische dagegen nach ihrem nachahmbaren Verhalten. Die Tübinger folgen ganz dieser zweiten Linie. M A c t a 188 (nach Basileios P G 2 9 , 4 4 0 В С ) . « "

Ibd. 330. 3 3 4 . 3 3 8 . A c t a 187. 329, 331.

Ibd. 186. 330. B S E L K 318.8f.

260

Der Briefwechsel

nehmen Aussagen auf, die Melanchthon in Apologie 21 gemacht hatte®®. Sie ist ekklesiologischer, nicht soteriologischer Art: Insofern die Heiligen Glieder der Kirche sind, die jetzt schon in der Ewigkeit „vor Gott leben" (coram Deo vivunt)®', ist es selbstverständlich, daß sie - als Menschen! - für die Gesamtheit der Gläubigen Fürbitte leisten, so wie es auch die Christen auf Erden tun™. Gerade deshalb braucht man sie aber gar nicht eigens um ihr Gebet anzurufen, ganz abgesehen davon, daß es zu solcher Anrufung keinerlei biblische Aufforderung gibt'^^, ebensowenig wie die Schrift Grund zu der Annahme bietet, die Heiligen im Himmel wüßten irgendetwas von den einzelnen Wünschen der Christen oder könnten entsprechende Gebete h ö r e n ^ ^ Dieser biblische Positivismus kehrt in den Aussagen der Tübinger zum „Heiligendienst" und auch zur Bilderverehrung immer wieder''^; er soll einem "Wuchern aller möglichen denkbaren, doch in keiner Weise notwendigen Folgerungen aus Daten des Evangeliums vorbeugen. Wenn für die Tübinger allein das bemerkenswerte Verhalten der Heiligen im Blick steht, die Wirksamkeit der Gnade in diesen Männern und Frauen aber so wenig vor der in anderen Christen hervorgehoben ist, daß sie darin keinen Anlaß sehen, ihrer besonders zu gedenken, wirkt sich hier wieder ihr vordringliches Interesse an der grundlegenden Gnade der Vergebung, der Neubegründung der „Person" im rechtfertigenden Glauben aus. In dieser Hinsicht sind die Heiligen „membra Christi" wie alle anderen Glieder der Kirche auch^'·. Auch das Leben der bereits Gerechtfertigten, wo es dann mehr und minder große Fortschritte gibt, unter dem Aspekt der Gnadenwirksamkeit zu betrachten, ist für die Tübinger Beiträge ein Anliegen zweiten Ranges''®. Ganz abgesehen davon, daß sie das Handeln Gottes in den Heihgen nicht als Grund für den Umgang mit ihnen betrachten, verstehen nun aber die Tübinger und C A 21 jenes Handeln anders als der Patriarch: Es soll ganz allein auf die Heiligen selbst bezogen sein, sie verwandeln; es bildet in ihnen - oder ihren Leibern und Reliquien - keine neuen „Heilsquellen", Ausgangspunkte der Gnade für Dritte. Heil stiftet immer nur Christus selbst in direktem Bezug zum Heilsempfänger. Indem Jeremias demgegenüber solche „Heilsquellen" verficht und ihnen kultische Verehrungswürdigkeit zugesteht, verwischt er in den Augen der Württemberger die Grenze nicht nur zwischen Erlöser und Erlösten, sondern auch die zwischen Schöpfer und Geschöpf, vertritt er Kreaturvergötterung''®. Acta 329. Vgl. Apologie 21, B S E L K 318,9. " Acta 187. 189. 329. 340, vgl. Apologie 21, B S E L K 318,9. " Acta 187. 329. 331. " S. a. Acta 189. 332 f. 333. 334. 339. ·"· Acta 330. " S. o. S. 248. ' ' Ibd. 188. 333 (imagini aliquid divinitatis [tribuitur]).

Die theologische Auseinandersetzung

261

Diesen Aussagen entspricht es, daß die Württemberger die Unterscheidung zwischen λατρεία und προσκύνησις nicht nachvollziehen können. Gemäß alter westlicher Tradition'''' übersetzen sie προσκυνεϊν mit „anbeten" (adorare)''®. Dabei unterläuft ihnen aber nicht einfach ein Fehler, sondern sie schreiben ausdrückhch, jene Unterscheidung sei ihrer Meinung nach Augenwischerei''^, es gebe kein Drittes neben der Anbetung, die allein Gott zukomme, und dem Verhalten gegenüber Menschen oder auch Engeln, die man bestenfalls als hervorragende Mitknechte (conservi)®" ehren dürfe; behaupte man solch ein Drittes, bete man eben Kreaturen an®^. Ein Drittes ist für sie nicht möglich, weil sie ein doppeltes Verhältnis zu Gott, zu seinem Wesen oder den trinitarischen Hypostasen einerseits und zu seinen Gnadenkräften andererseits, ausschheßen; sie können sich Anrufung und Anbetung Gottes nur als Anrufung und Anbetung des Vaters, des Sohnes und des Heihgen Geistes denken, und umgekehrt das Wirken Gottes im Menschen und in den Dingen nur als Wirken dieser drei®!'. Wenn ihre Kritik den Briefpartner wirklich hätte treffen sollen, dann wäre es nötig gewesen, nach dem Recht seiner Konzeption eines doppelten Gottesverhältnisses zu fragen. Im Zitat: Statt Jeremias vorzuhalten: „Gott will seine Ehre mit keinem anderen teilen" (Deus . . . alteri suum honorem non vult communicare)®^, hätten sie erörtern müssen, ob „die Trinität ihre Ehre mit ihren eigenen Gnadenkräften teilen" will. Der Vorwurf der Kreaturvergötterung gleitet an dem Patriarchen ab; die theologischen Mittel aber, mit denen er ihm entgeht, wären einer Überlegung wert gewesen®^'. b) Der Umgang mit den Bildern Nicht nur die Heihgen können für Patriarch Jeremias Mittelinstanzen sein, durch die Gott geehrt wird, sondern auch Bilder - Bilder Christi, der Engel und der Heiligen. Als Hauptgrund dafür gibt er an, daß sie ebenfalls, wie jene " S. u. S. 264. 'β Ζ. В. Acta 2 4 3 . 2 4 4 . 2 4 8 . 2 4 9 . 333. " Ibd. 1 8 7 . 3 3 3 . e o i b d . 187. «1 Ibd. 330. So verstehen sie „divinitas" im o. Anm. 76) zitierten Satz im Sinne der Gottheit von Vater, Sohn und Geist; Jeremias hätte den Satz durchaus als angemessene Interpretation seiner Auffassung angesehen, doch auf die Gnade bezogen. Acta 334. Jeremias' Aussagen in diesem Kapitel Idingen streckenweise, als ständen sie unter palamitichem Einfluß, doch wie der Kontext und die Zitate zeigen, sind sie von Joannes Damaskenos her zu verstehen. Bezeichnend ist übrigens, daß der Patriarch in einem (Ps.)Damaskenos-Zitat über die Einwohnung der Geistesgnade ( P G 94, 1249D) den Halbsatz abschneidet: ού κατ' ούοίαν άλλά χάριτι και ενεργεί(? ( D k S II 463 [543] - eine Präzisierung, die er wohl kaum weggelassen hätte, wenn er von der Perspektive der palamitischen Gotteslehre her an die erörterten Fragen herangegangen wäre; doch palamitisches Gut gibt es bei ihm, wie oben gesagt, nur in den Abschnitten zum filioque (vgl. o. S. 243). Trotzdem sind die Anklänge an Palamas kein Zufall, Gregor und der Damaskener stehen einander im Zusammenhang der hier erönerten Themen z. T . sehr nahe - und so ergeben sich auch ähnliche Probleme (vgl. o. S. 223).

262

Der Briefwechsel

Männer und Frauen, die Gnade des Heiligen Geistes erfülle®^. Dementsprechend gilt auch ihnen bzw. der ihnen innewohnenden Gnade relative Verehrung, während Anbetung ihnen nicht zukommt. Diese Fassung der griechischen Bilderlehre, die das Bild in erster Linie als mit Gnade erfüllte Materie betrachtet, geht auf Joannes Damaskenos zurück®", den Theologen, dem Patriarchjeremias in seinen Ausführungen zum Thema fast ausschließlich folgt. Gott verhält sich zur gesamten Schöpfung, ja auch zu sich durch Abbildung seiner selbst, wobei - im platonischen Rahmen gesprochen - das Bild am Urbild (πρωτότυπον) teilgewinnt. Genauigkeit der Abbildung und Grad der Teilhabe richten sich nach der Natur des Trägers: Vollkommen, so daß nicht mehr von „Teilhabe" die Rede sein kann, sondern von vollem Besitz gesprochen werden muß, sind sie im innergöttlichen Verhältnis von Vater und Sohn, weniger vollkommen in den Offenbarungen des Alten Testaments und in der Vernunft des „nach dem Bild Gottes" geschaffenen Menschen®'. Was die Materie betrifft, so wäre sie an und für sich nicht geeignet, an der geistigen Wirklichkeit Gottes im Geringsten teilzugewinnen. Doch dank der Inkarnation, in der der ewige Sohn Mensch geworden ist und die Materie mit seiner Gottheit vereint hat, kann Materielles nun Träger des Göttlichen, Gefäß der Gnade werden®^. Solche Träger sind eben die Heiligen, ihre Leiber, Gräber und Reliquien, aber auch kirchliche Bilder, Kreuznachbildungen, Evangelienbücher, Kelche, Leuchter u.a.®^. Offensichtlich tritt in diesen Aussagen des Patriarchen®® die Frage nach dem Verhältnis von Götthch-Geistigem und Materie so sehr in den Vordergrund, daß das Eigenthche des Bildes, sein Bezug zum Gegenstand, eingeebnet wird. Es ist allerdings nicht vöUig abwesend. Schon die Durchdringung mit dem Göttlichen ist - auf dem Hintergrund des neuplatonisch-areopagitischen Denkens, das Jeremias hier voraussetzt®' - als dessen Sichtbarwerden auf niedrigerer Stufe und in begrenzter Genauigkeit zu verstehen und insofern Bild, ein Aspekt, der aber natürlich die gemalte Darstellung Christi, der Engel oder der Heiligen nicht eigentümlich auszeichnet. Daß indessen diese Darstellungen überhaupt unter die Gnadenträger eingereiht werden, beruht denn doch auf ihrem spezifischen Bildcharakter: Sie sind von Gnade durchdrungen, weil sie die Gestalt eines Gnadenträgers wiedergeben. Die Frage nach dem Verhältnis von Bild und Abgebildetem - das Problem, das im Mittelpunkt der Theorien der Ikonodulen in der zweiten Phase des Bilderstreits steht - wird von Patriarch Jeremias nicht thematisiert. Doch es ist " D k S II 463 [543]. β" Schönborn 191-200. D k S II 465 f. [545 f.], Schönborn 194 f. D k S II 463 [543]. 467 [547]. 469 [549]. Bzw. eben des von ihm zitierten Damaskeners, vgl. die Kritik v. Schönborns, 195.197f. Vgl. ibd. 193; Thümmel 536.

D i e theologische A u s e i n a n d e r s e t z u n g

263

deutlich, daß er die Beziehung zwischen beiden einerseits außerordentUch eng sieht: Er kann geradezu das Bild Marias als die Gottesmutter selbst bezeichnen^". Andererseits lehnt er eine Identifikation ab, was daraus hervorgeht, daß er die Beziehung des Betrachters zum Urbild nicht in der Beziehung zum Bild gegeben, sondern, wiewohl durch letztere vermittelt, doch von ihr unterschieden denkt - die seit dem Siebten Ökumenischen Konzil verbindliche Unterscheidung zwischen λατρεία und προσκύνησις σχετική^^: Allein dem Urbild gebührt Anbetung, während dem Abbild nur relative Verehrung zukommt; allerdings ist solche Verehrung notwendig, da das Bild durch seine Ähnlichkeit mit dem Gegenstand eben sehr eng mit diesem verbunden ist und sich dementsprechend das Verhalten ihm gegenüber letztlich nicht von dem zum Urbild trennen läßt: „Die Ehrerbietung gegenüber dem Bild geht auf das Urbild über" (ή της εικόνος τιμή έπΙ το πρωτότυπον διαβαίνει)^^ während die Ablehnung der Bilderverehrung einen Mangel an Ehrfurcht gegenüber dem Abgebildeten zeigt (Ó μή τιμών την εικόνα, ο ύ δ ϊ τον είκονιζόμενον τιμά)^^. An dieser Stelle zeigt sich allerdings ein Mangel an Klarheit in Jeremias' Ausführungen: Die Unterscheidung zwischen Anbetung des Urbildes und relativer Verehrung des Bildes ist entwickelt worden und hat Sinn nur für Abbildungen Christi. Auf solche geht der Patriarch aber nur einmal kurz im Zusammenhang mit Aussagen der Siebten Ökumenischen Synode ein'", im übrigen spricht er, dem Thema des Kapitels gemäß, von Heiligenbildern, von Bildern also, deren Urbilder ihrerseits nur relative Verehrung beanspruchen dürfen. Unter diesem Aspekt stehen hier Bild und Gegenstand auf derselben Stufe, und Jeremias parallelisiert sie, wie gesagt, ja auch meist - womit wieder der Gesichtspunkt erreicht wäre, unter dem die Bilder, wie die Heiligen, als Träger der Gnade gesehen werden und die Unterscheidung zwischen Anbetung und relativer Verehrung auf sie alle gleichermaßen anzuwenden ist. Die Einwände der Tübinger konzentrieren sich ganz auf die wenig ausgeführten und kaum begründeten Aussagen des Patriarchen über das Verhältnis von Bild und Urbild, die bei Jeremias im Vordergrund stehenden Ausführungen über die Gnadenhaftigkeit der Bilder werden nicht berührt ; sie würden sonst auf dieselben Einwände stoßen wie die über die Heiligenverehrung. Im Mittelpunkt der Kritik stehen zwei Argumente: Die Erfahrung lehre, daß in der praktischen Frömmigkeit die Unterscheidung zwischen προσκύνησις σχετική und λατρεία gar nicht vollzogen werde, sondern wer Bilder verehre, sie anbete und damit vergötze; Bilderverehrung laufe also de facto immer auf

'» " " " '•·

DkS II 463 [543]. Ibd. 1 4 9 2 . II 463 [543]. 464 [544]. Ibd. 463 [543], a. I 493, Zitat Basileios, De Spiritu Sancto 18,45. DkS II 469 [549]. Ibd. 470 [550].

264

Der Briefwechsel

Idolatrie hinaus'^. Mit dieser Feststellung wollen die Tübinger nun aber nicht einfach eine praktische Verirrung konstatieren, sondern einen unausweichlichen Vorgang, da die von den Griechen vertretene Bildtheorie nicht stimme. Es gebe unter den von Jeremias aufgezählten Beispielen nur einen Fall, in dem die einem Abbild entgegengebrachte Verehrung auf das Urbild übergehe: das innertrinitarische Verhältnis von Vater und Sohn. Grund dafür sei, daß hier Identität des Wesens (essentia) vorliege'®. In allen anderen Fällen und vollends beim künstlichen Bild sei keine solche Wesenseinheit gegeben und bestehe daher auch keine Möglichkeit, daß die Ehre vom Bild auf das Urbild übergehe (honor imagini exhibitus non transit ad prototypum)'''. Wenn man die Abbildung verehre, statt sich direkt an das Urbild zu wenden, bringe man damit ihr entgegen, was nur ihm gebühre, d.h. im Fall von Christusbildern, wegen der Überschätzung des Gegenstandes'® aber auch bei Heiligenbildern, man bete sie an. Die seit der Karolingerzeit im Westen übHche Wiedergabe des Terminus προσκύνησις(σχετική) der byzantinischen Bilderlehre durch das Wort adoratio®' muß daher den Württembergern auch hier sachgemäß erscheinen^*'®. Wie in ihrer Kritik an der Heiligenverehrung lehnen die Tübinger also auch hinsichtlich der Bilder jedes doppelte Verhältnis zu Gott - ein durch die wie auch immer bestimmte Ähnlichkeit des Abbildes mit dem Urbild vermitteltes neben dem direkten - ab, und wieder führen sie ins Feld, die Lehre des Patriarchen hebe die Differenz zwischen Schöpfer und Geschaffenem auf. Der Vorwurf trifft hier ebensowenig wie dort. Denn auch hier soll es ja Gott selbst sein, der im Bild gegenwärtig ist und verehrt wird, wenn auch beides nur eingeschränkt - eine Differenzierung, die allerdings für die Tübinger wegen der äußerst unklaren Argumentation des Patriarchen kaum erkennbar ist. Damit läuft auch der Vorwurf der Bildervergötzung auf die Zurückweisung einer bestimmten Theorie von der Anwesenheit Gottes in geschaffenen Dingen hinaus, und zwar handelt es sich diesmal um die Anwendung der Konzeption, daß ein Gegenstand in seinen Abbildern gegenwärtig sei und die Andersartigkeit des Bildträgers seine Gegenwart zwar einschränke, doch nicht aufhebe, auf kirchliche Bilder. Diese - platonische - Konzeption ist nicht eigentümlich auf solche Bilder bezogen^"!, sie bilden nur konkrete Fälle mit besonderen Konsequenzen. So gilt auch die Kritik der Tübinger nicht erst den rehgiösen Anwendungsfällen, vielmehr ist ihnen das ganze Bildverständnis uneinsichtig^"^. Die grundsätzliche, vortheologische Differenz im Verständnis der Beziehung von Bild und Urbild zeigt sich noch einmal in den positiven Aussagen der Württemberger über die Bilder und in der Reaktion des Patriarchen darauf. ' 5 Acta 333. " Ibd. 332.

'Mbd.340. S. o. S. 260.

« ' Loewenich 541. i»» Acta 338. 340. u. v. a. Vgl. Campenhausen, Die Bilderfrage . . . der alten Kirche, in: ders., Tradition und Leben 2 2 8 f. Vgl. Acta 332.

D i e theologische Auseinandersetzung

265

Die Tübinger plädieren keineswegs für Bildersturm^^^; ganz im Rahmen westlicher Tradition, wie sie von Papst Gregor I. klassisch formuliert!*''' von Luther übernommen^"® wurde, allerdings weniger enthusiastisch als der Reformator, da Jeremias die Abbildungen nichtbiblischer Gestalten in den Mittelpunkt der Diskussion gerückt hat^^®, weisen sie den Bildern eine pädagogische Funktion zu: Sie seien nützlich, das Gedächtnis (memoria) zu stärken; solch eine pädagogische Verwendung habe mit Verehrung aber nicht das Geringste zu tun^"·' - wie sollte sie das auch für einen Betrachter, der im Abbild nicht das Urbild gegenwärtig sieht. Patriarch Jeremias aber tut genau dies. Deshalb kann er das Nebeneinander von Zulassung der Bilder einerseits und Kritik der Bilderverehrung andererseits überhaupt nicht fassenios. Es gibt für ihn nur eine Folgerung: Die Tübinger legen an dieser Stelle Lippenbekenntnisse ab, in Wirklichkeit weisen sie die Bilder ganz zurück, d.h. sie sind - verkappte Juden^®': Von diesem Volk habe schließlich die Verachtung der Bilder - und auch der Reliquien - ihren Ausgang genommen, wie die Geschichte zeige!!". Antijüdische Polemik spielte eine große Rolle bei der Ausbildung der byzantinischen Bilderlehre"!. Wenn Patriarch Jeremias einige Zeilen vor dem Abbruch der Korrespondenz schreibt, die Lehre der Lutheraner sei von Juden ausgesät w o r d e n " ^ , dann reiht er die mittlerweile theologisch abgeschriebenen Briefpartner nach dem Vorspiel der Zurückweisung ihres Epiphanioszitats"^ endgültig und schärfstmöglich in die Frontstellung eines der klassischen Kämpfe seiner Kirche ein - und kann die Auseinandersetzung schon deshalb für entschieden erachten. Die Tübinger sind über diesen Vorwurf so perplex, daß sie in ihrer letzten Antwort auf die Bilderfrage gar nicht mehr eingehen, sondern alle Mühe darauf verwenden, ihn zurückzuweisen"".

lo^ A c t a 338. Campenhausen, Die Bilderfrage . . . der alten Kirche, in: ders., Tradition und Leben 231. Ders., Die Bilderfrage in der Reformation, ibd. 3 9 2 - 3 9 5 . So schreiben sie, die Liebe zum Nächsten, der nach dem Bild Gottes geschaffen sei, habe mehr Sinn als die Verehrung von Heiligenbildern (Acta 337). 1»' Ibd. 332. ^o® Obwohl es diese Differenzierung in der alten Kirche auch des Ostens durchaus gegeben hatte, s. Campenhausen, Die Bilderfrage . . . der alten Kirche, in: ders., Tradition und Leben 2 3 0 f . DkS II 488 [568]; zusätzlich genährt wird dieser Gedanke durch die Tatsache, daß sich die Tübinger des öfteren auf das Alte Testament im Urtext berufen (s. u. S. 338). Ibd. Beck, Von der Fragwürdigkeit 10 f. DkS II 488 [568]. 1 " S.O.S. 255. " " S. o. S. 206.

266

Der Briefwechsel

4. Das Mönchtum C A 27 ist der einzige Mißbrauchsartikel des Augsburgischen Bekenntnisses, in dem der Ablehnung keine positive Lehre zum Thema gegenübersteht^; er enthält nichts als die Verwerfung des Mönchtums, ohne zu versuchen, ihm einen bejahenswerten Sinn abzugewinnen und entsprechende Reformvorschläge zu machen, so sehr er sich auch auf die Kritik spätmittelalterUcher Reformtheologen bezieht. Dieselbe zugeständnislose Haltung äußert sich in den anderen Artikeln, in denen vom Mönchtum die Rede ist, C A 1 5 , 1 6 , 2 0 und 2 6 . Die Ablehnung des Mönchtums trifft Patriarch Jeremias härter als jede andere Aussage der Confessio Augustana - nirgends sonst widerspricht er dem Bekenntnis so scharf; während ihm die übrigen Gegensätze erst im Verlauf des Briefwechsels in ihrem vollen Umfang deutlich werden und zunächst durch partielle Übereinstimmungen und Unklarheiten verdeckt sind, steht hier von vorneherein kategorisch fest: Was ihr schreibt, „das ist nicht schön" (τοϋτο ού καλόν έστίν)^, „das akzeptieren wir nicht" (τοϋτο ημείς ουκ άποδεχόμεθα)^. Auf diesen Ton sind Jeremias' Kommentar zu den Aussagen über das Mönchtum aller damit befaßten Artikel des Augsburgischen Bekenntnisses"· wie die einschlägigen Kapitel der zweiten und dritten Antwort aus Konstantinopel bis hin zum Abbruch der Korrespondenz gestimmt, der ausdrücklich auch mit der Haltung der Tübinger zum Thema begründet wird®. Die Reaktion des Patriarchen verwundert nicht. Denn in der Kritik am Mönchtum sah er nicht nur eine Institution innerhalb der Kirche attackiert, sondern „das Eigentliche", das Ideal und die Vollendung des christlichen Lebens überhaupt®. Galt doch seiner Tradition der Mönch nicht als Angehöriger einer Sondergruppe, sondern als der Christ, wie er sein sollte - eine Sicht, die sich ganz konkret darin niederschlug, daß das Mönchtum dort für jedermann „zur Disposition" stand^: Auch von den Getauften, die ihr Leben mehr oder weniger fern dem Ideal „in der Welt" verbracht hatten, beschritten unzählige über viele Jahrhunderte der griechischen Kirchengeschichte hin den monastischen Weg wenigstens noch im Alter oder gar auf dem Sterbebett. Diese Perspektive war ein so unumstrittener Faktor des kirchlichen Lebens, daß es keine amtüchen, d.h. synodalen Definitionen gibt, ob das Mönchtum berechtigt und was ein Mönch überhaupt sei, nur Ausführungsbestimmungen, die Weise und Maß der Askese, das Verhältnis zur Hierarchie und ähnliche Fragen regeln. Die theoretischen Reflexionen entnahm man den asketischen und mysti1 Grane 176. 2DkSI487. Mbd.482. N u r in der Antwort auf C A 15 geht er auf dieses Thema nicht ein, da er das Wort εύχή für „ G e l ü b d e " mißversteht und die entsprechenden Aussagen als Ablehnung des Gebets auffaßt, s. o. S. 185. 5 D k S II 488f. [568f.], ® Beck, Jahrtausend 222. ' Ibd.226.

Die theologische Auseinandersetzung

267

sehen Schriften der Mönchstheologen selbst. Dies sind denn auch die beiden Arten von Quellen, aus denen Patriarch Jeremias in seinen Darlegungen über das Mönchtum vornehmlich schöpft®: Konzilskanones, die damit zusammenhängenden praktischen Problemen gelten, und Aussagen vor allem der größten Autorität unter den griechischen Theologen des monastischen Lebens, Basileios' des Großen. Der skizzierten Einschätzung des Mönchtums entsprechend sind die Aussagen des Patriarchen darüber im Grunde genommen Aussagen zum Thema „christliches Leben" überhaupt': Wer sich für die Verpflichtung des Christen zu guten Werken ausspreche, der müsse die Askese, das Mönchtum bejahen^". Denn hier werde jene Verpflichtung völlig ernstgenommen, nicht nur im Sinn ununterbrochener, sondern auch umfassender Erfüllung: Der Mönch werde frei von der Berührung mit der Materie und damit von den durch sie entzündeten Leidenschaften^^, oder positiv gewendet, frei zur völligen Hinwendung zu Gott in Meditation und Schau^^. Solches vollkommene (τέλειος)^^, gleichsam „engelhafte Leben" (αγγελικός βίος u. ä.)^'' sei die Verwirklichung der wahren Buße*® und des geistlichen K a m p f e s " , es errege das Wohlgefallen Gottes*'' und führe zur Rettung der Seele*®. In ihm werde der Christ, auf den Spuren biblischer Vorausdarstellungen (τύπος) wie Elias, Johannes' des Täufers oder der Jünger Jesu*', dem Anspruch der Schrift ohne Einschränkung und spiritualisierende Ermäßigung gerecht, etwa durch den Verzicht auf Besitz und Ehe^". Niemand solle einwenden, viele Menschen könnten auf die Dauer ein asketisches Leben kaum durchhalten, vor allem wenn sie sich sehr früh dazu entschieden hätten; denn abgesehen davon, daß nach jedem Rückfall ein Neuanfang möglich sei^*, werde die Gnade helfen, alle Schwierigkeiten zu überwinden^^. Bedeutet all das, jeder Christ müsse Mönch oder Nonne werden? Patriarch Jeremias berührt diese Frage mehrmals^^, beantwortet sie aber nicht eindeutig. Grundsätzlich stellt er fest, daß Gott den Menschen zwei Lebensformen (βίος) gegeben habe, die Ehe und die Ehelosigkeit^·*. In beiden könne der Christ gerettet werden, allerdings leichter im ehelosen Leben, da sich hier der Leidenschaftslosigkeit weniger Hindernisse entgegenstellten^®. Insofern sich dieses Ideal aber nicht in äußerem Verhalten erschöpfe, sondern alle Regungen betref-

8 S.O.S. 1 8 8 . 1 9 2 . 2 0 2 . ' Deshalb wird umgekehrt die Antwort auf C A 20 weitgehend zu einer Darlegung über das Mönchtum. 1» DkS I 487. "

"

Ibd.

Ibd. II 472 [552]. 474 [554]. 488 [568]; 1 4 9 8 . 15 Ibd. 498. 4 5 8 ; II 461 [541].

Ibd. 487. 4 9 8 (vgl. o. S. 235).

> M b d . 488. 498.

"

Ibd. II 472 [552].

Ibd. I 498. 20 Ibd. I 482. 487. 489. 498. " Ibd. I 487. 489.

" " "

Ibd. 474 [554]. H j j 4 9 5 . ц 472 [552]. ¡ b J . i 497.

" "

Ibd. 4 8 7 ; s. a. II 473 [553]. Ibd. ibd. I 4 9 6 f . ; II 471 [551].

268

Der Briefwechsel

fe, biete die Askese an sich noch keine Garantie für das Heil, genausowenig wie der Umgang mit den Gütern der Welt, wenn er in der richtigen Einstellung geschehe, ins Verderben führe^®. Infolgedessen dürfe das L o b der Asketen nicht so verstanden werden, als wolle man ihre Lebensweise zur N o r m für alle Christen machen^·^. Diese Aussagen stehen nun aber in den Kapiteln über das Mönchtum völlig isoliert da, und sie werden von deren Grundtendenz schlicht überrannt: Die breite Masse (τά πλή-θη) der Christenheit, die nicht den monastischen Regeln folgt, führt eben kein „vollkommenes" Leben^®: Sie erfüllt nur einen Teil der Gebote Gottes^^ - während der vollkommene Gehorsam gefordert ist^O; d.h. konkret vor allem, sie wird vom Band der Ehe gefesselt und blickt nicht, wie die Engel, „ohne sich zu anderer Schönheit zu erheben, beständig auf das göttliche Antlitz"3i. Jeremias' Aussage,'das Heil sei unter den Bedingungen der Ehe schwieriger zu erlangen als im Rahmen des Mönchtums, geht unversehens über in die Gleichsetzung von Zölibat und Leben nach den Regeln des Reiches Gottes^^, in die grundsätzliche Abwertung der Ehe: Wer etwa aus dem Kloster in das weltliche Leben zurückkehrt, zieht nicht nur den Vorwurf auf sich, sein Gelübde gebrochen zu haben, sondern vor allem „beschmutzt er den durch das Versprechen Gott geweihten Leib wiederum durch die Hingabe an das gemeine Leben" (то άφιερωμένον διά της επαγγελίας τφ Θεώ σώμα πάλιν xfj too κοινού βίου υπηρεσία καταρυπώσας)^^, ein Schritt, der mit der Abkehr vom Reich Gottes selbst gleichgesetzt und als Weg ins Verderben beurteilt werden muß3^ Dieselbe Bewertung gilt allen anderen Tätigkeiten und Lebensumständen, die der Leidenschaftslosigkeit hinderlich seien^®, wenn Jeremias auch nirgends so leidenschaftlich für die Leidenschaftslosigkeit ficht wie im Zusammenhang von Ehe und Sexualität. Er hält das Fasten für notwendig^^ und empfiehlt Selbstkasteiung^''. Er betont, die Aufforderung Jesu an den Reichen Jüngling, alles zu verkaufen und den Armen zu geben (Mt 19), sei wörtlich zu befolgen, denn wenn man auch nur etwas zurückbehalte, werde man dessen Knecht^® und damit in Leidenschaft an Materielles gebunden. Und was bürgerliche Berufe und öffentliche Amter betrifft, so geht er mit keinem Wort auf die Aussagen von C A 16 ein, wonach Christen sie ausüben können, ja sollen; deren Beitrag in diesem Bereich besteht für ihn allein im Gehorsam gegenüber der Obrigkeit, und selbst hier wechseh er unversehens das Thema und spricht vom Gehorsam gegenüber der kirchlichen Hierarchie^'. Das ist, wie gesagt"", auf dem Hinter«

"

Ibd. 495; vgl. a. 497f. Vgl.Anm. 13. Ibd. 490. Vgl. ibd. 493.

" jbd. 487. "DkSI489. " Ibd. 498. " Ibd. 497.

Ibd. 493. Ibd. II 475 [555]. Ibd. 482.

" "

39

Ibd. 481 f.

Ibd. 497f. Ibd. 1 4 8 7 . 4 9 7 . S.

o.

S. 186 f.

Die theologische Auseinandersetzung

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grund der politischen Lage, in der die Griechen seiner Zeit zu leben hatten, erklärlich, aber nicht allein darauf zurückzuführen. Denn eine die aktive Beteiligung am beruflichen und öffentlichen Leben positiv würdigende Bestimmung des Verhältnisses von christhchem Glauben und Weltbezug - wie sie von C A 16 im Kontext der lutherischen Zwei-Reiche-Lehre entwickelt wird'*^, doch nicht nur in diesem Rahmen denkbar isf*^ - muß ausgeschlossen sein, wenn das Handeln des Christen unter dem Aspekt der Leidenschaftslosigkeit definiert und jede Zuwendung zur Welt als Konkurrenz zur Hinwendung zu Gott gesehen wird. Eine andere Einschätzung kommt zwar in den Passagen zum Ausdruck, in denen Jeremias die Verpflichtung zur Nächstenliebe hervorhebt"^. Doch wo er ihren Stellenwert im idealen christlichen, „engelhaften" Leben bestimmen will, ordnet er sie nahtlos in seine Konzeption vom Mönchtum ein: Auch die Mönche zögen sich nicht einfach in ihre Berge und Höhlen zurück, ohne Barmherzigkeit zu üben, vielmehr verschenkten sie zuvor all ihre Habe an die Armen und verließen so „das hinderhche Getriebe" der Welf*·* - die Gabe dient weniger dem Empfänger als dem Geber, der sich mit ihr von der Abhängigkeit schaffenden Materie befreit. In ihrer kritischen Erwiderung zum Thema Mönchtum bringen die Tübinger die meisten Argumente vor, die schon die Confessio Augustana, vor allem C A 27, enthält, doch unterscheidet sich ihre Stellungnahme in zweifacher Hinsicht von der des Bekenntnisses - Differenzen, die sich aus der veränderten historischen Lage erklären: Denn während für die Generation der Reformatoren das Mönchtum noch eine lebendige Wirklichkeit war, mit der sie sich in ihren Territorien konfrontiert sahen und die sie z . T . in ihrer eigenen Biographie zu verarbeiten hatten, konnte man es nun, fünfzig Jahre später, in den evangelischen Gebieten als vergangene, ungefährliche Größe betrachten. Deshalb ist zum einen - der Ton der Tübinger sehr gelassen. Sie gestehen zu, daß es sicherlich viele gute Vertreter des Mönchtums gebe und gegeben habe'*^; die Einrichtung, daß sich in der alten Kirche fromme Männer zum täglichen Bibelstudium zusammengetan hätten, sei sogar hoch zu loben und habe ihr Gegenstück in den Klosterschulen des lutherischen Herzogtums Württemberg"*®. Im übrigen stehe Christen, die unverheiratet leben wollten, diese Möglichkeit auch hier durchaus offen"^, sei es allein, sei es in Gruppen·*®. Allerdings müßten sie das als Privatleute, im Rahmen eines persönlichen Entschlusses (privati homines, qui plane sui iuris essent) ohne kirchliche Rechtsfolgen tun"'. Monastische Vgl. Maurer, Historischer Kommentar I, 78-124. Vgl. die positive Stellungnahme der Konfutatoren zu C A 16. « DkS 1467-469. Ibd. 467 (Formulierung Schaeder 82). « Acta 344. « I b d . 195f. " Ibd. 341. 376. « Ibd. 196. Ibd.

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Der Briefwechsel

Gelübde (votum) seien abzulehnen. Denn sich für sein ganzes Leben unwiderruflich an Ideale zu binden, von denen man, besonders in jungen Jahren, gar nicht wisse, ob man sie erfüllen könne, führe nur zu Anfechtungen im Gewissen, wenn Mönche oder Nonnen feststellten, sie seien für das von ihnen gewählte Leben doch nicht geeignet, aber vor dem Austritt aus dem Kloster zurückschreckten, weil sie ihn für eine schwere Sünde hielten®". Die zweite Differenz betrifft den Schwerpunkt der Argumentation: Die Abweisung mit dem Mönchtum verbundener soteriologischer Ansprüche tritt stark zurück hinter ihrer positiven Kehrseite, der Verteidigung von Wert und Würde des alltäghchen Christenlebens in Familie und Gesellschaft - des Ideals, das sich im eigenen Territorium mittlerweile ganz und gar durchgesetzt hatte. N u r einmal, noch dazu im Rahmen einer Sammlung traditioneller Argumente, wird ein Einwand gestreift, der, wenn auch vorsichtiger formuliert, der Confessio Augustana außerordentlich wichtig ist®^: Viele Mönche meinten, durch ihr asketisches Leben ihre Sünden sühnen (expiare) zu können, was der Allgenugsamkeit des Verdienstes Christi widerspreche®^. Sonst aber steht die Aussage im Vordergrund, in der Heiligen Schrift sei allein vom Leben des Normalchristen die Rede und nirgends vom Mönchtum®^: Die bibhschen Gebote, die der Patriarch zitiere, die Forderung nach Buße und geistlichem Kampf, beträfen alle Getauften®", und die Personen des Alten und Neuen Testaments, die er anführe, hätten sich höchstens zeitweise und auch nur aufgrund besonderer Berufung (vocatio particularis) zurückgezogen, doch kein allgemeines Ideal begründet®®. Sein ganzes Leben in einer Weise zu verbringen, die man sich selbst ausgedacht habe (ab hominibus excogitatum)®^ ohne sich auf den Beifall des Wortes Gottes (approbatio verbi Dei) stützen zu können, sei aber gefährlich®^, ja, eine Versuchung Gottes®®; denn meist räche sich die menschliche Natur, die nun einmal für die Ehe geschaffen sei, in Trotz gegen Gott und die Umwelt®' und in unsauberen Phantasien^" oder Schlimmerem, wie die Erfahrung lehre®^. Echte Enthaltsamkeit in Tat und Gedanken sei eine Gnadengabe, und sie besäßen nur sehr wenige Christen (paucissimos esse, qui donum continentiae habeant)®^. Die Ehe ist für die Tübinger nur ein Beispiel, wenn auch das verbreitetste, für berufliches Leben überhaupt. Kein Mensch sei für sich selbst geboren, sondern dazu, Gott und dem Nächsten zu dienen; das aber geschehe im jeweihgen Beruf 50 Ibd. 1 9 5 . 3 4 1 . 51 C A 2 7 , B S E L K U l f . , 11; 113,16; 1 1 5 f . , 3 6 ; 116,38; 1 1 6 f . , 4 2 - 4 8 . A c t a 341. Die im Augsburgischen Bekenntnis mit diesem Vorwurf zusammenhängende Kritik an der römischen Lehre von den Consilia evangelica und den opera supererogationis ( C A 27, B S E L K 112,12; 118,54; 119,61) wird gar nicht vorgebracht. A c t a 196f. 198. 341. 3 4 3 - 3 4 5 . 3 76 . 55 Ibd. 343f. 197.

54 ц , ^ 342. 56 Ibd. 376.

5Mbd.341. 59 Ibd. 196.

58 Ibd. 195. Ibd. 195.

"Ibd.

"

Ibd. 341; so a. 195.

Die theologische Auseinandersetzung

271

(vocatio), in den Gott einen stelle®^, in kirchlichen, politischen, wirtschaftlichen und familiären Ämtern (officium)®'', kurz, im alltäglichen (quotidianus), gewöhnlichen (vulgaris, communis) Leben®®. Hier habe der Christ Glauben und Gehorsam zu bewähren, wie die Predigten Johannes' des Täufers und der Apostel Petrus und Paulus zeigten®®, und hier sei der Ort, an dem der geistliche Kampf gegen den Satan und die Sünde bestanden werden müsse, und zwar von allen Christen, nicht von einer kleinen Gruppe besonderer Individuen®'^. Ein monastisches Leben habe demgegenüber nicht den geringsten Vorzug®®, und asketische Übungen seien unnütz®', ganz abgesehen davon, daß sie dem Leib die ihm zukommende Würde nahmen·"*. Vor allem aber verführten die Ideale des Mönchtums dazu, das gewöhnliche Christenleben zu verachten''^, während es doch durch Gottesdienst und Nächstenliebe im Alltag sinnvoll und umfassend ausgefüllt sei^^. Die Aussagen stehen hart gegeneinander: Hier das Plädoyer für eine Form der Konzentration auf Gott, bei der alles Weltliche nur stören kann, dort die Betonung der Pflichten im Rahmen der Welt, weil sie der Bereich sei, in dem sich der Gottesdienst zu vollziehen habe. In einem Punkt aber sind sich die Briefpartner einig: darin, daß sie beide nur eine Lebensform für alle Christen gelten lassen. Wie die Tübinger nur die Legitimität christlichen Handelns im Rahmen der Schöpfungsordnungen im Auge haben, so kann der Patriarch sie im Namen asketischer Ideale nur negieren; insofern gleitet der Vorwurf der Lutheraner an ihm ab, er trage der Tatsache nicht Rechnung, daß von jedem Christen vollkommene Buße und vollkommener Gehorsam gefordert seien. Ist bei ihm doch das Übersteigen der Schöpfungsordnungen zur allgemeinen N o r m geworden, wobei dessen Charakter sowohl als unverfügbare Gabe wie als Ausnahme auf der Strecke bleibt''^. Umgekehrt rechnen die Tübinger mit solchen Ausnahmen gar nicht mehr, ihr Hinweis auf die Möglichkeit entsprechender Gnadengaben ist nichts als eine exegetische Reminiszenz. Der eschatologische Aspekt der neutestamentlichen Ethik schlägt sich für sie allein in der Weise nieder, in der die schöpfungsmäßigen Berufe von Christen ausgeübt werden: in der inneren Freiheit derer, die sich in Christus von Gott angenommen wissen und darum dem Nächsten in Liebe dienen können·"*. Daß sich gerade solcher Dienst auch im vollständigen Verzicht Einzelner auf bestimmte mit jenen Berufen einhergehende Rechte vollziehen könne, nicht als höhere " " "

Ibd. 196. 376. " Ibd. 197; s. a. 342. Ibd. 197. " Ibd. Ibd. 342. Ibd. 198. 376. Ibd. 198. Ibd. 345. Ibd. 1 9 7 . 3 4 1 . " I b d . 198. " Vgl. DkS I 497, wo das Charisma der Ehelosigkeit, nach Paulus eine Gabe Einzelner (s. 1. Kor 7,7), gleichgesetzt wird mit der Haltung der Leidenschaftslosigkeit, die von allen geforden sein soll. Acta 183-186.

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Der Briefwechsel

Weise des Christseins, sondern als zeichenhaft einseitige Konzentration auf den einen oder anderen Zug des allen Christen gemeinsamen Lebens^®, dafür ist in den Schriften der Tübinger kein Raum. Jeremias' Hinweis auf Jesu Forderung an den Reichen Jüngling, all seine Habe zu verkaufen und den Erlös unter die Armen zu verteilen (Mt 19), den Briefpartnern als allgemeine Norm vorgehalten, stellen sie ebenso pauschal die Aussage entgegen, für Christen gebe es nur die eine paulinische Mahnung, den Armen zu spenden, wovon man zuviel habe (2. Kor 8,14)'^®. Den Stachel jener biblischen Geschichte, die einst einen Antonius in die Wüste getrieben^^ und wesentlich zur Begründung des altkirchlichen Mönchtums beigetragen hatte''®, spüren sie nicht. Wobei allerdings einzuräumen ist, daß die Argumentation des Patriarchen, seine Bestimmung christHcher Ethik durch den Begriff der Leidenschaftslosigkeit und die daraus folgende Leibfeindhchkeit und Vernachlässigung der sozialen Bezüge im Ideal des „engelhaften Lebens" ihnen eine Modifikation ihrer Sicht vielleicht unmöglich machte.

5. Die

Sakramente

Nirgends wurde die griechische Theologie im Laufe des Mittelalters und der frühen Neuzeit so stark von der römischen Scholastik beeinflußt wie in der Lehre von den Sakramenten bzw. Mysterien. Während Differenzen im Vollzug dieser Riten - etwa hinsichtlich der Anwendung des Wassers bei der Taufe, des Zeitpunkts und des Amtsträger bei der Firmung, der Brotart beim Abendmahlseit den Schismen des neunten und elften Jahrhunderts zum Konfliktstoff zwischen Rom und Konstantinopel gehörten, ergab sich im Bereich der theologischen Theorie seit dem dreizehnten Jahrhundert eine Annäherung durch Übernahme scholastischer Aussagen im Osten. Dieser Prozeß wurde nicht als Überfremdung empfunden, und unterschwellige Brüche kamen niemandem zum Bewußtsein, weil es auf griechischer Seite kein systematisch-theologisches Pendant zur westlichen Lehre gab. Statt den Begriff des Sakraments und der einzelnen Sakramente zu erörtern, war man hier orientiert am gottesdienstüchen Vollzug, und die theologische Reflexion galt primär ihm - die Stelle der Quaestio „quid sit sacramentum" wurde von der Auslegung der konkreten Mysterienfeiern eingenommen. Wenn im Zusammentreffen der Konzeptionen beider Seiten Spannungen aufgebrochen wären, hätten sie sich im Bewußtsein ' ' Vgl. Campenhausen, Die Askese im Urchristentum, in: ders., Tradition und Leben 120. 136f. 142. 154f.; u. vgl. a. L. Goppelt, Theologie des Neuen Testaments 1 6 3 . 1 6 5 ; ders., Das Problem der Bergpredigt, in: ders., Christologie und Ethik, 39, und ders., Die Herrschaft Christi und die Welt, ibd. 130f. Acta 184 f. " Vgl. P G 26, 841 B - 8 4 4 C . Vgl. Holl, ü b e r das griechische Mönchtum, in: ders., Gesammelte Aufsätze zur Kirchengeschichte 11,271.

Die theologische Auseinandersetzung

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methodischer Differenzen äußern müssen doch das entsprach nicht den Fragestellungen der Zeit. Die Tatsache, daß die in der römischen Sakramentenlehre behandelten Probleme im Rahmen der griechischen Tradition gar nicht oder nicht in derselben Perspektive erörtert wurden, erlaubte nicht nur die konfliktfreie Übernahme scholastischer Begriffe und Aussagen im Osten, sondern sie bestimmte zugleich auch die Weise dieser Übernahme: Es handelt sich hier um einen schleichenden. Je nach geographischer Lage und historischer Situation ungleichmäßigen und zumindest bis zum 17. Jahrhundert immer nur bruchstückhaft vollzogenen Prozeß. Die Passagen des Patriarchen Jeremias zum Thema bieten einen repräsentativen Ausschnitt aus dieser Entwicklung. Sie folgen im wesentlichen der byzantinischen Tradition, indem sie, am Vollzug konkreter Riten orientiert, Ausführungsbestimmungen und Kommentare dazu zitieren, wobei bezeichnenderweise dann und wann die herkömmlichen Abgrenzungen zur westlichen, und Jeremias vermutet, damit auch lutherischen, Praxis einfließen. Daneben aber finden sich einige Begriffe und Aussagen der scholastischen Sakramentenlehre, teils versprengt und unvermittelt, teils bis zu einem gewissen Grad integriert. Sie wurden nicht erst ad hoc für die Antworten an die Tübinger aufgenommen niemand im Patriarch war mit der lateinischen Theologie so vertraut, daß er das hätte leisten können^, im übrigen läge in diesem Fall eine gleichmäßige Behandlung mittels scholastischer Kategorien vor, wie sie etwa wenige Jahre später Gabriel Severos in seinem Συνταγμάτιον περί των άγιων μυστηρίων bieten sollte^. Vielmehr konnte Jeremias auf Übernahmen scholastischer Aussagen ' Vgl. die Überlegungen in dieser Richtung bei H o t z , Sakramente, und in der von ihm referierten neueren Diskussion. ^ Weder Jeremias selbst, der von einheimischen Klerikern eine traditionelle Ausbildung erhalten hatte (s. o. S. 42 und vgl. u. S. 344) - dasselbe gilt von den anderen ständig oder zeitweilig im Patriarchat anwesenden Kirchenmännern, die als einigermaßen gelehrt galten (Gerlach TB 60. 119. 133, zu dem bedeutendsten von ihnen, Damaskenos Studites, s. Meyer 130), - noch Joannes Zygomalas, der ganz von der zu Hause empfangenen theologischen Bildung geprägt und während seines Aufenthalts in Italien theologischer Lehre vermutlich gar nicht ausgesetzt gewesen war (s. o. S. 69 und vgl. u. S. 344); der Diakon Symeon Kabasilas hatte zwar in Padua studiert (Gl. TB 122. 200), war aber zu der Zeit, als die erste A n t w o r t entstand, noch nicht wieder in Konstantinopel (Gl. TB 200). Leonardos Mindonios als Mitverfasser anzusehen (so Meyer 88) und auf ihn dann möglicherweise, da er aus Chios stammte und in Padua studiert hatte, römische Einflüsse in den Antworten zurückzuführen, hieße seine Rolle überschätzen - wir haben keine Anhaltspunkte f ü r eine so weitgehende Beteiligung, im übrigen stand er nach den Auskünften, die Gerlach über ihn gibt, dem Augsburgischen Bekenntnis sehr positiv gegenüber (s. o. S. 78). ^ Gerade die Tatsache, daß der scholastische Geist in Jeremias' Antworten nur sehr sporadisch weht, spricht also gegen Meyers (98, aufgenommen von Jorgenson, The Augustana Graeca 179, und H o t z , Sakramente 146, A n m . 502, trotz Jugie, Theologia III 34. 16, und H o t z selbst, Sakramente 151) Vermutung, Gabriel sei verantworthch für den am stärksten scholastischen Absatz, die Aussagen über Form, Materie usw. in der Erwiderung auf C A 7 (s. o. S. 173 u. u. S. 275). Im übrigen ist an persönhche Einwirkung von seiner Seite auf die erste A n t w o r t an die Tübinger auch aus

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Der Briefwechsel

und Termini zurückgreifen, die bereits vor ihm stattgefunden hatten. 2 . B. war die westliche Zählung der Sakramente in seiner Kirche bereits üblich, das Wort „Genugtuung" schon bekannt, und für die zusammenfassende Behandlung der Mysterien ließ sich ein in griechischer Sprache vorliegender scholastischer Traktat aus Zypern heranziehen''. So hatte der Patriarch selbst gar nicht den Eindruck, westliche Einflüsse aufzunehmen. Daß er es tat, zunächst einmal genauer, daß bestimmte Strömungen der spätbyzantinischen Theologie, an die er anknüpfte, es taten, lag einerseits daran, daß die westliche Fragestellung und die ihr entsprechenden Antworten den Griechen offenbar zumindest bis zu einem gewissen Grad einleuchtend erschienen. Vor allem aber trägt die scholastische Sakramentenlehre eine Gestalt, dank deren sie bestimmten praktischen Bedürfnissen weit besser entgegenkam als die heimischen Kommentare: Aus dem Schulbetrieb geboren, war sie in ihrer Knappheit und systematischen Zuspitzung hervorragend geeignet für didaktische Zwecke; nicht umsonst stellt das größte Zitat westlicher Herkunft, das Jeremias anführt, der genannte Sakramentstraktat, ein Lehrstück für den Klerus dar. Griffige Formeln und systematische Darstellung aber boten sich nicht nur für die didaktische Vermittlung, sondern auch zur Präsentation der eigenen Lehre für Außenstehende an. Dies war sicherlich zumindest im Fall der zypriotischen Abhandlung ein wesentlicher Grund dafür, daß Jeremias den Tübingern gegenüber scholastische Aussagen vorbrachte. Damit waren die Weichen für die Reaktion der Tübinger gestellt. Sie stürzten sich, wo möglich, auf die scholastischen Anleihen; denn hier fanden sie eine Position vor, die ihnen aus der innerwestlichen Diskussion bekannt und deren Fragestellung ihnen vertraut war. So aber gewannen diese Anleihen ein Gewicht, das sie zum größten Teil in Jeremias' Schriften gar nicht haben, bilden sie dort doch eine kaum integrierte Minderheit gegenüber der Masse des Stoffs, die auf traditioneller byzantinischer Linie hegt. Das traditionelle Gut aber wurde von den Tübingern umgekehrt ganz im Licht der scholastischen Sakramentenlehre interpretiert^. Vermutlich hätten sie, wie ihr Vorgehen in anderen Punkten zeigt, die Aussagen der Griechen über die Mysterien ohnehin auf dem Hintergrund der reformatorisch-römischen Kontroverse gesehen; doch die scholastischen Aussagen schienen diesen Weg auch noch explizit vorzuschreiben. Hiermit soll nicht gesagt werden, eine derartige Interpretation sei ganz und gar unmöglich, oder gar, sie bringe gewaltsam Gegensätzliches auf einen Nenhistorischen Gründen nicht zu denken: Er erhielt nachweislich erst gegen Ende des Jahres 1575 die Erlaubnis der griechischen Kolonie in Venedig, sich nach Konstantinopel zu begeben (Legrand, Bibliographie X V / X V I II, 144), die Antwort lag aber schon im Sommer 1575 in einer ersten und im Frühjahr 1576 in der endgültigen Fassung vor (Cr. T B MS I 239. 334; Gerlach TB 115. 178, s. o. S. 75. 79. 84. 86). " S.o.S.174f. ^ Das wird sich besonders deutUch im Kapitel über die Buße sowie hinsichtlich der Frage zeigen, ob das Abendmahl als Opfer zu betrachten sei.

Die theologische Auseinandersetzung

275

пег. Eine solche Behauptung übersähe die Tatsache, daß die Griechen scholastische Begriffe und Aussagen, wie wenig integriert auch immer, übernehmen konnten und jedenfalls eher hier Anleihen machten als bei der Lehre der reformatorischen Kirchen. Doch die Interpretation der Tübinger macht ein einheitliches Ganzes aus Aussagen, die ein solches Ganzes nicht bilden, sondern vielmehr einen Ubergangscharakter tragen, und sie erklärt zum Fluchtpunkt dieser Einheitsschau Begriffe und Passagen, welche bei Jeremias am Rand stehen und ihren ursprünglichen Verständnishorizont gar nicht oder nur sehr begrenzt einbringen®^. So konnte die Frage nicht aufkommen, wie sich die in den Schriften des Patriarchen versammelten Elemente eigentlich zueinander verhalten eine Erörterung, die zumindest in einigen Punkten zu einem anderen Verlauf der Debatte zwischen Tübingern und Griechen über die Sakramente geführt hätte. a) Definition,

Zahl und innere Abgrenzung

der

Sakramente

Patriarch Jeremias bringt die erste Definition der Sakramente in genere vor, die es auf griechischer Seite gibt, nämlich die des zypriotischen Traktats, mit dem er C A 7 kommentiert. Sie ist, wie bereits gesagt, nichts anderes als die griechische Übersetzung scholastischer Aussagen. Danach werden auf dem Hintergrund der Verbindung von augustinischer Zeichentheorie und aristotelischem Kausalitätsschema die Sakramente als von der Schrift angeordnete Symbole bestimmt, die, aus sinnlich wahrnehmbarer Materie und worthafter F o r m zusammengesetzt, eine übersinnliche gnadenhafte Realität zugleich bezeichnen und hervorbringen®; diese ihre Wirksamkeit soll auf das Leiden Christi zurück-

Gegen H o t z , Sakramente 124, wonach Jeremias' Aussagen über die Mysterien „im Wesentlichen mit der lateinischen Sakramentenlehre übereinstimmen", von „Randfragen" wie den Problemen der Taufimmersion, des Gebrauchs von gesäuertem B r o t , der Epiklese und des Verzichts auf den Begriff Transsubstantiation abgesehen; „es muß demnach bei den griechischen Theologen, auf die sich Jeremias II. stützte, ein katholischer Einfluß vorhanden gewesen sein". Zum letzten Satz vgl. o. A n m . 2 f. Was die „Übereinstimmung im Wesenthchen" angeht, so ist nicht zu leugnen, daß sehr viele Aussagen des Patriarchen inhaltlich auf dasselbe hinauslaufen wie die der lateinischen Sakramentslehre. Soll damit aber gemeint sein, Jeremias' Ausführungen seien „im Wesentlichen" von der zeitgenössischen römischen Theologie geprägt, trifft die Einschätzung aus den genannten Gründen nicht zu. Weil die Grundperspektive seiner Sicht der Mysterien traditionell byzantinisch ist, kann man die von H o t z aufgezählten Differenzpunkte nicht als „Randfragen" bewerten. D a ß der A u t o r es tut, erstaunt um so mehr, als es zu den Anliegen seines Buches gehört, die Bedeutung hervorzuheben, die der Aspekt des Symbolisch-Bildlichen sowie die Pneumatologie für die byzantinische Lehre von den Mysterien haben; seine Bewertung atmet an jener Stelle den „westlichen" Geist, gegen den er sonst zu Felde zieht. I m übrigen weiß H o t z aufgrund der von ihm vorausgesetzten Sekundärliteratur von dem Sammelcharakter der Schriften aus Konstantinopel (vgl. ibd. 151, A n m . 532), doch Konsequenzen für die Interpretation der T e x t e zieht er nicht daraus. ' Vgl. T h o m a s , S. T h . I I I q 60. 62. 64.

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Der Briefwechsel

gehen und durch eine menschhche Instrumentalursache, in den meisten Fällen den Priester oder Bischof, vermittelt sein''. Auf Tübinger Seite stellt man dieser Sakramentsdefinition Aussagen gegenüber, die ihr strukturell gleich sind; zwar enthalten sie die aristotelische Unterscheidung zwischen Form und Materie nicht und schließen auch keine Angabe einer Instrumentalursache ein, doch auch für die Württemberger handelt es sich bei einem Sakrament um eine Verbindung von Wort und sinnlich wahrnehmbarer Sache, die eine übersinnliche, gnadenhafte Wirklichkeit zugleich bezeichnet und hervorbringt, und zwar kraft der Einsetzung Christi und - das sagen die Tübinger nicht im Rahmen der Definitionen, doch im Kontext - aufgrund seines Kreuzestodes: „Sakramente nennen wir die von Gott eingesetzten Riten, welche zusammen mit einem Wort, in dem Gott die Vergebung der Sünden und seine Barmherzigkeit uns gegenüber verheißt, eine damit verbundene äußere Sache haben" (sacramenta vocamus caeremonias divinitus instituías, quae una cum verbo promissionis divinae de remissione peccatorum et dementia Dei erga nos habent annexam aliquam rem externam)®; diese Sache ist „äußeres Zeichen der göttlichen Barmherzigkeit" (externum misericordiae divinae signum)® und mit ihr durch das Verheißungswort derart zusammengeschlossen, daß durch den angemessenen Gebrauch der Sakramente das Bezeichnete, Vergebung und Heiligung, verliehen wird (per eorum pium usum remissionem peccatorum accipiamus et sanctificemur)^". Aus der Definition des Sakraments ergibt sich in dem zypriotischen Traktat wie in den Schriften der Tübinger eine doppelte Abgrenzung: Die eine betrifft die Zahl - nur bestimmte Riten werden der Definition gerecht. Die andere betrifft den Vollzug - es läßt sich ein rituelles Minimum festlegen, das nach ihren Kriterien wesentlich und notwendig zu einem Sakrament gehört. Beide Abgrenzungen teilt Jeremias nicht, womit er nicht nur in Gegensatz zu seinen Briefpartnern, sondern auch zu dem von ihm selbst angeführten Traktat, kurz zu einem gemeinwestlichen Zug der Sakramentenlehre steht. Diese Feststellung scheint zumindest, was die Zählung der Mysterien betrifft, falsch zu sein. Denn kein Anliegen steht so sehr im Mittelpunkt der Aussagen des Patriarchen zum Thema wie die Behauptung, es gebe sieben Mysterien, und diese sind nicht nur dieselben wie die von der Scholastik verfochtenen Sakramente, sondern der zypriotische Traktat wird gerade deshalb angeführt, damit er ihre Zahl und Auswahl begründe. Die Confessio Augustana hatte demgegenüber nur von dreien, Taufe, Abendmahl und Buße, gesprochen, und die Tübinger ließen den Begriff „Sakrament" im strikten Sinn allein für Taufe und Abendmahl gelten, weil nur hier die Kriterien äußeres Zeichen, heilsame Wirkung und

' D k S 1457. 460, zitiert o. S. 173. ' Ibd. 326.

« Acta 173; vgl. a. 374. 1° Ibd. 328.

Die theologische Auseinandersetzung

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Einsetzung durch Christus erfüllt seien^^. Dieser Beschränkung gilt Jeremias' leidenschaftlicher Protest, sie ist einer der Gründe, die er für den Abbruch der Korrespondenz angibt^^. D o c h schon vorher beherrscht die Frage nach der Zahl der Mysterien seine Aussagen zum Thema so sehr, daß inhaltliche Erörterungen in den Hintergrund treten. So geht er überhaupt nur in drei Fällen, hinsichtlich der Taufe, der Myronsalbung und des Herrenmahls, auf Argumente seiner Briefpartner zu den einzelnen Riten selbst ein; ansonsten wiederholt er bloß kurz ein zusammenfassendes Zitat, welches schon seine A n t w o r t auf die C o n fessio Augustana enthält^^, und das, obwohl ihm die Tübinger jedenfalls über Buße und A m t ausführlich, z . T . kritisch schreiben. Neben der Konzentration auf die Siebenzahl scheint auch die Art, wie Jeremias in diesem Zusammenhang argumentiert, jener Feststellung zuwiderzulaufen. N i c h t genug damit, daß er die Begründungen des zypriotischen Traktats anführt, wonach die Zahl der Sakramente ihren Funktionen entspricht - dadurch würden alle Bereiche des natürlichen und geistlichen Lebens abgedeckt^" - , wonach sie vor allem aber als Konsequenz der übergreifenden Definition gilt - die Riten, auf die der zuvor erhobene Begriff des Sakraments zutrifft, seien eben sieben. Vielmehr unterstreicht er die Aussagen seiner Vorlage noch, indem er in sie eingreift und den Hinweis auf einen weiteren Ritus aus der Liste der Mysterien herausnimmt^^. Damit steht er am Ende einer Entwicklung, die in der Tat auf Einwirkungen der scholastischen Theologie zurückgeht'^, wobei der Gebrauch, den er von der scholastischen Zählung in seinen Schriften macht, "

Ibd. 1 7 2 f . 3 2 6 . 3 2 8 . 3 7 4 . D k S II 488 [568]. ß k s И 461 [541]. D k S 1 4 5 7 , s. o. S. 173. S. o. S. 176. " Einsetzend mit dem Unionsbekenntnis des Kaisers Michael V I I I . Palaiologos hatte die römische Zählung der Sakramente im byzantinischen Raum einen unaufhaltsamen Siegeszug angetreten. Wenn die griechische Tradition der unabgegrenzten Vielfalt gelegentlich ihre Rechte geltend machte, dann nie auf dem Weg des Konflikts, sondern des Kompromisses: Man integriene einfach weitere, herkömmlich unter die Mysterien gerechnete Riten in die aus dem Westen übernommene Siebenzahl, indem man sie einzelnen „Stammsakramenten" der Heptade anhängte; so geschah es bei Lapithes (s. o. S. 175), aber es geschieht in gewisser Weise selbst noch bei Jeremias, wo er sich nicht auf die Zahl konzentriert, sondern die einzelnen Mysterien aufführt: Hier läßt er ein Symeon von Thessaloniki entnommenes Zitat unverändert stehen, das die Mönchsweihe mit dem Bußmysterium verbindet ( D k S I 458; II 461 [541]). Besonders auffällig ist dies Verfahren bei dem ersten Griechen, der es durchführte, bei J o b Hamartolos, einem Zeitgenossen des Konzils von Lyon (zu ihm s. Beck 677). E r wollte Mönchs-, Kirch- und Myronweihe in der Siebenzahl unterbringen. So faßte er Buße und Krankensalbung zusammen, um Raum zu gewinnen, die Mönchsweihe als eigenes Mysterium zu zählen, und ordnete die Kirchweihe dem Chrisma und die Myronweihe dem Herrenmahl ein (Cod. Vaticanus O t t o b o n . G r . 418, 194'. 209*. 210"; Chrysanthos, Syntagmation 132ff., doch in „gereinigter" Form, s. Wendebourg, Mysterion 287, A n m . 106). Wie beharrlich sich dieses Kompromißverfahren behauptete, zeigt sich noch im 16. Jahrhundert bei Jeremias' Lehrer Damaskenos Studites: E r setzte zwar ebenfalls ganz selbstverständlich die Siebenzahl der Mysterien voraus, d/bch führte er die Große Mönchsweihe auf Kosten der Buße an, s. Damaskenos, Thesauros 43, vgl. Jugie, Theologia III20f.).

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Der Briefwechsel

die gegenüber den vorangegangenen Jahrhunderten veränderte theologische Situation zeigt: Während das Siebenerschema bisher, so in dem zypriotischen Traktat, gegen die bei den Griechen übHche unabgegrenzte Vielzahl der Mysterien ins Feld geführt worden war, soll es jetzt einer Verminderung wehreni''. Es ist also keine Frage, daß der Patriarch die römische Zählung der Sakramente verfocht. Doch - und das ist das Entscheidende - sie verlor bei ihm ihren in dem scholastischen Traktat gegebenen Begründungszusammenhang und löste sich infolgedessen wieder in Richtung der früheren griechischen Sicht auf. Konkret: Die funktionale Ableitung, die sich in der zypriotischen Schrift findet, erschien Jeremias unzureichend, und die von ihm übernommene Sakramentsdefinition war bedeutungslos für die Festlegung der Riten, die er als Mysterien bezeichnet. Was, zum ersten, die funktionale Ableitung betrifft, so stellt Jeremias den entsprechenden Aussagen bei Lapithes eine andere Begründung für die Siebenzahl voran: Sie entspreche der Zahl der Gaben des Heihgen Geistes^®. Der Patriarch ist nicht der erste, der diese Parallele zieht. Vielmehr hatte die scholastische Heptade im Osten von vorneherein weniger aufgrund inhaltlicher Argumente überzeugend gewirkt als wegen der „besonderen Faszination, die man . . . für die symbolischen Zahlen empfand: Die Zahl Sieben insbesondere erinnerte an die sieben Geistesgaben in Jes l l , 2 - 4 " i ' . Wichtiger ist der zweite Punkt, die Irrelevanz der scholastischen Sakramentsdefinition für die Abgrenzung der Mysterien bei Jeremias. Sie zeigt sich schon darin, daß der Patriarch keine Anstalten macht, die inkonsequente Anwendung dieser Definition nur auf die Taufe bei Lapithes auszugleichen^", obwohl er sonst allerlei Veränderungen an dem zitierten Traktat vornimmt. Die Rede von „Materie" und „Form" mag ihm wie schon dem Zyprioten einleuchtend erschienen sein, wo man, wie im Fall der Taufe, an den ursprünglichen Sinn von Materie anknüpfen und einen konkreten Stoff erheben kann, nicht aber zum Verständnis der Grundstruktur aller Wirklichkeit, wodurch es möglich wäre, jedes Mysterium, auch eines ohne stoffliches Element, der scholastischen Definition zu unterwerfen. Mit dem hylemorphistischen Schema verzichtet Jeremias auf den Versuch, die Rolle des Wortes im Sakrament zu bestimmen, ja er spricht gar nicht darüber, obwohl natürlich auch er die Mysterien nicht als wortlose Vorgänge versteht. Stattdessen bestimmt er sie mit dem Lapithes' Traktat eingeschobenen Absatz Symeons von Thessaloniki als Doppeldinge (διπλώς), in denen ein wahrnehmbares (αισθητός) Element mit der geistigen (νοητός) Realität der Gnade des Heiligen Geistes verbunden sei^^; auch hier wird ihnen Kausalität zugeschrie" S.O.S. 176. 18 S. o. S. 1 7 3 . 1 7 7 . S. o. S. 1 7 3 . 1 7 5 f .

" "

Meyendorff, Initiation 254. DkS 1 4 5 9 ; wiederholt ibd. II 462 [542].

Die theologische Auseinandersetzung

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ben, die Heiligung ((καθ)αγιάζει,ν) der Teilnehmer, wobei der sinnliche, seinerseits geheiligte Bestandteil die Heiligung der Leiber, der Geist die der Seelen bewirken soll^^. Allerdings ist auch dieses Kriterium nur bedingt ausschlaggebend dafür, ob der Patriarch eine kirchliche Einrichtung zum Mysterium erklärt. Im Fall der Buße trifft es nämlich nach dem Verständnis des Patriarchen bloß sehr eingeschränkt zu, er sieht darin, wie sich zeigen wird, eine seelsorgerlich-pädagogische Institution mit rituellen Elementen (s.u.). Als völlig unerheblich f ü r die Festlegung der Mysterien erweist sich im Laufe des Briefwechsels die Aussage der scholastischen Definition, daß die Sakramente in der Schrift angeordnet seien. Zwar übernimmt Jeremias mit dem zypriotischen Traktat auch dessen Absatz, in dem alle Sakramente auf bestimmte Bibelstellen zurückgeführt werden, und für das Chrisma, den einzigen Fall, in dem eine solche R ü c k f ü h r u n g nicht geschieht, k o m m t die angebliche Urheberschaft des Paulusschülers Dionysios Areopagites nach Ansicht der Griechen praktisch einer Verankerung in der Schrift gleich^^. Doch sobald die Tübinger diese Datierung angreifen und die Myronsalbung für einen späteren Ritus erklären, wechselt der Patriarch die Argumentation: Wenn er auch daran festhält, daß das C o r p u s Areopagiticum Werk des biblischen Dionysios sei^·*, läßt er doch den Anspruch fallen, das Chrisma, ja die Mysterien überhaupt müßten alle auf die Schrift zurückgeführt werden. Das sei gar nicht nötig, denn die Kirche habe selbst die Möglichkeit, έξευρεϊν πολλά^®, auch neue Sakramente. Es ist schwierig, dies Verb zu übersetzen. Einerseits liegt darin der Sinn von „erfinden", insofern es tatsächlich um das Hervorbringen von N e u e m , von zuvor nicht dagewesenen Gnadenquellen, geht - dazu sei die Kirche fähig aufgrund der Gnade Christi, kraft deren sie in ständigem Fortschritt lebe (προκόπτειν). Andererseits versteht Jeremias das Schöpferische dieser Tätigkeit der Kirche nicht im Sinne eines vollkommenen Neueinsatzes, denn was sie hier „erfinde" und womit sie sich im Laufe der Geschichte mehr und mehr „bekleide", das entwickele sie „auf der Grundlage göttlicher Worte und Fundamente" (έπΙ θ ε ί ο ι ς ρητοϊς καΐ θεμελίοις π ο λ λ ά έξεΰρε καΐ κατεστολίσαJene Formulierung enthält also auch den Aspekt des „Ausfindigmachens" „Herausfindens" von Vorgegebenem, bereits Angelegtem. Konkret gelten als Fundamente hier die beiden „heilsnotwendigen Hauptmysterien" Taufe und Abendmahl; von ihnen aus habe sich die kirchliche Überlieferung bis zu Feier und Lehre der sieben Sakramente entwickelt ("Av γ ά ρ τά κ υ ρ ι ώ τ ε ρ α τών μυστηρίων τό β ά π τ ι σ μ α καΐ ή κ ο ι ν ω ν ί α ή θ ε ί α έστί, και ών δ ί χ α σ ω θ η ν α ι ά δ ύ ν α τ ο ν , άλλα καΐ τ α ύ τ α π α ρ έ δ ω κ ε ν ή Ε κ κ λ η σ ί α , τ α λ ο ι π ά φημι ά χ ρ ι τ ώ ν έπτά)^®. "

Ibd. I 459; II 462 [542]. Das gilt auch für die zitierte Aussage Symeons von Thessaloniki, die Mysterien gingen auf Christus und seine Jünger zurück (ibd. I 459; II 461 f. [541 f.]). D k S II 459 f. [539 f.]. " Dkg ц 460 [540]. Ibd. " Ibd.

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Der Briefwechsel

D . h . , die biblische Einsetzung ist in Jeremias' Augen kein Kriterium dafür, ob einem Ritus die Bezeichnung „Mysterium" zukommt. Ausschlaggebend ist vielmehr allein die faktische Herausbildung bestimmter kirchlicher Vollzüge im Laufe der Zeit; ihr wird normative Geltung zugeschrieben, weil Christus selbst als treibende Kraft hinter den Entwicklungen stehe, die die Kirche nimmt. Auf diesem Hintergrund ist es nun allerdings nicht einsichtig, warum es nur sieben Mysterien geben soll - hat die Kirche doch in ihrer Geschichte sehr viel mehr Riten und Bräuche hervorgebracht und dementsprechend den Begriff „Mysterium" lange Zeit erhebhch freizügiger verwendet. So halten die Tübinger ihrem Briefpartner denn auch vor, seine Argumentation sei nicht konsequent: Anknüpfend an den älteren Sprachgebrauch der griechischen Tradition schreiben sie, wenn es jemandem behebe (libet), mit dem Wort „Mysterium" alle göttlichen Geheimnisse oder alle Abbildungen geistlicher, himmlischer Dinge zu bezeichnen, dann reiche die Siebenzahl ohnehin nicht aus^''. Doch die eigenthche Kritik der Tübinger an der Sakramentslehre ihres Briefpartners gilt nicht der Folgerichtigkeit seiner Argumentation, sondern deren Grundlage. Wenn man die Sakramente bzw. Mysterien als Riten verstehe, durch die den Christen die Gnade Gottes verliehen werde, dann könne die Kirche sie in keinem Fall selbst festsetzen. Es stehe ihr frei, im Bereich der Ordnung alle möghchen Regelungen zu treffen, doch Einrichtungen „hinzuzuerfinden" - empört nehmen die Lutheraner das von Jeremias gebrauchte Wort έξευρείν auf und drucken es in himmelschreienden Majuskeln: A D I N V E N TIO^® - , die den Menschen das Heil vermitteln sollten, das könne nur Ausdruck puren Aberglaubens (superstitia) sein^'. So würden die Christen verführt, ihr Vertrauen (fiducia) auf etwas zu setzen und ihr Leben auf etwas zu gründen, das ihnen gar nichts nütze, im Fall „hinzuerfundener" Sakramente auf reine Äußerhchkeiten, auf geschaffene Gegenstände statt auf Gott^". Solches Vertrauen auf äußeriiche Dinge sei nur unter einer Bedingung möglich: daß Gott selbst exphzit verheißen habe (promissio), die Gabe des Heils sei an sie gebunden. Das aber sei allein bei Taufe und Abendmahl der Fall, hier habe Christus sein Erbarmen an den Empfang äußerlicher Zeichen gekoppelt: externa misericordiae divinae signa debent habere expressam promissionem divinam: qualis est illa (verbi gratia) de baptismo: Qui crediderit et baptizatus fuerit. "

Acta 172, vgl. Apol. 13, B S E L K 2 9 3 f . , 1 1 - 1 7 . Acta 314. Man könnte einwenden, diese Übersetzung hebe den Aspekt des Neueinsatzes in einer Weise hervor, daß für den der Kontinuität, den Jeremias auch gegeben sehen will (s. o. S. 2 7 9 u. u. S. 291), kein Raum bleibt. Das ist wahr und hat den Grund, daß die in den folgenden Sätzen erläuterte Bindung der Heilsverläßlichkeit an die ein für allemal erfolgte Gabe durch Christus selbst alles Spätere in soteriologischer Diskontinuität stehen läßt, wie auch immer man die Frage nach Kontinuität im Bereich des Historischen beurteilt. N u r auf den soteriologischen Gesichtspunkt aber kommt es den Tübingern an. Ibd. 3 1 5 ; Crusius ersetzt dieses W o r t durch die mildere Formulierung „selbstgewählter Gottesdienst" (έθελοθρησκεία) (Kol 2 , 2 3 ) (vgl. a. ibd. 316). 30 Ibd. 315.

Die theologische Auseinandersetzung

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salvus erit^^. Darüber hinaus setzen die Tübinger voraus, daß auch die Absolution und das kirchliche Amt Einrichtungen seien, die Christus zur Vermittlung der göttlichen Gnade angeordnet habe (s.u.), auch wenn sie dafür das Wort Sakrament nicht benutzten, weil dort äußerliche Zeichen fehlen und im zweiten Fall die Verheißung nicht dem Empfänger selbst gilt, sondern nur seiner Funktion für die Ausbreitung des Heils. Im übrigen kann es nach Meinung der Württemberger in der Kirchc unbegrenzt viele Riten und Traditionen geben und ist gegen die ganze Fülle dessen, was der ältere griechische Sprachgebrauch mit dem Wort Mysterium abdeckt, gar nichts einzuwenden. Nur muß klargestellt sein, daß es sich hier nicht um Einrichtungen handelt, an die das Heil des Christen gebunden ist, sondern letztlich um Adiaphora^^. Darum darf sich an ihnen auch nicht die Frage der Kircheneinheit entscheiden - die Diskussion um die Zahl der Mysterien bildet in Tübinger Sicht einen konkreten Anwendungsfall des „nec necesse est" aus C A 7. Und umgekehrt gesprochen: In dem, was sie heilsspendend und für die Kirche „notwendig" macht, liegt der Grund, weshalb bei aller Flexibilität in Definition und Zählung der Sakramente eben doch eine bestimmte Gruppe von Riten, wie auch immer man sie nennt, von einzigartiger Bedeutung und nicht erweiterungsfähig ist. Wie die Diskussion über den Heiligendienst und die Bilderverehrung läuft also auch die Auseinandersetzung über die Sakramente darauf hinaus, daß beide Seiten die Anwesenheit der Gnade Gottes in der Welt unterschiedlich verstehen. Wieder werfen die Tübinger Jeremias die Vergötzung von Geschöpfen vor, weil er die Gnade durch Instanzen wirksam sieht, die der biblische Christus nicht durch sein Wort autorisiert hat. Und wieder sieht der Patriarch in der Gnade eine Kraft, die zwar mit dem und durch den biblischen Christus eingesetzt, doch dann in der Kirche gegenüber dem Ausgangspunkt ein Eigenleben entwikkelt und neue Heilsquellen hervorgebracht hat. Heilige, Bilder, Reliquien und vor allem eben Sakramente. Im Laufe der Kirchengeschichte kann es zu immer neuen Verbindungen geschaffener Dinge und sichtbarer Riten mit der göttlichen Gnade kommen. Allerdings sieht Jeremias die potentiell unendliche Menge der Mysterien nicht auf ein und derselben Ebene: Es gebe darunter zwei, Taufe und Abendmahl, die „wichtiger" (κυριώτερα) seien als die anderen; das liege in ihrer Bedeutung für das ewige Heil des Menschen begründet: Sie seien heilsnotwendig^^. Der Patriarch nimmt also innerhalb der Gruppe der von ihm verfochtenen Sakramente durchaus eine Abstufung vor, eine Abstufung, nach der der Mehrheit der Mysterien nur ein eingeschränkter Heilswert für den Empfänger zukommt^". " Ibd. 326. ^^ Vgl. u. die Aussagen der Tübinger zur Myronsalbung und zur Gestaltung des Gottesdienstes. " Zitiert O.S. 279. Natürlich hätte Jeremias auf Nachfragen hin auch die Priesterweihe unter die notwendigen

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Der Briefwechsel

Doch daraus folgt für ihn keineswegs, diese gehörten nicht zu den Sakramenten. Denn erstens gibt es seiner Ansicht nach mehr als die notwendigen Mittel, Gnade zu erlangen. Und zweitens bieten die Mysterien für ihn mehr als die eine umfassende Gnade des ewigen Heils; während nach den Aussagen der Tübinger mit den Sakramenten immer diese umfassende Gnade, Sündenvergebung und Gabe des neuen Lebens, verbunden ist^®, weist der Patriarch ihnen viele verschiedene Teilaspekte zu^® und führt auf die Mysterien auch Gnadenwirkungen für das alltägliche Leben zurück, so die Heilung physischer Leiden und die Segnung der Ehe (s.u.). Immerhin läßt sich, unbeschadet der jeweihgen Anwendung des Wortes Sakrament, von der Sonderstellung von Taufe und Herrenmahl bei Jeremias zu ihrer exklusiven Position bei den Tübingern eine Brücke schlagen - ist es doch die Beziehung auf die heilsnotwendige Gnade, die die eine wie die andere Einschätzung begründet^''. Doch ziehen die Briefpartner nicht dieselbe Folgerung aus dieser Begründung - und hier zeigt sich, daß trotz der Relativität der Begriffsdefinition die unterschiedliche Reichweite von „Mysterion" bzw. „Sakrament" hier und dort Bedeutung hat: Die Rede von Taufe und Herrenmahl als wichtigeren, die heilsnotwendige Gnade vermittelnden und allein heilsnotwendigen Mysterien führt den Patriarchen keineswegs dazu, im Sinne von C A 7 für Kircheneinheit nicht noch weitere Riten einzufordern. Nicht nur, weil in anderen Zusammenhängen, etwa hinsichtlich der Myronsalbung, die Ausgrenzung von der Heilsnotwendigkeit denn doch nicht so eindeutig ist. Vielmehr vor allem deshalb, weil Jeremias das, was die Kirche zu geben hat, gar nicht von dem Bezug auf die heilsnotwendige Gnade her bestimmt, sondern - aufgrund seines Verständnisses der Kirchengeschichte - von der faktischen, im Laufe der Zeit gewachsenen Fülle ihrer institutionahsierten Lebensäußerungen her. M . a . W . , soteriologisches und ekklesiologisches Minimum decken sich nicht, darum kann jenes keinen Maßstab für die Voraussetzungen von Kircheneinheit bilden. Derselbe Befund wie hinsichtlich der Abgrenzung der Sakramente nach außen ergibt sich aus den Schriften der beiden Briefpartner auch für die Abgrenzung nach innen, d. h. für die Festlegung der Bestandteile, die für ein Sakrament Mysterien eingereiht, weil sie für ihn Voraussetzung des Herrenmahls und in der Regel auch der Taufe ist; doch erstens handelt es sich hier um eine indirekte Notwendigkeit, und zweitens höbe diese Erweiterung die Tatsache nicht auf, daß er jene Abstufung überhaupt vornimmt. Der Grund für dieses Verständnis, die Deutung des Sakraments als sichtbarer Form des lebenschaffenden Wortes Gottes, wird, wie überhaupt das Verhältnis von W o r t und Sakrament, in dem Briefwechsel nicht erörtert. ^^ Vgl. z . B . das Symeon v. Thessaloniki entnommene Zitat, das er Lapithes' Traktat einfügt (DkS 1 4 5 8 f.), vgl. a. die Aussagen über die Wirkungen von Taufe und Chrisma. Dabei ist zu präzisieren, daß für die Tübinger die auf die heilsnotwendige Gnade bezogenen Sakramente nicht selbst beide heilsnotwendig sind (vgl. zum Abendmahl Acta 191); doch darin, daß sie als Mittel für die grundlegende, unverzichtbare Gnade gegenüber den mancherlei anderen göttlichen Gaben gelten, sind sich beide Seiten einig.

Die theologische Auseinandersetzung

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erforderlich sind. D a s zeigt sich erst bei der konkreten Behandlung der einzelnen Riten, ist aber ebenfalls A u s w i r k u n g des schon angesprochenen unterschiedlichen Stellenwertes, den die Sakramentsdefinition auf beiden Seiten hat. Eine solche Definition macht es möglich, genau abzugrenzen, was vorhanden sein und getan werden muß, damit ein Sakrament gültig ist und fruchtbar sein kann. Im konkreten Vollzug treten zwar im allgemeinen eine Reihe anderer liturgischer Elémente hinzu, doch sie bilden letztlich ein A d i a p h o r o n , einen ablösbaren Rahmen für das rituelle Minimum, das sich aus der Definition des Sakraments als stiftungsgemäße Notwendigkeit ergibt. In dieser Sicht sind sich alle Kirchen westlichen U r s p r u n g s , die römische wie die reformatorischen, einig, darin stimmen auch die Tübinger und Lapithes' Traktat überein. Bei Jeremias steht es genau umgekehrt: Maßgeblicher A u s g a n g s p u n k t ist für ihn die konkrete Feier der Mysterien in seiner Kirche. Zwar zitiert er die A n w e n d u n g der scholastischen Sakramentsdefinition auf einen bestimmten Fall, den der Taufe, in Lapithes' Traktat, wonach hier Wasser, trinitarische Formel und Vollzugsperson notwendig sind^®; doch w o er dann dieses Mysterium selbst thematisiert, fordert er mehr als das zitierte M i n i m u m , nämlich die genaue Einhaltung darüber hinausgehender Riten, die in seiner Kirche üblich sind (s.u.). N o c h deutlicher wird das bei der Behandlung des Abendmahls (s.u.): V o n ihm kann für Jeremias gar nicht die Rede sein, ohne daß die gesamte Liturgie in den Blick k ä m e ; aus der Fülle der Riten, die der Gottesdienst umfaßt, läßt sich nicht ausgrenzen, was eigentlich zu dem Mysterium gehört und was A d i a p h o r o n ist. Zwar gibt es auch nach Meinung des Patriarchen eine „ H a u p t sache" ( κ ε φ α λ α ι ώ δ η ς ) innerhalb dieses Ganzen^®, bestimmte Elemente, die für die Mitteilung des Heils besonders wichtig sind. D o c h das heißt nicht, alles Ü b r i g e habe daran keinen Anteil. D e r Bildcharakter aller Riten bringt dem Teilnehmer das Handeln Gottes nahe, ohne daß jeweils genau erörtert würde, wie sich dieses Geschehen zur „ H a u p t s a c h e " verhalte, im Sinne einer notwendigen Voraussetzung, einer Erweiterung oder eines R a h m e n s ; anders als nach Lapithes und den Tübingern sind Zeichen- und Kausalfunktion der Sakramente einander nicht kongruent·*". DkSI457f. Ibd.476. Vgl. H o t z , S a k r a m e n t e , der als g r u n d l e g e n d e n U n t e r s c h i e d z w i s c h e n der östlichen u n d der westlichen S a k r a m e n t s l e h r e d a s V o r h e r r s c h e n des G e d a n k e n s der A b b i l d u n g auf der einen Seite und des G e d a n k e n s der W i r k u n g auf der anderen herausstellt. M a n m u ß sich aber hüten, diese E n t g e g e n s e t z u n g ü b e r z u b e t o n e n . D e n n wie H o t z nicht bestreitet, schreibt einerseits auch die östliche T h e o l o g i e den M y s t e r i e n G n a d e n m i t t e i l u n g und damit Kausalität zu, u n d sieht andererseits nicht nur A u g u s t i n , s o n d e r n auch die Scholastik die S a k r a m e n t e in genere signi, w o r i n ihr die R e f o r m a tion f o l g t (die P r o b l e m e lägen an dieser Stelle im Verhältnis der B e g r i f f e „ B i l d " u n d „ Z e i c h e n " , nicht „ B i l d " u n d „ U r s a c h e " ) . E i g e n t ü m l i c h k e i t der westlichen S a k r a m e n t s l e h r e seit der Scholastik ist nun aber das B e s t r e b e n , die Zeichen- und die K a u s a l f u n k t i o n k o n g r u e n t zu d e n k e n : sacramenta efficiunt q u o d figurant ( T h o m a s , S. T h . III q 62 a 1 ad 1), w o d u r c h der G e s i c h t s p u n k t der Kausalität i n s o f e r n b e s t i m m e n d e s G e w i c h t erhält, als jeder ü b e r jene K o n g r u e n z h i n a u s g e h e n d e S y m b o l i s m u s als A d i a p h o r o n erscheinen m u ß . "

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Der Briefwechsel

Jedenfalls ist auch die Feststellung, es gebe in den Mysterien eine „Hauptsache", kein Grund, eine Reduktion darauf zuzulassen. Dieser Gedanke kommt nur in Grenzfällen auf, in denen ein rituelles Minimum unumgänglich sein mag und den betroffenen Individuen die Gnade vermittelt, so daß es ausnahmsweise, „kat' oikonomian", zugestanden werden kann'^i. Zum normgemäßen kirchlichen Leben dagegen gehört die Feier der Mysterien in der Fülle, die sich geschichtlich herausgebildet hat, nicht der Rückgang auf den kleinsten soteriologischen Nenner. Die Spannung zwischen soteriologischem Minimum und ekklesiologischer Fülle nimmt auch hinsichthch der liturgischen Gestaltung eine neue Dimension an, w o es nicht um die Bewältigung von Grenzfällen innerhalb der eigenen Kirche geht, sondern wo sich im Zusammentreffen mit anderen Kirchen und ihren Riten die Frage stellt, was für Kircheneinheit unverzichtbar ist bzw. was Kirchenspaltung begründet. Wie im Fall der Zahl der für notwendig erachteten Riten, so bietet dies Problem auch hinsichtlich ihrer einzelnen Elemente für die Tübinger keine Schwierigkeiten, da sie eben äuch hier von dem durch die Stiftung Christi vorgegebenen, für die Heilswirkung erforderUchen Minimum ausgehen; ansonsten erscheinen ihnen - wiederum ganz im Sinne von C A 7 Unterschiede in der Hturgischen Durchführung nicht hinderlich. Den Patriarchen dagegen bringt seine Bewertung der im Laufe der Kirchengeschichte aufgetretenen kirchlichen Setzungen als göttlicher Gnadenwerke dazu, auch für die Gestaltung der einzelnen Riten auf dem ekklesiologischen Maximum zu bestehen. Und wie er die Reduktion der Mysterien auf die, die doch auch er besonders hervorhebt, ja von allen anderen als heilsnotwendig abgrenzt, zunächst mit der Korrektur von C A 7 und schließlich mit dem Abbruch des Briefwechsels beantwortet, so fordert er trotz des Zugeständnisses, es gebe innerhalb der Feier der Mysterien eine „Hauptsache"·*^, alle Christen müßten die Herrenmahlsliturgie ebenso feiern wie die Kirche von Konstantinopel, und läßt er es offen, ob er die Taufe der westlichen Kirchen mit ihrer rituellen Gestaltung anerkennt (s.u.). b) Taufe Am Anfang der Diskussion über die Taufe steht eine ganze Reihe von Ubereinstimmungen zu diesem Thema, ja in dem Konsenskatalog, mit dem die Tübinger ihr erstes Schreiben beginnen, ergeben sich zu keinem anderen Punkt Vgl. Hotz, Sakramente 153. Bezeichnenderweise findet sich diese Aussage im Kontext eines Vergleichs der eigenen Liturgien mit anderen, den Jakobus und Markus zugeschriebenen (DkS I 476). Hier stellt sich also die Frage nach einem notwendigen Minimum durch das Zusammentreffen verschiedener Traditionen. Wegen des Alters jener beiden Liturgien kann Jeremias nicht umhin, ihnen ihr eigenes Lebensrecht zuzugestehen und die Forderung nach Gleichförmigkeit auf die „Hauptsache" zu beschränken. Doch grundsätzliche Folgerungen zieht er aus dieser Konzession nicht.

D i e theologische Auseinandersetzung

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SO viele gemeinsame Aussagen Die T a u f e sei das B a d der Wiedergeburt - eine Feststellung, die später mit den Worten konkretisiert wird, durch sie empfange der Mensch die Vergebung der Sünden und den Heiligen Geist^ und werde er der G e m e i n d e Christi „eingepflanzt"^; schon die Kinder müßten getauft werden·*; das habe im allgemeinen durch kirchliche Amtsträger zu geschehen, im Notfall aber durch Laien®. U b e r die Einsetzung durch Christus selbst, den Gebrauch von Wasser und die N o t w e n d i g k e i t einer trinitarischen Formel sind sich beide Seiten ohnehin einig®. D e r K o n s e n s in all diesen Punkten bedeutet für die Tübinger, daß sie und ihre Briefpartner gleichermaßen die eine T a u f e Christi vollziehen, alle ansonsten bestehenden Unterschiede können nur als Nebensächlichkeiten ( α δ ι ά φ ο ρ α ) beurteilt werden''. Nicht so für die Griechen. Zwar sind sie mit den Lutheranern in den aufgezählten Aussagen einig, doch reicht das in ihren A u g e n zur Behauptung der Identität der T a u f e hier und dort nicht aus. G r u n d ihrer Vorbehalte ist eine andere Bewertung ritueller Differenzen, als sie bei den Tübingern vorHegt. In diesem Gegensatz lebt eine mittelalterliche Kontroverse zwischen R o m und Konstantinopel fort. Eine Reihe ritueller Unterschiede, die sich im L a u f e der Zeit im Westen und im O s t e n für den Vollzug der T a u f e herausgebildet hatten, wurde seit der Kirchenspaltung im elften Jahrhundert von griechischer Seite nach und nach unter die Themen der kontrovers-theologischen Auseinandersetzung' aufgenommen®, ja gelegentlich sogar als G r u n d angesehen, den lateinischen Ritus nicht anzuerkennen und die T a u f e zu wiederholen®. D e n wichtigsten Streitpunkt, langfristig betrachtet, bildete die Frage, in welcher Weise das Wasser anzuwenden sei: In den A u g e n der Griechen gehörte ihre Praxis, den Täufling unterzutauchen, und das dreimal, zur Definition der Taufe^". Sowohl Infusion und Aspersion als auch der einfache Vollzug des Ritus wurden abgelehnt. D i e C o n f e s s i o Augustana macht z u m Vollzug der T a u f e überhaupt keine Aussagen, weil er zwischen der Reformation und der römischen Kirche nicht 1 A c t a 148 f. 2 Ibd.173. Mbd.313. " I b d . 148f. ' Ibd. 148. Wieweit an dieser Stelle ein echter K o n s e n s vorliegt, ist allerdings fraglich, denn J e r e m i a s ' Z u s t i m m u n g z u r T a u f e durch Laien in N o t f ä l l e n findet sich im R a h m e n des von ihm zitierten scholastischen Traktats aus Z y p e r n ( D k S I 458). D i e H a l t u n g der griechischen T h e o l o g e n war in dieser Frage nicht einheithch (vgl. u. A n m . 33). « A c t a 313. ' Ibd. Wenn sie es dennoch ablehnen, im R a h m e n derart als A d i a p h o r a bewerteter ritueller Unterschiede Veränderungen vorzunehmen, dann aus Furcht, die G e m e i n d e n könnten das mißverstehen und meinen, T a u f e n nach der früheren Weise seien keine richtigen T a u f e n gewesen (ibd. 313). ' J u g i e , Theologia III 62f. ' Ibd. 62. 72.

Ibd. 63. 6 9 - 8 0 .

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Der Briefwechsel

Strittig war. Es gab innerhalb des Westens verschiedene Bräuche^^, doch die lateinische Theologie erachtete sie als irrelevant für die Gültigkeit des Sakraments, solange Wasser verwendet und auf die Trinität getauft werde - eine Konzentration auf das rituelle Minimum, welche die Reformation mit R o m teilte^^. Wenn Patriarch Jeremias dies Problem anspricht, obwohl ihm das Augsburgische Bekenntnis dafür keinerlei Anhaltspunkt gibt, ja wenn er darauf eingeht, sobald auch nur das Wort Taufe fällt, nämlich nicht erst in seinem Kommentar zu dem Taufartikel C A 9, sondern bereits in dem zu C A 2, und wenn er seine Antwort auf diesen dem Thema Erbsünde gewidmeten Artikel zu einem Kapitel über den rechten Taufritus macht^^, dann drückt sich darin einmal mehr aus, daß er den Briefwechsel mit den Lutheranern von vorneherein im Koordinatensystem des herkömmlichen Ost-West-Gegensatzes sieht. Zwar kritisiert er zunächst nur die Lateiner^"·, meint aber doch wohl, provisorisch, indirekt auch seine Briefpartner. In der zweiten Antwort, nachdem das erste Tübinger Schreiben offenbar gemacht hat, daß das Attribut „westlich" in dieser Frage auf die Briefpartner tatsächlich zutrifft, widerspricht er ihnen dann explizit^®. Dabei ergibt sich eine Verschiebung: Während er sich zunächst mit der Zahl der Tauchungen beschäftigt hat - die Lateiner vollzögen nur eine^® - , geht es in der Rückantwort um die Art der Wasseranwendung - man müsse tauchen, nicht nur übergießen oder besprengen", eine Veränderung des Arguments, die darauf beruht, daß die Tübinger sich zur Infusionstaufe bekannt hatten Begründet wird die N o t wendigkeit des dreifachen Ritus außer mit seinem Alter^' mit seinem symbolischen Wert: Die Dreizahl verkünde die Personen der Trinität^", zugleich deute sie den dreitägigen Aufenthalt Christi im Grab an^i, eine Anspielung auf das Verständnis der Taufe von R ö m 6 her. Für die Unabdingbarkeit der Immersion verweist Jeremias auf die Taufe Jesu, in der er die Einsetzung dieses Mysteriums gegeben sieht: Die Taufe der Kirche habe im Gehorsam gegen den Bericht der Evangelien von der Taufe Jesu im Jordan zu geschehen^^. "

Vgl. Acta 312. S. ibd. 313; vgl. allerdings Luthers Vorliebe für die Immersionstaufe wegen ihrer größeren Anschaulichkeit (Grane, Confessio Augustana 74). " S.O.S. 167f. " DkS 1448. " Ibd. II 459 [549]. " Ibd. 1448. Ibd. II 459 [539]; die beiden Wörter έπίχυσις und ραντίσμός wurden in der Polemik gegen den westlichen Brauch als Wechselbegriffe benutzt, s. Jugie, Theologia III 70, Anm. 1. 18 Acta 173. Der Hinweis, es handle sich dabei um alte Überlieferung, ist von Jeremias in den hier zitierten Satz Symeons von Thessaloniki (PG 155, 228 D) eingefügt worden (DkS I 448). Ibd.; II 459 [539]. Ibd. 1 4 4 8 . " DkS II 459 [539].

Die theologische Auseinandersetzung

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Bedeuten diese Aussagen, der Patriarch halte alle auf andere Weise Getauften für ungetauft? Eine klare Antwort ist seinen Schreiben nicht zu entnehmen, ja er gibt auch keine eindeutigen Kriterien für eine solche Antwort an. Eigentlich bietet er nur eine Beschreibung des in seiner Kirche üblichen Ritus, in deren Rahmen sich jene Frage gar nicht stellt; sie kommt hier höchstens im BHck auf Notfälle zur Sprache, und dafür hat man das Prinzip der Ökonomie zur Hand^^. Im Zusammenstoß mit anderen Traditionen aber ist das Problem grundsätzlicher Art, und es gibt zur Lösung nur die Alternative, entweder durch jede rituelle Abweichung die Gültigkeit des Sakraments in Frage gestellt zu sehen oder doch nach dem Maßstab eines wesentlichen Minimums zu suchen. Es sei denn, man betrachtet dieses wie jedes andere theologische Einzelproblem von vorneherein nur im Rahmen eines einheitlichen kirchlichen Gesamtsystems, das als Ganzes zu akzeptieren und mit dessen Übernahme dann die Frage nach dem Gewicht einzelner Elemente eines Ritus ohnehin überflüssig wäre. Von orthodoxer Seite wurden, ohne daß man jene Frage je grundsätzHch beantwortete, in verschiedenen Epochen und an verschiedenen Orten alle drei Lösungen verfochten^'*. Vor und zu Jeremias' Zeit vertrat man in der griechischen Kirche einen Kompromiß zwischen den erstgenannten Alternativen: Man lehnte den Infusionsritus als einsetzungs- und sinnwidrig ab, taufte Konvertiten aber nicht aufs neue^®. Dadurch wurde das Problem eigentlich nur verdrängt bezeichnenderweise läßt Jeremias die Aussage der Tübinger, er erkenne die Taufe der Lutheraner bestimmt an und fordere sicherlich keine Wiederholung^®, ohne jeden Kommentar, sei es der Zustimmung, sei es der Ablehnung, stehen. In der Korrespondenz klingt nun aber auch die letztgenannte Lösung an; sie offenbart einen noch tiefergehenden Unterschied im Taufverständnis der beiden Briefpartner. In dem ersten Brief an den Patriarchen, den Andreae noch vor Beginn der eigentlichen theologischen Korrespondenz Gerlach mit auf den Weg gab^'', heißt es: „Auf den einen Heiland Christus seid Ihr und sind wir getauft"^®. Der Tübinger Kanzler sieht also in der Taufe, für deren Vollzug auf beiden Seiten er im wesentlichen Identität voraussetzt, eine fundamentale Gemeinsamkeit, wie auch immer sich die lutherische und die griechische Kirche in anderen Punkten zueinander verhalten mögen, und diese Sicht werden die Tübinger auch nicht preisgeben, als sie zu dem Schluß kommen, die Briefpartner seien in entscheidenden Fragen auf dem falschen Weg. Der Patriarch übergeht Andreaes Aussage mit Stillschweigen. Wenn er ihr auch nicht einfach widersprechen kann - das wird man in der griechischen Kirche erst später " " " "

Vgl.Jugie,TheologiaIII73f. S. ibd. 70-80. 107ff.; im einzelnen Wendebourg, Taufe. Jugie, Theologia III 77. 110 f. Acta 314. " S . O . S . 40.

T G 415,

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Der Briefwechsel

tun^' - , ist er doch auch nicht imstande, sie zu übernehmen, und das nicht wegen der Differenzen im Vollzug - sie stehen hier noch gar nicht zur Debatte - , sondern wegen unterschiedlicher Bestimmungen des Verhältnisses von Taufe und Kirche im Osten und im Westen, wobei die Lutheraner auch hier ganz der lateinischen Tradition folgen. Im Westen hatte sich im Verlauf des Ketzertaufstreits und des Kampfes mit den Donatisten die Lehre herausgebildet, daß die Wirksamkeit der Taufe sowohl von der moralischen Qualität als auch von der Kirchenzugehörigkeit des Taufenden unabhängig sei, der zweite Punkt wurde schließlich im Armenierdekret des Konzils von Florenz mit den Worten konkretisiert, die Taufe könne sogar von einem Heiden oder Häretiker vollzogen werden^". Dies Sakrament liegt demnach der Kirche, in die es eingliedert, voraus und begründet damit eine Gemeinsamkeit der Getauften, die von allen möglichen sonstigen Differenzen nicht aufgehoben werden kann. Patriarch Jeremias bejaht zwar die Aussage, daß die Wirksamkeit der Taufe von der moralischen Qualität des Spenders unabhängig sei^i. Sie auch von der Kirchenzugehörigkeit des Taufenden zu lösen, hat die griechische Tradition dagegen Schwierigkeiten^^. Für sie handelt es sich hier um ein Mysterium, das von und in der Kirche vollzogen wird, eigentlich nur von ihrem offiziellen Repräsentanten - die Gültigkeit der Nottaufe durch Laien bildet deshalb ein Problem^^ - und in Verbindung mit anderen, eindeutig innerkirchlichen Riten: So betont Jeremias, die Taufe müsse zusammen mit der Myronsalbung und dem Herrenmahl vollzogen werden^"·, während die Tübinger im Gefolge der römischen Kirche letzteres jedenfalls von der Kindertaufe zeitlich absetzen^^. Die Anerkennung der Taufe außerhalb der eigenen Kirchengemeinschaft ist darum für den Patriarchen im Grunde genausowenig denkbar wie die des Abendmahls. In diesem Rahmen folgerichtig ist der von ihm angeführte Kan. 46 der Synode von Laodikaia, wonach Kleriker abzusetzen seien, die die Taufe oder das Abendmahl von Häretikern für gültig erklären^®. Der Patriarch will mit dem Zitat keine Aussage über die Taufe seiner Briefpartner machen^^, darin spiegelt sich auch nicht etwa eine Wiedertaufpraxis der griechischen Kirche seiner Zeit^®. Doch das Bewußtsein einer fundamentalen Gemeinsamkeit, wie es die "

Jugie, Theologia III 77f. 1 1 1 - 1 1 3 . Denzmgerl315. "DkSI461. Zu den unterschiedlichen Stellungnahmen in der griechischen Kirche s. Jugie, Theologia III

89 ff. " Ibd. 87f. DkS I 448 ; vgl. Kretschmar, Taufgottesdienst 294. Acta 191. DkS 1 4 7 9 . Das Zitat steht nicht in einem Absatz über die Taufe, sondern in einem Kapitel über das A m t , und es soll hier, nicht ganz passend, belegen, daß die griechische Kirche keine Häretiker weihe. Außerdem steht es in der ersten Antwort, in einem Stadium der Korrespondenz also, in dem der Patriarch seine Briefpartner nicht einmal in einer Anspielung als Häretiker bezeichnet hätte. Erst 1755 wurde in Konstantinopel beschlossen, die römischen und wohl auch die evangeli-

Die theologische Auseinandersetzung

289

Tübinger aus der bloßen Tatsache bezogen, daß sie und die Griechen auf Vater, Sohn und Geist getauft seien, kann der Patriarch nicht teilen. c)

Myronsalbung

Von der Myronsalbung bzw. dem lateinischen Pendant, der Firmung, ist im Augsburgischen Bekenntnis keine Rede. Dennoch spricht Patriarch Jeremias bereits in seinem ersten Schreiben dieses Thema an. Daß und wie er es tut, ist zwar nicht ausschließlich, aber wesentlich eine Folge der herkömmlichen, von ihm auch hier ganz unwillkürlich auf den Dialog mit den Lutheranern übertragenen Frontstellung zwischen R o m und Konstantinopel. Denn während in dem als Kommentar zu C A 7 zitierten zypriotischen Sakramentstraktat aus dessen eigener Logik heraus, nicht im Blick auf den Briefpartner, von jenem Mysterium die Rede ist, führt Jeremias es zuvor schon bewußt als kontroverstheologisches Thema ein: in der zum Taufartikel gestalteten Antwort auf C A 2, wo es heißt, es müsse sofort (παρευθυς) auf die Taufe die Salbung folgeni. Das Problem des Zeitpunkts der Myronsalbung wie die damit zusammenhängende Frage nach dem Spender aber bildete eines der überkommenen Kontroversthemen zwischen Rom und KonstantinopeP. Dementsprechend ist der springende Punkt der Ausführungen des Patriarchen an dieser Stelle die unmittelbare Bindung der Myronsalbung an die Taufe. Nachdem die Tübinger in ihrer ersten Antwort aber deutlich gemacht haben, daß sie sie überhaupt ablehnen', gilt die weitere Diskussion zum Thema der Frage nach Berechtigung bzw. Notwendigkeit dieses Ritus als solchen. Patriarch Jeremias schreibt der Myronsalbung zu, durch sie werde dem Empfänger die Gnade", die Gabe des Geistes^, die Göttlichkeit® verliehen, erhalte der Mensch die durch den Fall verlorene Kraft und Gottebenbildlichkeit zurück'' und werde zum Eigentum Christi versiegelt®; gemäß den alttestamentlichen Funktionen der Salbung werde er dadurch zum Propheten, Priester und König'. Da es ohne die Salbung mit dem Geist keine Christen gebe - das zeige ja sehen „Häretiker" wiederzutaufen, s. Jugie, Theologia III I I I . 113f. und Wendebourg, Taufe 118ff.; das Zitat, wörtlich, und nicht dem Verwendungszweck bei Jeremias nach verstanden, stellt für das 16. Jahrhundert einen Anachronismus dar - anders als für das 18. und für das seines Ursprungs, das 4., als im griechischen Osten vielfach negative Voten zur Frage nach der Anerkennung von Ketzenaufen abgegeben wurden. ' DkS I 448, s. o. S. 168. Es ist kein Zufall, daß hier Symeon von Thessaloniki zitiert wird (PG 1 5 5 , 2 2 9 B - D ) , denn er erhob als erster die Trennung von Taufe und Salbung bei den Lateinern zum Kritikpunkt (s. P G 155, 188 [vgl. Jugie, Theologia III 126f.]). Während Symeon in dem zugrundeliegenden Abschnitt eine vom Bischof vollzogene Taufe beschreibt und deshalb vom Bischof (άρχιερεύς) als Spender auch der Salbung ausgeht, verändert der Patriarch das Zitat im Sinne der gängigen Praxis seiner Kirche und schreibt das Chrisma dem Priester (ιερεύς) zu. ^ V g l . J u g i e , T h e o l o g i a I I I 1 2 6 f . 169f. " DkS 1 4 4 8 . 4 5 8 . ' Ibd. II 4 6 0 [540]; 1 4 5 8 . Ibd. 1 4 5 8 . 8 Ibd. 4 4 8 . 4 5 8 .

' Acta 174f. ^ Ibd. II 4 5 9 [539]. ' Ibd. II 4 6 0 [540].

290

D e r Briefwechsel

schon das Wort „Christ", das sich auf dieses Mysterium^® beziehe - , sei sie notwendigii. Die Tübinger halten dem Patriarchen vor, natürHch empfange der Christ all die genannten Güter, wenn er in die Kirche aufgenommen werde, aber das geschehe in der allein von Christus gebotenen Taufe; darum brauche der Getaufte nicht gesalbt zu werden, ohne daß ihm deshalb das Geringste fehle^^. Gerade das, was die Bibel eigentlich meine, wenn sie von „Salbung" spreche, nämlich die Geistverleihung, geschehe zusammen mit der Sündenvergebung im Taufbad". Jeremias geht auf diesen Einwand mit keinem "Wort ein. Er kann es auch nicht tun, da er selbst die mit der Myronsalbung verbundene Geistgabe schon der Taufe zuschreibt^". Der Grund dieser scheinbaren Inkonsequenz liegt darin, daß für ihn die Myronsalbung einen Teil der Taufe bildet, einen Ritus, der mit einem Aspekt des Taufgeschehens selbst verknüpft ist^^. Daß er ihn neben der Taufe aufzählt wie die übrigen Mysterien und so als eigene Einheit erscheinen läßt - ein Eindruck, der sich für die Tübinger noch verstärken muß, weil sie die Myronsalbung von der ihnen bekannten westÜchen Firmung her verstehen, die sich unbeschadet aller theologischen Deutungen ja nun tatsächlich zum eigenständigen Ritus entwickelt hat - , ist eine Inkonsequenz im Gefolge der Übernahme des scholastischen Siebenerschemas. Wenn demgegenüber die Zusammengehörigkeit von Taufe und Myronsalbung deutlicher geworden wäre, hätte sich die Kritik der Tübinger zwar nicht erübrigt, doch sie hätte einen anderen Akzent getragen: Der reduzierende Maßstab des von Christus Gebotenen und Heilsnotwendigen hätte hier nicht der Liste der Sakramente gegolten, sondern wie im Fall der Wasseranwendung den Elementen des Taufritus selbst. Gerade so verstanden aber macht die Kontroverse zwischen Tübingen und Konstantinopel zu dieser Frage einen Unterschied im Sakramentsverständnis auf beiden Seiten sehr anschaulich. Die Lutheraner halten dem Patriarchen vor, der Begriff der Salbung sei im Neuen Testament eine Metapher für die in der Taufe stattfindende Geistverleihung und anders als im Alten Testament gerade nicht wörtlich, im Sinn einer „äußerlichen" (externus)i^ Salbung, zu nehmen^''. Jeremias dagegen kann die Metapher nur verstehen, wenn sie, im Sinne einer Rückübersetzung, auch äußerlich, anschaulich dargestellt wird. Dabei gewinnt die Darstellung, kraft des Eigengewichts des in ihr verarbeiteten biblischen Materials sowie im Sog der zweifellos als Gnadenmitteilung verstandenen Tau-

" " "

Ibd. Ibd. II 460 [540]. 459 [539]. Acta 175. 317.

Ibd. 175, s.a. 314. " DkS 1 4 5 8 ; II 459 [539], vgl. o. S. 285. Gerade die Interpretation als Versiegelung und Weihe, besonders Priesterweihe, ist eine Deutung, die ursprünglich der Taufe galt und durch das Symbol der Ölung veranschaulicht wurde, s. Kretschmar, Taufgottesdienst 2 7 - 3 0 . 40f. Acta 174. " Ibd. 1 7 5 . 3 1 6 f .

Die theologische Auseinandersetzung

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fe, selbst den Charakter eines Mittels zum Empfang des Dargestellten, ohne daß abgegrenzt würde, wie sich diese Vermittlung zu der ursprünglich ausgesagten eigentlich verhält. Den letztgenannten Aspekt aber lehnen die Tübinger ab. Sie gestehen ihrem Briefpartner zu, daß sie gegen die Salbung als solche gar nichts einzuwenden hätten^®. Der in ihr hegende Symbolismus mußte ihnen als Adiaphoron erscheinen und demnach als überflüssig, aber auch als ungefährlich, wie dies schon in der Frage der Wasseranwendung der Fall gewesen war. Was sie dagegen zurückweisen, ist die Aussage des Patriarchen, jener Ritus habe „größten Nutzen und erstaunhche Wirkungen" (maximas . . . utilitates et effectus admirandos)^', m. a. W . , er sei ein Gnadenmittel. Daß die Myronsalbung keines sei, liege an ihrem grundlegenden Mangel: Sie „habe zur Grundlage kein Wort Gottes, d.h. keinen Einsetzungsbefehl und keine mit ihm verbundene Verheißung" (non habeat pro fundamento verbum Dei, hoc est mandatum et adiunctam promissionem), deshalb könne man nicht annehmen, ihr „wohne irgendeine Geisteskraft inne" (insit vis aliqua Spiritus sancti)^". Dementsprechend finde sich im Neuen Testament auch kein Beispiel einer mit der Taufe verbundenen Salbung^^. Dem Vorwurf, die Myronsalbung sei nicht in den Vorschriften Christi verankert, nimmt der Patriarch umgehend mit dem bereits angeführten^^ Argument den Wind aus den Segeln, sie gehöre zu den Riten und Einrichtungen, die die Kirche im Laufe ihrer Geschichte kraft der Gnade Christi hervorgebracht, „ausfindig gemacht" habe. Wie in allen anderen Fällen sei das auch hier in Kontinuität mit der Bibel geschehen; das Material zur liturgischen Weiterentwicklung hätten Traditionen des Alten Testaments geboten, nämlich die Salbungen und die Zubereitung des Heiligen Öls (Ex 30,22 ff.) in IsraeP^. Die Tübinger weisen die Bewertung, die Jeremias dem historisch gar nicht unangemessen beschriebenen kirchlichen Traditionsprozeß zukommen läßt, entsetzt zurück - wie sollte der Mensch sein Vertrauen auf eine „Hinzuerfindung" (adinventio) der Kirche setzen^·*? Solches Vertrauen würde ins Leere gehen, da Christus keine Verheißung an den Gebrauch des Salböls gebunden habe: Cur . . . nobis spem ea de re faceremus, cum non habeamus verbum Dei, quod tale quid nobis de usu chrismatis promittat^®? Es folgt eine Reihe von Invektiven gegen Verfechter der Myronsalbung, allen voran die pseudoareopagitischen Schriften, die die Tübinger mit den historischkritischen Argumenten des Humanismus angreifen^^, gegen altkirchliche Synoden, welche keinerlei Befugnis gehabt hätten, heilsvermittelnde Sakramente zu setzen^·^, und schließlich gegen Chrysostomos, der zwar ein heiliger, wortgeiMbd.314. ^Mbd. 174. " S. o. S. 279. Acta 314 ( S . O . S . 280). " Ibd.315f.,s. a. 174.

" Ibd. ibd. i74f. 314. " DkS II 460 [540]. " Ibd, 315. "¡¡,¿.316.

292

Der Briefwechsel

wandter Mann gewesen sei, sich hinsichtlich der Myronsalbung aber von der allgemeinen Meinung und Gewohnheit „wie von einem Sturzbach" habe „fortreißen" lassen (tanquam torrente abreptus)^®. Kommt Jeremias schon die Kritik am Corpus Areopagiticum hart an^®, so macht der Satz über Chrysostomos für ihn das Maß voll. Flammend vor Empörung zitiert er ihn beim Abbruch der Korrespondenz gleich zweimaP®. Nein, was diesen und andere Kirchenväter getrieben habe, sei der Heilige Geist selbst^^. Das Problem der Myronsalbung ist durch den Verzicht des Patriarchen auf biblische Verankerung zum konkreten Anwendungsfall des zentralen Kontroversthemas „kirchliche Tradition" geworden. d) Abendmahl Das Abendmahl gehört zu den Themen, bei deren Behandlung im Briefwechsel zwischen Tübingen und Konstantinopel Mißverständnisse und das Fehlen von Antworten auf gestellte Fragen besonders stark ins Gewicht fallen. Und das, obwohl die Ausgangslage für die Diskussion günstig war: Hatte Patriarch Jeremias doch in diesem Fall nicht nur den knappen Absatz De coena domini (CA 10) des Augsburgischen Bekenntnisses als Bezugspunkt, sondern darüber hinaus mündliche und schriftHche Darlegungen Gerlachs, der es sich nicht versagen konnte, das Thema, das im Zentrum der theologischen Bemühungen seiner Fakultät stand, den Griechen nahezubringen, ja der ursprünghch davon ausgegangen war, hier seien sich beide Seiten ohnehin einigt. Aufgrund der Ausführungen Gerlachs antwortete Jeremias in seinem Kommentar zu CA 10 sogleich zu den für die Tübinger Theologie zentralen Problemen der Realpräsenz und der Ubiquität des Leibes Christi, darüber hinaus zu der Frage, die die mittelalterlichen Kontroversen zwischen Konstantinopel und Rom über das Abendmahl beherrscht hatte, der Frage nach dem Gebrauch von gesäuertem oder ungesäuertem Brot^. Realpräsenz und Azymenproblem sind umgekehrt auch Themen der Tübinger Antwort^, darüber hinaus aber noch weitere Punkte. Denn der Patriarch spricht außerhalb seines Kommentars zu CA 10 noch einige Male über das Abendmahl, selbstverständhch in der Antwort auf Artikel CA 22, mit dem er sich einig ist, daß jedermann unter beiderlei Gestalt kommunizieren solle'', aber auch im Anschluß an CA 2, 7, 13 und 24. Diesen seinen Aussagen entnehmen die Tübinger ethche rituelle Differenzen im Vollzug des Sakraments außer dem Gebrauch gesäuerten Brots und sprechen auch sie an®. Vor allem aber - und das ist neben der Realpräsenz und den rituellen Eigenheiten das dritte Thema ihrer Ibd. 30 Ibd. II 488 [568]. 1 S . o . S . 5 4 u . u . S . 3 8 1 , A n m . 73. ' Acta 192. s Acta 191. 192 f.

" " 2 " «

DkS II 4 5 9 f . [539f.]; vgl. a. 1 4 6 0 . Ibd. DkS 1 4 6 4 . DkS 1 4 9 3 . Ibd. 191 f.

Die theologische Auseinandersetzung

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Kritik an Jeremias' erster Antwort® - entdecken sie dort, daß ihr Briefpartner das Abendmahl als O p f e r versteht. Der auffällige Befund ist nun aber, daß der Patriarch auf die Kritik zu diesem letzten Punkt mit keinem W o r t eingeht. Sein zweites Schreiben beschränkt sich völlig auf die Frage der Gegenwart von Leib und Blut Christi und das A z y m e n problem'^. Infolgedessen spricht auch die folgende Tübinger A n t w o r t nur noch von der Realpräsenz und den rituellen Differenzen®. In den letzten Schreiben beider Seiten k o m m t das Thema Abendmahl nicht mehr vor, die W ü r t t e m b e r ger wiederholen nur noch einmal, daß und aus welchen G r ü n d e n sie bloß zwei Sakramente anerkennen könnten®. Die Tatsache, daß Patriarch Jeremias eigentümlich zurückhaltend ist, was das Verständnis des Herrenmahls als O p f e r betrifft, zeigt sich nicht erst am Ausbleiben jeglicher Reaktion auf die entsprechende Kritik der Tübinger. Sie springt schon einmal in seinem Kommentar zur Confessio Augustana ins Auge, nämlich in der A n t w o r t auf C A 24. Wenn es in dem Artikel heißt, das Leiden Christi sei Sühne f ü r jede Sünde, so ist Kehrseite der Aussage die Kritik an der D e u t u n g des Abendmahls als Sühnopfer^®. Jeremias aber geht auf diese Kritik überhaupt nicht ein, was er zurückweist, sind nur negative Konsequenzen, die sich seiner Ansicht nach aus jener Aussage über das Sühnopfer Christi f ü r die Ethik ziehen lassen". Indessen, es ist durchaus auch bei dem Patriarchen vom Herrenmahl als O p f e r für die Sünden der Menschen die Rede. Zunächst einmal, das erstaunt nicht, in dem zypriotischen Traktat, der das Rückgrat der A n t w o r t auf C A 7 bildet. Danach hat Christus, nach dem Vorbild der mosaischen Opfer, am Gründonnerstag das neue O p f e r (καινή θ υ σ ί α ) eingesetzt^^. Der Abschnitt Symeons von Thessaloniki, den Jeremias der scholastischen Schrift einfügt, um Sinn und Wirkung der Sakramente auszudrücken, enthält diesen Gedanken allerdings gar nicht. D o r t heißt es nur, der Mensch werde im Herrenmahl mit Christus vereinigt, er gewinne durch die geisthche Speise (πνευματική τροφή) des Leibes und Blutes Christi, der für uns sterblich geworden sei, das ewige Leben zurück^^. Der zypriotische Traktat bietet nun aber nicht die einzige Stelle, an der das Abendmahl als O p f e r bezeichnet wird. Jeremias tut es auch einmal von sich aus, nämlich in der Einleitung zu dem langen Zitat aus Kabasilas' Liturgiekommentar, mit dem er auf C A 13 antwortet^'*: So wie es zur Zeit des Alten Testaments ' D k S II 460f. [540f.]; daß es ibd. 461 [541] heißt, π ρ ο σ φ έ ρ ο μ ε ν δέ ούκ έν ά ζ ΰ μ ο ι ς , ist kein Gegenbeweis, denn die Betonung liegt hier nicht auf dem Verb, sondern auf der adverbialen Bestimmung. « Acta 317-320. ' Ibd. 374. " D k S 1494. (s. o. S. 190). " I b d . 458.

1» B S E L K 9 3 f . , 2 1 - 2 7 / A c t a 2 9 f . 12 jbd. 460. " S . O . S . 183.

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Der Briefwechsel

Opfer gegeben habe, die Gott versöhnten (καταλλάσσειν), habe auch Christus vor seiner Himmelfahrt zu diesem Zweck einen Gottesdienst eingesetzt und seinen Bruder Jakobus zum ersten priesterlichen Anführer (ιεράρχης) gemacht. Seitdem versöhne der Sohn Gottes, „indem er für uns geopfert wird" (θυόμενος υπέρ ημών), alle Menschen mit dem Vater, die an den Mysterien teilnehmen^^. Die folgende Darstellung der Liturgie steht also von vorneherein unter der Überschrift „Opferhandlung". Desto merkwürdiger ist es nun aber, daß bei dieser Darstellung selbst der Gedanke des Opfers ganz in den Hintergrund gedrängt wird. An und für sich spielt er in Kabasilas' Ausführungen eine große Rolle'®, ja dieser Theologe ist der einzige Byzantiner, der eine regelrechte Theorie des Meßopfers entwikkelt'·'. Man sollte erwarten, daß Jeremias die entsprechenden Passagen zustatten kommen würden. Doch der Patriarch läßt die meisten und wichtigsten davon schlicht aus'®. Gewiß konzentriert er sich auf die Auswirkungen der Liturgie auf das innere Leben des teilnehmenden Christen, um CA 13 zu kommentier e n a b e r er läßt doch verschiedene Seitenaspekte des zitierten Textes mit einfheßen^" und scheut sich auch nicht, die Vorlage zu unterbrechen, wo er etwas einfügen wilP'. So kann jener Befund nicht einfach auf die Dialogsituation zurückgeführt werden. Es scheint vielmehr, als verstehe der Patriarch das eucharistische Opfer so sehr als Element der Gesamtdarstellung des Lebens und Handelns Christi im Gottesdienst, daß er es gar nicht eigens hervorzuheben braucht. Die Teilnehmer haben, wie er mit Kabasilas sagt, in den Riten, Gesängen, Gebeten und Lesungen alles vor Augen (πάντα προ των οφθαλμών εχειν)^^, vom Sein des Gottessohnes beim Vater^^ über sein Erscheinen auf Erden^"·, die verschiedenen Stufen seines Leidens^® und das Kreuz bis zur Auferstehung, Himmelfahrt und Sendung des Geistes^® - gleichsam das Bild (εικών) des gesamten Geschickes Christi mit allen Bestandteilen in schönster Ordnung und Harmonie (τάξις και αρμονία)^"'. So breit auch diese Abbildung des Lebens und Handelns Christi im Rahmen des ganzen Gottesdienstes bei Kabasilas behandelt und ihre Bedeutung hervorgehoben wird^®, so wenig Zweifel läßt sein Liturgiekommentar daran, daß "

DkS 1470. Vgl. Borner:, Les commentaires byzantins, 229 ff. J. Gouillard, Einleitung zu Cabasilas, Explication de la divine liturgie, 26. So besonders die Kapitel 27f., 32, 33; zur Schilderung des O p f e r s bringt Jeremias nur eine Zitatkombination vor: DkS I 475: καΐ γ ί ν ε τ α ι . . . τελεστικών ε ύ χ ώ ν (SC bis L 8. LI 2 / P G 150, 485 AB). " S.O.S. 182f. So etwa die ekklesiologischen Aussagen in DkS I 474 / SC 4 bis X X X V I I I 1.2 / P G 150, 452 C - ^ 5 3 A. " S . O . S . 183. " ibd.472. " Ibd. 473. " Ibd. 472. « Ibd. 473. " Ibd. 472. " Ibd., s . a . 471. ^ e s . o . S . 183.

Die theologische Auseinandersetzung

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demgegenüber das eucharistische O p f e r ein Geschehen darstelle, in dem Christus noch in anderer Weise gegenwärtig sei und handele. A u c h Jeremias' Zitate lassen das noch durchscheinen. D o c h er hält es nicht für nötig, hier eine Abgrenzungslinie zu ziehen. D a s O p f e r k o m m t gleichsam nur in den Blick als der Punkt innerhalb des Gottesdienstes, von dem aus sich die A b b i l d u n g der ganzen Geschichte Christi vor und nach Golgatha in die Liturgie hineinerstreckt, ohne daß er in sich besonderes Gewicht besäße. So kann der G e d a n k e des Sühnopfers die Überschrift für die Behandlung des Gottesdienstes bilden und zugleich seine eigentümliche Bedeutung weitgehend verlieren. D e m g e m ä ß sind es nur sehr wenige Aussagen zu diesem T h e m a , die der Patriarch aus seiner Vorlage anführt: D a s O p f e r mache G o t t gnädig und heilige die Darbringenden sowie jene, für die es dargebracht werde, Lebende und Tote^'. Wie es sich zu dem einmaligen K r e u z o p f e r Christi verhalten soll, wird nicht erörtert^®. V o n der Aktivität der Kirche ist kaum die Rede, sie wird nach einem an anderer Stelle angeführten C h r y s o s t o m o s - Z i t a t so zu verstehen sein, daß Christus selbst durch das T u n des Priesters, das in sich betrachtet ein bloßes Zeichen (σύμβολον) darstellt, die Opferhandlung vollzieht^i. Indem Jeremias in seinem Zitat des Kabasilas'schen K o m m e n t a r s das eucharistische O p f e r zugunsten der Gesamtdarstellung des Lebens und Handelns Christi zurücktreten läßt, rückt er als Wirkung des Abendmahls das in den Vordergrund, was nach N i k o l a o s Sinn jener Darstellung ist: die Gemeinschaft mit Christus in der liturgischen Schau der Ö k o n o m i e . N i c h t umsonst bestimmt Jeremias so das Ziel des Gottesdienstes, w o er im Anschluß an C A 13 seine Sicht des richtigen Brauchs der Sakramente für den Fall des Abendmahls darlegt^^. Dieses Verständnis der Liturgie erklärt Jeremias' Reaktion auf die Kritik, die die Lutheraner am G e d a n k e n des eucharistischen Sühnopfers üben: D i e O p fervorstellung bildete so wenig die beherrschende Perspektive in seiner Sicht des Abendmahls, daß er sie eben weder gegen C A 24 noch gegen die Briefpartner verteidigte. Was für ihn entscheidend war, die Vergegenwärtigung der G e schichte Christi überhaupt in der Liturgie, stand in seinen A u g e n auf dem Spiel nicht mit dem Gedanken des O p f e r s , sondern mit dem richtigen V o l l z u g des Ritus und dem richtigen Verständnis der Gegenwart von Leib und Blut Christi (s.u.). Infolgedessen trifft die Kritik der Tübinger Jeremias nur bedingt. Sie schreiben, das Abendmahl sei kein O p f e r zur Versöhnung der Lebenden und Toten mit G o t t . Vielmehr habe Christus die Versöhnung ein für allemal am K r e u z bewirkt, und die Kirche sei nicht beauftragt, dieses Geschehen „in neuen Schattenrissen darzustellen" (nec m a g n u m illud sacrificium semel in cruce per"

"

Ibd. 476. In Kabasilas' Kommentar selbst geschieht das, s. Kap. 32, DkSI463. S . O . S . 183.

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Der Briefwechsel

actum novis adumbrationibus / σκιαγραφίαις ecclesiae esse figurandum / τυπωτέαν)^^. Die Tübinger werfen also dem Patriarchen nicht vor, er verfechte eine Wiederholung des Kreuzopfers, sondern verstehen ihn so, daß er von einer - wie auch immer zu deutenden - Vergegenwärtigung des einmaligen Geschehens im liturgischen Nachvollzug spreche. Doch sie lehnen seine Aussagen aus zwei miteinander zusammenhängenden Gründen ab: Weder der Gedanke des Nachvollzugs selbst noch die Behauptung, daß dadurch die Sündenvergebung bewirkt werden solle, sei der Einsetzung und dem Sinn des Abendmahls gemäß, denn danach handle es sich hier einzig und allein um ein Mahl, in dem Christus sich zu essen und zu trinken gebe^". Symbolische Elemente im Rahmen des Gottesdienstes müssen deshalb nicht ausgeschlossen sein - die Tübinger begründen etwa den Gebrauch ungesäuerten Brotes und ungemischten Weines mit deren symbolischem Wert (s. u.) - , doch sie dürfen nicht für notwendig erklärt werden und nicht die Kommunion aus dem Mittelpunkt der Liturgie verdrängen^®. Vor allem aber - und hier Hegt der Hauptgrund für die Zurückweisung des Opfergedankens - darf nach Ansicht der Tübinger nicht dem Vorgang der Vergegenwärtigung zugeschrieben werden, was Wirkung des vergangenen Ereignisses ist, die Versöhnung mit Gott - auf diese Weise gerate der liturgische Vollzug eben doch zu einem erneuten Opfer (denuo sacrificare)^®. Die Geschehnisse auf Golgatha seien im Abendmahl nur Gegenstand der Erinnerung (memoria), die Kommunikanten sollten hier in ihrem Glauben bestärkt werden (confirmatio), daß sie einmal erlöst worden seien^·^. Diese Sätze wollen das Abendmahl nicht zum bloßen Rückbezug auf Vergangenes erklären - sonst wäre auch weder die Dringlichkeit, mit der die Württemberger auf der Realpräsenz von Leib und Blut Christi bestehen (s. u.), noch ihre grundsätzliche Aussage, die Sakramente seien als Formen der Zuwendung Gottes selbst eingesetzt, einsichtig. Vielmehr betonen sie, wo sie sich nicht von der Opfertheorie abgrenzen, sondern auf die Ausführungen des Patriarchen über die Kommunion Bezug nehmen, im Abendmahl würden die Kommunikanten durch den Empfang von Leib und Blut Christi mit ihm selbst vereint (coadunare)^®. Es soll also durchaus um die Gegenwart Christi gehen, nicht nur um die Rekapitulation von Vergangenem. Doch die Tübinger lehnen es ab, diese Gegenwart als Vergegenwärtigung eines Heilsereignisses anzusehen, die etwas bewirken soll, was sie allein jenem Ereignis als einmaligem, vergangenem Ge"

Acta 191. Ibd. Die Bindung an diesen einsetzungsgemäßen Gebrauch (usus) gehört für die Tübinger zur Definition des Abendmahls derart, daß für sie nur in einem Gottesdienst, in dem die Gemeinde kommuniziert, Leib und Blut Christi mit Brot und Wein verbunden sind (Cum autem non editur nec bibitur, tum panem et vinum cum corpore et sanguine Christi sacramentaliter coniuncta esse non credimus, quia extra usum panis et vinum per se non sunt sacramentum) (Acta 319). ' ' S. im Folgenden ihre Aussagen über die Gestaltung des Gottesdienstes. Ibd. 192. " I b d . 191. " A c t a 149.

D i e theologische Auseinandersetzung

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schehen selbst zuschreiben k ö n n e n . B e w i r k t w i r d im A b e n d m a h l , im E s s e n u n d T r i n k e n , nur die Z u e i g n u n g der F r u c h t des einmahgen G e s c h e h e n s : der v o n Schuld u n d Z o r n gereinigten neuen G e m e i n s c h a f t mit G o t t . Bei ihren A u s f ü h r u n g e n sind die T ü b i n g e r s o sehr auf den G e d a n k e n des O p f e r s fixiert, daß sie gar nicht m e r k e n , welch eingeschränkte R o l l e er bei d e m Briefpartner spielt, daß er dort eben g a n z eingebettet ist in die K o n z e p t i o n eines N a c h v o l l z u g s des ganzen L e b e n s Christi. W ä r e ihnen dies b e w u ß t g e w o r d e n , hätte sich d a s H a u p t g e w i c h t ihrer Kritik auf den ersten, eher im V o r ü b e r g e h e n geäußerten E i n w a n d v e r s c h o b e n : nämlich daß der Kirche nicht die liturgische D a r s t e l l u n g des W e g e s Christi aufgetragen sei, s o n d e r n das E s s e n u n d T r i n k e n seines L e i b e s u n d Blutes. D e r G e g e n s a t z hätte dann v o r allem darin b e s t a n d e n , daß sich f ü r die T ü b i n g e r die sakramentale G e m e i n s c h a f t mit C h r i s t u s erst im A b e n d m a h l s e m p f a n g ereignet, f ü r den Patriarchen aber bereits in der liturgischen Schau einsetzt. D o c h dieses P r o b l e m k o m m t nicht auf, weil die W ü r t t e m berger sich eben völlig auf die Z u r ü c k w e i s u n g der O p f e r v o r s t e l l u n g konzentrieren - die Parallele, die sie hier z u r r ö m i s c h e n T h e o l o g i e sehen, legt die B a h n e n fest, in denen sich ihre Kritik am griechischen Briefpartner bewegt^'. J e r e m i a s ' Verständnis des A b e n d m a h l s b e s t i m m t nicht nur seine R e a k t i o n hinsichthch des T h e m a s M e ß o p f e r , s o n d e r n auch seine Beurteilung liturgischer D i f f e r e n z e n . J e weniger sich dieses M y s t e r i u m auf einen b e s t i m m t e n rituellen Bestandteil z u s p i t z e n läßt, d e s t o stärkeres G e w i c h t m u ß der G e s a m t h e i t aller gottesdienstlichen E l e m e n t e b e i g e m e s s e n w e r d e n . U n d so erklärt der Patriarch denn auch, es sei n o t w e n d i g , daß die g a n z e Christenheit den G o t t e s d i e n s t so feiere wie die K i r c h e v o n K o n s t a n t i n o p e l ( δ έ ο ν έστί κ α ι π ά σ α ν χ ρ ι σ τ ι α ν ώ ν έ κ κ λ η σ ί α ν ο ΰ τ ω τα τ η ς λ ε ι τ ο υ ρ γ ί α ς L ε ρ o υ ρ γ ε ì v ) ^ ' ^ D i e s e A u s s a g e ruft den Protest der T ü b i n g e r hervor. I m Bereich des Rituellen gebe es keine N o t w e n digkeiten, hier herrsche „christliche Freiheit" (libertas Christiana), s o l a n g e m a n keine Z e r e m o n i e n einführe, die d e m W o r t G o t t e s widersprächen""·. D e s h a l b w ü r d e n sie, die T ü b i n g e r , auch mit n i e m a n d e m über die A u s g e s t a l t u n g des G o t t e s d i e n s t e s streiten·*! - rituelle D i f f e r e n z e n gelten ihnen also, wie s c h o n C A 7, nicht als kirchentrennend. E n t s c h e i d e n d sei, daß m a n im wesentlichen (principaba / τά κ υ ρ ι ώ τ ε ρ α κ α ΐ άναγκαϊΐα)'*^, d . h . f ü r das A b e n d m a h l hinsichtlich „ S u b s t a n z und G e b r a u c h " (substantia et usus / ο ύ σ ι α κ α ι χρήσις)'*^ ü b e r e i n s t i m m e , f ü r die liturgische D u r c h f ü h r u n g im einzelnen gebe es nur die A b w ä g u n g größerer o d e r geringerer A n g e m e s s e n h e i t (decens)·"*. "

Vgl. o. S. 274. D k S I 476; vgl. dagegen die umgekehrte M a h n u n g mit westlicher A d r e s s e bei Photios ( P G 102, 608): Liturgische Unterschiede könnten die Verwandlung der Elemente in Leib und Blut Christi und die Verleihung der Geistesgnade nicht behindern. " " A c t a 193. Ibd. 1 9 3 . 3 2 0 . « I b d . 193. " Ibd. 320. '·'· Ibd. 192. V o n theologischem G e w i c h t ist für die T ü b i n g e r nur die Frage, in welchem Alter Christen z u m A b e n d m a h l gehen dürfen. Säuglinge k ö n n e man nicht zulassen, da z u m E m p f a n g des

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Der Briefwechsel

Diese Grundsätze wenden sie auf Jeremias' konkrete Auskünfte über die Gestaltung des griechischen Gottesdienstes an. Sie selbst zögen eine einfachere Ordnung als die vom Patriarchen geschilderte vor, damit die Gemeinde nicht von der Konzentration auf das Wesentliche abgehalten werde"*®, würden aber darauf nicht bestehen. Was die Beimischung von Wasser zum Abendmahlswein betreffe, hielten sie dies nicht für einen guten Brauch, weil die Einsetzungsberichte nichts davon sagten''® und weil das Bild des reinen, ungemischten Weines angemessener sei für das Blut Christi"''; doch diese Frage habe für sie keine entscheidende Bedeutung (in nullo discrimine [sc. ponimus])'·®. Dasselbe gelte für den Gebrauch gesäuerten oder ungesäuerten Brotes. Brot sei beides, und darauf komme es an, alles andere sei letztlich unwichtig·*'; allerdings hielten sie, die Tübinger, das Azymon für angemessener, da es sowohl die Verpflichtung der Christen, den Sauerteig der Bosheit auszufegen, als auch die Reinheit des Passahlammes Christus sinnbildlich darstelle ( l . K o r 5,6-8)®". Es ist erstaunlich, daß die Württemberger hier nur den Hinweis auf den Symbolwert des ungesäuerten Brotes anführen und nicht die dem Westen in den mittelalterlichen Kontroversen so wichtige und zu ihrer sonstigen Argumentation passende Aussage, Christus habe das Abendmahl im Rahmen des Passahfestes eingesetzt und daher Azymon gebraucht. In seiner Verteidigung der von den Tübingern relativierten Riten begründet Jeremias die Pflicht, Wasser und Wein zu mischen, mit den Worten, Christus selbst habe das vorgeschrieben, oder damit, daß dies Verfahren Teil der normativen Tradition sei®^. Für den Gebrauch gesäuerten Brotes bringt er vor, ChriAbendmahls Würdigkeit gefordert sei ( l . K o r 11,28), Würdigkeit aber Selbstprüfung und damit einen Bewußtseinsstand voraussetze, den kleine Kinder noch nicht hatten. Deshalb seien sie aber Christus nicht weniger nah als die Älteren. Ihnen genüge (sufficere) die Taufe und die geistliche Teilhabe am Fleisch Christi durch den auch ihnen von G o t t geschenkten Glauben. Solches Essen im Geist (spiritualis manducatio) sei immer heilsnotwendig, das sakramentale nicht in jedem Fall (ibd. 191). Mit dem letzten Satz weisen die Tübinger zurück, daß der Patriarch die Kindertaufkommunion mit J o h 6,53 begründet ( D k S I 463 im Rahmen eines Basileioszitats). D o c h es ist wohl auch an diesem Punkt nicht die Frage nach dem zum Heil hinreichenden und notwendigen Minimum, die Jeremias' Aussagen bestimmt - daß das nur getaufte Kind sein Heil verliere, wurde in der byzantinischen Theologie sehr selten behauptet (Jugie, Theologia III 301 f.) - , der vorherrschende Gesichtspunkt ist vielmehr der der größtmöglichen Fülle. Zum vollen Christsein gehört in den Augen des Patriarchen für jeden Getauften Gemeinschaft mit Christus im umfassenden Sinn, und d.h. auch durch den Abendmahlsempfang. Auf die Frage nach dem Verhältnis von Kommunion und Bewußtsein geht er nicht ein, weshalb auch die Tübinger sie in ihrer zweiten Antwort fallenlassen. Ibd. 192f.; sie geben hier einen kurzen Abriß ihrer Gottesdienstordnung. « Ibd. 192.319. Ibd. 319: Der reine Wein erfreue und erquicke die Menschen mehr, außerdem habe das Bild vom gemischten Wein in der Bibel einen negativen Klang (Jes 1,22). Ibd. 192. « Acta 192. 320. 5» Ibd. 192. 320. D k S I 460. 475. Es ist die Mischung in der Prothesis, nicht der Zusatz warmen Wassers nach

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stus habe bei der Einsetzung „nicht gesagt: ,Das ist Ungesäuertes oder ein Bild des Leibes', sondern: ,Das ist mein Leib'" (ού τοϋτο ειπών έστιν άζυμον, ή τύπος του σώματος, άλλα τοϋτό έστι το σώμά μου)®^. Das Brot, das der Priester darbringe, sei nicht ein Bild des Herrenleibes oder Ungesäuertes, sondern Gesäuertes und der Leib des Herrn selbst (Ού τύπος . . . ή άζυμον ó άρτος του κυριακοϋ σώματος, ó υπό του ιερέως μυσταγωγούμενος, άλλ' ενζυμον, καΐ αυτό το του Κυρίου σώμα)^^ Das Argument erstaunt®·*. Denn man sollte meinen, die Frage, ob im Abendmahl ein Bild des Leibes Christi vorliege oder dieser selbst, habe erst Sinn, wo es um die Konsekration geht, und sie wird dort auch ausführlich behandelt werden. In der Azymendebatte dagegen ist Gegenstand der Erörterung das Brot, das erst konsekriert werden soll. Jeremias nun formuliert seine Aussage in einer Weise, die auf die Gleichsetzung dieses Brotes mit dem Leib Christi hinausläuft®' - das fiktive Zitat aus dem Bericht von der Einsetzung des Sakraments impliziert ja, Jesus habe gesagt: „Das ist gesäuertes Brot, mein Leib." Diese Gleichsetzung geschieht nun aber nicht in der Weise, daß auch nach der Konsekration bloßes Brot, gesäuertes Brot vorhanden sein soll - nicht umsonst hält der Patriarch in demselben Abschnitt den Tübingern vor, das Brot werde in den Leib verwandelt (s. u.) - , vielmehr wird umgekehrt vorausgesetzt, schon vorher liege mehr vor als ein Bild, nämlich, wenn man die Aussage logisch pressen will, schon der Leib Christi - unter der Bedingung, daß gesäuertes Brot benutzt wird. In der Azymendebatte hatte man auf griechischer Seite schon immer dem gesäuerten Brot als solchem eine besondere Nähe zum Leib Christi zugeschrieben, weil es ihn durch seine natürlichen Eigenschaften symbolisiere®®^, ja man hatte, indem man den Gebrauch von Enzymon als unabdingbar forderte, diese Eigenschaften zur notwendigen Prädisposition der Verwandlung erklärt. Auch der Umgang mit den Elementen vor der Konsekration kam der Ansicht entgegen, es handle sich schon hier nicht mehr nur um natürliche Substanzen®^. der Konsekration, das Z e o n , gemeint. Im R a h m e n des zypriotischen Traktats ist das ohnehin deutlich, die Verankerung in der Einsetzung des A b e n d m a h l s am G r ü n d o n n e r s t a g und die Anspielung auf J o h 19,34 haben nur für die Mischung vor der Konsekration Sinn; das gilt auch für D k S II 460 [540]. D k S 1 4 7 5 ist dieser B e z u g durch das Zitat von K a n o n 32 des Trullanum gegeben. Ibd. I 464. " Ibd. A u c h Tzirakes, Transsubstantiatio 62, stellt fest, man „ m ü s s e b e t o n e n " , für Jeremias gelte die Relation „ B i l d " = „ A z y m o n " , „ E n z y m o n " = „der Leib des H e r r n selbst", läßt es aber dabei bewenden. W o er mit Kabasilas die Liturgie schildert, macht er dagegen einen scharfen Unterschied zwischen dem „ b l o ß e n " ( ψ ι λ ό ς ) Brot zu Beginn des Gottesdienstes und dem schließlich verwandelten. J u g i e , T h e o l o g i a III 2 4 4 - 2 4 6 . " Vgl. den von der westlichen Suche nach begrifflicher A b g r e n z u n g beeinflußten Versuch, diesen Zwischenzustand zu definieren, den bald nach d e m Briefwechsel zwischen T ü b i n g e n und Konstantinopel Gabriel Severos in Venedig unternahm: D i e Elemente machen danach drei „ E h r e n s t u f e n " ( τ ι μ α ί ) durch. Zunächst sind sie nur G e s c h ö p f e , dann, sobald sie zu Beginn des Gottesdien-

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Der Briefwechsel

Jeremias tut den letzten Schritt und identifiziert de facto Enzymon und Leib Christi. Dieser soll im ganzen Gottesdienst gegenwärtig sein, seine Anwesenheit nicht erst zu einem bestimmten Zeitpunkt darin einsetzen. Herbeigeführt werde sie durch das Zusammenkommen des durch seine symbolträchtige Beschaffenheit zur Verwandlung prädisponierten gesäuerten Brotes und des Heiligen Geistes. Der Patriarch spricht zwar vom Wirken des Geistes kraft der Epikiese^'', womit zunächst einmal ein bestimmtes liturgisches Element gemeint ist, doch dieser Vorgang ist ebensowenig abgegrenzt, ebenso nur als punktuelle Verdichtung eines den ganzen Gottesdienst bestimmenden Sachverhalts zu verstehen wie die Opferung. Die Tübinger bemerken nicht, welches Gewicht Jeremias dem Gebrauch gesäuerten Brotes beimißt, und sprechen darum die den gesamten Gottesdienst betreffenden Folgerungen nicht an. Auch die Frage der Epiklese, des Verhältnisses von Anrufung des Geistes und Einsetzungsworten wird nicht erörtert. Jeremias weist auf die Epiklese wohl nicht aus apologetischen Gründen hin, obwohl sie seit dem 14. Jahrhundert zu den Gegenständen der Auseinandersetzung zwischen Rom und Konstantinopel gehörte®®. Von Anrufung und Wirksamkeit des Geistes zu sprechen, wo es um das Herrenmahl geht, ist ihm ganz selbstverständlich, und es geschieht ja bereits in den Aussagen des Damaszeners, aus denen er hier schöpft®®. Die Tübinger nehmen an dieser Stelle offenbar keine Differenzen wahr. Entschiedenen wechselseitigen Widerspruch gibt es dagegen hinsichtlich der Weise, in der auf der einen und der anderen Seite die Gegenwart von Leib und Blut Christi im Abendmahl gedacht wird. Gerlach hatte den Griechen in Konstantinopel die Lehre von der Realpräsenz und der Ubiquität des Leibes Christi erklärt, wie sie mit besonderem Nachdruck im heimischen Württemberg vertreten wurde. Patriarch Jeremias lehnt in seiner Antwort auf C A 10 beides ab^°. Im Fall der Ubiquitätslehre lag offensichtlich ein Mißverständnis vor: Der Patriarch glaubte, die Lutheraner sprächen hier von einer räumhchen Verschiebung des Leibes Christi aus dem Himmel in die Elemente, während Sinn jener Lehre gerade die Aussage ist, daß mit der Gottheit Christi sein Leib kraft der communicatio idiomatum überall unräumlich gegenwärtig sei®^. Die stes auf den Altar gelegt werden, sind sie nicht mehr einfach Brot und Wein, sondern „Materie, die aufnahmefähig, notwendig und festgelegt ist dazu, im eigentlichen Sinn - die dritte Stufe - Leib und Blut Christi zu werden" (ΰλη ένδεχομένη κ α ΐ αναγκαία κ α ΐ ώρισμένη προς τό γ ε ν έ σ θ α ι κυρίως σώμα καί αίμα Χ ρ ι σ τ ο ί ) (Κατά των λεγόντων τούς όρθοδόξους της άνατολικής εκκλησίας υιούς κακώς τε και παρανόμως π ο ι ε ί ν τ φ τιμαν κ α ΐ προσκυνεϊν τα άγια δώρα, ή ν ί κ α 6 χερουβικός αδεται ϋμνος καί ó ιερεύς φέρων ταύτα είσοδεύει εις τό άγιον βήμα, in: ders., Fides Ecclesiae Orientalis 3 f . ; vgl. Steitz, Abendmahlslehre X I I I 6 8 2 ; Tzirakes, Transsubstantiatio 50f.). " DkSI464. So wurde sie etwa in Florenz ausführlich behandelt (vgl. H o t z , Sakramente 262 f.). S . O . S . 179.201. S . O . S . 179. " S. F C Epit. VIII, B S E L K 808, 17; vgl. Mahlmann, Das neue D o g m a Kap. I, bes. 40ff., III, 82 ff.

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Lutheraner lassen in ihrer Rückantwort diesen Punkt fallen^^, was bei ihrem sonstigen Interesse daran verwunderlich, aber vielleicht aus der Tatsache zu erklären ist, daß, anders als ihre Gegner innerhalb des Protestantismus, Jeremias die Ablehnung der Ubiquitätslehre nicht mit der Feststellung verband, von der Gegenwart des Leibes Christi im Abendmahl auf Erden könne keine Rede sein. Vielmehr sahen sich die Tübinger selbst zu ihrem angesichts der heimischen Diskussionslage verständUchen Erstaunen^^ dem Vorwurf ausgesetzt, eine solche Gegenwart zu leugnen. Gerlach hatte den Griechen erklärt, und die Tübinger Schriften betonen es aufs neue, daß nach lutherischer Lehre wohl Leib und Blut Christi wahrhaftig anwesend (vere praesentia)^·* seien und gegessen und getrunken würden, daß dabei aber die Elemente Brot und Wein erhalten bheben und der Kommunikant beides zusammen (corpus cum^®, una cum^^ pane), zugleich (simul)®^ empfange. Letzteres begründen die Tübinger mit dem Sprachgebrauch des Apostels Paulus, der auch das konsekrierte Brot noch Brot nenne ( l . K o r 1 0 , 1 6 ; 1 1 , 2 6 2 8 ) ^ ® , des Kirchenvaters Irenäus, nach dem die Abendmahlsgabe aus zwei Dingen besteht, einem himmlischen und einem irdischen®', mit der Parallele der Taufe^° sowie mit absurden Folgerungen, die sich ihrer Meinung nach ergäben, wenn man nicht davon ausginge, daß Brot und Wein erhalten blieben''^. Der Patriarch wies schon im Gespräch mit Gerlach diese Aussagen zurück, und seine Schreiben tun es gegenüber den Tübinger Briefpartnern: Die Elemente würden in Leib und Blut Christi verwandelt (μεταβάλλεσ-θαι, μεταποιεϊσ-θαι)·'^^ sie würden zu (γίνεσθαι) Leib und Blut^^, d.h., so die implizite Kritik an den Ausführungen der Lutheraner, die Substanzen von Brot und Wein hielten sich nicht durch. Gerlach berichtete daraufhin an seine Lehrer zu Hause'^'*, die Griechen seien Vertreter der Transsubstantiationslehre, und Crusius drückte dieselbe Meinung aus, indem er in den Acta et Scripta an den Rand der

Es gibt nur noch einen Hinweis in ihrer zweiten Antwort darauf, nämlich wo sie kurz auf ihre Streitigkeiten mit denen anspielen, die Leib und Blut Christi weit vom Abendmahl entfernt glaubten, weil sie nicht verstehen könnten, quomodo Christus simul in coelis et in terris esse possit (Acta 317). Vgl. den geradezu verletzten T o n , in dem sie auf ihre Rolle in den innerevangelischen Streitigkeiten hinweisen, ibd. 319. "Ibd.317. " I b d . 192. ' ' Ibd. 318 f.; ibd. 319 bringen sie die Formel von C A 10 (ed. pr.) vor, erweitert um das „una cum pane et vino" der F C sowie das Objekt „omnibus" [sc. Essenden würden Leib und Blut Christi verteilt], das die ebenfalls in der F C vertretene Lehre von der manducatio impiorum einbringt (s. F C Epit. VII, B S E L K 7 9 7 , 6 ; 799,16). " Acta 318. Ibd. 1 9 2 . 3 1 8 . ' ' Ibd. '»Ibd. " Ibd.318f.(vgl.o.S.75). " DkS 1 4 6 4 . II 460 [540]. " Ibd. C r . T B MS 1 2 4 1 . 2 5 5 . 257. 3 3 0 ; vgl. Gl. T B 107f.

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Der Briefwechsel

Aussagen des Patriarchen über die Verwandlung der Elemente das Wort transsubstantiatio / μετουσίωσις setzen ließ"'®. W o r t und Lehre der Transsubstantiation bzw. μετουσίωσις waren während des späten Mittelahers und der frühen Neuzeit im griechischen Bereich nicht völhg unbekannt. Das Verb μετουσιοϋν und das entsprechende Substantiv tauchten bereits einmal in der Zeit der christologischen Streitigkeiten auf, in einer antimonophysitischen Schrift des Theologen Leontios von J e r u s a l e m ' ' ; es bezeichnet hier die Verwandlung einer Sache in eine andere'''', im theologischen Zusammenhang die Verwandlung einer N a t u r Christi in die andere, die von den Monophysiten gelehrt werde und abzulehnen sei''®. Der offenbar ad hoc von Leontios geprägte Begriff setzte sich nicht durch, er wurde nach ihm nicht mehr gebraucht. Siebenhundert Jahre später schuf man das W o r t ein zweites Mal, und zwar im Rahmen der Abendmahlslehre: Es war nun die wörtliche Übersetzung des scholastischen Terminus transsubstantiatio'". So trat es vielleicht schon in der griechischen Version der Akten des Laterankonzils von 1215®°, jedenfalls aber im Unionsbekenntnis des Kaisers Michael V I I L Palaiologos®^ und in der Confessio fidei seines Patriarchen Joannes Bekkos®^ auf. Danach wurde es erst wieder anderthalb Jahrhunderte später gebraucht, nämlich von dem mit der scholastischen Theologie sehr vertrauten Georgios Scholarios®^. Es kam also bis zu Jeremias' Zeit nicht häufig vor, daß jener Begriff griechischerseits benutzt wurde - in großem Stil geschah das erst im 17. Jahrhundert, vor allem als man ihn zur A b w e h r evangelischer Einflüsse benutzte®'* - , und auch die entsprechende scholastische Theorie hatte nicht viele griechische Anhänger®^.

Patriarch Jeremias spricht nicht von μετουσίωσις, und seine Aussagen über die Konsekration verraten nicht den geringsten Einfluß der TranssubstantiaActa 86. Nämlich in der vor 532/3 verfaßten Abhandlung Απορία προς τους μίαν φύσιν λέγοντας σύνιίετον τον κυρών . . ., PG 86/2, 1772 D. 1773 Α. 1809 C, s. Tzirakes, Transsubstantiatio 36; selbst wenn das Werk später überarbeitet worden sein sollte (vgl. Altaner, Patrologie 510), ändert das, wie Tzirakes richtig bemerkt, nichts daran, daß jener Begriff außerhalb und lange vor der Debatte um die Konsekration im Herrenmahl benutzt worden ist. Allgemein 1773 A, konkret etwa die des Wassers in Blut bei den Ägyptern zur Zeit Moses (1772 C); mit ihr dürfe man das Verhältnis der beiden Naturen Christi nicht parallelisieren (s. die folgende Anm.). Ibd. 1809. Es gibt keinerlei Anhaltspunkte für eine Kontinuität zwischen dem Sprachgebrauch bei Leontios und dem im Spätmittelalter und in der Neuzeit, ja die Abhängigkeit zumindest der Wortprägung von dem scholastischen Terminus ist im zweiten Fall unübersehbar - was nicht heißt, daß jeder Grieche, der das Wort benutzte, wirklich die scholastische Lehre vertreten haben muß. Jedenfalls kann man nicht, wie Tzirakes (Transsubstantiatio 38), Folgerungen aus dem Sprachgebrauch des sechsten Jahrhunderts für das Verständnis im Rahmen der Abendmahlslehre ziehen. Das entsprechende Kapitel ist nicht mehr erhalten, s. Jugie, Theologia III 196, Anm. 1. 81 Mansi X X I V 72, s. Jugie, Theologia III 196. Ibd. 197. 8^ Ibd. 198; Georgi, Confessio Dosithei 79; s. a. Tzirakes, Transsubstantiatio 39-48 (mit anderer Bewertung als Jugie und Georgi). 8" Georgi, Confessio Dosithei 80f.; Steitz, Abendmahlslehre X I I I 652. 686ff.; Jugie, Theologia III 210ff.; Tzirakes, Transsubstantiatio II. 85 S. Steitz, Abendmahlslehre X I I I 651.

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tionslehre. Das ist hinsichtlich seiner zweiten A n t w o r t selbstverständlich, weil er hier nur ein Damaskenos-Zitat vorbringt®^. Es trifft aber auch auf seinen Kommentar zu C A 10 zu, w o er Material desselben Autors auf dem Hintergrund der Diskussion mit Gerlach selbst aufbereitet®''. V o n der Eigentümlichkeit jener Lehre, daß nämlich die Substanzen der Elemente Brot und Wein verwandelt werden, ihre Akzidentien aber erhalten bleiben sollen, findet sich dort keine Spur. Jeremias, wie schon Joannes Damaskenos, stellt eine Frage gar nicht, die s o w o h l für die scholastische Theorie der Transsubstantiation als auch für die lutherische Auffassung einen entscheidenden Gesichtspunkt bildet: wie nämlich die Gegenwart von Leib und Blut Christi mit der Tatsache zu vereinbaren sei, daß sich in der Konsekration für die Sinne nichts ändert und das Konsekrierte denselben chemisch-biologischen Bedingungen unterliegt wie jedes Brot und jeder Wein. Der Patriarch läßt diese Frage gar nicht aufkommen, er schreibt schlicht, die Elemente würden zu Leib und Blut Christi, sie würden darein verwandelt. D a ß er damit, in scholastischer Terminologie, eine Veränderung der Substanz impliziert, macht seine Kritik an den Aussagen der Tübinger deutlich; wie sich diese Veränderung aber z u m sinnenfälligen Befund verhält, gilt als ebenso unverstehbar wie sie selbst®®. Man sollte von diesem Hintergrund her erwarten, der Patriarch werde der Lehre der Lutheraner unangemessenen Rationalismus vorwerfen, daß damit nämlich etwas erklärt werden solle, was nicht zu erklären sei - wobei sich dann die Frage gestellt hätte, ob nicht schon die Rede von „Verwandlung" eine Deutung ist, ein Versuch, die Einsetzungsworte zu systematisieren. Seine Kritik «« S.O.S. 201. S.O.S. 179. " Es wäre verlockend, aus den Antworten, die etwa gleichzeitig mit dem Briefwechsel (vor 1577) Zacharias Skordylios (s. zu ihm Meyer 85 f.) Kardinal Claudius bzw. Carolus (s. ibd. 85) von Guise zu einigen zwischen Rom und der Reformation strittigen Problemen gab, herauszulesen, wie traditionell denkende Griechen jene Frage lösten, wenn man sie ihnen in scholastischen Kategorien stellte - mit der Verweigerung jeglicher rationalen Rechenschaft über den sinnlich wahrnehmbaren Befund bei der Konsekration; denn es heißt bei Skordylios, Brot und Wein würden ganz verändert, nichts halte sich durch, weder die Substanz noch die Akzidentien (οϋ σωζόμενων συμβεβηκότων) ('Ερωτήσεις tß' τοϋ αίδεσίμωτάτου Καρδιναλίου της Λωρίνης κυρίου Κλαυδίου της Γουίσης και άνταποκρίσεις π ρ ο ς ταύτα Ε λ λ ή ν ω ν , in: Deliciae eruditorum, hg. Lamius (1738), 72ff.). Tzirakes (Transsubstantiatio 49 f.) deutet Skordylios' Aussagen in dieser Weise, geht aber nicht auf die Bemerkung Meyers (86 mit nicht gerechtfertigtem Verweis auf Lamius, wohl Deliciae (1738) 79, Anm. 3) ein, hier hege wohl ein Fehler im Text vor: Die Verneinung in: οΰ σωζόμενων συμβεβηκότων müsse gestrichen oder anders gelesen werden. Das legt Skordylios' folgende Begründung in der Tat nahe (ibd. 73), der Satz nämlich, weil die Menschen schwach seien und rohes Fleisch nicht essen könnten, „scheint (φαίνεται) es uns Brot zu sein, ist aber in Wirklichkeit (τω όντι) Fleisch" eine Aussage, wie sie sich in der Scholastik findet (vgl. Thomas, S. Th. III q75 a5). Dem „Anschein" entsprächen in diesem Sinn die Akzidentien. Es ist natürlich nicht unmöglich, daß Skordylios darauf liefe Tzirakes' Deutung hinaus - den „Anschein" als reine Täuschung gegenüber der wahren verwandelten Lage von Substanz und Akzidentien verstanden wissen wollte, doch seine Argumentation wie die Tatsache, daß der Grieche in Venedig lebte, legen die Vermutung westlichen Einflusses näher. Sicherheit würde nur eine Handschriftenprüfung bieten.

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Der Briefwechsel

aber lautet anders : Während die Tübinger ihm nur ein uneinsichtiges Verständnis der Realpräsenz vorwerfen, behauptet er, seine Briefpartner leugneten die Gegenwart von Leib und Blut Christi®^. Konkret setzt er die Position seiner Briefpartner mit einer Auffassung gleich, die von Joannes Damaskenos abgelehnt wird: Daß sie behaupten, die Substanzen der Elemente blieben erhalten, kann für ihn nur bedeuten, daß die Tübinger die Gegenwart des Leibes und Blutes Christi bildhaft, vermittelt durch die Abbilder (τύποι) Brot und Wein verstehen. Damit unterstellt er ihnen eine Sicht, die in dieser oder jener Ausprägung in der griechischen Kirche selbst einst sehr verbreitet gewesen®®, doch dann mehr und mehr als ungenügend empfunden und schließlich verworfen worden war; vollends in Mißkredit gebracht hatte diese Auffassung der Ikonoklasmus, indem er das Herrenmahl als das einzig wahre Bild Christi bezeichnete'^ - in den Kontext des Bilderstreits aber gehört ja der Theologe, dem Jeremias seine Aussagen verdankt. D.h. nicht, der Patriarch setze an dieser Stelle seine Briefpartner mit den alten Ikonoklasten gleich. Doch er ordnet ihre Position in die Perspektive ein, die sich zur Zeit jenes Streits in der Abendmahlsfrage endgültig durchgesetzt hatte : daß nämlich zur Deutung des Verhältnisses von Brot und Wein einerseits und Leib und Blut Christi andererseits nur die Alternative Verwandlung oder Gegenwart im Bild möghch sei. Die Tübinger, mit deren Namen nichts so sehr verbunden ist wie der Kampf gegen ein symbolisches Verständnis der Einsetzungsworte, finden sich unversehens mit einem Vorwurf konfrontiert, den sie wohl am allerwenigsten erwartet hatten. e) Buße Die kirchliche Institution der Buße - von Patriarch Jeremias nur in seinem ersten Schreiben angesprochen, nämlich in dem Kommentar zu C A 4, 5^, 7,11, 12 und 25, in der zweiten Antwort^ bloß noch mit einem bereits angeführten Zitat^, von den Tübingern dagegen ausführlich in ihrem ersten und zweiten'* und kurz noch einmal im dritten^ Schreiben behandelt - wird in der Konsensliste, die die Württemberger ihrer ersten Abhandlung voranstellen, nicht erwähnt, dort heißt es nur, man sei sich in der Ablehnung der gegen Geld zur Vergebung der Sünden gefeierten römischen Messen einig®. Es gibt aber durch" So noch Tzirakes, Transsubstantiatio 62. »» Vgl. Betz, Eucharistie I / l 217f. Ί Kretschmar, Art. Abendmahl 82; Jugie, Theologia III 203. ^ Daß dieses Thema hier zur Sprache kommt, liegt an der Überarbeitung der beiden Artikel des Bekenntnisses in der C A Variatia, der C A G r 4 und 5 hier folgen, s.o. S. 158f. 169. 2 S.O.S.201. 3 D k S II 461 [541]; ein Hinweis noch ibd. 488 [568]. " Acta 177-186. 322-326. 5 Ibd. 376. ' Ibd. 149.

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aus eine grundlegende Gemeinsamkeit hinsichtlich dieses Themas: Beide Seiten stimmen nicht nur darin überein, daß das ganze Leben des Christen wesentlich durch die Haltung und Praxis der Buße bestimmt sein soll. Darüber hinaus verfechten Tübinger wie Griechen die Buße im Sinne einer eigenständigen kirchlichen Einrichtung f ü r alle, die nach der Taufe gefallen sind, auch wenn sie im Gebrauch des Terminus Mysterium bzw. Sakrament dafür voneinander abweichen - eine Differenz, die nicht näher erörtert wird''. Für beide Briefpartner gehören zur Buße im engeren Sinn Reue, Sündenbekenntnis und Absolution und sind ferner Werke der U m k e h r davon nicht zu trennen. Wie diese Werke den anderen Elementen zugeordnet werden sollen, darüber herrscht allerdings Uneinigkeit. Außerdem bestehen unterschiedliche Ansichten, was den Charakter des Sündenbekenntnisses betrifft. D . h . , die Probleme, um die sich die Auseinandersetzung zwischen den Tübingern und Patriarch Jeremias hinsichtlich der Buße dreht, entsprechen jenen, denen schon die Kontroverse über dasselbe Thema zwischen der Reformation und der römischen Kirche gegolten hatte. Konkret gesprochen geht es hier wie dort erstens um Begriff und N o t wendigkeit der „Genugtuung" (satisfactio / ί κ α ν ο π ο ι ΐ α ) samt der in diesen Zusammenhang gehörigen, zwar in der Editio princeps des Augsburgischen Bekenntnisses noch nicht erwähnten, doch in der Variata und in der ihr hier folgenden griechischen Version angesprochenen® Vorstellung vom Zwischenort zwischen H i m m e l und Hölle und zweitens um die Verpflichtung zur A u f z ä h lung aller Sünden in der Beichte. Daß sich diese beiden im Westen strittigen Themen auch in der Diskussion zwischen Tübingen und Konstantinopel als kontrovers herausstellten, ist nicht selbstverständlich. Denn sowohl die Frage der Beichte als auch die der Bußauflagen hat innerhalb der Tradition der griechischen Theologie und Kirche eine durchaus nicht einlinige Geschichte. In beiden Fällen führte die mittelalterliche Entwicklung, z . T . nicht ohne den Einfluß der westlichen Theologie, dazu, daß jene Fragen in einer Weise beantwortet wurden, die nach Erscheinungsform und Begriffen den lateinischen Lösungen nahekam. Damit ist nicht schon gesagt, daß es sich hier um eine Identität in der Sache handelt. Die Tübinger aber mußten die Aussagen ihres Briefpartners als Neuauflage beim westlichen Gegner bekämpfter Lehren verstehen und reagierten demgemäß darauf. Für die Perspektive, in der Patriarch Jeremias die Buße sieht und aus der heraus er seine Aussagen macht, findet er in der Confessio Augustana Graeca das entscheidende Stichwort wieder: W o C A 11 und 25 feststellen, die Einzel'' Sie rührt daher, daß die Tübinger eine bestimmte Definition des Begriffs voraussetzen und hier nicht erfüllt sehen, für den Patriarchen dagegen das Vorhandensein der entsprechenden Einrichtung in seiner Kirche an sich die Anwendung des Wortes Mysterion mit sich bringt (vgl. o. S. 276. 280 u. u. 333. 334); hinzu kommt natürlich noch der Einfluß der scholastischen Sakramentslehre, doch vgl. o. S.278f. β Acta 13.

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beichte (privata absolutio) solle erhalten bleiben®, erläutert die griechische Version diesen Begriff näher durch das Zitat von 1. Kor 4,1 : Es gehe hier um die „Lösung oder Vergebung . . . durch die Stimme des Dieners oder Verwalters der Mysterien Christi" (άπόλυσις ή αφεσις . . . διά της φωνής τοϋ ύπηρέτου ή οικονόμου των μυστηρίων τοϋ Χ ρ ι σ τ ο ύ ) U n t e r diesem Diener ist im Rahmen der reformatorischen Bußpraxis im allgemeinen der Pfarrer zu verstehen, auch wenn die Reformation die Ausübung der Schlüsselgewalt grundsätzhch, und für den Fall, daß die Umstände das nahelegen, auch praktisch, als Recht und Pflicht jedes Christen ansahi^. Auch Patriarch Jeremias setzt voraus, daß der Beichtvater ein kirchlicher Amtsträger, d.h. ein geweihter Priester, sei (s.u.). Doch sein Interesse liegt in diesem Zusammenhang an ganz anderer Stelle, wie die Antwort auf CA 11 zeigt. Dort kommentiert er die Worte des Bekenntnisses, die Beichte solle vor einem „Verwalter der Mysterien" abgelegt werden, mit der Feststellung, ein solcher „Verwalter" müsse in erster Linie ein geistlicher Arzt sein (πρώτον μεν ó τοιούτος οικονόμος οφείλει είναι πνευματικός ιατρός), d.h. jemand, der sich auf das Geistliche genau verstehe (άκριβώς έπιστάμενος τα π ν ε υ μ α τ ι κ ά ) " . Mit diesem Satz stellt sich Jeremias in einen Strom der Uberheferung seiner Kirche, für den das ausschlaggebende Kennzeichen des Beichtvaters seine persönliche geistliche Qualifikation ist, ein Gesichtspunkt, in dem sich die Herkunft der Einzelbeichte niederschlägt: Sie entstammt nicht der offiziellen altkirchlichen Bußdisziplin, die an den Bischof gebunden und schweren Sünden vorbehalten war, vielmehr stellte sie ursprünglich ein Instrument der Seelsorge (επιμέλεια των ψυχών) des Mönchtums dar. Das monastische AnHegen, nicht nur die Taten der Christen auf akzeptablem Pfad zu halten, sondern Vollkommenheit in Handeln, Denken und Fühlen zu erreichen, sollte durch die wechselseitige Unterstützung derer, die diesem Ziel zustrebten, vor allem aber durch die Hilfe schon weiter fortgeschrittener Brüder befördert werden Als Voraussetzung solch umfassender Hilfe galt, daß der Seelsorger genau wußte, was in dem anderen vorging - er mußte von ihm alle „Geheimnisse des Herzens" erfahren". Die so gewonnene Erkenntnis befähigte ihn, dem Beichtkind Ratschläge zu geben, die dem jeweiligen Stadium im Prozeß der Vervollkommnung angemessen waren. Vor allem gab sie ihm die Möglichkeit, Auflagen (έπιτίμια) festzusetzen, die zur Überwindung sündhafter Regungen und ihrer Folgen führen sollten. Er handelte hier wie ein Arzt, der aufgrund der richtigen Diagnose das passende Heilmittel vorschreibt. Ein „regelmäßiges und pflicht« BSELK 66,1. 98,3. "> Acta 12, ganz ähnlich 31. ^^ Vgl. Lohse, Privatbeichte 221. 225; Grane, Confessio Augustana 103; Eiert, Morphologie I, 311 f. " DkS I 464; ganz ähnlich ibd. 494. " Holl, Enthusiasmus 263ff.; Ligier, Introduzione 98. " Holl, Enthusiasmus 263.

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mäßiges Bekenntnis auch der geheimsten G e d a n k e n " b i l d e t e also ein notwendiges Mittel auf dem Weg des Mönchs zur Vollkommenheit. Es liegt auf der H a n d , daß ein Seelsorger, der die beschriebenen Funktionen erfüllen sollte, besondere Qualifikationen besitzen mußte, wie das auch für einen Arzt im leiblichen Bereich gilt. Er mußte imstande sein, Sünden zu diagnostizieren, ferner, die angemessene heilende Auflage zu bestimmen!®. Voraussetzung dafür war, daß er es selbst auf dem Weg der Vollkommenheit schon weitergebracht hatte als der Hilfsbedürftige, durch eigene Anstrengung und durch die Kraft des Heiligen G e i s t e s " ; er mußte also ein „geistlicher Vater" ( π α τ ή ρ π ν ε υ μ α τ ι κ ό ς ) sein^®. Diese Form der monastischen Bußdisziplin wurde von Basileios zum systematischen Programm erhoben^', und gerade bei ihm findet sich der Begriff „Verwalter der göttlichen Mysterien" als eigentümlicher Titel f ü r den geistlichen Arzt und Beichtvater^". So ist es weder ein Zufall, daß die griechische Übersetzung der Confessio Augustana 1. Kor 4,1 gerade im Zusammenhang der Beichte anführt^S noch, daß Jeremias an das Bibelzitat umgehend die Entfaltung der Bußkonzeption jenes Kirchenvaters anschließt. Aber es handelt sich hier nicht nur um die Aufnahme eines Stichworts. Vielmehr sind alle A u s f ü h rungen über die Buße bei dem Patriarchen, der ja selbst als Mönch im Rahmen basilianischer Tradition stand, von Basileios geprägt und mit Zitaten aus dessen Schriften angefüllt. Er bestimmt die Beichte (έξομολόγησις) demgemäß als notwendiges Mittel für den, der geisthche Fortschritte (προκοπή) machen wilP^, als Instrument der Hilfe (βοηΰ·εΓν)^3 und Heilung (ϊασις, ιατρεία)^'*. Das Beichtkind gilt als Patient, der seine Krankheit (νόσος)^^, die Sünden, vollständig offenlegen muß^®, damit ihm der geistliche Mann ( π ν ε υ μ α τ ι κ ό ς άνήρ)^'', Arzt (ιατρός, θεραπευτής)^®, Seelsorger (6 έπιμελούμενος τής •ψυχής)^®, kurz, ein Fachmann^" das richtige Heilmittel (φάρμακον)^! vorschreiben kann, das darin besteht, das Gegenteil (άντίθετον) der Sünde zu tun und so die guten Kräfte zu stärken^^. So weit handelt es sich bei dieser Konzeption um eine Anleitung zur Seelsorge, noch nicht um Aussagen über die Schlüsselgewalt. Indessen erwähnt Jere-

"

H o l l , ibd. 267, z . T . gesperrt. Ibd. 162 f. " Ibd. Vgl. H ö r m a n n , U n t e r s u c h u n g e n 234 ff. H o l l , Enthusiasmus 262 ff. Z . B . P G 31,1284 D . 1205 B, vgl. H o l l , Enthusiasmus 264. 21 Die patristische Treffsicherheit dieses Einschubs legt die V e r m u t u n g nahe, es handle sich hier u m einen Eingriff Melanchthons. " D k S 1494. " Ibd. 466. " Ibd. 464. 469. " Ibd. 465. i b d . 494. " Ibd. 466. 465. Ibd. 464. 465. " j b d . 449. 494. Ibd. " Ibd. 4 6 6 . 4 6 9 . 4 9 4 . " i b d . 464f. 494.

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Der Briefwechsel

mias auch die Vergebung der Sünden: Mit Basileios schreibt er, der Beichtvater spreche solche Vergebung aus, doch nur in Abhängigkeit vom Gehorsam, vom ethischen Fortschritt des Büßenden^^. Die Art, wie sie zustande kommt, wird näher bestimmt als Erfüllung des Gebets um Absolution, das der Seelsorger für den Fall der Besserung zugunsten des Beichtkindes an Gott richte^". Der geisthche Vater vollzieht also keinen sakramentalen Akt im abendländischen Sinn einer Übermittlung der Vergebung hic et nunc^^, sondern er verhilft dem Büßenden - durch die richtige Diagnose aufgrund der Beichte, durch die Festsetzung der angemessenen Auflagen und durch das Gebet - dazu, sein Verhältnis zu Gott wieder in Ordnung zu bringen. Wenn Patriarch Jeremias davon ausgeht, daß sich dieses Ziel in jedem Fall erreichen läßt - „Wenn wir auch in irgendwelchen Punkten gesündigt haben, wollen wir doch durch wahrhaftige Reue und aufrichtiges Sündenbekenntnis zu dem Sündlosen hinzutreten und uns vollkommen des Bösen enthalten und so voller Zuversicht (παρρησία) zur Buße kommen, damit wir Erbarmen empfangen . . . Denn es gibt keine Sünde, die die Menschenfreundlichkeit Gottes besiegt. . . Laßt uns hinzutreten . . . voller Zuversicht, ohne schlechtes Gewissen (συνειδός πονηρόν), ohne jeden Zweifel (μή ολως διστάζοντες)!"^®-, dann ruht seine Gewißheit auf der Annahme, die ethische Besserung stehe jedem offen, kraft eigener Anstrengung, der Unterstützung durch den Seelsorger und der Hilfe des HeiUgen Geistes^''. Die Kirchengeschichte des Ostens kennt allerdings Beispiele von Christen, die auf dieser Grundlage die Zuversicht der Sündenvergebung nicht gewinnen konnten^®. Daß Patriarch Jeremias die Buße von Basileios her versteht, heißt nicht, er spreche hier über eine Praxis, die nur das Mönchtum betraf. Vielmehr schreibt er in einem Jahrhundert, in dem sich die Privatbeichte längst zur gemeinkirchlichen Institution entwickelt hatte^', und läßt keinen Zweifel daran, daß seiner Ansicht nach jedermann zu ihr verpflichtet i s f ^ . Konkret setzt er den zu seiner Zeit in der griechischen Kirche übhchen Bußritus voraus, der, bei aller Vielfalt "

Ibd. 449. 494. (s. o. S. 169 u. 190f.).

Ibd. 449. ^^ Die Tatsache, daß die griechische Kirche eine deprekative Absolutionsformel benutzt, macht eine solche Deutung noch nicht zwangsläufig, es fragt sich vielmehr, ob die göttliche Vergebung kraft der Einsetzung Christi an die Worte des Beichtvaters gebunden, d.h. im Fall der deprekativen Formel, ob die Erfüllung des Gebets unmittelbar gewährleistet ist oder nicht. Ibd. 449. " Vgl. Holl, Enthusiasmus 266 f. S. Hörmann, Untersuchungen 211 ff., wo die Suche vieler Christen nach einem geistlichen Vater geschildert wird, der ihnen kraft seiner besonderen Nähe zu Gott die zuverlässige Auskunft erteilen könne, ihnen sei vergeben worden. S. Holl, Enthusiasmus 308; de Meester, Studi 135; Ligier, Introduzione 93f. 9 7 - 1 0 2 . 1 0 3 - 1 0 5 . Zu Basileios' und seiner Zeitgenossen persönlicher Zurückhaltung gegenüber einer solchen Ausweitung s. Holl, Enthusiasmus 269ff. DkS 1 4 9 4 .

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im einzelnen'*^, die Grundelemente Beichte, Absolutionsgebet und Bußauflagen vorsah'*^. Entscheidend ist aber eben, daß er den Ritus ganz auf dem Hintergrund der monastischen Seelsorgepraxis interpretiert. Darum versteht er das Absolutionsgebet auch der allgemeinen Bußinstitution nicht als unmittelbaren Zuspruch der Vergebung, sondern als Einsatz eines Heilungsprozesses, der zur Vergebung führt - als Einsatz allerdings, den die Bußbereitschaft des Beichtkindes, die Quahfikation des geistlichen Vaters und die Zusage Christi, die Heilung zu unterstützen, mit großer Sicherheit zur Tür zum Erfolg machen. Das seelsorgerlich-therapeutische Verständnis der Buße, das der Patriarch in seinen Aussagen über die Beichte entwickelt, bildet nun auch den Rahmen für seine Darlegungen zum zweiten Kontroverspunkt, zur Frage der Genugtuungen. Zunächst einmal bringt der Begriff ίκανοποΰα bzw. ίκανοποιείν, den der Patriarch des öfteren gebraucht'·^, einen anderen Klang ins Spiel. Handelt es sich bei diesem Kunstwort"" doch um die Ubersetzung des terminus technicus satisfactio bzw. satisfacere der scholastischen Bußlehre. „Satisfactio" aber hat hier nicht primär therapeutische, sondern juridische Bedeutung: Sind darunter doch die zeitlichen Strafen zu verstehen, die die Kirche dem Sünder als Ausgleich für die Verletzung des Rechtsanspruchs und der Ehre Gottes auferlegt, nachdem ihm in der Absolution die Schuld vor Gott vergeben und die ewige Strafe erlassen worden ist"^. Vor Patriarch Jeremias wurden der Begriff ίκανοποιία oder verwandte Kunstwörter im Zusammenhang der Lehre von der Buße nur in Dokumenten römischen Ursprungs - so in dem Unionsbekenntnis Kaiser Michaels VIII.·*® und in der sich in diesem Punkt daran anschließenden Bulle Laetentur caeh des Konzils von Florenz"^ - oder von einem unter dem Einfluß der scholastischen Theologie stehenden Griechen wie Georgios Scholarios"® gebraucht. Zeigt der Begriff auch bei Jeremias solchen Einfluß an? Wenn damit mehr gemeint sein soll als eine terminologische Übernahme, nämlich eine inhaltliche AbhängigDiese Vielfalt erlaubt es nur bedingt, überhaupt von einem Ritus zu sprechen, doch das Grundgerüst ist in allen Fällen dasselbe, s. de Meester, Studi 133.135f. 153f. S. ibd. 153f., vgl. das Grundgerüst schon in den ältesten überlieferten Bußordnungen, die wohl dem 10. Jahrhundert entstammen, ibd. 138 ff. ; Ligier, Introduzione 115 ff. « DkS 1450. 456. 465. 466. Schon in der Antike (vgl. Mk 15,15) wurde der Latinismus το ίκανόν ποιείν gebildet (s. die Belege bei Sophocles, Greek Lexikon 596) ; ihn benutzte man auf dem Unionskonzil von Lyon. Das Substantiv und das zusammengezogene Verb scheinen dagegen erst im Gefolge der Scholastik geprägt worden zu sein ( von einem der Thomasübersetzer des 14./15. Jahrhunderts?). " S. Seeberg, Dogmengeschichte III 544ff.; vgl. Thomas, Summa Suppl. III ql2 аЗ: Die Genugtuung ist u.a. „illatae iniuriae recompensatio secundum iustitiae aequalitatem", gemäß Anselms Definition „satisfacere est honorem debitum Deo impendere". « Denzinger 856 / Mansi 24, 71 Α. " Denzinger 1304 / Mansi 31 A, 1031 Bf. / Concilium Florentinum ser. A, vol. I, pars II 72. " S.Jugie,TheologiaIII357.

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keit, dann müßte sich in seinen Schriften der Grundzug der scholastischen Lehre von den satisfactiones finden: Die Genugtuungen müßten als Strafausgleich auf dem Hintergrund der Unterscheidung von Sündenschuld und Sündenstrafe verstanden werden - eine Hypothese, die schon der Befund unwahrscheinlich macht, daß Jeremias die Absolution eben nicht sakramental im westlichen Sinn versteht'*'; soll doch jene Unterscheidung eine Befriedigung des götthchen Rechtsanspruchs durch den Sünder gerade angesichts der Tatsache denkbar machen, daß die Schuld in einem sakramentalen Akt zuvor bereits vergeben ist. Der Patriarch schreibt, „Genugtuungen" gehörten zur Buße, und daß C A 12 sie ablehnt, korrigiert er ausdrücklich®". Zwar bemüht er sich, dem Bekenntnis entgegenzukommen, indem er mehrfach betont, er weise die Bezahlung von Geld als Genugtuung zurück® und ganz offensichtHch versucht, die Aussagen der Confessio Augustana auf die Kritik am Ablaß zu reduzieren und damit auf eine antirömische Gemeinsamkeit zurückzuführen®^. Doch die Korrektur tritt auf diesem Hintergrund desto deutlicher hervor. In demselben Zusammenhang erklärt er positiv, was er mit dem scholastischen Begriff meint: Darunter seien die Bußauflagen (έπιτίμια) zu verstehen, die der geisthche Vater dem Beichtkind als „Heilmittel" (φάρμακα) für seine Sünden vorschreibe®^; sie sollten dem Büßenden „nützen und helfen" (συμβάλλεσθαι καΐ βοηθείν)®·*, und zwar vornehmlich dadurch, daß er gezwungen werde, das Gegenteil der vorhergegangenen Verfehlung zu tun und sich so in das richtige Denken und Handeln einzuüben®®. Dieser Vorgang sei schmerzlich aber unumgänglich, ähnlich einer Operation oder der Einnahme einer bitteren Medizin®®. Entscheidend sei dabei, daß dem Patienten die richtige Genugtuung vorgeschrieben werde®'^, was eben eine besondere Qualifikation des Arztes, des „geistlichen Vaters", voraussetze®® sowie vollständige Angaben über die Krankheit von selten des Leidenden, die schon abgehandelte genaue Beichte. Jeremias' Aussagen über die „Genugtuungen" fügen sich also nahtlos ein in seine therapeutische Konzeption von der Buße; mit dem scholastischen Begriff bezeichnet er nichts anderes als die in den Rahmen dieser Konzeption gehörigen Heilungsvorschriften des geistlichen Vaters bzw. die seelsorgerlich begleitete "" Sie macht sie nicht unmöglich, denn der Patriarch könnte postulieren, die Erfüllung zeidicher Sündenstrafen sei die Bedingung sowohl für den Erlaß der ewigen Strafe als auch für die Vergebung von Gott her. 50 D k S I 4 6 6 . 51 S. o. S. 204, Anm. 76. Zu Jeremias' Kritik am römischen Ablaß und seiner tatsächlich rigorosen Haltung gegenüber Priestern, die von ihren Beichtkindern Geld für die Absolution verlangten (s. Cr. T B MS I 240), steht in Widerspruch, daß er selbst im Rahmen von Kollektensammlungen Indulgenzbriefe gegen Bezahlung verteilen ließ (s. Cr. T G 293 ; vgl. Jugie, Theologia III 382). 53 D k S I 4 6 6 . 54 ibd. 55 Ibd. 465.466. 56 Ibd. 465. 57 Ibd. 58 Ibd.

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U m k e h r des Sünders überhaupt®'. D . h . nicht, der Strafgesichtspunkt habe in den Kapiteln des Patriarchen über die Buße keinen Platz. D i e ursprüngliche Bedeutung des Begriffs έ π ι τ ί μ ι ο ν , „angemessener Ausgleich", „Strafe", kann durchaus auch einmal z u m Tragen k o m m e n , nämlich w o es heißt®®, das freiwillige Leiden unter der Bußauflage entbinde von der unfreiwilligen Strafe (τιμωρία) „dort d r ü b e n " , in der H ö l l e ; denn G o t t werde durch das Erdulden von Mühsal sehr geehrt®^ - ein Satz, der sich der scholastischen Bestimmung der satisfactio als Ausgleich für die Verletzung des Rechtsanspruchs und der Ehre Gottes durch die Sünde annähert. D o c h wenn schon für das griechische Verständnis der Privatbuße überhaupt gilt, daß ein vindikativer A s p e k t den Bußauflagen zwar nicht einfach fehlt®^, doch weit weniger ausgeprägt ist als im lateinischen Westen, tritt er bei Patriarch Jeremias vollkommen an den Rand. A u c h als Strafen sind die Genugtuungen in seinen Augen fast durchweg Mittel der Heilung und Erziehung. So heißt es gleich im G e f o l g e des angeführten Satzes, ferner sollten die Bußstrafen die Ursache der Sünde, „die lustgierige G e s i n n u n g " (το φ ι λ ή δ ο ν ο ν φρόνημα), beseitigen, indem sie den Menschen dazu brächten, das Gegenteil zu wollen und zu tun; weiter sollten sie die Seele zügeln, damit sie nicht wieder dem Laster verfalle, außerdem den Büßenden an die M ü h e der T u g e n d gewöhnen, und schließlich sei ihre Erfüllung ein Indiz, daß er die Sünde auch wirklich hasse®^. A n einem Punkt nun scheint Patriarch Jeremias die G r u n d z ü g e der lateinischen Lehre von den satisfactiones, die Unterscheidung von Sündenschuld und Sündenstrafe sowie die Notwendigkeit, letztere in zeitlicher Begrenzung auch nach der Vergebung abzuleisten, doch zu teilen, und mit ihm seine ganze kirchliche Tradition, auch wenn sie jene Unterscheidung explizit nie vertrat®·*: dort, w o von Fürbitte und Spenden für die Verstorbenen die Rede ist®®. Impliziert eine solche Praxis doch offenbar, daß die Menschen, denen sie gilt, zwar ein Anrecht auf die ewige Seligkeit besitzen, doch zuvor noch zu Lebzeiten nicht bezahlte Rechnungen zu begleichen haben; demnach muß sie solche in " So bes. ibd. 456: Die wahre Genugtuung seien Mühe, Zeitaufwand, genaue Buße, d.h. umfassende Darlegung aller Sünden vor dem Seelsorger, Tränen, Wehklagen und ähnliche geistliche Reinigungsmittel (κόπος καΐ χρόνος και μετάνοια ακριβής, δάκρυα, κοπετοί καί, τά παραπλήσια πνευματικά κ α θ ά ρ σ ι α ) (Original im Dat.). In einem Markos-Eugenikos-Zitat, s. о. S. 180 f. DkSI466. " Congar, Purgatoire 300. 326f.; vgl. bei Hörmann, Untersuchungen 205ff., die Beispiele geistlicher Väter, die für ihre Beichtkinder bestimmte Strafen auf sich nahmen, ein Sachverhalt, der nur verständlich ist, wenn jene Strafen auch vindikativ aufgefaßt wurden. Dasselbe gilt für den Ersatz der Strafen der öffentlichen Bußdisziplin durch leichtere Auflagen nach den sog. BußN o m o k a n o n e s (s. Wagner, Bußdisziplin 261 f.). " D k S I 466, alles Markos Eugenikos entnommen, s. o. S. 181. * Ibd. 1 7 7 f . 325. S.ibd. 179. Acta 178. Acta 1 7 8 f . 323, so schon C A 25 (BSELK 99,11); zur Haltung des Kirchenvaters in dieser Frage s. Holl, Enthusiasmus 272 f. 108 C A 25, BSELK 99,7 f. '' Acta 178.

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Der Briefwechsel

sprechend bleibt er in dauernder Selbstbeobachtung befangen, die diese Summe exakt zusammentragen soll, statt daß er den Blick auf die Absolution richtet, welche ihn außerhalb seiner selbst in Christus auf eine neue Lebensgrundlage stellt"«. Nicht weniger ablehnend ist die Haltung der Tübinger gegenüber der Lehre von der Genugtuung (satisfactio) als Teil der Buße. Indem sie hier die Griechen kritisieren, haben sie wie schon CA 12 die entsprechende scholastische Theorie vor Augen. Auf den ersten Bhck scheint es, als böten sie eine Verzerrung dieser Theorie, insofern sie die abgelehnte satisfactio meist pauschal als Wiedergutmachung der Sünde deuten^^^. Sie kennen indessen die scholastische Unterscheidung zwischen Schuld und Strafe durchaus^^^. Wenn sie sie trotzdem nicht berücksichtigen, dann deshalb, weil in der Perspektive der Reformation das differenzierte und das undifferenzierte Verständnis der römischen Bußlehre auf dasselbe hinauslaufen: Auch die Verpfhchtung des Christen, zur Wiedergutmachung der Sünde beizutragen, indem er begrenzte Strafen erfüllt, hält ihn in einem Rechtsanspruch Gottes fest. Von einem solchen kann aber unter den Bedingungen der Vergebung, der Versöhnung Gottes in Christus keine Rede sein. Darum wird die Trennung von Sündenschuld und Sündenstrafe samt der Lehre von der Umwandlung und Neubemessung letzterer durch die Kirche und vom Strafort zwischen Himmel und Hölle^^^ abgelehnt. Die kraft des Todes Christi zugesprochene Absolution tilgt die Strafe mit der Schuld, es gibt keine Strafe, die darin nicht Inbegriffen wäre"''. Von dieser Sicht her müssen die Tübinger feststellen, Vergebung und Genugtuung schlössen einander aus remissio et satisfactio sunt pugnantia^^^ - , die auferlegten Bußwerke machten der Genugtuung Christi Konkurrenz"®. All diese kritischen Argumente, dem Patriarchen entgegengehalten, sind offenbar nichts als Ausdruck eines großen Mißverständnisses. Denn sie beruhen auf der Fehldeutung, der griechische Briefpartner verstehe die Buße sakramental im westlichen Sinn und verbinde mit ihr dieselben Theorien wie die römische Scholastik. Diese Fehldeutung ließ sich von Jeremias' Antwort auf CA 7 und Ibd. 323, vgl. Lohse, Privatbeichte 212f. S. bes. Acta 180f., vgl. A n m . 116. S . u . A n m . 114.

1" DkSIlSl. Ibd. Tametsi enim Dominus iustus est, tarnen tanta est etiam eius misericordia, ut contentus satisfactione unigeniti Filii sui, n o n exigat nostram delictorum compensationem („Compensatio" ist der scholastische Terminus f ü r die Erfüllung der Sündenstrafe im Gegensatz zur Lösung der Schuld, s. o. A n m . 45). Vgl. die breiten Ausführungen in Apol. 12, BSELK 281 f., 137-140. Acta 180. Ibd.: Si vero satisfactio talis requiratur, qua Deo pro peccatis commissis satisfiat, non videmus, q u o m o d o id cum sacris literis conciliari possit. Sacra enim scriptura tribuit Christo perfectissimam satisfactionem, pro totius humani generis peccatis. Q u o d si verum e s t . . ., nostrae satisfactiones non requiruntur, satisfecit enim Christus.

Die theologische Auseinandersetzung

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seinem Gebrauch des Begriffs Genugtuung her kaum vermeiden, aber sie wird seinen Aussagen über die Buße eben nicht gerecht. Ja mehr noch, sie verhindert, daß die Tübinger gerade an den Stellen, auf die sich die Kritik richtet, Gemeinsamkeiten entdecken. Das fällt besonders ins Auge hinsichtlich der Auseinandersetzung um die Genugtuungen. Daß in Jeremias' seelsorgerlich-therapeutischem Verständnis der Buße ein vindikativer Aspekt der Bußstrafen kaum eine Rolle spielt, daß sie vielmehr primär als erzieherische und heilende Maßnahmen verstanden werden, entgeht den Tübingern völlig. Dabei entspricht diese Sicht Aussagen, die sie selbst einem vindikativen Verständnis des Handelns im Zusammenhang der Buße entgegensetzen. Danach sind die Taten des bußfertigen Christen „Abkehr vom Bösen" (discessus a malo)^^'^, die in einer „Verbesserung des Lebenswandels" (emendare vitam)^i® besteht. Unter diesem erzieherischen Aspekt billigen sie auch die Praxis der Bestrafung im Rahmen der Buße, wie sie in der Alten Kirche geherrscht habe^^', einer Bestrafung nämlich zu dem Zweck herauszufinden, ob der Sünder es mit der Umkehr wirklich ernst meine'^", und ihn in Zukunft vorsichtiger zu machen^^^ Und auch die Notwendigkeit, den Besserungsprozeß des Christen in schwierigen Fällen seelsorgerlich-pädagogisch zu begleiten, heben sie hervor^^^. Diese Aussagen sind, entsprechend dem gedämpften Interesse der Tübinger an einer konkreten Beschreibung des christlichen Lebens, weniger breit und häufig als bei Patriarch Jeremias, und sie sind eher von Begriffen aus der Pädagogik als der Medizin geprägt. Doch beide Briefpartner verfechten hier dasselbe Anliegen, insofern es ihnen darum geht, daß der bußfertige Christ wieder so wird und handelt, wie er im Gehorsam gegen Gott und seinem eigenen Wesen nach sein und handeln soll, nicht um die Einlösung göttlicher Strafansprüche. Unter demselben Gesichtspunkt hätte man auch hinsichtlich des zweiten kontroversen Themas, der Beichte, Gemeinsamkeiten finden können. Wenn der Patriarch sie fordert, nicht weil das Beichtkind nur für die bekannte Sünde Absolution empfange, sondern weil der geistliche Arzt nur dafür das richtige Heilmittel zu bestimmen vermöge, so sieht auch die Reformation den Sinn eines Bekenntnisses konkreter Sünden in dessen seelsorgerlichem N u t z e n u n d kann dementsprechend darauf hinweisen, das pastorale Geschick des Pfarrers "Mbd.325. ' " I b d . 177. Ibd. 1 7 9 f . Ibd. 179. Ibd. 180; daneben nennen die Tübinger als legitime Gründe für die Strafpraxis der Alten Kirche die Abschreckung anderer Christen, die Forderung nach einem Ausgleich für die Verletzung, die der Ehre der Kirche durch schwere Sünden widerfahren sei, und die Notwendigkeit, dem Eindruck straffreier Zügellosigkeit der Christen in der heidnischen Umwelt entgegenzuwirken (ibd.). Ibd. 325. 123 Yg¡ Дро1. 11, BSELK 2 5 1 , 6 : „prodest rudes assuefacere, ut quaedam enumerent, ut doceri facihus possint".

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Der Briefwechsel

sei hier von entscheidender Bedeutungi^"'. Gewiß soll der seelsorgerliche Wert vor allem darin liegen, daß die Beichte einzelner Sünden den individuellen Zuspruch der Vergebung erlaubt und so in Fällen großer Gewissensnot^^® besonders tröstlich istl2^ doch das pastorale, nicht juridische Verständnis dieser Praxis haben beide Briefpartner gemeinsam. So wäre denn die Auseinandersetzung zwischen Tübingern und Griechen über die Buße ein Schattenboxen, in dem die einzige wirkUche Differenz unbemerkt und unbehandelt bheb, die bejahende Antwort der Lutheraner und die verneinende des Patriarchen auf die Frage, ob es sich hier um einen Absolutionsritus handelt. Indessen gibt es doch eine Stelle gleichsam unterhalb der Mißverständnisse und Fehldeutungen, an der sich die Geister bewußt scheiden, und sie ist mit jener Differenz eng verbunden: Während die Tübinger die Besserung des Sünders als Frucht der Vergebung bestimmen, sieht der Patriarch die Heilung des Menschen als Voraussetzung dafür an, daß Gott ihm verzeiht; die Genugtuungen sind hier zwar nicht direkt auf das Gottesverhältnis bezogen, doch die Wiederherstellung des Sünders, deren Mittel sie bilden, soll ihrerseits die notwendige Bedingung dafür sein, daß auch das Verhältnis zu Gott wieder in Ordnung kommt. Insofern gilt die Kritik der Briefpartner seinen Aussagen noch mit weit größerem Recht als der unterstellten scholastischen Lehre, gerade weil er nicht zwischen Sündenschuld und Sündenstrafe unterscheidet. Daß er selbst die Dinge ebenso sieht, zeigt sein Kommentar zur Bußlehre der Confessio Augustana: Wenn danach die Vergebung bedingungslos erteilt werde, bedeute das, der Christ brauche sich nicht um ethische Besserung zu b e m ü h e n ^ ^ ? Solche Besserung bezeichnet er ausdrücklich als „Versöhnung" (ιλεοϋσ·&αι) Gottes^^®, und die Frage, ob dadurch die einmalige Bedeutung des Sühnetodes Christi in Frage gestellt werde, ist für ihn kein Problem Der hier angesprochene Gegensatz wird nicht mehr innerhalb der Lehre von der Buße im engeren Sinn ausgetragen, sondern im Rahmen der Rechtfertigungslehre. Doch er steht in engem Zusammenhang mit jener nicht behandelten Differenz im Verständnis der Buße. Denn in ihr kommt zum Tragen, was in den Ibd., B S E L K 2 5 1 , 9 : „Si sint boni pastores, scient, quatenus prosit examinare rudes", plastischer Jonas' deutsche Übersetzung: „ W o verständige, gottfürchtige Pfarrer und Prediger sein, die werden wohl wissen, wiefern not und nütze sein mag die Jugend und sonst unerfahrne Leut in der Beicht zu fragen." Jonas wiederum, ibd. 251,6, sehr plastisch: „in der Beicht namhaftig machen, was sie drücket." 1 " Vgl. Lohse, Privatbeichte 223. DkS 1 4 4 9 . 128 Ibd. 454. S. ibd. 494 die Reaktion auf die Aussage von C A 24, der T o d Christi habe die Erbsünde und die Aktualsünden gesühnt: E r will dem weder zustimmen noch widersprechen und weist statt dessen auf die Notwendigkeit eigener Gesetzeserfüllung hin, s. o. S. 190.

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unterschiedlichen Ansichten zur Rechtfertigung schon impliziert ist: der jeweilige Stellenwert der Frage nach der Schuld vor Gott. Gilt die Buße als sakramentale Übermittlung der Absolution, so ist dabei vorausgesetzt, daß das Problem von Schuld und Begnadigung vor Gott als eigener theologischer Gesichtspunkt betrachtet wird, m. a. W . , daß die Bereinigung des Gottesverhältnisses einen allen anderen gegenüber zwar nicht abgeschlossen, doch eigenständigen, ja sogar vorgeordneten Aspekt des Christseins darstellt. Diese Voraussetzung war treibender Faktor sowohl bei der Entwicklung der Bußlehre in der mittelalterlichen und frühneuzeitlichen römischen Kirche als auch in der reformatorischen Kritik daran. Wenn der Patriarch dagegen die Buße als seelsorgerlich-therapeutische Einrichtung betrachtet, dann ist dieser Befund ebenso symptomatisch: Jeremias sieht in der Frage von Schuld und Vergebung keinen eigenständigen Aspekt des christlichen Lebens, dem eine eigenständige, in der Objektivität eines äußeren kirchhchen Ritus sichergestellte Lösung entspräche. Vielmehr bilden Gottesverhältnis und ethisch-geistlicher Gesundheitszustand des Christen zwei Seiten desselben Sachverhalts. Sie sind beide nie vollkommen, weder im irdischen Leben noch nach dem Tod, bis zur Neuschöpfung am Jüngsten Tag. Sie sind aber beide auch nie hoffnungslos, da Gott jederzeit bereit ist, dem Sündereinen Neuanfang zu eröffnen und ihn bei der Heilung zu unterstützen. In dieser Konzeption gibt es keine Spannung zwischen rückhaltloser Annahme durch Gott und mangelhaftem Zustand des Menschen. Ebensowenig gibt es die Gewißheit, bereits vorbehaltlos begnadet zu sein; Jeremias vermißt sie nicht, weil der Prozeß der Heilung in der Buße wie der Reinigung nach dem Tod die Gewähr in sich trägt und die Zuversicht erlaubt, daß er den Christen zur Vollkommenheit und damit auch zu einem bereinigten Gottesverhältnis führt. Daß mehr gefordert sei als solche Zuversicht, nämlich das den Heilungsprozeß erst ermöglichende Vertrauen auf Versöhnung hier und heute, und daß diese Versöhnung allein auf Gott selbst in Christus zurückgehen könne, jede Abhängigkeit von Verfassung und Handeln des Menschen dagegen die Aktivität des Empfängers in Konkurrenz zur Aktivität Christi brächte und ihr insofern satisfaktorischen Charakter zuschriebe - diese Kritik läßt sich nicht umgehen, wenn das Problem von Schuld und Versöhnung mit Gott als eigenständiger, vorrangiger theologischer Gesichtspunkt sich zur Frage des „Personseins" „vor G o t t " zugespitzt hat. Doch das ist eine Voraussetzung, die die Aussagen des Patriarchen über die Buße ebensowenig wie seine Kapitel zur Rechtfertigungslehre teilen.

" 0 Daß Aussagen, wonach es ein eigenständiger Gesichtspunkt ist, ganz fehhen, läßt sich hier ebensowenig wie hinsichtlich der Kapitel zur Rechtfertigungslehre behaupten (vgl. o. S. 252 f. u. s. die dann und wann anklingenden vindikativen Aspekte in Jeremias' Ausführungen (S. 3 1 1 ) ; doch sie stehen vereinzelt da und sind nicht integrien, geschweige denn, daß sie die beherrschende Perspektive abgäben.

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Der Briefwechsel

f)Amt Zum Thema „kirchliches Amt" - von Patriarch Jeremias erörtert in seinem Kommentar zu C A 7, 8,14,15,16 und 23, en passant auch in der Stellungnahme zu C A 13^, in seinem zweiten Schreiben nur noch mit einem bereits angeführten Zitat^, von den Tübingern in ihrer ersten und zweiten Antwort^ - stellen die Württemberger in ihrem Konsenskatalog eine Reihe von Gemeinsamkeiten fest"·, und sie werden den Aussagen des Patriarchen damit durchaus gerecht: Das Amt sei notwendig für die Gemeinde. Man könne es nur ausüben, wenn man rechtmäßig berufen (legitima vocatio) sei. Der einmal Ordinierte müsse um seines Amtes willen in Ehren gehalten werden, auch wenn sein Lebenswandel zu wünschen übrig lasse, nur im Falle falscher Lehre dürfe man nicht auf ihn hören. Politische und mihtärische Funktionen lägen außerhalb seines Aufgabenbereichs. Ehe und Amt schlössen einander nicht aus. ExpHziten Widerspruch gibt es an zwei Punkten: Hinsichtlich der Fragen, ob das Amt ein Sakrament bzw. Mysterium^ und ob die Freiheit des Amtsträgers zu heiraten begrenzt sei; kurz wird den Griechen auch vorgehalten, er habe nicht die Aufgabe, Leib und Blut Christi zu opfern, diese Frage aber in das Abendmahlskapitel verwiesen®^. Es kann aber nun keine Rede davon sein, daß die beiden Briefpartner das Problem Amt umfassend oder auch nur in all seinen wesentlichen Aspekten erörterten, zumal der Patriarch auf die Aussagen der Tübinger gar nicht mehr eingeht, es zu einer Diskussion also überhaupt nicht kommt. Es wird vielmehr außerordentlich selektiv behandelt: Jeremias thematisiert, von den grundsätzüchen Aussagen im Rahmen des zypriotischen Traktats abgesehen, eigens nur den Stellenwert persönlicher Qualitäten des Priesters, die Modalitäten rechter Berufung und Weihe und die Priesterehe; was er darüber hinaus anspricht, berührt er nur implizit oder im Vorübergehen. In dieser thematischen Beschränkung wirkt sich einerseits die Behandlung des Problems Amt in der Confessio Augustana aus, zumal der eigentliche Amtsartikel, C A 5, Jeremias nicht mehr als solcher erkennbar war, darin schlägt sich aber auch die Tatsache nieder, daß die griechische Kirche nie eine systematische und umfassende Lehre ' Daß er den Artikel der Confessio Augustana über das Amt, C A 5, nicht zum Anlaß nimmt, sich zu diesem Thema zu äußern, liegt an der Umgestaltung jenes Abschnitts in der Variata, der die griechische Version hier folgt (s.o. S. 159. 168f.), in der Antwort auf C A 28, „Von der Bischofen Gewalt", tut er es darum nicht, weil er den letzten Artikel des lutherischen Bekenntnisses völlig mißversteht (s.o. S. 192). 2 D K S I I 4 6 1 [541],S.O.S.201. 3 Acta 175-177. 320-322. " Ibd. 148. ' Grund ist wiederum, daß die eine Seite von einer Definition, die andere vom faktischen Vorhandensein eines Ritus, diesmal der Ordination, ausgeht (vgl. o. S. 276. 280). Acta 176 f. 175.

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vom Amt aufgestellt hatte^. Das Material, auf das man noch am ehesten einfach zurückgreifen konnte, waren kanonische Bestimmungen, vor allem zu Weihe und Einsetzung der Amtsträger, und solche überwiegen denn auch in den Aussagen des Patriarchen zum Thema Amt; der einzige größere Block, den er darüber hinaus vorbringt, ist eine Chrysostomos-Homilie über den Umgang mit moralisch schlechten Priestern"'. Die Tübinger reduzieren die vom Patriarchen angesprochenen Punkte nochmals: Nach einer kurzen grundsätzlichen Aussage über das Amt® behandeln sie jeweils ausschließlich damit zusammenhängende kirchenrechtliche und organisatorische Fragen. Erübrigten sich breitere theologische Erörterungen in ihren Augen, weil sie in den Sätzen, die ihr Konsenskatalog als Gemeinsamkeiten aufzählt, alles Grundlegende gesagt sahen, die Probleme des Opferpriestertums und des Sakramentsbegriffs einmal beiseite gelassen? Das wäre erstaunlich, denn darüber, was das Amt ist, welche Aufgaben es hat, spricht der Katalog gar nicht - andererseits ergeben sich auch in dieser Frage Gemeinsamkeiten (s.u.), so daß man die Konsensliste in diesem wie in anderen Fällen nicht als vollständig betrachten kann. Die Konzentration auf rechtlich-organisatorische Fragen hat vielmehr weniger grundsätzliche Wurzeln. Sie ist eine Reaktion darauf, daß der Patriarch seine Briefpartner im Zusammenhang des Themas nur an einer Stelle angreift, und auf die Weise, wie er das tut. Jeremias nimmt die Aussage von C A 14, der Amtsträger müsse rite vocatus sein, zum Anlaß, seinen Briefpartnern mit kritischem Unterton, der zwar an dem übersandten Text keinen Anhalt hat, sich aber auf Gerüchte über die Reformation beziehen mag®, deutlich zu machen, es sei notwendig, zwischen Amtsträgern und Laien zu unterscheiden; Grundlage dieser Unterscheidung sei die Weihe, und zwar eine kanonisch korrekt vollzogene Weihe (ίεροΰσ·&αι καΐ χειροτονείσθαι κανονικώς)^®. Zur Konkretisierung folgt ein ganzes Kapitel kanonischer Bestimmungen über Auswahl und Weihe der Bischöfe und Priester gemäß der „kirchlichen U b e r l i e f e r u n g " D i e Tübinger konnten den indirekten Vorwurf nicht auf sich sitzen lassen: Jeremias' Anhäufung von Kanones stellen sie zweimal^^ eine Beschreibung der Ausbildung, Berufung, Ordination und Visitation ihrer Amtsträger gegenüber, die der Württembergischen Kirchenordnung der Zeit folgt^^; in diesem Z u s a m m e n h a n g w e i s e n sie auch Jeremias' Aussage zurück, der Amtsträger dürfe nach der Weihe nicht mehr heiraten

' Vgl. Kretschmar, P r o b l e m e des o r t h o d o x e n Amtsverständnisses, in: B a u r (hg.), D a s A m t im ökumenischen K o n t e x t 11. ' S . O . S . 177. 8 A c t a 175. 320 f. ' Vgl. o. S. 27. 184. i» D k S I 477; s. u. A n m . 44. " Ibd. 4 7 7 - 4 7 9 . " A c t a 175 f. 321 f. " D i e evangelischen Kirchenordnungen II 198 ff. » A c t a 176 f. " D k S 1493.

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Der Briefwechsel

Was das kirchliche Amt - von den Tübingern ministerium ecclesiae^®, in den Schriften des Patriarchen ίερωσύνη^'' oder τάξις των ιερών bzw. ίερά^® genannt - ist und welche Aufgaben es hat, kommt, wie bemerkt, in dem Konsenskatalog nicht vor und wird auch nur am Rande angesprochen. Doch gibt es auch hier gemeinsame Aussagen: Beide Seiten stellen fest, der Amtsträger habe das Evangelium zu verkünden und die Sakramente zu vollziehen^®; d.h., seine Aufgabe ist in erster Linie der Gottesdienst in der christlichen Gemeinde. Während die Württemberger jene Funktionen gleich stark betonen, hebt der Patriarch vor allem die zweite hervor. So schreibt er mehrfach, ohne den Priester gebe es keine Mysterien^o, er sei, mit den Worten des zypriotischen Traktats, die „Instrumentalursache" (όργανικόν αίτιον) der Mysterien^i. Grund für diese seine Stellung und Funktion ist die Tatsache, daß Gott ihn geweiht (χειροτονείν)^^, ihm Kraft (δύναμις) und Vollmacht (έξουσία)^^^ щ eigentümlicher Weise den Heiligen Geist^"* verliehen hat, wodurch er zum Vollzug der Mysterien befähigt ist. Genaugenommen kann man gar nicht sagen, er vollziehe sie, es ist vielmehr die Gnade, Gott selbst, der hier wirkt (ένεργεϊν) ; nur weil das der Fall ist, haben Taufe, Abendmahl, Segen einen Wert, gibt es überhaupt Christen auf der Welt^^. Seine persönlichen Qualitäten sind dabei völlig gleichgültig, denn Gott kann durch jedes Mittel, auch durch Unwürdige wirken, wie er ja sogar durch Bileam und die Eselin sprach (Num 22,21 ff.); deshalb muß man den Amtsträger ehren, darf man seine Vollmacht nicht anzweifeln, auch wenn er ein schlimmes Leben führt^^. Z . B . Acta 175. 320. 321 ; einmal heißt es auch ecclesiasticum munus (321). " DkS 1458. ' ' Ibd. 4 5 7 . 4 5 9 . Dieser Ausdruck steht in dem Zitat aus der zypriotischen Sakramentsschrift und verrät den Einfluß des lateinischen „ordo" ; er deckt in dem Zitat sowohl die Bedeutung von „Amt" als auch, parallel zu χειροτονία, die von „Priester-" bzw. „Bischofsweihe" ab. Acta 175. 320; D k S I 4 7 6 f . ^o Ibd. 458. 461; II 461 [541]. "Ibd.I457f. 22 Ibd. 461. " Ibd. 458; I I 461 [541]. ibd. 1 4 8 2 . ^^ Ibd. 461 nach Chrysostomos. Es findet sich also in diesen Aussagen dasselbe energetische Verständnis der Gnade wie in der Soteriologie (s. o. S. 243. 249f.), in Worten der Scholastik: ein Verständnis im Sinne der gratia increata. Insofern ist es eigentlich nicht möglich, hier von einem character indelibilis zu sprechen. Denn die Gnade wirkt zwar aufgrund der Weihe kontinuierlich durch den Amtsträger, aber sie wird doch nicht zu seiner Eigenschaft. Daraus erklärt sich ein auf den ersten Blick auffälliges Phänomen, das auch Jeremias betrifft. Bei der Einsetzung von Patriarchen wurde in verschiedenen Kirchen des Ostens z. T . bis in die jüngste Zeit hinein die Bischofsweihe noch einmal vollzogen (vgl. Jugie, Theologia III 4 2 6 f . ; Kretschmar, Probleme des orthodoxen Amtsverständnisses, in: Baur (hg.). Das A m t im ökumenischen Kontext 14 ; dasselbe galt bis ins 15./ 16. Jahrhundert bei den Kopten sogar für Presbyter, die ihre Gemeinde wechselten (ibd.)); Jeremias tat das, als er 1589 den ersten Patriarchen von Moskau weihte (Jugie, Theologia III 426). Die vorangegangene Weihe wurde also weniger im Sinn einer qualitativen Veränderung der Person gesehen denn als funktionsbezogene Beschlagnahmung durch die Gnade, die sich im Fall einer Veränderung der Aufgaben aufs neue ereignet - Ordination und Installation rücken dabei sehr nahe zusammen. Ibd. 4 6 1 - 4 6 3 nach Chrysostomos, s. o. S. 177. Wenn man diese Aussagen mit den Anforde-

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In der instrumentalen Sicht des A m t e s sind die Briefpartner ganz einig^·^. A u c h die Tübinger schreiben, D e u m esse per officium ministrorum efficacem / ένεργόν^®, und auch f ü r sie muß der Amtsträger deshalb in Ehren gehalten werden, selbst w e n n er kein vorbildliches Leben führt^'. D o c h die Bindung v o n Predigt und Sakrament an das A m t begründen sie anders als der Patriarch, nämlich nicht im Rahmen der Sakramentenlehre, sondern der Ekklesiologie: Das ministerium gilt ihnen als Voraussetzung bestimmter Tätigkeiten nicht in dem Sinn, daß sie ohne es gar nicht durchführbar wären, rein profane Vorgänge blieben, sondern es ist die einzige Instanz, der die Kirche erlaubt (permittere), sie auszuüben^". Das nicht aus W i l l k ü r oder Gründen der Praktikabilität, vielmehr deshalb, weil Predigt und Sakramentsverwaltung Aufgaben sind, die nicht Individuen, sondern die gesamte Gemeinde betreffen, ja Gemeinde, K i r che im gemeinsamen Bezug auf Evangelium und Sakramente überhaupt erst schaffen. D a r u m bedarf es einer Einzelperson, die diese G ü t e r wie ein „Schatzmeister" (dispensator im Anschluß an 1. K o r 4,1) f ü r sie alle verwaltet und ihnen austeilt, wie ein Vater, der der ganzen Familie die Nahrung gibt und sie so als Einheit zusammenhält^^. D . h . konkret, die Kirche kann aus ihrem eigenen Wesen heraus nur einzelne berufen (vocare)^^, auswählen (eligere) zu predigen, zu taufen und das Abendmahl zu halten^^. Die Tübinger konzentrieren sich völlig darauf, den Prozeß der A u s w a h l und rungen vergleicht, die Jeremias an den Beichtvater stellt, dann bestätigt sich der in e) erhobene Befund, nämlich daß die Buße, die dem Patriarchen vor Augen steht, eigentlich nicht Sache des Amts ist; kommt doch für den Beichtvater alles auf die persönliche Qualifikation an. Bezeichnend ist der gegensätzliche Gebrauch eines Bildes, das Jeremias bzw. die von ihm angefühnen Zitate in dem einen und dem anderen Zusammenhang benutzen, des Bildes vom A r z t : Was den Amtsträger als Arzt betrifft, so soll es ganz gleichgültig sein, ob er persönlich krank oder gesund ist - es kommt nur darauf an, daß er den Patienten Heilmittel verschafft, konkret, in der Kraft der Weihe die Mysterien vollzieht (ibd. 462). Der Beichtvater dagegen (s. o. S. 306 f.) wird zum Arzt dadurch und erweist seine therapeutischen Fähigkeiten erst darin, daß er selbst in einem langwierigen Prozeß gesünder geworden ist als die, die bei ihm Hilfe suchen (gegen Kretschmar, Probleme des o n h o d o xen Amtsverständnisses, in: Baur (hg.). Das Amt im ökumenischen Kontext 19f., der die beiden Aussagereihen und die zugrundeliegenden Quellen zu sehr harmonisiert). Wenn sich auch in dem der theologischen Korrespondenz vorausliegenden Austausch Differenzen hinsichtlich der näheren Bestimmung des Verhältnisses von Werkzeug und dadurch handelndem Christus angedeutet hatten, nämlich anläßlich Andreaes Predigt über die Perikope vom Guten Hirten (s. o. S. 46 f.). Acta 320 f. " Ibd. 148. Ibd. 320. Ibd.: Ipsi [sc. ministri] sunt dispensatores mysteriorum Dei . . . Quare, ut aeconomo (!) aut patrefamilias opus est familiae, ita etiam ministro indiget ecclesia. Vgl. zum. Kontext dieser knappen, nur en passant vorgebrachten Aussagen die Ausführungen Baurs über die Amtstheologie eines etwas später wirkenden Tübingers, nämlich Thumms, in: J. Baur, Das kirchliche A m t im Protestantismus. Skizzen und Reflexionen, in: Ders. (hg.). Das Amt im ökumenischen Kontext, 115-119. Acta 320. 322. Ibd. 175.

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D e r Briefwechsel

Berufung und den Ablauf des Ordinationsgottesdienstes^'* zu beschreiben. Daß das in dieser Weise besetzte Amt von Gott gestiftet sei, wie es C A 5 feststellt, sagen sie an keiner Stelle, obwohl die von ihnen vorausgesetzte Ordinationsordnung es mehrfach betont^®. Ursache dafür dürfte die Konzentration auf organisatorische Fragen hinsichtlich der Ordination sein, in diesem Zusammenhang spricht ja auch der Patriarch nicht von der theologischen Begründung des Amtes. Aber bei ihm gibt es noch weitere Kapitel zu diesem Thema, aus denen die göttliche Einsetzung des Mysteriums Amt hervorgeht^®. Daß sich Entsprechendes bei den Tübingern nicht findet, konnte, zumal in Verbindung mit der Ablehnung des Begriffs Sakrament für das ministerium, den Eindruck erwecken - und tat es vielleicht auch? - , sie sähen im kirchlichen Amt nur eine soziologische Zweckmäßigkeit. So mager die inhaltlichen Aussagen beider Seiten zum Thema sind, rufen sie doch zum Schluß die Frage hervor: Von welchem unter den im Laufe der Geschichte gewachsenen kirchlichen Ämtern sprechen die Briefpartner überhaupt? Was die Confessio Augustana betrifft, so konnte der Patriarch daraus keine klare Antwort auf diese Frage gewinnen. Das Bekenntnis spricht in seinem Lehrteil (CA 5) von einem kirchlichen Amt, das Gott eingesetzt habe; in den Mißbrauchsartikeln dagegen setzt es das konkrete Nebeneinander von Priestern und Bischöfen in der zeitgenössischen römischen Kirche voraus, ohne das Thema von Einheit und Vielheit des Amtes oder der Ämter eigens zu erörtern. Dieser Sachlage entspricht der terminologische Befund: Im ersten Teil wird der allgemeine neutestamentliche Funktionsbegriff ministerium gebraucht, im zweiten ist von presbyteri und episcopi die Rede, in einem kirchengeschichtlichen Rückblick einmal von diaconi ( C A 24). Dasselbe gilt für die griechische Version: Sie spricht zunächst allgemein von διακονία^'' und υπηρεσία bzw. ύπηρέται^δ, dann von ίερεϊς^^, έπίσκοποι'^° und einmal von διάκονοι"'!. з·· Im Zusammenhang des Gottesdienstes schreiben sie auch von der Bitte um den Heihgen Geist für den Ordinanden und von der Handauflegung (321. 176). D o c h zählen sie beides nur unter den liturgischen Elementen dieser Feier, gleichsam als Bausteine der „kanonischen" Amtseinsetzung in Parallele zu den entsprechenden Angaben des Patriarchen (DkS I 4 7 8 ) mit auf, beziehen es aber in ihre theologischen Erörterungen über das A m t nicht ein - das Verhältnis von Vokation und Ordination wird nicht angesprochen. Indessen muß man immer wieder betonen, daß die Weichen für diese einseitige Konzentration auf Fragen des Rechts und der Organisation schon durch das rein kanonistische Kapitel des Patriarchen über die Weihe gestellt sind. Die evangelische Kirchenordnungen II 202. So vor allem den zypriotischen Traktat, die darin eingeschobenen Passagen Symeons von Thessaloniki (DkS 1 4 5 8 . 459) und die Sätze über die Stiftung der Liturgie durch Christus zu Beginn der Antwort auf C A 13 (DkS 1 4 7 0 , s. o. S. 172 ff. 183). " C A Gr 5, Acta 9 ; C A G r 8, A c t a 12. C A G r 8, Acta 11 ; C A G r 11, A c t a 12. C A Gr 22, A c t a 25 ; C A G r 23, Acta 25 u. a. C A Gr 28, A c t a 4 4 ff. « C A G r 24, Acta 31.

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Man sollte erwarten, Jeremias werde auf eine Klärung der Frage drängen, wie sich diese verschiedenen Amter zu dem ministerium ecclesiae"^ verhielten. Er tut es nicht, die Frage beschäftigt seinen Kommentar ebensowenig wie das kommentierte Bekenntnis. Möglicherweise schloß er aus der Tatsache, daß die Begriffe Bischof, Priester und Diakon in der Confessio Augustana vorkommen, die Lutheraner hätten mehr oder weniger dieselbe kirchhche Organisation wie die Griechen. Was ihn aber in diesem Zusammenhang interessiert und was er mit dem schon erwähnten kritischen Einwand hervorhebt"*^, ist etwas anderes, nämlich daß es in der Kirche überhaupt ein Amt der Verkündigung und Sakramentsverwaltung gebe und daß dieses Amt nicht schon durch die Verleihung eines, dann letztlich beliebigen, Titels zustandekomme, sondern durch die kanonische Weihe"*". Konkret spricht er über die Weihe des Priesters und des Bischofs gleichermaßen und in bunter Folge, mit einem klaren Ubergewicht der Aussagen über den Bischof''®. An seinem Vorgehen wird zweierlei deutlich: Gegenüber seinem Interesse daran, daß es ein kirchliches Amt gibt, tritt die Frage nach Differenzierungen innerhalb seiner ganz zurück: Die Abschnitte über Bischof und Priester gehen völlig unvermittelt ineinander über, vom Diakon ist zudem überhaupt nicht die Rede - Jeremias thematisiert diese Abstufungen und damit verbundene Probleme auch an anderer Stelle nicht. Ferner zeigt sich, daß er, wenn vom Amt die Rede ist, primär an das des Bischofs denkt, in ihm also das Amt der Kirche in erster Linie repräsentiert sieht"*^; der Priester ist nur abgeleitet und eingeschränkt Träger des in seiner vollkommenen Form bischöflichen Amtes. Aus den Schriften der Tübinger geht klar hervor, daß sie, ganz im Rahmen der Lehre vom Amt in der lutherischen Reformation"'', das Gemeindepfarramt als den Ort ansehen, an dem sich das ministerium ecclesiae primär konkretisiert. Die beiden Grundfunktionen des ministeriums, Predigt und Sakramentsverwaltung, werden vom Pfarrer im Dienst an einer bestimmten Gemeinde (ecclesia) wahrgenommen"®. " Auch wenn er C A Gr 5 nicht als Beitrag zu diesem Thema erkannte (s. o. S. 168f.), konnte er aus C A Gr 8 und 11 entnehmen, daß die Tübinger den neutestamentlichen Allgemeinbegriff υπηρεσία bzw. ύπηρέτης benutzten, im Kommentar zu C A 8 nimmt er ihn sogar selbst auf (DkS I 461). " S. o. S. 323. DkS I 477: Jene seien im Irrtum, die meinten, es laufe auf dasselbe hinaus (άδιάφορον), wenn die Sakramente gefeiert würden durch „Laien, die vielleicht geweiht sind, und durch Amtsträger, die die kanonischen Weihen haben oder nicht" (εκ τε λαϊκών χειροτονηθέντων τυχόν καΐ έ | ιερωμένων καΙ χειροτονημένων κανονικώς καΐ μη). « DkS 1477-479. Denselben Befund ergibt ein Zusatz des Patriarchen zu der Passage Symeons von Thessaloniki, die er in der Antwort auf C A 7 Lapithes' Traktat einfügt: Wo Symeon vom kirchlichen Amt als dem Amt der ιερείς spricht, fügt Jeremias ein, es gehe hier um die Apostel und ihre Nachfolger, d.h. die Bischöfe (ibd. 458). Vgl. Brunner, Vom Amt des Bischofs, in: ders.. Pro Ecclesia I 251 ff. "8 Acta 176. 321.

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Der Briefwechsel

Die Reformation hatte aus dieser Feststellung den Schluß gezogen - und auch die Württembergische Ordinationsordnung, die die Tübinger voraussetzen, äußert sich in diesem Sinn'*^ - , der Pfarrer sei Träger des bischöflichen Amtes®". Im BHck stand dabei neben den Aussagen des Neuen Testaments über den έπίσκοπος das Bischofsamt der Alten Kirche, nicht zuletzt des griechischen Ostens: Danach war der Episcopus nicht der zeitgenössische westliche Fürstbischof großer Territorien, sondern leitender Pfarrer einer bestimmten Stadtgemeinde, und besaß umgekehrt jede kleine Stadt ihren eigenen Bischof®!. Eben solche Stadt„pfarrherrn"®^ aber gab es ja nach wie vor, und sie galten der Reformation als die legitimen Nachfolger der altkirchlichen Bischöfe, als die eigentlichen Träger des ministerium ecclesiae®^. Der Hinweis auf den Episkopat der Alten Kirche stellte deshalb ein wichtiges Argument in der Verteidigung der eigenen und der Kritik an der römischen Amtstheologie und -praxis dar®'* und konnte auch Folgen für die konkrete Regelung mit dem Amt verbundener Fragen in den reformatorischen Gebieten haben®®. Die Vermutung liegt nahe, die Tübinger würden im Rahmen dieser reformatorischen Argumente ihr Pfarramt mit dem griechischen Bischofsamt parallelisieren, da Patriarch Jeremias Predigt und Sakramentsverwaltung primär an den Bischof bindet. Erstaunlicherweise tun sie das aber nicht, sondern stellen fest, der minister ecclesiae, von dem sie schreiben, entspreche dem, was der Briefpartner unter „Priester" (sacerdos / ιερεύς)®® verstehe®''. Offensichthch beDie evangelischen Kirchenordnungen II 202. Vgl. Brunner, V o m A m t des Bischofs, in: ders., Pro Ecclesia 1 2 5 1 ff. Ibd.255. Es geht wirklich um „Pfarrherren", die leitenden Pfarrer einer Stadt, die alle möglichen Hilfsämter um und unter sich hatten, Prediger, Lehrer, Diakone (ibd. 255 f.). Vgl. die Angaben der Württembergischen Kirchenordnung der Zeit (Die evangelischen Kirchenordnungen II 199): Es gibt Pfarrer, Prediger, Diakone, Subdiakone, Catechisten. Brunner, V o m A m t des Bischofs, in: ders., Pro Ecclesia 1 2 5 4 f . ; vgl. ibd. 255 das Lutherzitat aus W A 38, 237, 2 3 : „Ein jegliche Stadt hat einen Bischof gehabt, wie sie itzt Pfarrhen haben, und S a n « Augustinus, der von seinem Pfarrherr oder Bischof Valerio geweihet oder geordiniert ward zum Prediger und nach seinem Tode an seine Statt Bischof ward, hat nicht eine größer Pfarre gehabt denn unser Pfarre zu Wittenberg ist, ist sie anders noch so groß gewest." Vgl. z. B. Melanchthons Tractatus de potestate papae, B S E L K 4 8 9 , 5 9 ff. So für die Ordination, s. S. 330. " Was den Begriff selbst betrifft, so vermeiden sie ihn für das A m t ebenso strikt wie im Gefolge des Neuen Testamentes die Reformation. Ihre grundsätzliche Ablehnung drücken sie gleich zu Beginn mit der Bemerkung aus, sie benutzten statt des Wortes sacerdos den Begriff minister, und die „Priester" der Lutheraner hätten nicht die Aufgabe, das Meßopfer darzubringen (Acta 175); sie würden demgemäß bei der Ordination auch nicht gesalbt (ibd. 321), ein Ritus der römischen Priesterweihe (s. Lieberg, Amt 207, bes. A n m . 227). " Acta 175. 320. Im übrigen bieten sie ihrem Briefpartner eine ungeheure Vielfalt von Amtsbezeichnungen: Im lateinischen Text benutzen sie im allgemeinen das W o r t minister, wenn sie vom Pfarrer sprechen. Crusius schreibt dafür διάκονος, erläutert diesen Begriff aber einmal, damit sei der Priester gemeint (ibd. 320) - offensichtlich will er vermeiden, daß die Griechen das W o r t auf ihr Diakonsamt beziehen. Statt διάκονος kann es auch einmal ιεροδιάκονος (ibd. 176) - ein ganz

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merkten sie nicht, daß der eigentliche Repräsentant des ihrer Meinung nach von beiden Briefpartnern vertretenen, durch dieselben Aufgaben definierten A m t e s für Jeremias der Bischof war. U n d das aus zwei Gründen: Einmal, weil der Patriarch von Bischof und Priester in buntem Wechsel, ohne Interesse an begrifflicher Klärung spricht; zum anderen, weil er dem Bischof eine Funktion zuweist, die für sie selbst in der Praxis nicht mehr an den primären Amtsträger gebunden ist: die Ordination. So scheint das einzige Pendant in seinen Schriften zum evangelischen minister ecclesiae der Priester zu sein. Mit „Bischof", genauer „Bezirksbischof" (έπισκοπος του τόπου)^® übersetzen sie^® dagegen den Titel der Person, die bei ihnen ordinierte: „Superintendent" (superintendens)®". Der Superintendent bildete die unterste Instanz in

besonderes Fündlein des gelehrten Philologen - , υπηρετών oder υπηρέτης (ibd. 176. 320) heißen; ferner wird gelegentlich das W o r t pastor / ποιμήν gebraucht (176. 321), zweimal als Brücke eben auch der Terminus sacerdos / ιερεύς (ibd. 1 7 5 . 3 2 0 ) . Schließlich ist von einem επίσκοπος τοϋ τ ό π ο υ die Rede, Äquivalent von superintendens, wofür aber auch das Partizip ó επισκοπών stehen kann (ibd. 176. 321). Von allen inhaltlichen Fragen abgesehen, muß man zunächst einmal einräumen, daß diese Mischung unspezifischer Begriffe und liturgisch und kirchenrechtlich vorgeprägter, aber doch offenbar anders gebrauchter Termini auf die Griechen, denen weder die reformatorische Kritik an der römischen Lehre vom A m t noch die daraus folgende Suche nach einer neuen Terminologie vertraut war, einen geradezu chaotischen Eindruck machen mußte, z . T . erkannten sie wahrscheinlich gar nicht, daß überhaupt vom A m t die Rede war, oder sie schlossen vielleicht auf eine Unzahl von N e b e n ä m t e r n in den lutherischen Kirchen (daß sie einen Begriff für das A m t nicht identifizieren konnten, gilt ja schon im Zusammenhang des Augsburger Bekenntnisses, nämlich bezüglich der Formulierung δ ι α κ ο ν ί α τοϋ ευαγγελίου in C A G r 5 (s. o. S. 169). Unverständnis und Fehldeutungen hinsichtlich entsprechender Begriffe in den Tübinger Schriften finden wir wohl nur deshalb nicht vor, weil Jeremias auf deren Kapitel über das A m t praktisch nicht mehr antwortet. F ü r die Vermutung, die Tübinger hätten durch dieses begriffliche Chaos vielleicht ihre Zurückweisung der orthodoxen und römischen Amtstheologie tarnen wollen (so Jorgensen, T h e Augustana Graeca 2 1 9 f . ) , gibt es keinerlei Anhalt. Zum einen zögerten (wie der A u t o r selbst bemerkt ibd. 2 1 9 , A n m . 3) die Tübinger nie, wenn sie dem Patriarchen eine abweichende Meinung vortragen wollten, zum andern hatten sie gar nicht den Eindruck, in der Amtstheologie von ihrem Briefpartner weit entfernt zu sein. Bei der Wahl der Terminologie handelt es sich, außer im Fall der Begriffe „Priester" und „ B i s c h o f " , wohl gar nicht um ein bewußtes Vorgehen, sondern teils um wörtliche Übersetzungen der lateinischen Termini, teils (so bei dem von Jorgenson besonders kritisch registrienen Gebrauch von „ ι ε ρ ο δ ι ά κ ο ν ο ς " ) um sprachliche Spielereien des Philologen Crusius. Das W o r t τόπος m u ß hier im Sinne von Bezirk verstanden werden, vgl. die Aussagen über die Superintendenten in der Württembergischen Kirchenordnung der Zeit (Die evangelischen Kirchenordnungen II 2 0 1 . 2 0 6 ) : Sie haben einen „gezirck". " E s kann sich hier nicht um eine rein philologische Entscheidung des Übersetzers Crusius handeln. D a z u ist die Verbindung zu dem Gebrauch des W o n e s „Bischof" bei Jeremias über die Funktion der Ordination zu stark vom Inhalt her verankert, ist auch die - anknüpfende und abgrenzende - Wortwahl im parallelen Fall des Begriffs Priester schon im lateinischen T e x t zu bewußt getroffen. Im übrigen muß man sich, wie der historische Hintergrund der Tübinger Schriften zeigt, davor hüten, Crusius' Rolle auch und gerade für die theologische Seite des Briefwechsels zu unterschätzen (vgl. übrigens auch die Weise, in der er gegenüber dem Patriarchen Andreae titulien, s. o. S. 44). Acta 176; s . a . 321.

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einer Pyramide gemeindeübergreifender Kirchenämter®^, d.h. konkret, er war ein Pfarrer, der bestimmte Funktionen für einen ganzen Bezirk wahrnahm, vor allem Ordination und Visitation". Die Tübinger sprechen auch hiervon wieder nur unter organisatorisch-rechtlichem Gesichtspunkt. So viel wird jedenfalls deutlich, daß die Tätigkeit des Superintendenten der Bindung des ministeriums im vollen Sinn an den Gemeindepfarrer keinen Abbruch tut; der Ordinierende hat nicht mehr, als der Ordinierte empfängt. Vielmehr nimmt er übergreifende Funktionen wahr, die um der Einheit und Ordnung der Kirche willen aus dem einen Amt ausgegliedert sind®3_ funktionale Sicht der Position des Superintendenten betonen die Tübinger dadurch, daß sie statt des Substantivs έπίσκοπος auch die Partizipialkonstruktion ó έπισκοπών benutzen^·*. Die Begriffe „Priester" und „Bischof" haben also bei beiden Briefpartnern in gewisser Weise einen genau umgekehrten Stellenwert: Für den Patriarchen nimmt der Priester ausgegliederte Funktionen des einen, vom Bischof im Vollsinn repräsentierten Amtes wahr, für die Tübinger erfüllt der SuperintendentBischof ausgegliederte Aufgaben des vom Pfarrer-„Priester" primär vertretenen ministerium ecclesiae. Das bedeutet, überträgt man diesen Sprachgebrauch auf die Ordination: Während nach griechischer Auffassung in der Priesterweihe das kirchliche Amt nur abgeleitet und eingeschränkt und allein in der Bischofsweihe vollkommen weitergegeben wird, soll es nach den Aussagen der Tübinger in der Ordination des „Priesters" in seiner Fülle übertragen werden. Diese für den Patriarchen notwendigerweise verwirrende Begriffsüberkreuzung wäre vermeidbar gewesen, wenn die Tübinger mit den Reformatoren am altkirchlichen Sprachgebrauch angeknüpft hätten. Das zeigt etwa der Vergleich mit Luthers Wittenberger Ordinationsordnung (1535). Auch sie geht davon aus, daß die Ordination Sache des Bischofs ist, d.h. aber, aufgrund der Gleichsetzung von Pfarrer und Bischof, sie betrachtet sie als Aufgabe des Pfarrers. Deshalb schreibt sie in ausdrücklichem Rückgriff auf Kanon IV des ersten Konzils von Nizäa, der die Einsetzung der Bischöfe regelt, die Ordination habe durch mehrere Stadtpfarrer der Umgebung zu geschehen^^. Und wo es doch geboten scheint, höhere Amter einzurichten, die gemeindeübergreifende Funk" Die Württembergische Kirchenordnung nennt (Special)superintendenten, Generalsuperintendenten und Kirchenräthe (Die evangelischen Kirchenordnungen II 206. 209f. 218). Vgl. ibd. II 201 f. 2 0 6 f . ; so schreiben es auch die Tübinger dem Patriarchen, Acta 176. 321. Vgl. o. S. 113 die Aussage Heerbrands und Crusius' gegenüber dem Patriarchen, bei ihnen gebe es verschiedene kirchliche Rangstufen, soweit es der guten Ordnung diene; vgl. a. Brunner, Vom Amt des Bischofs, in: ders., Pro Ecclesia 1 2 5 2 . 2 5 6 f f . ; Eiert, Morphologie 1 3 2 5 . Acta 176. 321. S. Lieberg, Amt 2 1 8 - 2 2 0 . 202f., Anm. 197. Der Begriff einer „presbyteralen Sukzession" im Gegensatz zu einer bischöflichen (so z . B . bei Dulles-Lindbeck, Die Bischöfe und der Dienst des Evangeliums. Ein Kommentar zu C A 5,14 und 28, in: Meyer/Schütte (hg.), Confessio Augustana 157), sei er positiv oder kritisch gemeint, ist also für die lutherische Lehre vom Amt gerade von dem Rückgriff der Reformatoren auf die altkirchliche Praxis her fragwürdig.

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donen wahrnehmen sollen, wären sie - und das geschieht z . T . auch - im Rahmen des Rückgriffs auf die Organisation der Alten Kirche mit den Titeln des Metropoliten, Erzbischofs oder Patriarchen zu parallelisieren®®, organisatorischen Begriffen, die der Bindung des Wortes „Bischof" an den primären Träger des ministerium ecclesiae keinen Abbruch tun®^. Natürlich lebten und schrieben die Tübinger in einer anderen historischen Situation, sie setzten das Bestehen durchorganisierter evangehscher Landeskirchen voraus, in deren Rahmen die Notwendigkeit abgestufter Kompetenzen und übergreifender Ämter®® stärker fühlbar war als ein halbes Jahrhundert zuvor; es gab auch lutherische Gebiete, in denen sich der historische Episkopat als übergeordnete Organisation erhalten hatte. Dieser Hintergrund, verbunden mit der ausschließlichen Konzentration des Patriarchen auf kanonisch-organisatorische Fragen im Zusammenhang der Weihe, brachte sie dazu, die A n k n ü p fung an die Aussagen des Briefpartners über das Amt in einer Parallele der kirchhchen Organisation, nicht aber, wie bei dem Rückgriff der Reformatoren auf das altkirchliche Bischofsamt, in einer Parallele der theologischen Gehalte der verschiedenen Titel zu suchen. Der Gewinn im Dialog mit den Griechen, die Feststellung, es gebe Priester und Bischöfe und damit auch eine legitima ordinatio auf beiden Seiten, ist also nur vordergründig. Ja, die Aussagen der Tübinger laden zu Fehldeutungen und künstlichen Gegensätzen geradezu ein. Die Parallelisierung des eigentlichen Amtsträgers minister ecclesiae mit dem griechischen Priester mußte - zumal in Verknüpfung mit der Tatsache, daß die Tübinger nicht von der götthchen Stiftung des Amtes sprechen und den Begriff Sakrament in diesem Zusammenhang ablehnen - bei Jeremias den Anschein erwecken, als beanspruchten die Lutheraner nur das, w o f ü r in griechischen Augen das Wort ιερεύς gegenüber dem W o r t έ π ί σ κ ο π ο ς steht: ein Amt in eingeschränkter Fülle und Kompetenz. Hätten die Württemberger in ihren Darlegungen an das altkirchliche Bischofsamt angeknüpft, so wäre nicht nur eine Quelle möglicher Mißverständnisse vermieden worden, es hätte sich auch statt der vordergründigen organisatorischen eine inhalthche Brücke zur Lehre der griechischen Kirche vom Amt schlagen lassen®'. Aber es sind eben Fragen des Rechts und der Organisation, auf die sich der Dialog beschränkt. " Brunner, Vom A m t des Bischofs, in: ders., Pro Ecclesia I 250; Eiert, Morphologie I 325f. ' ' Damit soll nicht behauptet werden, der Begriff „Bischof" sei nicht auch für ein solches übergeordnetes Amt gebraucht worden. D o c h das geschah nicht im Rahmen der A n k n ü p f u n g an die Organisation der Alten Kirche, sondern in A n k n ü p f u n g an das zeitgenössische römische Bischofsamt, das man in „gereinigter" F o r m gern behalten hätte. In diesem Zusammenhang wird immer deutlich gemacht, daß es sich hier um ein gegenüber dem eigentlichen ministerium ecclesiae und dem so verstandenen ursprünglichen Bischofsamt des Neuen Testaments und der Alten Kirche abgeleitetes Amt handle (vgl. Brunner, V o m A m t des Bischofs, in: ders.. Pro Ecclesia I 258ff.). Vgl. die Angaben zur Kirchenorganisation in der zeitgenössischen Württemberger Kirchenordnung, Die evangelischen Kirchenordnungen II 206. " D . h . nicht, es hätten sich dann keine Probleme mehr ergeben. Aber man hätte eine sehr viel breitere gemeinsame Ausgangsbasis für den Dialog über das A m t gehabt.

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Der Briefwechsel

g) Ehe Hinsichtlich der Ehe stellen die Tübinger fest, an dieser Stelle gebe es keine Unterschiede zwischen den Lehren beider Seiten, abgesehen vom Gebrauch des Wortes Mysterium^. Patriarch Jeremias thematisiert die Ehe seinerseits nur im Rahmen der allgemeinen Sakramentskapitel^, um zu zeigen, daß sie unter die Mysterien zu rechnen sei; der inhaltlichen Bestimmung galt dabei nicht sein eigentliches Interesse. Dennoch gibt es hier, entgegen der Aussage der Tübinger, Differenzen, nur werden sie nicht in den einschlägigen Kapiteln angesprochen. Beide Seiten bewerten nämlich die Ehe unterschiedlich, und zwar genau gegenläufig zu der Einschätzung, die man nach ihrer Stellungnahme zum Gebrauch des Wortes Sakrament erwarten sollte. Das wird schon an einem äußerÜchen Befund deutlich: Wo die Tübinger in ihrer ersten Antwort die Aussagen des Patriarchen über die Mysterien kommentieren, gehen sie auf seine Abschnitte über die Ehe nicht ein; stattdessen fügen sie hier ihr Kapitel über Gelübde und Klosterleben an^. In der Tat ist dies der Zusammenhang, in dem Patriarch Jeremias die Ehe sieht. Unter den zwei Wegen, die seinen Ausführungen nach Gott den Menschen gegeben haf*, stellt sie eben nur den minderen dar, das Zugeständnis an Menschen, die das bessere, engelhafte Leben nicht führen können. So wird sie auch in dem Zitat Symeons von Thessaloniki, das Jeremias dem zypriotischen Traktat einfügt, als Gabe der götthchen Herablassung (συγκατάβασις) wegen der Kinderzeugung bezeichnet. An der animalischen (ώς καΐ τοις άλόγοις) Art seiner Fortpflanzung solle der Mensch erkennen, wohin er seit dem Fall geraten sei; denn eigentlich habe Gott für seine Geschöpfe keine Weise der Entstehung vorgesehen gehabt, die „unvernünftig, von der Flut der Leidenschaft bewirkt und schmutzig" sei (αλογον καΐ άπό ροής καΐ ρυπαράν σύστασιν)®. Doch wie die Dinge nun einmal ständen, habe er die Ehe gesegnet, damit der Anfang des Lebens nicht ohne Segen (ευλογία) sei®. Die Tübinger können so nicht sprechen. Für sie gehört die Ehe zum schöpfungsmäßigen Zusammenleben der Menschen, nicht erst zu den Konsequenzen des Sündenfalles. Aufgrund dessen ist sie gut, aber auch allein aufgrund dessen und in diesem Rahmen. Eine Bedeutung für das Heil, für die Vergebung der Sünde und die Verleihung der Gnade, sprechen sie ihr ab und deshalb auch die Bezeichnung Sakrament''. Hier zeigt sich erneut der Unterschied im Sakra-

^ Acta 322. Auch Eph. 5,32 rechtfertige ihn nicht, da hier das Verhähnis Christi und der Kirche so genannt werde. 2 DkS 1457-459; II 461 [541]. 3 Acta 194-198. " S. o. S. 192f. 267. 5 DkS 1458, kürzer noch einmal ibd. II 461 [541]. Die Aussagen des zypriotischen Traktats selbst enthalten keine solche negative Einschätzung; danach ist die Ehe eine Schöpfungsordnung, die Christus geehrt und so, wie auch der Apostel Paulus, bestätigt habe (ibd. 1459). « Ibd. 1458; II 461 [541]. ' Acta322.

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mentsverständnis, das der jeweiligen A n w e n d u n g des Begriffs zugrunde liegt. D a s Kriterium der Tübinger entstammt wiederum ihrer Sakramentsdefinition. D e r Patriarch dagegen sieht keinen Anlaß, die Einordnung der Ehe unter die Mysterien damit zu begründen, daß sie das Heil v e r m i t t l e - i m Gegenteil, soll sie doch der G e w i n n u n g des Heils eher hinderlich sein und nur unter dieser negativen Voraussetzung trotz allem Segen auf ihr liegen. Mit dem Stichwort „ S e g e n " aber wird der G r u n d angesprochen, aus dem Jeremias die Ehe „ M y s t e r i u m " nennt: Einmal mehr k o m m t die faktische liturgische Praxis seiner Kirche in den Blick. D e n n das Wort ευλογία, das er hier anführt, ist liturgischer terminus technicus und verbunden mit dem Ritus der kirchlichen Trauung®, wie er sich im O s t e n im zweiten und dritten Drittel des ersten Jahrtausends allmählich entwickelt hatte und im Mittelalter nicht nur zur normativen F o r m der Eheschließung, sondern auch z u m Fundament der Theologie der Ehe geworden war®. D a ß die Ehe eine gesegnete Sache ist, bedeutet für Jeremias, daß sie durch diesen Ritus begründet ist, und darum gilt sie ihm als Mysterium F ü r die Tübinger dagegen bildet die kirchliche Trauung wohl den angemessenen Beginn christlicher Eheführung, aber nur das. Weder können sie ihr sakramentale Bedeutung zumessen noch darin die Begründung der Ehe sehen - nicht anders als Jahrhunderte der östlichen und vollends der westlichen Kirchengeschichte^^. Begründet sei die Ehe, für Christen und Nichtchristen gleichermaßen, vielmehr allein in der göttlichen O r d n u n g der Schöpfung.

h)

Krankensalbung

A u c h die Auseinandersetzung über die Krankensalbung^ konzentriert sich völlig auf die Frage, ob sie ein Sakrament sei oder nicht. Wenn der Patriarch das behauptet, dann wiederum nicht aufgrund sakramentstheologischer Erörterun-

® Vgl. G o a r , E u c h o l o g i u m 3 1 4 f f . ' Z u r fortschreitenden L i t u r g i s i e r u n g des E h e s c h l u s s e s vgl. G a r i j o - G u e m b e , L a s a c r a m e n t a l i d a d 2 9 7 f f . , z u den F r a g e n , w a n n die kirchliche T r a u u n g f ü r verbindlich e r k l ä n u n d w a n n sie als B e g r ü n d u n g der E h e v e r s t a n d e n w u r d e , ibd. 3 0 3 f f . ; s. a. Schillebeeckx, M a r r i a g e II 1 4 9 f f . u n d C o s t a n t e l o s , M a r r i a g e 51 ff. Vgl. Schillebeeckx, M a r r i a g e II 161: „ I n the ninth century this practice [sc. die kirchliche T r a u u n g ] w a s given theological e x p r e s s i o n in the B y z a n t i n e C h u r c h . T h e c h u r c h ' s rite of marriage . . . w a s the element w h i c h c o n s t i t u t e d the marriage as a s a c r a m e n t " - w a s aber nicht heißt, dieser R i t u s h a b e als konstitutiv f ü r die E h e selbst gegolten. Vgl. die in A n m . 9 genannte Literatur. N o c h P h o t i o s ( E p a n a g o g e X V I 1 u n d 2) läßt kirchliche u n d zivile Eheschließung nebeneinander gelten. D o c h ging bekanntlich die Verkirchlichung der E h e im griechischen Bereich früher als im lateinischen Westen v o r sich, s o daß P a p s t N i k o l a u s I. d a g e g e n in ähnlicher Weise f ü r ein ziviles V e r s t ä n d n i s plädierte wie die T ü b i n g e r g e g e n ü b e r Patriarch J e r e m i a s ( P L 119, 9 8 0 / M G H E p . V I 2,569 (leicht a b w e i c h e n d ) , vgl. Schillebeeckx, M a r r i a g e II 156 f.) - u n d wie die R e f o r m a t i o n angesichts der mittelalterlichen lateinischen E n t w i c k l u n g . ' D i e der K o n t r o v e r s e z u g r u n d e liegenden A b s c h n i t t e bei J e r e m i a s D k S I 4 5 8 f . 460, z . T . a u f g e n o m m e n II 461 [541].

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Der Briefwechsel

gen, sondern weil es sich hier um einen in seiner Kirche üblichen Ritus handelt^. Ihn sieht er bereits im Neuen Testament belegt, nämlich in Jak 5,14f. Die Tübinger dagegen gehen wieder von ihrem Verständnis von Sakrament aus und lehnen deshalb diesen Terminus für die Krankensalbung ab : Anders als Taufe und Abendmahl habe Christus sie nicht angeordnet und seine Gnade an sie geknüpft; darum könne man dem Empfang des Öls auch nicht das Vertrauen des Glaubens entgegenbringen, das einem Sakrament gebühre^. Aus diesem Grund sei es in den Gemeinden der Reformation üblich, Kranken den Trost zu geben, auf den sie sich wirklich verlassen könnten: Leib und Blut Christi, und das in Verbindung mit einer allgemeinen Beichte, der Verkündigung des Evangeliums und Gebeten"*. Was die genannte Stelle des Jakobusbriefes betreffe, so sei nicht zu bestreiten, daß man zur Zeit der Apostel Kranke gesalbt und über ihnen gebetet habe, damit sie Heilung und Vergebung erlangten®. Das sei eines der Wunder gewesen, die jene Zeit ausgezeichnet hätten (miracula eius temporis)®; Gott habe dadurch die Lehre des Evangehums bestätigen wollen. Jetzt aber sei solche Bestätigung nicht mehr nötig, man sehe ja auch ringsum, daß die Letzte Ölung - die Tübinger denken unwillkürlich an das Sakrament der römischen Kirche - niemanden mehr gesund mache''. Jakobus' Satz habe also nur für die Urgemeinde Geltung gehabt, er schreibe keinen Ritus für die Christenheit aller Zeiten vor, genausowenig wie etwa der Bericht davon, daß Christus einen Blinden mit Erde und Speichel geheilt habe®. Und hinsichtlich der Vergebung sei zu sagen, daß sie schon von Jakobus nicht auf die Salbung, sondern auf das begleitende Gebet zurückgeführt werde®. Patriarch Jeremias kann mit diesen dogmatischen und historischen Argumenten so wenig anfangen, daß er darauf nur mit der Wiederholung von Jak 5,14f. antwortet^". 6. Tradition Durch den ganzen Briefwechsel, auch schon vor dem eigentlichen theologischen Austausch, zieht sich die unterschiedliche Bewertung der kirchlichen Tradition als die Grunddifferenz zwischen Tübingen und Konstantinopel. Sie bildete die Hauptursache dafür, daß die Tübinger die Korrespondenz für vorläufig aussichtslos hielten und Patriarch Jeremias sie schließlich abbrach. Handelte es sich hier doch nicht um irgendeine Meinungsverschiedenheit, sondern um den Maßstab zur Lösung aller Einzelfragen. ^ Vgl. den Art. „Krankenöiung" in Onasch, Liturgie 219, der die wichtigste Literatur zur Entwicklung des Ritus angibt. 3 Acta 326. " Ibd. 328.194. ^ Ibd. 193 f. 326 f. 6 Ibd. 326. Ibd. 194. 327. 8 Ibd. 326. ' Ibd. 327. D k S II 461 [541]; er fügt die Stelle dem Abschnitt aus der Sakramentsschrift Symeons von Thessaloniki an, den er hier zum zweitenmal zitiert (s. a. o. S. 201).

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Die Ausgangslage schien eigentlich verheißungsvoll: Wie die Wittenberger Reformatoren, ja noch weit vorbehaltloser, sahen die Tübinger in der griechischen Kirche zunächst die Trägerin einer Tradition, die in vielen Punkten evangeliumsgemäßer sei als die Roms, und gerade deshalb knüpften sie den Kontakt mit dem Patriarchen an. So gaben sie Jeremias trotz einiger Irritationen im Hin und Her der ersten Briefe^ auf die Warnungen vor Neuerung, die er im Zusammenhang mit Andreaes Predigt über die Perikope vom Guten Hirten geäußert hatte^, gleichsam einen Blancoscheck der Traditionstreue, indem sie beteuerten, sie bewahrten den Glauben, der von der Bibel sowie in den Aussagen der Kirchenväter und der sieben Ökumenischen Synoden überliefert worden sei^. Mit diesen Zeugen kirchlicher Tradition stehe die Reformation in Parallele und in Kontinuität: Auch sie sei veranlaßt worden durch den Kampf eines „von Gott außerordentüch erleuchteten, in Eifer um die Wahrheit entflammten" Kirchenvaters, nämlich Martin Luthers, gegen neue Lehren, und zwar gegen diejenigen, die der römische Papst im Widerspruch zu den alten göttlichen Schriften verkündige'*; und auch sie stütze sich auf ein Bekenntnis, das Kirchenväter (patres) abgelegt und unzählige Märtyrer durch ihr Leiden besiegelt hätten^. Der Glaube aber, der hier bekannt werde, sei eben kein anderer als der der griechischen Väter und der Ökumenischen Synoden. Auch in der Tübinger Antwort auf Jeremias' Kommentar zum Augsburgischen Bekenntnis äußert sich noch durchweg eine positive Sicht der griechischen Kirchenväter. Man ist nicht bereit, sich zur ganzen Breite dessen zu bekennen, was der Patriarch unter Uberlieferung versteht, und man hält die zeitgenössische griechische Kirche auch nicht mehr für eine gradlinige Fortsetzung der Kirche der ersten Jahrhunderte. Doch ihre klassischen Väter werden im allgemeinen hoch gelobt und viel zitiert, ja z.T. gegen die spätere aus Jeremias' Antwort sprechende Entwicklung ins Feld geführt. In dem zweiten Schreiben aus Tübingen erfolgt dann ein, von den Verfassern bewußt geplanter^ Umschwung: Zwar berufen sich die Lutheraner auch hier immer wieder auf griechische Kirchenväter, und sie werden das noch in ihrem letzten Beitrag tun, doch daneben stehen schwere Angriffe auf einige der klassischen Autoritäten ihrer Briefpartner. Man hat mittlerweile gemerkt, daß Jeremias sich für etliche der abgelehnten Meinungen zu Recht auf Kirchenväter beruft, und muß nun diese angreifen, um ihn zu treffen. Hand in Hand mit der Abwertung bestimmter Väter geht eine Differenzierung: In seiner vorangegangenen Antwort hatte der Patriarch zwischen lateinischen und griechischen Autoritäten unterschieden und ausdrücklich letzteren den Vorzug gegeben.

1 S.O.S. 45. 3 Acta3(s.o. S.61). 5 Ibd. 3.

o.S.56f. ·· Ibd.2. « Vgl. o. S. 127.

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Der Briefwechsel

Daraufhin bekennen sich die Tübinger zum Erbe der lateinischen Kirchenväter - die griechischen werden zu „vestri patres"'^. Dieses Vorgehen der Tübinger, sich auf die griechische Tradition zu berufen, solange sie die eigenen Aussagen zu bestätigen scheint, sich aber davon abzusetzen, sobald sie die eigene Lehre nicht mehr stützt, ist weniger opportunistisch, als es zunächst aussieht. Zum einen, weil die Württemberger aus Mangel an Kenntnis gar nicht wußten, was sie taten, als sie dem Patriarchen ihren „Blancoscheck" gaben. Vor allem aber, weil sie bei ihren positiven Aussagen über die griechische Tradition die relativierende Perspektive der Reformation vorausgesetzt hatten®. Sie wußten nicht, was sie taten, als sie Jeremias schrieben, sie hielten sich an die Uberlieferung der Kirchenväter und der sieben Ökumenischen Synoden, weil sie diese ÜberHeferung nur zum Teil kannten und außerdem deren Umfang sehr viel enger verstanden als der Patriarch. Für ihn umfaßte der Begriff παράδοσις die Gesamtheit der in seiner Kirche tradierten Glaubenssätze, rituellen und rechtlichen Vorschriften und liturgischen Bräuche, wie sie von den Ö k u menischen und Partikularsynoden (at οίκουμενικαΙ καΐ μερικαΙ σύνοδοι) sowie den Vätern festgelegt seien®. Die Tübinger dagegen dachten allein an die Uberlieferung theologischer Lehre im engeren Sinn, die die Allgemeinen K o n zilien - die lokalen lagen überhaupt nicht in ihrem Blick - und die Kirchenväter formuliert hätten. Doch selbst in diesem Bereich übersahen sie nicht, was ihre pauschale Bejahung der griechischen Tradition bedeutete. Hinsichtlich der Ökumenischen Synoden hatten sie nur von den ersten beiden historische Vorstellungen, die Lehren von Ephesus und Chalcedon setzten sie dem Inhalt nach voraus, doch die späteren Entscheidungen, etwa die des Konzils von 787, befanden sich außerhalb ihres Gesichtskreises. Und was die Kirchenväter betrifft, so wurde ihnen deren Meinung zu verschiedenen strittigen Punkten, etwa zur Frage der Willensfreiheit oder zu Einzelheiten der Sakramentslehre, erst im Laufe des Briefwechsels bewußt. Wenn die Korrektur und Erweiterung ihrer Kenntnisse bei den Tübingern dazu führte, daß sich ihre Bewertung der griechischen Tradition wandelte, dann deshalb, weil sie die kirchhche Überlieferung von vorneherein in einer Perspektive sahen, die sie unter inhaltlichen Gesichtspunkten relativiert. Ihre Zustimmung galt den sieben Ökumenischen Synoden, „welche auf den göttlichen ' Acta 292. 279 gegen 277. 293. 2 9 4 ; vgl. a. o. S. 149. Diese Distanzierung geht im Bewußtsein der Tübinger schon eher, nämlich bei der Lektüre des ersten griechischen Schreibens, vor sich (s. o. S. 94), sie wird aber erst jetzt ausdrücklicher Bestandteil ihrer Reaktion und verbindet sich mit der Berufung auf die lateinischen Väter. ® Vgl. o. S. 9 6 - 9 8 . Crusius' verzweifelte Bemühungen, das pauschale Zugeständnis zu entschuldigen und umzuinterpretieren. ' DkS I 443; II 475 [555]. Unter den Partikularsynoden versteht er hier vermutlich die vom Trullanum für normativ erklärten, nicht die späteren konstantinopolitanischen Synoden (vgl. u. Anm. 64).

Die theologische Auseinandersetzung

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Schriften erbaut sind" (super divinas literas aedificatis VII synodis)^°, und d . h . für die Tübinger, weil sie darauf erbaut seien. Diese Begründung ließ sich ihrer Ansicht nach überprüfen, und sobald sich herausstellte - womit man nicht gerechnet hatte, was man aber schließlich konstatierte - , daß sie nicht zutreffe, wurde aus dem „weil" ein „insofern" (quatenus)", wurde der Blancoscheck eingezogen und jeweils ad hoc Deckung gefordert. Dieses „insofern" ist der G r u n d t e n o r der Tübinger Aussagen über die Tradition. Vieles hält ihm stand, ein Großteil der patristischen Literatur und vor allem die altkirchlichen Symbole Nizäno-Konstantinopolitanum, A p o s t o h k u m und Athanasianum^^; auch sie verdanken aber eben ihren Wert allein der Tatsache, daß sie mit der Bibel übereinstimmen - das nizänische ομοούσιος etwa sei nicht anzunehmen, weil es auf der ersten Ökumenischen Synode „erfunden oder gebilligt wurde, sondern weil der Sinn dieses Wortes in vielen Zeugnissen der Schrift, w o von der ewigen Gottheit des Sohnes Gottes die Rede ist, ausgedrückt wird" (non quod a Synodo Nicaena sit reperta aut approbata, sed quia huius vocabuli sententia in multis testimoniis scripturae, quae de aeterna Filii Dei divinitate loquuntur, est expressa)" - ein Satz, der der grundsätzlichen Einschätzung kirchlicher Tradition durch die Reformatoren entspricht^'*. Andere Aussagen der griechischen Tradition dagegen halten nach Meinung der Tübinger dem „quatenus" nicht stand. Verschiedene altkirchliche Synoden, auch Ökumenische, hätten Beschlüsse verabschiedet, die mit dem Wort Gottes nicht übereinstimmten^^; so hätten sie etwa die Heiligenanrufung und Bilderverehrung verbindlich gemacht^® - relinquimus ea [sc. decreta] suis authorib u s " . Auch etliche Kirchenväter, selbst Größen wie Chrysostomos und Basileios, hätten gelegentlich Schriftwidriges verkündigt, z.B. die Notwendigkeit der Myronsalbung oder die Abhängigkeit der Rechtfertigung von den guten Werken^®. Manchmal hätten sie schlicht „halluziniert" (hallucinantur, Crusius schreibt höflicher: ενια π α ρ α β λ έ π ο υ σ ι ν ) ΐ ' , oft seien ihnen aber auch Fehler unterlaufen, weil sie die hebräische Sprache nicht beherrscht und deshalb das Alte Testament sowie Hebraismen im Neuen nicht richtig verstanden hätten^®die UnZuverlässigkeit ihrer Bibelexegese werde ja schon an der z . T . widersprüchlichen Vielfalt ihrer Auslegungen deutlich^!. Die Kirchenväter seien eben trotz all ihrer unbezweifelbaren geistigen und geistlichen Gaben Menschen '"АааЗ. " Ibd.265.378. Acta 265.153. " Ibd. 158. " S. o. S. 20; vgl. Kretschmar, Die altkirchhche Tradition in der evangehschen Kirche, in: Tradition und Glaubensgerechtigkeit 24: Die Reformation n a h m das altkirchliche D o g m a nicht deshalb auf, „weil diese Sätze von rechtmäßigen ökumenischen Konzilien als der obersten Rechtsinstanz der Kirche aufgestellt w o r d e n wären, sondern weil sie dem W o r t e G o t t e s entsprechen". " Acta 265. 340. 343. Ibd. 340. 1' Ibd. 343. Ibd. 302. 310. 316; s. a. 336f. i« Ibd. 342, s. u. 157. 268. ^ M b d . 157.267f. 21 Ibd. 268f.

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gewesen und damit fehlbare Wesen^^. Gerade sie selbst, doch auch die Synoden, hätten aber ja gar keine Unfehlbarkeit beansprucht, sondern immer wieder auf die Schrift als Maßstab ihrer eigenen Worte verwiesen; wo sie dieser N o r m nicht entsprächen, wollten sie vom Leser oder Hörer verworfen werden^^. Indem die deutschen Briefpartner die Schrift zum Maßstab für die Beurteilung der kirchlichen Traditionen erklären, setzen sie voraus, daß sie eine solche Funktion überhaupt erfüllen kann: Sie muß nicht nur unfehlbar wahr, sondern auch in sich klar und eindeutig sein. So bilden das Gegenstück zu den Aussagen, die die Tübinger über die Tradition machen, breite hermeneutische Erörterungen über die BibeP". Ganz im Sinne des Locus von den affectiones scripturae sacrae der lutherischen Orthodoxie^® schreiben die Lutheraner der Schrift Klarheit (claritas, perspicuitas), Vollkommenheit oder Heilsgenugsamkeit (perfectio sive sufficientia), Heilswirksamkeit (efficacia) und aufgrund alles dessen absolute Autorität (auctoritas) zu^®. D . h . konkret: Die Bibel ist aus sich heraus verständlich und eindeutig^''. Entsprechende exegetische Ergebnisse setzen allerdings angemessene Methoden voraus, wie sie auch sonst bei der Analyse von Urkunden anzuwenden sind^®, vor allem Interpretation im Gesamtkontext - die Schrift legt sich selbst aus (scriptura per scripturam [sc. explicatur]), weil all ihre theologischen Aussagen auf denselben Geist zurückgehen^® - und Arbeit mit dem ursprachlichen Original; dem Patriarchen werden diese humanistisch-reformatorischen Grundsätze ausführlich vorgetragen^". Wie wenig er damit anfangen kann, zeigt die Tatsache, daß er die Hinweise seiner Briefpartner auf den hebräischen Wortlaut des Alten Testaments mit dem Vorwurf beantwortet, sie hätten ihre Lehre von den Juden übernommen^^. Ferner gilt die Schrift als vollkommen und hinreichend, was die Erfordernisse des ewigen Heils b e t r i f f t ^ ^ Außerhalb ihrer brauche der Chrtist nicht nach Begründungen und Mitteln für die Erlösung zu suchen, ja es sei sogar gefährlich (periculosus), wenn er es versuche, weil er sich dann auf etwas verlasse, was nicht von Gott autorisiert sei^^. Die Beschränkung auf die Bibel und die Suche nach ihrem immanenten Sinn (sententia)^"* müsse im Interesse des Menschen gefordert werden, gerade insofern er sein Heil suche, sie sei eine Notwendigkeit

" "

Ibd. 145. Ibd. 151 f. 153f. " Ibd. 1 4 9 - 1 5 8 . 2 6 5 - 2 7 0 . Zwar lag dieser Locus im 16. Jahrhundert noch nicht voll entwickelt vor, wie es im folgenden der Fall sein sollte, da die affectio der efficacia noch nicht auf den Begriff gebracht war, doch faktisch fand sich die entsprechende Lehre schon, in den Tübinger Antworten ist sie unübersehbar. " Vgl. Eiert, Morphologie 1 1 5 7 f f . " Ibd. 155f. 266. 268. 346. ^e ¡ b J . 149. Ibd. 156. Acta 1 5 5 - 1 5 7 . 2 6 6 . 267f. 346. 31 DkS II 488 [568]. ^^ A^ta 154. 265. " Ibd. 1 5 5 . 2 6 5 . 312. ibd. 1 5 7 . 2 6 9 .

Die theologische Auseinandersetzung

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für das Gewissen: Conscientia . . . non acquiescit, nisi scripturae veram sententiam ex ipsa scriptura . . . hauriat^^. Das Stichwort „Gewissen", Schlüsselbegriff der Rechtfertigungslehre, zeigt, daß es bei dem „sola scriptura" der Tübinger nicht einfach um die Summe der in der Bibel enthaltenen Aussagen geht. Vielmehr ist die Schrift Wort Gottes, insofern in dem, wovon sie berichtet und was sie deutet, das Heil des Menschen begründet liegt, die Vergebung der Sünden und das ewige Leben, kurz die Rechtfertigung vor Gott. Trifft sie mit dieser Botschaft auf den Hörer oder Leser, wird sie zum Wort im engeren Sinn, zur Anrede, durch die Christus im Heiligen Geist spricht und das Herz, das „Gewissen" berührt und verändert, wobei umgekehrt gilt, daß er auch nur durch sie spricht, gebunden an seine Worte und Taten auf Erden und das Zeugnis der Apostel davon^®. Damit ergibt sich zugleich eine Scheidung innerhalb des von der Bibel gebotenen Stoffs: Nicht alles, was darin steht, betrifft und vermittelt die „Ruhe des Gewissens" in Christus, daneben gibt es Material, das sich auf die Umstände bezieht, unter denen Vergebung und Leben in bestimmten Situationen gespendet und empfangen wurden; dies kann nicht Teil der Verkündigung zu allen Zeiten und an allen Orten sein, etwa die Krankensalbung und andere Bräuche und Regelungen der Urgemeinde^^ - das Evangelium von der Rechtfertigung bildet zugleich den wesentlichen Inhalt und das Interpretationskriterium der Schrift. Die genannten Züge der Bibel machen sie zur alleinigen (sola scriptura)^® Autorität in der Kirche und damit eben auch zum Richter (iudex) und Maßstab (regula, norma) der kirchlichen Traditionen^'. Im Verhältnis zur Unfehlbarkeit und Klarheit der Schrift gleichen diese einem Bach, der nach dem Verlassen der Quelle durchs Gelände fließt: Er nimmt etwas von dessen Farbe und Schmutz an und verliert die Reinheit (puritas) des Ursprungs"®. So zeigen die Traditionen Einflüsse der Entstehungssituationen und enthalten oft genug auch Irrtümer''^ Wohl setzt man auch auf Tübinger Seite kirchliche Überlieferungen in Lehre, Liturgie und Kirchenordnung voraus, doch sie sollen nur den Zweck haben, die reine Weitergabe des Evangeliums in verschiedenen Situationen sicherzustellen - die dogmatische Überlieferung etwa soll es auf neue Fragen hin auslegen"^ und vor Verdrehungen durch die Häresien schützen'*^, die liturgische den jeweils angemessenen (decens) Vollzug der Sakramente garantieren·*^^. Wandlungen sind möglich, ja sogar nötig, wenn sich die Situation verändert""*, dürfen aber nicht unnötig vom Zaun gebrochen werden, damit niemand glaubt, es seien die entsprechenden Worte oder Bräuche, an denen das Heil hänge"^. Der geschicht"

Ibd. 269, s . a . 268. 270, 312.

"

Ibd. Ibd. "»Ibd. Ibd. " Ibd.

199. 152. 154. 159; 153.

174. 326 u. a. 265.

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Ibd. 1 5 8 . 3 1 1 .

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jbd. ] 93 f. 3 ц . 326. Ibd. 149. 150. 265 u.a. Ibd. 1 5 4 . 2 6 8 . vgl. a. ihre Erwägungen zur Methode der Trinitätslehre. 158. Ibd. 192. ''Mbd.313.

340

Der Briefwechsel

lichen Kontinuität kirchlicher Formulierungen und Einrichtungen kommt also in den Augen der Tübinger rein praktische Bedeutung, aber keinerlei Wert für das Heil zu, dies soll sich immer so ereignen, daß das biblische Wort Gottes in Verkündigung und Sakramentsfeier unmittelbare·*® Anrede wird""^. Den breiten Ausführungen der Tübinger über die Bibel und ihr Verhältnis zur kirchlichen Tradition stellt der Patriarch nichts entgegen"'®, ja hier liegt der einzige Fall in der Korrespondenz vor, in dem die Kapitel einer Seite zu einem bestimmten Thema ohne Pendant auf der anderen sind''®. In der griechischen Kirche hatte man die Beziehung von Schrift und Tradition nie grundsätzlich erörtert, so daß Jeremias weder auf Vorarbeiten zurückgreifen konnte noch ihm die von den Tübingern angesprochenen Fragen überhaupt geläufig waren - und auch die Aussagen seiner Briefpartner brachten ihn nicht dazu, diese Fragen zu behandeln®". So gibt es nur ganz wenige Passagen grundsätzlicher Art dazu in seinen Schriften. Darunter ist Kanon 19 der Synode in Trullo, wonach die Bibel nur so ausgelegt werden darf, wie es die Kirchenväter getan haben®^. Die Vgl. ibd. 270: Man ließe sich den Weg zum aus sich heraus verständlichen Wort der Schrift versperren, wollte man sich ihm über die - meist unterschiedlichen - Auslegungen der Tradition nähern; und ibd. 157f. 269f.: Schon vor den Kirchenvätern gab es Christen, die aus dem Wort Gottes lebten - man erreicht durch Interpretation der Bibel aus sich selbst heraus praktisch wieder deren Situation, wenn auch in einem anderen historischen Kontext. Es ist also nicht nur „fraglich, ob" die Tübinger die Tradition „neben der Schrift als Übermittlerin der Offenbarung angenommen hätten", wie Mehe4intu (Offenbarung 315) schreibt, sondern sie schlossen diese Auffassung gerade aus. "" Vgl. Mehe4intu, Offenbarung 314. Vgl. schon Crusius' Klage, die Griechen seien auf die Aussagen der Tübinger über die Heilige Schrift überhaupt nicht eingegangen, s. o. S. 126f. Darin, daß er das Verhältnis von Schrift und Tradition nicht erörterte, die Tübinger dagegen, für die diese Frage zum täglichen Brot der Kontroversen mit Rom gehörte, es sehr wohl taten, liegt der Unterschied im Stellenwert des Themas bei den beiden Briefpartnern. Man kann daher zwar sagen, der Patriarch habe sich in seiner einseitigen Sorge um die rechte Bewertung der Tradition der Frage nach der Bedeutung der Schrift entzogen (Mehe4intu, Offenbarung 315), dasselbe aber nicht umgekehrt hinsichtlich der Tradition für die Tübinger feststellen. O b man ihre Ausführungen für befriedigend hält oder nicht, jedenfalls trugen sie eine Konzeption vor, in der Schrift und kirchlicher Überlieferung ein fester Platz zugewiesen wurde. Darum geht der Satz an der Sache vorbei: „Das hermeneutische Prinzip der Reformation von der Selbstauslegung der Schrift hindert die Tübinger Theologen daran, die hermeneutische Funktion der Tradition gegenüber der Schrift zur Geltung zu bringen" (ibd. 314). Es kam ihnen ja gerade darauf an, eine solche Funktion für überflüssig zu erklären. Auf Seiten der Württemberger war an diesem Punkt ausschlaggebend nicht „Mangel" an Integrationskraft und an Bereitschaft, sich ernsthaft mit dem Problem des Partners auseinanderzusetzen, „um zu der Erkenntnis zu kommen, daß weder allein die Schrift noch allein die Tradition eine Alternative sind" (ibd. 316), die Integration wurde vielmehr ausdrücklich verworfen, die Alternative postuhert. Mehe4intus Tendenz, die Gegensätze zwischen den Briefpartnern als diskussionsbedingte Einseitigkeiten zu deuten und aufzuheben, nimmt der Tübinger Position gerade ihre Eigentümlichkeit (s. a. o. Anm. 47). Man kommt nicht darum herum, sie in ihrer Radikalität ernst zu nehmen und dann zu fragen, ob sie inhaltlich zu kritisieren sei. 51 DkSII435[515].

D i e theologische Auseinandersetzung

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Interpretationen der Briefpartner gelten demgegenüber als „subjektiv" (ϊδιος)^^. Will der Patriarch damit der These von der Klarheit der Schrift oder nur bestimmten Deutungen der Tübinger entgegentreten? Er kann schreiben, die Kirchenväter steuerten zur Bibelexegese das „Licht der Klarheit" bei®^, was für die erste Ansicht spräche. An anderer Stelle wirft er den Lutheranern Verdrehung des - demnach offenbar als eindeutig verstandenen - biblischen Wortlauts selbst und er führt immer wieder Schriftzitate als unmittelbar normative Instanzen an^·*, ja er tut das sogar sehr viel vorbehaltloser als die Württemberger^^, insofern er von der Gleichgewichtigkeit aller biblischen Sätze ausgeht und nicht wie die Briefpartner einen hermeneutischen Maßstab auch zur Abstufung innerhalb dieses Materials verficht. Jedenfalls setzt Jeremias voraus, daß die Schriftauslegung der Konzilien und K-irchenväter richtig und normativ sei. Und zwar deshalb, weil derselbe Geist im Interpretierten wie in den Interpreten wirkte^®: Er machte sie „gleichsam zu einer zweiten Sonne" (οΪά περ ετερος ήλιος)®^ und garantierte die unumstößliche (άπαρασάλευτος) Wahrheit ihrer Aussagen^® sowie ihre wechselseitige Übereinstimmung^' - Attribute, die die Tübinger der Schrift beigelegt hatten. D . h . , beide Briefpartner sehen die Rolle der Kirche bei der Vermittlung des Wortes Gottes unterschiedlich: Für die Tübinger soll sie nur der Kanal sein, durch den das Wort der Schrift immer wieder direkt das Gewissen des Hörers trifft, ihre eigene Aktivität nur dessen reine und ordentliche Weitergabe im Laufe der Zeiten und veränderten Umstände schützen. Für den Patriarchen dagegen ist das vom Evangelium ausgelöste Leben der Kirche selbst Gegenstand der Verkündigung und Norm der Gesetzgebung, „unfehlbar und unerschütterlich" (άσφαλής καΐ άκράδαντος) aufgrund der Verheißung Christi®". Kraft des in ihr wirkenden Geistes bedarf die Kirche keiner Kontrolle durch eine außerhalb liegende Instanz®!; so kann Jeremias, unter Protest der Lutheraner®^, Christus, die Apostel, die Konzilien und die Kirchenväter in einem Atemzug nennen®^. Grundsätzlich ist die Erweiterung des normativen Gutes unabgeschlossen, solange es die Kirche gibt; de facto beruft sich der Patriarch allerdings nur auf die Autoritäten der Zeit bis zum Siebten Ökumenischen Konzil®·*, sieht " "

Ibd. 1 5 0 2 ; II 4 3 5 [515]. S.O.S. 187. DkS 1 4 8 8 [568]. Vgl. etwa den Verweis auf die W o r t e Jesu, worin das filioque widerlegt sei (ibd. 449 [529]). ' ' S. etwa den Fall der Krankensalbung (s. o. S. 334) oder die Aussage, das Verbot, Götzenopferfleisch, Blut und Ersticktes zu sich zu nehmen (Apg 15,20), sei nach wie vor gültig (DkS I 500). " Ibd. 4 4 4 ; II 488 [568]. " I b d . 1444. 58 Ibd. "

Ibd. 464 [544]. Ibd. 1 4 4 4 . Vgl. a. Mehecjintu, Offenbarung 3 1 4 : Die Aussagen des Patriarchen erwecken „den Eindruck, daß die Tradition keiner normativen Instanz bedarf". " A c t a 153. " T G 421. " Das Konzil von 879 bezeichnet er bzw. die von ihm zitierte Quelle ausdrücklich als lokales (DkS II 4 4 3 [523]). Welchen Rang er ihm zumißt, wird nicht deutlich, weil sein Interesse an dieser

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Der Briefwechsel

er seine Kirche ebenso in einer Position der reinen Abhängigkeit ihnen gegenüber wie die Tübinger gegenüber der Schrift - ja, insofern sich für ihn diese Abhängigkeit in wörtlicher Wiederholung und buchstäblichem Gehorsam konkretisiert, noch in ganz anderem Maß. Und wie die Lutheraner denen unstatthafte „Neuerung" (νεωτερισμός) vorwerfen, die sich nicht allein am „allerältesten" Evangehum des Alten und des Neuen Testaments ausrichtend^, so wendet Jeremias diese Kritik gegen jedermann, der von der Tradition jener acht Jahrhunderte abweiche^®. Hier sei die Mauer des Glaubens fest gebaut und jede Bemühung des Verstandes unangemessen; wer den entsprechenden Überlieferungen folge, der habe alles und brauche nicht mehr zu suchen, sondern nur zu bewahren. Jede Abweichung auf den Pfaden des Denkens führe dagegen in das Chaos®·^. Die Tübinger seien leider besessen von dem Zwang, ihren Verstand unaufhörlich in Bewegung zu halten: ουδέ ϊσταταί πως υμών ή διάνοια®®. Als Paradeprodukt dieser irreleitenden Sucht zu denken gelten die Aussagen zugunsten des filioque®'. Das geistgewirkte Leben der Kirche erschöpft sich nach den Aussagen des Patriarchen nicht darin, Tradition als normative Interpretation der Bibel zu entwickeln. Es ist auch Träger der „ungeschriebenen Überheferung" (άγραφος παράδοσις)'''', ein Punkt, auf den Jeremias trotz des Widerspruchs seiner Briefpartner'^i nicht näher eingeht. Und es bringt, in Kontinuität mit der Schrift, doch über sie hinaus, neue Heilsquellen hervor. Der Patriarch führt das am Beispiel der Myronsalbung aus'^^, doch de facto ist für ihn auch hinsichtlich der anderen Mysterien die Tatsache entscheidend, daß sie in seiner Kirche gefeiert werden und wie das geschieht. All diese Lebensregungen der Kirche sollen verbindlich sein, d.h., nur wer all ihre Lehren, Gesetze und Riten übernimmt", kann zur Einheit mit ihr k o m m e n D e r Gegensatz zu C A 7, wonach Kircheneinheit nicht die Gleichheit aller Traditionen und Riten voraussetzt, und zu den entsprechenden Aussagen der Tübinger^^® ist unübersehbar. Konkreter Ausdruck dieser Sicht der kirchlichen Uberlieferung ist die Struktur der griechischen Schreiben selbst - man könnte sagen, daß in gewisser Weise Stelle nur darauf gerichtet ist, die Ablehnung des filioque durch R o m im 9. Jahrhundert zu zeigen. Auf jeden Fall hat die kirchliche Entwicklung der Zeit nach der Ökumenischen Synode von 787 für ihn ein anderes Gewicht als die bis dahin abgelaufene - bezeichnenderweise nennt er die jüngeren Theologen, die er zitiert, kaum je namentlich, sie galten ihm nicht als Kirchenväter, deren bloßer N a m e schon die Signalwirkung der normativen Autorität hatte. Interessant wäre die Frage, wie er Gregorios Palamas und die konstantinopolitanische Synode von 1351 eingeordnet hätte, doch dieses Problem wurde nicht erörtert, wie ja die palamitische Lehre überhaupt nur anklang (s. o. S. 243). " Acta 2 f. 346. " T G 421 ; D k S 1443. II 475 [555]. « Ibd. 457 [537]. «β Ibd. 476 [556]. ' ' Ibd., s. a. 457. [537]. T G 421 ; D k S 1463. " A c t a 151. " S . O . S . 279.291. D k S 1443. 445. 4 4 8 . 4 5 7 . 4 7 6 . 495. 500; II 475 [555] u.v.a. Ibd. 1443. 502f.; II 475 [555]. " Acta 183.192f. 311. 312f. u.a.

Die theologische Auseinandersetzung

343

sie die Stelle des fehlenden Kapitels zum Thema „Schrift und Tradition" einnimmt: die Tatsache nämlich, daß Jeremias' Antworten im wesentlichen aus Zitaten von Kirchenvätern, Konzilsentscheidungen und liturgischem Material bestehen''®. Daß der Patriarch so schreibt, geht nun aber ebenso wie die dahinterstehende Haltung zur Tradition nicht auf persönhche Eigentümlichkeiten zurück, es entspricht vielmehr der in seiner Kirche seit Jahrhunderten vorherrschenden"'·' Weise, Theologie zu treiben. Diese Theologie war Frucht einer bestimmten Art von Wissenschaftsbetrieb: Organisierten theologischen Unterricht gab es nicht, vermutlich besaß das Patriarchat von Konstantinopel vor dem Fall der Stadt gar keine Schule für diesen Zweck''®; wer entsprechende Kenntnisse erwerben wollte, tat das, indem er allein oder mit einem Privatlehrer die Bibel und die Schriften der kirchlichen Uberlieferung las'". Das führte dazu, daß Theologie wesentlich als Wiederholung von Aussagen der Tradition, vor allem der Kirchenväter, verstanden wurde; Systematisierung und methodische Reflexion, wie sie die Universitäten des westlichen Mittelalters hervorgebracht hatten, konnten hier nicht aufkommen®", ebensowenig Anfragen an das Uberlieferte unter ungewohnten Gesichtspunkten. Hand in Hand mit dieser Entwicklung ging ein Zug der kirchlichen Praxis, den man als stetige Gewichtszunahme des rituellen Elements bezeichnen kann®^. Die christliche Gesellschaft galt in weiten Kreisen immer weniger in erster Linie als staatlicher Organismus Kaiserreich, sondern als Kultusgemeinschaft®^. Das hieß konkret, daß nicht nur der höhere Klerus mehr und mehr das Selbstbewußtsein entwickelte, er stelle die Spitze der - byzantinischen - Christenheit dar®^, sondern vor allem eben, daß kirchliche Riten einen immer größeren Raum einnahmen®·*. Diesem Lauf der Dinge stellten sich um so weniger Gegenkräfte in den Weg, als der staatliche Zusammenhalt immer schwächer wurde, und auch von seiten der Theologie in ihrer beschriebenen Gestalt gingen keine andersgerichteten Impulse aus, sie ordnete sich vielmehr

Vgl.O.S. 151 f. " Zu anderen Ansätzen, die es auch gab, die aber punktuell blieben, s. Beck, Geschichte 164 ff. 232 ff. 2 6 0 ff. und bes. Podskalsky, Theologie. " Ibd.56f. " I b d . 5 7 f . ; Beck, Jahrtausend 171. »0 Vgl. Podskalsky, Theologie 64. Vgl. dazu Walter, A r t and Ritual, der das am Zusammenhang von Ritus und Ekklesiologie mit der kirchlichen Malerei aufweist. Den entscheidenden Einschnitt, in dem sich diese Entwicklung im Bereich der Kunst niederschlägt, sieht er im 11. Jahrhundert. Ibd. 241. Beck, Jahrtausend 103 ff. zeigt, daß diese Perspektive schon in den ersten Jahrhunderten des christlichen Kaiserreichs aufkam, doch sie trat im Laufe des Mittelalters immer mehr in den Vordergrund, so daß sie schließlich den Sturz des politischen Rahmens überlebte. Walter, A r t and Ritual 241. 2 4 4 ; zu dem Bedeutungszuwachs, der sich beim höheren Klerus vor allem in Konstantinopel seit dem 11. Jahrhundert feststellen läßt, vgl. a. Beck, Kirche und Klerus 23 f. und Tiftixoglu, Gruppenbildungen. Walter, Art and Ritual 240, vgl. a. Beck, Jahrtausend 103 f.

344

Der Briefwechsel

der Entwicklung ein, insofern innerhalb ihres Umgangs mit der Tradition die Betrachtung der Riten ein wesentliches Feld bildete. All das änderte sich 1453 nicht. Im Gegenteil, die griechischen Christen bezogen nach dem Verlust des eigenen Reiches ihre Identität gerade aus Jenem kirchlich geprägten Selbstbewußtsein samt der ihm entsprechenden Praxis und aus dem unerschütterlichen Anspruch, nichts als das Überlieferte zu vertreten. Dieser Anspruch prägte auch die 1453 gegründete Patriarchalakademie®^ und führte dazu, daß sie sich lange Zeit völlig in den Bahnen des früheren theologischen Betriebes bewegte, die Mitte des folgenden Jahrhunderts einsetzenden Reformen®® brachten erst nach der Zeit des Briefwechsels zwischen Tübingen und Konstantinopel zumindest phasenweise Veränderungen der Perspektive und der Methoden ein®^. Was Patriarch Jeremias betrifft, so gehört er ganz in die geschilderte Entwicklung. Er hatte sein theologisches Wissen privat bei einheimischen Klerikern erworben, von westlichen Einflüssen war er nicht berührt®®, ebensowenig wie die beiden Zygomalas, die Hauptverfasser der Schriften an die Lutheraner®®. Wenn der Patriarch sich weiterzubilden und seine Akademie zu reformieren suchte, dann ganz im Sinne einer Verbesserung des überkommenen Systems'". Und so wäre es denn verwunderhch, wenn er den Tübingern nicht so geschrieben hätte bzw. hätte schreiben lassen, wie er es gewohnt war, Theologie zu treiben: eben indem er Aussagen wiederholte, die von anerkannten Vertretern der kirchlichen Lehre stammten, und die im Laufe der Zeit gewachsenen Riten anführte. Neben dem Thema „Schrift und Tradition" erörtert der Briefwechsel das Problem „Tradition und Tradition", d.h. die Frage nach dem Verhältnis unterschiedlicher Aussagen innerhalb der kirchlichen Überlieferung. Diese Frage hatte in den mittelalterlichen Kontroversen zwischen R o m und Konstantinopel eine wichtige Rolle gespielt und schließlich auf dem Konzil von Ferrara-Florenz, anläßlich des Themas Geistausgang, die entscheidenden Sitzungen bestimmt. Allerdings war ihr Stellenwert dort ein anderer gewesen als nun in der Auseinandersetzung zwischen Tübingern und Griechen: R o m und Konstantinopel waren sich einig darin, daß sie die altkirchliche Tradition für normativ hielten, und es kam zwischen ihnen nur darauf an, den Sinn dieser Tradition zu erheben. Das hieß konkret, auf der Grundlage des Axioms, daß die vom Geist gestiftete N o r m eine sein müsse und die Väter sich darum nicht widersprechen könnten, war der gemeinsame Nenner all ihrer Aussagen festzustellen. Dazu wandte man die Methoden an, die die Tübinger Schriften, aufgrund desselben S. dazu Podskalsky, Theologie 234 mit Lit. Zu ihnen s. Runciman, Patriarchat 208. Vgl. Meyer 9; Podskalsky, Theologie 235. Vgl. o. S. 42. 89 V g l . o . S . 6 9 f . u . 2 7 3 , A n m . 2 . S. Meyer 91 ; Runciman, Patriarchat 214.

Die theologische Auseinandersetzung

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Axioms, für die Bibelexegese fordern: Urtextanalyse und Interpretation im Kontext des gesamten vorliegenden Materials®^. Da die Tübinger die Einschätzung der kirchlichen Tradition durch die Griechen nicht teilen, hat die Frage nach dem Verhältnis der Überlieferungen zueinander für sie einen anderen Stellenwert. Sie hätte nicht wie in Florenz die Basis der Einigung mit Konstantinopel bilden können. D o c h die Widerlegung des Axioms von der Einheitlichkeit der Tradition wäre ein Zusatzargument gegen die schon grundsätzhch bestrittene Rolle gewesen, die die Überlieferung in den Schriften des Patriarchen spielt. Eben darauf legen die Tübinger es an. Schon von vorneherein ist Jeremias' Axiom bescheidener als das der Griechen in Florenz: Er geht nicht vom geistgewirkten Konsens aller, sondern nur von dem der griechischen Kirchenväter aus - die Union von 1439 hat sich ja eben als Fehlschlag erwiesen. Zwar kann der Patriarch auch lateinische Väter zustimmend zitieren'^ und erwägen, ob nicht vielleicht ihre den griechischen Autoritäten widersprechenden Aussagen gefälscht'^ oder nur diskussionsbedingte Zugeständnisse an den jeweiligen Gesprächspartner oder einfach menschliche Irrtümer gewesen seien, wie man sie selbst bei östlichen Vätern gelegentlich feststellen müsse'"; doch grundsätzlich behauptet er, die eigenen Kirchenväter seien glaubwürdiger (άξιοπιστότεροι) und außerdem weit in der Überzahl (πάλλω πλείονες) gegenüber denen der Lateiner, Augustin, Ambrosius, Hieronymus u.a.'^. Die Tübinger nehmen diese Aufsplitterung der einen altkirchhchen Tradition zum Anlaß, sich zu den lateinischen Vätern zu bekennen, auch das zwar in dem Sinn, daß sie hier Zeugnisse und nicht N o r m e n der rechten Verkündigung sehen, doch mit deuthcher Präferenz: Die griechischen Väter sind nun „vestri patres"'^, sie selbst, die Lutheraner, hätten, wenn man schon menschliche Autoritäten anführen wolle, ebenso viele westliche Kirchenväter auf ihrer Seite, wie die Griechen an östlichen für sich zitieren könnten'^. U n d jene westlichen, vor allem Augustin, hätten ungleich „vorzüglicher" (exquisitius) geschrieben als die des Ostens'®. Nicht genug damit, daß nach Meinung beider Briefpartner von Einstimmigkeit der gesamten patristischen Tradition keine Rede sein kann, die Tübinger erklären darüber hinaus, auch die griechische sei in sich widersprüchlich Ί Vgl. Gill, Konstanz 270ff., bes. 284f. 287. 290-292. 300-302. « DkS II 446 [526]. 447 [527]. 451 [531]. 476 [556]; sogar Thomas von Aquin führt er einmal billigend an (ibd. 438 [518]). " Ibd. 448 [528], eine alte (s. u. Anm. 103), auch auf dem Konzil von Florenz angewandte Methode, mit Unterschieden innerhalb der als einheitlich vorausgesetzten Tradition fertigzuwerden (vgl. Gill, Konstanz 285 f.). "· DkS II 448 [528]. DkS II 442 [522]. " Acta 279.293.294. " Ibd. 292. " Ibd. 277f. Aaf.; konkreter Bezugspunkt ist hier das filioque.

346

D e r Briefwechsel

verschiedene Aussagen östlicher Väter ständen auf Seiten der Lutheraner®^. Als Beispiele werden neben Theologen, die das filioque stützten^"", Epiphanios' Kritik an der Bilderverehrungi®^ und Chrysostomos' Ablehnung der allgemeinen Beichtpflichti°2 angeführt. Der Patriarch geht auf das letzte Argument gar nicht ein, das Epiphanioszitat weist er mit der schon von Joannes Damaskenos aufgestellten Behauptung zurück, die entsprechenden Sätze müßten gefälscht sein, da ein Kirchenvater dem anderen nicht widersprechen könne^°^. So deutliche Genugtuung es den Tübingern auch bereitet, den Briefpartner mit seinen eigenen Waffen anzugreifen, so wenig ist diese Taktik doch Selbstzweck. Vielmehr geht es ihnen darum, diese Waffen überhaupt als unbrauchbar zu erweisen^"·*. Wenn Jeremias selbst einen Teil der Väter, nämlich die lateinischen und sogar einige griechische, tadle und einräume, sie seien Menschen und damit fehlbar gewesen^"^, wenn er nicht einmal in allen Fällen den hochgepriesenen Autoritäten der eigenen Tradition folge^°®, dann müsse er dieselbe kritische Haltung den Briefpartnern zugestehen; ja dann müsse er mit ihnen die Konsequenz ziehen, daß ein inhaltliches Kriterium nötig sei, den Wahrheitsgehalt jeder einzelnen Äußerung aus der Vergangenheit der Kirche zu prüfen eben die im Gegensatz zur Tradition tatsächlich einstimmige Heilige Schrift^"''. Die Einstimmigkeit der Bibel in Zweifel zu ziehen und so den Spieß wiederum umzudrehen, wäre dem Patriarchen nicht in den Sinn gekommen. Statt dessen faßt er abschließend seine Auffassung in dem lapidaren Satz zusammen: Die geisterfüllten Väter hätten „ausgelegt, wie sie eben ausgelegt haben" (ήρμήνευσαν ώ ς ήρμήνευσαν)ΐ°®.

Ibd. 293. "»»ша.гдз^ ibd. i 8 8 . 3 3 5 f . Ibd. 178. 323. 376. DkS II 464 [544]. ">•· Vgl. den auf die Absichten der Tübinger völlig zutreffenden Vorwurf des Patriarchen in seiner letzten Antwort: t à δ π λ ο ήμών άχρηστα άποδεικνΰετε (ibd. 489 [569]). Acta 294. Ibd. 376. Ibd. 2 9 4 : de vestris Graecis patribus . . . pro vestra aequanimitate nobis, ut opinor, eandem censuram concedetis, quam vobis de illis et Latinis quoque supra permisistis . . . Sic ergo veterum o m n i u m (gesperrt von Verf.) scripta legamus, ut in iis iudicandis sacram scripturam, veluti Lydium lapidem, adhibeamus. Ibd. 376: videmus, vos patres quidem, praesertim Graecos, magnis laudibus cumulare, interim tarnen saepe ab eorum sententia recedere. Quod et nobis Ucere existimamus, quando a scriptura . . . recedunt. 108 DkS I I 4 8 8 [568].

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Teil I I I : Die Verwendung des Briefwechsels in der Polemik der westlichen Kirchen gegeneinander 1. Die Verbreitung der Kenntnis von dem Briefwechsel über den Kreis der Eingeweihten hinaus Als Kanzler Andreae dem Herzog empfahl, Ungnads Wunsch nach einem evangelischen Prediger zu erfüllen, stellte er dies Unternehmen in den Rahmen der westlichen Konfessionsgegensätze, und auf deren Hintergrund sah er, wie sich gezeigt hat, auch den Kontakt mit den Griechen. Damit war eines unumgänglich: äußerste Diskretion. Informationen über den Briefwechsel durften niemandem in die Hände fallen, der sie gegen die Lutheraner ausspielen konnte; außerdem war für alle Fälle die Beteiligung des Herzogs mit keinem Wort zu erwähnen Das galt zumindest, solange man sich nicht sicher war, ob die Antworten der Griechen die eigene Position stärken würden, und vollends, wenn sich herausstellen sollte, daß sie es nicht taten. Die Rolle, die der Briefwechsel später in der Polemik zwischen den westlichen Konfessionen spielte, gab diesen Überlegungen recht. Sie galten naturgemäß nur gegenüber den nichtlutherischen Lagern. Wo man, kirchlich gesehen, unter sich war, fühlte man sich frei, über die Korrespondenz zu sprechen. Innerhalb Tübingens wußte jeder davon, die Briefe vom Bosporus machten die Runde bei Angehörigen aller Fakultäten. Die Tatsache, daß viele Tübinger Theologen außerhalb Württembergs zum Einsatz kamen, wird für weitere Verbreitung der Nachricht vom Kontakt mit dem Patriarchat gesorgt haben^, ganz abgesehen davon, daß Gerlach mit einigen von ihnen selbst korrespondierte^. Selbst Andreae berichtete den Theologen seiner Richtung in Sachsen, ja sogar dem Kurfürsten, davon und ließ sich Kopien von einigen Briefen aus Konstantinopel nachschicken, um sie diesen Interessenten vorzulegen"*. O b er dergleichen auch nach der ersten Antwort des Patriarchen tat, ist allerdings zweifelhaft; sein Verbot an Crusius, die Schrift irgend jemandem zu zeigen, da sonst sein Lebenswerk zerstört werden könne®, galt wohl ausschließlich - mußte man nicht immer mit undichten Stellen rechnen? ^ Vgl. schon die Neufassung des Passes für Gerlach (s. o. S. 36). 2 S. z. B. den Brief Plancks aus Heidelberg vom 2. 3. 1577, Cr. T B MS I 450. ' So mit Polykarp Leyser in Wittenberg (Gl. T B 427. 526, C r . T B MS I 6 9 2 - 6 9 6 (vgl. o. S. 118, Anm. 92), s. a. 2 2 7 ) und mit David Chytraeus (s. u. S. 350). " C r . T B MS I 3 2 0 . 4 6 5 . « S. o. S. 94.

348

Die Verwendung des Briefwechsels

Noch an einem zweiten Punkt gelangten Informationen von dem Briefwechsel über den Kreis der Beteiligten hinaus, und das mit sehr viel weiterreichenden Konsequenzen: in Crusius' Humanistenzirkel. Wie viele seiner gebildeten Zeitgenossen, so pflegte auch der Altphilologe eine ausgebreitete Korrespondenz, die sich schließlich von Skandinavien und England im Norden bis Alexandrien im Süden erstreckte. Die Briefe, die hier hin und hergingen, galten nicht so sehr der Aufnahme und Pflege persönhcher Beziehungen wie dem Austausch von Informationen. Und so betrafen sie alles und jedes, worauf sich die enzyklopädischen Neigungen eines Humanistenherzens richteten. Naturwissenschaftliches, Historisches, Philologisches usw. Ganz besonders aber war der Philhellene Crusius natürhch an Auskünften interessiert, die Griechenland, die griechische Sprache und die griechische Kirche in Vergangenheit und Gegenwart betrafen, und viele Briefbekanntschaften, vor allem mit Griechen, knüpfte er überhaupt nur an, um solche zu bekommen. Ebensosehr, wie ihm daran lag, derartige Auskünfte zu erhalten, war er begierig, Kenntnisse und Neuigkeiten weiterzugeben. Nicht nur, um die Briefwechsel im Gleichgewicht und so für beide Seiten lohnend zu erhalten, sondern auch aus Eitelkeit - wer etwas Unbekanntes mitzuteilen hatte, war für alle sichtbar auf dem neuesten Stand der Dinge, näher an der Quelle der Informationen und möglicherweise am Zentrum des Geschehens. Man kann sich vorstellen, was die Korrespondenz mit Konstantinopel auf diesem Hintergrund für Crusius bedeutete: Sie lieferte ihm nicht nur eine Fülle von Auskünften, sondern sie machte seinen Schreibtisch zudem zum Umschlagplatz der wertvollsten Kenntnisse und interessantesten Neuigkeiten aus erster Hand über die Griechen, ihre Sprache und ihre Kirche. Es ist nicht sicher festzustellen, wann Crusius begann, in seinen Briefen von der Korrespondenz mit dem Patriarchat zu berichten, da sein Diarium aus den ersten Jahren fast nur die Briefe enthält, die zwischen Tübingen und Konstantinopel gewechselt wurden, und sich erst allmählich zu einem Tagebuch entwikkelte, das alle Geschehnisse des Alltagslebens wiedergibt®. Im Herbst 1575 jedenfalls schrieb er einem gewissen Martin Dresser, Lehrer in Meißen, er wolle wissen, ob der Ubersetzer der Confessio Augustana ins Griechische, Paulus Dolscius, noch lebe, und wenn dem so sei, wo er wohne. Andreae und er, Crusius, hätten nämlich das Werk an den Patriarchen in Konstantinopel geschickt, die Mühe der Ubersetzung sei also nicht umsonst gewesen^. Dresser schrieb zurück (8. 3. 1576)®, Dolscius habe sich über die Mitteilung sehr gefreut. Gott möge dafür sorgen, „daß viele Menschen die Wahrheit unserer Lehre erkennen und so die papistischen und türkischen Götzendienereien abwerfen" (ut multi, cognita ventate nostrae doctrinae, idolomanias pontificias et Turcicas abiiciant) - sehr groß war die Kenntnis des Meißeners von den religiösen Verhältnissen in Konstantinopel offenbar nicht. « S. o. S. 15.

C r . T B MS 1 3 1 7 .

» Ibd.

Die Verbreitung zwischen Reformierten und Lutheranern

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Schließlich bat er für sich und Dolscius um weitere Mitteilung, wenn der Patriarch antworte. Crusius scheint diesen Wunsch nicht erfüllt zu haben, vielleicht war ihm Jeremias' A n t w o r t dazu nicht einladend genug. Doch im N o v e m b e r 1583 wandte er sich direkt an Dolscius, um ihm mitzuteilen, die Confessio Augustana Graeca werde samt den sechs Lehrschreiben gedruckt, ferner, um einen Beitrag zur Turcograecia von ihm zu erbitten^. Einem anderen Briefpartner gab er etwas mehr Einsicht: dem Theologen Johann Jacob Grynaeus in Basel, mit dem er, vor allem wegen seines Interesses an der Benutzung dortiger Bücher, eine rege Korrespondenz führte^®. Im April 1576 berichtete er dem Schweizer - anscheinend nicht zum erstenmal - von dem Briefwechsel mit Konstantinopel und teilte ihm mit, es seien mehrere griechische Briefe von dort eingetroffen, vom Patriarchen und seinen Beamten. Allerdings dürfe er daraus nichts veröffentlichen oder verschicken. Jedenfalls hätten die Griechen sehr freundlich (peramanter) geantwortet, und sie stimmten, soweit ersichtlich, in vielen Punkten gegen R o m mit den Tübingern ü b e r e i n " . Diesem Brief zum Trotz schickte Crusius Grynaeus einige Monate später, um einer Bitte um Basler Codices Nachdruck zu verleihen, quandam π α τ ρ ι α ρ χικήν έπιστολήν, wohl eine Kopie des ersten Briefes Jeremias'. Mittlerweile sei auch dessen A n t w o r t angekommen; sie werde indessen noch unter Verschluß gehalten!^. Crusius hatte allen G r u n d , über diese A n t w o r t nichts Näheres verlauten zu lassen, handelte es sich doch um das schockierende erste Lehrschreiben des Patriarchen. Im Folgenden teilte er Grynaeus wohl nur noch landeskundliche und ähnliche Informationen aus den Briefen aus Konstantinopel m i t " . Ergiebiger, jedenfalls auf die Dauer, war die Korrespondenz, die Crusius mit dem Rostocker Theologen David Chytraeus eröffnete. Chytraeus hatte, wie oben ausgeführt^"·, das Interesse der evangelischen Öffentlichkeit auf die östlichen Kirchen der Gegenwart gelenkt, indem er 1569 seine Rede „de statu Ecclesiarum hoc tempore in Graecia, Asia, Austria, Ungaria, Boemia etc." herausgab. So lag es nahe, daß Crusius dieser weithin bekannten Autorität von dem Briefwechsel der Tübinger mit Konstantinopel berichtete (1. 6. 1576)^^. Er schreibe ihm, weil er, Chytraeus, ein φιλλέλλην sei und damit dem Absender der ja dasselbe von sich sagte - sicherlich wohlgesonnen. U m den Brief nicht leer ' Ibd. II 705. 1» S. Wilhelmi 26. 28. 11 Brief vom 1.4. 1576, UB Basel Briefsammlung, G. II 10 fol. 797. Έ τ ι έν ά π ο κ ρ ύ φ ο ι ς εχεται; Sommer 1576, ibd. fol. 781/2. Vgl. ibd. fol. 791; nur daß er Heerbrands C o m p e n d i u m auf Griechisch an Jeremias geschickt habe, schrieb er dem Schweizer noch, wohl um sein Ubersetzungswerk hervorzuheben (8. 3. 1578, ibd. fol. 785/6). 1" S. о. S. 23. 15 Cr. ТВ MS I 322; er hatte V o r j a h r e n schon einmal einige Briefe mit Chytraeus gewechselt (ibd.).

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Die Verwendung des Briefwechsels

ZU lassen, lege er noch einen des Patriarchen von Konstantinopel bei - es handelte sich u m den v o m N o v e m b e r 1575, in dem Jeremias den E m p f a n g der C o n f e s s i o Augustana bestätigt. Damit war die Überleitung gegeben für eine kurze Schilderung der Phasen, die der Briefwechsel mit dem Patriarchen bisher genommen hatte. Chytraeus hatte sich, offenbar schon sehr früh über Gerlachs A b o r d n u n g an den B o s p o r u s unterrichtet, bereits 1574 mit der Bitte um Informationen über die griechische Kirche an den Botschaftsprediger gewandt^® und auch einen Brief von ihm erhalten (1575), außerdem von einer weiteren, uns unbekannten Person in Konstantinopel (30. 10. 1 5 7 4 ) " ; dabei war es anscheinend geblieben Von der K o r r e s p o n d e n z der Tübinger mit dem Patriarchen wußte der Rostocker T h e o l o g e wohl zu der Zeit noch nichts. Jetzt, den Brief Jeremias' in H ä n d e n , setzte er sich in Bewegung. N i c h t daß er sich an Crusius gewandt hätte, vielmehr schrieb er kurzerhand selbst an den Patriarchen (irgendwann 1 5 7 7 ) " , daneben auch an Gerlach^". Im folgenden J a h r erhielt er von beiden eine Erwiderung^^, außerdem ein kleines Geschenk von Jeremias^^, ebenso wie die Württemberger^^, zu deren G r u p p e er in Konstantinopel offenbar gerechnet wurde^"*. Chytraeus hatte in seinem Brief der Freude darüber A u s d r u c k gegeben, daß unter den Türken noch Christen lebten - ein Satz, der schon seine berühmte Rede einleitet und von ihr, u. a., belegt werden solP®. Jeremias betont Ibd. 167. 406; D e statu 112. ' ' Ibd. 64-68; Gerlach schreibt Chytraeus am 1. 6. 1578, er habe ihm vor etwa drei Jahren einen Brief geschickt (ibd. 68), also wohl 1575. Wer der Absender des anderen Briefes ist, läßt sich nicht feststellen, da der Abdruck in „ D e statu" ihn nicht mitteilt. Die Zeitgenossen dachten an Gerlach, so auch Heerbrand (Ableinung 6). D a s kann nicht stimmen, erstens wegen der Datumsangabe - der Schreiber des Briefes bedauert, er habe, am 30. 10. 1574, den Patriarchen noch nicht gesehen, während der Botschaftsprediger ihn schon 1573 besucht hatte - und zweitens, weil der Rostocker Professor Gerlach Ende 1578 schreibt, er habe nur einen Brief von ihm aus Konstantinopel erhalten (Chytraeus, Epistolae 310). 18 Ibd. " D e r Brief traf Ende 1577 in Konstantinopel ein (Gl. T B 428), mit einer Sendung, die Tübinger Briefe sehr unterschiedlicher Abfassungsdaten enthielt (vgl. Cr. T B MS I 597), so daß sich daraus nicht auf den Zeitpunkt schheßen läßt, zu dem er abgeschickt wurde. Im folgenden Jahrzehnt (1588) erhielt und beantwortete Jeremias übrigens noch einen Brief eines weiteren evangelischen Professors: des Frankfurters (Frankfurt/Oder) Christoph Pelargus; zu dem kurzen, folgenlosen Kontakt s. Meyer 93 f. D e statu 69. Der Brief des Patriarchen (Mai 1578) Cr. T B M S I 730 f. / D e statu 70-72 / Neander, Bedencken (1583) 57'-58'· (lat.), der Gerlachs (1. 6.1578) D e statu 68-70. " D e statu 69 ; Cr. T B MS I 711. " S . O . S . 119. S. D e statu 71 / Cr. T B M S I 730; Grund für diese Sicht der Dinge ist wohl, daß Jeremias Chytraeus' Brief zusammen mit einem Paket der Tübinger Theologen von Gerlach übergeben wurde, sodann, daß sich darin ein Verweis auf die Korrespondenz mit den Württembergern befunden haben wird. Im übrigen sagte wohl der N a m e Rostock den Griechen genausowenig wie der N a m e Tübingen. D e statu 7.

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daran anknüpfend in einem Ton auffälliger Aggressivität, wenn auch das griechische Volk in Knechtschaft lebe, so halte es doch an der überheferten Frömmigkeit fest und sei sehr wohl in der Lage, der Wahrheit des Glaubens gegen alle Angriffe zum Sieg zu verhelfen^®. Sehr fruchtbar waren Chytraeus' direkte Kontakte mit Konstantinopel nicht^^. So wandte er sich nun doch an Crusius, als ihm zu Ohren kam, Ungnad kehre vom Bosporus zurück (10. 5. 1578)^®. Er nehme an. Gerlach sei wieder daheim und „habe Crusius auf seine gierigen Fragen Auskunft über die gesamten Verhältnisse (de toto statu) der Kirchen in Asien und Griechenland gegeben" - Chytraeus' Spezialgebiet. Darum bitte er den Philologen, er möchte ihm von seinen Schätzen etwas mitteilen^'. Diesmal hatte es Crusius mit der Erwiderung nicht eilig, zudem war Gerlach ja noch nicht da. Erst nach einigen Monaten antwortete er (5. 9. 1578)^° und legte die Kopie eines kürzlich eingetroffenen Briefes bei, dessen nämlich, in dem Jeremias sein zweites Lehrschreiben in Aussicht stellt^^. Chytraeus erhielt also alle Daten der Korrespondenz mit Konstantinopel, über den Inhalt, vor allem der schockierenden ersten Antwort, erfuhr er dagegen nichts. Das wurde anders, als der Rostocker Crusius im März 1579 den Brief schickte, den er selbst vom Patriarchen bekommen hatte^^. Der Philologe schrieb umgehend zurück und berichtete ihm kurz über die bisherigen Verhandlungen der Tübinger mit Jeremias (1. 4. 1579)^^. Außerdem legte er Informationsmaterial bei, Briefe, Zeichnungen u. ä., das die Griechen und Konstantinopel betraf^"*. Drei Monate später (16. 7. 1573) folgte der Bericht, die zweite Antwort

« Ibd. 71 f . / C r . TB MS 1 7 3 0 f. "" In der Legation Sintzendorff solhe er dann Briefpartner haben, mit denen er jahrelange, informationsreiche Korrespondenzen unterhielt; seinen ehemaligen Schüler Franz von Billerbeck aus Pommern (vgl. Cr. TB MS II 434; s. Engels, Wiederentdeckung 277) und den Böhmen Wenzeslaus Budowetz von Budowa, in dem er selbst 1577 anläßlich eines Zusammentreffens in Rostock das Interesse an den loca orientalia geweckt hatte (Budowetz aus Konstantiopel, am 20. 3. 1579, in: Budowetz, Korrespondenz 1 5 7 9 - 1 6 1 9 , 1 f.). Cr. TB MS 1 6 3 5 f. Chytraeus fügte noch hinzu, er selbst habe sich kürzlich mit durchreisenden Gesandten des Zaren über Rehgion und Land der Russen unterhalten, er sei sogar die Confessio Augustana mit ihnen durchgegangen. Dabei habe er festgestellt, daß die russische Kirche von derselben A r t (conformis) sei wie die griechische, es besuche sie auch jährlich ein Abgesandter des Ökumenischen Patriarchen. Was die Lehren von der Trinität, von den Naturen Christi, von der Taufe und vom Abendmahl betreffe, sei man dort einer Meinung mit den Lutheranern, hinsichtlich der Rechtfertigung und verwandter Fragen dagegen mit den „Papisten", und die Verehrung von Heiligen und Bildern wie die Heiligenanrufung verteidige man mit Zähnen und Klauen (mordicus defendunt) (ibd. 635). Ibd. 636. S.O.S. 119. Cr. TB MS I 729; er legte noch die Kopie eines Briefes bei, den das Katharinenkloster auf dem Sinai 1569 an Erzherzog Karl gesandt hatte (Ibd. 731 f. / De statu 7 7 - 7 9 / Neander, Bedencken ( 1 5 8 3 ) , 5 8 ' - 5 9 ' (lat.)). " Ibd. 34 Ibd. 729 f.

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Die Verwendung des Briefwechsels

des Patriarchen sei gekommen, sowie eine Darlegung von sechs Kapiteln daraus^^, und da der Damm nun einmal gebrochen war, erhielt bald darauf auch noch ein Lüneburger Pfarrer ähnliche Informationen^®. Chytraeus war begeistert. Er habe, schrieb er zurück (August oder September 1579)^'', die von Crusius erhaltenen Neuigkeiten seinen Kollegen am O r t und vielen Freunden in Skandinavien, Preußen und Livland mitgeteilt. Die meisten hofften, daß die Schriften der Korrespondenz zwischen Tübingen und Konstantinopel sowie ein Bericht Gerlachs so bald wie möglich veröffentlicht würden^®. Vom Druck der Korrespondenz war schon mehrfach die Rede gewesen: Die Griechen hatten, laut Gerlach, gehofft, die Tübinger würden die erste Antwort des Patriarchen veröffentlichen^', der Botschaftsprediger selbst hatte empfohlen, sie aus pädagogischen Gründen zusammen mit der Erwiderung der Lutheraner darauf herauszugeben·*". Dieser Vorschlag war nicht befolgt worden, das kirchenpolitische Risiko zu groß erschienen'*!, ^Q dämpfte Crusius die Hoffnungen des Rostocker Kollegen (15. 9. 1579): Solch eine Edition werde wohl nicht leicht zustande kommen, denn die Griechen gingen von ihren Irrtümern nicht ab (Scripta Graecorum et nostra forte non facile edentur. ού γάρ π ω ένδιδόασιν έκεϊνοι των πλανών). Doch Chytraeus möge sich in dieser Sache an Oslander und Schnepf wenden''^. Crusius hätte, wie er im Jahr darauf dem Rostocker Kollegen gestand, nichts lieber getan, als die Schriften des Briefwechsels selbst herauszugeben, doch die Theologen erlaubten es ihm nichf*3. Wenn Chytraeus denn also diese Schriften in absehbarer Zeit nicht zu Gesicht bekommen sollte, so hatte er doch wenigstens etliche Briefe aus Konstantinopel in der Hand. Und wenn die interessierte Öffentlichkeit schon auf die theologische Korrespondenz mit den Griechen verzichten mußte, konnte man ihr zumindest das mitteilen, was sich nebenher an Informationen ergeben hatte. Kurzentschlossen veröffentlichte Chytraeus daher Anfang 1580 die Briefe, die er von Crusius erhalten hatte, und zwar ohne Absprache mit ihm oder sonst jemandem in Tübingen'*'*. Einige Monate später tat ein anderer Briefpartner des Philologen, der ebenfalls Dokumente aus Konstantinopel von ihm erhalten hatte'*^, ähnliches'*®: Michael Neander, Lehrer der alten Sprachen in Ilfeld, der auf irgendwelchen Wegen von Crusius' Kontakten mit den Griechen gehört und Cr. TB MS II 76. Ibd. 121, am 15. 9. 1579 (der Empfänger hieß Lambertus Caloenius). " Ibd. 120f.; Chytraeus, Epistolae 273. Im übrigen legte Chytraeus einen Brief Budowetz' bei (vgl. o. Anm. 27). Cr. TB MS 1335. Ibd. 412, s. o. S. 88. Vgl. Cr. TB MS 1506. Cr. TB MS II 121. '>Mbd.245. '·'' Ibd. 185, vgl. a. 548. Es folgten weitere Editionen mit noch mehr Tübinger Material. "5 Ibd. 95 f. 205. Ibd. 319. Auch hier gab es eine Ausgabe mit zusätzlichem Material aus dem Umkreis des Lehrbriefwechsels (1583).

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ihn im Austausch gegen griechische Bücher um Graeca e Byzantio scripta gebeten hatte''^, Heß neben griechischen Zeugnissen aus Chytraeus' Hand ein langes Schreiben drucken, in dem er selbst einem Freund vielerlei Informationen aus Briefen vom Bosporus an Crusius mitteilt. Beide Männer wollten durch diese Editionen Aussagen belegen, die sie in eigenen Werken zum Thema griechische Kirche, Sprache, Geographie usw. gemacht hatten. So fügte C h y traeus die von Crusius erhaltenen Briefe, neben einigen anderen, einer Neuauflage seiner berühmten Rede an, mit der ausdrücklichen Begründung, sie bestätigten die Wahrheit seiner Aussagen (veritatem narrationum, superiori oratione, de ecclesiis Graecis, Asiaticis et Africanis expositarum, confirmant sequentes epistolae)"*®. Neander ließ die genannten Schriftstücke zusammen mit seinem pädagogischen Traktat „Bedencken an einen guten Herrn und Freund. Wie ein Knabe zu leithen und zu unterweisen / Das er . . . / mit Lust und Liebe / . . . lernen möge pietatem, hnguam Latinam, Graecam, Hebraeam, Artes, und endlich universam Philosophiam" drucken. Die hinzugefügten Briefe sollten die Behauptung des Traktates beweisen, daß „die Griechische Sprache / auch zu unsern Zeiten / vielen Völckern / auch unter den Heiden / und Türcken bekand"«. Neanders Mitteilungen über die theologischen Kontakte zwischen Tübingen und Konstantinopel sind sehr allgemein, überdies falsch: Die griechischen Christen hätten sich junge Männer aus der Universität Tübingen herangeholt (accersere), die sich durch Kenntnisse in den Wissenschaften und besonders in der Theologie auszeichneten, um sie auf Griechisch predigen und über die christliche Lehre sprechen wie über die kulturelle und geographische Lage in Deutschland u.a. berichten zu hören. Einer dieser jungen Männer sei Gerlach gewesen, ein anderer Schweicker®". Im übrigen ist Neanders Ausbeute aus Crusius' Briefen historischer, kirchen- und landeskundlicher Art. Wurde hier nur die Neugier des Lesers geweckt, was es mit der beschriebenen Vorlesungstätigkeit Tübinger Theologen in Konstantinopel auf sich habe, vielleicht auch die Frage, in welchem Verhältnis die genannten Gewährsleute all der Informationen, Crusius und Theodosios Zygomalas, zueinander ständen, so 7. 5. 1579, ibd. 7 6 f . ; ein Teil der Korrespondenz in Neander, Bedencken (1583). De statu 45. « Neander, Bedencken (1580) 3 3 r ; (1583) 43v. Ibd. (1580) 34f. Offenbar entnahm Neander diese Version den Angaben im V o r w o n der Civitas Coelestis (s. u. S. 355.) - Tübinger Theologen seien in aller Herren Länder tätig, jetzt auch in Konstantinopel, wo sie die lutherische Lehre bekanntgemacht hätten - , vielleicht bestärkt durch den darin verarbeiteten Brief Theodosios Zygomalas' an Crusius (s. o. S. 71), der unter dem ihm aus Tübingen geschickten Material war (Cr. T B MS I 95 f.). Ü b e r die Entstehung der Kontakte zwischen Tübingen und Konstantinopel halte der Professor den Ilfelder Lehrer offenbar nicht informiert. Hingegen war aus jenem Material zu ersehen, daß es zwischen den beiden Städten einen theologischen Austausch gab, darüber aber ließ Neander, anders als Chytraeus, mit keiner Andeutung etwas verlauten; erst in der Ausgabe von 1583, als die Öffentlichkeit ohnehin Bescheid wußte, druckte er einige entsprechende Hinweise ab (80 ff.).

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Die Verwendung des Briefwechsels

wußte der Leser von Chytraeus' Schrift genau Bescheid, was sich in Konstantinopel abgespielt hatte: Der Rostocker Theologe hatte nämhch u.a. den Brief veröffentlicht, in dem Patriarch Jeremias den Empfang der Confessio Augustana Graeca bestätigt und seine Antwort darauf ankündigt^^. Uber dem Schreiben aber steht, man lese hier den Brief, den der Patriarch Crusius und den Theologen geschickt habe, qui de confessione Augustana, quam in Graecum sermonem conversam, ad illum miserant: iudicium Patriarchae sciscitati fuerant. Das „iudicium Patriarchae" sollte bald zum bevorzugten konfessionspohtischen Jagdobjekt werden. Daß es tatsächlich in Tübingen eingetroffen, ja sogar noch mit einer zweiten Antwort Jeremias' zu rechnen war, ergab sich aus einem Brief Gerlachs an Chytraeus, den dieser ebenfalls a b d r u c k t e ^ ^ Andreae richtete im Jahr 1582, als die erste Antwort des Patriarchen von römischer Seite herausgegeben worden war, den Vorwurf gegen Chytraeus, er habe mit seiner Veröffentlichung jener griechischen Briefe den Gegner auf die Fährte gesetzt, aus reiner Geldgier und Ruhmsucht, mit einer Blauäugigkeit in Rehgionsangelegenheiten, wie sie nur ein Akademiker an den Tag legen könne (είναι [sc. Chytraeus] φιλοχρήματον καΐ φιλόδοξον, καΐ έν τοϊς της πίστεως άκαδημικόν)^^. Auch Crusius fragte sich verschreckt, ob die römische Edition durch Chytraeus' Schrift veranlaßt sein könne. Der Kollege habe, klagte er, alles an die Öffentlichkeit getragen, worüber die Tübinger in diesen Jahren mit den Griechen verhandelt hätten (protulit ea, quae cum Graecis egimus per hos annos). Dabei habe er, Crusius, ihm und auch Neander die griechischen Dokumente nicht weitergegeben, damit sie ediert würden, sondern weil die Briefpartner sich bei ihm erkundigt hätten^". Aus diesen Aussagen des Philologen spricht schlichte Naivität - und vielleicht auch Neid. Chytraeus und Neander hatten mit seinen Briefen Furore gemacht, ihre Bücher waren schon in dritter Auflage erschienen - adeo, res est vendibihs, stellt er fest®®; es scheint, als habe er weniger die Herausgabe selbst als, angesichts dieses Erfolgs, die Tatsache bedauert, daß sie nicht durch ihn geschehen war. Seine ursprüngliche Reaktion nach Erscheinen der erweiterten Rede des Rostocker Kollegen war denn auch die Versicherung gewesen, die Veröffenthchung sei ihm recht (mihi gratam esse eam editionem); im übrigen habe er selbst mehrere Editionen griechischer Zeugnisse vor®^ - eine davon sollte seine berühmte Turcograecia sein®·^. Und es paßt ganz in dies Bild, daß er aus der durch die römische Veröffentlichung der ersten Antwort Jeremias' entstandenen Lage das Beste zu machen wußte, kaum hatte man sich in Tübingen ein wenig von dem Schlag erholt: Er engagierte sich mit Feuereifer für die Gegenedition®®. " "

De statu 73-75, vgl. o. S. 68. Ibd. 68-70 (vom 1.6.1578). Cr. TB MS II 551; s.a. 548. " Ibd. " Ibd. " S. U.S. 361 f.

" Ibd. 185 (am 29. 3. 80); s. a. 217. 234. 58 Cr. TB MS II 551 ff. pass.

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Naiv aber sind Crusius' Klagen deshalb, weil sein eigener Mitteilungsdrang die Nachricht von dem Briefwechsel zwischen Tübingen und Konstantinopel so weit verbreitet hatte, daß - auch wenn die Neuauflage der Oratio des Rostokkers ungleich größeren Widerhall fand^' - schon vor Chytraeus' und Neanders Veröffenthchungen jeder Interessierte davon wissen konnte. Dies nicht nur durch die Auskünfte und Beilagen seiner Briefe, die die Empfänger wiederum in alle Himmelsrichtungen weiterschickten, sondern auch dadurch, daß er selbst schon entsprechende Informationen in Druck gegeben hatte. Bereits 1578 war eine Sammlung von ihm ins Griechische übersetzter Predigten - die sog. Civitas Coelestis (Πολίτευμα Ούράνιον) - erschienen, welche Tübinger Theologen im Laufe der Jahre über Themen des Brenz'schen Katechismus gehalten hatten. Im Vorwort dieses Buches, im Rahmen ausgedehnter Lobesworte über die Tübinger Universität, wird auf die Mitteilung der lutherischen Lehre an die Griechen hingewiesen: Die in jeder Hinsicht hervorragenden Absolventen der Tübinger theologischen Fakultät seien auch auswärts begehrt; selbst Konstantinopel habe erkannt, was sie für eine Zierde darstellten, nachdem man den Griechen die lutherische Lehre vorgelegt habe (atque adeo Constantinopolis hoc decus cognovit: doctrina nostra etiam Graecis nota facta)®". Überhaupt sei die Tübinger Universität - so heißt es in einer mitabgedruckten Rede des Herausgebers - bei den Griechen hochberühmt, wie der Protonotar Theodosios Zygomalas betont habe®!. Nicht genug damit, am Schluß des Buches finden sich Ausschnitte aus Briefen dieses Griechen und des Diakons Symeon Kabasilas, die beide vom gegenwärtigen Zustand der Stadt Athen handeln®^. Unter dem Briefmaterial, das Chytraeus im folgenden Jahr edierte und auf das sich auch Neander stützte, waren die beiden Abschnitte, die in der Civitas Coelestis stehen; die beiden Männer traten also in gewisser Hinsicht nur in die Fußstapfen des Tübinger Kollegen, ganz abgesehen davon, daß er selbst schon einmal geäußert hatte, er plane, griechische Briefe, die er bekommen habe, zu edieren®^. "

S.O.S.23.

»» C C A 2v (vgl. o. S. 71 ). " Ibd. 199. " Ibd. 2 0 2 - 2 0 6 , s. o. S. 123. 1588 gab Crusius eine zweite Auflage mit weiteren Briefen heraus. " So am 4. 9. 1579 (Neander, Bedencken (1580) 44r), als er Neander einige Zeugnisse schickte (Cr. T B MS II 95 f., s. o. S. 3 5 3 ) ; ähnlich mag er sich auch Chytraeus gegenüber geäußert haben. Wie wenig Skrupel Crusius und sogar der Theologe Heerbrand hatten, auch Material aus der Korrespondenz mit dem Patriarchat zu veröffentlichen, welches deren theologische Seite erkennen ließ, zeigt die Tatsache, daß sie der griechisch-lateinischen Version des Heerbrand'schen Compendiums den Brief des Autors und des Übersetzers an den Patriarchen und dessen kurze Dankbriefe an beide voranstellten (s. o. S. 113 u. 119). Heerbrand gibt im Geleitwort ausdrücklich als ein Ziel der Übersetzung - und damit als das Ziel der Versendung nach Konstantinopel - an, ut Christi bonus odor, non solum inter latinae linguae peritos, sed etiam inter Graecos et exteros perspiret ( C o m p . ) (5r - dies alles im Jahre 1581, also vor der lateinischen Veröffentlichung der ersten A n t w o r t Jeremias' durch Socolovius (s. C r . T B MS II 507) ; daß das Buch dann erst 1582 herauskam, war nicht beabsichtigt. Dasselbe gilt von der Turcograecia; wenn sie, wie von Crusius erhofft, schon 1580 einen Drucker gefunden hätte (s. u. S. 361), wären in noch weit höherem Maß Kenntnisse verbreitet und Neugierde geweckt worden als durch Chytraeus' Büchlein.

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Die Verwendung des Briefwechsels

Wer nicht aus der Civitas Coelestis von den theologischen Kontakten zwischen der schwäbischen Universität und dem Patriarchat erfahren hatte, konnte davon in Crusius' nächstem Werk lesen: In dem griechischen Preislied auf Stephan Gerlach, das er aus Anlaß von Promotion und Hochzeit des Theologen im November 1579 unter dem Namen Biduum Tybingense®'^ herausgab, geht er auf dessen Aufenthalt am Bosporus ein. Er spricht von Gerlachs Kontakten mit Griechen am Ort und von der vielfältigen Korrespondenz, die sich dadurch zwischen Tübingen und Konstantinopel, auch mit Patriarch Jeremias, entwikkelt habe, und schließlich davon, daß der Botschaftsprediger „die volle Wahrheit unseres Glaubens ihnen bekannt gemacht" habe, „in beständiger Mühe und häufigem Schreiben" (άτρεκίη δ' ημών σφίσι πίστεως έγνώρισαι: εμμονά σου μοχθίζοντος, και συχνά γράφοντος)®® - Sätze, die in ihrer dichterisch geschmückten Unklarheit den interessierten und erst recht den negativ voreingenommenen Leser zum Nachfragen einluden^®. Mit oder ohne Veröffentlichungen von dritter Seite, der Kreis derer, die von der Korrespondenz zwischen Tübingen und Konstantinopel wußten und die Genaueres darüber erfahren wollten, wurde immer größer, und es war unvermeidlich, daß dazu bald auch Angehörige der anderen „Konfessionen" gehörten. 1581 wurde der Hinweis auf den Briefwechsel zum erstenmal als Waffe benutzt: von dem Genfer Danaeus in seinem Streit mit Gerlach über Abendmahlslehre und Christologie®^. Danaeus wußte allerdings nur davon, daß Gerlach theologische Diskussionen mit dem Patriarchen geführt hatte, er behauptete, sie hätten beschämend für den Tübinger geendet und gab im übrigen seine eigene, abenteuerliche Interpretation dazu. Daß er oder sonst jemand aus dem reformierten Lager sich bemüht hätte. Genaueres über den Briefwechsel zu erfahren und womöglich die Dokumente einzusehen, ist nicht bekannt. Anders stand es auf römischer Seite. Der erste Versuch, eines dieser Dokumente in die Hand zu bekommen, ging hier allerdings auf humanistisches, nicht auf polemisches Interesse zurück: Mitte 1580 Heß ein Mitghed der Familie Fugger, Maximilian, Ritter des Deutschen Ordens, in Tübingen anfragen, ob er Crusius' Civitas Coelestis und das „Judicium Patriarchae Constantinopolitani" bekommen könne®® - ein deutlicher Anklang an Chytraeus' Veröffentlichung

Es handelte sich um zwei Freudentage, daher der N a m e . Biduum (1579) A 3rf. Ein Jahr später gab er zudem als Anhang des erweiterten Biduum einen Brief Theodosios Zygomalas' (vom 1. 6. 1578) heraus, der auf enge Beziehungen zwischen Tübingen und Konstantinopel schließen läßt (Biduum 1580, 30f., vgl. Cr. T B M S II 185). Was die Druckfassung des entsprechenden Gedichts für Schweicker angeht (Hodoeporicon . . .), so ist sie weit weniger ergiebig (vgl. nur A Illvf. C l l v f f . ) , abgesehen davon, daß sie erst 1584 herauskam. S. nächstes Kapitel. Cr. T B M S II 280.

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v o m selben Jahr. D e r Professor hätte dem Ritter, in dem er eine verwandte philhellenische Seele sah, gern willfahrt, doch die Kirchenleitung lehnte ab®®^ Einige Monate später suchte eine obskure Gestalt aus Freiburg C r u s i u s auf, um etwas über die Antworten des Patriarchen herauszufinden; doch der Philologe ließ nichts verlauten nisi τά φανερά®'. E t w a gleichzeitig sprach ein J ü n g ling aus Trier vor, der behauptete, er sei von einem evangelischen Fürsten geschickt worden, welcher die Veröffentlichung der Schriften Jeremias' wünsche''". K u r z darauf kam ein Mann vorbei, der mit gefälschter E m p f e h l u n g jene Schriften erbat sowie A u s k u n f t darüber, auf welchem Weg die Tübinger Briefe nach Konstantinopel gelangten''^. Später stellte sich heraus, daß es sich u m einen Priester handelte, der aus Rottenburg geschickt worden war^^. Inzwischen hatte man auch in R o m von dem Briefwechsel erfahren. Papst G r e g o r X I I I . protestierte beim Kaiser (1581), die deutsche Botschaft in K o n stantinopel diene den Lutheranern als Umschlagplatz theologischer Bücher für die Griechen^^. Unmittelbare Folge dieses Protests war die bereits erwähnte Konfiskation von Tübinger Briefen'^''. In der Botschaft fiel die Warnung des Papstes schon deshalb auf fruchtbaren Boden, weil mittlerweile der katholische Legat Preiner an den B o s p o r u s entsandt worden war. Es ist anzunehmen, daß die Jesuiten, die er bei sich hatte''®, versuchten, von den Griechen am O r t Näheres über die Kontakte des Patriarchen mit den Tübingern zu erfahren. Wie dem auch sei - von dem mittlerweile berühmten oder berüchtigten Briefwechsel, dessen A b b r u c h gerade in diese Zeit fiel, bekamen sie nichts zu sehen. O f f e n b a r hielten die Griechen damals noch ebenso dicht wie die Tübinger''®. Beide wechselten mehrere Schreiben in dieser Angelegenheit: In einem griechischen A n t w o r t brief an F u g g e r drückte der T ü b i n g e r seine F r e u d e darüber aus, wieder eine in der Philhellenia verwandte Seele gefunden z u haben, u n d schickte ihm s o f o r t seine P r e d i g t s a m m l u n g und das B i d u u m . V o n den A n t w o r t e n des Patriarchen sei allerdings noch nichts veröffentlicht, darum k ö n n e er F u g g e r leider nichts daraus schicken (ibd. 2 8 2 f . , Brief v o m 3. 9. 1580). F u g g e r schrieb umgehend z u r ü c k , „ z u r A b w e c h s l u n g " auf Italienisch: E r erwarte sich von C r u s i u s einen „gelehrten A u s t a u s c h " (dotto contracambio) und in diesem R a h m e n auch die Antw o r t des Patriarchen; er verspreche, sie geheimzuhalten (ibd. 322, Brief v o m 4. 10. 1580; s. a. 392). Sehr von F u g g e r eingenommen, wandte sich der Philologe nun in dieser Angelegenheit an O s l a n d e r , d o c h der lehnte das Ansinnen ab (ibd. 322 f.). So mußte C r u s i u s dem Ritter mitteilen, er k ö n n e ihm seinen Wunsch leider nicht erfüllen. Bei G o t t , er habe es versucht, d o c h sei er nicht H e r r jener A n t w o n ; die aber, die sie besäßen, hielten sie z. Z. fest - vielleicht hätten sie ihre G r ü n d e d a f ü r . E r hoffe aber, sie werde eines T a g e s mit anderen Schriftstücken veröffentlicht werden. (Testor D e u m , m e c o n a t u m esse. Ά λ λ ' ουχί έγώ κ ύ ρ ι ο ς α ΰ τ ο ϋ [sc. des r e s p o n s u m Patriarchicum], O í δ έ ε χ ο ν τ ε ς , εστί δ ί ' άς α ι τ ί α ς π α ρ ' έ α υ τ ο ί ς έν τ ψ π α ρ ό ν τ ι κ ρ α τ ο ΰ ο ι . S p e r o autem, s u o t e m p o r e in lucem c u m aliis exiturum. I b d . 329, Brief v o m 22. 11. 1580). Ibd. 392, im Mai 1581. I b d . , am 12. 5 . 1 5 8 1 . I b d . , am 2 0 . 6 . 1 5 8 1 . " Ibd. " Ibd. S. o. S. 130. " C r . T B M S II 392, s. o . S. 143. " Vgl. Gerlachs A u s s a g e , es wäre sehr gefährlich f ü r die Griechen, wenn T ü r k e n o d e r „ P a p i s t e n " etwas von der K o r r e s p o n d e n z mit den T ü b i n g e r n wüßten (s. o. S. 140, A n m . 40) - ein Satz, der aus dem J a h r 1579 s t a m m t , aber immer noch Berechtigung gehabt haben wird.

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Die Verwendung des Briefwechsels

Daß schließlich doch ein Teil der Korrespondenz in die Hände eines römischen Theologen fiel, ging nicht auf bewußte Jagd zurück, sondern auf einen Zufall: Der Prediger des polnischen Königs Stephan Bathory, Stanislaus Socolovius (Sokolowski), hörte in Lemberg die Klage eines durchreisenden griechischen Klerikers aus dem Ökumenischen Patriarchat, die lutherischen Häretiker hätten Jeremias II. ihr Bekenntnis zur Beurteilung übersandt und ihn gebeten, er möchte sie in seine Kirche aufnehmen; doch zum Glück habe der Patriarch ihnen eine ablehnende, all ihre Irrtümer widerlegende Antwort erteilt^''. Aufs höchste alarmiert, bat Socolovius um eine Abschrift dieser Antwort. E r erhielt sie tatsächhch und machte sich umgehend daran, sie ins Lateinische zu übersetzen. Im Frühjahr 1582 erschien sie in Krakau auf dem Büchermarkt^®. Bald darauf gelang es ihm, noch eine weitere Schrift des Briefwechsels aus Konstantinopel zu erhalten, wie er behauptete, vom Patriarchen''®: die abschließende Antwort der Tübinger, die gerade erst (März 1582) am Bosporus angekommen war®°; er edierte sie noch im selben Jahr mit fortlaufendem Kommentar®!. Schließlich sollen alle Lehrschreiben der Tübinger nach Deutschland geraten sein, und zwar nach Bayern®^. Es hieß, ein princeps Bavariae habe sie am Bosporus aufgetrieben®^. Von anderer Seite wurde behauptet, der Patriarch habe sie persönlich an katholische Fürsten geschickt®'^. Daß sich Jeremias so verhalten hat, ist möglich®®; dagegen spricht seine reservierte Einstellung zu R o m wie seine im menschlichen Bereich nach wie vor freundliche Haltung gegenüber den Württembergern. Stutzig macht auch die Tatsache, daß jene Behauptung nur zweimal kurz auftaucht®®, obwohl sie von ungeheuerem Propagandawert gewesen wäre. Vielleicht muß man doch annehmen, daß nicht Jeremias selbst, sondern untergeordnete Personen die Schriftstücke auslieferten " Socolovius, Censura '•'ΊΙν; nach Gorscius, Animadversio 144 f., hörte Socolovius diese Klage in einer Versammlung von Abgesandten des Patriarchen, denen einheimische orthodoxe Soldaten von Versuchen eines häretischen Offiziers erzählten, sie zu seiner Lehre zu bekehren; daraufhin hätten die Griechen geseufzt, kein O r t der Welt sei mehr vor der neuen Religion sicher, und von dem Briefwechsel zwischen Tübingen und Konstantinopel berichtet. Die sog. „Censura Orientalis Ecclesiae". A d invectivam 33, wenn man die Aussage pressen darf und sie nicht einfach dasselbe meint wie die Angabe des Titels, die A n t w o r t der Tübinger sei ex patriarchio aliata, β» S.O.S. 150. Im sog. Antidotus ultimae responsionis eorundem ad Censuram Patriarchae. So die Auskunft des Sekretärs des Herzogs von Bayern (Cr. Т В MS III 171); Scherer (Gehnde A n t w o r t 64. 133) gibt, allerdings nur mit Bezug auf das letzte Tübinger Schreiben, näher an, nach München. Hier war bislang nichts zu finden. C r . T B MS III 148, wohl wieder nach dem Sekretär des Herzogs von Bayern. 8" Fickler, Ander und dritter Teil A Vir. Zumal aus der Einstellung heraus, die sein in dieser Zeit gegenüber Papst Gregor X I I I . über die Lutheraner gefälltes Urteil spiegelt (s. u. S. 3 9 7 ) ; er könnte die Schriften sogar der römischen Gesandtschaft mitgegeben haben, die den Brief mit jenem Urteil in Empfang nahm. Dasselbe gilt von der zu Anm. 79 zitierten Aussage Socolovius', wobei nicht klar ist, ob es sich dann um eine oder um zwei Sendungen handeln würde. Eben an den Anm. 82 und 83 erwähnten Stellen.

Die Verbreitung zwischen Reformierten und Lutheranern

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- Leute etwa, die seine ursprüngliche Offenheit gegenüber den Lutheranern kritisierten. Wie dem auch sei - die Tübinger brachten schHeßUch (1584) den gesamten Briefwechsel an die Öffentlichkeit, unter dem Titel „Acta et Scripta theologorum Wirtembergensium, et Patriarchae Constantinopohtani D. Hiere-

Exkurs: Die Darstellung des Briefwechsels in Martin Crusius' Turcograecia

zwischen Tübingen und

Konstantinopel

Die „Turcograecia" ist Martin Crusius' bekanntestes Werk, ja das einzige, dessen Ruhm die Jahrhunderte überdauerte, so daß sich damit bis heute sein Name verbindet. Was er hier an linguistischem, landeskundlichem und historischem Material über die nachbyzantinischen Griechen vor dem Leser ausbreitet, eröffnete den Zeitgenossen völlig neue Gebiete und stellt nach wie vor eine Quelle ersten Ranges dar. Crusius selbst war sich offenbar des besonderen Gewichtes der Turcograecia unter seinen vielen Büchern bewußt, denn er nennt sie in seinem Tagebuch oft schlicht opus meum, „mein Werk"i. Nun ist die Turcograecia in zweifacher Weise mit dem Briefwechsel zwischen Tübingen und Konstantinopel Verbunden: Erstens verdankte ihm der Philologe das meiste Material, das sie enthält. Und zweitens widmete er ihm eines der Bücher des großen Werkes, nämlich Buch V I P . Dort finden sich etliche Briefe aus der Korrespondenz, ferner in den dazugehörigen Anmerkungen Berichte und Hinweise, die sich mit Ereignissen an beiden Polen des Austausches befassen. Die Bedeutung dieses Buches hegt darin, daß es neben Gerlachs Tagebuch und noch vor ihm die wichtigste gedruckte Quelle zu den Hintergründen der theologischen Verhandlungen darstellt. Damit ist es wesentlich verantwortlich für das Bild, das man sich bislang von ihnen gemacht hat. Das Material, das Crusius hier benutzte, findet sich samt und sonders schon in seinem Tagebuch: Was die abgedruckten Briefe betrifft, konnte er, wo er selbst der Adressat war, direkt auf die Originale zurückgreifen, die auch seinen Tagebuchabschriften zugrunde lagen, sonst auf seine eigenen Kopien. Die Hintergrundinformanonen für die Tübinger Seite entnahm er seinen Notizen und die für die griechische Seite Briefen vom Bosporus, meist Gerlachs, ebenfalls entweder im Original oder in der Tagebuchkopie^. Vergleicht man nun das Material hier und dort, so springen deutliche Unterschiede ins Auge, Unterschiede im Umfang - das gedruckte Werk bringt nur einen Bruchteil dessen, S. u. S. 388. Im Jahre 1758 gab es in Leipzig noch einmal eine Ausgabe, die von Gedeon Kypriotes Hagiotaphites (s. Lit.-Verz. „Βίβλιον καλούμενον . . ."). 1 Ζ. В. Cr. Т В MS II 440. 442 f. 506. 2 Buch VIII enthält Briefe aus Crusius' Korrespondenz mit verschiedenen außerhalb Konstantinopels wohnenden Griechen, die sich aus jenem Briefwechsel ergab; im übrigen finden sich in den Anmerkungen zu den anderen Büchern auch dann und wann Hinweise auf den Austausch zwischen Tübingen und Konstantinopel. ' Man kann deutlich sehen, wie er sein Tagebuch Seite für Seite durchging und hier und da etwas für die Anmerkungen entnahm. So ist die dort gegebene Reihenfolge weitgehend gewahrt und gelangten gelegentlich auch Nachrichten in den gedruckten Text, die mit der Korrespondenz nicht das Geringste zu tun haben, in der Vorlage aber mit Abschnitten aus dem oder über den Briefwechsel verbunden sind, etwa T G 501 der Abschnitt über das Tübinger Universitätsjubiläum oder T G 512 die Sätze über eine Hexenverbrennung und den Tod einer Tochter des Philologen.

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Die V e r w e n d u n g des Briefwechsels

was handschriftlich vorliegt - , in den Proportionen und in Darstellung und Wortlaut. Da das Tagebuch die ursprüngliche Fassung bietet, bleibt nur ein Schluß: Crusius legte in der Turcograecia eine tendenziöse Version der Geschehnisse vor, er wollte durch Auswahl, Akzentsetzungen und Eingriffe in Texte ein bestimmtes Bild erzeugen. Versucht man, den Charakter dieses Bildes und sein Verhältnis zur Realität herauszuarbeiten, müssen drei Fragen gestellt werden: Was veröffentlichte Crusius bzw. was ließ er aus ? Welche Schwerpunkte setzte er durch die Anordnung seines Stoffs ? Welche Texte veränderte er und in welcher Weise? Diese Fragen sind in Beziehung zu bringen zu den Aussagen, die das Tagebuch des Philologen über Planung und Durchführung des Werkes macht, und zu dem Stadium, in dem sich der Briefwechsel zwischen Tübingen und Konstantinopel während der Entstehung der Turcograecia befand. Wie gezeigt", hatte sein Mitteilungsdrang Crusius nicht nur dazu gebracht, schon recht früh briefliche Informationen über die Korrespondenz in die Welt hinauszuschikken, sondern auch an Veröffentlichungen zu denken. Einen ersten Vorstoß in dieser Richtung unternahm er, als er 1578 der Civitas Coelestis zwei landeskundliche Exzerpte beigab, die er aus Konstantinopel erhalten hatte'. Noch Ende desselben Jahres bekam er dann Editionsmaterial ersten Ranges in die Hand, als Gerlach vom Bosporus zurückkehrte und, teils als Geschenke der beiden Zygomalas, teils käuflich erworben, eine Fülle von Handschriften mitbrachte, vor allem zwei Werke über die jüngste griechische Geschichte, die Historia politica von 1391 bis 1578 und die von Manuel Malaxos ins Neugriechische übersetzte Historia patriarchica, jetzt Buch I und II der Turcograecia, daneben Briefe und Linguistisches®. Doch nur zögernd machte er sich an die Vorbereitungen für Herausgabe und Übersetzung, mehr als ein Jahr lang standen die Blätter ganz im Hintergrund. Daß dies anders wurde, dazu bedurfte es eines Anstoßes von außen. Im Vorwort zur Turcograecia schreibt Crusius, die Ermahnungen informierter Freunde und die Herausgabe von Stücken aus dem Briefwechsel durch Dritte hätten ihn schließlich dazu gebracht, an die Edition zu gehen - andernfalls hätte es so scheinen können, als habe das Kreißen der Berge nur zur Geburt einer Maus geführt''. Nach dem Tagebuch war es vor allem die Veröffenthchung von Briefen aus der Korrespondenz zwischen Tübingen und Konstantinopel in Chytraeus' Neuauflage seiner „Oratio de statu . . ." im Jahre 1580®, die Crusius in Bewegung brachte. Ob er sich nun durch den Schritt des Kollegen ermutigt oder unter Konkurrenzdruck gesetzt fühlte, jedenfalls ist die Geburt des später Turcograecia genannten Werkes eine Reaktion auf Chytraeus' Veröffentlichung. So schrieb der Philologe selbst, er „wünsche, dasselbe zu tun" wie der Rostocker in seiner Edition von Manuskripten de rebus hodiernis Graeciae'. Auch das Ziel seines eigenen geplanten Werkes bestimmte er in Entsprechung zur „Oratio de statu . . .": Wie diese wolle er der „gebildeten Gesellschaft" dienen (in usum reipubhcae literariae)^''. "· S. voriges Kapitel. 5 S.O.S. 355 f. ' Cr. TB MS I 704. 7 1 1 ; TG 508. Zum Werden der Turcograecia vgl. a. die am Schluß von Neander, Bedencken (1583) abgedruckte Briefe Crusius". 8 S.O.S.352f. ' Cr. TB MS II 234 am 28. 6. 1580. Er hatte schon in seinem Dankesbrief für die „Oratio de statu", die ihm Chytraeus geschickt hatte, gekontert (29. 3. 1580), er sei seinerseits gerade bei der Vorbereitung für die Ubersetzung neugriechisch geschriebener Patriarchenviten (ibd. 185). Ibd. 234. Daneben gab er später - vor allem gegenüber Griechen, mit denen ihn, anders als

Die Verbreitung zwischen Reformierten und Lutheranern

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Einmal von dem Plan gepackt, machte er sich nun fieberhaft daran, Hilfsmittel, vor allem Vokabeln, und Beiträge für die Edition zu sammeln - von der Mitte des Jahres 1580 an ging kaum ein Brief mehr aus, in dem er nicht entsprechende Bitten äußerte, oft schrieb er überhaupt nur zu diesem Zweck. Bereits Ende 1580 bot er das Werk einem Verleger zum Druck a n , ' ' erklärte es aber erst nach einem weiteren Jahr für abgeschlossen'^, in dessen Verlauf Briefe aus einem neuen, riesigen Paket von Theodosios Zygomal a s " und eine neugriechische Version der ps.-homerischen Batrachomyomachia, als Frucht seines Enthusiasmus für das zeitgenössische Griechisch von nun an Teil seines akademischen P r o g r a m m s h i n z u k a m e n , jetzt Buch I V und VI der Turcograecia. Zu seinem Leidwesen wollte sich kein Verleger für das Werk finden''. Crusius litt und klagte und träumte schlecht"·, doch der Aufschub ließ das Werk weiter wachsen. Lagen im Sommer 1581 acht Bücher vor, waren es im Herbst schon neun und ein halbes Jahr später z w ö l f ' ' . Schließlich (Herbst 1582) kam dem Philologen der Gedanke, das Material auf zwei Bände zu verteilen, eine „Turcograecia" - ein Name, der bisher gelegentlich als Gesamttitel aufgetaucht war'® - und eine „Germanograecia"'^; die nun in diesem zweiten Band zusammengefaßten Zeugnisse, die die Blüte des Griechischen in Deutschland belegen sollten, hatten bislang offenbar mit den Dokumenten, die den zeitgenössischen Griechen galten, eine Einheit gebildet. Unverdrossen suchte Crusius jetzt nach einem Verleger für zwei Werke^°, gleichzeitig forderte und sammelte er weitere Beiträge. Im Herbst 1583 war es dann tatsächlich so weit, die Turcograecia ging in Druck, und zwar in B a s e P ' . N o c h während des Satzes kamen mehrere Briefe an, die Melanchthons Kontakte mit Griechen betreffen; sie wurden mit anderen als Anhang hinzugefügt^^, dann erschien das Werk zusammen mit den „Acta et Scripta" auf der Frankfurter Frühjahrsmesse 1584^^. Das bedeutete nicht, der Philologe hätte sich zur Ruhe gesetzt. Er gab sich unverzüglich daran, Beiträge für eine neue Turcograecia zu sammeln^"*, ganz abgesehen davon, daß er mittlerweile, unbeirrt von den Schwierigkeiten bei der Suche nach einem

Chytraeus, ja nicht nur akademisches Interesse, sondern auch persönliche Anteilnahme verband als weitere Absicht an, er wolle mit seinem Buch größere wechselseitige Kenntnis und Freundschaft (μείζων γνώσις και φιλία) zwischen Griechen und Deutschen schaffen (ibd. 3 5 2 ; s. a. 353. 358), den Grund für eine freundschaftliche und christliche Haltung (φιλία καί χριστιανική διάθεσις) beider Völker zueinander legen (ibd. 3 0 8 ; vgl. a. T G ''' 4"). " Ibd. 345, als Ausgleich für den Druck der griechisch-lateinischen Fassung des Heerbrand'schen Kompendiums. 12 Ibd. 506. " Gerlach und er erhielten im Sommer 1581 über hundert Briefe von Theodosios, die verschiedene Griechen untereinander gewechselt hatten (ibd. 436). " A b April 1581, ibd. 389. " Ein Grund dafür war, daß man sich in der Schweiz, wohin Crusius sich wegen der vorzüglichen Qualität der dortigen Drucke gewandt hatte, lange weigerte, ein Buch herauszugeben, in dem der N a m e Gerlachs erschien - die gerade laufende Auseinandersetzung mit Danaeus (s. das nächste Kap.) machte den Tübinger in der ganzen Schweiz unmöghch (s. ibd. 537f. 551. 603). An anderer Stelle lehnte man das Werk wegen seines enormen Umfangs ab (ibd. 570). Ibd. 1» Ibd. Ibd. " Ibd. ^ Ibd.

538. 539. 589. 611 u. a. " Ibd. 441. 486. 538. 441. 486. 19 Ibd. 591. 601. 706. 594. " Ibd. 6 8 9 ; s. a. 659. 679. 706; III 63. " Ibd. 76. 83 ; er dachte auch bereits an eine zweite Auflage (ibd..).

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Die Verwendung des Briefwechsels

Verleger für die erste, noch mehrere andere W e r k e abgeschlossen hatte^®. U n d schließlich mußte ja auch die Germanograecia noch gedruckt werden. Sie erschien, ebenfalls in Basel, 1585. W i e sich gezeigt hat, war die Turcograecia nach Crusius' ursprünglichem Plan in der zweiten Hälfte des Jahres 1581 abgeschlossen, wurde dann aber, als sich der D r u c k verzögerte, n o c h über zwei J a h r e hin mehrfach erweitert. In welchem Verhältnis stehen diese Daten z u m Verlauf der K o r r e s p o n d e n z zwischen T ü b i n g e n und Konstantinopel? In den M o n a t e n , während derer Crusius die Turcograecia zu ihrem ursprünglichen E n d e brachte, ging in T ü b i n g e n die letzte, den A b b r u c h des Briefwechsels verkündende A n t w o r t des Patriarchen Jeremias ein (September 1581). Diese einschneidende Tatsache hatte nun aber keinerlei Auswirkungen auf das W e r k . Das T a g e b u c h des Philologen notiert vor der A n k u n f t jenes Schreibens aus Konstantinopel ebenso lapidar, die T u r c o graecia sei fast fertig, wie es danach feststellt, sie sei jetzt vollendet^^. Kursänderungen werden nicht vermerkt, die Arbeit lief offenbar einfach in den einmal geplanten B a h n e n weiter. Das ist aber insofern nicht verwunderlich, als die Briefe aus der K o r r e s p o n d e n z zwischen T ü b i n g e n und Konstantinopel und die Hintergrundinformationen dazu in B u c h V I I ohnehin nur aus der Zeit bis z u m F r ü h j a h r 1579 stammen^'. W a r dies D a t u m für Inhalt und Struktur des W e r k e s von ausschlaggebender Bedeutung? D e r Frühling 1579, in dem die jüngsten in B u c h V I I aufgenommenen Briefe entstanden, war die Zeit, in der die T ü b i n g e r die zweite A n t w o r t des Patriarchen erhielten. Ihre A n k u n f t ist denn auch das letzte Ereignis aus den theologischen Verhandlungen zwischen Lutheranern und G r i e c h e n , das die Turcograecia erwähnt^®. So k ö n n t e man vermuten, die Beschränkung auf Material bis zu diesem Zeitpunkt liege im Inhalt des zweiten Lehrschreibens aus Konstantinopel begründet. W i e sich oben gezeigt hat, sah Crusius in ihm den Ausdruck unverbesserlicher Verbohrtheit auf Seiten der G r i e c h e n und regte an, von nun an eine deutlichere Sprache zu sprechen^'. W a r er der M e i n u n g , in diesem Stadium offensichtlicher Verhärtung der theologischen Beziehungen solle die Öffentlichkeit keine weiteren Informationen aus dem und über den Briefwechsel mehr erhalten? Eine solche H y p o t h e s e würde voraussetzen, daß die Angaben über die t h e o l o gischen Verhandlungen das organisatorische Rückgrat des siebten B u c h e s der T u r c o graecia bilden. Das aber ist nicht der Fall. Was wird aus der K o r r e s p o n d e n z überhaupt abgedruckt? V o n den Briefen finden sich in B u c h V I I mit zwei Ausnahmen alle, die bis z u m F r ü h h n g 1576, d . h . bis zu der Zeit kurz vor A n k u n f t der A n t w o r t auf die Confessio Augustana in Tübingen zwischen W ü r t t e m b e r g e r n und Griechen gewechselt wurden, daneben das erste Schreiben C r u sius' an Gerlach (4. 3. 1574). J e n e Ausnahmen sind Andreaes zweiter B r i e f an Patriarch " Im Frühjahr 1583 die Catechesis maior, eine große Sammlung von Katechismuspredigten, und im Herbst 1583 die Epitome Heliodori (ibd. 617. 689. 697). " Cr. T B MS II 440. 441. 506. ^^ Außerhalb des Buches VII gibt es noch gelegentlich jüngere Elemente allgemein historischen Charakters, die aus Crusius' Korrespondenz mit Griechen in Konstantinopel stammen (s. bes. T G 74 ff.). Und was das Material des Buches VIII angeht, so reicht es zwar bis in die letzten Wochen vor dem Druck der Turcograecia (bis Herbst 1583), doch gehört es eben nicht zum Briefwechsel des Professors mit Griechen am Bosporus (s. o. Anm. 2). Ibd. 509. S. o. S. 127.

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Jeremias (3. 3. 1574) und sein folgender, der das Augsburgische Bekenntnis begleitet (15. 9. 1574)3°. j)¡g entscheidenden Passagen aus ersterem stehen aber in den F u ß n o t e n , ebenso wie Auszüge aus dem zweiten und die Information, daß das Bekenntnis an Jeremias geschickt w u r d e ^ ' - eine Information, die samt der A n k ü n d i g u n g der A n t w o r t auch dem zweiten Brief des Patriarchen (15. 11. 1575) zu entnehmen ist^^. Ferner berichten die A n m e r k u n g e n kurz von der Übergabe im Patriarchat^^. Vom Frühjahr 1576 an, in dem die Erwiderung auf die Confessio Augustana in Tübingen eintraf, werden die Briefe spärlicher. Der nächste, das Schreiben, mit dem Crusius Kontakt zu dem Diakon Symeon Kabasilas aufnahm^"*, stammt erst aus dem Mai 1577 und ist der einzige aus einem Zeitraum von beinahe zwei Jahren - der Periode, in welcher nicht nur das erste Lehrschreiben aus Konstantinopel ankam, sondern auch die Tübinger A n t w o r t darauf abging (18. 6. 1577) und die Rückantwort erwartet wurde. Jenes Schreiben samt den Begleitbriefen k o m m t aber in den A n m e r k u n g e n ebenso zur Sprache^' wie das der Württemberger, Absendung und Übergabe des Heerbrand'schen K o m p e n d i u m s und das erste Geschenkpaket an Patriarch Jeremias und die beiden Zygomalas^^, und auch in der folgenden G r u p p e griechischer Briefe finden sich H i n w e i se darauf'·'. Diese G r u p p e stammt aus der ersten Hälfte des Jahres 1578, also ebenfalls aus der langen Phase zwischen dem ersten Tübinger und dem zweiten griechischen Lehrschreiben: zwei griechische Briefe vom Februar, einer aus der Feder des N o t a r s , in dem eben die Tübinger Schriften und Geschenke, außerdem die geplante Rückantwort kurz angesprochen werden'®, und einer des Diakons von rein linguistischem und landeskundlichem Interesse'^, dann vom Mai der D a n k des Patriarchen·*® und der beiden Zygomalas an Crusius f ü r die Geschenke"' - Jeremias kündigt bei dieser Gelegenheit auch seine nächste theologische A n t w o r t an"^ - , schließlich ein Brief Crusius' vom Juni an den N o t a r , wonach man in Tübingen auf ein neues Lehrschreiben vom Bosporus wartete·", sowie vier etwa gleichzeitige, in denen der Philologe Kontakt zu verschiedenen Klerikern in Konstantinopel und zu dem A r z t Leonardos Mindonios aufnimmt'*'*. Die A n m e r k u n gen informieren darüber, daß Jeremias die zweite A n t w o r t in Auftrag gegeben hatte, und merken deren Eintreffen in Tübingen an"®; außerdem werden weitere Geschenke f ü r den Patriarchen erwähnt"®. D e m Logotheten Hierax und einem griechischen Bischof gelten die beiden letzten, gleichsam nachklappernden Briefe des Buches VII der Turcograecia, wiederum Schreiben, die der A n k n ü p f u n g von Kontakten dienen sollten"''. Sie entstanden erst knapp ein Jahr später (April 1579)"®. Im folgenden Monat ging die zweite A n t w o r t des Patriarchen in Tübingen ein, das letzte Ereignis, das Crusius erwähnt"'. S.O.S. 44 f. 46. " T G 488. "ibd.44of. " Ibd. 491. " Ibd. 456f. (vgl. o. S. 117 Anm. 178). "Ibd.498. " Ibd. 501. 502. " Ibd. 459. 4 6 3 . 4 6 5 . 4 6 6 . 467. Ibd. 458-460, s. o. 5 . 1 1 6 . TG 460^62. "» S. o. S. 119. T G 464-468. Ibd. 464. Ibd. 4 6 2 ^ 6 4 , s. o. S. 117. "" T G 4 6 8 ^ 8 1 , S . O . S . 117f. ''5TG509. •'Mbd.510. Ibd. 4 8 1 - t 8 3 , S.O.S. 123f. 125 A n m . 159. Crusius weist in den Anmerkungen noch auf eine Reihe gleichzeitiger Briefe hin, darunter auf den D a n k an Theodosios für die durch Gerlach gesandten Geschenke (ibd. 514). S. o. A n m . 28.

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Die Verwendung des Briefwechsels

Betrachtet man das im siebten Buch der Turcograecia gebotene Material, dann ist deutlich, daß der Leser über sämdiche wichtigen Daten des theologischen Briefwechsels zwischen Tübingen und Konstantinopel bis zur Ankunft der zweiten griechischen Lehrschrift informiert wird. Vergleicht man es mit dem Tagebuch, dann zeigt sich auf der anderen Seite aber ebenso, daß Crusius dabei grundlegende Verschiebungen, um nicht zu sagen Verzerrungen, vornimmt. So ist er offensichtlich bemüht, den theologischen Dialog nicht als Mittelpunkt der Beziehungen zu den Griechen erscheinen zu lassen. Deshalb bringt er die Informationen darüber zum Großteil nicht im Haupttext - so wenig hier verschwiegen wird, daß es einen solchen Dialog gab - , sondern kurz in den Anmerkungen. Es springt z.B. geradezu ins Auge, daß in dem ansonsten fast vollständigen Komplex der zwischen Tübingern und Griechen gewechselten Briefe aus den ersten drei Jahren ausgerechnet das Begleitschreiben zur Confessio Augustana fehlt und mitsamt der kurzen Notiz, das Bekenntnis sei dann und dann nach Konstantinopel geschickt worden, nur auszugsweise in den Fußnoten erscheint. Der Paukenschlag, der der ganzen Korrespondenz einen neuen, sie fortan bestimmenden Charakter verlieh, bleibt für den Leser aus. Dasselbe ist hinsichtlich der übrigen entscheidenden Schritte, des Hin und Hers der Lehrschreiben, zu sagen : Daß sie verfaßt und verschickt wurden, läßt sich den Briefen großen Teils entnehmen, doch i.A. nebenbei, in Form kurzer Rück- oder Ausblicke unter anderen Aussagen^", während die direkten Informationen über das Geschehen, knapp und beiläufig, in den Fußnoten stehen. Durch diese Gewichtsverteilung macht Crusius bewußt den Mittelpunkt zum Hintergrund des Austauschs zwischen Tübingen und Konstantinopel. Damit hängt zusammen, daß er den kirchlichen Aspekt der Korrespondenz zurückdrängt. Auch unter diesem Gesichtspunkt ist das Fehlen des Begleitschreibens zur Confessio Augustana bezeichnend, stellt sich doch hier die lutherische Seite als Kirche, repräsentiert durch ihr grundlegendes Bekenntnis, vor. Vor allem aber liegt es auf dieser Linie, daß Crusius die vielfältigen Aussagen der Tübinger, sie seien gewiß, den Griechen kirchlich sehr nahe zu stehen, ebenso wie jeglichen Hinweis auf Unionserwartungen ausläßt oder verändert. So erklärt sich etwa die zweite Lücke im ersten Komplex der Tübinger Briefe an den Bosporus, das Fehlen von Andreaes am 3. 3.1574 geschriebenem Brief. Die Aussagen des Kanzlers, er glaube bei allen Abweichungen im rituellen Bereich doch an Übereinstimmung im wesenthchen'>, hätte, in den Haupttext gesetzt, allem Folgenden von vorneherein einen kirchlich-ökumenischen Akzent verliehen. Crusius druckt den Satz nur im Anmerkungsteil und verändert ihn zudem noch in bezeichnender Weise: Er zitiert nicht, Andreae „glaube" (πιστεύω) an Übereinstimmung, sondern er „hoffe" darauf (sperare), und Gegenstand der Hoffnung soll nicht die Übereinstimmung beider Seiten (ημάς συμφωνείν) sein, sondern daß auch die Griechen die Lehre der Lutheraner verträten (illos [sc. die Griechen] nobiscum sentire)^^. Derselben Tendenz Im Rahmen dieses Verfahrens läßt sich, bei aller Inkonsequenz (s. u. Anm. 78), doch eine gewisse Logik darin entdecken, daß Crusius, nachdem er das Begleitschreiben zur Confessio Augustana übergangen hat, den Brief abdruckt, den Andreae und er Jeremias am 20. 3. 1575 geschickt hatten (TG 423f., s. o. S. 59f.), obwohl darin Tatsache und Sinn der Übersendung des Bekenntnisses erörtert werden. Das geschieht hier eben im Rückblick und nicht programmatisch als Teil des theologischen Lehrbriefwechsels selbst. S. o. S. 45. T G 488 gegenüber Cr. TB MS 123, zitiert o. S. 45 (eine letzterer parallele Veränderung s. a. T G 443 / Cr. TB MS 1274).

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fällt schon im ersten Brief, dem Schreiben an den Patriarchen, mit dem Crusius die Korrespondenz eröffnet, der Begriff „Mitbrüder" (συνάδελφοι) f ü r Griechen und T ü binger z u m Opfer®^, ebenso in seinem nächsten jeder Hinweis auf die angenommene Einheit im Glauben u.ä.®·*. Vielfach werden auch Ausdrücke besonderer E h r f u r c h t vor dem Hierarchen Jeremias gestrichen oder herabgestimmt^'. Andererseits läßt Crusius die Seitenhiebe gegen R o m weitgehend aus^^, sind sie doch in der Korrespondenz mit den Griechen nur das negative Pendant der diesen geltenden Zusammengehörigkeitsbeteuerungen. D a ß auf dem H i n t e r g r u n d des Gesagten von Gedanken an eine Kirchenunion nicht die Rede sein würde®'', versteht sich von selbst. Infolgedessen ist auch von den H ö h e n und Tiefen der Erwartungen und Enttäuschungen auf Tübinger Seite nicht das Geringste zu spüren. Bezeichnend ist die Art und Weise, in der Crusius die Entdeckung der Differenzen im F r ü h j a h r 1576 behandelt, das Ereignis, daß zu einem tiefgehenden Schock und zum U m s c h w u n g auf Tübinger Seite geführt hatte®®. An dieser Stelle befindet sich eine Lücke im Haupttext®', und als F u ß n o t e z u m nächsten, erst aus dem folgenden Jahr stammenden Brief heißt es lapidar^": Bevor er, Crusius, den Brief geschrieben habe, seien in Tübingen verschiedene Schreiben aus Konstantinopel samt der A n t w o r t auf die Confessio Augustana eingetroffen'* - eine sehr schwächliche Verknüpfung, denn das „bevor" soll immerhin ein ganzes Jahr überbrücken. Es folgt eine kurze Aufzählung der sich aus der A n t w o r t ergebenden Differenzen, und dann heißt es in demselben Absatz unvermittelt: Alle gelehrten Griechen seien nach Gerlach froh, mit den Gelehrten in Deutschland Verbindung zu haben. Sie predigten und läsen die Bibel und die Kirchenväter unter Tübinger Einfluß nun auch eifriger. U n d weiter geht es mit Informationen über Gebäude in Konstantinopel, griechische Handschriften, Historisches usw. Diese Stelle ist charakteristisch f ü r Crusius' Umgang mit dem Briefwechsel zwischen Tübingen und Konstantinopel in der Turcograecia nicht nur, insofern hier seine bereits genannten Kunstgriffe - Behandlung der entscheidenden Daten in den F u ß n o t e n und zudem kurz und beiläufig. Zurückdrängen des kirchlichen Kontextes und Verschweigen aller entsprechenden Erwartungen und Enttäuschungen - z u s a m m e n k o m m e n , sondern auch, weil hier deutlich wird, in welcher Perspektive er die Vorgänge zurechtstutzt: Er will sie als Teil einer akademischen Veranstaltung, eines Informationsaustausches zwi" T G 411 gegenüber Cr. TB MS 13, zitiert o. S. 39. " T G 416 gegenüber Cr. TB MS 120; vgl. a. TG 469 / Cr. TB MS 1659 und T G 482 / Cr. TB MS II 52, w o das Attribut „gottesfürchtig" (ευσεβείς) für die Griechen durch „gut" ( ά γ α θ ο ί ) ersetzt wird, sowie T G 476 gegenüber Cr. TB MS I 667, w o der Satz wegfällt, Patriarch Metrophanes sei der lutherischen Lehre wohlgesonnen (s. o. S. 118). " S. z. B. T G 416 / Cr. TB MS 119; T G 419 / Cr. TB MS 122; T G 425 / Cr. TB MS I 69. 70; T G 426 / Cr. TB MS I 71 ; T G 469 / Cr. TB MS 1658 ; T G 472 / Cr. TB MS 1661 ; vgl. a. T G 476 / Cr. TB MS 1667. T G 443 / Cr. TB MS 1273; T G 447 / Cr. TB MS 1282; T G 448 / Cr. TB MS 1 2 8 5 f . " Stücke, in denen diese Hoffnung zum Ausdruck kommt, werden gar nicht aufgenommen, mit einer Ausnahme, w o der einschlägige Satz gestrichen ist (TG 476 / Cr. TB MS 1666 f., indirekt auch TG 469 / Cr. TB MS I 658 f., ebenfalls Streichung). 5» S.O.S. 84ff. S. o. S. 363. T G 498. Von dem vorangehenden, dann auch in Tübingen nachwirkenden Enttäuschungserlebnis Gerlachs (s. o. S. 77ff.) ist natürlich ohnehin keine Rede.

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Die Verwendung des Briefwechsels

sehen Gelehrten erscheinen lassen, als ein Gebiet unter anderen im Rahmen eines umfassenden philhellenischen Unternehmens, das der Aufnahme von Kontakten zwischen Griechen und Württembergern und der Übermittlung von Informationen über die Lebensverhältnisse auf der jeweils anderen Seite dienen soll. Solche Informationen umfassen dann natürlich auch Kirchliches und Theologisches, aber eben u. a. und ohne daß daran nun besondere Erwartungen jenseits des akademischen Rahmens geknüpft würden - die Feststellung unterschiedlicher Ansichten über die im Augsburgischen Bekenntnis behandelten Fragen hat demnach grundsätzlich keine andere Bedeutung als die Entdeckung interessanter Monumente und unbekannter Manuskripte, weshalb Crusius in dem Abschnitt aus dem Begleitschreiben zur Confessio Augustana, den er in die Fußnoten aufnimmt, folgerichtig die Bitte um ein Urteil (κρίσις) des Patriarchen über das Bekenntnis durch eine solche um seine Meinung (γνώμη) ersetzt®^. In der Logik dieser Perspektive ist der Hinweis auf die Freude der griechischen Gelehrten über den Austausch unmittelbar nach der Aufzählung der Lehrdifferenzen sinnvoll, so erklärt sich aber vor allem die Fülle von Informationen, die mit dem theologischen Briefwechsel gar nichts zu tun haben. Solche Fülle findet sich nicht nur hier, sondern sie ist typisch für das ganze Buch VII, ja man kann sagen, für die ganze Turcograecia. Wie die Briefe der Korrespondenz zwischen Tübingen und Konstantinopel ein Buch unter mehreren anderen allgemein historisch-landeskundlichen Inhalts bilden®^, so ist innerhalb dieses Buches wiederum der theologische Austausch Teil einer Palette von Informationen über alle Lebensgebiete, ja die aus der Korrespondenz, vor allem aus Gerlachs Briefen in den Fußnoten, veröffentlichten Informationen über Nichtkirchliches und Kirchliches, das nichts mit jenem Austausch zu tun hat, nehmen bei weitem den größten Raum ein und lassen den Lehrvergleich zu einer von vielen Wellen im Meer der interessanten Neuigkeiten werden. Programmatisch deutlich wird diese Perspektive an Crusius' Brief an Gerlach vom 4. 3. 1574®". Er ist unter den in den Haupttext aufgenommenen das einzige Schreiben, das nicht zwischen einem Tübinger und einem Griechen, sondern zwischen zwei Württembergern gewechselt wurde. Der Philologe muß sich also etwas dabei gedacht haben, als er ihn mitabdrucken heß. In der Tat hat dieser Brief besonderes Gewicht für Buch VII der Turcograecia, insofern er mit den Worten des philhellenischen Sammlers Crusius kurz zusammenfaßt, in welcher Perspektive der Leser die Verbindung mit Konstantinopel sehen soll: als Unternehmen, das dazu diente, Kontakte, zunächst einmal mit dem Patriarchen, anzuknüpfen und Material aus allen irgendwie mit den Griechen in Zusammenhang stehenden Bereichen zu gewinnen. In gewisser Weise nimmt der Brief damit den Platz des ausgelassenen Begleitschreibens zur Confessio Augustana aus demselben Jahr ein: Statt unter kirchhch-ökumenischem, steht alles Folgende für den Leser nun unter philhellenisch-enzyklopädischem Vorzeichen. " T G 488 verglichen mit Cr. TB MS I 60 oder Acta 1, s. o. S. 46. An die Stelle des unmittelbar vorausgehenden Satzes, der Patriarch solle aus dem Augsburgischen Bekenntnis ersehen, ob beide Seiten dasselbe meinten oder nicht, was die Tübinger nicht hofften, tritt in der Turcograecia übrigens die Aussage, Jeremias solle den Glauben der Lutheraner daraus kennenlernen, weil sie bei den Griechen von vielen verleumdet würden - eine Begründung, die dem entspricht, was Melanchthon in seinem Begleitbrief zur Confessio Augustana an Patriarch Joasaph schreibt, und von dort übernommen sein könnte (TG 559 oder CR IX 923). Vgl. die Weise, in der Crusius im Vorwort Buch VII in das Ganze des Werkes einbaut. TG419/Cr.TBMSI21f.,s.o.S.43f.

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Wie das Schreiben an Gerlach andeutet und die gedruckten Texte zeigen, ist es nun aber nicht nur die Mitteilung von Informationen, sondern auch der freundschaftliche Kontakt mit Griechen, den Buch VII - und ebenso dann auch das folgende - belegt, der menschliche Aspekt der Philhellenia steht neben dem intellektuellen®'. Viele der Briefe, die Crusius aufnimmt, haben überhaupt nur oder vorwiegend unter diesem Gesichtspunkt Sinn, inhaltlich tragen sie nichts oder kaum etwas bei. Das gilt für Briefe aus der Beziehung zwischen den Partnern der theologischen Korrespondenz, die die im Verlauf der Kontakte gewachsene Freundschaft in Form von Komplimenten, Liebesbeteuerungen, Grüßen und Hinweisen auf Geschenke zeigen sollen®®, und das gilt für jene, in denen Crusius neue Verbindungen anknüpft. So erklärt sich bei etlichen Schreiben, vor allem im zweiten Teil des Buches, wie sie überhaupt in die Turcograecia hineingeraten sind, etwa Crusius' erster Brief an Symeon Kabasilas, der einzige aus dem Jahr 1576/ 1577®·', in dem in der theologischen Korrespondenz so viel Belangvolleres geschah, oder jene aus den Jahren 1578 und 1579, die nur der Eröffnung von Kontakten mit verschiedenen Leuten in Konstantinopel dienten®®. Die Wahrscheinlichkeit spricht dafür, daß das Bestreben, auch den persönlichen Aspekt des Philhellenismus zu zeigen, das Motiv war, das den U m f a n g des Buches VII bestimmte: Ohne diese Absicht hätte Crusius es spätestens vor den letztgenannten Briefen schließen können, weil sie in keiner anderen Hinsicht etwas beitragen, die direkt mit der theologischen Korrespondenz verbundenen Briefe ohnehin schon vorher auslaufen. Wenn andererseits nach ihnen nichts mehr folgt, hat das den einfachen Grund, daß nun alle Adressaten in Konstantinopel erwähnt sind®'; weitere griechische Kontaktpersonen gab es nur außerhalb der Hauptstadt, und ihnen gilt dann folgerichtig das nächste Buch. U n d was die theologischen Verhandlungen betrifft, so konnten auch sie, da sie bloß in den philhellenischen Austausch eingebettet oder als Hintergrund dazu zur Sprache kommen, nur bis zu dem Stadium erwähnt werden, in dem der letzte abgedruckte Brief entstand, d.h. bis zum Eintreffen des zweiten Schreibens aus Konstantinopel. Crusius stellt die Perspektive, in der er das gesamte Material der Turcograecia einschließlich der zwischen Tübingen und Konstantinopel gewechselten Briefe verstanden wissen will, seinen Lesern in der Einleitung des Werkes vor, indem er auf den Beginn der Kontakte mit den Griechen verweist. Er habe, als Gerlach ins Osmanische Reich aufbrach, die Gelegenheit gesehen, sich über die zeitgenössischen Griechen, ihre Religion, ihre Sprache u.a. zu informieren, und an den Ökumenischen Patriarchen geschrieben. Daraufhin habe sich nicht nur eine Korrespondenz mit diesem, sondern auch ein freundschaftliches Verhältnis mit anderen Griechen in Konstantinopel und außerhalb ' ' Vgl. im Vorwort die Aussage, Buch VII und VIII zeigten Tübinger und Griechen in amica collocutio (''3). ' ' Die Hinweise auf den theologischen Austausch nehmen darin immer einen sehr geringen Raum ein, wenn es überhaupt solche gibt, s. T G 459. 463. 465. " S . O . S . 363. " S. o. S. 363 f. ; die ohnehin spärlichen Hinweise darin auf den theologischen Briefwechsel sind i. A. völlig abgeschwächt, s. z. B. 469 gegenüber Cr. T B MS I 658; T G 472 gegenüber Cr. T B M S I 661. " Die einzige Ausnahme ist der Arzt Philippos Ptolemaios, doch mit ihm hatte Crusius auf Lateinisch korrespondiert (s. ibd. 6 2 L 644. 646. 720; II 72f.). Außerdem empfahl es sich nicht, Philippos aufzunehmen, weil er kurz darauf zum Islam konvertiert und damit aus der griechischen Gemeinschaft ausgetreten war (ibd. I 720 Randnotiz).

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Die Verwendung des Briefwechsels

ergeben und sei vielerlei Material bei ihm, Crusius, zusammengeflossen. Ex quibus rebus evenit, ut hoc opus conficerem'"'. Diese Angaben entsprechen zwar dem Motiv, das der Gräzist zu Beginn seines Tagebuchs für den Versuch angibt, mit dem Patriarchen Kontakt aufzunehmen''^, doch sie unterschlagen das starke kirchlich-ökumenische Engagement, das bei ihm von Anfang an im Spiel war - brachte er doch Andreae dazu, sich zu beteiligen, legte seinen Briefen Predigten bei usw. Vollends mit der Übersendung des Augsburgischen Bekenntnisses hatte diese Seite der Beziehung zu den Griechen eine Dimension erreicht, die über enzyklopädisches Interesse weit hinausging. Andererseits waren dies Interesse und das Gefühl kirchlicher Verbundenheit mit den Griechen für Crusius im Rahmen seiner Philhellenia bis zum Schockerlebnis des Frühjahrs 1576 so eng miteinander verbunden, daß er sie selbst gar nicht zu scheiden vermocht h ä t t e D i e s e Lage der Dinge scheint der erste Komplex von veröffentlichten Schreiben, der bis zum April 1576 reicht, noch in gewissem Maß widerzuspiegeln, der kirchliche Aspekt ist hier, von den genannten grundlegenden Eingriffen abgesehen, weniger strikt verdrängt als bei dem jüngeren Material. Wurde dem Philologen, als er sich die frühen Briefe wieder vornahm, die Stimmung der Anfangsphase erneut gegenwärtig? Doch es ist wohl wahrscheinlicher anzunehmen, daß ihm auch im Rückblick noch der Abschnitt der Korrespondenz vor der Entdeckung schwerwiegender theologischer Differenzen zwischen Tübingen und Konstantinopel größere Offenheit zu erlauben schien. Wie dem auch sei, Andreaes nach den Entdeckungen des Frühjahrs 1576 ergangener Weisung strengster Diskretion'^ nachzukommen, konnte 1580 und 1581, als der Philologe die Turcograecia zusammenstellte, nicht mehr heißen, den theologischen Austausch einfach zu leugnen - war doch die Nachricht davon dank Crusius' eigenem Mitteilungsdrang handschriftlich und gedruckt schon überall verbreitet und versuchte man bereits von verschiedenen Seiten, Material daraus in die Hand zu bekommen'"·. So wählte Crusius den Weg, eine bestimmte Interpretation der Vorgänge sicherzustellen. Die Sicht, die die Turcograecia bietet, war aber zu der Zeit, als das Werk schließlich auf den Markt kam, schon überholt, denn mittlerweile hatte Sokolovius die „Censura Orientalis" veröffentlicht und die württembergische Kirchenleitung mit den „Acta et Scripta" geantwortet. Hier in den Acta aber wird eine andere Deutung des Briefwechsels vorgelegt: Angesichts der nun edierten Schriften konnte man nicht umhin, dem religiöskirchhchen Aspekt sein volles Gewicht zuzugestehen, und man tat es, indem man behauptete, der Briefwechsel habe von Anfang an der Bekehrung der Griechen dienen sollen'®. Crusius' erst 1584 geschriebenes Vorwort zur Turcograecia läßt einige Einflüsse der neuen Entwicklung spüren'®, doch eine grundsätzliche Revision nahm er nicht mehr vor". Wie er die Version der Turcograecia je für überzeugend halten konnte, ist ein Rätsel, wird doch dem Leser des siebten Buches sofort deutlich, daß sich dahinter mehr verbirgt. 70 TG П'. "S.o.S.37f. Vgl. o. S. 47ff. '3 S. o. S. 94, vgl. a. 352. 357. "> S . o . S . 3 4 8 f f . S. u. S. 396. S. =··2"; " Er machte nicht einmal Textveränderungen rückgängig, die aufgrund der quellengetreuen Acta-Edition nun durchschaubar waren, so die Eingriffe in die abgedruckten Ausschnitte aus Andreaes weggefallenen Briefen, s. o. S. 366 im Vergleich zu Acta 1, und s. o. S. 364 f. im Vergleich zu Acta IV'.

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als der A u t o r zeigen will'®. Die Naivität des Philologen läßt sich hier wie schon im Falle seiner u n b e k ü m m e r t e n , d e r T a k t i k d e r Kirchenleitung völlig z u w i d e r l a u f e n d e n brieflichen G e s c h w ä t z i g k e i t hinsichtlich der B e z i e h u n g e n zu K o n s t a n t i n o p e l n u r mit seinem E n t h u s i a s m u s f ü r alles Griechische erklären - der w a r so mächtig, daß er sich mitteilen m u ß t e u n d alle anderen G e s i c h t s p u n k t e unwiderstehlich überrollte. Es w a r nicht n u r die k i r c h l i c h - ö k u m e n i s c h e Seite des Briefwechsels zwischen T ü b i n gen u n d K o n s t a n t i n o p e l , die C r u s i u s z u verschleiern suchte. E r b e m ü h t e sich auch, einen anderen, weniger zentralen, d o c h möglicherweise gefährlicheren A s p e k t zu verheimlichen: d e n politischen, u n d z w a r an beiden Polen, d e m w ü r t t e m b e r g i s c h e n wie d e m griechischen. Z u m einen ließ er die Beteiligung H e r z o g L u d w i g s nirgends d u r c h b l i c k e n . D a s e r f o r d e r t e keine b e s o n d e r e n K u n s t g r i f f e , weil es o h n e h i n offizielle T a k t i k des Stuttgarter H o f e s gewesen w a r , sein E n g a g e m e n t z u verschweigen, u n d deshalb die an G r i e c h e n geschickten Briefe d a v o n nichts verlauten ließen. C r u s i u s b r a u c h t e also b l o ß darauf z u verzichten, in den F u ß n o t e n einschlägige H i n w e i s e a u s z u s t r e u e n . In Texte m u ß t e er n u r zweimal k u r z eingreifen: In seinen eigenen Briefen an J o a n n e s u n d T h e o d o s i o s Z y g o m a las v o m 14. u n d 15. 4. 1576 w i r d die Aussage, er habe Schreiben aus K o n s t a n t i n o p e l f ü r den F ü r s t e n ins Lateinische ü b e r s e t z t , einmal schlicht ausgelassen^', u n d einmal heißt es stattdessen, das sei f ü r die Leute geschehen, die nicht Griechisch könnten®®. W a r es hinsichtlich der W ü r t t e m b e r g e r Seite die T a k t i k des H e r z o g s h o f e s , die C r u s i u s b e w o g , alle politischen A s p e k t e aus d e m Spiel zu lassen, so brachte ihn hinsichtlich d e r G r i e c h e n die R ü c k s i c h t auf deren Sicherheit d a z u ; i m m e r wieder beteuerte er seinen B r i e f p a r t n e r n , er w e r d e nichts herausgeben, was sie gefährden könne®4 Es geht dabei nicht u m H i n w e i s e auf die Beteihgung politischer G r ö ß e n , s o n d e r n auf E r w a r t u n g e n an solche, nämlich auf die schon a n g e s p r o c h e n e H o f f n u n g einiger Leute im Patriarchat, d u r c h die T ü b i n g e r mit d e m Kaiser in Wien V e r b i n d u n g zu haben®^. E n t s p r e c h e n d e Zudem war Crusius keineswegs konsequent im Filtern und Zurechtstutzen seines Materials. Er druckte einen Brief wie den der Tübinger Andreae und Crusius an Patriarch Jeremias vom 20. 3. 1575 mit ab (TG 423 f.), worin die Auslassung des Begleitschreibens zur Confessio Augustana dem Inhalt, wenn auch nicht dem formalen Gewicht nach wieder ausgeglichen wird (oder wurde der Brief nach dem Erscheinen der „Censura Orientalis" aufgenommen, weil er in den „Acta et Scripta abgedruckt ist (2—4) und, zumal im Vergleich mit dem vorhergehenden aus der Feder des Patriarchen, den umstrittenen Anspruch der Lutheraner auf Ursprünglichkeit ihrer Lehre programmatisch darlegt? Die Tatsache, daß sich sonst keine auf Sokolovius' Edition zurückgehenden Kurskorrekturen feststellen lassen, macht diese Hypothese allerdings unwahrscheinlich.), und er konnte es sich nicht versagen, hie und da Sätze wiederzugeben, die die Hoffnungen der Tübinger auf religiöse Annäherung durchscheinen lassen (s. z.B. den oben S. 365 angeführten Satz über die „Besserung" der Griechen). Oder er tilgte im Schreiben des Notars einen Absatz über Polemik von römischer Seite gegen die Korrespondenz (ibd. 433 gegenüber Cr. TB MS I 187f.), nicht aber in dem des Rhetors (TG 428). Man könnte noch viele Beispiele dieser Art aufzählen. 79 7 G 443 gegenüber Cr. TB MS 1274. ^^ TG 445 gegenüber Cr. TB MS I 279; übrigens spricht die Turcograecia hier auch statt vom Interesse der evangelischen Herrscher (άρχοντες) an der Korrespondenz unpolitisch von dem der Vornehmen (μεγιστάνες) (TG 444 gegenüber Cr. TB MS 1277). " Z.B. Cr. TB MS II 225. 307 (hier schreibt er explizit, er werde alles Gefährliche auslassen). 352; s.a. 1306; II 234. S.O.S. 74f. 112. 141.

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Die Verwendung des Briefwechsels

Aussagen enthalten unter den Briefen, die Crusius abdruckte, die der beiden Zygomalas vom November 1575®^. Was Theodosios damals den Tübinger Studenten über den Kaiser und die rechte Haltung ihm gegenüber schrieb, ließ sich im Sinne eines allgemeinen Hymnus ohne Bezug auf eine bestimmte Situation verstehen, so daß die Turcograecia es unverändert übernahm®"·. Wo er dagegen, vorsichtig, aber doch eindeutig auszulegen, davon sprach, er hätte gern Geld „von dem bei Euch in allseits sichtbarer Weise Herrschenden" (παρά τοϋ περιβλέπτως κρατοϋντος έν ύμίν), druckte Crusius in sinnloser Verallgemeinerung „von irgend jemandem, der bei Euch in allseits sichtbarer Weise herrscht" (παρά τίνος περιβλέπτως κρατούντος)®^. Am offensten hatte sich der Rhetor geäußert, indem er zweimal explizit um Hilfe des Wiener Kaisers bat, und beide Male wurde die Vorlage für die Turcograecia verändert. Hieß es ursprünghch, Joannes Zygomalas bitte durch Vermittlung Andreaes und Crusius' um Geld „aus der reichtumspendenden Hand des unbesiegbaren Kaisers der Römer" (τοϋ άηττήτου ρωμαίων Καίσαρος), so lautet der gedruckte Text „aus der reichtumspendenden Hand der Vermögenden" (των δυναμένων)®®; die zweite Stelle, wonach der Rhetor eifrigere Dienste versprach, wenn ihm von den Tübingern „und von der Rechten des unbesiegbaren Kaisers" geholfen werde, fällt in der Turcograecia einfach aus®''. Sowenig gelungen Crusius' Verschleierungstaktik war, was die kirchliche Seite des Briefwechsels zwischen Tübingen und Konstantinopel betrifft, so großen Erfolg hatte er doch damit hinsichthch der politischen Aspekte. Wenn über die genannten Motive auf griechischer Seite schon einmal Vermutungen aufkamen, die sich nicht auf Crusius' Manuskript stützten®®, dann nur, weil Gerlachs Tagebuch einige Aussagen in dieser Richtung enthält. Für die politischen Hintergründe in Württemberg gibt es derartige gedruckte Hinweise nicht. Sie sind tatsächlich so gut verborgen geblieben, daß allein der Rückgriff auf Crusius' handschriftlichen Nachlaß sie zutage fördert.

2. Der Bezug auf die Kontakte der Tübinger mit Patriarch Jeremias in der Auseinandersetzung zwischen und Reformierten über das Abendmahl

Lutheranern

Im sechzehnten J a h r h u n d e r t verbanden die reformierten Kirchen n o c h keine theologischen E r w a r t u n g e n oder politischen Interessen mit d e m Ö k u m e n i schen Patriarchat, denen der Briefwechsel zwischen T ü b i n g e n u n d Konstantinopel hätte gefährlich erscheinen k ö n n e n - eine solche Konstellation sollte sich erst f ü n f z i g J a h r e später ergeben, als Botschaften calvinistischer Staaten, H o l lands u n d Englands, an der H o h e n P f o r t e eröffnet u n d zu Einfluß g e k o m m e n S. o. S. 70f. Joannes Zygomalas' Brief an Crusius vom 15. 5. 1576, der ebenfalls Aussagen in diesem Sinne enthält (s. o. S. 91 f.), ist nicht mitabgedruckt; Gerlachs und Schweickers in dieselbe Richtung gehende Hintergrundinformationen (s. o. S. 92 f.) aufzunehmen, bestand ohnehin kein Anlaß, dementsprechend auch nicht, auf die Vorstellungen des Patriarchen vom Verhältnis der Tübinger zum Wiener Hof einzugehen (s. o. S. 111 f.). T G 435-440, vgl. o. S. 72f.. Dasselbe gilt natürlich auch für die Antwort, T G 450-456. T G 431 gegenüber Cr. TB MS I 182, vgl. o. S. 72. Im Text verdruckt δαναμενων. T G 428 gegenüber Cr. TB MS 1176, vgl. o. S. 71. Geäußert von Schaeder, s. o. S. 141,Anm. 45.

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waren und man allgemein das Patriarchat als wichtigen Faktor der europäischen Pohtik entdeckt hatte^. W o h l konnte auch bei einzelnen Humanisten aus reformierten Ländern die Begeisterung für die griechische Klassik zu Interesse an den zeitgenössischen Griechen führen^. Beza in Genf korrespondierte sogar zeitweise mit einem griechischen Theologen in Alexandrien, dem späteren dortigen Patriarchen Meletios Pegas^, und dieser besaß ein W e r k des Schweizer Reformators, einen antirömischen Traktat, sowie Calvins „Institutio""*; doch der Kontakt verlief offenbar schnell im Sand und ging nicht ins öffentliche Bewußtsein, nicht einmal der Schweiz, ein. Breit angelegte und kontinuierliche Verbindungen mit Griechen oder Erwartungen an sie gab es jedenfalls von calvinistischer, anders als von römischer, Seite zur Zeit des Briefwechsels zwischen Tübingen und Konstantinopel nicht. Daß es zwischen reformierten und lutherischen Theologen zu einer polemischen Auseinandersetzung über die Kontakte der Tübinger mit Patriarch Jeremias kam, war denn auch rein zufällig und entzündete sich an Vorfällen, die ' S. Hering, op. cit. ^ S. die Briefpartner Crusius' in der Schweiz, allen voran Grynaeus. ' C r . T B M S II 628 (vielleicht auch nach ibd. I I I 97, wenn das dort stehende W o r t Γ ι ε ζ ε ρ ο ς oder Π ε ζ ε ρ ο ς eine Verschreibung des N a m e n s B e z a ist); leider ließ sich bisher kein Brief aus dieser Korrespondenz, nur Meletios' Zeugnis von ihr, aufspüren. Ibd. II 631 ; I I I 97 (nur auf die Bücher der Institutio läßt sich wohl der Ausdruck αΐ Κ α λ β ί ν ο υ είσαγωγαί deuten). Bezas Traktat soll Meletios sogar selbst ins Italienische übersetzt haben (ibd. II 632), die Institutio habe er aus Zeitmangel dagegen nur oberflächlich gelesen (ibd. I I I 96). W e n n M e y e r evangelische Einflüsse bei Meletios feststellt (55) und ihm einen „ökumenischen Zug" bescheinigt (59), dann ist das also nicht verwunderlich. D e r Alexandriner hatte z . Z . seiner Korrespondenz mit Chytraeus und Crusius in den achtziger Jahren bereits sein Enchiridion, ein Handbuch des christlichen Glaubens, abgeschlossen ( C r . T B M S II 728; I I I 9 7 ; vgl. M e y e r 61) und schrieb ihnen, die Tatsache, daß er sich darin nur auf die Bibel (τα έμφερόμενα έν εϋαγγελικοίς, άποστολικοίς καΐ π ρ ο φ η τ ι κ ο ί ς γράμμασιν) stütze - was Crusius ihm als Grundzug des H e e r brand'schen Kompendiums dargelegt hatte ( C r . T B M S I I I 20) - , werde den Evangelischen sicher gefallen (ibd. I I I 98). Meyer sieht in Meletios' Schriften Zusammenhänge mit Augustins „ D e civitate" und mit dem „lutherische(n) Kirchenbegriff, wie er in der Augustana und deren Apologie begründet ist", und meint, der Grieche habe letzteren vielleicht in der C A Graeca und in Heerbrands K o m p e n d i u m kennengelernt, die ja beide nach Konstantinopel gesandt worden waren (Meyer 59). Was mögliche lutherische Einflüsse betrifft, so schickte Crusius Meletios 1583 sogar direkt ein Exemplar des Heerbrand'schen Kompendiums mit der, allerdings fruchtlosen, Bitte um eine Stellungnahme ( C r . T B M S II 602. 641; I I I 20. 96. 106. 134), ferner 1584 die „Acta et Scripta" (ibd. 107. 117. 121. 134f.); vielleicht war auch eine der von Gerlach zur Verteilung an die anderen Patriarchate angeforderten Ausgaben der C A Graeca (s. o. S. 65) tatsächlich nach Alexandrien gelangt, oder Meletios sah sie, als er Mitte der achtziger Jahre am Ökumenischen Patriarchat beschäftigt war (Meyer 54); ferner stand er eben in Briefwechsel mit Crusius (ab 29. 1 . 1 5 8 2 , Cr. T B M S II 5 3 1 - 5 3 3 ) und Chytraeus (ibd. 627 f.). Außer mit lutherischen wäre aber nach dem Gesagten auch mit calvinistischen Spuren bei ihm zu rechnen (sollte Kyrill Lukaris bei seinem Vetter und Vorgesetzten Meletios zum erstenmal in Berührung mit reformierten Gedanken gekommen sein?) - e i n Gedanke, der Crusius dazu veranlaßte, ihm zu erklären, zwischen Reformierten und L u theranern bestünden, besonders in den Lehren vom Abendmahl und von der Prädestination, scharfe Differenzen (ibd. I I I 106f.).

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Die Verwendung des Briefwechsels

nicht das Geringste mit den Griechen oder dem Verhältnis einer der beteiligten Gruppen zu ihnen zu tun hatten: an den Streitigkeiten zwischen lutherischen und reformierten Kreisen in Straßburg. Hier hatte das Augsburger Interim 1549 den Rat der Stadt gezwungen, den Reformator Martin Bucer zu entlassen. Das bedeutete das Ende einer Phase, die einerseits - vor allem im Bereich der Ekklesiologie und ihrer praktischen Konsequenzen - stark von der Schweizer Reformation, andererseits aber auch von dem Streben nach Ausgleich mit der lutherischen bestimmt war, wie es sich etwa 1536 in der Wittenberger Konkordie niederschlug. Zugleich leitete dieses Ereignis eine Entwicklung ein, in der der Humanismus, welcher in den vergangenen Jahrzehnten den Geist der Stadt stark geprägt hatte - bei Bucer selbst und den führenden Straßburgern seiner Generation mit der theologischen Ausrichtung eng verbunden^ - , mehr und mehr zurückgedrängt wurde. Der Abschied von der Mittel- und Mittlerposition zwischen den reformatorischen Lagern, den die neue Epoche brachte, bedeutete konkret: Die Straßburger Kirche ging in das lutherische über. Doch dieser Prozeß® vollzog sich nicht ohne Schwierigkeiten und Kämpfe, denn die Vertreter des alten Geistes mußten ausgeschaltet werden. Es kam zum Eklat, als die Übernahme der Konkordienformel anstand. Johann Sturm^, Rektor der berühmten Hochschule, der Zierde des alten Straßburger Humanismus, und selbst der letzte große Vertreter dieses Geistes, allerdings - dem Fortschritt der Zeit entsprechend - strenger konfessionell-reformiert ausgerichtet als Bucer und seine Generation, trat zum literarischen Kampf an. Als einer der Lutheraner, Johann Pappus, Professor an der theologischen Fakultät der Hochschule, Thesen zugunsten der Annahme der Konkordienformel herausgab, veröffentlichte Sturm eine Reihe von „Antipappi"®. Die wichtigsten Punkte der Kontroverse bildeten die Lehre vom Abendmahl und die Frage, ob ein Dokument wie jenes Bekenntnis ausdrückliche Verurteilungen abweichender theologischer Lehren enthalten dürfe. Der Streit zog weitere Kreise, als auswärtige Theologen in ihm Partei ergriffen: zunächst Theologen aus Tübingen. Es hatte immer enge kirchliche Kontakte zwischen dem Herzogtum Württemberg und der Reichsstadt gegeben, auch in frühere Auseinandersetzungen zwischen den konfessionellen Lagern hatte schon einmal ein Tübinger, Jacob Andreae, vermittelnd eingegriffen'. Hinzu kam das Interesse des Herzogs von Württemberg an der Annahme der Konkordienformel durch möglichst viele Territorien im Reich^°, weshalb er an Straß^ Zu diesem „christlichen H u m a n i s m u s " in Straßburg s. Strohl 35-37. 55-57. 59-62. 71-73. S. a. Sohm, op. cit. ^ Die treibende Kraft war Bucers Nachfolger Marbach. Zu ihm s. Horning, D r . Johann Marbach. S. a. ders., Handbuch, bes. 3-6. 72-80. 9 3 - 1 1 7 . 1 2 6 - 1 2 9 . 1 3 1 - 1 4 8 . S. a. Strohl 56 f. 59-62. ' Zu ihm, seinem humanistischen Programm und seiner Schule, an der auch Crusius studierte, s. Sohm, op. cit. « S. ibd., 281-283 mit Quellenangaben; s.a. Horning, Handbuch 118f.; Strohl 87. ' Horning, Handbuch 99; Strohl 84. 1» S. o. Exkurs S. 108 ff.

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bürg eine Aufforderung in diesem Sinne richtete (1577)^^ und Lukas Osiander dort die Bekenntnisschrift vorlegte^^. Die Theologen des Herzogtums, allen voran die der Tübinger Universität, hatten also Anlaß, sich durch die Vorgänge in der Reichsstadt betroffen zu sehen. So verfaßte Osiander 1579 und 1580 zur Unterstützung Pappus' zwei Traktate gegen Sturm: die „Antisturmii". Dieses Eingreifen von württembergischer Seite führte dazu, daß auch der Straßburger Rektor Schützenhilfe von außen erhielt: Der Genfer Theologe Lambertus Danaeus schrieb 1580 ein Buch mit dem Titel „Antiosiander". Noch im selben Jahr - und allein diese Tatsache führte dazu, daß der Bezug auf die Verbindung der Württemberger mit Patriarch Jeremias Teil der Kontroverse wurde - schaltete sich Stephan Gerlach in den Streit ein und veröffentlichte einen Traktat „Antidanaeus", mit dem sich im Vorwort die gesamte Tübinger theologische Fakultät einer Meinung erklärte. Danaeus blieb nicht müßig und antwortete 1581 Gerlach mit einer Schrift „Ad Stephanum Gerlachium et illius Antidanaeum" und der Tübinger Fakultät mit einem Traktat „De tribus gravissimis quaestionibus". Gerlach wehrte sich umgehend mit einem „Hyperaspistes Antidanaei", Danaeus schlug 1582 zurück mit einem „Sophismatum Gerlachii elenchus" oder „Clibanarius", Gerlach im folgenden Jahr mit einer „Decertatio cum Lamberti Danaei profano milite, quem Clibanarium vocat", mit der sich wiederum die ganze Fakultät im Vorwort identifizierte. Dieser Schlagabtausch hatte um sich und zog nach sich einen Schwärm weiterer Schriften auch anderer Theologen aus beiden Lagern, die vornehmlich um die Frage des Abendmahls und die damit verbundene der Christologie kreisten; doch sie sind hier nicht von Belang, da wir auf die Kontroverse nur eingehen, weil und insoweit darin die Kontakte zwischen Tübingen und Konstantinopel zum erstenmal in einem Streit zwischen westhchen „Konfessionskirchen" zur Unterstützung der Position eines oder beider Partner angeführt wurden. Es war Gerlach, der damit begann. Gleich zu Anfang seines Traktats „Antidanaeus" weist er einen Satz des Genfers im Namen seiner persönUchen Kenntnis der Ostkirchen zurück. Danaeus hatte den calvinistischen, „orthodoxen" Kirchen das Prädikat beigelegt, „quae ubique diffusae sunt"^^. Gerlach fährt ihm über den Mund: „nugaris". Die asiatischen und afrikanischen Kirchen, auch ganz Griechenland, wüßten nichts von den „decreta vestrae factionis". Es sei denn, es gebe dort vielleicht noch Nachkommen „eures Patriarchen Nestorius" - die könnten die Genfer als eine ihrer Kirchen bezeichnen^''. Im Rahmen seiner Kritik an der reformierten Abendmahlslehre und Christologie führt Gerlach dann konkrete Reiseerlebnisse ins Feld. Er will in diesem Zusammenhang beweisen, daß die Position der Genfer zur Leugnung der "

Stroh] 87. Antiosiander 5.

" Horning, H a n d b u c h 116. Antidanaeus 7.

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Die Verwendung des Briefwechsels

Trinitätslehre im Sinne des Arianismus und des Islam führe^® - eine Behauptung, die er nicht aufbrachte, sondern die sich schon bei seinem Lehrer Andreae findet^®: Wer die im lutherischen Verständnis des Abendmahls vorausgesetzte Ubiquität des Leibes Christi, allgemein die Mitteilung der göttlichen Eigentümlichkeiten des Sohnes an seine menschliche Natur, bestreite, der behaupte - à la Nestorius - eine Trennung der beiden Naturen Christi, aus welcher - à la Arius - zu folgern sei, daß die in der lutherischen Personeinheitslehre notwendig implizierte Unterscheidung von Vater und Sohn im Sinne ewiger Hypostasen nicht vorauszusetzen, Gott vielmehr nur durch seine Wesenseinheit zu definieren sei^·^. Diese, seiner Meinung nach zwingende, innere Logik der reformierten Position versucht Gerlach nun auch empirisch zu belegen: und zwar mit Erfahrungen, die er auf seiner Reise nach Kostantinopel und während seines Aufenthaltes dort gemacht hat. Es seien ihm nämlich in dieser Zeit viele Menschen begegnet, die tatsächhch vom reformierten Glauben zur Leugnung der Trinitätslehre übergegangen seien, darunter sogar einer, der den Schritt der letzten Konsequenz, den Ubertritt zum Islam, getan habe. Gerlach meint damit einerseits Anhänger der antitrinitarischen Bewegung des 16. Jahrhunderts, andererseits den berühmt-berüchtigten ehemaligen Heidelberger Pfarrer Adam Neuser, den „beschreiten Mamelucken" Von den Begegnungen mit Antitrinitariern, „Arianern", auf die der „Antidanaeus" anspielt", berichtet Gerlach in seinem Tagebuch und in seiner Korrespondenz. Auf der Reise durch Ungarn habe er Gruppen von ihnen angetroffen^". Eine davon lebe in einer Gegend - nahe Ofen - , deren Religion „mehrerteil Calvinisch" sei^4 Der Pfarrer einer anderen, eines geschlossen „ariani"

Ibd. 169.187. S. etwa Andreaes 1580 in Wittenberg vorgelegte Disputationsthesen „Repetitio sanae doctrinae reverendissimi D . D . Martini Lutheri" (hier findet sich diese Behauptung primär hinsichtlich der Christologie bestimmter katholischer Theologen (s. D2r, Thesen 135f. und D3r, These 154), gilt aber, da deren Position mit der der Schweizer gleichgesetzt wird (s. D 2 v f . , Thesen 144-6), ebenso der calvinistischen Lehre). Andreae hatte sich schon früher ausführlich mit dem Koran beschäftigt und darin christologische Aussagen entdeckt, die denen entsprechen, welche er bei den Schweizern zu finden meinte und angriff. Ergebnis jener Studien waren die „Dreyzehen Predigen vom Türcken" (1568). Hier zog er allerdings noch keine Parallelen zur reformierten Christologie (dies legen die Aussagen von Müller-Streisand, 383 und Brecht, 677 nahe). Das geschah erst massiv ab 1580 - stand dahinter vielleicht das Zusammentreffen der Berichte Gerlachs aus Konstantinopel, die auch immer wieder den Islam betrafen, und der christologischen Auseinandersetzungen mit den Reformierten? - Z u m Vorwurf der Verwandtschaft von Calvinismus und Islam vgl. das kompendienhafte Pamphlet „Calvino-Turcismus" von G. Reginaldus; dazu, daß alle Konfessionen einander in dieser Weise zu schmähen liebten, allerdings mehr im Sinne allgemeiner Verketzerung als spezifischer theologischer Verwandtschaftsnachweise, wie die Tübinger diesen Vorwurf handhabten, s. Walch V 623 ff. Ibd. 38. 18 Gl. T B 34. " Antidanaeus 39. 2» Gl. T B 9. 13; vgl. a. Cr. T B M S 16. GL T B 13; s . a . Cr. T B M S 16.

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sehen" Dorfes nahe Gran, habe ihm erklärt, „daß er die Ewige Gottheit des Sohns und Heiligen Geistes nicht glaube / und k o m m ihnen beeden der N a h m Gottes nicht anders zu / als der Oberkeit: G o t t der Vater aber verrichtete Göttliche Wercke durch sie / nur als durch seine Werckzeuge"^^. Während Gerlach auf diese G r u p p e n nur en passant gestoßen war, stand er mit Adam Neuser von seiner A n k u n f t in Konstantinopel bis zu dessen T o d in Kontakt. Adam Neuser, ehemals reformierter Pfarrer in Heidelberg^^, dort in einen internationalen Kreis von Antitrinitariern geraten^", auf der Flucht vor der ihm deshalb drohenden Todesstrafe^^ nach vielen Anläufen und Umwegen schließlich ins Osmanische Reich gelangt, zum Islam konvertiert und nun Spahi, Reiter im Dienst des Sultans^^, nahm sofort nach Gerlachs A n k u n f t in Konstantinopel Verbindung mit dem Botschaftsprediger auf^'', und die beiden trafen sich dann und wann, um über vergangene Zeiten, über Deutschland und gelegentlich auch über theologische Fragen zu sprechen^®. Im Rahmen einer Diskussion über die Christologie, in der der Konvertit eifrig bemüht gewesen sei, seine antitrinitarischen Anschauungen zu beweisen^', habe er, so Gerlach, einen Satz zitiert, den er beim Verhör in Heidelberg von sich gegeben habe: „Wann ich nicht wäre Calvinisch worden, wer ich dahin nimmer gerahten"^^. Diese Bemerkung paßt zusammen mit einem Bericht, den Gerlach im „Antidanaeus" triumphierend vorbringt^4 Neuser habe ihm einmal den Brief eines Vorkämpfers der Antitrinitarier in Polen^^ gezeigt, und er selbst. Gerlach, habe sich eine Kopie davon angefertigt^^. In dem Brief sei zu lesen gewesen, man habe in der Gruppe, zu der der Verfasser gehörte, mit großer Freude den Koran studiert und bitte nun Neuser um ein Urteil darüber, ob die in Europa gängige Übersetzung des Korans^'· mit dem arabischen Original übereinstimme. Außerdem solle er nach Polen zurückkommen^®, um die Antitrinitarier dort zu unterrichten. Diesem Brief habe, so Gerlach im „Antidanaeus", ein Zettel " Gl. TB 9. " H o r n 249 f. " Zu diesem Kreis s. Wesel-Roth 45 ff. und H o r n 255 ff. Sein ebenfalls zu antitrinitarischen Anschauungen gelangter Kollege Johannes Sylvan wurde tatsächlich enthauptet (s. Rott 267. 263-281), unter großer Zustimmung der Theologen Genfs, vor allem Bezas (s. Beza, Epistolarum theologicarum liber unus 217; s. a. ders., Ad repetitas 11; vgl. a. Gl. TB 35) - hatte man dort doch den Fall Servet in derselben Weise gelöst. " S. H o r n 262ff.; s. a. Cr. TB MS I 67f. u. vgl. Gl. TB 35f. " Ibd. 34, Cr. TB MS 118. S.Z.B. G l . T B 3 4 - 3 7 . " Ibd. 36f.; Cr. TB MS 118. 3» Gl. TB 35. Er hatte dasselbe schon am 1.11. 1574 an Andreae geschrieben (Cr. TB MS I 45). ^^ Es handelt sich um Petrus Witrowski (ibd.). ^^ Antidanaeus 38. Es handelt sich um die Biblianders (Zürich 1543. 1560). Neuser hatte dort vor seiner Konversion zum Islam schon einmal als antitrinitarischer Pfarrer gewirkt (s. H o r n 271).

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Die V e r w e n d u n g des Briefwechsels

beigelegen - er sei im Besitz des Originals - , der den von Neuser eigenhändig geschriebenen Satz trage: „Nullus nostro tempore . . . factus est Arrianus, qui non antea fuerit Calvinista . . . (Es folgen Beispiele aus dem Kreis der Antitrinitarier). Igitur qui timet sibi, ne incidat in Arrianismum, caveat Calvinismum."^® Es ist hier nicht unsere Aufgabe, der Frage nachzugehen, in welchem Maß Gerlachs dogmatisches Beweisziel seine Berichte beeinflußte^''. Entscheidend ist vielmehr der theologische rote Faden, der sich durch Gerlachs Ausführungen zieht und für den ihm zumindest Neusers Schicksal - wie für die schon geläufige Gleichung von Calvinismus und Antitrinitarismus der faktische Werdegang vieler Antitrinitarier - , wenn nicht sogar dessen eigene Worte, als Beleg dient: Die reformierte Abendmahlslehre und Christologie führten mit impliziter Notwendigkeit zum Islam^®. Danaeus mußte sich zutiefst getroffen fühlen. War man doch in Genf - siehe nur den Fall Servet - immer mit äußerster Schärfe gegen die Antitrinitarier vorgegangen - quos, si qui alii, maxime oppugnamus^®; war es doch Genf gewesen, das auch in Heidelberg auf radikale Maßnahmen gedrungen hatte"". Merkwürdigerweise verteidigt Danaeus sich nun nicht, indem er die organische Verbindung von calvinistischer Abendmahlslehre und Christologie einerseits und Trinitätslehre andererseits aufzuzeigen versucht, vielmehr begegnet er Gerlachs Vorwurf nur mit Argumenten, die dessen historischen Beleg erschüttern sollen, während er sich in theologischer Hinsicht auf den heilsgeschichtlich-christologischen Bereich beschränkt und so dem Gedankengang seines Gegners gar nicht antwortet: Er bringt hier nur die üblichen Ausführungen vor, nach denen die lutherische Ubiquitätslehre die Menschlichkeit Jesu untergrabe, der Ehre Gottes abträglich sei usw. Entscheidend ist aber in unserem ZusamAntidanaeus 39; vgl. a. Struve 236. V o n diesem Zettel schreibt Gerlach in dem oben (Anm. 31) genannten Brief an Andreae merkwürdigerweise nichts. Danaeus läßt leise Zweifel anklingen - A d Steph. Gerlachium 1 1 3 : „ut tibi de literis istis credamus"; 1 1 4 : „ut ab ilio sive dictum, sive scriptum, vel potius a te fuisse confictum tibi concedam" - , argumentiert aber dann doch von der Annahme aus, daß Gerlach Tatsachen wiedergebe: Was gehe ihn, Danaeus, die Meinung eines Ketzers an? Auch Wenzeslaus v. Budowitz bringt in seinem „Circulus" eine „Ketzergenealogie" des Islam vor, und auch er führt Neuser als Beispiel an (184.234). Doch getreu seiner Einstellung, daß er, der „auf keines Menschen Glauben einen Eid abgelegt habe noch ablegen werde", weder Luthers noch Calvins, sondern Christi sei (182), stellt er nur die Zusammengehörigkeit von Sozzinianern, Wiedertäufern, Arianern, Mohammedanern, Servet, David Hollandus und anderen „monstrosae et blasphemae nostri saeculi furiae" dar, die gegen den Sohn Gottes kämpften (227: so schreibt er im Titel eines 1612 an seinen Sohn gerichteten Briefes, der im „Circulus" abgedruckt ist). " Ad Steph. Gerlachium 113. S. o. Anm. 25. Hinzu kommt, daß Danaeus kürzlich gegen denselben Vorwurf von römischer Seite gekämpft und dabei implizit den Antitrinitarismus Gentiles abgewehrt hatte, dabei einen Schwärm von Kirchenväterzeugnissen für die Trinitätslehre aufbietend (s. A d novas Gulielmi Genebrardi. . . calumnias; vgl. a. ders., Confirmatio verae et orthodoxae doctrinae quod Fihus D e i . . .).

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menhang Danaeus' historische Replik. Denn mit ihr sind wir endlich an dem Punkt angelangt, um den es hier geht: Der Genfer Theologe versucht, Gerlachs Verweis auf seine Reiseerfahrungen dadurch den Boden zu entziehen, daß er im Frontalangriff den ganzen Aufenthalt des Tübingers am Bosporus attackiert. Zunächst einmal bestreitet er den Wert einer Berufung auf Ketzer wie Neuser'^i; Welche Glaubwürdigkeit besitze denn die Aussage eines Apostaten'*^? Ja, spreche es nicht gerade für die Orthodoxie der calvinistischen Lehre, daß sich Neuser von ihren Verfechtern abgesetzt habe"*^? Seine Konstruktion der Zusammengehörigkeit von Calvinismus undArianismus entspringe nur der Gehässigkeit''''. Aber natürlich - und hier erreicht die Kette der Vorwürfe ihren Höhepunkt - sei er mit seinen „falsi rumusculi" bei Gerlach an den Richtigen geraten, denn der Gesandtschaftsprediger habe ja dergleichen von jedem Behäbigen (a quovis) zusammengerafft (captare)"^; zum Beweis dieses Satzes beruft sich Danaeus auf die Briefe Gerlachs, die Chytraeus in seiner „Oratio de statu . . . " veröffentlicht hatte'*®. Neuser habe den erwähnten Zettel nur „tui oblectandi causa" geschrieben, denn er habe gewußt, daß der Tübinger von seinen Gesellen nach Konstantinopel geschickt worden sei, um hier gegen die Calvinisten zu arbeiten. Er, der zweite Ubiquitätsapostel nach Jacob Andreae, habe nämlich den Auftrag gehabt, die Griechen und den Patriarchen von Konstantinopel zu seinem Glauben, sprich zur Tübinger Abendmahlslehre und Christologie, zu bekehren: „nostrae confessionis hostis infestissimus, et a tua sodalitate missus'*'', ut ipse secundus a Jacobo Andrea Ubiquitatis Apostolus Graecos et Constantinopoletanum Patriarcham ad tuam fidem, si posses, converteres, et in vestrum errorem induceres""®. Doch der Patriarch stamme nicht aus dem „Land der Hammel" (haud natus in vervecum (ut aiunt) patria), er habe die längere Nase gehabt (nasutior), Gerlachs Machenschaften und Gestank gewittert (olfacere) und sich voller Reife vor dessen Irrtümern gehütet (sibi mature a tuo errore cavit), kurz, er habe dem Tübinger eine höchst schmähliche Abfuhr (turpissima repulsa) erteilt·*'. So geschlagen, sei Gerlach nichts anderes Übriggebheben, als den Rest seiner Zeit in Konstantinopel vagus et iners zu verbringen; seine Sendung (legatio) sei ja eben umsonst gewesen, quoniam te non satis aptum legatum tuus ille conventus delegerat - wiederum wird ein von langer Hand geplantes Unternehmen unterstellt. U m überhaupt noch etwas zu tun, ja um den Eindruck großer Geschäftigkeit zu erwecken, habe Gerlach neugriechische Vokabeln gesammelt und sie sich durch Crusius von Danaeus' Genfer Kollegen Franciscus Porto, einem gebürtigen Kreter, übersetzen lassen Vorausgesetzt, daß man Gerlach hinsichtlich der historischen Angaben überhaupt glauben könne, was er, Danaeus, nun aber voraussetzen will, nachdem er seinen Zweifel noch unterschwellig geäußert hat, s. o. A n m . 37. « A d . Steph. Gerlachium 114. " Ibd. 113. « I b d . 114. « I b d . 114f. « I b d . 115. ImTextacc. Ibd. " Ibd.

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Die Verwendung des Briefwechsels

- SO ZU allem Überfluß sich noch mit fremden Federn zierend^". Der Demaskierungsversuch endet mit den Worten: Intellexistin' qui sis, Gerlachi, et ut tua Turcica discursatio sit nobis nota? et ad tua quidem Turcica testimonia tibi sic responsum esto^^. Mit anderen Worten: Deine Erlebnisse in Konstantinopel überführen nicht uns der Ketzerei, sondern dich, und wir wissen davon. Was wußte Danaeus wirklich? W o r a u f stützte er seine Aussagen? N a c h seinen eigenen Angaben besaß er zwei Informationsquellen: die einschlägigen Briefe, die Chytraeus 1580 mit seiner berühmten O r a t i o herausgegeben hatte, und die A u s k ü n f t e seines Kollegen P o r t o . D a r ü b e r hinaus mag er von anderen Schweizer, vor allem Basler, T h e o l o g e n , in erster Linie Grynaeus, mit denen Crusius korrespondierte und denen er auch einige Mitteilungen über den Briefwechsel mit Konstantinopel gemacht hatte®^, Informationen b e k o m m e n haben. O f f e n b a r gab es hier engere K o n t a k t e , denn die Basler solidarisierten sich nach Gerlachs Attacken auf Danaeus sofort mit dem G e n f e r P r o f e s sor, so daß sie sogar Crusius' Turcograecia ursprünglich nur drucken wollten, wenn Gerlachs N a m e daraus gestrichen werde'^. Aus dem von Chytraeus veröffentlichten Material®" k o n n t e Danaeus entnehmen, daß Gerlach in Konstantinopel theologische Gespräche geführt und daß die T ü b i n g e r Patriarch Jeremias die Confessio Augustana übersandt und von ihm eine Stellungnahme dazu erwartet hatten. D a r ü b e r hinaus lassen die Auskünfte des Botschaftspredigers keinen Zweifel daran, daß es Unterschiede in vielen Punkten zwischen der T ü b i n g e r und der griechischen Lehre gab; sogar der Satz, in wesentlichen Artikeln ständen die G r i e chen näher bei R o m als bei der „orthodoxen L e h r e " , findet sich dort®®. U n d auch nach den W o r t e n J e r e m i a s ' fallen dem Leser tiefe Differenzen zur T ü b i n g e r Position ins Auge®®. D e n n o c h ist es ausgeschlossen, daß Danaeus auf dieser Basis zu der A n n a h m e gelangte. Gerlach habe beim Patriarchen eine „ A b f u h r " erlitten, und zwar eine endgültige. D e r Brief, in dem die K o r r e s p o n d e n z abgebrochen wurde, kam erst am 9. 9. 1581 in T ü b i n g e n an®' und ist damit natürlich nicht in C h y t r a e u s ' Schrift veröffentlicht, doch auch sonst kann er Danaeus nicht zu Augen g e k o m m e n sein, da der reformierte T h e o l o g e sein B u c h gegen Gerlach am 1. 1. 1581 abschloß®®. D i e einzige Überlegung, die ihn zu 5» Ibd.

"

ibd.

S. o. S. 349f. S. o. S. 361, Anm. 15. " S. o. S. 352. 354. " De statu 66. " S. die Bewertung der Tradition (ibd. 73 f.). " S . O . S . 148. ®® Ad Steph. Gerlachium 165. Der allgemeine Satz im Brief Jeremias' an Chytraeus vom Mai 1578 (de statu 71), die Griechen seien trotz ihrer schwierigen politischen Lage imstande, alle Angriffe auf die πίστις zurückzuweisen (s. o. S. 350 f.), wäre eine reichlich vage Basis, darauf die Annahme einer konkreten „Abfuhr" im Fall Gerlachs aufzubauen. Hinzukommt, daß die von Chytraeus abgedruckte Beschreibung der griechischen Kirche und die Angabe der Abweichungen von der reformatorischen Lehre den lutherisch-orthodoxen mit dem lutherisch-römischen, nicht mit dem lutherisch-calvinistischen Gegensatz parallelisieren, den Patriarchen in der Abendmahlsfrage also noch weiter in die für Danaeus falsche Richtung als die Tübinger rücken; so läßt sich die Folgerung, Jeremias habe Gerlach im Geist der Genfer zurückgewiesen, aus dem Büchlein des Rostockers schlechterdings nicht ziehen. Bezeichnend ist in diesem Zusammenhang der von Crusius (TB MS II 192) zitierte Vorwurf belgischer Calvinisten gegen Chytraeus, er greife vielmehr sie an als die Griechen, mit denen er in Korrespondenz stehe, während in deren Briefen doch ungleich mehr errores zu finden seien, als er ihnen, den Calvinisten, vorwerfen könne. Hier müssen die in der

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seinen Aussagen geführt haben könnte, ist die, daß die Tübinger bislang keinerlei Schriftstück des Patriarchen veröffentlicht hatten. Doch ein solcher Schluß ex silentio wäre eine zu schwache Grundlage für seine Behauptungen gewesen. Auch von Crusius' Briefpartnern in der deutschen Schweiz kann der Genfer keine entsprechenden Auskünfte bekommen haben, denn der Philologe hatte nach Jeremias' erstem Antwortschreiben in dieser Richtung nichts mehr über die Korrespondenz mit dem Patriarchen verlauten lassen. So bleibt nur noch eine mögliche Informationsquelle: Danaeus' Kollege Porto, der ebenfalls mit Crusius im Briefwechsel stand. Porto, Professor für griechische Literatur in Genf^', stammte aus Kreta und war einst Mitschüler Joannes Zygomalas' auf der Peloponnes gewesen^". Crusius, immer auf der J a g d nach Leuten, die ihm beim Erlernen des Neugriechischen oder bei der Lektüre von Texten in dieser Sprache behilflich sein konnten, ergriff sofort die Gelegenheit beim Schöpf, als ihm ein Schweizer Student riet, sich an den Kreter zu wenden®'. So schrieb er ihm am 10. 8. 1580 einen Brief®^ mit der Bitte, er, Porto, und sein Sohn möchten ihm einige neugriechische Vokabeln erklären®'. In seiner Antwort®**, die die Gemeinsamkeit in Philhellenia und christlicher „Philosophie" beschwor, sagte Porto die Erfüllung jener Bitte, soweit möglich, zu, doch Crusius sollte die Übersetzung seiner Vokabeln niemals erhalten®'. Im folgenden Sommer starb der Kreter®®. Doch aus Crusius' Brief an Porto kann Danaeus das Material für seine Vorwürfe auch nicht geschöpft haben, denn darin steht gar nichts über den Briefwechsel zwischen Tübingen und Konstantinopel; ja es wird dort nicht einmal gesagt, Crusius habe die Vokabeln von Gerlach, vielmehr nahm Porto an, sie stammten aus Büchern®''. Offenbar kombinierte umgekehrt Danaeus, als er von Crusius' Bitte an seinen Kollegen erfuhr, diese Information mit dem Wissen von den Kontakten der württembergischen Lutheraner mit Patriarch Jeremias und ordnete sie in seine Sicht der Dinge ein. Dabei kam dann die Version der „fremden Federn" heraus. Woher also nahm Danaeus seine Sicht der Beziehungen zwischen Tübingen und Konstantinopel? Da das vorliegende Material ergibt, daß er nur von den nackten Tatsachen des Aufenthalts Gerlachs am Bosporus und des Austausche über die Confessio Augustana zwischen den Württembergern und Patriarch Jeremias sowie von der Differenz in verschiedenen Lehrpunkten zwischen beiden Seiten und - ohne Zusammenhang mit dem allen - von Crusius' Interesse an der neugriechischen Sprache gewußt haben kann, ergeben sich bloß zwei Möglichkeiten: Er besaß eine weitere, uns unbekannte, Informationsquelle, oder seine Vorwürfe sind eine polemische Konstruktion. Der Fortgang des Streits zwischen ihm und Gerlach spricht für die zweite Lösung: Als Gerlach „ O r a t i o de statu . . . " veröffentlichten Briefe gemeint sein. D i e Niederländer ziehen also aus diesem Material die F o l g e r u n g , die Lutheraner ständen immer noch näher bei ihnen als bei den Griechen. " C r . T B M S II 273. Ibd. 327; G l . T B 304; zu Porto s. L e g r a n d , Bibliographie X V e et X V I e siècles II, V I I - X X . C r . T B M S II 273; er hatte elf Jahre z u v o r schon einmal k u r z mit P o n o korrespondiert (ibd. 2 7 3 f . ; v g l . T G 516-518). " C r . T B M S II 2 7 3 - 2 7 5 / T G 518 f. " C r . T B M S II 274 f. " Ibd.323f./TG519f.(6.10.1580). C r . T B M S II 439. Ibd. 439; sein Sohn A e m y l i u s unterrichtete Griechisch in L a u s a n n e (ibd. 443) und wechselte noch gelegentlich Briefe mit C r u s i u s (ibd. 585f. 610). " Ibd. 323.

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Die Verwendung des Briefwechsels

mit einer G e g e n d a r s t e l l u n g der E r e i g n i s s e in K o n s t a n t i n o p e l a n w o r t e t e , z o g D a n a e u s nicht t r i u m p h i e r e n d die K a r t e eines weiteren Z e u g n i s s e s h e r a u s , w a s er sicher getan hätte, w ä r e er i m B e s i t z eines s o l c h e n g e w e s e n , s o n d e r n er ließ seine V o r w ü r f e stills c h w e i g e n d fallen u n d b e s c h r ä n k t e sich auf t h e o l o g i s c h e A r g u m e n t e .

Gerlach nimmt in seiner Antwort nichts zurück, ja er verstärkt seinen Vorwurf noch, Danaeus sei ein versteckter Arianer und Moslem, wiederum mit dem Hinweis auf seine Erfahrungen auf dem Balkan und in Konstantinopel®®. Einmal damit beschäftigt, seine Reiseerlebnisse polemisch auszuwerten, geht er dann dazu über, den Versuch des Genfers zurückzuschlagen, eben dieselbe Reise gegen ihn. Gerlach, ins Feld zu führen. Zunächst wird Danaeus' Informationsquelle angegriffen®^: Woher stammten denn die Nachrichten, auf die er sich stütze? Aus den von Chytraeus veröffentlichten Briefen ja sicher nicht. Warum gebe er keinen Stellennachweis? U m zu zeigen, daß der Genfer nur „Schwachsinn schreibe" (cretinare), wolle er. Gerlach, jetzt erzählen, was wirklich geschehen sei (res uti gesta est) - die Wahrheit dieser Version könnten mehrere illustres et nobiles personae bezeugen'^". Er berichtet nun von Ungnads Berufung auf den Botschafterposten, von der Bitte des Österreichers an die Tübinger Universität um einen Prediger''^, davon, daß er, Gerlach, für diese Stellung bestimmt worden sei „nicht - quae prima hic vanitas tua est - damit ich die Griechen bekehrte . . sondern um inmitten von Barbaren und Feinden des christlichen Namens der Gemeinde der Deutschen, die in der Residenz des illustren Herrn Botschafters war, die christHche Lehre weiterzugeben"''^. Als er nun dort unten am Bosporus gewesen sei, habe ihn sein Interesse an der griechischen Rehgion dazu geführt, in ein freundschaftliches Verhältnis zu den Gebildeteren unter den Vertrauten des Patriarchen zu treten. Er habe für sie einige Kapitel über die wichtigsten Punkte „unserer Lehre" verfaßt, um ihre Meinung darüber zu hören. Und schon im ersten Gespräch hätten sie offen bekannt, „se credere totum Christum, Deum et hominem, omnipotentem, omnia scientem, et ubique ecclesiae suae praesentem ' ' Hyperaspistes 98f.: Die Herkunft vieler Antitrinitarier, besonders in Polen, Transsylvanien, Ungarn und Italien, zeige deutlich an: Per hunc gradum (sc. über den Calvinismus) ad Arianismum descenderunt omnes, qui hodie in nominatis locis divinitatem Christi impugnant, cum initio nihil minus cogitarent, quam hoc ex vestris principiis secuturum esse (s. a. ibd. 97. 99 f.). Und der Fall Neuser zeige eben noch schlimmere Konsequenzen (ibd. 99. 100) - fange dessen Geist etwa schon an, in Danaeus, seinem vorgeblichen Feind, zu toben (ibd. 94)? Der Genfer möge doch, wenn ihm der Calvinismus nicht genüge, zum Arianismus oder gleich zum Islam übertreten (ibd. 58). Seine Aussagen gegen die lutherische Lehre von der Idiomenkommunikation seien ohnehin „excrementa . . quae nobis impunis Danaeus ex Arii et Mahumetis cloaca in Ecclesiam Dei deponit", und prädestinierten ihn schon zum Gefolgsmann Neusers (ibd. 16). Den Calvinisten sei es eben mit Schwärmern, Juden, Türken und Heiden gemeinsam, daß sie hinsichtlich des Abendmahls schlicht überhaupt nichts glaubten (nihil credere) (ibd. 12). " Ibd. 100. Ibd. Ibd. lOOf. " Ibd. 101.

Die Verbreitung zwischen Reformierten und Lutheranern

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esse"''^. Für diese ihre Ansicht hätten sie viele Väterstellen angeführt'^'*. Er, Gerlach, habe es also gar nicht nötig gehabt, ihnen die Tübinger Lehre erst zu beweisen: hic mihi nullo argumento opus fuit, quo ipsis doctrinam nostram de maiestate Christi hominis (quam tu [sc. Danaeus] errans errorem vocas) persuaderem . . ., cum idem quod nos sua sponte profiterentur''^. Danaeus' Aussage, der Patriarch habe sich vor Gerlachs Irrtum gehütet, sei also ganz unsinnig, nam quod tu errorem vocas, Patriarcha cum suis verissimum esse ex scriptura et patribus didicerat·^®. M . a . W . , die Griechen hätten sich als Verfechter der umstrittenen Tübinger Christologie erwiesen. Gerlachs Reiseerlebnisse sollten demnach die lutherische Position gegenüber der calvinistischen gleich zweifach stützen: negativ, indem sie zeigten, wohin der reformierte Standpunkt führe, nämlich zu Antitrinitarismus und Islam, und positiv, indem sie einen Zeugen für die Tübinger Lehre beibrachten, eben die griechische Kirche. Damit wurde, herausgefordert durch einen calvinistischen Theologen, doch unversehens gegen ihn gekehrt, der Hinweis auf den Kontakt zwischen den Württembergern und Patriarch Jeremias zum erstenmal zur Unterstützung einer Partei im konfessionellen Gegeneinander des Westens herangezogen. Das alles bedeute nicht, so Gerlach, es habe keine Differenzen zwischen seiner und Jeremias' Position gegeben, etwa in der Frage der Tradition, des Geistausgangs und der Willensfreiheit - Eingeständnisse, die er um so leichter machen konnte, als in diesen Punkten kein Streit zwischen Tübingen und Genf bestand. Die Griechen hätten die von ihm vorgebrachte Lehre nicht widerlegen können''·'. Er habe sogar erreicht, daß sie, die die Lutheraner zuvor für teterrimi haeretici gehalten hätten, nun besser von ihnen dächten und sprächen. Ja vielleicht habe er sogar einige „beachtliche Samen der reineren Lehre" bei ihnen zurückgelassen^®. Gerlach war also durchaus bereit, Lehrunterschiede zwischen Lutheranern und Griechen in zentralen Punkten zuzugeben, die Unterstellung einer „Abfuhr" von seiten des Patriarchen aber wies er mit leidenschaftlichen Worten zurück - man ahnte in Tübingen noch nicht, daß die abschließende Antwort aus Konstantinopel bereits unterwegs war. Zur Begründung führte er bezeichnenderweise nicht die schriftlichen Darlegungen

" Ibd. Diese Aussage läßt sich - jedenfalls wenn sie, was nicht explizit, doch imphzit geschieht, auf die Lehre vom Abendmahl bezogen wird - nur als bewußte Irreführung bewerten. Zwar hatte Gerlach zunächst tatsächlich angenommen, die Griechen seien Kronzeugen der Tübinger Lehre (s. O.S. 54), doch schon bald stellte er fest - praeter opinionem meam - , das sei leider nicht der Fall (Cr. TB MS I 257, s. o. S. 79. 179), die Gesprächspartner verträten vielmehr eine in vieler Hinsicht der Schweizer entsprechende Konzeption. Was auch immer von dieser Deutung zu halten ist - Gerlachs Behauptungen gegenüber Danaeus stehen im Widerspruch zu seinem eigenen Informationsstand. Hyperaspistes l O l f . " Ibd. 102. •"> Ibd. " Ibd. 103; vgl. Gl. TB 115. Hyperaspistes 103 : non aspernanda semina purioris doctrinae.

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Die Verwendung des Briefwechsels

des Patriarchen an, sondern seine persönliche Beziehung zu ihm: die sei bis zuletzt ausgezeichnet, ja sehr herzlich gewesen''^. Was Danaeus' zweite Unterstellung betreffe, er. Gerlach, habe in Konstantinopel seine Zeit mit dem Sammeln neugriechischer Vokabeln totgeschlagen und sich dann mit fremden Federn schmücken wollen, so mache sich der Genfer vollends lächerlich®". Er zeige damit nur, daß er über keinerlei Informationen verfüge, sondern sich nur auf Gerüchte stütze (nosti, opinor, per famam). Kurz: Intellexistin' iam, qualis vir sis, et quam tibi peregrinatio mea Turcica ignota sitsi? Danaeus gibt diesem Urteil stillschweigend recht, indem er seine Version von Gerlachs Bosporusfahrt fallen läßt. Statt dessen wirft er dem Tübinger in seiner nächsten Schrift vor, er habe auch bei den Türken und beim griechischen Klerus keine theologischen Fortschritte gemacht, nachdem er schon zuvor, wie nicht anders zu erwarten, in den Schulen der „Ubiquitarier" nichts gelernt habe®^. M . a . W . , der Patriarch, dem, solange Danaeus ihn in Gegensatz zu Gerlach wähnte, das Kompliment zuteil geworden war, „er stamme nicht aus dem Land der Hammel", gehört samt seinem Klerus und den Türken nun in denselben Topf der Dummheit und theologischen Unbildung wie die Tübinger. Mögen die Lutheraner sich auf Jeremias berufen - an einem solchen Gewährsmann haben sie nichts gewonnen. Gerlach wiederholt in seiner letzten Replik nur noch den Vorwurf, der Calvinismus sei eine Vorstufe zu Arianismus und Islam®^; auf seine Erlebnisse mit den Griechen kommt er nicht mehr zurück - nicht nur, weil Danaeus' Rückzug in diesem Punkt das überflüssig macht, sondern wohl vor allem, weil Jeremias den Tübingern mittlerweile tatsächlich eine „Abfuhr" erteilt hat und diese inzwischen unter Zugzwang stehen, sich gegen eine ihnen wirklich schädliche Auswertung ihrer Kontakte mit Konstantinopel zur Wehr zu setzen, die von Seiten römischer Theologen. Im Vergleich dazu war der Schlagabtausch zwischen Danaeus und Gerlach nur eine harmlose Streiterei, nicht Teil einer grundsätzlichen theologischen Kontroverse, sondern zufälliges Fündlein der beiderseitigen Suche nach Gehässigkeiten um jeden Preis. Was Lutheranern und Calvinisten als polemisches Dauerthema erhalten blieb, war der Tübinger Arianismusvorwurf gegen Genf®·*, das Verhältnis zur griechischen Tradition sollte hier hinfort keine Rolle mehr spielen.

" I b d . 103f. 8» Ibd. 104-106. " Ibd. 106. " Clibanarius 8. Decertatio 21; 106: der Koran schätze nach einigen Moslems den Menschen Christus sogar höher ein als der Calvinismus. V g l . o . Anm. 16.

Die Verbreitung zwischen lutherischer Reformation und Gegenreformation

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3. Der Briefwechsel als Gegenstand der Polemik in der Auseinandersetzung zwischen lutherischer Reformation und römischer Gegenreformation^ Die zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts war nicht nur für die deutschen Lutheraner eine Zeit besonderen Interesses an den östhchen Kirchen. Auch von römischer Seite wandte man sich damals, im Innern durch die tridentinischen Reformen gefestigt, wieder verstärkt dieser Front zu. So entstanden in jener Epoche mehrere Unionskirchen: 1553 die chaldäische von Mosul, 1595-96 die ulirainische, 1599 die malabaresische und schließlich, etwas später, 1611 die serbische^^. Besonders rege Aktivitäten gegenüber den östlichen Kirchen entwickelte der Papst, in dessen Amtszeit der Briefwechsel zwischen Tübingen und Konstantinopel fiel, Gregor XIII. Er richtete in Rom zwei orientalische Kollegien ein, das griechische und das armenische, und ordnete noch die Gründung eines dritten, des maronitischen, an^. Er rief die Kongregation für den Griechischen Orient^ ins Leben und schickte Jesuiten ins Osmanische Reich·*. Auf seineAnordnung wurden an die Griechen theologische Schriften in ihrer Sprache verteilt, so der Catechismus Romanus in 12 ООО Exemplaren, die Tridentinischen Dekrete und die Unionsbulle des Konzils von Florenz^. So ist es nicht verwunderlich, daß man römischerseits die eigenen Interessen berührt fand, als die Nachricht vom Briefwechsel der Tübinger mit Patriarch Jeremias durchsickerte^^. Ja, man sah in der Korrespondenz - darin waren sich alle Reaktionen einig - einen Anschlag auf Rom und dementsprechend in der Kritik des Patriarchen und ihrer Veröffentlichung einen Eingriff, den Gott selbst zugunsten seiner Kirche unternommen habe®. Dies Verständnis hätte sich zwar auf Absichten, wie sie etwa Andreae ursprünghch mit dem Briefwechsel verband, berufen können, auch wenn er das ganze Unternehmen als Versuch angesichts einer sich gerade bietenden Gelegenheit angesehen und es nicht als konfessionspolitisches Komplott eingefädelt hatte; die, sich zum Teil auch wandelnden, Motive der anderen Beteiligten lassen sich dagegen nicht auf diesen Nenner bringen. Doch führte die aus> Hierzu einiges schon bei Engels, Tübingen 284-287. H o f m a n n , Bellarmino 261. 2 Ibd.; vgl. Runciman, Patriarchat 208. 223. ^ H o f m a n n , Bellarmino 261. '· Ders., Vicariato 15; vgl. a. den von Pirri, art. cit., z . T . herausgegebenen Bericht, in dem sich der 1583 nach Konstantinopel gesandte Giulio Mancinelli SJ über seine Tätigkeit und die Verhältnisse am O r t äußert. ^ H o f m a n n , Bellarmino 262. Vgl. die vielfältigen Bemühungen, den Kontakt zu unterbinden und die Schriften der Korrespondenz in die H a n d zu bekommen (s. o. S. 129f. 356ff.). ' Z.B. Socolovius, Censura '•Tirf.; Hager, Adv. alteram 4 4 ' f . ; Fickler, Censura Ι Γ ; ders., Anderer und dritter Theil A ΙΓ; ders., Spongia 86; Scherer, Glossa A ИГ; Lindanus, Concordia 257

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Die Verwendung des Briefwechsels

schließliche Betonung des antirömischen Aspekts, die Überschätzung der Planmäßigkeit im Vorgehen der Tübinger sowie die Unterstellung falscher Absichten durch die gegenreformatorische Polemik dazu, daß sich auch die Perspektive verschob, in der die Korrespondenz von den Württembergern selbst gesehen wurde: U m der dritten Größe, Rom, gegenüber sicherzustellen, daß sie sich nichts vergeben hatten, urteilten sie nun in einer Schärfe über die andere Seite, wie es ihre Lehrschreiben bei aller Abgrenzung nicht tun'^: Sie bezeichnen ihre ehemaligen Briefpartner als Anwärter auf die ewige Verdammnis. Die doppelte Frontstellung, aus der heraus man römischerseits den Briefwechsel zwischen Tübingen und Konstantinopel beurteilte, zeigt in eigentümlicher Weise das erste Werk der nun einsetzenden Polemik aus dieser Richtung, nämlich die lateinische Ausgabe der ersten Antwort Jeremias' durch Socolovius. Das Auffällige an diesem Buch ist, daß es sich weniger gegen die Lutheraner als gegen die Griechen richtet. Nachdem der Herausgeber im Vorwort triumphierend festgestellt hat, die deutschen Häretiker seien nun auch von Seiten K o n stantinopels abgelehnt und in der „Zensur der östlichen Kirche" (Censura orientahs Ecclesiae) - so der Titel der Ausgabe - überführt worden, nimmt er, statt diesen Triumph zu belegen, die Schrift des Patriarchen zum Anlaß, den Griechen Stück für Stück kommentierend ihre Abweichungen von der römischen Lehre vorzuhalten. Aus der angeblichen Zensur des lutherischen Bekenntnisses durch Jeremias IL wird eine Zensur der griechischen Lehre durch R o m auf dem Hintergrund der klassischen Kontroversen des Mittelalters Dieser merkwürdige Befund steht in Zusammenhang mit der Herkunft des Herausgebers. Anders als die deutschen Theologen, die sich an der Polemik über den Briefwechsel beteiligten, lebte Socolovius in einer konfessionellen Dreieckssituation und sah deshalb die Schrift des Patriarchen nicht nur im Blick auf die Lutheraner, sondern als eigenständiges Dokument der griechischen Kirche, das wie jedes andere Zeugnis dieser Kirche zu behandeln, nämhch zu kritisieren und zu widerlegen sei. Hatten sich doch im Königreich PolenLitauen dank jahrzehntelanger Schwäche der Regierungen nicht nur alle religiösen Bewegungen der Zeit ausbreiten können; sondern vor allem gab es auch eine große orthodoxe Bevölkerungsgruppe im Lande. Diese orthodoxen Schismatiker in die römische Kirche einzubringen, war ebenso wichtig wie die Rekathohsierung der aus der Reformation hervorgegangenen Gruppen. Tatsächlich konnte man am Ende des Jahrhunderts den Teilerfolg der Union von Brest erzielen. ' S. o. S. 206. " Socolovius nimmt sogar Querelen wie die der translatio imperii, der Kreuzzugssolidarität und der Jurisdiktion auf dem Balkan wieder auf (Censura 5). Sechzehn Jahre später kritisierte ein weiterer römischer Theologe Jeremias' Schreiben, und zwar hinsichtlich der Ausführungen über die Trinität: J a c o b Gretser; daraus entwickelte sich eine Auseinandersetzung mit Máximos Margounios (in: Gretser, Opera I X , 48ff., vgl. Meyer 73).

D i e Verbreitung zwischen lutherischer R e f o r m a t i o n und G e g e n r e f o r m a t i o n

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In der Auseinandersetzung mit den orthodoxen Christen ging es um die klassischen Kontroverspunkte des filioque, des Primats, der Abendmahlsmaterie, der Konzilszählung usw., und eben diese Punkte sind es, auf die hin Socolovius Jeremias' Schrift untersucht und des langen und breiten kritisiert. Stellen, an denen Übereinstimmung zwischen Konstantinopel und R o m gegen die Lutheraner ausgesagt wird - so in der Lehre von der Transsubstantiation und von der Heiligenverehrung - treten dagegen nach Anzahl und Ausführhchkeit weit zurück®. Ganz anders, wie gesagt, das Vorwort, und es sind dessen Stoßrichtung und Aussagen, die den zukünftigen Umgang mit dem Briefwechsel von römischer Seite prägen sollten. Socolovius übernimmt die Behauptung seines griechischen Gewährsmannes, die Tübinger hätten den Patriarchen von Konstantinopel um die Aufnahme in seine Kirche gebeten®. Da habe er denn also, schreibt er an Papst Gregor X I I L , dem die Censura gewidmet ist, einen Überläufer (transfuga) dabei ertappt, ins feindliche Lager überzugehen (in castra aliena transiens), und sei nun in der glücklichen Lage, den Missetäter seinem Herrn, eben dem Papst, auszuliefern. Die Lutheraner, die eigenthch zu Rom gehörten, hätten sich, da sie von der westHchen Kirche abgefallen seien und bei ihr nichts mehr ausrichten könnten, an die griechische gewandt - ähnlich wie seinerzeit die Pelagianer nach ihrer Verurteilung im Westen ihr Heil im Osten gesucht hätten. Dort aber habe man sie nicht nur nicht aufgenommen, sondern zudem auch ihre Lehre widerlegt^^. Die Kirchengemeinschaft mit dem Patriarchen hätte, nach Socolovius, einem entscheidenden Mangel der Evangelischen abhelfen sollen: dem, daß sie ohne Verbindung mit einem apostolischen, alten Stuhl, ohne Sukzession, verstümmelte Gheder ohne kirchhches Haupt seien (quod cum nulla Apostolica, veterique sede coniuncti sint; quod successionem nullam demonstrare possint; quod ακέφαλοι, hoc est membra sine capite mutila sint)^i. Nun zeige aber die vorliegende Schrift, daß in den meisten der innerwesthchen Differenzpunkte die griechische mit der römischen Lehre übereinstimme, daß zwischen diesen beiden trotz verbaler Abweichungen ein incredibilis consensus, eine summa concordia bestehe. Endhch müßten die Häretiker ihr Argument aufgeben, sie lehnten dies und jenes ab, weil es lateinisch, papistisches Machwerk sei: Würden die entsprechenden Lehrpunkte und Einrichtungen doch sogar von den erbittertsten Feinden der Römer und aller Lateiner mit demselben Eifer gepflegt und verteidigt (conviciari desinant, haec latina esse; ab hoc vel ilio Romano Pontefice profecta: cum haec eadem ab his, qui Romanis, universisque Latinis, insito quodam odio infensissimi sunt, non minore studio atque contentione colantur atque defendantur). Die Evangelischen müßten einsehen, daß sie nicht nur vom Papst, sondern von der ganzen Welt, von allen « Ibd.78.206f. 1° Ibd.".

» Ibd.«-ir ( S . O . S . 358). " Ibd. --ΙΙΓ.

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Die Verwendung des Briefwechsels

Kirchen abgefallen seien (se non solum a Romano Pontifice; sed ab ipso terrarum orbe, omnibusque ecclesiis defecisse), daß sie oben im Norden Lehren vortrügen, die es seit Christi Zeiten im Westen wie im Osten nie gegeben habe. Sie könnten nun nicht mehr, wie bisher, Autorität und Zeugnisse der östlichen Kirche für sich mißbrauchen (ne amplius . . . orientalis Ecclesiae authoritate, et testimoniis (quod quidem hactenus fecerunt) abutantur), da diese ihnen selbst widersprochen habe. Nein, sie müßten anerkennen, nusquam sibi in orbe Christiano, nusquam in Ecclesia Cathohca locum relictum esse, nusquam cum istis moribus, et sententiis consistere posse^^. Das Lager, in dem sie ihre Zuflucht gesucht hätten, sei ihnen versperrt; jene, die sie als Schutzherren (patroni) heranziehen wollten, klagten sie an; die Richter, die sie selbst bestellt hätten, verurteilten sie^^. Und nun, da nach ihrem Wunsch eine unparteiische Instanz über den kirchlichen Streit des Westens geurteilt habe^", weigerten sie sich immer noch, zum rechten Glauben zurückzukehren. Damit ständen sie in Widerspruch zu sich selbst, und es sei offenbar, daß sie nicht so sehr Richter wie Akklamatoren gesucht hätten. Kein Wunder, daß sie so sehr bestrebt gewesen seien, die Angelegenheit geheim zu halten'^. Doch er, Socolovius, sei hinter die ganze Sache gekommen und lege sie nun der Öffentlichkeit dar - zur Schmach der Häretiker, zum Nutzen der römischen Kirche und zum Ruhm des Papstes. Die Wirkung dieser Schrift in der ohnehin aufgeheizten Atmosphäre der Gegenreformationszeit war ungeheuer. Noch im selben Jahr gab es zwei weitere Auflagen, in Köln und in Dillingen, kurz darauf eine deutsche Ubersetzung. Polemische Auswertungen schössen wie die Pilze aus dem Boden^®. Die erste Auswertung dieser Art erschien wenige Monate nach der „Censura" (1582): Der Freiburger Theologe Michael Hager ließ es sich nicht nehmen, in einem schon länger währenden Schlagabtausch mit Heerbrand über die Frage, ob der Papst der Antichrist sei, genüßlich auf die Schlappe einzugehen, die die Ibd. Darauf spielt das Motto der Edition an, Joh. 5,33: Vos misistis ad Joannem: et testimonium perhibuit veritati. 15 Ibd. Welch überschäumende Triumphgefühle und Schadenfreude diese ganze Angelegenheit im römischen Lager hervorrief, zeigen die handschriftlichen Notizen zeitgenössischer Leser in den großenteils aus bayrischen Jesuitenseminaren stammenden Exemplaren jener polemischen Traktate, die die Münchner Staatsbibliothek besitzt. In den Zusammenhang der von Socolovius ausgelösten Welle gehören auch die auf den Briefwechsel zwischen Tübingen und Konstantinopel bezogenen Abschnitte aus dem oben (Anm. 4) genannten Bericht Giulio Mancinellis (Historisches bei Pirri, art. cit. 90, theologische Stellungnahme in C o d . Vitae 46 des Archivs der Soc. Jesu, Rom, p. 62 ff.). Der Verfasser stützt sich nicht auf eigene Recherchen, sondern auf die bereits v o r seiner Abreise erschienenen ersten Veröffentlichungen Socolovius'.

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Tübinger in Konstantinopel erlitten hätten". Ausführlicher und wirkungsvoller waren die Traktate, die im nächsten Jahr veröffentlicht wurden: Der erste hatte sich ursprünglich nur auf die von Chytraeus veröffentlichten Briefe gestützt und dann erst, nach Erscheinen der „Censura", die erste Antwort des Patriarchen an die Tübinger einbezogen; er findet sich in dem „Concordia discors" betitelten Buch des schon mit vielerlei gegenreformatorischen Schriften hervorgetretenen niederländischen Theologen Wilhelm Lindanus (van der Linden), Bischofs von Roermond^®. Bald darauf kam die „Gewisse und warhaffte newe Zeytung auß Constantinopel vom Hieremia jetzigen Patriarchen daselbsten / was sein und aller Griechischen und Orientalischen Kirchen Urtheil und Meynung sey von allen Articuln Augspurgischer Confession" auf den Markt, eine kurze Abhandlung des Wiener Jesuiten Georg Scherer. Ebenfalls 1583 übersetzte der Jurist des Erzbischofs von Salzburg Johann Baptist Fickler die Antwort des Patriarchen und stellte ihr eine kräftige Einleitung voran^'. Gleichzeitig veröffentlichte Socolovius eine „Responsio ad futuras calumnias malevolorum contra Censuram Orientalis ecclesiae"^" und gab das ihm aus Konstantinopel zugegangene letzte Schreiben der Tübinger an Jeremias^^ mit Kommentar unter dem Titel „Antidotus ultimae responsionis eorundem [sc. der Tübinger Theologen] ad Censuram Patriarchae" heraus^^. Dieselbe Schrift nahm sich 1584 auch Scherer in einem Traktat mit dem Titel „Catholische Glossa oder Erleuterung . . . auff ein Epistel oder Sendschreiben der Ubiquentlerischen Predicanten und Professorn zu Tübingen an Griechischen Patriarchen zu Constantinopel"^^ noch einmal vor. Die Tübinger blieben nicht stumm. Heerbrand antwortete Hager 1583 mit einer „Apologia duarum disputationum", worauf er noch im selben Jahr ein „Responsum . . . adversus . . . Apologiam" erhielt, und er erteilte Scherer, ebenfalls 1583, die „Ableinung unnd Abfertigung der newen Zeittung auß ' ' H a g e r , A d v e r s u s aheram J a c o b i H e r b r a n d i Tubingensis de Antichristo disputationem responsio. Z u ihm s. A m a n n , a n . cit. „ C e n s u r oder Urtheil der Orientalischen Kirchen und ihres Patriarchen zu C o n s t a n t i n o p e l . " ^^ S o nach seiner eigenen A n g a b e in „ A d invecticam" 33 ; es ist mir nicht gelungen, das Werk oder wenigstens genauere bibliographische A n g a b e n zu finden. N a c h Engels, T ü b i n g e n 284, A n m . 156, gab Socolovius 1582 noch „ A d n o t a t i o n e s ad leremiae censuram orientalis ecclesiae" heraus; auch hierzu habe ich keine näheren A n g a b e n finden können - handelt es sich vielleicht u m eine Verwechslung mit einem der aufgeführten Traktate? Vgl. O . S . 1 5 0 . 3 5 8 . D a ß dieses Büchlein 1583 in K r a k a u erschien, geht aus Scherer, G l o s s a A Ι Γ hervor; (s. a. Sunobiggius 3); es war mir erreichbar nur bei Sunobiggius, der 1586 unter d e m Titel „Sententia definitiva Jeremiae . . . " den Schluß der dritten A n t w o n des Patriarchen und den A n t i d o t u s herausgab (hg. auch in: Socolovius, O p e r a 141 ff.). Diese Schrift w u r d e 1585 z u s a m m e n mit der „ G e w i s s e [ n ] und warhaffte[n] newe[n] Z e i t u n g " und einer dritten A b h a n d l u n g gegen die T ü b i n g e r unter d e m Titel „ D r e y Tractaetle . . . von alten erdichten Maehrlen / und gewissen / warhafften N e w z e i t u n g e n / v o m Hieremia Constantinopolitanischen Patriarchen / unnd Sendschreiben der Professorn zu T u e b i n g e n " erneut herausgegeben.

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Die Verwendung des Briefwechsels

C o n s t a n t i n o p e l / so diß 83. jars zu W i e n v o n einem J e s u i t e r / w i d e r die C h r i s t l i c h e A u g s p u r g i s c h e C o n f e s s i o n außgesprengt". O s i a n d e r schrieb m i t K o l l e g e n ein J a h r später gegen Scherers „ C a t h o l i s c h e G l o s s e " ein B ü c h l e i n m i t d e m Titel „ W a r h a f f t i g e r B e r i c h t auff die u n v e r s c h e m b t e n L u e g e n , m u t w i l l i g e V e r k e r u n g e n , h o e n i s c h gespoett u n d greuliche L o e s t e r u n g e n G e o r g i i S c h e rers". D e r w i c h t i g s t e Beitrag v o n T ü b i n g e r Seite z u d i e s e m D i s p u t aber w a r e n die ebenfalls 1 5 8 4 erschienenen „ A c t a et Scripta", die E d i t i o n sämtlicher S c h r i f t e n des B r i e f w e c h s e l s m i t d e m Patriarchen^'*; i m V o r w o r t r e c h n e t e n die H e r a u s geber m i t S o c o l o v i u s , F i c k l e r u n d L i n d a n u s ab^^. B i s h e r hatte sich d e r Streit - v o n d e m k u r z e n Schlagabtausch ü b e r die letzte T ü b i n g e r A n t w o r t abgesehen - auf das erste S c h r e i b e n des P a t r i a r c h e n b e s c h r ä n k t . I m G e g e n s a t z z u J e r e m i a s selbst, f ü r den die G e s p r ä c h s s i t u a t i o n i m S t a d i u m dieses Beitrags t r o t z aller K r i t i k n o c h o f f e n gewesen w a r , sahen die t r i u m p h i e r e n d e n r ö m i s c h e n T h e o l o g e n darin bereits den A u f w e i s u n ü b e r b r ü c k b a r e r D i f f e r e n z e n z w i s c h e n T ü b i n g e n u n d K o n s t a n t i n o p e l u n d d a m i t die A b l e h n u n g d e r lutherischen L e h r e d u r c h die G r i e c h e n - eine E i n s c h ä t z u n g , in d e r sie sich m i t den W ü r t t e m b e r g e r n t r a f e n , w e n n auch deren F o l g e r u n g e n anders aussahen. I n f o l g e d e s s e n schlug die V e r ö f f e n t l i c h u n g d e r letzten, d e m A b b r u c h d e r K o r r e s p o n d e n z f o l g e n d e n A n t w o r t aus T ü b i n g e n d u r c h S o c o l o v i u s u n d die des g a n z e n B r i e f w e c h s e l s in den „ A c t a et Scripta" gar k e i n e W e l l e n Man gab sie griechisch und lateinisch heraus; auch eine deutsche Fassung zu veröffentlichen, lehnten die Tübinger ab (Cr. TB MS II 633; III 190) - offenbar hielt man die Gefahr schädlicher Interpretation im Fall der Verbreitung auch in weniger gebildeten Schichten für noch größer. In dieselben Jahre fiel ein paralleler Disput zwischen Possevin und Chytraeus: Possevin schrieb 1583 einen Traktat mit dem Titel „Adversus imposturas Davidis Chytraei". Darin behauptete er, Chytraeus habe in seiner berühmten Oratio vorgegeben, die griechische und die lutherische Lehre stimmten völlig miteinander überein. Das Vorwort, geschrieben von einem Nicolaus Mylonius, und zwar nachträglich, geht kurz auf den Briefwechsel zwischen Tübingen und Konstantinopel ein: Chytraeus habe im Anhang zu seiner Oratio einige Briefe des Ökumenischen Patriarchen veröffentlicht, die dem Leser die Übereinstimmung der Griechen mit der häretischen Confessio Augustana vorspiegeln sollten. Die Reaktion des Patriarchen habe aber genau das Gegenteil ergeben - w a s die Tübinger zu vertuschen versucht hätten; zum Glück sei die ganze Sache kürzlich an den Tag gekommen, nämlich dank Socolovius' Veröffentlichung (A 6rv). Der Rostocker hielt in seiner „Responsio ad Antonii Possevini et Mylonii cuiusdam criminationes" aus dem folgenden Jahr dagegen, er habe die Oratio nicht in kirchenpolitischer oder apologetischer Absicht verfaßt, sondern „velut simplicem et nudam praesentis status ecclesiarum Graeciae et aliarum gentium historiam" (Responsio 4f.). Was die Polemik gegen die Kontakte mit Patriarch Jeremias betrifft, solidarisiert Chytraeus sich mit den Tübingern: Er habe bei seiner Veröffentlichung der entsprechenden Briefe nicht im Sinn gehabt, Übereinstimmung der Griechen mit den Lutheranern vorzutäuschen, noch habe er oder hätten die Tübinger eine Bestätigung der eigenen Lehre vom Patriarchen erwartet (ibd. 15.19) - dafür sei allein die Bibel zuständig, wobei auch die Zeugnisse der frühen Kirche noch einen gewissen Wert hätten (ibd. 16) - , vielmehr sollten die Griechen durch die CA Graeca selbst zur Wahrheit zurückgerufen werden (ibd. 19). Possevin schrieb 1586 gegen Chytraeus' Antwort die „Notae divini verbi. . . adversus responsum cuiusdam Davidis Chytraei". Hinsichtlich der Verbindung der Lutheraner zu Patriarch Jeremias wiederholt Possevin Mylonius' Behauptungen und flicht Argumente der mittlerweile kochenden gegenreformatorischen Polemik ein (Notae 3 f.).

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mehr. Die neuedierten Schriften füllten nur die bisherige Diskussion auf, vor allem aber stürzte man sich auf das Vorwort der Herausgeber. Noch im Jahr 1584 schrieb Socolovius einen Traktat mit dem Titel „Ad Wirtembergensium theologorum invectivam, quam actis et scriptis suis . . . praefixerunt, brevis responsio"^®. 1585 gab Fickler ein neues Buch heraus, die „Spongia contra praedicantium Wirtenbergensium aspergines"^'', gleichzeitig auch die Übersetzung der zweiten und dritten Antwort des Patriarchen mit einschlägigem Vorwort. Ein Jahr später trat auch Socolovius' Lehrer Jacob Gorscius in den Streit ein, indem er die „Animadversio sive Crusius in theologos Wirtembergenses, sua acta . . . apud Patriarcham Constantinopolitanum lactantes" veröffentlichte - eine Schrift, deren besonderer Zug darin liegt, daß sie Martin Crusius anspricht und davon überzeugen will, er stelle seine großen, in den Verhandlungen mit Konstantinopel so glänzend hervorgetretenen philologischen Gaben in falsche Dienste. Gleichzeitig erschien von Scherer eine „Gelinde Antwort / auff die zornige Schmachschrifft / so von Würtenbergischen vermeinten Theologen wider sein Catholische Glossa . . . newlichen außgesprengt worden", ein Nachzügler in dem Schlagabtausch über die Einzeledition der letzten Tübinger Antwort. Selbst in Frankreich erhob sich eine triumphierende Stimme: Der Pariser Theologieprofessor Gilbertus Genebrardus bereicherte 1585 seine regelmäßig neu herausgegebene „Chronographie", eine nach Jahren geordnete Darstellung der wichtigsten Ereignisse der Vergangenheit, um einen Bericht von den Kontakten zwischen Tübingen und Konstantinopel in der Sicht Socolovius'^®. Damit ist die Reihe der polemischen Traktate über den Briefwechsel beendet. Was folgte, waren Seitenhiebe hie und da sowie Nachdrucke, doch keine neuen Schriften mehr, die ihn selbst zum Thema haben. Es würde zu weit führen, den Argumentationsgang jeder einzelnen dieser Abhandlungen nachzuzeichnen. Außerdem wäre es unergiebig, denn sie unterscheiden sich höchstens in Nuancen, die wesentlichen Aussagen kehren immer und überall wieder. Und wie schon die Titel zeigen, sind auch alle Schriften in demselben Ton gehalten: Sachliche Argumente verbinden sich - und zwar in beiden Lagern - unaufhörlich mit Unterstellungen und persönlichen Beleidigungen. Fassen wir die wichtigsten Aussagen zusammen. Er erschien vielleicht erst 1585 - jedenfalls ist es mir nicht gelungen, Vorläufer der aus diesem Jahr stammenden Ingolstädter Ausgabe zu finden (hg. auch in: ders., Opera 147ff.)· 1585 erschien eine deutsche Übersetzung, genannt „Spongia Schwammen oder Abwischung", 1592 erneut, nun unter dem Titel „Historische Erzehlung / einer lang verdeckten heymischen / und gemeyner Kirchen gefährlicher That / etlicher einverleibter Wirtenbergischer Theologen . . Genebrardus' einzig origineller Beitrag in diesem Zusammenhang ist der, daß er Jeremias' zweiten Sturz auf Verrat der Tübinger zurückführt : Von der prorömischen Tendenz der A n t w o n e n des Patriarchen enttäuscht, hätten sie ihn bei den Türken der Konspiration mit dem Papst angeklagt (Chronographia 753).

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Alle genannten polemischen Schriften gegen die Tübinger übernehmen die Behauptung Socolovius', die Lutheraner hätten Kirchengemeinschaft mit dem Ökumenischen Patriarchen erstrebt und ihn zum Oberhaupt haben wollen. Lindanus folgend, verbinden sie nun diese Angabe mit einer Analyse des Zustandes der reformatorischen Christenheit. Der niederländische Bischof will in seinem bezeichnenderweise „Concordia Discors" genannten Buch beweisen, daß die evangelische Bewegung zur Eintracht und Einheit unfähig sei. Das sehe man an ihren verschiedenen, einander heftig bekämpfenden Strömungen wie an der dauernden Veränderung ihrer Lehrgrundlage, der Confessio Augustana. Jüngst hätten die Lutheraner zwar den Versuch unternommen, sich auf eine gemeinsame Basis zu einigen, nämlich die Konkordienformel, doch dieser Versuch werde ebenso scheitern wie alle früheren und nur den Ausgangspunkt neuer Streitigkeiten und Spaltungen bilden. Nun gebe es aber Anzeichen dafür, daß die Betroffenen selbst die Unhaltbarkeit ihrer Lage einsähen. So hätten sie versucht, mit ihrem Separatbekenntnis Anschluß an eine andere, ältere Gruppe zu finden und ihre Neuerung unter deren Schirmherrschaft (patrocinium) zu stellen^', um so das Konkordienwerk zu stützen^®. Sie hätten geradezu nach einem Ersatz für den römischen Primat Ausschau gehalten^i, um ihr „zerrissens / vilhauptigs / oder mehr hauptloß Regiment"^^ zum Ende zu bringen. Denn nach einigen Jahrzehnten des vollständigen Chaos in den eigenen Reihen hätten sie eingesehen, daß die Kirche nun einmal genausowenig wie der Staat ohne sichtbare Spitze bestehen könne^^. Aufgrund dieser Überlegungen hätten sich die Lutheraner nun an den Patriarchen von Konstantinopel gewandt, um ihn an Papstes Statt zu gewinnen. Dazu hätten sie ihm ihre Lehrgrundlage geschickt, die Confessio Augustana. Die Gestalt, in der sie ihm dies Dokument übergeben hätten, sei aber nun wieder eine Bestätigung des gerade Gesagten: Es handele sich hier nämlich gar nicht um die Confessio Augustana, die 1530 dem Kaiser überreicht worden sei, auch wenn sie das behaupteten. Wie sie ihr Bekenntnis schon unendüche Male abgewandelt hätten, so stelle auch die griechische Fassung ein völlig verändertes Machwerk dar, „ein mischmaesch unnd rechtes gehaeck / ein ding daß ihr [sc. Tübinger] wunderbarlich in unnd durch einander geworffen und gebrewet oder geputtert"; „da ist vil darzu geflickt / dort vil davon gerissen / da gestimblet unnd gestutzt / dort radgebrecht / da versetzt / dort sonst verkert / jetzt habt ihr etwas entlehnet von der ersten Edition / dann von der andern / bald widerumb von der dritten / und also fortan"^'*. Diese Schrift nun hätten die Tübinger

" "

Concordia 77. Ibd. 84 f. Fickler, Censur a I P f . ; ders., Ander und dritter Theil A I I F ; ders., Spongia 58. 86. 98. Fickler, Censur a ΙΙΓ. Ibd."ff.

З"· Scherer, Gelinde Antwort 10; s. a. Fickler, Ander und Dritter Theil В Ι Γ ; ders., Spongia 34.

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„ihrem Papst"^^ übergeben, damit er als unparteiischer Richter (iudex) darüber entscheide, ob die Reformation die rechte Lehre vertrete^^. Dabei seien sie sich völlig sicher gewesen, daß das Urteil zu ihren Gunsten ausfallen w e r d e schließlich hätten sie sich ja schon von Anbeginn auf die Griechen berufen und die Bärenhaut feilgeboten, bevor sie den Bären hatten^''. Immerhin, ihr Vorhaben, den Zustand der Uneinigkeit und des dauernden Wechsels durch die U n t e r w e r f u n g unter ein kirchliches Oberhaupt zu beenden, sei ein Zeichen grundsätzlicher Besserung. Leider hätten die Lutheraner nun aber „zu einem solchen Haupt griffen, das keins nit ist", sondern sich selbst gegen die Spitze der Kirche, den Papst, aufgeworfen habe^®, seien ihre Adressaten ihrerseits „in einem grundlegenden Schisma v o m wahren Leib Christi abgeschnitten" (capitali schismate a vero Christi corpore . . . dissecti)^'. Deshalb könne man dort auch nicht die Wahrheit in ungetrübter Reinheit finden, sondern nur „aus löchrigen und schmutzigen, um nicht zu sagen schlammigen Röhren" (ex . . . detritis et squalidis, ne limosis dicam syphonibus tubisque) schöpfen"*®. Das Ergebnis der Tübinger Bemühungen wäre im besten Fall gewesen, daß ein Blinder einen anderen Blinden zum Führer bekommen hätte und beide in die G r u b e gefallen wären·*!. T r o t z allem - zu einer Koalition der beiden Abweichler sei es nicht gekommen"^. Vielmehr habe es sich gezeigt, daß die Griechen außer hinsichtlich des Primats in fast allen Fragen, in denen R o m und die Reformation einander widersprächen, auf der Seite R o m s ständen"*^, ja daß sie ohnehin in den meisten ^^ Fickler, Spongia 58; papa vester Constantinopohtanus. Fickler, Censur b I V ; ders., Spongia 95f.; Socolovius, Ad invectivam 28f.; Hager, Adversus alteram A 2". ^^ Scherer, Gelinde Antwort 5. Fickler, Censur a VI'. " Lindanus, Concordia 77, Original im acc. Ibd. 86; vgl. auch den Ausbruch gegen Jeremias ibd. 274 f. Fickler, Censur a V r . " Lindanus hat übrigens zunächst große Angst, es könne vielleicht doch zu einer solchen Koalition kommen. Wie gesagt, schreibt er ursprünglich allein gegen Chytraeus' Oratio. Daraus kann er nur entnehmen, daß Verhandlungen zwischen Tübingen und Konstantinopel im Gang sind. Er bemüht sich nun, aus Chytraeus' Büchlein zu beweisen, daß Griechen und Lutheraner nichts miteinander gemein hätten und die Antwort auf die Confessio Augustana negativ ausfallen müsse (Concordia 79 f., 86 f.). Für alle Fälle unterstellt er aber, die Tübinger versuchten, ein positives Schreiben des Patriarchen durch Bestechung zu erreichen (84. 87-89; er bezieht sich hier auf eine Stelle, an der Gerlach sagt, er bezahle Theodosios Zygomalas für Auskünfte über die griechische Kirche (De statu 112)), und fügt hinzu, dergleichen könne bei den Griechen u. U . Reaktionen wider die eigene Überzeugung hervorlocken. Und schließlich, so Lindanus letzter Trumpf, selbst wenn die Tübinger Erfolg haben sollten, was könnte eine Bestätigung durch die Neuerer in Konstantinopel schon gegen die Wahrheit ausrichten (Concordia 89). Socolovius' Veröffentlichung erlaubte es dem Bischof, wieder ruhig zu schlafen. Er überarbeitete sein Buch jedoch nicht nach dem neuesten Informationsstand, sondern ließ das bereits Geschriebene unverändert stehen, so daß die das Verhältnis von Reformation und griechischer Kirche betreffenden Passagen aus zwei deutlich unterscheidbaren Schichten bestehen. « Scherer, Glossa С IV'ff.

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Punkten mit den Katholiken übereinstimmten'^'* - die Bewertung Konstantinopels schwankt je nach Aussageziel erheblich. N u n könnten sich - jubelt man mit Socolovius - die Lutheraner nicht mehr auf die griechische Kirche berufen"^, ja sie könnten sich auf überhaupt niemanden berufen: weder im Raum vielleicht fände sich auf den Hebriden jemand, der mit ihnen übereinstimmte"®? - noch in der Zeit - ihrer Bestreitung der Normativität der Tradition entspreche der gänzliche Mangel daran: Außer der lutherischen habe es offenbar nie eine wahre Kirche gegeben'^''. Gerade die unaufhebbare Bindung an die kirchliche Tradition der Vergangenheit aber habe der Patriarch als Grundpfeiler des christhchen Glaubens und damit als Grundbedingung der Kirchengemeinschaft in der Gegenwart herausgestellt*®. Die Tübinger hätten zwar Jeremias gegenüber Kontinuität in der Tradition vorgegeben mit ihrer Behauptung, sie hielten sich an die Lehre der Väter und Konzile'*'. Doch das sei ein plumpes Täuschungsmanöver gewesen^"; der Patriarch habe die Unwahrheit jener Behauptung schnell durchschaut und die Lutheraner schlicht als Häretiker bezeichnet und in die Nähe der Juden gerückt^i.

Welches sind nun die Punkte, in denen man die römische Auffassung durch den Patriarchen bestätigt sieht? Außer der Lehre vom Primat alle, die zwischen Rom und den Lutheranern strittig waren®^. So werden die Aussagen des Patriarchen zum Anlaß genommen, die klassischen reformatorischen Kontroversthemen abzuhandeln: die Probleme der Rechtfertigung, der Wandlung und des Opfers im Abendmahl, der Verehrung und Anrufung der Heihgen, des Mönchtums, des Amtes, der vollständigen Einzelbeichte, der Satisfaktion usw. Man Lindanus, Concordia 9 1 - 9 4 . 2 6 0 ; Socolovius, A d invecticam 46. Scherer, Zeytung 26; ders., Gelinde Antwort 5.; Gorscius 340f. Socolovius, A d invecticam 32. Scherer, Gelinde Antwort 25; Fickler, Spongia 225; ders.. Ander und dritter Theil A Ι Γ . "" Lindanus, Concordia 274; Hager, Adversus alteram g ' f . ; Scherer, Zeytung 27. S . O . S . 61. 5» Fickler, Ander und dritter Theil В Ι Γ ; ders., Spongia 80 f. 82. 88; Scherer, Gelinde Antwort 20-22. Scherer, Glossa F Г - П Г ; Fickler, Spongia 259. Wo sich Übereinstimmung zwischen Lutheranern und Griechen ergeben hatte - etwa in den Fragen der Priesterehe und des Abendmahls unter beiderlei Gestalt - , heben die polemischen Schriften vornehmlich Aspekte in Jeremias' Aussagen hervor, die Konstantinopel und Tübingen doch wieder auseinanderrücken, ob sie nun zum Thema gehören oder nicht - so im einen Fall das Verbot der Heirat nach der Priesterweihe und für Mönche bzw. N o n n e n und Bischöfe, im anderen die Ablehnung der Lehre vom „In, mit und unter" oder den Gebrauch von A z y m e n (Scherer, Gelinde Antwort 6f. 4 2 f f . ; Lindanus, Concordia 273f.). Selbst hinsichtlich des Primats versucht man z. T., die Berufung der Tübinger auf die Griechen zu entschärfen und die Auffassung Konstantinopels der R o m s anzunähern, indem man behauptet, hier handele es sich nicht um eine grundsätzliche Frage der Kirchenstruktur, sondern um eine des persönlichen Ehrgeizes : Die Ostkirche halte ebenso wie die römische ein caput Ecclesiae in terris post Christum für notwendig, nur gebe sie in ihrem Starrsinn und H o c h m u t (pertinaciter et superbe) vor, das sei der Patriarch von Konstantinopel (Hager, Responsum 58; ebenso Scherer, Gelinde Antwort 9. 56 f.).

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bringt die seit einem halben Jahrhundert gängigen gegenreformatorischen Argumente aufs neue vor - mit dem triumphierenden Fazit: „Merck . . . daß unsers Gegentheyls Lehr nicht allein Bapst zu Rom / sondern auch der Patriarch zu Constantinopel / nicht allein die Lateinischen / sondern auch die Griechischen Kirchen / nicht allein Occidens, sondern auch Orlens, improbiere und verwerffe . . . welches dir billich ein starck unnd ernstliches Nachgedencken zu deinem Heyl machen soll"^^. Dies Nachdenken werde - so Lindanus zuversichtlich - die Gescheiterten sicher dazu bringen, Einheit und wahre Lehre nun an der rechten Stelle zu suchen; die Chance der Wiedervereinigung im Westen sei noch nie so groß gewesen wie nach diesem Schlag für die Lutheraner®"*. Vor allem würden die evangehschen Fürsten, die sich von ihren Theologen immer wieder in unnötige und verderbliche Streitereien hineingezogen sähen und die von dem Komplott der Tübinger bestimmt nichts gewußt hätten, jetzt endlich die Konsequenzen ziehen®^ - die Diskretion der Beteiligung Herzog Ludwigs am Briefwechsel mit Konstantinopel zahlte sich aus. Die Tübinger blieben die Antwort auf diese Salve nicht schuldig. Sie hätten keine Tradition, auf die sie sich berufen könnten? In der Tat, sie hätten keine sie brauchten nämlich gar keine. Anders als ihre Gegner hielten sie sich an das Evangelium, und das sei ohnehin die allerälteste Lehre (vetus, imo vetustissima, et omnium prima doctrina), bereits im Paradies verkündigt®^. Allein die Ubereinstimmung mit dieser Instanz sei das Kriterium für Wert oder Unwert einer Uberlieferung, und es reiche nicht, eine Tradition „allein von wegen daß sie alt [ist] für ansehlich und war" zu halten®'^. W o sie selbst, die Tübinger, sich dem Patriarchen gegenüber auf Kirchenväter und Konzile berufen hätten, sei das nicht absolut (non simpHciter), sondern nur unter dem Vorbehalt des Konsenses mit der Bibel (quatenus cum Sacra Scriptura Prophetica et Apostolica consentiunt) und im BHck auf die damit übereinstimmenden altkirchhchen Symbole (propter fidem et Symbola) gemeint®®. Den Aussagen der Tradition aber normaScherer, Zeytung 26 f. " " « "

Concordia 83. 91 f. 94. Ibd. 2 6 0 ; s. a. Fickler, Censur b IIv. Acta IIIv; s. a. »IVr. Heerbrand, Ableinung 79. A c t a * I r ; zur Entschärfung ihrer Aussage über die Konzihen gegenüber Jeremias, die ihnen, wie schon Crusius' Tagebuch gezeigt hat, nachträglich sehr peinlich war, so daß Scherer mit seiner höhnischen Bemerkung nicht ganz Unrecht hat: „was gaebet ihr drumb / daß das Bier widerumb im Faß ware?" (Gelinde Antwort 22), stützen sich die Tübinger hier auf Argumente des Altphilologen (vgl. o. S. 9 6 - 9 8 ) . Ähnliches Kopfzerbrechen bereitete ihnen der Vorwurf, sie hätten dem Patriarchen gegenüber behauptet, zwischen ihnen und R o m ständen nur einige Mißbräuche (Hager, Adversus alteram 7 Γ ) . Heerbrand streitet das schlicht ab (Apologia 124), ohne zu bedenken, daß diese Behauptung, die der Patriarch anführt (DkS I 464) und die katholische Polemik ihnen vorhält, in die C A Graeca ( C A Gr. 23) aus der Ed. princeps ( C A 21, B S E L K 83c. 9ff.) übernommen und aus deren Entstehungssituation zu erklären ist.

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tive Bedeutung zuzuschreiben, werde von der Autorität der Schrift ausgeschlossen und überflüssig gemacht®®, ebenso wie sich neben der Autorität Christi ein sichtbares Oberhaupt in der Kirche erübrige®"; der Hinweis auf Spaltungen sei hier kein Gegenargument, man habe ihn den Christen schon von je her vorgehalten, und was die Lutheraner betreffe, so gebe es bei ihnen Uneinigkeit nur über Adiaphora®!. Wie sie, die Tübinger, grundsätzlich auf Tradition verzichten könnten, so natürlich auch konkret auf Ubereinstimmung mit der griechischen. Die langgehegte Behauptung, die Lutheraner hätten die Griechen gegen R o m in entscheidenden Punkten auf ihrer Seite, fällt sang- und klanglos. Was von ihr bleibt, ist nur die negative Kehrseite: Mit dem Konsens zwischen Konstantinopel und Rom sei es auch nicht so weit her, wie die Gegner vorgäben; in den Fragen des Primats, des Geistausgangs, der Materie und des Gebrauchs des Abendmahls und der Priesterehe herrschten Ja nach wie vor große Differenzen, zudem verdamme der Ökumenische Patriarch alljährlich den P a p s t " . Was die griechische Lehre aber unannehmbar mache, sei ihr Widerspruch gegen das Evangelium. Darüber könne auch die Tatsache nicht hinwegtäuschen, daß der Patriarch schreibe, er habe die Bibel auf seiner Seite, denn das behaupte jeder Ketzer von s i c h " . Nein, hier bestehe gar kein Unterschied zwischen R o m und Konstantinopel, Papst und Patriarch seien in zentralen Punkten des Glaubens gleich weit vom Evangelium entfernt®'' und müßten im Namen der reformatorischen Wahrheit gleichermaßen verdammt werden: omnes illos, quicumque veritati Dei, quam nos profitemur, contradicunt, damnamus, sive Orientales illi sint, sive Occidentales®®. Darum nütze den Gegnern ihr Triumphgeheul, sie stimmten mit den Griechen überein, gar nichts - multitudo errantium non parit errori patrocinium®®, ein Argument, wie es ähnlich auch den Tübingern schon vorgehalten worden war®^. Selbst gesetzt den Fall, Patriarch Jeremias ginge zum Papst über, „so moegen doch die Papisten wol wissen / daß wir nicht vil / weder nach des Patriarchen zu Constantinopel Censur . . . noch auch des Bapsts zu R o m / seiner Cardinael / Bischoff / Moench und Pfaffen / oder Jesuiter Urtheil fragen. Dieweil sie nicht auß Gottes Wort / sonder allein auß ettlichen ubel angezognen Spruechen der Vaetter / und auß Menschentand und Auffsetzen herkommen"®®. Wenn sie nicht umkehrten und die reformatorische Lehre annähmen, bleibe für beide, Papstanhänger und Orientalen, nichts als das 5' Vgl. Heerbrand, Ableinung 10 f. ActaVr. " Ibd.='IIrf. Acta Vr - Vir; Heerbrand, Ableinung 8 f. 90 ; ders., Apologia 2 f. 71. " Ders., Ableinung 77f. " Ibd. 7f. " ActaVIv. " Heerbrand, Ableinung 9 nach Hieronymus, β' Vgl. о. S. 391, Anm. 41. " Ibd. 7f.

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ewige Verderben: Si . . . aeternae animarum suarum saluti consultum . . . cupiant, necesse est ad nos accedere, nostramque amplecti doctrinam, aut in aeternum peribunt^'. Worte von solcher Schärfe waren bisher noch nicht gefallen. Inhaltlich allerdings, nämlich was die Beurteilung der griechischen Lehre betrifft, bieten sie nichts Neues gegenüber der Einschätzung, die sich seit dem schockierenden ersten Lehrschreiben des Patriarchen in Tübingen durchgesetzt hatte. Neu war dagegen, daß man nun behauptete, diese Einschätzung habe von Anfang an hinter dem Briefwechsel mit Jeremias gestanden. Unter dem Trommelfeuer der gegenreformatorischen Polemik fühlte man sich gezwungen, das ganze Unternehmen nachträglich umzuinterpretieren, damit nur ja nicht der Eindruck entstehe, man habe R o m gegenüber eine Schlappe erlitten. Im Grunde aber sahen die Tübinger selbst in Verlauf und Abbruch der Korrespondenz mit dem Patriarchen eine solche Schlappe. Das zeigt nicht nur ihr Bemühen um Geheimhaltung der Dokumente - eine Tatsache, für die sie nur einige verquälte Erklärungen beibrachten'^" - , sondern vor allem, daß und wie sie versuchten, den Briefwechsel vor der Öffentlichkeit zu rekonstruieren, statt schlicht und einfach den Hergang der Ereignisse zu erzählen und auf diese Weise falsche Unterstellungen zu korrigieren: daß sie nämlich wegen der bekannten Differenzen zwischen R o m und Konstantinopel tatsächlich der Meinung gewesen waren, die Griechen ständen ihnen sehr nahe, und sich erst im Lauf des Briefwechsels diese ihre Meinung geändert hatte; daß sie dementsprechend vom Patriarchen ein Urteil nicht als Entscheidung über die Wahrheit ihres Bekenntnisses - von ihr waren sie ja unverrückbar überzeugt - , sondern im Sinne einer Feststellung der Übereinstimmung mit der griechischen Lehre und, möglicherweise, der Unterschiede dazu erwartet hatten; daß die Form der Kircheneinheit, die sie anstrebten, nicht ein organisatorischer Zusammenschluß unter einer gemeinsamen Spitze gewesen wäre - gerade im Verzicht auf eine solche Spitze sahen sie ja einen Grundkonsens mit den Griechen - , sondern schlicht die wechselseitige Anerkennung der jeweiligen Lehrgrundlagen. Dies alles so darzustellen, hätte bedeutet zuzugeben, daß das ursprüngliche Bild von den Griechen und der griechischen Tradition, wie es die Lutheraner so lange gehegt hatten, von eben diesen Griechen widerlegt worden war. Dazu hatte man es aber zu lange als polemisches Argument benutzt und die jetzige Umkehrung des Spießes dadurch selbçr provoziert. U m ihr den Boden zu entziehen, behaupteten die Tübinger kurzerhand, sie seien von Anfang an der Meinung gewesen, die Griechen müßten erst für die wahre Kirche und den ' ' Acta IVr. So die, sie hätten Jeremias nicht schaden wollen, außerdem seien die Schriften des Briefwechsels für die Kirche nicht nützlich, es gebe bessere, und an schlechteren seien schon genug auf dem Markt (Acta I V ) . Im übrigen hätten sie ihre Briefe ja gar nicht geheimgehalten, vielmehr sogar für weite Verbreitung unter den Griechen gesorgt. Daß sie nicht intra parietes bleiben würden, sei ja vorauszusehen gewesen (ibd.).

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rechten Glauben gewonnen werden, auch wenn sie in vielen Punkten nicht mit den „Papisten" übereinstimmten: „dieweil uns . . . bewußt / daß der Patriarch in vilen fuernemen stucken und articuln . . . nicht mit den Paepstlern haltet / als von des Bapsts hoheit und Primat / woelches der fuernemest Articul seines Glaubens ist / von dem H . Abendtmal / von der Priester Ehe / etc. / haben wir gute hoffnung gehabt. . . [die Griechen] solten durch Gottes gnad / wann sie der warheit auß Heiliger Goetthcher Schrifft berichtet / derselbigen stat und platz geben / sich neher zu uns thun / ob . . . sie dem Herren Gott im Himel / moechten gewonnen werden / und also zu der rechten waren einigen Christlichen Kirchen kommen"·'!. ¿¡^ Tübinger hätten Kirchengemeinschaft mit den Griechen begehrt, sie hätten sich „von der reinen, unverdorbenen himmlischen Lehre und wahren Religion auf menschliche Lehren und Traditionen, von der Wahrheit auf Unwahrheit und Hirngespinste, vom Licht in die Finsternis" (a syncera . . . et incorrupta doctrina codesti, et religione vera, ad doctrinas et traditiones humanas, a veritate ad falsitatem et figmenta, a luce ad tenebras) zurückziehen wollen''^? Sie hätten Verstärkung gegen den römischen Feind gebraucht und dazu „armsehgen Besiegten" (miseris victis)'^ die Unterwerfung a n g e b o t e n W e i t gefehlt, daß sie den Patriarchen zum Richter bestellt hätten, vielmehr seien sie selbst in dieser Rolle a u f g e t r e t e n U n d nicht sie hätten zu den Griechen überlaufen wollen, vielmehr sei umgekehrt ihr Ziel gewesen, diese auf die eigene Seite zu ziehen (tantum . . . abest, ut ad Graecos transiré cupierimus, ut ipsos magis ad nos perducere simus conati)^®. Dies trifft - auch wenn man vor der konfessionspoHtischen Konkurrenzsituation nicht militärische, sondern liebevollere medizinische Bilder gewählt hatte - für die zweite Phase des Briefwechsels mit Konstantinopel durchaus zu, aber eben nur für sie. Zu den Motiven der Anfänge zu stehen, konnte man sich jetzt, so schien es, nicht mehr leisten. Es waren nicht nur die Tübinger, die in die Lage gerieten, Rom gegenüber zu der Korrespondenz Stellung nehmen zu müssen, dasselbe geschah Patriarch Jeremias. Anlaß war der Versuch Papst Gregors X I I L , für die unter seinem Namen bekannte Kalenderreform auch die griechische Kirche Zugewinnen. Zu diesem Zweck schickte er mehrmals Abgesandte an den Bosporus, das erste Mal im Frühjahr 1582, ein halbes Jahr nach dem Abbruch der Korrespondenz Heerbrand, Ableinung 5; so a. 82; Acta I V . Es werden auch einmal die Argumente angeführt, man habe die Korrespondenz eröffnet, um zu erfahren, was die zeitgenössischen Griechen eigentlich lehrten (Heerbrand, Ableinung 6), um zu sehen, ob das dem lutherischen Bekenntnis entspreche, oder auch, um die „papistischen Verleumdungen zu zerstreuen, die bei den Griechen über die Evangelischen umgingen" (Acta IV'f.). D o c h diese Begründungen führen ein Schattendasein gegenüber der dargestellten Rekonstruktion und werden auch mit ihr nicht ausgeglichen. " Acta IIIv. S. ähnlich geschmackvolle Anspielungen auf die politische Lage der Griechen bei Lindanus, Concordia 256; Fickler, Censur a V P f. "> Ibd. IVr. " Ibd. VIv. " Ibd. IVr.

Die Verbreitung zwischen lutherischer Reformation und Gegenreformation

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zwischen Tübingen und KonstantinopeF''. Es schien für kurze Zeit, als werde Jeremias sich a n s c h l i e ß e n d o c h in Wirklichkeit war er gegen die Reform eingestellt und entschied in diesem Sinne''®. Eine dieser päpstlichen Gesandtschaften überbrachte dem Patriarchen einen Brief, in dem Gregor Jeremias zu seiner ablehnenden Antwort an die Tübinger gratulierte®" - man schrieb das Jahr 1583, Socolovius hatte kurz zuvor seine dem Papst gewidmete „Censura" veröffentücht. In der Erwiderung auf diesen Brief (August 1583)®^ ging der Patriarch auf die Gratulation ein. Darin heiße es - zu recht - , er, Jeremias, habe „den häretischen Deutschen aufs Ganze gesehen richtig geantwortet" (öxi όρ^ώς που άπεκρινάμεθα τοίς αίρετικοίς Γερμανοίς), die ihm versprochen hätten, was gar nicht annehmbar - oder gar nicht zu erwarten - gewesen sei (ύπισχνουμένοις τα μή προσδεχόμενα), nämlich die Union, und die Probleme aufgerührt hätten (ζητήματα έγχαράξασιν), nicht um geheilt zu werden (ύγιανθήναι), sondern um den im Glauben Gesunden an ihrer Verderbnis teilzugeben (φθοράν μεταδοϋναι τοις έν τή πίστει ύγιαίνουσιν), wie es Art der Gespräche und Darlegungen der Häretiker sei. Der Papst möge nun wissen, daß die Tübinger nichts von dem, was er, Jeremias, ihnen geschrieben habe, widerlegt hätten, daß sie vielmehr nur falsche Zusätze (κιβδήλους π ρ ο σ ^ κ α ς ) untergemischt hätten®^. Nein, die Griechen hielten fest an dem, was sie von den heiligen Aposteln und Vätern übernommen hätten, ohne irgendwelche raffinierten Denkfiguren oder Kniffe (εντεχνος συμπλοκή ή δεινότης). Denn sie seien Jünger von Fischern und suchten kein geziertes (κομψός λόγος), sondern das wahre Wort (άληΟής λόγος) und beteten es an und glaubten daran. „Diese" aber, d. h. die Tübinger, „und die, die ihnen ähnlich sind®^, hassen wir unnachgiebig, weil sie Feinde Christi und der katholischen, apostolischenKirche sind; aber wir verdammen auch die, welche Gemeinschaft haben mit den Leuten, die nicht gemeinschaftsfähig sind" (Τούτους καί τους έμφερεϊς τούτοις ήμείς άνενδότως μισοΰμεν, έχθρούς οντάς Χριστού και τής καθολικής καΐ αποστολικής εκκλησίας· άλλα δή καΐ τους συγκοινωνούντας τοις άκοινωνήτοις άφωρισμένους άπαγορεύομεν)®". "

H o f m a n n , Jeremias 228. Ibd. 229. 239. " Ibd. 230. Die Ablehnung des „papistischen" Kalenders durch die Griechen war eine Tatsache, die Crusius gern als trotz allem bestehende Gemeinsamkeit zwischen ihnen und den Lutheranern die Tübinger waren in dieser Frage sehr engagien - anführte (z. B. Cr. TB MS II 647). U m so größer war seine Enttäuschung, als es kurzfristig hieß, Jeremias habe die Reform angenommen (ibd. III 62). H o f m a n n , Jeremias 230. " Ibd.242-244. " Ibd.242. Es heißt im Text: Τ ο ύ τ ο υ ς καΐ τοϊς έμφερέσι τούτοις - ich kann den Dativ des vor- und des drittletzten Wortes nur als Verschreibung statt τους έμφερεϊς w e n e n , sonst ergibt sich keinerlei Sinn. Ibd. 242 f.

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Die Verwendung des Briefwechsels

Der Begriff des Hasses in diesem Zusammenhangist theologisch, als Parallele zu dem des Verdammens, nicht psychologisch zu verstehen, insofern hebt er die φιλία, von der Jeremias in seinem letzten Schreiben an die Tübinger gesprochen hatte, nicht notwendigerweise auf, und wird er auch den weiteren persönlichen Kontakt nicht ausschließen. Dennoch ist unverkennbar, daß der Patriarch sich hier in einer Schärfe über die Lutheraner äußert, wie er das zuvor nicht getan hat. An Rom gewandt lassen beide Seiten selbst im Ton ihrer Urteile über die früheren Briefpartner von jener φιλία nichts mehr spüren; man hatte sich dem Stil angepaßt, der für das Austragen von Lehrgegensätzen unter den Christen sei es zwischen dem Osten und Rom, sei es zwischen der Reformation und Rom - von jeher üblich gewesen war. U m so außerordenthcher aber muß Patriarch Jeremias' ursprüngliches Angebot erscheinen, gute zwischenmenschliche Beziehungen trotz dogmatischer Differenzen aufrechtzuerhalten.

Schluß Der Dampf der konfessionellen Polemik des 16. Jahrhunderts ist verflogen, die φιλία, von der Patriarch Jeremias sprach, hat sich weitgehend durchgesetzt auch in der "Weise, in der theologische Unterschiede zwischen den Kirchen erörtert werden. Jene Polemik aber zeigt ebenso wie das Interesse, welches der Korrespondenz zwischen Tübingen und Konstantinopel im gegenwärtigen evangelisch-orthodoxen Gespräch entgegengebracht wird, daß man dem Briefwechsel ein gewisses repräsentatives Gewicht beimaß und beimißt und er nicht einfach als privater Austausch der beteiligten Individuen galt und gilt. Das trifft allerdings auf beiden Seiten und für die Beiträge beider Briefpartner in unterschiedlichem Grad und unterschiedlicher "Weise zu. "Was die griechischen Schreiben angeht, so ist ihr Rang von orthodoxen Theologen immer wieder erörtert worden, wenn auch nicht mit einheitlichem Ergebnis. Einig ist man sich heute^ in der Grundaussage: Jeremias' Antworten wie alle anderen im Gegenüber zu reformatorischen Kirchen entstandenen Lehrdokumente - in Anlehnung an Begriffe dieses Gegenübers oft „Symbolische Bücher"^ oder „Bekenntnisschriften"^ genannt - haben nicht denselben Rang wie das, was von den sieben Ökumenischen Konzilien der sog. ungeteilten Kirche definiert oder bestätigt wurde*. Allein deren Aussagen sind von „ewiger Autorität (κύρος) . . . und von allgemeinem (καθολικός), verpflichtendem Charakter"®, sie ^ Anders noch Z. Rhoses, Θεμελιώδεις δογματικαΙ Ά ρ χ α Ι της 'Ορθοδόξου 'Ανατολικής 'Εκκλησίας, wonach die Entscheidungen, die die O n h o d o x e Kirche seit dem 16. Jahrhunden gefällt hat, gleichermaßen zur verbindlichen Tradition dieser Kirche gehören wie die der Ökumenischen Synoden (S. 59, zitiert bei Gavin, Some aspects 29). Wenn Gavin diese Einschätzung für repräsentativ erklärt (ibd. 28. 207f.), dann trifft das schon für das 19. Jahrhundert nicht zu (vgl. ibd. seine eigene vorsichtige Aussage, Mesoloras „seems to imply", nur die Entscheidungen der ungeteilten Kirche seien im Vollsinn bindende Tradition, während Mesoloras selbst das ganz deutlich betont; s. a. ibd. 209, Anm. 1 Gavins Relativierung der Aussagen von Diomedes Kyriakos, der den „Bekenntnisschriften" des 17. Jahrhunderts absolute Geltung im Sinne der normativen Tradition abspricht) und für die Gegenwart erst recht nicht. ^ Mesoloras, Συμβολική 111. 78 u.a.; Androutsos, Συμβολική 10; Michalcescu, Θησαυρός 11; Karmires, DkS I 17. 22. 23 f. 29 neben συμβολικά μνημεία, Ausdrücken, die er vorzieht. ' Michalcescu, Θησαυρός 22.184. Diese Feststellung gilt auch, wo der Begriff „Symbolische Bücher" übergreifend gebraucht wird, so bei Mesoloras in unmittelbarer Anlehnung an westliche Vorbilder. Karmires unterscheidet bewußt auch terminologisch zwischen altkirchlichem Symbol und κατά συνθήκην so genanntem Symbolischem Buch, s. etwa DkS I 17; übergreifender Gebrauch gelegentlich aber auch bei ihm, s. ibd. 20). 5 Ibd. 17.

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Schluß

sind „kanonische, unumschränkt gültige, unverrückbare Richtschnüre des orthodoxen Glaubens"®; denn allein sie stellen die geschriebenen Zeugnisse der Überlieferung (παράδοσις) dar, in der sich die „Unfehlbarkeit der Kirche" (το άλάλητον της Ε κ κ λ η σ ί α ς ) ausdrückt'' und die darum denselben dogmatischen Rang besitzt wie die Heilige Schrift®. All dies gilt für die „Bekenntnisschriften" nicht. Zwar sind auch sie Lehraussagen, doch hinter ihnen steht nicht die ganze Kirche, repräsentiert durch ökumenische Synoden, sondern nur jeweils ein Teil von ihr, ein Lokalkonzil oder eine Einzelperson. Sie seien auch nicht thetische, nur auf sich selbst bezogene Darstellungen des christlichen Glaubens®, vielmehr würden sie geprägt vom Gegenüber zu den westlichen Gesprächspartnern, auf deren Fragen und Angriffe sie antworten. Diese Frontstellung gebe ihnen einen „relationalen" Charakter, insofern sie weitgehend darauf angelegt seien, Ubereinstimmungen und Unterschiede zur Position des Adressaten aufzuzeigen, und ihre Themen, in zunehmendem Maß auch ihre Terminologie und theologischen Kategorien aus diesem Kontext bezögen^^. Infolgedessen komme den „Bekenntnisschriften" nur „relative, an die Entstehungssituation gebundene Gültigkeit" (κϋρος σχετικόν, και,ρικόν, τοπικόν)ΐ^ zu; ihre Autorität bemesse sich daran, in welchem Maß sie die unfehlbare Überheferung der Kirche zum Ausdruck brächten^^. Selbst könnten sie Teil dieser Überlieferung nur werden, wenn eine ökumenische Synode sie prüfte, u . U . verbesserte und bestätigte^"*. Innerhalb dieser relativierenden Gesamteinschätzung lassen sich im Laufe der letzten hundert Jahre nun aber unterschiedliche Bewertungen finden^^. Man kann den „Bekenntnisschriften" einen „gewissen offiziellen" (επίσημος τις) Charakter zuschreiben^®, da sie Äußerungen kirchHcher Instanzen von repräsentativem Rang seien und darum „in gewisser Weise" (κατά τινα τρόπον) doch die ganze rechtgläubige Kirche oder wenigstens einen Großteil von ihr hinter sich hätten^''. Diese Tatsache gewährleiste, daß in ihnen die grundlegende

' ' 8 '

Ibd. I b d . ; ebenso M e s o l o r a s , Σ υ μ β ο λ ι κ ή 1 1 2 ; A n d r o u t s o s , Σ υ μ β ο λ ι κ ή 12. Karmires,DkSI17. Ibd. 20. Sie sind έν σχέσει zu den westlichen Lehren geschrieben, ibd. 17; s. a. A n d r o u t s o s , Σ υ μ β ο λ ι κ ή 13. " Karmires,DkSI21. " Ibd. 20. " M e s o l o r a s , Σ υ μ β ο λ ι κ ή 1 1 2 f. " Karmires,DkSI21. " Vgl. a. den Ü b e r b l i c k bei J u g i e , T h e o l o g i a I 671-679. Karmires, D k S 1 2 4 . " Ibd. 24; M e s o l o r a s , Σ υ μ β ο λ ι κ ή I 11. 115; dabei veranschlagt M e s o l o r a s den repräsentativen Charakter dieser Schriften höher als Karmires, der immer wieder ihre Situationsgebundenheit dagegensetzt; andererseits ist Karmires, gerade weil er sie f ü r weniger verbindlich hält, d a f ü r o f f e n , mehr D o k u m e n t e unter sie aufzunehmen.

Schluß

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„Kontinuität (συνέχεια) und Identität (ταυτότης) des orthodoxen Glaubens" gegeben sei^®. Auf der anderen Seite können sie als „zeit- und situationsgebundene theologische Gebilde des orthodoxen Bewußtseins" in seinem Selbsterhaltungskampf bezeichnet werden, als Produkte, die ihre Entstehung nur „ökumenischen Expansionsmöglichkeiten und Projektionsgelegenheiten" verdanken^^. Sie böten deshalb im wesenthchen eine Uberlagerung, wenn nicht gar Verfälschung der orthodoxen Wahrheit durch die theologische Perspektive und die Kategorien des "Westens, die sich nur als „Pseudomorphose" bezeichnen lasse^". So kann gar gefolgert werden, „daß heute kein orthodoxer Theologe mit wirklich unbeeinträchtigtem orthodoxen Gewissen je zugeben könnte, daß jene Bekenntnisse . . . die echte orthodoxe Anschauung und Lehre wiedergeben"^!. Die Bewertung der „Bekenntnisschriften" zieht eine entsprechende Einschätzung ihrer Aussagen über das jeweilige reformatorische Gegenüber nach sich. Je höher man sie einstuft, desto stärker muß man sich an diese Aussagen gebunden und jeden zukünftigen Kontakt mit evangelischen Kirchen in ihren Spuren sehen; wertet man sie dagegen in der zitierten Weise ab, kann nur der Schluß gezogen werden: „Unsere Kirche hat sich . . . weder offiziell noch durch einen Synodalbeschluß über die dogmatische Stellung . . . der protestantischen Kirchen geäußert" - eine Feststellung, die auch hinsichtlich der „päpstlichen Kirche" gelte, da all „diese Kirchen erst nach der . . . 7. ökumenischen Synode entstanden sind"^^, nach der Zeit also, in der es normative kirchliche Aussagen gegeben habe und der allein die orthodoxe Kirche treu geblieben sei. Es scheint, daß die letztgenannte Einschätzung der „Bekenntnisschriften" unter den orthodoxen Theologen heute überwiegt, ohne daß es allerdings zu einer Stellungnahme von kirchlicher Seite gekommen wäre. In dem Maß, in dem diese Auffassung die Oberhand gewinnt, verschiebt sich der Ort, an dem man die Differenzen zu den evangelischen, ja überhaupt zu den westHchen Kirchen sieht: Es handelt sich hier nun nicht mehr in erster Linie um eine Reihe inhaltlicher Gegensätze, sondern darum, daß „der Westen" Fragestellungen und theologische Perspektiven entwickelt habe, welche die Orthodoxie nicht teile. Der Vorwurf der „Neuerung" wird nun an dieser Stelle erhoben: Die westhche Christenheit habe sich nicht begnügt mit den Aussagen der Alten Kirche und neue Fragen aufgebracht samt neuen Mitteln, sie zu lösen, und entsprechende neue Antworten. Schon Patriarch Jeremias hatte den Tübingern vorgeworfen: „Euer Verstand steht nicht still", sei nicht zufrieden mit den Karmires,DkSI21. K a l o g i r o u , D i e Tätigkeit 101. F l o r o v s k y , Westliche Einflüsse 219. 222. 225. 229, ausgehend von entsprechenden „ Ü b e r l a g e rungserscheinungen" im Bereich der russischen Theologie. Alivisatos, E r ö f f n u n g s r e d e z u m Ersten K o n g r e ß für O r t h o d o x e T h e o l o g i e (1936), in: D e r s . (hg.), Procès-Verbaux 76. ^^ D e r s . , Ist die E i n b e r u f u n g einer Ö k u m e n i s c h e n S y n o d e möglich? Ibd. 260. "

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„festen Mauern" der Überlieferung^^, und so werden denn auch heute die „Schwankungen des westlichen Gedankens" und „die unveränderliche Wahrheit der väterlichen Orthodoxie" einander gegenübergestellt^'^. Jene Schwankungen gelten nicht notwendig als Willkür, man kann darin ein unvermeidliches Verhängnis sehen, insofern der Westen „durch eine besondere Geschichtsentwicklung in [sc. seine neuen] Fragen hineingedrängt wurde" eine Krankheit, die in den „Bekenntnisschriften" auch die Orthodoxe Kirche zu „vergiften" angesetzt habe^^. Solche Ansteckung sieht man in den Antworten Jeremias' IL noch am wenigsten gegeben. Denn wohl übernimmt der Patriarch einige westliche Fragen - etwa die nach der Zahl der Sakramente - und ein paar westhche Begriffe, doch weitgehend reiht er einfach patristisches Material aneinander, ohne auf die Aussagen seiner Briefpartner im einzelnen einzugehen. Gerade in dem Maß aber, in dem er sich „teilnahmslos" gegenüber deren Problemen zeigt, in dem er den Tübingern „vorbei und oberflächlich" antwortet, nicht insofern es zu einer wirklichen Begegnung mit ihnen kommt, müssen seine Schreiben als authentischer Ausdruck der orthodoxen Wahrheit gelten^''.

s. o. S.

342. Florovsky, Westliche Einflüsse 231 (Sperrung bei ihm). " Ibd. 230 im Anschluß an N . Gilarov-Platonov (vgl. Anm. 27). Ibd. 231. " Ibd. 230 wiederum mit einer Formulierung von N . Gilarov-Platonov, die den Beiträgen Patriarch Jeremias' und einem damit parallelisierten Phänomen aus dem Bereich der russischen Kirchengeschichte gilt. Florovsky stimmt dem Zitat „jedenfalls vom psychologischen Standpunkt aus gesehen" zu, es entspricht seinen eigenen im Kontext vorgebrachten Gedanken aber nicht nur unter psychologischem, sondern auch unter geschichtstheologischem Gesichtspunkt. Man könnte einwenden, Florovsky stelle fest, man dürfe nicht einfach „aus der Gegenwart oder aus der Geschichte verschwinden, vom Schlachtfeld abtreten". Bloße Ablehnung der „Pseudomorphose" und der ihr zugrunde liegenden westlichen Theologie genüge nicht mehr, vielmehr müsse der orthodoxe Christ das wesdiche Denken „überwinden", indem er „alle westlichen Schwierigkeiten und Anfechtungen erfühle und erleide" ; nur so könne die orthodoxe Theologie auf die westlichen Fragen „aus den Tiefen ihrer ununterbrochenen Erfahrungen . . . antworten und den Schwankungen des westlichen Gedankens die unveränderliche Wahrheit der väterlichen Orthodoxie gegenüberstellen" (ibd. 231). M . a . W . , es bleibt dabei, daß die geschichtliche Weiterentwicklung der Kirche, die sich nur im Westen ereignet habe, als beklagenswertes Verhängnis gilt, das rückgängig zu machen ist. Dies nun aber nicht mehr durch „Teilnahmelosigkeit" und „Oberflächigkeit", sondern durch die Überwindung von innen her. Es ist nun aber zweifelhaft, ob eine Teilnahme, die von vorneherein unter negativem Vorzeichen steht, sich nicht nur graduell von der Verweigerung des Gesprächs unterscheidet. Anders ausgedrückt, ist es überhaupt möglich, auf die Fragen eines anderen einzugehen, wenn zuvor bereits feststeht, daß sie nie hätten aufgeworfen werden dürfen? Auf jeden Fall kann es zu einer Teilnahme im Sinne einer Sachdiskussion nicht kommen, weil dadurch die Legitimität der behandelten Fragen anerkannt würde. Damit aber ist einer Antwort, die die Grundlage der „Überwindung" bilden soll, der Boden entzogen. Wird eine Antwort aber doch unternommen, dann ist derselbe Vorgang unvermeidlich, der sich schon in den Schriften des Patriarchen Jeremias beobachten läßt: Die „unveränderliche Wahrheit der väterlichen Orthodoxie" wird in einen anderen Zusammenhang geraten und nicht unverändert bleiben, sondern selbst „neu" werden.

Schluß

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So wäre denn Verständnislosigkeit ein positives Programm, der Verzicht auf Gespräche die konsequente Folgerung. Denn in der Tat führt jedes Bemühen um Verständnis, jede Aufnahme von Gesprächen zur Beeinflussung durch das Gegenüber; und das nicht nur, wenn man dessen Meinung übernimmt, sondern auch, wenn man sie ablehnt, da beides eine gemeinsame Argumentationsebene voraussetzt. Das gilt allerdings nicht erst für die orthodoxen „Bekenntnisschriften", sondern schon für die Entscheidungen der Alten Kirche: Auch sie sind „relationale" (σχετικός) Aussagen, antworten bestimmten historischen Gegnern und sprechen eine gemeinsame Sprache mit ihnen. Das gilt aber etwa auch für den Punkt, der als Inbegriff von außen unbeeinflußter Treue zur eigenen Lehre erscheint, für die Ablehnung des „filioque". Sobald das Nizänum diesem westlichen Zusatz entgegengestellt wurde, verstand man es unvermeidlich im Sinne des „a patre solo" und machte es so zur Antwort auf eine Frage, die das Bekenntnis ursprünglich gar nicht im Blick hatte. Wechselseitige Beeinflussung ist nun aber selbst dann unvermeidlich, wenn die Diskussion überhaupt verweigert und bloße Selbstdarstellung geboten wird. In dem Augenblick, in dem eine Gruppe sich der Existenz einer anderen mit eigenen Problemen und Lösungen bewußt wird, stehen ihre Aussagen unausweichlich dazu in einem Verhältnis und ändern insofern ihren Charakter. Beispielhaft deuthch wird das an Jeremias' Aussagen über die Liturgie: Der Kontakt mit Vertretern anderer Gottesdienstformen führt notwendig zu der Frage, welche Riten denn nun eigentlich unabdingbar dafür sind, daß man von einer Abendmahlsfeier sprechen kann - eine Frage, die ursprünglich Ausdruck „typisch westlicher" Sakramentenlehre ist. In der griechischen Tradition dagegen hat man die in der eigenen Kirche nun einmal vollzogene Liturgie im Auge, und sie wird demgemäß von dem Patriarchen einfach beschrieben. Im Gegenüber zu den Tübinger Briefpartnern aber wird die „westliche" unvermeidlich zur gemeinsamen Frage und die Beschreibung des Faktischen zur Antwort darauf, d.h. zur Angabe des notwendigen rituellen Quantums. Dasselbe gilt, wenn Jeremias den Ausführungen der Württemberger über Schrift und Tradition seinen faktischen, von jeder Reflexion über dies Thema unbelasteten Umgang mit der Uberheferung entgegenstellt; sein Vorgehen wird selbst zu einem Beitrag zu der „westlichen" Frage. Oder wenn er den Kapiteln der Tübinger über die RechtfertigungZitatezumProblemderchristlichenEthikvorhält.dannmögensie jenes Thema noch so „vorbei und oberflächlich" behandeln^®, sie liefern doch einen Beitrag dazu. Jeremias' Beiträge kommen zum großen Teil dadurch zustande, daß traditionelle Elemente der Selbstdarstellung sich nun eben im Kontext der Diskussion mit den Tübinger Lutheranern finden, weniger durch explizite Auseinandersetzung mit deren Argumenten. Solche Auseinandersetzungen mit reformatorischen Positionen gab es orthodoxerseits in größerem Maß erst im folgenden S. vorige Anm.

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Schluß

Jahrhundert. Der Unterschied ist aber nur gradueller Art, insofern nun bewußt akzeptiert wurde, was mit der Tatsache der wechselseitigen Bekanntschaft, dem faktisch bestehenden Gegenüber zu evangelischen Kirchen ohnehin gegeben war. Will man darin einen „Kampf um Selbstbehauptung" sehen^', dann wäre solche „Selbstbehauptung" nichts anderes als die Notwendigkeit, sich einem Kontext zu stellen, in dem man sich aufgrund bestimmter historischer Entwicklungen eben findet. Damit ist noch keine Bewertung der jeweiligen Aussagen selbst und der darin benutzten theologischen Mittel getroffen, doch kann das Eingehen auf „westhche" Fragen - und dasselbe gilt natürlich umgekehrt für die andere Seite - nicht schon als solches Verrat an der eigenen Sache sein. Überdies stellt sich dabei heraus, daß manche der „westlichen" Probleme gar nicht so „westlich" oder „neu" oder „westlich und neu" sind. War es für die Verfasser der orthodoxen „Bekenntnisschriften" unausweichlich, in den Kontext der Fragen ihres westlichen Gegenübers zu geraten, so wären Versuche dieses Gegenübers, sich auf die Problemstellungen der „unveränderlichen väterlichen Orthodoxie" zu beschränken, wie Patriarch Jeremias und die oben zitierten Stimmen es fordern, erst recht eine Selbsttäuschung. Denn eine solche Beschränkung hätte gar nicht denselben Stellenwert wie das ursprüngliche Auftreten der altkirchlichen Aussagen. Wenn etwa die Frage nach dem für ein Sakrament notwendigen rituellen Minimum einmal aufgekommen und im konfessionellen Vergleich unumgänglich geworden ist, wäre der bloße Rückgriff auf einen faktischen liturgischen Vollzug die Verdrängung jener Frage, nicht aber die Wiederholung eines Zustandes, in dem sie noch gar nicht aufgetreten war. U n d wenn westliche Kirchen das Nizänum ohne filioque sprechen, dann handelt es sich um ein Credo „minus filioque", wie das des Ostens seit Photios de facto ein Credo „plus a patre solo" ist, nicht aber um die Wiederherstellung der Situation von 381, die das hinter beiden Positionen stehende Problem gar nicht im Blick hat. Ein Rückgriff ist hier ebensowenig möglich wie z. B. im Fall der christologischen Aussagen der Zeit vor dem Ersten Ökumenischen Konzil: Was sich damals ohne weiteres sagen ließ, gewann im Rahmen der Fragestellungen des vierten Jahrhunderts einen anderen Charakter und war nicht mehr nachzusprechen, als habe es diese Fragestellungen nie gegeben. Es bleibt keine andere Wahl, als die jeweiligen Differenzen nach inhaltlichen, allen aufgetretenen Problemen Rechnung tragenden Kriterien zu lösen. Auf evangelischer Seite steht der bewegten orthodoxen Diskussion über den Rang, den Jeremias' II. Antworten mitsamt den übrigen „Bekenntnisschriften" besitzen, nichts gegenüber. Die lutherischen Beiträge zu der Korrespondenz mit dem Patriarchen werden auch kaum je herangezogen. Diese Tatsache hat einen historischen und einen theologischen Aspekt. "

S. o. Anm. 19.

Schluß

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Zunächst einmal bedeutet sie, daß man bislang nicht näher erörtert hat, in welchem Maß die Schriftstücke, die die Tübinger nach Konstantinopel schickten, als repräsentative Selbstdarstellung reformatorischer Theologie für orthodoxe Adressaten gelten kann. Dazu ist einerseits zu bemerken, daß der Patriarch eine Version der ersten und grundlegenden Bekenntnisschrift der lutherischen Reformation erhielt. Außerdem repräsentierten Andreae und die Männer um ihn das Luthertum ihrer Zeit in höherem Grad als sich das von irgendeiner anderen Person oder Gruppe sagen ließe: In ihnen standen den Griechen nicht nur alle leitenden Gestalten der württembergischen Kirche gegenüber, diese war vielmehr damals eine, wenn nicht die führende Größe innerhalb des lutherischen Lagers. Nicht umsonst spielte in denselben Jahren gerade Württemberg bei der Ausarbeitung der letzten lutherischen Bekenntnisschrift, der Konkordienformel, unter theologischen und kirchenpolitischen Gesichtspunkten eine Hauptrolle. Andererseits muß eingeräumt werden, daß die griechische Übersetzung der Confessio Augustana nicht identisch ist mit der lutherischen Bekenntnisschrift. Sie ist es nicht, weil sie dem Wortlaut nach von der approbierten Fassung abweicht - das viel diskutierte Problem des Verhältnisses von Editio princeps und Variata bzw. Variatae. Und sie ist es nicht, insofern der historisch-theologische Kontext, in dem das Bekenntnis abgelegt wurde, zu seinem Verständnis hinzugehört, dieser Kontext bei dem griechischen Gegenüber aber in vielen Punkten nicht derselbe war; es treten hier die Probleme auf, die schon hinsichtlich der orthodoxen „Bekenntnisschriften" angesprochen wurden, daß eben Beiträge zu einem Gespräch immer auch vom Gegenüber zum Gesprächspartner geprägt sind. Ferner wäre zu fragen, ob die Tübinger Antworten nicht eine schultheologische Verengung gegenüber der Gesamtheit der reformatorischen Theologie lutherischer Prägung bieten. Und natürlich gilt auch für sie, daß sie in einen Verständnishorizont gerieten, den sie selbst z . T . nicht voraussetzen. All dies ist in Rechnung zu stellen, wenn die lutherische Kirche heute bestimmen will, wie weit sie sich im Verhältnis zur Orthodoxie durch diese Schriften repräsentiert sieht. Daß man evangelischerseits so mit ihnen umgehen kann, ist ebenso wie die Tatsache, daß es über ihre Bedeutung nie eine der orthodoxen Diskussion über die „Bekenntnisschriften" entsprechende Debatte gegeben hat, Ausdruck einer prinzipiellen theologischen Vorentscheidung, die schon die Grunddifferenz der Tübinger Position gegenüber der des Patriarchen gebildet hatte: Danach besitzt jede kirchliche Aussage nur den Stellenwert eines Zeugnisses vom bibHschen Evangelium, kann sie keine Norm sein, die als solche akzeptiert werden müßnicht, daß es keine Abstufungen im Gewicht solcher Zeugnisse gäbe, doch sie haben ihren O r t innerhalb der Klammer, die sie alle relativiert - auch den Stellenwert der Tübinger Schreiben, wie immer das Urteil über ihre einzelnen Vgl. Kretschmar o. S. 337, Anm. 14.

406

Schluß

Aussagen ausfällt. Umgekehrt ist in dieser Vorentscheidung impliziert, daß das Evangelium zu allen Zeiten, in den verschiedensten historischen Kontexten Zeugnisse hervorruft, ohne daß der Fortgang der Geschichte, der zu solcher Verschiedenheit führt und Verkündigung und Lehre der Kirche mitbestimmt, in sich oder von einer bestimmten Epoche an als negativ gelten könnte^^. Es läßt sich kaum behaupten, die Tübinger hätten diese Prämissen ebenso wie auf die altkirchlichen Bekenntnisse und theologischen Konzeptionen auch auf die eigene Situation angewandt, sei es, indem sie die Aussagen des Briefpartners unter die Frage gestellt hätten, in welchem Maß sie als - gelungene oder mißlungene - Bemühungen zu verstehen seien, vom Evangelium in bestimmten geschichtlichen Lagen Zeugnis zu geben, sei es in stärkerer Ausrichtung des eigenen Zeugnisses auf das griechische Gegenüber^^. Solch konkrete Anwendung ist dem Dialog unserer Zeit vorbehalten. Doch wird damit nur die Konsequenz gezogen aus dem, was die Tübinger im Grundsatz schon Patriarch Jeremias vortrugen - und wird bei aller Erleichterung in vielen Einzelfragen der methodische Gegensatz verschärft zur Geltung gebracht. Dem Hinweis auf die „ein für allemal festgefügte Mauer" der altkirchlichen Tradition steht nicht weniger als im 16. Jahrhundert Andreaes Satz aus der Konkordienformel entgegen: Die Aussagen der Kirche aller Epochen hätten gleichermaßen Sinn und Grenze darin, daß sie „zeigen, wie jderzeit/singulis temporibus die Heihge S c h r i f t . . . in der Kirchen Gottes von den damals Lebenden vorstanden und ausgeleget worden"^^.

Zwar sehen die Tübinger den Anlaß, aus dem etwa Bekennmisse entstehen, in negativen Erscheinungen, nämlich im Auftreten von Häresien (vgl. Acta 153. 158, s. a. F C Epitome, B S E L K 769,8), doch die Fragen selbst, die im Laufe der Geschichte aufkommen und einerseits häretisch, andererseits im Bekenntnis beantwortet werden, sollen nicht, auch nicht wie für Florovsky von einem bestimmten Zeitpunkt an, illegitim sein - im Gegenteil, gilt doch etwa die Explikation des Glaubens unter dem Aspekt der Soteriologie, die die jüngste Vergangenheit im Widerstreit von rechter und falscher Lehre hervorgebracht habe, gerade auch dieser Perspektive nach als Fortschritt. ^^ Ansätze finden sich in der griechischen Übersetzung der Confessio Augustana und der Tübinger Beiträge, wo, wie gezeigt, Begriffe, die eindeutig aus dem Kontext der westlichen Theologiegeschichte stammen, z. T . durch nicht in dieser Weise vorgeprägte ersetzt werden. " F C Epitome, B S E L K 769,8.

Literaturverzeichnis Abkürzungen: Acta Beck BSELK CC Cr. TB MS TG CR DkS GL TB Karmires, O k P Meyer Sathas De statu WA

= = = = = = = = = = = = = =

Acta et Scripta theologorum Wirtembergensium . . . Beck, Kirche und theologische Literatur Die Bekenntnisschriften der evangelisch-lutherischen Kirche Crusius, Civitas Coelestis Crusius, Handschriftliches Tagebuch (Cod. Tybing. Mh 466) Crusius, Turcograecia Corpus Reformatorum Karmires (hg.), T à Δογματικά καΙ Συμβολικά Μνημεία Gerlach, Tagebuch Karmires, 'Ορθοδοξία και Προτεσταντισμός Meyer, Ph., Die theologische Literatur Sathas, Βιογραφικόν σχεδίασμα Chytraeus, Oratio . . . in qua de statu ecclesiarum . . . (1580) Luther, Werke (Weimarer Ausgabe)

I. Quellen a)

handschriftliche

Basel, Universitätsbibliothek: Briefsammlung 9. II 10'·' Krakau, Biblioteka Jagiellonska: no 788"" (früher Berlin, Staatsbibliothek: MS theol. lat. Quart. 98) Rom, Bibliotheca Vaticana: Cod. Barb. Graec. 390 Cod. Ottobon. Graec. 418 Stuttgart, Staatsarchiv: A 63, Bü 44. 55. Stuttgart, Württembergische Landesbibliothek: Cod. Hist. F. 552. 602 Tübingen, Universitätsbibliothek: Cod. Mh 466, 1-3

b)

gedruckte^

Acta et Scripta iheologorum Wirtembergensium, et Patriarchae Constantinopolitani D. Hieremiae: quae utrique ab anno MDLXXVI usque ad annum MDLXXXI de Augustana Confessione inter se miserunt: Graece et Latine ab iisdem theologis edita. Wittenberg 1584. Alberi, Eugenio (hg.), Relazioni degli Ambasciatori Veneti al senato. Serie III" (le relazioni degli stati Ottomani), Ed. 1-3. Florenz 1840 ·•• Für die Hinweise auf diese Handschriften und die Möglichkeit, Kopien zu benutzen, danke ich Thomas Wilhelmi, Berlin/Basel. Texte aus Quellensammlungen wie MPG, MPL, M G H und CSEL werden nicht eigens aufgeführt.

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Literaturverzeichnis

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Register Alberi, E. 136,139 Algermissen, К. 12 Alivisatos, H. S. 401 Altaner, В. 200, 302 Amann, E. 387 Amato, Α. 12,315 Ambrosius 345 Anastasios Sinaites (Ps.-) 200 Andreae, J . 1 1 , 2 3 , 3 3 - 3 6 , 3 9 - 4 1 , 4 2 , 4 3 , 4 4 f., 46,47,52,55,56,59-62,65,66,67,71,77, 80 f., 8 3 , 8 4 , 8 5 f., 8 7 - 8 9 , 9 4 f., 96 f., 98 f., 101 f., 103,104f., 1 0 6 , 1 0 8 , 1 1 0 , 1 1 1 , 1 1 2 , 116,117,119,122,124,128,132,148,150, 164,208,209,210,287,325,329,335,347, 348,362,364,368,372,374,375,377,383, 406 Androutsos, Chr. 399,400 Apestóles, M. 141 Aristoteles 3 7 , 2 7 5 Arsenios V. Tirnowa 42 Ashanin, Ch. 138 Athanasios 231 Augoustinos V. Elaia 12 Augustinus 2 0 0 , 2 2 4 , 2 2 7 - 2 2 9 , 2 3 4 , 2 7 5 , 3 2 8 , 345,371 Babinger, F. 141 Bakalopoulos, A. 1 2 , 1 3 9 , 1 4 1 , 1 4 2 Barlaam v. Kalabrien 2 ) 5 Banl, P. 1 3 5 , 1 3 9 , 1 4 0 , 1 4 1 Basileios 5 3 , 7 9 , 1 6 9 , 1 7 0 , 1 7 7 , 1 8 0 , 1 8 4 , 1 8 8 , 190,191,192,193,194,197,198,200,201, 202,205,259,263,298,307,308,337 Bathory, Stephan 358 Baur, J . 2 1 0 , 2 2 4 , 2 2 8 , 2 2 9 , 2 3 0 , 2 3 1 , 2 5 3 , 3 2 3 , 324,325 Beck, H . - G . 69 f., 7 5 , 1 7 4 , 2 5 5 , 2 6 5 , 2 6 6 , 2 7 7 , 343 Benz, E. 1 3 , 2 1 , 2 2 , 2 5 , 2 7 , 3 1 , 1 5 6 - 1 5 8 , 1 6 0 f . Betz,J.304 Beza, Th. 371, 375 Bibl, V. 32 Bibliander, Th. 375 Bidembach, E. 102,105, 108,132 Billerbeck, F. v. 144,351

Binswanger, K. 135 Bornert, R. 294 Brecht, M. 374 B r e n z , J . ( d . Ä . ) 59, 85, 123,355 Brenz,J.(d.J.)52,150 Brunner, P. 327, 3 2 8 , 3 3 0 , 3 3 1 Brunnius, A. 59,157 Bryennios,J. 180f., 1 8 9 , 2 0 0 , 2 0 1 , 2 0 5 , 3 1 2 Bucer, M. 372 Budowetz, W. 1 3 2 , 1 3 3 , 3 5 1 , 3 5 2 , 3 7 6 Busbecq, G. A. 137 Cahen, C. 135 Caloenius, L. 352 Calvin,]. 371, 376 Camerarius, J . 21 Campenhausen, H. v. 2 2 8 , 2 2 9 , 2 5 4 , 2 5 5 , 2 6 4 , 265, 272 Candal, M. 250 СареШ, Α. 106 Castell, Η. v. 108 Cesarini,J.213 Christoph V. Württemberg 108 Chrysanthos 69 f., 75,277 Chytraeus, D . 2 3 , 5 2 , 3 4 7 , 3 4 9 - 3 5 5 , 3 5 6 , 3 6 0 , 361, 371, 377, 378, 380, 387, 388, 391 Clajus,J. 156 Cless,V.25 Congar,Y. 311,312, 313 Costantelos, D . J . 333 Crusius, M. 1 1 , 1 4 - 1 7 , 1 8 , 2 2 , 2 4 , 2 9 f., 34 f., 3 7 - 1 5 1 pass., 1 6 4 , 1 9 7 , 1 9 8 , 2 0 0 , 2 0 3 , 2 0 4 , 2 2 5 - 2 2 7 , 2 7 4 , 3 0 1 , 3 1 0 , 3 2 8 f., 330,336,337, 340,347-370,371,372,374,375,378,379, 388,389,393,397 Cuperus, G. 136 Czernowicz, M. 92 Damaskenos Studites 42, 273, 277 Danaeus, L. 5 4 , 3 5 6 , 3 6 1 , 3 7 3 , 3 7 6 - 3 8 2 Darrouzès, J . 69f., 7 5 , 1 7 4 - 1 7 6 Decker-Hauff, H. 25 Demosthenes 71 Denzinger,H.288,309,313 Dihle,A.228,229,234 Dionysios II. 137

422

Register

Dionysios Areopagites 1 7 3 , 1 8 3 , 2 0 1 , 2 0 2 , 2 7 9 , 291 f. Dolscius, P. 2 2 , 1 5 6 - 1 5 8 , 1 6 1 f., 225,226, 348 f. Dorotheos (Ps.-) v. Monembasia 16,136,137, 140 Dositheos VIII. v. Jerusalem 11 Dresser, M. 348 Dulles, A. 330 Ebeling, G. 2 3 0 , 2 3 9 , 2 4 0 Eck, J . 19,20 Elert, W. 3 0 6 , 3 3 0 , 3 3 1 , 3 3 8 Elisabeth v. England 109f. Elze, Th. 2 6 , 3 1 , 3 2 f. Engels, W. 1 3 , 1 5 , 2 3 , 3 5 1 , 3 8 3 , 3 8 7 Eparchos, A. 2 1 , 2 6 Epiphanios 1 9 7 , 2 0 1 , 2 5 5 , 2 6 5 , 3 4 6 Erasmus v. Rotterdam 48 Eugenikos,M. 1 8 0 f . , 3 1 1 , 3 1 3 Eusebios 214 Fickler, J . B. 3 5 8 , 3 8 3 , 3 8 7 , 3 8 8 , 3 8 9 , 3 9 0 , 3 9 1 , 392,393,396 Florovsky,G. 1 3 , 4 0 1 , 4 0 2 , 4 0 6 Fraenkel,P. 1 8 , 2 0 , 2 1 , 4 9 Friedrich III. 141 Friedrich v. der Pfalz 109 Fugger, M. 356 f. Garijo-Guembe, M. 333 Gass, W. 182 Gauhe,J.F.31,116 Gavin, F. 399 Gedeon Kypriotes 359 Genebrardus, G. 376,389 Gennadios I. Scholarios 174 f. Gentile, G. v. 376 Georgi, С . 13,302 Gerlach, St. 1 4 , 2 9 , 3 1 - 1 2 0 pass., 121,122, 123,124,125,126,127,129,131,132,133, 135,136,137,139,140,144,145,146,147, 1 4 8 , 1 5 0 , 1 6 3 , 1 6 6 , 1 7 8 f . , 190,203,209,211, 2 1 2 , 2 4 9 , 2 7 3 , 2 7 4 , 2 8 7 , 2 9 2 , 3 0 0 f . , 347,350, 351,352,353,354,356,357,359,361,362, 365,366,367,370,371,373-382,391 Gilarov-Platonov, N. 402 Gill, J . 345 Goar, J . 333 Göz, W. 15 Goppelt, L. 272 Gorscius,J.358,389,392 Gouillard,J.294 Grane, L. 1 8 1 , 2 8 6 , 3 0 6 Gregor 1 . 2 6 5 , 3 1 2 Gregor X I I I . 357, 358,383, 385,396

Gregory. Nazianz 184, 197 Gregor V. Nyssa 98,231 Greshake, G. 228 Gretser, J . 384 G r u b e , W . 108f. Grynaeus,J.J. 3 4 9 , 3 7 1 , 3 7 8 Gürsching, H. 32 Guise, Claudius (Carolus) ν. 303 Hafenreffer, M. 32, 35, 45 Hager, M. 383, 386, 387, 391, 392, 393 Hailand, J . 4 1 , 4 5 , 58, 67 Halecki, О . V. 138 Hamel, A. 229 Hammer, J . v . 133, 138 Harlfinger, D . 15 Harnack, A. v. 224,228 Hausherr, 1.235 Heerbrand, J . 1 1 , 3 5 , 4 1 , 4 5 , 5 9 , 8 0 , 8 9 , 1 0 5 , 111, 1 1 2 , 1 1 3 , 1 1 9 , 1 2 4 , 1 2 5 , 1 2 8 , 1 3 1 , 1 3 2 , 133,150,330,349,350,355,361,363,371, 386, 3 8 7 , 3 9 3 , 3 9 4 , 3 9 6 Heineccius, J . M. 146 Heinrich V. Navarra 110 Hering, G. 1 2 , 1 8 , 1 9 , 2 1 , 2 2 , 2 3 , 2 5 , 1 3 5 , 1 5 6 Heydenreich, L. 125 Hierax75f.,125,363 Hieronymus 345, 394 Hierotheos ν. Monembasia 421 Hirsch, С . 34 Höhne W. 1 9 , 2 0 , 2 1 Hörmann,J.307,308,311,314 Hofmann, G. 3 4 , 4 2 , 1 3 7 , 2 1 3 , 383,397 Holl, К. 2 7 2 , 3 0 6 , 3 0 7 , 3 0 8 , 3 1 4 , 317 Homer 3 7 , 4 8 Hontems, J . 21 Horn, С. 375 Horning, W. 372, 373 Hotz, R. 1 2 , 1 7 6 , 2 7 3 , 2 7 5 , 2 8 3 , 2 8 4 , 3 0 0 Hübner, R. 231 Hypselantes, A. K. 16 Innozenz IV. 313 Irenaeus 231,301 Iserloh, E. 232 Iwand,H.211 Jäger, M. 108 Jakobos Basiliskos Herakleides 21, 27f. Jeremias II.Tranos 1 1 , 1 2 , 1 4 , 1 5 , 1 6 , 1 8 , 2 5 , 2 8 , 42 f., 4 4 , 4 5 , 4 6 , 5 1 , 5 2 , 5 3 , 5 4 , 5 5 - 5 7 , 5 8 , 5 9 , 6 0 , 6 1 , 6 2 , 6 3 f., 6 5 , 6 6 , 6 7 , 6 8 , 6 9 , 7 0 , 7 1 , 7 3 , 7 5 , 7 6 , 7 7 , 7 8 , 7 9 , 8 6 , 9 0 , 9 3 , 9 4 - 9 6 , 9 8 f., 100,103,105,108, I I I , 112,113,114,118, 119,122,123,124f., 126,127,128,129,130, 131,132,133,134,136,137,138,139,140,

Register 141,142,144,145,146,147,148f., 150,151, 153,154,155,156,163-346 pas., 348,349, 350,354,358,362f., 364,365,366,369,370, 371,373,378,379,380,381,382,383,384, 388,389,391,392,394,395,396-398,401 f., 403,404 Joannes XI. Bekkos 302 Joannes Chrysostomos 79,170,171,184,185 f., 187,188,191,192,197,200,201,202,25 If., 291 f., 295,317, 323,324, 337,346 Joannes Damaskenos (z. T. Ps.-) 75,79,179, 181,201,255,261,262,303,346 Joasaph II. 19,22,28,366 Job Hamartolos 277 Jonas, J. 320 Jorga, N. 136,141 Jorgenson, W. 13,156,174, 273, 329 Jugie,M. 12,164,175f., 181,182,243,256, 273,277,285,286,287,288,289,298,299, 302, 309,310, 312,313, 314,315, 324,400 Kabasilas, N. 182f., 201, 231, 242, 293-295 Kabasilas, S. 51,117,123,144,145,146,147f., 151,152,204,273,355,363,367 Kalogirou,J. 401 Kantakuzenos, M. 115,136,138 Karl V. 21,30,155 Karmires,J. 13,22,28,29,151,162-346 pas., 393,399,400,401 Kattenbusch, F. 12 Klein, L. 317 Klemens VIII. 141 Kneschke,E.-H.31,116 Knös,B. 16,28 Koch, H. 314 Kolde,Th. 157 Konstantin I. 141 Koopmans,J.20,211 Koury, E. I. 109 Kresten, 0.15,37,139,141 Kretschmar,G.12,13,22,23,28,155-159, 161,253,255,288,290,304,323,324,325, 337, 405 Krimm, H. 32 Kyriakos, D. 399 Kyrill V. Alexandrien 183, 197, 201 Kyrill I. Loukaris 125,371 Lamansky, V. 139,140 Lamius, J. 303 Langerbeck, H. 229, 231 Laourdas, B. 141 Lapithes, G. 174-177,201,277,278,282,283, 327 Laurentin, R. 253,255

423

Lauriotes, K. 16 Legrand, E. 15,16,23,69,91 f., 146,147,274, 379 Leontios V. Jerusalem 302 Lestarchos, M. H. 72 Leyser,P. 118,346 Lieberg, H. 328, 330 Ligier, L. 306, 308, 309 Lindanus, G. 383,387,388,390,391,392,393, 396 Lindbeck, G. 330 Lismaninus, F. 25 Loewenich, W. v. 254,264 Lohse,B.306,317,318, 320 Ludwig V. Hessen 108 Ludwig V. Württemberg 33,35 f., 38,62,67,81, 83,84,93,94,96,103 f., 106,108-111, 112f., 119f., 122,128,129,131,148,149, 150, 347, 369,372f.,393 Luther, M. 18-21,24,26,28,29,60,82,125, 144,156,209,210,250,265,286,328,374, 376 Mager, J. 131, 132 Mahlmann, Th. 211,301 Malaxos, M. 360 Malina, S. 26 Mancinelli, G. 137,383,386 Manoussakas, M. I. 25 Marbach, J. 372 Marshall, F. H. 16 Mastrantonis, G. 13, 151 Maurer, W. 48,155, 269 Maximilian 1.141 Maximilian 11.32,37,91, 109 Mecenseffy,G.31,32, 33 Meester, P. de 308, 309 Mehe4intu, V. 12, 340, 341 Mehmed der Eroberer 141 Melanchthon, Ph. 18 -22,23,24,26,27,28,31, 34,48,49,51,155-162,168,169,225,226, 230,253,307,316, 328,361,366 Meletios V. Athen 16 Mertzios,D. 137,138 Mesoloras,J. 12,399,400 Methodios v. Melenikos 124 Metrophanes III. 100,111,118,130, 131,132, 133f., 136f., 139,140, 145 Metrophanes v. Berrhoia 117f. Meyendorff,J.278 Meyer, H. 178,253,255,330 Meyer.Ph. 12,13,16,28,29,42,137,151,172, 174,181,189,200,205,273,303,344,350, 371,384

424 Michael VIII. Palaiologos 277,302, 309 Michalcescu,J.399 Mindonios, L. 78, 79,117,273,363 Moravscik, G. 16 Mühlenberg, E. 228,231 Müller, L. 25 Müller-Streisand, R. 374 Mylius,J. 156 Mylonius, N . 388 Mysos, D. 22,28,157,162 Mystakides, B. 15 Neander, M. 71, 92, 350, 351, 352f., 355, 360 Neck, R. 120,121 Neill, St. 13 Nektarios3I7 Neuser, A. 374-376,377,380 Nikolaus I. 333 Nukios, N . 26 f. Oikonomos, K. 29 Onasch, K. 334 Orígenes 197 Oslander, L. 11,36,81 f., 84,86,95,102,103 f., 105f., 108,111,112,119,124,126,128,131, 132,144,149f., 197,198,357,373,388 Palamas, G. 215,222,243,250,261,342 Pannenberg, W. 212,231 Papadopoulos, Chr. 13 Papadopullos, Th. 16,69 f., 75 Pappus, J. 372 Paranikas, M. 69, 72 Patrinelis, Gh. 15 Pegas, M. 371 Pelagius 228 Pelargus, Chr. 350 Perusiates, P. 117 Petit, L. 42,180f. Photios 297,333 Pirrí, P. 137, 383,386 Planck,]. 347 Podskalsky, G. 215,343,344 Porto, Ac. 379 Porto, F. 25, 377,378,379 Possevinus, Α. 388 Preger,Th. 16 Preiner, F. 143,144,357 Pressel,Th. 80f.,83,95,150 Prokopios, D. 16 Ptolemaios, Ph. 367 Rackl, M. 200 Reginaldus, G. 374 Reuchlin,J.48 Rhoses, Z. 399 Rhusanos,P.28f.

Register Richard, M. 200 Ritsehl, 0 . 2 3 0 Rosa, P. 144 Rouse, R. 13 RudolfII.119,129 Rufinus214 Runciman, St. 12,41,42,53,134,135,136,141, 142,344,383 Sambucus, J. 92 Sathas, K. N . 16,42 Schaeder,H. 13,55,141 f., 156,181,197,268, 370 Scherer, G. 358,383,387,388,389,390,391, 392, 393 Schi]lebeeckx,E.333 Schindler, A. 224,229,231 Schmeisser,J. 127,132,144 Schmid, W. 15 Schnepf, J. 35,45,105,125,131,132,150,198 Schnurrer, Chr. F. 33 Schönborn, Chr. V. 201,255,262 Scholarios, G. 302,309,311 Schütte, H . 178, 253,255,330 Schwarz, J. 58 Schweicker, S. 14,29,92,116,120-123,125, 126,127f., 132,133,134,144 f., 148,353, 356,370 Seeberg, R. 224,228,229,231,250,309 Seils, M. 248 Selim 11.31 Servet, M. 375, 376 Severos, G. 142,273,299f., 317 Sintzendorff, J. v. 116,120,133,351 Skordylios,Z. 303 Socolovius, St. 150,186,355,358,368,369, 383,384-386,387,388,389,390,391,392, 397 Sohm, W. 372 Sokolli,M. 136,138 Sokratesl97,213 Sophocles, E. Α. 309 Sozomenos 214 Spam, W. 210,229 Spular, B. 31,32,37,92,133,143 Stalin, C h . v . 108-110 S t e i t z , G . E . 12,179, 300, 302 Strohl, H . 372,373 Struve, B. B. 376 Sturm, J. 37,49,372 Stytzel,J. 132 Sunobiggius, Th. 387 Sylburg, F. 156 Sylvan, J. 375

Register S y m e o n v . Thessaloniki 166,167,168,173,174, 175,176 f., 2 0 1 , 2 0 9 , 2 7 7 , 2 7 9 , 2 8 2 , 2 8 6 , 2 8 9 , 2 9 3 , 3 1 4 , 3 2 6 , 327,332, 334 Symeon Metaphrastes 201 T a m b o r r a , A . 139,142 Theodoret v. Kyros 197 Theophylakt v. Ochrid 24 Thomas v. Aquin 2 0 0 , 2 5 1 , 2 5 8 , 2 7 5 , 2 8 3 , 3 0 3 , 309,345 Thümmel, H . G. 262 Tbukydides, 37, 48 f h u m m . Th. 325 Tiftixoglu, V. 343 Tsirpanlis, C. 13,138 Tzirakes, N . 12,299,300, 3 0 2 , 3 0 3 , 3 0 4 Ungnad, Chr. 31 Ungnad, D. 31 - 3 7 , 4 0 , 5 2 , 7 0 , 1 1 1 , 1 1 2 , 3 4 7 , 351,381 Ungnad, J . 31 Uthemann, K.-H. 201 Valerius 328 Vernier, M. 139 Wagner, G. 311 W a l c h , ] . G. 374 Walter, Chr. 343

425

Wendebourg,D. 1 5 5 , 1 5 8 , 1 6 0 , 1 7 4 , 1 7 5 , 2 2 1 223,250,277,287 Wesel-Roth, R. 375 Widmann, H. 37 Wilhelmi, Th. 38,349 Witrowski, P. 375 W o l z o g e n , J . v . 5 8 , 6 5 , 9 0 , 129, 130, 132, 150 Wolzogen, M. V. 132 Xanthopoulos, N. K. 24 Zabiras, G. I. 21 Zachariades, G. 13,15 Zakythinos, D. A. 16 Zonaras,J. 184,201 Zygomalas, J. 41,42 f., 58 f., 6 4 , 6 5 , 6 9 - 7 1 , 7 2 , 73 f., 78,79,81 f., 83,89f., 91 - 9 3 , 9 9 , 1 0 1 , 102,103,105f., I l l , 116,119,123,125f., 141,145,178,204,273,344,360,363,369f., 379 Zygomalas, Th. 1 6 , 4 1 , 4 5 , 5 8 f., 6 5 , 6 9 , 7 0 , 7 1 74,79,81 f., 83,89 f., 99,102 f., 105,106, 114,115,116,119,123,125f., 127,128f., 1 3 1 , 1 3 2 , 1 3 3 , 1 3 4 , 1 4 1 , 1 4 5 , 1 4 6 f . , 148, 150f., 344,353,355,356,360,361,363, 369f.,391

Heiko Α. Oberman

Die Reformation V o n W i t t e n b e r g nach G e n f . 1986. 310 Seiten, k a r t o n i e r t D e r b e k a n n t e langjährige T ü b i n g e r Mittelalter- u n d R e f o r m a t i o n s h i s t o r i k e r hat f ü r dieses Buch seine wichtigsten r e f o r m a t i o n s g e s c h i c h t l i c h e n A u f s ä t z e so bearbeitet, d a ß sich eine f a c e t t e n r e i c h e vergleichende Z u s a m m e n s c h a u d e r R e f o r m a t i o n s i m p u l s e Luthers, Zwingiis und Calvins u n d d e r zeitgenössischen katholischen Kritik ergibt. Wie schon die b e k a n n t e n bisherigen Bücher des Verfassers stecken auch diese Arbeiten voller Impulse und a n r e g e n d e r Einsichten, sie sind eine fesselnde Lektüre.

Viorel Mehedintu

Offenbarung und Überlieferung N e u e M ö g l i c h k e i t e n eines Dialogs zwischen d e r o r t h o d o x e n und d e r evangelisch-lutherischen Kirche. ( F o r s c h u n g e n z u r systematischen und ö k u m e n i s c h e n T h e o l o g i e , Band 40.) 1980. 352 Seiten, k a r t o n i e r t „ D a s Buch ist ein sehr wichtiger Beitrag zum o r t h o d o x - e v a n g e l i s c h e n Dialog. Es ist nicht n u r das T h e m a . O f f e n b a r u n g und U b e r l i e f e r u n g ' - H a u p t p u n k t o r t h o d o x - e v a n g e l i s c h e r A u s e i n a n d e r s e t z u n g e n seit d e r E n t s t e h u n g der R e f o r mation - , welches die Wichtigkeit der Arbeit a u s m a c h t , s o n d e r n die systematische und detaillierte B e h a n d l u n g all jener Fragen, die jeden D i a l o g b e t r e f f e n . " Ökumenische Rundschau

Christos Yannaras

Person und Eros Eine G e g e n ü b e r s t e l l u n g d e r O n t o l o g i e d e r griechischen Kirchenväter und d e r Existenzphilosophie des W e s t e n s . Aus dem Griechischen von Irene H o e n i n g . ( F o r s c h u n g e n z u r systematischen und ö k u m e n i s c h e n T h e o l o g i e , Band 44). 1982. 287 Seiten, k a r t o n i e r t „Christos Yannaras entfaltet in diesem Buch eine a u s f ü h r l i c h e O n t o l o g i e auf d e r G r u n d l a g e d e r o r t h o d o x e n T h e o l o g i e d e r g r o ß e n K a p p a d o z i e r Basilios, G r e g o r von Nyssa und G r e g o r von N a z i a n z . Im ständigen kritischen G e s p r ä c h mit den wichtigsten westkirchlichen T h e o l o g i e n und mit ihren o n t o l o g i s c h e n Implikationen und in sympathetischer, wenngleich auch hier nicht u n k r i t i s c h e r A u f n a h m e d e r M e t a p h y s i k M a r t i n H e i d e g g e r s stellt er ein V e r s t ä n d n i s von P e r s o n , Beziehung, N a t u r und Sein dar, das bisher noch nicht in unseren Diskussionen p r ä s e n t war. D a s Buch ist auch f ü r das ö k u m e n i s c h e G e s p r ä c h von großer Bedeutung." Jürgen Möllmann

Vandenhoeck & Ruprecht · Göttingen und Zürich

Forschungen zur Kirchen- und Dogmengeschichte Eine Titelauswahl 38 Ruth Albrecht · Das Leben der heiligen Makrina auf dem Hintergrund der Thekla-Traditionen Studien zu den Ursprüngen des weiblichen Mönchtums im 4. Jh. in Kleinasien. 1986. 473 Seiten, geb.

28 Bernhard Brons Gott und die Seienden Untersuchungen zum Verhältnis von neuplatonischer Metaphysik und christlicher Tradition bei Dionysius Areopagita. 1976. 346 Seiten, kart.

36 Emst Feil · Religio Die Geschichte eines neuzeitlichen G r u n d begriffs vom Frühchristentum bis zur Reformation. 1986. Ca. 228 Seiten, kart.

27 Johann Gh. Emmelius Tendenzkritik und Formengeschichte Der Beitrag Franz Overbecks zur Auslegung der Apostelgeschichte im 19.Jahrhundert. 1975. 321 Seiten, kart.

35 Samuel Vollenweider Neuplatonische und christliche Theologie bei Synesios von Kyrene 1985. 234 Seiten, kart. 34 Martin Nicol · Meditation bei Luther 1984. 195 Seiten, kart. 33 Wilhelm-Ludwig Federlin Vom Nutzen des Geistlichen Amtes Ein Beitrag zur Interpretation und Rezeption J o h a n n Gottfried Herders. 1982. 281 Seiten, kart. 32 Jan Badewien · Geschichtstheologie und Sozialkritik im Werk Salvians von Marseille 1980. 211 Seiten, kart.

26 Martin Schloemann Siegmund Jacob Baumgarten System und Geschichte in der Theologie des Übergangs zum Neuprotestantismus. 1974. 302 Seiten, kart. 25 Adolf Martin Ritter Charisma im Verständnis des Johannes Chrysostomos und seiner Zeit Ein Beitrag zur Erforschung der griechisch-orientalischen Ekklesiologie in der Frühzeit der Reichskirche. 1972. 232 Seiten, kart. 24 Oswald Bayer · Promissio Geschichte der reformatorischen Wende in Luthers Theologie. 1971. 376 Seiten, kart.

31 Rudolf Lorenz · Anus judaizans? Untersuchungen zur dogmengeschichtlichen Einordnung des Arius. 1979. 227 Seiten, kart.

23 Ekkehard Mühlenberg Apollinaris von Laodicea 1970. 257 Seiten, kart.

30 Henning Graf Reventlow Bibelautorität und Geist der Moderne Die Bedeutung des Bibelverständnisses f ü r die geistesgeschichtliche und politische Entwicklung in England von der Reformation bis zur Aufklärung. 1980. 716 Seiten, geb.

22 Werner Affeldt Die weltliche Gewalt in der Paulus-Exegese Römer 13,1-7 in den Römerbriefkommentaren der lateinischen Kirche bis zum Ende des 13.Jahrhunderts. 1969. 317 Seiten, kart.

29 Henning Paulsen • Studien zur Theologie des Ignatius von Antiochien 1978. 226 Seiten, kart.

21 Helmut Roscher Papst Innocenz III. und die Kreuzzüge 1969. 323 Seiten, kart.

Vandenhoeck & Ruprecht · Göttingen und Zürich